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German Pages 425 Year 2000
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 830
Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis Zugleich ein Beitrag zur Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses“
Von Thomas Meysen
Duncker & Humblot · Berlin
THOMAS MEYSEN
Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 830
Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältms Zugleich ein Beitrag zur Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
Von Thomas Meysen
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meysen, Thomas: Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis : zugleich ein Beitrag zur Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" / Thomas Meysen. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 830) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10114-6
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10114-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. im Sommersemester 1999 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung wurde die Arbeit aktualisiert; Rechtsprechung und Schrifttum sind bis September 1999 berücksichtigt. Die Untersuchung zur Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" nimmt sich eines vielschichtigen Konglomerats von Rechtsfragen mit oftmals disparaten Teilaspekten an, das auf der Schnittstelle zwischen zwei Teilrechtsordnungen liegt. Die Arbeit unternimmt insgesamt den Versuch, das „Trennungsdenken" zwischen Privatrecht und Öffentlichem Recht nicht weiter künstlich zu befördern, sondern angesichts komplexer Problemlagen in der Praxis im Wege systematischen Denkens und Argumentierens den größtmöglichen Nutzen aus beiden Teilrechtsordnungen zu ziehen. Größter Dank gilt meinem Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Friedrich Schoch fur die Betreuung, Begleitung und intensive Auseinandersetzung mit der Arbeit. Seine Bereitschaft, mich in den Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent an seinem Lehrstuhl jederzeit zu fördern und zu unterstützen, ist fur mich von unschätzbarem Wert. Die Energie, die sein Schaffen prägt, und die Offenheit fur Anliegen anderer, die er auch bei seiner außergewöhnlichen zeitlichen Beanspruchung nie verliert, sind für mich zu einem täglichen Ansporn geworden und werden es bleiben. Zu herzlichem Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Peter Schlechtriem fur die Anfertigung des Zweitgutachtens. Seine intensive Analyse und vertiefte Begutachtung vor allem der privatrechtlichen Aspekte der Arbeit haben mir zahlreiche Anregungen gegeben und Einsichten vermittelt, die in die Druckfassung der vorliegenden Arbeit eingegangen sind.
Freiburg, im Oktober 1999
Thomas Meysen
Inhaltsübersicht Erstes Kapitel Einleitung I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis 1. 2. 3. 4.
Traditionelle Anwendungsfelder Neue Anwendungsfelder Fallgruppen in der Literatur Fazit
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
19 19 20 27 30 32 33
1. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" zwischen richterlicher Rechtsfortbildung und Tradition 2. Anforderungen anrichterliche Rechtsfortbildung
33 42
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Verwaltungsrechts
46
1. System des Staatshaftungsrechts 2. Verwaltungsrechtlicher Bezugsrahmen
46 48
Zweites Kapitel Analyse der Rechtsprechung I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
55 55
1. Uneinheitlichkeit der Terminologie
55
2. Beschränkung der Analyse
56
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" 1. Anstalts- und Benutzungsverhältnisse 2. Personenbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse 3. Öffentlich-rechtliche Verwahrung 4. Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag 5. Rechtsverhältnis zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung 6. Kostenerstattung für die Herstellung von Personalausweisen 7. Weitere Anwendungsfelder III. Rationalitäten der Rechtsprechung zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" 1. Methode der Anwendung von Zivilrecht im Öffentlichen Recht
73 73 87 102 110 134 134 138 141 141
8
Inhaltsübersicht
2. Sachliche Begründung - Eingrenzungskriterien für „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" 144 3. Ausfüllen einer planwidrigen Lücke im Öffentlichen Recht 212 4. Zwischenergebnis 275 Drittes Kapitel Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
277
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung zur Anwendung von BGB-Schuldrecht im Öffentlichen Recht 277 1. Gewohnheitsrechtliche Anerkennung 2. Gesetzes-bzw. Rechtsanalogie (gesetzesimmanente Rechtsfortbildung).. 3. Heranziehung von Rechtsgrundsätzen (gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung) 4. Unterschiede zwischen Analogieschluß und Heranziehung von Rechtsgrundsätzen
277 282 286 297
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht und Lückenhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs 299 1. Anspruchsgrundlagen - Selbststand des Verwaltungsrechts 299 2. Vorschriften zu speziellen Schuldverhältnissen des Schuldrechts Besonderer Teil 314 3. Haftungsmodalitäten 335 4. Haftungsbeschränkungen „ 345 5. Leistungsbestimmung nach §§ 315 ff. BGB 350 6. Kurzzusammenfassung 351 III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung 1. Verwaltungsrechtsverhältnis als Ordnungsrahmen 2. Haftungsregime im Verwaltungsrechtsverhältnis 3. Haftungsregime im vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnis IV. Grenzenrichterlicher Rechtsfortbildung
352 352 356 357 360
1. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes
360
2. Einzelne „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse"
361
V. Rechtsfolgen der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
374
VI. Konkurrenzen
375
VII. Rechtsweg
379 Viertes Kapitel Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis Sachwortverzeichnis
384 389 417
Inhaltsverzeichnis Erstes Kapitel Einleitung
19
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis 1. Traditionelle Anwendungsfelder
20
a) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse b) Personenbezogene Rechtsbeziehungen, insbesondere Beamtenverhältnisse c) Öffentlich-rechtliche Verwahrung d) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag e) Öffentlich-rechtliche culpa in contrahendo 2. Neue Anwendungsfelder a) b) c) d)
19
20 22 23 24 26 27
Personalausweisrecht Zivildienstrecht und andere Fälle der Beleihung Privater Hochschulrecht Wahlrecht
27 28 29 29
3. Fallgruppen in der Literatur
30
4. Fazit
32
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis 1. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" Rechtsfortbildung und Tradition
zwischen
33 richterlicher
a) Lückenhaftigkeit des Staatshaftungsrechts b) Rückgriff auf Zivilrecht c) Probleme einer Rechtsfortbildung qua Tradition 2. Anforderungen anrichterliche Rechtsfortbildung a) Bedürfnis einer Rechtsfortbildung b) Inhaltlicher Zugriff c) Rechtstechnik bei richterlicher Rechtsfortbildung im „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis"
33 33 37 41 42 42 45 46
10
Inhaltsverzeichnis
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Verwaltungsrechts 1. System des Staatshaftungsrechts 2. Verwaltungsrechtlicher Bezugsrahmen a) Handlungsform b) Verwaltungsrechtsverhältnis aa) Extremposition: kein Nutzen bb) Extremposition: Ablösung der Handlungsformenlehre cc) Komplementarität zwischen Handlungsformen- und Verwaltungsrechtsverhältnislehre c) Verwaltungsrechtsverhältnis als möglicher Bezugsrahmen
46 46 48 48 50 50 51 51 54
Zweites Kapitel Analyse der Rechtsprechung I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" 1. Uneinheitlichkeit der Terminologie 2. Beschränkung der Analyse a) Öffentlich-rechtlicher Vertrag b) Rechtsverhältnis bei Vorverhandlungen zum Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags aa) Culpa in contrahendo als „Vorschrift des BGB" i. S. d. § 62 S. 2 VwVfG bb) Anwendbarkeit des § 62 S. 2 VwVfG trotz fehlenden Vertragsschlusses cc) Abgrenzung des vorvertraglichen von sonstigem Kontakt im Öffentlichen Recht
55 55 55 56 57 60 61 64 65
c) Steuer- und Abgabenschuldverhältnisse
68
d) Sozialrechtsverhältnisse
70
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" 1. Anstalts- und Benutzungsverhältnisse a) Historische Entwicklung b) Anwendungsfälle c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik und inhaltliche Begründung bb) Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) cc) Satzungsmäßige Haftungsbeschränkungen dd) Kaufvertragsrecht und andere Vertragstypen des BGB Schuldrecht Besonderer Teil
73 73 73 75 77 77 80 82 86
Inhaltsverzeichnis
2. Personenbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse a) Historische Entwicklung b) Anwendungsfälle c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik und inhaltliche Begründung bb) Anspruchsgrundlagen (1) „Allgemeine" Fürsorgepflichtverletzungen (2) Verzug und Verzugszinsen, §§ 284 ff., § 288 Abs. 1 BGB u. a cc) Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) 3. Öffentlich-rechtliche Verwahrung a) Historische Entwicklung b) Anwendungsfälle und Wesen der öffentlich-rechtlichen Verwahrung c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze
87 87 91 93 93 95 95 97 98 102 102 104 106
aa) Methodik und inhaltliche Begründung 106 bb) Vorschriften über den Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) 107 cc) Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) 110 4. Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag a) Historische Entwicklung b) Anwendungsbereich und Fallgruppen
110 110 112
aa) Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Go A 112 bb) Fallgruppen 114 c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze
115
aa) Methodik 115 bb) Inhaltliche Begründung zur Übernahme der Legitimationsfunktion 117 (1) Legitimation beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger 117 (2) Legitimation beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten 120 (3) Legitimation beim Handeln eines Privaten fur einen Verwaltungsträger 125 cc) Inhaltliche Begründung zur Übernahme der Ausgleichsfunktion.
128
(1) Ausgleich beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger 128 (2) Ausgleich beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten 130
12
Inhaltsverzeichnis
(3) Ausgleich beim Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger 133 5. Rechtsverhältnis zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung 6. Kostenerstattung für die Herstellung von Personalausweisen 7. Weitere Anwendungsfelder
134 134 138
a) Verwaltungsrechtsverhältnisse bei der Übertragung von Aufgaben auf Private 138 b) Sonstige Verwaltungsrechtsverhältnisse 139 c) Exkurs: Rechtsverhältnisse zwischen Wahlbewerbern 140 III. Rationalitäten der Rechtsprechung zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" 141 1. Methode der Anwendung von Zivilrecht im Öffentlichen Recht
141
a) Unmittelbare Anwendung oder Anwendung kraft positivgesetzlicher Anordnung 142 b) Analogie oder Heranziehung von Rechtsgrundsätzen 143 2. Sachliche Begründung - Eingrenzungskriterien für „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" 144 a) „Besonders enges Verhältnis" und „Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten" 144 b) Eingrenzungsversuche der Literatur 149 aa) Korrespondierende Leistungspflichten und Berechtigungen (Simons) bb) Verletzung privater Forderungsrechte des status positivus (Papier) cc) Öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis mit Haupt- und Nebenpflichten (Windthorst) dd) Haftungsrechtliche Erfassung der Interessenlagen in Sonderrechtsbeziehungen (Koenig) c) „Schuldverhältnis" als Ordnungsgröße aa) Merkmale des Schuldverhältnisses im Zivilrecht ( 1 ) Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinne (2) Wirkungen des Schuldverhältnisses - relative und absolute Rechte (3) Unterscheidung rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Schuldverhältnisse (4) Elemente Leistung, Forderung und Anspruch (5) Definitionsversuche (6) Gemeinsamkeiten aller Schuldverhältnisse
149 151 152 153 154 155 155 156 158 160 162 163
bb) Merkmale zivilrechtlicher Schuldverhältnisse in Verwaltungsrechtsverhältnissen 163 (1) Bedeutung des Rechtsverhältnisses im Zivilrecht und im Öffentlichen Recht 165 (2) Verwaltungsrechtsverhältnis als Schuldverhältnis 166
Inhaltsverzeichnis
d) Vertragsähnlichkeit als Gemeinsamkeit
171
aa) Kriterien der Vertragsähnlichkeit von Verwaltungsrechtsverhältnissen 173 (1) Formale Kriterien
173
(a) Handlungsform bzw. Begründungsakt des Verwaltungsrechtsverhältnisses 173 (b) Formenwahlrecht der Verwaltung 175 (2) Eingruppierungen
176
(a) Differenzierung nach Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung 176 (b) Dauerrechtsverhältnisse als vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse 177 (3) Inhaltliche Kriterien bb) Vertragsähnlichkeit Schuldverhältnisse"
der
177 einzelnen
„verwaltungsrechtlichen
( 1 ) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse (2) Beamtenverhältnisse
179 179 183
(a) Vergleich mit Arbeitsverhältnissen in der Privatwirtschaft 184 (b) Vergleich mit dem privatvertraglichen Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst 190 (3) (4) (5) (6)
Wehr-und Zivildienstverhältnisse Strafgefangenenverhältnisse Schulverhältnisse Rechtsverhältnisse zwischen Prüflingen und Prüfungsbehörde (7) Öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse (8) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag (9) Verwaltungsrechtsverhältnisse bei der Herstellung von Personalausweisen ( 10) Beleihungsverhältnisse (11) Rechtsverhältnisse bei informellen Absprachen ( 12) Schlußfolgerungen 3. Ausfüllen einer planwidrigen Lücke im Öffentlichen Recht a) Unzulänglichkeiten des Amtshaftungstatbestands aa) Historischer Kontext bb) Amtshaftung zwischen deliktischer und vertraglicher Haftung ....
194 195 199 202 204 207 207 208 209 211 212 214 214 216
(1) Unterscheidung nach deliktischer und vertraglicher Haftung im Zivilrecht 216 (2) Einordnung der Amtshaftung 217
Inhaltsverzeichnis
b) Nachteile und Vorteile der Amtshaftung gegenüber vertraglicher Haftung 219 aa) Haftungsrechtlicher Täter und Zurechnung des Verschuldens für Erfüllungsgehilfen 219 ( 1 ) Auslegung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs 219 (2) Vergleich mit der Verschuldenszurechnung von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB 224 bb) Sanktioniertes Verhalten, Schutzgut cc) Drittbezogenheit der Amtspflicht dd) Verschuldensmaßstab ee) Kausalität ff) Beweislast gg) Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen (1) (2) (3) (4) (5)
Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) Richterspruchprivileg (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB) Vorwerfbare Rechtsmittelversäumung (§ 839 Abs. 3 BGB).. Mitverschulden Gewillkürte Haftungsausschlüsse und -beschränkungen
hh) Verjährung ii) Anspruchsinhalt
226 227 227 229 229 231 231 233 234 235 236 241 243
(1) Geldersatz oder Naturalrestitution
243
(2) Schmerzensgeld
244
jj) Haftungsumfang (1) Positives und negatives Interesse (2) Verzugsschaden und Verzugszinsen kk) Reaktionsalternativen 11) Zusammenfassung
245 245 245 247 248
c) Planwidrigkeit bei fehlender Anspruchsgrundlage für Primäransprüche 251 d) Planwidrigkeit bei fehlendem Ausgleich fur „Geschäftsführung ohne Auftrag" im Öffentlichen Recht 254 aa) Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger 255 bb) Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten 260 cc) Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger 266 dd) Handeln eines Privaten für einen anderen Privaten 270 e) Planwidrigkeit fehlender Haftungsgrundlagen im Rechtsverhältnis zwischen Wahlbewerbern 272 Zwischenergebnis
275
Inhaltsverzeichnis
15
Drittes Kapitel Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
277
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung zur Anwendung von BGB-Schuldrecht im Öffentlichen Recht 277 1. Gewohnheitsrechtliche Anerkennung a) b) c) d)
Öffentlich-rechtliche Verwahrung Haftung bei Fürsorgepflichtverletzung in Beamten Verhältnissen Anstalts-und Benutzungsverhältnisse Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag
2. Gesetzes-bzw. Rechtsanalogie (gesetzesimmanente Rechtsfortbildung).. a) Beschränkung auf Lücke eines Gesetzes b) Lückenhaftigkeit des BGB
277 278 279 280 282 282 283 284
3. Heranziehung von Rechtsgrundsätzen (gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung) 286 a) Annahme einer Lücke im öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang 287 b) Mittel der Lückenschließung bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung 288 c) Grenzen gesetzesübersteigender Lückenschließung 291 aa) Vorrang des Gesetzes bb) Vorbehalt des Gesetzes d) Zusammenfassung
291 295 297
4. Unterschiede zwischen Analogieschluß und Heranziehung von Rechtsgrundsätzen 297 II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht und Lückenhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs 299 1. Anspruchsgrundlagen - Selbststand des Verwaltungsrechts a) Positive Forderungsverletziing (pW) oder Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis b) Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit (§ 280 Abs. 1 BGB).. c) Verzug und Verzugszinsen (§§ 284 ff. BGB) d) Culpa in contrahendo (c. i. c.) e) „Schuldverhältnis" als Anspruchsgrundlage für Primäransprüche
299 299 303 304 309 310
2. Vorschriften zu speziellen Schuldverhältnissen des Schuldrechts Besonderer Teil 314 a) Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff.)
314
aa) Wesen der Verwahrung (§ 688 BGB) 315 bb) Vergütung (§ 689 BGB) 315 cc) Verschuldensmaßstab bei unentgeltlicher Verwahrung (§ 690 BGB) 317
16
Inhaltsverzeichnis
dd) ee) ff) gg) hh) ii) jj) kk) 11) mm) nn)
Hinterlegung bei Dritten (§ 691 BGB) Änderung der Aufbewahrung (§ 692 BGB) Ersatz von Aufwendungen (§ 693 BGB) Schadenersatzpflicht des Hinterlegers (§ 694 BGB) Rückforderungsrecht des Hinterlegers (§ 695 BGB) Rücknahmeanspruch des Verwahrers (§ 696 BGB) Rückgabeort (§ 697 BGB) Verzinsung des verwendeten Geldes (§ 698 BGB) Fälligkeit der Vergütung (§ 699 BGB) Unregelmäßiger Verwahrungsvertrag (§ 700 BGB) Zusammenfassung
b) Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) c) Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) aa) Minderung (§ 459 Abs. 1, §§ 462,472 BGB) bb) Zusicherung einer Eigenschaft (§ 459 Abs. 2, §§ 463, 480 Abs. 2 BGB)
318 319 320 321 321 323 323 324 325 325 326 327 330 330 332
d) Werkvertrag (§§631 ff. BGB)
333
e) Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB)
334
3. Haftungsmodalitäten
335
a) Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) b) Beweislastumkehr (§ 282 BGB) c) Verjährung (§§ 194 ff. BGB) d) Schadensberechnung (§§ 249 ff. BGB) 4. Haftungsbeschränkungen
335 336 339 345 345
a) Anwendung von Vorschriften des AGBG
346
b) Anwendung der Generalklauseln in §§ 238, 242 BGB
349
5. Leistungsbestimmung nach §§ 315 ff. BGB
350
6. Kurzzusammenfassung
351
III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung
352
1. Verwaltungsrechtsverhältnis als Ordnungsrahmen 2. Haftungsregime im Verwaltungsrechtsverhältnis
352 356
3. Haftungsregime im vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnis
357
IV. Grenzenrichterlicher Rechtsfortbildung 1. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes 2. Einzelne „verwaltungsrechtliche Schuld Verhältnisse" a) Anstalts-und Benutzungsverhältnisse b) Personenbezogene Rechtsbeziehungen c) Öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse d) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag
360 360 361 361 364 367 369
Inhaltsverzeichnis
e) Verwaltungsrechtsverhältnisse bei der Bestellung von Personalausweisen 372 f) Beleihungsrechtsverhältnisse 374 g) Verwaltungsrechtsverhältnis im Vorfeld einer behördlichen Entscheidung 374 V. Rechtsfolgen der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
374
VI. Konkurrenzen
375
VII. Rechtsweg
379 Viertes Kapitel Fazit und Ausblick
384
Literaturverzeichnis
389
Sachwortverzeichnis
417
Erstes Kapitel
Einleitung I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis Das sogenannte „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" erfreut sich eines außerordentlichen Stellenwerts in der gerichtlichen Praxis. Die Bedeutung spiegelt sich in einer kaum mehr überschaubaren Vielzahl veröffentlichter Entscheidungen zu immer neuen, aber auch den „klassischen" Untergruppierungen „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" wider 1 . Bei näherer Betrachtung fällt eine Diskrepanz auf. Die Relevanz, die dieses Institut des Öffentlichen Rechts für meist schadenersatzrechtliche Streitigkeiten bei den Gerichten hat, steht in einem deutlichen Mißverhältnis zu der mangelnden systematischen, methodischen und dogmatischen Aufarbeitung des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" in Rechtsprechung und Literatur 2. Zwar werden einzelne Teilbereiche wie die in § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO explizit erwähnte öffentlich-rechtliche Verwahrung 3, die öffentlich-rechtliche Ge1
Vgl. nur die seit 1995 veröffentlichte Rechtsprechung: BVerwG NJW 1995, 271; BayVBl 1995, 733; NJW 1995, 2303; BVerwGE 98, 18 = NVwZ 1995, 1098; BVerwG BayVBl 1996, 210; NJW 1996, 210; BVerwGE 101, 51 = NJW 1996, 2669; BVerwG NVwZ-RR 1997, 426; NJW 1997, 1321; NWVB1 1997, 295; BayVBl 1997, 696; DVB1 1998, 191; NVwZ 1998, 400; NVwZ 1998, 403; NVwZ 1999, 194; VGH BW NVwZ 1996, 201; BayVGH NVwZ-RR 1995, 86; NVwZ-RR 1996, 530; NVwZ 1998, 421; OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369; HessVGH NVwZ-RR 1997, 427; NdsOVG NdsVBl 1995, 61; OVG NW NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12; NVwZRR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; NWVB1 1997, 295; NVwZ-RR 1998, 198; NWVB1 1998, 196; NWVB1 1998, 198; NVwZ 1998, 1210; BP-NSGB Nr. 30/1998; OVG LSA LKV 1997, 175; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; NVwZ-RR 1998, 453; VG Würzburg NVwZ-RR 1997, 487; BGHR TierKBG § 4 Abs. 2/Beleihung 1; BGH NJW 1997, 1636; NJW 1998, 298; DVB1 1998, 523; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG München OLG-Rp München 1996, 17; LG Halle NJW-RR 1997, 532. 2 Die einzigen Monographien zu dem Thema liegen schon knapp 30 Jahre zurück: Papier, Die Forderungsverletzung im Öffentlichen Recht, 1970; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967. - Ausschließlich und explizit dem „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" widmet sich seitdem nur der Aufsatz von Windthorst JuS 1996, 605. 3 Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, 1998, S. 154 ff.; Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, 1994; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, 1952.
20
1. Kap.: Einleitung
schäftsführung ohne Auftrag 4 oder die vorvertraglichen Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht 5 in der Literatur näher beleuchtet. Überhaupt scheint die Existenz einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" im Öffentlichen Recht vorausgesetzt (vgl. § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO: „Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen"). Jedoch gehen Erklärungen dafür, was „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" als eigenständige Struktureinheit des Öffentlichen Rechts ausmachen und was sie aus dem Kreis aller öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen heraushebt, kaum über eine Reproduktion der Begründungsansätze der Rechtsprechung hinaus6, die ihrerseits seit Jahrzehnten immer gleiche Formulierungen aus Vorgängerentscheidungen stereotyp wiederholt. Die scheinbare Fortführung bzw. Nachformung einer ständigen Rechtsprechung täuscht darüber hinweg, daß sich das Institut des sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" im Bereich der traditionellen Anwendungsfelder in ständiger Bewegung und Fortentwicklung befindet 7 und daß Rechtsprechung wie Literatur seit Beginn der 90er Jahre mit der Begründung immer neuer Erscheiungsformen aufwarten 8.
1. Traditionelle
Anwendungsfelder
a) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse Seit jeher ist die Rechtsprechung bemüht, Anstalts- und Benutzungsverhältnisse unabhängig von ihrer öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Organisation haftungsrechtlich gleich zu behandeln9. Die Anerkennung einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" hat hier Tradition. Die 4 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag bei Beteiligung von Trägern öffentlicher Verwaltung, 1999; Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, 1994; Grunwaldt, Zivilrechtliche Ausgleichsanspüche unter mehreren polizeilichen Störern, 1994, S. 99 ff.; Hoepffner, GoA in der Verwaltung, 1972; Bamberger JuS 1998, 706; WildVR 1998, 131; Schock Jura 1994, 241; von Einem NWVB1 1992, 384; Blas BayVBl 1989, 648; dies. JA 1989, 514; Fleischfresser VR 1988, 305; Habermehl Jura 1987, 199; Gusy JA 1979, 69; Freund JZ 1975, 513; Klein DVB1 1968, 166. 5 Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997. 6 Vgl. beispielsweise Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 1 ff; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 29 u. § 29; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 9 ff.; Ossenbiihl, Staatshaftungsrecht, S. 336 ff.; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, §§ 3 ff.; Windhorst JuS 1996, 605. 7 Hierzu siehe im folgenden. 8 Hierzu unten S. 27 ff. 9 Dies führen ausdrücklich an u. a. RGZ 99, 96 (97 f.); 152, 129 (132); BGH NJW 1977, 197 (198); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; LG Heidelberg VersR 1971, 971.
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis
21
Dichte der veröffentlichten Entscheidungen ist unvermindert hoch und unterliegt nur geringen Schwankungen, wobei in den letzten Jahren eher ein Anstieg zu verzeichnen ist. Waren die Anwendungsfälle ursprünglich im wesentlichen auf Anstalts- und Benutzungsverhältnisse im Rahmen des Anschlusses an die örtliche Wasserversorgung 10 oder die örtliche Abwasser- und Regenwasserkanalisation11 sowie die Benutzung eines öffentlich-rechtlich betriebenen Schlachthofs 12 beschränkt, ist deren Kreis im Laufe der Zeit erheblich ausgeweitet worden. Die Anwendung der Grundsätze einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" wurde ebenfalls diskutiert oder anerkannt bei der Durchführung von Bodenverbesserungsmaßnahmen durch einen landwirtschaftlichen Wasser- und Bodenverband 13, bei der Benutzung eines Kinderspielplatzes14 oder eines Bade- und Freizeitzentrums 15, bei der Nutzung der Dienste der Post in Form eines Fernmeldeanschlusses16, bei einer gemeindlichen Bullenhaltung 17 oder bei der durch Satzung geregelten Inanspruchnahme eines Kranwagens der örtlichen Feuerwehr 18 sowie im Verhältnis der Luftverkehrsunternehmen und Reiseveranstalter als Luftfrachtführer zur Bundesanstalt für Flugsicherung 19 bzw. im Verhältnis der Nutzer der gelben Verpackungstonnen und -säcke zu den Kommunen, die für die Duale System Deutschland GmbH die Abfuhr des Verpackungsmülls übernommen haben20. In der Rechtsprechung zeichnet sich eine Entwicklung ab, nach welcher in einigen Bereichen der Rückgriff auf die Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" die Prüfung von Amtshaftungsansprüchen weitestgehend verdrängt. Die Verwaltungsgerichte fühlen sich zur Entscheidung über
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VGH BW ESVGH 26, 155; VB1BW 1982, 369; OVG NW OVGE 18, 153; RGZ 152, 129; BGHZ 17, 191; 59, 303; LM § 13 GVGNr. 89. 11 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW NVwZ 1990, 388; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; BayVGH VerwRspr 21, 911; OVG NW GemH 1988, 259; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGHZ 54, 299; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197; VersR 1978, 38; VersR 1987, 768; OLG Düsseldorf BauR 1992, 812 (LS); NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305; LG Freiburg VersR 1979, 363; LG Heidelberg VersR 1971, 971. 12 BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; BGHZ 61, 7; BGH NJW 1974, 1816; OLG Hamburg MDR 1961, 938; OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. 13 BGH VersR 1987,768. 14 BGH NJW 1988, 2667 (2668). 15 OLG Koblenz VersR 1980, 724 (725). 16 BGHZ 66, 302. 17 BGH VersR 1978,254. 18 BayObLG BayVB1 1989, 571. 19 Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172 ff.). 20 OVG NW NVwZ 1998, 1210.
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1. Kap.: Einleitung
Schadenersatzansprüche in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen berufen 21. Eine Erörterung von Amtshaftungsansprüchen bleibt ihnen verwehrt (Art. 34 S. 3 GG). Aber auch in der Rechtsprechung der Zivilgerichte wird häufig ausschließlich auf das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" abgestellt22 und eine Erörterung der möglicherweise konkurrierenden und ebenfalls gegebenen Amtshaftung ausgeblendet23.
b) Personenbezogene Rechtsbeziehungen, insbesondere Beamtenverhältnisse Beamtenverhältnisse werden ebenfalls schon immer zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" gezählt24. In personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen tritt der Bürger in eine besondere Beziehung zum Staat. Seine Person ist funktional in den Staat eingegliedert bzw. dem Staat unterworfen. Dieser engen Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Staat entspringt folgerichtig eine staatliche Fürsorgepflicht, deren Verletzung zu Schadenersatzansprüchen des Staates gegenüber dem besonders verpflichteten Bürger führen kann. Als Anspruchsgrundlage wird ein die Rechtsordnung umfassender Rechtsgrundsatz angenommen, nach welchem bei rechtswidrig schuldhafter Verletzung von Erfüllungsansprüchen auf der Sekundärebene - unabhängig von gegebenenfalls konkurrierenden Ansprüchen aus unerlaubter Handlung Schadenersatz zu leisten sei 25 . Die Haftung wegen Fürsorgepflichtverletzung in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen findet ihr Hauptanwendungsfeld in Beamtenver21
BVerwG NJW 1995, 2303; VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ 1990, 388; NVwZ-RR 1991, 325; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW GemH 1988, 259; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BP-NSGB Nr. 30/1998; NWVB1 1998, 196; NWVB1 1998, 198; a. A. noch VGH BW ESVGH 26, 155. - Zum Rechtsweg siehe unten S. 379 ff. 22 BGHZ 61,7; BGH NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197; VersR 1987, 768; BGHZ 109, 8; BGH NJW 1990, 1167; OLG Düsseldorf BauR 1992, 812; NVwZ-RR 1994, 627; OLG Hamburg MDR 1961,938. 23 Vgl. RGZ 152, 129; BGHZ 17, 191; 54, 299; 59, 303; BGH VersR 1978, 38; VersR 1978, 253; DVB1 1978, 108; BayObLG BayVBl 1989, 571; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Freiburg VersR 1979, 363; LG Heidelberg VersR 1971, 971; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. - Zu den Konkurrenzen siehe unten S. 375 ff. 24 RGZ 18, 173; 19, 348; 63, 430; 71, 243; RG Warn 8 (1915), 105; RGZ 91, 21; 111, 22; 111, 178; 146, 369; 155, 227; 157, 145; 158, 235; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347 ff.; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139 f.; kritisch allerdings Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 4. - Zur historischen Entwicklung siehe unten S. 87 ff. 25 BVerwG DVB1 1963, 677 /678); HessVGH ZBR 1974, 261; Minz/Conze, Öffentliches Dienstrecht, Rn. 170a. - Hierzu ausführlich unten S. 95 ff.
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis
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hältnissen26. Sie wird aber auch anerkannt oder zumindest erörtert in Wehr- 27 und Zivildienstverhältnissen 28, in Strafgefangenenverhältnissen 29, in Verhältnissen von Schülern zur Schule30 sowie des Prüflings zur staatlichen Prüfungsbehörde 31 und hat mittlerweile sogar eine gemeinschaftsrechtliche Dimension erlangt 32. Auch hier ist ein signifikanter Zuwachs der Anwendungsgebiete der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" zu verzeichnen. Die Relevanz für die Rechtsprechung bleibt unvermindert groß 33 .
c) Öffentlich-rechtliche Verwahrung A m gefestigsten scheint die Rechtsprechung zu „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" bei der öffentlich-rechtlichen Verwahrung 34. In verschie26 BVertfG NVwZ 1990, 853; BVerwG ZBR 1960, 92; BVerwGE 14, 222 = ZBR 1963, 50; E 20, 199 = NJW 1965, 929; E 25, 138 = ZBR 1967, 151; E 24, 186 = NJW 1967, 511; BVerwG RiA 1968, 236; ZBR 1979, 335; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; BVerwGE 53, 12; BVerwG Buchholz 237.0 § 98 LBG BW Nr. 1; BVerwGE 80, 123 = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1992, 928; DÖV 1994, 171; NJW 1995, 271; BayVBl 1995, 733; BayVBl 1996, 210; NJW 1997, 1321; NWVB1 1997, 295; BayVBl 1997, 696; Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; NVwZ 1998, 400; DVB1 1998, 191; NVwZ 1998, 403; NJW 1998, 3288; VGH BW DVB1 1965, 333; ZBR 1975, 316; ZBR 1986, 21; BayVGH BayVBl 1961, 90; OVG Bremen, Urt. v. 12.5.1981 - 2 BA 80/80 (n. v.); OVG Hamburg DVB1 1960, 745; HessVGH DVB1 1960, 328; ZBR 1974, 261; NVwZ-RR 1997, 427; OVG Lüneburg ZBR 1972, 84; ZBR 1974, 17; OVGE 29, 479; OVG NW ZBR 1986, 276; OVG RP NJW 1977, 72; RGZ 18, 173; 19, 348; 63,430; 71, 243; RG Warn 8 (1915), 105; RGZ 91,21; 111,22; 111, 178; 146,369; 155,227; 157, 145; 158,235; BGHZ 7, 69; 14, 122; BGH NVwZ 1985,936; DVB1 1998, 523. 27 BVerwGE 52, 247 = NJW 1978, 717; BVerwG NVwZ 1986, 481. 28 BGH NVwZ 1990, 1103; NJW 1998, 298. 29 RGZ 78, 325; BGHZ 21, 214. 30 BGH VersR 1957, 201 (202); VersR 1962, 825 (826); NJW 1963, 1828; OLG Hamm NJW 1997, 1512. 31 BVerwG NJW 1996,2670; OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). 32 Vgl. EuG Slg. II 1993, 1465 - Tz. 77 f. 33 Die Entscheidungen zu Primär- und Sekundäransprüchen aus Fürsorgepflichtverletzung sind Legion. Vgl. nur die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen seit 1997: BVerwGE 104, 55 = NVwZ 1998, 400; BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; DokBer Β 1997, 167; Buchholz 270 § 7 BhV Nr. 4; NJW 1998, 3288; NVwZ 1998, 403; DokBer Β 1998, 113; Urt. v. 2.7.1998 - 2 Β 131.97 = juris Nr. WBRE410004714; Urt. v. 17.8.1998 - 2 Β 61.98 = juris Nr. WBRE410004879; Urt. v. 14.10.1998 - 1 D 65.98 = juris Nr. WBRE410005079; Urt. v. 22.10.1998 - 2 WD 11.98 = juris Nr. WBRE410005316; Urt. v. 10.11.1998 - 2 WD 4.98 = juris Nr. WBRE410005313; Urt. v. 11.12.1998 - 2 Β 72.97 = juris Nr. WBRE410004116; NVwZ 1999, 194; NJW 1998, 3436; VGH BW Justiz 1998, 605; OVG RP DVB1 1999, 329; OVG NW, Urt. v. 23.9.1998 - 12 A 5602/96 = juris Nr. WBRE410008675; VG Wiesbaden DÖD 1999, 71. 34 PrOVGE 74 (1919), Nr. 104, S. 461; BVerwG NJW 1995, 271; VGH BW BWVP 1978, 150; BayVGH NVwZ 1998, 421; HessVGH NVwZ 1988, 655; OVG NW
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1. Kap.: Einleitung
denen Monographien wurden die Grundzüge der Entstehung, der Voraussetzungen, der (Haftungs-)Modalitäten dieses verwaltungsrechtlichen Rechtsinstituts und seine dogmatischen Grundlagen aufgezeigt 35. Allerdings hat sich die Rechtsprechung auch hier mit immer neuen, vorher ungekannten Konstellationen auseinanderzusetzen, wie beispielsweise mit der Haftung für den Untergang von Dateien bei der Pfändung eines Computers 36 oder für den Verlust einer Urne beim Versand durch eine Friedhofsverwaltung 37. Einzelne Streitpunkte über die Geltung und das anwendbare Normprogramm bleiben bestehen. Noch nie wurde die Lösung der verbliebenen offenen Fragen jedoch bislang in einem Gesamtkontext vermeintlicher Verbindungslinien, Strukturprinzipien, Gemeinsamkeiten und allgemeingültiger Regeln für die übergeordnete Ordnungseinheit des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" versucht. Eine systemische Einordnung des Rechtsinstituts in den Kanon der sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" steht noch aus.
d) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Die Berechtigung eines Aufwendungsersatzanspruchs aus Geschäftsführung ohne Auftrag in öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen wurde in den letzten Jahren überwiegend bezweifelt. Ein sich mehrender Anteil der Literaturstimmen sieht den Anwendungsbereich entweder auf ganz wenige Ausnahmesituationen reduziert 38 oder negiert ihn sogar 39. Die Rechtsprechung bietet ein ebenDÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (Weber); VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1901, 191; RGZ 48, 255; 51, 219; 67, 335; 78, 325; 84, 338; RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 218; Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; SeuffArch 79 (1925), Nr. 28 S. 49; SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142; JR 1927, Sp. 136; RGZ 99, 283; 100, 219; 108, 391; RG HRR 1929, Nr. 492; RGZ 115, 419; RG JW 1931, 930; RGZ 138, 40; RG JW 1934, 2842; JW 1936, 383; RGZ 166, 218; RG DtGemWirtschR 1939, 18; BGHZ 1, 369; 3, 162; 4, 192; 21, 214; BGH NJW 1952, 658; DB 1956, 476; BGHZ 34, 349 = NJW 1961, 1164 m. Bespr. Gurski S. 1622; BGH LM § 688 BGB, Nr. 6; WM 1973, 1416; MDR 1975, 213; NJW 1988, 1258; NJW 1990, 1230; OLG Celle JW 1925, 2491; OLG Hamburg SeuffArch 72 (1917), Nr. 4 S. 7; MDR 1974, 510; OLG Hamm VersR 1987, 789; OLG Köln VersR 1990, 898; NVwZ 1994, 618; VersR 1995, 574; OLG Oldenburg StV 1996, 534; OLG Zweibrücken CR 1994, 352; LG Halle NJW-RR 1997, 532; AG Hamm MDR 1978,51. 35 Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, 1998, S. 154 ff.; Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, 1994; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, 1952. 36 OLG Zweibrücken CR 1994, 352. 37 LG Halle NJW-RR 1997, 532. 38 Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 193 ff; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 23 ff.; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 216 ff; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 22 ff.; Bamberger JuS 1998, 706; Schoch Jura 1994, 241; Lorenz JZ 1992, 462; Sieg, in: FS Hauß, S. 335 (339).
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so gespaltenes Bild. Einige Gerichte erkennen die Existenz eines Ausgleichsanspruchs aus öffentlich-rechtlicher GoA seit jeher bedenkenlos an 40 , andere bezweifeln die Berechtigung eines Anspruchs für weite Teile des möglichen Anwendungsbereichs 41 oder sind in dieser Frage gespalten42. Ein weiterer Teil der Rechtsprechung hat sich der Kritik aus der Literatur nicht verschlossen und will nunmehr die öffentlich-rechtliche GoA auf Notfälle beschränkt sehen43. Die öffentlich-rechtliche GoA ist aber weiterhin als Anspruchsgrundlage fester Bestandteil des gerichtlichen Prüfprogramms 44, auch wenn sich die Zweifel an ihrer Berechtigung mehren. Der Streit über die Reichweite und dogmatische Haltbarkeit der richterrechtlichen Konstruktion hält unvermindert an und scheint längst nicht ausgestanden45. In den verschiedenen Konstellationen des Anspruchsverhältnisses zwischen Bürger und Verwaltungsträger bzw. zwischen zwei Verwaltungsträgern werden jeweils andere Fragestellungen aufge-
39 Medicus, Schuldrecht II, Rn. 630; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 62; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 678 ff.; Steckert DVB1 1971,243 (246). 40 BVerfGE 18, 429; BayVGH VerwRspr 24, 542; BayVBl 1979, 621; BayVBl 1992, 213; BayVBl 1993, 466; NVwZ-RR 1995, 86; NVwZ-RR 1996, 530; DÖV 1997, 76; OVG Hamburg MDR 1951, 634; GewArch 1992, 430; NVwZ-RR 1995, 369; BSGE 6, 197; BSG FEVS 19, 104; NJW 1991, 2373. - Auch HessVGH GemH 1989, 65; OLG HammNWVBl 1989, 218. 41 OVG NW NJW 1976, 1956; NJW 1986, 2526; NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NVwZ-RR 1996, 653; NWVB1 1998, 198; VG Köln NVwZ 1993, 806; VG Würzburg BayVBl 1992, 121; NVwZ-RR 1997, 487; OLG Köln NVwZ 1994, 618. - Vgl. aber OVG NW NWVB1 1996, 12. 42 Anerkennend OVG Lüneburg (9. Senat) NVwZ 1991, 2373; ablehnend OVG Lüneburg (1. Senat) Die Gemeinde SH 1990, 260. 43 Vgl. BVerwG NVwZ 1992, 264 im Gegensatz zu BVerwGE 27, 314; 32, 279; BVerwG DÖV 1973, 490; BVerwGE 48, 279; BVerwG NJW 1986, 2524; BVerwGE 80, 170 = NJW 1989, 922; VGH BW NJW 1985, 2603; NJW 1991, 2986 im Gegensatz zu VGH BW NJW 1977, 1843; VG Gießen NVwZ-RR 1998, 453 im Gegensatz zu VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; BGH NJW 1990, 1604; NJW 1997, 1636 im Gegensatz zu BGHZ 40, 28; 63, 167 = NJW 1975, 207; BGHZ 65, 354 = NJW 1976, 748; BGH NJW 1978, 1258; BB 1986, 2289; NVwZ 1990, 297. 44 Vgl. die Entscheidungen der 90er Jahre: BVerwG 1992, 264; VGH BW NJW 1991, 2986; BayVGH BayVBl 1992, 213; BayVBl 1993, 466; NVwZ-RR 1995, 86; NVwZ-RR 1996, 530; DÖV 1997, 76; OVG Hamburg GewArch 1992, 430; NVwZ-RR 1995, 369; OVG Lüneburg NVwZ 1991, 2373; OVG NW NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 653; NWVB1 1998, 198; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; NVwZ-RR 1998, 453; VG Köln NVwZ 1993, 806; VG Würzburg BayVBl 1992, 121; NVwZ-RR 1997, 487; BGH NJW 1997, 1636; NVwZ 1999, 689 (692); OLG Köln NVwZ 1994, 618; BSG 1991, 2373. 45 Vgl. zuletzt den dezidiert befürwortenden Aufsatz von Wild VR 1998, 131 und die kategorische Ablehnung von Kischel VerwArch 90 (1999), 391 bzw. Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag, S. 193 ff.
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1. Kap.: Einleitung
worfen. Ein allgemeiner Konsens ist selbst in den Kernaussagen nicht in Sicht 46 .
e) Öffentlich-rechtliche culpa in contrahendo Unumstritten ist die Anerkennung eines öffentlich-rechtlichen Vertragsanbahnungsschuldverhältnisses, das zu einer Haftung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis (c. i. c.) soll fuhren können 47 . Das Ob der Anwendung der zivilrechtlichen Haftungsgrundsätze steht anders als bei der öffentlich-rechtlichen GoA bei der öffentlich-rechtlichen c. i. c. nicht in Frage, weshalb man sie trotz ihrer relativ späten „Entdeckung" 48 ohne weiteres zu den klassischen „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" zählen kann. Die Diskussion um
46 Zur Berechtigung eines Ausgleichsanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag siehe die Ausführungen unten S. 254 ff. 47 BVerwG DÖV 1974, 133 (134); OVG NW DVB1 1972, 614 (615); DÖV 1971, 276 (277); VG München BayVBl 1973, 135 (136); BGHZ 6, 330 (332); 57, 191; 71, 386 (392 f.) = DVB1 1978, 798 (799 f.); BGH LM § 276 (Fe) BGB Nr. 4; DVB1 1986, 409; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 52, § 28 Rn. 4; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 71; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 304, 382; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 1973; Kopp VwVfG, § 62 Rn. 8; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 54 Rn 7.1, 10, § 62 Rn. 3; Löwisch, in: Staudingers Komm, z. BGB, Vorb § 275 Rn. 52; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 72 Rn. 12; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356 f.onk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 45 ff.; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 300; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 723; Engelmann, in: Schroeder-Printzen, SGB X, § 61 Rn. 4; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 156; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 274; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; ders. ZBR 1971, 300 (301); Kawalla, Verwaltungsvertrag, S. 248 ff.; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 62 Rn. 18; ders. NJW 1977, 1705 (1712); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 110; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 817; Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 361 ff.; Konrad, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, S. 170 ff.; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 74; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172 ff.; Dolde/Uechtritz, DVB1 1987, 446 (452); Scherer NVwZ 1986, 540 (540 f.); Gottwald JuS 1982, 877 (878); Obermayer BayVBl 1977, 546 (551, 553); unklar die Ablehnung bei Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. VI 1 e. - Α. A. noch RGZ 110, 293 (294 f.); RG HRR 1933 Nr. 1307; offenlassend noch OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (Weber); BGHZ 43, 34 (41); 49, 77 (79); BayObLG BayVBl 1976, 378. 48
Die erste Anerkennung in der Literatur findet die öffentlich-rechtliche c. i. c. bei Simons y Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172 ff; Wolff, Verwaltungsrecht I (7. Aufl.), S. 287; Werner, in: Staudingers Komm. z. BGB (10./11. Aufl.), § 276 Rn. 33; NastelskU in: RGRK-BGB (11. Aufl.), § 276 Anm. 109; Battis ZBR 1971, 300. - Die ersten gerichtlichen Entscheidungen gehen zurück auf OVG NW DÖV 1971, 276; DVB1 1972, 614 sowie BVerwG DÖV 1974, 133 und BGHZ 71, 386 = NJW 1978, 1802; BGHZ 76, 343 = NJW 1980, 1683 zurück. - Zur historischen Entwicklung siehe auch unten S. 60 f.
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis
27
das Wie der haftungsrechtlichen Ausgestaltung hat jedoch nicht zuletzt durch eine Dissertation 49 neue Nahrung erhalten. Es ist bislang die Abgrenzungsfrage nicht eindeutig geklärt, wann ein vorvertragliches „Schuldverhältnis", in dem eine Haftung aus c. i. c. ausgelöst werden kann, entsteht50. Weiter herrscht Streit über die Ausgestaltung einzelner Haftungsmodalitäten, beispielsweise ob der Anspruchsgläubiger nur das negative oder in Sonderkonstellationen auch das positive Interesse verlangen kann 51 . Neben den zahlreichen umstrittenen Detailfragen interessieren im Gesamtzusammenhang der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" weit mehr die Vorstöße zur Ausdehnung der Haftung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis im Öffentlichen Recht auf andere als vorvertragliche Verwaltungsrechtsverhältnisse. Im Vordergrund der Überlegungen steht die Haftung bei Pflichtverletzung im Rahmen der Rechtsbeziehungen bei informellen Absprachen. Die Diskussion ist hier erst angestoßen und noch in keiner Weise zu Ende gefuhrt 52.
2. Neue Anwendungsfelder Die Praxis hat im letzten Jahrzehnt immer neuen Facetten von öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen den Charakter von „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" zugeschrieben. Neben der geschilderten Expansion innerhalb der aufgezählten klassischen Anwendungsfelder wurden weitere Rechtsgebiete erschlossen, in denen schuldrechtsähnliche Rechtsverhältnisse auftreten sollen.
a) Personalausweisrecht Im Personalausweisrecht ist die Praxisrelevanz „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" sogar über die Beschränkung auf haftungsrechtliche Auseinandersetzungen hinausgegangen. Das BVerwG hat das Institut in zwei Entscheidungen aus dem Jahre 199553 nicht mehr auf den Streit um Sekundärpflichten aus Verwaltungsrechtsverhältnissen beschränkt gesehen. Im Unterschied zur 49
Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, 1997. Ausführlich hierzu Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, S. 105 ff.; siehe auch unten S. 61 ff. 51 Zum Meinungsstand umfassend Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Verwaltungsrecht, S. 180 f. 52 Siehe etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 20; von Wedemeyer, Kooperation statt Vollzug im Umweltrecht, S. 247 f.; Bauer VerwArch 78 (1987), 241 (263). - Eingehend siehe unten S. 209 f. 53 BVerwG, Urt. v. 21.2.1995 - 1 C 14.93 (n. v.) und Urt. v. 21.2.1995 - 1 C 11.93 = E 98, 18 = NVwZ 1995, 1098; hierzu Bespr. Trute JuS 1996, 883. 50
28
1. Kap.: Einleitung
herkömmlichen Heranziehung der Ordnungseinheit „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" diente es hier als Grundlage zur Begründung von primären Zahlungsansprüchen und zur Bestimmung des genauen Umfangs der so gewonnenen primären Leistungspflichten bzw. -ansprüche. Das BVerwG kreierte ein gegenseitiges gesetzliches Schuldverhältnis bei der Bestellung von Personalausweisen. Damit sollte zum einen die im Öffentlichen Recht fehlende positivgesetzliche Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch der Bundesdruckerei ersetzt werden. Zum anderen wurde der Bundesdruckerei durch die Heranziehung von BGB-Vertragsrecht das Recht eingeräumt, die Vergütungssätze durch einseitige Bestimmung festzusetzen (§§ 316, 315 Abs. 1 u. 3 BGB) 54 . Wie bei den Haftungsfällen meint das BVerwG auch hier, durch entsprechende Anwendung von BGB-Schuldrecht den angemessensten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten am betreffenden Verwaltungsrechtsverhältnis erzielen zu können55.
b) Zivildienstrecht und andere Fälle der Beleihung Privater BGH 5 6 und BVerwG 57 haben auch bei der Rückgriffshaftung des Bundesamtes für Zivildienst gegenüber einer beliehenen Zivildienststelle das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" entdeckt. Nach den jeweils zugrundeliegenden Sachverhalten war ein Zivildienstleistender aufgrund eines Verschuldens der privatrechtlich organisierten Zivildienststelle in der Gesundheit geschädigt worden. Das Bundesamt für Zivildienst hatte für die Zivildienstleistenden die Heilbehandlungskosten aufgewendet und während der Dienstunfähigkeit weiter Geld- und Sachbezüge geleistet bzw. hatte die Versorgungsleistungen wegen Verminderung der Erwerbsfähigkeit zu leisten. Da der Rückgriff über Art. 34 S. 2 GG mangels grober Fahrlässigkeit der Zivildienststelle ausschied, blieb nur der Weg über das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis", um zu einem Anspruch gelangen zu können. Dieses soll beim Akt der Beleihung, mit der Anerkennung der Beschäftigungsstelle durch das Bundesamt für Zivildienst im Wege eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts (§ 4 ZDG) zwischen beiden entstanden sein58. Der BGH 5 9 hat seine Auffassung, daß bei der Beleihung zwischen dem Beliehenen und der beleihenden juristischen Person des Öffentlichen Recht ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" entstehe, in einer Entscheidung im Zusammenhang mit der Beleihung einer Tierkörperbeseitigungsanstalt zwar 54
BVerwGE 98, 18 (27 ff.) = NVwZ 1995, 1098 (1100 f.). Ausführlich hierzu siehe unten S. 134 ff., 350 ff. u. 372 f. 56 BGH NVwZ 1990, 1103; NJW 1998, 298. 57 BVerwG NVwZ 1999, 194. 58 BVerwG DVB1 1998 645 (646); BGH NVwZ 1990, 1103 (1104); NJW 1998, 298 (299). 59 BGHR TierKBG § 4 Abs. 2/Beleihung 1. 55
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis
29
bekräftigt, im konkreten Fall eine Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" aber mangels Vorliegens einer „personalen Fürsorgepflicht" als Gegenstand des Beleihungsverhältnisses abgelehnt.
c) Hochschulrecht Auch im Bereich des Hochschulrechts hat die Rechtsprechung letzthin versucht, eine vermeintliche Lücke im öffentlich-rechtlichen Haftungsrechts durch die Annahme eines „besonderen öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnisses" und die Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung zu schließen60. Ein Mitglied des Sprecherrats einer Fachhochschule hatte die Bezahlung der Druckkosten für eine von der Studentenvertretung herausgegebene Broschüre bewilligt, ohne im Innenverhältnis zur Fachhochschule dazu berechtigt gewesen zu sein. Die Fachhochschule mußte zahlen und verlangt Regreß. Mangels spezialgesetzlicher Haftungsregeln in den einschlägigen hochschulrechtlichen Bestimmungen blieb allenfalls der Rückgriff auf die Haftungsgrundsätze aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis". In der Revisionsinstanz verneinte das BVerwG 61 letzten Endes unter Verweis auf die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung beim Ausfullen von Lücken im Haftungsverhältnis des Staates als Anspruchsgläubiger zum Bürger als Anspruchsschuldner den Anspruch der Fachhochschule gegenüber der Studentenvertreterin. Auf das Vorliegen eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" mußte das BVerwG bei dieser Begründung nicht direkt eingehen.
d) Wahlrecht Eine der exotischsten Blüten hat das Schuldverhältnis im Öffentlichen Recht mit der Annahme eines „verfassungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zwischen Wahlbewerbern erhalten. Vor dem Hintergrund der Wiederholung der Parlamentswahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und zu fünf Bezirksversammlungen in der Hansestadt Hamburg versuchte Koenig 62 die Heranziehung öffentlich-rechtlicher Grundsätze zur positiven Forderungsverletzung in Wahlrechtsverhältnissen zu initiieren. Die Neuwahlen waren notwendig geworden, weil das Hamburgische Verfassungsgericht 63 der CDU bei der Auswahl, Aufstellung und Nominierung ihrer Wahlbewerber für die jeweiligen Volksvertre60
BayVGH, Urt. v. 11.11.1992- 7 Β 91.3123 (η. v.). Urt. v. 3.4.1996 - 6 C 5.94 = E 101, 51 = NJW 1996, 2669; dazu Bespr. U. Stelkens DVB1 1998, 300. 62 DÖV 1994, 286 (290 ff.). - Zur Kritik ausführlich unten S. 272 ff. 63 HambVerfG NVwZ 1993, 1083. 61
30
1. Kap.: Einleitung
tungen, die im Juni 1991 gewählt worden waren, „sehr schwere Fehler" in bezug auf die nach Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG geforderte Einhaltung demokratischer Grundsätze attestierte. Die Wahl wurde für ungültig erklärt. Die „Neu"wahlen verursachten bei den Parteien erneut Wahlkampfkosten in beträchtlicher Höhe. Koenig schlug zur Anspruchsbegründung für einen Schadensausgleichsanspruch der einzelnen Wahlbewerber gegenüber dem eigentlichen „Verursacher" der Kosten, der CDU, ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis mit der Möglichkeit des Rückgriffs auf das Institut der positiven Forderungsverletzung vor.
3. Fallgruppen in der Literatur Die Lehre qualifiziert die „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" meist nach ihrem schuldrechtsähnlichen Charakter 64. Gemeint sind hierbei vor allem solche Rechtsbeziehungen, bei denen man, insbesondere bei Leistungsstörungen, die schuldrechtlichen Vorschriften des BGB für anwendbar hält 65 . Von der Literatur anerkannt und diskutiert werden insoweit öffentlich-rechtliche Leistungs- und Benutzungsverhältnisse im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere Anstaltsbenutzungsverhältnisse66, das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis 67, personenbezogene Rechtsverhältnisse wie das Beamten-, Strafgefangenen·, Wehr-, Zivildienst- oder Schulverhältnis 68, die öffentlich-rechtliche 64 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 21 a. E. u. § 28 Rn. 2; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 1; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 138. 65 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 21 a.E. u. § 28 Rn. 2; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 44 u. § 62 Rn. 33 ff.; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 29 u. § 29 Rn. 1 ff; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 9 ff.; Thieme DÖV 1996, 757 (762 f.). 66 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Seewald, in: Steiner, Kap. I Rn. 160; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344 ff.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 45; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109; Ehlers DVB1 1986, 912 (916 ff.). 67 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 154; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 4 ff.; Schenke, in: Steiner, Kap. II Rn. 110; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339 ff; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 2; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Drews/Wacke/Vogel Martens, S. 211 u. 647; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109. 68 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 350 f. u. 351 ff.; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139 f.; kritisch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 4.
I. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in der gerichtlichen Praxis
31
Geschäftsführung ohne Auftrag 69 , der öffentlich-rechtliche Vertrag 70 , der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch 71 und die aus der Zuwendung öffentlicher Mittel entstehenden Rechtsverhältnisse, insbesondere das Subventionsverhältnis 72 . Gewöhnlich werden die „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" zusammengefaßt zu einem einheitlichen Institut des Staatshaftungsrechts. Teilweise wird der Begriff des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" auch mit dem des vermögensbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnisses gleichgesetzt73. Solche lägen danach immer dann vor, wenn sich im Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger bzw. Verwaltung und Verwaltung Leistungsund insbesondere Zahlungspflichten ergäben 74. Die Leistung müsse für den Gläubiger einen konkreten Vermögensvorteil beinhalten und unmittelbar wirtschaftlichen Charakter besitzen75. Zusätzlich zu den oben angeführten Verwaltungsrechtsverhältnissen werden genannt die Steuerpflicht und die Pflicht zur Zahlung anderer öffentlicher Abgaben 76 , der Bereich der Vermögenswerten So-
69
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3 u. 10 ff.; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88 u. Rn. 384 ff.; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 8 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 10 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341 ff.; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 29 f.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 53; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730 u. 743 ff.; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109. 70 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 263 u. 381 ff.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 44; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 8; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109. 71 Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 19 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 19 ff.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730. 72 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 47; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730 u. 751 ff.; Vosniakou, Rechtsverhältnistheorie, S. 234 f.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109, 243 ff.; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 63; Ehlers DVB1 1986, 912 (916 ff.). 73 Ehlers DVB1 1986, 912 (914). - Ausdrücklich a. A. Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 29; Papier Forderungsverletzung, S. 59 f.; Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Eckert DVB1 1962, 11 (11 f.). 74 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 3; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 153; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 56 ff.; Maurer JuS 1994, 1015 (1016); Janson DÖV 1979, 696 (697); Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (134, 148). 75 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 56. 76 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 30; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730 u. 741; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (134, 137 f.).
32
1. Kap.: Einleitung
zialleistungen77, der Sozialversicherung 78 und die Geschäftsführung mit Auftrag 79 . Herausfallen sollen nach dieser Auffassung allerdings personen-, Verhaltens» und sachbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse 80.
4. Fazit „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" sind ein Produkt richterlicher Rechtsfortbildung. Die Konjunktur „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" deutet daher offenbar auf Defizite des positiven Rechts, vor allen Dingen im Bereich des Staatshaftungsrechts hin. Die gesetzgeberische Untätigkeit hält an. Die immer neuen Verästelungen der klassischen Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" sowie die beträchtliche Zahl von Neuschöpfungen lassen die Vermutung zu, daß das vorhandene Richterrecht nicht ausreicht. Eine Erweiterung oder Ergänzung auch für die Zukunft ist zu erwarten. Eine dogmatisch geleitete Aufarbeitung der Ordnungseinheit „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" scheint daher angezeigt. Rechtsprechung und Literatur verbinden mit der Eingruppierung von Verwaltungsrechtsbeziehungen in die Kategorie „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" bestimmte Rechtsfolgen für vertragliche Rechtsbeziehungen aus dem Schuldrecht des BGB. Sie wollen damit insbesondere der Amtshaftung ein Alternativmodell zur Seite stellen, um in „besonders" gelagerten Rechtsbeziehungen der partiellen Restriktivität des Haftungstatbestands aus § 839 BGB zu begegnen81. Hinsichtlich dieser Intention herrscht weitestgehend Konsens. Eine Strukturierung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" wurde jedoch bislang nicht vorgenommen. Wollen sich die Gerichte des Vorwurfs einer ergebnisgesteuerten Billigkeitsrechtsprechung erwehren, darf nicht die Rechtsfolge der Anerkennung eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" in einer konkreten Konstellation allein im Mittelpunkt der Erörterung stehen, sondern muß notwendigerweise die Frage nach der Berechtigung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse", nach ihren Voraussetzungen sowie nach den Anforderungen an richterliche Rechtsfortbildung an den Anfang der Schaffung von
77
Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Bley/Kreikebohm, Sozialrecht, Rn. 53; Rüfner, Einführung in das Sozialrecht, S. 57 f.; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 62 f.; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (134). 78 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 62 f.; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (138 f.). 79 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 9; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730. 80 Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 728 f. u. 731. 81 Hierzu siehe unten S. 42 ff. u. 212 ff.
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
33
weiterem Richterrecht bzw. der weiteren Fortschreibung der Rechtsprechung in diesem Bereich rücken.
I I . Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis 7. „ Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse " zwischen richterlicher Rechtsfortbildung und Tradition a) Lückenhaftigkeit des Staatshaftungsrechts Auch wenn die Normdichte im Öffentlichen Recht in vielen Bereichen (fast) Ausmaße der Unüberschaubarkeit angenommen hat 82 , so verbleiben doch immer noch andere - wie das Staatshaftungsrecht - , in denen der Gesetzgeber aus verschiedensten Gründen die nötigen Regelungen vermissen läßt 83 . Noch immer fehlt die positivrechtliche Normierung in einem Staatshaftungsgesetz. Von der konkurrierende Gesetzgebungskompetenz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG hat der Bund bislang keinen Gebrauch gemacht. Diese Zurückhaltung fällt der Legislative besonders leicht in Rechtsgebieten wie dem Staatshaftungsrecht, in denen die Rechtsprechung zur Schließung etwaiger Regelungsdefizite im Öffentlichen Recht die Instrumente richterlicher Rechtsfortbildung (Analogie und Heranziehung von Rechtsgrundsätzen84) bemüht. Ein solcher gesetzgeberisch nicht eindeutig determinierter Raum bietet nicht nur der Rechtsprechung Gelegenheit zur Kreation von „Richterrecht", sondern auch der Literatur zahlreichen Anlaß für wissenschaftliche Forschungstätigkeit85. In nahezu allen Arbeiten zu Ausschnitten des Staatshaf82
Zu den derzeitigen Deregulierungsbestrebungen vgl. u. a. Hofmann ZG 1999, 44; Hofmann/Meyer-Teschendorf ZG 1997, 338 (339, 342 f.); dies. DÖV 1997, 268 (269 ff.); dies. ZG 1997, 283 (285 ff.); Kniep GewArch 1997, 142 ff.; Benda NJW 1996, 2282 ff.; Scholz/Meyer-Teschendorf ZRP 1996, 404 (405 ff.); Busse DÖV 1996, 389 (391); Sendler DVB1 1995, 978 ff.; Benz Verw 28 (1995), 337 (341 ff.); Stober DÖV 1995, 125 ff.; Broo BWVP 1995, 169 ff. 83 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 374. - Vgl. bereits Schach RVerwBl 1934, 221. 84 Zu diesem weiten Begriffsverständnis in Bezug auf „richterliche Rechtsfortbildung" vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. 85 Vgl. u. a. folgende Dissertationen und Monographien des letzten Jahrzehnts: Knapp, Geschäftsführung ohne Auftrag bei Beteiligung von Trägern öffentlicher Verwaltung, Diss. Frankfurt a. M., 1998; Traeger, Die Haftung des Staates bei der Einschaltung privater Kräfte zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, Diss. Regensburg 1998; Tremml/Karger, Der Amtshaftungsprozeß, 1998; von Franckenstein, Parallelen und Unterschiede des öffentlichrechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches im Vergleich zum allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruch, Diss. Passau 1998; U. Stelkens, Verwaltungshaftungsrecht, Diss. Saarbrücken 1997/98; Pfab, Staatshaftung in Deutschland, Diss. München 1996; Geiger, Der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Staatshaftung, Diss. Frankfurt a. M. 1996; Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse im Ver3 Meysen
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1. Kap.: Einleitung
tungsrechts klingt Unzufriedenheit über die aktuelle Gesetzeslage im Staatshaftungsrecht an und werden Aufforderungen zur Kodifikation an den Gesetzgeber formuliert 86 .
waltungsrecht, Diss. Dresden 1996; Jaschinski, Der Fortbestand des Anspruchs aus enteignendem Anspruch, Diss. Freiburg 1996; Ivo, Die Folgenbeseitigungslast, Diss. Mainz 1996; Finckh, Öffentliche Unternehmen und Staatshaftung - Zur Fortentwicklung des Haftungssystems bei Verwaltung in Privatrechtsform, Diss. München 1996; Kühn, Die Amtshaftung der Gemeinden wegen der Überplanung von Altlasten, Diss. Mannheim 1996; Bauer, Kongruenz privater und öffentlicher Interessen im Enteignungsrecht, Diss. Saarbrücken 1996; Seltenreich, Die Francovich-Rechtsprechung des EuGH und ihre Auswirkungen auf das deutsche Staatshaftungsrecht, Diss. Konstanz 1996; Zimmermann, Die Auslegung und Anwendung des Art. 34 GG im Falle legislativen Unrechts unter Berücksichtigung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs und einschlägiger Regelungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, Diss. Münster 1995; Henrichs, Haftung der EG-Mitgliedstaaten für Verletzung von Gemeinschaftsrecht, Diss. Bonn 1995; Czaja, Die außervertragliche Haftung der EG für ihre Organe, Diss. München 1995; Vespermann, Staatshaftung im Versicherungswesen, Diss. Hamburg 1995; Cornils, Der gemeinschaftsrechtliche Statshaftungsanspruch, Diss. Bonn 1995; Jackisch, Die Zulässigkeit der Enteignung zugunsten Privater, Diss. Hamburg 1996; Albers, Die Haftung der Bundesrepublik Deutschland für die Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, Diss. Freiburg 1994; Olbertz, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch im Verwaltungsrecht - Vom sozialrechtlichen zum öffentlichrechtlichen Herstellungsanspruch?, Diss. Berlin 1994; Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, Diss. Münster 1994; Stangl, Die Subsidiaritätsklausel des § 839 I 2 BGB und ihre Bedeutung für den Amtshaftungsanspruch, Diss. Passau 1993; Schneider, Folgenbeseitigung im Verwaltungsrecht - Eine Untersuchung zu Rechtsgrund, Tatbestand und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs, Diss. Tübingen 1993; Fetzer, Die Haftung des Staates für legislatives Unrecht - Zugleich eine Beitrag zum Staatshaftungsrecht der Europäischen Gemeinschaften, der EG-Mitgliedstaaten, der Schweiz und Österreichs, Diss. Konstanz 1993; Treffer, Staatshaftung im Polizeirecht, Diss. Bonn 1993; Südhoff, Der Folgenbeseitigungsanspruch als Grundlage verwaltungsrechtlicher Verwertungsverbote, Diss. Heidelberg 1993; Büllesbach, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, Diss. Passau 1992; Lühmann, Neuordnung des Amtshaftungsrechts im vereinigten deutschen Staat - Zurück zur Rechtswidrigkeit?, 2. Aufl. 1992; Pietzko, Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, Diss. Köln 1992; Schmidt-de Caluwe, Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, Diss. Gießen 1991; Ferschl, Der öffentlich-rechtliche Aufopferungsanspruch, Diss. Passau 1991; Adolf Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch, Diss. München 1991; Stuth, Staatshaftung oder Entschädigung? - Rechtsstrukturen der Schadensverteilung zwischen Staat und Bürgern, Diss. Bremen 1988. 86
Pfab, Staatshaftungsrecht in Deutschland, S. 1 ff: „legislatives Tätigwerden nahezu unabdingbar" (S. 2); Jaschinski, Anspruch aus enteignendem Eingriff, S. 13: „Wertungswidersprüche, die ohne rechtsdogmatische Verrenkungen' kaum bewältigt werden können"; Albers, Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, S. 28 ff: staatshaftungsrechtliche Institute verschwimmen immer mehr zu „bloßen Topoi" (S. 29), BGH vor der „Grenzerichterrechtlicher Legitimation" (S. 31), „Hoffnung auf Reform des Rechtsgebiets" (S. 31); Olbertz, Herstellungsanspruch im Verwaltungsrecht, S. 201 ff. u. 243 ff.: „Indolenz des Gesetzgebers" (S. 202); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 56 f. u. S. 217: Kodifikation im Sinne der bisherigen Rechtsprechung „rechtspolitisch erstrebenswert" (S. 217); Stangl Subsidiaritätsklausel, S. 33 f., 138: bis zur Neuordnung des Staatshaftungsrechts durch den Gesetzgeber „untragbare Ergebnisse"; Schneider, Fol-
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
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Die Diskussionen um eine Reform des Rechts der staatlichen Ersatzleistungen gehen bis auf den 41. Deutschen Juristentag im Jahre 1955 zurück 87 . Nachdem der Gesetzgeber trotz dieses Anstoßes 13 Jahre lang wenig Aktivität gezeigt hatte, wurde die Bundesregierung auf dem 47. DJT 1968 in einem einstimmig gefaßten Beschluß zu einer umfassenden bundesgesetzlichen Harmonisierung des Staatshaftungsrechts aufgefordert 88. Daraufhin setzte die Bundesregierung Anfang 1970 eine unabhängige Staatshaftungsrechtskommission ein. In der Folgezeit entstanden mehrere Gesetzentwürfe zu einem einheitlichen Staatshaftungsgesetz 89. Der Erlaß eines Staatshaftungsgesetzes ohne gleichzeitige Grundgesetzänderung aus dem Jahre 198190 scheiterte an der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Das Bundesverfassungsgericht hob das Gesetz nur rund zehn Monate nach seinem Inkrafttreten am 1. Januar 1982 wieder a u f 9 1 . Es vergaß dabei nicht zu betonen, daß das Staatshaftungsgesetz sich eines Rechtsbereichs angenommen habe, „über dessen Reformbedürftigkeit Einigkeit herrsche" 92. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist das Reformstreben kurzzeitig ins Stocken geraten 93. Zuerst kam es in den Ländern wieder zu diversen Initiativen zur Neuordnung des Staatshaftungsrechts 94. Aber auch der
genbeseitigung im Verwaltungsrecht, S. 196: wegen der Untätigkeit des Gesetzgebers besteht ein „scheußlicher, eines Rechtsstaates unwürdiger Zustand"; Fetzer, Legislatives Unrecht, S. 23 ff. u. 206 ff.: „gesetzliche Regelung aus meheren Gründen erforderlich" (S. 206), „gesetzliche Regelung der Materie unumgänglich" (S. 207) u. konkreter Gesetzesvorschlag (S. 207 ff.); Lühmann, Neuordnung des Amtshaftungsrechts, S. 1 : „Debakel um eine Reform des Staatshaftungsrechts"; Ferschl Aufopferungsanspruch, S. 251 : dem Staatshaftungsrecht werden „eine Vielzahl von Verbesserungen" nahegelegt; Stuth, Staatshaftung oder Entschädigung?, S. 13 ff. u. 196: „dogmatische Krise des Staatshaftungsrechts" (S. 13 ff.) u. Gesetzgeber muß „Entschädigungsfrage speziell regeln" (S. 196); vgl. auch Frotscher JuS 1997, L 49 ff.: „zum Teil nahezu unübersehbare Gebiet des Staatshaftungsrechts" (L 52), „die geplante Reform des Staatshaftungsrechts und ... sind daher überfällig" (L 53); Thieme DÖV 1996, 757 (763): „zu bedauern, daß der Gesetzgeber ... sich nicht zu einem neuen Anlauf aufgerafft hat". 87 Verhandlungen des 41. DJT 1955, Band II, Sitzungsbericht, Teil C. 88 Verhandlungen des 47. DJT 1968, Band II, Sitzungsbericht, Teil L. 89 Bundesminister der Justiz und Bundesminister des Innern (Hrsg.), Zur Reform des Staatshaftungsrechts - Kommissionsbericht, 1973; dies. (Hrsg.), Zur Reform des Staatshaftungsrechts - Referentenentwürfe, 1976; Regierungsentwürfe zur Reform des Staatshaftungsrechts, BT-Drs. 8/2079 und 8/2080. 90 BGBl I S. 533; zu den Kontroversen bei der Entstehungsgeschichte vgl. BT-Drs. 8/4026; 8/4037; 8/4144; 8/4145 sowie das Protokoll über die 220. Sitzung des BT v. 12.6.1980, BT-Prot. 8/17721. 91 BVerfG, Urt. v. 19.10.1982 - 2 BvF 1/81 -E61, 149 = NJW 1983,25. 92 BVerfGE 61, 149(155). 93 Hierzu Schullan BayVBl 1990, 360. 94 Vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Zur Reform des Staatshaftungsrechts, Gemeinsame Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder zur Neuregelung der
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1. Kap.: Einleitung
verfassungsändernde Gesetzgeber ist zwischenzeitlich wieder aktiv geworden und hat dem Bund im Zuge der Verfassungsreform von 1994 die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Staatshaftung eingeräumt (Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG) 95 . Wann die „Reformbemühungen" allerdings sichtbare Erfolge zeitigen werden, ist auch auf längere Sicht nicht absehbar. Der gesetzgeberische Elan im Bereich des Staatshaftungsrechts wird vor allen Dingen durch fiskalische Interessen des Staates gedrosselt 96. Die Finanzminister der Länder sperren sich dagegen, das längst überholte Staatshaftungsrecht einer Reform zuzuführen, weil sie bei anhaltend knappen öffentlichen Ressourcen - auch wenn dies in keiner Weise gesichert erscheint - eine nicht abschätzbare Mehrbelastung der Staatskassen befürchten 97. Selbst ein jahrzehntelanges „Anprangern" der unbefriedigenden Rechtswegaufspaltung für den primären und sekundären Rechtsschutz im Öffentlichen Recht 98 , wie er in Art. 14 Abs. 3 S. 4, Art. 34 S. 3 GG und § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO festgeschrieben ist, konnte bis heute keine von Erfolg gekrönte Reaktion des Gesetzgebers auslösen. Also nehmen die Gerichte das Heft selbst in die Hand. Sie schaffen im untechnischen Sinne - „Richterrecht", um die mißliche Situation wenigstens zu lindern. Die Scheu vor finanziellen Nachteilen ist sicheres Indiz dafür, daß die aktuelle Gesetzeslage wenig bürgerfreundlich ist und bei einer Reform mit dem Ziel, einen gerechten Ausgleich für die Verletzung der Integrität des Bürgers durch den Staat zu gewähren, mit mehr bzw. höheren Ersatzansprüchen der Bürger zu rechnen wäre 99 . Die Schaffung von Richterrecht ist daher nicht zuletzt von dem Gedanken getragen, tendenzielle Bürgerunfreundlichkeit abzufedern. Aber auch dem richterrechtlichen Staatshaftungsrecht sind Grenzen gesetzt (vgl. den Subsidiaritätsgrundsatz in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB 1 0 0 ) bzw. setzen die - nationalen - Gerichte Grenzen (vgl. den Ausschluß der Haftung für le-
Staatshaftung, 1987; Gesetzesinitiative des Landes Bayern BR-Drs. 644/89; Gesetzesinitiative des Landes Hamburg BR-Drs. 632/90. 95 BGBl 1994 IS. 3146. 96 Albers, Nichtumsetzung von EG-Richtlinien, S. 252 „politische Gestaltungsfreiheit aufgrund des drohenden Haftungspotentials eingeengt"; Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 33 f. 97 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 30; Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 5; Thieme DÖV 1996, 757 (763). 98 Siehe die Kritik bei Schock JZ 1995, 768 (773); Bender, in: BDVR, 5. Deutscher Verwaltungsrichtertag, S. 96 (99); Papier JZ 1975, 585 (590). 99 Ossenbühl, Neuere Entwicklungen des Staatshaftungsrechts, S. 6; Bender, in: BDVR, 5. Deutscher Verwaltungsrichtertag, S. 96. 100 Hierzu umfassend Stangl, Subsidiaritätsklausel und Amtshaftungsanspruch, 1994.
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
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gislatives Unrecht 101 oder die Beschränkungen des Aufopferungsanspruchs auf nicht Vermögenswerte Rechte wie Leben, Gesundheit und Freiheit 102 ).
b) Rückgriff auf Zivilrecht Schon sehr früh in der Entwicklung eines Staatshaftungsrechts und eines vom Privatrecht klar abgegrenzten Verwaltungsrechts erkannte die Rechtsprechung, daß haftungsrechtliche Streitigkeiten zwischen einem Hoheitsträger und einem Privaten häufig mit vertrauten Rechtsbeziehungen aus dem Zivilrecht vergleichbar sind. So diente (und dient) auch das Institut der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" den Gerichten in erster Linie dazu, ihnen bekannte schuldrechtliche (Vertrags-)Vorschriften aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch in öffentlich-rechtlichen Schadenersatzstreitigkeiten zur Anwendung bringen zu können. Auch bei anderen ungeschriebenen Haftungsinstituten des Staatshaftungsrechts bediente man sich - zumindest anfänglich - häufig des vertrauten Bürgerlichen Gesetzbuchs. Den ersten Rückgriff auf das Zivilrecht vollzog die Rechtsprechung bei öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnissen. Die Parallelität zum bürgerlichrechtlichen Verwahrungsvertrag drängte sich geradezu auf 103 . Als nächstes wollte man dem Beamtenverhältnis als unumstritten öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis haftungsrechtlich gerecht werden. Mangels eigenständiger Regelungen in den beamtenrechtlichen Gesetzen attestierte man dem Beamtenverhältnis privatrechtliche Wirkungen und behandelte es, was die Haftung betrifft, in Analogie zum Dienstvertragsrecht 104. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Ausweitung der Leistungsverwaltung kam es zu engen und langdauernden Kontakten zwischen Staat und Bürger. Die enge Verflechtung von oft beiderseitigen Leistungspflichten und -ansprüchen hat dazu geführt, 101 So der BGH, zuletzt BGHZ 134, 30 = NJW 1997, 123 = EuR 1997, 291 m. Anm. Hatje. Anders nun aber der EuGH Slg. I 1996, 1029 = NJW 1996, 1267 = EuZW 1996, 205 m. Bespr. Streinz S. 201 sowie Meier, NVwZ 1996, 660 f.; Bröhmer JuS 1997, 117; vgl. auch BVerfG NuR 1998, 597 = JuS 1999, 406 (Murswiek). - Zum Meinungsstand im „nationalen" Staatshaftungsrecht umfassend Fetzer, Die Haftung des Staates fur legislatives Unrecht, 1994; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 103 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 51 ff. 102 Vgl. zur diesbezüglichen Rechtsprechung u. a. BGHZ 9, 83; 17, 172 = NJW 1955, 1110; BGHZ 20, 61; 20, 81; 24, 45 = NJW 1957, 948; BGHZ 25, 238 = NJW 1957, 1924; BGHZ 31, 187 = NJW 1960, 379; BGHZ 36, 379; 45, 48 = NJW 1966, 1021; BGHZ 45, 290 = NJW 1966, 1859; BGHZ 47, 327; BGH NJW 1971, 1881; BGHZ 60, 302 = NJW 1973, 1322; BGHZ 65, 196 = NJW 1976, 186; BGHZ 66, 118; 111, 349; BGH NJW 1994, 1468; NJW 1994, 2229; NJW 1996, 2422. - Und zur Kritik vgl. die Nachw. bei Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 106. 103 Vgl. zur historischen Entwicklung unten S. 102 f. 104 Vgl. zur historischen Entwicklung unten S. 87 ff.
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1. Kap.: Einleitung
daß auch in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen vertragliche Haftungsgrundsätze des Zivilrechts zur Anwendung gebracht werden 105 . Die Geschäftsführung ohne Auftrag, die bei öffentlich-rechtlichem Charakter ebenfalls zum Bereich der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" gezählt wird 1 0 6 , nimmt in beiden Rechtssystemen als vertragsähnliches gesetzliches Schuldverhältnis eine Zwischenstellung zwischen den gesetzlichen und rechtsgeschäftlichen Haftungstatbeständen ein 107 . Rechtsprechung und Literatur meinten im Öffentlichen Recht dem Zivilrecht vergleichbare Konstellationen vorzufinden. Zielsetzung der Transformation ins Öffentliche Recht ist es, einen „gerechten" Ausgleich in Form eines Aufwendungsersatzanspruchs begründen zu können, wenn im Verhältnis zwischen Bürger und Staat oder zwischen zwei Verwaltungsträgern eines der Rechtssubjekte eine Aufgabe erledigt, zu deren Wahrnehmung eigentlich der andere Beteiligte verpflichtet gewesen wäre (§§ 677 ff. BGB). Man schuf dazu sogar das - der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag bis dahin unbekannte - Gebilde des „auch fremden Geschäfts" 108 . Selbst bei der Entwicklung des ungeschriebenen Folgenbeseitigungsanspruchs im Öffentlichen Recht, einem gesetzlichen Schuldverhältnis, wurde und wird vereinzelt der Versuch einer Analogie zu zivilrechtlichen Vorschriften unternommen. Der Folgenbeseitigungsanspruch sollte sich durch einen Rückgriff auf §§ 1004, 861, 862, 12 BGB als quasinegatorischer Wiederherstellungsanspruch darstellen 109, die Folgenbeseitigungslast durch §§ 162, 242 BGB begründet sein 110 . Heute hat man weitestgehend erkannt, daß der Folgenbeseitigungsanspruch bereits in den Freiheitsgrundrechten verankert ist 111 . Der Widerrufsanspruch, als eine Ausprägung des Folgenbeseitigungsanspruchs, wird nichtsdestotrotz von einzelnen Stimmen nach wie vor aus § 1004 BGB
105 106 107
Rn. 264. 108
Vgl. zur historischen Entwicklung unten S. 73 f. Vgl. zur historischen Entwicklung unten S. 110 f. BayVGH VerwRspr 24, 542 (545); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht,
Eingehend hierzu unten S. 120 ff. Bettermann, Sitzungsberichte L 47. DJT, S. 66 f.; ders. DÖV 1955, 528 (534 ff.); Kr eft, Sitzungsberichte L 47. DJT, S. 77; vgl. auch BayVGH BayVBl 1990, 627 (628); OVG NW DVB1 1977, 259; VG Minden DVB1 1965, 339 (340); Hess VGH DÖV 1988, 468; OVG NW NVwZ 1985, 123; Faber, Verwaltungsrecht, S. 303; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 494 f.; Groß DVB1 1981, 247 (248); Schleeh AöR 92 (1967), 58 (66 ff.); Ule/Fittschen JZ 1965, 315. 110 Hierzu Ivo, Folgenbeseitigungslast, S. 61 ff. m. w. Nachw. 111 Schock VerwArch 79 (1988), 1 (34 ff.) m. zahlreichen Nachw. - § 1004 BGB als Ergänzung zum grundrechtlichen Begründungsansatz bemühend Pietzko, Der materiell-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch, S. 119 ff.; den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB als mit dem öffentlich-rechtlichen FBA vergleichbar erklärend OVG NW NVwZ-RR 1997, 618 (619). 109
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
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abgeleitet112. Auch der in seinen Voraussetzungen dem Folgenbeseitigungsanspruch ähnliche öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wird heute noch teilweise entgegen der h. M . 1 1 3 auf eine Analogie zu § 1004 BGB 1 1 4 oder auf einen der Vorschrift des § 1004 BGB zugrundeliegenden allgemeinen Rechtsgedanken gestützt115. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch begründet ebenfalls ein gesetzliches Schuldverhältnis. Soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen im Öffentlichen Recht vorhanden waren, wurde der sog. „allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch" der Tradition folgend ursprünglich an bürgerlich-rechtliche Vorschriften angelehnt. Man behandelte ihn nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) 1 1 6 . Die früher vorherrschende Analogie ist allerdings überwunden. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch ist heute gewohnheitsrechtlich als eigenständiges, originäres Institut des Allgemeinen Verwaltungsrechts anerkannt 117 und unterliegt seinen eigenen Regeln. Ein Rückgriff auf das BGB findet nicht mehr statt. Alle diese - diskutierten, teilweise überwundenen oder nach wie vor anerkannten - Anlehnungen an das Zivilrecht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung wären nicht nötig gewesen, wenn über das bestehende positivrechtliche oder gewohnheitsrechtliche Staatshaftungsrecht nach Auffassung der Gerichte und der Lehre ein angemessener und gerechter Ausgleich gewährleistet gewesen wäre. Dem war und ist aber nicht so. Aufgrund der angesprochenen
112 OVG NW DÖV 1985, 285; a. Α., die Untauglichkeit der Heranziehung von § 1004 BGB eindeutig herausstellend HessVGH ZBR 1974, 261 (263). 113 Eine Ableitung aus (dem Rechtsstaatsprinzip und) den Freiheitsgrundrechten bevorzugend u. a. OVG NW NVwZ 1984, 530; OVG RP NJW 1986, 953 f.; Sproll JuS 1996, 313 (315); Papier JuS 1985, 184 (188); Weyreuther, Gutachten Β 47. DJT, S. 78 ff. 114 BayVGH NVwZ 1997, 96; NJW 1997, 1181; HessVGH DÖV 1988, 468; NVwZ-RR 1997, 612 (613); VG Berlin LKV 1996, 459; Broß VerwArch 76 (1985), 217 (227 ff). - Den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB als mit dem öffentlich-rechtlichen FBA vergleichbar erklärend OVG NW NVwZ-RR 1997, 618 (619). 115 Laubinger VerwArch 80 (1989), 261 (292); Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 161 ff.; offen gelassen BVerwGE 79, 254 (257) = NJW 1988, 2396; E 81, 197 (199 f.) = NJW 1989, 1291. 116 OVG Lüneburg NJW 1953, 839 f.; OVG NW DÖV 1967, 271 (272); OVG RP AS 4, 87 (92); Friedrichs ArchBürgR 42 (1916), 28 (79 f.); so scheinbar unreflektiert im Gegensatz zur sonstigen eigenen Rechtsprechung auch BVerwG NJW 1980, 2538. 117 BVerwGE 4, 215 (218 f.); 20, 295 (297); 25, 72 (76); 71, 85 (87 f.); OVG NW NJW 1992, 2245; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 175; Stangl JA 1998, 48; Windthorst JuS 1996, 894 (895); Schoch Jura 1994, 82 (84); Morlok Verw 25 (1992), 371(373 f., 386 ff.); Ossenbühl NVwZ 1991, 513 (516); ders. JZ 1985, 795; Weber JuS 1986, 29 (33); ders. JuS 1970, 169 (171); Hurst DVB1 1965, 757 (758).
1. Kap.: Einleitung
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finanzpolitischen Kodifikationsprobleme hat das Staatshaftungsrecht die Entwicklung der engen Leistungs- und Pflichtenverflechtung zwischen Bürger und Staat, die in diesem Jahrhundert weite Bereiche des Öffentlichen Rechts grundlegend verändert hat, nicht mitgemacht. Betrachtet man die Lückenhaftigkeit des gesetzlich geregelten Staatshaftungsrechts und die unverkennbar mangelhafte Bürgerfreundlichkeit der positivrechtlichen Normierungen, scheint die Entwicklung eines Haftungsinstituts durch Rechtsprechung und Literatur, das sich ohne Grundlage im geschriebenen Öffentlichen Recht direkt auf Vorschriften des Zivilrechts stützt, nur logische Konsequenz. Eine „Lückenschließung" zur vermeintlichen Optimierung der Risikoverteilung wird im Bereich des Staatshaftungsrechts „traditionell" ohne weiteres akzeptiert. Es war schon immer so, daß das Verwaltungsrecht als das jüngere Rechtsgebiet zur Bewältigung seiner Rechtsfragen auf das Zivilrecht zurückgreift 118 . Die langjährige Tradition des Zivilrechts hat sich über das Staatshaftungsrecht im Öffentlichen Recht festgesetzt. Die Rechtswegzuweisungen aus „Tradition" 119 in Art. 14 Abs. 3, Art. 34 S. 3, Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG, § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO sind deutliche Hinweise auf die inhaltliche Anlehnung an das Bürgerliche Recht. Die zentrale Vorschrift des Staatshaftungsrechts, der Amtshaftungstatbestand, steht immer noch mitten im Bürgerlichen Gesetzbuch. Die Zivilgerichte beanspruchen zugunsten ihrer Zuständigkeit weite Teile des Rechts der staatlichen Ersatzleistungen und trotz der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 120 die Eigentumsdogmatik des Art. 14 GG weiterhin für sich 121 . Sie gewähren Ansprüche aus öffentlichrechtlicher Verwahrung und öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag und meinen zur Entscheidung über die Haftung aus „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" berufen zu sein. Kritisch durchleuchtet wird diese „Selbstbeschaffung" von Betätigungsfeldern von den Gerichten selten. Denn, „in solcher Weise Gewachsenes und Bewährtes ohne zwingenden Grund aus bloß dogmatischen Erwägungen zu zerschlagen, entspricht nicht dem richterlichen Selbstverständnis der Mitglieder des (für das Staatshaftungsrecht zuständigen122) III. Zivilsenats" beim BGH 1 2 3 - und dank der höchstrichterlichen Autorität des BGH gilt dies wohl für die Zivilgerichte in toto.
1,8
Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133. Hierzu etwa Schock, in: FS Menger, S. 305 ff.; Papier JZ 1975, 586 ff. 120 BVerfGE 58, 300. 121 Hierzu kritisch Schock JZ 1995, 768 (768 f.); ders., in: Freiburger Begegnung, S. 1 (19); Lege NJW 1995, 2745 (2747 ff.); de Witt DVB1 1995, 107 f.; Ossenbühl JZ 1994, 263 (264); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (537 f.). 122 Anm.d. Verf. 123 Rinne, in: Freiburger Begegnung, S. 22 (26). - Rinne ist damals Vorsitzender Richter des III. Zivilsenats am BGH gewesen. 119
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
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Auffällig ist, daß immer dann, wenn im Staatshaftungsrecht heute noch ein Rückgriff auf das Zivilrecht erfolgt, ein Vergleich des öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses, aus dem gehaftet werden soll, mit einer vertraglichen Rechtsbeziehung des BGB gezogen wird. Der Folgenbeseitigungsanspruch, der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch und der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch als gesetzliche Sekundärschuldverhältnisse werden von Rechtsprechung und Lehre mittlerweile direkt dem Öffentlichen Recht entnommen. Lediglich bei vertragsähnlichen Haftungsinstituten wird weiterhin unvermindert auf das Zivilrecht zurückgegriffen 124. Die vertragliche Haftung des BGB scheint somit gegenüber den bestehenden Instituten des Staatshaftungsrechts in einigen Bereichen noch Vorteile mit sich zu bringen bzw. die gegenseitigen Interessen besser auszutarieren. So scheinen beispielsweise die zivilrechtlichen Vertragshaftungsgrundsätze wie die Zurechnung von Verschulden eines Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) oder die Umkehr der Beweislast (§ 282 BGB) in bestimmten Verwaltungsrechtsbeziehungen einen angemesseneren Interessenausgleich zu ermöglichen als die deliktische Amtshaftung. Die dogmatische Aufarbeitung kommt aufgrund des Wunsches nach möglichst „gerechtem" Interessenausgleich meist zu kurz. Werden die dem Zivilrecht entlehnten staatshaftungsrechtlichen Institute allerdings auf ihren Anwendungsbereich und ihre dogmatische und methodische Haltbarkeit hin überprüft, ist das Ergebnis oft wenig befriedigend. Gelangt man nach eingehender Prüfung beispielsweise zu dem Schluß, der „Bürger" könne lege artis keinen Anspruch begründen, dann wird dies allgemein als ungerecht empfunden und man tut sich schwer, dieses Ergebnis ohne weiteres hinzunehmen und den Privaten leer ausgehen zu lassen.
c) Probleme einer Rechtsfortbildung qua Tradition Können sich die Gerichte auf eine Rechtsprechungstradition oder anders ausgedrückt eine bestehende (ständige) Rechtsprechung berufen, wird richterliche Rechtsfortbildung erleichtert. Äußert ein Gericht in einer Entscheidung eine Rechtsauffassung, die sich aus einer Auslegung des Gesetzes, einer gesetzesimmanenten (Analogie) oder gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung (Heranziehung von Rechtsgrundsätzen) ergibt, so hat dies unmittelbar nur Bedeutung für diesen Einzelfall 125 . Allerdings liegt in der einmal geäußerten Rechtsauffassung auch der Anspruch auf Richtigkeit und damit der Gültigkeit für alle künftigen gleichartigen Fälle. Eine Orientierung an Präjudizien insbesondere der Obergerichte dient zudem der Einheitlichkeit und Kontinuität der Rechtsprechung
124 125
Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 74. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 252.
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1. Kap.: Einleitung
und damit der Rechtssicherheit 126. Hat sich eine Rechtsüberzeugung einmal durchgesetzt, müßten sich spätere (Einzelfall-)Entscheidungen bei dissentierender Auffassung über diese implizite Richtigkeitsvermutung hinwegsetzen. Die Probleme einer solchen Manifestierung von Präjudizien zu Richterrecht liegen auf der Hand. Zum einen besteht die Gefahr einer Fortschreibung von Fehlern und verfehlten Rechtsauffassungen. Zum anderen hindert das Richterrecht, das aus seiner Natur heraus nur in Einzelfalljudikaten herausgebildet wird, eine systematisierende Gesamtleistung. Dies im besonderen dann, wenn nachfolgende Entscheidungen auf Präjudizien aufbauen und diese fortentwickeln. Fehlt aber dem Gesamtkontext von Richterrecht die ordnende Kraft, so mehren sich rechtsdogmatische und methodische Defizite. Eine kritische Beleuchtung droht mit einem Verweis auf die Rechtsprechungstradition ausgeblendet zu werden 127 . Für den Bereich der sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" sowie für das Staatshaftungsrecht überhaupt kann daher eine unbefriedigende Situation konstatiert werden. Einerseits ist das Staatshaftungsrecht teilweise durch Richterrecht derart geprägt und orientiert sich der Rechtsverkehr daran vielfach so sehr, daß der Rechtsprechung zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" eine faktische Geltungskraft zukommt, die annähernd an die eines Gesetzes heranreicht. Andererseits bieten alle diese richterrechtlichen Institute der Lückenschließung - oder NichtSchließung - den Gerichten in der Rechtswirklichkeit einen weiterreichenden „Spielraum", als er ihnen durch eindeutige Gesetzesvorschriften eingeräumt wäre 128 . Die Unzufriedenheit mit der aktuellen Gesetzeslage läßt sich also auch als eine Unzufriedenheit mit der Art und Weise der Lückenschließung durch die Rechtsprechung deuten.
2. Anforderungen
an richterliche
Rechtsfortbildung
a) Bedürfnis einer Rechtsfortbildung Richterliche Rechtsfortbildung setzt Lückenhaftigkeit des (positiven) Rechts voraus 129. Eine Lückenschließung ist nur möglich, wenn mit überzeugenden rechtlichen Argumenten begründet werden kann, daß das Recht tatsächlich der Ergänzung bedarf 130 . Eine Legitimation kann nur erfolgen, wenn die Notwendigkeit sich nicht nur auf bloße Billigkeitserwägungen des einzelnen Betrachters stützt; vielmehr ist eine spezifisch rechtliche Fundierung, etwa mit Hilfe von
126 127 128 129 130
Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 253. Bydlinski, Methodenlehre, S. 503 f. Groß DVB1 1981, 247 (250). Zur Definition des Begriffs der Lücke siehe unten S. 283 f. u. 287 ff. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 247; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 475.
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
43
Analogien oder allgemeiner Rechtsprinzipien oder -werte, erforderlich 131 . Bei der Begründung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" ist daher zunächst der Nachweis zu führen, daß im Öffentlichen Recht ein tatsächliches Bedürfnis nach einer Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" neben der Amtshaftung und anderen Instituten des Staatshaftungsrechts besteht132. Über das Bestehen einer ergänzungsbedürftigen Unvollständigkeit im Bereich der Staatshaftung i. w. S. gibt es keinen Zweifel. Die Mehrzahl der Institute auf dem Gebiet der staatlichen Ersatzleistungen entstammt nicht dem geschriebenen Recht, sondern ist von der Rechtsprechung im Laufe der Jahre gesetzgeberischer Untätigkeit 133 entwickelt und ausgeformt worden. Außerhalb der Amtshaftung besteht (sekundärer) Rechtsgüterschutz nur für Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) und Eigentum (Art. 14 Abs. 1 u. 2 GG). Auch die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" dient daher der Ergänzung einer als defizitär empfundenen Amtshaftung. Als Konsequenz werden in Rechtsprechung und Literatur bestimmte Sekundärrechtsverhältnisse einer vertraglichen Haftung zugeführt. Nachteile der Amtshaftung werden u. a. darin gesehen, daß die Verwaltung für Verwaltungshelfer über § 839 Abs. 1 S. 1 BGB nicht wie der Schuldner einer Leistung im Zivilrecht für Erfüllungsgehilfen uneingeschränkt einzustehen habe 134 , die Beweislast nicht entsprechend § 282 BGB umgekehrt sei 135 , eine Haftung an der Subsidiaritätsklausel des
131
Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246. Hierzu siehe unten S. 212 ff. 133 Hierzu siehe oben S. 33 f. 134 BVerwGE 13, 17 (24 f.) = NJW 1961, 2364 (2366 f.); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); OVG NW GemH 1988, 259 (261); NWVB1 1996, 12 (14); RGZ 115, 419 (423); BGHZ 3, 162 (173); 54, 299 (303); 61, 7 (12); BGH NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (40); DVB1 1978, 108 (109); NVwZ 1983, 571; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 6 u. 8; ders. JuS 1994, 1015 (1018); Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 10; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 40; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338 u. 358; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Larenz, Schuldrecht I, S. 419; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 645 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 505; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 820 u. 823; Dagtoglou y in: BK, Art. 34 Rn. 71; Koenig DÖV 1994, 286 (289); von Klitzing BayBgm 1989, 327; Sander BauR 1985, 167 (169); Janson DÖV 1979, 696 (698); Polder NJW 1977, 954; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (389); Stürner JuS 1973, 749 (753); Götz JuS 1971, 349 (352); Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (256). 135 BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG S. 2; BVerwGE 52, 247 (255) = NJW 1978, 717 (719); BVerwG NVwZ 1998, 400; VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; LM § 688 BGB, 132
44
1. Kap.: Einleitung
§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB scheitern könne 136 , satzungsmäßige Haftungsausschlüsse nicht wie Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Privatrechtsverkehr zulässig seien 137 , die Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB schon nach drei Jahren eintrete 138 , bei der Amtshaftung nur Geldersatz, nicht aber Naturalrestitution geschuldet sei 139 und daß der Private bei Pflichtverletzungen im Verhältnis zur Verwaltung nicht selbst Haftungsschuldner sein könne 140 . Dieser vordergründige Befund einer Vorteilhafitigkeit der Vertragshaftung gegenüber der Amtshaf-
Nr. 2 Bl. 2; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); NJW 1990, 1230 (1231); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Köln VersR 1990, 898 (899); NVwZ 1994, 618 (619); Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110. 136 Vgl. etwa BVerwGE 13, 17 (25 f.) = NJW 1961, 2364 (2367); E 25, 138 (145 f.) = ZBR 1967, 151 (153); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (329); BGHZ 43, 178 (184, 187); BGH NJW 1998, 142 (145); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Driehaus/Pietzner, Einfuhrung, § 19 Rn. 11; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172). - Aus der Rechtsprechung vgl. nur aus jüngster Zeit BGH NVwZ-RR 1997, 204 (205); NJW 1997, 2109; JZ 1998, 41 m. krit. Anm. Ossenbühl; OLG Düsseldorf NWVB1 1997, 192. 137 BGHZ 61, 7 (16); BGH NJW 1984, 615 (617); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 269; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 967 f.; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 76; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 220; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders., Kommunalrecht BW, Rn. 300; Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB (12. Aufl.), § 839 Rn. 37; Ehlers, Verwaltung in Privarechtsform, S. 360; Janson DÖV 1979, 696 (703 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (401); ders. BayVBl 1974, 57 (60); Rüfner DÖV 1973,808 (811). 138 BVerwGE 13, 17 (25) = NJW 1961, 2364 (2367); RGZ 166, 218 (224); BGHZ 29, 310 (313); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 75; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Rüfner, in: Erichsen, § 50 Rn. 10; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 301; Schnellenbach Beamtenrecht, Rn. 415; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 645; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 823; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 71; Sander BauR 1985, 167 (168); Grave DVB1 1978, 450 (451); Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172); Battis ZBR 1971, 300; ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 505. 139 BVerwGE 13, 17 (23 f.) = NJW 1961, 2364 (2366); E 53, 12 (21); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (329); ZBR 1974, 261 (263); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140. 140 Vgl. die Gerichtsentscheidungen VGH BW NJW 1991, 2986; BayVGH BayVBl 1979, 621; BayVBl 1991, 597; BayVBl 1992, 213; NVwZ-RR 1995, 86; OVG Hamburg MDR 1951, 634; HessVGH GemH 1989, 65; OVG NW NWVB1 1996, 13; NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; VG Köln NVwZ 1993, 806; BGHZ 65, 354; BGH BB 1986, 2289; NJW 1990, 1604; OLG HammNWVBl 1989, 218.
II. Rechtsdogmatische und methodische Defizite der Praxis
45
tung wird an gegebener Stelle durch eine konkrete Analyse im Zusammenhang der einzelnen Konstellationen, in denen zivilrechtliche Vorschriften mittels der Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" fur das Öffentliche Recht nutzbar gemacht werden, zu verifizieren sein 141 .
b) Inhaltlicher Zugriff Die Rechtsfortbildung im Bereich „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" verfolgt das Ziel, zivilrechtliche Schuldrechtsvorschriften oder -grundsätze im Öffentlichen Recht anwenden zu können. Beim Rückgriff auf zivilrechtliche Vertragshaftungsgrundsätze befinden sich die Zivilgerichte auf gewohntem Terrain. Das BGB-Haftungsrecht ist - häufig im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Haftungsgrundsätzen - jedem Juristen vertraut. Bequemlichkeit der Gerichte reicht allerdings für die Begründung von Richterrecht nicht aus. Billigkeitsrechtsprechung ist ausgeschlossen. Das Gerechtigkeitsgefühl bei der Verteilung eines Schadens bedarf dogmatischer und methodischer Rechtfertigung. Es ist an erster Stelle zu fragen, in welchen Verwaltungsrechtsbeziehungen auf das Zivilrecht zurückgegriffen werden und eine solche Schöpfung der Rechtsprechung gerechtfertigt sein kann. Durch die beschriebene Ausweitung des Kreises „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" 142 wird diese Frage besonders virulent. Der inhaltliche Zugriff setzt voraus, daß Klarheit darüber besteht, welche Merkmale bzw. Voraussetzungen „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" ausmachen143. Die Abgrenzung bzw. Eingrenzung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" von anderen Verwaltungsrechtsverhältnissen muß der Frage vorgeschaltet sein, welche Rechtsverletzungen mit BGB-Vertragshaftungsrecht sanktioniert sein könnten. Letzteres richtet sich danach, ob sich die haftungsrechtlichen Vorschriften bzw. Rechtsgrundsätze, wie sie aus dem Zivilrecht bekannt sind, im Regelungszusammenhang „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" anwendbar sind. Auch hier ist für die Beurteilung der Inhalt maßgeblich, den die Verwaltungsrechtsbeziehung durch ihre rechtliche Ausgestaltung erhalten. Es bedarf einer Beleuchtung der Interessenlage im - vorher als solchen erkannten - „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis".
141 Zum eingehenden Vergleich der Amtshaftung mit einer Haftung nach BGB-Vertragsrecht siehe unten S. 219 ff. 142 143
Siehe oben S. 27 ff. Hierzu ausführlich unten S. 144 ff.
46
1. Kap.: Einleitung
c) Rechtstechnik bei richterlicher Rechtsfortbildung im „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" Unabhängig davon, welche inhaltlichen Kriterien „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" von anderen Verwaltungsrechtsverhältnissen unterscheiden, sind die Regeln bei der Anwendung von Zivilrecht im Öffentlichen Recht zu beachten. Einzelne Verwaltungsrechtsbeziehungen werden deshalb aus dem Kreis aller herausgehoben, weil das Öffentliche Recht keine befriedigenden Lösungen anbietet und man meint, sie unter Zuhilfenahme von BGB-Vorschriften am sachgerechtesten handhaben zu können. Die Anwendbarkeit des Privatrechts im Bereich des Öffentlichen Rechts läßt sich nicht durch Auslegung erreichen und das Verwaltungsrecht ordnet die Anwendung von Zivilrecht nur in seltenen Fällen ausdrücklich an. Die Gerichte können daher nur im Wege richterlicher Rechtsfortbildung (i. w. S.) auf das Bürgerliche Gesetzbuch zurückgreifen. Es ist zu unterscheiden zwischen der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung im Wege eines Analogieschlusses und der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung im Wege der Heranziehung von Rechtsgrundsätzen144. Beide zählen anerkanntermaßen zu den ureigenen Aufgaben und Befugnissen der Gerichte 145. Soll BGB-Vertragsrecht auf öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen Anwendung finden können, muß insbesondere die Rechtstechnik richterlicher Rechtsfortbildung beachtet sein. Es müssen die „positiven" Voraussetzungen eines Analogieschlusses bzw. einer Heranziehbarkeit von Rechtsgrundsätzen im konkreten Fall vorliegen sowie die Grenzen richterlicher Rechtsfortbüdung eingehalten sein. Im Öffentlichen Recht zählt hierzu neben dem aus dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleiteten allgemeinen Verbot der Rechtsfindung contra legem 146 auch der Vorbehalt des Gesetzes147.
Π Ι . „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse46 im System des Verwaltungsrechts 7. System des Staatshaftungsrechts Die vorwiegend fiskalisch motivierte Zurückhaltung bei einer Reform bzw. Kodifikation des Staatshaftungsrechts verdeckt leicht, daß die positivrechtliche
144
Zu dieser terminologischen Einteilung Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. BVerfGE 34, 269 (286 ff.); 37, 67 (81); 38, 386 (396); 49, 304 (338); Zippelius, Methodenlehre, S. 73, 76 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 236; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 454; Schwacke, Juristische Methodik, S. 76 f.; Thieme Jura 1995, 639 (640). 146 Ausführlich hierzu Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, S. 5 ff. sowie unten S. 291 ff. 147 Hierzu siehe unten S. 295 ff. 145
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Verwaltungsrechts
47
Normierung des Staatshaftungsrechts - neben der Verbesserung der Rechtsposition des durch staatliches Handeln Geschädigten - , vor allen Dingen eine rechtseinheitliche, in sich schlüssige, widerspruchsfreie und für die Praxis handhabbare 148 Neuordnung der Staatshaftung leisten müßte und könnte. Das beziehungslose Nebeneinander von richterrechtlichen Staatshaftungsinstituten und der gesetzlich geregelten Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) bedarf dringend einer Zusammenfuhrung 149. Bis dahin wird die fehlende klare Struktur des Staatshaftungsrechts der Bundesrepublik Deutschland Bestand haben. Die Wiedervereinigung hat der Uneinheitlichkeit sogar noch ein weiteres Kapitel hinzugefügt 150 . Der Einigungsvertrag aus dem Jahre 1990 bestimmt, daß in den fünf „neuen Bundesländern" das Staatshaftungsgesetz der DDR aus dem Jahre 1969 in einer modifizierten Form als Landesrecht weitergelten solle 151 . In den östlichen Bundesländern galt bzw. gilt damit weiterhin ein „doppeltes Staatshaftungsrecht" 152. Auch dahinter steckte die gesetzgeberische Intention, die Reformdiskussion im Staatshaftungsrecht voranzutreiben und dem Gesetzgeber den Handlungsbedarf deutlich vor Augen zu führen 153 . Jedoch lediglich in Sachsen wurde das Staatshaftungsgesetz der DDR durch das Rechtsbereinigungsgesetz des Freistaates Sachsen vom 17.4.1998154 aufgehoben 155. Bis zu einer bundeseinheitlichen Kodifikation bleibt es ansonsten bei der für die Rechtspraxis unbefriedigenden Sondersituation. Auch wenn man auf innovative und umfassende Reformen seitens des Gesetzgebers kaum mehr zu vertrauen wagt, so hat sich die Diskussion um das beste-
148
Ossenbühl, Neue Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 5 spricht von einer „Geheimwissenschaft" und einer Materie mit zunehmend „esoterischem Charakter, in der sich auch Spezialisten nur noch mit Mühe" zurechtfanden. 149 BT-Drs. 8/4026 S. 1 u. 8/4144 S. 1: „Das geltende Staatshaftungsrecht ist unübersichtlich, in wichtigen Bereichen gewohnheitsrechtlich oder richterrechtlich entwickelt, also ungeschrieben und nicht nachlesbar, und entspricht nicht mehr dem modernen Verfassungsverständnis."; vgl. auch Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Zur Reform des Staatshaftungsrechts, Vorlage der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundes und der Länder zur Neuregelung der Staatshaftung, S. 41 (46 ff). 150 Ausführlich dazu Bonk,, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 24 ff; Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 29 ff. 151 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands - Einigungsvertrag, BGBl 1990 II, Nr. 35, Anlage II, Kapitel III, Sachgebiet B, Abschnitt III. 152 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 24. - Lühmann ThürVBl 1998, 169 (174) spricht von einer schleichenden Staatshaftungsreform. 153 Siehe die Begründung des EV, BGBl 1990 II S. 889 (1168) zu Ani. II Β Kap. III Sachgeb. Β Abschn. III. 154 GVB1S. 151. 155 Hierzu Ross SächsVBl 1998, 182.
48
1. Kap.: Einleitung
hende „System" 156 und die von der Rechtsprechung anerkannten „Institute" des Staatshaftungsrechts in den letzten Jahren wieder verstärkt 157. Die Vielschichtigkeit und Unterschiedlichkeit sog. „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" stellt dabei an die Einordnung in ein System des Verwaltungsrechts 158 und damit in den verwaltungsrechtlichen Bezugsrahmen besondere Anforderungen. Eine Systematisierung und die Herausarbeitung gemeinsamer Strukturelemente der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" könnte entweder im Kontext der Handlungsformenlehre oder der Rechtsverhältnislehre zu versuchen sein. 2. Verwaltungsrechtlicher
Bezugsrahmen
a) Handlungsform Das Verwaltungsrecht versteht sich als Regelungswerk zur Steuerung und Sanktionierung des Handelns der Träger öffentlicher Gewalt bzw. des Handelns Privater, die mit der öffentlichen Verwaltung in öffentlich-rechtlichem Regelungszusammenhang in Kontakt kommen 159 . Hauptaufgabe der Verwaltung ist die Ausführung der Gesetze und Programme. Sie hat den materiellen Gehalt des Verwaltungsrechts umzusetzen. Ihr Handeln unterliegt dabei einer Ordnung, die in erster Linie zwei Funktionen zu erfüllen hat, eine formelle, verfahrensrechtliche und eine fehler- und rechtsschutzorientierte 160. Bei der Verwirklichung und der Kontrolle der materiellen Vorgaben stellt die Handlungsform der Verwaltung und hier insbesondere der Verwaltungsakt nach wie vor den zentralen Bezugsrahmen 161. Meist ist es der Verwaltungsakt (oder entsprechend eine andere Handlungsform) und weniger das rechtliche Beziehungsgeflecht, welches durch den Verwaltungsakt gestiftet bzw. geprägt wird, das den Ausgangspunkt des anspruchs- und rechtsschutzorientierten Verwaltungsrechtsdenkens bildet.
156
Zum Streit darüber, ob überhaupt von einem „System" der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen gesprochen werden kann, vgl. Schoch VerwArch 79 (1988), 1 (2 Fn. 1); Morlok Verw 25 (1992), 371 (374 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 2 f. spricht von einem „Chaos des Staatshaftungsrechts"; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 1 Rn. 2 meinen, das Staatshaftungsrecht sei „kein vom Gesetzgeber einheitlich entwickeltes, geschlossenes Rechtssystem". 157 Siehe oben Fn. 85 f. 158 Zu System und Systembildung im Verwaltungsrecht umfassend siehe SchmidtAßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 1 ff. 159 Hoffmann-Riem DÖV 1997, 433 (439); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (534); Krause WDStRL 45 (1987), 217 ff. 160 Di Fabio , in: Becker-Schwarze u. a., Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 47 f.; Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 f.; Ossenbühl JuS 1979,681 (682). 161 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 24; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 7; Faber, Verwaltungsrecht, S. 45; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 38; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 330; Henneke DÖV 1997, 768 (772); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540).
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Vewaltungsrechts
49
Das Verwaltungs(verfahrens)recht normiert je nach Handlungsform verschiedene formelle Anforderungen. Das Verwaltungshandeln unterliegt den für die jeweilige Handlungsform geltenden Verfahrensregeln und Formvorschriften. Rechtsfolgen, Wirksamkeit, Abwicklung bzw. Durchsetzbarkeit werden je nach Art des Vorgehens anderen Voraussetzungen unterworfen. Oftmals läßt sich erst nach Ermittlung der Handlungsform feststellen, ob und welche Fehler im Verfahren begangen wurden. Als logische Konsequenz differenziert auch das Rechtsschutzsystem bei der Frage nach den Fehlerfolgen entsprechend den Handlungstypen. Diese handlungsformorientierte Prägung des Verwaltungs(verfahrens)rechts läßt sich für eine Eingrenzung und Systematisierung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" nur schwerlich nutzbar machen. Die Qualifizierung als „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" hängt nicht davon ab, in welcher Handlungsform der Staat dem Bürger in der konkreten Rechtsbeziehung gegenübergetreten ist. Beispielsweise ist die Annahme eines öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses unabhängig davon, ob die Inbesitznahme und die daran anschließende Pflicht zur Obhut Folge eines vorangegangenen Verwaltungsakts bzw. präziser ausgedrückt des Vollzugs eines Verwaltungsakts ist (etwa bei einer Beschlagnahme oder Sicherstellung) 162, ob sie auf einer gegenseitigen Vereinbarung in einem verwaltungsrechtlichen Vertrag beruht oder auf einem Verwaltungsrealakt bei der Inbesitznahme163. Auch die Möglichkeit einer Begründung des Verwahrungsverhältnisses durch Gesetz ist denkbar 164. Das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Verwahrung richtet sich damit ausschließlich nach dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Pflicht zur Obhut 165 , und diese ergibt sich nicht aus der Handlungsform, in der die Verwaltung tätig geworden ist, also nicht aus den tatsächlichen Maßnahmen der Inbesitznahme bzw. dem gesetzlichen, ver162 OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); RGZ 166, 218 (222); BGH NJW 1952, 658 (659); DB 1956, 476; BGH WM 1973, 1416 (1417); AG Hamm MDR 1978, 51 (52); Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Friauf in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 140; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138 (Fn. 142); Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 7; Maurer JuS 1981, 809 (812). 163 BGHZ 3, 162 (173); 21, 214 (219); Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Jochum/Rühle, Polizeirecht, Kap. H Rn. 95; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 48; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 4; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 128; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 272; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138; Schimpf Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 81; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 808; Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (98 Fn. 53). 164 Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 17; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 130 (140); Eckert DVB1 1962, 11 (12 ff.). 165 BVerwG NJW 1995, 271; Dr ews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Maurer JuS 1981, 809 (812); ausführlich hierzu unten S. 106 f. u. 204 ff. 4 Meysen
50
1. Kap.: Einleitung
traglichen oder verwaltungsaktlichen Zustandekommen. Auch die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung differieren nicht je nach Handlungsform, derer sich die Verwaltung bei der Begründung des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses bedient hat. Die Handlungsform als Anknüpfungspunkt ist somit meist wenig hilfreich bei der Suche nach Lösungen für Probleme, die sich bei der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" stellen.
b) Verwaltungsrechtsverhältnis „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" sollen einen Unterfall der Verwaltungsrechtsverhältnisse darstellen 166. Bezugsrahmen für die systematische Einordnung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" in ein System des Allgemeinen Verwaltungsrechts könnte daher das Verwaltungsrechtsverhältnis darstellen 167 . Über die Leistungsfähigkeit des Verwaltungsrechtsverhältnisses besteht indes weitgehend Uneinigkeit.
aa) Extremposition:
kein Nutzen
Teilweise wird dem Verwaltungsrechtsverhältnis jeglicher praktischer, dogmatischer und sonstiger Nutzen für die Verwaltungsrechtslehre abgesprochen. Hans Meyer bezeichnet das Rechtsverhältnis als „das inhaltsloseste Rechtsinstrument, das je angeboten wurde" 168 . Dem pflichtet Pietzcker ausdrücklich bei 1 6 9 . Es sei nirgends ersichtlich, daß „die Heranziehung des Gedankens des Verwaltungsrechtsverhältnisses mehr sein könnte als schmückendes Beiwerk zu Fragen, die sowieso schon behandelt werden und die sehr viel spezifischerer Lösungsinstrumente bedürfen" 170 . Nach dieser Sichtweise kann die Einordnung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" in den Kontext der Verwaltungsrechtsverhältnisse keinen Erkenntnisgewinn für die Verwaltungsrechtsdogmatik bringen. Mangels dog166
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 21 a. E.; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 29; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn 41 u. § 55 Rn. 2; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 138; von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (354 ff.); Ehlers DVB1 1986, 912 ff.; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (133, 147). 167 Will man der Auffassung von Koenig DÖV 1994, 286 (290 ff.) zum „schuldrechtsähnlichen sonderrechtsverhältnis" zwischen Wahlbewerbern, einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis, Rechnung tragen, sollte eher von einem „öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis" in öffentlich-rechtlichem Bezugsrahmen gesprochen werden; so ausdrücklich Windthorst JuS 1996, 605 unter Hinweis auf Koenig. 168 VVDStRL 45 (1987), 272. 169 Verw 30 (1997), 281. 170 Pietzcker Verw 30 (1997), 281 (299).
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Verwaltungsrechts
51
matischen Eigennutzens müßte auch ein Nutzen für die Rechtspraxis oder ein rechtstheoretischer Wert ausgeschlossen sein 171 . Das Verwaltungsrechtsverhältnis könnte nicht als Ordnungseinheit dienen; der Versuch einer Gruppierung und Systematisierung der Verwaltungsrechtsverhältnisse in „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" und sonstige Verwaltungsrechtsverhältnisse müßte von vornherein scheitern. bb)Extremposition:
Ablösung der Handlungsformenlehre
Gelegentlich wurde der Wunsch bzw. die Vorstellung geäußert, daß die Handlungsform der Verwaltung und hier insbesondere der Verwaltungsakt bei den Betrachtungen der Verwaltungsrechtswissenschaft durch das Verwaltungsrechtsverhältnis vermehrt in den Hintergrund gedrängt und das Verwaltungsrecht vom Verwaltungsrechtsverhältnis her verstanden werden könne bzw. solle 172 . Das Verwaltungsrechtsverhältnis ist jedoch bislang nicht zum „Pfeiler einer neuen Systembildung" und zum „Hebel des Umbaus des Verwaltungsrechts" geworden 173 . Dies liegt nicht zuletzt daran, daß das Rechtsverhältnis die ordnende Kraft des Verwaltungsakts nicht ersetzen kann. Der Regelungsgehalt von Verwaltungsakten, durch den Rechte und/oder Pflichten begründet, aufgehoben, geändert oder verbindlich festgestellt werden können, zielt auf eine „Konkretisierung und Stabilisierung der Rechtslage"174. Diese Funktionen kann das Rechtsverhältnis nicht erfüllen. Einseitige Sichtweisen, welche entweder der Handlungsformenlehre oder der Verwaltungsrechtsverhältnislehre eine Vorrangstellung gegenüber der anderen einräumen wollen, scheinen daher den unterschiedlich gelagerten Vorteilen beider Ansätze nicht gerecht zu werden. cc) Komplementarität zwischen HandlungsformenVerwaltungsrechtsverhältnislehre
und
Der Nutzen der Handlungsformenlehre und der Nutzen der Verwaltungsrechtsverhältnislehre sind vielmehr komplementär 175. Beide erfüllen eigenständige, voneinander unabhängige Funktionen im System des Verwaltungsrechts.
171 Zu den Zusammenhängen des Nutzen von Verwaltungsrechtsverhältnissen in Dogmatik, Rechtspraxis und Rechtstheorie vgl. Gröschner Verw 30 (1997), 301 ff. 172 Achterberg,, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 33; Henke JZ 1992, 541 (542 f.); Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (61 u. 64). 173 So Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (64). 174 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (221). 175 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 146; ders. Verw 30 (1997), 301 (318, 319); von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (344); Schock, in: Hoffmann-Riem/
52
1. Kap.: Einleitung
Die Handlungsformenlehre ist entscheidungs- und folgenzentriert 176. Die Rechtsform des Handelns dient als Richtschnur zum Auffinden bestimmter Lösungen. Sie hebt das Verwaltungshandeln auf eine hohe Abstraktionsebene 177, die weniger auf das Produkt der Aufgabenerfiillung als auf den Prozeß und die Wirkweise des Verwaltungshandelns zielt („Speicherfunktion") 178 . Mithilfe der Handlungsformen wird auf der einen Seite die Verwaltung befähigt, ihre gesetzlich übertragenen Aufgaben zu erfüllen, die Normen zu vollziehen (Bewirkungsauftrag), sowie auf der anderen Seite die Rechtsstellung des Bürgers geschützt (Schutzauftrag) 179. Die Unterschiede zwischen Kooperation und obrigkeitsstaatlicher Subordination lassen sich dabei nicht (mehr) in der Deutlichkeit an der letztlich gewählten Handlungsform festmachen 180. Beispielsweise kann auch der Verwaltungsakt das Ergebnis konsensualer Entscheidungsfindung sein. Die Entscheidung durch Verwaltungsakt oder Verwaltungsvertrag dient aber der regelnden Konkretisierung und Stabilisierung der Rechtslage181. Die verwaltungs(verfahrens)rechtlichen Wirkungen wie Individualisierung, Klarstellung, Bestandskraft und Vollziehbarkeit geben den in der Verwaltungsentscheidung festgeschriebenen Rechten eine besondere Geltungskraft und verhelfen ihnen möglicherweise erst zu ihrer vollen Wirkung 182 . Die Handlungsformen sind eingebettet in ein formelles Verwaltungsrechtsverhältnis, das Verfahrensrechtsverhältnis. Aus dem Verfahrensrechtsverhältnis ergeben sich die Rechte und Pflichten beim Ablauf eines Verwaltungsverfahrens, das auf eine Entscheidung in einer bestimmten Handlungsform der Verwaltung zielt 183 . Die Leistungsfähigkeit des (materiellen) VerwaltungsrechtsSchmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (211, 215); Bauer Verw 25 (1992), 301 (325 f.); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540). 176 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (209); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (537). 177 Wahl, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 177 (215); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (534). 178 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (57); ders. DVB1 1989, 533 (533, 536); Bauer Verw 25 (1992), 301 (310). 179 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (207); Bauer Verw 25 (1992), 301 (310). 180 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (222 ff.); Bauer Verw 25 (1992), 301 (305 f.); SchmidtAßmann DVB1 1989, 533 (535). 181 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (209 f., 221 f.); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540), 182 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (201 f.). 183 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (224 ff.); Bauer Verw 25 (1992), 301 (322); Hill NJW 1986, 2602 (2606).
III. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" im System des Verwaltungsrechts
53
Verhältnisses liegt dagegen auf ganz anderer Ebene. Durch das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis wird eine rechtliche Gesamtbetrachtung des erfaßten Lebenssachverhalts ermöglicht, von dem der Verwaltungsakt, der Verwaltungsvertrag, die Satzung/Rechtsverordnung, das konkrete Verwaltungsrealhandeln nur einen Teilbereich erfassen 184. Das gesamte Rechte-Pflichten-Geflecht in verwaltungsrechtlichen Rechtsbeziehungen geht meist darüber hinaus. Erst die Gesamtschau befähigt, Erklärungsmuster für Nebenpflichten in dem vielschichtigen gegenseitigen Beziehungsgeflecht zu finden, das sich nicht auf die im Verwaltungsakt aufgeführten Hauptpflichten beschränkt 185. Die Relativität der rechtlichen Zuordnung wird in dem Korrelat zwischen Rechten und Pflichten deutlicher herausgearbeitet 186. Daneben kann insbesondere die Dimension Zeit leichter Beachtung finden 187 . So können Vor- und Nachwirkungen bei Vorverhandlungen rechtlich eingeordnet 188 und die Dauerhaftigkeit der Rechte und Pflichten beispielsweise in Dauerrechtsverhältnissen besser erfaßt werden 189 . Alles in allem ist die Integration und Rezeption der Dogmen und Systemelemente des Verwaltungsrechts differenzierter möglich 190 . Der Blick wird von Verwaltungsentscheidung (Formenebene) auf die übergeordnete Ebe-
184 Von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (349, 362 f.); Schock, in: HoffmannRiem/Schmidt- Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (212); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44); ders. DVB1 1989, 533 (540); Bauer Verw 25 (1992), 301 (319). 185 Gröschner Verw 30 (1997), 301 (332 f.); Schock, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (213); Bauer Verw 25 (1992), 301 (319); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540); insoweit zweifelnd von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (354 ff.) mit ausdrücklichem Verweis auf die „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse". 186 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 206; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (326 f., 330); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44); ders. DVB1 1989, 533 (540). 187 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 206 f.; Schoch, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (212); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44); ders. DVB1 1989, 533 (540); Bauer Verw 25 (1992), 301 (314); insoweit zweifelnd von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (346 f.). 188 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 207 f.; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (333); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (213, 229 f.); Bauer Verw 25 (1992), 301 (314); Hill NJW 1986, 2602 (2606). 189 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 207; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (330 ff.); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (212 f.); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (45). 190 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (214); Bauer Verw 25 (1992), 301 (311 ff.); Hill NJW 1986, 2602 (2603); insowiet zweifelnd von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (345 f.).
54
1. Kap.: Einleitung
ne der Rechtsbeziehung gelenkt, aus der heraus die Entscheidung erwächst bzw. wirken soll (Rechte-Pflichten-Geflecht) 191.
c) Verwaltungsrechtsverhältnis als möglicher Bezugsrahmen Der aufgezeigte rechtsdogmatische Erkenntnisgewinn einer juristischen Erfassung komplexer Lebenssachverhalte vom Verwaltungsrechtsverhältnis her läßt vermuten, daß eine Einordnung und Systematisierung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" im Kontext der Rechtsverhältnislehre zumindest möglich erscheint. Die Gesamtbetrachtung der Rechte-Pflichten-Beziehung dürfte sowohl bei einem Vergleich der Interessenlagen im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung, als auch beim Auffinden der Nebenpflichten, deren Verletzung in „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" nach h. M. durch das Haftungsinstitut der „positiven Forderungsverletzung" sanktioniert ist, hilfreich sein 192 . Daß die Rechtsverhältnislehre die Relativität der Rechtsbeziehungen in den Vordergrund rückt und damit den Kontakt über den rein deliktischen hinaushebt, kommt der Anlehnung der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" an vertragliche Haftungsgrundsätze und dessen Abgrenzung zur deliktischen Amtshaftung sicher entgegen. Die ermöglichte Einordnung der Vor- und Nachwirkungen bei Vorverhandlungen der Verwaltung im Vorfeld einer Verwaltungsentscheidung leitet unmittelbar in die Haftungsfragen aus vorvertraglichen Schuldverhältnissen im Verwaltungsrecht über. Die rechtliche Beurteilung des Dauerrechtsverhältnisses in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen, in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen bzw. in öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnissen könnte von der besseren Erfassung der Dauerhaftigkeit der Rechte und Pflichten über das Verwaltungsrechtsverhältnis profitieren. Der Befund, daß das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" fester Bestandteil der Rechtsverhältnislehre sei 193 , kann allerdings noch nicht bestätigt werden. Ob es sich dabei jedoch um ein berechtigtes Desiderat handelt, werden die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen.
191
Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (215). 192 Zur Leistungsfähigkeit des Verwaltungsrechtsverhältnisses im Bereich der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" siehe unten S. 352 ff. 193 Vgl. von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (354 ff.); Hill NJW 1986, 2602 (2607 f.).
Zweites Kapitel
Analyse der Rechtsprechung I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" 1. Uneinheitlichkeit
der Terminologie
Die Inhomogenität der in der Praxis anerkannten „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" kommt auch zum Ausdruck in der unterschiedlichen begrifflichen Handhabung dieses fast ausschließlich im Zusammenhang mit Ansprüchen aus dem Bereich der Staatshaftung bemühten Instituts des Verwaltungsrechts. Die gleiche übergeordnete Zuordnungseinheit wird bezeichnet als öffentlich-rechtliches Verhältnis mit privatrechtlichen Folgen1, verwaltungsrechtliches 2 oder öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis 3. Das gleiche Haftungsinstitut firmiert unter den Bezeichnungen öffentlich-rechtliche Forderungsverletzung 4, öffentlich-rechtliche Leistungsverletzung 5, vertragsähnliche 6 1
RGZ 104,58(59). So etwa BVerwG NVwZ 1999, 194; VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; BGH DVB1 1978, 108 (109); NJW 1998, 298 (299 ff.); BGH NJW 1974, 1816; DVB1 1978, 108 (109); DÖV 1997, 836 (837); OLG Hamm VersR 1987, 789; OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); LG Heidelberg VersR 1971, 971; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 2 ff.; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 9 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 336 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 804 ff.; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 71 f , 77 ff. 3 So etwa RG SeuffArch 79 (1925), Nr. 28 S. 49 (50); BGHZ 54, 299; BGH NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39); DVB1 1983, 1055 (1056); BGHZ 88, 85 (90); BGHZ 109, 8 (9) = NJW 1990, 1167; NVwZ 1990, 1103 (1104); VersR 1992, 58 (60); NVwZ 1998, 1218 (1219); BGHR TierKBG § 4 Abs. 2 Beleihung 1/öffentlichrechtliches Schuldverhältnis; OLG Düsseldorf BauR 1992, 812; NVwZ-RR 1994, 627; LG Halle NJW-RR 1997, 532; Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 5 ff.; Windthorst JuS 1996, 605; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 1; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 22; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 3; Papier, ForderungsVerletzung, S. 17 ff. 4 So etwa Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 65; ders. Forderungs Verletzung, S. 85 ff., 99 ff. 5 BGH VersR 1978, 253; VersR 1987, 768. 2
56
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
oder quasivertragliche Haftung der öffentlichen Hand7 oder Haftung aus schuldrechtlicher bzw. schuldrechtsähnlicher Sonderverbindung des Verwaltungsrechts8. Die uneinheitliche Terminologie ist Indiz dafür, daß sich auch das damit bezeichnete Haftungsinstitut nicht ohne weiteres einheitlich fassen läßt. Unabhängig davon, wie das Haftungsinstitut im Einzelfall genannt wird, handelt es sich in Anlehnung an privatrechtliche Begrifflichkeiten um eine Sammelbezeichnung für eine Vielzahl von unterschiedlich strukturierten Erscheinungsformen schuldrechtsähnlicher Verhältnisse im Öffentlichen Recht. In jeder dieser verschiedenartigen Rechtsbeziehungen kann die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" ausgelöst werden. Hinter dem Begriff des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" - mit seinen eben dargestellten terminologischen Variationsformen - verbirgt sich nicht etwa ein klar umgrenztes Haftungsinstitut des Staatshaftungsrechts. Die Verwendung von - wenn auch uneinheitlichen - Oberbegriffen täuscht darüber hinweg, daß Entstehung, Inhalt, Anspruchsgrundlage und Haftungsumfang je nach zugrundeliegendem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis beträchtlich divergiert. 2. Beschränkung der Analyse Die teilweise divergierende Zuordnung einzelner Gruppen von Verwaltungsrechtsverhältnissen zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" 9 ist ebenfalls Ausdruck der inhaltlichen Konturenlosigkeit, die hinter dem scheinbar gemeinsamen Oberbegriff steckt. Verallgemeinernd läßt sich an dieser Stelle jedoch festhalten, daß der Terminus des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" immer dann verwandt wird, wenn Vorschriften des Allgemeinen oder Besonderen Schuldrechts des BGB auf öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen Anwendung finden sollen. Es geht um die Heranziehung privat(vertraglicher Haftungsgrundsätze oder - wie im Fall der Vergütung der Personalausweise Leistungsbestimmungsgrundsätze im Öffentlichen Recht. Für die folgende Analyse der Rechtsprechung zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" sollen daher nur Verwaltungsrechtsverhältnisse un6 So etwa RGZ 152, 129 (132); BGHZ 61, 7; 63, 167 (172); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 12. 7 So etwa BVerwGE 80, 123 (125); RGZ 48, 255 (258); 51, 219 (221); 67, 335 (337, 339, 340); RG Warn 8 (1915), 105 (106); LG Heidelberg VersR 1971, 971; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 486; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 69 f. 8 So etwa BGH DVB1 1978, 108 (109); VersR 1978, 253 (254); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 271; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 153 ff. („öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung"); Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 805, 810; Grave DVB1 1978, 450. 9 Siehe oben S. 20 ff. und 27 ff. für die Rechtsprechung sowie S. 29 und 30 f. für die Literatur.
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
57
tersucht werden, in denen die Rechtsprechung eine Anlehnung an privat(vertraglich)e Schuldverhältnisse vornimmt. Weiter sollen bei der Untersuchung die Fälle unberücksichtigt bleiben, in denen das Zivilrecht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (vgl. § 62 S. 2 VwVfG, § 49 Abs. 2 S. 1 VwVfG, § 226 Abs. 1 AO u. a.) im Öffentlichen Recht Anwendung findet. a) Öffentlich-rechtlicher Vertrag Der öffentlich-rechtliche Vertrag wird zwar unbestritten zu den sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" gezählt10 und hat mittlerweile seinen festen Platz im Kanon der Handlungsformen der Verwaltung. Wurde die Möglichkeit vertraglichen Handelns im Bereich der Hoheitsverwaltung noch von Otto Mayer 11 bestritten, so konnten die damaligen Vorbehalte den Einzug dieses Rechtsinstituts in alle Bereiche der Verwaltungstätigkeit jedoch nicht aufhalten 12 . Seine erste Anerkennung in einem allgemeinen Gesetz hat der öffentlich-rechtliche Vertrag im Jahre 1967 im Landesverwaltungsgesetz SchleswigHolstein gefunden 13. Die bundesweite gesetzliche Verankerung erfolgte durch die Verabschiedung des Verwaltungsverfahrensgesetzes im Jahre 197614. Somit sind in den Vorschriften der §§54 ff. VwVfG, denen die landesgesetzlichen und sozialrechtlichen Verfahrensregelungen nachgebildet sind 15 , Zulässigkeit, Grenzen und inhaltliche Ausgestaltung nunmehr positivrechtlich normiert. Der verwaltungsrechtliche Vertrag ist durch gesetzliche Regelungen determiniert. Für ihn gelten ausdrückliche normative Vorgaben aus dem Be-
10 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 263 u. 381 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 8; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 44; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109. 11 Mayer, Verwaltungsrecht 1(1. Aufl.), S. 98 Fn. 5; ders., Verwaltungsrecht I (3. Aufl.), S. 101; ders. AöR 3 (1888), S. 3 (23 ff., 42: „Darum sind wahre Verträge des Staates auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts überhaupt nicht denkbar."). 12 Bullinger konstatierte daher, die „Schlacht um den öffentlich-rechtlichen Vertrag" sei verloren, in: BDVR, Dokumentation zum 5. Deutschen Verwaltungsrichtertag 1977, S. 90 (94). 13 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein vom 18.4.1967, GVOB1 SH S. 131 (156 ff.): §§ 121 bis 129 LVwG SH. 14 Gesetz vom 25. Mai 1976, BGBl I S. 1253. 15 Parallelregelungen der Länder sind § § 5 4 ff. VwVfG BW; Art. 54 ff. BayVwVfG; §§ 54 ff. BerlVwVfG; §§ 54 ff. BbgVwVfG; §§ 54 ff. BremVwVfG; §§ 54 ff. Hamb VwVfG; §§ 54 ff. HessVwVfG; §§ 54 ff. VwVfG MV; § 1 Abs. 1 NdsVwVfG i. V. m. §§ 54 ff. VwVfG, § 3 NdsVwVfG; §§ 54 ff. VwVfG NW; § 1 Abs. 1 VwVfG RP i. V. m. §§ 54 ff. VwVfG, § 3 Abs. 2 VwVfG RP; §§ 54 ff. SaarlVwVfG; § 1 SächsVwVfG i. V. m. §§ 54 ff. VwVfG; §§ 54 ff. VwVfG LSA; §§54 ff. ThürVwVfG und für das sozialrechtliche Verfahren §§53 ff. SGB X.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
reich des Öffentlichen Rechts. Die Regelungen der Verwaltungsverfahrensgesetze über den öffentlich-rechtlichen Vertrag werden zwar seit ihrem Bestehen bis heute wegen ihres vermeintlich defizitären und fragmentarischen Charakters sowie der schwierigen Handhabbarkeit heftig kritisiert 16. Die Kritik betrifft jedoch vorwiegend Probleme bei der Auslegung öffentlich-rechtlicher Vorschriften und nicht die Frage nach der Möglichkeit das Zivilrecht ergänzend heranzuziehen. Der Weg zur Heranziehung von BGB-Vertragsrecht ist durch § 62 S. 2 (L)VwVfG eröffiiet. Zentrales Element des öffentlich-rechtlichen Vertrags ist die Vorstellung von einer ausgehandelten konsensualen Verbindung zwischen Verwaltung und Bürger 17. Der Hoheitsträger begibt sich zu einem Privaten (oder einem anderen Hoheitsträger) auf die Ebene der Gleichordnung. Das Zivilrecht als das Regelungswerk für Rechtsverhältnisse zwischen gleichgeordneten privaten Rechtssubjekten wird getragen vom Grundsatz der Privatautonomie. Letzterer erfährt beim öffentlich-rechtlichen Vertrag jedoch durch die §§ 54 ff. (L)VwVfG 18 , durch gesetzliche Regelungen des Allgemeinen Verwaltungsrechts (vgl. § 62 S. 1 VwVfG) und des Fachrechts (vgl. § 56 VwVfG), die nicht unterlaufen werden dürfen (Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG) 19 , durch Rechtspositionen Dritter, die nicht übergangen werden dürfen, sowie durch die Verpflichtung des Verwaltungsträgers auf das Allgemeinwohl beträchtliche Einschränkungen20. 16 R. Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht AT, S. 483; Bauer, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 245 (247); Schulze-Fielitz, in: Voigt, Abschied vom Staat - Rückkehr zum Staat?, S. 95 (98, 108); Henke JZ 1992, 541 (546); ders. JZ 1984, 441 f.; Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (535); Gusy DVB1 1983, 1222 f. - Vgl. allein zum Streit über die Beziehung des § 60 Abs. 1 VwVfG zum Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und der clausula rebus sie stantibus Efstratiou, Die Bestandskraft des öffentlichrechtlichen Vertrags, S. 291 ff.; Littbarski, Der Wegfall der Geschäftsgrundlage im Öffentlichen Recht, S. 9 ff, 23 ff.; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 178 ff; Lorenz DVB1 1997, 865 ff.; Hobe JA 1997, 217 ff.; ders. JA 1996, 640 (642); Frisch VB1BW 1996, 249 (250 ff); Schumacher VR 1995, 484 (487 f.); Kokott VerwArch 83 (1992), 503 ff.; Stern, in: FS Mikat, S. 775 ff.; Fiedler VerwArch 67 (1976), 125 ff.; aus der jüngeren Rechtsprechung BVerwG NVwZ 1996, 171 (173); VGH BW NVwZ 1996, 1230; OLG Brandenburg LKV 1997, 37 (39 f.); OLG München DtZ 1995,445 (446 f.). 17 Bauer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 245 (256). 18 § 53 Abs. 2 SGB X normiert sogar ein Vertragsformverbot für die Fälle, in denen es sich aus Sicht der Verwaltung um eine gebundene Entscheidung handelt. 19 Daß der allgemeine Gesetzesvorbehalt neben § 56 VwVfG eine eigenständige Beschränkung bei der inhaltlichen Ausgestaltung von öffentlich-rechtlichen Verträgen vorgibt, wird teilweise bestritten, teilweise bejaht, vgl. Kopp VwVfG, § 54 Rn. 24; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 70 Rn. 5; Bonk, in: Stelkens/Bonk /Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 108; Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 56; ders. JZ 1984, 441 (444); Schilling VerwArch 87 (1996), 191 (205 f.); Kunig DVB1 1992, 1193 (1197 f.); Rengeling/Gellermann ZG 1991, 317 (329); Klein ThürVBl 1992, 231 (234); von Zezschwitz NJW 1983, 1873 (1879); Göldner JZ 1976, 352 (354 f.). 20 Bauer, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 245 (257 ff.).
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
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Bei der Abwicklung der Leistungspflichten und Forderungsrechte des Vertrags müssen auch hier, wie beim zivilrechtlichen Vertrag, die gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien an der Leistungserbringung gegeneinander austariert werden. Dabei ist - ohne die besonderen gesetzlichen Verpflichtungen des Hoheitsträgers außer acht zu lassen - zu berücksichtigen, daß sich die Vertragsparteien auf die Ebene der Gleichordnung begeben haben. Einschränkungen durch öffentlich-rechtliche Vorschriften sind dadurch selbstverständlich nicht ausgeschlossen. Die Interessenlage ist insoweit jedoch häufig dem Bürgerlichen Recht, dessen Ziel es ist, einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den gleichgeordneten Vertragsparteien zu gewährleisten, vergleichbar. Dementsprechend ordnet § 62 S. 2 (L)VwVfG 2 1 die ergänzende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften des BGB explicit an. Auch beim öffentlich-rechtlichen Vertrag steht der Primärpflicht, den Vertrag ordnungsgemäß zu erfüllen, die Sekundärverpflichtung auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung, Späterfullung oder Schlechtleistung zur Seite. Leistungsstörungen im Bereich der Erfüllung regelt das Verwaltungsverfahrensgesetz nur durch das Anpassungs- und Kündigungsrecht in besonderen Fällen, § 60 (L)VwVfG 2 2 . Bei der ergänzenden Heranziehung der Vorschriften über die zivilrechtlichen Rechtsinstitute der Unmöglichkeit, des Verzugs, der Schlechtleistung oder der positiven Forderungsverletzung muß im Einzelfall überprüft werden, ob sie auf den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Vertrag analog anwendbar sind 23 . Hierüber besteht bisweilen Uneinigkeit 24 . Beim subordinationsrechtlichen Vertrag ist insbesondere zu berücksichtigen, daß der Vorrang der Verwaltung in bezug auf die Verantwortung und die obrigkeitliche Machtausübung sowie das durch die vertragliche Einlassung auf eine Koordination festgeschriebene Interessengleichgewicht auch im Bereich der Leistungsstörungen zu einem bestmöglichen Ausgleich gebracht werden muß 25 . Trotz aller Streitigkeiten über die Anwendbarkeit einzelner BGBVorschriften auf das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis aus verwaltungsrechtlichem Vertrag im Einzelfall erfolgt die Heranziehung in festen gesetzlichen Bahnen. Die Übertragbarkeit des Zivilrechts ist durch eine öffentlichrechtliche Vorschrift (§ 62 S. 2 VwVfG) vorbestimmt. Das vertragliche Ver-
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Beziehungsweise § 129 S. 2 LVwG SH; § 61 S. 2 SGB X. Beziehungsweise § 127 LVwG SH; § 59 SGB X. 23 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 23; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 268. 24 Vgl. hierzu u. a. Kopp VwVfG, § 62 Rn. 5 ff.; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 72; Bonk, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 26 ff.; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 62 Rn. 8 ff. - mit jew. w. Nachw. 25 Bullinger DÖV 1977, 812 (813); Obermayer BayVBl 1977, 546 (550). 22
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
waltungsrechtsverhältnis aus verwaltungsrechtlichem Vertrag soll daher im folgenden keiner gesonderten Untersuchung unterzogen werden.
b) Rechtsverhältnis bei Vorverhandlungen zum Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags Anerkanntermaßen wird auch bei der Anbahnung öffentlich-rechtlicher Verträge ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsabschluß angenommen26. Bei Simons27 und Wolff 2 8 finden sich die ersten eingehenderen Ausführungen zur culpa in contrahendo im Öffentlichen Recht 29 . Battis 30 weitet wenig später das Vertragsanbahnungsverhältnis auf den Bereich des Beamtenrechts aus. In der Rechtsprechung wurde die Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluß bei der Anbahnung öffentlich-rechtlicher Verträge erstmals im Jahre 1970 durch das OVG N W 3 1 anerkannt. Das BVerwG 32 hat sich dem kurz darauf ange26
BVerwG DÖV 1974, 133 (134); OVG NW DVB1 1972, 614 (615); DÖV 1971, 276 (277); VG München BayVBl 1973, 135 (136); BGHZ 6, 330 (332); 57, 191; 71, 386 (392 f.) = DVB1 1978, 798 (799 f.); BGH LM § 276 (Fe) BGB Nr. 4; DVB1 1986, 409; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14 Rn. 52, § 28 Rn. 4; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 71; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 304, 382; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 1973; Kopp VwVfG, § 62 Rn. 8; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 54 Rn. 7.1, 10, § 62 Rn. 3; Löwisch, in: Staudingers Komm, z. BGB, Vorb § 275 Rn. 52; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 72 Rn. 12; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356 f.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 45; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 300; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 723; Engelmann, in: Schroeder-Printzen, SGB X, § 61 Rn. 4; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 156; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 274; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; ders. ZBR 1971, 300 (301); Kawalla, Verwaltungsvertrag, S. 248 ff.; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 62 Rn. 18; ders. NJW 1977, 1705 (1712); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 110; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 817; Henke, Das Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 361 ff; Konrad, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, S. 170 ff.; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 Rn. 74; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172 ff.; Dolde/Uechtritz, DVB1 1987, 446 (452); Scherer NVwZ 1986, 540 (540 f.); Gottwald JuS 1982, 877 (878); Obermayer BayVBl 1977, 546 (551, 553); unklar die Ablehnung bei Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. VI 1 e. - Α. A. noch RGZ 110, 293 (294 f.); RG HRR 1933 Nr. 1307; offenlassend noch OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (Weber); BGHZ 43, 34 (41); 49, 77 (79); BayObLG BayVBl 1976, 378. 27
Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 172 ff. Wolff, Verwaltungsrecht I (7. Aufl.), S. 287. 29 Ferner Werner, in: Staudingers Komm. z. BGB (10./11. Aufl.), § 276 Rn. 33; Nastelski, in: RGRK-BGB, (11. Aufl.), § 276 Anm. 109. 30 Battis ZBR 1971, 300 (301); so auch Wolf JA 1989,468 (469). 31 OVG NW DÖV 1971, 276; DVB1 1972, 614 (615). 28
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
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schlossen, die Ausweitung auf Rechtsverhältnisse im Vorfeld einer Beamtenernennung aber neuerdings ausdrücklich abgelehnt33. Als letzte ist auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung 34 dieser Linie gefolgt, denn auch der BGH beansprucht die Rechtswegzuständigkeit für die Ansprüche aus c. i. c. bei der Anbahnung öffentlich-rechtlicher Verträge für sich 35 .
aa) Culpa in contrahendo als „ Vorschrift
des BGB " i. S. d. § 62 S. 2 VwVfG
Für die Anwendbarkeit zivilrechtlicher Vorschriften des BGB auf öffentlichrechtliche Verträge enthält § 62 S. 2 VwVfG eine VerweisungsVorschrift. Es stellt sich die Frage, ob damit auch Rechtsinstitute erfaßt sind, die sich dem BGB nicht unmittelbar entnehmen lassen. Für eine Bejahung müßte auch die Haftung aus vorvertraglichem Rechtsverhältnis (c. i. c.), das Ausdruck einer wie auch immer gearteten 36 - richterlichen Rechtsfortbildung ist und bei dem es möglicherweise gerade zu keinem Vertragsschluß kommt, erfaßt sein. Bei der ersten positivrechtlichen Verankerung des öffentlich-rechtlichen Vertrags im Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein 1967 wurde die ergänzende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften beim öffentlich-rechtlichen Vertrag noch nicht angeordnet 37. Erst das 1977 in Kraft getretene Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes enthielt die diesbezügliche Verweisungs Vorschrift 38. Die entsprechende Heranziehung der c. i. c. über diese Vorschrift wurde in der Literatur allgemein anerkannt 39. In der Begründung zu § 48 des Musterentwurfs 32
BVerwG, Urt. v. 29.5.1973 = DÖV 1974, 133 (134). BVerwG NJW 1996, 2175 (2176); vgl auch HessVGH DVB1 1991, 1214 (LS). 34 BGHZ 71, 386 (392) = NJW 1978, 1802 (1803 f.); BGHZ 76, 343 (348) = NJW 1980, 1683. 35 Zum Rechtsweg bei Ansprüchen aus c. i. c. bei der Anbahnung öffentlichrechtlicher Verträge siehe unten S. 384 ff. 36 Zur zivilrechtlichen Diskussion über Rechtsgrundlage der c. i. c. siehe Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 55 ff. 37 § 129 LVwG SH enthielt noch keinen Satz 2: Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG - ) vom 18.4.1967 GOVB1 SH S. 131 (158). 38 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) vom 25.5.1976 BGBl I S. 1253 (1268). - Diesen Verweis hat das LVwG SH später im Zuge der Angleichung übernommen: Bekanntmachung der Neufassung des Landesverwaltungsgesetzes vom 19.3.1979 GVOB1 S. 181 (210). 39 Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 70; Löwisch, in: Staudingers Komm, z. BGB, Vorb § 275 Rn. 54; Kopp VwVfG, § 62 Rn. 7; Engelmann, in: SchroederPrintzen, SGB X, § 61 Rn. 4; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 339; Bonk,, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 45; Wiedemann, in: Soergel, BGB, Vorb § 275 Rn. 213; Batiis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 268; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 110; Borgs, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 62 Rn. 18. 33
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
für ein Verwaltungsverfahrensgesetz 40 und in der Begründung der Bundesregierung zu § 58 (später § 62) des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes41 wird eindeutig von einem Verweis auch auf die Grundsätze der c. i. c. mittels § 62 S. 2 VwVfG ausgegangen. Die Rechtsprechung schweigt sich über den Weg der Heranziehung des zivilrechtlichen Haftungsinstituts meist aus42. Die Anwedbarkeit über § 62 S. 2 VwVfG ist allerdings nicht unbestritten geblieben. Littbarski 43 wendet ein, daß sich die Haftung aus culpa in contrahendo nicht unmittelbar aus den Vorschriften des BGB ergebe, sondern nur in Rechtsanalogie zu denselben entwickelt sei und sich deshalb die Verweisung in § 62 S. 2 VwVfG nicht hierauf beziehe. Diese Sichtweise des § 62 S. 2 VwVfG greift jedoch zu kurz. Der darin enthaltene pauschale Verweis auf Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zwingt nicht dazu, nur den jeweiligen Gesetzeswortlaut, der im Zivilrecht unmittelbar Geltung beansprucht, entsprechend heranziehen zu können. Wird auf die Vorschriften des BGB verwiesen, sind auch die diesen Vorschriften immanenten Gesetzes- oder Rechtsanalogien erfaßt. Gleiches gilt für die Heranziehbarkeit der gewohnheitsrechtlich anerkannten vertragsbezogenen Rechtsinstitute des Bürgerlichen Gesetzbuchs44. Das Vertragsanbahnungsschuldverhältnis, aus dem die Sekundäransprüche aus culpa in contrahendo hervorgehen können, stellt im Zivilrecht ein vorvertragliches gesetzliches Schuldverhältnis dar. Es ist zur Ergänzung des geschriebenen Rechts geschaffen und heute gewohnheitsrechtlich als fester Bestandteil des Allgemeinen Schuldrechts des BGB anerkannt 45. Das Rechtsinstitut der Haftung aus culpa in contrahendo ist im Zusammenspiel mit der Literatur in 40
EVwVerfG 1963, S. 205 f. BT-Drs. 7/910 S. 83 zu § 58. 42 Vgl. BVerwG DÖV 1974, 133 (134); OVG NW DÖV 1971, 276; DVB1 1972, 614 (615 f.); HessVGH DVB1 1991, 1214; BGHZ 21, 59 (65); 43, 34 (41); 71, 386 (392 f.); 76, 343 (348 f.); BGH DVB1 1986, 409; BB 1996, 1238 (1239). - Einzige Ausnahme soweit ersichtlich OVG Lüneburg BRS 40, 76 (77), wo die Herleitung über § 129 S. 2 LVwG SH ausdrücklich Erwähnung findet. 43 Littbarski JuS 1979, 537 (539). 44 Kopp VwVfG, § 62 Rn. 7; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 54 Rn. 4.3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 72 Rn. 11 f.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 22; Bernsdorff, in: Obermayer, VwVfG, § 62 Rn. 16; so wohl auch Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 66, der die gewohnheitsrechtliche Anerkennung der culpa in contrahendo allerdings ablehnt. Damit gelingt es Keller den „Selbststand" des öffentlichen Vertragsrecht und die eigenständige öffentlich-rechtliche Behandlung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses im Verwaltungsrecht zu begründen. 45 BGH NJW 1979, 1983; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 65; Löwisch, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 215 Rn. 52; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. VI 1 c; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 176; Larenz, Schuldrecht I, S. 104; Horn JuS 1995, 377 (379); Jäckle NJW 1990, 2520 (2521); Gottwald JuS 1982, 877; a. A. Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 63 ff. 41
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richterlicher Rechtsfortbildung entwickelt worden. Ursprünglich wurde die Rechtsgrundlage für das Haftungsinstitut in einer Analogie gesucht. Eine Gesetzesanalogie schied bei der Uneinheitlichkeit des Tatbestands der culpa in contrahendo aus46, daher wurde ein Rückgriff auf die Rechtsanalogie bevorzugt 47 . In der Entwicklung der vorvertraglichen Schuldverhältnisse wurden verschiedene Rechtsgrundlagen bemüht 48 , die Anerkennung wurde dem Rechtsinstitut indes nie versagt 49. Die langandauernde Übung erfreut sich einer einhelligen allgemeinen Überzeugung von ihrer Rechtmäßigkeit. In seinen konkreten Verästelungen und Fallkonstellationen wird die Haftung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis nach wie vor fortentwickelt, was allerdings nicht gegen die gewohnheitsrechtliche Anerkennung spricht, sondern eher für dieselbe. Keller 50 bestreitet dies wegen der Unbestimmtheit und Weite des Anwendungsbereichs. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Haftung aus vorvertraglichem Schuldverhältnis im Zivilrecht eine Fortschreibung und Weiterentwicklung erfährt wie das übrige geschriebene Recht auch. An der Formulierbarkeit der culpa in contrahendo kann allein deshalb kein Zweifel bestehen. Die beklagte Unbestimmtheit führt lediglich zur Auslegungsbedürftigkeit des gewohnheitsrechtlichen Rechtssatzes. Gegen eine rechtssatzförmige Ausprägung des Gewohnheitsrechts bestünden selbst dann keine Bedenken, wenn die Haftung aus culpa in contrahendo lediglich generalklauselartig gefaßt werden könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Man wird nicht schon deshalb von einem lediglich „allgemeinen Prinzip" sprechen können, weil es sich bei der Haftung aus dem Vertragsanbahnungsschuldverhältnis um einen „Komplex vielfältiger Rechte und Pflichten" handelt51. Dies ist gerade Wesensmerkmal eines jeden Schuldverhältnisses 52 und stärkt die Position des gesetzlichen Schuldverhältnisses der 46 So in den Ursprüngen aber insb. von Jhering JhJb 4 (1861), 1 ff. - Ausfuhrlich zur Entwicklung des Rechtsinstituts Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 57 ff.; Horn JuS 1995, 377 (378 f.); Gottwald JuS 1982, 877. 47 Vgl. RGZ 95, 58 (60); 104, 265 (267 ff.); wohl auch RGZ 107, 357 (362); in der Literatur teilweise bis heute vertreten, etwa Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 65; Battes , in: Erman, BGB, § 276 Rn. 112; Werner, in: Staudingers Komm. z. BGB (10./11. Aufl.), Vorb § 275 Rn. 99; Littbarski JuS 1979, 537 (539). 48 Ζ. B. eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung annehmend Vollkommer, in: Jauernig, BGB § 276 Anm. VI 1 c; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 247; Larenz, Schuldrecht I, S. 107 ff; auführlich zu den anderweitigen möglichen Rechtsgrundlagen Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 67 ff. 49 Daher konstatiert auch Emmerich, in: MünchKommBGB, Vorb § 275 Rn. 58, daß trotz der weiter bestehenden Uneinigkeit über den hinter der c. i. c. stehenden Rechtsgedanken, die gewohnheitsrechtliche Geltung „sicher das Richtige" sei. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 176 stellt auch in Anbetracht der vielfältigen, von ihm eingehend untersuchten Angebote an Rechtsgrundlagen die Frage: „Was sollte daran hindern" von Gewohnheitsrecht zu sprechen? 50 Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 64 ff. 51 So Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 66. 52 Ausfuhrlich hierzu siehe unten S. 164 f.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
culpa in contrahendo im System des Schuldrechts des BGB mehr, als daß es sie schmälert. Da die Verweisungs Vorschrift des § 62 S. 2 VwVfG auch Gewohnheitsrecht umfaßt, kann das Haftungsinstitut der culpa in contrahendo bei der gebotenen weiten Auslegung zu den „Vorschriften des BGB" gezählt werden.
bb) Anwendbarkeit des § 62 S. 2 VwVfG
trotz fehlenden Vertragsschlusses
Unabhängig von der Zuordnung der culpa in contrahendo zu den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs stellt sich die Frage, ob die Haftungsgrundsätze des Verschuldens bei Vertragsschluß über § 62 S. 2 VwVfG auch dann anwendbar sind, wenn noch kein Vertrag geschlossen ist und es sogar im Anschluß an die Vertragsverhandlungen möglicherweise zu keinem Vertragsverhältnis kommt. Die Gesetzgeber hatten jedenfalls die Intention 53 , auch den zeitlich vorgeschalteten vorvertraglichen Kontakt unter die Verweisungsvorschrift des § 62 S. 2 VwVfG (bzw. die landesrechtlichen Parallelvorschriften) zu fassen. Teil IV des Verwaltungsverfahrensgesetzes trägt die Überschrift „Öffentlich-rechtlicher Vertrag". Die Vorschriften der §§54 ff. VwVfG folgen Teil I I I mit §§ 35 ff. VwVfG über den „Verwaltungsakt". Der Verwaltungsvertrag wird dem Verwaltungsakt als weitere, gleichwertige Handlungsform zur Seite gestellt 54 . Nach diesem systematischen Zusammenhang ist davon auszugehen, daß die §§ 54 ff. VwVfG - wie die §§ 35 ff. VwVfG beim Erlaß von Verwaltungsakten - nicht nur den Umgang mit bereits abgeschlossenen Verträgen betreffen, sondern auch das Verfahren und die Bedingungen, die zu einem Vertragsschluß führen sollen, sowie die Rechtsbeziehung bei der Vertragsabwicklung nach dessen Auflösung (vgl. § 60 VwVfG). Der Regelungsgehalt der § § 5 4 ff. VwVfG geht über den Umgang mit wirksam abgeschlossenen Verträgen und deren zulässigen Inhalt hinaus. Dies ergibt sich zum einen aus § 9 VwVfG, wonach nicht nur der öffentlichrechtliche Vertrag als Ergebnis des Verwaltungsverfahrens, sondern auch das davor liegende Procedere von den Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes erfaßt sein soll. Zum anderen zielt der verwaltungsrechtliche Vertrag nicht nur auf die Neubegründung, sondern auch auf die Änderung oder die Aufhebung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses (§ 54 S. 1 VwVfG). Das Rechtsverhältnis vor Vertragsabschluß ist damit zumindest indirekt in die gesetzliche Regelung miteinbezogen. Über § 62 S. 1 VwVfG ist i. V. m. den Befangenheitsvorschriften der §§ 20 f. VwVfG geregelt, wer von der Teilnahme 53
Siehe oben Fn. 40,41. Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 54 Rn. 6; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §54 Rn. 1. 54
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
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an den Vertragsverhandlungen und dem Abschluß des Vertrages ausgeschlossen ist, und i. V. m. §§ 24 ff. VwVfG, wie im Vorfeld des Vertragsschlusses der Sachverhalt zu ermitteln ist. Die Verweisungsvorschrift des § 62 S. 2 VwVfG schließt sich dieser Regelung unmittelbar an und steht in unabweisbarem systematischem Zusammenhang zu ihr. Nach der Systematik des Verwaltungsverfahrensgesetzes regelt Teil I V somit das gesamte den Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge betreffende Rechtsverhältnis. Dazu gehört auch das Rechtsverhältnis bei der Anbahnung des öffentlich-rechtlichen Vertrags. Das Haftungsinstitut der culpa in contrahendo ist über § 62 S. 2 VwVfG auf die zeitlich dem öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgeschalteten vorvertragliche Rechtsbeziehungen anwendbar. Wie bei der Erörterung des öffentlich-rechtlichen Vertrags soll hier daher von einem näheren Eingehen auf den Inhalt öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo verzichtet werden. Nicht ausgeklammert bleiben soll aber die Frage einer Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der c. i. c. bzw. von Vertragshaftungsgrundsätzen auf Rechtsverhältnisse zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung, die nicht auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zielen 55 . Zu klären bleibt, ab wann ein vorvertragliches Verwaltungsrechtsverhältnis anzunehmen ist bzw. wann noch von anderweitigem Kontakt im Rahmen von Verhandlungen mit der Verwaltung gesprochen werden muß.
cc) Abgrenzung des vorvertraglichen im Öffentlichen Recht
von sonstigem Kontakt
Die Pflichtverletzungen, welche die Haftung aus culpa in contrahendo auslösen, können sich sowohl auf den später abgeschlossenen Vertrag selbst auswirken, als auch ohne Zustandekommen eines Vertragsverhältnisses haftungsbegründend sein 56 . Kommt es allerdings zum Vertragsschluß, so wird die Haftung aus c. i. c. - auch bei Pflichtverletzungen im Stadium vor Vertragsschluß grundsätzlich durch die vertragliche Haftung, insbesondere aus positiver Forderungsverletzung verdrängt 57. Die Haftung aus c. i. c. bei wirksam zustandegekommenem Vertrag wird im Zivilrecht nur in Ausnahmefällen, wie ζ. B. bei vorsätzlich begangener Pflichtverletzung 58 oder beim Anspruch auf Rückgängigmachung bzw. Anpassung des Vertrags bei fahrlässiger Täuschung aner-
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Hierzu siehe unten S. 309 f. BVerwG DÖV 1974, 133 (134); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 44; Battes , in: Erman, BGB, § 276 Rn. 111; Battis ZBR 1971, 300 (302). 57 Vgl. u. a. BGH LM § 276 (Fe) BGB Nr. 4; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 45. 58 BGH NJW 1995, 45 (45 f.) m. w. Nachw. 56
5 Meysen
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
kannt und ist im einzelnen heftig umstritten 59. Für den Fall der nachträglichen Vertragsanpassung stellt § 60 VwVfG ohnehin eine öffentlich-rechtliche Sonderregelung dar, welche die Anwendung der Grundsätze über die c. i. c. ausschließt. Auf diesen Streit soll in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden, denn unter dem Gesichtspunkt der Abgrenzung ist klar, daß, wenn es zu einem Vertragsschluß kommt, der vorangegangene Kontakt jedenfalls ein vorvertraglicher war. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag letztlich nichtig ist. Die inhaltliche Frage, ob das gesetzliche Schuldverhältnis bei Vertragsverhandlung und die sich daraus möglicherweise ergebende Haftung in dem umfassenden vertraglichen Schuldverhältnis aufgeht 60 oder ob sich die einschlägige Anspruchsgrundlage im Öffentlichen Recht allein nach dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung bestimmen läßt 61 , kann hier offen bleiben. Schwieriger ist die Beurteilung, ob bereits ein vorvertraglicher Kontakt stattgefunden hat, wenn es zu keinem anschließenden Vertragsschluß kommt. Die Abgrenzungsfrage richtet sich also darauf, ab wann die Kontaktaufnahme zwischen Verwaltungsträger und Bürger bzw. Verwaltungsträger als Anbahnung eines Vertrags, wann als „Vorbereitung" eines sonstigen Verwaltungshandelns bewertet werden kann. Um eine Abgrenzung zum allgemeinen Verwaltungsrechtsverhältnis möglich zu machen, kann nicht jedweder soziale Kontakt, der potentiell später in einen öffentlich-rechtlichen Vertrag münden könnte, als vorvertragliche Rechtsbeziehung des Öffentlichen Rechts angesehen werden. Soziale Kontakte mit öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern begründen nicht notwendigerweise ein solch enges Rechte-Pflichten-Geflecht, wie es bei vorvertraglichen Rechtsverhältnissen über die Haftung aus c. i. c. geschützt ist 62 . Im Zivilrecht wird die Abgrenzung häufig über die Aufnahme von „rechtsgeschäftlichen" bzw. „geschäftlichen" Kontakt begründet 63. Dieser wird schon sehr früh, etwa bei dem Betreten eines Kaufhauses zum „Umschauen" angenommen. Hier hat das Kaufhaus die Kunden implizit aufgefordert, Verträge zum Kauf der angebotenen Ware abzuschließen. Bestimmt die Verwaltung den 59 Zu den einzelnen Fallgestaltungen und dem Streit vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 68 u. 78 f.; Emmerich, in: MünchKommBGB, Vorb § 275 Rn. 106 m. jew. zahlr. Nachw.; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 195; Larenz, Schuldrecht I, S. 117 f. 60 Larenz, Schuldrecht I, S. 117. 61 So Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 163, der allerdings auch nicht von einer Heranziehung über § 62 S. 2 VwVfG ausgeht. 62 Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 115 f. 63 BGHZ 66, 51 (54) = NJW 1976, 712; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 65; Emmerich, in: MünchKommBGB, Vorb § 275 Rn. 71; Löwisch, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 275 Rn. 56 f.; Battes, in: Erman, BGB, § 276 Rn. 110; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. VI 3 a aa; Wiedemann, in: Soergel, BGB, Vorb § 275 Rn. 245; Kawalla, Verwaltungsvertrag, S. 250; Larenz, in: FS Ballerstedt, S. 397 (400); ders. MDR 1954, 515 (518); Gottwald JuS 1982, 877 (878); Nirk, in: FS Möhring, 1965, S. 385 (404 f.).
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Bürger, mit ihr Kontakt aufzunehmen, oder tritt der Bürger der Verwaltung mit einem Anliegen gegenüber, so steht diese Aufforderung wegen der Vielzahl der möglichen Handlungsformen und des Ermessens bei der Formenwahl nicht in zwingendem Zusammenhang mit „rechtsgeschäftlichem" Kontakt 64 . Für eine definitorische Abgrenzung, ab wann im Öffentlichen Recht tatsächlich von „rechtsgeschäftlichem" Kontakt gesprochen werden kann, gibt dieses Merkmal nichts her. Auch der Versuch, das vorvertragliche Rechtsverhältnis an der „Aufnahme von Vertragsverhandlungen" festzumachen 65, schlägt fehl. Wie die Kaufhausfälle zeigen, sind Verhandlungen keine notwendige Voraussetzung für das Entstehen eines Vertragsanbahnungsrechtsverhältnisses. Zudem bleibt ungeklärt, ob bereits von einem vorvertraglichem Rechtsverhältnis gesprochen werden kann, wenn nur einseitig der Abschluß eines Vertrags ins Auge gefaßt wird 66 . Die Anordnung des Anwendbarkeit des bürgerlich-rechtlichen Schuldrechts in § 62 S. 2 VwVfG steht vor dem Hintergrund, daß sich Verwaltungsträger beim Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge auf die Gleichordnungsebene begeben. Auf dieser schulden sich die Beteiligten wegen des gegenseitig entgegengebrachten Vertrauens Sorgfalts- und Treuepflichten. Es wäre deshalb daran zu denken, die Abgrenzung anhand der Schutzwürdigkeit des Vertrauens vorzunehmen. Es scheint allerdings fraglich, ob der Begriff des Vertrauens mit seinen subjektiven Elementen überhaupt eine scharfe Grenzziehung ermöglicht 67 . Jedenfalls ergäbe sich eine solche Schutzwürdigkeit erst dann, wenn sich das von Seiten des mutmaßlichen Vertragspartners entgegengebrachte Vertrauen auch darauf erstrecken durfte, daß die Verwaltung in Form eines Verwaltungsvertrags handeln würde. Es reicht im Öffentlichen Recht - wie gesehen - für die Annahme eines vorvertraglichen Kontakts gerade nicht aus, daß sich die Verhandlungspartner in den gegenseitigen Einflußbereich begeben haben, um sie wegen des gesteigerten Kontakts zu besonderer Rücksichtnahme und Sorgfalt hinsichtlich ihrer berechtigten Belange zu verpflichten 68. Da dieser konstruierte Vertrauenstatbestand nicht so weit führen darf, daß er sich zu einem nur höchst ausnahmsweise zulässigen Kontrahierungszwang verdichten würde 69 , müßte ein eigener, für die vertragliche Haftung spezifischer Vertrau64
Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 118 f. BGHZ 66, 51 (54) = NJW 1976, 712; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 65; Beierstedt AcP 151 (1950/1951), 501 (503). 66 Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 120. 67 Dies bezweifelnd Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 121. 68 Diesen Eindruck erweckend BGH WM 1972, 772; BGHZ 71, 386 (397) = NJW 1978, 1802 (1805); BGHZ 76, 343 (349) = NJW 1980, 1683 (1684); BGH MDR 1982, 462 (463); BAG NJW 1963, 1843 (1844); Feber BauR 1989, 553 (554); Dolde/Uechtritz DVB1 1987, 446 (452). 69 Zur Gefahr eines Kontrahierungszwangs Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 184. 65
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
enstatbestand geschaffen werden. Dieser wäre auf der Primärebene nicht einforderbar, sondern nur auf der Sekundärebene mit haftungsrechtlicher Sanktionierung verbunden. Eine klare Abgrenzung könnte nicht getroffen werden und müßte auf Kosten der Rechtssicherheit der Einzelfallgerechtigkeit der Rechtsprechungspraxis überantwortet werden. Überzeugend erscheint daher nur die von Keller 70 getroffene Differenzierung nach dem „vertragsspezifischen Charakter eines Kontakts" als dem entscheidenden Abgrenzungskriterium. Zu fordern ist demnach eine Kontaktaufnahme, die nach außen erkennbar den Zweck verfolgt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu schließen. Die Beteiligten an dem Verwaltungsrechtsverhältnis müssen über die Möglichkeit einig sein, daß am Ende ihres Kontakts ein Verwaltungsvertrag stehen könnte. Diese Handlungsform muß ernsthaft von beiden Seiten nach außen erkennbar in Erwägung gezogen worden sein 71 . Ist dies der Fall, sind die Grundsätze der c. i. c. über § 62 S. 2 VwVfG im Öffentlichen Recht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn der Kontakt zwischen Bürger und Verwaltung zuerst mit dem Ziel aufgenommen wurde, einen Verwaltungsakt - beispielsweise mit Nebenbestimmungen - zu erlassen. Solange die Verhandlungen nicht auf den Abschluß eines Vertrags zielen, kommt eine Haftung nach den Grundsätzen der c. i. c. nicht in Betracht und es bleibt bei den „allgemeinen" Haftungsregeln. Wird am Ende doch ein Verwaltungsvertrag geschlossen, so ist ein vorvertraglicher Kontakt ab dem Zeitpunkt zustande gekommen, in dem sich die Beteiligten - wiederum nach außen erkennbar - einig waren, daß auch die Möglichkeit bestünde, die Entscheidung statt in Form eines Verwaltungsakts im Wege eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zu treffen.
c) Steuer- und Abgabenschuldverhältnisse Auch das Steuer- oder Abgabenrechtsverhältnis wird gelegentlich den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" zugerechnet 72. Dem Steuerschuldrecht ist der 2. Teil der Abgabenordnung (§§ 33 ff. AO) gewidmet. Diese Vorschriften sind aufgrund landesrechtlicher Verweisungen 73 auch auf sonstige 70
Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 124 ff. Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 127. 72 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 30; Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 81 f.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730 u. 741; Kruse, Steuerrecht I, § 11 I; Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (134, 137 f.). - Siehe bereits Hensel VVDStRL 3 (1927), 63 (77 ff.). 73 § 3 Abs. 1 Nr. 2 KAG BW; § 13 Abs. 1 Nr. 2 BayKAG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 BerlAOAnwG; § 12 BbgKAG; § 3 Abs. 1 Nr. 1 BremAbgG; § 1 Abs. 1 Nr. 1 HambAbgG; § 4 Abs. 1 Nr. 2 HessKAG; § 12 Abs. 1 KAG MV; § 11 Abs. 1 Nr. 2 NdsKAG; § 12 Abs. 1 Nr. 2 KAG NW; § 39 Abs. 1 Nr. 2 KAG RP; § 12 Abs. 1 Nr. 2 SaarlKAG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 SächsKAG; § 13 Abs. 1 Nr. 2 KAG LSA; § 11 S. 2 KAG SH; § 15 Abs. 1 Nr. 2 ThürKAG. 71
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
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Kommunalabgaben sinngemäß anzuwenden74. Die Abgabenordnung spricht mehrfach explicit von Steuerschuldverhältnissen (vgl. § 37 Abs. 1, §§ 38, 47, 48 Abs. 1, § 226 AO). Das Steuer- bzw. Abgabenschuldverhältnis i. w. S. faßt wie das zivilrechtliche Schuldverhältnis i. w. S. mehrere (gegenseitige) Forderungen zusammen, ζ. B. den Steuer-/Abgabenanspruch, den Steuer-/Abgabenvergütungsanspruch, den Haftungsanspruch, den Anspruch auf eine Nebenleistung und den Erstattungsanspruch wegen einer Geldleistung, die ohne rechtlichen Grund erfolgt ist (§ 37 Abs. 1 AO) 7 5 . Schuldner dieser Ansprüche ist teils der Steuer-/Abgabenpflichtige, teils der Fiskus. Das Schuldverhältnis entsteht, wenn ein Steuerpflichtiger bzw. der Fiskus tatsächlich aufgrund des Gesetzes zu einer Leistung verpflichtet ist (vgl. § 38 AO) 7 6 . Die Ansprüche aus dem Schuldverhältnis erlöschen durch Zahlung, Aufrechnung, Erlaß, Verjährung und bei auflösend bedingten Ansprüchen durch Eintritt der Bedingung (§ 47 AO). Die Terminologie und die rechtliche Behandlung der im Steuer- bzw. Abgabenschuldverhältnis vorwiegend geschuldeten Geldforderungen sind aus dem Zivilrecht geläufig. Die besonderen, vor allen Dingen haftungsrechtlichen Folgen, aufgrund derer das sog. „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" aus dem Kreis der Verwaltungsrechtsverhältnisse herausgehoben wurde, sind beim Steuer- und Abgabenschuldverhältnis indes ohne Bedeutung. Für die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" im hier zu analysierenden Sinne reicht es nicht aus, wenn vom Steuer- bzw. Abgabenschuldner Geld geschuldet wird und das „Schuldverhältnis" durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht werden kann 77 . Der Umstand einer Geldschuld legt zwar nahe, einige Modalitäten der Erfüllung und Abwicklung dem erprobten und bewährten Regelungswerk des BGB zu entlehnen78. So verweisen einige Vorschriften auch ausdrücklich auf das Bürgerliche Recht, beispielsweise ordnet (§ 226 Abs. 1 AO 7 9 ) für die Aufrechnung die Heranziehung der Vorschriften des Bürgerlichen Rechts an. Dies darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei der Aufrechnung im Steuerschuldverhältnis zahlreiche, dem Öffentlichen Recht eigene Besonderheiten zu beachten sind 80 . 74
Ausfuhrlich Dorn, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 53 ff. Brockmeyer, in: Klein/Orlopp, AO, § 37 Anm. 2; Hoffmann, in: Koch/Scholtz, AO, § 37 Rn. 3 ff.; Dorn, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 54; Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, Rn. 262 ff. 76 Ausfuhrlich Kruse, in: FS Tipke, S. 277 ff; differenziert auch Hoffmann, in: Koch/Scholtz, AO, § 37 Rn. 10; siehe auch Dorn, Kommunales Abgabenrecht, Rn. 59. 77 Hensel VVDStRL 3 (1927), 63 (79). 78 So ausdrücklich Lang, Entwurf eines Steuergesetzbuchs, Rn. 240. 79 Vgl. auch § 11 Abs. 2 BBesG; § 51 Abs. 1 SGB I. 80 Ausführlich Hartmann, Aufrechnung im Verwaltungsrecht, S. 10 f., 19 ff.; Garndtner, Aufrechnung im öffentlichen Recht, S. 55 ff. - Zur umstrittenen Frage der 75
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Sicher handelt es sich bei Steuerschuldverhältnissen um Schuldverhältnisse im zivilrechtlichen Sinne81. Die Heranziehung von Vorschriften des BGB im Wege einer Analgoie oder gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung wird jedoch nicht in Betracht gezogen82, und der Rückgriff auf das Zivilrecht erfolgt ausschließlich bei ausdrücklicher spezialgesetzlicher Anordnung. Die Einordnung der Steuer- und Abgabenschuldverhältnisse in den Kreis der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" ist lediglich Folge der systematisch nicht reflektierten Übernahme privatrechtlicher Terminologie in das Öffentliche Recht 83 . Eine vertieftere Auseinandersetzung mit den Steuer- und Abgabenschuldverhältnissen gehört nicht in den Kontext dieser Arbeit.
d) Soziahechtsverhältnisse Bei der Erörterung der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" werden vielfach die Sozialleistungsverhältnisse aus dem Gesamtbereich der Sozialrechtsverhältnisse herausgehoben und den Schuldverhältnissen zugerechnet. Krause 84 fordert sogar für das Sozialrechtsverhältnis insgesamt ein eigenes sozialrechtliches Schuldrecht. Er bezieht dabei nicht nur synallagmatische Versicherungsverhältnisse 85 mit ein, sondern auch kooperative Verhältnisse aus dem Leistungs- sowie dem sozialarbeiterisch-sozialpädagogischen Dienstleistungsbereich 86. Er will gewährleistet sehen, daß sich die Partner des Sozialrechtsverhältnisses gleichberechtigt gegenüberstehen, was u. a. bedeuten würde, daß Forderungsverletzungen in diesen Rechtsbeziehungen einer speziellen Schadenersatzhaftung unterworfen wären 87 . Auf die Heranziehimg von zivilrechtlichen Grundsätzen geht er - mit Ausnahme des ohnehin die gesamte RechtsordVerwaltungsaktsqualität der Aufrechnung im Öffentlichen Recht vgl. BVerwGE 66, 218 (220) = NJW 1983, 776; BayVGH NJW 1997, 3392; OVG NW NJW 1997, 3391; VG Braunschweig NdsVBl 1999, 95 (96); BSGE 53, 208 (209); 64, 17 (22); BSG NJW 1997, 3397; BFHE 149, 482 (486); 178, 306 (307); Wack JA 1998, 18 (20); Detterbeck DÖV 1996, 889 (890 f.). - Zur Aufrechnung mit rechtswegfremden Geldforderungen BVerwG NJW 1999, 160; VGH BW NJW 1997, 3394; HessVGH DVB1 1994, 806; NJW 1994, 1488 (1490); Gaa NJW 1997, 3343 ff. m. w. Nachw. in Fn. 7; Detterbeck DÖV 1996, 889 (898). 81 Zum Verständnis des Begriffs „Schuldverhältnis" im Zivilrecht ausführlich siehe unten S. 155 ff. 82 Vgl. aber Kruse, Steuerrecht I, § 11 III. 83 Hierzu siehe auch unten S. 166 ff. 84 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 ff. 85 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (30 ff.). 86 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (35 ff.). 87 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (18 f., 26); siehe auch Rüfner, in: Wannagat, SGB I, § 14 Rn. 11 f.
I. Begriff und Arten des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses"
nung durchziehenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) 8 8 nicht ein 89 . Für Sozialleistungsrechtsverhältnisse wurde das maßgebliche Regelungswerk im Hinblick auf das Verfahren und die materiellen Ansprüche teilweise einer Kodifikation unterworfen (vgl. §§ 30 ff., 38 ff. SGB I und das SGB X). Haftungsrechtliche Vorschriften für die Sekundärebene der betreffenden Sozialrechtsverhältnisse finden sich jedoch keine. Da somit in den verschiedenen Teilen des Sozialgesetzbuchs ein Abschnitt über die Haftung bei schuldhafter Amtspflichtverletzung fehlt, scheint eine Heranziehung vertraglicher Haftungsgrundsätze bei in der Zukunft auftretenden Haftungsfällen nicht ausgeschlossen. Die Stimmen in der Literatur 90 , welche insbesondere die Vermögenswerten Leistungen der Sozialleistungsträger in die Fallgruppen der sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" einordnen wollen, verdienen unter diesem Blickwinkel jedoch keiner vertiefteren Beachtung. Diese haben wie beim Steuer- und Abgabenschuldverhältnis wiederum nur diejenigen Sozialrechtsverhältnisse im Auge, in denen „finanzielle" Leistungen, insbesondere Geld geschuldet wird. Auch hier geht es darum, ob die Schuldentstehung, der Schuldinhalt, der Schuldübergang oder die Schuldbeendigung in einer die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs berücksichtigenden Weise in Anlehnung an das Zivilrecht gestaltet werden können 91 . Der Problemkreis der Leistungsstörungen ist meist von keinem bzw. nur von untergeordnetem Interesse 92. Das Sozialleistungsschuldverhältnis hinsichtlich vermögenswerter Leistungen der Sozialverwaltung verdient seine Einordnung in die Gruppe der sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" folglich genauso wenig oder viel wie das Steuer- bzw. Abgabenschuldverhältnis. Zudem hat die Rechtsprechung die Lücke im „System" der Staatshaftung im Bereich der Sozialleistungsverhältnisse für den Großteil der Haftungsfälle an88
(19).
89
Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12
Die ausschließliche Abwicklung der Rechtsfragen im Sozialrechtsverhältnis nach öffentlich-rechtlichen Kategorien hervorhebend Thieme, in: Wannagat, SGB I, Einl Anm. III 1. 90 Thieme, in: Wannagat, SGB I, Einl Anm. III 2, IV 1; Rüfner, in: Wannagat, SGB I, § 14 Rn. 10 ff.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 62 f.; Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (18 ff); Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (134, 138 f.). 91 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (21 ff., 26 ff.); Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (140 ff.). 92 Siehe etwa Thieme, in: Wannagat, SGB I, Einl Anm. III 2, IV 1; Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (25 f.); Gassner, in: Ermacora u. a., Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (144 f.).
72
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
derweitig geschlossen. Die herkömmlichen staatshaftungsrechtlichen Anspruchsgrundlagen scheitern vorwiegend am Verschuldenserfordernis (vgl. insbesondere die Amtshaftung, § 839 Abs. 1 S. 1 BGB). Deshalb wurde in Fortentwicklung des Folgenbeseitigungsanspruchs ein speziell auf das Sozialrecht zugeschnittener verschuldensunabhängiger sozialrechtlicher Herstellungsanspruch entwickelt 93 . Weitere Vorteile dieser richterrechtlichen Anspruchsgrundlage sind die umgekehrte Beweislast in Fällen des behördlichen Unterlassens und die Möglichkeit der Naturalrestitution 94. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch findet immer dann Anwendung, wenn dem Bürger durch ein Fehlverhalten Sozialleistungen entgangen sind oder wenn die Sozialverwaltung dadurch geschädigt wurde, daß sie aufgrund des Fehlverhaltens einer anderen beteiligten Stelle zur Auszahlung unberechtigter Leistungen veranlaßt wurde 95 . Ein Anspruch aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" wird durch den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verdrängt. Sämtliche Pflichtverletzungen, die durch letzteren sanktioniert sind, würden auch von Ansprüchen aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" erfaßt, mit dem zusätzlichen Vorteil, daß der Verschuldensnachweis entfällt. Im Bereich des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist für eine Diskussion über die Heranziehung von BGB-Schuldrecht aufgrund einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" also kein Raum. Ansonsten ist in Fragen der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" das Sozialrechtsverhältnis bis dato ein weitestgehend unbestelltes Feld geblieben. Es erscheint jedoch durchaus naheliegend, daß diverse Sozialrechtsverhältnisse, speziell im sozialarbeiterisch-sozialpädagogischen Bereich in Zukunft eine Heranziehung von BGB-Vertragshaftungsrecht diskutiert werden könnte 96 . Tatsächlich wird vereinzelt auch von der Möglichkeit einer Haftung aus positiver Forderungsverletzung gesprochen 97. Daß in das Sozialrecht auch bislang fremde Rechtsmaterien Einzug halten, zeigt die erst in jüngster Zeit durch verschiedene Gerichtsverfahren 98 eingeleitete Diskussion99 über die 93 Erlenkämper/Fichte Sozialrecht, S. 144; Olbertz, Herstellungsanspruch im Verwaltungsrecht, S. 25 f. 94 Schellhorn, in: GK-SGB I, § 14 Rn. 43; Erlenkämper/Fichte Sozialrecht, S. 153. 95 Vgl. die Auflistung der Beispielsfälle bei Schellhorn, in: GK-SGB I, § 14 Rn. 44 ff. 96 So etwa BSGE 44, 264 (269 f.: „einvernehmliche Rechtsakte", „vertragsähnliche Gestaltungen"); Seewald SGb 1980, 549 („Schlecht- oder Nichterfüllung einer vertragsähnlichen Pflicht"). 97 Rüfner, in: Wannagat, SGB I, § 14 Rn. 10 ff.; Mrozynski, SGB I, § 60 Rn. 20. 98 OLG Oldenburg StV 1997, 133; OLG Stuttgart NJW 1998, 3131; LG Osnabrück NStZ 1996, 437; AG Osnabrück, Urt. v. 17.5.1995 - 5 Ls 11 Js 17617/94 (veröffentlicht in Mörsberger/Restemeier, Helfen mit Risiko, S. 54). 99 Vgl. OLG Oldenburg StV 1997, 133 (m. Anm. Bringewat) = ZfJ 1997, 56 (m. Anm. Oehlmann-Austermann); LG Osnabrück NStZ 1996, 437 m. Anm. Bringewat
I.
inene
„verwaltungsrechtliche
Schuldverhältnisse"3
strafrechtliche Verantwortlichkeit der in der Sozialverwaltung tätigen Sozialarbeiter 100 . Im einzelnen ist noch vieles umstritten. Der Streit rankt sich im wesentlichen um die Frage, ob und wann Sozialarbeit aufgrund einer Garantenpflicht (§13 StGB), die sich etwa aus tatsächlicher Übernahme einer Schutzpflicht aus dem SGB V I I I ergeben kann, unter Strafe dafür einzustehen hat, wenn dem Betreuten Klientel etwas zustößt, dies fur die betreffenden Sozialarbeiter vorhersehbar war und sie das hätten verhindern können und müssen. Bei einer Bejahung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Sozialarbeit für den Tod von Menschen, für Körper- und Gesundheitsschäden bzw. für durch betreutes Klientel verursachte Sachschäden drängt sich die Frage nach der haftungsrechtlichen Schadenersatzverantwortlichkeit geradezu auf. Letztere ist jedoch noch nicht Gegenstand der juristischen Auseinandersetzungen. Von vornherein ausgeschlossen scheint ein Bemühen der an das BGB angelehnten Vertragshaftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" allerdings nicht zu sein. Das Verhältnis zwischen betreuendem Sozialarbeiter und betreutem Klienten weist mitunter eindeutige Parallelen zu vertraglichen Rechtsbeziehungen auf. Daß im öffentlichrechtlichen Sozialrechtsverhältnis zwischen Sozialarbeiter eines Sozial- und/oder Jugendamtes und Klient Amtshaftungsansprüche möglich sein können, steht außer Frage 101. Es spricht einiges dafür, daß der Amtshaftung in etlichen entsprechend gelagerten Sozialrechtsverhältnissen eine Haftung unter Heranziehung von bürgerlichrechtlichen Haftungsgrundsätzen zur Seite gestellt werden kann. Deren nähere Erörterung würde den Rahmen der Arbeit indes sprengen und soll hier daher ausbleiben. Die als „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" bezeichneten, auf Vermögenswerte Leistungen gerichteten Sozialleistungsverhältnisse sollen wie dargelegt - ohnehin nicht Gegenstand der folgenden Analyse sein.
I I . Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" 7. Anstalts- und Benutzungsverhältnisse a) Historische Entwicklung Die Anstalts- und Benutzungsverhältnisse, Rechtsverhältnisse aus dem Bereich des öffentlichen Sachenrechts, zählen zu den klassischen „verwaltungsS. 440 ff. sowie Anm. Cramer NStZ 1997, 238 f.; Mörsberger/Restemeier (Hrsg.), Helfen mit Risiko, 1997, passim; Bringewat, Tod eines Kindes, 1997, passim; ders. NJW 1998, 944. 100 Bringewat NJW 1998, 944; Mörsberger, in: Mörsberger/Restemeier, Helfen mit Risiko, S. 155 (160 f.). 101 Vgl. etwa BGH NJW 1998, 138.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
rechtlichen Schuldverhältnissen". Das Reichsgericht 102 hat erstmals 1920 einen Anwendungsfall der Haftung nach BGB-Schuldrecht innerhalb eines solchen Verwaltungsrechtsverhältnisses anerkannt. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatten Bewohner ihre Stadtgemeinde verklagt, weil sie aufgrund des Genusses von schadstoffhaltigem Leitungswasser aus der kommunalen Wasserversorgung Bleivergiftungen davongetragen hatten. Das Reichsgericht ließ unentschieden, ob das Benutzungsverhältnis bezüglich der Wasserversorgung zwischen dem Bewohner und der Gemeinde öffentlichrechtlich oder privatrechtlich zu beurteilen sei bzw. ob die Pflichtverletzung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sei 103 . In jedem Falle könnten „auch öffentlich-rechtliche Verhältnisse Rechte und Verbindlichkeiten erzeugen, die, soweit sich aus den Gesetzen nichts anderes ergibt, unter entsprechender Anwendung der Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen sind und deren Verletzung zum Schadenersatz nach eben diesen Vorschriften verpflichtet." 104 Der BGH 1 0 5 griff 1955 besagte Reichsgerichtsentscheidung(en) auf und entwickelte hieraus eine ständige zivilgerichtliche Rechtsprechung 106. Die Verwaltungsgerichte beschäftigten sich zwar bei der Auseinandersetzung mit öffentlich-rechtlichen Anstaltsbenutzungsverhältnissen früh mit der Frage nach Auskunftspflichten, die sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben 107 und mit den Möglichkeiten einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung 108. Eine zivilrechtliche Haftung in einem öffentlichrechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnis wurde jedoch erst - in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH - im Jahre 1975 109 in einem obiter dictum durch den VGH Baden-Württemberg in Betracht gezogen und offensichtlich als mögliches Haftungsinstitut angesehen. Der VGH erklärte sich damals noch für die Entscheidung für unzuständig und verwies auf den Zivilrechtsweg 110 . Nach und nach haben aber neben dem VGH B W 1 1 1 auch das QVG
102
RGZ 99, 96; dem folgend RGZ 152, 129. RGZ 99, 96 (97 f.); 152, 129 (132). 104 RGZ 99, 96 (101); vgl. auch RGZ 152, 129 (132). 105 BGHZ 17, 191. 106 Vgl. BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 54, 299; 59, 303; 61, 7; BGH NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; BGHZ 66, 302; NJW 1977, 197; VersR 1978, 38; NJW 1980, 724; 1984, 615 (617); VersR 1992, 58; sowie in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung BayObLG BayVBl 1989, 571; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZRR 1996, 305; OLG Hamburg MDR 1961, 938; OLG Koblenz VersR 1980, 724; LG Freiburg VersR 1979, 363. 107 BVerwG DVB1 1960, 516 (517). 108 BayVGH VerwRspr 21,911; OVG NW OVGE 18, 153. 109 VGH BW ESVGH 26, 155. 1,0 VGH BW ESVGH 26, 155 (158). 103
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
N W 1 1 2 und das BVerwG 1 1 3 ihre Zuständigkeit angenommen und diesen Unterfall des sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" allgemein anerkannt, wobei zuerst nur in umgekehrter Richtung Ansprüche des Staates gegen den privaten Nutzer der öffentlichen Einrichtung zugesprochen wurden 114 . Erst in jüngster Zeit hat - und hier auch nur als bislang einziges Oberverwaltungsgericht - das OVG N W Ansprüche des Bürgers gegen die öffentlichrechtlichen Träger der Einrichtungen zuerkannt 115.
b) Anwendungsfälle Den klassischen Anwendungsfall 116 der Haftung aus Anstalts- und Benutzungsverhältnis stellt das KanalbenutzungsVerhältnis 117 dar. In den jüngeren Entscheidungen aus diesem Bereich wird nur noch von einer Haftung nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung des zwischen den Beteiligten bestehenden öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungs Verhältnisses 118 oder von Ansprüchen aus einem vertragsähnlichem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis 119 gesprochen, wobei auch hier hervorzuheben ist, daß in dieser wie in den anderen Konstellationen nicht nur der Verwaltungsträger, sondern auch der Private als Schädiger Schuldner sein kann 120 . Die Anwendbarkeit der 111 VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ 1990, 388; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201. 112 OVG NW GemH 1988, 259; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 482; NVwZRR 1997, 207. 113 BVerwG NJW 1995,2303. 114 BVerwG NJW 1995, 2303; VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; Urt. v. 15.06.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW GemH 1988, 259. 115 OVG NW NWVB1 1996, 13 ; NVwZ-RR 1996,482; NVwZ-RR 1997, 207. 116 Zu einer umfassenden Auflistung der bejahten und diskutierten Anwendungsfälle des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" im Anstalts- und Benutzungsverhältnis siehe auch oben S. 20 f. 117 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW NVwZ 1990, 388; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; BayVGH VerwRspr 21, 911; OVG NW GemH 1988, 259; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGHZ 54, 299; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197; VersR 1978, 38; VersR 1987, 768; OLG Düsseldorf BauR 1992, 812 (LS); NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305; LG Freiburg VersR 1979, 363; LG Heidelberg VersR 1971, 971. 118 VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1998, 198; NVwZ 1998, 1212; NWVB1 1998, 198; BP-NSGB Nr. 30/1998; vgl. auch OLG Düsseldorf NVwZRR 1996, 305 („Dieses Leistungsverhältnis ist geeignet, im Falle einer Störung Schadensersatzansprüche zu begründen."). 119 BVerwG NJW 2303 (2304); VGH BW 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1997, 207. 120 Siehe die Nachw. oben in Fn. 115.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
zivilrechtlichen Haftungsgrundsätze scheint mittlerweile in beiden Haftungsrichtungen eine Selbstverständlichkeit. Eine Begründung findet kaum mehr statt 121 . Die Rechtsprechung begnügt sich mit dem Hinweis auf Vorgängeijudikate 122 . Ebenso unbestritten ist die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" in Verwaltungsrechtsverhältnissen bei der Benutzung öffentlichrechtlich betriebener Schlachthöfe 123 sowie im Rahmen des Anschlusses an die örtliche Wasserversorgung 124. Grundsätzlich anerkannt wurde die Anwendbarkeit zivilrechtlicher Vertragshaftungsgrundsätze ferner im Verhältnis eines landwirtschaftlichen Wasser- und Bodenverbands zu einem Mitglied 125 . Der Verband haftete wegen unsachgemäß geplant und durchgeführter Entwässerungsarbeiten an von dem Mitglied bewirtschafteten Ländereien. In einem anderen Fall haftete eine Gemeinde, weil Bullen in einer von ihr betriebenen öffentlich-rechtlich Bullenhaltung beim Decken die gedeckten Rinder mit der Deckseuche ansteckten126. In einem Nutzungsverhältnis über einen Kranwagen der Freiwilligen Feuerwehr, dessen Benutzung durch Satzung öffentlichrechtlich geregelt war, diente die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" zur Begründung der Zulässigkeit einer satzungsmäßigen Haftungsbeschränkung 127. Weiter wurde die Möglichkeit von Schadenersatzansprüchen aus öffentlich-rechtlichem Benutzungsverhältnis eingeräumt im Verhältnis der Bundespost zu einem Nutzer eines Fernmeldeanschlusses128. Diskutiert aber letztlich abgelehnt wurde die Heranziehung der zivilrechtlichen Vertragshaftungsgrundsätze im Verhältnis der Kommune zu den Benutzern eines gemeindeeigenen öffentlich-rechtlich ausgestalteten Spielplatzes129. Das Benutzungsverhältnis sei nicht vertragsähnlich. Bereits das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses wurde verneint bei der Prüfung von Ansprüchen eines privaten Abfallentsorgungsunternehmens, das mit einem Partnerunternehmen der Duales System Deutschland GmbH einen Vertrag über 121
Vgl. aber BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325. So etwa VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; NWVB1 1998, 198; NVwZ 1998, 212; BGH VersR 1992, 58 (60); NVwZ 1998, 1218 (1219); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305. 123 BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; BGHZ 61,7; BGH NJW 1974, 1816; OLG Hamburg MDR 1961, 938; OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. 124 VGH BW ESVGH 26, 155; VB1BW 1982, 369; OVG NW OVGE 18, 153; RGZ 152, 129; BGHZ 17, 191; 59, 303; LM § 13 GVG Nr. 89. 125 BGH VersR 1987,768. 126 BGH VersR 1978,253. 127 BayObLG BayVBl 1989, 571 (572). 128 BGHZ 66, 302 (305 f.). 129 BGH NJW 1988, 2667 (2668). 122
I.
inene
„verwaltungsrechtliche Schulderhältnisse"
die Sammlung und Beförderung von „Grüner Punkt"-Abfällen geschlossen hatte, gegen einen Nutzer des Abfallentsorgungssystems 130.
c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik und inhaltliche Begründung Über die Methode der Rechtsfortbildung, die zur Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Haftungsvorschriften führen soll, herrscht in der Rechtsprechung Uneinigkeit. Zum Teil werden zur Heranziehung Rechtsgrundsätze, allgemeine Rechtsgedanken oder allgemeingültige Rechtsprinzipien bemüht 131 , zum Teil erfolgt sie im Wege einer analogen, entsprechenden oder sinngemäßen Anwendung 132 , zum Teil wird die Frage offen gelassen133. Früher wurde mitunter auch aus einer vermeintlichen Vertragsähnlichkeit der öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisse selbstredend auf die unmittelbare Haftung nach BGBVertragsrecht geschlossen134. Ausführungen zur Begründung der Wahl der einen oder andere Methode fehlen völlig. Inhaltlich begründet die Rechtsprechung die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vertragshaftungsgrundsätze in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen von Anbeginn an - mit einer vermeintlichen Vertragsähnlichkeit der öffentlichrechtlichen Rechtsbeziehungen135. Ausgangspunkt der gerichtlichen Prüfung ist 130
OVG NW NVwZ 1998, 1210. VGH BW ESVGH 26, 155 (157); OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1997, 207; NVwZ 1998, 1212; BGHZ 59, 303 (305); 61, 7 (11); NJW 1977, 197; VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); VersR 1978, 253 (254); VersR 1987, 768 (769); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179 (180). 132 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 987; BGHZ 109, 8 (9) = NJW 1990, 1167; BGH VersR 1992, 58 (60); NVwZ 1998, 1218 (1219); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); vgl. auch Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220. 133 VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1998, 198; NVwZ-RR 1998, 198 (199); BGHZ 54, 299 (304); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; OLG Hamm VersR 1987, 789. 134 RGZ 152, 129 (132); BGHZ 17, 191 (192, 195); BGH LM § 13 GVG Nr. 89. 135 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW VB1BW 1982, 369; OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; RGZ 99, 96 (99); 152, 129 (132); BGHZ 17, 191 (195); LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 54, 299 (302, 305); 61, 7 (12); BGH NJW 1974, 1816; VersR 1978, 38 (39); NJW 1988, 2667 (2668); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; vgl. auch Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 13; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 131
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
- wenn Anlaß dazu besteht - die Frage nach dem Bestehen eines Benutzungsverhältnisses 136 und im Anschluß daran nach der Rechtsnatur der Rechtsbeziehungen, nach der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses137. Darauf folgt die Einstufung desselben als vertragsähnlich oder nicht. Kann das Benutzungsverhältnis nicht als vertragsähnlich anerkannt werden, wird eine Haftung nach den fur „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" geltenden Grundsätzen abgelehnt138. Das Reichsgericht sah in der Tatsache, daß auch im Öffentlichen Recht Verbindlichkeiten erzeugt werden, sowie in der schlichten Übernahme der Verpflichtung, allen Gemeindeeinwohnern gutes und einwandfreies Trinkwasser zu liefern 139 , „zumindest ein vertragsähnliches Verhältnis." 140 Der BGH begnügte sich anfänglich mit der bloßen Feststellung, daß auch öffentlichrechtliche Verhältnisse Rechte und Pflichten begründen können, die nach Vorschriften des Bürgerlichen Rechts zu beurteilen seien141. Später wurde die Vertragsähnlichkeit aus der besonderen, engen bzw. besonders engen Beziehung zwischen Privatem und Verwaltungsträger 142 sowie einem Bedürfnis nach einer angemessenen Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb dieser Rechtsbeziehungen143 abgeleitet. Ersteres „Tatbestandsmerkmal" 144 soll beispielsweise erfüllt sein, wenn es sich bei dem Anstalts- und Benutzungsverhältnis um ein auf Dauer angelegtes Leistungsverhältnis handelt 145 . In einem anderen Fall S. 346; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 6; Rozek BayVBl 1989, 761 (763); Stürner JuS 1973, 749 (751); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Schneider NJW 1962, 705 (707). 136 OVG NW NVwZ 1998, 1210; BGHZ 61, 7 (10); BGH VersR 1978, 253 (254); NJW 1988, 2667 (2668). 137 Vgl. OVG NW OVGE 18, 153 (161); RGZ 152, 129 (131 f.); BGHZ 17, 191 (192); BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 54, 299 (301); 59, 303 (304 f.); 61, 7 (10); BGH NJW 1974, 1816; VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 f.; VersR 1978, 253 (254); VersR 1987, 768; BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); LG Heidelberg VersR 1971, 971. 138 So bspw. BGH NJW 1988, 2667 (2668). 139 RGZ 152, 129 (131 f.); auch BGH LM § 13 GVG Nr. 89. 140 RGZ 99, 96 (99 ff.); 152, 129 (133). 141 BGHZ 17, 191 (192). 142 VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; BGHZ 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (10); BGH NJW 1974, 1816; VersR 1978, 38 (39); OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); vgl. auch Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (388 f.); ders. BayVBl 1974, 57. 143 VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; BGHZ 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (11); BGH NJW 1974, 1816. 144 Zur kritischen Auseinandersetzung mit den beschriebenen „Tatbestandsmerkmalen" siehe unten S. 144 ff. 145 BGHZ 54, 299 (303); 61,7(10); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 1; BGH VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); Sander BauR 1985, 167 (168); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
wurde die geforderte „besondere Nähebeziehung" angenommen, wenn der Bürger für die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung zusätzliche Verpflichtungen - wie die Versicherung des Viehs beim Einbringen in den Schlachthof eingehen mußte 146 . Maßgeblich scheint die Feststellung zu sein, daß die Rechte-Pflichten-Beziehung im Anstalts- und Benutzungsverhältnis über den rein deliktischen Kontakt hinaus geht. Ist dies nicht der Fall, bleibt es auch haftungstechnisch bei der allgemeinen deliktischen Beziehung 147 . Selbst als die Gerichte auf die Begründung der Vertragsähnlichkeit der konkreten Anstalts- und Benutzungsverhältnisse noch eingegangen sind, blieben weitergehende Vergleiche des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses mit einem privatrechtlichen Vertrag meist aus oder oberflächlich und beschränkten sich auf einzelne Behauptungen oder Begründungsaspekte. Oftmals begnügte man sich mit dem schlichten Hinweis auf die Parallelität zu einer privatrechtlichen Ausgestaltung 148. Dies ist eine Folge der Rechtsauffassung der h. M., daß die Kommunen ein Formenwahlrecht nicht nur hinsichtlich der Organisation ihres Handelns besitzen, sondern auch in bezug auf die sich aus dem Handeln ergebenden Rechtsbeziehungen. So könne der Träger der Einrichtung bestimmen, ob er die Rechtsbeziehungen der Nutzer zur Einrichtung öffentlichrechtlich oder privatrechtlich regeln will und ob er das konkrete Nutzungsverhältnis selbst öffentlich-rechtlichen oder privatrechtlichen Regelungen unterstellen will 1 4 9 . Biete der Staat mit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung eine Leistung an, die nur deshalb nicht dem Angebot durch private Unternehmer überlassen wird, weil Gründe des Gemeinwohls bzw. der Daseinsfürsorge für eine öffentlich-rechtliche Zurverfügungstellung sprechen, trete er, um den Gefahren des Marktes vorzubeugen oder mangels Marktes für die angebotenen Leistungen, anstelle eines privaten Wirtschaftsunternehmens und wie ein
146
BGHZ 61, 7 (10). So entschieden beim bloßen Aufstellen einer Schildertafel auf einem Kinderspielplatz BGH NJW 1988, 2667 (2668). 148 BGH NJW 1977, 197 (198); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZRR 1994, 627; vgl. auch Salzwedel, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 41 Rn. 26; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 91. 149 VGH BW NVwZ-RR 1989, 267 (268); SächsOVG DVB1 1997, 507; BGH MDR 1984, 558; NJW 1985, 197 (198); NVwZ 1991, 606 (607); NVwZ-RR 1992, 223 (224); NJW 1992, 171 (172); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 535; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 567 f.; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Schmidt-Aßmann, in: ders., Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Abschn. Rn. 111 ; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 34; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 217; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 498; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 68, 70; Dierkes SächsVBl 1997, 166 (167); Reiter BayVBl 1990, 711; Ehlers DVB1 1986, 912 (917); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (383); Menger VerwArch 64 (1973), 305 (305 f.). 147
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
solches auf 150 . So haben die Gerichte gelegentlich auch festgestellt, daß die Rechtsbeziehungen bei der Wasserversorgung oder bei der Nutzung eines Schlachthofs auch privatrechtlich hätten ausgestaltet werden können 151 . Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Verwaltung seien zwar möglicherweise hoheitlich (Anschluß- und Benutzungszwang) und einseitig (öffentlichrechtliche Satzung) determiniert. Der Kontakt innerhalb des Anstalts- und Benutzungsverhältnisses könne jedoch faktisch dem bei einer privatrechtlichen, vertraglichen Ausgestaltung entsprechen 152. Auch die eindeutig einseitige hoheitliche Begründung des Anstalts- und Benutzungsverhältnisses durch satzungsrechtliche Anordnung eines Benutzungszwangs wurde mitunter als Indiz für das Vorliegen einer Vertragsähnlichkeit angesehen153. Habe der private Nutzer bzw. Anschlußnehmer keine Möglichkeit zu einem privatrechtlichen Vertragsschluß, müsse zumindest eine Gleichstellung mit Vertragspartnern im Vertragsrecht erfolgen 154 . Die „Fürsorgepflichten" der Anstaltsorgane gingen um so weiter, je größer die Abhängigkeit des Anstaltsbenutzers sei 155 . A u f der anderen Seite sollte die Erfüllung einer polizeilichen Pflicht innerhalb eines Anstalts- und Benutzungsverhältnisses im Gegensatz zur Erfüllung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge die Annahme eines vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnisses hindern 156 . Im umgekehrten Verhältnis des Bürgers zur Verwaltung sollte der private Nutzer allerdings nicht weniger als der privatrechtliche Mieter zu pfleglichem Umgang mit der öffentlichen Einrichtung bzw. Mietsache verpflichtet sein 157 .
bb)Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) Als Anspruchsgrundlage für Schadenersatzansprüche aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" im Anstaltsbenutzungsverhältnis werden die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung bemüht 158 , die nach der Recht150
RGZ 99, 96 (99); BGHZ 61, 7 (10); Götz JuS 1971, 349 (350, 352). BGHZ 59, 303 (306); 61, 7 (10). 152 So ausdrücklich nur Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 85. 153 BGH NJW 1974, 1816. 154 BGH NJW 1974, 1816; vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, §99 Rn. 33. 155 Vgl. BGHZ 66, 302 (306); vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 32. 156 So OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); Gries/Willebrand JuS 1990, 103 (104). - Dies ablehnend die Revisionsinstanz BGH LM § 40 VwGO Nr. 9. 157 VGH BW NVwZ-RR 1991, 325. 158 Vgl. BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW VB1BW 1982, 369; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 7 (n. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 151
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher S c h u l d v e r h ä l t n i s s e " 1
sprechung auch im Öffentlichen Recht Geltung beanspruchen sollen 159 . Allerdings wird in der überwiegenden Zahl der Entscheidungen keine Anspruchsgrundlage angegeben160. Es hat den Anschein, als sei selbstverständlich vorausgesetzt, daß im „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" gehaftet wird, und zwar nach vertragsähnlichen Haftungsgrundsätzen 161. Bei der Frage nach den geltenden Haftungsmodalitäten, die nach einhelliger Ansicht dem BGB-Vertragsrecht entlehnt sein sollen, wird an erster Stelle die Anwendbarkeit der Haftungsüberleitungsvorschrift des § 278 BGB genannt162. Ferner soll dem Schadenersatzschuldner die Beweislastumkehr der § 282 BGB zugute kommen 163 . Es soll die 30jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB einschlägig sein 164 . Für die Schadensberechnung und die Ermittlung des ersatzpflichtigen Schadensumfangs werden die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB bemüht 165 . 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305. 159 Siehe hierzu auch unten zu Fn. 494 und Fn. 495. 160 VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); BGHZ 17, 191; BGH LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 54, 199 (302); BGH NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197; VersR 1978, 38 (39); VersR 1978, 253 (254); VersR 1987, 768 f.; BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); LG Heidelberg VersR 1971, 971; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. 161 Vgl. OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); BGHZ 17, 191 (192 f.); 54, 299 (302); BGH NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); VersR 1978, 253 (254); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Heidelberg VersR 1971, 971; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. 162 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); OVG NW GemH 1988, 259 (261); RGZ 152, 129 (132); BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; BGHZ 54, 299 (304); 61, 7 (13); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39 f.); DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); 1990, 1167; VersR 1992, 58 (60); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305; OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364). 163 VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZRR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305. 164 BVerwG NJW 1995, 2303 (2309); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 (η. v.); OVG NW GemH 1988, 259 (262); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); Wieland, Verjährungsproblematik im Altlastenrecht, S. 176 ff.; Sander BauR 1985, 167(168). 165 BVerwG NJW 1995, 2303 (2305); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 f. (n. v.); OVG NW NWVB1 1996, 12 (14). 6 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
cc) Satzungsmäßige Haftungsbeschränkungen Anstalts- und Benutzungssatzungen für öffentliche Einrichtungen enthalten häufig Regelungen über Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse. Diese können verschiedene Zielrichtungen haben. Zunächst ist - auch im Hinblick auf die Amtshaftung - auf der Primärebene eine Einschränkung der Amtspflichten, die sich aus dem Anstalts- und Benutzungsverhältnis ergeben, grundsätzlich möglich, sofern sich nicht aus höherrangigem Recht eine Einstandspflicht des Staates, also eine drittbezogene Amtspflicht für gewisse Schädigungen ergibt 166 . Zu dieser Form der Haftungsbegrenzung der öffentlichen Hand zählt die Freizeichung von der Verantwortung für bestimmte, für das Rechtsverhältnis typische Schäden, wie der Ausschluß jeglicher Haftung für Schäden, die durch einen Rückstau in der Abwasserkanalisation 167 oder bei Betriebsstörungen 168 verursacht werden. Den Anwendungsfall einer Haftungsbeschränkung, der die Rechtsprechung bislang am häufigsten beschäftigt hat, ist der einer satzungsmäßigen Beschränkung des Verschuldensmaßstabs. Teilweise wurde in den Satzungen die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt 169, teilweise sogar für jedwedes Verschulden ausgeschlossen170. Die Rechtsprechung beschäftigen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Haftungsbeschränkungen vor allen Dingen zwei Problemkreise, zum einen die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung neben der Amtshaftung (Art. 34 S. 1 GG i. V. m. § 839 Abs. 1 BGB) bzw. die Erstreckung derselben auf die Amtshaftung und zum anderen die Grenzen der Beschränkung. Die Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen im Rahmen der Amtshaftung ist umstritten. In der Literatur wird sie teilweise - zumindest hinsichtlich ihres Inhalts - gänzlich ver166 BGHZ 61,7(15); Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 36; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1973, 808 (810); Brehm DÖV 1974, 415 (417); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (399); Schwarze JuS 1974, 640 (643 f.). 167 BayVGH VerwRspr 21,911 (914); BGHZ 54, 299 (305); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 2; VersR 1978, 38 (40); NVwZ 1998, 1218 (1219); hierzu Sander BauR 1985, 167 (168, 170); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10(11). 168 BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10. 169 BGHZ 17, 191 (199); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); hierzu BirkenfeldPfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73 f.; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Wohlfahrt, Kommunalrecht Saarland, Rn. 81, 290; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (411 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (62 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (811); Schneider NJW 1962, 705 (708). 170 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BayVGH VerwRspr 21, 911 (915); RGZ 62, 264 (265); BGHZ 61, 7 (15 ff.); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; hierzu Steiner, in: Βerg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (405 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (61 ff.). Zu weiteren in der Literatur diskutierten satzungsmäßigen Haftungsbegrenzungen oder -ausschlüssen siehe unten S. 239 ff. u. 350 ff
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
neint 171 , ansonsten in Rechtsprechung und Lehre unter formellen Gesetzesvorbehalt (des Bundesgesetzgebers; vgl. aber Art. 77 EGBGB) gestellt172, aber auch generell auf der Grundlage von satzungsrechtlichen Beschränkungen bejaht 173 . Dem satzungsmäßigen Ausschluß der Haftung im vertragsähnlichen Anstaltsund Benutzungsverhältnis bzw. der Beschränkung derselben sind Grenzen gesetzt. Die Rechtsprechung steht vor der Frage, nach welchen Maßstäben letztere ermittelt werden können und wo sie im Einzelfall zu ziehen sind. Als Maßstab für die Beurteilung der Zulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungsbeschränkungen in „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" werden insbesondere zivilrechtliche Grundsätze beispielsweise aus dem AGBG bemüht 174 ; daneben werden ebenfalls die guten Sitten (vgl. § 138 Abs. 1 BGB) 1 7 5 , das 171
So wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 37 ff. BGHZ 61, 7 (14 ff.); 62, 372 (376 f.); Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 76, 124, 335 f.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 219; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 415; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 963 ff; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 33; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1 ; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 96; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 10; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 393; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 360; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 825; ders., Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rn. 341; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 23; Rozek BayVBl 1989, 761 (762); Janson DÖV 1979, 696 (704); von Mutius JuS 1978, 181 (182 f.); Schwarze JuS 1974, 640 (642); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (225); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (397); Brehm DÖV 1974, 415 (415 f.); Rüfner DÖV 1973, 808 (809); Schneider NJW 1962, 705 (709 f.); eine formellgesetzliche Einschränkung für zulässig erachtend auch BVerfG NVwZ 1991, 661; NVwZ 1983, 89. 173 BayVerfGH DÖV 1970, 488; BayVGH VerwRspr 21, 911 (914 f.); NVwZ 1985, 844; OVG NW OVGE 18? 153 (161); Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1974, 517 (518); ders. DÖV 1973, 808 (810); Jaroschek JA 1996, 860 (864 f.); Reiter BayVBl 1990, 711 (712); wohl auch BGHZ 54, 299 (305); Waechter, Kommunalrecht, Rn. 570. 174 BGHZ 54, 299 (305); 61, 7 (17); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 2; BGHZ 66, 303 (314 f.); BGH VersR 1978, 38 (40 f.); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); vgl. auch Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 136; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 824; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 422 f.; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 71; von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329); Stober DÖV 1977, 398 (400 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (406, 409); ders. BayVBl 1974, 57 (61); Rüfner DÖV 1973, 808 (809). - Siehe den Fall des NdsOVG NdsVBl 1998, 117, in dem die Satzung lediglich die Bestimmung enthält, daß Allgemeine Entsorgungsbedingungen Einzelheiten über die Art des Anschlusses, die Benutzung, die Anschlußkanäle und die zu erhebenden Entgelte regeln. Die Allgemeinen Entsorgungsbedingungen könnten auch privatrechtlich gestaltet sein und unterlägen dann den Beschränkungen des AGBG. 175 OVG NW OVGE 18, 153 (162 f.); RGZ 62, 264 (266); vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 159; Janson DÖV 1979, 696 (702 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (402). 172
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Willkürverbot 176 , Zumutbarkeitskriterien 177 und das Übermaßverbot mit seinen Anforderungen an Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelungen bei Grundrechtseingriffen 178 angeführt. Die Argumentation anhand der Gesetzesbindungen der öffentlichen Verwaltung trägt vor, daß haftungsbeschränkende Vorschriften in einer Anstaltsund Benutzungssatzung sachlich durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sein müßten 179 , um nicht wegen Willkür dem Vorwurf eines Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 GG ausgesetzt zu sein oder gegen das Übermaßverbot zu verstoßen. Ein Grund für die Freizeichnung könne etwa darin liegen, daß sie die Erhebung niedrigerer Gebühren ermögliche, da in die Kostenkalkulation kein be-
176 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BayVGH VerwRspr 21, 911 (915); NVwZ 1985, 844; OVG NW OVGE 18, 153 (163); BGHZ 62, 372 (377 f.); vgl. auch Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 97; Kr eft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 25; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 432; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 359; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (406 ff, 411 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (59, 61 ff.). 177 OVG NW OVGE 18, 153 (163 f.); BGHZ 61, 7 (16); vgl. auch Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217 f. 178 BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Peine, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 334; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders, Kommunalrecht BW, Rn. 136, 300; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 14; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 359; Reiter BayVBl 1990, 711 (712 f.); von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329 f.); Ehlers DVB1 1986, 912 (921); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10 (13); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (382, 406 ff, 411 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (59, 61 ff.); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (222 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (810). 179 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BGHZ 62, 372 (377 f.); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 334; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217 f.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders., Kommunalrecht BW, Rn. 136, 300; BirkenfeldPfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 97; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 12; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 25; Larenz, Schuldrecht I, S. 419; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 393; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 432; Reiter BayVBl 1990, 711 (713); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10 (11); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (222 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (810); Götz JuS 1971,349 (352).
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
sonderer Risikozuschlag eingestellt werden müsse180. Dies entspricht einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im weiteren Sinne. Die satzungsmäßigen Haftungsbeschränkungen müssen geeignet, erforderlich und in Abwägung der öffentlichen Interessen mit den Interessen des Benutzers der öffentlichen Anstalt angemessen sein 181 . Deshalb wird angenommen, daß die Haftung im Anstaltsund Benutzungsverhältnis grundsätzlich nur bei unvermeidbaren Schäden, nicht aber bei schuldhaften Pflichtverletzungen beschränkt werden könne 182 . Vielfach wird konstatiert, daß aufgrund dieser einschränkenden Kriterien grundsätzlich eine enge Auslegung haftungsbeschränkender Satzungsbestimmungen gefordert sei 183 . Hierbei scheint die Rechtsprechung eine differenzierte Betrachtungsweise je nach Ausgestaltung des Anstalts- und Benutzungsverhältnisses vorzunehmen 184. Erfolgt die Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung beispielsweise freiwillig und ist der Bürger auf den Verwaltungsträger als Anbieter nicht angewiesen oder stehen Leistung und Gegenleistung sich nicht gleichwertig gegenüber, so werden Haftungsbeschränkungen offensichtlich eher als zulässig angesehen185, als wenn der Staat eine Monopolstellung innehat und zudem Benutzungszwang angeordnet ist. Letztere Rahmenbedingungen sollen Freizeichnungsklauseln zwar nicht generell unzulässig machen 186 , die Bedingungen scheinen jedoch verschärften Anforderungen zu unterliegen 187 . 180 BGHZ 61, 7 (16); BGH NJW 1978, 1430; vgl. auch Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Schneider NJW 1962, 705 (708). 181 Vgl. beispielsweise OVG NW OVGE 18, 153 (162). 182 BGHZ 54, 299 (305). 183 So BGHZ 54, 299 (305); 61, 7 (17); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 2; BGHZ 66, 303 (314 f.); BGH VersR 1978, 38 (40 f.); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 159; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 97; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 25; Sander BauR 1985, 167 (169). 184 So die Bewertung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 359; Reiter BayVBl 1990, 711 (713); Janson DÖV 1979, 696 (702 f.); Tiemann BayVBl 1974, 57 (59, 61 f.). 185 Vgl. BayObLG BayVBl 1989, 571 (572; Benutzung eines öffentlichen Kranwagens); Reiter BayVBl 1990, 711 (713); Tiemann BayVBl 1974, 57 (62). 186 OVG NW OVGE 18, 153 (162); BGHZ 61, 7 (16); Janson DÖV 1979, 696 (702); offen gelassen BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 3. 187 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); RGZ 62, 264 (266); Reiter BayVBl 1990, 711 (713); Janson DÖV 1979, 696 (702); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (407 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (61); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Rüfner DÖV 1973, 808 (810); Götz JuS 1971, 349 (352). - So hat es das OVG NW OVGE 18, 153 (162) als Voraussetzung angesehen, daß der potentiell Geschädigte vom Anschluß- und Benutzungszwang eine Befreiung erlangen kann; vgl. für die privatrechtliche Erfüllung öffentlicher Aufgaben auch OLG Hamburg BB 1954, 392; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 74.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
dd) Kaufvertragsrecht und andere Vertragstypen des BGB Schuldrecht Besonderer Teil In vielen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen liefert der Anstaltsträger knappe Güter. Ein Vergleich zum Kaufvertragsrecht (§§ 433 BGB) liegt nahe 188 . Bei privatvertraglicher Ausgestaltung - auf deren Möglichkeit die Rechtsprechung zur Begründung der Anwendbarkeit privatvertraglicher Vorschriften gerne verweist 189 - würde der Bezug etwa von Leitungswasser kaufvertraglich geregelt. Daher wurde von der Rechtsprechung vereinzelt geprüft, ob das spezielle kaufvertragliche Gewährleistungsrecht (§§ 459 ff. BGB) Rechtsregeln enthält, die auch in der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung Anwendung finden können 190 . Der VGH B W 1 9 1 hat dies für die Vorschriften der Minderung (§ 459 Abs. 1, §§ 462, 472 BGB) verneint. Das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis habe eine andersartige rechtliche Struktur und inhaltliche Ausgestaltung. In einer Entscheidung des BGH 1 9 2 wurde die Anwendbarkeit der Garantiehaftung wegen Zusicherung einer Eigenschaft (§ 459 Abs. 2, § 463 BGB) in öffentlichrechtlichen Benutzungsverhältnissen der Wasserversorgung zwar im konkreten Fall, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen193. Durch eine unterbliebene Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang werde noch keine Garantiehaftung nach §§ 463, 480 Abs. 2 BGB bei Lieferung verschmutzten Wassers ausgelöst 194 . Dies ergebe sich aus dem Gemeinwohlinteresse, die Gebühren möglichst niedrig halten zu können, was nur zu gewährleisten sei, wenn alle potentiellen Anschlußnehmer die städtische Wasserversorgung auch nutzten 195 . In einer Entscheidung des VGH B W 1 9 6 wird die Anwendbarkeit der mietvertraglichen Veijährungsvorschrift des § 558 BGB erwogen und abgelehnt. Die Besonderheiten des Mietrechts ließen sich „in keiner Weise" auf die Situation der Einleitung von Abwasser in ein Kanalisationssystem übertragen. In der 188
Stürner JuS 1973, 749 (751). BGH NJW 1977, 197 (198); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZRR 1994, 627; vgl. auch Salzwedel, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 41 Rn. 26; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 91. 190 VGH BW ESVGH 26, 155 (157 f.); BGHZ 59, 303 (306 ff.). - In der Literatur für eine grundsätzliche Anwendbarkeit Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (394); Janson DÖV 1979, 696 (698). 191 VGH BW ESVGH 26, 155 (157 f.); zustimmend Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 300. 192 BGHZ 59, 303 (306). 193 Zustimmend Stürner JuS 1973, 749 (752). 194 BGHZ 59, 303 (308). 195 BGHZ 59, 303 (307). 196 VGH BW NVwZ 1996,201. 189
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
Literatur wird auch die Vergleichbarkeit mit anderen Vertragstypen des Besonderen Schuldrechts des BGB geprüft und die Anwendbarkeit der betreffenden Vorschriften über den Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) oder den Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB) erwogen 197 .
2. Personenbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse Es besteht kein Konsens darüber, ob personenbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse überhaupt zu den sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" zu zählen sind. Die Literatur ist gespalten198, und in der Rechtsprechung wird die Haftung wegen Verletzung einer Fürsorgepflicht zumindest nicht explizit als Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" bezeichnet. Trotzdem erscheint es - nach den Kriterien der Rechtsprechungspraxis - indiziert, personenbezogene Verwaltungsrechtsverhältnisse der Gruppe der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" zuzurechnen. Auch hier geht es der Rechtsprechung darum, für Rechtsbeziehungen, die mit einem besonders engen Kontakt zwischen Staat und Bürger verbunden sind, über die Anwendung von Vertragshaftungsgrundsätzen des BGB 1 9 9 eine haftungsrechtliche Sonderbehandlung und damit einen „angemessenen Interessenausgleich" zu ermöglichen. a) Historische Entwicklung Die reichsgerichtlichen Entscheidungen zur Haftung wegen Fürsorgepflichtverletzungen des Dienstherrn betreffen nahezu ausnahmslos Beamtenverhältnisse 200 . Anfänglich fehlte eine spezialgesetzliche Regelung des Beamtenrechts, aber auch in den sukzessive ergangenen beamtenrechtlichen Kodifikationen finden sich bis heute keine Vorschriften über den Schadensausgleich im Verhältnis des Dienstherrn zum dienstverpflichteten Beamten. Deshalb waren und sind die Gerichte gezwungen, auf allgemeine staatshaftungsrechtliche Institute zurückzugreifen. Bereits 1886 hatte sich das Reichsgericht 201 mit einem Fall auseinanderzuset197
Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39; hierzu siehe unten S. 338 f. Dafür Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347 ff.; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139 f.; kritisch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 4; a. A. Bull , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 728 f. u. 731. 199 Zur Motivation für die Begründung einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" siehe unten S. 148 ff. u. 216 ff. 200 RGZ 18, 173 (174); 19, 348; 63, 430; 71, 243; RG Warn 8 (1915), 105; RGZ 91, 21; 92, 178; 111,22; 111, 178; 146, 369; 155, 227; 157, 145; 158, 235.-Eine Ausnahme bildet lediglich die Entscheidung RGZ 78, 325 zur Haftung einer Haftanstalt gegenüber einem Strafgefangenen. 201 RGZ 18, 173. 198
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
zen, in dem ein „auf dem Bahnhofe zu Hanau stationiert gewesener Königlich preußischer Eisenbahnbeamter" auf einer schadhaften Treppe, welche die Bahnbehörde trotz Kenntnis des Schadens mehrere Tage unrepariert gelassen hatte, einen Dienstunfall erlitt. Von dieser ersten Entscheidung an bestand Einigkeit darüber, daß es sich beim Beamtenverhältnis weder um einen privatrechtlichen Arbeitsvertrag 202 noch um ein sonstiges öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis 203 handele, das Reichsgericht konstatierte aber Rechtswirkungen wie beim privatrechtlichen Vertrag 204 . Bevor die Gerichte auf die Suche nach einer Anspruchsgrundlage gehen konnten 205 , stellte sich ihnen die Frage nach der Ableitung der Fürsorgepflicht. Die Haftung für eine Verletzung der Fürsorgepflicht wurde zunächst auf eine analoge Anwendung der für den privatrechtlichen Dienstvertrag geltenden Regelung des § 618 BGB gestützt206 und damit sowohl die Fürsorgepflicht im BGB begründet, als auch deren Verletzung über die Heranziehung von privatem Dienstvertragsrecht sanktioniert. Schon bald setzte sich allerdings die Erkenntnis durch, daß „alle dem Beamtenverhältnis als einer öffentlichrechtlichen Einrichtung entspringenden Ansprüche und gerade auch die aus der Verletzung von Schutzpflichten erwachsenden Schadensersatzansprüche dem öffentlichen Rechte angehören." 207 Auf § 618 BGB könne daher nur zurückgegriffen werden, als die dort zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken auch im Öffentlichen Recht insoweit Geltung beanspruchten, wie es der besonderen Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses entspräche 208. Ein solcher allgemeingültiger Rechtsgedanke wurde bejaht. Deshalb sollte nach Auffassung des Reichsgerichts die Verabschiedung des Deutschen Beamtengesetzes vom 26.1.1937209 an dieser Rechtslage nichts geändert haben. § 36 DBG habe das Gebot der beamtenrechtlichen Fürsorge lediglich ausdrücklich bestätigt210. Der BGH und die Verwaltungsgerichte wenden sich ohne nähere Auseinandersetzung mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung von dem Rückgriff auf Vorschriften des privaten Rechts zum Dienstvertrag ab und greifen zur Begründung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht direkt und ausschließlich auf die einschlägigen beamtenrechtlichen Vorschriften zu 211 . 202
RGZ 18,173 (174); 19,348 (349,352); 63,430 (431); 71,243 (247); 92,178 (179). RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91, 21 (22). 204 RGZ 18,173 (174); 19,348 (352); 78,325 (327 f.); 91,21 (22,24 f.); 111,22 (23). 205 Hierzu siehe unten S. 98 ff. 206 RGZ 71, 243 (246 f.); RG Warn 8 (1915), 105 (106); vgl. hierzu Schach, in: FS Laun, S. 275 (285 f.). 207 RGZ 92, 178(179). 208 RGZ 91, 21 (24); 92, 178 (179 f.); 97, 43 (44); 104, 58 (60); 111, 22; 111, 178 (182); 155, 227 (232); 157, 145 (149); 158, 235 (236). 209 RGBl IS. 39 ff. 210 RGZ 157, 145 (149). 211 § 36 DBG: BVerwGE 13, 17 (21) = NJW 1961, 2364 (2365 f.); OVG Hamburg DVB1 1960, 745 (746); Hess VGH DVB1 1960, 328 (329); OVG NW ZBR 1986, 276; 203
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
Nach der allgemeinen Anerkennung einer Fürsogepflicht des Dienstherrn mußte eine Rechtsgrundlage für den Anspruch gefunden werden. Hierbei war das Verhältnis zur Amtshaftung nach § 839 BGB (i. V. m. Art. 34 S. 1 GG) zu klären. Das Reichsgericht ging davon aus, daß der Amtshaftungsanspruch mit dem Schadenersatzanspruch aus Fürsorgepflichtverletzung konkurriere 212. Der BGH hat sich zunächst zur Frage der Konkurrenzen nicht geäußert, den Anspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht aber anerkannt, ohne das Vorliegen der Voraussetzungen des Amtshaftungstatbestands zu thematisieren 213. Diese Rechtsprechung hat er jedoch zwischenzeitlich aufgegeben 214 und sich auf den Standpunkt zurückgezogen, die Fürsorgepflicht würde sich zwar aus § 36 DBG ergeben, diese Vorschrift gewähre aber keinen Schadenersatzanspruch. Sei die Fürsorgepflicht verletzt, so liege „darin in der Regel zugleich die Verletzung einer dem Dienstherrn seinem Beamten gegenüber obliegende Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB" 2 1 5 . Der Anspruch aus Fürsorgepflichtverletzung könne nur aus § 839 BGB hergeleitet werden. Diese Auffassung stieß in der Literatur 2 1 6 und in den in der unmittelbaren Folgezeit ergehenden ersten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht 217 auf heftige Kritik. Von dieser hat sich der BGH, wie er ausdrücklich einräumt, überzeugen lassen und seine Rechtsprechung aufgegeben 218. Die Fürsorge ist seitdem unbestritten Amtspflicht des Verpflichteten. Den (beamtenrechtlichen) Ansprüchen wegen Fürsorgepflichtverletzung soll aber ihre Eigenständigkeit erhalten bleiben 219 , AllBGHZ 7, 69 (72); 14, 122 (130); 21, 214 (219); 29, 310 (313); § 79 BBG: BVerwGE 15, 3 (7) = NJW 1963, 123; BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; NWVB1 1997, 295 (296); OVG Hamburg DVB1 1960, 745 (746); HessVGH RiA 1967, 36; ZBR 1974, 261; OVG Lüneburg OVGE 29, 479; § 98 LBG BW: BVerwG Buchholz 237.0 § 98 LBG BW Nr. 1; § 42 Abs. 1 LBG Berlin: BVerwG DÖV 1994, 171; § 27 HessBG: BVerwGE 25, 138 (141) = ZBR 1967, 151; § 92 HessBG: BVerwG ZBR 1979, 335 (336); § 79 NdsLBG: OVG Lüneburg ZBR 1972, 84; § 85 LBG NW: BVerwG NJW 1996, 210; § 90 LBG NW: BVerwGE 28, 155 (157) = DVB1 1968, 641; § 87 LBG RP: OVG RP NVwZ 1989, 181; £ 05 Abs. 1 LBG SH: BVerwG NVwZ 1986, 481. 212 RGZ 63, 430 (432); 100, 188 (189); 111, 178 (182); 146, 369 (373 ff.); 158, 235 (236 f.). 213 Vgl. BGHZ 7, 69; 14, 122. 214 BGHZ 29, 310. 215 BGHZ 29, 310 (313). 216 Schach ZBR 1961, 132; Weimar RiA 1960, 311 (312); Pentz NJW 1960, 85; Krause ZBR 1960, 65; Idei Ζ BR 1959, 223 f.; ders. NJW 1955, 1300. 217 BVerwGE 13, 17 (20 ff.) = NJW 1961, 2364 (2365 f.); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (329). 218 BGHZ 43, 178(184). 219 BGH NVwZ 1985, 936 (937); Schach ZBR 1961, 132; Pentz NJW 1960, 85; /del Ζ BR 1959, 223 (224); ders. NJW 1955, 1300 (1301).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
gemein wird angenommen, sie stünden in Idealkonkurrenz zur Amtshaftung 220 . Nur vereinzelt wurde der Anspruch aus Fürsorgepflichtverletzung wegen seiner für den Haftungsgläubiger vermeintlich günstigeren Voraussetzungen als der umfassendere angesehen und daraus gefolgert, der Amtshaftungsanspruch sei subsidiär und auf Fälle wie die Beanspruchung von Schmerzensgeld (§ 847 BGB) beschränkt 221. Ansonsten hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung in der Folgezeit die Existenz des Haftungsinstituts der Verletzung der Fürsorgepflicht nicht mehr in Frage gestellt, aber deren Anwendungsbereich eingeengt. So soll die Haftung des Dienstherrn wegen Nichtbeforderung nach geänderter Rechtsprechung nicht mehr über das Rechtsinstitut der Mißachtung von Fürsorgepflichten gefaßt sein. Bereits das Reichsgericht 222 war dieser Auffassung und begründete dies damit, daß die Beförderung die Erlangung einer besseren Dienststellung diene, die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht aber nur das bestehende Dienstverhältnis beträfe. Die Verwaltungsgerichte 223 hatten zwischenzeitlich Schadenersatzansprüche wegen unterbliebener Beförderung doch den Ansprüchen aus Verletzung der Fürsorgepflicht zugerechnet, da die Nichtbeforderung zumindest auf einer Fürsorgepflichtverletzung beruhen könne. Mittlerweile hat das BVerwG 224 jedoch klargestellt, daß die schadenersatzrechtliche Sanktionierung durch die Amtshaftung aus 220
Vgl. BVerwGE 13, 17 (18 f.) = NJW 1961, 2364 (2365); E 28, 155 (166) = DVB1 1968, 641 (644); OVG Hamburg DVB1 1960, 745 (746 f.); HessVGH RiA 1967, 36 (37); ZBR 1968, 412 (413); OVG RP NJW 1977, 72; BGH NVwZ 1985, 936; BAGE 6, 300 (302 ff.); vgl. auch Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 58; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 26; Battis BBG, § 23 Rn. 28; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 267; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil F Rn. 73; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 418; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 790, 809; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 303; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 81; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Wolf JA 1989, 468; Günther NVwZ 1989, 837 (838); Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Schack ZBR 1961, 132(133). 221 HessVGH DVB1 1960, 328 (329); Idei NJW 1955, 1300 (1302) halten den Amtshaftungsanspruch daher für subsidiär und auf Fälle wie Beanspruchung von Schmerzensgeld (§ 847 BGB) beschränkt. 222 RGZ 146, 369 (373 f.). 223 BVerwGE 15, 3 (10) = NJW 1963, 123 (124); BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78 S. 2; VGH BW DVB1 1965, 333; BayVGH BayVBl 1961, 90 (92); OVG Hamburg DVB1 1960, 745 (746 f.); HessVGH DVB1 1960, 328 (330); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17; OVGE 29,479 (481); OVG NW ZBR 1986, 276. 224 BVerwGE 80, 123 (125) = NJW 1989, 538; BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; NJW 1998, 3288 (LS 1); NVwZ 1999, 424; ähnlich bereits, aber i. E. offen lassend VGH BW BWVP 1995, 257 f.; vgl. bereits BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); dies übernehmend Czybulka/Biermann JuS 1998, 601 (606). BVerwG NJW 1997, 1321 (1322) spricht bei der Haftung wegen Nichtbeforderung von einem „quasi-vertraglichen Schadenersatzanspruch des Beamten gegen den Dienstherr wegen Verletzung der diesem aus dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten".
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher S c h u l d v e r h ä l t n i s s e " 1
§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG ausschließlich mit einer Verletzung der speziellen beamtenrechtlichen Auslesekriterien (vgl. Art. 33 Abs. 2 GG, § 23 i. V. m. § 8 Abs. 1 S. 2 BBG) zu begründen sei. Dies rechtfertige sich dadurch, daß die schuldhafte Verletzung der genannten Eignungskriterien einer Verletzung der Fürsorgepflicht gleichkomme 225 .
b) Anwendungsfälle Die weitaus größte Praxisrelevanz genießt der Anspruch aus Verletzung einer Fürsorgepflicht in Beamtenverhältnissen 226. Da Soldaten als Beamte bereits von diesem Kreis erfaßt werden 227 , fiel es dem BVerwG leicht, den Anspruch auf das Verhältnis der Wehrbehörden zu den Wehrpflichtigen auszudehnen228. Ein Anspruch eines Zivildienstleistenden gegen das Bundesamt für Zivildienst war von den Gerichten zwar noch nie zu entscheiden, er wird jedoch bei der Rückgriffshaftung gegen die beliehene Zivildienststelle vorausgesetzt 229. Nicht anerkannt wurde die Anwendbarkeit der vertraglichen Haftungsgrundsätze im Strafgefangenenverhältnis 230. Das Reichsgericht 231 hatte dies noch differenziert gesehen, im konkreten Fall einer ärztlichen Fehlbehandlung aber verneint. Es war davon ausgegangen, daß die der Vertragshaftung des BGB angelehnte Haftung aus Fürsorgepflichtverletzung nur greifen könne, wenn „gelegentlich der Ausübung der öffentlichen Gewalt des Staates ein privatrechtliches Verhältnis" entstünde232. Zwar sollte ein privatrechtliches Verhältnis in bezug 225
BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; wohl auch BVerwG NJW 1997, 1321 (1322); NJW 1998, 3288 (LS 1). 226 BVerfG NVwZ 1990, 853; BVerwG ZBR 1960, 92; BVerwGE 14, 222 = ZBR 1963, 50; E 20, 199 = NJW 1965, 929; E 25, 138 = ZBR 1967, 151; E 24, 186 = NJW 1967, 511; BVerwG RiA 1968, 236; ZBR 1979, 335; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; BVerwGE 53, 12; BVerwG Buchholz 237.0 § 98 LBG BW Nr. 1; BVerwGE 80, 123 = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1992, 928; DÖV 1994, 171; NJW 1995, 271; BayVBl 1995, 733; BayVBl 1996, 210; NJW 1997, 1321; NWVB1 1997, 295; BayVBl 1997, 696; Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; VGH BW DVB1 1965, 333; ZBR 1975, 316; ZBR 1986, 21; BayVGH BayVBl 1961, 90; OVG Bremen, Urt. v. 12.5.1981 - 2 BA 80/80 (n. v.); OVG Hamburg DVB1 1960, 745; HessVGH DVB1 1960, 328; ZBR 1974, 261; NVwZ-RR 1997, 427; OVG Lüneburg ZBR 1972, 84; ZBR 1974, 17; OVGE 29, 479; OVG NW ZBR 1986, 276; OVG RP NJW 1977, 72; RGZ 18, 173; 19, 348; 63, 430; 71, 243; RG Warn 8 (1915), 105; RGZ 91, 21; 111,22; 111, 178; 146, 369; 155, 227; 157, 145; 158, 235; BGHZ 7, 69; 14, 122; BGH NVwZ 1985, 936; vgl. auch EuG Slg. II 1993, 1465 - Tz. 77 f. 227 BVerwG NJW 1985, 2602; BayVBl 1995, 733; BayVBl 1997, 696. 228 BVerwGE 52, 247 = NJW 1978, 717; BVerwG NVwZ 1986, 481. 229 BGH NVwZ 1990, 1103; NJW 1998, 298. 230 RGZ 78, 325; BGHZ 21, 214. 231 RGZ 78, 325 (327 f.). 232 RGZ 78, 325 (327).
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
auf die Arbeitstätigkeit der Gefangenen anzunehmen sein, wenn die Strafanstalt die Gefangenen zur Beschäftigung in gewerblichen Unternehmen der Privatwirtschaft einsetze. Jedoch bei ärztlicher Behandlung sollte der Staat dem Strafgefangenen ausschließlich in der Strafvollstreckung und damit nur als öffentliche Gewalt gegenübertreten 233. Der BGH 2 3 4 ging auf solche Differenzierungen nicht mehr ein und zog bei einem ähnlich gelagerten Fall mangelhafter ärztlicher Betreuung eines Strafgefangenen die Parallele zum Institut der Verletzung einer Fürsorgepflicht im Beamtenverhältnis, um eine Pflicht des Staates zur Fürsorge bejahen zu können 235 . Das staatliche Handeln sei jedoch nicht wie in Beamtenverhältnissen - Ausfluß einer wechselseitigen Treueverpflichtung, sondern habe seinen Grund und Zweck ausschließlich in dem Schutz der Allgemeinheit vor dem Rechtsbrecher sowie dem Gedanken der Sühne und Besserung. Es diene daher nicht (in erster Linie) der Fürsorge des Strafgefangenen. Die Pflicht hierzu ergebe sich für die Strafanstalt für die Dauer der Haft nur als Nebenpflicht, und deshalb komme nur ein Anspruch aus Amtspflichtverletzung in Betracht. Die Notwendigkeit, eine Gesetzeslücke ausfüllen zu müssen, falle bei der strafweisen Freiheitsentziehung weg 236 . Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung war auch die Verletzung von Fürsorgepflichten einer Schule gegenüber einem Schüler 237. Während im Verhältnis der Schule bzw. des staatlichen Schulamts gegenüber dem Schüler bislang nur - ohne Erwähnung etwaiger Fürsorgepflichten - die Verletzung von Amtspflichten geprüft wurden 238 , wurde die Möglichkeit einer Verletzung von Fürsorgepflichten im Verhältnis des kommunalen Schulträgers zum Schüler anerkannt. Diese sei - zumindest wenn die Haftung des Staates als Schadenersatzschuldner in Frage steht - jedoch ausschließlich über die Amtshaftung sanktioniert 239. Trotz Vorhandenseins einer Fürsorgepflicht liege kein Rechtsverhältnis vor, auf das die Regeln des vertraglichen Schuldrechts Anwendung finden könnten 240 . Die Fürsorge sei nur Nebenpflicht, Hauptaufgabe sei die Erziehung und Unterrichtung der der Schule anvertrauten jungen Menschen. Deshalb fehle es an der Lücke im Staatshaftungsrecht, das Bedürfnis einer vertraglichen Haftung liege nicht vor 2 4 1 . Diese Anlehnung an die Argumentation 233
RGZ 78, 235 (238). BGHZ 21 214 (218 ff.). 235 BGHZ 21, 214 (220). 236 BGHZ 21, 214 (220 f.). 237 BGH VersR 1957, 201 (202); VersR 1962, 825 (826); NJW 1963, 1828; OLG Hamm NJW 1997, 1512. 238 Vgl. beispielweise BGH NJW 1982, 37; OLG Hamm NJW 1997, 1512. 239 BGH VersR 1957, 201; VersR 1962, 825 (826); NJW 1963, 1828; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 240 BGH NJW 1963, 1826; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 241 BGH NJW 1963, 1826 (1827). 234
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
der lange Zeit richtungsweisenden Entscheidung zum Strafgefangenenverhältnis 2 4 2 scheint derselbe III. Zivilsenat des BGH 2 4 3 in einer in der gleichen Zeit gefällten Entscheidung völlig aus dem Blick verloren zu haben, wenn er in umgekehrter Konstellation bei der bejahten Frage, ob dem Schüler ein Verschulden der Eltern bei der Entstehung des Schadens über § 278 BGB mitanzurechnen sei, dem Verhältnis des Schülers zum Schulträger plötzlich wie selbstverständlich schuldrechtlichen oder schuldrechtsähnlichen Charakter attestiert und dabei auf eine - in Wirklichkeit nicht einschlägige - ständige Rechtsprechung verweist 244 . Im Widerspruch zur Anwendbarkeit des Haftungsinstituts der Fürsorgepflichtverletzung negierenden Auffassung des BGH steht auch eine jüngere Entscheidung des BayVGH 2 4 5 . In dieser wurde das Verhältnis des Schulträgers zum Lehrer als eine „der Fürsorgepflicht des Dienstherrn angenäherte vertragsähnliche Beziehung" angesehen, auf welches die Anwendung vertraglicher Haftungsregeln des BGB ,»nicht ausgeschlossen" sein solle. Auch staatlichen Prüfungsbehörden obliegen Fürsorgepflichten gegenüber ihren Prüflingen 246 . Eine Haftung aus Fürsorgepflichtverletzung in diesem Verhältnis wird allerdings ebenfalls nicht für einschlägig befunden, da sich die hoheitliche Prüfungstätigkeit öffentlich-rechtlicher Ausbildungsstätten als eine seit jeher nur dem Staat vorbehaltene, besondere Tätigkeit darstelle, hinsichtlich derer es nicht unangemessen erschiene, den Betroffenen auf die spezielle Haftungsregelung des § 839 BGB zu verweisen 247.
c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik und inhaltliche Begründung Zur Heranziehung zivilrechtlicher Haftungsinstitute und -Vorschriften in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen werden - ohne die Methodenfrage zu problematisieren - sowohl Analogien 248 , in der Mehrzahl aber (allgemeine) Rechtsgrundsätze bzw. Rechtsgedanken herangezogen 249. 242 243 244 245 246
(n. v.). 247
BGHZ 21,214; siehe oben voriger Absatz. BGH NJW 1964, 1670. BGH NJW 1964, 1670 ( 1671 ). BayVGH Der Landkreis 1998, 750. BVerwG NJW 1996, 2670; OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95
OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). BVerwGE 25, 138 (143) = ZBR 1967, 151 (152); RGZ 18, 173 (174); 19, 348; 63, 430 (432); 71, 243 (247); 91, 21 (23); vgl. auch Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 174 f. 249 BVerwGE 13, 17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366); OVG Lüneburg ZBR 1982, 91; RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91, 21 (22); 92, 178 (179 f.); 97, 43 (44); 104, 248
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Inhaltlich rechtfertigen soll sich die Anwendbarkeit von zivilrechtlichem Vertragshaftungsrecht mit der Vergleichbarkeit der Beamtenverhältnisse und anderer personenbezogener Verwaltungsrechtsverhältnisse mit privatvertraglichen Arbeitsverhältnissen 250. Beim Beamtenverhältnis wurde sehr früh erkannt, daß es sich um kein Vertragsverhältnis handelt 251 . Die Rechtsprechung hielt es daher für ein vertragsähnliches Rechtsverhältnis 252 oder attestierte Rechtswirkungen wie bei privatrechtlichen Verträgen 253 . Es wurde auch von einer im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wurzelnden quasivertraglichen Verbindlichkeit 254 oder von einer quasivertraglichen Schadenersatzhaftung gesprochen 255 . Eine analysierende und vergleichende Gegenüberstellung der vergleichbaren bzw. differierenden Elemente von Beamtenverhältnissen mit denen aus vertraglichen Arbeitsverhältnissen in der Privatwütschaft findet sich in den Gerichtsentscheidungen nicht. Die Gerichte beschränken sich meist auf Behauptungen und Feststellungen, ohne diese zu begründen. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Dienstherr gegenüber seinen Beamten nicht nach vertraglichen Grundsätzen haften solle 256 . Auch in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen - wie in den Anstalts- und Benutzungsverhältnissen - begnügt sich die Rechtsprechung mit dem Verweis auf die besonders enge Verbindung zum Staat257 sowie dem Hinweis darauf, daß den Dienstherrn wie bei anderen Dauerrechtsverhältnissen gesteigerte Nebenpflichten träfen 258 . Ein Beamter unterliege in einem viel weiteren Umfang Pflichten und Beschränkungen, die bis weit in den Grundrechtsbereich wirken könnten, und verdiene daher auch gesteigerten Schutz, wie ihn die vertragliche Haftung gewähre 259 . Außerdem sei die Heranziehung privatrechtli58 (60); 107, 189 (190); 111, 22; 111, 178 (182); 155, 227 (232); 158, 235 (236); BGHZ 43, 178 (184); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 109 Rn. 14; Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 170a; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 424. 250 BVerwGE 13, 17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366); E 25, 138 (146 ) = ZBR 1967, 151 (153); E 80, 123 (125) = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1992, 927 (928); NJW 1997, 1321 (1322); RGZ 18, 173 (174); 19, 348 (352); 78, 325 (327); RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91, 21 (22); 111,22 (23). 251 RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91, 21 (22). 252 RG Warn 8 (1915), 105 (106 f.); Battis ZBR 1971, 300 (302); Schack ZBR 1961, 132 (133); dies bestreitend Günther NVwZ 1989, 837 (838). 253 RGZ 18, 173 (174); 19 348 (352); 78 325 (327); 91, 21 (22, 24 f.); 111, 22 (23). 254 BVerwGE 25, 138 (146 ) = ZBR 1967, 151 (153); E 80, 123 (125) = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1992, 927 (928); vgl. auch Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 636. 255 BVerwG NJW 1997, 1321 (1322). 256 BVerwGE 13, 17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366). 257 BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366); vgl. auch Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 3 Rn. 15. 258 VGH BW ZBR 1986, 21; vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347. 259 BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366).
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
eher Haftungsgrundsätze bei Fürsorgepflichtverletzungen in Beamtenverhältnissen schon deshalb geboten, weil andernfalls die Beamten im Vergleich zu den sonstigen Bediensteten des öffentlichen Dienstes, die unmittelbar über § 618 Abs. 3 BGB geschützt seien, ungerechtfertigt benachteiligt wären, wenn sie nicht ebenso unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis Schadenersatzansprüche ableiten könnten 260 . Eine haftungsrechtliche Ungleichbehandlung würde „eine unerträgliche Verschiedenheit in der Gestaltung verwandter Rechtsbeziehungen auf dem Gebiete des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtes" darstellen 261. Wehr- bzw. Zivildienstleistende stehen wie Beamte in einem Beschäftigungsverhältnis beim Staat, kraft dessen die Vorgesetzten bzw. die Beschäftigungsstellen gegenüber den bei ihnen dienenden Wehrpflichtigen bzw. beschäftigten Zivildienstleistenden zur Fürsorge verpflichtet sind 262 . Die Pflicht zur Fürsorge scheint nach der Rechtsprechung Grund genug, eine haftungsrechtliche Gleichbehandlung mit dem Beamtenverhältnis vorzunehmen. Weshalb im Wehrdienst- bzw. im Zivildienstverhältnis privatvertragliche Haftungsgrundsätze gelten sollen, wird nicht dargelegt.
bb) A nspruchsgrundlagen (1) „Allgemeine" Fürsorgepflichtverletzungen Das Beamtenrecht wurde früh als lückenhaft angesehen263. Die Suche nach einer Anspruchsgrundlage und ihrer speziellen Voraussetzungen für Ansprüche aus Fürsorgepflichtverletzung setzte ein und bereitete der Rechtsprechung im Laufe der Jahre ersichtlich Schwierigkeiten. In den Gerichtsentscheidungen, die sich überhaupt um das Auffinden einer Anspruchsgrundlage bemühen, werden ursprünglich verschiedene Vorschriften des BGB und darin vermeintlich enthaltene Rechtsgrundsätze bemüht. Vor der Verankerung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in den Beamtengesetzen rekurrierte das Reichsgericht zur Ableitung der Haftung zuerst auf das Preußische Allgemeine Landrecht 264 , später auf die Heranziehung der dienstvertraglichen Vorschrift des § 618 Abs. 3 i. V. m. §§ 842 bis 846 BGB 2 6 5 oder der mietvertraglichen Haftungsnorm des § 538 BGB 2 6 6 . In der Folgezeit griffen die Gerichte zur Begründung des Anspruchs 260
BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366). RGZ 91, 21 (24). 262 BVerwGE 52, 247 (249) = NJW 1978, 717; BVerwG NVwZ 1986, 481; BGH NVwZ 1990, 1103; NVwZ 1998, 298. 263 RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 97, 43 (44); 107, 189 (190); 111, 22 (23); 111, 178 (182). 264 RGZ 19, 348 (349 f.). 265 RG Warn 8 (1915), 105 (107); RGZ 111, 22 (23). 266 RGZ 91, 21 (24). 261
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
direkt auf die Regelungen zurück, in denen die Fürsorgepflicht normiert war. Ursprünglich sollte eine analoge Anwendung des § 618 Abs. 1 BGB 2 6 7 bzw. der §§ 618, 278, 276 BGB 2 6 8 unmittelbar zur Haftung fuhren. Nach der positivrechtlichen Fixierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in den spezialgesetzlichen Vorschriften des Beamtenrechts ist die Rechtsprechung nach und nach dazu übergegangen, den Schadenersatzanspruch aus Fürsorgepflichtverletzung im Beamtenverhältnis direkt aus dieser 269 bzw. allgemein aus den beamtenrechtlichen Vorschriften, in denen dieselbe normiert ist 270 , herauszulesen. Da die beamtenrechtlichen Regelungen zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn jedoch keinerlei Aussagen über Schadenersatzpflichten und etwaige Haftungsmodalitäten enthalten (vgl. etwa § 36 DBG, § 79 BBG, § 48 BRRG), stellte das BVerwG 2 7 1 fest, daß der Primäranspruch auf Fürsorge die Anspruchsgrundlage, welche das Sekundärschuldverhältnis begründe, nicht ersetzen könne. Den Rückgriff auf „z. B. §§ 275, 276, 285, 286, 323 ff. BGB" begründete es damit, daß kein Grund bestünde, „diese allgemeinen, in den eben angeführten Vorschriften des bürgerlichen Rechts zum Ausdruck gelangten Rechtsgrundsätze im öffentlichen Recht, insbesondere im öffentlichen Dienstrecht, nicht anzuwenden." 272 Kurze Zeit darauf löste sich ein anderer Senat des BVerwG 2 7 3 gänzlich von der Anknüpfung an positivgesetzliche Regelungen und konstatierte, daß „nach allgemeinen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung jede rechtswidrige und schuldhafte Vereitelung eines - sei es im bürgerlichen, sei es im öff. Recht begründeten - Erfüllungsanspruchs unabhängig von einem auf Grund desselben Sachverhalts etwa bestehenden Anspruchs aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz" verpflichte. Dabei sind die Gerichte bis heute geblieben. Spätere Entscheidungen beschränken sich jedoch meist darauf festzustellen, daß der gegenüber dem Staat besonders Verpflichtete bei Verletzung einer ihm gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht Ansprüche auf Schadenersatz 267
RGZ 63, 430 (432 f.); 71, 243 (245 f.). BGHZ 21, 214 (216); 43, 178(184). 269 Etwa BVerwGE 20, 199 (201) = NJW 1965, 929; BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78 S. 2; VGH BW ZBR 1986, 21; NVwZ-RR 1997, 426 (427); HessVGH ZBR 1968, 412 (413); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (19); OVGE 29, 479 (481); RGZ 92, 178 (180); vgl. auch Minz/Conze, Öffentliches Dienst, Rn. 170a. 270 Etwa BVerwGE 28, 155 (162) = DVB1 1968, 641 (643); DÖV 1994, 171; BayVGH BayVBl 1961, 90 (90 f.); HessVGH RiA 1967, 36; OVG NW ZBR 1986, 276; BGHZ 7, 69 (72); 14, 122 (126); vgl. auch Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 56; Maurer JuS 1994, 1015 (1017); Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Günther NVwZ 1989, 837 (839); Idei ZBR 1959, 223 (224). 271 BVerwGE (II. Senat) 13, 17 (21 f.) = NJW 1961, 2364 (2365 f.). 272 BVerwG 13,17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366); vgl. auch OVG Lüneburg ZBR 1982,91. 273 BVerwG (VI. Senat) DVB1 1963, 677 (678); vgl. auch HessVGH ZBR 1974, 261 ; Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 170a. 268
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
habe 274 ohne die in „allgemeinen Grundsätzen" begründete Anspruchsgrundlage zu benennen.
(2) Verzug und Verzugszinsen, §§ 284 f f , § 288 Abs. 1 BGB u. a. Im Öffentlichen Recht wird die Anwendbarkeit der Verzugsregelungen der §§ 284 ff. BGB weitestgehend abgelehnt275. Nur einen Teilaspekt betrifft bei dieser Diskussion die Frage, ob die Heranziehung der Vorschrift des Allgemeinen Schuldrechts des BGB über Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) möglich ist. In personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen (oder anderen Konstellationen sog. „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse") war die Frage nach einer Verzugshaftung nur selten Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung 276. Im Rahmen der Haftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht verneint das BVerwG 2 7 7 die Möglichkeit zur Heranziehung des § 288 Abs. 1 BGB explicit. Es gebe keine das Öffentliche Recht bzw. das Beamtenrecht beherrschenden Grundsatz, wonach öffentlich-rechtliche Geldforderungen bei „Verzug" zu verzinsen seien. Der BGH 2 7 8 führt hierzu in anderem Zusammenhang aus, daß es für öffentlich-rechtliche Zusammenhänge eines Rechtsgrundsatzes bedürfe, der in § 288 Abs. 1 BGB seinen positivrechtlichen Niederschlag gefunden habe und auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts zur Anwendung gelangen könne. Ein solcher könne § 288 Abs. 1 BGB nicht entnommen werden. Die Verzinslichkeit öffentlich-rechtlicher Forderungen ergebe sich für einzelne Sachgebiete deshalb nur aufgrund ausdrücklicher öffentlichrechtlicher bzw. verwaltungsvertraglicher Regelungen279. Bei schuldhaft ver274 BVerwG ZBR 1967, 151 (152); NJW 1978, 717; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; DÖV 1994, 171; NJW 1995, 271; VGH BW DVB1 1965, 333 (334); BWVP 1995, 257; HessVGH RiA 1967, 36; ZBR 1968, 412 (413); ZBR 1974, 261; OVG Lüneburg ZBR 1972, 84 (85); ZBR 1974, 17; OVGE 29, 479 (481); OVG NW NWVB1 1997, 142; OVG RP NJW 1977, 72 (73); BGHZ 43, 178 (184); BGH NVwZ 1985, 936; Ausnahmen bilden die oben (Fn. 273) genannte Entscheidungen des OVG Lüneburg ZBR 1982, 91 (Rückgriff auf §§ 275, 276, 285, 286, 323 ff. BGB) und des OVG NW ZBR 1986, 276 (unmittelbar aus § 79 S. 1 BBG). 275 BVerwG NJW 1973, 1854; BauR 1979, 500 (501); BGH NJW 1982, 1277; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; a. A. BVerwGE 98, 18 (30 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1101); Fischer NJW 1969, 1883; auch, jedoch mit sehr begrenztem Anwendungsbereich Götz DVB1 1961, 433 (438). Ausführlicher hierzu siehe unten S. 306 ff. 276 Soweit ersichtlich nur BVerwGE 14, 222 = NJW 1962, 1882; E 24, 186 = NJW 1967,511. 277 BVerwGE 24, 186 (191) = NJW 1967, 511; skeptisch auch Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 814. 278 BGH DVB1 1962,334. 279 VGH BW NJW 1978, 2050 (2050); BGH DVBl 1962, 334; vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 41; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; Siebelt/Schröder BayVBl 1996, 558. 7 Meysen
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
späteter Leistungserbringung hat die Rechtsprechung indes stets einen Amtshaftungsanspruch anerkannt 280. Es bleibt somit nach der Rechtsprechung für die „einfache Zuspätleistung" nur bei der herkömmlichen Amtspflichtverletzung 281 .
cc) Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) Als Besonderheit, welche den Anspruch aus Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Amtshaftungsanspruch abhebt, wird in den Gerichtsentscheidungen am häufigsten die Anwendbarkeit der Haftungsüberleitungsvorschrift des § 278 BGB genannt 282 . Allerdings wird die Einschaltung eines Dritten zum Zweck der Erfüllung von Fürsorgepflichten unterschieden von der Verpflichtung des fürsorgeberechtigten Beamten, Leistungen eines Dritten entgegenzunehmen 283 . Bei letzterer verbliebe es letztlich bei der Fürsorgepflicht, die den Dienstherrn verpflichte, zu überwachen, ob die vom Dritten angebotene Leistung tauglich sei. Der Fürsorgeberechtigte sei vor schädigenden Folgen zu schützen. Es werden daher die Vorschriften über den Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff. BGB) bemüht 284 . In Zeiten als die Fürsorgepflicht noch nicht selbstverständlich auf dem Fürsorgeberechtigten nahestehende Personen, insbesondere die Familie ausgedehnt wurde, stellte sich der Rechtsprechung die Frage, ob die Grundsätze über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter im personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnis herangezogen werden können 285 . Dies hat sich mittlerweile erübrigt. Für anwendbar gehalten werden in entsprechenden Konstellationen die Grundsätze über die Drittschadensliquidation. In einem vom NdsOVG 2 8 6 entschiedenen Fall hatte ein Gemeindebeamter bei der Bewilligung 280 Vgl. etwa die Fälle der rechtswidrigen und schuldhaften Verzögerung einer Baugenehmigungserteilung BGHZ 65, 182; BGH NVwZ 1990, 501; BRS 53 Nr. 40 (S. 158); BRS 53 Nr. 42 (S. 161); BGHZ 118, 263; BGH NJW 1992, 2218; NJW 1993, 530; NJW 1993, 3065; NJW 1997, 1229; OLG Schleswig NVwZ-RR 1998, 6. 281 BGH NJW 1982, 1277 (1278); siehe auch Götz DVB1 1961,433 (438 f.). 282 BVerwGE 25, 138 (143) = ZBR 1967, 151 (152); BVerwG ZBR 1979, 335 (336); DÖV 1994, 171; NJW 1995, 271; RG Warn 8 (1915), 105 (107); RGZ 91, 21 (24); 158, 235 (236); BGHZ 43, 178 (184); vgl. zur ähnlich gelagerten Situation bei der Notarhaftung nach § 19 BNotO BGH NJW 1996, 464 (465 f.). - In der Literatur Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 84; Günther NVwZ 1989, 837 (838); Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Pentz NJW 1960, 85. 283 BVerwGE 25, 138 (143) = ZBR 1967, 151 (152). 284 BVerwGE 25, 138 (143) = ZBR 1967, 151 (152). 285 So RGZ 91,21 (24); vgl. auch für ein Anstalts- und Benutzungsverhältnis OLG Hamm VersR 1987, 789; BGH NJW 1974, 1816 (1817); Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 813 u. 823; Grave DVB1 1978, 450 (451). 286 NdsOVG dng 1994,215.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
von Wohngeld Landesmittel veruntreut. Hier wurde der Gemeinde zugestanden, die Schadenersatzforderungen für das Land einzutreiben, weil es an einer Rechtsgrundlage für eine Haftung der Gemeinde gegenüber dem Land fehlte. Die Rechtsprechung stützt sich beim Anspruch aus Fürsorgepflichtverletzung auf die Grundsätze über die Beweislastverteilung, wie sie in § 282 BGB zum Ausdruck kommen. Dies hat das BVerwG 287 neuerlich bekräftigt. Der Beamte trage die materielle Beweislast dafür, ob eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn vorliege. Dem Beamten obliege die Pflicht, die Verletzung der Fürsogepflicht, den Eintritt des Schadens und das Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität darzutun, während der Dienstherr darlegen müsse, daß er nicht schuldhaft gehandelt habe 288 . Dies entspricht einer Beweislastverteilung im Sinne des § 282 BGB, wonach das NichtVorliegen von Verschulden und der haftungsausfüllenden Kausalität vom Schuldner zu beweisen ist 289 . Die Rechtsprechung zur Beweislast bei Fürsorgepflichtverletzung in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen war insoweit indes nicht immer einheitlich. Die gegenteilige Auffassung des BGH 2 9 0 kann jedoch als überholt gelten. Für die Frage nach der Veijährung der Schadenersatzansprüche aus vertragsähnlichen personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen gibt das einschlägige öffentliche Sonderrecht keinen Aufschluß. Es soll der das gesamte Öffentliche Recht umfassende Grundsatz der dreißigjährigen Veijährung (vgl. § 195 BGB) gelten 291 . Die Veqährungsvorschrift des § 852 Abs. 1 BGB werde verdrängt 292 und der Grundsatz der Verwirkung könne die 30-Jahresfrist nur überlagern, wenn seine besonderen Anforderungen, die über den bloßen Zeitablauf hin287 BVerwG NVwZ 1998, 400; so auch BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG S. 2; BVerwGE 52, 247 (255) = NJW 1978, 717 (719); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); vgl. aber OLG Köln VersR 1997, 971 (972 f.), wo allerdings nur die Haftung aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG und nicht eine solche aus vertragsähnlichem Verwaltungsrechtsverhältnis in Betracht gezogen wird. 288 BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG S. 2; BVerwGE 52, 247 (255) = NJW 1978, 717 (719); E 13, 17 (24 f.) = NJW 1963, 2364 (2366 f.); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 25a f.; Battis BBG, § 23 Rn. 27; ders. ZBR 1971, 300; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Schack ZBR 1961, 132 (134); Weimar RiA 1960, 311 (312); Pentz NJW 1960, 85; so wohl auch, i. Erg. aber ausdrücklich offen lassend BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE410003537. 289 Vgl. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 282 Rn. 4 f , 10 ff.; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 282 Anm. 2; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63. 290 BGH NJW 1963, 1828 (1829); vgl. auch Zapf Ζ BR 1974, 21 (22). 291 BVerwGE 13, 17 (25) = NJW 1961, 2364 (2367); RGZ 158, 235 (241); BGHZ 14, 122 (137); 29, 310 (313); vgl. auch Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 60; Müller/Beck/Entenmann, Beamtenrecht Baden-Württemberg, § 98 LBG Rn. 4; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Battis ZBR 1971, 300; Schack ZBR 1961, 132 (134); Weimar RiA 1960, 311 (312). 292 BVerwG NJW 1997, 1321 (1322).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
ausgehen, erfüllt seien 293 . Bei § 197 BGB mit seiner vierjährigen Verjährungsfrist wird wegen der ausdrücklichen Anordnung im Wortlaut der Vorschrift teilweise auf eine unmittelbare Anwendung bei Ansprüchen auf Rückstände von Besoldungen, Ruhegehältern und allen anderen regelmäßig wiederkehrenden Leistungen geschlossen294, teilweise aber auch eine analoge Anwendung für erforderlich gehalten295. Im Gegensatz zur Amtshaftung soll beim Anspruch aus Fürsorgepflichtverletzung der Geschädigte grundsätzlich Naturalrestitution verlangen können 296 . Die Möglichkeit zur Naturalrestitution bei Fürsorgepflichtverletzung wird allerdings häufig aus tatsächlichen Gründen sowie aufgrund entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs als nicht realisierbar angesehen 297 . Dies betrifft - unabhängig von der Zuordnung zum Anspruch aus Verletzung der Fürsorgepflicht oder zu einem eigenständigen Anspruch aus Verletzung einer der Fürsorgepflicht gleichkommenden Pflicht zur Einhaltung der Beförderungsgrundsätze 298 - vor allen Dingen die Fälle eines Anspruchs wegen unterbliebener Beförderung. Der Beamte habe in der Regel keinen Rechtsanspruch auf Beförderung 299. Die Beförderung stehe grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn 300 . Naturalrestitution in Form der nachträgli293 BVerwGE 6, 204 (205 f.): Vorausgesetzt sei, daß der Anspruchsinhaber sich ein Verhalten zuzuschreiben habe, das geeignet sei, beim anderen Teil die Vorstellung zu begründen, das Recht werde nicht mehr geltend gemacht werden, und daß beim Anspruchsgegner durch dieses Verhalten berechtigte Interessen entstanden seien, von einer Inanspruchnahme auf Erfüllung des Anspruchs verschont zu bleiben. 294 BVerwG NJW 1997, 1321 (1322); BVerwGE 23, 166 (167); 57, 306 (307); 66, 251 (252 ff.); OVG Bremen Schütz BeamtR ES/C III 4.2 Nr. 4; vgl. auch Henneke, in: Knack, VwVfG, § 53 Rn. 4; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 54 Rn.l; Jellinek Verwaltungsrecht, S. 224. 295 BVerwGE 48, 279 (286 f.); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); DÖD 1983, 180 (181); BayVGH BayVBl 1987, 23 (26); NVwZ-RR 1997, 230; vgl. auch Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Dörr DÖV 1984, 12 (15 f.). 296 HessVGH DVB1 1960, 328 (329); ZBR 1974, 261 (263); sowie die Vorinstanzen zu BayVGH BayVBl 1961, 90 (siehe S. 91); vgl. auch Battis BBG, § 23 Rn. 27; Kunigy in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 101; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 116 Rn. 13; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Weimar RiA 1960, 311 (312); Idei ZBR 1959, 223 (224). 297 BVerwGE 13, 17 (23 f.) = NJW 1961, 2364 (2366); E 15, 3 (11, insoweit in NJW 1963, 123 nicht abgedruckt); E 53, 12 (21). 298 BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE 410003537; NVwZ 1999, 424; hierzu siehe oben S. 90 f. 299 BVerwGE 15, 3 (6) = NJW 1963, 123; E 19, 252 (254); VGH BW DVB1 1965, 333 (334); ZBR 1975, 316; BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (330); RGZ 146, 369 (374); vgl. auch Battis BBG, § 23 Rn. 25; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 144; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 216 f.; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Menger VerwArch 54 (1963), 286 (295). 300 BVerwGE 19, 252 (254); BVerwG DVB1 1982, 198; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78 S. 2; BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (330); OVG
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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chen Beförderung scheide wegen des Grundsatzes der Ämterstabilität 301 in aller Regel aus. Rückwirkend sei keine Beförderung mehr möglich (§ 10 Abs. 2 S. 2 BBG), sondern nur noch ein Schadenersatzanspruch auf entgangene Mehrbezahlung 302 . Gänzlich ausgeschlossen soll der Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung allerdings nicht sein, denn auch das Ermessen des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung im Rahmen einer Beförderung sei dem Interesse des bestgeeigneten Bewerbers zu dienen bestimmt 303 , finde seine Grenzen insbesondere im Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) 3 0 4 und könne reduziert sein 305 . Das BVerwG 3 0 6 hat unlängst klargestellt, daß ein Schadenersatzanspruch wegen unterbliebener Beförderung nur gegeben sei, wenn nachzuweisen sei, daß sich die Behörde, wenn sie den Ermessensfehler vermieden hätte, für den übergangenen Bewerber hätte entscheiden müssen. Damit gibt das Gericht seine Auffassung auf, wonach der Schadenersatzanspruch schon angenommen werden könne, wenn der Beamte wahrscheinlich befördert worden wäre 307 . Für andere Schadenskonstellationen hat das BVerfG 308 zu denken gegeben, daß ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadenersatzanspruch nicht von dem Anspruch auf Erfüllung der geschuldeten Fürsorge verdrängt werde. So soll der Dienstherr zum Widerruf einer ehrkränkenden Äußerung nicht etwa aus Schadenersatz verpflichtet sein, sondern weil dies auf der Primärebene zur Erfül-
NW ZBR 1986, 276; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 110; Menger VerwArch 54 (1963), 286 (294 f.). 301 Hierzu Menger VerwArch 54 (1963), 286 (295); sowie Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 50, 53; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 91; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 131 f.; Siegmund-Schulze VerwArch 73 (1982), 137 (147 f.); zur Kritik an der h. M. Schoch, Vorläufiger Rechtsschutz, S. 684 ff. 302 BVerwG RiA 1979, 140 (141); VGH BW ZBR 1975, 316 (318); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); OVG Saarland ZBR 1976, 87 (88); Battis BBG, § 23 Rn. 27; a. A. Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 223. 303 BVerwGE 19, 252 (254 f.); 49, 214 (219); 49, 232 (237); BVerwGE 80, 123 (124 f.) = NJW 1989, 538 dazu Bespr. Schnellenbach NVwZ 1989, 435 u. Günther NVwZ 1989, 837; vgl. auch Battis BBG, § 23 Rn. 25; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 65; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 217; Siegmund-Schulze VerwArch 73 (1982), 137 (143); sowie EuGH Slg. I 1994, 3009 - Tz. 38. 304 BVerwG ZBR 1960, 92 (93); BVerwGE 49, 214 (219); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (330). 305 Diese Schlußfolgerung findet sich explicit nur in der Literatur: Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 89; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. C Rn. 110. 306 BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE 410003537; vgl. auch Zapf ZBR 1974, 21 (23). 307 BVerwG NJW 1992, 927 (928); vgl. auch Müller/Beck/Entenmann, Beamtenrecht Baden-Württemberg, § 98 LBG Rn. 4; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 637; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 70; Wittkowski NJW 1993, 817 (823). 308 Vgl. BVerfG NVwZ 1990, 853. So auch Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 50; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 24; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 220; Günther NVwZ 1989, 837 (839); Idei NJW 1955, 1300.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
lung seiner Fürsorgepflichten gehöre 309 . Die Relevanz der Frage nach der Anwendbarkeit der Vorschrift des § 249 S. 1 BGB über die Leistung von Naturalrestitution wird von der Rechtsprechung vor allen Dingen aber auch dadurch in Frage gestellt, daß sie regelmäßig dann, wenn tatsächlich ein Ausgleich nicht in Geld, sondern in Form von Naturalrestitution gefordert war, auf den idealiter konkurrierenden Folgenbeseitungsanspruch zurückgegriffen hat 310 . Für die Frage, ob die Unmöglichkeit der Erfüllung einer Verpflichtung aus der personenbezogenen Rechtsbeziehung zum Wegfall der vereinbarten Gegenleistung der anderen Seite führt, hat das NdsOVG 311 einen Rückgriff auf einen in § 323 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatz für möglich gehalten. Der Schuldner einer Leistung werde von seiner Leistungspflicht frei, wenn er die Unmöglichkeit nicht zu vertreten habe. Um die Geltendmachung von Sekundäransprüchen auszuschließen, wenn vorher zur Durchsetzung der subjektiv-öffentlichen Rechte das Ergreifen von Rechtsmitteln des Primärrechtsschutzes versäumt wurde, bemüht die Rechtsprechung zur Haftungsbegrenzung regelmäßig eine entsprechende Heranziehung des § 839 Abs. 3 BGB 3 1 2 . Lediglich der HessVGH 313 hat in dem Prinzip des Vorrangs des Primärrechtsschutzes ein das gesamte Öffentlichen Recht umfassendes Gebot gesehen, welches einen irgendwie gearteten Rückgriff auf § 839 Abs. 3 BGB obsolet mache.
3. Öffentlich-rechtliche
Verwahrung
a) Historische Entwicklung 314 Bereits vor Inkrafttreten des BGB haben die Gerichte die Fragestellung erkannt und problematisiert, wie und ob der Staat dafür verantwortlich gemacht 309 BVerwG NJW 1996, 210 (212); vgl. auch BVerwGE 53, 12 (21); a. A. Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415. 310 BVerwG ZBR 1960, 92 (93); DVB1 1963, 677 (678); BVerwGE 28,155 (162 f.) = DVB1 1968, 641 (643); E 53, 12 (22); BVerwG ZBR 1979, 335 (336); BayVBl 1997, 696 (697); OVG Lüneburg ZBR 1982, 91 (92); vgl. auch Hufen JuS 1997, 76 (78); dagegen Battis BBG, § 23 Rn. 27. - Zu den Konkurrenzen siehe unten S. 375 ff. 311 NdsOVG NdsVBl 1995, 61 (62). 312 BVerwG ZBR 1968, 280 (282); RiA 1968, 236 (237); NVwZ 1986, 481; NJW 1997, 1321 (1322); NVwZ 1999, 542; HessVGH ZBR 1968, 412 (413); OVG Lüneburg ZBR 1972, 84 (85); vgl. auch Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 70, 414; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 25c; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); ablehnend, ohne allerdings den allgemeingültigen Vorrang des Primärrechtsschutzes zu erkennen Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Schack ZBR 1961, 132 (134); Weimar RiA 1960,311 (312). 313 HessVGH RiA 1967, 36 (37). 314 Ausfuhrlicher historischer Überblick bei Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 10 ff.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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werden kann, wenn er Sachen des Bürgers in seine Obhut nimmt und diese dann nicht mehr oder nur beschädigt zurückzugeben in der Lage ist 315 . Schon vor 1900 nahmen die Zivilgerichte ein vertragsartiges, dem Verwahrungsvertrag ähnliches Rechtsverhältnis an, das stillschweigend geschlossen316 bzw. unmittelbar kraft Gesetzes durch die Inobhutnahme entstanden sein sollte 317 . Diese schon damals vorgenommene Anlehnung an zivilrechtliches Vertragsrecht 318 läßt die anfängliche Einordnung der staatlichen „Verwahrung" als privatrechtlich verständlich erscheinen. Es wurde allerdings bald erkannt, daß ein solches Verwahrungsverhältnis bzw. die Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis ihren Ursprung in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung finden, bei der Ausübung von Staatshoheitsrecht entstehen319. Das Reichsgericht bezeichnete die Streitigkeit wegen einer Verwahrung durch einen Träger hoheitlicher Gewalt erstmals im Jahre 1914 320 als öffentlich-rechtliche, hielt seine Linie jedoch zunächst nicht einheitlich bei 3 2 1 , sondern schwenkte erst elf Jahre später endgültig auf die Erkenntnis um, daß das heute als öffentlich-rechtliche Verwahrung bezeichnete Rechtsverhältnis verwaltungsrechtlichen Charakter habe 322 . Die Rechtsprechung hat die Existenz des Rechtsinstituts der öffentlich-rechtlichen Verwahrung nie in Frage gestellt. Meinungsunterschiede gab es allenfalls über Details der Anwendung bestimmter zivilrechtlicher Vorschriften 323 . Die Haftung aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung bei Verwahrung durch die 315
RG Bolze 3 (1887), Nr. 311 S. 93; OAG Berlin SeuffArch 26 (1872), Nr. 34 S. 50 f.; OAG Dresden SeuffArch 5 (1851), Nr. 135 S. 752. 316 RG JW 1901, 191; RGZ 51, 219 (221); OLG Hamburg SeuffArch 72 (1917), Nr. 4 S. 7 (8). 317 RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 219 (220 f.); Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; RGZ 67, 335 (340 f.); 78, 325 (327 f.); 99, 283 (284). 318 Α. A. soweit erkennbar nur PrKompGH DJZ 1911, Sp. 1279. 319 PrOVGE 74 (1919), Nr. 104, S. 461 (462); RG JW 1901, 191; RGZ 48, 255 (258); 51, 219 (220 f.); 67, 335 (338); 78, 325 (328); 99, 283 (284); 100, 219 (220 f.); 108, 391 (393); DtGemWirtschR 1939, 18; OLG Hamburg SeuffArch 72 (1917), Nr. 4 S. 7; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 17. 320 RGZ 84, 338 (339); so auch RG Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; RGZ 108, 391 (393). 321 Dem nicht folgend die späteren Entscheidungen in PrOVGE 74 (1919), 461 (462); RGZ 99, 283 (284); 100, 219 (220 f.); 103, 171 (173); Recht 1923, Nr. 134 S. 51; DJZ 1923, Sp. 368 (369); DJZ 1923, Sp. 499 (500); OLG Breslau OLGE 34 (1917), S. 115 (116); OLG Hamburg SeuffArch 72 (1917), Nr. 4 S. 7; SeuffArch 75 (1920), Nr. 206 S. 253. 322 RG SeuffArch 79 (1925), Nr. 28 S. 49 (50); SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115, 419 (421 f.); JW 1931, 930 (931); RGZ 138, 40; RG JW 1934, 2842 (2843); JW 1936, 383; RGZ 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (166); so auch Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 176; Leonhard, Besonderes Schuldrecht, S. 263; Schack RVerwBl 1935, 189. - Schon Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 19 spricht von „heute unbestrittener Sichtweise". 323 Hierzu siehe unten S. 316 ff.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
öffentliche Hand ist fester Bestandteil des gerichtlichen „Anspruchsprogramms" im Bereich staatlicher Ersatzleistungen 324. Die umgekehrte Konstellation, daß ein Bürger als Depositar gegenüber einer Behörde als Deponentin tätig wird und wegen Unmöglichkeit der Herausgabe der Depositalie haften soll, ist bisher nur einmal Inhalt einer gerichtlichen Auseinandersetzung gewesen325. Ein Reservist der Bundeswehr hatte bei seiner Entlassung die sog. Grundausstattung an Bekleidungs- und Ausrüstungsstücken mit der Verpflichtung ausgehändigt bekommen, die Gegenstände ohne Entschädigung jederzeit erreichbar sorgfältig aufzubewahren und zu pflegen, ihre mißbräuchliche Benutzung durch Dritte auszuschließen und sie auf Aufforderung der zuständigen Dienststelle zur Überprüfung vorzulegen. Die Sachen sind verlorengegangen und die Bundeswehr wollte nunmehr den Reservisten auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Das Gericht hat einen Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung zuerkannt.
b) Anwendungsfälle und Wesen der öffentlich-rechtlichen Verwahrung Der differierende Begründungsakt trennt die privatrechtliche eindeutig von der öffentlich-rechtlichen Verwahrung 326 . Der Verwahrungsvertrag des BGB entsteht durch übereinstimmende Vereinbarung der Vertragsparteien. Grundvoraussetzung für die Entstehung des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses ist die Ingewahrsamnahme einer beweglichen Sache327. In einem Verwaltungsrechtsverhältnis kann sowohl der Verwaltungsträger als auch der Private eine Sache in seinem Besitz haben, die dem jeweils anderen gehört. Wenn zu diesem Besitz entsprechende Obhutspflichten hinzukommen, so spricht man von einem öffentlich-rechtlichen VerwahrungsVerhältnis. Die Inbesitznahme und die daran anschließende Pflicht zur Obhut kann die Folge verschiedener Vorgänge in der Verwaltung sein. Den verbreitetsten Anwendungs324 Vgl. die Entscheidungen nach 1945 BVerwG NJW 1995, 271; VGH BW BWVP 1978, 150; BayVGH NVwZ 1998, 421 (422); HessVGH NVwZ 1988, 655; OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (Weber); VG Arnsberg MDR 1975, 255; BGHZ 1, 369; 3, 162; 4, 192; BGH NJW 1952, 658; DB 1956, 476; BGHZ 34, 349 = NJW 1961, 1164; BGH LM § 688 BGB, Nr. 6; WM 1973, 1416; MDR 1975, 213; NJW 1988, 1258; NJW 1990, 1230; OLG Hamburg MDR 1974, 510; OLG Hamm VersR 1987, 789; OLG Köln VersR 1990, 898; NVwZ 1994, 618; VersR 1995, 574; OLG Oldenburg StV 1996, 534; OLG Zweibrücken CR 1994, 352; LG Halle NJW-RR 1997, 532; LG Köln NJW 1965, 1440; LG Osnabrück VersR 1983, 692; AG Hamm MDR 1978,51. 325 VG Arnsberg MDR 1975, 255. 326 Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 273; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 260. 327 Dubischar, in: AK-BGB, Vorb § 688 Rn. 3; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 32.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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fall findet die öffentlich-rechtliche Verwahrung, wenn sie durch Verwaltungsakt bzw. präziser ausgedrückt durch den Vollzug eines Verwaltungsakts, begründet wird 3 2 8 , etwa bei einer Beschlagnahme oder einer Sicherstellung. Der obhutspflichtige Besitz kann aber auch auf gegenseitige Vereinbarungen eines verwaltungsrechtlichen Vertrags oder auf einem Verwaltungsrealakt bei der Inbesitznahme beruhen 329 . In der Literatur wird teilweise zusätzlich die Möglichkeit der Begründung des Vewahrungsverhältnisses durch Gesetz angeführt 330. An die Stelle der Willenseinigung tritt wie beim Erlaß eines Verwaltungsakts das Handeln des Staates. Die öffentlich-rechtliche Verwahrung orientiert sich damit an den tatsächlichen Maßnahmen der Inbesitznahme und der gesetzlichen, vertraglichen oder verwaltungsaktlichen Pflicht zur Obhut 331 und nur ausnahmsweise - bei Vorliegen eines Verwaltungsvertrags - an den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. Verwahrungsgegenstand der öffentlich-rechtlichen Verwahrung ist wie bei der privatrechtlichen Verwahrung eine bewegliche Sache. Den Besitzer kann auch in einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung die Pflicht treffen, die bewegliche Sache aufzubewahren. Wie im Privatrecht ist Kennzeichen der öffentlich-rechtlichen Verwahrung, daß neben der bloßen Zurverfügungstellung von Raum bzw. einer Aufbewahrungsmöglichkeit die Pflicht zur Gewährung von Obhut besteht332. Derjenige, der eine Sache eines anderen, am Verwal-
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OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); RGZ 166, 218 (222); BGH NJW 1952, 658 (659); DB 1956, 476; BGHZ 34, 349 (354); BGH WM 1973, 1416 (1417); OLG Hamburg MDR 1974, 510; OLG Oldenburg StV 1996, 534 (LS); AG Hamm MDR 1978, 51 (52); vgl. auch Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Friauf in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 140; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138 (Fn. 142); Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 7; Maurer JuS 1981,809 (812). 329 BGHZ 3, 162 (173); 21, 214 (219); vgl. auch Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Jochum/Rühle, Polizeirecht, Kap. H Rn. 95; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 48; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 4; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 128; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 272; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138; Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 81; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 808; Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (98 Fn. 53). 330 Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 17; Gassner, in: Ermacora u. a. Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 130 (140); Eckert DVB1 1962, 11 (12 ff.). 331 BVerwG NJW 1995, 271; vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Maurer JuS 1981, 809 (812). 332 BVerwG NJW 1995, 271; BGH NJW 1988, 1258 (1259); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); vgl. auch Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 860; Maurer JuS 1994, 1015 (1017).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
tungsrechtsverhältnis Beteiligten aufbewahrt, hat mehr als die Möglichkeit der Aufbewahrung zur Verfugung zu stellen. Er muß nach der Rechtsprechung die sichernde und schützende Obhut, also die Überwachung und den Schutz vor Beschädigung und Verlust sowie die Sicherstellung einer Rückgabe in ordnungsgemäßem Zustand gewähren 333. Eine öffentlich-rechtliche Verwahrung soll allerdings erst dann gegeben sein, wenn der Berechtigte an eigenen Sicherungs- und Obhutsmaßnahmen gehindert sei 334 . Habe ein Beteiligter an einem Verwaltungsrechtsverhältnis die Verpflichtung zur Raumgewährung, so werde er während der Dauer seiner Sachherrschaft auch regelmäßig dafür Sorge zu tragen haben, daß die Sache in ihrem ordnungsgemäßen Zustand erhalten bleibt und unversehrt zurückgegeben werden kann 335 .
c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik und inhaltliche Begründung Bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung wird der Rückgriff auf die §§ 688 ff. BGB sowie auf §§ 278, 282, 280 Abs. 1, §§ 194 ff. BGB in aller Regel für zulässig erachtet 336. Teilweise wird der Weg über eine Analogie gewählt 337 , teil333 RGZ 115, 419 (421); 166, 218 (223, 235); BGHZ 3, 162 (173); BGH WM 1973, 1416(1417); OLG Köln NVwZ 1994,618(619). 334 BGH WM 1973, 1416 (1417); MDR 1975, 213; NJW 1988, 1258 (1259); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619 f.); VersR 1995, 574 (575); OLG Zweibrücken CR 1994, 352 (353); vgl. auch Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 48; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26; a. A. Maurer JuS 1994, 1015 (1017 f.). 335 RGZ 166, 218 (235); BGH DB 1956,476; Maurer JuS 1981, 809 (812). 336 VGH BW BWVP 1978, 150 (151); HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); RG Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115, 419 (421 f.); 166, 218 (223); RG JW 1936, 383; BGHZ 1, 369 (371); 4, 192 (193); 21, 214 (218); BGH LM § 688 BGB, Nr. 6 S. 1; WM 1973, 1416 (1417); NJW 1990, 1230; OLG Celle JW 1925, 2491. - Aus der Literatur Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 100 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341 jew. m. w. Nachw. 337 VGH BW BWVP 1978, 150 (151); BayVGH NVwZ 1998, 421 (422); HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); BGHZ 4, 192 (193); BGH NJW 1990, 1230; OLG Celle JW 1925, 2491; vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 5; ders. JuS 1994, 1015 (1017); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 273; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Bonk., in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56 f.; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 273; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8 u. § 690 Rn. 4; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 50; Müller JuS 1977,232; Schock, in: FS Laun, S. 275 (292).
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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weise wird in den Vorschriften des Besonderen Schuldrechts zum Verwahrungsvertrag der Ausdruck „allgemeiner Rechtsgedanken" erblickt 338 , oftmals wird auch offen gelassen, ob die Anwendung der §§ 688 ff. BGB bzw. der anderen privatrechtlichen Vorschriften im Wege einer Analogie oder der Heranziehung von Rechtsgrundsätzen erfolgt 339 . Die Rechtsprechung gibt sich keine größere Mühe, die Heranziehung von privatem Verwahrungsvertragsrecht des BGB zu rechtfertigen. Da die Rechtsbeziehungen im Zusammenhang mit der Verwahrung durch einen Träger öffentlicher Gewalt in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung ursprünglich als privatrechtlich eingestuft wurden, war die Anwendung von Privatrecht selbstverständlich. Als der öffentlich-rechtliche Rechtscharakter erkannt war, bedurfte es einer Klarstellung, daß die Rechtsbeziehungen der Beteiligten an der öffentlich-rechtlichen Obhutsgewährung „so viel Übereinstimmung mit den bei einem Verwahrungsvertrag sich ergebenden Rechten und Pflichten" aufwiesen, „daß es als das Gegebene erscheint, auch hier die beim Verwahrungsvertrag maßgebenden Grundsätze entsprechend anzuwenden."340 Dieser einmalige Ansatz einer Begründung scheint den Gerichten genügt zu haben. In der Folgezeit wurde die Berechtigung des Rechtsinstituts der öffentlich-rechtlichen Verwahrung wie selbstverständlich vorausgesetzt und die grundsätzliche Anwendbarkeit privatvertraglicher Vorschriften ohne weitere Erklärung anerkannt.
bb) Vorschriften
über den Verwahrungsvertrag
(§§ 688 ff. BGB)
Wird ein öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis angenommen, erklären die Gerichte häufig pauschal die Vorschriften der §§ 688 ff. BGB über den Verwahrungsvertrag für entsprechend anwendbar 341. Zu einer tatsächlichen 338 RG Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115,419(421 f.); 166, 218 (223); BGHZ 1, 369 (371); 21, 214 (218); BGH LM § 688 BGB, Nr. 6 S. 1; BGH WM 1973, 1416 (1417: „rechtsähnliche Anwendung"); vgl. auch Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 31; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 176; Maurer JuS 1981,809 (810); Fahland ZZP 92(1979), 432 (450). 339 RG SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JW 1936, 383; vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 28, 30; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 62; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 95. 340 RGZ 115,419(422). 341 VGH BW BWVP 1978, 150 (151); BayVGH NVwZ 1998, 421 (422); HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); RG SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JW 1936, 383; RG Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115,419(421 f.); 166,218 (223); BGHZ 1, 369 (371); 4, 192 (193); 21, 214 (218); BGH LM § 688 BGB, Nr. 6 S. 1; BGH WM 1973, 1416 (1417); NJW 1990, 1230; OLG Celle JW 1925, 2491; OLG Köln VersR 1990, 898 (899).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Heranziehung einzelner Vorschriften der §§ 688 ff. BGB bzw. zu einer ablehnenden Diskussion über die Anwendbarkeit im konkreten Fall kommt es weit seltener. In einer singulären Entscheidung hat der VGH B W 3 4 2 die Vorschrift des § 689 BGB für anwendbar gehalten, wonach eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn den Umständen nach die Aufbewahrung der Depositalie nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. In dem Fall, der dem VGH zur Entscheidung vorlag, hatte eine Behörde ein Fahrzeug beschlagnahmt. Nach Aufhebung der Beschlagnahme hat der Eigentümer seinen Wagen über einen längeren Zeitraum nicht abgeholt. Die Behörde verwahrte das Fahrzeug weiterhin für den Eigentümer und verlangte anschließend hierfür eine Vergütung. Der VGH BW hat den Vergütungsanspruch unter Zuhilfenahme des § 689 BGB anerkannt 343 . Das Ergebnis wird damit gestützt, daß der Betroffene im konkreten Fall nicht hätte davon ausgehen können, daß die Aufbewahrung für ihn unentgeltlich erfolge. Der HessVGH 344 hat einer Behörde, die einen im Halteverbot geparkten Pkw abgeschleppt hatte, zugebilligt, die Standgebühren für das Abstellen auf dem Gelände eines Privatunternehmens und die Kosten für ein Sachverständigengutachten, in dem der Wert des Kfz geschätzt wurde, erstattet zu verlangen. Als Grundlage für den Anspruch diente § 693 BGB, wonach der Verwahrer vom Hinterleger Ersatz für solche Aufwendungen verlangen kann, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Eine Heranziehung des § 690 BGB, wonach der Depositar bei unentgeltlicher Verwahrung nur für diligentia quam in suis (vgl. § 277 BGB) haftet, haben das BVerwG 3 4 5 und der BayVGH 3 4 6 ausdrücklich bejaht und sich damit in Widerspruch zur zivilgerichtlichen Rechtsprechung 347 gestellt. Abgelehnt wird 342
VGH BW BWVP 1978, 150 (151). Zustimmend Maurer JuS 1981, 809 (812). 344 HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); ohne Begründung zustimmend Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG § 54 Rn. 56; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16. 345 BVerwGE 52, 247 (254) = NJW 1978, 717 (718 f.). 346 BayVGH NVwZ 1998, 421 (422). - Ebenso in der Literatur Krohn, in: RGRKBGB, Vorb § 688 Rn. 28 u. § 690 Rn. 4; unklar Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 56; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 813. 347 RGZ 84, 338 (339); RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 218 (221); BGHZ 4, 192 (194). - Ablehnend auch die h. L. Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 688 Anm. 2 d; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63 u. § 690 Rn. 6; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54 u. § 690 Rn. 4; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 813; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8 u. § 690 Rn. 4; Papier, Forderungsverletzung, S. 42; Fahland ZZP 92 (1979), 432 (450 f.); Müller 343
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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die Anwendbarkeit des § 690 BGB ebenfalls in der Entscheidung des VG Arnsberg, in welcher nicht die Behörde, sondern der „Staatsbürger Staatseigentum aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung" verwahrt hatte 348 . Gegen die Heranziehung von § 690 BGB wird angeführt, daß der Behörde (oder dem Privaten), die (der) im öffentlichen Auftrag handelt, keine Haftungsbeschränkung zugute kommen könne, die aus dem Gedanken der freiwilligen Übernahme der Gefälligkeit entspringe 349. Dem setzt die abweichende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung lediglich entgegen, daß es nahe läge, für eine unentgeltliche (öffentlich-rechtliche) Verwahrung gleiche Grundsätze wie bei entsprechenden Fällen im Bürgerlichen Recht heranzuziehen 350. Auch über die Analogiefähigkeit des § 691 BGB herrscht Uneinigkeit 351 . § 691 S. 1 BGB besagt, daß der Verwahrer im Zweifel nicht berechtigt ist, die hinterlegte Sache bei einem Dritten zu hinterlegen. In der Rechtsprechung findet sich lediglich eine einzelne Entscheidung des Reichsgerichts 352, in welcher - ohne nähere Auseinandersetzung - angenommen wurde, daß sich gegen die Anwendbarkeit „nichts einwenden" lasse. Bei der Regelung des § 700 BGB über die unregelmäßige Verwahrung hat der BGH 3 5 3 erkannt, daß diese keinen Verwahrungsvertrag im eigentlichen Sinne betreffe, sondern ein Schuldverhältnis eigener Art begründe. Es gälten grundsätzlich nur die Bestimmungen des Darlehensvertrags und lediglich in einigen Nebenpunkten die des VerwahrungsVertrags. Es enstehe daher kein VerJuS 1977, 232 (233); Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180); Eckert DVB1 1962, 11 (15); Schack, in: FS Laun, S. 275 (292); ders. RVerwBl 1935, 189 (192). Gelegentlich findet sich die zusätzliche Einschränkung, daß dies zumindest in den Fällen gelte, in denen die Verwahrung nicht ausschließlich den Interessen des Hinterlegers, sondern nur oder auch dem öffentlichen Interesse des Verwahrers zu dienen bestimmt sei: Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 107. 348 VG Arnsberg MDR 1975, 255 349 VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 219 (221); RGZ 84, 338 (339); BGHZ 4, 192 (194); vgl. auch Hüffer, in: MünchKommBGB, § 690 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 106 f.; Müller JuS 1977, 232 (233). 350 BVerwGE 52, 247 (254) = NJW 1978, 717 (718 f.). - Der BayVGH NVwZ 1998, 421 sieht von einer Begründung völlig ab. 351 Dagegen: Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 108 f.; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 52; Busch, Öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse, S. 23 f.; dafür: RG HRR 1929, Nr. 492; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 691 Rn. 17 (und über § 8 ZollG, Vorb § 688 Rn. 60); Seiler, in: Erman, BGB, § 691 Rn. 5; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 691 Rn. 1; Schack, in: FS Laun, S. 275 (292); unklar RGZ 103, 171 (173). 352 RG HRR 1929, Nr. 492. 353 BGHZ 34, 349 (354 f.); vgl. auch Thomas, in: Palandt, BGB, § 700 Rn. 1; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 700 Rn. 2 ff.; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 700 Anm. 1 a; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 700 Rn. 2 f.; Seiler, in: Erman, BGB, § 700 Rn. 1; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 700 Rn. 1; unklar Fahland ZZP 92(1979), 432(452).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
wahrungsverhältnis i. e. S. Eine Anwendbarkeit auf die öffentlich-rechtliche Verwahrung scheide aus.
cc) Allgemeine Vorschriften (BGB Allgemeiner Teil, Schuldrecht Allgemeiner Teil) Eine Anspruchsgrundlage für »Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung" liefert die Rechtsprechung nicht. Es werden auch nicht - wie in anderen sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" 354 - die Grundsätze der Haftung wegen positiver Forderungsverletzung bemüht. Nur hinsichtlich der Haftungsmodalitäten wird auf Vorschriften des BGB Schuldrecht Allgemeiner Teil und bei der Veijährung des Allgemeinen Teil des BGB zurückgegriffen. Die Anwendbarkeit der Hafitungsüberleitungsregel des § 278 BGB bei der Haftung in öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnissen ist zwar selten tatsächlich Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen gewesen, wurde dann aber stets angenommen355. Die Beweislastumkehr des § 282 BGB wird ebenso für entsprechend anwendbar gehalten356. Zu einer Bestimmung der maßgeblichen Verjährungsfristen nach den Regelungen der §§194 ff. BGB kam es in den Entscheidungen zu Ansprüchen aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung bislang nicht.
4. Öffentlich-rechtliche
Geschäftsführung
ohne Auftrag
a) Historische Entwicklung 357 Die Rechtsprechung beschäftigte sich bereits im Jahre 1813 mit einer im heutigen Sinne öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag. Das Appelationsgericht Dresden 358 hatte sich mit einer „negotiorum gestio" zu befas-
354
BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZRR 1991, 449 (450); Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 7 (n. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; OVG LSA LKV 1997, 175 (178); BGH DVB1 1978, 108 (109); NJW 1998, 298 (300); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305. 355 Nur bei RGZ 115,419(423); 166,218(223). 356 VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); BGH LM § 688 BGB, Nr. 2 Bl. 2; NJW 1990, 1230 (1231); OLG Köln VersR 1990, 898 (899); NVwZ 1994, 618 (619). 357 Zur historischen Entwicklung in der Rechtsprechung ausführlich Nedden, Die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht, S. 22 ff. 358 AppG Dresden Wochenblatt 1844, 65 (70 ff; zit. nach Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 9 Fn. 1). - Ausführlich zur historischen Entwicklung des Insti-
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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sen, bei welcher das Land Sachsen die Stadt Dresden auf Ersatz ihrer Aufwendungen in Anspruch nehmen wollte, die sie beim Wiederaufbau der in den Befreiungskriegen zerstörten Dresdner Elbbrücke hatte. Für den Wiederaufbau war nach Auffassung des Landes Sachsen die Stadt Dresden zuständig. Durch die Kodifikation der §§ 677 ff. BGB wurde die Auseinandersetzung mit der „negotiorum gestio" bedeutungslos, das Institut der öffentlich-rechtlichen GoA ist daher sinnvollerweise allein an der Rechtspraxis nach 1900 zu messen359. Nach Inkrafttreten des BGB wurden anfänglich die Besonderheiten des Öffentlichen Rechts bei der GoA nicht weiter berücksichtigt. Die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB fanden auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte Anwendung, ohne daß die Gerichte auf die Besonderheiten der Geschäftsführung durch einen Hoheitsträger eingegangen wären 360 . Der GoA mit einem Verwaltungsträger als Geschäftsführer 361 hatte nach damaliger Auffassung unter dem Blickwinkel der Fiskustheorie, wonach der Staat in vermögensrechtlichen Angelegenheiten als Privatrechtssubjekt auftritt 362 , stets privatrechtlichen Charakter 363. Fungierte die öffentliche Verwaltung gegenüber dem geschäftsführenden Bürger als Geschäftsherr 364, so ging die Rechtsprechung davon aus, daß dieser ohnehin nur privatrechtlich handeln könne. Schon früh meldete die Literatur Bedenken gegen eine unmittelbare Anwendung der §§ 677 ff. BGB im Bereich öffentlichrechtlicher Aufgabenerledigung durch Fremdgeschäftsführer an 365 . Die Getuts der öffentlich-rechtlichen GoA in der Rechtsprechung Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 22 ff. 359 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 22 f. 360 Vgl. die vor 1900 ergangenen Entscheidungen HansGZ OLG Rspr 18, 23; BreslauAK 1912, 37; OLG Kiel SchlHA 1930, 44 (45) - zit. nach Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 23 Fn. 17 f. 361 Vgl. etwa PrOVGE 76, 328 (333); 86, 199; RGZ 75, 276; 77, 193; 82, 206; 102, 9; 113, 178; 150, 243; RG JW 1910, 186; JW 1911, 992; JW 1912, 81 (82); KG JRPV 1940, 141; OLG Kiel SchlHA 1907, 33; OLG Kolmar DJZ 1903, 576; OLG Posen PosMSchr 1913, 16 (17); OLG Stuttgart WürttSprBeil 1928, 18; LG Essen JW 1934, 1932; AG Goldberg RdRN 1936, 1017. 362 Zur Fiskustheorie Lassar, Der Erstattungsanspruch im Verwaltungs- und Finanzrecht, 1921, S. 1 ff.; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 112 f. 363 PrOVGE 86, 199 (202 f.); WürttVGH WüRV 10 (1917), 47 (48); RGZ 75, 276 (281); 77, 193 (197); 82, 206 (214 f.); 102, 9 (10); 113, 178 (180 f.); 150, 243 (245); RG JW 1910, 186; JW 1911, 992 (993); JW 1912, 81 (82); BadKompGH BadVerwZ 1920, 95 (99 f.); WürttKompGH WüRV 10 (1917), 73; LG Essen JW 1934, 1932 (1932 f. m. abl. Bespr. Kersting); krit. ThürOVG ThürRdsch 8 (1931), Sp. 403 (404). 364 Vgl. OLG Celle OLGRspr 12 (1906), 272; LG Posen PosMSchr 1908, 98; LG Berlin KGB1 1914,46; OLG Jena SächsThürArch 1935, 280; OLG Königsberg HRR 13 (1937), Nr. 1436. 365 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 2, S. 366, 519 f.; Schack RVerwBl 1934, 221 (223); Rabel RheinZ 10 (1919/20), 89 (93 ff.); Friedrichs ArchBürgR 42 (1916), 28 (79 f.); Hartmann Recht 1914, Sp. 221 ff.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
richte schwenkten erst nach und nach auf die Erkenntnis um, daß zur Heranziehung eine Rechtsfortbildung erforderlich sei 366 , und sprachen nunmehr von einer „öffentlich-rechtlichen GoA" 3 6 7 . Kritischen Stimmen aus der Literatur 368 , die den Anwendungsbereich der öffentlich-rechtlichen GoA auf wenige extrem gelagerte Ausnahmefälle beschränkt sehen wollen, sind in der Rechtsprechung nur bedingt auf Zustimmung bzw. Beachtung gestossen. Ansprüche aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag zählen nach wie vor zum gerichtlichen Prüfprogramm 369 .
b) Anwendungsbereich und Fallgruppen aa) Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlicher
und privatrechtlicher
GoA
Der Anwendungsbereich der Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht ergibt sich an erster Stelle aus der Abgrenzung zwischen öffentlichrechtlicher und privatrechtlicher, auftragsloser Geschäftsführung. Bei dieser Frage geht die Rechtsprechung getrennte Wege. Die früheren verwaltungsgerichtlichen Gerichtsentscheidungen haben auf die Rechtsnatur der Handlungen des Geschäftsführers abgestellt370. Heute gehen die meisten Verwaltungsge366
So allerdings bereits OVG Dresden Jahrb 5 ( 1903/04), 55 (56). BVerwG NJW 1956, 925; BVerwGE 27, 314 (318); 32, 279 (280); 48, 279 (285); VGH BW ESVGH 26, 151 (152 f.); NJW 1977, 1843; BayVGHE 23, 2 (3); 23, 108 (116); OVG Hamburg MDR 1951, 634 (635); HessVGH HessVGRspr 11 (1979), 81; OVG Lüneburg OVGE 11, 307 (312); 18, 384 (385); OVG NW Gemeinde 1962, 40; VerwRspr 22, 496 (503); NJW 1976, 1956. - Vgl. auch BVerfGE 18,429 (436). 368 Kritische Stimmen finden sich bereits bei Dr ews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 678 ff; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 95 ff; Sieg, in: FS Hauß, S. 335 (339); aus jüngerer Zeit vgl. Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 216 ff.; Schoch Jura 1994, 241 (249). 369 Vgl. nur die seit 1988 veröffentlichten Entscheidungen BVerwGE 80, 170 (172); 82, 215 (222); 82, 350 (351); 84, 257 (270); BVerwG NVwZ 1992, 264; NVwZ 1992, 672 (673); VGH BW NJW 1991, 2986; BayVGH BayVBl 1991, 597; BayVBl 1992, 213; NVwZ-RR 1992, 431; BayVBl 1993, 466; NVwZ-RR 1995, 86 (87); Buchholz 316 § 59 VwVfG Nr. 12 S. 12; NVwZ-RR 1996, 530; DÖV 1997, 76 (78 f.); OVG Hamburg GewArch 1992, 430 (431); NVwZ-RR 1995, 369 (370); HessVGH GemH 1989, 65; NVwZ-RR 1992, 624 (625); DÖV 1992, 752 (LS 2); OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; NVwZ 1991, 81; OVG NW NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 653; NWVB1 1996, 304; NWVB1 1998, 198; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; VG Köln NVwZ 1993, 806; BGH NVwZ 1990, 297; NJW 1990, 1604; NJW 1997, 1636; OLG Hamm NWVB1 1989, 218; FamRZ 1997, 1408(1409); OLG Köln NVwZ 1994, 618; BSG NJW 1991, 2373. 370 BVerwG NJW 1956, 925; VGH BW ESVGH 26, 151 (152 f.); OVG Lüneburg OVGE 11, 307 (312); 18, 384 (386); vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 680; Jellinek Verwaltungsrecht, S. 52 u. 240; Hamann NJW 1955, 481 367
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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richte 371 und neuerdings auch der BGH 3 7 2 davon aus, daß für eine öffentlichrechtliche oder privatrechtliche Qualifizierung der Rechtsbeziehung die Rechtsnatur des Geschäfts im Falle einer Vornahme durch den Geschäftsherrn selbst maßgeblich sei. Ist Geschäftsherr ein Verwaltungsträger, richte sich die öffentlich-rechtliche Qualifizierung danach, ob es sich bei der Eigengeschäftsführung um die Erledigung einer öffentlichen Aufgabe kraft öffentlichen Rechts gehandelt hätte oder ob verwaltungsprivatrechtlich vorgegangen worden wäre bzw. ob ein sog. fiskalisches Hilfsgeschäft vorgelegen hätte. Da eine Privatperson bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten ausschließlich in Formen des Privatrechts handeln kann, kommt man beim Abstellen auf die Rechtsnatur bei hypothetischer Geschäftsbesorgung durch den Geschäftsherrn zu dem Ergebnis, daß bei einer GoA eines Verwaltungsträgers für einen Privaten notwendig das betreffende Rechtsverhältnis dem Privatrecht zugerechnet werden müßte 373 . Die (frühere) zivilgerichtliche Rechtsprechung 374 nimmt demgegenüber stets eine privatrechtliche GoA an. Sie spaltet die Geschäftsführung durch einen Verwaltungsträger in die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe auf der einen Seite und die Geschäftsbesorgung für den Bürger auf der anderen Seite auf. Mit (482 f.); Tiedau DÖV 1952, 164 (165); wohl auch Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 77; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 107 ff. 371 BVerwG DÖV 1973, 490 (491); BayVGH BayVBl 1979, 621 (623); OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; OVG NW VerwRspr 22, 496 (503); vgl. auch Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 127; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 16; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 2; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 479 f.; Windthorst JuS 1996, 605 (608); Früh JuS 1995, 418 (420 f.); Blas JA 1989, 514 (515); Habermehl Jura 1987, 199 (201); Gusy JA 1979, 69 (69 f.); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (399); Klein DVB1 1968, 166 (169); Baur DVB1 1965, 893 (896). 372 BGH NJW 1997, 1636. 373 So deshalb der Befund bei BayVGH BayVBl 1979, 621 (623); vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 343; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 2, 5; Schack JZ 1966, 640 (641); a. A. von Einem NWVB1 1992, 384 (385). 374 RGZ 75, 276 (281); 113, 178 (180 f.); 150, 243 (245); BGHZ 30, 162 (167); 40, 28 (29); 63, 167 (169 f.); 65, 354 (357); NJW 1978, 1258 (1259); st. Rspr.; OLG Hamm NWVB1 1989, 218; LG Essen JW 1934, 1932 (1932 f.); davon abweichend bei der Abgrenzung zur Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit neuerdings BGH NJW 1997, 1636. - Zustimmernd Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117; den Standpunkt des BGH scharf kritisierend Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 5 u. 12; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 264; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 474; Joerges, in: AK-BGB, Vorb § 677 Rn. 38; Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (385); Oldiges JuS 1989, 616 (622); Habermehl Jura 1987, 199 (202); vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 13, die der Auffassung sind, diese Konstruktion widerspreche dem Gebot einer klaren Rechtsordnung zu einem Rechtsgebiet. Zur Rspr. vor 1950 vgl. bereits Kersting JW 1934, 1932 (1933). 8 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
dieser Zweiteilung wird der Verwaltungsmaßnahme eine Doppelnatur zugesprochen, um die „freiwillige Geschäftsführung" dem Privatrecht zuordnen zu können. Eine weitere verbreitete Abgrenzung stellt auf den jeweiligen Handlungszusammenhang der GoA ab 375 . Maßgeblich sei die Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergleitet werde 376 . Es wird als logische Konsequenz angesehen, wenn der sekundäre Aufwendungsersatz- oder Schadenersatzanspruch aus GoA rechtlich gleich zu qualifizieren sei wie die primäre Handlungspflicht des Verwaltungsträgers oder des Privaten. bb) Fallgruppen Die Geschäftsführung ohne Auftrag in öffentlich-rechtlichem Regelungszusammenhang ist Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen in vier verschiedenen Fallgruppen: (1) beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger 377, (2) beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten 378 , (3) beim Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger 379; 375 VGH BW NJW 1991, 2986; BayVGH VerwRspr 24, 542 (544); HessVGH GemH 1987, 264; VG Köln NVwZ 1993, 806; BSGE 6, 197 (199 f.); BSG NJW 1991, 2373; vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 199; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 41 f , 58 f , 85 f.; Wild VR 1998, 131 (135); Schoch Jura 1994, 241 (247); Oldiges JuS 1989, 616 (620); wohl auch Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 53; im Ansatz bereits Hamann NJW 1955, 481 (483); den Handlungszusammenhang nur in Zweifelsfällen bemühend Windihorst JuS 1996, 605 (608). 376 BGH NJW 1997, 1636; OLG Hamm FamRZ 1997, 1408 (1409); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 199. 377 Vgl. die Entscheidungen BVerwG NJW 1956, 925; BVerwGE 32, 279; BVerwG DÖV 1973, 490; NJW 1986, 2524; BVerwGE 84, 257; BVerwG NVwZ 1992, 264; Buchholz 316 § 59 VwVfG Nr. 12; VGH BW ESVGH 26, 151; NJW 1985, 2603; BayVGHE 23, 2; 23, 109; BayVGH BayVBl 1993, 466; DÖV 1997, 76; OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369; HessVGH NVwZ 1987, 822; NVwZ-RR 1992, 624; DÖV 1992, 752; OVG Lüneburg OVGE 18, 384; OVG NW VerwRspr 22, 496; NJW 1976, 1956; NJW 1986, 2526; BGHZ 40, 28; 63, 167; BGH NVwZ 1990, 297; NJW 1997, 1636; BSG NJW 1991,2373. 378 Vgl. die Entscheidungen BVerfGE 18, 429; VGH BW NJW 1991, 2986; BayVGH BayVBl 1979, 621; BayVBl 1991, 597; BayVBl 1992, 213; NVwZ-RR 1995, 86; OVG Hamburg MDR 1951, 634; HessVGH GemH 1989, 65; VG Köln NVwZ 1993, 806; BGHZ 65, 354; BGH BB 1986, 2289; NJW 1990, 1604; OLG Hamm NWVB1 1989,218. 379 Vgl. die Entscheidungen BVerwGE 27, 314; 48, 279; 80, 170 = NJW 1989, 922; E 82, 215; 82, 350; BVerwG NVwZ 1992, 672; VGH BW NJW 1977, 1843; BayVGH VerwRspr 24, 542; NVwZ-RR 1992, 431; OVG Hamburg GewArch 1992, 430; OVG Lüneburg OVGE 11, 307; Die Gemeinde SH 1990, 260; NVwZ 1991, 81; OVG NW NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12; NVwZ-RR 1996, 653; NWVB1 1996, 304; NWVB1 1998, 198; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; BGH NJW 1978, 1258; OLG Hamm FamRZ 1997, 1408; OLG Köln NVwZ 1994, 618.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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(4) in Rechtsprechung und Literatur diskutiert wird auch das Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen GoA beim Handeln eines Privaten für einen Privaten 380 . Letztere Fallgruppe findet in Gerichtsentscheidungen Erwähnung in der Konstellation, in der mehrere Private zugleich - etwa als Störer im polizeirechtlichen Sinne - öffentlich-rechtlich verpflichtet sind, aber nur einer von ihnen durch die Verwaltung in Anspruch genommen wird 3 8 1 . Die Qualifizierung der vermeintlichen Geschäftsführung ohne Auftrag als öffentlich-rechtliche wird dabei stets abgelehnt. Die Literatur diskutiert die öffentlich-rechtliche GoA zwischen Privaten auch im Zusammenhang mit der Erfüllung öffentlichrechtlicher Pflichten füreinander wie zum Beispiel der Schneeräumpflicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Satzung382.
c) Anwendung zivilrechtlicher Haftungsgrundsätze aa) Methodik Dem Allgemeinen Verwaltungsrecht sowie dem Staatshaftungsrecht läßt sich kein der privatrechtlichen GoA vergleichbares Rechtsinstitut entnehmen. Spezialgesetzliche Regelungen zum Aufwendungsersatz bei fremdnütziger Geschäftsführung ohne Auftrag sind nur vereinzelt anzutreffen und eher selten Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung gewesen. Zu nennen sind ζ. B. die Erstattungspflicht für Aufwendungen anderer bei Gewährung von Hilfe im Eilfall nach § 121 BSHG 3 8 3 sowie der Aufwendungsersatzanspruch für einen Feuerwehreinsatz gegen die Gemeinde, in deren Gebiet Hilfe geleistet worden
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Zur Literatur siehe Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 9; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 99 f , 114 ff. u. 202 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 16 ff.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 275, 282; Mühl, in: Soergel, BGB, Vorb § 677 Rn. 4; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 13; Hoepjfner, GoA in der Verwaltung, S. 166; Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (385); Blas JA 1989, 514 (515); Habermehl Jura 1987, 199 (200); Gusy JA 1979, 69 (72); Klein DVB1 1968, 166 (170). 381 Vgl. etwa die Entscheidungen BGH NJW 1981, 2457; NJW 1987, 187 (188 f.); OLG Düsseldorf NVwZ 1989, 993 (997); OLG Stuttgart ΝJW-RR 1996, 850. 382 Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 9; Schmidt, Staatsund Verwaltungsrecht, Rn. 275; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 282. 383 Vgl. hierzu etwa die Entscheidungen VGH BW, Urt. v. 23.4.1997 - 6 S 3302/95 = VGH BW RSpDienst 1997 Beil 7 Β 5; BayVGH BayVBl 1994, 49 (50 f.); sowie aus der Literatur Schellhorn/Jirasek/Seipp Bundessozialhilfegesetz, § 121 Rn. 1; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 12 Fn. 45; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 91; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 343; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 230. - Zur eher entfernten Verwandtschaft anderer sozialrechtlicher Vorschriften mit der GoA vgl. Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 86.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
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ist, oder gegen die Eigentümer des gemeindefreien Gebiets, auf dem der Einsatz stattgefunden hat, nach Art. 17 Abs. 3 S. 4 BayFwG 384 . Fehlen spezialgesetzliche Regelungen, stellt sich den Gerichten die Frage nach der Möglichkeit, die §§ 677 ff. BGB auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte anzuwenden. Eine verbreitete Auffassung geht in Anbetracht des Regelungsdefizits von der direkten Anwendung der §§ 677 ff. BGB auch bei öffentlich-rechtlicher GoA aus 385 , wobei es keinen Unterschied machen soll, ob die Geschäftsführung im Verhältnis zweier Verwaltungsträger zueinander 386, eines Verwaltungsträgers zu einem Privaten 387 oder umgekehrt 388 erfolge. Die weit überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung greift allerdings zur analogen Anwendung 389 . Gelegentlich wird angenommen, die GoA könne nur über „allgemeine Rechtsgedanken" ins Öffentliche Recht eingeführt werden 390 . Teilwei-
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VG Würzburg BayVBl 1996, 90 (90 f.). RGZ 75, 276 (283); 77, 193 (197); 102, 9 (10); BGHZ 40, 28 (30); 63, 167 (169 f.); 65, 354; BGH NJW 1978, 1258; NVwZ 1990, 297 (298); OLG Hamm NWVB1 1989, 218 (219); unklar insoweit BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); HessVGH GemH 1989, 65 (66); vgl. auch Drews/Wacke/Vogel/Mariens Gefahrenabwehr, S. 680. - Hierzu ausführlich Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 110 ff. 386 BGHZ 40, 28; BGH NJW 1978, 1258. 387 HessVGH GemH 1989, 65; BGHZ 63, 167; 65, 354; OLG Hamm NWVB1 1989,218. 388 BayVGH VerwRspr 24 ( 1973), 542; BGH NVwZ 1990, 297. 389 BVerfGE 18, 429 (436); BVerwGE 27, 314 (318); 32, 279 (280); 48, 279 (285); 80, 170 (172); VGH BW NJW 1977, 1843; NJW 1991, 2986 (2987); BayVGH NVwZRR 1996, 530 (531); DÖV 1997, 76 (78); OVG Hamburg MDR 1951, 634 (635); GewArch 1992, 430 (431); NVwZ-RR 1995, 369; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; NVwZ 1991, 81; OVG NW NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12 (13); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; VG Köln NVwZ 1993, 806 (806 f.); VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (620); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11 ; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 286; Suckow, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 39; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 128 f.; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 23; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4 Rn. 32; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 265; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 743; Baiiis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 280; Schäfer/Bonk StHG, § 15 Rn. 65; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 106; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (234); Habermehl Jura 1987, 199 (200, 202); Klein DVB1 1968, 166 (170); Baur JZ 1964, 354 (357); Hartmann Recht 1914, Sp. 221. 390 BayVGHE 23, 109 (117); OVG Hamburg MDR 1951, 634 (635); GewArch 1992, 430(431); BSGE 6, 197 (200); BSG FEVS 19, 104(107, 111); NJW 1991,2373; vgl. auch Mühl, in: Soergel, BGB, Vorb § 677 Rn. 4; Blas BayVBl 1989, 648 (649); Fleischfresser VR 1988, 305; Hurst DVB1 1965, 757 (759); Schack RVerwBl 1934, 221 (223); Jaschkowitz JW 1928, 1024 (1025); Friedrichs ArchBürgR 42 (1916), 28 (80: „Lehre von der GoA"). - Vgl. auch BVerwGE 82, 350 (351: „Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes des Verwaltungsrechts"); BayVGH BayVBl 1992, 213 (214: „Grundsätze"); BayVBl 1993, 466 („Grundsätze"); VG Würzburg BayVBl 1996, 90 („Grundsätze"). 385
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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se wird die Frage nach dem Wie der Rechtsfortbildung von den Gerichten offen gelassen391.
bb) Inhaltliche Begründung zur Übernahme der Legitimationsfunktion Bei der gesetzgeberischen Entscheidung über die Berechtigung des Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag wird bei deren Bejahung nicht nur als Rechtsfolge Aufwendungsersatz zugebilligt, sondern gleichzeitig das Tätigwerden im fremden Rechtskreis legitimiert. Nach den §§ 677 ff. BGB wird strikt zwischen berechtigter Geschäftsführung und Geschäftsanmaßung unterschieden (vgl. §§ 678, 687 BGB). Die zivilrechtlichen Vorschriften erfüllen neben der Ausgleichsfunktion also auch eine Legitimationsfunktion 392 . Bei der Frage nach der Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften über das Ausgleichsschuldverhältnis der GoA im Öffentlichen Recht wird daher entsprechend differenziert.
(1) Legitimation beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger Im Zivilrecht unterliegt es weitgehend der privatautonomen Entscheidungsfreiheit des Geschäftsherrn, ob er seine Geschäfte von Dritten erledigen lassen will und wenn ja, wann und von wem. Das gesetzliche Schuldverhältnis der GoA stellt mit seiner legitimierenden Wirkung somit gleichzeitig einen Eingriff in die Privatautonomie der mutmaßlichen Geschäftspartner dar. Das Ausgleichsschuldverhältnis entsteht, und der Geschäftsführer erhält seine Berechtigung erst kraft Gesetzes. Daß diese Legitimationsfunktion nicht ohne weiteres auf das Handeln der Träger öffentlicher Gewalt übertragbar ist, haben die Gerichte weitgehend erkannt. Wenn ein Verwaltungsträger für einen anderen Verwaltungsträger die Erledigung einer Aufgabe übernimmt, ohne von diesem dafür beauftragt zu 391
VGH BW NJW 1985, 2603 (2604); BayVGHE 23, 2 (3); BayVGH DÖV 1997, 76 (78 f.); OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370, siehe aber S. 369: Analogie); OVG Lüneburg OVGE 11, 307 (312); OVG NW VerwRspr 22, 496 (503); NWVB1 1996, 12 (13); NWVB1 1996, 304; NWVB1 1998, 198; vgl. auch Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 16; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 342; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 3; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 275; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 31; Bamberger JuS 1998, 706 (707); von Einem NWVB1 1992, 384 (386); Gusy JA 1979, 69; Menger VerwArch 69 (1978), 397. 392 Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 9; Schoch Jura 1994, 241 (242); Oldiges JuS 1989, 616 (621).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
sein und das Geschäft in öffentlich-rechtlichem Handlungszusammenhang besorgt, so soll er den Bindungen an Recht und Gesetz aus Art. 20 Abs. 3 GG unterliegen 393 . Der Vorrang des Gesetzes gelte insbesondere auch in Zuständigkeitsfragen. Die Verwaltungskompetenzen seien - von ganz wenigen unbeabsichtigten Ausnahmen abgesehen - eindeutig und ohne Überschneidungen voneinander abgegrenzt. Die Legitimation für den Übergriff eines unzuständigen Verwaltungsträgers in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Verwaltungsträgers widerspräche dem positivrechtlich normierten Kompetenzkatalog des Öffentlichen Rechts 394 . Die Entscheidungen stellen häufig klar, daß die „geschäftsführende" Behörde in rechtmäßiger Wahrnehmung ihrer Kompetenzen, die sich beispielsweise aus einer Eilzuständigkeit oder der Zuständigkeit für die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht ergeben, gehandelt habe 395 . An der Gesetzesbindung soll auch § 679 BGB nichts ändern können 396 . § 679 BGB enthält einen privatrechtlichen Bewertungsmaßstab, wonach ein der Geschäftsführung entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn unbeachtlich ist, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden würde. Diese qualifizierte Legitimierung von Übergriffen in fremde Rechtskreise soll nach der Rechtsprechung nicht ohne weiteres in das Öffentliche Recht übertragbar sein, da hier Aufgaben und Zuständigkeiten durch kompetenzbegründende und kompetenzbegrenzende Regelungen festgelegt" seien397. Mit jeder Verwaltungstätigkeit sei die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im öffentlichen Interesse bezweckt. Daher sei es allein Sache des zuständigen Verwaltungsträgers, bei der Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben das öffentliche Interesse zu definieren. Es genüge für eine Heranziehung des § 679 BGB im Öffentlichen Recht nicht, wenn die Erfüllung der Pflicht als solche im öffentlichen In393
VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); vgl. auch Joerges, in: AK-BGB, Vorb § 677 Rn. 39. 394 BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); BayVGHE 23, 2 (5); OVG NW NJW 1976, 1956; VG Würzbure BayVBl 1992, 121 (122); BGH NJW 1978, 1258 (1259); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 69; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 342; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 11; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4 Rn. 32, § 54 Rn. 23; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (243); von Einem NWVB1 1992, 384 (386); Oldiges JuS 1989, 616 (623); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Gusy JA 1979, 69 (70); a. A. Lorenz JZ 1992, 462 (464); Klein DVB1 1968, 166 (168). - Diese Erkenntnis anhand von Billigkeitserwägungen aufweichend OVG Hamburg NVwZ 1995, 369 (370, 373). 395 BVerwG NJW 1986, 2524; NVwZ 1992, 264; VGH BW ESVGH 26, 151 (153); BayVGHE 2 (3); BayVBl 1993, 466; OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370); HessVGH NVwZ 1987, 822 (823); OVG NW NJW 1976, 1956; NJW 1986, 2526; BGHZ 40, 28 (31); BGH NVwZ 1990, 297 (298); BSG NJW 1991, 2373. 396 VG Würzburg BayVBl 1992, 121 ( 122). 397 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); a. A. scheinbar HessVGH NVwZ-RR 1992, 624 (625).
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teresse liege, vielmehr müsse auch das Eingreifen des Geschäftsführers anstelle des Geschäftsherrn im Einzelfall im öffentlichen Interesse liegen 398 . Einzig der BayVGH 3 9 9 hat in zwei Entscheidungen eine legitimierende Wirkung der Heranziehung der §§ 677 ff. BGB im Öffentlichen Recht explicit anerkannt bzw. für möglich gehalten. In einem Fall hatte ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe fälschlicherweise Leistungen zur Hilfe in besonderen Lebenslagen anstelle des örtlichen Trägers der Sozialhilfe erbracht 400. Hier hielt der BayVGH die Aufgabenwahrnehmung durch einen unzuständigen Träger öffentlicher Gewalt wegen der bestehenden Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit des überörtlichen Trägers für gerechtfertigt 401. In einer anderen Entscheidung hatte eine Stadt ohne gesetzliche Ermächtigung Beleuchtungsanlagen an Bundes- und Landstraßen außerhalb der festgesetzten Ortsdurchfahrtsgrenzen aufgestellt und vom Land Aufwendungsersatz wegen Geschäftsführung ohne Auftrag begehrt 402 . Das „Geschäft" des Landes sollte sich aus der Verkehrssicherungspflicht für die öffentlichen Straßen ergeben. Da im konkreten Fall die Pflicht, Straßenlampen aufzustellen, nicht eindeutig zu entscheiden gewesen sei und die Straßenbaubehörde einen Ermessensspielraum für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht gehabt habe, wurde die Durchbrechung des Zuständigkeitsgefüges jedoch als unzulässig angesehen403. Unverständlich erscheint im Zusammenhang mit der Frage nach der Ersetzung einer öffentlich-rechtlichen Kompetenzvorschrift durch die Heranziehung der §§ 677 ff. BGB eine Entscheidung des OVG N W 4 0 4 , in welcher zwar zunächst die originäre eigene Zuständigkeit der handelnden Behörde festgestellt wird, dann aber - quasi in einem obiter dictum - die Zulässigkeit von Ausnahmen von den zwingenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf übergeordnete Allgemeininteressen diskutiert wird. Sei ein Tätigwerden zur Abwendung einer drohenden Gefahr für die Allgemeinheit dringend erforderlich, könne der nicht zuständigen Behörde ein Beschreiten des gerichtlichen Instanzenzugs nicht zugemutet werden. Bei solcher Sachlage sei „der Abwendung einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit der Vorzug zu geben vor der strikten Einhaltung gesetzlicher Zuständigkeitsregelungen und damit die Möglichkeit einer Geschäftsführung ohne Auftrag anzuerkennen" 405.
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BayVGHE 23, 2 (5). BayVGHE 23, 2 (3 ff.); 23, 109 (112 ff.). - Unklar OVG Lüneburg OVGE 18, 384 (386 f.). 400 BayVGHE 23, 109 (112 ff.). 401 BayVGHE 23, 109 (115 f.). 402 BayVGHE 23, 2. 403 BayVGHE 23, 2 (6). 404 OVG NW NJW 1976, 1956. 405 OVG NW NJW 1976, 1956 f. 399
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Klarstellend hat das OVG Hamburg 406 ausgeführt, daß die Legitimation zum Tätigwerden unter „normalen" Umständen keiner Zuhilfenahme der bürgerlichrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in §§ 677 ff. BGB bedürfe, sondern sich bereits aus dem Öffentlichen Recht selbst ergebe. Eine staatliche Stelle werde im hoheitlichen Handlungszusammenhang grundsätzlich bereits in gesetzlichem Auftrag tätig, für welchen öffentlichrechtliche Aufgaben- und Befugnisnormen maßgeblich seien. Offensichtlich mißt die Rechtsprechung im großen und ganzen der Anwendung der Vorschriften der §§ 677 ff. BGB beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger keine legitimierende Funktion zu.
(2) Legitimation beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten Die Gerichte sind uneinig darüber, ob eine Geschäftsführung ohne Auftrag eines Verwaltungsträgers für eine Privaten anerkannt werden kann. Die zivilgerichtliche Rechtsprechung hat die Problematik, die in dem meist fehlenden Bedürfnis nach einer Legitimation des Verwaltungshandelns durch die Einführung der öffentlich-rechtlichen GoA liegt, durchaus erkannt. Der Vorbehalt des Gesetzes markiert im Verhältnis der Verwaltung zum Privaten Grund und Grenze staatlichen Handelns. Jede Befugnisnorm, von der die Verwaltung Gebrauch macht, legitimiert das staatliche Handeln. Im Bürgerlichen Recht ist zur Geschäftsführung ohne Auftrag nur legitimiert, wer ein Geschäft nicht bloß als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes besorgt 407 . Voraussetzung ist eine bewußte und willentliche Fremdgeschäftsführung (§ 687 BGB) sowie das Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts 408. Die Rechtsprechung hat bei Feuerwehreinsätzen 409 festgestellt, daß die Brandbekämpfung oder Vorbeugung nach objektiven Kriterien in den Rechtskreis des Eigentümers eingreift, der zur Instandhaltung und Bewahrung seines Eigentums vor Brandschäden primär selbst verantwortlich ist. Trotz gesetzlicher Ermächtigung erfolge der Übergriff aber auch im objektiven Interesse des Eigentümers der durch das Feuer bedrohten Rechtsgüter oder des schadenersatzpflichtigen Brandstifters 410. Daß die Eigentümer bzw. der Brandstifter 406 OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370, 373); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 64; Schoch Jura 1994, 241 (243); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Klein DVB1 1968, 166 (167). 407 Thomas, in: Palandt, BGB, § 677 Rn. 3. 408 Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 267; Oldiges JuS 1989, 616 (621 ). 409 Löschen eines Brandes OVG NW NJW 1986, 2526; BGHZ 40, 28; OLG Hamm NWVB1 1989, 218; Stellen einer Feuersicherheitswache BayVGH BayVBl 1991, 597. 4,0 Vgl. OLG Hamm NWVB1 1989, 218.
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möglicherweise kein Interesse daran haben, daß das (gelegte) Feuer gelöscht wird, ändere an dieser objektiven Beurteilung nichts. Die Annahme einer - objektiv vorliegenden - Fremdgeschäftsführung sei auch nicht allein dadurch gehindert, daß der Geschäftsführer bei der Übernahme des Geschäfts zugleich eigene Interessen mitverfolge 411 . Neben der eher unproblematischen Feststellung, daß ein objektiv fremdes Geschäfts vorliege - gegen die sich nur wenige verwaltungsgerichtliche Entscheidungen wenden 412 - , waren bei öffentlich-rechtlicher GoA auf der subjektiven Seite, beim Willen und Bewußtsein ein fremdes Geschäft zu fuhren, erst einige Hindernisse zu überwinden. Der BGH 4 1 3 kreierte daher eigens für öffentlich-rechtliche Handlungszusammenhänge das Konstrukt des „auch-fremden" Geschäfts und verweist dabei auf eigene Vorgängerentscheidungen 414. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, daß auch diese die auftragslose Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten betrafen. In der älteren der beiden angeführten Entscheidungen415 war der Kläger von Seiten der Bauaufsichtsbehörde als Störer zu einer Gefahrenbeseitigung herangezogen worden, zu der auch der Beklagte verpflichtet war. In dem späteren der zitierten Urteile 416 hatte das Versorgungsamt für den verschollen geglaubten Vater eines Kindes eine öffentlich-rechtliche Versorgungspflicht übernommen. Letztere Entscheidung versteht sich wiederum als Fortführung einer reichsgerichtlichen Rechtsprechung 417 . Dem dort zitierten Judikat lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein Anspruch des „Fiskus" gegen zwei Privatpersonen, die für den Brand des Bonifatius-Doms in Fulda verantwortlich waren, auf GoA gestützt wurde, obwohl die Stadt öffentlich-rechtlich zur Wiedererrichtung verpflichtet war. Diese Entscheidung des RG verweist wiederum 418 auf frühere Entscheidungen mit jeweils öffentlich-rechtlichem Handlungszusammenhang und einem Verwaltungsträger als ersatzberechtigtem Geschäftsführer, in denen das „auch-
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Vgl. u. a. BVerwG NJW 1989, 922 (923); VGH BW NJW 1977, 1843; OVG Hamburg GewArch 1992, 430 (431); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; OVG NW NJW 1976, 1956; NWVB1 1996, 12 (13); BSG NJW 1991, 2373; vgl. auch Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 8; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 395; Schoch Jura 1994, 241 (247); Schreiber Jura 1991, 155 (156); Oldiges JuS 1989, 616 (621 f.). 412 BVerwG NVwZ 1992, 264; VGH BW NJW 1985, 2603 (2604); OVG NW NJW 1986, 2526; vgl. auch Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 35 ff.; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 412; Ehmann, in: Erman, Vorb § 677 Rn. 9; Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (387). 413 So erstmals ausdrücklich 1963 im sog. „Funkenflug-Fall", BGHZ 40, 28 (31) und erneut 11 Jahre später im „Tankwagen-Fall", BGHZ 63, 167 (169). 414 BGHZ 16, 12; 30, 162. 415 BGHZ 16, 12. 416 BGHZ 30, 162. 4.7 RGZ 82, 206. 4.8 RGZ 82, 206 (215).
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
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fremde" Geschäft und der öffentlich-rechtliche Charakter der GoA freilich nicht explicit erörtert wird 4 1 9 . Mit der Konstruktion des „auch-fremden" Geschäfts meint die Rechtsprechung, daß man selbst dann noch einen Fremdgeschäftsführungswillen annehmen könne, wenn das Geschäft sowohl in den Pflichten- und Aufgabenkreis des Handelnden als auch in den eines anderen falle 420 und schließt daran notwendigerweise eine Diskussion über die Anforderungen an die Beweislast für den Fremdgeschäftsführungswillen an 421 . In concreto bedeutet diese Rechtsprechung, daß immer dann, wenn ein objektiv fremdes Geschäft vorliege, eine GoA soll angenommen werden können. Der Fremdgeschäftsführungswille werde in diesem Fall vermutet 422 . Erstaunlich erscheint hierbei nur, daß die Legitimation einer Fremdgeschäftsführung durch die Annahme eines „auch-fremden" Geschäfts beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger von den Gerichten vielfach abgelehnt wird 4 2 3 und daß dieser
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RGZ 75, 276; 77, 193; RG JW 1911, 992; JW 1912, 81 (82). BVerwG NVwZ 1992, 672 (673); BayVGH BayVBl 1979, 621 (623); 1993, 466 (467 f.); OVG NW NJW 1976, 1956; BGHZ 40, 28 (30 f.); 63, 167 (170); 65, 354 (357); BGH NJW 1978, 1258; BB 1986, 2289 (2290); OLG HammNWVBl 1989, 218; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 17; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 267; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 115 f.; Mühl, in: Soergel, BGB, § 677 Rn. 4; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 110; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 31 f., 73; Schreiber Jura 1991, 155; Blas BayVBl 1989, 648 (650); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400 m. Fn. 14); Baur DVB1 1965, 893 (894); ders. JZ 1964, 354 (357). - Auch OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81, das die Anforderungen an das „auch-fremde" Geschäft aber verschärfen will. 421 BGHZ 40, 28 (31); 63, 167 (170); 65, 354 (357) sowie aus der Literatur Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117, die den Fremdgeschäftsführungswillen bei Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts vermuten, und demgegenüber OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; OVG NW NJW 1976, 1956; BayOLGZ 1968, 200 (204 f.); LG Frankfurt NJW 1977, 1924 (1925); LG München NJW 1978, 48 sowie aus der Literatur Schwark JuS 1984, 321 (325); Rödder JuS 1983, 930 (931); Schubert NJW 1978, 687 (688), die Anhaltspunkte fordern, die auf einen Willen zur Fremdgeschäftsfuhrung hindeuten, die der Handelnde notfalls zu beweisen habe. Das OVG NW (aaO.) fordert sogar, daß dieser Wille zweifelsfrei erkennbar sein müsse. 422 BayVGH BayVBl 1993, 466 (467 f.); OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482 (483); BGHZ 40, 28 (31); 65, 354 (358); BGH BB 1986, 2289 (2290); OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (373); BSG NJW 1991, 2373; vgl. auch Müller, Schuldrecht BT, Rn. 1890 f.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb 3 677 Rn. 46; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); a. A. OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81. - Ausführlich zu verschiedenen Konstellationen der „Auch-Gestion" in zivilrechtlichen Konstellationen, wobei der öffentlich-rechtliche Bezug des Fuldaer Dombrandfalls ausgeblendet wird, Martinek/Theobald JuS 1997, 805 (807 ff.). 423 BVerwG NVwZ 1992, 264; VGH BW ES VGH 26, 151 (153); NJW 1986, 2603 (2604); BayVGHE 2 (3); BayVBl 1993, 466; OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370); OVG NW NJW 1986, 2526. - Α. A. OVG NW NJW 1976, 1956; BGHZ 40, 28 (31); BSG NJW 1991, 2373 sowie in der dritten Fallgruppe einer Geschäftsführung ei420
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Selbstwiderspruch in der zweiten Fallgruppe nicht weiter Beachtung findet. Auch bei Drittbeteiligungsfällen scheint die Rechtsprechung keine Schwierigkeiten zu haben, die öffentlich-rechtliche GoA am fehlenden Willen zur Fremdgeschäftsführung scheitern zu lassen424. Der Legitimation der öffentlichrechtlichen GoA mithilfe des „auch-fremden" Geschäfts widersprechen trotzdem nur vergleichsweise wenige Gerichtsentscheidungen 425. Die Schwierigkeiten bei der Transformation der Legitimationsfunktion des privatrechtlichen Rechtsinstituts der GoA ins Öffentliche Recht sowie die unterschiedlichen Interessenlagen zwischen der zivilrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen GoA zeigen sich auch bei der Beleuchtung des Tatbestandsmerkmals der Auftragslosigkeit als Konstitutivum fur das Bedürfnis nach einer gesetzlichen Legitimation über die Grundsätze der GoA. Nach § 677 BGB ist eine Geschäftsführung „ohne" Auftrag ausschließlich in dem Fall gegeben, wenn der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn nicht zur Geschäftsbesorgung beauftragt ist und auch sonst keine Berechtigung zur Führung des fremden Geschäfts hat. Das VG Würzburg 426 läßt keinen Zweifel daran, daß in einer genes Privaten für einen Verwaltungsträger OVG NW NWVB1 1996, 304; NWVB1 1998, 198. 424 BVerwGE 27, 314 (319); 48, 279 (285 f.). 425 BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); VGH BW NJW 1985, 2603 (2604 f.); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); OLG Koblenz NJW 1992, 2367 (2368). Zur breiten Ablehnung in der Literatur vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 12; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Brox, Besonderes Schuldrecht, Rn. 365; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 622; ders, Bürgerliches Recht, Rn. 414; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 39; Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 15 ff.; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 9; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 471 ff.; Schoch Jura 1994, 241 (245, 248); von Einem NWVB1 1992, 384 (387 f.); Lorenz JZ 1992, 462 (463); Oldiges JuS 1989, 616 (622); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Sieg, in: FS Hauß, S. 335 (336); Stecken DVB1 1971, 243 (246). - Vgl. bereits Hartmann Recht 1914, Sp. 221 (223 f.), der die Annahme eines „auch-fremden" Geschäfts unter Hinweis auf § 687 Abs. 1 BGB zutreffend ablehnt; sinngemäß auch Jaschkowitz JW 1928, 1024 (1025). «6 V G v/ürzburg BayVBl 1992, 121 (122); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 17; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 14; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 251, 275; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277, 281; Mühl, in: Soergel, BGB, Vorb § 677 Rn. 9; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 108; Pesch Jura 1995, 361 (366 f.); Schoch Jura 1994, 241 (244, 248); von Einem NWVB1 1992, 384 (388); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Gusy JA 1979, 69 (71); Hurst DVB1 1965, 757 (759); Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 268, der allerdings von einer „Geschäftsführung kraft besonderer Gestattung" ausgeht, auf welche die §§ 677 ff. BGB wegen vergleichbarer Interessenlage gleichwohl anwendbar seien. - Baur DVB1 1965, 893 (894) blendet daher die Legitimationsfunktion der GoA gänzlich aus und hebt sofort auf die Berechtigung der Anwendung in Bezug auf die Ausgleichsfunktion ab; zweifelnd Martinek/Theobald JuS 1997, 992 (997).
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setzlichen Ermächtigung zum Übergriff in den fremden Rechtskreis immer eine sonstige Berechtigung i. S. d. § 677 BGB liege. Um so verwunderlicher scheint es, daß dieses elementare Wesensmerkmal der GoA, die Auftragslosigkeit wie das Merkmal der Freiwilligkeit der Geschäftsübernahme durch die Verwaltung 427 - , bei der öffentlich-rechtlichen GoA eines Verwaltungsträgers für einen Privaten von den Gerichten weitgehend ignoriert wird 4 2 8 . Der BayVGH 4 2 9 setzt sich in einer Entscheidung mit dem Problem zwar auseinander, deutet das Tatbestandsmerkmal der sonstigen Berechtigung jedoch - wohl zum Zwecke seiner Umgehung 430 - in eine „willentliche Inanspruchnahme" um. Wird das Merkmal der Auftragslosigkeit in anderen Entscheidungen zur öffentlich-rechtlichen GoA geprüft, lehnen die Gerichte die Annahme einer Geschäftsführung „ohne" Auftrag wie selbstverständlich und ohne weitere Umschweife ab 431 . Lediglich einmal Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung war der Fall, daß dem Verwaltungsträger für den Eingriff in die Rechte des Bürgers eine gesetzliche Legitimation fehlte. Das VG Köln 4 3 2 Schloß hier ausdrücklich aus, daß der Übergriff in den Rechtskreis des Privaten mit der Heranziehung der §§ 677 ff. BGB im Öffentlichen Recht gerechtfertigt werden könne. Das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Bürger unterliege dem Vorbehalt und dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage könne „nicht durch eine analoge Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag überspielt werden." Der Verwaltungsträger dürfe gegenüber dem Bürger nur im Rahmen der ihm durch öffentlich-rechtliche Spezialgesetze zugewiesenen Aufgaben tätig werden. Er bedürfe einer ausdrücklichen Befugnisnorm.
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Hierzu lediglich die Literatur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Schoch Jura 1994, 241 (245, 248); Oldiges JuS 1989, 616 (622). 428 Martinek/Theobald JuS 1997, 992 (998) sprechen daher von „zweifelhaften Billigkeitserwägungen", um der öffentlichen Hand einen Kostenschuldner zu verschaffen. 429 BayVGH BayVBl 1979, 621. 430 Von der öffentlich-rechtlichen GoA als Mittel der „Umgehung positivierten Öffentlichen Rechts" spricht ebenfalls Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 55. 431 BGH NJW 1990, 1604 (1605); vgl. auch OVG NW NJW 1986, 2526. 432 VG Köln NVwZ 1993, 806 (807); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 14, 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 97, 164 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 5; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 31; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 269; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 400; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 679; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (244 f.); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Würtenberger NVwZ 1983, 192 (193 f.); Gusy JA 1979, 69 (71); a. A. offensichtlich BayVGH NVwZ-RR 1992, 431 (432); NVwZ-RR 1996, 530 (531).
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(3) Legitimation beim Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger Im Bereich des Öffentlichen Rechts ist dem Bürger untersagt, ohne besondere Berechtigung bzw. ohne besonderen Auftrag Verwaltungsaufgaben wahrzunehmen. Daher stellt die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung fest, daß für eine Legimation des Übergriffs eines Privaten in den Bereich des Verwaltungshandelns mittels des privatrechtlichen Instituts der Geschäftsführung ohne Auftrag in der Kompetenzordnung des Öffentlichen Rechts grundsätzlich kein Platz sei 433 . Die Staatsgewalt werde von besonderen Organen, u. a. der vollziehenden Gewalt ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Nach dieser verfassungsrechtlichen Vorgabe hätten die Gesetzgeber ein Aufgaben- und Kompetenzgefüge mit der Aufteilung von Zuständigkeiten und Befugnissen an jeweils einzelne Träger öffentlicher Verwaltung geschaffen. Der Bürger sei hierbei nicht zur Ausübung von Staatsgewalt berufen. Um für einen Verwaltungsträger tätig werden zu können, bedürfte der Bürger im Bereich der hoheitlichen Verwaltung besonderer Kompetenzen - wie beispielsweise zum Erlaß von Gesetzen oder Verwaltungsakten - , die er nicht hat. Die Gerichte lehnen eine Legitimation einer auftragslosen Geschäftsfühung eines Privaten für einen Träger öffentlicher Gewalt jedoch auch bei schlichthoheitlichem Verwaltungshandeln ab. Auch hier sei die Verwaltung Bindungen unterworfen, die einen Privaten nicht träfen. Wäre die GoA eines Privaten für einen Verwaltungsträger in öffentlich-rechtlichem Handlungszusammenhang grundsätzlich legitimiert, so würden die Vorschriften über die Aufgabenzuweisung, die Wahrnehmungszuständigkeiten und nicht zuletzt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unterlaufen sowie bei belastenden Rechtswirkungen gegenüber Dritten der Vorbehalt des Gesetzes434. Ist der Verwaltung bei ihrer Aufgabenerfüllung ein Ermessensspielraum eingeräumt, so könne der „Geschäftsherr" grundsätzlich nicht ausgetauscht werden 435 . Die Berechtigung 433 BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (545); HessVGH GemH 1987, 264; OVG NW NWVB1 1990, 99; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); vgl. auch Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 140 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 15; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 26; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); Fleischfresser VR 1988, 305 (306 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (203); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); so wohl bereits Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 2, S. 518; a. A. Klein DVB1 1968, 166 (170). 434 OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 141; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 266; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas BayVBl 1989, 648 (651); dies. JA 1989, 514 (515); Fleischfresser VR 1988,305 (306,307). 435 VGH BW NJW 1977, 1843; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); NVwZ 1991, 81 (82); vgl. auch Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235).
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
zur Ausfüllung des Handlungsspielraums drohe leerzulaufen, dürfe der Bürger ohne weiteres das Ermessen im Wege einer Fremdgeschäftsführung ohne Auftrag selbst betätigen 436 . Aus diesen Gründen sei es dem Bürger prinzipiell versagt, zur Selbsthilfe zu greifen. Es sei ihm nicht gestattet, die zuständige Behörde aus ihrem Verantwortungsbereich zu verdrängen und darüberhinaus sogar die Kostenlast bei derselben zu belassen, sie unüberschaubaren finanziellen Belastungen auszusetzen437. Die Gerichte verweisen auf den Vorrang des Primärrechtsschutzes 438. Habe der Bürger einen begründeten Anspruch gegen einen Hoheitsträger und bleibe die Behörde untätig, so sei der von der Untätigkeit der Verwaltung Betroffene darauf angewiesen, seine Rechtsschutzmöglichkeiten, notfalls unter Zuhilfenahme der Instrumentarien des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a, 123 VwGO) auszuschöpfen. Dies gelte im besonderen dann, wenn die Selbsthilfe des Bürgers mit einem Eingriff in Rechte Dritter verbunden wäre. Trotz aller dieser Bedenken, ist nach der Rechtsprechung die Legitimation eines Übergriffs von Privaten in den öffentlich-rechtlichen Zuständigkeitsbereich der Verwaltung nicht gänzlich ausgeschlossen. Die Berechtigung zur Geschäftsführung soll allerdings nur dann gegeben sein, wenn die Einhaltung der geschilderten Grenzen nicht vermeidbar sei. Dies sei in echten Notsituationen der Fall 4 3 9 , in denen die zuständige Behörde nicht rechtzeitig hätte erreicht wer436 BVerwG NJW 1989, 922 (923); VGH BW NJW 1977, 1843; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); NVwZ 1991, 81 (82); OVG NW NVwZ-RR 1996, 653; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); BGH NJW 1978, 1258 (1259); vgl. auch Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 18; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 27 f.; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 53; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (650); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); Freund JZ 1975, 513 (515 f.). 437 OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 92; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 53, 87 f.; Habermehl Jura 1987, 199 (203 f.); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400). 438 BVerwGE 80, 170 (175) = NJW 1989, 922 (923); BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81 (82); vgl. auch Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 280; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas BayVBl 1989, 648 (651); Fleischfresser VR 1988, 305 (306, 307); Gusy JA 1979, 69 (71); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400). 439 VGH BW NJW 1977, 1843; BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); BayVBl 1979, 621 (623); HessVGH GemH 1987, 264; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 92; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 15; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 7; Sei-
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den können und dem privaten Fremdgeschäftsführer, falls die Behörde ein Tätigwerden trotz Dringlichkeit verweigere, ein Ergreifen von Rechtsschutzmöglichkeiten aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich gewesen sei. Diese Stringenz hat die Rechtsprechung indes nicht immer aufrechterhalten. Gelegentlich wurden Aufweichungen der aufgezeigten Anforderungen an die Eilbedürftigkeit zugelassen und als ergänzendes Legitimationskriterium eine Abwägung zwischen dem Interesse der Behörde, die Maßnahme selber auszuführen, und dem Interesse des Bürgers - insbesondere wenn es um den Schutz individueller Rechtsgüter wie Gesundheit oder Eigentum gehe - , daß die Handlung sofort vorgenommen werde, gebilligt 440 . Das öffentliche Interesse muß sich nach Auffassung der Gerichte in diesen Situationen gerade darauf erstreckt haben, daß die Aufgabe durch den privaten Geschäftsführer wahrgenommen werde 441 . Eine weitere Ausnahme machen die Gerichte in den Fällen, in denen der Verwaltungsträger die Aufgabenerfüllung verweigert 442 . Auch hier sei die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe durch den Privaten gerechtfertigt. Mit diesem Sonderfall soll dem Umstand Rechnung getragen werden, daß es unbillig erschiene, wenn sich die Verwaltung durch eine Weigerung zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben aus der Kostenverantwortung stehlen könnte. In den beiden von der Rechtsprechung insoweit entschiedenen Fällen 443 weichen die Gerichte von der Rechtsprechung ab, in welcher der Vorrang des Primärrechtsschutzes proklamiert wird 4 4 4 . In dem einen Sachverhalt hatte ein priler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 25; Ehmann, in: Erman, Vorb § 677 Rn. 26; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277, 280; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 57; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); Fleischfresser VR 1988, 305 (307 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (203 f.); Gusy JA 1979, 69 (71); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400 f.); Freund JZ 1975, 513 (515). 440 BVerwGE 80, 170 (174) = NJW 1989, 922 (923); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; vgl. auch Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 344; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 57; Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (650); krit. hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Schoch Jura 1994, 241 (246). 441 So das zusätzliche Erfordernis für die Legitimation der GoA bei BVerwGE 80, 170 (174) = NJW 1989, 922 (923); OVG NW NVwZ-RR 1996, 653; vgl. auch Schoch Jura 1994, 241 (246); Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (651); ähnlich OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); für einen Fall des Tätigwerdens eines Verwaltungsträgers für einen Privaten BayVGH NVwZ-RR 1995, 86 (87) bzw. eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger BayVGHE 23, 2 (5). 442 BVerwGE 80, 170 (175) = NJW 1989, 922 (923); OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); BGH NJW 1978, 1258; vgl. auch Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 175; a. A. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11. 443 BVerwGE 80, 170 = NJW 1989, 922; BGH NJW 1978, 1258. 444 Siehe oben Fn. 438.
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2. Kap. : Analyse der Rechtsprechung
vater Freibadbetreiber einen Schutzwall errichtet, weil eine verbreiterte Autobahn die Sicherheit und Gesundheit der Badegäste gefährdete und verlangt nun vom eigentlich zuständigen Bund Aufwendungsersatz 445. In dem anderen hatte ein Industrieunternehmen selbständig ein Uferdeckwerk am Westufer der Weser neu anlegen lassen, weil der Deichverband und der Bund als Träger der Unterhaltungslast der Wasserstraße trotz akuter Gefährdung der Deichsicherheit wegen Zuständigkeitsstreitigkeiten nicht aktiv geworden sind 446 . In beiden Fällen hätte der zuständige Verwaltungsträger jedoch im Wege primären Eilrechtsschutzes mit einem Antrag auf Erlaß einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO zur letztendlich vom Privaten ausgeführten Handlung verpflichtet werden können 447 . Das BVerwG 4 4 8 ist indessen der Auffassung, daß der Vorrang des Primärrechtsschutzes nicht immer eingreife, weil dem Führen eines objektiv fremden Geschäfts nicht notwendigerweise subjektive Leistungsansprüche des Fremdgeschäftsführers gegenüberstehen müßten.
cc) Inhaltliche Begründung zur Übernahme der Ausgleichsfunktion (1) Ausgleich beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger Besteht offensichtlich in der Rechtsprechung kein Bedürfnis, das Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger mittels Übertragung der zivilrechtlichen Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag zu legitimieren, könnte sich die Übernahme nur durch die Anwendung der Ausgleichsfunktion des Rechtsinstituts rechtfertigen. Wie bei der Legitimationsfunktion sehen die Gerichte zum Teil auch hier Schwierigkeiten, den Ausgleichsanspruch in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang einzupassen. Mit Blick auf den Vorrang des Gesetzes seien die Grundsätze über die GoA im Öffentlichen Recht nicht anwendbar, „soweit die gesetzlichen Regelungen über den Finanzausgleich sie ausschließen"449. Die Kostentragungspflicht ergebe sich aus dem Öffentlichen Recht selbst. Die Kosten einer Maßnahme, die ein Verwaltungsträger bei der Ausführung habe, seien grundsätzlich 445
BGH NJW 1978, 1258. BVerwGE 80, 170 = NJW 1989, 922. 447 Im Fall des BVerwG (E 80, 170 = NJW 1989, 922) war der Primärrechtsschutz jedoch zusätzlich erschwert, da sich zwei Verwaltungsträger uneinig waren, wer für die Gefahrenbeseitigung zuständig sei. Nichtsdestotrotz hätte der Private - wie im späteren Prozeß um den Aufwendungsersatzanspruch - zur Vermeidung etwaiger Nachteile gegen beide für die Aufgabenwahrnehmung in Frage kommenden Verwaltungsträger klagen können. 448 BVerwGE 80, 170 (175 f.) = NJW 1989, 922 (924). 449 HessVGH NVwZ 1987, 822 (823). 446
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an die Verwaltungszuständigkeit gebunden450. Ausgehend von der grundgesetzlichen Regelung des Art. 104 a Abs. 1 GG solle jeder Verwaltungsträger anhand seiner Verwaltungskompetenzen die auf ihn zukommende Kostenbelastung selbst steuern und abschätzen können. Dadurch werde nicht zuletzt seine durch Zuständigkeitsregeln klar abgegrenzte Entscheidungs- und Handlungszuständigkeit geschützt451. Die Verwaltungsträger hätten insoweit in gewissen Maßen eine Dispositionsfreiheit über ihren Haushalt. Dies gelte insbesondere, wenn die Geschäftsbesorgung für einen anderen Verwaltungsträger zulässigerweise oder unzulässigerweise ein Entschließungs- oder Auswahlermessen beschneide. In diesem Fall läge sie nur in Ausnahmefällen im Interesse der „Geschäftsherrnbehörde". Daher bestünde bei einer Transformation der Ausgleichsfunktion der GoA die Gefahr, daß auf einen Verwaltungsträger nicht oder zumindest so nicht gewollte Kosten überwälzt würden 452 . Die Rechtsprechung versagt jedoch nicht in jedem Fall Ausgleichsansprüche aus öffentlich-rechtlicher GoA im Verhältnis eines Verwaltungsträgers zu einem anderen Verwaltungsträger. Bei der Beurteilung der Heranziehbarkeit der Ausgleichsfunktion differenzieren die Gerichte je nach Verhältnis der kompetenziellen Zuständigkeit beider Verwaltungsträger für die Aufgabenerfüllung. Einen seltenen Fall echter Doppelzuständigkeit, bei dem mehrere Verwaltungsträger gleichsam für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zuständig waren, hatte das OVG N W 4 5 3 zu entscheiden. Das OVG billigte einem Landkreis die Hälfte der Kosten für die Reparatur einer Stützmauer zu, die einer Kreisstraße zur Uferbefestigung eines Bachlaufes diente. Die Pflicht des Kreises ergab sich aus dem Straßenrecht (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 StrG NW). Zur Zahlung verurteilt wurde ein Verband, dessen Pflicht zur Gefahrenbeseitigung sich aus wasserrechtlichen Vorschriften (§ 47 Abs. 1 und 2 WG NW) ergab. Der Ausgleichsanspruch wird begründet über die öffentlich-rechtliche GoA, die Halbierung der Kostentragungslast gestützt auf die „Anwendung des in § 426 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltenen, auch für die öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag maßgeblichen Rechtsgedankens"454. 450
BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); vgl. auch BVerwGE 44, 351 (365); BayVGH NVwZ 1993, 794 (795); Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 207; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 38; Schoch Jura 1994, 241 (243). 451 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); BayVGHE 23, 2 (6); OVG Hamburg NVwZRR 1995, 369 (370); vgl. auch Schoch Jura 1994, 241 (243); Gusy JA 1979, 69 (70). 452 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); BayVGHE 23, 2 (6); BayVGH BayVBl 1993, 466 (467); BGH NJW 1978, 1258 (1259); vgl. auch Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 18; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 24; Schoch Jura 1994, 241 (243); Blas JA 1989, 514 (515 f.); dies. BayVBl 1989, 648 (650); Gusy JA 1979, 69 (70); dies verkennend BayVGH DÖV 1997, 76 (79). 453 OVG NW NJW 1976, 1956; hierzu Gusy JA 1979, 69 (70). - Auch OVG Lüneburg OVGE 18,384. 454 OVG NW NJW 1976, 1956 (1957). 9 Meysen
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Ein einziges Mal haben die Gerichte einen Ausgleichsanspruch aus öffentlich-rechtlicher GoA bei „unechter" Doppelzuständigkeit anerkannt. Gemeint sind dabei Fälle der Überlagerung einer Pflicht zum Einschreiten durch eine ebenfalls gegebene Eilzuständigkeit - meist im Bereich der Gefahrenabwehr eines anderen Verwaltungsträgers. Dem BVerwG 4 5 5 lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, bei dem die Wasserschutzpolizei den Auftrag zur Beseitigung einer Öllache in einer Schleuse des Mittellandkanals gegeben und die Rechnung bezahlt hatte. Das Land verlangte nun vom Bund Kostenerstattung, weil dieser als Träger der Schiffahrtspolizei eigentlich zur Beseitigung der Öllache berufen gewesen sei. Das BVerwG war der Auffassung, daß eine Polizeibehörde, wenn sie in rechtmäßiger Wahrnehmung ihrer Eilkompetenz eine Maßnahme treffe, die in den Aufgabenbereich einer anderen Behörde falle, die von ihr verauslagten Kosten von dem „an sich" - ohne die gebotene Eile - zuständigen Aufgabenträger nach den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen GoA erstattet verlangen könne. Dies trage dem Grundsatz des Art. 104 a Abs. 1 GG eher Rechnung, als daß es ihm widerspreche. In einem ähnlich gelagerten Fall hat das BVerwG 4 5 6 später verneint, daß die Beseitigung von Ölverschmutzungen auf Bundeswasserstraßen zu den schiffahrtspolizeilichen Aufgaben des Bundes gehöre und einen Ausgleichsanspruch versagt. Eine andere Situation stellt sich in Fällen, in denen eine Behörde ohne gesetzlichen Auftrag im Wege der Spontanhilfe in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Verwaltungsträger eingreift. Von einer solchen allgemeinen Nothilfekompetenz gehen die Gerichte aus, wenn die begünstigte Behörde an der Vornahme der dringend gebotenen Maßnahme tatsächlich gehindert sei 457 . Hier sei ein Ausgleich über die Grundsätze der GoA gerechtfertigt. Bislang ist jedoch keine Entscheidung bekannt, in welcher ein solcher Fall der Spontanhilfe angenommen und deshalb ein Anspruch aus öffentlich-rechtlicher GoA anerkannt wurde.
(2) Ausgleich beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten Der durch die Vorschriften der §§ 677, 683 S. 1 i. V. m. § 670 BGB gewährte Ausgleichsanspruch basiert auf der vorab zu treffenden Feststellung, daß die Geschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn 455
BVerwG NJW 1986,2524. BVerwG DVB1 1991,392. 457 BayVGHE 23, 2 (5 f.); VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); vgl. auch die wohl überflüssigen - Ausführungen des OVG NW NJW 1976, 1956 (siehe hierzu Text zu Fn. 453); sowie aus der Literatur Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 79, 87; Bonk,, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4 Rn. 32, § 54 Rn. 53; Schoch Jura 1994, 241 (244); von Einem NWVB1 1992, 384 (386 f.); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Fleischfresser VR 1988, 305 (308); Gusy JA 1979, 69 (70). 456
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entspricht (§ 683 S. 1 BGB). Ist der wirkliche Wille nicht bekannt und auch im nachhinein nicht feststellbar, so ist auf den mutmaßlichen Willen zurückzugreifen. Dieser wird widerlegbar vermutet, wenn die Übernahme des Geschäfts im objektiv zu ermittelnden Interesse des Geschäftsherrn liegt. Bei der Ermittlung des Willens des Privaten, „für" den im öffentlichrechtlichen Handlungszusammenhang ein Verwaltungsträger tätig geworden ist, müßte der Ausgleich in vergleichbarer Weise motiviert sein. Bei rechtswidrigen und zugleich belastenden Maßnahmen wurde dies jedenfalls abgelehnt458. In der Mehrzahl der Fälle überspielt die Rechtsprechung jedoch das für die Ausgleichspflicht konstitutive Tatbestandsmerkmal des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Geschäftsherrn mit der Heranziehung der Vorschrift des § 679 BGB und erkennt gegebenenfalls Aufwendungsersatzansprüche an 459 . Nur wenige Entscheidungen sehen die Übertragbarkeit der Vorschrift des § 679 BGB kritisch. Sie geben jedoch zu bedenken, daß der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn in diesem Fall stets unbeachtlich wäre, weil die öffentliche Aufgabenerfüllung für den Verwaltungsträger eine Pflicht darstelle, deren Erfüllung selbstverständlich im öffentlichen Interesse liege 460 . Die Vorschrift des § 679 BGB gehe bei ihrer Interessenbewertung zwischen den unterschiedlichen Interessenlagen bei Geschäftsherr und Geschäftsführer von der Privatautonomie aus 461 . Im Öffentlichen Recht hingegen sei es wegen des Vorbehalts des Gesetzes ohnehin vorausgesetzt, daß der Staat nur in den Rechtskreis des Bürgers eingreifen dürfe, wenn er gesetzlich dazu ermächtigt sei. Daher würden im öffentlich-rechtlichen Handlungszusammenhang die BGB-Vorschriften zur
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BayVGH BayVBl 1992, 213 (214); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 97 f.; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 84; Gusy JA 1979, 69 (71 f.); Hurst DVB1 1965, 757 (759); dies verkennend BayVGH NVwZ-RR 1996, 530 (531); a. A. wich Klein DVB1 1968, 166 (167). 459 PrOVGE 86, 199 (203); BVerwG BRS 13, 248 (249); NJW 1989, 922; BayVGH NVwZ-RR 1995, 86 (87 f.); HessVGH GemH 1987, 264; GemH 1989, 65 (66); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81 (82); OVG NW NVwZ-RR 1996, 653; VG Würzburg NVwZ-RR 1997, 487 (488); RGZ 75, 2276 (283); BGH NJW 1978, 1258 (1259); OLG Königsberg HRR 13 (1937), Nr. 1436; BSG NJW 1991, 2373 (2374); vgl. auch Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 22 ff.; Bonk,, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 54; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 106; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (236); von Einem NWVB1 1992, 384 (388); Blas BayVBl 1989, 648 (650, 651); dies. JA 1989, 514 (515 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Gusy JA 1979, 69 (70); Hamann NJW 1955,481. 460
VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (260 f.); VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); vgl. auch Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 188, 190; Schoch Jura 1994, 241 (249 f.); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); Freund JZ 1975, 513 (516). 461 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
GoA keinen Eingriff (Legitimationswirkung) und damit auch keinen Ausgleich rechtfertigen 462. Der VGH B W 4 6 3 hat versucht, der Problematik der aufgedrängten Kostenübernahme für eine Fremdgeschäftsführung der Verwaltung zu begegnen, indem er höhere Anforderungen an die Berechtigung, d. h. an die tragenden Gründe für einen Ausgleich aus § 683 S. 1 BGB zur Geschäftsführung, stellen wollte. Diese sollten sogar über die in § 678 BGB, bei einer Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn geltenden Anforderungen hinausgehen. Verschiedentlich haben die Gerichte die spezialgesetzliche Verdrängung der Grundsätze über die öffentlich-rechtliche GoA durch insbesondere das Polizeikosten- und das Verwaltungsvollstreckungsrecht festgestellt. Letztere träfen insofern abschließende Regelungen, die aus Gründen des Vorrangs des Gesetzes einen Rückgriff auf gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung zur Begründung weiterer Ersatzansprüche ausschlössen464. Die angemessene Verteilung der Kostenlast bei öffentlich-rechtlicher Aufgabenerfüllung richte sich im Verhältnis der Verwaltung als Kostengläubigerin gegenüber dem Bürger als Kostenschuldner nach eigenen Regeln des Öffentlichen Rechts. Dort, wo abschließende Regeln fehlten, dürfe ein Kostenerstattungsanspruch der Verwaltung gegenüber dem Bürger nur aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift verlangt werden. Bei völligem Fehlen einer solchen dürften das Gesetzmäßigkeitsprinzip und der Vorbehalt des Gesetzes durch die Konstruktion einer über die Heranziehung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen eingeführten öffentlichrechtlichen GoA nicht umgangen werden 465 .
462 V G würzburg BayVBl 1992, 121 (122); vgl. auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11 \ Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473; Schoch Jura 1994, 241 (248 f.). 463 VGH BW NJW 1991, 2986 (2987). 464 VG Chemnitz SächsVBl 1997, 163; VG Köln NVwZ 1993, 806 (807); vgl. auch Brox, Besonderes Schuldrecht, Rn. 365; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 14; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 95, 151; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 24, 31; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 25b; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 744; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 75 f.; Schoch Jura 1994, 241 (245); von Einem NWVB1 1992, 384 (386); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Habermehl Jura 1987, 199 (203); Würtenberger NVwZ 1983, 192 (193 f.); Gusy JA 1979, 69 (71); Hurst DVB1 1965, 757 (759 f.); Steckert DVB1 1971,243 (246). 465 VG Köln NVwZ 1993, 806 (807); vgl. auch Medicus, Schuldrecht II, Rn. 630; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 62; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 151 f , 158 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Dr ews/Waeke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 679; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473; Martinek/Theobald JuS 1997, 992 (998); Schoch Jura 1994, 241 (245); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Würtenberger NVwZ 1983, 192 (193); Gusy JA 1979, 69 (71).
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
133
(3) Ausgleich beim Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger Bei der Analyse der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt der Ausgleichsfunktion der GoA entspricht der Befund zur öffentlich-rechtlichen GoA, bei der ein Privater für einen Verwaltungsträger handelt, im Grundsatz dem bei der Geschäftsführung ohne Auftrag in der Fallgruppe, in der ein Verwaltungsträger für einen anderen Verwaltungsträger handelt. Die Fremdgeschäftsführung durch Private greift wie die Geschäftsführung durch andere Verwaltungsträger in die haushaltsrechtliche Dispositionsbefugnis der betroffenen Behörden ein 466 . Der Ausgleich über die Grundsätze der öffentlich-rechtlichen GoA wird von den Gerichten meist abgelehnt, da der Bürger bei Fremdgeschäftsführungen, die nicht zu legitimieren seien, im nachhinein trotzdem Aufwendungen würde ersetzt verlangen können und so die öffentliche Hand mit einer nicht überschaubaren und steuerbaren finanziellen Belastung bedroht würde 467 . Wird von den Gerichten ein Ausgleichsanspruch zugesprochen, so wird häufig von der Berechtigung zum Übergriff in den öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich direkt auf die Ausgleichspflicht des Verwaltungsträgers geschlossen 468 . Die Verteilung der Rechte und Pflichten von „Geschäftsführer" und „Geschäftsherrn" sei auch für das Verhältnis eines für die Verwaltung einspringenden Bürgers zum Hoheitsträger angemessen, selbst dann, wenn die Hilfeleistung nicht nur in besonderen Notlagen erbracht werde, sondern auch wenn die Behörde nicht oder nicht in der sachlich gebotenen Dringlichkeit tätig werde 469 . Gelegentlich wird der mutmaßliche und wirkliche Wille des Verwaltungsträgers als Geschäftsherr sogar vermutet, wenn die Behörde bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe einen Ermessensspielraum gehabt hätte 470 . Die Aufwendungen, die durch die Ausführung entstanden, seien erstattungsfähig, wenn sie sinnvoll gewesen seien. Dies wird gleichgesetzt mit der „Erforderlichkeit" im Sinne von § 683 BGB 4 7 1 und im Wege einer „Interessenabwägung"
466 OVG NW NVwZ-RR 1996, 653 (654); vgl. auch Erichsen, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Blas JA 1989, 514 (516); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400). 467 BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); OVG NW NWVB1 1990, 99; vgl. auch Schoch Jura 1994, 241 (246); Blas BayVBl 1989, 648 (651); dies. JA 1989, 514 (516). 468 Vgl. BVerwGE 80, 172 (174) = NJW 1989, 922 (923); VGH BW NJW 1977, 1843; a. A. OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260. 469 OVG Lüneburg NVwZ 1991,81. 470 BVerwGE 80, 172 (174, 177) = NJW 1989, 922 (923, 924); VGH BW NJW 1977, 1843 (1844); BayVGH NVwZ-RR 1992, 431 (432); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81 (82); OVG NW NWVB1 1996, 12; a. A. OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; BGH NJW 1978, 1258 (1259); wohl auch OVG NW NWVB1 1996, 304 (305). 471 VGH BW NJW 1977, 1843 ( 1844).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
zwischen dem Interesse der Verwaltung an der Selbstausführung und dem öffentlichen Interesse an der Geschäftsführung (§ 679 BGB) durch den Privaten ermittelt 472 . Lediglich das V G Gießen 473 fordert eine unaufschiebbare Dringlichkeit, um bei der Ausführung einer öffentlichen Aufgabe durch einen Privaten einen Ausgleich zusprechen zu können.
5. Rechtsverhältnis zur Vorbereitung
einer behördlichen Entscheidung
Das Rechtsverhältnis bei Vorverhandlungen zum Abschluß eines öffentlichrechtlichen Vertrags ist von einer näheren Untersuchung in dieser Arbeit ausgenommen, da die Heranziehung des zivilrechtlichen Rechtsinstituts der c. i. c. unmittelbar im Öffentlichen Recht angeordnet ist (vgl. § 62 S. 2 VwVfG) 4 7 4 . Es bleibt die Frage der Anwendbarkeit der Grundsätze der c. i. c. bzw. vertraglicher Haftungsgrundsätze des Zivilrechts auf Rechtsverhältnisse zur Vorbereitung von behördlichen Entscheidungen, die keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellen. Es findet sich jedoch zur Frage der Abgrenzung zwischen vorvertraglichem und sonstigem Kontakt im Vorfeld einer Verwaltungsentscheidung sowie zur Möglichkeit der Heranziehung zivilrechtlicher Haftungsinstitute in letzterem Bereich kaum Rechtsprechung. Die Gerichte scheinen für die Abgrenzungsfragen nicht sensibel und erwecken den Eindruck, als ob es für die Annahme eines vorvertraglichen Kontakts genüge, daß sich die Verhandlungspartner in den gegenseitigen Einflußbereich begeben haben. Dies soll ausreichen, um sie wegen des gesteigerten Kontakts zu besonderer Rücksichtnahme und Sorgfalt hinsichtlich ihrer berechtigten Belange zu verpflichten 475 . Die Anwendbarkeit der c. i. c. auf Verwaltungsrechtsverhältnisse zur Vorbereitung einer behördlichen Entscheidung, die kein Verwaltungsvertrag ist, wurde soweit ersichtlich nur bei der Erteilung einer „Vollbelegungszusage" nach § 38 Abs. 1 VwVfG für ein Seniorenheim diskutiert und im Ergebnis verneint 476 .
6. Kostenerstattung für die Herstellung von Personalausweisen Die Rechtsprechung sieht die Praxisrelevanz des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" mittlerweile nicht mehr nur auf haftungsrechtliche Ausei472 OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81 (82); OVG NW NWVB1 1996, 12 (14); NVwZ-RR 1996, 653. 473 VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 f.; vgl auch BGH NJW 1978, 1258 (1259). 474 Ausführlich zur Begründung siehe oben S. 60 ff. 475 BGH WM 1972, 772; BGHZ 71, 386 (397) = NJW 1978, 1802 (1805); BGHZ 76, 343 (349) = NJW 1980, 1683 (1684); BGH MDR 1982, 462 (463); BAG NJW 1963, 1843 (1844); vgl. auch Feber BauR 1989, 553 (554); Dolde/Vechtritz DVB1 1987, 446 (452). - Hierzu ausführlich oben S. 60 ff. 476 OVG LS A LKV 1997, 175 ( 178).
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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nandersetzungen, also den Streit um Sekundärpflichten aus Verwaltungsrechtsverhältnissen beschränkt. Das Bundesverwaltungsgericht hat das sog. „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" in zwei Entscheidungen vom 21.2.1995 477 auch als Grundlage zur Begründung von primären Zahlungsansprüchen und zur Bestimmung des genauen Umfangs dieser primären Leistungspflichten bzw. ansprüche, die sich aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis ergeben, entdeckt. Den beiden Parallelurteilen des BVerwG lagen Musterprozesse des Bundes gegen die Städte Bonn und Braunschweig um die Höhe der Vergütung für die Herstellung und Lieferung von Personalausweisen zugrunde. Auslöser des Rechtsstreits war die Lückenhaftigkeit des (Personalausweis-)Gesetzes, das einerseits die Aufgaben klar verteilt, andererseits wesentliche Fragen der Kostentragung in dem Dreiecksverhältnis zwischen Bundesdruckerei, Gemeinden und Bürger ungeklärt läßt. Aus § 3 Abs. 3 PAuswG ergibt sich inzidenter, daß Personalausweise nur von der Bundesdruckerei hergestellt werden dürfen 478 . Für die Herstellung und Lieferung der Ausweise verlangte die Bundesdruckerei von den Kommunen ursprünglich ein Entgelt in Höhe von D M 9,70 pro Stück. Die Kommunen, bei denen die Personalausweise vom Bürger beantragt werden, durften und mußten für die Ausstellung eine gesetzlich festgesetzte Gebühr in Höhe von D M 10,- verlangen (§ 1 Abs. 4 PAuswG a. F.) 479 . Als der Preis pro hergestelltem Personalausweis zum 1.1.1988 von der Bundesdruckerei einseitig auf D M 11,90 erhöht wurde, hatte die Preissteigerung zur Folge, daß die Kommunen nunmehr bei der Ausfertigung eines jeden Personalausweises D M 1,90 nicht auf den Bürger umlegen konnten - ganz abgesehen von den internen Kosten für die Bearbeitung der Anträge. Die Erhöhung des Vergütungsverlangens war nicht willkürlich erfolgt, sondern veranlaßt durch die Preisprüfungsberichte des Posttechnischen Zentralamtes, das einen Selbstkostenpreis des Personalausweises von D M 12,15 errechnet hatte, und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Treuarbeit, die zu einem Stückpreis von D M 12,26 kam. Einige Gemeinden wollten die an der Kostensteigerung orientierte Erhöhung der Preise nicht mittragen. Da nicht eindeutig zu ermitteln war, auf welcher Rechtsgrundlage die Bundesdruckerei die erhöhte Forderung stützen konnte, verweigerten sie die Zahlung des Differenzbetrags und provozierten so die Klage des Bundes auf Zahlung des über D M 10,- hin-
477
BVerwG, Urt. v. 21.2.1995 - 1 C 14.93 (n. v.) und Urt. v. 21.2.1995 - 1 C 11.93 = E 98, 18 = NVwZ 1995, 1098 = NJW 1996, 212 (LS) = BayVBl 1995, 538 = BWGZ 1995, 363 = der städtetag 1995, 575 = JuS 1996, 168 (Sachs) = Kunig,, JK 96, GG Art. 104 a/3; dazu Bespr. Trute JuS 1996, 883. 478 Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, Β § 3 Rn. 7; Ordemann, Paßrecht, § 16 PaßG Anm. 3. 479 Mit Gesetz vom 30.7.1996 (BGBl I S. 1182) ist die Gebühr des § 1 Abs. 4 S. 1 PAuswG auf fünfzehn deutsche Mark erhöht worden.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
ausgehenden Betrags i. H. v. D M 1,90, in welcher der Bund zudem Zahlung von Verzugszinsen verlangte. In den Entscheidungen zur Kostenerstattung für die Herstellung von Personalausweisen480 kreierte das Bundesverwaltungsgericht zur „angemessenen" Lösung des Vergütungsproblems zwischen den Kommunen und der Bundesdruckerei ein gesetzliches Schuldverhältnis, das die Beteiligten aufgrund der im Personalausweisgesetz getroffenen Regelung zur Erbringung von Leistung und Gegenleistung verpflichte 481 . Hierbei handele es sich um einen bis dahin ungekannten Unterfall des sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" 482. Die Annahme des „Schuldverhältnisses" diente hier also nicht zur Begründung einer Haftung nach vertraglichen BGB-Grundsätzen, sondern zum einen der Begründung einer vermeintlich im Öffentlichen Recht fehlenden Rechtsgrundlage/für den Vergütungsanspruch. Zum anderen sollten die Vergütungssätze, die Idurch öffentlich-rechtliche Regelungen in der Höhe nicht bestimmt sind, mithilfe einer analogen Heranziehung des Zivilrechts einer einseitigen Bestimmung durch die Bundesdruckerei zugeführt werden können (§§ 316, 315 Abs. 1 u. Abs. 3 BGB) 4 8 3 . Im Unterschied zur herkömmlichen Heranziehung des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses", um sekundäre Schadenersatzansprüche vertraglichen Haftungsgrundsätzen unterwerfen zu können, Schloß das BVerwG mittels eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" Lücken im Öffentlichen Recht, um Primärpflichten begründen und genauer verifizieren zu können. Wie bei der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" zieht es einen Vergleich zu bürgerlich-rechtlichen Vertragsverhältnissen. Die öffentlich-rechtlichen Normen hälfen auf der Suche nach einem gerechten Ergebnis nicht weiter. So sei der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch mangels Vorliegens von gescheiterten öffentlich-rechtlichen Verträgen nicht einschlägig, da es sich bei der Bestellung von Personalausweisen um Dauerbeziehungen zwischen der Bundesdruckerei und den Gemeinden handele484. Durch Zuhilfenahme des Schuldrechts des BGB sollen nun in dem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen den Gemeinden und der Bundesdruckerei die Rechte und Pflichten sachangemessen bestimmt werden können. Wie bei der Haftung meint man al480
BVerwGE 98, 18 = NVwZ 1995, 1098; Urt. v. 21.2.1995 - 1 C 14.93 (n. v.). BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 482 Zur Bestimmung von Primärpflichten anhand des § 315 Abs. 3 BGB in verwaltungsprivatrechtlichen Leistungsbeziehungen zwischen Verwaltung und Bürger siehe SächsOVG LKV 1997, 85 (87); BGH NJW 1992, 171 (173); Dierkes SächsVBl 1997, 166 (168); siehe auch zur Anwendbarkeit der entsprechenden mietrechtlichen Vorschriften im Anwendungsbereich des Heimgesetzes LG Göttingen ZfSH 1978, 80 m. Anm. Stoben sowie ders. NJW 1979, 97 (98). 483 BVerwGE 98, 18 (27 ff.) = NVwZ 1995, 1098 (1100 f.). 484 BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 481
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher S c h u l d v e r h ä l t n i s s e " 1 3 7
lerdings auch hier, durch das Schuldrecht des BGB den gebührendsten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten am betreffenden Verwaltungsrechtsverhältnis bzw. die angemessensten Ergebnisse erzielen zu können. Das BVerwG verneint eine Pflicht des Bundes, die Kosten der Herstellung und Lieferung der Personalausweise selbst zu tragen 485 . Es hält die Gemeinden daher für gesetzlich verpflichtet, dem Bund die von der Bundesdruckerei erbrachten Leistungen zu vergüten. Das BVerwG stellt fest, daß sich eine positivgesetzliche Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch weder in den Vorschriften der §§ 7, 26 BHO noch im Ausführungsgesetz für das PAuswG finden lasse486 und daß die Festsetzung der beim Bürger grundsätzlich zu erhebenden Ausweisgebühr keine Rückschlüsse auf den Preis der Personalausweise zulasse, den die Gemeinden der Bundesdruckerei zu zahlen haben 487 . Der Vergütungsanspruch wird vom BVerwG daher aus einem gegenseitigen gesetzlichen Schuldverhältnis hergeleitet, das mit der Bestellung der Personalausweise bei der Bundesdruckerei durch die Gemeinden begründet werde. Diese Konstruktion macht den Weg frei für eine Ermittlung der Höhe des Preises anhand der analog herangezogenen Grundsätze des BGB. Das BVerwG führt nun drei rechtsgeschäftliche Schuldverhältnisse aus dem Besonderen Schuldrecht des BGB an, bei denen in Ermangelung einer Taxe die übliche Vergütung zu zahlen sei, den Dienstvertrag (§ 612 Abs. 2 BGB), den Werkvertrag (§ 632 Abs. 2 BGB) und den Maklervertrag (§ 653 Abs. 2 BGB) 4 8 8 , stellt allerdings fest, daß dies nicht weiter führe, da es für Personalausweise keinen Markt gebe und somit auch die Möglichkeit einer Berechnung der üblichen Vergütung entfalle. Da mit den spezielleren Normen des Besonderen Schuldrechts kein Ergebnis zu erzielen sei, bliebe nur ein Rückgriff auf die allgemeine Auslegungsvorschrift des § 316 BGB. Somit habe die Bundesdruckerei die Vergütungssätze nach billigem Ermessen (§315 Abs. 1 und 3 BGB analog) bestimmen dürfen und auch bestimmt 489 . Die Annahme eines gesetzlichen Schuldverhältnisses hat für das Bundesverwaltungsgericht die weitere Konsequenz, daß der Zinsanspruch analog § 286 Abs. 1 BGB als Verzugsschadenersatz zugesprochen werden konnte 490 . Einen solchen hatte die Vorinstanz noch abgelehnt, da dem Öffentlichen Recht kein allgemeiner Grundsatz zur Zahlung von Verzugszinsen zu entnehmne sei und ein solcher nur dann in Betracht komme, wenn die
485 BVerwGE 98, 18 (21 ff.) = NVwZ 1995, 1098 (1099); hierzu Trute JuS 1996, 883 (884 f.). 486 BVerwGE 98, 18 (24) = NVwZ 1995, 1098 (1099 f.); siehe auch VG Braunschweig der städtetag 1993, 185 (186) sowie Trute JuS 1996, 883 (886). 487 BVerwGE 98, 18 (25) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 488 BVerwGE 98, 18 (26 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 489 BVerwGE 98, 18 (27 ff.) = NVwZ 1995, 1098 (1100 f.). 490 BVerwGE 98, 18 (30 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1101).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Geldleistungspflicht eine vertragliche Hauptleistungspflicht sei, die im Gegenseitigkeitverhältnis zur Leistungspflicht des anderen Vertragspartners stehe491.
7. Weitere Anwendungsfelder a) Verwaltungsrechtsverhältnisse bei der Übertragung von Aufgaben auf Private Ein aktuelles Beispiel fur die Neuschöpfung eines Unterfalls sog. „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" liefern die Entscheidungen zur Rückgriffshaftung des Bundesamtes für Zivildienst gegenüber einer beliehenen Zivildienststelle. Sowohl der BGH 4 9 2 als auch dem folgend das BVerwG 49 3 sehen in der Anerkennung einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle des Zivildienstes nach § 4 ZDG ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" zwischen dem Bund und dem Träger der Beschäftigungsstelle begründet. Nach den den Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten war ein Zivildienstleistender aufgrund eines Verschuldens der privatrechtlich organisierten Zivildienststelle in der Gesundheit geschädigt worden. Das Bundesamt für Zivildienst hatte für die Zivildienstleistenden die Heilbehandlungskosten gezahlt und während der Dienstunfähigkeit weiter Geld- und Sachbezüge geleistet. Es verlangte nun von den Zivildienststellen Rückerstattung. Da den Beschäftigungsstellen keine grobe Fahrlässigkeit nachzuweisen war, konnte Art. 34 S. 2 GG dem Bundesamt für Zivildienst für den Rückgriff - trotz bestehenden Amtshaftungsanspruchs der Zivildienstleistenden gegenüber dem Bundesamt nicht als Anspruchsgrundlage dienen. Selbst bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz wäre der Anspruch der Höhe nach beschränkt gewesen (vgl. § 35 Abs. 1, § 78 Abs. 2 ZDG, § 30 Abs. 1 S. 1, § 91 a Abs. 1 SoldG). Diese Lücke im „System" der Staatshaftung schließen BGH 4 9 4 und BVerwG 495 , indem sie dem Amtshaftungsrecht des Art. 34 GG i. V. m. § 839 BGB die konkurrierende Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" zur Seite stellen. Die Gerichte sind der Auffassung, daß das Zusammenwirken bei der Gestaltung und Durchführung des Zivildienstes die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" rechtfertige. Aus diesem lasse sich entnehmen, daß die Pflicht der Beschäftigungsstelle zur Fürsorge gegenüber dem Zivildienstleistenden auch im Verhältnis zum Bundesamt für Zivildienst bestehe. Eine Ver-
491 492 493 494 495
VG Köln der städtetag 1993, 287, (288); siehe auch Truie JuS 1996, 883 (887). BGH NVwZ 1990, 1103 ( 1104); NJW 1998, 298 (299). BVerwG NVwZ 1999, 194. BGH NVwZ 1990, 1103 ( 1104); NJW 1998, 298 (299). BVerwG NVwZ 1999, 194.
II. Einzelne Institute „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse"
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letzung der Fürsorgepflicht könne Schadenersatzansprüche aus positiver Forderungsverletzung ( p W ) auslösen. Auf die Beziehung der Zivildienststelle zum Bundesamt für Zivildienst seien die Grundsätze des vertraglichen Schuldrechts anzuwenden. In der Übertragung oder Einbeziehung von privaten Unternehmen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben die Begründung eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zu sehen, ist in der Rechtsprechung indes nichts gänzlich Neues. Bereits das Reichsgericht 496 hatte zwischen der Norddeutschen Textilberufsgenossenschafit und der Rentenerhebungsstelle ein (Verwaltungs-)-Rechtsverhältnis angenommen, aus welchem die Berufsgenossenschaft wegen Sorgfaltspflichtverletzung in Anwendung der §§ 276, 278 BGB hafte. Die Norddeutsche Textilberufsgenossenschaft sei ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Rentenantragsformulare nicht in genügender Weise nachgekommen und deshalb habe ein Dritter die Formulare stehlen, mit gefälschten Unterschriften versehen einreichen und damit die Rentenerhebungsstelle zu einer unberechtigten Zahlung veranlassen können. Die Anwendung vertraglicher Haftungsregeln für das Verhältnis eines Beliehenen zur beleihenden juristischen Person des Öffentlichen Rechts generell anzuerkennen, lehnt der BGH 4 9 7 jedoch ab. So solle in dem Beleihungsverhältnis zu einer Tierkörperbeseitigungsanstalt zwar ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" liegen, es fehle aber an der für die Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung erforderlichen „personalen Fürsorgepflicht". Die Verletzung einer Sonderrechtsbeziehung komme insbesondere dann nicht in Frage, wenn es um Rechtsverletzungen beim Beleihungsakt selbst gehe.
b) Sonstige Verwaltungsrechtsverhältnisse In der Literatur finden sich weitere Anwendungsfelder für das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" 498 . Die Rechtsprechung ist zurückhaltender. In einer Entscheidung wird ein Subventionsverhältnis zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" gezählt 499 . Das OVG Lüneburg 500 bewertete die bin496
RGZ 65, 113(115). BGHR Verwaltungsrecht/Allgemeine Grundsätze Öffentlichrechtliches Schuldverhältnis 3; vgl. auch Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171 (1182). 498 Siehe hierzu oben S. 27 ff. u. 30 ff. 499 Für eine Hinzurechnung des Subventionsverhältnisses zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" plädieren Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Bonk, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 47 ff.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 730 u. 751 ff; Vosniakou, Rechtsverhältnistheorie, S. 234 f , 243 ff.; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 109; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 63; Ehlers DVB1 1986, 912 (916 ff.). 497
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
dende Zusage zur Gewährung einer Subvention als Begründung eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" und meinte damit die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auf dieses Rechtsverhältnis anwenden zu können. In einer anderen Entscheidung hat der BayVGH 5 0 1 über die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zwischen einem Sprecherratsmitglied zu seiner Hochschule eine Haftung konstruiert. Sprecherratsmitglieder stünden bei der Verwaltung der zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel und der Ausübung der Befugnis zur Feststellung der sachlichen Richtigkeit in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Auftragsverhältnis, bei deren Verletzung sie sich schadenersatzpflichtig machten.
c) Exkurs: Rechtsverhältnisse zwischen Wahlbewerbern Einen - im Vergleich mit den übrigen diskutierten Konstellationen eher exotischen - Anwendungsfall der Haftung aus „schuldrechtsähnlichem Sonderrechtsverhältnis" ist zwar nicht von der Rechtsprechung entwickelt worden, verdient aber trotzdem an dieser Stelle analytischer Betrachtung. Koenig 502 möchte in dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen staatlicher Wahlleitung und den Parteien als Wahlbewerbern einen Unterfall des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" begründet sehen. Die Heranziehung öffentlich-rechtlicher Grundsätze zur positiven Forderungsverletzung in Wahlrechtsverhältnissen ist initiiert durch die notwendig gewordene Wiederholung der Parlamentswahlen zur Hamburgischen Bürgerschaft und zu fünf Bezirksversammlungen in der Freien und Hansestadt Hamburg. Das Hamburgische Verfassungsgericht 503 hob die Wahl auf und stellte fest, daß die CDU bei der Auswahl, Aufstellung und Nominierung ihrer Wahlbewerber für die jeweiligen Volksvertretungen, die im Juni 1991 gewählt wurden, sehr schwere Verstösse gegen die nach Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG geforderte Einhaltung demokratischer Grundsätze begangen habe. Dies führte zur Ungültigerklärung der Wahl. Die „Wiederholungswahlen verursachten erneut Wahlkampfkosten in beträchtlicher Höhe, die vorerst bei den einzelnen Wahlbewerbern selbst entstanden. Es stellte sich daher die Frage, ob die CDU gegenüber den finanziell - nicht politisch - geschädigten anderen Wahlbewerbern auf Schadenersatz hafte. Koenig 504 bejaht dies und rechtfertigt die Begründung der Haftung und Heranziehung von Vertragshaftungsrecht mit der „generalpräventiven Appellfunk500 501 502 503 504
OVG Lüneburg NJW 1977, 773. BayVGH, Urt. v. 11.11.1992 - 7 Β 91.3123 = juris Nr. MWRE106669300. Koenig DÖV 1994, 286 (290 ff.). HambVerfG NVwZ 1993, 1083. Koenig DÖV 1994, 286 (293).
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III. Rationalitäten der Rechtsprechung
tion", die von einer solchen Schadenersatzfolge ausgehen würde. Seinen Ausführungen stellt er die Zielorientierung seines Ansatzes voran. Er beklagt, daß die Wahlrechtsverstöße der CDU bei der Kandidatenaufstellung im Zuge der Bürgerschaftswahlen in Hamburg 1991 die finanziellen Belange des Steuerzahlers träfen, dessen Gelder bei der Wahlkampfkostenerstattung der vorzeitig notwendig gewordenen „Wiederholungswahl verteilt werden 505 , um dann zur Schlußfolgerung zu kommen, daß es so nur gerecht sei, „den materiellen Vertrauensvorschuß an die Parteien ... für den Fall des Vertrauensbruchs mit einschneidenden Sanktionen zu flankieren" 506 . Abschließend bilanziert er, daß den Parteien »jedenfalls kein Persilschein über die Sanktionslosigkeit von Wahlrechtsverstößen mit Schadensfolge" erteilt sei 507 . Er konstatiert mit dem Verfassungsgericht, daß in eklatanter und evidenter Weise bei der Kandidatenaufstellung das Gebot innerparteilicher Demokratie verletzt worden sei 508 und entschuldigt sodann die Entscheidung des Landeswahlleiters, die CDU zur Bürgerschaftswahl zuzulassen, mit den zu kurz bemessenen Prüfungsfristen und den mangelnden zwangsweisen Kontrollmechanismen. Aus diesem „zwangsläufigen", vom Landesgesetzgeber zu verantwortenden Prüfungsdefizit ergebe sich ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien und der staatlichen Wahlleitung. Aus diesem folge eine gesteigerte Inpflichtnahme der politischen Parteien. Es entstehe ein Rechte-Pflichtengeflecht mit Hauptleistungs- und Nebenpflichten. Verletzt sei hier die Pflicht zur Wahrung des binnendemokratischen Verfahrens - ob dies eine Haupt- oder Nebenpflicht darstelle, wird nicht erörtert. Wegen der Wiederholungsgefahr bestünde zumindest aus generalpräventiven Gesichtspunkten heraus ein Bedürfnis nach Schadensausgleich. Zu berücksichtigen sei allerdings ein Mitverschulden der staatlichen Wahlleitung an der Wahlaufhebung durch das Verfassungsgericht 509.
I I I . Rationalitäten der Rechtsprechung zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis44 1. Methode der Anwendung von Zivilrecht
im Öffentlichen
Recht
Ein Vergleich der Judikate innerhalb und zwischen den einzelnen Instituten .verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" liefert eine breite Palette an Ge505 506 507 508 509
Koenig DÖV 1994, 286 (287). Koenig DÖV 1994, 286 (287). Koenig DÖV 1994, 286 (293). HambVerfG NVwZ 1993, 1083 (1087 f.); Koenig DÖV 1994, 286 (291). Koenig DÖV 1994, 286 (290 ff.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
meinsamkeiten und Differenzen. Bei der Suche nach Rationalitäten in den einheitlichen oder unterschiedlichen Begründungen stellt sich die Frage nach der Methode, nach welcher das BGB-Vertragsrecht in öffentlich-rechtlichem Regelungszusammenhang „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" angewendet werden kann. Von unmittelbarer Anwendung über eine Anwendbarkeit kraft positivgesetzlicher Anordnung bis hin zur Analogie oder Heranziehung von Rechtsgrundsätzen wird in der Rechtsprechung zum „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" alles vertreten.
a) Unmittelbare Anwendung oder Anwendung kraft positivgesetzlicher Anordnung Ein Teil der zivilgerichtlichen Entscheidungen, in denen von einer unmittelbaren Anwendung der privatvertraglichen Vorschriften des BGB auf „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" ausgegangen wurde 510 , ist aus historischer Sicht erklärbar und kann heute als überholt gelten. Durch die Nähe des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zur vertraglichen Beziehung scheint seinerzeit die Trennschärfe zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Rechtsbeziehung verlorengegangen zu sein 511 . Bei der Geschäftsführung ohne Auftrag in öffentlich-rechtlichem Regelungszusammenhang geht die Annahme einer unmittelbaren Anwendbarkeit der §§ 677 ff. BGB durch die ordentlichen Gerichte von der Prämisse aus, daß der Verwaltungsmaßnahme eine Doppelnatur zugesprochen werden könne 512 . Die „freiwillige Geschäftsführung" wird dem Privatrecht zugeordnet und damit der Weg frei gemacht für die unmittelbare Geltung der §§ 677 ff. BGB in diesen Rechtsbeziehungen. Hier ist die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung zurückzuführen auf die Divergenzen zwischen verwaltungsgerichtlicher und zivilgerichtlicher Rechtsprechung bei der Abgrenzung öffentlich-rechtlicher von privatrechtlicher GoA und der entsprechenden Beurteilung ihres Rechtscharakters 513 . Jedoch auch dieser Streit scheint aufgrund eines kürzlichen „Einlenkens" des BGH 5 1 4 beigelegt und die Auffassung von der unmittelbaren Anwendbarkeit damit der Vergangenheit anzugehören. 510 Vgl. zu den Anstalts- und Benutzungsverhältnissen RGZ 152, 129 (132); BGHZ 17, 191 (192, 195); BGH LM § 13 GVG Nr. 89. 511 Vgl. etwa RGZ 152, 129 (131 f.); BGHZ 17, 191 (195); BGH LM § 13 GVG Nr. 89. 512 RGZ 75, 276 (281); 77, 193 (197); 102, 9 (10); 113, 178 (180 f.); 150, 243 (245); BGHZ 30, 162 (167); 40, 28 (29); 63, 167 (169 f.); 65, 354 (357); NJW 1978, 1258 (1259); OLG Hamm NWVB1 1989, 218; LG Essen JW 1934, 1932 f. 513 Siehe hierzu oben S. 112 ff. 514 Vgl. BGH NJW 1997, 1636. - Aber Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 343.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
143
Der unmittelbaren Anwendung am nächsten kommt die entsprechende Anwendung kraft positivgesetzlicher Anordnung in einer öffentlich-rechtlichen Vorschrift 515 . Die Rechtsprechung mußte hierauf bisher nur vereinzelt und nur bei der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag eingehen. Der HessVGH 516 hat entschieden, daß die Gemeinden gesetzlich ermächtigt seien, im Rahmen ihrer Satzungsgewalt die - ohnehin bestehenden - Kostenerstattungsansprüche aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag als eigenständige öffentlich-rechtliche Ansprüche in einer Gebührensatzung im Sinne des Kommunalabgabengesetzes zu konkretisieren.
b) Analogie oder Heranziehung von Rechtsgrundsätzen Werden von den Gerichten die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs in „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" erkannt, greifen sie auf eine analoge Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften zurück 517 oder bemühen eine Heranziehung von Rechtsgrundsätzen, die in den bürgerlichrechtlichen Haftungsinstituten oder Vorschriften über die Haftungsmodalitäten zum Ausdruck kommen sollen 518 . Die Gerichte erachten 515
Zur Anwendbarkeit der Grundsätze der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c. i. c.) im Öffentlichen Recht siehe oben S. 64 ff. 516 HessVGH GemH 1989,65. 517 BVerfGE 18, 429 (436); BVerwGE 25, 138 (143) = ZBR 1967, 151 (152); E 27, 314 (318); 32, 279 (280); 48, 279 (285); 80, 170 (172); 98, 18 (28) = NVwZ 1995, 1098 (1100); BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW NJW 1977, 1843; BWVP 1978, 150 (151); NVwZ-RR 1991, 325; NJW 1991, 2986 (2987); BayVGH NVwZ-RR 1996, 530 (531); DÖV 1997, 76 (78); NVwZ 1998, 421 (422); OVG Hamburg MDR 1951, 634 (635); GewArch 1992, 430 (431); NVwZ-RR 1995, 369; HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); OVG Lüneburg NJW 1977, 773; Die Gemeinde SH 1990, 260; NVwZ 1991, 81; OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144; VG Köln NVwZ 1993, 806 (806 f.); VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); RGZ 18, 173 (174); 19, 348; 63, 430 (432); 71, 243 (247); 91, 21 (23); BGHZ 4, 192 (193); BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; NJW 1974, 1816; LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 987; BGHZ 109, 8 (9) = NJW 1990, 1167; BGH NJW 1990, 1230; VersR 1992, 58 (60); NVwZ 1998, 1218 (1219); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Celle JW 1925, 2491; OLG Hamburg MDR 1961,938 (939); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (620). 518 BVerwGE 13, 17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366); BVerwG NVwZ 1999, 194 (195); VGH BW ESVGH 26, 155 (157); BayVGHE 23, 109 (117); OVG Hamburg MDR 1951, 634 (635); GewArch 1992, 430 (431); OVG Lüneburg ZBR 1982, 91; OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1997, 207; NVwZ 1998, 1212; RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91, 21 (22); 92, 178 (179 f.); 97, 43 (44); 104, 58(60); 107, 189(190); 111,22; I I I , 178 (182); RG Warn 14(1921),Nr. 1 S. 1;JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115, 419 (421 f.); 155, 227 (232); 158, 235 (236); 166, 218 (223); BGHZ 1, 369 (371); 21, 214 (218); 43, 178 (184); BGH LM § 688 BGB, Nr. 6 S. 1; BGH WM 1973, 1416 (1417: „rechtsähnliche Anwendung"); BGHZ 59, 303 (305); 61, 7 (11);
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
es offensichtlich nicht für erforderlich zu begründen, weshalb sie den Weg über die gesetzesimmanente Rechtsfortbildung (Analogie) oder den über die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung (Heranziehung von Rechtsgrundsätzen) für gangbar halten. Sachliche Konsequenzen scheint die Wahl der Methode nach Auffassung der Gerichte nicht mit sich zu bringen 519 . Deshalb bereitet es der Rechtsprechung auch keine Probleme, die Frage häufig ausdrücklich offen zu lassen520. Eine eigene Rationalität ist den Gerichtsentscheidungen insoweit nicht zu entnehmen. Die Nachlässigkeit im Umgang mit der Methodenfrage hinterläßt - zumindest aus dogmatischer Sicht - einen Eindruck partiell unreflektierter Entscheidungsfindung.
2. Sachliche Begründung - Eingrenzungskriterien för „ verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse " Bei der Begründung für die Anwendung von Zivilrecht im Öffentlichen Recht bemüht sich die Rechtsprechung - zumindest aus Sicht einer Gesamtbetrachtung - Kriterien für das Vorliegen eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" aufzustellen. Allerdings bieten die Einzeljudikate in den verschiedenen Fallgruppen dem Rechtsanwender keine „tatbestandlichen" oder zumindest solchen vergleichbare Voraussetzungen, anhand derer die Annahme oder Ablehnung einheitlich geprüft werden könnte. Von Homogenität kann jedenfalls nicht gesprochen werden. Für jede der einzelnen, aber auch innerhalb der jeweiligen Konstellationen des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" liefern die Gerichte individuelle Begründungsansätze mit mehr oder weniger übergreifenden und deckungsgleichen Argumentationstopoi. a) ,3esonders enges Verhältnis" und „Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten" Die Rechtsprechung scheute sich lange Zeit, das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" gesondert zu definieren. Die Haftung nach PrivatrechtsNJW 1977, 197; VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); VersR 1978, 253 (254); VersR 1987, 768 (769); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996,305; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179 (180); BSGE 6, 197 (200); BSG FEVS 19, 104(107,111); NJW 1991,2373. 519 Zur Widerlegung dieser Grundannahme siehe unten S. 297 ff. 520 VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NJW 1985, 2603 (2604); Urt. v. 15.6.1992 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; BayVGHE 23, 2 (3); BayVGH DÖV 1997, 76 (78 f.); OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370, siehe aber S. 369: Analogie); OVG Lüneburg OVGE 11, 307 (312); OVG NW VerwRspr 22, 496 (503); NWVB1 1996, 12 (13); NWVB1 1996, 304; NWVB1 1998, 198; NVwZ-RR 1998, 198 (199); RG SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JW 1936, 383; BGHZ 54, 299 (304); BGH NJW 1998, 298 (300); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994,627; OLG Hamm VersR 1987,789.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
145
grundsätzen wurde rein kasuistisch für einzelne öffentlich-rechtliche Fallgruppen anerkannt. Eine nähere Begründung blieb meist aus oder beschränkte sich auf die Feststellung der Vergleichbarkeit der Interessenlagen. Sehr bald konnten die Gerichte in ähnlichen Fallgestaltungen auf Vorgängerentscheidungen verweisen - so geschehen bei der öffentlich-rechtlichen Verwahrung 521 , zeitlich gefolgt von der Haftung aus öffentlich-rechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen 522 und der Haftung wegen Fürsorgepflichtverletzung im Beamtenverhältnis 523. Den ersten Versuch, das sog. „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" unter einheitliche Voraussetzungen zu stellen, erfolgte in der Entscheidung des BGH 5 2 4 zur Verletzung von Fürsorgepflichten in einem Strafgefangenenverhältnis. Die Urteilsgründe gehen von zwei jeweils positiv festzustellenden „Tatbestands"voraussetzungen des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" aus, die vom überwiegenden Teil der Rechtsprechung - und auch der Literatur - übernommen wurden. So sei nach heute wohl h. M. ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" immer dann anzunehmen, wenn (1) ein besonders enges bzw. besonderes, enges Verhältnis der an einem Verwaltungsrechtsverhältnis Beteiligten zueinander bestehe525 und (2) dadurch ein Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb des Öffentlichen Rechts hervorgerufen werde 526 . Diese Kriterien haben zwar in ei521
Hierzu oben S. 102 ff. Hierzu oben S. 73 ff. 523 Hierzu oben S. 87 ff. 524 BGHZ 21, 214 (218). 525 BVerwG NJW 1961, 2364 (2366); NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW ESVGH 26, 155 (157); VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; OVG LSA LKV 1997, 175 (178); BGHZ 21, 214 (218); 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (10); BGH NJW 1963, 1828; JZ 1971, 94 (95); NJW 1974, 1816; NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39); VersR 1987, 768 (769); NJW 1998, 298 (299); OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. - Aus der Literatur Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 129 ff.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 130; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 301 Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 3 Rn. 9 f., § 4 Rn. 8; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 138 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 810; Forsthojf, Verwaltungsrecht I, S. 423; Hüttenbrink DÖV 1982, 489 (494 f.); Janson DÖV 1979, 696 (697); Grave DVB1 1978, 450 (451); Ρ alder NJW 1977, 954; Schwarze JuS 1974, 640 (641); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (388). 526 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW ESVGH 26, 155 (157); VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; OVG LSA LKV 1997, 175 (178); BGHZ 21, 214 (218); 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (11); BGH NJW 1963, 1828; JZ 1971, 94 (95); NJW 1974, 1816; NJW 1998, 298 (299); OLG Hamm VersR 1987, 789; LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 9; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 810; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 424; Janson DÖV 1979, 696 (697); Palder NJW 1977, 954; Schwarze JuS 1974, 640 (641). 522
10 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
nem personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnis ihren Ursprung genommen 527 , ihren Hauptanwendungsfall fanden sie später jedoch in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen 528. Selbst wenn für die Begründung eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses eigene Voraussetzungen entwickelt wurden 529 , so wurden doch mitunter auch hier zusätzlich die besondere Nähe und das Bedürfnis zur angemessenen Verteilung der Verantwortlichkeit herangezogen 530 . Neuerdings wurden auch dem Beleihungsrechtsverhältnis diese Merkmale attestiert, um in einem solchen ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" sehen zu können 531 . Hinsichtlich der ersten Voraussetzung bleibt zu erwähnen, daß die zivilgerichtliche Rechtsprechung ursprünglich ein „besonders enges Verhältnis" gefordert hat 532 , zwischenzeitlich allerdings allgemeiner formulierte und ein „besonderes, enges Verhältnis" voraussetzte 533. Dies wurde in der Literatur - soweit es überhaupt bemerkt wurde - als Fortschritt angesehen, weil damit wie beim zivilrechtlichen Schuldverhältnis allein die individuelle Sonderverbindung Kriterium für das Vorliegen des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses sei 534 . Die terminologische Abweichung erscheint allerdings eher unbewußt und unreflektiert erfolgt zu sein. Der BGH 5 3 5 ist mittlerweile - erneut ohne dies zu begründen - wieder zur Formulierung „besonders enges Verhältnis" zurückgekehrt. Bei kritischer Analyse werfen die beiden geschilderten Kriterien mehr Fragen auf, als daß sie zur Rechtsklarheit beitragen. Die Rechtsprechung und die herrschende Lehre bleiben bis heute zahlreiche Antworten schuldig. Sie erläutern weder, was an dem Verhältnis besonders sein soll, noch geben sie handhabbare Unterscheidungskriterien vor, ab wann ein Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger als eng bzw. als besonders eng zu qualifizieren ist. Die Begründung eines jeden Verwaltungsrechtsverhältnisses ist mit einem besonde-
527
BGHZ 21, 214 (218) für das Strafgefangenenverhältnis; dem folgend für das Beamtenverhältnis BVerwG NJW 1961, 2364 (2366) und für das Verhältnis des Schülers zum Schulträger BGH NJW 1963, 1828; NJW 1964, 1670 (1671). 528 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW ESVGH 26, 155 (157); VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; BGHZ 54, 299(303); 59, 303 (305); 61, 7 (10 f); BGH NJW 1974, 1816; NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39); VersR 1987, 768 (769); LG Wiesbaden NVwZ 1983, 179. 529 Hierzu siehe oben S. 104 f. sowie unten S. 205 ff. 530 OLG Hamm VersR 1987, 789. 531 BGH NJW 1998,298 (299). 532 Vgl. BGHZ 21, 214 (218); NJW 1963, 1828. 533 Vgl. BGHZ 54, 299 (303); 59, 303 (305); 61, 7 (10); BGH JZ 1971, 94 (95); NJW 1974, 1816; VersR 1978, 38 (39). 534 PalderWW 1977, 954. 535 BGH NJW 1998,298(299).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
147
ren sozialen Kontakt zwischen den Beteiligten verbunden, durch den eine Individualisierung der Rechtsbeziehungen des Staates zu anderen Rechtssubjekten erst stattfindet 536. Die Dichte der Normen sowie der Rechte und Pflichten variiert je nach Eigenart des Verwaltungsrechtsverhältnisses beträchtlich 537 . Wann diese in Relation zum allgemeinen Staat-Bürger-Verhältnis gesteigerte Nähebeziehung aber „besonders eng" sein soll 538 , bleibt offen 539 . Ungeklärt bleibt insbesondere, ob sich das besondere Näheverhältnis auf die räumliche Nähe 540 , die Vertrauensbeziehung, die Quantität oder Intensität der Kontakte oder sonst eine „besondere" Eigenschaft des Verwaltungsrechtsverhältnisses beziehen soll. Im Verwaltungsrechtsverhältnis besteht ohnehin schon eine engere Beziehung zwischen Staat und Bürger als im nicht auf einen konkreten Sachverhalt bezogenen Staat-Bürger-Verhältnis. Kriterien, nach denen die Rechtsbeziehungen im „allgemeinen" oder „besonderen" Verwaltungsrechtsverhältnis 541 von der besonders engen im „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" abzugrenzen sind, werden nicht genannt. Das erste Merkmal bleibt in Rechtsprechung und Literatur damit völlig konturenlos. Mangels Konkretisierung der besonderen Enge ermöglicht es kaum eine Abgrenzung 542 . Das Rekurrieren auf ein besonders enges Verhältnis zwischen Verwaltung und Bürger mutet daher mehr als eine Erklärung für die Schaffung des Instituts der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" an, als daß es tatsächlich eine Begriffsbestimmung abgibt 543 . Die vermeintliche zweite Voraussetzung, das „Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten", überspringt die Primärebene und zielt gleich auf die haftungsrechtlichen Fragen der Sekundärebene. Die meist scha-
536
BVerwGE 100, 262 (265) = NJW 1996, 2046; E 89, 327 (329) = NVwZ 1993, 64 (65); E 77, 207 (211) = NVwZ 1988, 430 (431); BVerwG Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97 S. 3; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 21; Redeker/von Oertzen VwGO, § 43 Rn. 7; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 17; Bosch/Schmidt, Verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 28 III 1 b; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 16; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 33; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 330; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 68; ders. in: GS Klein, S. 1 (32); Löwer, Staatshaftung für unterlassenes Verwaltungshandeln, S. 457; Henke JZ 1992, 541 (543); Ehlers DVB1 1986, 912 (913). 537 Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (62). 538 Vgl. etwa Schmalz/Hofmann, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 88, der dieses Problem scheinbar erkennt, aber dann lediglich von „noch engeren Beziehungen" spricht. 539 Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 354. 540 So Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 131 f. 541 Vgl. zu dieser Unterscheidung Gröschner Verw 30 (1997), 301 (325 f.). 542 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 3; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 75. 543 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; ablehnend auch Papier Forderungsverletzung, S. 55 ff.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
denersatzrechtlichen Rechtsfolgen ergeben sich aus dem angemessener erscheinenden Bürgerlichen Recht. Die Primärpflichten sollen hingegen weiterhin unbestritten dem Öffentlichen Recht zu entnehmen sein. Das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" muß also schon vor der Rechte- bzw. Pflichtenverletzung, die das gemutmaßte Bedürfnis nach der Anwendung zivilrechtlicher Haftungsvorschriften ausgelöst hat, bestanden haben. Die „angemessene Verteilung der Verantwortlichkeiten" richtet sich folglich zuerst einmal nach dem Öffentlichen Recht. Lediglich zur Sanktionierung der Verletzung der so verteilten öffentlich-rechtlichen Pflichten soll das Zivilrecht herangezogen werden können. Wann ein Verwaltungsrechtsverhältnis gleichzeitig als „Schuldverhältnis" qualifiziert werden kann, läßt sich den Anforderungen, welche die Sekundärebene an die rechtliche Ausgestaltung der Haftungsfragen stellt, jedoch keinesfalls entnehmen. Das Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten umschreibt lediglich die Motivation dafür, die Rechtsfolgen aus einem besonders gelagerten Verwaltungsrechtsverhältnis den Schuldrechtsvorschriften des BGB zu entnehmen544. Folglich hat es auch neben der Feststellung eines „besonders engen Verhältnisses" keine eigenständige Bedeutung545. Haben die Gerichte ersteres angenommen, wurde regelmäßig auch das Bedürfnis bejaht - wenn es überhaupt erörtert wurde. Als Argument für eine Lückenschließung durch die Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften im Bereich des Öffentlichen Rechts oder eine Heranziehung allgemeingültiger Rechtsgrundsätze mag das Bedürfnis nach der Anwendung des Zivilrechts möglicherweise mit herangezogen werden können. Über die Eigenschaften, die ein Verwaltungsrechtsverhältnis haben muß, um dieses Bedürfnis auszulösen, ist allerdings noch nichts gesagt. Hier wird die auf der Sekundärebene angesiedelte Motivation zur Schöpfung des sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" verwechselt mit der Definition und abgrenzbaren Beschreibung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses, das sich als „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" aus der Gruppe aller Verwaltungsrechtsverhältnisse herausheben soll 546 . Die unzulässige Verbindung von Tatbestand und Haftungsfolgen bei der herrschenden Meinung setzt sich dem Vorwurf der Billigkeitsrechtsprechung aus und sorgt dafür, daß es bei der Definition des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" bei einer „ergebnisorientierten Leerformel" bleibt 547 . Die Erkenntnis, die sich bei der Auseinandersetzung mit dem Begründungsansatz der herrschenden Meinung einstellt, läßt im Hinblick auf eine erkennba544
Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 1; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 354; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 646. 545 Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 75 f. 546 Koenig DÖV 1994, 286 (289). 547 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 3; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 354; Windthorst JuS 1996,606 (606 f.); U. Stelkens DVB1 1998, 300 (303).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
149
re Rationalität nur vage die Veranlassung zur Entwicklung des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" erkennen. Handhabbare Eingrenzungskriterien gibt sie keine an die Hand. Von der besonderen Qualität des zugrundeliegenden Verwaltungsrechtsverhältnisses wird unmittelbar auf die Anwendbarkeit der privatvertraglichen Haftungsgrundsätze geschlossen. Eine Trennung zwischen der Qualifizierung von Verwaltungsrechtsverhältnissen, in denen „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" gesehen werden können, auf der Primärebene und der Beurteilung der Sekundärebene, auf der zivilrechtliche Vorschriften oder Haftungsgrundsätze Anwendung finden sollen, findet nicht statt. Es wird von den „ M e r k m a l e n " sogenannter „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" direkt auf die Anwendbarkeit von Zivihecht im öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang geschlossen.
b) Eingrenzungsversuche der Literatur aa) Korrespondierende
Leistungspflichten
und Berechtigungen (Simons)
Zum Thema der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" sind bis dato zwei Dissertationen erschienen 548. Die zeitlich vorangehende von Simons datiert aus dem Jahre 1967. Darin wird das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" definiert als ein „Sonderrechtsverhältnis aufgrund objektiven Verwaltungsrechts zwischen Zivilpersonen oder (und) Trägern hoheitlicher Gewalt, die einander zu bestimmten, durch den Inhalt der Rechtsbeziehung näher konkretisierten Leistungen von Vermögenswert verpflichtet sind mit Ausnahme der einseitig durch verwaltungsrechtlichen Rechtssatz begründeten Leistungspflichten der Zivilpersonen gegenüber den Trägern öffentlicher Gewalt." 549 Wesensmerkmal des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" sei das Vorhandensein korrespondierender Leistungspflichten und Berechtigungen 550. Simons 551 geht von einer Identität der Voraussetzungen bei privatrechtlichen Schuldverhältnisse und Verwaltungsrechtsverhältnissen aus. Er konstatiert, daß „in gleicher Weise, wie natürliche und juristische Personen sowohl als Leistungsverpflichtete als auch als Forderungsberechtigte Beteiligte eines allgemeinen verwaltungsrechtlichen Rechtsverhältnisses", sie auch „Gläubiger und Schuldner eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" sein können. Die 548 Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967; Papier, Die Forderungsverletzung im öffentlichen Recht, 1970. 549 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 59. 550 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 43. 551 Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 48 f. - Zu einer genaueren Analyse der Merkmale eines Schuldverhältnisses mit denen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses siehe oben S. 155 ff.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Abgrenzungskriterien, mit welchen bestimmte Verwaltungsrechtsverhältnisse als „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" gekennzeichnet werden, sind allerdings ähnlich konturenlos wie die Eingrenzung der h. M. anhand der besonderen Nähe der Beziehung 552 . Die Bezeichnung als „Sonderrechtsbeziehungen" 553 gibt insoweit keine Anhaltspunkte und der Unterscheidung je nach Art und Intensität des jeweiligen Leistungsinteresses 554 fehlen die Kriterien für deren Beurteilung. Die Sonderrechtsbeziehung soll im Bereich der Leistungsverwaltung dann vorliegen, wenn der leistungsberechtigte Private „eine über die allgemeine Normwirkung hinausgehende schutzwerte Rechtsposition" besitzt, in der seine Individualinteressen in gesteigertem Umfang Berücksichtigung finden. Dazu ist anzumerken, daß der Inhaber eines subjektiv-öffentlichen Leistungsanspruchs gegenüber der Verwaltung vermittelt über die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Normen immer eine Rechtsposition erlangt hat, in welcher seine (grundrechtlich geschützten) Individualinteressen besondere Berücksichtigung gefunden haben. Mit Ausnahme möglicherweise den Formen kooperativen Verwaltungshandelns gründen sich alle schutzwerten Rechtspositionen aus Verwaltungsrechtsverhältnissen allein auf „allgemeine Normwirkungen" 555 . Wann der im Bereich der Leistungsverwaltung bei einem Binnenvergleich der Verwaltungsrechtsverhältnisse zueinander ohnehin schon „gesteigerte Umfang" noch einmal gesondert hervorzuheben ist, bleibt nach dem Ansatz von Simons unbeantwortet. Auch der Gedanke, daß im Verwaltungsschuldrecht eine Beschränkung auf den bloßen gemeinwohlorientierten Gesetzesvollzug nicht stattfinden könne 556 , führt in die Irre. In sämtlichen subjektivrechtlichen Normen des Öffentlichen Rechts, in denen der Verwaltung Ermessen eingeräumt ist, fließen selbstverständlich die Individualinteressen des Berechtigten bzw. Verpflichteten ein 557 . Eine entsprechende Differenzierung würde sich daher nicht nur in Widerspruch zu den Grundsätzen über das subjektiv-öffentliche Recht, sondern auch zum Wesen der Aufgabenwahrnehmung der Verwaltung stellen. Die Vorstellung von einer rein am Gesetzesvollzug ausgerichteten Verwaltungstätigkeit sollte der Vergangenheit angehören. 552
Zur Kritik hierzu siehe oben S. 144 ff. Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 49 ff. 554 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 54. 555 Dies als „formale Besonderheit" ansehend Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 50 f. 556 Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 51 f. 557 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 42 Rn. 113 Stichwort „Ermessen"; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 14 Rn. 93; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 159; Wahl/Schütz, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 85 ff.; Bosch/Schmidt, Verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 25 II 1 c; Büchner/Schlotterbeck, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 149. 553
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
151
Wenn Simons 558 eine Vermögenswertigkeit der Leistung als Wesensmerkmal „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" fordert, um damit „z. B. Polizei· und Ordnungspflichten, Freiheits- und politische Rechte sowie Rechte und Pflichten aus Ehrenämtern" auszunehmen, so entbehrt dies ebenfalls jeglicher sachlich begründbarer Grundlage 559 . Das Schuldrecht bzw. das Schuldverhältnis im Zivilrecht ist nicht gekennzeichnet von einer irgendwie gearteten Orientierung an einer Vermögenswertigkeit der Schuld. Im Öffentlichen Recht ein solches Erfordernis aufzustellen, wäre allein getragen von dem Wunsch, bestimmte Verwaltungsrechtsverhältnisse nicht zum Kreis der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" zählen zu müssen. Sachargumente gibt es dafür keine, und es bleibt bei der bloßen Ergebnisorientierung dieser Einschränkung.
bb) Verletzung privater Forderungsrechte
des status positivus (Papier)
Die zweite Dissertation zu den „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" ist nur drei Jahre jünger und stammt aus dem Jahre 1970. Hierin will Papier 560 die „rechtliche Sonderverbindung" des Schuldverhältnisses nicht nur als Institut des privaten, sondern mit entsprechendem Begriffsinhalt auch des Öffentlichen Rechts verstanden wissen. Er trennt insoweit erst auf der Sekundärebene und unterscheidet zwischen der Haftung aus unerlaubter Handlung und der aus Forderungsverletzung, wobei „die (positiven) Handlungsansprüche des status negativus nicht den privaten Forderungsrechten, sondern den dinglichen oder negatorischen Ansprüchen" entsprächen, „so daß ihre Verletzung unerlaubte Handlung und nicht ForderungsVerletzung" sei 561 . Hiermit geht er offensichtlich vom Begriffsverständnis des Schuldverhältnisses im engeren Sinne aus, der einzelnen Forderung (vgl. § 241 BGB) 5 6 2 . Diese Reduktion des Komplexes „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" auf ein einzelnes Forderungsrecht wird der Problematik nicht gerecht. Es ist nicht der isolierte Anspruch, der bei Verletzung eine Haftung nach privatrechtlichen Vertragsgrundsätzen auslöst, sondern das zugrundeliegende Verwaltungsrechtsverhältnis, nach dem sich beurteilt, ob im Einzelfall Regelungsgedanken des BGB anwendbar sind oder nicht. Maßgeblich sollen daher auch nach dem Ansatz von Papier die Rechtsbeziehungen sein, denen die verletzte Forderung entspringt, die „rechtliche Sonderverbindung". Er meint, die Unter558
Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 56 ff. Papier Forderungsverletzung, S. 59 f.; Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Eckert DVB1 1962, 11 f.; Friedrichs ArchBürgR 42 (1916), 28 (31). 560 Forderungs Verletzung, S. 84. 561 Pap/er Forderungsverletzung, S. 31 ff, 160. 562 Zur Unterscheidung zwischen Schuldverhältnissen im engeren und im weiteren Sinne siehe unten S. 155 f. 559
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Scheidung zwischen „einfachem" Verwaltungsrechtsverhältnis und „öffentlichrechtlichem Schuldverhältnis" könne nach den gleichen Kriterien vorgenommen werden wie im Privatrecht. Ob dem tatsächlich so ist, wird festzustellen sein 563 . Wenn Papier weiter behauptet564, der Anspruch auf Erteilung einer behördlichen Erlaubnis sei generell dem status negativus zuzurechnen, greift er damit zu kurz 565 . Denn auch Ansprüche und Forderungsrechte des Bürgers, die sich aus seinem status positivus ergeben, dienen mitunter der „Sicherung der (Freiheits-)Rechte" und unterfallen deshalb nicht automatisch dem status negativus 566 . Der Umstand, daß der Umfang und die konkrete Ausgestaltung der Leistungsanspüche des status positivus maßgeblich durch das Gesetz bestimmt ist, ändert hieran nichts 567 .
cc) Öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis mit Haupt- und Nebenpflichten (Windthorst) In der Literatur hat es zahlreiche weitere Ansätze gegeben, die „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" definitorisch begrifflich einzugrenzen 568. Hiervon seien zwei aus jüngerer Zeit herausgegriffen. Zum einen behandelt Windthorst 569 im Rahmen der verschiedenen Haftungsinstitute des Staatshaftungsrechts auch das „öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis". Als Eingrenzungsmerkmale desselben nennt er ein „öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen zwei Rechtssubjekten", „bestehende Leistungspflichten" sowie die Begründung besonderer Nebenpflichten." 570 Mit dem Merkmal Verwaltungsrechtsverhältnis will er neben rein räumlichen Nachbarverhältnissen insbesondere die informellen Absprachen zwischen Verwaltungsträgern ausgrenzen571. Damit ist nichts gewonnen. Die Versuchung, in Beziehungen, denen kein Rechtsverhältnis zugrunde liegt, „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" zu sehen, bestand ohnehin nicht. Zum zweiten Merkmal ist zu sagen, daß in Verwaltungsrechtsverhältnissen immer Leistungspflichten bestehen. Dies ist konstitutives Wesensmerkmal derselben, somit 563
Zur Nutzbarkeit der Ordnungsgröße „Schuldverhältnis" als Eingrenzungskriterium siehe unten S. 163 ff. 564 So aber Papier, Forderungsverletzung, S. 33 f. 565 Zur Einordnung der Baugenehmigung zwischen Kontrollerlaubnis und Planungsentscheidung Wahl DVB1 1982, 51 (56 f.). 566 Zur Unterscheidung von status negativus und status positivus vgl. Pieroth/Schlink Grundrechte, Rn. 60 ff.; Stern, in: HStR V, § 109 Rn. 43 ff. 567 Stern, in: HStR V, § 109 Rn. 43. 568 Zu den Auffassungen vor 1970 ausführlich Papier, Forderungsverletzung, S. 58 ff. 569 Windthorst JuS 1996, 605 ff. 57 0 Windthorst JuS 1996, 605 (606). 571 Zum Verwaltungsrechtsverhältnischarakter bei informellem Verwaltungshandeln und bei informellen Absprachen siehe oben S. 209 f.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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liegt in dieser Voraussetzung ebenfalls nicht wirklich eine Eingrenzung. Sämtliche Rechtsverhältnisse beinhalten auch Nebenpflichten 572. Bleibt die Bezeichnung der „besonderen" Nebenpflicht. Die Besonderheit soll darin liegen, daß eine erweiterte Möglichkeit besteht, auf Rechtsgüter des anderen einzuwirken. In jedem Fall, in dem ein Beteiligter eines Verwaltungsrechtsverhältnisses in unmittelbaren Kontakt mit dem Eigentum oder der Person des anderen Beteiligten kommt, eine, wie Windthorst es bezeichnet, „spezielle Sonderverbindung" zu sehen, erscheint zumindest denkbar. Diese Konstruktion wirft aber mehr Fragen auf, als sie zu lösen. So wäre zu fragen, ob von einer „erweiterten Einwirkungsmöglichkeit" auszugehen ist, wenn die Entscheidung zwar eine solche nicht mit sich bringt, es in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren aber zu einem Kontakt mit den Rechtsgütern kam, oder etwa ob das Vermögen auch als Rechtsgut anzusehen ist, auf das eingewirkt werden kann. Letzteres wird sich schwer verneinen lassen. Aber dann würden auch beispielsweise bei der Entscheidung über die Genehmigung eines Bauvorhabens beträchtlich erweiterte Möglichkeiten bestehen, auf Rechtsgüter des Antragsstellers einzuwirken. Die scheinbaren „Eingrenzungs"merkmale würden ihr selbst gestecktes Ziel in diesem Fall nicht mehr leisten können. Nähme man auf der anderen Seite das Vermögen als taugliches Rechtsgut im Sinne dieser Definition heraus, so erschiene der Anwendungsbereich des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zu begrenzt. Das Rechte-Pflichten-Verhältnis beim Schuldverhältnis erstreckt sich gerade nicht nur auf den Schutz von privatem Eigentum und von Körper und Gesundheit der Beteiligten, sondern umfaßt auch alle darüberhinausgehenden Leistungspflichten und rechte. Die Anlehnung der Definition des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" an den Rechtsgüterschutz würde das Schuldverhältnis in die Nähe der über die Haftung für unerlaubte Handlungen (§ 823 Abs. 1 BGB) geschützten absoluten Rechte rücken. Das kennzeichnende Wesensmerkmal der Schuldverhältnisse ist aber gerade die Relativität seiner Rechte- und Pflichtenpositionen 573.
dd) Haftungsrechtliche Erfassung der Interessenlagen in Sonderrechtsbeziehungen (Koenig) Beachtung sollte auch ein weiterer Definitionsversuch finden, den Koenig 574 in seinem Aufsatz zur Haftung zwischen Wahlbewerbern 575 gewählt hat. Er spricht von „Mindestkriterien", die ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" erfüllen müsse576. Diese seien erstens eine auf einer öffentlich-rechtli572 573 574 575 57 6
Zur ausführlichen Begründung dieser Aussage siehe unten S. 166 ff. Hierzu ausführlich siehe unten S. 156 ff. DÖV 1994, 286 (288 ff.). Hierzu ausführlich S. 140 ff. u. 272 ff. Koenig DÖV 1994, 286 (290).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
chen Gebotsnorm beruhende Pflicht, Ermächtigung oder ein Recht eines Beteiligten mit korrelierendem Erfüllungsanspruch des anderen. Zweitens sollen Gebotsnorm und Erfullungsanspruch ein über die allgemeine rechtsstaatliche Pflicht zur Normbefolgung hinausgehendes öffentlich-rechtliches „Sonderrechtsverhältnis" begründen. Drittens sei erforderlich das Bedürfnis nach einer Schadenshaftung im Öffentlichen Recht, die dann bestehe, wenn „die geschuldete Leistung, Sorgfalt, Obhut oder Nebenpflicht trotz hoheitlicher Durchsetzungsbefugnisse des Staates nicht mehr korrekt erfüllt werden" könne. Und schließlich viertens setzt er voraus, daß die von Rechtsstaats- und Verfassungsprinzipien geprägte Interessenlage haftungsrechtlich überhaupt erst erfaßt werden könne, wenn ein öffentlich-rechtlicher Nicht- oder Schlechterfüllungsschaden über die Restitutionsgrundsätze der §§ 249 ff. BGB abgewickelt werde. Die erste Voraussetzung ist sicherlich notwendig, auch für die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses". Sie ist aber nichts anderes als eine komplizierte und sprachlich wenig gelungene Umschreibung für öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, aus denen sich auf einer Seite Primäransprüche ergeben. Mit der Forderung nach dem Vorliegen eines „Sonderrechtsverhältnisses", dem zweiten Kriterium, wird nichts anderes als eine „gesteigerte" Rechte-Pflichten-Beziehung gefordert, deren Bedingungen für eine Grenzziehung in Abgrenzung zu den nicht gesteigerten Rechten und Pflichten in den Ausführungen von Koenig aber ausgeblendet bleibt. Das dritte und das vierte Kriterium vermengen, wie der Ansatz der h. M. 5 7 7 , die Motivation zur Kreation des „öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses" mit dessen Voraussetzungen. Selbstverständlich kann die „geschuldete Leistung, Sorgfalt, Obhut oder Nebenpflicht" entgegen der Behauptung von Koenig auch dann gesetzesgemäß oder vereinbarungsgemäß erfüllt werden, wenn die Nicht- oder Schlechterfüllung nicht quasi generalpräventiv mit einer Schadenersatzfolge sanktioniert ist. Ob bei Pflichtverletzung auf der Sekundärebene ein als gerecht empfundener Ausgleich vorgesehen ist oder nicht, besagt nichts über die Existenz eines „öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses" auf der Primärebene. Die Qualifizierung eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses als Schuldverhältnis kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob billigerweise bei der Haftungsfrage eigene Grundsätze gelten sollten. Damit würde jede Dogmatik außer acht gelassen und an deren Stelle das einzige Kriterium der Billigkeit gesetzt578. c) „Schuldverhältnis" als Ordnungsgröße Bei der Prüfung, ob im Kontext der für ein Verwaltungsrechtsverhältnis geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen die Heranziehung zivilrechtlicher 577 578
Siehe oben S. 144 ff. Zur Kritik am Ansatz von Koenig ausführlich unten S. 272 ff.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Haftungsgrundsätze fur zulässig erachtet wird, legt die Bezeichnung des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" eine weitere Bezugsgröße nahe. „Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" werden meist nach ihrem „schuldrechtsähnlichen Charakter" qualifiziert 579 . Bei der Haftung bzw. Anspruchsbegründung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" wird somit scheinbar eine vermeintliche Ähnlichkeit bestimmter Verwaltungsrechtsverhältnisse mit (privatrechtlichen) „Schuldverhältnissen" als Anknüpfungspunkt für die intendierte richterliche Rechtsfortbildung angesehen.
aa)Merkmale des Schuldverhältnisses
im Zivilrecht
(1) Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinne Für das zivilrechtliche Schuldverhältnis hat der historische Gesetzgeber keine Legaldefinition in das Bürgerliche Gesetzbuch aufgenommen, sondern den Begriff bewußt offen gelassen580. Der Sprachgebrauch des BGB ist in bezug auf das Schuldverhältnis nicht einheitlich. Man kann unterscheiden zwischen einem Schuldverhältnis im engeren und einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Das Schuldverhältnis im engeren Sinne bezeichnet das einzelne, auf eine bestimmte Leistung gerichtete Recht. Es umschreibt die rechtliche Forderungsbeziehung zwischen dem Gläubiger eines einzelnen Anspruchs (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) und dem Schuldner mit seiner korrespondierenden Leistungsverpflichtung (vgl. § 241 S. 1 BGB). Das Schuldverhältnis im engeren Sinne ist geprägt von den Komplementärbegriffen Forderung bzw. Anspruch und Schuld (vgl. etwa § 243 Abs. 2, § 362 Abs. 1, § 364 Abs. 1, § 397 Abs. 1, §§ 405, 781 BGB) 5 8 1 . Aus der Formulierung, der Gläubiger sei kraft Schuldverhältnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern (§ 241 S. 1 BGB), kann herausgelesen werden, daß das Schuldverhältnis mit der Leistungspflicht gleichgesetzt ist, man kann diesen Satz aber auch so interpretieren, daß die Schuld nur Element eines über diese hinausführenden Schuldverhältnisses ist 582 .
57 9
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 21 a. E. u. § 28 Rn. 2; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, §55 Rn. 1; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 138. 580 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 12. 581 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 1; Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 12; Medicus, Schuldrecht I, S. 4; Köbler Schuldrecht, S. 6; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 1 a bb; Werner, in: Erman, BGB, Einl § 241 Rn. 13; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 2; Westermann, Schuldrecht AT, S. 2; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 7; Löwisch, Das Schuldverhältnis, S. 5. 582 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 7.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Letzteres bezeichnet den eigentlichen, umfassenderen Begriff des Schuldverhältnisses 583. Das Schuldverhältnis nach dem BGB, wie es in § 241 zum Ausdruck kommt, ist zwar entscheidend von der Leistungs-Forderungsdimension geprägt, erschöpft sich jedoch nicht in der gegenständlich fixierten Obligation 584 . Unter einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne versteht man vielmehr die Gesamtheit der Rechtsbeziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (vgl. § 273 Abs. 1, § 292 Abs. 1, § 425, Überschriften vor § 241 und vor § 433 BGB) 5 8 5 . Es nimmt die „Schuld" in sich auf und geht bei weitem über sie hinaus, indem es seine verschiedenen Elemente zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügt 586.
(2) Wirkungen des Schuldverhältnisses - relative und absolute Rechte Bei der Einordnung des Schuldverhältnisses kann auch auf dessen Wirkungen abgestellt werden. In Abgrenzung zu den dinglichen Rechten wird zwischen relativen und absoluten Rechten unterschieden 587. Die Relativität der Forderungsrechte bezeichnet den Umstand, daß im Schuldverhältnis nur die an ihm Beteiligten berechtigt und verpflichtet werden. Eine weitergehende Bindungswirkung für außenstehende Dritte hat das Schuldverhältnis nicht 588 . Das relative Recht besteht nur gegenüber dem Schuldner, und nur der Schuldner kann es verletzen. Relative Pflichten sind nur zwischen den an der Sonderverbindung beteiligten Personen einforderbar, unbeteiligte Dritte brauchen das Schuldverhältnis weder zu beachten, noch können sie Vorteile daraus ziehen 589 . Ansprüche, Gestaltungsrechte und Einwendungen bzw. Einreden entfalten ihre Wirkungen nur innerhalb der Schuldverhältnisse 590. Im Gegensatz zu jener Bindung inter partes verpflichten die absoluten Rechte jedermann. Absolute Rechte ordnen einzelnen Personen bestimmte Güter zu, 583 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 1; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 110; Larenz, Schuldrecht I, S. 26. 584 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 87 u. 105. 585 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 12; Werner, in: Erman, BGB, Einl § 241 Rn. 13; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 23; Westermann, Schuldrecht AT, S. 2; Krause VVDStRL 45 (1987), 219. 586 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8. 587 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 15; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 50; Larenz, Schuldrecht I, S. 15. 588 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 14 f.; Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 98; Vollkommen in: Jauernig, BGB, Vor § 241 Anm. 4 u. § 241 Anm. 2 a; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 8; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 2 u. 50; Westermann, Schuldrecht AT, S. 2; Larenz, Schuldrecht I, S. 15; Neuner JZ 1999, 126. 589 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 14; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 50; Neuner JZ 1999, 126 (127). 590 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 98.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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und diese Zuordnung wirkt in ihrer geschützten Ausschließlichkeit gegenüber allen Rechtssubjekten591. Die ,Absolutheit" der absoluten Rechte, deren Haupterscheinungsform die dinglichen Rechte sind, gibt ihnen den Charakter von Herrschaftsrechten 592. So hat ζ. B. der Eigentümer die unbeschränkte Herrschaft über eine Sache und kann diese gegenüber jedermann behaupten (vgl. § 903 BGB). Der Eigentümer beherrscht eine Sache nur dann wirklich, wenn er neben den eigenen Einwirkungsmöglichkeiten andere von der Einwirkung auf die Sache ausschließen kann. Die sog. „Sachenrechte" sind überwiegend statisch und zielen auf Erhaltung des aktuellen Zustands, auf Beherrschung der Sache593. Das Schuldverhältnis als Ausgangspunkt für relative Rechte ist demgegenüber dynamisch angelegt und zielt auf die Veränderung des gegenwärtigen Zustands. Der entscheidende Unterschied zwischen den „absoluten" bzw. „relativen" Rechten liegt jedoch in der differierenden Wirkung; das heißt, daß entweder eine unbestimmte Vielzahl von Personen oder nur ein eindeutig begrenzter Personenkreis verpflichtet und berechtigt ist 594 . Teilweise wird angenommen, die Relativität des Schuldverhältnisses sei Aufweichungen unterworfen 595 . Dem ist insoweit zuzustimmen, als auch den relativen Rechten, ζ. B. vor gewissem deliktischen Verhalten, von der Rechtsordnung „absoluter" Schutz gegenüber jedermann eingeräumt werden kann 596 . Insoweit stellen auch relative Forderungsrechte Herrschaftsrechte dar 597 . Die sich aus dem Schuldverhältnis ergebenden Forderungsrechte und -pflichten selbst wirken jedoch weiterhin rein relativ, also nur zwischen den am Schuldverhältnis Beteiligten. Lediglich bei bestimmten Formen ihrer Verletzung (siehe bspw. § 823 Abs. 2, § 826 BGB) können die angeordneten Rechtsfolgen jedermann treffen 598 . Die relativen Rechte genießen insoweit absoluten Schutz. Kein Argument für ein Verschwimmen der Grenzen zwischen Relativität und Absolutheit ist ferner, daß der Kreis der am Schuldverhältnis Beteiligten in besonderen Konstellationen wie beim Vertrag mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter oder dem Schuldbeitritt ausgeweitet werden oder sich durch Forderungsübergang bzw. Schuldnerwechsel verändern kann. Er bleibt stets be591
Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 15; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, Vor § 241 Anm. 4 u. § 241 Anm. 2 a; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 8; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 2; Larenz, Schuldrecht I, S. 15. 592 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 3; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 50 (m. zahlr. w. Nachw.); Larenz, Schuldrecht I, S. 15. 593 Vollkommer, in: Jauernig, BGB, Vor § 241 Anm. 4. 594 Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 15; Hadding JZ 1986, 926 (927 f.). 595 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 99 f. 596 Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 9; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 45. 597 Creifelds/Kaujfmann, Rechtswörterbuch, Stichwort: „Recht" I. 2. 598 Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 10.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
stimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar und unterscheidet sich daher fraglos von der Allgemeinheit 599 . Die „eherne Relativität" der Schuldverhältnisse in Frage zu stellen 600 , besteht also kein Anlaß.
(3) Unterscheidung rechtsgeschäftlicher und gesetzlicher Schuldverhältnisse Soweit im Gesetz nichts anderes vorgeschrieben ist, bedarf es, um ein Schuldverhältnis zu begründen, eines Rechtsgeschäfts (§ 305 BGB) 6 0 1 . Man unterscheidet daher zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen. Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag erforderlich. Die vertraglichen Schuldverhältnisse kennen in der Regel eine Primärebene der vereinbarten Leistungsverpflichtungen und Forderungsrechte. Die primären Leistungspflichten können sich, insbesondere infolge von Leistungsstörungen in sekundäre Leistungspflichten wandeln. Nicht nur die einzelnen Elemente, die unter dem rechtlichen Gebilde Schuldverhältnis zu einer Einheit zusammengefaßt werden, unterliegen inhaltlichen Wandlungen 602 ; auch die Zusammensetzung der beteiligten Personen kann wechseln. Dieser Wandel und Wechsel schafft neue Rechtslagen, wobei er teilweise gewillkürt vollzogen wird, teilweise von Normen vorgegebene Rechtsfolge bei Eintritt gewisser nicht willkürlich herbeigeführter Umstände darstellt 603 . Die gesetzlichen Schuldverhältnisse entstehen durch bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände, an die das Gesetz als Rechtsfolge Verpflichtungen knüpft 604 . Von den gesetzlichen Schuldverhältnissen kennt nur ein geringer Teil Primärpflichten. Zu nennen sind zum Beispiel die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) oder der Fund (§§ 965 ff. BGB). Ansonsten sind gesetzliche Schuldverhältnisse vorwiegend auf der Sekundärebene angesiedelt. Aber auch Institute wie die Haftung aus ungerechtfertigter Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), die Haftung aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff. BGB) oder die Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 989 ff. BGB) begründen Schuldverhältnisse. Sind alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen eines gesetzlichen Tatbestands erfüllt, so daß eine Person, der Gläubiger, von einer anderen, dem Schuldner, berechtigt ist, eine Leistung zu fordern, so ist das 599 600 601
Rn. 5.
Westermann, Schuldrecht AT, S. 4; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 6. So Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 100. Werner, in: Erman, BGB, Einl § 241 Rn. 14 ff.; Schlechtriem, Schuldrecht AT,
602
Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8. Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8. 604 Werner, in: Erman, BGB, Einl § 241 Rn. 17; Schlechtriem, Rn. 5; Müller, Schuldrecht BT, Rn. 30; Larenz, Schuldrecht I, S. 2. 603
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„Schuldverhältnis aus Gesetz" entstanden605. Sobald der Anspruch aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis begründet ist, beschränkt sich letzteres nicht mehr auf die sekundäre Leistungspflicht allein, sondern wird darüber hinaus zu einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Auch wenn das Geflecht der gegenseitigen Beziehungen beim gesetzlichen Schuldverhältnis meist bei so vielschichtig ist wie beim vertraglichen, bleibt das durch Gesetz begründete Schuldverhältnis nicht bei der einzelnen Forderung stehen (vgl. nur die Anwendbarkeit des § 254 Abs. 2 S. 1 3. Alt. BGB weit über den Bereich vertraglicher Haftung hinaus 606 ). Aus einem - gesetzlichen oder vertraglichen - Schuldverhältnis im weiteren Sinne ergeben sich regelmäßig eine ganze Reihe einzelner Leistungspflichten und damit korrelierender Forderungen, sowie daneben Verhaltenspflichten und Gestaltungsrechte 607. Es stellt somit ein Rechtsverhältnis dar, durch das konkrete Rechtsfolgen gesetzt werden 608 . Die (Haupt-)Leistung ist dabei nicht auf die bloße Verschiebung von Gütern oder auf die Hingabe greifbarer Werte verkürzt. Die Wertverschiebung als Ergebnis der Leistung vom Schuldner an den Gläubiger ist im weitest möglichen Sinne zu verstehen, hört nicht bei der materiellen Betrachtungsweise auf und umfaßt alles, was der Gläubiger als Wert ansehen will 6 0 9 . Bei Schuldverhältnissen, in denen die einzelnen Güterbewegungen den eigentlichen Sinn und Inhalt bilden und in denen die Leistung zugleich Vollzug und Erledigung des Schuldverhältnisses bedeuten, ist man versucht, in der Wertverschiebung das Wesen des Schuldverhältnisses zu erblicken. Der von mindestens zwei Teilnehmern des Privatrechtsverkehrs erreichte Konsens oder die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands wird durch das Schuldverhältnis zur rechtlich sanktionierten Verpflichtung 610 . Übernimmt eine Person eine Verpflichtung und räumt einer anderen ein Forderungsrecht gegen sich ein, so kann dies vielfältig motiviert und mit den unterschiedlichsten Zweckvorstellungen verbunden sein. Beim gesetzlichen Schuldverhältnis ist die Zweckbestimmung vom Gesetzgeber durch die Normierung der Tatbestandsvoraussetzungen vorgegeben. Die Verbindlichkeit eines Schuldverhältnisses 605
Werner, in: Erman, BGB, Einl § 241 Rn. 17. Bspw. zur Anwendbarkeit im Rahmen den Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB vgl. BGH NuR 1997, 622. 607 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 1; Kramer, in: MünchKommBGB, Einl § 241 Rn. 12; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 1 a aa; Larenz, Schuldrecht I, S. 26; Löwisch, Das Schuldverhältnis, S. 5. 608 Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 1 a aa; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8 f.; Larenz, Schuldrecht I, S. 26. 609 Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 2; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 34; Larenz, Schuldrecht I, S. 8. 610 Löwisch, Das Schuldverhältnis, S. 2. 606
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liegt in dieser vereinbarten oder gesetzlich fixierten Zweckbestimmung begründet, durch sie hebt sich beim Konsensualvertrag die Willensäußerung von der schlichten Idee ab 611 . Der Zweck eines Schuldverhältnisses geht jedoch über das Verpflichtungsinteresse des Schuldners bzw. das Befriedigungsinteresse des Gläubigers hinaus. Das Schuldverhältnis im engeren Sinne, die einzelne Forderung, ließe sich vielleicht auf diese Weise erklären 612 , also auf die Wertverschiebung verkürzen. Die zweckbestimmte Begründung von Hauptleistungspflichten durch Übereinkunft der beteiligten Parteien ist zwar primäres Ziel eines vertraglichen Schuldverhältnisses, Kennzeichen aller Schuldverhältnisse im weiteren Sinne ist sie jedoch gerade nicht 613 . Der Sinn und Zweck des Schuldverhältnisses kann nicht nur im Willen und der Motivation der Parteien bzw. des anordnenden Gesetzgebers zur Befriedigung des Gläubigers begründet liegen. Eine solche Betrachtungsweise würde zu kurz greifen und das Schuldverhältnis im weiteren Sinne mit seinem vielschichtigen RechtePflichten-Geflecht nur bruchstückhaft umschreiben 614. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß bei der Suche nach dem gemeinsamen Nenner aller Schuldverhältnisse rechtsgeschäftliche und gesetzliche Schuldverhältnisse sich wesensmäßig hinsichtlich ihrer Wirkungen und Geltungskraft nur durch den Begründungsakt unterscheiden lassen. In beiden sind alle Elemente des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne enthalten. Die - teilweise durchaus erheblichen inhaltlichen - Unterschiede sind lediglich gradueller Natur.
(4) Elemente Leistung, Forderung und Anspruch Zur weiteren Klärung, ob das „Schuldverhältnis" als Ordnungsrahmen für die Einordnung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" taugt, sind die Elemente des Schuldverhältnisses der Leistung, der Forderung und des Anspruchs kurz zu erläutern. Die Leistung wird im Sprachgebrauch des BGB verwendet als Leistungshandlung oder auch als Leistungserfolg 615. Sie ist das, was der Gläubiger vom Schuldner verlangen kann und der Schuldner dem Gläubiger zu gewähren hat 616 . Der Leistungspflicht des Schuldners entspricht
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Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 93 f. Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 10. 613 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 89; Löwisch, Das Schuldverhältnis, S. 5; so aber Janson DÖV 1979, 697. 614 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 89. 615 Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 3 a ; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 8. 616 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 1; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 29; Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 30. 6,2
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auf der Kehrseite das Recht des Gläubigers auf die Leistung, die Forderung 617 . Leistung ist die bewußte und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens 618 . Dies wird besonders deutlich, wenn die geschuldete Leistung ausbleibt, denn die Folge dessen sind grundsätzlich Schadenersatzansprüche. Der durch die Nichtleistung, Zuspätleistung oder Schlechtleistung, also eine Forderungsverletzung, erlittene Nachteil wird in Geld ausgeglichen, ist demnach offensichtlich als Vermögenswert meßbar 619 . Der Anspruch ist im BGB definiert als Recht, „von einem anderen ein Tun, Dulden oder Unterlassen zu verlangen" (§ 194 Abs. 1 BGB). Der Inhalt des Anspruchs muß bestimmt oder wenigstens bestimmbar sein 620 . Von der Erfüllung des Anspruchs, der Leistung, wird sich der Gläubiger irgend einen, im Gegensatz zur Leistung bzw. Forderung nicht notwendigerweise Vermögenswerten Vorteil versprechen 621. Ein Rechtsgeschäft bindet die Parteien aber auch dann, wenn die Leistung dem Forderungsberechtigten Nachteile bringt 622 . Den Ansprüchen entsprechen auf der Schuldnerseite die Leistungspflichten. Dem Leistungsprogramm des (Haupt-)Schuldverhältnisses entsprechen die primären Leistungspflichten 623. Die Forderung ist allein auf die primären Leistungspflichten ausgerichtet. Die durch Leistung zu befriedigende Forderung steht im Mittelpunkt 624 . Im gegenseitigen Pflichtengefüge treffen den Schuldner allerdings noch weitere Erfüllungspflichten. Man unterscheidet zwischen den selbständigen Leistungspflichten und den Nebenleistungspflichten. Letztere benötigen die Parteien für die ordnungsgemäße Abwicklung des Schuldverhältnisses bzw. dessen Konkretisierung 625 . Sämtliche Nebenleistungspflichten enthalten regelmäßig Verhaltensanforderungen, deren Verletzung bzw. Nichtbeachtung sanktioniert ist. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einem Begleitschuldverhältnis 626. Die Nebenleistungspflichten stehen in dienender Funktion zu den selbständigen Leistungspflichten 627 und sind häufig faktisch nicht einklagbar, d. h., der 617 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl § 241 Rn. 1; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 2 a; Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 30; Larenz, Schuldrecht I, S. 15. 618 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 85; Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 3 u. 16; zu Ausnahmen Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 111. 619 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 84. 620 Kramer, in: MünchKommBGB, § 241 Rn. 3. 621 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 84; Larenz, Schuldrecht I, S. 8; nicht differenzierend Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 241 Anm. 2 a. 622 Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 34. 623 Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 19. 624 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 84. 625 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 90 f. 626 Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208. 627 Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 18. 11 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Pflicht korreliert keine forensisch durchsetzbare Forderung 628 . Es sei dahingestellt, ob man letztere als Bestandteil eines Leistungsbündels aus Tuns- und Unterlassenspflichten, Sorgfalts-, Schutz-, Obhuts- oder sonstigen allgemeinen Verhaltenspflichten und somit zumindest als Leistungsbestandteil ansehen w i l l 6 2 9 oder ob man sie als Nebenpflichten von den Nebenleistungspflichten abgrenzen und ihnen den Leistungscharakter absprechen will 6 3 0 . Diese Neben(leistungs)pflichten sind in jedem Fall weniger durch, als beim Bewirken der Leistung zu erfüllen 631 . Sie werden vor allen Dingen durch dahinterstehende sekundäre Leistungspflichten aktuell. Diese sekundären Leistungspflichten treten bei nicht programmgemäßem bzw. bei programmwidrigem Verlauf der Erfüllung der primären Leistungspflichten in Erscheinung 632. Die Leistung und die Forderung sowie der Anspruch sind Elemente und Auswirkungen des ursprünglich bestehenden Schuldverhältnisses im weiteren Sinne. Anhand dieser Begriffe lassen sich die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Abwicklung eines Schuldverhältnisses definieren 633.
(5) Definitionsversuche Bei der Suche nach seinen allgemeingültigen, gemeinsamen Merkmalen hat das Schuldverhältnis im weiteren Sinne vielfältige Bezeichnungen erhalten. So wird unter anderem vom Schuldverhältnis als „Organismus" 634, als „sinnhaftes Gefüge" 635 , als „konstante Rahmenbeziehung"636, als „komplexe Einheit" 637 oder als „finaler Prozeß" 638 gesprochen. Diese Begriffe gehen über eine plastischere oder bildlichere Umschreibung des abstrakten Begriffs „Schuldverhältnis" nicht hinaus. Keiner von ihnen bringt weitere Erkenntnisse auf dem Weg zur inhaltlichen Klärung des Schuldverhältnisses. Auch eine allgemeingültige Definition des Schuldverhältnisses ist bislang nicht gelungen639. Aufgrund der unzähligen Facet628 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 19; insoweit nicht differenzierend Larenz, Schuldrecht I, S. 8. 629 So Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 32; Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 17. 630 So etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208. 631 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 30. 632 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 19. 633 Esser/Schmidt, Schuldrecht I, S. 85 f. 634 Siber, Schuldrecht, S. 1; ders, Der Rechtszwang im Schuldverhältnis, S. 69, 92; so auch Medicus, Schuldrecht I, S. 5; Köbler, Schuldrecht, S. 6; Löwisch, Das Schuldverhältnis, S. 5; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 15. 635 Larenz, Schuldrecht I, S. 27. 636 Herholz AcP 130 (1929), 257 ff. 637 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8 u. 15. 638 Larenz, Schuldrecht I, S. 28. 639 Gernhuber, Schuldverhältnis, S. 8.
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ten und des nicht beschränkten Variantenreichtums der Schuldverhältnisse (vgl. § 305 BGB) wird sich jeder Versuch einer Begriffsbestimmung auf die Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner reduzieren müssen640. Bei einem bloßen Hinweis auf die schuldrechtlichen Wirkungen kann es dabei nicht bleiben, denn damit wäre nichts gewonnen. Andererseits wird man sich dem Gebilde Schuldverhältnis nicht anders als deskriptiv nähern können 641 .
(6) Gemeinsamkeiten aller Schuldverhältnisse Betrachtet man den Zweck der Schuldverhältnisse, seine unterschiedlichen Erscheinungsformen und seine Wirkungen, so gilt für alle Schuldverhältnisse, daß sie Rechtsverhältnisse bzw. rechtliche Sonderverbindungen sind, an denen mindestens zwei Personen teilhaben und aus denen zwischen den beteiligten Parteien relative Leistungs- und Verhaltenspflichten erwachsen 642. Das vielschichtige Geflecht der Beziehungen, welches das Schuldverhältnis im weiteren Sinne von der einzelnen Forderung abhebt, ist auf einen gesteigerten sozialen Kontakt zwischen den Beteiligten zurückzuführen. Letzterer ist aber nie allein konstitutiv für die Existenz von Schuldverhältnissen. Begründet werden Schuldverhältnisse durch Rechtsgeschäft oder aus Gesetz643.
bb)Merkmale zivilrechtlicher Schuldverhältnisse in Verwaltungsrechtsverhältnissen Unter einem Rechtsverhältnis versteht man sowohl im Zivilrecht (vgl. § 256 ZPO) als auch im Verwaltungsrecht (vgl. § 43 Abs. 1 VwGO) die sich aus der Anwendung gesetzlicher Regelungen auf einen konkreten Sachverhalt ergebende Rechte- und Pflichtenbeziehung zwischen zwei oder mehreren Rechtssubjekten bzw. Teilen von diesen, kraft derer eine der beteiligten Personen etwas bestimmtes tun muß, kann oder darf oder nicht zu tun braucht 644 . Handelt 640
Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 12. Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 8 u. 12. 642 Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 23; Westermann, Schuldrecht AT, S. 1; Gemhuber, Schuldverhältnis, S. 15 f.; Larenz, Schuldrecht I, S. 1 u. 6. 643 Dies gilt auch für das Vertragsanbahnungsschuldverhältnis. Zwar ist der „gesteigerte soziale Kontakt" bei den Verhandlungen zum Abschluß eines Vertrags für die Entstehung des vorvertraglichen Schuld Verhältnisses unabdingbares Konstitutivum, denn es ist Tatbestandsmerkmal desselben. Das Bestehen ergibt sich jedoch nicht aus ihm selbst, sondern erst aus dem - ungeschriebenen - Gesetz. 644 Zur Definition des Begriffs Rechtsverhältnis u. a.: BVerwGE 100, 262 (m. w. Nachw. zur bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung) = NJW 1996, 2046 = JZ 1996, 904 m. ausf. Bespr. Huber S. 893 (895); BGHZ 22, 43 (47); Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rji. 400; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 12 ff; Maurer, 641
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
es sich dabei um Normen des Verwaltungsrechts, so spricht man von einem Verwaltungsrechtsverhältnis 645. Die Annahme, ein Rechtsverhältnis könne auch zwischen einer Person und einer Sache bestehen646, ist abzulehnen. Da Sachen immer auch Rechtssubjekten zugeordnet sind, läßt sich der Streit über die Beziehung zwischen einer Person zu einer Sache stets in eine Auseinandersetzung zwischen Personen auflösen, wie auch niemals Sachen, sondern nur entsprechend der Zuordnung der Sache die dahinterstehenden Personen klagen bzw. verklagt werden können 647 . Zwar kennen selbstverständlich sowohl Privat- als auch Verwaltungsrecht den Begriff des Rechtsverhältnisses. Im Zivihecht verkörpert das Schuldverhältnis aber in aller Regel das gesamte Rechtsverhältnis - Schuldverhältnisse Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 16; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 86; Creifelds/Kauffmann, Rechtswörterbuch, Stichwort: „Rechtsverhältnis"; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 5; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 73; ders., Übungen, S. 242; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3; Hufen y Verwaltungsprozeßrecht, § 18 Rn. 7; Pietzner/Ronellenfitsch Assessorexamen, §11 Rn. 3; Bosch/Schmidt, Verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 28 III 1 a; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 328; Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozeß, Kap. D Rn. 227; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 39; Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 11; Büchner/Schlotterbeck, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 33; Brühl, Verwaltungsrecht, S. 25; Schmalz/Hofmann, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 86; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 157; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 329 u. 331; Giemulla/Jaworsky/Müller-Uri, Verwaltungsrecht, Rn. 879; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 14; ders. Rechtsverhältnisordnung, S. 31 ; Schunck/De Clerck, VwGO, § 43 Anm. 2 b; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 180; Klinger VwGO, § 43 Anm. C I 1 a; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 191; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 5; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 3; Lüke, in: MünchKommZPO, § 256 Rn. 10; Henneke DÖV 1997, 768 (772); Ehlers DVB1 1986, 912; von Turegg MDR 1952, 150 (150 f.). 645 Brühl, Verwaltungsrecht, S. 25; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 180; Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 39; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 16; Schmalz/Hofmann, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 86. 646 BVerwGE 100, 262 (264) = NJW 1996, 2046; Würtenberger, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 400; Creifelds/Kauffmann, Rechtswörterbuch, Stichwort: „Rechtsverhältnis"; Schunck/De Clerck, VwGO, § 43 Anm. 2 b; Klinger VwGO, § 43 Anm. C I 1 a; Eyermann/Fröhler/Kormann, VwGO (9. Aufl.), § 43 Rn. 3; von Turegg MDR 1952, 150 (150 f.); Redeker/von Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 3; Bosch/Schmidt, Verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 28 III 1 a; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 18 Rn. 7; Pietzner/Ronellenfitsch Assessorexamen, § 11 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 33; Giemulla/Jaworsky/Müller-Uri, Verwaltungsrecht, Rn. 879; Hüttenbrink, in: Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozeß, Kap. D Rn. 227; Büchner/Schlotterbeck, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 33; Greger, in: Zöller, ZPO, § 256 Rn. 3; Thomas, in: ders./Putzo, ZPO, § 256 Rn. 5; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, S. 513; Lüke, in: MünchKommZPO, § 256 Rn. 10; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 256 Rn. 5; Niehues JZ 1987, 453 (454). 647 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 24; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 378; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, § 43 Rn. 11; Hadding JZ 1987, 454 f.; ders. JZ 1986, 926 (927); Ehlers DVB1 1986, 912 (913).
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sind Rechtsverhältnisse 648 - und ist Dreh- und Angelpunkt aller rechtlicher Betrachtungen. Im Verwaltungsrecht kommt dem Rechtsverhältnis demgegenüber nach herrschender Doktrin meist nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Das zivilistische Denken in Ansprüchen aus Schuldverhältnissen ist dem Verwaltungsrecht eher fremd 649 . Dies könnte an der beschriebenen geringeren Bedeutung des Rechtsverhältnisses für die Verwaltungsrechtslehre 650 liegen. (1) Bedeutung des Rechtsverhältnisses im Zivilrecht und im Öffentlichen Recht Rechtsverhältnisse werden im Öffentlichen Recht und im Bürgerlichen Recht gleichermaßen definiert. Dieser Konformität steht die Praxis der Rechtsanwendung gegenüber, nach welcher dem Rechtsverhältnis in beiden Rechtsgebieten ein erheblich differierender Stellenwert zukommt 651 . Ablesen läßt sich dies bereits aus dem unterschiedlichen Sprachgebrauch und der verschiedenen Blickrichtung in beiden Rechtssystemen. Im Zivilrecht wird in Rechtsverhältnissen gedacht652. Man spricht von Verträgen oder gesetzlichen Haftungstatbeständen. Das Denken und die rechtliche Beurteilung ist ausgerichtet an der Qualifizierung der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien nach den verschiedenen Rechtsverhältnissen aus Kauf-, Tausch-, Schenkungs-, Miet-, Pacht-, Leih-, Darlehens-, Dienst-, Werkverträgen usw. oder aus der Haftung wegen ungerechtfertigter Bereicherung, wegen unerlaubter Handlung, aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis usw. Das Vorliegen eines Schuldverhältnisses ist im Bürgerlichen Recht im Normalfall konstitutiv für das Bestehen von Rechtsverhältnissen. Der Erfolg eines Leistungsbegehrens ist abhängig vom Bestehen und von der Art des Rechtsverhältnisses, aus dem sich der geltend gemachte Anspruch ergibt. Das an der Ausführung der Gesetze und Programme ausgerichtete Verwaltungsrecht steuert zwar das Verwaltungshandeln, wird aber im Gegensatz zur weitgehenden Autonomie im Privatrechtsverkehr rechtsstaatlich beispielsweise mit Regelungen über das Verfahren, mit vorgegebenen möglichen Handlungsformen und Befugnisnormen (Vorbehalt des Gesetzes) diszipliniert. Das Denken in Kategorien wie Erfüllung und Leistungserfolg beim Zivilrecht wird im
648 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 88; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 23; Köhler, Schuldrecht, S. 5; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, S. 1, 14. 649 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (15); zur Kritik an dieser herrschenden Doktrin bzw. (Fehl-)Einschätzung siehe Gerhardt, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Vorb § 113 Rn. 16. 650 Siehe oben S. 48 ff. u. 50 ff. 651 Dies nicht akzeptierend Henke JZ 1992, 541 (542): „Das Rechtsverhältnis muß im öffentlichen Recht ebenso die Grundfigur des ganzen Systems sein wie im Privatrecht." 652 Krause VVDStRL 45 ( 1987), 217 f.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Öffentlichen Recht nicht selten überlagert von der bürokratisch tätigkeitsorientierten, der form- und regelwerkgebundenen Gesetzesausführung 653. Der Regelungsgehalt des Verwaltungshandelns wird über exklusive Handlungsformen vermittelt, in denen die Verwaltung dem Bürger gegenübertritt 654. Das dem Handeln zugrundeliegende Rechtsverhältnis wird dabei nur fragmentarisch erfaßt 655 . Es wird nicht wie beim bürgerlich-rechtlichen Vertrag durch die jeweilige Form bezeichnet, derer sich die Verwaltung bedient hat. Sowohl der Verwaltungsakt als auch das schlicht hoheitliche Handeln oder der öffentlichrechtliche Vertrag ergehen innerhalb eines übergeordneten Verwaltungsrechtsverhältnisses und verkörpern dieses nicht selbst656. Durch den Leistungs-, Gebühren-, Beitrags- oder Steuerbescheid, die Abriß-, Stillegungs- oder Unterlassungsverfügung, die Bau- oder Betriebsgenehmigung wird nicht zwingend gleichzeitig mit dem Erlaß konstitutiv ein Rechtsverhältnis bewirkt. Vielmehr wird das zugrundeliegende Rechtsverhältnis mit dem Verwaltungsakt oftmals lediglich bindend ausgestaltet. Die Ordnung des Verwaltungshandelns erfüllt in erster Linie zwei Funktionen, eine formelle, verfahrensrechtliche und eine fehler- und rechtsschutzzentrierte 657 . Die Verhaltensgebote, Erlaubnisse etc. werden im Verwaltungsrecht über die Wahl einer bestimmten Handlungsform unterschiedlichen formellen Anforderungen unterstellt. Je nach dem wie die Verwaltung vorgegangen ist, unterliegt ihr Handeln den entsprechenden Verfahrensregeln und Formvorschriften. Erst nach Ermittlung der Handlungsform läßt sich feststellen, ob im Verfahren Fehler begangen wurden. Dementsprechend differenziert auch das Rechtsschutzsystem bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung bzw. eines Verwaltungshandelns, indem es je nach Handlungsform andere Rechtsschutzformen vorsieht.
(2) Verwaltungsrechtsverhältnis als Schuldverhältnis Im Zivilrecht versteht man unter einem Schuldverhältnis, wie aufgezeigt, ein Rechtsverhältnis, an dem mindestens zwei Rechtssubjekte beteiligt sind und
653 Zum insoweit eingeleiteten Prozeß des Umdenkens vgl. unter vielen HoffmannRiem DÖV 1997, 433 (434 ff, 440). 654 Di Fabio , in: Becker-Schwarze u. a, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 47; Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533; Ossenbühl JuS 1979, 681. 655 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 35; Schmidt-Aßmann DVB1 1989 533; Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60. 656 Faber Verwaltungsrecht, S. 45; Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (15). 657 Di Fabio y in: Becker-Schwarze u. a, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht, S. 47 f.; Buchholz, System des Verwaltungsrechts, § 3 Rn. 6; SchmidtAßmann DVB1 1989, 533 f.; Ossenbühl JuS 1979, 681 (682).
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aus dem sich relative Leistungs- und Verhaltenspflichten ergeben. Das Schuldverhältnis ist dabei nicht eindimensional auf die einzelne Forderung beschränkt, sondern wegen eines gesteigerten sozialen Kontakts mit vielschichtigen Nebenpflichten verknüpft 658 . Wie bereits gesehen659, sind auch am Verwaltungsrechtsverhältnis immer mindestens zwei Personen beteiligt. Der Kreis der an einem Verwaltungsrechtsverhältnis Beteiligten ist oft nicht so eindeutig abgegrenzt wie beim privatrechtlichen Schuldverhältnis. Aber auch hier sind die in das Verwaltungsrechtsverhältnis einbezogenen Personen bestimmt oder nach allgemeinen Merkmalen unzweideutig bestimmbar 660 . Tangieren die Rechtsbeziehungen zwischen einem Verwaltungsträger und einem Privaten oder zwischen zwei Verwaltungsträgern gleichzeitig subjektive Rechtspositionen Dritter oder sind Dritte an einem Verwaltungsverfahren zu beteiligen, so können diese in das „Haupt"verwaltungsrechtsverhältnis miteinbezogen sein. Die genaue Zahl der Beteiligten kann im Falle der Drittbeteiligung sicherlich mitunter schwierig zu ermitteln sein 661 . Es mag dahinstehen, ob man jede rechtsnormgestaltete Beziehung als einzelnes eigenes Verwaltungsrechtsverhältnis oder ob man in einem umfassenderen Ansatz alle mit einem einheitlichen Sachverhalt zusammenhängenden Rechtsbeziehungen als einheitliches Verwaltungsrechtsverhältnis ansehen will 6 6 2 . Die Inhaber von subjektiven Anspruchspositionen oder von Beteiligungsrechten lassen sich auch im Verwaltungsrecht immer von der Allgemeinheit abgrenzen. Diese Bestimmbarkeit macht die notwendige Konkretheit des Verwaltungsrechtsverhältnisses in personeller Hinsicht aus. Das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis kommt zur Entstehung, wenn der Staat den Bürger aus besonderem Anlaß in Anspruch nimmt bzw. der Bürger in einen solchen Kontakt mit dem Staat tritt, in dem konkrete Rechte und Pflichten aktualisiert werden, und dabei auf seine allgemeinen Rechte zurückgreift 663 . Die notwendige inhaltlich sachliche Konkretisierung, die das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis vom allgemeinen Staat-Bürger-Verhältnis abhebt 664 , tritt ein, wenn den Bürger aufgrund einer behördlichen Aufforderung 658
Siehe oben S. 158 ff. Siehe oben S. 163 ff. 660 Clausen, in: Knack, VwVfG, § 13 Rn. 2.1; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 15 Rn. 5; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 13 Rn. 2; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 15. 661 Zu den Beteiligten ind verschiedenen Sozialrechtsverhältnissen Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (16 u. 19). 662 Ebenso offenlassend Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 4. 663 Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 711. 664 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 16; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 86; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 329; Pietzcker, 659
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
oder Entscheidung eine Rechtspflicht trifft oder der Bürger ein bestimmtes staatliches Tätigwerden oder eine konkrete Entscheidung begehrt 665 . Es muß eine zeitliche, örtliche, inhaltliche und personelle Individualisierung stattgefunden haben. Der bereits bestehende allgemeine Rechtszustand verdichtet sich zu einem bi- oder multilateralen Rechtsverhältnis durch die rechtlichen Beziehungen, die sich durch die Anwendung einer bestimmten Norm des Öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt ergeben 666. Die Grenzziehung zwischen Rechtszustand und Rechtsverhältnis mag im Einzelfall schwierig sein 667 , zu beachten ist jedoch, daß sich ein Rechtszustand nicht nur durch einen förmlichen Rechtsakt, sondern auch in formloser Weise (beispielsweise bei schlichtem Verwaltungshandeln oder Errichtung eines Schwarzbaus durch den Bürger 668 ) zu einem Rechtsverhältnis konkretisieren kann 669 . Nicht konkretisierte Abwehrrechte des Bürgers werden als „absolute Rechte" durch ihre Verletzung „relativiert" 670 . Das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis setzt somit konkretisierte subjektive Rechte und Pflichten voraus 671 . Beim formellen Verwaltungsrechtsverhältnis kommt es mitunter nicht zur Aktualisierung von materiellen Rechten und Pflichten. Es entstehen aber auch hier u. a. beiderseitige Sorgfaltspflichten, die bei den anderen am Verwaltungsverfahrensrechtsverhältnis Beteiligten Abwehransprüche und bei Verletzung Schadenersatzansprüche auslösen können.
in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 17; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 5; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 711; Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (15); Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (61); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 191. 665 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 86. 666 BVerwGE 100, 262 (265) = NJW 1996, 2046; E 89, 327 (329) = NVwZ 1993, 64 (65); E 77, 207 (211) = NVwZ 1988, 430 (431); BVerwG Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 97 S. 3; VG Gera ThürVBl 1998, 109; Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 21; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 43 Rn. 7; Pietzcker, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 17; Bosch/Schmidt, Verwaltungsgerichtliches Verfahren, § 28 III 1 b; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 33. 667 Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (15 f.); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 192. 668 Zu diesem Beispiel Gröschner Verw 30 (1997), 301 (310). 669 Happ, in: Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 17; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 18; Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 329; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 8; Schmalz/Hofmann, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 87; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 330; vgl. auch VG Gera ThürVBl 1998, 109. 67 0 Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 236 ff.; ders. Verw 30 (1997), 301 (330). 67 1 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 16; Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 380 u. 382; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 717.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Subjektivrechtliche Ansprüche mit korrelierender Rechtspflicht sind daher innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses immer auch relativ 672 . Daran ändert sich auch durch den Umstand nichts, daß staatliche Rechtsakte allgemeinverbindlich, also absolut gegenüber jedermann rechtsgestaltend wirken können. Wie bei der zivilrechtlichen Betrachtung gezeigt, kann relativen Rechten und Rechtspositionen absoluter Schutz eingeräumt werden. Die Relativität betrifft auch im Verwaltungsrechtsverhältnis lediglich die Durchsetzbarkeit, die Bindungswirkung der Anspruchspositionen oder Pflichtenstellungen. So hat nur der Bauherr gegenüber der Baurechtsbehörde einen Anspruch auf Baugenehmigung, nur die Baurechtsbehörde ist verpflichtet und berechtigt, diesen zu erfüllen, und wenn der Nachbar durch einen Widerspruch in das Verwaltungsrechtsverhältnis des Baugenehmigungsverfahrens auch formell miteinbezogen wird, richtet sich sein etwaiger Aufhebungsanspruch ebenfalls nur gegen den beteiligten Verwaltungsträger. Das Gleiche gilt im Bereich der Eingriffsverwaltung. Beispielsweise trifft bei der Auflösung einer Versammlung das Gebot sich zu entfernen ausschließlich den bestimmbaren, mithin relativen Personenkreis der Versammlungsteilnehmer. Schwieriger fällt die Ermittlung, inwieweit die aus einem materiellen Verwaltungsrechtsverhältnis möglicherweise ebenfalls hervorgehenden objektivrechtlichen Bindungen des Staates ohne korrelierende Abwehr- bzw. Leistungsrechte des Bürgers als relativ einzustufen sind. Die Relativität der sich in einem Verwaltungsrechtsverhältnis „nebenbei" ergebenden objektivrechtlichen Pflichtenbindungen des Staates wird jedoch bei der Betrachtung der Sekundärebene deutlich. Im zivilrechtlichen Schuldverhältnis stehen den subjektiven Rechten des Gläubigers korrespondierende Pflichten des Schuldners gegenüber. Dieser Satz ist jedoch weder im Zivihecht noch im Öffentlichen Recht umkehrbar 673 . In beiden Rechtssystemen gibt es Verhaltenspflichten ohne (durchsetzbare) Anspruchspositionen auf der Gegenseite674. Das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis kennt wie das Schuldverhältnis im Zivilrecht Haupt- und Neben(leistungs)pflichten 675. Auch die Nichterfüllung einer auf der Primärebene nicht durchsetzbaren Nebenpflicht kann für den Bürger unter Umständen auf der Sekundärebene in Form von beispielsweise Amtshaftungsansprüchen aktu-
67 2
Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 15; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (330); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540). - Für das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 809. 673 Α. A. offenbar Gries/Willebrand JuS 1990, 103. 67 4 Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 71. - Die Existenz von Pflichten ohne korrelierende Rechte im Zivilrecht (vgl. beispielsweise das RechtePflichten-Verhältnis beim Vertragsanbahnungsschuldverhältnis) verkennend Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (13). 67 5 Gassner, in: Ermacora u. a, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (142).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
eil werden 676 . Die Pflicht ohne unmittelbar korrelierende Anspruchsposition auf der Gegenseite innerhalb eines materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses entspricht, wenn man so will, den nicht einforderbaren Nebenpflichten beim bürgerlich-rechtlichen Schuldverhältnis im weiteren Sinne. Dieser Vergleich macht klar, daß auch dann, wenn einzelne Pflichten im materiellen Verwaltungsrechtsverhältnis nur objektivrechtlich wirken, sie als relativ, also als nur zwischen den Beteiligten bindend, bezeichnet werden können. Der für das Schuldverhältnis charakteristische gesteigerte soziale Kontakt liegt bei den Verwaltungsrechtsverhältnissen ebenfalls vor 6 7 7 . Das Verwaltungsrechtsverhältnis entsteht, wie eben gezeigt, gerade dadurch, daß ein Verwaltungsträger mit dem Bürger oder einem anderen Verwaltungsträger in einem im Vergleich zur allgemeinen Staat-Bürger-Beziehung gesteigerten sozialen Kontakt tritt. Aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis lassen sich - wie beim Schuldverhältnis - neben den zentralen Ansprüchen, Rechten oder Pflichten weitergehende Verhaltensanforderungen (Nebenpflichten) ableiten 678 . Auch das RechtePflichten-Geflecht im Verwaltungsrechtsverhältnis ist vielschichtig 679 . Dies wird besonders deutlich, wenn über das materielle Verwaltungsrechtsverhältnis hinaus ein Verwaltungsverfahren eingeleitet ist (§ 9 VwVfG). So bestehen meist über das formelle Verwaltungs(verfahrens)rechtsverhältnis vermittelt 676 Der Amtshaftungstatbestand des § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG fordert zwar eine Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht. Diese rekurriert allerdings nicht auf dahinterstehende subjektive Rechte des anderen am Verwaltungsrechtsverhältnis Beteiligten, sondern geht darüber hinaus (vgl. etwa BGH NJW 1985, 1950; NJW 1991, 2696 [2697]; NJW 1992, 1953 [1954]; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 226). Wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie ausgestaltenden rechtlichen Bestimmungen sowie aus der Natur des Amtsgeschäfts ergibt, daß der Geschädigte zu einem abgegrenzten Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der Zielrichtung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollten, hat die Amtspflicht gegenüber diesen Personen Drittbezug. Durchsetzbare Ansprüche auf der Primärebene setzt die Drittbezogenheit der Amtspflicht nicht notwendigerweise voraus. Bestand die sich aus einem materiellen Verwaltungsrechtsverhältnis ergebende objektivrechtliche Pflicht in individualisierbarer Weise, was bei den Anforderungen an die Konkretheit der Beteiligten und der Rechte und Pflichten im Verwaltungsrechtsverhältnis vorausgesetzt werden kann, so ist sie auch drittbezogen i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG. 67 7 Ächterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20 Rn. 14. 67 8 Löwer, Staatshaftung für unterlassenes Verwaltungshandeln, S. 459; Henneke DÖV 1997, 768 (772 f.); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (213). 67 9 Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Rn. 380; Pietzcker, in: Schoch/SchmidtAßmann/Pietzner, VwGO, § 43 Rn. 7; Schmalz/Hofmann, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 87 f.; Öhlinger VVDStRL 45 (1987), 182 (189); Krause WDStRL 45 (1987), 224; ders., in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 ( 14 u. 25); Häberle, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 60 (62).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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datenschutzrechtlich vorgegebene Verschwiegenheitspflichten, können dem Bürger Mitwirkungs- oder Wahrheitspflichten auferlegt sein, oder er kann Mitwirkungsrechte wie das Recht auf Anhörung nach § 28 (L) VwVfG haben usw. Die Subsumtion der „Tatbestandsmerkmale" eines Schuldverhältnisses im weiteren Sinne, wie sie das Zivihecht kennt, ergibt in bezug auf das Verwaltungsrechtsverhältnis, daß der Begriff „Schuldverhältnis" auf sämtliche mit einer Rechte- und Pflichtenbeziehung verknüpften Verwaltungsrechtsverhältnisse paßt 680 . Der Behauptung, Verwaltungsrechtsverhältnis und Schuldverhältnis wiesen nur ganz äußerliche Parallelen auf, da die daran Beteiligten einander nicht koordiniert seien, sondern die Verwaltung dem einzelnen mit hoheitlicher Gewalt einseitig befehlend gegenüber trete 681 , kann bei näherer Betrachtung nicht aufrecht erhalten werden. Die Verwendung des Begriffs „Schuldverhältnis" im Verwaltungsrecht erfolgt nicht synonym zum zivilrechtlichen Begriffsverständnis. Bei Zugrundelegung synonymer Kriterien wäre in jedem Verwaltungsrechtsverhältnis ein Schuldverhältnis zu sehen682. Unter den sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" firmiert, wie gesehen683, nur eine sehr begrenzte Zahl aller Verwaltungsrechtsverhältnisse. Die Ordnungsgröße „Schuldverhältnis" gibt daher keinerlei Anhaltspunkte, welche Verwaltungsrechtsverhältnisse als sog. „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" angesehen werden können. Wollte man die sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" entsprechend den Instituten des Besonderen Schuldrechts des BGB typologisieren 684 , hieße dies, die Verwaltungsrechtsverhältnisse einem Ordnungssystem zuführen zu wollen. Dies kann und soll nicht Inhalt dieser Arbeit sein. d) Vertragsähnlichkeit als Gemeinsamkeit Um die Anwendung von Vorschriften des Allgemeinen und Besonderen Schuldrechts des BGB auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte zu rechtfertigen, 680 So auch für das Sozialrechtsverhältnis Krause, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 12 (18 f. u. 41 f.); Tomandl, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 50 (51). 681 Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 180. 682 Dieser Befund für Verwaltungsrechtsverhältnisse der Leistungsverwaltung treffend bei Ehlers DVB1 1986, 912 (914); Tomandl, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 50 (51): „Das Sozialgesetzbuch kennt ausschließlich öffentlichrechtliche, genauer Verwaltungsrechtsschuldverhältnisse."; vgl. auch Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 48 f.; Friedrichs ArchBürgR 42 (1916), 28 (30 f.). 683 Siehe die Auflistung der Anwendungsfelder in der Rechtsprechung (oben S. 20 ff.) und der von der Literatur angeführten Fallgruppen (oben S. 30 ff.). 684 Sich eine solche Typologisierung wünschend Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 7; Fleiner-Gerster WDStRL 45 (1987), 152 (176); Ehlers DVB1 1986, 912 (916); vgl. auch Thieme DÖV 1996, 757 (762); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (539 f.); Häberle BayVBl 1977, 745 (747 f.); Achterberg, in: GS Klein, S. 1 (31 f.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
rücken die Gerichte die betreffenden „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" sehr häufig in die Nähe von vertraglichen Schuldverhältnissen. Die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen im „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" werden als vertragsähnlich 685 oder quasivertraglich 686 qualifiziert. Es ist die Rede von schuldrechtlichen bzw. schuldrechtsähnlichen Sonderverbindungen des Verwaltungsrechts 687. Freilich geschieht dies auch hier meist ohne Trennung zwischen den primären Rechten und Pflichten aus einem „vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnis" und der sekundären Haftungsebene nach einer Pflichtverletzung. Die Einstufung als vertragsähnlich liefert auf diese Weise häufig nur „mittelbar" ein Merkmal des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses". Von den Gerichten wird sie „unmittelbar" nur mit Auswirkungen für die Sekundärebene verknüpft. Die Herleitung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" über ihre vermeintliche Vertragsähnlichkeit verdient trotzdem näherer Betrachtung. Mit Hilfe der Einstufung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses als vertragsähnlich wird auf die Möglichkeit einer entsprechenden Heranziehung von BGBVertragsrecht geschlossen688. Damit könnte die Vertragsähnlichkeit durchaus Wesensmerkmal der Verwaltungsrechtsverhältnisse sein, die sich als „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" darstellen. Ist das nicht der Fall, könnte in der festgestellten Vertragsähnlichkeit immerhin die methodische Rechtfertigung einer Rechtsfortbildung liegen 689 , mit deren Hilfe bestimmte vertragliche Haftungsvorschriften des Bürgerlichen Rechts bzw. ihnen zugrundeliegende Rechtsgrundsätze im Öffentlichen Recht Anwendung finden können. Es er685 So etwa BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); VGH BW VB1BW 1982, 369; OVG NW GemH 1988, 259 (260); NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; RGZ 99, 96 (99); 152, 129 (132); BGHZ 17, 191 (195); BGH LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 54, 299 (302, 305); 61, 7; 63, 167 (172); NJW 1974,1816; VersR 1978, 38 (39); NJW 1988, 2667 (2668); NJW 1998,298 (299); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; vgl. auch Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 12; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 346; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 6; Rozek BayVBl 1989, 761 (763); Stürner JuS 1973, 749 (751); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Schneider NW 1962, 705 (707). 686 So etwa BVerwGE 80, 123 (125); RGZ 48, 255 (258); 51, 219 (221); 67, 335 (337, 339, 340); RG Warn 8 (1915), 105 (106); LG Heidelberg VersR 1971, 971; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 486; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 69 f. 687 So etwa OVG LSA LKV 1997, 175 (178); BGH DVB1 1978, 108 (109); VersR 1978, 253 (254); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; LG Halle NJW-RR 1997, 532; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 271; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 153 ff. („öffentlich-rechtliche Sonderbeziehung"); Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 805, 810; Grave DVB1 1978,450. 688 Konsequenterweise nicht auf Vertragsähnlichkeit rekurrierend daher die Personalausweisentscheidung des BVerwG (E 98, 18 [24] = NVwZ 1995, 1098 [1099]), in der es um die Begründung von Primäransprüchen geht; hierzu unten S. 207. 689 Hierzu siehe unten S. 357 ff.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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scheint daher angezeigt, die einzelnen Verwaltungsrechtsverhältnisse, in denen die Rechtsprechung (und Literatur) ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" gesehen oder zumindest diskutiert hat, daraufhin zu untersuchen, ob ihnen Vertragsähnlichkeit attestiert werden kann. aa) Kriterien
der Vertragsähnlichkeit
von Verwaltungsrechtsverhältnissen
Begründet die Rechtsprechung ihre Behauptung, daß ein Verwaltungsrechtsverhältnis als vertragsähnlich einzustufen sei und somit ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" vorliege, auf das besondere Vorschriften und/oder Rechtsgrundsätze des Zivihechts anwendbar seien, so beschränkt sie sich in der Mehrzahl der Fälle auf einen Vergleich anhand formaler Kriterien wie der gewählten Handlungsform und dem Formenwahlrecht der Verwaltung bei der Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben bzw. dem Begründungsakt des Verwaltungsrechtsverhältnisses oder nimmt die Klassifizierung anhand von Eingruppierungen bestimmter Verwaltungsrechtsverhältnisse vor. (1) Formale Kriterien (a) Handlungsform bzw. Begründungsakt des Verwaltungsrechtsverhältnisses Die von der Verwaltung gewählte Handlungsform wird von der Rechtsprechung gelegentlich als Argument bemüht, um Aussagen über die vermeintliche Vertragsähnlichkeit eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zu treffen 690. Wird dabei zum Teil allein auf den Begründungsakt der Rechte und Pflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen abgestellt691, gibt dies oftmals nur unpräzise den Rückgriff auf die Handlungsform wider, denn der Verwaltungsakt bzw. der Erlaß einer Rechtsnorm ist nicht notwendigerweise gleichzeitig konstitutiver Begründungsakt von Verwaltungsrechtsverhältnissen, sondern stiftet nicht selten lediglich die konkrete und verbindliche Ausgestaltung des Rechte-Pflichten-Verhältnisses in dem bereits vorher bestehenden Verwaltungsrechtsverhältnis 692. Die Handlungsform kann allerdings per se kein Kriterium bei der Beurteilung der Vertragsähnlichkeit sein. Sie muß vielmehr zwingend nichtvertraglich sein. Ansonsten läge kein vertragsähnliches, sondern ein vertragliches Schuldverhältnis vor. In Anstalts- und Benutzungsverhältnissen verweisen die Gerichte auf den Benutzungszwang, also die verbindliche Festlegung der Rechte-Pflichten-Beziehung 690
Vgl. BVerwG NVwZ 1999, 194; BGH NJW 1974, 1816; NVwZ 1990, 1103 (1104); NJW 1998, 298 (299); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 33. 691 So wohl BVerwG NVwZ 1999, 194; BGH NVwZ 1990, 1103 (1104); NJW 1998, 298 (299). 692 Siehe oben S. 165 f.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
in einer Norm, und schließen wegen der darin liegenden „Unentrinnbarkeit" des Bürgers auf die Vertragsähnlichkeit 693. Aus der Tatsache, daß der private Nutzer bzw. Anschlußnehmer keine Möglichkeit zu einem privatrechtlichen Vertragsschluß habe, kann indes zwingend nicht gefolgert werden, daß deshalb eine Gleichstellung mit privaten Vertragspartnern erfolgen müsse694. Da dem Zivilrecht der Kontrahierungszwang grundsätzlich fremd ist, könnte dies vielmehr auch für eine Unterscheidung der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung sprechen 695. Es mag zwar zutreffen, daß die „Fürsorgepflichten" der Anstaltsorgane um so weiter gehen, je größer die Abhängigkeit des Anstaltsbenutzers ist 696 . Aber diese Feststellung bleibt genauso wie die Erkenntnis, daß auch durch den mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt bei der Beleihung einer Zivildienststelle (§ 4 ZDG) ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" begründet werde 697 , eine schlichte Behauptung ohne verifizierende Begründung 698 . Gleiches gilt für die Beurteilung der Vertragsähnlichkeit eines öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnisses. Da der Verwahrungsvertrag des BGB ausschließlich durch übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien entstehen kann, weist die öffentlich-rechtliche Verwahrung hier einen eindeutigen Unterschied zur privatrechtlichen Verwahrung auf 699 . Dies besagt jedoch noch nichts über eine vermeintliche Vertragsähnlichkeit. Wäre die Handlungsform bei der Begründung der öffentlich-rechtlichen Verwahrung vertraglich, würde sich die Frage erübrigen, ob das nichtvertragliche Verwaltungsrechtsverhältnis als vertragsähnlich angesehen werden könne. Als weiteres Beispiel zur Widerlegung dieses Begründungsansatzes der Rechtsprechung seien die Beamtenverhältnisse genannt, in denen ein erster, wesentlicher Unterschied zu vertraglichen Arbeitsverhältnissen der Privatwirtschaft ebenfalls im Begründungsakt liegt. Die beamtenrechtliche Ernennung stellt einen speziellen Fall des Verwaltungsakts im Beamtenrecht dar 700 . Die 693 694
Rn. 33. 695
BGH NJW 1974, 1816. So aber BGH NJW 1974, 1816; Wolff/Bachof/Stober,
Verwaltungsrecht II, § 99
Vgl. VGH BW ESVGH 26, 155 (157). Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 32; vgl. auch BGHZ 66, 302 (306). 697 BVerwG NVwZ 1999,194; BGH NVwZ 1990,1103 (1104); NJW 1998,298 (299). 698 Papier, Forderungsverletzung, S. 56. 699 Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 273; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 260. 700 Näher Battis BBG, § 6 Rn. 2; ders, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 62; Behrens, Beamtenrecht, Rn. 5; Kunig, in: SchmidtAßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 68 ff; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 74 ff.; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 135; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 74; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 2. 696
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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strengen Formvorschriften dienen dazu, Rechtssicherheit und Rechtsklarheit darüber herzustellen, daß die ständige Ausübung obrigkeitlicher Befugnisse durch einen entsprechend verpflichteten Bediensteten des Staates erfolgt (Funktionsvorbehalt des Berufsbeamtentums) 701. Diese Unterscheidung besagt aber auch hier noch nichts über die Vertragsähnlichkeit der Rechtsbeziehung und stellt vielmehr gerade klar, daß kein vertragliches, sondern allenfalls ein vertragsähnliches Verwaltungsrechtsverhältnis vorliegt. (b) Formenwahlrecht der Verwaltung Hat die Verwaltung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben ein ermessensgeleitetes Formenwahlrecht, soll dies nach einigen richtungsweisenden Entscheidungen der Rechtsprechung Indizwirkung dafür haben, daß Verwaltungsrechtsverhältnisse in diesen Bereichen als vertragsähnlich angesehen werden können 702 oder auch nicht 703 . Die Feststellung, daß beispielsweise die Rechtsbeziehungen bei der Wasserversorgung 704 oder bei der Nutzung des Schlachthofs 705 auch hätten privatrechtlich ausgestaltet werden können, dürfte allerdings für eine Beurteilung der Vertragsähnlichkeit der jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisse nicht ausreichen. Nach h. M. hat die Behörde grundsätzlich Ermessen bei der Formenwahl, ob sie die Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses ihrer öffentlichen Einrichtung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich regeln will 7 0 6 . Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Tatsache, daß immer dann, wenn die Verwaltung eine öffentliche Aufgabe privatisieren könnte, sich dahinter eine vertragsähnliche Staat-Bürger-Beziehung verbirgt. Die Grenzen der Möglichkeit, öffentliche Aufgaben privatrechtlich zu erfüllen, sind noch nicht ausgelotet707 und es erscheint nicht zwingend, daß eine öffentlich-rechtli701
Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 72; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 74; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 16, 29 ff. 702 BGHZ 59, 303 (306); 61, 7 (10). 703 Vgl. RGZ 78, 325 (329); OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). 704 BGHZ 59, 303 (306). 705 BGHZ 61, 7 (10). 706 VGH BW NVwZ-RR 1989, 267 (268); SächsOVG DVB1 1997, 507; BGH MDR 1984, 558; NJW 1985, 197 (198); NVwZ 1991, 606 (607); NVwZ-RR 1992, 223 (224); NJW 1992, 171 (172); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 535; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 567 f.; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Schmidt-Aßmann, in: ders. Besonderes Verwaltungsrecht, 1. Abschn. Rn. 111 ; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 34; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 217; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 498; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 68, 70; Dierkes SächsVBl 1997, 166 (167); Reiter BayVBl 1990, 711; Ehlers DVB1 1986, 912 (917); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (383); Menger VerwArch 64 (1973), 305 (305 f.). 707 Vgl. unter vielen Bauer VVDStRL 54 (1994), 243 (263 ff.); Schuppert, in: Ipsen, Privatiserung öffentlicher Aufgaben, S. 17 (27); Schoch DVB1 1994, 962 (969 ff.); ders, Privatisierung der Abfallentsorgung, S. 47 ff. mit zahlreichen weiteren Nachw. in Fn. 221.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
che Aufgabenerfüllung immer schon dann Vertragsähnlichkeit besitzt, wenn sie auch privatrechtlich erfüllt werden könnte. Aufschluß hierüber kann nur der Umstand geben, ob bei hoheitlicher Ausgestaltung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses eine Identität oder zumindest Vergleichbarkeit mit einem Rechtsverhältnis bei privatvertraglicher Regelung besteht. Dem gegebenenfalls bestehenden Formenwahlrecht kommt aber mit Sicherheit starke Indizwirkung zu.
(2) Eingruppierungen (a) Differenzierung nach Leistungsverwaltung und Eingriffsverwaltung Zu Ermittlung der Vertragsähnlichkeit von Verwaltungsrechtsverhältnissen bemühen die Gerichte gelegentlich eine Eingruppierung anhand der Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Leistungsverwaltung bzw. der Eingriffsverwaltung 708 . Auch diese Differenzierung führt allerdings nicht weiter. Weder kann die Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Leistungsverwaltung pauschal als vertragsähnlich angesehen werden, noch können hoheitliche Eingriffe generell aus dem Kreis der vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnisse ausgeklammert werden 709 . Dies läßt sich anhand von Beispielen anschaulich illustrieren. Es liegt auf der Hand, daß die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG nicht schon allein deshalb in vertragsähnlicher Weise erfolgt, weil sie im Bereich der leistenden Verwaltung erfolgt. Auch die Nutzung eines öffentlichrechtlich betriebenen Kinderspielplatzes ist nicht ohne weiteres mit einem privatvertraglichen Rechtsverhältnis vergleichbar 710. Übernimmt der Staat eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und damit öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gegenüber dem Bürger, so tritt er deswegen nicht notwendig in eine vertragsähnliche Rechtsbeziehung zu den Begünstigten. Genausowenig kann die durch eine Beschlagnahme oder Sicherstellung begründete öffentlich-rechtliche Verwahrung allein deshalb aus dem Kreis der vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnisse ausgeklammert werden, nur weil sie dem Bereich der Eingriffsverwaltung zuzuordnen ist. Die Beispiele machen deutlich, daß der Versuch, die Vertragsähnlichkeit durch das Abstellen auf äußerliche Merkmale bzw. Eingruppierungen zu begründen, die inhaltliche Analyse einer vermeintlichen Vergleichbarkeit der Rechte-Pflichten-Beziehung umgeht 711 .
708 OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); vgl. auch Gries/Willebrand JuS 1990, 103 (104). 709 So aber scheinbar OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); Gries/Willebrand JuS 1990, 103 (104). - Dies ablehnend die Revisionsinstanz BGH LM § 40 VwGO Nr. 9. 7,0 Vgl. BGH NJW 1988, 2667 (2668). 711 Papier, Forderungsverletzung, S. 66; Schwabe NJW 1973, 455.
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(b) Dauerrechtsverhältnisse als vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse Ebenfalls ins Leere geht der Hinweis, daß es sich bei gewissen Verwaltungsrechtsverhältnissen um Dauerrechtsverhältnisse und damit um besondere, enge bzw. besonders enge Beziehungen handele712. Zum einen ist das Dauerschuldverhältnis selbst im Zivilrecht nicht der Prototyp einer vertraglichen bzw. vertragsähnlichen Beziehung zwischen zwei Rechtssubjekten und zum anderen besagt die Dauer einer Rechtsbeziehung auch im Öffentlichen Recht nicht notwendigerweise etwas über deren Nähe zum Vertrag aus. So wird es niemanden einfallen zu behaupten, daß beispielsweise die „auf Dauer angelegten" Auflagen zu einer immissionsschutzrechtlichen Betriebsgenehmigung oder die Anordnung, über einen gewissen Zeitraum regelmäßig Urinproben zum Zwecke eines Drogenscreenings abzugeben, per se vertragsähnliche Rechtsverhältnisse zwischen der Behörde und dem Privaten entstehen ließen. Die Kriterien für die Annahme einer Vertragsähnlichkeit von Verwaltungsrechtsverhältnissen sind andere als die Dauerhaftigkeit. Allerdings kann ein durch Dauerverwaltungsakt ausgestaltetes Verwaltungsrechtsverhältnis durchaus Parallelen zu einem vertraglichen Dauerschuldverhältnis des Zivilrechts aufweisen. Der zeitlichen Komponente kann daher - wie bei Vorliegen eines Formenwahlrechts - Indizwirkung zukommen. (3) Inhaltliche Kriterien Formale Kriterien oder pauschale Eingruppierungen scheiden bei der abschließenden Herausarbeitung von vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnissen aus dem Kreis aller Verwaltungsrechtsverhältnisse aus. Daher müssen in erster Linie inhaltliche Kriterien maßgeblich sein. Der Aspekt der Privatautonomie spielt hierbei allerdings allenfalls eine untergeordnete Rolle 713 . Eine „Entscheidungsautonomie" im Verwaltungsrecht bei der Begründung und Ausgestaltung von Rechtsbeziehungen, etwa bei Ermessen, Planungs- und Abwägungsentscheidungen oder Einschätzungsprärogativen stellt nicht das Dependant der Privatautonomie im Bereich des Öffentlichen Rechts dar. In ihr spiegelt sich vielmehr die Rolle der Verwaltung als Ganzes im Kompetenzgeflecht der Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Judikative und Legislative wider, wohingegen die Privatautonomie Ausdruck der Eigenständigkeit des einzelnen 712
Bei Anstalts- und Benutzungsverhältnissen vgl. BGHZ 54, 299 (303); 61, 7 (10); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 1 ; BGH VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); Sander BauR 1985, 167 (168); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381; beim Beamtenverhältnis vgl. VGH BW ZBR 1986, 21; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347. 713 So etwa beim Vergleich bei Ansprüchen des Beamten gegen den Dienstherrn wegen verspäteter oder unterbliebener Beförderung, unten S. 184 ff. 12 Meysen
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im Geschäftsverkehr ist. Der Einzelne handelt und entscheidet im Verwaltungsrecht nicht autonom. „Freiräume" sind immer gesetzesgebunden (Vgl. § 40 VwVfG) und dienen nicht der Freiheit des Einzelnen im Umgang mit anderen (Privat-)Rechtssubjekten im Rechtsverkehr, sondern der verfassungsrechtlich geforderten bzw. sachangemessenen Verteilung der Entscheidungskompetenzen im öffentlich-rechtlich determinierten Bereich. Für die Beurteilung der inhaltlichen Vergleichbarkeit ist Untersuchungsgegenstand daher das Verwaltungsrechtsverhältnis mit seinen Haupt- und Nebenpflichten. Dementsprechend ist es nur dann tatsächlich als vertragsähnlich anzusehen, wenn die Rechte und Pflichten in der öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung den Rechten und Pflichten in vertraglichen (oder vertragsähnlichen 714) Schuldverhältnissen des Zivilrechts entsprechen. Nicht gefordert ist dabei die Identität aller Rechte und Pflichten. Bei der Untersuchung hat folglich eine Gegenüberstellung der (gegenseitigen) Leistungspflichten im Verwaltungsrechtsverhältnis und in vermeintlich vergleichbaren privatvertraglichen Rechtsverhältnissen zu erfolgen. Von Vertragsähnlichkeit eines Verwaltungsrechtsverhältnisses kann demnach ausgegangen werden, wenn die prägenden Rechte und Pflichten vergleichbar sind. Indizwirkung kann hierbei durchaus - wie geschildert - sowohl einem bestehenden Formenwahlrecht als auch der Dauerhaftigkeit der Rechte-PflichtenBeziehung zukommen. Aber auch die vergleichende Betrachtung der schadensauslösenden Pflichtverletzungen im Verwaltungsrechtsverhältnis mit den im Zivihecht typischerweise über die Vertragshaftung sanktionierten kann Aufschlüsse über die Vertragsähnlichkeit geben. Außerdem kommt der Interessenlage der Beteiligten an einem privatrechtlichen Vertrag (bzw. vertragsähnlichen Schuldverhältnis) und an einem Verwaltungsrechtsverhältnis indizielle Wirkung zu, je nach dem, ob sie vergleichbar ist oder nicht. Zuletzt hebt mitunter eine zunehmende Intensität bzw. Quantität der Haupt- und Nebenpflichten im jeweiligen Rechte-Pflichten-Geflecht das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis vom eher rein deliktischen Kontakt ab und rückt es in die Nähe eines vertraglichen Schuldverhältnisses. Die vermeintliche „Nähebeziehung" kann jedoch wie die Dauerhaftigkeit oder das Formenwahlrecht - keinesfalls alleiniges Kriterium für die Bestimmung der Vertragsähnlichkeit sein 715 . Ausschließlich quantitativ anhand der Anzahl der gegenseitigen Pflichtenbindungen läßt sich die Vertragsähnlichkeit sicherlich nicht festmachen - ζ. B. gewinnt die Genehmigung einer Industrieanlage nicht an Vergleichbarkeit mit einer vertraglichen Staat-Bürger-Beziehung, je mehr Nebenbestimmungen ihr beigefügt sind. 714 Bei einer Vergleichbarkeit mit den vertragsähnlichen gesetzlichen Schuldverhältnissen des Zivilrechts wie dem Vertragsanbahnungsschuldverhältnis (c. i. c.) oder der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) könnte daher bei einer Heranziehung im Öffentlichen Recht von „doppelter" Vertragsähnlichkeit zu sprechen sein. 715 Siehe oben S. 144 ff.
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bb) Vertragsähnlichkeit der einzelnen „ verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse " (1) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse In Anstalts- und Benutzungsverhältnissen ist die Vertragsähnlichkeit nach der Rechtsprechung konstitutives Merkmal der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" 716 . Die Begründungsansätze für das Vorliegen einer Vertragsähnlichkeit können allerdings nur schwerlich als ausreichend oder gar überzeugend bezeichnet werden. Die Rechtsprechung hat in den mittlerweile über 60 Jahren, in denen im Anstalts- und Benutzungsverhältnis eine vertragsähnliche Rechtsbeziehung gesehen wird, wenig brauchbare Nachweise der Vertragsähnlichkeit geliefert. So ist die schlichte Behauptung einer Parallelität zu einer privatrechtlichen Ausgestaltung 717 kaum geeignet, erkennen zu geben, worin diese Parallelität nun eigentlich liegen solle. Das Reichsgericht sah in der Tatsache, daß auch im Öffentlichen Recht Verbindlichkeiten erzeugt werden, sowie in der schlichten Übernahme der Verpflichtung, allen Gemeindeeinwohnern gutes und einwandfreies Trinkwasser zu liefern 718 , „zumindest ein vertragsähnliches Verhältnis." 719 Die bloße Feststellung, daß auch öffentlichrechtliche Verhältnisse Rechte und Pflichten begründen können, die nach Vorschriften des Bürgerlichen Rechts zu beurteilen seien 720 , ist jedoch ohne inhaltlichen Gehalt - jedenfalls in bezug auf eine Erklärung von und Vergleichbarkeit mit vertraglichen Rechtsbeziehungen. Wie gesehen, führt an diesem Punkt weder eine Differenzierung zwischen Eingriffsverwaltung und LeistungsVerwaltung weiter 721 noch der Hinweis, daß es sich beim Anstalts- und Benutzungsverhältnis um ein auf Dauer angelegtes Leistungsverhältnis und damit um eine besondere, enge bzw. besonders enge Beziehung handele 722 . Desgleichen scheint ohne Aussagewert, wenn der Bürger für die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung zusätzliche Verpflichtungen wie die Versicherung des Viehs beim Einbringen in den Schlachthof - eingehen muß 723 , noch liefert der Verweis auf den Benutzungszwang724 oder darauf, 716
Siehe hierzu bereits oben S. 77 ff. BGH NJW 1977, 197 (198); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZRR 1994, 627; Salzwedel, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 41 Rn. 26; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 91. 718 RGZ 152, 129 (131 f.); auch BGH LM § 13 GVG Nr. 89. 719 RGZ 99, 96 (99 ff.); 152, 129 (133). 720 BGHZ 17, 191 (192). 721 Siehe oben S. 176. 722 BGHZ 54, 299 (303); 61,7(10); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 1; BGH VersR 1978, 38 (39); DVB1 1978, 108 (109); Sander BauR 1985, 167 (168); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381. 723 Diese Argumentation bei BGHZ 61,7(10).- Siehe oben S. 177 f. 717
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daß die Rechtsbeziehungen bei der Wasserversorgung oder bei der Nutzung des Schlachthofs auch hätten privatrechtlich ausgestaltet werden können 725 , ausreichende Begründungen. Diese Feststellungen bleiben genauso wie die Aussage, daß der Benutzer in einem Nutzungsverhältnis nicht weniger als der privatrechtliche Mieter zu pfleglichem Umgang mit der öffentlichen Einrichtung bzw. Mietsache verpflichtet sei 726 , unbegründete Meinungsäußerungen, die keine Aussagekraft über die tatsächliche Vertragsähnlichkeit der Rechtsbeziehungen besitzen und bei denen der Wunsch einer Haftungsbegründung nach privatrechtlichen Grundsätzen das Ergebnis steuert 727. Solche Erwägungen werden getragen von einem vagen Gerechtigkeitsempfinden, nach welchem dem Geschädigten in einer solchen Konstellation eine Sonderstellung im Bereich der Staatshaftung einzuräumen sei. Dies mag rechtspolitisch überzeugen, überschreitet rechtsdogmatisch jedoch nicht den Gehalt von Billigkeitserwägungen. Aussagegehalt kann, wie erläutert, den gerichtlichen Feststellungen erst dann beigemessen werden, wenn die Leistungserbringung des Verwaltungsträgers mit der eines privaten Unternehmers verglichen wird. Das Eingrenzungskriterium der Vertragsähnlichkeit beurteilt sich daher nach einer Vergleichbarkeit der Rechte und Pflichten im öffentlich-rechtlichen, nichtvertraglichen Anstalts» und Benutzungsverhältnis mit denen einer entsprechenden privatrechtlichen, vertraglichen Beziehung. Dies lohnt einen Blick auf die in den gerichtlichen Verfahren beanstandeten Pflichtverletzungen, wegen derer eine Schadenersatzpflicht aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" ausgelöst sein sollte. So wurde eine Haftung anerkannt wegen Schlechterfüllung der Wasserlieferungspflicht 728 , wegen einseitig verschuldeten Rückstaus in der Abwasserkanalisation 729 , wegen Verstopfungen der Kanalisation durch Wurzeln eines von der Stadt gepflanzten Baumes 730 , wegen Überschwemmung im Kellergeschoß aufgrund zu geringer Dimensionierung der Regenwasserkanalisation 731 bzw. wegen Wasserdurchlässigkeit des Leitungssystems732, wegen zu später 724
BGH NJW 1974, 1816. - Siehe oben S. 173 ff. BGHZ 59, 303 (306); 61, 7 (10). - Siehe oben S. 175 f. 726 VGH BW NVwZ-RR 1991, 325. 727 Papier, Forderungsverletzung, S. 56. 728 VGH BW ESVGH 26, 155; RGZ 152, 129; BGHZ 17, 191; BGH LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 59, 303. 729 OVG NW NWVB1 1996, 13 (fehlerhafte Behebung eines Rohrbruchs); BGHZ 54, 299; BGH NJW 1977, 197; VersR 1978, 38; BGHZ 109, 8 = NJW 1990, 1167; BGH VersR 1992, 58; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (fehlerhafte Planung bzw. Herstellung); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 (ausgebliebene Reinigung); LG Freiburg VersR 1979, 363; LG Koblenz VersR 1981, 1085 (ausgebliebene Uberprüfung nach Fertigstellung). 730 OVG NW NVwZ-RR 1997, 207. 731 BGH NVwZ 1999, 689 (692); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627. 732 BGH DVB1 1978, 108. 725
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Reparatur einer Wasserleitung für den überflüssigen Wasserverlust 733 bzw. wegen Beschädigung des Kanalisationssystems aufgrund der Einleitung aggressiver Abwässer 734 , wegen der Verletzung von Auskunfts- und Mitteilungspflichten 735 , wegen fehlerhafter Untersuchung bei der Fleischbeschau im Schlachth o f 7 3 6 , wegen mangelhafter baulicher Beschaffenheit gewisser Einrichtungen in einem Schlachthof 737 oder wegen fehlerhafter Beschaffenheit des in Anspruch genommenen Kranwagens 738 . Es erscheint auffällig, daß die Pflichten, bei deren Verletzung in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen eine Haftung nach BGB-Vertragsgrundsätzen anerkannt wurde, denen entsprechen, die bei privatrechtlicher und vertraglicher Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses bestanden hätten. Es handelt sich um Pflichtverletzungen, für die der jeweilige Vertragspartner - ohne Haftungsausschluß - im Einzelfall bei privat(vertraglich)er Organisation des und Aufgabenerfüllung im Benutzungsverhältnis zwischen Verwaltungsträger und Bürger auch hätte haften müssen. Dieser Befund verwundert indes nicht. Sämtliche Pflichtverletzungen in den zur Entscheidung gestandenen Verwaltungsrechtsverhältnissen stellen gleichzeitig drittbezogene Amtspflichten nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG dar. Ein Verhalten, das grundsätzlich deliktische Haftung auslösen kann, wird bei vertraglichen Beziehungen ausnahmslos ebenfalls mit Haftungsfolgen sanktioniert sein. Allerdings ist hier zu beachten, daß zwar die deliktische Amtshaftung drittbezogene Pflichtverletzungen in Verwaltungsrechtsverhältnissen stets sanktioniert, die zivilrechtliche deliktische Haftung aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 1 BGB) aber nicht ohne weiteres zusätzlich immer dann eingreift, wenn vertraglich Schadenersatz geschuldet ist. Dies liegt am unterschiedlichen Schutzgut des § 823 Abs. 1 BGB, den absoluten Rechten. Beleuchtet man die beschriebenen haftungsauslösenden Schädigungshandlungen unter diesem Blickwinkel, so hätten sie bei privatvertraglicher Nutzungsregelung nur in wenigen Fällen gleichzeitig den deliktischen Haftungstatbestand des § 823 Abs. 1 BGB ausgelöst. Man könnte von („positiven") Amtspflichtverletzungen sprechen, die im Zivilrecht typischerweise durch vertragliches Haftungsrecht sanktioniert wären. Zudem geht das Rechte-Pflichten-Geflecht in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen meist über den einmaligen, rein deliktischen Kontakt weit hinaus. Ist 733
VGH BW VB1BW 1982, 369. BVerwG NJW 1995, 2303; VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; Urt. v. 15.06.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW GemH 1988, 259. 735 OVG NW NVwZ-RR 1996, 482 (Mitteilung der Lage einer Hausanschlußleitung); BGHZ 66, 302 (Aufklärung über Manipulierbarkeit eines Tischmünzfernsprechgeräts); BGHZ 17, 191 (195: Bekanntgabe der Chlorung des Wassers als „Nebenpflicht auf Grund des vertraglichen oder vertragsähnlichen Verhältnisses"). 736 BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; OLG Hamburg MDR 1961, 938. 737 BGHZ 61,7 (Einsteilplätze); BGH NJW 1974, 1816 (Rohrbahn). 738 BayObLG BayVBl 1989, 571. 734
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dies nicht der Fall, so bleibt es auch im Anstalts- und Benutzungsverhältnis haftungstechnisch bei der allgemeinen deliktischen Beziehung 739 . Bietet der Staat mit der Benutzung einer öffentlichen Einrichtung jedoch eine Leistung an, die nur deshalb nicht privatisiert oder dem Angebot durch private Unternehmer überlassen wird, weil sich die Verwaltung für die öffentlich-rechtliche Organisation entschieden hat oder weil Gründe des Gemeinwohls bzw. der Daseinsfürsorge für eine öffentlich-rechtliche Zurverfügungstellung sprechen, so tritt er - gegebenenfalls um den Gefahren des Marktes vorzubeugen oder mangels Marktes für die angebotenen Leistungen - anstelle eines privaten Wirtschaftsunternehmens und wie ein solches auf 740 . Die gegenseitigen Leistungspflichten ähneln stark einem zivilrechtlichen, vertraglichen Austauschverhältnis 741 . Die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Verwaltung sind zwar möglicherweise hoheitlich (Anschluß- und Benutzungszwang) und einseitig (öffentlich-rechtliche Satzung) determiniert. Der Kontakt innerhalb des Anstalts- und Benutzungsverhältnisses kann jedoch faktisch dem bei einer privatrechtlichen, vertraglichen Ausgestaltung entsprechen 742. Dieser Umstand legt es nahe, daß sich bei einem identischen - mehr oder weniger schadensgeneigten Kontakt der Kanon der gegenseitigen Rechte und Pflichten ebenfalls entspricht. Die öffentlich-rechtlichen (Amts-)Pflichten des Anstaltsträgers sind in solchen Fällen daher grundsätzlich die gleichen, wie wenn er privatvertraglich gehandelt hätte. In gewissen Grenzen kann die Verwaltung ihre Amtspflichten zwar durch entsprechende satzungsmäßige Ausgestaltung definitorisch begrenzen bzw. die Pflichtenbindungen des Bürgers einseitig ausweiten. Belastende Benutzungsregelungen müssen jedoch auch bei öffentlich-rechtlichem Nutzungsverhältnis durch den Einrichtungszweck gedeckt sein 743 . Daher gehen diese Beschränkungen nicht über die Möglichkeiten hinaus, die ihr bei einer vertraglichen Vereinbarung über den mit den Bürgern - mehr oder weniger - ausgehandelten, in der Realität aber von der Verwaltung diktierten Rechte-Pflichten-Katalog zur Verfügung stünden. Ist die Benutzung privatrechtlich geregelt, so erledigt die Verwaltung eine öffentliche Aufgabe in Privatrechtsform. Sie betätigt sich in einem Bereich des Verwaltungsprivatrechts, in dem unstreitig Gesetzes- und ins-
739
So entschieden beim bloßen Aufstellen einer Schildertafel auf einem Kinderspielplatz, BGH NJW 1988, 2667 (2668). 740 RGZ 99, 96 (99); BGHZ 61,7(10); Götz JuS 1971, 349 (350, 352). 741 Stürner JuS 1973, 749 (751); Götz JuS 1971, 349 (351). 742 Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 85. 743 VGH BW VB1BW 1993, 227 (228 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 54; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 550; Salzwedel, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 41 Rn. 13; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 3.
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besondere Grundrechtsbindung besteht; ihr stehen nur privatrechtliche Rechtsformen, nicht aber die Freiheiten und Möglichkeiten der Privatautonomie zu 7 4 4 . Es bleibt festzuhalten, daß es der Rechtsprechung nur vereinzelt gelingt, die Gründe für die Behauptung, daß es sich bei den Rechtsbeziehungen in Anstaltsund Benutzungsverhältnissen um vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse handele, überzeugend darzulegen. Im Ergebnis ist ihr aber grundsätzlich zuzustimmen. (2) Beamtenverhältnisse Erkannte die Rechtsprechung die Heranziehung von zivilrechtlichen Vertragshaftungsgrundsätzen in Beamtenverhältnissen oder anderen personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen an, begründete sie dies in der Anfangszeit auch hier mit einer Vergleichbarkeit mit privatvertraglichen Arbeitsverhältnissen. Bei der Entwicklung der Haftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht in Beamtenverhältnissen wurde die inhaltliche Rechtfertigung ursprünglich darin gesucht, daß es sich zwar nicht um vertragliche 745 , aber zumindest um vertragsähnliche Rechtsverhältnisse handele 746 , die Rechtswirkungen wie bei privatrechtlichen Verträgen entfalten würden 747 . Diese sollte zu einer „quasivertraglichen" Schadenersatzhaftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht führen 748 . Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei quasivertragliche Verbindlichkeit 749 . Mittlerweile stellen die Gerichte keine Vergleiche mehr an. Bei der Haftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn wird von einer originär öffentlich-rechtlichen Anspruchsherleitung ausgegangen. Soweit die Gerichte auf die Vertragsähnlichkeit rekurrieren, fallen die - bereits oben aufgezeigten 750 - Begründungsansätze für die Vergleichbarkeit mit privatvertraglichen Arbeitsverhältnissen eher oberflächlich aus. Entweder es bleibt bei der Unterstellung, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Dienst744 BGH NJW 1985, 197 (200); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 9; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 11 Rn. 347; Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschn. Rn. 72; Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 78; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rn. 32; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (384); Rüfner DÖV 1973, 808 (811) u. a. 745 So die ausdrückliche Feststellung bei RG Warn 8 (1915), 105 (106); RGZ 91,
21 (22).
746 RG Warn 8 (1915), 105 (106 f.); Battis ZBR 1971, 300 (302); Schack ZBR 1961, 132 (133); dies bestreitend Günther NVwZ 1989, 837 (838). 747 RGZ 18, 173 (174); 19 348 (352); 78 325 (327); 91,21 (22, 24 f.); 111, 22 (23). 748 BVerwG NJW 1997, 1321 (1322). 749 BVerwGE 25, 138 (146 ) = ZBR 1967, 151 (153); E 80, 123 (125) = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1992, 927 (928); Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 636. 750 Siehe oben S. 93 f.
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herr gegenüber seinen Beamten nicht nach vertraglichen Grundsätzen haften solle 751 . Oder es wird ohne weitere Verifizierung behauptet, es stelle „eine unerträgliche Verschiedenheit in der Gestaltung verwandter Rechtsbeziehungen auf dem Gebiete des bürgerlichen und des öffentlichen Rechtes" dar, wenn der Beamte nicht auf vertragliche Haftungsgrundsätze zurückgreifen dürfe, sondern auf die deliktische Haftung aus § 839 BGB mit ihren Restriktionen beschränkt sei 752 . Diese Gegenüberstellung von Vertrags- und Deliktshaftung ist verkürzt auf die bloße Behauptung und mündet in eine rechtspolitische Schlußfolgerung, besagt aber nichts darüber, ob es unter rechtsdogmatischen Gesichtspunkten gerechtfertigt sein kann, im Beamtenverhältnis vertragliche Haftungsgrundsätze zu bemühen. Dazu könnte allerdings in der Tat ein Ansatzpunkt die mögliche Vertragsähnlichkeit des Verhältnisses des Beamten zu seinem Dienstherrn sein. In einer Entscheidung wird dazu auf die besonders enge Verbindung zum Staat verwiesen 753 , was in diesem Zusammenhang genausowenig ergiebig ist 7 5 4 wie der Hinweis darauf, daß den Dienstherrn wie bei anderen Dauerrechtsverhältnissen gesteigerte Nebenpflichten träfen 755 . Der Umstand, daß ein Beamter in einem viel weiteren Umfang Pflichten und Beschränkungen unterliegt, die bis weit in den Grundrechtsbereich hinein wirken können 756 , stellt die Besonderheiten dieser öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung eher heraus und hebt das Beamtenverhältnis von der vertraglichen Rechtsbeziehung mehr ab, als daß es annähert. Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach der Vertragsähnlichkeit wird vielmehr in der Einordnung des Beamtenverhältnisses als »Arbeitsverhältnis" zu suchen sein 757 . Hierbei sind die Ähnlichkeiten und Unterschiede sowohl mit Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, als auch mit den privatvertraglichen Arbeitsverhältnissen der Angestellten des öffentlichen Dienstes in Betracht zu nehmen. (a) Vergleich mit Arbeitsverhältnissen in der Privatwirtschaft Aufschluß über die Ähnlichkeit mit Vertrags Verhältnissen kann letztlich auch hier nur der Vergleich der jeweiligen Rechte-Pflichten-Verhältnisse ge751
BVerwGE 13, 17 (22) = NJW 1961, 2364 (2366). So RGZ 91, 21 (24). 753 BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366); Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 3 Rn. 15. 754 Siehe die Kritik an diesem Eingrenzungsmerkmal der h. M. oben S. 144 ff. 755 VGH BW ZBR 1986, 21; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347. - Siehe oben S. 177 f. 756 BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366). 757 Vgl. Forsthoff,\ Verwaltungsrecht I, S. 424, der ebenfalls allein auf „eindeutige Parallelen zur privatrechtlichen Vertragslage" abstellt. 752
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ben. Die Dienstpflichten der Arbeitnehmer und Arbeitgeber ergeben sich bei privatrechtlichen Arbeitsverträgen aus dem Vertrag, der betrieblichen Übung, den Tarifverträgen, dem kollektiven und individuellen Arbeitsrecht u. a. Das Beamtenverhältnis ist durch die öffentlich-rechtlichen Gesetze bestimmt, welche die Beziehungen des Beamten zum Staat und umgekehrt regeln. Bei der Definition der Arbeitnehmerpflichten fehlen den Beamten die Möglichkeiten zum Abschluß tarifvertraglicher Vereinbarungen und des Arbeitskampfes. Die Ausgestaltung der Beziehungen werden weitgehend einseitig per Gesetz diktiert. Dies spricht gegen Vertragsähnlichkeit. Bei einem Vergleich im Hinblick auf haftungsrechtliche Parallelitäten ist die Beurteilung der Vertragsähnlichkeit allerdings auch auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der schadenersatzträchtigen Pflichtenbindungen zu richten. Bei den hier interessierenden Ansprüchen des Dienstverpflichteten gegenüber seinem Dienstherrn geht es um die Verletzung von Fürsorgepflichten. Die Fürsorgepflicht des privatwirtschaftlichen Arbeitgebers entspricht als vertragliche Nebenpflicht dem Gegenstück, der Treuepflicht des Arbeitnehmers, die im allgemeinen Arbeitsrecht Ausdruck des in jedem Vertragsverhältnis gültigen Gedankens von Treu und Glauben ist 758 . Im Beamtenrecht ergibt sich die mit Verfassungsrang ausgestattete759 Pflicht des Dienstherrn zur Fürsorge aus § 79 BBG (bzw. den entsprechenden Vorschriften der Beamtengesetze der Länder) und die funktionsspezifisch ausgestalteten und abgestuften, im Gesetz aufgeführten Treuepflichten der dienstverpflichteten Beamten als Korrelat aus den betreffenden Vorschriften der Beamtengesetze (z. B. §§ 52 ff. BBG) 7 6 0 . Die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht wird durch die speziellen Vorschriften des Beamtenrechts konkretisiert und begrenzt 761 . Sie kann sich zum einen auf allgemeine Pflichten des Dienstherrn erstrecken, wie sie auch einen Arbeitgeber in der Privatwirtschaft treffen können. Zum anderen können die Dienstherrnpflichten aber auch spezielle, dem Dienstverhältnis mit dem Staat eigene sein. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn, die ihm unterstellten Beamten mit Gerechtigkeit zu behandeln, ihnen nach Möglichkeit die Erfüllung ihrer Dienste zu erleichtern und ihre Belange wohlwollend zu berücksichtigen und
75 8 Putzo, in: Palandt, BGB, § 611 Rn. 39, 96; Schlechtriem, in: Jauernig, BGB, §611 Anm. I 5 u. II 2; ausführlich hierzu Richardi, in: Tomandl, Treue- und Fürsogepflicht im Arbeitsrecht, S. 41 ff. (insb. 64); Mayer-Maly ebd., S. 71 ff. 759 BVerfGE 43, 154(167). 760 BVerfGE 39, 334 (346 f.); Battis BBG, § 4 Rn. 8; ders, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 28, 109, 126; Behrens, Beamtenrecht, § 6 Rn. 7; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 137, 148; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 116 Rn. 2; vgl. auch EuGH Slg. I 1994, 3009 - Tz. 38; EuG Slg. II 1993, 1465 - Tz. 77. 761 BVerwGE 28, 155 (162) = DVB1 1968, 641 (642); Behrens, Beamtenrecht, § 6 Rn. 7; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 305; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 236.
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zu wahren 762 . Hierzu gehört auch die Pflicht, sich bei den in das Ermessen gestellten Entscheidungen unter Ausschaltung aller sachfremden Einflüsse lediglich von sachlichen Erwägungen, von Gerechtigkeit und Wohlwollen leiten zu lassen763. Aufgrund der Fürsorgepflicht kann es dem Dienstherrn auch obliegen, vom Beamten Nachteile abzuwenden, die ihm außerhalb des Dienstes entstehen764. Näheren Aufschluß über die Vergleichbarkeit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht mit der Fürsorgepflicht des privaten Arbeitgebers könnte möglicherweise auch hier eine Untersuchung der von der Rechtsprechung behandelten Klagen erbringen, in denen Schadenersatz wegen vermeintlicher Fürsorgepflichtverletzungen begehrt wurde. Der Vergleich mit arbeitsvertraglichen Treuepflichten liegt nahe bei der Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs aus Fürsorgepflichtverletzung wegen einer Verletzung der körperlichen Sicherheit im Dienst 765 bzw. wegen in der Dienstwohnung erlittener Körperschäden766, wegen der verspäteten Zahlung von Dienstbezügen767, wegen Vermögensnachteilen aufgrund einer schädigenden Empfehlung 768 oder Weisung 769 des Dienstherrn, der Folge geleistet wird, wegen Schäden bei der Verwahrung von Gegenständen durch den Dienstherrn 770 , wegen mangelhafter 771 oder unterbliebener Auskunft 772 sowie unterbliebener Zurverfügungstellung eines Stellplatzes für den Privatwagen am Arbeitsplatz 773 . 762
RGZ 155, 227 (232); Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Venvaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 152; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 305; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 237. 763 BVerwGE 15, 3 (7) = NJW 1963, 123; BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78 S. 2; NVwZ-RR 1997, 426 (427); VGH BW DVB1 1965, 333 (335); OVG NW ZBR 1986, 276. 764 BVerwGE 25, 138 (141) = ZBR 1967, 151. 765 Vgl. BVerwGE 20, 199 = NJW 1965, 929; RGZ 18, 173 (174); 111, 22; 111, 178 (181); 155, 227; BGH NVwZ 1990, 1103. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. Putzo, in: Palandt, BGB, § 611 Rn. 98 ff. 766 Vgl. BVerwGE 25, 138 = ZBR 1967, 151; RGZ 91, 21 (22); 158, 235 (236). 767 Vgl. BVerwGE 14, 222 (224 ff.) = ZBR 1963, 50 (51); E 24, 186 = NJW 1967, 511; NVwZ 1986, 481. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. BAG EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 37; EzA § 611 BGB Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 5; HessLAG BB 1990, 1291; LAG Hamburg LAGE § 228 BGB Nr. 1. 768 Vgl. RGZ 155,227(232). 769 Vgl. RGZ 157, 145 (147). - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. BAGE 7, 321; BAG AP § 615 Nr. 10. 770 Vgl. BVerwGE 52, 247 = NJW 1978, 717; BVerwG NJW 1995, 271; HessVGH NVwZ-RR 1997, 427. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. BAG EzA § 670 BGB Nr. 2. 771 Vgl. BVerwG NWVB1 1997, 295; BGHZ 7, 69; 14, 122; BGH NVwZ 1985, 936. 772 Vgl. VGH BW ZBR 1986, 21. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. BAG DB 1972, 1780; NJW 1989, 247. 773 Vgl. BVerwG Buchholz 237.0 § 98 LBG BW Nr. 1. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. Kreßel RdA 1992, 169 m. w. Nachw.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Einen deutlichen Bezug zum öffentlich-rechtlichen Charakter der Beziehungen im öffentlichen Dienst weisen die Klagen auf Schadenersatz wegen einer rechtswidrigen Versetzung an einen anderen Ort 774 , wegen einer schuldhaften Verhinderung des Besuchs einer weiterqualifizierenden Fortbildung 775 oder Klagen auf Widerruf ehrkränkender Äußerungen 776 auf. In diesen Fällen scheint eine Parallele bei privatwirtschaftlichen Arbeitsverhältnissen indes nicht ausgeschlossen. Schwieriger wird es bei Schadenersatzansprüchen wegen schädigender zwangsweiser Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand777. Hier ist allenfalls ein Vergleich mit einer unberechtigten Kündigung denkbar, wobei die Kündigung in ihren arbeitsrechtlichen Folgen strikt zu trennen sein wird von einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mit - wie in der Privatwirtschaft üblich - entsprechender Abfindungsvereinbarung. Für den Fall einer verspäteten Einstellung 778 oder Nichteinsteilung 779 müßte man schon gewagte Konstruktionen in einem Arbeitsvertrag, etwa mit der Vereinbarung der Einstellung zu einem bestimmten Termin oder der Verpflichtung zur späteren Übernahme nach Ausbildungsabschluß o. ä. annehmen, um auch hier ein Pendant im privaten Arbeitsrecht finden zu können. Schwierigkeiten bereitet weiter der Vergleich mit der ärztlichen Fehldiagnose bei einer amtsärztlichen Untersuchung 780 . Hier wäre aber an eine ähnlich gelagerte Schadensverursachung zu denken, wenn in einem Arbeitsvertrag ζ. B. die Untersuchung durch einen Vertrauensarzt vereinbart ist, der mit einer falschen Diagnose den Arbeitgeber dazu veranlaßt, schädigende und arbeitsvertraglich bzw. arbeitsrechtlich zulässige Konsequenzen zu ziehen. Den Hauptanwendungsfall findet die Haftung wegen Verletzung der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht oder zumindest einer ihr vergleichbaren Pflicht nach einer quantitativen Bewertung anhand der veröffentlichten Entscheidungen - aber bei unterbliebener Beförderung 781. Im Beamtenrecht unterliegt die 774
Vgl. BVerwG RiA 1968, 236. Vgl. BVerwGE 53, 12. 776 Vgl. BVerwG NJW 1996, 210; HessVGH ZBR 1974, 261. - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. BAG EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 2; EzA § 847 BGB Nr. 3. 777 Vgl. OVG Lüneburg ZBR 1972, 84. 778 Vgl. BVerwGE 80, 123 = NJW 1989, 538. 779 OVG Bremen, Urt. v. 12.5.1981 - 2 BA 80/80 (n. v.). - Für den privatrechtlichen Arbeitsvertrag vgl. die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß BAG AP § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß Nr. 4; AP § 276 BGB Verschulden bei Vertragsschluß Nr. 5; EzA § 276 BGB Nr. 29. 780 Vgl. BVerwG DÖV 1994, 171. 781 BVerwG ZBR 1960, 92; ZBR 1979, 335; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; NJW 1997, 1321; BayVBl 1997, 696; Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE410003537; NJW 1998, 3288; VGH BW DVB1 1965, 333; ZBR 1975, 316; BayVGH BayVBl 1961, 90; OVG Hamburg DVB1 1960, 745; HessVGH DVB1 1960, 775
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Beförderung ganz spezifischen verfassungsrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Bindungen. Beamte sind „nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen" zu befördern (§ 23 i. V. m. § 8 Abs. 1 S. 2 BBG). Es gilt das Leistungsprinzip (Art. 33 Abs. 2 GG) unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht 782. Zudem richtet sich der Aufstieg in weiten Teilen der Verwaltung noch nach dem Anciennitätsprinzip (sog. Regelaufstieg) 783. Dem Dienstherr verbleibt Ermessen bzw. ein Beurteilungsspielraum 784 . Ihm obliegt es zu gewichten, welche Eignung, Leistung und Befähigung er in den Vordergrund stellt und welches fachliche und persönliche Anforderungsprofil er der zu besetzenden Stelle zugrunde legt 785 . Der Beamte hat folglich in der Regel keinen Rechtsanspruch auf Beförderung 786. Deshalb wird die Nichtbeforderung als solche von der h. M. auch nicht mehr als Verletzung der Fürsorgepflicht, sondern nur als dieser vergleichbar angesehen787. Eine Verletzung ergibt sich häufig lediglich aus den Umständen, die zur Nichtberücksichtigung führen 788 . Der Spielraum des Dienstherrn bei der Auswahl der Bewerber findet seine Grenze insbesondere im Willkürverbot 789 . Damit wird
328; OVG Lüneburg ZBR 1974, 17; OVGE 29, 479; OVG NW ZBR 1986, 276; RGZ 146, 369 (373 f.). 782 Battis BBG, § 23 Rn. 21; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 110; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 217. 783 Vgl. zu den Reformbestrebungen in Richtung einer leistungsbezogenen Aufstiegsmöglichkeit Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 65; Gaßner BayVBl 1996, 102 (106); Summer ZBR 1995, 125 (137). 784 BVerwGE 68, 109 (110); BVerwG DVB1 1982, 198; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 79 S. 2; BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (330); OVG NW ZBR 1986, 276; Battis BBG, § 23 Rn. 21; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 144. 785 BVerwGE 68, 109 (110); BVerwG DVB1 1982, 198; Battis BBG, § 23 Rn. 21. 786 BVerwGE 15, 3 (6) = NJW 1963, 123; E 19, 252 (254); VGH BW DVB1 1965, 333 (334); ZBR 1975, 316; BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (330); RGZ 146, 369 (374); Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 110; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 144; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 216 f.; Wittkowski NJW 1993, 817 (823). 787 BVerwGE 80, 123 (125) = NJW 1989, 538; BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537; NJW 1998, 3288 (LS 1); NVwZ 1999, 424; ähnlich bereits, aber i. E. offen lassend VGH BW BWVP 1995, 257 f.; vgl. bereits BayVGH BayVBl 1961, 90 (91). - BVerwG NJW 1997, 1321 (1322) spricht bei der Haftung wegen Nichtbeforderung von einem „quasi-vertraglichen Schadenersatzanspruch des Beamten gegen den Dienstherr wegen Verletzung der diesem aus dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten". - Ausführlich oben S. 91. 788 BVerwGE 15, 3 (9 f.) = NJW 1963, 123 (124); BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78 S. 2; OVG NW ZBR 1986, 276; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 68; Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 217. 789 BVerwG ZBR 1960, 92 (93); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91 ); HessVGH DVB1 1960, 328 (330). - Siehe auch OVG Lüneburg ZBR 1974, 17: unterbliebene Stellenausschreibung; sowie EuGH Slg. I 1992, 2253 - Tz. 20.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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die Besonderheit der Pflichtenbindung des Staates bei der Einstellung und Beförderung von Beamten deutlich, die sich klar von der Privatautonomie in der freien Wirtschaft abgrenzt. Derart stringente Bindungen sind dem von der Vertragsfreiheit beherrschten Privatrecht fremd. Private Arbeitgeber unterliegen bei ihrer Einstellung und Beförderung insbesondere nicht den Anforderungen des Leistungsprinzips aus Art. 33 Abs. 2 GG, nach dem sich der öffentlich-rechtliche Dienstherr vorwiegend an objektiven Kriterien zu orientieren hat. Ein Anspruch auf Beförderung im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten besteht im privaten Arbeitsrecht grundsätzlich nicht, auch wenn er ausnahmsweise ausdrücklich (tarif)vertraglich zugebilligt sein kann 790 . Grenzen der grundsätzlich privatautonomen Entscheidung über Einstellung und Beförderung sind in der Privatwirtschaft insbesondere selbstbindende Auswahlrichtlinien, der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot. Betriebe können Richtlinien für die Auswahl bei personellen Maßnahmen aufstellen. Nach § 95 Abs. 1 BetrVG kann dies mit Zustimmung des Betriebsrats 791 in Form von Richtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen oder Kündigungen erfolgen. In Betrieben bei einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von mindestens 1.000 Arbeitnehmern kann der Betriebsrat die Aufstellung verlangen (§ 95 Abs. 2 S. 1 BetrVG). Sind Auswahlrichtlinien erstellt, so ist der Arbeitgeber bei Einstellung und beim innerbetrieblichen Aufstieg an das dort festgelegte Anforderungsprofil für bestimmte Arbeitsplätze gebunden792. Dadurch findet eine weitgehende Verobjektivierung der Bewertung des Verhaltens und der Leistung von Bewerbern statt, die eine einheitliche Beurteilung ermöglicht und die Beurteilungsergebnisse nachvollziehbar und vergleichbar macht 793 . Hierbei können auch soziale Kriterien verstärkt Berücksichtigung finden, die - anders als beim Leistungsprinzip im öffentlichen Dienst - nicht erst dann zum Tragen kommen, wenn zwischen mehreren gleich geeigneten Bewerbern zu entscheiden ist, sondern auch schon dann, wenn aus sozialen Gründen vorzugswürdige Bewerber nur eine geringere Eignung nachweisen können 794 . Diese Freiheit des Arbeitsgebers bei der Erstellung der Auswahlkriterien ist relativ weit und lediglich durch das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot be790
BAG BB 1969,580. Vgl. im Beamtenrecht das Mitwirkungsrecht der Personalvertretung BVerwG DVB1 1994, 1071; OVG NW ZBR 1989, 286; Battis , in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/3. 792 BAG DB 1983, 2311; Etzel, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Teil 7.1 Rn. 609 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 238 V 1 (S. 1954); Matthes, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 341. 793 BAG EzA § 94 BetrVG 1972 Nr. 1; HessLAG DB 1990, 1975; Etzel, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Teil 7.1 Rn. 633. 794 Matthes, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 341 Rn. 12 f. 791
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
schränkt 795. Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz 796 dürfen einzelne Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmergruppen in einem Betrieb durch innerbetriebliche Regelungen nicht schlechter gestellt werden als andere (vgl. § 75 Abs. 1 S. 1 BetrVG) 797 . Dies gilt auch für den Aufstieg im Betrieb. Sind die Beförderungsbedingungen tarif(vertrag)lich festgelegt, so kann eine Nachprüfung gemäß §319 BGB erfolgen (Billigkeitskontrolle) 798 . Bei der Einstellung greift hingegen lediglich das europarechtlich geforderte Diskriminierungsverbot 799. Das Gleichbehandlungsgebot von Männern und Frauen bei der Einstellung (Art. 119 EGV, Art. 3 Abs. 2, 3 GG, § 611 a BGB) gebietet etwa, daß keine Auschreibung nur für Männer oder nur für Frauen erfolgt (§ 611 b BGB) 8 0 0 . Das Rechte-Pflichten-Geflecht zwischen dem Staat als Dienstherrn und seinen Beamten unterscheidet sich somit vom arbeitsvertraglichen Verhältnis der Arbeitgeber zu ihren Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft schon im Hinblick auf die Fürsorgepflichten - wenn auch nicht in allen 801 , so aber doch in einigen wesentlichen Punkten. Die Unterschiede der gegenseitigen Rechte und Pflichten in den verschiedenen Arbeitsverhältnissen, die sich etwa aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) und der Natur sowie den Besonderheiten des Beamtenstatus ergeben, sind hierbei noch nicht einmal beleuchtet802. Die Vergleichbarkeit der Beamtenverhältnisse mit vertraglichen Arbeitsverhältnissen der Privatwirtschaft ist daher äußerst partiell. Von einer allgemeinen Vertragsähnlichkeit wird unter diesem Gesichtspunkt nicht gesprochen werden können. (b) Vergleich mit dem privatvertraglichen Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst Etwas anderes könnte aber der Vergleich mit den ebenfalls privatvertraglich zustande gekommenen Arbeitsverhältnissen der Verwaltungsträger mit den Angestellten des öffentlichen Dienstes ergeben. Dies hat das BVerwG 8 0 3 in einer allerdings vereinzelt gebliebenen - Entscheidung ausdrücklich so gesehen. Es war der Auffassung, daß die Beamten ohne Heranziehung privatrechtlicher 795
Matthes, in: Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, § 341 Rn. 16. Ausführlich Bobrowski/Gaul Arbeitsrecht, Kap. F II. 797 Bobrowski/Gaul Arbeitsrecht, Kap. F II Rn. 7. 798 Schaub Arbeitsrechts-Handbuch, § 108 V 3 (S. 931). 799 Vgl. EuGH JZ 1997, 1172 m. Anm. Hergenröder. 800 Ausführlich Leinemann, in: Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht, Teil 1.1 Rn. 395 ff. 801 Zur gesellschaftlichen Annäherung von Beamtenverhältnis und privatwirtschaftlichem Arbeitsverhältnis vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 107 Rn. 1 ff. 802 Hierzu im folgenden beim Vergleich des Beamtenverhältnisses mit dem Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst. 803 BVerwGE 13, 17 (23) = NJW 1961, 2364 (2366). 796
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Haftungsgrundsätze bei Fürsorgepflichtverletzungen im Beamtenverhältnis im Vergleich zu den sonstigen Bediensteten des öffentlichen Dienstes, die unmittelbar über § 618 Abs. 3 BGB geschützt seien, ungerechtfertigt benachteiligt wären. Deshalb müßten auch sie unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis Schadenersatzansprüche ableiten können. Es erscheint wohl richtig, daß das privatvertragliche Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst jedenfalls sowohl privatvertragliche Züge aufweist, als auch deutliche Parallelen zum Beamtenverhältnis. Eine Vergleichbarkeit scheint daher nicht von vornherein auszuschließen. Das Beamtenverhältnis ist im Bundesbeamtengesetz, im Beamtenrechtsrahmengesetz und in den Beamtengesetzen der Länder kodifiziert. Das Recht der Angestellten im öffentlichen Dienst ergibt sich im wesentlichen aus dem Bundesangestelltentarif (BAT) und den Vorschriften des BGB zum Dienstvertrag 804 . Die Angestellten des öffentlichen Dienstes bekommen ein festes Gehalt entsprechend der Eingruppierung nach BAT. Die Aushandlung findet über Tarifverhandlungen statt, den Angestellten im öffentlichen Dienst steht im Gegensatz zu den Beamten hierbei das Streikrecht zur Verfügung 805 . Beamte hingegen erhalten keinen Lohn für die von ihnen erbrachten Dienstleistungen, sondern eine angemessene Alimentation gemäß den Beamtenbesoldungsgesetzen für ihre standesgemäße Lebenshaltung unter Berücksichtigung der mit dem Amt verbundenen Verantwortung und der Entwicklung des allgemeinen Lebensstandards 806. Die Tätigkeit des Beamten ist nicht Arbeit im wirtschaftlichen Sinne. Beamte sind nach herrschender Doktrin nicht tätig, um Geld zu verdienen, sondern erhalten Lebensunterhalt, weil sie tätig sind 807 . Das überkommene Alimentationsprinzip, (ehemals) als eine der Grundsäulen des Berufsbeamtentums angesehen, soll Voraussetzung dafür sein, daß sich der Beamte mit voller Kraft seinem Beruf widmen kann und gleichzeitig in wirtschaftlicher Unabhängigkeit zur Sicherung einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung seinen Beitrag leistet 808 . Der Alimentationsgedanke erscheint in der heutigen Zeit jedoch als ein lebensfremdes historisches Relikt 809 . Man hat erkannt, daß sich auch hinter Beamten Berufstätige mit „Selbstverwirklichungsmotivstruk804
Vgl. etwa OVG Bautzen LKV 1998, 28. Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 190 ff.; Battis, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 34 f. 806 BVerfGE 44, 249 (265 f.); 70, 69 (79 f.); 70, 251 (267); Battis BBG, § 83 Rn. 2; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 159; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil F Rn. 64 f.; Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 253; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 789. 807 Battis BBG, § 83 Rn. 2; Behrens, Beamtenrecht, § 6 Rn. 2; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 107 Rn. 20; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 263. 808 BVerfGE 44, 249 (265 f.); 70, 69 (80); 70, 251 (267); Monhemius, Beamtenrecht, Rn. 253; Scheerbarth/Höffken Beamtenrecht, § 23 II. 809 Battis BBG, § 72a Rn. 8; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 159. 805
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
tur" verbergen 810. Das Gehalt nach BAT ist der Alimentation der Beamten in vergleichbarer Stellung der Höhe nach angeglichen, bei gewandeltem Selbstverständnis des Berufsbeamtentums in der Gesellschaft 811 ist es für den Betroffenen gleich, ob er sein Geld als Alimentation oder als tariflichen Lohn erhält. Das Arbeitsverhältnis mit seinen gegenseitigen Pflichten wird im öffentlichen Dienst maßgeblich durch den von den Tarifparteien ausgehandelten Bundesangestelltentarif bestimmt. Der Staat als Arbeitgeber ist nicht zuletzt wegen der Möglichkeit des Arbeitskampfes insoweit nicht frei, darüber zu entscheiden, wie er die Dienstpflichten definiert bzw. inwieweit er den Arbeitnehmern Rechte einräumt. Das Beamtenverhältnis ist gesetzlich determiniert, also durch einseitige Entscheidung der Legislative ohne unmittelbare Einflußmöglichkeiten oder -befugnisse der Beamten. Aber auch das Beamtenrecht weist mehr und mehr Einwirkungen des Arbeitsrechts auf (vgl. die Regelungen zur Teilzeitbeschäftigung, § 72 a BBG; zur gesetzlichen Höchstgrenze der regelmäßigen Arbeitszeit, § 72 Abs. 1 BBG, § 11 ArbeitszeitVO; zur Mehrarbeitsvergütung, § 72 Abs. 2 BBG; zur Erschwerniszulage, § 47 BBesG; zur Jubiläumszuwendung, § 80 b BBG; u. v. m.) 8 1 2 . Hinzu kommt, daß im Zuge der Verwaltungsreformbestrebungen und der damit einhergehenden Diskussion um eine Reform des Beamtenrechts ernsthaft über leistungsbezogene Vergütung (Alimentation) und Aufstiegsmöglichkeiten sowie eine Vergabe von Führungspositionen auf Zeit nachgedacht bzw. bereits eine solche praktiziert wird 8 1 3 . Dies bedeutet sogar eine Angleichung des Beamtenverhältnisses an privatwirtschaftliche Arbeitsverhältnisse. Besonders deutlich wird die Nähe des Beamtenverhältnisses zum arbeitsvertraglichen Dienstverhältnis im öffentlichen Dienst bei einem Blick auf die in Art. 33 Abs. 4 GG angelegte Zweispurigkeit des öffentlichen Dienstrechts. Die Zweiteilung des öffentlichen Dienstes bringt mit sich, daß nebeneinander auf von der Stellenbeschreibung und den Aufgaben möglicherweise identischen Arbeitsplätzen ein durch privatrechtlichen Arbeitsvertrag eingestellter Angestellter des öffentlichen Dienstes und ein durch Verwaltungsakt ernannter Beamter sitzen können 814 . Der rechtliche Angleichungsprozeß 815 hat nicht zuletzt 810
Trübe NDV 1996, 122 (125). Zur Geschichte des öffentlichen Dienstes und des Berufsbeamtenbeamtentums vgl. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 106. 812 Ausführlich hierzu Battis BBG, § 4 Rn. 7; ders, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 43; ders. NJW 1999, 987 ff. 813 Krech LKV 1998, 481 f.; Knorr VOP 4/1998, 27 ff.; Henneke Der Landkreis 1998, 9 ff.; Böhm DÖV 1996, 402 (407 ff.); Gaßner BayVBl 1996, 102 (106); Battis NJW 1998, 1033 (1034); ders. ZBR 1996, 193; Schnellenbach DVB1 1995, 1153; Bull DÖV 1995, 592 ff.; Pohl RiA 1995, 261 ; Summer ZBR 1995, 125. 814 Wagner, Beamtenrecht, Rn. 6. 811
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deshalb stattgefunden, um im wesentlichen Gleiches nicht ungleich zu behandeln. Zum einen ist aus allgemeinen sozialstaatlichen Wertungen heraus die Schlechterstellung der öffentlichen Dienstnehmer abgebaut worden, und zum anderen ist ein wesentlicher Gesichtspunkt für die Abgrenzung des Beamtenverhältnisses, die vermeintliche Grundrechtsbeschränkung im besonderen Gewaltverhältnis 816, kraft geänderter allgemeiner Rechtsauffassung weggefallen 817. Auch das Angestelltenverhältnis im öffentlichen Dienst begründet eine besondere Pflichtenbindung, die sich ähnlich dem Beamtenverhältnis durch gewisse gesetzlich festgehaltene Beschränkungen in der Grundrechtsausübung auszeichnet818. Hinzu kommt, daß sich die Sonderstellung des Staates als Dienstnehmer mit dessen Bindung an Recht und Gesetz auf beide Bereiche gleichermaßen auswirkt. Das Recht des Dienstnehmers auf Schutz und Fürsorge entspricht dem des Beamten819. Zudem gilt bei der Einstellung und Beförderung das Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG gleichermaßen. Als „öffentliches Amt" i. S. d. Art. 33 Abs. 2 GG ist sowohl der hoheitliche Funktionsbereich des Beamten als auch der des Angestellten des öffentlichen Dienstes anzusehen820. Die Auswahlkriterien und die damit zusammenhängenden Fürsorgepflichten des Dienstherrn sind bei der Beförderung von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes die gleichen. Für das Recht der Angestellten im öffentlichen Dienst besteht im BAT eine Gemengelage zwischen privatem Arbeitsrecht und Beamtenrecht 821. 815 Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 19; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 6; Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 277; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 118 Rn. 3. 816 Zur Entwicklung der Grundrechtsgeltung im „besonderen Gewaltverhältnis" Wenninger, Zur Geschichte der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, 1982; Loschelder, Vom besonderen Gewaltverhältnis zur öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung, 1982; ders. y in: Merten, Das besondere Gewaltverhältnis, 1985, S. 9 ff.; Ronellenfitsch DÖV 1984, 781; ders. VerwArch 73 (1982), 245; ders. DÖV 1981, 933. - Ausführlich und kritisch hierzu bereits Ule WDStRL 15 (1956), 133 ff.; siehe auch Schenke, in: Merten, Das besondere Gewaltverhältnis, S. 83 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 101 Rn. 53 f. jew. m. zahlr. Nachw. 817 Vgl. BVerfGE 33, 1 (10 f.); 34, 165 (192 f.); 58, 257 (268 ff.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 17 ff.; Battis BBG, § 2 Rn. 12 ff.; Behrens, Beamtenrecht, § 1 Rn. 25; Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 4 Rn. 21; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 46 ff.; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 28 ff; Faber, Verwaltungsrecht, S. 236; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 32 Rn. 28 ff.; dies, Verwaltungsrecht II, § 101 Rn. 53 f.; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 110; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 217; Koch/Rubel, Allgemeines Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 33; Battis , in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 27. 818 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 118 Rn. 2. 819 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 119 Rn. 14. 820 Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 266; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 33 Rn. 12. 821 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 192; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 24; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 118 Rn. 2; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 6. 13 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Von seinem materiellen Gehalt her ist das Beamtenverhältnis dem Verhältnis des Angestellten im öffentlichen Dienst also weitestgehend angenähert und umgekehrt 822 . In einigen Bereichen besteht sogar faktische Identität. Alle diese faktischen und rechtlichen Ähnlichkeiten sprechen in der Tat dafür, das Beamtenverhältnis dem öffentlichen Dienstverhältnis als vergleichbar anzusehen823. Die überwiegend formalrechtlichen Unterschiede scheinen vornehmlich historisch bedingt und entsprechen nicht mehr den gegenwärtigen Realitäten des Rechts und der Gesellschaft. Die einzigen wirklich materiellen Differenzen liegen in dem Streikverbot für Beamten und dem Lebenszeitstatus mit seiner weitestgehenden Unkündbarkeit. Dies beeinträchtigt die Ähnlichkeit beider Rechte-Pflichten-Geflechte jedoch nur punktuell und hindert die Vergleichbarkeit von Beamtenverhältnis und privatvertraglichem Dienstverhältnis der Angestellten im öffentlichen Dienst anhand einer Gegenüberstellung inhaltlicher Kriterien nicht. Der Rechtsprechung ist also, wenn auch nicht in der Begründung, so doch im Ergebnis beizupflichten, wenn sie in Beamtenverhältnissen vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse sehen will. Die oftmals fehlende Privatautonomie - der Angestellte im Öffentlichen Dienst hat bei seiner Einstellung meist wenig vertraglich auszuhandeln - ist insoweit unbeachtlich. Entscheidend sind - wie gesehen824 - inhaltliche Kriterien, also die Vergleichbarkeit der beiderseitigen Rechte und Pflichten bei öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen.
(3) Wehr- und Zivildienstverhältnisse Der Wehr- bzw. Zivildienstleistende steht wie der Beamte in einem Beschäftigungsverhältnis beim Staat, kraft dessen die Vorgesetzten bzw. die Beschäftigungsstelle gegenüber dem bei ihr dienenden Wehrpflichtigen bzw. beschäftigten Zivildienstleistenden zur Fürsorge verpflichtet sind 825 . A u f den ersten Blick ähnelt auch dieses wie das Beamtenverhältnis einem vertraglichen Arbeitsverhältnis der Angestellten im öffentlichen Dienst. Der einzige in die822
Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 19; Wolff/Bachof/ Stober, Verwaltungsrecht II, § 118 Rn. 3; Wagner, Beamtenrecht, Rn. 6; Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 277. 823 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21 Rn. 40; Ehlers, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 Rn. 19; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 184 ff.; Kopp, in: Steiner, Kap. III Rn. 24 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 118 Rn. 2; Battis, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 4/1 Rn. 42 f. 824 Siehe oben S. 177 ff. 825 BVerwGE 52, 247 (249) = NJW 1978, 717; BVerwG NVwZ 1986, 481; BGH NVwZ 1990, 1103; NJW 1997, 836 (837).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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sem Zusammenhang interessierende Unterschied zwischen dem Beamtenverhältnis und dem Wehr- bzw. Zivildienstverhältnis ist, daß hier das Element der Freiwilligkeit entfällt, mit der sich die Wehrpflichtigen und Zivildienstleistenden in die besondere Rechte-Pflichten-Beziehung zum Staat begeben. Die Beamtenernennung bedarf der Beantragung oder Zustimmung durch den Berwerber oder sonst Auserkorenen. Das Mitwirkungserfordernis ist dadurch begründet, daß niemand in ein Beamtenverhältnis gezwungen werden kann. Zum Wehrdienst und Zivildienst wird man einberufen (§ 21 WPflG, § 19 ZDG). Die Wehr- und Zivildienstpflichtigen können von der Polizei zwangsweise ihrer Dienststelle zugeführt werden (§ 44 Abs. 3 WPflG, § 23 a ZDG). Daß es bei der Begründung des Wehrdienst- und des Zivildienstverhältnisses keines Einverständnisses des Betroffenen bedarf, unterscheidet dasselbe erheblich von einer vertraglichen Beziehung, die von der einvernehmlichen Selbstbestimmtheit der Vertragsparteien wesentlich geprägt ist. Der Umstand betrifft zwar lediglich den Begründungsakt 826, der hier jedoch über die gesamte Wehrpflicht- bzw. Zivildienstzeit fortwirkt. Das Rechte-Pflichten-Geflecht entspricht ansonsten auch anders als das Beamtenverhältnis keinem privatvertraglichen Arbeitsverhältnis, auch nicht einem solchen im öffentlichen Dienst. Von Vertragsähnlichkeit der Wehr- und Zivildienstverhältnisse wird man kaum sprechen können. (4) Strafgefangenenverhältnisse In der Literatur wird das Strafgefangenenverhältnis als „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" teilweise unter dem Aspekt der Anstaltsbenutzungsverhältnisse erörtert 827 . Daß in den sogenannten Anstalts- und Benutzungsverhältnissen häufig von einer Vertragsähnlichkeit ausgegangen werden kann, wurde bereits untersucht 828. Die Rechtsprechung ordnet das Strafgefangenenverhältnis allerdings zutreffend in die Gruppe der Haftung aus personenbezogenem Verwaltungsrechtsverhältnis ein. Sie ist bei der Beurteilung der Vertragsähnlichkeit ambivalent. Nach einer Entscheidung des Reichsgerichts 829 ist das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Strafgefangenen dann einem privat(vertraglich)en Rechtsverhältnis ähnlich, wenn die Strafanstalt Kleidungsstücke, Geld und andere Gegenstände des Strafgefangenen verwahrt oder wenn sich die Strafanstalt wegen Beschäftigung des Strafgefangenen mit gewerblichen Unternehmern in Verbindung setzt. Die Behandlung des Strafgefangenen 826
Zur Unbeachtlichkeit der dabei gewählten Handlungsform siehe oben S. 173 ff. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 29, 32 ff.; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70. 828 Siehe oben S. 179 ff. 829 RGZ 78, 325 (327 f.). 827
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
durch den Anstaltsarzt erfolge jedoch „in Ausübung der öffentlichen Gewalt des Staates" und sei deshalb mit privat(vertraglich)en Rechtsverhältnissen nicht gleichzusetzen830. Die Anwendung allgemeiner Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei nur in Gebieten anzuerkennen, in denen nicht ausschließlich die Ausübung von Hoheitsrecht in Frage stehe831. Der BGH 8 3 2 wiederum versucht Parallelen zu ziehen zwischen der Fürsorgepflichtverletzung im Strafgefangenenverhältnis und im - vertragsähnlichen Beamtenverhältnis. Als unstreitig anerkannt kann zwar gelten, daß im Hinblick auf die Einsperrung und Absperrung eine besondere Rechtspflicht des Staates zur Fürsorge besteht 833 . Der BGH lehnt die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" aber letztlich mit der Begründung ab, daß es im „Strafgefangenen-Gewaltverhältnis" insbesondere an der wechselseitigen Treueverpflichtung fehle. Im Unterschied zum Beamtenverhältnis habe die „Begründung und Aufrechterhaltung des Strafgefangenen-Gewaltverhältnisses ihren Grund und Zweck in dem Schutz der Allgemeinheit vor dem Rechtsbrecher, in dem Gedanken der Sühne, zwar auch der Besserung, jedoch nicht in dem der Fürsorge für den Strafgefangenen" 834. Auf die Fragwürdigkeit des Grundansatzes, der dieser Schlußfolgerung zugrunde liegt 835 , und auf die Beantwortung der Frage, ob hinsichtlich der Fürsorgepflicht ein Erfüllungszwang besteht836 oder ob sie nur eine nicht gesondert einforderbare (Amts-)Nebenpflicht darstellt 837 , soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen zu werden. Die Annahme eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" und daraus resultierend die Möglichkeit einer Haftung nach vertraglichen Grundsätzen neben der zweifelsfrei einschlägigen Amtshaftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG 8 3 8 folgern Reichsgericht und Bundesgerichtshof - zumindest auch - aus der Verneinung der vermeintlichen Vertrags830
Im Ergebnis ebenso BGHZ 21,214 (220 f.). RGZ 78, 325 (329). 832 BGHZ 21, 214 (218 ff.). 833 BGHZ 21, 214 (220); Calliess/Müller-Dietz StVollzG, § 56 Rn. 1; Brandt/ Huchting, in: AK-StVollzG, Vorb § 71 Rn. 15; Volckart, in: AK-StVollzG, § 108 Rn. 1, 13; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Grave DVB1 1978, 450 (451); a. A. BGHZ 21, 214 (218 ff.); BGH NJW 1962, 1053 (1054); Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70. 834 BGHZ 21,214 (220); ähnlich Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70. 835 Vgl. hierzu Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 229 ff.; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Papier, Forderungs Verletzung, S. 52 ff; Grave DVB1 1978,450 (451). 836 So OLG Hamburg als BerGer. zu BGHZ 21, 214 (vgl. S. 215 f.). 837 BGHZ 21, 214 (220); Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70; kritisch hierzu Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 230; Papier, Forderungsverletzung, S. 53 ff. 838 BGHZ 21, 214 (220 f.); BGH NJW 1962, 1053; NJW 1982, 1328; NJW 1983, 627; NJW 1991, 3027; OLG Hamm NJW 1989, 1809. 831
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ähnlichkeit des Strafgefangenenverhältnisses 839. Allenfalls soweit es um die Arbeitsbeziehungen mit dem Strafgefangenen geht, wäre an einen Vergleich mit einem vertraglichen Arbeitsverhältnis oder einem besonders gelagerten vertraglichen Beherbergungsverhältnis zu denken. Nach § 41 StVollzG ist der Gefangene verpflichtet, eine ihm zugewiesene, seinen körperlichen Fähigkeiten angemessene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben. Übt der Gefangene eine ihm zugewiesene Arbeit aus, so erhält er dafür ein Arbeitsentgelt (§ 43 Abs. 1 StVollzG). Wie beim Beamtenverhältnis ergeben sich die Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen dem Anstaltsträger und dem Strafgefangenen aus den Gesetzen. Kommen die beamtenrechtlichen Pflichten des Dienstherrn und des dienstverpflichteten Beamten durch den einwilligungsbedürftigen Verwaltungsakt bei der Ernennung zur Entstehung, so entstehen die Rechte und Pflichten im Strafgefangenenverhältnis mit Aufnahme des Strafgefangenen in den Strafvollzug (vgl. § 5 Abs. 2 StVollzG). Dieser vertragsfremde Begründungsakt allein hindert jedoch nicht, daß das gesetzlich angeordnete und zwangsweise entstandene Rechte-Pflichten-Geflecht zwischen Strafgefangenem und Staat als einem vertraglichen ähnlich einzustufen wäre 840 . Für eine Ähnlichkeit des Arbeitsverhältnisses im Strafvollzug mit einem vertraglichen könnte sprechen, daß die Arbeitszeit der Strafgefangenen sich nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigten im öffentlichen Dienst richtet 841 und daß der Strafgefangene Anspruch auf Ausfallentschädigung hat, wenn er ohne eigenes Verschulden keiner Arbeitsstelle zugewiesen werden kann (§ 45 Abs. 1 StVollzG) oder wenn er aufgrund von Krankheit länger als eine Woche an seiner Arbeitsleistung gehindert ist (§ 45 Abs. 2 StVollzG). Desgleichen greifen Regelungen zum Mutterschutz (§ 45 Abs. 3 StVollzG). Dem Strafgefangenen soll bei ungerechtfertigter Ablösung von der Arbeit Schadenersatz zustehen842. Die Bedingungen der Ausfallentschädigung bei unverschuldetem Fernbleiben von der Arbeit sind allerdings insbesondere hinsichtlich der Höhe und Dauer der Gewährung erheblich ungünstiger als für Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft oder gar Beamte (vgl. § 45 Abs. 4 u. 5 StVollzG). Dies bringt die einseitige gesetzliche Festsetzung und fehlende Tarifautonomie des arbeitsverpflichteten Strafgefangenen mit sich. Das besondere des Arbeitsverhältnisses im Strafvollzug ist jedoch seine Unfreiwilligkeit mit den daran anknüpfenden Weiterungen. Dazu gehört der Umstand, daß das Arbeitsentgelt nur sehr bedingt der Arbeitsleistung angemessen 839 Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70 verneint eine vertragsähnliche Pflicht zur Fürsorge aus dem Strafgefangenenverhältnis. 840 Siehe oben S. 173 ff. 841 Calliess/Müller-Dietz StVollzG, § 41 Rn. 4. 842 Schuler, in: Schwind/Böhm, StVollzG, § 109 Rn. 6.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
angepaßt ist. Das BVerfG 843 hat insoweit zwar klargestellt, der gebotenen Resozialisierung werde nur genüge getan, wenn dem Gefangenen durch die Höhe des ihm zukommenden Entgelts in einem Mindestmaß bewußt gemacht werden könne, daß Erwerbsarbeit zur Herstellung der Lebensgrundlage diene. Dies bringt im Vergleich zur alten Regelung des § 43 Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 200 Abs. 1 StVollzG i. V. m. § 18 SGB IV, wonach das „Arbeitsentgelt" mit 5 Porzent vom Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr bemessen wurde, zwar eine Verbesserung der Situation der Strafgefangenen. Es handelt sich aber immer noch nicht um ein reguläres Arbeitsentgelt. Die geschilderte Differenzierung durch das Reichsgericht 844, wonach einem Arbeitsverhältnis in der Strafanstalt für den Fall privatrechtliche Wirkungen zu attestieren seien, in denen private Wirtschaftsunternehmen bei der Erbringung der Arbeitsleistung eingeschaltet würden, ist nur vor dem historischen Hintergrund der wenig dogmatisch ausgebildeten Abgrenzung zwischen Privatrecht und Öffentlichen Recht zu verstehen. Diese Unterscheidung würde heute nicht mehr vorgenommen. Beim Vergleich des Arbeitsverhältnisses in der Strafanstalt mit solchen außerhalb des Strafvollzugs wird die divergierende Interessenlage jedoch deutlich. Der Unterschied zum vertraglichen Arbeitsverhältnis ergibt sich aus den Besonderheiten, die das „besondere Gewaltverhältnis" des Strafvollzugs mit sich bringt. Der Gesetzgeber ist nach dem Grundgesetz verpflichtet, für den Strafvollzug ein wirksamen Konzept der Resozialisierung zu entwickeln, dem die Strafgefangenen unterworfen werden 845 . Das Interesse des Staates als „Arbeitgeber" für die Strafgefangenen eine Arbeit anzubieten und das Interesse des Strafgefangenen als gewaltunterworfener „Arbeitnehmer" im Strafvollzug einer Arbeit nachzugehen unterscheiden sich daher in ganz wesentlichen Grundvoraussetzungen von denjenigen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei privatvertraglichen Arbeitsverhältnissen. Die fehlende Vertragsähnlichkeit des Strafgefangenenverhältnisses im übrigen wird auch bei einer weitergehenden Gegenüberstellung deutlich. Der Vergleich mit einem Beherbergungsvertrag wirkt auf den ersten Blick eher provozierend. Zwar wird auch in der Haftanstalt Kost und Logie gewährt, der Aufenthalt ist durch das Strafvollzugsgesetz und die Anstaltsordnung aber genau geregelt. Die Grundrechte des Strafgefangenen aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 und 2 GG (körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person) sowie aus Art. 10 Abs. 1 GG (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis) sind eingeschränkt (vgl. § 196 StVollzG). Weitere Grundrechtsbeschränkungen finden unter anderem Ausdruck in Durchsuchungsrechten (§ 84 StVollzG), eingeschränkten Besuchsrechten 843 844 845
BVerfG NJW 1998, 3337 (3341). RGZ 78, 325 (328). BVerfG NJW 1998,3337.
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(§§ 24 ff. StVollzG) oder einer reduzierten Möglichkeit zur Information durch Presse, Hörfunk und Fernsehen (§§ 68 f. StVollzG) bzw. zur Freizeitbeschäftigung (§§ 67 ff. StVollzG). Bei der ärztlichen Behandlung während des Vollzugs mag man noch Parallelen zur privatvertraglichen Aufnahme in eine Krankenanstalt finden können. Jeder Versuch, eine Vertragsähnlichkeit zu konstruieren, scheitert jedoch spätestens an der Zusammenschau des zwangsweisen Aufenthalts mit den Vorschriften über Disziplinarmaßnahmen gegenüber den Strafgefangenen (§§ 102 ff. StVollzG). Der Strafgefangene wird für die Zeit seines Freiheitsentzugs damit einseitig „Gewaltunterworfener", der sich einer Überzahl an Pflichten gegenüber dem Anstaltsträger und damit korrelierenden Rechten desselben ausgesetzt sieht. Kost und Logie kann nicht als Gegenleistung, sondern lediglich als grundrechtlich verbürgte Garantie einer menschenwürdigen Behandlung gesehen werden. Der Strafgefangene erbringt bereits zwangsweise Arbeit und erhält hierfür keine der Arbeitsleistung angemessene Vergütung. Mit einer vertraglichen Rechtsbeziehung, in welcher die gegenseitigen Rechte und Pflichten durch die vertraglichen Vereinbarungen und die gesetzlichen Regelungen zueinander austariert werden, können keine Gemeinsamkeiten mehr hergestellt werden. Bleiben die von der Rechtsprechung gelieferten Begründungsansätze zur Ausgrenzung des Strafgefangenenverhältnisses aus dem Kreis der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" auch höchst fraglich, so wird man trotzdem im Ergebnis zustimmen und im Strafgefangenenverhältnis kein vertragsähnliches Verwaltungsrechtsverhältnis sehen können 846 . Mit dem Eingrenzungskriterium der Vertragsähnlichkeit ließe sich das Strafgefangenenverhältnis jedenfalls nicht dem Kreis der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" zurechnen bzw. die Anwendung bestimmter Schuldrechtsvorschriften des BGB rechtfertigen.
(5) Schulverhältnisse Die Schüler bzw. Lehrer treten in der Schule in zwei Verwaltungsrechtsverhältnisse ein. Einmal entsteht ein Benutzungsverhältnis mit der Kommune als Rechtsträgerin der Einrichtung Schule, zum anderen ein Ausbildungs- bzw. Beamtenverhältnis mit der staatlichen Schulverwaltungsbehörde. In beiden Rechtsverhältnissen kann es zur Verletzung hoheitlicher Pflichten gegenüber dem Schüler bzw. Lehrer kommen 847 . Auch hier will ein Teil der Rechtsprechung die 846
Ebenfalls die Vertragsähnlichkeit der Fürsorgepflichten im Strafgefangenenverhältnis verneinend Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70. 847 Zum Verhältnis zwischen Schüler und Schulträger BGH VersR 1957, 201 ; NJW 1963, 1828; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a; zwischen Lehrer und Schulträger OLG Köln NVwZ 1994, 618; zwischen Schüler und Schulverwaltungsbehörde BGHZ 28, 297; BGH VersR 1969, 237; NJW 1982, 37; BGHZ 123, 268 = NJW 1993, 3269; OLG
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Verletzung von Fürsorgepflichten nach Rechtsgrundsätzen beurteilen, wie sie im vertraglichen Schuldrecht ihren Ausdruck gefunden haben, weil sich die Verwaltungsrechtsverhältnisse zwischen Schüler/Lehrer und Schulträger bzw. zwischen Schüler/Lehrer und Schulverwaltungsbehörde als vertragsähnlich darstellten 848. Der BGH 8 4 9 hat die Anwendung der „Regeln des vertraglichen Schuldrechts" jedoch regelmäßig verneint. Die Entscheidungen verweisen darauf, daß den Schulträger im Anstaltsbenutzungsverhältnis zum Schüler/Lehrer als Benutzer der „Schulanstalt" zwar Fürsorgepflichten träfen 850. So sei er gegenüber den Schülern/Lehrern in gewissem Rahmen zum Schutz der Person, insbesondere der Gesundheit und des Vermögens, sofern dies in den Anstaltsbereich gelangt, verpflichtet und habe die baulichen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen. Jedoch sei fraglich, ob die Pflicht der Schule, die ihr im Rahmen ihres Erziehungs- und Unterrichtungsauftrags anvertraute Schuljugend bzw. anvertrauten Lehrer im Schulbetrieb vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren, eine besonders enge Beziehung zwischen Schüler und Schulträger begründe, weil darin wohl eher eine Nebenpflicht, denn eine Hauptpflicht zu sehen sei 851 . Jedenfalls fehle es an einem Bedürfnis und an einer Notwendigkeit, dem Schüler unabhängig von der Amtshaftung noch zusätzliche Schadenersatzansprüche wegen Fürsorgepflichtverletzung anzuerkennen. Da in der Pflicht zur Fürsorge immer auch eine Amtspflicht läge, fehle es zudem an der Lücke des Rechts852. Die vom BGH entwickelten Kriterien der „besonders engen Beziehung" und des „Bedürfnisses nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten" ermöglichen nicht nur keine Eingrenzung 853 , sondern erlauben auch keine Rückschlüsse auf die Vertragsähnlichkeit der jeweiligen Rechtsbeziehung. Hierzu sind die Rechte und Pflichten in diesen Rechtsbeziehungen zu beleuchten: Die Benutzung der öffentlichen Einrichtung Schule erfolgt unentgeltlich. Der Schüler kann zwar innerhalb der für ihn zulässigen Schulart die Schule, die Hamm NJW 1997, 1512; zwischen Lehrer und Schulträger BayVGH Der Landkreis 1998, 750; zwischen Lehrer und Schulverwaltungsbehörde siehe oben die Nachweise zum Beamtenverhältnis im allgemeinen Fn. 226. - Diese Zweiteilung findet sich auch bei Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 423 f.; für Maurer JuS 1994, 1015 (1017) ist dies zuviel des Guten; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 806 spricht von einem Vielecksverhältnis. 848 BayVGH Der Landkreis 1998, 750; BGH VersR 1957, 201; vgl. auch BGH LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 849 BGH NJW 1963, 1828; NJW 1964, 1670; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 850 BayVGH Der Landkreis 1998, 750; BGH VersR 1957, 201 (202); VersR 1962, 825 (826); NJW 1963, 1828; NJW 1964, 1670; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 32; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 809; Püttner, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 3/2 Rn. 309. 851 BGH NJW 1963, 1828 (1828 f.). 852 BGH NJW 1963, 1828 (1829); LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 853 Siehe hierzu oben S. 144 ff.
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er besuchen will, selbst auswählen. Diese Wahlfreiheit ist aber durch die generelle Schulpflicht eingeschränkt 854. Dies unterscheidet das Verhältnis zwischen Schüler und Schulträger vom vertraglichen Rechtsverhältnis. Andernfalls könnte die Benutzung auch privatvertraglich ausgestaltet sein, wie die Verträge über den Besuch von Schülern bzw. die Anstellung von Lehrern an Privatschulen zeigen. Die Rechte-Pflichten-Beziehung zwischen öffentlichrechtlichem Schulträger und Schüler/Lehrer ist grundsätzlich die gleiche wie diejenige des Rechtsträgers der Privatschule zu seinen Privatschülern/Lehrern. Von einer Vertragsähnlichkeit des „Anstaltsnutzungsverhältnisses" zwischen Schüler und Schulträger kann demnach ausgegangen werden 855 . Auch hier ist wie beim Beamtenverhältnis - vor dem Hintergrund der inhaltlichen Vergleichbarkeit unbeachtlich, daß dem privatrechtlichen Vertragsschluß kein privatautonomer Aushandlungsprozeß vorangeht. Gleiches gilt für die Eingliederung des Lehrers in das Benutzungsverhältnis mit dem Schulträger 856. Dieses Ergebnis wird auch von der Rechtsprechung des BGH gestützt, wenn sie sich im umgekehrten Fall, in dem die Schule den Schüler auf Schadenersatz in Anspruch nimmt, in Widerspruch zu ihrer allein der Amtshaftung verpflichteten Auffassung bei der Haftung im Verhältnis des Staates zum Bürger setzt 857 . Hier hatte der BGH - erstaunlicherweise - angenommen, daß zwischen Schulträger und Schüler ein „einem Schuldverhältnis ähnliches Rechtsverhältnis" bestehe, aus dem sich der Schüler ein etwaiges Mitverschulden seiner Eltern bei der Entstehung eines Schadens gegebenenfalls anrechnen lassen müsse (§ 278 BGB). Begründet wurde der Schuldverhältnischarakter damit, daß das Verhältnis zwischen Schulträger und Schüler zahlreiche und teilweise dauernde gegenseitige Pflichten begründe, aus denen einmal bei Pflichtverletzung Sekundäransprüche entstünden und aus dem zum anderen auch auf der Primärebene ohne Pflichtverletzung Primärpflichten hervorgingen 858. Anders gelagert ist die Beurteilung einer Vertragsähnlichkeit beim Verhältnis der Schulverwaltungsbehörde zum Schüler. Hier handelt es sich um ein AusbildungsVerhältnis. Der Schüler ist (bis zum Abschluß der 12. Klasse) zum Besuch einer Schule verpflichtet. Der aus Art. 7 Abs. 1 GG abgeleiteten859 ge854
Hierzu Püttner, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 3/2 Rn. 288 ff. 855 So i. Erg. wohl auch Zuleeg DÖV 1970, 627 (629 f.). 856 OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 423 f.; a. A. Maurer JuS 1994, 1015 (1016 f.). 857 BGH NJW 1964, 1670; äußerst kritisch daher auch Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 231 ff.; Papier Forderungsverletzung, S. 57 f.; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 82 ff. 858 BGH NJW 1964, 1670 ( 1671 ). 859 Str.; siehe Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 33 Rn. 89; Hofmann, in: HStR V, § 114 Rn. 19; Püttner, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 3/2 Rn. 298.
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setzlichen Schulpflicht entspricht die vertragliche Verpflichtung des Lehrlings gegenüber seinem Lehrherrn beim privatrechtlichen Ausbildungsverhältnis. Die Schulverwaltungsbehörde hat einen Erziehungs- und Bildungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG i. V. m. den landesrechtlichen Bestimmungen). Dem korreliert ein Recht des Schülers auf ordnungsgemäßen Unterricht 860 . Beim Ausbildungsverhältnis in der Privatwirtschaft ist es Aufgabe des Lehrherrn, den Lehrling auszubilden und zu erziehen. Übernimmt eine Privatschule diesen Erziehungs- und Bildungsauftrag, so ergeben sich die Rechte und Pflichten zwischen dem Schüler und dem Privatschulträger aus Vertrag 861 . Inhaltlich entsprechen sie denen zwischen Schüler und staatlichem Schulträger. Die Beziehung zwischen dem Schüler und der Schulverwaltungsbehörde stellt sich somit ebenfalls als vertragsähnlich dar 862 . Auch wenn die Mehrzahl der Judikate die Schüler/Lehrer bei ihren Schadenersatzansprüchen gegenüber dem Schulträger bzw. dem Rechtsträger der Schulverwaltungsbehörde allein auf den Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG) verweist 863 , kann dem Verhältnis zwischen Schüler/Lehrer und Schulträger sowie zwischen Schüler und Schulverwaltungsbehörde vertragsähnlicher Charakter zugesprochen werden. Entsprechend werden in der Literatur Ansprüche aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" anerkannt 864 . Hätte die Rechtsprechung ihre eigene Rationalität mit dem ansonsten bemühten Eingrenzungskriterium der Vertragsähnlichkeit hier einheitlich beibehalten, hätte sie zu demselben Ergebnis kommen müssen. (6) Rechtsverhältnisse zwischen Prüflingen und Prüfungsbehörde Eine vertragsähnliche Haftung aus Fürsorgepflichtverletzung im Verhältnis der Prüfungsbehörde gegenüber dem Prüfling wurde von der Rechtsprechung bisher abgelehnt. Die hoheitliche Prüfungstätigkeit öffentlich-rechtlicher Ausbildungsstätten sei eine „seit jeher nur dem Staat vorbehaltene besondere Tätigkeit" 865 . Dieser Verweis auf die historisch verwurzelte Ansiedlung der Abnahme von Prüfungen bei staatlichen Institutionen scheint indes zumindest für eine Beurteilung der Vertragsähnlichkeit nicht aussagekräftig zu sein. 860
Püttner, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 3/2 Rn. 308. Zum Vergleich zwischen Privatschulverhältnis und öffentlich-rechtlichem Schulverhältnis Püttner, in: Achterberg/Püttner, Besonderes Verwaltungsrecht I, Kap. 3/2 Rn. 359. 862 Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 232. 863 BGHZ 28, 297 (298 ff.); BGH NJW 1963, 1828; NJW 1964, 1670; LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a; VersR 1969, 237 (238 f.); NJW 1982, 37; BGHZ 123, 268 (272 ff.) = NJW 1993,2369 (3270 f.); OLG Hamm NJW 1997, 1512. 864 Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 809; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139 f.; a. A. BGH NJW 1963,1828 (1827); LM § 839 (Fd) BGB Nr. 12a. 865 OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). 861
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Der Staat hat nicht für alle Bereiche ein Prüfungsmonopol. Es gibt auch Prüfungen bei privaten Institutionen, an denen der Prüfling aufgrund ernes privatrechtlichen Vertrags teilnimmt 866 . Diesen kommt zwar in der Regel nicht die gleiche repräsentative Wertigkeit und Anerkennung wie bei der Prüfungstätigkeit öffentlich-rechtlicher Ausbildungsstätten zu. Jedoch die Behauptung, daß Prüfungen seit jeher nur dem Staat vorbehalten seien, scheint vor diesem Hintergrund nur schwer haltbar. Vielmehr sichert der Staat durch die staatlichen Prüfungen lediglich, daß der Geprüfte tatsächlich den im öffentlichen Interesse stehenden Anforderungen seiner erlangten Qualifikation für einen bestimmten weiteren Ausbildungsweg, einen bestimmten Beruf, das Führen von Kraftfahrzeugen usw. genügt. Für die Frage nach der Vertragsähnlichkeit eines Verwaltungsrechtsverhältnisses spielt es allerdings keine Rolle, ob eine gewisse öffentlich-rechtliche Tätigkeit nur von Verwaltungsbehörden ausgeübt wird, werden kann oder werden muß 867 . Die Vertragsähnlichkeit von öffentlich-rechtlichen Prüfungsrechtsverhältnissen, liegt bei einem Vergleich mit Prüfungen bei privaten Einrichtungen vielmehr nahe. Beim Prüfungsrechtsverhältnis meldet sich der Prüfling zur Prüfung an bzw. unterzieht sich häufig aus „freiem" Entschluß der Prüfung. Die Prüfungsinstitution bzw. -behörde läßt ihn zu. Im Privatrecht erfolgt dies durch Abschluß eines Vertrags, im Öffentlichen Recht in der Regel durch Verwaltungsakt. Der Prüfling verpflichtet sich gegebenenfalls zur Zahlung des Prüfungsentgelts bzw. der Prüfungsgebühr, die Prüfungsinstitution bzw. -behörde zur Abnahme der Prüfung. Die Anmeldung des Prüflings zu einer Staatsprüfung begründet die gleichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der Teilnahme, der Informationspflichten, der Objektivität der Bewertung durch die Prüfer etc. wie bei einer Prüfung, die bei einem privaten Anbieter abgelegt wird. Hier ergeben sich das Recht auf Chancengleichheit 868 aus dem vertraglichen Zweck des Vertrags über die Teilnahme an der Prüfung. Die Vertragsähnlichkeit wird besonders deutlich, wenn man in Betracht nimmt, daß ein Prüfungsrechtsverhältnis zwischen Schüler und einer „nur genehmigten" Ersatzschule dem Privatrecht unterstellt ist und seine rechtliche Grundlage daher in dem bürgerlich-rechtlichen Vertrag zwischen Schüler und Schule findet 869 . Die anerkannten Ersatzschulen üben demgegenüber bei der Durchführung von Prüfungen kraft Beleihung öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit aus 870 .
866 867 868
100 ff.
Niehues Prüfungsrecht, Rn. 5; Störle/Störle Prüfungsrecht, S. 12. So aber OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). Zum Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsrecht Lindner BayVBl 1999,
869 BVerwG BayVBl 1974, 476; BayVGH BayVBl 1973, 215; Störle/Störle, Prüfungsrecht, S. 12. 870 BVerwGE 17, 41 (42); BVerwG BayVBl 1974, 476; BayVGH BayVBl 1973, 215; Störle/Störle, Prüfungsrecht, S. 12. - Vgl. zur Gleichwertigkeit von Prüfungen vor staatlichen und privaten Stellen auch BVerwGE 36, 361 (362 ff.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Das Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen Prüfling und staatlicher Prüfungsbehörde kann daher - unabhängig von einer Existenz von Privatautonomie 8 7 1 - ebenfalls als vertragsähnlich qualifiziert werden. Belanglos ist in diesem Zusammenhang erneut, ob es angemessen erscheint, den Prüfling auf die Haftungsregelung des § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG zu verweisen 872 . Derartige Billigkeitserwägungen haben bei der Beurteilung, ob ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" oder Vertragsähnlichkeit des Prüfungsverhältnisses vorliegt, keinen Platz und hindern nicht die Einstufung des Verhältnisses zwischen Prüfungsbehörde und Prüfling als vertragsähnlich. Auch hier stellt sich also die Rechtsprechung zu ihren an anderer Stelle zum Ausdruck gekommenen Rationalitäten in Widerspruch.
(7) Öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse Bei der Anerkennung der Haftung aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung ist die Anlehnung an ein vertragliches Rechtsverhältnis offensichtlich. Rechtsprechung und Literatur ziehen einen Vergleich zum privatrechtlichen Verwahrungsvertrag, der im Besonderen Schuldrecht des BGB (§§ 688 ff. BGB) geregelt ist 873 . Die Gerichte nehmen in der Anfangszeit ein vertragsartiges, dem Verwahrungsvertrag ähnliches Rechtsverhältnis an, das stillschweigend geschlossen sein soll 8 7 4 bzw. unmittelbar kraft Gesetzes durch die Inobhutnahme
871
Siehe oben S. 183 ff. und 199 ff. So OLG München, Urt. v. 1.6.1995 - 1 U 1794/95 (n. v.). 873 Auf die §§ 688 ff. BGB verweisen daher auch pauschal VGH BW BWVP 1978, 150 (151); HessVGH NVwZ 1988, 655 (656); OVG NW DÖV 1973, 648 (LS) = JuS 1974, 191 (192, Weber); RG Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; JR 1927, Sp. 136 (137); RGZ 115, 419 (421 f.); RG SeuffArch 80 (1926), Nr. 80 S. 142 (143); JW 1936, 383; RGZ 166, 218 (223); BGHZ 1, 369 (371); 4, 192 (193); 21, 214 (218); BGH LM § 688 BGB, Nr. 6 S. 1; WM 1973, 1416 (1417); NJW 1990, 1230; OLG Celle JW 1925, 2491; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 28, 30, § 28 Rn. 5; ders. JuS 1981, 809 (810); ders. JuS 1994, 1015 (1017); Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 62; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 273; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 95 u. 100 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 273; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8 u. § 690 Rn. 4; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 31; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 176; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 50; Fahland ZZP 92 (1979), 432 (450); Müller JuS 1977, 232; Schack, in: FS Laun, S. 275 (292). 872
874 RG JW 1901, 191; RGZ 51, 219 (221); OLG Hamburg SeuffArch 72 (1917), Nr. 4 S. 7 (8).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
205
entstehe875. Das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis wird mit dem Verwahrungsvertrag des Zivilrechts als vergleichbar angesehen. Von diesen Ursprüngen ausgehend findet eine Anlehnung an zivilrechtliches Vertragsrecht statt 876 . Genaueren Aufschluß über eine tatsächliche Vertragsähnlichkeit gibt die Untersuchung der Voraussetzungen beider Rechtsverhältnisse. Zentrales Tatbestandsmerkmal des öffentlich-rechtlichen Venftahrungsverhältnisses ist die Ingewahrsamnahme einer beweglichen Sache877. In einem Verwaltungsrechtsverhältnis kann sowohl der Verwaltungsträger als auch der Private eine Sache in seinem Besitz haben, die dem jeweils anderen gehört. Wenn zu diesem Besitz entsprechende Obhutspflichten hinzukommen, so spricht man von einem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis. Die öffentlich-rechtliche Verwahrung orientiert sich an den tatsächlichen Maßnahmen der Inbesitznahme und der gesetzlichen, vertraglichen oder verwaltungsaktlichen Pflicht zur Obhut 878 und nur ausnahmsweise - bei Vorliegen eines Verwaltungsvertrags - an den Vereinbarungen zwischen den Beteiligten. An die Stelle der Willenseinigung tritt das Handeln und die Gesetzesbindung des Staates. Im Öffentlichen Recht wie im Privatrecht wird von den gleichen prägenden Rechten und Pflichten des Verwahrungsrechtsverhältnisses ausgegangen. Verwahrungsgegenstand ist hier wie dort eine bewegliche Sache. Auch im Verwaltungsrechtsverhältnis kann den Besitzer die Pflicht treffen, die bewegliche Sache aufzubewahren. Kennzeichen der Verwahrung ist im Privatrecht wie im Öffentlichen Recht die über die Aufbewahrungspflicht hinausgehende Pflicht zur Gewährung von Obhut. Derjenige, der eine Sache eines anderen, am Verwaltungsrechtsverhältnis Beteiligten aufbewahrt, hat mehr als die Möglichkeit der Aufbewahrung zur Verfügung zu stellen. Er muß die sichernde und schützende Obhut, also die Überwachung und den Schutz vor Beschädigung und Verlust gewähren 879. Eine öffentlich-rechtliche Verwahrung soll allerdings erst dann gegeben sein, wenn der Berechtigte an eigenen Sicherungs- und Obhutsmaßnahmen gehindert sei 880 . Hat ein Beteiligter an einem Verwaltungsrechts875
RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 219 (220 f.); Warn 14 (1921), Nr. 1 S. 1; RGZ 67, 335 (340 f.); 78, 325 (327 f.); 99, 283 (284). 876 Α. A. soweit erkennbar nur PrKompGH DJZ 1911, Sp. 1279. 877 Dubischar, in: AK-BGB, Vorb § 688 Rn. 3; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 32. 878 BVerwG NJW 1995, 271; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Maurer JuS 1981, 809 (812). 879 RGZ 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (173); BGH WM 1973, 1416 (1417); OLG Köln NVwZ 1994,618 (619). 880 BGH MDR 1975, 213; WM 1973, 1416 (1417); NJW 1988, 1258 (1259); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619 f.); Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 59; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 48; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26; a. A.Maurer JuS 1994, 1015 (1017 f.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Verhältnis die Verpflichtung zur Raumgewährung, so wird er während der Dauer seiner Sachherrschaft auch regelmäßig dafür Sorge zu tragen haben, daß die Sache in ihrem ordnungsgemäßen Zustand erhalten bleibt und unversehrt zurückgegeben werden kann 881 . Eine diesbezügliche Feststellung fällt im Zivilrecht leicht. Sie ergibt sich aus der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Gleiches gilt bei vertraglicher Begründung des Aufbewahrungsverhältnisses im Verwaltungsrecht; auch hier ist auf den Willen der Vertragsschließenden abzustellen. Bei der Begründung durch den Vollzug eines Verwaltungsakts, durch Verwaltungsrealakt (oder Gesetz) sind objektive Kriterien heranzuziehen. Bei staatlicher Inbesitznahme durch eine Behörde, wird diese im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben stets eine entsprechende Obhutspflicht gegenüber dem Bürger treffen, deren Grund im Öffentlichen Recht liegt 882 . In bezug auf die Hauptleistungspflichten schuldet der Verwahrer dem Hinterleger bzw. dem Eigentümer der Sache somit sowohl bei der öffentlichrechtlichen, als auch bei der privatrechtlichen Verwahrung die Gewährung von Raum und Obhut. Diese Pflichten kennzeichnen das Verwahrungsverhältnis in beiden Rechtsgebieten883. Man kann daher fraglos von einer inhaltlichen Vergleichbarkeit der privatrechtlichen mit den öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnissen sprechen. Die Neben(leistungs)pflichten und die konkrete Ausgestaltung des Verwahrungsverhältnisses weist von Fall zu Fall zwischen der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Verwahrung - teilweise signifikante - Unterscheide auf. Aber schon beim bürgerlichrechtlichen Verwahrungsvertrag können die individuell ausgehandelten Rechte und Pflichten erheblich differieren. Nimmt man zudem in Betracht, daß die öffentlich-rechtliche Verwahrung grundsätzlich lediglich Bestandteil eines übergeordneten Verwaltungsrechtsverhältnisses ist 884 und stellt man dem die Verwahrungsverhältnisse des Zivilrechts gegenüber, die als Teil einer Leistungspflicht oder selbständige Neben(leistungs)pflicht anderer übergeordneter Vertrags- oder vertragsähnlicher Beziehungen bestehen, so wird deutlich, daß sich an der Kernaussage über die inhaltliche Vergleichbarkeit nichts ändert, wenn einzelne Verwahrungsverhältnisse Unterschiede zu anderen aufweisen. Das Wesen bei einer Aufbewahrung von fremden Sachen im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses weist genauso viele Vergleichbarkeiten und Unterschiede mit dem zivilrechtlichen Verwahrungsverhältnis auf, wie letztere untereinander. Auch bei der öffentlich-rechtlichen Verwahrung handelt es sich folglich um ein vertragsähnliches Verwaltungsrechtsverhältnis. Erneut rekurriert die Recht881
RGZ 166, 218 (235); BGH DB 1956, 476; Maurer JuS 1981,809 (812). Maurer JuS 1994, 1015 (1017). 883 BVerwG NJW 1995, 271; BGH NJW 1988, 1258 (1259); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 860; Maurer JuS 1994, 1015 (1017). 884 Maurer JuS 1994, 1015 (1018); a. A. OLG Köln NVwZ 1994,618. 882
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
207
sprechung auf eine Parallele zu privatrechtlichen Vertragsverhältnissen, um mittels des Rechtsinstituts der sogenannten „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" auf Normen des BGB-Schuldrechts zugreifen zu können. Eine markante Besonderheit liegt allerdings darin, daß sie direkt auf einen betimmten Vertragstypus zusteuert. (8) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Bei der Anerkennung oder Ablehnung von Aufwendungsersatzansprüchen aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag orientiert sich die Rechtsprechung scheinbar strikt an den tatbestandlichen Voraussetzungen, wie sie in den §§ 677 ff. BGB zur privatrechtlichen GoA positivgesetzlich niedergelegt sind. Einzelne Modifizierungen aufgrund des öffentlich-rechtlichen Handlungszusammenhangs - wie beispielsweise bei der Entwicklung des „auch-fremden" Geschäfts 885 - wurden von den Gerichten sogar häufig nicht als spezifisches Charakteristikum der öffentlich-rechtlichen GoA ausgewiesen. Das privatrechtliche Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag, an dem sich die öffentlich-rechtliche GoA ausrichtet, stellt allerdings ein gesetzliches und kein vertragliches Schuldverhältnis aus dem Bereich des Besonderen Schuldrechts des BGB dar. Es kann dahinstehen, ob der privatrechtlichen GoA Vertragsähnlichkeit zugesprochen werden kann, jedenfalls ist das Eingrenzungskriterium der Rechtsprechung auch hier - wie bei der öffentlich-rechtlichen Verwahrung - die Ähnlichkeit einer öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung zu einem konkreten Typ Schuldverhältnis aus dem Schuldrecht Besonderer Teil des BGB. (9) Verwaltungsrechtsverhältnisse bei der Herstellung von Personalausweisen Das BVerwG 8 8 6 hat beim Verwaltungsrechtsverhältnis bei der Herstellung von Personalausweisen ausdrücklich keine Parallele zu einem Vertragsverhältnis gezogen und in ihm ein gegenseitiges gesetzliches Schuldverhältnis gesehen. Auf dieser Annahme basiert die Begründung der grundsätzlichen Vergütungspflicht und die Heranziehung der Vorschriften der §§ 315, 316 BGB über die Bestimmung der Gegenleistung durch eine Partei auf einen öffentlichrechtlichen Sachverhalt 887. Da jedes Verwaltungsrechtsverhältnis, das kein Verwaltungsvertrag ist, begriffsnotwendig Rechte und Pflichten der Beteiligten beinhaltet, liegt nach dem zivilrechtlichen Begriffsverständnis in jedem Verwaltungsrechtsverhältnis auch ein „gesetzliches Schuldverhältnis" 888. Dies hat 885 886 887 888
Hierzu siehe ausführlich oben S. 120 f. sowie unten S. 260 ff. BVerwGE 98, 18 (24) = NVwZ 1995, 1098 (1099). BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). Zur begrifflichen Präzisierung des „Schuldverhältnisses" siehe oben S. 149 ff.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
das BVerwG zutreffend erkannt. Der Rückgriff auf das Institut des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" scheint seinen Grund jedoch trotzdem in einer Vergleichbarkeit zu vertraglichen Rechtsbeziehungen zu haben. Vertragsfremd an dem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen bestellender Kommune und herstellender Bundesdruckerei ist zum einen der gesetzlich angeordnete Kontrahierungszwang und die Monopolstellung der Bundesdruckerei. Die fehlende Privatautonomie läßt die Frage nach der Vertragsähnlichkeit jedoch offen und ist lediglich Charakteristikum jeder außervertraglichen normdeterminierten öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehung (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG). Das Verwaltungsrechtsverhältnis wird durch Bestellungen der Gemeinden, also durch Willenserklärungen begründet. In der Herstellung der Personalausweise liegt die konkludente Annahme des Antrags auf Eingehen des Verwaltungsrechtsverhältnisses 889. Darüberhinaus entspricht nicht nur der beiderseitige Begründungsakt, sondern auch der Leistungsaustausch im Rahmen dieses Verwaltungsrechtsverhältnisses, Herstellung gegen Vergütung, dem eines privatrechtlichen Vertrages, dem Werklieferungsvertrag (§§ 631, 651 Abs. 1 S. 1 BGB). Auch hier wird offensichtlich, daß der Bezug von Personalausweisen bei der Bundesdruckerei ein vertragsähnliches Verwaltungsrechtsverhältnis begründet.
(10) Beleihungsverhältnisse BGH 8 9 0 und BVerwG 8 9 1 sind der Auffassung, daß mit der Anerkennung/Beleihung einer Beschäftigungsstelle durch das Bundesamt für Zivildienst im Wege eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts (§ 4 ZDG) zwischen beiden ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" begründet werde. Diese Schlußfolgerung sei durch das Zusammenwirken bei der Gestaltung und Durchführung des Zivildienstes gerechtfertigt 892. Die Argumentation wendet sich zum Teil ausdrücklich gegen die Auffassung der Beklagten, die die Vertragsähnlichkeit des Beleihungsverhältnisses bestritten hatte, und begründet diese eingehend893. Die Beschäftigungsstelle trage u. a. die aus der Beschäftigung entstehenden Verwaltungskosten für Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung (§ 6 ZDG), verpflichte sich zu einem Einsatz des Zivildienstleistenden für gemeinnützige Zwecke i. w. S. (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 ZDG) und übernehme „die selbstverständliche Pflicht, den Zivildienst nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften und ihrer Zusagen auszuführen und hierbei die Be-
889 890 891 892 893
Ähnlich Trute JuS 1996, 883 (886). BGH NVwZ 1990, 1103 (1104); NJW 1998, 298 (299). BVerwG NVwZ 1999, 194. BVerwG NVwZ 1999, 194 (195). BGH NJW 1998, 298 (299).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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lange der ihr anvertrauten Dienstleistenden zu wahren." Gleichzeitig stelle das Bundesamt fur Zivildienst die Arbeitskraft des Zivildienstleistenden und bei diesem verblieben auch die Geld- und Sachzuwendungen (§ 35 ZDG i. V. m. WehrsoldG), die Verantwortlichkeit im Notfall nach §§47 ff. ZDG Versorgungsleistungen zu erbringen sowie die Pflicht „eine gesetzmäßige Durchführung des Zivildenstes zu gewährleisten und - wenn nötig - die Anerkennung zurückzunehmen oder zu widerrufen (§ 4 Abs. 2 ZDG)". Hierdurch seien gegenseitige Rechte und Pflichten begründet, die eine Anwendung vertraglichen Schuldrechts erlauben würden. Dies bedarf keiner Ergänzung und verdient Zustimmung. In der Anerkennung und Überlassung von Zivildienstleistenden an beliehene Beschäftigungsstellen (bzw. im Verhältnis zwischen Verwaltungsträger und Beliehenern überhaupt 894 ) kann zweifelsohne ein vertragsähnliches Verwaltungsrechtsverhältnis gesehen werden. Der Vergleich mit einer besonderen Form der Beauftragung bzw. vertraglichen Geschäftsübernahme (hier möglicheweise auch mit einer Arbeitnehmerüberlassung) drängt sich auf.
(11) Rechtsverhältnisse bei informellen Absprachen Das informelle Verwaltungshandeln nimmt in der Verwaltungspraxis an Bedeutung zu 8 9 5 . Als Handlungsform hat es seine Vorteile in der durch wenig verfahrensrechtliche Vorgaben gebundene Flexibilität. Informelle Kontakte zwischen der Verwaltung und dem Bürger bzw. zwischen zwei Verwaltungsträgern können vor dem Ergehen von Verwaltungsentscheidungen stattfinden oder an Stelle von diesen 896 . Die Einordnung des informellen Kontakts vor Erlaß einer Entscheidung im Sinne des Verwaltungsverfahrens wurde bereits bei der Frage nach der Anwendbarkeit der Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen im Öffentlichen Recht erörtert 897. Kommt es bei einem Kontakt vor Erlaß eines Verwaltungsakts zu Streitigkeiten etwa wegen Pflichtverletzung, so scheidet in aller Regel die Annahme eines vertragsähnlichen 894
BGHR Verwaltungsrecht/Allgemeine Grundsätze Öffentlichrechtliches Schuldverhältnis 3; Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171 (1182). 895 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 32 Rn. 1 ff.; Kippes, Bargaining, S. 5 ff.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 242 ff.; Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht AT, S. 494; Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 1 ff.; ders. DVB1 1988, 512; Henneke DÖV 1997, 768 (773 f.); Brohm DVB1 1994, 133; Dose Verw 27 (1994), 91 (95); Henke JZ 1992, 541 (547 f.); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540 f.); Bauer VerwArch 78 (1987), 241; Becker DÖV 1985, 1003; Eberle Verw 17 (1984), 439. 896 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14; Bohne VerwArch 75 (1984), 343 (347). 897 Zur Abgrenzung des vorvertraglichen von sonstigem Kontakt im Öffentlichen Recht siehe ausführlich oben S. 65 ff. 14 Meysen
210
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Verwaltungsrechtsverhältnisses mangels gleichgeordneter Verhandlungssituation aus. Erfolgt die zuerst informelle Kontaktaufnahme auf der Ebene der Kooperation erkennbar zum Zwecke eines Vertragsschlusses, so sind über § 62 S. 2 (L)VwVfG die zivilrechtlichen Grundsätze der c. i. c. anwendbar 898. Zielen informelle Vereinbarungen zwar auf ein gemeinsam erarbeitetes Ergebnis, nicht aber auf eine Verwaltungsentscheidung, so spricht man von informellen Absprachen. In diesem Bereich wird neben der Amtshaftung auch eine Haftung aus öffentlich-rechtlicher culpa in contrahendo diskutiert 899 . Diese Einordnung wäre allerdings nur dann schlüssig, wenn tatsächlich der Abschluß eines Verwaltungsvertrags beabsichtigt wäre 900 . Dies ist aber gerade nicht der Fall. Unverbindliche informelle Absprachen oder sonstiges kooperatives Verwaltungshandeln, das nicht auf den Abschluß eines Verwaltungsvertrags zielt, ist gerade nicht als Vorbereitung eines (verbindlichen und gültigen) verwaltungsrechtlichen Vertrags gewollt 901 . Pflichtverletzungen sind folglich keine Folge eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen, sondern allenfalls solche in einem Verwaltungsrechtsverhältnis, das mit diesem vergleichbar ist. Werden zwischen Bürger und Verwaltung nur informelle Gespräche gefuhrt und ist es offen, ob am Ende eine Verwaltungsentscheidung stehen soll oder nicht bzw. ist es nur offen, ob am Ende ein Verwaltungsakt (mit Nebenbestimmungen) oder ein Verwaltungsvertrag stehen soll, fehlt es für die Unterstellung einer Vertragsähnlichkeit am nötigen regelnden Gehalt der Vorgespräche. Das Institut der c. i. c. ist nur bei vorvertraglichem Kontakt über § 62 S. 2 VwVfG anwendbar 902 . Auch bei informellen Absprachen ist das übergreifende Verwaltungsrechtsverhältnis die dogmatische Grundlage für die Sorgfalts-, Schutz- und sonstigen (Neben-)Pflichten 903. Voraussetzung ist aber, daß in ihm überhaupt ein Rechte und Pflichten begründendes Rechtsverhältnis gesehen werden kann. Zwar zielen informelle Absprachen gerade auf eine rechtliche Nichtregelung und Unverbindlichkeit 904 . Aber es gilt auch hier zumindest das Prinzip des Vertrauens898
Siehe oben S. 64 f. Siehe etwa Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 20; von Wedemeyer, Kooperation statt Vollzug im Umweltrecht, S. 247 f.; Bauer VerwArch 78 (1987), 241 (263). 900 Zur Ablehnung, daß die Grundsätze der Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (c. i. c.) auch auf andere Kontakte ausgedehnt werden kann, siehe unten S. 310 f. 901 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 20; Jarass DVB1 1986, 314 (320); Becker DÖV 1985, 1003 (1010); Eberle Verw 17 (1984), 439 (443 ff.). 902 Hierzu und zur Frage der Abgrenzung ausführlich oben S. 65 ff. 903 Von Wedemeyer, Kooperation statt Vollzug im Umweltrecht, S. 188 f.; Schulte DVB1 1988, 512 (514); Bauer VerwArch 78 (1987), 241 (263 ff.). 904 Becker DÖV 1985, 1003 (1005 f.); Bohne VerwArch 75 (1984), 343 (344). 899
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
211
schutzes905, was in der Konsequenz heißt, daß rechtswidrige Absprachen wie jedes rechtswidrige hoheitliche Handeln, Schadenersatzansprüche auslösen können 906 . Auch informellen Absprachen liegen Verwaltungsrechtsverhältnisse zugrunde 907 . Die Qualifizierung als vertragsähnlich fällt dabei nicht schwer. Die Absprachen sind abgesehen von der einklagbaren Verbindlichkeit inhaltlich in jeder Hinsicht mit einem ausgehandelten Vertrag identisch. Hingegen ist informelles Verwaltungshandeln, das keine Absprache beinhaltet, nicht per se als vertragsähnlich anzusehen. Im Einzelfall kann dies aber der Fall sein.
(12) Schlußfolgerungen Die Orientierung an der Vertragsähnlichkeit der Verwaltungsrechtsverhältnisse, aus denen ein (Schadenersatz-)Anspruch aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" hergeleitet werden soll, zieht sich wie ein roter Faden durch die Entscheidungen zu den verschiedenen Konstellationen „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse". Er spannt sich zwar nicht durchgängig durch alle Fallgruppen und Entscheidungen908, entbehrt jedoch nicht einer übergreifenden Rationalität. Hinter einer solchen Argumentation steht auch hier offensichtlich mehr die Intention der Gerichte, mit der Annahme einer vertragsähnlichen, öffentlich-rechtlichen Beziehung die Anwendbarkeit von zivilrechtlichen, vertraglichen Haftungs- bzw. Leistungsbestimmungsgrundsätzen zu rechtfertigen, als die Gruppe der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" einzugenzen. Dies wirkt um so verständlicher, als die „Vergleichbarkeit der Interessenlagen" in den Sachverhalten, die die Vorschrift bei unmittelbarer Anwendung betrifft, und dem Sachverhalt, auf den die Vorschrift analog angewandt werden soll, eine der Voraussetzungen des Analogieschlusses ist 909 . Auch dem Rekurrieren auf Vertragsähnlichkeit ist somit eine Zielorientierung zu entnehmen, die sehr stark vom avisierten Ergebnis, der Anwendung von BGB-Vertragsrecht auf bestimmte öffentlich-rechtliche Sachverhalte, geprägt scheint.
905
OVG Berlin NVwZ 1985, 736 (757 f.); Gröschner Verw 30 (1997), 301 (334). Bohne VerwArch 75 (1984), 343 (360). 907 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, 217 ff.; ders. DVB1 1988, 512 (513 ff.); Gröschner Verw 30 (1997), 301 (334); Bauer VerwArch 78 (1987), 241 (259 ff.). - Davon geht offensichtlich auch OVG Berlin NVwZ 1985, 756 aus. 908 Siehe etwa die nur anfängliche Erwähnung im Rahmen der Haftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht im Beamtenverhältnis (hierzu oben S. 183 ff.), die fehlende Erwähnung der Vertragsähnlichkeit in den Personalausweisentscheidungen (hierzu oben S. 208 ff. oder den alternativ sowie kumulativ bemühten Ansatz mit den Kriterien des „besonders engen Verhältnisses" und des „Bedürfnisses nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten" (hierzu oben S. 144 ff). 909 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 305; Bydlinski, Methodenlehre, S. 476; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 16 ff. u. 134 ff. jew. mit weiteren Nachw. 906
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Die enge Verknüpfung von Motivationslage und rechtlicher Argumentationsführung wirft somit nicht nur hier, sondern auch bei der Eingrenzung anhand des besonders engen Verhältnisses und des Bedürfnisses nach angemessener Verteilung der Verantwortung im Öffentlichen Recht 910 sowie der terminologischen Qualifizierung als „Schuldverhältnisse" 911 die Fragen auf, was sich die Rechtsprechung von der praktizierten Heranziehung von Zivihecht verspricht und inwieweit sich diese Ziele bei der Rechtsanwendung auch tatsächlich verwirklichen.
3. Ausfullen einer planwidrigen Lücke im Öffentlichen
Recht
Die Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" fügt dem Kanon der staatshaftungsrechtlichen Institute ein weiteres hinzu. Zur sachlichen Begründung der Anwendung von zivilrechtlichen Haftungsvorschriften und Grundsätzen im Bereich des Öffentlichen Rechts gehört die Feststellung einer planwidrigen Lücke 912 . Ob es der Rechtsprechung bei der Kreation des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" tatsächlich um das Ausfüllen planwidriger Lücken im Öffentlichen Recht geht, bedarf einer Untersuchung der Notwendigkeit und des Gewinns einer Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" im Gesamtkontext des Staatshaftungsrechts, insbesondere in ihrer Ergänzungsfunktion zur deliktischen Amtshaftung. Das positivgesetzlich normierte Staatshaftungsrecht entstammt einer Zeit, in der das Verständnis der Beziehung zwischen Staat und Bürger sehr stark von der eines Über-Unterordnungs-Verhältnisses geprägt war. Die Funktion des Öffentlichen Rechts wurde in erster Linie darin gesehen, den Staat zu ermächtigen, in Rechte des Bürgers hoheitlich einzugreifen. Schadenersatzpflichtig kann sich ein Hoheitsträger nach dieser Vorstellung vor allen Dingen dann machen, wenn er bei seiner Hoheitsausübung über die gesetzliche Ermächtigung hinausgeht oder sonst dem Gesetz widersprechenden Schaden anrichtet. Diese Sichtweise griff zu kurz und war deshalb schnell überholt. Es war schon immer klar, daß Schäden nicht nur bei Eingriffen in Rechte des Privaten (status negativus) auftreten, sondern auch bei der Verletzung von Leistungspflichten (status positivus). I m Laufe des 20. Jahrhunderts haben Schädigungen im Bereich der Leistungsverwaltung immer weiter an Bedeutung in der Verwaltungspraxis hinzugewonnen. Leistungspflichten des Staates werden wie die Abwehrrechte über subjektivrechtliche Rechtspositionen vermittelt. Die subjektivrechtlich geschützten Leistungsansprüche können im Wege des Primär910 911 912
Hierzu oben S. 144 ff. Hierzu oben S. 149 ff. Zur Einzelanalyse siehe unten S. 299 ff.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
213
rechtsschutzes eingefordert werden. Der Primärrechtsschutz reicht aber, wie insbesondere im Falle der Leistungsstörungen, oftmals nicht aus, um dem Bürger zu seinem Recht zu verhelfen. Auch in diesen Fällen muß der Sekundärrechtsschutz, das Staatshaftungsrecht, zur Sanktionierung von Anspruchsverletzungen herangezogen werden können. Die Normierung eines „Allgemeinen Schuldrechts" wie im Zivilrecht fehlt im Verwaltungsrecht 913. Beispielweise begnügt sich die rudimentäre Regelung des Verwaltungsvertrags mit einem Verweis auf das BGB-Schuldrecht (vgl. § 62 S. 2 VwVfG). Auch die neueren Kodifikationen des Sozialleistungsrechtsverhältnisses, dem klassischen Bereich der Leistungsverwaltung, haben lediglich die betreffenden gesetzlichen Schuldverhältnisse und das sozial relevante Vertragsrecht mit ihren entsprechenden Leistungspflichten normiert. Um die primären Leistungsbeziehungen zwischen Staat und Bürger zu ordnen, wurde das Sozialrechtsverhältnis in verfahrensrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht einer Regelung unterworfen (vgl. SGB X und §§ 30 f f , 38 ff. SGB I) 9 1 4 . Die haftungsrechtliche Sekundärebene der Leistungsstörungen wurde jedoch ausgeklammert. Das Schuldrecht der Sozialgesetzbücher ist deshalb im Vergleich zum zivilrechtlichen Schuldrecht ein Torso ohne Unterbau 915 . Aufgrund seiner historisch bedingten andersartigen Ausrichtung weist der staatshaftungsrechtliche Sekundärrechtsschutz vor diesem Hintergrund im Bereich der Leistungsstörungen nicht selten Lücken auf oder führt zu Ergebnissen, die als ungerecht empfunden werden. Im Laufe des letzten Jahrhunderts ist die Entwicklung des Verwaltungsrechts insoweit am Staatshaftungsrecht vorbeigelaufen. Neuralgischer Punkt dieses wohl unumstritten bestehenden Mißstandes ist ein Amtshaftungsanspruch 916, der in seinem Wortlaut noch von einem nicht mehr zeitgemäßen Verständnis der Eigenhaftung des Beamten für staatliches Unrecht ausgeht. Die verfassungsrechtliche Überleitung der Haftung auf den Staat durch Art. 34 S. 1 GG hat bis auf die Ausdehnung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs an der Konzeption des Amtshaftungstatbestands in § 839 BGB nichts wesentlich geändert. Diese unbefriedigende Situation hat im Laufe der Jahre, wie bereits geschildert 917 , die Kreativität von Rechtsprechung und Lehre genährt und etliche richterrechtlichen öffentlich-rechtlichen Haftungsinstitute hervorgebracht - so auch 913
Gassner, in: Ermacora u. a. Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 133 (139 f.). Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 6. 915 Tomandl, in: Deutscher Sozialgerichtsverband, Das Sozialrechtsverhältnis, S. 50 (58) forderte daher, die Kodifikation des Sozialrechts solle zur Wegbereiterin der Leistungsverwaltung werden. 916 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 6: „sowohl staatstheoretisch wie auch verfassungsrechtlich untragbar". 917 Siehe oben S. 37 ff. 914
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis". Das Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten innerhalb des Öffentlichen Rechts wurde bereits als Motivation der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Lehre für die Entwicklung des Instituts der sog. „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" erkannt 918 . Würde die deliktische Amtshaftung zusammen mit den anderen staatshaftungsrechtlichen Instituten in allen Fällen zu „gerechten" Ergebnissen führen, bedürfte es einer Heranziehung des zivilrechtlichen Schuldrechts nicht. Das Schuldverhältnis des BGB wird im Verwaltungsrecht nur deshalb bemüht, um vermeintliche Lücken im System der Staatshaftung zu schließen, besonders enge" Rechtsbeziehungen mit einem dicht verzahnten Verhältnis gegenseitigen Vertrauens und aufeinander Angewiesenseins, das über den oft zufälligen deliktischen Kontakt weit hinausgeht, werden zusätzlich zum Amtshaftungstatbestand einer Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" unterstellt. Dies soll für den Haftungsgläubiger Vorteile mit sich bringen 919 . Aus dem Zivilrecht ist bekannt, daß die vertragliche Haftung gegenüber der deliktischen die meist schärfere und für den Geschädigten günstigere ist und daß die gegenseitigen Interessen angemessener ausdifferenziert werden. Unterschiede ergeben sich sowohl für den Bereich der Haftungsvoraussetzungen, der Haftungsbegründung, der Möglichkeit der Haftungsbeschränkungen, als auch des Haftungsinhalts und -umfangs. Es bleibt daher zu prüfen, inwieweit das Staatshaftungsrecht und hier insbesondere die deliktische Haftung aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG hinter einer vertraglichen Haftung zurückbleibt bzw. Unterschiede zu ihr aufweist. Nur wenn Risiko und Lasten bei Amtshaftung und Vertragshaftung verschieden verteilt sind, würde es überhaupt Sinn machen, im Bereich der Staatshaftung auf Vorschriften für vertragliche oder vertragsähnliche Schuldverhältnisse des BGB zurückzugreifen.
a) Unzulänglichkeiten des Amtshaftungstatbestands aa) Historischer Kontext Der geltende Amtshaftungstatbestand des § 839 BGB ist nur aus seinem historischen Kontext heraus verständlich 920 . Die persönliche Haftung des Beamten ist eine Ausgestaltung der deliktischen Amtshandlungshaftung, die auf die Mandatstheorie des 18. Jahrhunderts zurückgeführt werden kann. Dem Lan918
Siehe oben S. 144 ff. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338 f. 920 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 2; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 10; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 1; Windthorst JuS 1995, 791; Schoch Jura 1988, 585. 919
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
215
desherrn wurde ausschließlich rechtmäßiges Verhalten des Beamten zugerechnet. Bei rechtswidriger Amtsführung handelte der Beamte ohne Mandat und somit als Privatmann („si excessit, privatus est") 921 . Diese Sichtweise rechtswidrigen Staatshandelns war schon bei Inkrafttreten des BGB 1900 kaum noch zu halten 922 . Um den Beamten die Entschlußfreude und Entscheidungskraft nicht gänzlich zu nehmen, mußten der persönlichen Haftung des Staatsdieners Schranken gezogen werden 923 . Der Beamte haftete nur für schuldhafte Amtspflichtverletzungen, und das Gesetz sah verschiedene Haftungsausschlüsse vor, die Subsidiaritätsklausel (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB), das Richterspruchprivileg (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB) und den Ausschluß der Haftung bei Rechtsmittelversäumung (§ 839 Abs. 3 BGB). Außerdem konnte nur Geldersatz und keine Naturalrestitution geschuldet sein. Der Verfassunggeber der Weimarer Reichsverfassung hat die persönliche Beamtenhaftung in Art. 131 W R V 9 2 4 auf den Staat übergeleitet 925 und Art. 34 S. 1 GG hat die Haftungsverlagerung in das Grundgesetz übernommen. Aber immer noch wird der Beamte, obwohl er längst nicht mehr selbst haftet, vor allzu häufiger haftungsrechtlicher Inanspruchnahme durch den Bürger geschützt. Haftungsbeschränkungen zugunsten des Amtswalters entlasten bei übergeleiteter Haftung nunmehr die Staatskasse926. Die Haftungsüberleitung auf den Staat hat zwar den gröbsten Mißstand der Amtshaftung - die Eigenhaftung des Beamten - beseitigt. Der Wortlaut ist immer noch auf die Eigenhaftung zugeschnitten und läßt sich auch durch „Auslegung" nicht beliebig uminterpretieren. Für die Staatshaftung kann daher eine
921 Hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 3; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 9; Stangl Subsidiaritätsklausel, S. 12; Stuth, Staatshaftung oder Entschädigung?, S. 43 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 7; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 96; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 3 ff. 922 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 4; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 8; Windthorst JuS 1995, 791; Schoch Jura 1988, 585 (586). 923 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 10, 79; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 111. 924 Art. 131 WRV lautete: „Verletzt ein Beamter in Ausübung der ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienste der Beamte steht. Der Rückgriff gegen den Beamten bleibt vorbehalten. Der ordentliche Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden. Die nähere Regelung liegt der zuständigen Gesetzgebung ob." 925 Teilweise bestanden bereits vorher einfachgesetzliche Haftungsüberleitungen, so in Preußen das Gesetz über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei der Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1.8.1990, PrGS S. 691 und im Reich das Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten vom 22.5.1910, RGBl S. 798. 926 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 90; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 79 f.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
bloße Verlagerung ohne Reform des Haftungstatbestands an sich allenfalls Linderung, aber keine Abhilfe bedeuten927. Im Gegenteil, die Dissonanz zwischen einem auf persönliche Haftung des Beamten zugeschnittenen Haftungstatbestand und einer Überleitung dieser persönlichen Haftung auf den Staat führt zu unauflösbaren Widersprüchlichkeiten, die den Gesetzgeber geradezu zum Tätigwerden auffordern. Dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber aber aufgrund der erwähnten verfassungsrechtlichen Hindernisse und finanzpolitischer Erwägungen bislang nicht nachgekommen928. Rechtsprechung und Lehre haben mit Hilfe von , Auslegung" und „Rechtsfortbildung" versucht diese - vor allem aus der Sicht des Bürgers bestehenden - Mißstände zumindest teilweise zu reduzieren. Der Amtshaftungstatbestand weist nichtsdestotrotz etliche Unterschiede zu vertraglicher Haftung auf. Durch den Wortlaut des § 839 BGB sind dem Bestreben nach einem „gerechten", möglicherweise vertragsähnlichen Schadensausgleich Grenzen gesetzt.
bb) Amtshaftung zwischen deliktischer
und vertraglicher
Haftung
Der Tatbestand des § 839 BGB steht inmitten des 25. Titels des 7. Abschnitts („Unerlaubte Handlungen") des BGB. Dieser Titel beinhaltet überwiegend Vorschriften aus dem Bereich des Deliktsrechts. Die Einordnung der Amtshaftung in den Bereich der Haftung aus Delikt bereitet zwar mitunter Schwierigkeiten 929 , kann aber nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. (1) Unterscheidung nach deliktischer und vertraglicher Haftung im Zivilrecht Das Delikt bezeichnet ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten, das im Zivihecht grundsätzlich mit einer Schadenersatzpflicht verknüpft ist. Die Haftung aus Delikt wird ausgelöst durch einen Verstoß gegen ein allgemeines Verhaltensgebot bzw. -verbot, das keine im vorhinein individualisierten Personen betrifft. Zum Verhaltensunrecht muß ein Erfolgsunwert hinzutreten, der sich meist in dem Merkmal der Rechtswidrigkeit des Tuns oder Unterlassens ausdrückt. Die Haftung aus Delikt begründet für sich ein gesetzliches Schuldverhältnis, ohne daß notwendigerweise zuvor zwischen den Parteien konkretisierte Erfüllungspflichten bestanden. Letztere sind Wesensmerkmal vertraglicher Beziehungen, die den Einzelnen relativ, d. h. im Verhältnis nur der Vertragsparteien 927
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 10. Zur gesetzgeberischen (In-)Aktivität ausführlich siehe oben S. 33 ff. 929 So scheinbar bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338: „der Amtshaftungstatbestand insofern bereits 'zwischen' Vertrag und Delikt angesiedelt". 928
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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zueinander, berechtigen und verpflichten. Eine Verletzung dieser Erfüllungspflichten, die als Haupt-, aber auch als Nebenpflichten bestehen können, löst die Schadenersatzpflicht im vertraglichen Schuldverhältnis aus. Die Haftung aus Vertrag setzt somit eine von den sekundären Schadenersatzansprüchen unabhängig bestehende, konkrete, vertragliche Rechtsbeziehung zwischen Schadenersatzgläubiger und -Schuldner voraus. Aus der Feststellung, daß im vertraglichen Verhältnis nur für die Verletzung relativer Pflichten gehaftet wird, kann nicht der Umkehrschluß gezogen werden, daß somit Inhalt der deliktischen Haftung die Verletzung eines absoluten Rechts sei 930 . Die Haftung aus Delikt grenzt sich von der vertraglichen Haftung nicht anhand der Verletzung absoluter oder relativer Rechte und Pflichten ab. Auch die Verletzung - absolut geschützter - relativer Rechte und Pflichten kann Schadenersatzpflichten aus Delikt auslösen931. Dafür gibt es neben der Amtshaftung weitere Beispiele der deliktischen Haftungsgrundlagen im Titel der unerlaubten Handlungen des BGB (vgl. § 823 Abs. 2, § 826 BGB). (2) Einordnung der Amtshaftung Die Amtshaftung in § 839 BGB bildet einen Sondertatbestand im Titel der unerlaubten Handlung. Sie erweitert bzw. verkürzt für Beamten die deliktische Haftung über die Fälle der §§ 823 ff. BGB hinaus. So kann die Schadenersatzverpflichtung eines Beamten aus § 839 BGB auch dann eintreten, wenn kein anderer Tatbestand aus dem Bereich der unerlaubten Handlung verwirklicht ist. Die Schadenersatzpflicht aus § 839 BGB greift - wie insbesondere bei § 823 Abs. 2 BGB - auch bei der Verletzung absolut geschützter relativer Pflichten ein, ohne selbst relative Pflichten zwischen Schadenersatzgläubiger und Schadenersatzschuldner im Vorfeld der schädigenden Handlung vorauszusetzen. Vielfach wird die Amtspflichtverletzung eine Pflicht aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis betreffen. Die Verletzung einer Amtspflicht ist aber auch ohne vorherigen gesteigerten sozialen Kontakt möglich. Sie kann für das (Sekundär-)Schuldverhältnis der Haftung konstitutiv sein 932 . Das Verhaltensgebot, die Amtspflicht, betrifft keine notwendigerweise im Vorfeld des schadens-
930
Mißverständlich insoweit Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 3. 931 Gernhuber Schuldverhältnis, S. 45; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 9. 932 Vgl. etwa die Entscheidungen BGH, Urt. v. 25.9.1997 - III ZR 273/96; OLG Dresden NJW-RR 1997, 857; OLG Düsseldorf NJWE-VHR 1997, 286; 1997, 287; OLG Frankfurt OLG-Rp Frankfurt 1997, 283; OLG Hamm NVwZ-RR 1996, 370; VersR 1997, 1547; OLG Karlsruhe BWGZ 1996, 530; OLG Koblenz NJW 1997, 1589; OLG LSA OLG-Rp Naumburg 1997, 46; OLG SH OLG-Rp Schleswig 1996, 99; OLG Thüringen OLG-Rp Jena 1997, 163; LG Marburg DAR 1997, 279; LG Ulm BWGZ 1996,532.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
stiftenden Ereignisses individualisierten Personen, sondern kann abstrakt formuliert werden. So wie die Verletzung eines absoluten Rechts aus § 823 Abs. 1 BGB die Haftung ohne Ansehen eines zwischen den Parteien möglicherweise bestehenden Vertrags auslöst, ist die Amtspflichtverletzung bei § 839 Abs. 1 BGB unabhängig vom Bestehen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses zwischen Schädiger und Geschädigten zu prüfen. Zwar grenzt das Tatbestandsmerkmal der Drittbezogenheit der Amtspflicht den Kreis der Ersatzberechtigten ein, was auch der Grund zu sein scheint, weshalb die Amtshaftung gelegentlich zwischen Vertrag und Delikt angesiedelt wird 9 3 3 . Diese Beschränkung auf einen Personenkreises, mit dem das gesetzliche Schadenersatzschuldverhältnis aus Amtshaftung überhaupt nur entstehen kann, rückt die Beamtenhaftung aber bestenfalls in die Nähe von vertraglichen Schuldverhältnissen mit Erfüllungspflichten auf der Primärebene. Für die Abgrenzung zwischen der Amtshaftung und der relativen, vertraglichen Haftung kommt eine weitere entstehungsgeschichtlich bedingte Besonderheit hinzu. Die Amtspflicht des Beamten in § 839 BGB besteht immer nur im Innenverhältnis gegenüber dem Dienstherrn 934 . Als Pflicht gegenüber dem Bürger wird sie erst durch ihre Drittbezogenheit vermittelt. Das hat zwar für die Praxis keine Auswirkungen, da gegenüber dem Dienstherrn immer auch die Amtspflicht zu rechtmäßigem Handeln im Außenverhältnis besteht935. Es zeigt aber deutlich, daß in § 839 BGB - wie bei allen anderen deliktischen Haftungstatbeständen - ein bestimmtes, abstrakt formuliertes Verhalten mit der Schadenersatzpflicht verknüpft ist und nicht die Verletzung irgendwelcher relativer Rechte oder Pflichten in einer besonderen, vom jeweiligen Verhalten unabhängigen Rechtsbeziehung zwischen Schadenersatzgläubiger und Schuldner. Die Feststellung der Amtspflichtwidrigkeit ist relativ, da sie im Verhältnis zwischen Dienstverpflichtetem und Dienstherrn ermittelt wird und erst dann über den Drittbezug nach außen transportiert 936. Es bleibt dabei aber immer bei der Qualifizierung der Amtshaftung als deliktische Haftung 937 . Die Haftung besteht nicht im Verhältnis zwischen Amtsträger und dem haftenden Verwaltungsträger, sondern zwischen letzterem und einem geschädigten Dritten. Es wird amtspflichtwidriges Verhalten gegenüber dem Geschädigten mit einer Schadenersatzfolge sanktioniert und nicht die Nicht-, Zuspät-
933 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338. - Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 3 spricht von einer „gewissen Nähe zum Schuldrecht". 934 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 16; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 60; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 42; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 104. 935 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 16; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 57, 61 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 41 ff.; Windthorst JuS 1995, 892; Schoch Jura 1988, 585 (589). 936 Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 168. 937 Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 4, 6.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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oder Schlechterfüllung des relativen Forderungsrechts des Verwaltungsträgers, auf welchen die Haftung letztlich gem. Art. 34 S. 1 GG übergeleitet ist, gegenüber dem Beamten im haftungsrechtlichen Sinne. Die Begrenzung des Adressatenkreises in § 839 BGB ist vergleichbar mit derjenigen aus § 823 Abs. 2 BGB 9 3 8 . Danach kann nicht jeder, der durch die Verletzung eines Schutzgesetzes einen Schaden erleidet, Ersatz verlangen, sondern ausschließlich derjenige, dessen Schutz das verletzte Gesetz bezweckt. Auch wenn der ersatzberechtigte Personenkreis bei der Amtshaftung von vornherein eingeschränkt ist, auf eine bestimmte „Vertragspartei oder auf Verhaltenspflichten, die gerade gegenüber einem bestimmten Bürger bestehen, ist er nicht individualisiert. Es bedarf keiner Rechtsbeziehung zwischen Staat und Bürger, die über den generell drittgerichteten Kontakt hinausgeht.
b) Nachteile und Vorteile der Amtshaftung gegenüber vertraglicher Haftung aa)Haftungsrechtlicher Täter und Zurechnung des Verschuldens für Erfüllungsgehilfen (1) Auslegung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs Eine Amtspflichtverletzung im Sinne des § 839 BGB können nur Beamten begehen. Der beamtenrechtliche Täterbegriff des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB ist jedoch mit der verfassungsrechtlichen Vorschrift des Art. 34 S. 1 GG im Zusammenhang zu lesen und daher weiter als der staatsrechtliche. Beide Vorschriften bilden eine einheitliche Anspruchsgrundlage 939. Man spricht daher von einem Beamten im haftungsrechtlichen Sinne 940 und versteht darunter ,jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes". Entscheidend ist folglich nicht der Rechtsstatus des Handelnden, sondern die öffentlich-rechtliche Funktionsausübung941. 938
Stuth, Staatshaftung oder Entschädigung?, S. 55 ff. u. 59. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 7; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 400; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 6 Rn. 2; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 395; Schoch Jura 1988, 585 (586). 940 Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 128 f.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 90; Traeger, Die Haftung des Staates bei der Einschaltung privater Kräfte, S. 18 f.; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 47 Rn. 14; Windthorst/ Sproll, Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 17; Küchenhoff in: Erman, BGB, § 839 Rn. 30; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 49; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 Rn. 78; Kreissl NVwZ 1994, 349 (350); Schoch Jura 1988, 585 (586); kritisch hierzu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 14; „zwei sich überschneidende Kreise". 941 BGH DVB1 1992, 1293; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 12; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 19; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 13; ders. JuS 1973,421; Windthorst JuS 1995, 791 (793); Schoch Jura 1988, 585 (586). 939
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Die Grenzen dieses funktionalen „haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs" sind umstritten, wenn ein Privater von der Verwaltung zur Aufgabenerfüllung herangezogen wird. Private werden nur als Beliehene 942 oder als sog. unselbständige Verwaltungshelfer 943 durch die Übernahme öffentlicher Aufgaben zu Amtswaltern. Probleme bereiten der Rechtsprechung und Literatur jedoch die Fälle, in denen selbständige Werk- oder Dienstunternehmer von den staatlichen Stellen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden. Die Tätigkeit der Privatunternehmer kann dem Staat über § 839 BGB nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Von der Verwaltung zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben durch privatrechtlichen Vertrag herangezogene Privatpersonen gehören funktionell nicht in den Bereich der hoheitlichen Verwaltung. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, wann ein Privater als Amtswalter i. S. d. Art. 34 S. 1 GG angesehen werden kann und wann nicht. Die Auftragsverhältnisse, welche die Rechtsprechung hierbei am häufigsten beschäftigt haben, sind die des privaten Abschleppunternehmers, der aufgrund eines zivilrechtlichen Rahmenvertrags von der Polizei zum Abschleppen von Autos im Wege der Ersatzvornahme eingeschaltet wird 9 4 4 , und die des privaten Bauunternehmers, der von einem öffentlichen Träger der Straßenbaulast mit Straßenbauarbeiten beauftragt wird 9 4 5 . Ein Abschlepp- oder Straßenbauunternehmer wird, auch wenn er von einem Verwaltungsträger beauftragt wurde, nicht zum Inhaber eines öffentlichen Amtes. Das öffentliche Amt im technischen Sinne setzt eine durch organisatorischen Rechtssatz begründete Verpflichtung und Berechtigung voraus, Angelegenheiten einer Behörde oder sonstigen Körperschaft des Öffentlichen Rechts wahrzunehmen 946. Einen solchen, streng technischen Amtsträgerbegriff verwendet das Strafgesetzbuch (§11 Abs. 1 Nr. 2 StGB). Nicht die ausgeübte Tätigkeit, sondern die Stellung des Einzelnen zum Staat entscheidet über die Amtswaltereigenschaft; dem Betreffenden muß ein hoheitlicher Geschäftskreis übertragen sein 947 . Auch der Wortlaut des Art. 34 S. 1 GG deutet eher darauf hin, daß der haftungsrechtliche Amtswalter im technischen, ausschließlich das 942 BGHZ 49, 108; 39, 358 (361 f.); siehe auch Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 15 ff. m. w. Nachw. 943 Zur Einbeziehung von Verwaltungshelfern in den behördlichen Pflichtenkreis durch Übertragung von Aufgaben in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag BGH NJW 1993, 1526 u. 2954; w. Nachw. bei Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 133 f. 944 BGH DÖV 1977, 529 (530 f.); NJW 1977, 628; OLG Nürnberg JZ 1967, 61 (m. Anm. Medicus); LG München I NJW 1978, 48. 945 BGHZ 48, 98 (103); BGH NJW 1980, 1679; NVwZ 1984, 677. - Zur fehlerhaften Wartung von Ampelanlagen und Verkehrszeichen siehe BGH NJW 1971, 2220; DVB1 1974, 285 (286). 946 BGH WM 1984, 1119; OLG Nürnberg JZ 1967, 61 (62); Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 839 Anm. II 1 a aa; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 4 Rn. 20. 947 Tröndle, in: ders./Fischer, StGB, § 11 Rn. 13.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Innenverhältnis berücksichtigenden Sinne zu verstehen ist. Für ein Abstellen auf die Beziehungen zwischen Handelndem und Staat spricht, daß das , A m t " jemandem „anvertraut" sein muß 948 . Eine Auslegung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs, nach der die Amtshaftung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts ausgeschlossen ist, wenn selbständige private Verwaltungshelfer eingeschaltet werden, erscheint indes nicht zwingend 949 . Art. 34 S. 1 GG läßt bei einer teleologischen Auslegung des Amtshaftungstatbestands im Kontext des Staatshaftungsrechts auch eine Betrachtungsweise zu, welche die Sicht des Geschädigten in den Vordergrund stellt. Danach kann die Ausübung des anvertrauten öffentlichen Amtes auch als Wahrnehmung einer anvertrauten hoheitlichen Aufgabe aufgefaßt werden 950 . In letzterem Fall wäre für die Amtswaltereigenschaft nur erheblich, ob der Einzelne im Außenverhältnis zum betroffenen Bürger eine hoheitliche Aufgabe erfüllt. Darauf, ob er in Form des Öffentlichen Rechts oder des Privatrechts handelt und wie seine Beziehungen zur auftraggebenden Stelle ausgestaltet sind, käme es nicht an. Die früher h. M . 9 5 1 verfolgte eine enge Auslegung des Amtswalterbegriffs. Sie ging, geprägt von einem obrigkeitlichen Verständnis der Staat-Bürger-Beziehung, von der Einbeziehung selbständiger Privatunternehmer nach der sog. „Werkzeugtheorie" aus. Danach sollte Handeln eines Privaten dem Staat nur zugerechnet werden können, wenn jener als „verlängerter Arm" der öffentlichen Hand auftrat und durch Weisungen „wie ein Werkzeug" gelenkt werden konnte 952 . Das schädigende Geschehen mußte vom Verwaltungsträger in hinreichendem Maße beeinflußt werden können 953 . Es wurde eine weitreichende Weisungsgebundenheit gefordert, die aber bei selbständigen Werk- und Dienstunternehmern häufig nicht besteht. Die Amtshaftung schied damit aus 954 . Der Geschädigte war auf die zivilrechtliche Deliktshaftung verwiesen. 948 Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 67 ff; Kreissl NVwZ 1994, 349 (350). 949 Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 136; ders., in: HStR VI, § 157 Rn. 21 ; die Möglichkeit einer weiten Auslegung bezweifelnd Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 15; strikt abl. Kreissl NVwZ 1994, 349 (352). 950 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 504 ff.; Würtenberger JZ 1993, 1003 (1004); Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 136, der hierfür sogar den Rechtsgedanken des § 278 BGB heranziehen will. 951 BGHZ 48, 98; BGH NJW 1980, 1679; w. Nachw. in Fn. 944 u. 945; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 7; ausführlich zur historischen Entwicklung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs in der Rechtsprechung des BGH siehe Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 29 ff.; Meysen JuS 1998,404 ff. 952 BGHZ 48, 98 (103); BGH NJW 1971, 2220 (2221); NJW 1980, 1679. 953 Hierzu Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 21. 954 So in den Fällen BGH DVB1 1974, 285 (286); NJW 1977, 628 (629 f.); DÖV 1977, 529 (530 f.); NVwZ 1984, 677; OLG Nürnberg JZ 1967, 61; LG München I NJW 1978,48.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Für den Hoheitsträger hieß dies, daß er von jeder Haftungsverantwortung für schädigendes Verhalten des Beauftragten frei wurde, wenn er eine ihm obliegende hoheitliche Aufgabe an ein solches Privatunternehmen übertrug. Der Staat konnte sich also der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme entziehen, obwohl die wahrgenommene Aufgabe ihren hoheitlichen Charakter nicht verlor. Diese Möglichkeit zur „Flucht ins Privatrecht" wurde in der Literatur zum Teil heftig kitisiert 955 . Der BGH 9 5 6 hatte der Kritik an dieser Auffassung zwischenzeitlich insoweit Rechnung getragen, als er den Begriff des Verwaltungshelfers im Bereich der Eingriffsverwaltung durch einen Katalog flexibler Zurechnungskriterien 957 ersetzt hat. Anlaß für die Rechtsprechungsänderung war der Fall eines von der Polizei herangezogenen Abschleppunternehmers, bei dessen Abschlepparbeiten eine unbeteiligte Dritte in ein über die Straße gespanntes, ungesichertes Abschleppseil gefahren ist. Bei diesem Unfall wurden die Dachholme des Fahrzeugs durchschnitten und die Fahrerin selbst erheblich verletzt 958 . Wäre der BGH weiter der alten „Werkzeugtheorie" gefolgt, so wäre die Geschädigte mit ihren beträchtlichen und für die Zukunft nicht absehbaren Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen auf die Solvenz und den Fortbestand des Abschleppunternehmers und das Vorhandensein einer entsprechenden Versicherung angewiesen gewesen959. Der BGH entschied nun, die Zuordnung des Handelns im öffentlich-rechtlichen Funktionsbereich richte sich nach dem Charakter der jeweils wahrgenommenen Aufgabe, der Sachnähe der übertragenen Tätigkeit zu dieser Aufgabe sowie dem Grad der Einbindung des privaten Unternehmers in den behördlichen Pflichtenkreis. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers sei, desto näher läge es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen 960 . Diese Kriterien stellen eine Anlehnung an die Haftung für Auswahlver-
955 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 58; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 21 ff; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 99; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 101; Windthorst JuS 1995, 791 (794); Nonhoff NVwZ 1994, 771 (772 f.); Würtenberger JZ 1993, 1003 (1004); ders. DAR 1983, 155 (160 f.); Burmeister JuS 1989, 256 (258); Schimikowski VersR 1984, 315 (317 f.); Medicus JZ 1967, 63 (64); die Möglichkeit zur Flucht ins Privatrecht anzweifelnd Weißen JA 1980, 477 (479). 956 BGHZ 121, 161 = NJW 1993, 1258 = JZ 1993, 1001 (m. Anm. Würtenberger) = JuS 1994, 174 (Osterloh) = Coester-Waltjen, JK 93, BGB § 839/7; dazu Bespr. Kreissl NVwZ 1994, 349 ff. 957 Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 31 ; Windthorst JuS 1995,791 (794). 958 BGHZ 121, 161 (162 f.) = NJW 1993, 1258. 959 So die Kritik an der vorherigen Rechtsprechung bei NotthojfNVwZ 1994,771 (772). 960 BGHZ 121, 161 (165 f.) = NJW 1993, 1258 (1259).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
223
schulden bei der Heranziehung von Verrichtungsgehilfen dar (§ 831 BGB) 9 6 1 , denn es wurde darauf abgestellt, ob der Staat hoheitliche Zwangsmittel zur Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe eingesetzt hat, ob der hoheitliche Charakter bei Durchführung der Aufgabe durch den Staat selbst zweifelsfrei festgestanden hätte, ob dem Werkunternehmer nur ein sehr begrenzter Entscheidungsspielraum zustand und ob dessen Stellung derjenigen eines Verwaltungshelfers angenähert war 9 6 2 , d. h , ob das beauftragte Unternehmen in gewissem Umfang weisungsabhängig blieb. Auch hier bemängelten die Kritiker, daß die Rechtsprechungsänderung nicht weit genug ginge 963 . Sie wiesen darauf hin, daß die unterschiedliche Haftungszurechnung insbesondere im Bereich der Leistungsverwaltung Auswirkungen habe 964 , in dem die für die Zurechnung erforderlichen Abhängigkeitsverhältnisse wie bei einem Verrichtungsgehilfen nach § 831 BGB nicht unbedingt bestünden. Der BGH 9 6 5 scheint auch hier der Kritik mittlerweile Rechnung getragen zu haben. In dem Sachverhalt, der der insoweit richtungsweisenden Entscheidung zugrunde lag, wurde ein Bundeswehrsoldat im Auftrag des zuständigen Truppenarztes an ein ziviles Krankenhaus überwiesen und durch die dortigen Ärzte behandelt. Aufgrund einer fehlerhaften Behandlung in der privaten Krankenanstalt erlitt er einen Schaden. Der BGH sah in der Heilbehandlung durch den privaten Krankenhausträger die Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe. Das Gericht betont ausdrücklich 966 , daß das Innenverhältnis zwischen der Körperschaft, deren Aufgaben wahrgenommen werde, und dem Verwaltungshelfer (im weitesten Sinne), der mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragt wurde, für die Beurteilung der ausgeübten Tätigkeit im (Außen-)Verhältnis zum betroffenen Bürger nicht von Bedeutung sei 967 . Geprüft wird lediglich der Charakter der wahrgenommenen Aufgabe. Die Untersuchung des Soldaten der Bundeswehr durch das hinzugezogene Krankenhaus wird als Bestandteil der staatlichen Gesundheitsfürsorge für Soldaten der Bundeswehr an961 Windthorst JuS 1995, 791 (794); Kreissl NVwZ 1994, 349 (350 f.); Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 24 u. 35 f. Letztere bestreiten allerdings, daß dem Privatunternehmer selbst die Amtswaltereigenschaft zukomme. Sie meinen, dessen Verhalten werde dem Auftraggeber als eigentlichen Amtswalter lediglich ähnlich den Grundsätzen des § 831 BGB zugerechnet. 962 BGHZ 121, 161 (167) = NJW 1993, 1258 (1259). 963 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 99 a. E.; Windthorst JuS 1995, 791 (794); Meysen JuS 1998,404. 964 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 13; Windthorst JuS 1995, 791 (794). 965 BGH NJW 1996, 2431 ; vorgehend OLG Hamburg, Urt. v. 2.9.1994 - 1 U 15/94 (n. v.). 966 Ähnlich aber nicht in dieser Deutlichkeit bereits BGHZ 121, 161 (167) = NJW 1993, 1258(1259). 967 BGH NJW 1996, 2431 (2432).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
gesehen, die kraft öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses zu gewähren sei. Die Kriterien der Sachnähe zur übertragenen Tätigkeit und des Grads der Einbindung in den behördlichen Pflichtenkreis 968 spielen keine Rolle mehr. Darauf, wie stark der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund trete und wie eng die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der hoheitlichen Aufgabe sei, geht das Gericht nicht mehr ein. Was die Weisungsgebundenheit und den Entscheidungsspielraum des herangezogenen Arztes betrifft, wird lediglich festgestellt, daß eine Weisungsgebundenheit, die über die Bestimmung des Umfangs der Behandlung hinausgehe, wegen der Natur der ärztlichen Tätigkeit ausgeschlossen sei 969 . Die „Werkzeugtheorie" dürfte damit endgültig der Vergangenheit angehören. In der Tat kann es für den Bürger bei der Frage, ob ein hoheitliches Handeln den Amtshaftungstatbestand auslöst, nicht darauf ankommen, wie die Rechtsbeziehungen zwischen der Körperschaft, deren Aufgaben wahrgenommen werden, und dem privaten Verwaltungshelfer (im weitesten Sinne) im Innenverhältnis ausgestaltet sind 970 . Maßgeblich muß der Charakter der wahrgenommenen Aufgabe sein. Bei der Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses handeln die Akteure auf Seiten der Verwaltung in Ausübung eines öffentlichen Amtes, sind Beamte im amtshaftungsrechtlichen Sinne 971 .
(2) Vergleich mit der Verschuldenszurechnung von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB Nach der Vorschrift des § 278 BGB aus dem Allgemeinen Teil des Schuldrechts wird dem Schuldner das Verschulden eines bei der Leistungserbringung eingeschalteten Erfüllungsgehilfen wie eigenes Verschulden zugerechnet. Fände § 278 BGB bei der Haftung im Rahmen von Verwaltungsrechtsverhältnissen uneingeschränkt Anwendung, fiele auch jede Begrenzung des spezifischen Amtswalterbegriffs in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG weg. Es käme nicht darauf an, ob die Verwaltung ihre Pflichten aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis selbst erfüllt, ob sie einen anderen Verwaltungs- oder Hoheitsträger heranzieht oder ob sie sich zur Erfüllung eines Privatunternehmens bedienen würde. Die Anwendbarkeit des § 278 BGB wurde daher bisher einhellig als Vorteil der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldver968 969 970
(406).
So die vorangegangene Entscheidung BGHZ 121,161= NJW 1993, 1258. BGH NJW 1996, 2431 (2432). BGH NJW 1996, 2431 (2432) m. zust. Besprechung Meysen JuS 1998, 404
971 Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 65 ff.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 113; Meysen JuS 1998, 404 (407, 408).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
225
hältnis" gegenüber der Amtshaftung angesehen972. Dies hing in erster Linie mit der beschriebenen vormaligen Auslegung des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs durch den BGH zusammen. Die geänderte Rechtsprechung geht von einem Verständnis des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs in Art. 34 S. 1 GG aus, nach dem der Täterbegriff wie in der positivgesetzlichen Regelung des § 278 BGB auch Gehilfen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben erfaßt 973. Macht sich der Staat die Vorteile einer Arbeitsteilung zunutze, so sollen ihm dafür gleichzeitig auch die Gefahren und Risiken der Arbeitsteilung aufgebürdet werden 974 . Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf andere, bisher abweichend entschiedene Fallkonstellationen steht zwar noch aus 975 . Eine unterschiedliche Behandlung der Abschleppunternehmen und der privaten Baufirmen, die Straßenbauarbeiten für Hoheitsträger ausführen, ließe sich indes nicht rechtfertigen. Es sollte ausgeschlossen ein, daß ein und derselbe Rechtsbegriff aus einem einzigen gesetzlichen Tatbestand je nach zugrundeliegendem Sachverhalt unterschiedlich ausgelegt wird. Die Ausübung eines öffentlichen Amtes muß aus amtshaftungsrechtlicher Sicht ausschließlich danach beurteilt werden, wie sie sich im Außenverhältnis gegenüber dem Geschädigten darstellt 976 . Entscheidend ist, daß zwischen dem geschädigten Bürger und der staatlichen Stelle, welche den Auftrag zum Tätigwerden gegeben hat, ein zumindest hypothetisches Verwaltungsrechtsverhältnis zugrunde liegt 977 . Für den Einzelnen ist es gleichgültig und zufällig, ob
972 BVerwGE 13, 17 (24 f.) = NJW 1961, 2364 (2366 f.); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); OVG NW GemH 1988, 259 (261); NWVB1 1996, 12 (14); RGZ 115, 419 (423); BGHZ 3, 162 (173); 54, 299 (303); 61, 7 (12); BGH NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (40); DVB1 1978, 108 (109); NVwZ 1983, 571; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 6 u. 8; ders. JuS 1994, 1015 (1018); Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 10; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 40; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338 u. 358; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Larenz, Schuldrecht I, S. 419; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 645 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 505; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 820 u. 823; Dagtoglou, in: BK, Art. 34 Rn. 71; Koenig DÖV 1994, 286 (289); von Klitzing BayBgm 1989, 327; Sander BauR 1985, 167 (169); Janson DÖV 1979, 696 (698); Ρ alder NJW 1977, 954; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (389); Stürner JuS 1973, 749 (753); Götz JuS 1971, 349 (352); Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (256). 973 So auch die Schlußfolgerungen bei Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 113; Meysen JuS 1998, 404 (408). 974 Mit diesen Argumenten sich für eine Anwendbarkeit des § 278 BGB im sog. verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis einsetzend Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (389). 975 Vgl. den Hinweis bei Schlick/Rinne NVwZ 1997,1065. 976 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 504 ff.; NotthojfNVv/Z 1994, 771 (773); Würtenberger JZ 1993, 1003 (1004). 977 Darauf abstellend, ob die Selbstvornahme der Handlung durch die Verwaltung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren gewesen wäre NotthojfNVwZ 1994, 771 (773); 15 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
die Verwaltung ihm in diesem Verwaltungsrechtsverhältnis hoheitlich und selbst oder durch ein beauftragtes Privatunternehmen gegenübertritt 978. Der Bürger hat keinen Einfluß darauf; haftungsrechtlich darf sich dies für ihn nicht nachteilig auswirken. Ist die öffentliche Aufgabe jedoch aus dem Bereich der Hoheitsverwaltung ausgegliedert, so entsteht zwischen den Beteiligten auch kein Verwaltungsrechtsverhältnis. Der Verwaltungsträger hätte, auch wenn er selbst tätig geworden wäre, nur in Formen des Privatrechts gehandelt und entsprechend gehaftet. Die Ausübung eines „öffentlichen" Amtes i. S. d. Art. 34 S. 1 GG wäre von vornherein ausgeschlossen. Dieser letzte Schritt bei der Trennung vom spezifisch beamtenrechtlichen Täterbegriff führt dazu, daß sämtliche „Erfüllungsgehilfen", derer sich die Verwaltung bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben im Rahmen eines - bestehenden oder hypothetischen - Verwaltungsrechtsverhältnisses bedient, in den Kreis der Beamten im haftungsrechtlichen Sinne mit aufgenommen sind. Die Amtshaftung für Verschulden Dritter bleibt damit nicht mehr hinter der zivilrechtlichen Haftungszurechnung für Hilfspersonen nach § 278 BGB zurück 979 . Der „Flucht ins Privatrecht" ist ein Riegel vorgeschoben. Ein Bemühen des § 278 BGB zur Ausdehnung der Haftung des Staates auf beauftragte Privatunternehmer wäre somit überflüssig. Insoweit hat das sog. „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" seinen vermeintlichen „Vorteil" gegenüber der Amtshaftung verloren. Unabhängig von der Frage nach den tauglichen Schädigern im Sinne des haftungsrechtlichen Beamtenbegriffs bleibt es selbstverständlich dabei, daß nach § 839 BGB nur der Staat haftet. Eine Haftung des Bürgers gegenüber einer staatlichen Stelle kann allenthalben über andere Institute des Staatshaftungsrechts, so möglicherweise auch über vertragliche und/oder vertragsähnliche Haftungsgrundsätze erreicht werden.
bb) Sanktioniertes
Verhalten, Schutzgut
Bei der Amtshaftung wird die Verletzung von Amtspflichten des Beamten im haftungsrechtlichen Sinne gegenüber seinem Dienstherrn sanktioniert. Die vgl. auch Würtenberger DAR 1983, 155 (160). - Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 24 f.; ders. DÖV 1971, 513 (522 f.) fordert als Grenze des Amtswalterbegriffs, daß der Hoheitsträger dem Geschädigten mit „spezifisch staatlicher Macht" gegenübertrete, so daß der Einzelne sich in einem „Zustand unentrinnbarer Inferiorität" befinde. 978 So auch die Feststellungen in BGH NJW 1982, 1328 (1329); in die gleiche Richtung zielend BGHZ 121, 161 (166 f.) = NJW 1993, 1258 (1259). 979 So bereits die Forderung bei Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 136; dems., in: HStR VI, § 157 Rn. 21; dems, in: Maunz/Dürig, Art. 34 Rn. 99; Windthorst JuS 1995, 791 (794); Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 7 Rn. 36;. Den Begriff des „Erfüllungsgehilfen" verwendet auch BGHZ 121, 161 (167) = NJW 1993, 1258 (1259), die Voraussetzungen für die Zurechnung des Verschuldens nach § 278 BGB allerdings nicht; kritisch hierzu deshalb KreisslNVwZ 1994, 349 (351).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
227
interne Amtspflicht ist deckungsgleich mit der Pflicht des Beamten zu rechtmäßigem Handeln im Außenverhältnis gegenüber dem Bürger 980 . Schutzgut ist die Integrität des Privaten vor rechtswidrigen Eingriffen des Staates. Beim Vertrag haften die Partner für die Nicht-, Zuspät- oder Schlechterfüllung relativer Rechte bzw. Pflichten aus demselben. In der Beziehung zwischen Bürger und Staat werden den relativen Erfüllungsansprüchen aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis sowie der rechtzeitigen und ordnungsgemäßen Erfüllung dieser Ansprüche stets Amtspflichten korrelieren 981 . Wird der Anspruch eines Bürgers verletzt, so handelt die Verwaltung auch rechtswidrig. Die Annahme einer vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftung führt folglich zu keinen zusätzlichen staatlichen Pflichten, die neben den Amtspflichten nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB verletzt werden könnten. Auch nach vertraglichen Haftungsgrundsätzen wird der Einzelne vor der Verletzung der relativen (Amtspflichten geschützt.
cc) Drittbezogenheit der Amtspflicht Der Schadenersatzanspruch aus § 839 Abs. 1 BGB ist dadurch eingeschränkt, daß die verletzte Amtspflicht drittbezogen gewesen sein muß. Relative subjektivrechtlich geschützte Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen den Beteiligten eines Verwaltungsrechtsverhältnisses weisen immer „Drittbezug" auf 982 . Diese Einschränkung der Amtshaftung wirkt sich somit im Vergleich zur Anwendung vertraglicher Haftungsgrundsätze in bestimmten Verwaltungsrechtsverhältnissen jedenfalls nicht nachteilig aus.
dd) Verschuldensmaßstab Bei der Amtshaftung wird nur für schuldhaftes Fehlverhalten gehaftet. Der Verschuldensmaßstab ergibt sich wie bei vertraglicher Haftung aus § 276 Abs. 1 BGB 9 8 3 . Gehaftet wird für Vorsatz und Fahrlässigkeit (Satz 1). Fahrläs980 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 16; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 191; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 146; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 42; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 104; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 227. 981 Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1973, 808 (809); Tiemann BayVBl 1974, 57. 982 Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 225; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 148 u. 169 f.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 60 f. 983 Vgl. hierzu nur OLG Hamm NJW 1997, 1512 (1513); Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 284; Küchenhojf, in: Erman, BGB, § 839 Rn. 64 ff. m. jew. w. Nachw.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
sig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht läßt (Satz 2). Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt richtet sich nach dem Urteil eines besonnenen und gewissenhaften Angehörigen des betroffenen Verkehrskreises darüber, was zum Zeitpunkt des maßgeblichen Verhaltens zu beachten ist 984 . Dieser typisierende objektiv-abstrakte Sorgfaltsmaßstab 985 des § 276 Abs. 1 S. 2 BGB muß bei der Amtshaftung auf den Verkehrskreis der Amtswalter übertragen werden. Bei der Beurteilung, ob ein Amtswalter schuldhaft gehandelt hat, kommt es somit auf die Kenntnisse und Fähigkeiten an, die für die Führung des übernommenen Amtes im Durchschnitt erforderlich sind 986 . Die Vorschriften zum Ausschluß bzw. zur Minderung der Verantwortlichkeit der §§ 827, 828 BGB aus dem Titel der unerlaubten Handlungen finden auch im sonstigen Schuldrecht Anwendung (Satz 3). Unterschiede zwischen der Auslegung des § 276 Abs. 1 BGB bei der Ermittlung des Verschuldens nach § 839 Abs. 1 BGB und bei vertraglicher bzw. vertragsähnlicher Haftung des Staates bestehen nicht. Friktionen zwischen vertraglicher Haftung und Amtshaftung können sich in Bezug auf den Verschuldensmaßstab dann ergeben, wenn nach Vorschriften des Allgemeinen oder Besonderen Schuldrechts für die Sanktionierung bestimmter Pflichtverletzungen kein Verschulden erforderlich ist oder das Verschulden erhöhten Anforderungen unterstellt wird. Eine verschuldensunabhängige Vertragshaftung tritt ζ. B. ein bei Unvermögen der Leistung einer Gattungsschuld (§ 279 BGB) oder nach h. M. bei anfänglichem subjektivem Unvermögen. Der Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner kann auch dergestalt zugunsten des Schuldners ausfallen, daß diesem eine Haftungserleichterung zugebilligt wird. Dies ist der Fall bei Annahmeverzug des Gläubigers (§ 294, § 300 Abs. 1 BGB) oder bei Vertragsverhältnissen, in denen der Schuldner seine Leistungen unentgeltlich erbringt (vgl. § 690 BGB) oder die Erfüllung der Verpflichtungen auch im eigenen Interesse liegt (vgl. § 708 BGB). In solchen Fällen wird dem Haftungsschuldner nur der Sorgfaltsmaßstab der diligentia quam in suis (§ 277 BGB) zugemutet.
984 BGHZ 113, 297 (303 f.); NJW 1988, 909; Vollkommen in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. 2 b; Taupitz NJW 1991, 1505 (1506 f.). 985 BGHZ 24, 21 (27); 39, 281 (283); 87, 27 (35); 113, 297 (303 m. w. Nachw.); BGH NVwZ-RR 1996, 65; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 24; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 284; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 202; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 276 Anm. 2 b; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 110; Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 7; Schoch Jura 1988, 585 (593). 986 BGH NVwZ 1986, 504 (505); NVwZ 1994, 1139 (1140); Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 84; Küchenhoff, in: Erman, BGB, § 839 Rn. 65; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 110; vom „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten" sprechen BGH NVwZ-RR 1996, 65; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 24; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 284; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 301; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 196; Windthorst JuS 1995, 892 (896).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Eine flexible und differenzierende Austarierung der Interessen, wie sie das Schuldrecht des BGB kennt, ist dem Amtshaftungstatbestand fremd. Der Verschuldensmaßstab ist starr an § 276 Abs. 1 BGB ausgerichtet. Er kennt weder einen verschuldensunabhängigen Ausgleich noch einen erleichterten Haftungsmaßstab. Somit kann die Anwendung vertraglicher Schuldrechtsbestimmungen innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses im Einzelfall zu verschärften oder reduzierten Anforderungen an den Verschuldensmaßstab der Beteiligten fuhren, die entsprechend für den Schadenersatzgläubiger je nach dem vorteilhaft oder nachteilig sind.
ee) Kausalität Die Amtspflichtverletzung nach § 839 Abs. 1 S. 1 BGB muß für den eingetretenen Schaden ursächlich sein 987 . Die Prüfung des Ursachenzusammenhangs ist auf die haftungsausfüllende Kausalität beschränkt. Die haftungsbegründende Kausalität zwischen Amtshandlung und Amtspflichtverletzung ist durch die Annahme der Drittbezogenheit der Amtspflicht vorgegeben 988. Insoweit ergeben sich also zum Vertragsrecht keine Unterschiede.
ff)
Beweislast
Nach allgemeinen Regeln muß der Gläubiger die Voraussetzungen für seinen Anspruch konkret behaupten und notfalls auch beweisen. Die Beweislast für den Nachweis einer Schädigung aufgrund schuldhafter Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB trifft demzufolge den Geschädigten989. Diese nach dem Gesetz eindeutige Beweislastverteilung zuungunsten des schadenersatzberechtigten Bürgers ist von der Rechtsprechung erheblich aufgeweicht worden 990 . Soweit eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für einen erfahrungsgemäßen Ablauf bestehe, könne der Geschädigte sich darauf beschränken, die Amtspflichtverletzung und die nachfolgende Schädigung 987 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 26; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 272 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 70 ff.; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 327 ff.; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 192 ff.; Windthorst JuS 1995, 892 (896); Schoch Jura 1988, 585 (592 f.). 988 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 70; Lüdemann Jura 1997, 89 (95 Fn. 64). 989 Thomas, in: Heinrichs, BGB, § 839 Rn. 84; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 839 Anm. 4; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 72; Küchenhoff in: Erman, BGB, § 839 Rn. 66; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 482; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 232 ff.; vgl. auch Thieme/von Franckenstein DÖV 1997, 667 ff. 990 Vgl. etwa BGH DVB1 1974, 591 f.; DVB1 1978, 412 (413 ff.); NJW 1982, 1328 (1329); VersR 1982, 438 (439); NJW 1983, 2241 (2242).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
darzulegen. Es sei dann Sache des Verwaltungsträgers, die Vermutung des ursächlichen Zusammenhangs auszuräumen. Die öffentliche Körperschaft müsse nachweisen, daß der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen sei 991 . Es sei bei der Darlegung der Amtspflichtverletzung und des Schadens nicht erforderlich, die „schuldige" Einzelpersönlichkeit, also den handelnden Beamten zu benennen, sondern nur die verantwortliche Körperschaft 992 . Bei seinen Darlegungen sollen dem Geschädigten zusätzlich die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO zugute kommen können, was die Anforderungen an seine Darlegungen ebenfalls verringert 993 . Die dergestalt modifizierte Beweislastverteilung in § 839 BGB geht sogar über die Grundsätze des prima facie Beweises hinaus. Wenn der BGH meint, dem Beweispflichtigen könne die volle Beweislast billigerweise nicht zugemutet werden, läßt er Beweiserleichterungen zu, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können 994 . Sie kommt in einer Mehrzahl der Fälle einer faktischen Beweislastumkehr gleich. Bei der vertraglichen Haftung muß der Geschädigte in der Regel nur die Verletzung einer sich aus dem vertraglichen Schuldverhältnis ergebenden „Forderung" und den Eintritt des Schadens dartun. Aufgrund der Beweislastumkehr in § 282 BGB (auch § 285 BGB) ist es Sache des Schädigers zu beweisen, daß ihn kein Verschulden trifft. Bei konkurrierenden Ansprüchen aus Amtshaftung und Vertrag kann dies für den Schadenersatzgläubiger, auch wenn der BGH die Beweislast des Amtshaftungsgläubigers stark eingeschränkt hat, mitunter Vorteile mit sich bringen 995 ; insbesondere dann, wenn keine tatsächliche Vermu-
991 992
(329).
BGH NJW 1995, 2344 = JZ 1996, 146 m. Anm. Huber. BGHR BGB § 839 Abs. 1 S. 1 Kausalität 4; Krohn/Schwager
DVB1 1992, 321
993 BGH DVB1 1974, 591 (592); DVB1 1978, 412 (414); NJW-RR 1994, 1171 (1172); NJW-RR 1995, 248 (249); NJW 1995, 2344 (2345) = JZ 1996, 146 (148; m. Anm. Huber 149 f.); NVwZ-RR 1996, 625 (626); Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171. 994 BGHZ 72, 132 (139) = NJW 1978, 2337 (2339); BGH NJW 1983, 332; NJW 1983, 333 (334); NJW 1983, 2241; NJW 1986, 59 (61); BGHZ 99, 391 (395 ff.) = NJW 1987, 1482 (1483 f.); BGH NJW 1988, 2949 (2950); NJW 1996, 315 (317); Quambusch JA 1998, 581 (584 f.); Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171. - Vgl. auch BGH BayVBl 1998, 378 (379) zur Darlegungs- und Beweislast bei Ansprüchen aus § 1 Abs. 1 StHG LSA. 995 Vgl. etwa die Entscheidungen OLG Düsseldorf NWVB1 1997, 113 (114 f.); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619). - Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 75; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 10; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 301; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 421 ff; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 645; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 71; Littbarski JuS 1979, 537 (542); Grave DVB1
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
231
tung bzw. keine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für einen erfahrungsgemäßen Ablauf in der Verwaltung besteht996.
gg) Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen Der Amtshaftungstatbestand beinhaltet Haftungsausschlüsse und Haftungsbeschränkungen, die der vertraglichen Haftung fremd sind. Soweit gesetzliche Haftungsausschlüsse oder Haftungsbeschränkungen durchgreifen, ist die Vertragshaftung für den Geschädigten stets vorteilhafter. Auf der anderen Seite bietet das Vertragsrecht die Möglichkeit zur Vereinbarung gewillkürter Haftungsausschlüsse und -beschränkungen, die beim Amtshaftungstatbestand nicht in gleichem Maße zwanglos mit Hilfe zulässiger einseitiger behördlicher Anordnung gegeben ist.
(1) Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) Nach der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Beamte bei Fahrlässigkeit „nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu verlangen vermag". Dieses Verweisungsprivileg ist ein Relikt aus den Zeiten vor der verfassungsrechtlichen Überleitung der Eigenhaftung des Beamten auf den Staat997. Das Privileg kommt nicht mehr dem Beamten, sondern den Staatsfinanzen zugute 998 . Nach Sinn und Zweck hat die Subsidiaritätsklausel ihre Funktion verloren 999 . Die Gerichte - respektive der BGH - fühlen sich aber aufgrund des eindeutigen
1978, 450 (451); Battis ZBR 1971, 300; ders, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 505; Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172). 996 So ζ. B. der Fall bei der Entscheidung des OLG Düsseldorf NWVB1 1995, 395. 997 Siehe oben S. 223 ff.; BGHZ 42, 176 (181); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 30; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 296; Stangl Subsidiaritätsklausel, S. 20 (m. w. Nachw. in Fn. 44); Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 839 Anm. II 1 g aa; Frotscher JuS 1997, L 49 (L 52 f.); Menger VerwArch 50 (1959), 271 (277 f.). 998 BGHZ 42, 176 (181); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 30; Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 20 (m. w. Nachw. in Fn. 44); Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 90; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 79 f.; Windthorst JuS 1995, 992 (993); Menger VerwArch 50 (1959), 271 (277 f.). 999 BT-Drs. 8/4144 S. 32; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 79; Menger VerwArch 50 (1959), 271 (277 f.); a. Α. noch Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 11, der den nicht gesicherten Innenregreß abgefedert sehen will; Küchenhoff BayVBl 1977, 622, der die Funktion in einem den Steuerzahler entlastenden „Prinzip des Nachranges" des Staates erblickt.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Wortlauts und des Vorrangs des Gesetzes gehindert, das Verweisungsprivileg teleologisch bis zur Nichtanwendung zu reduzieren 1000 . Dem wird unter dem Blickwinkel der Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) nur schwerlich zu widersprechen sein. Trotzdem wird diese Auffassung in der Literatur nicht einhellig geteilt 1001 . Die einheitliche Judikatur stellt fur den Bürger, der vom Staat Schadenersatz begehrt, bislang zumindest ein Faktum mit nachteiligen Wirkungen dar. Um etwaige Ungerechtigkeiten durch die Anwendung der Subsidiaritätsklausel zu mindern, schränkt die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB unter dem Etikett der teleologischen Reduktion zunehmend ein. Ein Durchgreifen des Haftungsausschlusses wird u. a. verneint, wenn (1) der anderweitige Ersatzanspruch sich wiederum gegen einen Verwaltungsträger richtet. Nach Auffassung der Rechtsprechung würde hier lediglich ein Wettstreit entstehen, wessen Haushalt das Verweisungsprivileg nun zugute käme 1 0 0 2 . (2) Ferner sollen alle Verkehrsteilnehmer haftungsrechtlich gleichbehandelt werden, da die Rechte und Pflichten aller Teilnehmer am allgemeinen Straßenverkehr inhaltlich vollumfänglich übereinstimmten. Daher wendet die Rechtsprechung die Subsidiaritätsklausel auch bei einer dienstlichen Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr nicht an. Dies wird von der Rechtsprechung im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung aus dem von ihr in Art. 3 Abs. 1 GG verorteten Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung abgeleitet 1003 . (3) Gleiches gilt für die Haftung bei Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflichten, sofern diese sich inhaltlich mit den privatrechtlichen, jedermann treffenden Verkehrssicherungspflichten decken 1004 . (4) Sogar bei Ansprü-
1000 Vgl. etwa aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NVwZ-RR 1997, 204 (205); VIZ 1997,688. 1001 Zustimmend Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 20 f. u. 137; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 80, 87 f. (m. w. Nachw. zum Streitstand in Fn. 51); Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171 (1174); ablehnend Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 299; Bettermann DÖV 1954, 299 (304). 1002 BGHZ 13, 88 (104 f.) = NJW 1954, 993 (996); BGHZ 49, 267 (274 f.) = NJW 1968, 696 (698); BGH NJW 1983, 627; VIZ 1997, 688; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 306; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 84 f. 1003 BGHZ 68, 217 (220 ff.) = NJW 1977, 1238 f.; BGH NJW 1979, 1602 f.; NJW 1981, 681; BGHZ 91, 48 (52) = NJW 1984, 1097 (1098); BGHZ 113, 164 (167) = NJW 1991, 1171 f.; BGHZ 123, 102 (104) = NJW 1993, 2612 (2613); BGH NJW 1997, 2109; OLG Celle NJW 1978, 2036 (2037); OLG Köln NVwZ-RR 1999, 160; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 309; Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 73 ff.; krit. Küchenhoff BayVBl 1977, 622 ff. 1004 BGHZ 75, 134 (136 ff.) = NJW 1979, 2043 (2044 f.); BGH NJW 1980, 2194 (2195); BGHZ 118, 368 (372 ff.) = NJW 1992, 2476; BGHZ 123, 102 (104 f.) = NJW 1993, 2612 (2613); krit. Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 311; Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 92 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 82; ders, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 9.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
233
chen gegenüber gesetzlichen oder privaten Versicherungsgesellschaften findet kein Haftungsausschluß statt. Es sei nicht Zweck der Versicherungen, dem Staat das Haftungsrisiko abzunehmen1005. (5) Mit ähnlicher Zielrichtung sind desgleichen Ansprüche nach dem Lohnfortzahlungsgesetz im Krankheitsfall nicht erfaßt, denn auch hier hätten die Leistungen des Staates nicht den Zweck, staatliches Unrecht zu kompensieren 1006 . Auch wenn die Rechtsprechung den Anwendungsbereich des Verweisungsprivilegs in § 839 Abs. 1 S. 2 BGB stark eingeschränkt hat, so verbleibt doch immer noch ein nicht unerheblicher Bereich, in dem eine mit der Amtshaftung konkurrierende Haftung nach vertraglichen Grundsätzen Vorteile mit sich brächte 1007 . Bei einer Haftung aus Vertrag bestünde dieser Haftungsausschluß selbstverständlich nicht. Der schadenersatzberechtigte Bürger ist verpflichtet, von einer anderen Seite Ersatz zu verlangen. Dies kann Zeit und Geld kosten und sich somit zu Lasten des Geschädigten auswirken.
(2) Richterspruchprivileg (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB) Das Richterspruchprivileg in § 839 Abs. 2 S. 1 BGB hat keine Berührungspunkte mit vertraglicher Haftung. Funktion des Richterspruchprivilegs ist es, die Rechtskraft richterlicher Entscheidungen zu sichern 1008 . Bei Richtersprüchen ist eine Nähe zu vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen schon von der Natur der Sache her undenkbar. Es kann von vornherein keine Kollisionen mit vertraglicher Haftung geben. 1005
BGHZ 49, 267 (275 ff.) = NJW 1968, 696 (698 f.); BGHZ 79, 35 (36 f.); 79, 26 (31 ff.) = NJW 1981, 623 (625); BGHZ 85, 230 (233 f.); BGH VersR 1983, 462 f.; NJW 1987, 2664 (2666); NJW 1983, 2191 (2192); Stangl Subsidiaritätsklausel, S. 46 ff, 59 ff. Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrecht, S. 8 f.; ders. JZ 1998, 45 ff.; restriktiv aber BGHZ 91, 48 (54 f.) = NJW 1984, 2097 (2098); OLG Zweibrücken NJW 1998, 995 (996 f.). 1006 BGHZ 43, 115 (117 ff.) = NJW 1965, 753 f.; BGHZ 62, 380 (383 ff.) = NJW 1974, 1767 f.; BGH NJW 1974, 1816 (1817 f.); Stangl Subsidiaritätsklausel, S. 36 ff.; Ossenbühl, Neuere Entwicklungen im Staatshaftungsrechts, S. 8. 1007 Vgl. etwa BVerwGE 13, 17 (25 f.) = NJW 1961, 2364 (2367); E 25, 138 (145 f.) = ZBR 1967, 151 (153); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (329); BGHZ 43, 178 (184, 187); BGH NJW 1998, 142 (145); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Driehaus/Pietzner, Einführung, § 19 Rn. 11; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 338; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172). - Aus der Rechtsprechung vgl. nur aus jüngster Zeit BGH NVwZ-RR 1997, 204 (205); NJW 1997, 2109; JZ 1998, 41 m. krit. Anm. Ossenbühl·, OLG Düsseldorf NWVB1 1997, 192. 1008 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 50; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 319; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 101 f.; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 424; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 217; Windthorst JuS 1995, 992 (995); Schoch Jura 1988, 648 (649).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
(3) Vorwerfbare Rechtsmittelversäumung (§ 839 Abs. 3 BGB) Nach § 839 Abs. 3 BGB ist die Haftung des Staates bei vorwerfbarer Rechtsmittelversäumung ausgeschlossen. Auch hierin liegt eine Haftungsbeschränkung. Spätestens seit der Naßauskiesungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1009 ist in ihr weniger eine Privilegierung des persönlich haftenden Beamten durch eine besondere Mitverschuldensregelung zu verstehen als vielmehr ein verfassungsrechtlich begründetes Sicherungsinstrument für den Vorrang des verwaltungsgerichtlichen Primärrechtsschutzes 1010. Im Zivilrecht besteht keine Pflicht der Vertragspartner, vor dem Geltendmachen von Schadenersatzansprüchen zuerst zu versuchen, die Erfüllung durch den Einsatz förmlicher Rechtsmittel zu erreichen. Im vorliegenden Zusammenhang geht es aber nicht um die zivilrechtliche Haftung im Verhältnis zwischen Bürger und Staat, sondern um die Haftung der Beteiligten an einem Verwaltungsrechtsverhältnis. W i l l der einzelne Geschädigte öffentlich-rechtliche Schadenersatzansprüche geltend machen, so trifft ihn auch dann, wenn die Grundlage an zivilrechtliche Haftungsregeln angelehnt ist, das Primat des Primärrechtsschutzes. Versäumt er es, gegen rechtswidrige behördliche Maßnahmen, die ihn schädigen, im Wege des primären Rechtsschutzes vorzugehen, so wird er mit seinen Ansprüchen abzuweisen sein, ganz gleich auf welche Anspruchsgrundlage er seine Ersatzansprüche stützt. An eine Ausnahme kann nur dann gedacht werden, wenn Primärrechtsschutz aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht eröffnet war. In diesem Fall greift jedoch auch § 839 Abs. 3 BGB nicht ein. Die besondere Mitverschuldensregelung des § 839 Abs. 3 BGB kann im Bereich der staatlichen Ersatzleistungen somit als deklaratorisch angesehen werden. Einen Nachteil gegenüber einer Haftung nach schuldrechtlichen Grundsätzen ist in ihr nicht zu erblicken. Hingegen können die speziellen Voraussetzungen, an die das BGBSchuldrecht mitunter die Durchsetzbarkeit ihrer Primär- und Sekundäransprüche knüpft, im Vergleich zur Amtshaftung eine zusätzliche Belastung des Schadenersatzgläubigers bedeuten. So kann die Pflicht bestehen, dem Schuldner bei Schlechtleistung die Möglichkeit zur Nachbesserung zu geben (§ 633 Abs. 2, §476 a BGB).
1009
BVerfGE 58, 300. BVerwG NJW 1998, 3288 (3289); NVwZ 1999, 426; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 32; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 326; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 243; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 96; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 92 f.; Stangl JA 1996, 105 (107); Windthorst JuS 1995, 992 (995); Schoch Jura 1988, 648 (649 f.); vgl. auch § 2 StHG-DDR und hierzu BGH LKV 1997, 143 (144) sowie BayVGH GewArch 1996, 205 (206), wo aus § 254 BGB eine Pflicht zur Abwendung eines Schadens durch Ergreifen eines Rechtsbehelfs in Form eines allgemeinen Rechtsgedankens abgeleitet wird. 1010
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Auch der Verzugseintritt fällt nicht automatisch mit dem Zeitpunkt nach Fälligkeit zusammen. Leistet der Schuldner bei Fälligkeit nicht, so entsteht dem Gläubiger ein Anspruch auf Verzugsschaden nach § 286 Abs. 1 BGB nur in den Fällen des § 284 Abs. 2 BGB. Im gesetzlichen Regelfall ist ein Verzugsschadenersatzanspruch davon abhängig, daß der Gläubiger den Schuldner durch eine - außergerichtliche - Mahnung in Verzug setzt (§ 284 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Mahnung steht der Erhebung der Klage auf Leistung sowie der Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich (§ 284 Abs. 1 S. 2 BGB). Weiter kennt das Allgemeine Schuldrecht fur den Bereich der gegenseitigen Verträge die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (§ 326 Abs. 1, § 283 Abs. 1 BGB). Erst nach deren Ablauf kann der Nichterfüllungsschaden geltend gemacht werden. Wird die Leistung unmöglich, treten die Rechtsfolgen in der Regel ohne weiteres Zutun des Gläubigers ein (§§ 275, 280, 286 Abs. 2 BGB). Oftmals ist dem Leistungsberechtigten allerdings ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit eingeräumt (§§ 323 ff. BGB). Nur bei Unklarheit über das Vorliegen einer Unmöglichkeit, kann der Nichterfüllungsschaden erst nach gesonderter Leistungsklage auf Erfüllung und anschließender oder gleichzeitiger Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung verlangt werden (§ 283 Abs. 1 BGB i. V. m. § 255 ZPO). Diese Flexibilität des Gläubigers, bei Leistungsstörungen seine Interessen bestmöglich wahren zu können, kennt die Amtshaftung nicht.
(4) Mitverschulden Auch bei der Bewertung des Mitverschuldens können sich Unterschiede zwischen Amtshaftung und vertraglicher Haftung ergeben. Zwar findet unbestritten in beiden Fällen die Vorschrift des § 254 BGB Anwendung 1011 . Aber nur bei vertraglicher Haftung hat der Geschädigte stets für mitwirkendes Mitverschulden von Erfüllungsgehilfen einzustehen. Bei der Amtshaftung wird das Verschulden Dritter dem Mitverschulden des Verletzten nur dann zugerechnet, wenn der Mitverursachungsbeitrag im Rahmen eines bereits bestehenden Schuldverhältnisses erfolgt ist 1 0 1 2 . Ein solches wird in § 254 Abs. 2 S. 2 BGB
1011 Vgl. zur Anwendbarkeit des § 254 BGB im Rahmen der Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG BGH NVwZ-RR 1995, 629 (630); NVwZ 1996, 512 (515); DVB1 1997, 551 (559); NVwZ 1998, 318 (319); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 839 Anm. II 2 c; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 89 ff.; Küchenhoff in: Erman, BGB, § 839 Rn. 99; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 355 ff.; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 204 ff.; Windthorst JuS 1995, 992 (996); Schoch Jura 1988, 648 (650 f.). 1012 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 91 f.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
vorausgesetzt, soll § 278 BGB entsprechend anwendbar sein 1013 . Spätestens die Amtspflichtverletzung begründet eine solche rechtliche Sonderverbindung schuldrechtlicher Art mit den in § 254 Abs. 2 BGB enthaltenen Pflichten zur Schadensabwendung und -minderung 1014 . Ab Vornahme der amtspflichtwidrigen Handlung hat sich der Schadenersatzgläubiger somit auch Verschulden von Hilfspersonen nach § 278 BGB auf seinen Mitverschuldensbeitrag anrechnen zu lassen. Bei der Haftungsbegründung wird ein Mitverschulden von Hilfspersonen jedoch nur dann zugerechnet, wenn schon vor der haftungsbegründenden pflichtwidrigen Amtshandlung zwischen Schädiger und Geschädigtem eine schuldrechtliche oder schuldrechtsähnliche Sonderverbindung bestand 1015 . Die Haftung nach Vertragsgrundsätzen hat bei der Bewertung des Mitverschuldensbeitrags an der Schadensentstehung für den Geschädigten Bürger die nachteilige Folge, daß im Gegensatz zur Haftung aus § 839 BGB Verschulden von Hilfspersonen entsprechend § 278 BGB zugerechnet wird (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB) 1 0 1 6 .
(5) Gewillkürte Haftungsausschlüsse und -beschränkungen Im Zivilrecht, das vom Gedanken der Vertragsfreiheit geprägt ist, können die Vertragsparteien grundsätzlich Haftungsbeschränkungen und Haftungsausschlüsse vereinbaren. Solche gewillkürten Haftungsbeschränkungen bzw. -ausschlüsse erfolgen durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder ausdrückliche Vereinbarung. Sie können sich sowohl auf den Haftungsgrund als auch auf den Grad des Verschuldens und den Haftungsumfang beziehen 1017 . Grenzen ergeben sich insbesondere aus § 138 Abs. 1 BGB, wonach es einen Verstoß gegen die guten Sitten bedeutet, wenn der schwächere Vertragspartner durch Freizeichnungsklauseln unverhältnismäßig benachteiligt wird, aus § 276 Abs. 2 BGB, wonach die Haftung wegen Vorsatzes nicht im voraus erlassen werden darf, und aus dem AGBG. Die Zulässigkeit von Haftungsbeschränkungen im Rahmen der Amtshaftung ist umstritten. Sie wird teilweise - zumindest hinsichtlich ihres Inhalts - gänz-
1013
st. Rspr. 1014
BGH NJW 1964, 1670 (1671); NJW 1980, 2573 (2575); BGHZ 73, 190 (192);
Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 91; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 204. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 91 f.; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 356; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 204. 1016 Vgl. RGZ 121, 114 (118); 159, 283 (292); BGHZ 1, 248 (249); 33, 136 (140 ff.) = JZ 1962, 283 (284 f.) m. Anm. Zeiss ; BGH NJW 1998, 298 (301). 1017 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7 u. 8; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 824. 1015
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lieh verneint 1018 , teilweise unter formellen Gesetzesvorbehalt (des Bundesgesetzgebers; vgl. aber Art. 77 EGBGB) gestellt 1019 , teilweise auch auf der Grundlage von satzungsrechtlichen Beschränkungen bejaht 1020 . Sicherlich ist es möglich, durch entsprechende Ausgestaltung der staatlichen Rechte und Pflichten die durch § 839 Abs. 1 BGB sanktionierten drittbezogenen Amtspflichten einzuschränken 1021 . Eine Verletzung würde so schon im vorhinein vermieden. Der einzige Unterschied zu den vertraglich vereinbarten Rechten und Pflichten, deren Bestehen oder Nichtbestehen sich nach der individuellen Ausgestaltung des einzelnen Vertrags richtet, bestünde in der einseitigen Definition durch den Gesetzgeber. Eine solche Begrenzung der Amtspflichten im Vorfeld ihres Entstehens hat allerdings eine andere Qualität als eine Haftungsbeschränkung oder ein Haftungsausschluß, der sich auf eine bestehende oder bereits verletzte Amtspflicht bezieht. Die Haftungsbeschränkung auf der Sekundärebene ist kein „zulässiges Minus" 1 0 2 2 zur Eingrenzung der Primärpflichten, sondern ein aliud. Nach Art. 34 S. 1 GG trifft die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen „grundsätzlich" den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Amtswalter steht. Das Wort „grundsätzlich" in Art. 34 S. 1 GG impliziert nach h. M , daß Ausnahmen von diesem Grundsatz zulässig seien und nicht gegen die grundgesetzliche Haftungsvorschrift des Art. 34 GG verstießen 1023. Der Gesetzgeber hat 1018
So wohl Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 37 ff. BGHZ 61, 7 (14 ff); 62, 372 (376 f.); Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 76, 124, 335 f.; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 219; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 415; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 963 ff; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Bryde,, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 33; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 96; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 10; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 393; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 360; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 825; ders, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rn. 341; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 23; Rozek BayVBl 1989, 761 (762); Janson DÖV 1979, 696 (704); von Mutius JuS 1978, 181 (182 f.); Schwarze JuS 1974, 640 (642); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (225); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (397); Brehm DÖV 1974, 415 (415 f.); Rüfner DÖV 1973, 808 (809); Schneider NJW 1962, 705 (709 f.); eine formellgesetzliche Einschränkung für zulässig erachtend auch BVerfG NVwZ 1991, 661; NVwZ 1983, 89. 1020 BayVerfGH DÖV 1970, 488; BayVGH VerwRspr 21, 911 (914 f.); NVwZ 1985, 844; OVG NW OVGE 18, 153 (161); Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1974, 517 (518); ders. DÖV 1973, 808 (810); Jaroschek JA 1996, 860 (864 f.); Reiter BayVBl 1990, 711 (712); wohl auch BGHZ 54, 299 (305); Waechter, Kommunalrecht, Rn. 570. 1021 BGHZ 61, 7 (15); Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1973, 808 (810); Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 36; Brehm DÖV 1974, 415 (416 f.); Schwarze JuS 1974, 640 (643 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (399). 1022 So Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16. 1023 BVerfG NVwZ 1983, 89; BayVerfGH DÖV 1970, 488; BayVGH NVwZ 1985, 844; OVG NW OVGE 18, 153 (161); BGHZ 9, 289 (290) = NJW 1953, 941; BGHZ 62, 1019
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
von der vermeintlichen Möglichkeit, Ausnahmen zu normieren, mehrfach Gebrauch gemacht 1024 . Die Rechtsprechung hat dies gebilligt 1025 . Bezugspunkt der Ausnahmen vom Grundsatz" des Art. 34 S. 1 GG ist hier aber der Haftungsgegner Staat. Die Haftung an sich wird nicht in Frage gestellt 1026 . So ist es beispielsweise möglich, den Notar für von ihm begangene Amtspflichtverletzungen selbst haften zu lassen ( § 1 9 Abs. 4 BNotO), nicht aber die Haftung generell auszuschließen oder zu beschränken. Um einen wirklichen Haftungsausschluß scheint es sich indes bei den Vorschriften zu handeln 1027 , die bestimmen, daß von einer deutschen Behörde geschädigte Ausländer nur dann schadenersatzberechtigt sind, wenn ein Deutscher in ihrem Herkunftsland ebenfalls für eine entsprechende Schädigung Ersatz verlangen könnte. Dieses sog. Erfordernis der Gegenseitigkeit bei Ausländern wird gerechtfertigt mit dem Hinweis, Art. 34 S. 1 GG lasse Ausnahmen vom Grundsatz zu, daß die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen den Staat oder die Körperschaft treffe, in deren Dienst derjenige stehe, der die Amtspflicht gegenüber dem Geschädigten verletzt habe 1028 . Hier wird also die Haftung für Amtspflichtverletzungen durch deutsche Amtsträger nicht ausgeschlossen, sondern die Verantwortlichkeit dem Herkunftsland des Ausländers übertragen. Es handelt sich um keinen Haftungsausschluß hinsichtlich der Haftungsmodalitäten (Verschuldensmaßstab, Haftungsumfang, Verjährung o. ä.),
372 (376 f.); 76, 375 (381); 76, 387 (389); BGH NJW 1981, 518; NJW 1985, 1287; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/ders, GG, Art. 34 Rn. 1; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 1160; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 214 ff.; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 329; Brehm DÖV 1974, 415; Schneider NJW 1962, 705 (710); Tiemann BayVBl 1974, 57 (59); a. A. Badura Staatsrecht, D Rn. 65; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 88; Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, Art. 34 Rn. 21; Rittstieg, in: AK-GG, Art. 34 Rn. 23; Bettermann, in: ders./Nipperdey/ Scheuner, Grundrechte III/2, S. 779 (846 f.); Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 23; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB (12. Aufl.), § 839 Rn. 37; Stern, Staatsrecht I, S. 390; von Mangoldt/Klein, GG, Art. 34 Anm. II 8; Reiter BayVBl 1990, 711 (712); v. Mutius JuS 1978, 181 (182 f.); Janson DÖV 1979, 696 (704). 1024 Vgl. u. a. § 19 BNotO und hierzu BGHZ 135, 354 = NJW 1998, 142 = JZ 1998, 41 m. Anm. Ossenbühl sowie § 91 a SVG, § 5 Nr. 1 u. 2, § 7 RBHaftG. 1025 BVerfG NVwZ 1991, 661; 1983, 89; BGHZ 9, 289 (290) = NJW 1953, 941; BGHZ 76, 375 (381); 76, 387 (389); BGH NJW 1981, 518; NJW 1985, 1287. 1026 Von Mangoldt/Klein , GG, Art. 34 Anm. II 8, III 6d; Bettermann, in: ders./Nipperdey/Scheuner, Grundrechte III/2, S. 779 (847); wohl auch Papier , in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 122 f , 332 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 38; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 26; von Mutius JuS 1978, 181 (182 f.); a. A. Leibholz/ Rinck/Hesselberger, GG, Art. 34 Rn. 21. 1027 Vgl. § 7 PrStHG (PrGS 1909, S. 691); §§ 35, 33 Abs. 3 HessAGBGB 1984 i. V. m. Art. 80 HessAGBGB a. F. (i. V. m. § 7 PrStHG). 1028 BVerfG NVwZ 1983, 89; BGH NJW 1981, 518 (518 f.); NJW 1985, 1287 (1288); Rittstieg, in: AK-GG, Art. 34 Rn. 23.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
239
sondern läßt lediglich die Bundesrepublik Deutschland bzw. ihre Verwaltungsträger als potentielle Haftungsgegner ausscheiden. Wieder anders gelagert sind Ausschlüsse der Anwendbarkeit des § 839 BGB wie in § 91 a Abs. 1 S. 1 SVG. Die Vorschrift aus dem Soldatenversorgungsgesetz bestimmt, daß Soldaten aus Anlaß einer Wehrdienstbeschädigung nur die auf dem Soldatenversorgungsgesetz beruhenden Ansprüche geltend machen können, es sei denn, die Wehrdienstbeschädigung wurde durch eine vorsätzliche Handlung verursacht (§ 91 a Abs. 1 S. 2 SVG). Auch diese Vorschrift stellt lediglich eine Spezialvorschrift zu § 839 BGB dar und verdrängt diesen damit 1 0 2 9 . Die Haftung für die Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht wird nicht angetastet. Art. 34 S. 1 GG verweist nicht explicit auf § 839 BGB, sondern beinhaltet lediglich eine Haftungsüberleitung auf den Staat und setzt gewisse Mindestanforderungen fest, unter denen ein Ausgleich für staatliches Unrecht zu gewähren ist. Vorschriften wie § 91 a SVG bestimmen somit unbedenklich eine andere Konkretisierung der Haftung für Amtspflichtverletzungen wie sie in § 839 BGB vorgesehen ist. Die Möglichkeit von Haftungsausschlüssen und -beschränkungen in Form einer Satzung, welche den Amtshaftungstatbestand mitumfaßt, ist indes weder hinsichtlich des Haftungsgegners noch der Haftungsmodalitäten anzuerkennen 1030 . Die gegenteilige Rechtsprechung 1031 mißachtet die Normenhierarchie. Es übersteigt die Kompetenz der Selbstverwaltungskörperschaften, ohne besondere Satzungsermächtigung die bundesrechtliche, formellgesetzliche Vorschrift des § 839 BGB zu derogieren 1032 . Die allgemeine Verleihung von Satzungsautonomie in den Gemeindeordnungen der Länder ermächtigt im Bereich der Staatshaftung nicht Bundesrecht per Gemeindesatzung zu brechen 1033 . 1029
Vgl. etwa BGH NJW 1996, 2431 (2432 m. w. Nachw.). BGHZ 61, 7 (14 f.); BGH NJW 1984, 615 (617); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 39; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 335; ders., in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 34 Rn. 219; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 33; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 10; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 393; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 825; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 343; Sander BauR 1989,167 (168). 1031 BayVGH VerwRspr 21, 911 (914 f.); OVG NW OVGE 18, 153 (161); wohl auch BGHZ 54, 299 (305); offen gelassen BayObLG BayVBl 1989, 571 (572). 1032 Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 963 ff.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 360 f.; Rozek BayVBl 1989, 761 (762 f.); Janson DÖV 1979, 696 (704); von Mutius JuS 1978, 181 (182 f.); Brehm DÖV 1974, 415 (417); Schwarze JuS 1974, 640 (642); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (225); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (397 f.); ders. BayVBl 1974, 57 (59); Schneider NJW 1962, 705 (709 f.). Unklar und widersprüchlich insoweit Jaroschek JA 1996, 860 (865). 1033 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 361; a. A. scheinbar Reiter BayVBl 1990, 711 (712), der allerdings einzig auf die Wirkungen des Haftungsausschlusses für den Bürger und deren „Unentrinnbarkeit" abstellt. 1030
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Art. 34 S. 1 GG läßt zwar in bezug auf den Haftungsgegner Ausnahmen von der Amtshaftung zu, dies ändert jedoch nichts an der Geltung des § 839 BGB, die nicht angetastet wird. Art. 34 S. 1 GG enthält jedenfalls keine entsprechende Satzungsermächtigung. Somit kann lediglich die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" durch eine Satzung beschränkt werden 1034 . Es fragt sich allerdings, inwieweit der Haftungsausschluß oder die Haftungsbeschränkung in einem „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" für die ein oder andere Seite vorteilhaft sein kann. Wie oben festgestellt 1035, korrelieren mit den Erfüllungs- oder Abwehransprüchen aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis stets Amtspflichten, die nach § 839 BGB sanktioniert sind. Daher erscheint ein Pflichtverstoß aus einem „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" ohne gleichzeitige Amtspflichtverletzung kaum denkbar 1036 . Eine Haftungsbeschränkung über die bereits bestehenden Beschränkungen der Amtshaftung hinaus würde also von der vorrangigen oder konkurrierenden Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG überlagert und damit nutzlos. Ein Anwendungsbereich ließe sich nur dort konstruieren, wo die Amtshaftung wegen ihrer für den Haftungsgläubiger zum Teil höheren Anforderungen ζ. B. im Hinblick auf die Beweislast oder die Nichtanwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausscheidet, die Verletzung der Amtspflicht bei der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" aber trotzdem eingreift 1037 . Die Praxisrelevanz sei hier dahingestellt. Erne Beschränkung allein der Haftung aus sog. „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" hätte für die Verwaltung jedenfalls keinen allzu großen Nutzen 1038 .
1034
BGHZ 61, 7 (16); BGH NJW 1984, 615 (617); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 269; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 967 f.; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 76; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 220; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders. , Kommunalrecht BW, Rn. 300; Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB (12. Aufl.), § 839 Rn. 37; Ehlers, Verwaltung in Privarechtsform, S. 360; Janson DÖV 1979,696 (703 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (401); ders. BayVBl 1974,57 (60); Rüfner DÖV 1973,808 (811). 1035 Siehe oben S. 236. 1036 Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; Schwarze JuS 1974, 640 (643 f.); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (226). 1037 So zutreffend BGHZ 61, 7 (15); Rüfner DÖV 1973, 808 (809). - Die einzige Entscheidung, in der dies tatsächlich relevant wurde, ist insoweit BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); die Verneinung der Amtshaftung beruhte allerdings auf einer eklatanten Fehlinterpretation des § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG, siehe die Bespr. von Rozek BayVBl 1989, 761 (762) u. Reiter BayVBl 1990, 711 (711 f.); zustimmend indes von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329). 1038 Der gleiche Befund findet sich bei Rüfner DÖV 1974, 417 (418); ders. DÖV 1973,808 (809).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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hh) Verjährung Der Anspruch aus Amtshaftung verjährt nach § 852 Abs. 1 BGB binnen drei Jahren ab Kenntnis des Schadens und von der Person des Ersatzpflichtigen, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an. Für weite Teile des vertraglichen Schuldrechts gelten die Regelungen des fünften Abschnitts „Verjährung" aus dem Allgemeinen Teil des BGB. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt danach dreißig Jahre (§ 195 BGB). Auf den ersten Blick sieht dies wie ein Vorteil für den Schadenersatzgläubiger aus. Auf den zweiten Blick wird die „regelmäßige" Verjährungsfrist in einer Vielzahl der Fälle von der zweijährigen aus § 196 BGB verdrängt und kann sich so in einen Nachteil wenden. Gleiches gilt, wenn die spezielleren kurzen Verjährungsfristen aus dem Bereich des Besonderen Schuldrechts einschlägig sind (vgl. z. B. § 477 Abs. 1, § 490 Abs. 1 S. 1 , § 558 Abs. 1, § 638 Abs. 1 BGB). In bezug auf den Verjährungsbeginn ist die Regelung des § 852 Abs. 1 BGB eindeutig günstiger als diejenige des § 198 BGB. Zwar beginnt bei letzterer die Veijährung mit der Entstehung des Anspruchs zu laufen (Satz 1) und bei der Amtshaftung kann sie bereits laufen, wenn die Ursache gesetzt ist, welche die Verletzung herbeigeführt hat - selbst wenn der Schadenersatzanspruch noch nicht entstanden ist 1 0 3 9 . Allerdings läuft in den Fällen des § 198 BGB die Verjährung unabhängig davon, ob der Geschädigte Kenntnis vom Schaden hatte oder nicht - von der Kenntnis der Person des Schadenersatzschuldners wird man in vertraglichen Beziehungen in aller Regel ausgehen können. Nach § 852 Abs. 1 BGB können schon bei „besonders verwickelter und zweifelhafter Rechtslage ausnahmsweise auch erhebliche rechtliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Maßnahme bis zur Klärung die Kenntnis vom Schaden ausschließen1040. § 852 Abs. 1 BGB setzt nach h. M. aus Gründen der Rechtssicherheit, Zumutbarkeit und Billigkeit nicht voraus, daß der Geschädigte aus den bekannten Tatsachen auch die richtigen Schlüsse zieht 1041 . Dieser Umstand wird dem Schadenersatzgläubiger bei der Verletzung von Amtspflichten nicht selten zugute kommen. Die Rechtswidrigkeit einer behördlichen 1039 BGHZ 98, 77 (82); Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 108 f.; Küchenhoff, in: Erman, BGB, § 839 Rn. 95; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 229. 1040 BGH DB 1974, 427 f.; NJW 1994, 3161 (3164); OLG Hamm NJW 1997, 1512 (1513 f.); Thomas, in: Palandt, BGB, § 852 Rn. 4; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 228; Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171 (1178); Schoch Jura 1988, 648 (652); zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung bei juristischen Personen des Öffentlichen Rechts BGH NJW 1996, 2508 (2510). 1041 BGH WM 1994, 988 (991); OLG Hamm NJW 1997, 1512 (1514); Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 352; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 109; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 228; Schlick/Rinne NVwZ 1997, 1171 (1178); vgl. auch OLG Karlsruhe NVwZ-RR 1996, 242 (244). 16 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Maßnahme wird nur ausnahmsweise zweifelsfrei auf der Hand liegen; die Verwaltung als normvollziehende Stelle überprüft ihr Handeln gerade auf die rechtmäßige Umsetzung der Gesetze und wird im Normalfall nur dann tätig werden, wenn sie von der Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens überzeugt ist. Ist eine Behörde Schadenersatzgläubigerin, kommt es bei der nach § 852 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Kenntnis darauf an, wann der zuständige Bedienstete, also der mit der Vorbereitung und Verfolgung von Schadenersatzansprüchen betraute Angehörige der verfügungsberechtigten Behörde, die den Lauf der Verjährung auslösende Kenntnis erlangt 1042 . Ein weiterer Vorteil der Verjährungsregelung bei der Haftung für unerlaubte Handlungen findet sich in § 852 Abs. 2 BGB, wonach die Verjährung schon dann gehemmt ist, wenn zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten - weit zu verstehende - Verhandlungen über den zu leistenden Schadenersatz geführt werden 1043 . Eine vergleichbare Regelung kennen die §§194 ff. BGB nicht. Nach den allgemeinen Verjährungsregeln können Schadenersatzansprüche durch bloße Verhandlungen nicht gehemmt werden. Für den Schadenersatzgläubiger besteht nur die Möglichkeit, die drohende Verjährung abzuwenden, wenn er nach § 209 BGB die Schadenersatzforderungen gerichtlich geltend macht. Für die Unterbrechung der Verjährung nach § 852 BGB gilt § 209 BGB ohnehin. Hinsichtlich der Verjährungsunterbrechung ergeben sich keine Unterschiede. Die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs wird nicht nur durch Erhebung der Amtshaftungsklage unterbrochen (§ 209 BGB), sondern auch analog § 209 BGB durch das Ergreifen von Rechtsmitteln im Zuge des Primärrechtsschutzes, wie den Anfechtungswiderspruch oder die gerichtliche Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs 1044. Für die Verjährungsunterbrechung bei der Haftung des Staates nach vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftungsgrundsätzen wird Gleiches zu gelten haben. Um beurteilen zu können, die Anwendung welcher Verjährungsregelungen des BGB - der allgemeinen (§§ 194 ff. BGB), der speziellen des Besonderen Schuldrechts oder der des § 852 BGB aus dem Bereich der „Unerlaubten Handlung" - für den Anspruchsberechtigten günstiger oder nachteilig ist, bedarf es folglich einer Prüfung im Einzelfall. Die Verjährungsvorschrift des § 852 BGB 1042
BGH DÖV 1997, 877 (878) m. w. Nachw. Vgl. u. a. BGH NJW 1993,2303 (2305); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 109. 1044 BGH NJW 1998, 2051; NJW 1988, 1776; dazu von Einem BayVBl 1991, 164 ff.; BGHZ 95, 238 (242) = DVB1 1986, 181 (182) m. Anm. Berkemann; hierzu Bespr. Schenke JuS 1986, 694 ff. und von Peters NJW 1986, 1087 ff.; BGHZ 97, 97 (110). Siehe auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 353; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 109 f.; Windthorst JuS 1995, 992 (996); Schoch Jura 1988, 648 (652). 1043
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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pauschal als weniger vorteilhaft fur den Schadenersatzgläubiger anzusehen1045, erscheint fur eine Vielzahl von Fällen nicht richtig zu sein.
ii) Anspruchsinhalt Die Frage nach dem erstattungsfähigen Schaden und dem Anspruchsinhalt ist bei der Amtshaftung und der Haftung nach vertraglichen oder vertragsähnlichen Grundsätzen ebenfalls unterschiedlich zu beantworten.
(1) Geldersatz oder Naturalrestitution Der Inhalt des Amtshaftungsanspruchs richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Insbesondere ist entgangener Gewinn (§ 252 BGB) auch bei der Haftung nach § 839 BGB zu erstatten 1046. Es bestehen allerdings einige Besonderheiten im Vergleich zur vertraglichen Haftung. § 249 Abs. 1 S. 1 und § 251 BGB finden keine Anwendung. Inhalt eines Amtshaftungsanspruchs kann nur Geldersatz sein 1047 . Dies ist zum einen entstehungsgeschichtlich bedingt. § 839 Abs. 1 S. 1 BGB geht davon aus, daß vom persönlich haftenden Beamten nur das verlangt werden kann, was dieser als Privatperson zu leisten imstande wäre 1048 . Die Amtsführung, also ein öffentlich-rechtliches Verhalten, kann allenfalls von der 1045
So etwa BVerwGE 13, 17 (25) = NJW 1961, 2364 (2367); RGZ 166, 218 (224); BGHZ 29, 310 (313); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 75; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Rüfner, in: Erichsen, § 50 Rn. 10; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 301; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 645; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 823; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 71; Sander BauR 1985, 167 (168); Grave DVB1 1978, 450 (451); Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (172); Battis ZBR 1971, 300; ders, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 505. 1046 BGHZ 14, 363 (365); 67, 119 (121) = NJW 1976, 1883 (1884); BGH DVB1 1978, 412 (413); BGHZ 75, 366 (372 f.) = NJW 1980, 775 (776 f.); BGHZ 79, 223 (229, 231) = NJW 1981, 920 (922); OLG Düsseldorf NWVB1 1997, 113 (115); Küchenhoff in: Erman, BGB, § 839 Rn. 96; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 207; Windthorst JuS 1995, 992 (997); Schoch Jura 1988, 648 (652). 1047 Grundlegend BGHZ 34, 99; siehe auch Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 110 f. u. 339; Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 839 Anm. I 4; Küchenhoff in: Erman, BGB, § 839 Rn. 98; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 339 f.; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 208; Frotscher JuS 1997, L 49 (L 53); a. A. Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 104; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 31. 1048 Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 340; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 208; Windthorst JuS 1995, 992 (997); Schoch Jura 1988, 648 (652).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
zuständigen Körperschaft, nicht aber von dem Beamten gefordert werden, dessen Amtsführung beanstandet wird. Daran ändert auch Art. 34 S. 1 GG nichts. In Art. 34 S. 1 GG ist lediglich eine normative Schuldübernahme zu sehen 1049 . Der Staat kann folgerichtig nichts übernehmen, was nicht geschuldet ist - auch wenn er selbst möglicherweise zur Naturalrestitution imstande wäre 1050 . Ferner spricht gegen die Gewährung von Naturalrestitution der Umstand, daß die Zivilgerichte gegebenenfalls in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte eingreifen müßten. So könnte der Anspruch auf Naturalrestitution zum Beispiel darin bestehen, den beklagten Verwaltungsträger zur Aufhebung eines Verwaltungsakts zu verurteilen 1051 . Vertragliche bzw. vertragsähnliche Ansprüche sind für den Schadenersatzgläubiger insoweit vorteilhafter, als Naturalrestitution verlangt werden kann 1052 . Inwieweit sich dieser vermeintliche Vorteil in Anbetracht des bei rechtswidrigem Verwaltungshandeln regelmäßig konkurrierenden Folgenbeseitigungsanspruchs (bzw. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs) relativiert, sei an dieser Stelle dahingestellt 1053 .
(2) Schmerzensgeld Im Rahmen des Anspruchs aus § 839 BGB kann auch Schmerzensgeld nach § 847 BGB beansprucht werden 1054 . Dies stellt einen eindeutigen Vorteil der Amtshaftung gegenüber der vertraglichen Haftung dar 1055 . Bei Sekundäran1049 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 11 f.; Stangl, Subsidiaritätsklausel, S. 20; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 110; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 97; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 11, 17, 87 u. 209. 1050 BGHZ 34, 99 (105 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshafìungsrecht, S. 11; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 31 u. 210; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 97 f.; Schoch Jura 1988, 648 (652). 1051 BGHZ 34, 99 (105); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 11 f.; Coester-Waltjen Jura 1996, 270 (272). 1052 BVerwGE 13, 17 (23 f.) = NJW 1961, 2364 (2366); E 53, 12 (21); BayVGH BayVBl 1961, 90 (91); HessVGH DVB1 1960, 328 (329); ZBR 1974, 261 (263); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140. 1053 Hierzu siehe unten S. 364 ff. u. 375 ff. 1054 Vgl. u. a. BGH DVB1 1996, 1129; OLG Zweibrücken NJW 1998, 995 (997); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 44; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 111 ; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 211. 1055 BVerwGE 20, 199 (201 f.) = NJW 1965, 929; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 57; Plog/Wiedow/Beck/ Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 25b; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap III Rn. 101; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 10; Schnellen-
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Sprüchen aus Rechtsgeschäft sind immaterielle Schäden wegen § 253 BGB nicht erstattungsfähig.
jj) Haftungsumfang Auch beim Haftungsumfang ergeben sich Differenzen zwischen der deliktischen Haftung aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG und vertraglicher Haftung.
(1) Positives und negatives Interesse Beim Schadenersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung ist das negative Interesse zu ersetzen. Beim Ersatz des Vertrauensschadens ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stehen würde, wenn der Amtsträger seine Amtspflichten nicht verletzt hätte 1056 . Bei der Verletzung vertraglicher oder vertragsähnlicher Pflichten geht die Haftung dagegen in der Mehrzahl der Fälle auf das positive Interesse. Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stehen würde, wenn er nicht auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hätte. Dies kann bei der Berechnung des Schadens mitunter zu höheren Ansprüchen führen, zum Beispiel dann, wenn ohne Abschluß des Geschäfts mit dem Schädiger ein anderer günstigerer Vertragsabschluß möglich gewesen wäre. Ob sich hierfür bei der Amtshaftung Anwendungsfälle finden lassen, bei denen sich dieser „Vorteil" der Möglichkeit einer vertraglichen Haftung tatsächlich auswirken würde, scheint indes fraglich.
(2) Verzugsschaden und Verzugszinsen Verzögerungen bei der Leistungserbringung beurteilen sich im Zivilrecht nach Fälligkeit und Verzug. Ab Eintritt des Verzugs ist der Verzugsschaden zu ersetzen (§ 286 Abs. 1 BGB), Geldschulden sind während des Verzugs zu verzinsen (§ 288 Abs. 1 BGB), bei Handelsgeschäften sogar bereits ab Fälligkeit der Forderung (§ 353 HGB). Der Schuldner kann vom Gläubiger in den Fällen des § 284 Abs. 1 BGB nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung eigenmächtig bach Beamtenrecht, Rn. 415; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 66; Schack ZBR 1961, 132 (134); Weimar RiA 1960, 311 (312); Idei NJW 1955, 1300(1302). 1056 Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 351. - Zur Ausnahme für den Fall, daß die für den Schadenseintritt ursächliche unerlaubte Handlung zugleich die Voraussetzungen für einen vertraglichen Gewährleistungsanspruch erfüllt BGH JZ 1998, 855 m. Anm. Schermaier.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
in Verzug gesetzt werden. In den Fällen des § 284 Abs. 2 BGB tritt der Verzug sogar ohne Zutun des Gläubigers ein. Der Begriff der Fälligkeit einer Leistung wird im Öffentlichen Recht nur bei der Vollstreckung von Forderungen des Staates gegenüber dem Bürger, nicht aber im umgekehrten Verhältnis verwendet (vgl. § 3 Abs. 2 Buchst, b VwVG) 1 0 5 7 . Von Verzug ist nur bei Leistungsstörungen im Rahmen verwaltungsrechtlicher Verträge die Rede. Insoweit sind die Vorschriften der §§ 284, 288 BGB über § 62 S. 2 VwVfG entsprechend anwendbar 1058 . Ansonsten bleibt es beim Ausgleich für verspätete Leistung des Staates bei der Amtshaftung 1059 . Verzögerungen bei der Erfüllung von Ansprüchen des Bürgers in einem Verwaltungsrechtsverhältnis stellen jedoch nicht eo ipso eine zu Schadenersatz verpflichtende Amtspflichtverletzung dar. Nach der Rechtsprechung des BGH zur Amtshaftung hat die Verwaltung, abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die allgemeine, wenig konturierte Pflicht zu möglichst rascher Entscheidung 1060 . Nur wenn eine verspätete Leistung eine schuldhafte Amtspflichtverletzung i. S. d. § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG darstelle, sei ein Anspruch auf Verzögerungsschaden begründet. Verzugszinsen werden bei öffentlich-rechtlichen Geldforderungen nach nahezu einhelliger Rechtsprechung grundsätzlich nicht gewährt. Der Gläubiger eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs kann den „Verzugseintritt" und die Verzugsfolgen somit nicht wie bei einer zivilrechtlichen Forderung selbst steuern, sondern ist von einer objektiven Beurteilung über das Vorliegen etwaiger Amtspflichten abhängig. Eine Ausnahme besteht nach Rechtsprechung und Literatur allerdings dann, wenn der Schadenersatzgläubi-
1057 Henneke, in: Knack, VwVfG, § 61 Rn. 7.1. - Zum Recht der Verwaltung Fälligkeitstermin, den Beginn der Laufzeit für Verzugszinsen und den Zinssatz festzusetzen vgl. EuG EuZW 1996, 24 (27 - Tz. 47 ff.). 1058 BVerwGE 81, 312 (317 f.); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 72 Rn. 10; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 41; Kopp VwVfG, § 62 Rn. 6; Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (97 f.); Friehe NVwZ 1986, 538 (539); Czybulka NVwZ 1983, 125 (127); Obermayer BayVBl 1977, 546 (550 f.); Meyer NJW 1977, 1705 (1712); Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (258); eine ausdrückliche Vereinbarung im Vertrag bzw. ein Gegenseitigkeitsverhältnis fordernd BVerwG NVwZ 1986, 554 f.; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG (4. Aufl.), § 62 Rn. 20; einschränkend auch Heintschel v. Heinegg NVwZ 1992, 522 (528). 1059 BVerwGE 14, 1 (4 f.); 15, 78 (84) = DVB1 1963, 507 (508); BGH NJW 1982, 1277 (1278); Martens NJW 1965, 1703; wenig überzeugend der Ansatz von Redeker DVB1 1963, 509 (510 f.), der den Zinsanspruch aus dem Folgenbeseitigungsanspruch ableiten will; zust. Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (99); krit. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 355; Heintschel v. Heinegg NVwZ 1992, 522 (528); Fischer NJW 1969, 1883. 1060 Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 67; BGHZ 20, 178 (181 f.); 30, 19 (26 f.); BGH VersR 1983, 754.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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ger zur Durchsetzung einer Geldforderung förmliche Rechtsmittel ergreift; auch im Verwaltungsprozeß werden Prozeßzinsen entsprechend § 291 S. 1 BGB gewährt, wenn der Prozeß mit dem Zuspruch einer eindeutig bestimmten Geldforderung endet 1061 . Dies gilt nicht nur für die Verurteilung zu einer Zahlung, sondern auch bei der Verpflichtung zum Erlaß eines entsprechenden Leistungsbescheids1062. Bei der Verpflichtungsklage sollen ab dem Zeitpunkt mit bzw. nach Klageerhebung, in dem der Berechtigte Anspruch auf Erlaß eines Verwaltungsakts hat, der die Verwaltung sofort zur Zahlung verpflichtet, Prozeßzinsen geschuldet sein 1063 . Ist dem gerichtlichen Verfahren ein Widerspruchsverfahren vorausgegangen, so ist umstritten, ob die Verzinsungspflicht bereits ab Einlegung des Widerspruchs eintritt 1064 .
kk) Reaktionsalternativen Schlußendlich bieten das Allgemeine und Besondere Schuldrecht des BGB ein weit ausdifferenzierteres Instrumentarium an Reaktionsmöglichkeiten als das Deliktsrecht, mit denen der Geschädigte bei vertragswidrigem Verhalten seines Vertragspartners zu einem angemessenen Ausgleich für seine beeinträchtigten Interessen kommen kann. Bei Nichtleistung der einen Seite steht dem Schuldner grundsätzlich ein Zurückbehaltungsrecht zu (§ 273 Abs. 1, § 320 Abs. 1 S. 1 BGB) 1 0 6 5 ; bei einer Zuspätleistung kennt das BGB das Inverzugsetzen durch Mahnung (§ 284 Abs. 1 BGB); kann dem Gläubiger nicht mehr zugemutet werden, am Vertrag festzuhalten, so hat er die Möglichkeit des 1061
BVerwGE 7, 95 (97); 11, 314 (318); 14, 1 (3 f.); 15, 78 (84 f.) = DVB1 1963, 507 (508); E 15, 106 (107 ff.); E 38, 49 (50 f.); 25, 72 (82) = DVB1 1967, 486 (489); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); BauR 1979, 500; NVwZ 1986, 554; NJW 1995, 3135; NJW 1999, 1201; OVG NW ZBR 1986, 276 (277); VG Köln der städtetag 1993, 287 (288); BGH NJW 1982, 1277; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 90 Rn. 17 ff.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG (4. Aufl.), § 62 Rn. 20; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 42; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (95 ff.); Martens NJW 1965, 1703 (1703 f.); Götz DVB1 1961, 433 (439); mit dem gleichen Ergebnis, aber für eine Anwendung des § 111 FGO Fischer NJW 1969, 1883 (1884); für eine Zuerkennung von Zinsen seit Rechtshängigkeit aus § 288 Abs. 1 BGB OLG Brandenburg DtZ 1996, 381 (384); OLG Hamm NWVB1 1996, 400 (403); a. A. Schwankhart NJW 1967, 377 (378, 380). 1062 BVerwG NJW 1995,3135. 1063 BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (95). 1064 Verneinend BVerwGE 14, 1 (4); Ortloff in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pitfzner, VwGO, § 90 Rn. 21 Fn. 52; bejahend Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (96, 99); Fischer NJW 1969, 1883 (1885); Redeker DVB1 1963,509 (510); Götz DVB1 1961,433 (439). 1065 ^ur Anerkennung eines Zurückbehaltungsrechts im Öffentlichen Recht vgl. HessVGH NJW 1996, 2746.
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Rücktritts (§ 325 Abs. 1 S. 1, § 326 Abs. 1 S. 2, §§ 346 ff. BGB); bei Schlechtleistung kommen neben oder anstatt der Schadenersatzansprüche Mängelgewährleistungsrechte wie Wandelung (§§ 462, 465 f f , 487, 634 BGB) und Minderung (§§ 462, 472, 634 BGB), die Pflicht zur Nachbesserung (§§ 633, 476 a BGB) oder das Recht, eine mangelfreie Sache zu fordern (§ 480 BGB) in Betracht - um nur einige Beispiele zu nennen. Weiter gibt es im BGB auch Ersatzansprüche, die, ohne eine wie auch immer geartete Vertragswidrigkeit vorauszusetzen, zwischen den Primär- und den Sekundärpflichten angesiedelt sind. Bei einigen schuldrechtlichen Vertragsverhältnissen oder vertragsähnlichen gesetzlichen Schuldverhältnissen wird Verschuldens- und schadensunabhängig ein Ausgleich geschuldet, der über die eingeschränkte bereicherungsrechtliche Haftung hinausgeht. So wird ζ. B. nach § 670 BGB beim Auftrag bzw. nach §§ 677, 683 S. 2 i. V. m. § 670 BGB bei der Geschäftsführung ohne Auftrag und nach § 693 BGB beim Verwahrungsvertrag Aufwendungsersatz geschuldet. Der Amtshaftungstatbestand kennt hingegen nur das Geltendmachen von Schadenersatzansprüchen in Geld. Der Sekundärrechtsschutz ist alternativlos. Kann kein Primärrechtsschutz erlangt werden (vgl. § 839 Abs. 3 BGB), bleibt dem Bürger lediglich die Möglichkeit, Geldersatz zu fordern.
II) Zusammenfassung Die Motivation der Rechtsprechung, das „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnis" zu kreieren und fortzuentwickeln, scheint in erster Linie darin zu liegen, Ansprüchen aus Amtshaftung eine vertragliche Haftungsgrundlage zur Seite zu stellen. Pauschal zu behaupten, der vom Staat geschädigte Bürger stünde mit dem Amtshaftungstatbestand stets schlechter als bei einem Anspruch aus einer vertraglichen oder vertragsähnlichem Anspruchsgrundlage 1066, würde die Realitäten verkennen. Insbesondere kann der Private bei der Amtshaftung nicht selbst Haftungsschuldner sein, was bei einer Haftung nach Vertragsgrundsätzen durchaus möglich wäre. Der Vorteil der vertraglichen Haftung wird eher darin zu suchen sein, daß die gegenseitigen Interessen zwischen Geschädigtem und Schädiger bei vertraglicher oder vertragsähnlicher Haftung eine differenziertere Austarierung erfahren haben und damit in einer Vielzahl der Fälle potentiell zu „gerechteren" Ergebnissen führen. In vielen Punkten sind die Vor- bzw. Nachteile der vertraglichen Haftung bei genauerer Betrachtung im Vergleich zu deliktischen Amtshaftung jedoch gering.
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Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 273; Bettermann/Papier (1975), 159(172).
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III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Die Defizite der Amtshaftung sind jedenfalls nicht so zahlreich, wie die Rechtsprechung und Literatur vermuten läßt. Wo sie bestehen, betreffen sie aber mitunter zentrale Fragen und Haftungsvoraussetzungen: -
Um Verschulden von „Erfüllungsgehilfen" zurechnen zu können (§ 278 BGB), bedarf es keines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses". Verwaltungshelfer sind unabhängig von ihrer Weisungsgebundenheit im Einzelfall immer auch selbst Amtswalter im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG.
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In Fragen der Anwendbarkeit der Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB haben die Nachteile der deliktischen Amtshaftung von der Rechtsprechung erhebliche Aufweichungen erfahren. Dennoch verbleibt ein zwar geschmälerter, aber durchaus praxisrelevanter Anwendungsbereich, in dem allein die Haftung nach Vorschriften des vertraglichen Schuldrechts für den Schadenersatzgläubiger zur Durchsetzbarkeit seiner Anspruchs führt.
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In der umgedrehten Beweislastverteilung des § 282 BGB scheint der für die Praxis bedeutendste Unterschied zur Amtshaftung zu bestehen1067.
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Die Haftungsbeschränkung des § 839 Abs. 3 BGB gilt wegen des Vorrangs des Primärrechtsschutzes ohnehin im gesamten Bereich der staatlichen Ersatzleistungen. Die Anwendung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften aus dem Allgemeinen oder Besonderen Schuldrecht des BGB ist für den Schadenersatzgläubiger sogar nachteilig, wenn die Durchsetzung bzw. das Entstehen der Schadenersatzansprüche bei Vertragsverletzungen von einem bestimmten Verhalten des Schadenersatzgläubigers abhängig gemacht wird, wie ζ. B. dem Inverzugsetzen oder der Einräumung der Möglichkeit zur Nachbesserung.
1067 Vgl. die Entscheidungen VGH BW NVwZ-RR VB1BW 1982, 369 (370); 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NWVB1 1996, 12 (14); NVwZ-RR 1997, 207; VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 138, 40 (42); 166, 218 (223, 240); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); 59, 303 (309); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; DVB1 1978, 108 (109); LM § 688 BGB, Nr. 2 B1 2; NVwZ 1983, 571; NJW 1984, 615 (617); NJW 1990, 1230 (1231); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); LG Osnabrück VersR 1983, 692; sowie aus der Literatur Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Emmerich, in: MünchKommBGB, § 282 Rn. 9 f.; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Wiedemann , in: Soergel, BGB, § 282 Rn. 8; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 83; Maurer JuS 1994, 1015 (1017); Sander BauR 1985, 167 (168 f.); Grave DVB1 1978, 450 (451); Rüfner DÖV 1973, 808; Stürner JuS 1973, 749 (753); Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180); auch Vorinstanzen zu BGHZ 54, 299 (302); anders noch BGHZ 17, 191 (196); vgl. auch BGHZ 59, 303 (309), wo die Beweislastverteilung argumentativ entsprechend den Grundsätzen, die zur Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB entwickelt wurden, begründet wird.
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
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Bei der Frage der Anrechnung von Mitverschulden des Geschädigten nach § 254 BGB wird bei der Haftung nach vertraglichen oder vertragsähnlichen Grundsätzen das Verschulden von „Hilfspersonen" auch im Vorfeld der Verletzungshandlung nach § 278 BGB zugerechnet, bei der Amtshaftung hingegen nicht. Eine praktische Relevanz dieser Differenzierung ist nicht bekannt 1068 und in Anbetracht der neuen Rechtsprechung des BGH zum Amtswalterbegriff 1069 auch nicht zu erwarten.
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Der Umstand, daß mit dem Amtshaftungsanspruch nur Geldersatz verlangt werden kann, erscheint zwar vordergründig als Nachteil für den Geschädigten. Naturalrestitution bei rechtswidrigem Verhalten eines Hoheitsträger gewährt indes der Folgenbeseitigungsanspruch - und das sogar verschuldensunabhängig. Um dieses historisch bedingte Defizit der Amtshaftung zu kompensieren, bedarf es keiner Haftung nach vertraglichen oder vertragsähnlichen Grundsätzen.
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Ob über das Vehikel vertraglicher oder vertragsähnlicher Haftungsgrundsätze tatsächlich Verzugszinsen verlangt werden können oder ob die zahlreichen Reaktionsalternativen des BGB-Schuldrechts bei Vertragsverletzungen auch im Öffentlichen Recht Geltung erlangen können, scheint fraglich und muß eine eingehendere Untersuchung bei der Frage der Anwendbarkeit der betreffenden zivilrechtlichen Vorschriften an gegebener Stelle ergeben 1070 .
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Entscheidungserhebliche Unterschiede können sich bei der Berechnung der Veijährung ergeben 1071 . Allerdings läßt sich wegen der zahlreichen Diver1068
Vgl. lediglich die beiläufige Erwähnung in BGH NJW 1998, 298 (301). NJW 1996,2431 (2432). 1070 Siehe unten S. 304 ff. 1071 Vgl. die Entscheidungen BVerwGE 13, 17 (25) = NJW 1961, 2364 (2367); E 66, 251 (253); BVerwG NJW 1995, 2303 (2309); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 (n. v.); NVwZ 1996, 201; OVG Lüneburg KStZ 1988, 172 (173); OVG NW NJW 1986, 1511 (1512); GemH 1988, 259 (262); OVG RP NVwZ-RR 1991, 322 (323); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); RGZ 158, 235 (241); BGHZ 14, 122 (137); 29, 310 (313); BGH VersR 1978, 38 (41); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); sowie aus der Literatur Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 195 Rn. 13; Kopp VwVfG, § 53 Rn. 25; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 56; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 60; Müller/Beck/Entenmann, Beamtenrecht BadenWürttemberg, § 98 LBG Rn. 4; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 54 Rn. 1; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 55; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 4; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 21; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rn. 5; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 749; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 252, 273; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 161; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, 1069
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
251
genzen nur im Einzelfall beurteilen, ob die Verjährung einer Haftung nach vertraglichen Grundsätzen oder einer Haftung aus § 839 BGB fur den Schadenersatzgläubiger vorteilhafter oder nachteiliger ist. -
Auch die Frage, ob der Geschädigte nur das negative oder sogar das positive Interesse ersetzt bekommt, kann zumindest theoretisch im Einzelfall von Bedeutung sein.
-
Hinsichtlich des Verschuldensmaßstabs bietet das vertragliche Schuldrecht mehr Flexibilität als das Deliktsrecht. Einerseits kennt es Haftungsbeschränkungen auf die diligentia quam in suis, andererseits aber auch verschuldensunabhängige Haftung. Die Haftung für Verschulden kann auch individualvertraglich oder in allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden. Die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bzw. des Haftungsausschlusses ist jedoch eher theoretischer Natur. Entweder ist die konkurrierende oder speziellere Amtshaftung selbst durch ein Gesetz im formellen Sinne beschränkt bzw. ausgeschlossen oder sie überlagert die Haftung nach vertraglichen oder vertragsähnlichen Grundsätzen, für die in einer Satzung möglicherweise eine weitergehende Haftungsbeschränkung bestimmt ist.
c) Planwidrigkeit bei fehlender Anspruchsgrundlage für Primäransprüche In den Entscheidungen des BVerwG zur Vergütungspflicht der Kommunen gegenüber der Bundesdruckerei für die Herstellung von Personalausweisen wurde die fehlende Anspruchsgrundlage im Öffentlichen Recht durch die Annahme eines gegenseitigen gesetzlichen Schuldverhältnisses ersetzt 1072 . Mit ihr begründete das Gericht die grundsätzliche Vergütungspflicht und die Heranziehung der Vorschriften der §§ 315, 316 BGB über die Bestimmung der Gegenleistung durch eine Partei. Die positivrechtlichen, einfachgesetzlichen Regelungen, welche für das Verwaltungsrechtsverhältnis bei der Bestellung und Herstellung von Personalausweisen maßgeblich waren und sind, weisen eine Lücke hinsichtlich der Vergütungspflicht bzw. der Kostenausgleichspflicht der Kommunen auf. Die Pflicht zur Vergütung sowie deren Höhe könnte sich aus dem einfachen Recht
§ 53 Rn. 1; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 823; Papier, Forderungs Verletzung, S. 137; Dörr DÖV 1984, 12 (15); zurückhaltend BayVGH BayVBl 1989, 596 (597); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 224; Martensen NVwZ 1997, 442 (445); Ossenbühl NVwZ 1995, 547 (549); Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (236); Sander BauR 1985, 167 (168); Battis ZBR 1971, 300; Schack ZBR 1961, 132 (134); ders. BB 1954, 1037 (1040 f.); ders., in: FS Laun, S. 275 (288); Weimar RiA 1960,311 (312). 1072 BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). - Siehe oben S. 134 ff.
252
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
ergeben haben bzw. ergeben. Sie läßt sich jedoch weder aus dem Personalausweisgesetz selbst noch aus den Vorschriften der §§ 7, 26 BHO entnehmen. Die Verpflichtung des Bundesbetriebs der Bundesdruckerei bei der Aufstellung ihres Wirtschaftsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten (§ 7 Abs. 1 BHO), begründet keinen Rechtsanspruch der erwerbswirtschaftlich ausgerichteten Bundesdruckerei auf Vergütung 1073 . Zumindest in der Zeit der öffentlich-rechtlichen Organisationsform des Bundesbetriebs Bundesdruckerei war eine Beantwortung der Frage nach dem Kostenausgleich und damit der Finanzierungsverantwortung mangels spezialgesetzlicher Regelung zuerst anhand der Finanzverfassung zu versuchen. Das Personalausweisgesetz als unmittelbar vollzugsfähiges Rahmengesetz des Bundes 1074 ist mangels abweichender Bestimmung der Verwaltungszuständigkeit durch das Grundgesetz von den Ländern auszuführen (Art. 83 GG) 1 0 7 5 . Da für die Aufgaben des Personalausweisgesetzes keine Zuständigkeit des Bundes begründet wird, kann die Kostentragungslast der Länder - respektive der Gemeinden - vor dem Hintergrund des Konnexitätsprinzips (Art. 104 a Abs. 1 GG) nicht von vornherein ausgeschlossen werden 1076 . Vielmehr läßt das Personalausweisgesetz Rückschlüsse auf den bundesgesetzgeberischen Willen zu, nach dem die finanzielle Belastung für die Herstellung der Personalausweise die Kommunen treffen soll. § 1 Abs. 4 S. 1 PAuswG (Ausstellungsgebühr) ist als der Versuch, die Belastung der Kommunen zu mindern, zu verstehen 1077, was durch die als Reaktion auf die gestiegenen Vergütungsansprüche gedachte Erhöhung auf D M 15,- durch das ÄndG 1996 1078 nocheinmal deutlich zum Ausdruck gekommen ist 1 0 7 9 . Von einer grundsätzlichen gesetzgeberisch intendierten Vergütungspflicht ist somit auszugehen. Die Kostentragungslast ergab sich - jedenfalls vor dem 1.7.1994 - allerdings unabhängig von der Intention des Bundesgesetzgebers beim Erlaß des PAuswG unmittelbar aus Art. 104 a Abs. 1, Abs. 5 S. 1 GG. Danach knüpft die Finanzierungsverantwortung an die Verwaltungskompetenz an 1080 . Die Verwaltungszuständigkeit für die Erstellung von Personalausweisen liegt gemäß 1073
BVerwGE 98, 18 (24) = NVwZ 1995, 1098 (1099 f.); Truie JuS 1996, 883 (886). Trute JuS 1996, 883 (884). 1075 BVerwGE 98, 18 (21 ff.) = NVwZ 1995, 1098 (1099); Trute JuS 1996, 883 (884). 1076 Eingehend BVerwGE 98, 18 (21) = NVwZ 1995, 1098 (1099); zweifelnd Trute JuS 1996, 883 (885). 1077 Vgl. die Begründung des RegE eines 4. PAuswÄndG BT-Drucks. 9/1809 S. 5 u. 7. - BVerwGE 98, 18 (25) = NVwZ 1995, 1098 (1100); Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, Β § 1 Rn. 29. 1078 BGBIIS. 1182. 1079 Vgl. BT-Drucks. 13/4734 S. 4. 1080 Von Arnim, in: HStR IV, § 103 Rn. 30; Vogel/Kirchhof, in: BK-GG, Art. 104 a Rn. 54; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104a Rn. 9. 1074
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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dem Personalausweisgesetz, das als Bundesgesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführt wird (Art. 83 GG), entsprechend der grundgesetzlichen Regel des Art. 104 a Abs. 1, Abs. 5 S. 1 GG bei den Ländern. Die Herstellung der Personalausweise war indes durch das PAuswG inzidenter dem Bundesbetrieb der Bundesdruckerei zugewiesen. Es handelte sich dabei um einen Fall der gesetzlich angeordneten Organleihe 1081 . Der für das Abweichen vom Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung bei Ausführungsgesetzen des Bundes geforderte sachliche Grund bestand 1082 . Die Mißbrauchs- und Fälschungssicherheit der Personalausweise ist zu gewährleisten. Die Bundesdruckerei als Organ des Bundes wurde per Gesetz ermächtigt und beauftragt, einen den Ländern zugewiesenen Aufgabenkomplex, die Erstellung von Personalausweisen, partiell wahrzunehmen, weil die Länder auf der Ebene der Gemeinden, die für die Ausführung zuständig sind, aus Zweckmäßigkeitsgründen keine eigenen Organe gebildet haben 1083 . Die Hilfe war, wie für die Annahme einer Organleihe vom Bundesverfassungsgericht gefordert 1084 , nicht auf Einzelfälle beschränkt, sondern umfaßte die Übernahme eines ganzen Aufgabenbereichs aufgrund einer allgemeinen Regelung. Stellt der Bund den Ländern in solcher Form einen Bundesbetrieb zur Verfügung, so übt sein „Organ" in jeder Hinsicht reine Landesverwaltung unter der Verwaltungsherrschaft des Landes aus, wie wenn eine eigene Behörde des Landes bzw. der Gemeinden gehandelt hätte 1085 . Die Kostenlast für die Erfüllung der Aufgabe verbleibt in solchen Fällen der gesetzlich vorgesehenen Organleihe gem. Art. 104 a Abs. 1, Abs. 5 S. 1 GG bei den Ländern als Inhaberinnen der Aufgabenkompetenz 1086. Daß das Öffentliche Recht trotzdem keine Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch bereit hielt, erscheint daher nicht nur wegen der vom Gesetzgeber des Personalausweisgesetzes intendierten Vergütungspflicht der Gemeinden planwidrig. Art. 104 a Abs. 1 GG klärt lediglich die grundsätzliche Finanzierungsverantwortung. Seit der Privatisierung der Bundesdruckerei ist ein Anspruch auf Vergütung der Herstellung der Personalausweise nunmehr eigene Forderung der beliehe1081 Hierzu vgl. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 26; Blümel, in: HStR IV, § 101 Rn. 13. 1082 Vgl. BVerfGE 63, 1 (41); Pietzcker, in: HStR IV, § 99 Rn. 21. 1083 Vgl. zu diesen Voraussetzungen BVerwG NJW 1976, 1468 (1469). 1084 BVerfGE 63, 1 (41). 1085 BVerwG NJW 1976, 1468 (1469); Broß, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 83 Rn. 8; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 26; a. Α. wohl Trute JuS 1996, 883 (885). 1086 Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 104a Rn. 60. - Umstr. für die Fälle der Amtshilfe: für die Ausgabenlast des Amtshilfe Inanspruchnehmenden Fischer-Menshausen, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 104a Rn. 5, 39; von Arnim, in: HStR IV, § 103 Rn. 22; für die Ausgabenlast des Amtshelfers Siekmann, in: Sachs, GG, Art. 104a Rn. 18; Vogel/Kirchhof, in: BK-GG, Art. 104a Rn. 60; Birk, in: AK-GG, Art. 104a Rn. 9; siehe auch Schoch Jura 1994, 241 (243 f.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
nen Bundesdruckerei GmbH und nicht des Bundes. Die Organisationsprivatisierung hindert die Annahme einer Organleihe mit den entsprechenden Konsequenzen für die Kostentragungslast aus Art. 104 a Abs. 1, Abs. 5 S. 1 GG jedoch nicht. Der betreffende Beleihungstatbestand dient hier als Basis für die funktionale Organleihe. Daß die Bundesdruckerei GmbH mit der Herstellung von Personalausweisen eine Dienstleistung erbringt, deren Abnehmer die Kosten tragen sollen, kann zudem der Intention des Personalausweisgesetzes entnommen werden und erscheint spätestens seit der Erhöhung der Ausstellungsgebühr 1087 unzweifelhaft. Zur Schließung der offensichtlich planwidrigen Lücke hinsichtlich der Anspruchsgrundlage hat das BVerwG das „gegenseitige gesetzliche Schuldverhältnis" ausgemacht1088. Hinsichtlich der Bestimmung der Leistungshöhe des Vergütungsanspruchs schweigen sich die Gesetze ebenfalls aus. Auch insofern besteht daher eine Lücke im Öffentlichen Recht. Folgt man der Prämisse des BVerwG hinsichtlich des Bestehens eines primären Vergütungsanspruchs 1089, kann auch von deren Planwidrigkeit ausgegangen werden 1090 .
d) Planwidrigkeit bei fehlendem Ausgleich für „Geschäftsführung ohne Auftrag" im Öffentlichen Recht Das Allgemeine Verwaltungsrecht sowie das Staatshaftungsrecht i. w. S. enthalten keine bzw. kaum Regelungen für einen Ausgleich von Aufwendungen, die bei Übergriffen in den Geschäftskreis bzw. Zuständigkeitsbereich eines Privaten oder eines Verwaltungsträgers anfallen. Spezialgesetzlich ist ein solcher Aufwendungsersatz entsprechend den Intentionen der privatrechtlichen GoA nur in wenigen Fällen geregelt. Beispielhaft genannt seien § 121 BSHG 1 0 9 1 sowie § 127 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 539 Abs. 1 Nr. 9 lit. c,
1087
Gesetz zur Änderung des Personalausweisgesetzes, BGBl 1996 I, S. 1182. BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100); näher zum Begründungsansatz des BVerwG siehe oben S. 134 ff. 1089 ^ur Haltbarkeit einer Anspruchsbegründung über die schlichte Annahme eines „gesetzlichen Schuldverhältnisses" siehe unten S. 310 ff. 1090 Zum tatsächlichen Bestehen einer Anspruchsgrundlage aus „gesetzlichem Schuldverhältnis" und zur Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorchriften zur Leistungsbestimmung siehe ausführlich unten S. 350 ff. 1091 Vgl. hierzu etwa die Entscheidungen VGH BW, Urt. v. 23.4.1997 - 6 S 3302/95 = VGH BW RSpDienst 1997 Beil 7 Β 5; BayVGH BayVBl 1994, 49 (50 f.); sowie aus der Literatur Schellhorn/Jirasek/Seipp Bundessozialhilfegesetz, § 121 Rn. 1; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 12 Fn. 58; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 91; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 343; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 230. - Zur eher entfernten Verwandtschaft anderer sozialrechtlicher Vorschriften mit der GoA vgl. Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 86. 1088
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
255
§ 765 a R V O 1 0 9 2 sowie Art. 17 Abs. 3 S. 4 BayFwG 1093 . Einige Polizeigesetze der Länder verweisen direkt auf die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB 1 0 9 4 . Ansonsten weist das Öffentliche Recht eine Lücke auf, wenn fremdnützige Geschäftsbesorgung durch die Erstattung der Aufwendungen entlohnt werden soll 1 0 9 5 . Das Öffentliche Recht sieht in der Regel in derartigen Konstellationen keinen Ausgleich in Form von Aufwendungsersatz oder Schadenersatz vor. Von einer Lücke kann ausgegangen werden. Ob diese Lücke tatsächlich planwidrig ist, läßt sich allerdings nur bei Betrachtung des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs in den verschiedenen Fallgruppen beurteilen 1096 .
aa) Handeln eines Verwaltungsträgers
für einen anderen Verwaltungsträger
Beim Handeln eines Verwaltungsträgers „für" einen anderen Verwaltungsträger wird das Handeln der öffentlichen Verwaltung durch besondere Zuständigkeitsnormen legitimiert. Staatliche Stellen werden im hoheitlichen Handlungszusammenhang grundsätzlich in gesetzlichem Auftrag tätig. Maßgebend für das Handeln der Verwaltung sind öffentlich-rechtliche Aufgaben- und Befugnisnormen. Die Legitimation staatlichen Handelns ergibt sich bereits aus dem Öffentlichen Recht selbst 1097 . Vollzieht eine Behörde in dem ihr zugewiesenen Zuständigkeitsbereich öffentlich-rechtliches Sonderrecht, so erfüllt sie die ihr vom Gesetzgeber übertragenen Aufgaben. Ein Verwaltungsträger bedarf zum Tätigwerden keiner Zuhilfenahme der bürgerlichrechtlichen Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag in §§ 677 ff. BGB. Übergriffe unzuständiger Verwaltungsträger in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Ver-
1092 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 90; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 230; Nipperdey, in: Staudingers Komm. z. BGB (11. Aufl.), Vorb § 677 Rn. l\\Haymann JW 1932, 367; Jaschkowitz JW 1928, 1024 (1025); a. A. Freund JZ 1975, 513(517). 1093 VG Würzburg BayVBl 1996, 90 (90 f.). 1094 Vgl. u. a. § 57 PolG BW; § 41 Abs. 2 BbgOBG; § 61 Abs. 1 BremPolG; § 69 Abs. 1 HessSOG; § 75 Abs. 2 SOG MV; § 42 Abs. 2 OBG NW; für Feuerwehreinsätze § 33 Abs. 6 BremBrandSchG; § 39 Abs. 3 HessBrSHG; § 33 Abs. 2 FSHG NW; hierzu Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 101 ff. 1095 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 62; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 129; Schoch Jura 1994, 241 (242); Habermehl Jura 1987, 199 (201); Jaschkowitz TW 1928, 1024(1025). 1096 Zur Einteilung der öffentlich-rechtlichen GoA in vier Fallgruppen siehe auch oben S. 114 f. 1097 OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370, 373); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 64; Bamberger JuS 1998, 706 (707); Schoch Jura 1994, 241 (243); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Klein DVB1 1968, 166(167).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
waltungsträgers sind von der Kompetenzordnimg nicht gedeckt, rechtswidrig und durch das zivilrechtliche Institut der GoA nicht zu rechtfertigen 1098 . Die Legitimationsfunktion der §§ 677 ff. BGB läuft im gesetzlich determinierten Bereich der öffentlichen Verwaltung leer. Die Verwaltungsträger können sich bei ihrem Tätigwerden in dem Rechtskreis eines anderen Verwaltungsträgers regelmäßig auf ihren öffentlichen Auftrag berufen. Einer Rechtfertigung über ein besonderes Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsbesorgung (vgl. § 683 BGB) bedarf es nicht, es liegt ein öffentliches Interesse am Vollzug der öffentlich-rechtlichen Normen vor. Die privatrechtliche und die öffentlich-rechtliche GoA zwischen zwei Verwaltungsträgern finden folglich in bezug auf die legitimierende Wirkung keine vergleichbare Parallele 1099 . Das Fehlen öffentlich-rechtlicher Regelungen zur GoA ist systemimmanent. Ist der Übergriff eines Verwaltungsträgers durch Befugnisnormen legitimiert, könnte sich die Planwidrigkeit fehlender Regelungen zur GoA in diesem Bereich ausschließlich auf die Ausgleichsfunktion der GoA beziehen 1100 . Die Kostenverteilung bei einer Fremdgeschäftsführung erfolgt im Zivilrecht aufgrund der gesetzgeberischen Interessenbewertung. Bei Vorliegen einer fremdnützigen, vom Nutznießer tatsächlich oder mutmaßlich gewollten Geschäftsbesorgung soll den Interessen des Fremdgeschäftsführers zumindest insoweit Rechnung getragen werden, als er seine Aufwendungen ersetzt verlangen kann. Im Öffentlichen Recht bestimmt sich der Umstand, wer die Kostenlast für die Ausführung einer öffentlichen Aufgabe trägt, nicht nach einer Interessenbewertung, sondern ist grundgesetzlich determiniert. Nach Art. 104 a Abs. 1 GG tragen der Bund und die Länder die Kosten ihrer Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, grundsätzlich gesondert. Die Gemeinden und Landkreise gelten in diesem zweistufigen Staatsaufbau als Teile der Länder (vgl. Art. 106 Abs. 9 GG) und sind somit in die das Verhältnis von 1098
BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); BayVGHE 23, 2 (5); OVG NW NJW 1976, 1956; VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); BGH NJW 1978, 1258 (1259); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 69; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 342; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 11; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4 Rn. 32, § 54 Rn. 53; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Bamberger JuS 1998, 706 (708); Schoch Jura 1994, 241 (243); von Einem NWVB1 1992, 384 (386); Oldiges JuS 1989, 616 (623); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Gusy JA 1979, 69 (70); a. A. Lorenz JZ 1992, 462 (464); Klein DVB1 1968, 166 (168). - Diese Erkenntnis anhand von Billigkeitserwägungen aufweichend OVG Hamburg NVwZ 1995, 369 (370, 373). 1099 Zur Zulässigkeit eines Übergriffs in den Kompetenzbereich eines anderen Verwaltungsträgers siehe auch unten bei der Ermittlung der Grenzen gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung bei öffentlich-rechtlicher GoA, S. 369 ff. 1100 Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 27 f. ist der Auffassung, daß die behördliche Befugnis zum Handeln und das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch ganz unabhängig voneinander zu sehen seien.
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Bund und Ländern im ganzen bestimmende Regelung der Lastenverteilung des Art. 104 a Abs. 1 GG 1 1 0 1 miteinbezogen. Das Konnexitätsprinzip trennt ausgehend vom Grundsatz der verfassungsrechtlich angelegten Aufgabentrennung die Ausgabenverantwortung 1102. Zum Verständnis des Begriffs „Aufgabe" i. S. des Konnexitätsprinzips aus Art. 104 a Abs. 1 GG ist nach ganz überwiegender Meinung auf die Verwaltungskompetenz und nicht auf die Gesetzgebungskompetenz zurückzugreifen 1103 . Somit sind die Kosten einer Maßnahme, die ein Verwaltungsträger bei deren Ausführung hat, grundsätzlich an die Verwaltungszuständigkeit gebunden 1104 . Sollen die Länder und Kommunen zur Finanzierung der Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Verwaltungskompetenz des Bundes bzw. der Bund im Verhältnis zu den Ländern zur (Mit-)Finanzierung herangezogen werden, bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung. Eine solche kann in einer analogen oder rechtsgrundsätzlichen Heranziehung der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 677 ff. BGB jedenfalls nicht gesehen werden 1105 . Bei der Ablehnung oder Anerkennung einer Lückenhaftigkeit des Öffentlichen Rechts ist zu differenzieren zwischen der „unechten" und der echten Doppelzuständigkeit sowie Fällen, in denen eine unzuständige Behörde handelt. Um den Ausnahmefall einer „unechten" Doppelzuständigkeit handelt es sich beispielsweise bei der Wahrnehmung von unaufschiebbaren Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und bei Gefahr im Verzug. In diesen Fällen ist im Regelfall die zuständige Polizei- und Ordnungsbehörde im Rahmen ihrer originären Eilkompetenz tätig. Die vermeintliche Doppelzuständigkeit entsteht erst durch die Eilbedürftigkeit der Maßnahme. Es ist staatlicher Auftrag der Polizei- und Ordnungsbehörde bei Gefahr im Verzug oder aus anderen Gründen der Unaufschiebbarkeit von ihrer sogenannten außerordentlichen, subsidiären Zuständigkeit Gebrauch zu machen und gegebenenfalls die „eigentlich" zuständige Behörde aus ihrer Verantwortung zu verdrängen. Das Konnexitätsprinzip verhindert den Rückgriff auf den zuständigen Verwaltungsträger, wenn dies nicht spezialgesetzlich vorgesehen ist 1 1 0 6 . Die „Eilbehörde" handelt in eigener Zuständigkeit und somit zudem nicht „ohne Auftrag" i. S. d. § 677 BGB 1 1 0 7 .
1101 BVerfGE 26, 338 (390); BVerwGE 81, 312 (313) = NVwZ 1989, 876 (877); BVerwG NVwZ 1992, 264 (265). n 2 ° Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 13; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 109; Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 204. 1103 Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 205; Schoch Jura 1994, 241 (243). 1104 BVerwGE 44, 351 (365); BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); BayVGH NVwZ 1993, 794 (795); Henneke, Öffentliches Finanzwesen, Rn. 207; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 38; Schoch Jura 1994, 241 (243). 1105 Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, S. 679. 1106 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 78 f.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 54; Schoch Jura 1994, 241 (244); von Einem NWVB1 1992, 384 17 Meysen
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Ergreift ein Verwaltungsträger in eigener, gesetzlich zugewiesener Zuständigkeit, auch aufgrund einer behördlichen Eilkompetenz, eine Verwaltungsmaßnahme, so hat er die Kostenlast zu tragen. Art. 104 a Abs. 1 GG schützt somit indirekt Entscheidungs- und Handlungszuständigkeit der einzelnen Verwaltungsträger. Besteht für ein Tätigwerden beispielsweise ein Entschließungs- oder Auswahlermessen, verlöre der „auch" zuständige Verwaltungsträger seine Dispositionsmöglichkeiten, die Kostenbelastungen selbst zu steuern und abschätzen zu können bzw. seine Planungssicherheit, daß nur dann eine Kostenbelastung auf sie zukommen kann, wenn sie eine Aufgabe in eigener Zuständigkeit erfüllen oder die Kostenerstattung ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist 1108 . Die Interessenbewertung im Öffentlichen Recht schützt die Verwaltungsträger daher anders als bei der fremdnützigen GoA im Privatrecht vor „aufgedrängtem" Aufwendungsersatz. Die Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs widerspräche den öffentlichrechtlichen Kostentragungsgrundsätzen und hätte stets zur Folge, daß Verwaltungsträger mit ungewollten Ausgaben konfrontiert wären 1109 . Nicht anders zu beurteilen ist die Interessenlage bei echter Doppelzuständigkeit. Wegen der grundsätzlich eindeutigen Kompetenzabgrenzung im Verwaltungsrecht und der Zuweisung von Zuständigkeiten in der Regel nur an eine Behörde sind Fälle, in denen mehrere Verwaltungsträger gleichermaßen für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zuständig sind, äußerst selten. Bei solchen negativen Kompetenzkonflikten könnte das Konnexitätsprinzip zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, daß wegen der Kostenfolge keiner der zuständigen Verwaltungsträger die Aufgabenausführung vornimmt. Erklärt sich letztendlich doch einer der beiden Verwaltungsträger dazu bereit, die im öffentlichen und möglicherweise zusätzlich im Interesse einzelner Privater liegende Verwaltungsmaßnahme auszuführen, so wird er dafür nicht etwa belohnt, sondern mit der Kostentragungspflicht beschwert. In einem solchen Fall 1 1 1 0 erscheint ein Ausgleich zwar (386); Oldiges JuS 1989, 616 (623); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Gusy JA 1979, 69 (70); a. A. BVerwG NJW 1986, 2524 (hiergegen BVerwG DVB1 1991, 392); Klein DVB1 1968, 166(168). 1107 Siehe oben die Ausführungen zur Legitimationsfunktion. - OVG NW NJW 1986, 2526; Bonk,, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 53; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 279; Schoch Jura 1994, 241 (244); Oldiges JuS 1989, 616 (623); Habermehl 1987, 199 (204). 1108 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); BayVGHE 23, 2 (6); OVG Hamburg NVwZ-RR 1995, 369 (370); Schoch Jura 1994, 241 (243); Gusy JA 1979, 69 (70). 1,09 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); BayVGH BayVBl 1993, 466 (467); BGH NJW 1978, 1258 (1259); Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 18; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 24; Schoch Jura 1994, 241 (243); Blas JA 1989, 514 (515 f.); dies. BayVBl 1989, 648 (650); Gusy JA 1979, 69 (70); dies verkennend BayVGH DÖV 1997, 76 (79). 1110 Vgl. die Entscheidung des OVG NW NJW 1976, 1956, bei der das OVG einem Kreis die Hälfte der Kosten, die dieser aufgrund seiner straßenrechtlichen Pflicht für die Reparatur einer Stützmauer, die einer Kreisstraße zur Uferbefestigung eines Bachlaufes
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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nach Billigkeitserwägungen sinnvoll, zu einer Vergleichbarkeit der Interessenlage bei der öffentlich-rechtlichen GoA führt dieses Bedürfnis nach einem angemessenen Ausgleich allerdings nicht. Jeder der gleichermaßen zuständigen Behörden erfüllt einen eigenen öffentlichen Auftrag. Auch hier liegt keine öffentlich-rechtliche Geschäftsführung „ohne Auftrag" vor. Es fehlt an der Auftragslosigkeit des Geschäfts 1111. Es bleibt daher allein die Überlegung, ob auf die Ausgleichsregelung des § 426 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden kann 1112 , da in bezug auf die öffentlich-rechtliche Pflicht ein der Gesamtschuld vergleichbares Verhältnis bestand. Wird ein Verwaltungsträger tätig, obwohl er sachlich, örtlich oder instanziell unzuständig ist, kann das daran liegen, daß er sich rechtsirrtümlich für zuständig hält. Die Annahme einer öffentlich-rechtlichen GoA scheitert hier bereits am Fremdgeschäftsführungswillen (vgl. § 687 Abs. 1 BGB) 1 1 1 3 . Der Aufwendungsersatz kann allenfalls über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch begehrt werden. Somit verbleibt der Ausgleichsfunktion beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger nur ein sehr schmaler Bereich, in dem im Rahmen der Kompetenzordnung und der davon abgeleiteten Kostentragungsgrundsätze eine planwidrige Unvollständigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang möglich erscheint. Ein solcher ist dann denkbar, wenn eine Behörde zwar ohne gesetzlichen Auftrag und ohne zuständig zu sein tätig wird, der Übergriff in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Verwaltungsträgers aber im Wege der Spontanhilfe erfolgt. Eine solche Nothilfekompetenz wird allgemein angenommen, wenn es der eigentlich zuständigen Behörde aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, eine dringend gebotene Maßnahme vorzunehmen 1114 . Das gleiche muß gelten, wenn sich der zuständige Verwaltungsträger weigert, die (sofort) gebotene Handlung vorzunehmen 1115 . In derartigen, in der Praxis äußerst selten auftretenden und nur in
diente, zugebilligt hatte. Zur Zahlung verurteilt wurde ein Verband, dessen Pflicht zur Gefahrenbeseitigung sich aus wasserrechtlichen Vorschriften ergab; hierzu Gusy JA 1979, 69 (70). - Auch OVG Lüneburg OVGE 18, 384. 1111 Siehe hierzu auch unten S. 260 ff. bei der Prüfung der planwidrigen Lücke, wenn ein Verwaltungsträger für einen Privaten handelt. 11,2 So zutreffend OVG NW NJW 1976, 1956 (1957). - Vgl. auch Schoch Jura 1994, 241 (244 Fn. 44); Baur JZ 1964, 354 (357 f.); Hartmann Recht 1914, Sp. 221 (223). 1,13 A.A. BayVGHE 23, 108 (116 f.). 1114 BayVGHE 23, 2 (5 f.); OVG NW NJW 1976, 1956; VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 79, 87; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4 Rn. 32, § 54 Rn. 53; Bamberger JuS 1998, 706 (708); Schoch Jura 1994, 241 (244); von Einem NWVB1 1992, 384 (386 f.); Blas BayVBl 1989, 648 (649); Fleischfresser VR 1988, 305 (308); Gusy JA 1979, 69 (70). 1115 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 86; Schoch Jura 1994, 241 (244); Habermehl Jura 1987, 199 (203). - Versucht ein Gemeinderatsmitglied seine Mitgliedschaft in einem gemeindlichen Untersuchungsausschuß einzuklagen, so liegt zwar auch
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Extremsituationen denkbaren Fallkonstellationen, in denen eine unzuständige Behörde von der eigentlich zuständigen Behörde Ausgleich für Aufwendungen begehrt, weil sie in einer Notsituation Spontanhilfe geleistet hat, weist das Öffentliche Recht in der Tat planwidrig eine Lücke auf, die möglicherweise mit Hilfe der Regeln der privatrechtlichen GoA geschlossen werden kann 1116 .
bb) Handeln eines Verwaltungsträgers
für einen Privaten
In bezug auf die Legitimationsfunktion bei privatrechtlicher GoA läßt sich beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten in öffentlichrechtlichem Handlungszusammenhang noch weniger von einer planwidrigen Lücke sprechen als beim Handeln mehrerer Verwaltungsträger untereinander. Das Handeln der Verwaltung gegenüber dem Bürger unterliegt dem Vorbehalt und dem Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG). Fehlt bei einem Eingriff des Staates in den Rechtskreis des Privaten eine Ermächtigungsgrundlage, so kann das Institut der öffentlich-rechtlichen GoA diese nicht ersetzen 1117. Der Verwaltungsträger darf gegenüber dem Bürger nur im Rahmen der ihm durch öffentlich-rechtliche Spezialgesetze zugewiesenen Aufgaben tätig werden. Er bedarf einer ausdrücklichen Befugnisnorm. Insoweit ist der dargestellten Begründung 1118 der einzig bislang ersichtlichen Entscheidung 1119 , in welcher zur ein Fall der Weigerung vor, es stellt sich bei Erfolglosigkeit der Klage aber schon die Frage, ob die Handlung geboten war, vgl. VG Würzburg NVwZ-RR 1997,487 (488). 1116 Zu den Grenzen der Heranziehung der Grundsätze über die Geschäftsführung ohne Auftrag im Öffentlichen Recht siehe unten S. 369 ff. 1117 VG Köln NVwZ 1993, 806 (807); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 14, 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 97, 164 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 5; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 31; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 269; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 400; Dr ews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 679; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (244 f.); Oldiges JuS 1989,616 (621); Würtenberger NVwZ 1983, 192 (193 f.); Gusy JA 1979, 69 (71); a. A. offensichtlich BayVGH NVwZ-RR 1992, 431 (432); NVwZ-RR 1996, 530 (531); Wild VR 1998, 131 f. - Siehe hierzu auch unten bei den Grenzen derrichterrechtlichen Rechtsfortbildung S. 369 ff. 1118
Siehe oben S. 125. VG Köln NVwZ 1993, 806 (807). Dies ist auch einhellige Auffassung in der Literatur Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 14, 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 97, 164 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 5; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 31; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 269; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 400; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 679; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (244 f.); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Würtenberger NVwZ 1983, 192 (193 f.); Gusy 1119
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
261
Legitimation eines hoheitlichen Eingriffs in Rechte eines Privaten die Heranziehung der §§ 677 ff. BGB diskutiert wurde, nichts hinzuzufügen. Liegt allerdings eine gesetzliche Ermächtigung vor, so handelt die Behörde nicht mehr ohne Auftrag 1120 . Sie ist zumindest „sonst dazu berechtigt" (§ 677 BGB), das betreffende Geschäft zu führen 1121 . Die Reaktion der zivilgerichtlichen Rechtsprechung auf dieses eindeutige Hindernis bei der Anwendung der Grundsätze der GoA aus den §§ 677 ff. BGB im Öffentlichen Recht ist - wie geschildert 1122 - die Kreation des „auch-fremden" Geschäfts. Handelt eine Behörde in gesetzlichem Auftrag, so führt sie zuerst einmal ein eigenes Geschäft. Ungeachtet der Frage, ob es in dem auf objektive Rechtslagen abhebenden Öffentlichen Recht überhaupt auf einen - zusätzlichen Fremdgeschäftsführungswillen ankommen kann, bedürfte dieser zumindest besonderer Begründung. Im Bürgerlichen Recht ist zur Geschäftsführung ohne Auftrag nur legitimiert, wer ein Geschäft nicht bloß als eigenes, sondern zumindest auch als fremdes besorgt 1123 . Die Rechtsprechung stellt zutreffend fest, daß bei objektiver Beurteilung eine Fremdgeschäftsführung auch dann vorliegen kann, wenn der Geschäftsführer bei der Übernahme des Geschäfts zugleich eigene Interessen mitverfolgt 1124 .
JA 1979, 69 (71). - Α. A. scheinbar BayVGH NVwZ-RR 1992, 431 (432); NVwZ-RR 1996, 530 (531), wobei in den beiden Fällen die Behörde zum Tätigwerden ausdrücklich gesetzlich ermächtigt war. 1120 Der Versuch von Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385, einen Anwendungsfall zu konstruieren, bei dem ein schlichthoheitliches Handeln gegenüber dem Bürger dessen Rechte nicht tangiert, aber gleichzeitig eine Ausgleichspflicht nach den Grundsätzen der GoA begründen soll, scheint nicht nachvollziehbar. 1121 VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 17; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 14; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 251, 275; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277, 281; Mühl, in: Soergel, BGB, Vorb § 677 Rn. 9; Steffen, in: RGRK-BGB, Vorb § 677 Rn. 108; Pesch Jura 1995, 361 (366 f.); Schoch Jura 1994, 241 (244, 248); von Einem NWVB1 1992, 384 (388); Oldiges JuS 1989, 616 (621); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Gusy JA 1979, 69 (71); Hurst DVB1 1965, 757 (759); Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 268, der allerdings von einer „Geschäftsführung kraft besonderer Gestattung" ausgeht, auf welche die §§ 677 ff. BGB wegen vergleichbarer Interessenlage gleichwohl anwendbar seien; a. A. Wild VR 1998, 131 (134), der danach differenziert, ob die Behörde im Wege der Eingriffs- oder LeistungsVerwaltung vorgeht. - Baur DVB1 1965, 893 (894) blendet daher die Legitimationsfunktion der GoA gänzlich aus und hebt sofort auf die Berechtigung der Anwendung in Bezug auf die Ausgleichsfunktion ab; zweifelnd Martinek/Theobald JuS 1997, 992 (997). 1122 Siehe hierzu oben S. 120 ff. 1123 Thomas, in: Palandt, BGB, § 677 Rn. 3. 1124 Vgl. u. a. BVerwG NJW 1989, 922 (923); VGH BW NJW 1977, 1843; OVG Hamburg GewArch 1992, 430 (431); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; OVG NW NJW 1976, 1956; NWVB1 1996, 12 (13); BSG NJW 1991, 2373; Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 8; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 395; Schoch Jura 1994, 241 (247);
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Bei einer vergleichenden Bewertung der Tatbestandsmerkmale einer privatrechtlichen GoA mit einer öffentlich-rechtlichen GoA zeigt die Beurteilung über das Vorliegen des subjektiven Elements des Fremdgeschäftsführungswillens deutliche Divergenzen auf. In öffentlich-rechtlichem Handlungszusammenhang wird zwar häufig ein objektiv fremdes Geschäft vorliegen, der Verwaltungsträger als Geschäftsführer will aber semen gesetzlichen Auftrag erfüllen. Ohne gesetzlichen Auftrag würde er nicht tätig. Im Privatrecht bereiten solche Konstellationen wenig Schwierigkeiten. Ansprüche aus GoA werden mangels Fremdgeschäftsführungswillens regelmäßig abgelehnt. Wenn beispielsweise eine KfzWerkstatt wissentlich oder unwissentlich vom Nichteigentümer eines Fahrzeugs einen Reparaturauftrag erhält, führt sie zugleich ein fremdes Geschäft für den rechtmäßigen Eigentümer. Das Geschäft mag objektiv zwar ein fremdes sein 1125 , für die Annahme einer GoA ist jedoch nicht ausreichend, daß der Handelnde ein objektiv „auch-fremdes" Geschäft führt. Nach der Rechtslage der §§ 677 ff. BGB muß der Wille hinzukommen, ein fremdes Geschäft zu führen, und dieser muß nach außen erkennbar zu Tage getreten sein. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluß bei der Abgrenzung der berechtigten GoA von der „unechten" GoA (§ 687 Abs. 1 BGB) bzw. der Geschäftsanmaßung (§ 687 Abs. 2 BGB) 1 1 2 6 . Im genannten Beispielsfall hat sich die Werkstatt im Zweifel keine Gedanken darüber gemacht, ob sie nicht „auch" für den (wahren) Eigentümer des Fahrzeugs ein Geschäft besorgen will. Bei ihren Reparaturarbeiten ist ihr ausschließliches Bestreben, den eigenen werkvertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Selbst wenn die Werkstatt weiß, daß das Auto einem Dritten gehört - andernfalls würde erne GoA an § 687 Abs. 1 BGB scheitern - , so wird sie sich im Regelfall kerne Gedanken darüber gemacht haben, ein Geschäft „auch" für den Eigentümer führen zu wollen. Die Annahme eines solchen Willens erscheint gekünstelt und von der Zielsetzung getragen, - ungeachtet der positivgesetzlichen Regelungen - „sachgerechte" Ergebnisse zu erzielen. Die Annahme einer GoA nach bzw. entsprechend den Grundsätzen der §§ 677 ff. BGB muß daher von vornherein an dem Willen zur Fremdgeschäftsführung scheitern 1127. Bei Drittbeteiligungsfällen scheint dies der Schreiber Jura 1991, 155 (156); Oldiges JuS 1989, 616 (621 f.). - Zur Begründung der Rechtsprechung siehe oben S. 120 f. 1125 H. M.; a. A. BVerwG NVwZ 1992, 264; VGH BW NJW 1985, 2603 (2604); OVG NW NJW 1986, 2526; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 35 ff; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 412; Ehmann, in: Erman, Vorb § 677 Rn. 9; Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (387). 1126 Schreiber Jura 1991, 155 (156); vgl. auch BVerfGE 18, 429 (437). 1127 Vgl. BVerfGE 18, 429 (437); Emmerich, Schuldrecht BT, § 13 Rn. 10; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 62; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 414; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 9; Martinek/Theobald JuS 1997, 992; Schröder/Bär Jura 1996, 449 (452); Lorenz JZ 1992, 462 (463); Stecken DVB1 1971, 243 (246). - Die h. L. lehnt richtigerweise auch in Fällen tatsächlicher Durchführung nichtiger Verträge die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens ab, Einsele JuS 1998, 401 (403 f.) m. w. Nachw. in Fn. 24 f.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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Rechtsprechung auch keine Schwierigkeiten zu bereiten 1128 . Es ist keine plausible Begründung ersichtlich, warum etwas anderes gelten solle, wenn die Verwaltung ihren gesetzlichen Auftrag zur öffentlich-rechtlichen Aufgabenwahrnehmung erfüllt 1 1 2 9 - ohne daß Rechte Dritter beeinträchtigt werden. Insoweit fehlt im Öffentlichen Recht diesbezüglich auch keine Regelung. Diese zweifelhafte und gezwungene Konstruktion eines Fremdgeschäftsführungswillens beim „auch-fremden" Geschäft zeigt, daß die Intention, im öffentlich-rechtlichen Handlungszusammenhang ein Ausgleichsschuldverhältnis schaffen zu können, allein auf Billigkeitserwägungen beruht 1130 . Im Privatrecht hätte sich der Fremdgeschäftsführer nämlich dem Willen und den Interessen des Geschäftsherrn unterzuordnen (§ 683 S. 1 BGB). Handelt hingegen ein Verwaltungsträger in Erfüllung einer ihm per Gesetz zugewiesenen Aufgabe, so scheidet eine Unterordnung unter den Willen des durch die Aufgabenerfüllung vermeintlich Begünstigten oder im Bereich der Gefahrenabwehr gar des Störers aus 1131 . Handelt die Verwaltung im öffentlichen (Gesetzes-)Auftrag, so ist sie dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Fiktion eines Fremdgeschäftsführungswillens zugunsten des privaten „Geschäftsherrn" würde die Staatlichkeit zu einer „vagen Privatnützigkeit" verkommen lassen 1132 . Es bleibt dabei, die Behörden erfüllen, wenn sie die Gesetze ausführen, den staatlichen, also ihren eigenen Auftrag und kein Geschäft eines anderen, für das sie von diesem kei1128
BVerwGE 27, 314 (319); 48, 279 (285 f.). Ablehnend deshalb gegenüber der Konstruktion des „auch-fremden" Geschäfts BVerwG NVwZ 1992, 264 (265); VGH BW NJW 1985, 2603 (2604 f.); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); OLG Koblenz NJW 1992, 2367 (2368); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 12; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Brox, Besonderes Schuldrecht, Rn. 365; Medicus, Schuldrecht II, Rn. 622; ders, Bürgerliches Recht, Rn. 414; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 39; Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 15 ff.; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 9; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 471 ff.; Bamberger JuS 1998, 706 (707); Schoch Jura 1994, 241 (245, 248); von Einem NWVB1 1992, 384 (387 f.); Lorenz JZ 1992, 462 (463); Oldiges JuS 1989, 616 (622); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Sieg, in: FS Hauß, S. 335 (336); Steckert DVB1 1971, 243 (246). - Vgl. bereits Hartmann Recht 1914, Sp. 221 (223 f.), der die Annahme eines „auch-fremden" Geschäfts unter Hinweis auf § 687 Abs. 1 BGB zutreffend ablehnt; sinngemäß auch Jaschkowitz JW 1928, 1024 (1025). 1130 So unumwunden zugebend Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 2, S. 520 (Fn. 8). - Dies hingegen monierend Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 10; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 412; Pesch Jura 1995, 361 (368); vgl. auch MartinekJTheobald JuS 1997, 612; Lorenz JZ 1992, 462 (463). 1131 Medicus, Schuldrecht II, Rn. 630; ders, Bürgerliches Recht, Rn. 412, 414; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 17; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 25b; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 471 f , 475; MartinekJTheobald JuS 1997, 992 (997 f.); Schoch Jura 1994, 241 (248); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Oldiges JuS 1989, 616 (622); Blas BayVBl 1989, 648 (650); a. A. Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 73. 1132 Oldiges JuS 1989, 616 (622). 1,29
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
nen Auftrag haben 1133 . Die Diskussion über die Anforderungen an die Beweislast für den Fremdgeschäftsführungswillen 1134 erübrigt sich damit. Neben dem vorhandenen „Auftrag" und dem fehlenden „Fremdgeschäftsführungswillen" ist die Planwidrigkeit bei öffentlich-rechtlicher GoA eines Verwaltungsträgers für einen Privaten auch und besonders dadurch gehindert, daß es häufig am Merkmal der Freiwilligkeit der Geschäftsübernahme durch die Verwaltung fehlt 1135 . Die Erfüllung der durch öffentlich-rechtliche Normen zugewiesenen Handlungsaufträge ist Aufgabe und Pflicht der Verwaltung. Zumindest bei gebundenen Entscheidungen entspricht in der Regel der Pflicht der Behörde zum Tätigwerden, sofern durch die (Gefahrenabwehr-)Maßnahme Individualbelange geschützt werden sollen, ein konkreter Anspruch des Bürgers. Und wenn das Tätigwerden im Entschließungs- oder Auswahlermessen einer Behörde steht, ist die Entscheidung über das Ob und das Wie des Einschreitens ebenfalls nicht frei, sondern am öffentlichen Interesse auszurichten (§ 40 VwVfG). Die Legitimationsfunktion des Rechtsinstituts der GoA ist beim Handeln eines Verwaltungsträgers für einen Privaten somit ohne Nutzen. Genausowenig kann die Heranziehung der Ausgleichsfunktion den gleichen Regeln wie bei privatrechtlicher GoA unterliegen. Nach § 683 S. 1 BGB muß die Fremdgeschäftsführung dem Interesse und dem Willen des Geschäftsherrn entsprechen. Greift eine Behörde in Rechte Privater ein, so kann dies nur im gesetzlichen Auftrag, also im öffentlichen Interesse geschehen. Im Zivilrecht ist in solchen Fällen ein entgegenstehender Wille des Geschäftsherrn nach § 679 BGB unbeachtlich. Lediglich bei rechtswidrigen und zugleich belastenden Maßnahmen läge ein öffentliches Interesse i. S. v. § 679 BGB nicht vor 1 1 3 6 . 1133 BVerfGE 18, 429 (437); Pesch Jura 1995, 361 (366 ff.); von Einem NWVB1 1992, 384 (387 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (204); Oldiges JuS 1989, 616 (622), der allerdings - trotz eindeutiger Kompetenzzuweisungsvorschriften im Öffentlichen Recht - im staatlichen Auftrag keinen eigenen Auftrag der jeweils handelnden Stelle sehen will, sondern immer des übergeordneten Gemeinwesens, was im Ergebnis aber keinen Unterschied macht. 1,34 Vgl. hierzu BGHZ 40, 28 (31); 63, 167 (170); 65, 354 (357); Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117, die den Fremdgeschäftsführungswillen bei Vorliegen eines objektiv fremden Geschäfts vermuten, und demgegenüber OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; OVG NW NJW 1976, 1956; BayOLGZ 1968, 200 (204 f.); LG Frankfurt NJW 1977, 1924 (1925); LG München NJW 1978, 48; Schwark JuS 1984, 321 (325); Rödder JuS 1983, 930 (931); Schubert NJW 1978, 687 (688), die Anhaltspunkte fordern, die auf einen Willen zur Fremdgeschäftsführung hindeuten, die der Handelnde notfalls zu beweisen habe. Das OVG NW (aaO.) fordert sogar, daß dieser Wille zweifelsfrei erkennbar sein müsse. 1135 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Schoch Jura 1994, 241 (245, 248); Oldiges JuS 1989, 616
(622).
1136 BayVGH BayVBl 1992, 213 (214); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 97 f.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 281; Ehlers, Verwaltung in Privat-
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Eine Übernahme der Grundsätze über die GoA hätte - wie einige wenige Gerichte erkannt haben 1137 - zur Folge, daß bei rechtmäßigem Handeln eines Verwaltungsträgers ein entgegenstehender Wille des Privaten in keinem Fall Beachtung finden könnte 1138 . § 679 BGB geht für die Rechtfertigung eines Ausgleichs bei Übergriffen in einen fremden Geschäftskreis von der Privatautonomie aus 1139 . Im Öffentlichen Recht hingegen ist es wegen des Vorbehalts des Gesetzes selbstverständlich, daß der Staat in den Rechtskreis des Bürgers eingreifen darf, wenn er gesetzlich dazu ermächtigt ist. Im öffentlich-rechtlichen Handlungszusammenhang vermögen die BGB-Vorschriften zur GoA weder den Eingriff 1140 noch eine Kostenerstattung für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu rechtfertigen. Die Konsequenz wäre, daß immer dann, wenn ein Verwaltungshandeln auch einem Privaten nutzt, sowohl über die Konstruktion des „auch-fremden" Geschäfts eine berechtigte GoA anzunehmen, als auch wegen des öffentlichen Interesses an der Aufgabenwahrnehmung Aufwendungsersatz geschuldet wäre. Dem kann auch nicht dadurch abgeholfen werden, daß etwa höhere Anforderungen an die Berechtigung zur Geschäftsführung (bzw. besser an die tragenden Gründe für einen Ausgleich aus § 683 S. 1 BGB) wie beispielsweise diejenigen in § 678 BGB 1 1 4 1 gestellt werden. Die Berechtigung zur Aufgabenwahrnehmung unterliegt anderen, dem Öffentlichen Recht eigenen Anforderungen 1142 . Die Ermittlung des Willens des Geschäftsherrn an der Geschäftsführung erfolgt im Hinblick auf die Rechtfertigung des Aufwendungsersatzanspruchs. Wird ein Verwaltungsträger für einen Privaten tätig, ist der Ausgleich nicht in einer dem Zivilrecht vergleichbaren Weise motiviert. Es erscheint schon fraglich, ob bei einer belastenden Verwaltungsmaßnahme überhaupt von einem Interesse des Bürgers an der kostenpflichtigen Geschäftsbesorgung ausgegangen werden kann 1143 . Eine Kostenabwälzung kann jedenfalls nur aufgrund öffentrechtsform, S. 473; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 84; Gusy JA 1979, 69 (71 f.); Hurst DVB1 1965, 757 (759); dies verkennend BayVGH NVwZ-RR 1996, 530 (531); a. A. auch Klein DVB1 1968, 166 (167). 1137 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605); OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (260 f.); VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); sowie Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 188, 190; Schoch Jura 1994, 241 (249 f.); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); Freund JZ 1975, 513 (516). - Siehe oben S. 130 f. 1138 Bamberger JuS 1998, 706 (709) spricht deshalb von einer „unwägbaren Generalklausel". 1139 VGH BW NJW 1985, 2603 (2605). 1140 VG Würzburg BayVBl 1992, 121 (122); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 473; Schoch Jura 1994, 241 (248 f.). - Wild VR 1998, 131 (132) sieht dies zwar im bei § 679 BGB so, lehnt dies für die grundsätzliche Legitimation über die §§ 677 ff. BGB aber ab. 1,41 So VGH BW NJW 1991, 2986 (2987). 1142 OVG NW NJW 1976, 1956 (1957). 1143 Ablehnend Bamberger JuS 1998, 706 (709).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
lich-rechtlicher Vorschriften erfolgen 1144 . Dies gilt auch bei rechtmäßigem Handeln der Behörde, selbst wenn ohne eine Heranziehung der §§ 677 ff. BGB der Aufwendungsersatz nicht ausgeglichen würde 1145 . Dem Öffentlichen Recht fehlen weder hinsichtlich der Legitimation staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger noch hinsichtlich eines Ausgleichschuldverhältnisses Regelungen über eine Geschäftsführung ohne Auftrag, wie sie in §§ 677 ff. BGB enthalten sind. Es besteht ein - gesetzliches - Verwaltungsrechtsverhältnis, über das kein gesetzliches Rechtsverhältnis aus öffentlich-rechtlicher GoA gestülpt werden kann 1146 . In der 2. Fallgruppe ist der öffentlich-rechtlichen GoA jeglicher Anwendungsbereich abzusprechen, die Nichtregelung beruht auf keiner ausfüllungsbedürftigen Lücke, sondern einer gewollten Nichtregelung 1147 .
cc) Handeln eines Privaten für einen Verwaltungsträger Im Privatrechtsverkehr sind die Privatrechtssubjekte für die Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten selbst verantwortlich. Ihr Handeln untersteht dem Grundsatz der Privatautonomie; Beschränkungen ergeben sich nur, soweit auch die Privatautonomie beschränkt ist. Einer gesonderten Legitimation zum Tätigwerden bedarf der Private jedenfalls nicht. In öffentlich-rechtlichem Handlungszusammenhang steht es dem Bürger jedoch nicht zu, sich Kompetenzen von Hoheitsträger anzumaßen und Staatsgewalt auszuüben (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Hierin sind sich, wie aufgezeigt 1148 , Rechtsprechung und Literatur einig 1149 . Wird der Private in einem Handlungszusammenhang tätig, in dem die Verwaltung dem Adressaten der Maßnahme in 1144 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 12; Bamberger JuS 1998, 706 (709). 1145 Medicus, Schuldrecht II, Rn. 630; a. A. Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 271. 1146 Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275 a. E. 1147 Bamberger JuS 1998, 706 (709). 1148 Siehe oben S. 125 f. 1149 BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (545); HessVGH GemH 1987,264; OVG NW NWVB1 1990, 99; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 140 f.; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 15; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 26; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Ei ,em NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); Fleischfresser VR 1988, 305 ,306 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (203); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); so wohl bereits Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht 2, S. 518; a. A. Klein DVB1 1968,166 (170); a. A. scheinbar lediglich Bamberger JuS 1998,706 (710).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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einem Über-Unterordnungs-Verhältnis, mit Erlaß eines Verwaltungsakts oder als Rechtsetzungsorgan, gegenübergetreten wäre, scheidet eine Wahrnehmung durch den Bürger - außer sie ist ausdrücklich gesetzlich (vgl. das Festnahmerecht in § 127 Abs. 1 StPO) oder durch Beleihung gestattet - ohnehin aus. Dem Bürger fehlt die Legitimation zum Erlaß eines Verwaltungsakts oder eines Gesetzes im materiellen Sinne. Diese ist ausschließlich der Staatsgewalt vorbehalten und kann durch das Institut der GoA nicht ersetzt werden 1150 . Die Maßnahme, die der Private als Fremdgeschäftsführer ergriffe, könnte im Außenverhältnis zum Adressaten keinen Regelungscharakter aufweisen, auch dann nicht, wenn der Bürger „für" den Staat handelt. Dies schließt indes nicht aus, daß der Private - wenn auch in nichthoheitlichen Handlungsformen - höchst ausnahmsweise auch im Bereich hoheitlicher Verwaltungstätigkeit tätig wird. Eine Legitimation im Innenverhältnis zur Verwaltung scheidet aus dem Gesichtspunkt der Handlungsform, in welcher der Verwaltungsträger vorgegangen wäre, jedenfalls nicht generell aus 1151 . Den Einwänden der Rechtsprechung 1152 gegen die grundsätzlich legitimierende Wirkung privaten Handelns mit Hilfe des Instituts der GoA kann voll und ganz zugestimmt werden. Einer solchen widersprechen die öffentlichrechtlichen Vorschriften über die Aufgabenzuweisung und die Wahrnehmungszuständigkeiten. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 1153 sowie der Vorbehalt des Gesetzes1154 würden umgangen. Ermessensspielräume der Verwaltung würden unzulässig überspielt 1155 . Dem Bürger fehlt die Kompe1150 Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 275; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 280; Jellinek,, Verwaltungsrecht, S. 239; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (515); dies. BayVBl 1989, 648 (649 f.); Fleischfresser VR 1988, 305 (306); Habermehl Jura 1987, 199 (203); Gusy JA 1979, 69 (71). 1151 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 142 ff. - So auch, aber das Problem nicht reflektierend, Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 117; Blas BayVBl 1989, 648 (649 f.). 1152 Siehe oben S. 125 ff. 1153 OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261 ); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 141; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 266; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas BayVBl 1989,648 (651); dies. JA 1989,514 (515); Fleischfresser VR 1988,305 (306,307). 1154 Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15. 1155 BVerwG NJW 1989, 922 (923); VGH BW NJW 1977, 1843; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); NVwZ 1991, 81 (82); OVG NW NVwZ-RR 1996, 653; VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); BGH NJW 1978, 1258 (1259); Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 18; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 27 f.; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 53; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (650); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); Freund JZ 1975, 513 (515 f.).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
tenz, im Wege der Selbsthilfe einen behördlichen Verantwortungsbereich zu übernehmen, gleichzeitig die Kostenlast bei der übergangenen Behörde zu belassen und sie so nicht kalkulierbaren Kostenbelastungen auszusetzen1156. Aufgrund des Vorrangs des Primärrechtsschutzes 1157 hat der Bürger bei Untätigkeit der Behörde seine Rechtsschutzmöglichkeiten auszuschöpfen. In Eilfällen ist er auf den vorläufigen Rechtsschutz (§§ 80, 80a, 123 VwGO) zu verweisen 1158 . Von der Rechtsprechung insoweit anerkannte Ausnahmen 1159 sind als mit dem Grundsatz des Vorrangs des Primärrechtsschutzes und der öffentlich-rechtlichen Kompetenzordnung sowie den Bindungen der Verwaltung hieran abzulehnen 1160 . Die Vornahme einer Abwägung zwischen dem Interesse der Behörde, die Maßnahme selber auszuführen und dem Interesse des Bürgers - insbesondere wenn es um den Schutz individueller Rechtsgüter wie Gesundheit oder Eigentum geht - daran, daß die Handlung sofort vorgenommen wird 1 1 6 1 , wäre zudem mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Insbesondere erscheint anhand bloßer Abwägungskriterien eine klare Abgrenzung zwischen legitimierter Geschäftsführung ohne Auftrag eines Privaten für einen Verwaltungsträger und nicht mehr legitimierbarer öffentlich-rechtlicher GoA in diesem Bereich unmöglich. Die notwendige Folge wäre das Entstehen einer Kasuistik, bei der Billigkeitserwägungen im Einzelfall Tür und Tor geöffnet wäre. Einer Legitimation der GoA, in den Fällen, in denen der Verwaltungsträger die Aufgabenerfüllung verweigert 1162 , kann ebenfalls nicht zugestimmt wer1156
OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 92; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 53, 87 f.; Habermehl Jura 1987, 199 (203 f.); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400). 1157 Zur dessen genereller Geltung im Öffentlichen Recht siehe oben S. 234 f. 1158 BVerwGE 80, 170 (175) = NJW 1989, 922 (923); BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81 (82); Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 127; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 280; Schoch Jura 1994, 241 (246); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas BayVBl 1989, 648 (651); Fleischfresser VR 1988, 305 (306, 307); Gusy JA 1979, 69 (71); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400); dies übersehend Bamberger JuS 1998, 706 (710). 1159 Siehe oben S. 125 f. 1160 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Schoch Jura 1994, 241 (246). 1161 BVerwGE 80, 170 ( 174) = NJW 1989, 922 (923); OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; Traeger, Die Haftung des Staates bei Einschaltung privater Kräfte, S. 127 f.; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 57; Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (650). 1162 So BVerwGE 80, 170 (175) = NJW 1989, 922 (923); BGH NJW 1978, 1258. Auch OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. IRn. 175.
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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den 1163 , da der zuständige Verwaltungsträger vom Bürger auch hier im Wege primären Eilrechtsschutzes zur Aufgabenerfüllung anzuhalten ist. Die Verwaltung kann sich durch eine Weigerung zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gerade nicht ihrer Kostenverantwortung entziehen 1164 . Auch die Erwägung, daß sich das öffentliche Interesse in der gegebenen Situation gerade darauf erstreckt habe, daß die Aufgabe durch den privaten Geschäftsführer wahrgenommen wurde 1165 , hilft hier nicht weiter. Sollte ein solches tatsächlich vorgelegen haben, so hätte die Behörde den Privaten möglicherweise zur Aufgabenwahrnehmung verpflichten, zumindest aber versuchen können, ihn damit zu betrauen. Wenn eine Behörde eine Aufgabe überträgt oder der Ausführung durch den Privaten zustimmt, liegt ein (konkludenter) Auftrag oder zumindest eine sonstige Berechtigung vor 1 1 6 6 . Tut sie dies nicht, erwächst daraus noch kein Selbsteintrittsrecht des Privaten, denn die Entscheidung, ob ein Verwaltungsträger zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben Privatrechtssubjekte heranziehen will, liegt einzig bei demselben. Der Argumentation des BVerwG 1 1 6 7 , daß der Vorrang des Primärrechtsschutzes nicht immer eingreife, weil dem Führen eines objektiv fremden Geschäfts nicht notwendigerweise subjektive Leistungsansprüche des Fremdgeschäftsführers gegenüberstehen müßten, kann entgegnet werden, daß objektiv rechtswidrige Zustände zwar mitunter mißlich sein mögen, aber hinzunehmen sind. Dies entspricht der Entscheidung des Gesetzgebers für einen subjektivrechtlich ausgerichteten Verwaltungsrechtsschutz. Daneben wäre auch kein Grund ersichtlich, weshalb ein privater Fremdgeschäftsführer im Wege der GoA Interessen Dritter gegenüber der Verwaltung kostenpflichtig soll vertreten können, wenn er im Wege des Rechtsschutzes wegen des Verbots der Popularklage mit seinem Anliegen nicht durchdringen würde. Die Geschäftsführung würde in derartigen Konstellationen allenfalls für den begünstigten Dritten als Geschäftsherrn und nicht für den zur Aufgabenwahrnehmung kraft Öffentlichen Rechts berufenen Verwaltungsträger erfolgen. Wie in der Fallkonstellation des Tätigwerdens eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger verbleibt somit auch hier nur ein sehr 1163
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11. So aber die Argumentation der Gerichte, siehe Nachw. Fn. 1162. 1165 So das zusätzliche Erfordernis für die Legitimation der GoA bei BVerwGE 80, 170 (174) = NJW 1989, 922 (923); OVG NW NVwZ-RR 1996, 653; Schoch Jura 1994, 241 (246); Blas JA 1989, 514 (516); dies. BayVBl 1989, 648 (651); ähnlich OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); für einen Fall des Tätigwerdens eines Verwaltungsträgers für einen Privaten BayVGH NVwZ-RR 1995, 86 (87) bzw. eines Verwaltungsträgers für einen anderen Verwaltungsträger BayVGHE 23, 2 (5). 1166 Fleischfresser VR 1988, 305 (307); dies verkennend VGH BW NJW 1977, 1843; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (401). 1167 BVerwGE 80, 170 ( 175 f.) = NJW 1989, 922 (924). 1164
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
schmaler Bereich, in dem Übergriffe von Privaten in den öffentlich-rechtlichen Zuständigkeitsbereich der Verwaltung legitimiert sein können. Nur in „echten" Notfällen scheint ein Verweis auf den Primärrechtsschutz unzumutbar 1168 . Eine solche kann nur angenommen werden, wenn die Behörde nicht rechtzeitig erreichbar ist oder ein Tätigwerden trotz unaufschiebbarer Dringlichkeit verweigert. Legitimiert werden können also nur Fälle spontanen Einschreitens, in denen vom Gemeinwohl unverhältnismäßige Schäden abgewendet werden, wobei insoweit das Verfolgen auch eigennütziger Ziele dem nicht entgegensteht auch die Abwendung von Gefahren vom eigenen Eigentum kann ein Gemeinwohlbelang sein. In bezug auf die Ausgleichsfunktion der GoA ist die Interessenlage bei Übergriffen eines Privaten in den Kompetenzbereich eines Verwaltungsträgers derjenigen vergleichbar bei Übergriffen eines Verwaltungsträgers in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Verwaltungsträgers. Auch hier verliert der zuständige Hoheitsträger die Möglichkeit über seine Ausgaben selbst zu disponieren und sie so haushälterisch abschätzen zu können 1169 . Ist der Bürger zur Fremdgeschäftsführung nicht legitimiert, kann er die Verwaltung nicht im Nachhinein mit für diese nicht plan- und kalkulierbaren Kostenerstattungsansprüchen belasten 1170 . Sollte er hingegen in den seltenen Notfällen legitimiert sein, weist das Öffentliche Recht insoweit tatsächlich eine planwidrige Lücke hinsichtlich des Ersatzes der Aufwendungen auf.
dd) Handeln eines Privaten für einen anderen Privaten Der vor allen Dingen in der Literatur 1171 diskutierten vierten Fallgruppe einer öffentlich-rechtlichen GoA beim Handeln eines Privaten für einen anderen Pri1168
VGH BW NJW 1977, 1843; BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); BayVBl 1979, 621 (623); HessVGH GemH 1987, 264; OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260 (261); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 385; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 92; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 15; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 7; Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 25; Ehmann, in: Erman, Vorb § 677 Rn. 26; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277, 280; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 57; Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (235); von Einem NWVB1 1992, 384 (387); Blas JA 1989, 514 (516); Fleischfresser VR 1988, 305 (307 f.); Habermehl Jura 1987, 199 (203 f.); Gusy JA 1979, 69 (71); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400 f.); Freund JZ 1975,513 (515). 1169 OVG NW NVwZ-RR 1996, 653 (654); Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 15; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 6; Blas JA 1989, 514 (516); Menger VerwArch 69 (1978), 397 (400). 1170 BayVGH VerwRspr 24 (1973), 542 (546); OVG NW NWVB1 1990, 99; Schoch Jura 1994, 241 (246); Blas BayVBl 1989, 648 (651); dies. JA 1989, 514 (516). 1171 Siehe Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 9; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 99 f , 114 ff. u. 202 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Verwal-
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
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vaten kann kein Anwendungsbereich zuerkannt werden. Ist die Pflicht des Geschäftsherrn öffentlich-rechtlicher Natur, so könnte eine Übertragung derselben nur mit Hilfe privatrechtlichen Vertrags - wie des Werk-, Dienst- oder sonstigen entgeltlichen oder unentgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags - auf dritte Privatpersonen erfolgen. Die Beauftragung des Dritten bemäße sich allein nach zivilrechtlichen Vorschriften. Wird das Geschäft ohne Auftrag gefuhrt, muß das Gleiche gelten 1172 . Erfüllt der Private mit der Geschäftsbesorgung für ein anderes Privatrechtssubjekt eine öffentlich-rechtliche Pflicht des Geschäftsherrn, so stellt die Schuld nur einen internen Anlaß für den Ausgleich dar 1173 . Sie liefert lediglich ein wichtiges Indiz für die Feststellung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Geschäftsherrn (§ 683 S. 1 BGB). Die öffentlichrechtliche Pflicht tritt indes ausschließlich im Außenverhältnis zutage. In den Fällen des sog. Störerausgleichs erscheint die Diskussion um eine (öffentlich-rechtliche) GoA überflüssig 1174 . Der polizeipflichtige, von Behördenseite zur Gefahrenabwehr herangezogene Störer erfüllt mit der Beseitigung der Störung ein eigenes und kein fremdes Geschäft 1175 . Daran ändert der Umstand nichts, daß möglicherweise auch ein Dritter polizeipflichtig wäre, der aber von der Behörde im Rahmen des Störerauswahlermessens bei der Gefahrenbeseitigung nicht in Anspruch genommen wird. Auf dem Weg zu einem angemessenen Interessenausgleich bleibt allenfalls die Annahme einer Gesamtschuldnerschaft unter Heranziehung des § 426 Abs. 1 BGB 1 1 7 6 .
tungsrecht I, § 55 Rn. 16 ff.; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 275, 282; Mühl, in: Soergel, BGB, Vorb § 677 Rn. 4; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 13; Hoepffner, GoA in der Verwaltung, S. 166; Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (385); Blas JA 1989, 514 (515); Habermehl Jura 1987, 199 (200); Gusy JA 1979, 69 (72); Klein DVB1 1968, 166 (170) und aus der Rechtsprechung BGH NJW 1981, 2457; NJW 1987, 187 (188 f.); OLG Düsseldorf NVwZ 1989, 993 (997); OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 850. 1172 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 120, 202; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 17; a. A. Klein DVB1 1968, 166 (170). 1173 Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (385); Gusy JA 1979, 69 (72). 1,74 Vgl. etwa die Entscheidungen BGH NJW 1981, 2457; NJW 1987, 187 (188 f.); OLG Düsseldorf NVwZ 1989, 993 (997); OLG Stuttgart NJW-RR 1996, 850. 1175 Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 13; Haller ZUR 1996, 21 (25). 1176 Vgl. u. a. Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 205 f.; Kothe VerwArch 88 (1997), 389 (456); Schoch JuS 1994, 1026 (1029); Spannowsky DVB1 1994, 560 (563); Raeschke-Kessler NJW 1993, 2275 (2281); ders. DVB1 1992, 683 (690); Kohl JuS 1992, 864 (869); Seibert DVB1 1992, 664 (673); ders. DÖV 1983, 964 (969 ff.); Kloepfer/Thull DVB1 1989, 1121 (1125 ff.); Rank BayVBl 1988, 390 (393); Breuer NVwZ 1987, 751 (756); ders. JuS 1986, 359 (364); Marburger, in: UTR Band 3, 1987, S. 169 (196 f.); Kloepfer, in: UTR Band 1, 1986, S. 17 (48 f.); Schwabe UPR 1984, 7; Kormann UPR 1983, 281 (287 f.); für eine Anwendbarkeit des § 426 Abs. 2 i. V. m. § 840 Abs. 1 BGB plädierend Haller ZUR 1996, 21 (26). - Ablehnend BGH NJW 1981, 2457 (2458); BGHZ 98, 235 (240); OLG Düsseldorf NVwZ 1989, 993 (997); Giesberts,
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
Somit kann bei der Fremdgeschäftsführung eines Privaten für einen anderen Privaten nicht von einer öffentlich-rechtlichen, sondern immer nur von einer privatrechtlichen GoA gesprochen werden, auf welche die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB direkte Anwendung finden 1177.
e) Planwidrigkeit fehlender Haftungsgrundlagen im Rechtsverhältnis zwischen Wahlbewerbern Die von Koenig 1 1 7 8 vorgeschlagene und oben beschriebene 1179 Begründimg einer Schadenersatzhaftung zwischen Wahlbewerbern mit Hilfe des Instituts des „öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses" befremdet in mehrfacher Hinsicht. Es drängt sich die Frage auf, wie eine mutmaßliche „generalpräventive Appellfunktion" 1180 als dogmatische Grundlage für die Begründung eines Haftungstatbestands im Öffentlichen Recht herhalten kann. Eine solche mag allenfalls Rechtsetzungsvorhaben der dafür zuständigen legislativen Organe rechtfertigen und diesen einen sachlichen Grund für den Eingriff in die Freiheit der Parteien, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG), liefern. Koenig 1 1 8 1 meint zu Recht, daß den Parteien Jedenfalls kein Persilschein über die Sanktionslosigkeit von Wahlrechtsverstößen mit Schadensfolge" erteilt sei. Der rechtspolitische Wunsch nach Schadensausgleich gibt allerdings - um in der Terminologie zu bleiben - sicherlich keinen Persilschein, im Wege der Rechtsfortbildung eine Haftung zu begründen, wenn man dies mit der Zielsetzung der Generalprävention für opportun hält. Die Annahme eines „öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses" zwischen den Wahlbewerbern im Rahmen von Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen ist nicht haltbar. Fraglich ist schon, ob einem Wahlbewerber gegenüber anderen Wahlbewerbern Pflichten hinsichtlich der Aufstellung ihrer Kandidaten entstehen. Die Wahlleitung entscheidet über die Zulassung einer Kandidatenliste zur Wahl und weist solche Listen zurück, die den gesetzlichen AnfordeDie gerechte Lastenverteilung unter mehreren Störern, S. 199 ff; Papier, Altlasten und polizeiliche Störerhaftung, S. 72 ff.; Schwerdtner NVwZ 1992, 141 (143); Schwachheim NVwZ 1988, 225 (227). 1177 Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 202; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 17; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 282; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 13; Bamberger JuS 1998, 706 (710 f.); Schoch Jura 1994, 241 (247); von Einem NWVB1 1992, 384 (385); Habermehl Jura 1987, 199 (200); Gusy JA 1979, 69 (72); vgl. auch Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (237); a. A. Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 9. 1178 Koenig DÖV 1994, 286. 1179 Siehe oben S. 29 f. u. 140 f. 1180 Koenig DÖV 1994, 286 (293). 1181 Koenig DÖV 1994, 286 (293).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
273
rungen nicht entsprechen (vgl. § 28 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BWahlG, § 24 Abs. 1 i. V. m. § 26 Abs. 1 HambWahlGBü, § 25 Abs. 1 i. V. m. § 27 Abs. 1 HambWahlGBezV). Aus diesem Wahlrechtsverhältnis entsteht somit lediglich die Pflicht der Wahlbewerber, falls sie bei der Wahl kandidieren wollen, gesetzeskonforme Kandidatenlisten zu erstellen. Dem korreliert die Pflicht bzw. das Recht der Wahlleitung, dies zu überprüfen und Verstöße entsprechend durch Zurückweisung zu ahnden. Aus Sicht anderer Mitbewerber gebieten der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und das Demokratieprinzip lediglich, daß nur binnendemokratisch legitimierte Bewerber zur Wahl zugelassen werden. Es untersagt jedoch keinem Wahlbewerber die Zulassung zur Wahl zu begehren, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die innerdemokratische Kandidatenaufstellung nicht erfüllt. Ein Wahlbewerber kann also durch die Einreichung eines nicht zulassungsfähigen Wahlvorschlags keine Rechte eines anderen Wahlbewerbers verletzen. Sollte tatsächlich ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien und der Wahlleitung bestehen, so ist dieses jedenfalls kein gegenseitiges in Bezug auf weitere Parteien. Es hilft ebenfalls nicht weiter, von einer gesteigerten Inpflichtnahme der Wahlbewerber und daraus resultierend eines Rechte-Pflichten-Geflechts mit Haupt- und Nebenpflichten 1182 auszugehen. Dieser Umstand besagt insbesondere nichts über eine vermeintliche „Schuldrechtsähnlichkeit" des Verfassungsrechtsverhältnisses bei einer Wahl und den daraus gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen. Auch der Begründungsansatz der Rechtsprechung, in dem sie über die Annahme einer Vertragsähnlichkeit zur Heranziehung von BGB-Vertragsrecht gelangt, kann hier nicht nutzbar gemacht werden. Die Teilnahme an Wahlen ist mit dem Abschluß eines Vertrages nicht vergleichbar. Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und die Wahlrechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 GG) gebieten gleichen Zugang zu Wahlen sowie Gleichbehandlung der Bewerber sowohl in der Phase der Bewerbung als auch während des Wahlkampfs, des Wahlvorgangs an sich, bei der Auswertung der abgegebenen Stimmen, der Zuteilung der Mandate und bei der Wahlkampfkostenerstattung 1183. Das gesamte Rechtsverhältnis ist durch die Verfassungen sowie die Wahlgesetze des Bundes und der Länder gesetzlich determiniert. Das Privatrecht kennt keine vergleichbaren vertraglich begründeten Vorgänge. Den Wahlen und Abstimmungen in privatrechtlichen Vereinen (vgl. §§32 ff. BGB), in Aktiengesellschaften (vgl. § 96 AktG) u. a. liegen ebenfalls keine Vertrags Verhältnisse zugrunde. Weiter bleibt bei dem Ansatz von Koenig völlig unklar, weshalb bei der Ermittlung der Höhe des Schadenersatzanspruchs der Weg über eine Schadensminderung entsprechend § 254 BGB gewählt wird 1 1 8 4 , und nicht, was eigentlich na1182 1183 1184
18 Meysen
Koenig DÖV 1994, 286 (291). Schreiben Handbuch des Wahlrechts, § 1 Rn. 21, § 50 Rn. 11. Koenig DÖV 1994, 286 (293).
274
2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
heliegend wäre, wenn man schon das Vorliegen einer Pflichtverletzung sowie einer Anspruchsgrundlage bejaht, sowohl die Partei, welche den Wahlrechtsverstoß begangen hat, als auch die Landeswahlleitung, welche den Verstoß trotz entsprechender Verpflichtung nicht schon im Vorfeld der Wahl durch Nichtzulassung geahndet hat, dem Geschädigten als Gesamtschuldner vollumfänglich als Haftungsgegner zur Verfügung stehen sollen. Das Verhalten beider ist schuldhaft (vgl. § 276 BGB) und für den Schaden kausal. Dies wird sich nicht bestreiten lassen. Auch die vagen Entschuldigungsversuche für das Verhalten der Wahlleitung 1185 helfen über diesen Befund nicht hinweg. Im Gegenteil ist die Wahlleitung verpflichtet, die Zulassungsvoraussetzungen hinsichtlich der einzelnen Kandidaten genau zu prüfen 1186 . Der Versuch der Kompensation des mitwirkenden Verschuldens der Landeswahlleitung über die Grundsätze des Mitverschuldens erscheint jedenfalls verfehlt. Nach § 254 BGB ist der Schadenersatzanspruch des Schadenersatzgläubigers zu reduzieren, wenn ein eigenes Verschulden bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat. Das Verschulden der Landeswahlleitung kann der geschädigten Partei aber gerade nicht wie eigenes zugerechnet werden (vgl. § 254 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 278 BGB). Bei den von Koenig 1187 angegebenen Haftungsquoten kann es sich bestenfalls um solche für einen vermeintlichen Innenausgleich zwischen den beiden schädigenden Beteiligten am Verfassungsrechtsverhältnis Bürgerschaftswahl Hamburg 1991 handeln. Die Annahme einer Schadenersatzhaftung eines Wahlbewerbers gegenüber einem anderen aus privatvertraglichen Grundsätzen entbehrt jeglicher dogmatischer Herleitbarkeit und bemüht sich nur wenig um die Feststellung, daß das Fehlen einer gesetzlichen Regelung zum Schadensausgleich zwischen Wahlbewerbern planwidrig sei. Man kann die von Koenig kreierte Schadensausgleichspflicht ohne Bedenken als einen Prototyp der ergebnisorientierten Heranziehung von bürgerlichrechtlichen Haftungsregeln auf Rechtsverhältnisse des Öffentlichen Rechts nach Billigkeitserwägungen bezeichnen. Seinen Ausführungen stellt er diese Zielorientierung auch unverblümt voran. Er beklagt zutreffend, daß die Wahlrechtsverstöße der CDU bei der Kandidatenaufstellung im Zuge der Bürgerschaftswahlen in Hamburg 1991 die finanziellen Belange des Steuerzahlers träfen, dessen Gelder bei der Wahlkampfkostenerstattung der vorzeitig notwendig gewordenen „Wiederholungswahl verteilt worden seien 1188 , um dann zur Schlußfolgerung zu kommen, daß es so nur gerecht sei, „den materiellen Vertrauensvorschuß an die Parteien ... für den Fall des Vertrauensbruchs mit einschneidenden Sanktionen zu flankieren" 1189 . Dies spricht für sich. 1185 1186 1187 1188 1189
Koenig DÖV 1994, 286 (291). Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, § 28 Rn. 4. Koenig DÖV 1994, 286 (293). Vgl. Koenig DÖV 1994, 286 (287). Koenig DÖV 1994, 286 (287).
III. Rationalitäten der Rechtsprechung
275
4. Zwischenergebnis Bei näherer Betrachtung weist die Rechtsprechung zu den einzelnen Konstellationen des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" zahlreiche Systembrüche, Ungereimtheiten und Widersprüche auf. Scheinbare Gemeinsamkeiten beruhen oftmals nicht auf rationalen Erwägungen oder übersehen die Unterschiede zwischen den einzelnen Verwaltungsrechtsverhältnissen, die „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" darstellen sollen. Jedenfalls scheint eine allgemeingültige Formel, nach welcher das Vorliegen eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" bestimmt werden könnte, noch nicht gefunden worden zu sein 1190 . Es lassen sich aber durchaus auch übergreifende Rationalitäten finden. Diese werden allerdings kaum übergreifend herausgearbeitet und schon gar nicht in einen systematischen Gesamtzusammenhang gebracht. Hervorzuheben ist das immer wieder auftauchende Merkmal der Vertragsähnlichkeit des zugrundeliegenden Verwaltungsrechtsverhältnisses, das in unterschiedlichen Zusammenhängen zur Begründung oder Ablehnung des Vorliegens eines „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" angeführt wird und als Eingrenzungskriterium nicht zuletzt im Hinblick auf die angestrebte Heranziehung von BGB-Vertragshaftungsrecht einer weiterreichenden Systemhaftigkeit zu entspringen scheint 1191 . Aber auch bei dieser zumindest partiellen Gemeinsamkeit in der Behandlung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" scheint die Rechtsprechung häufig wenig reflektiert und widerspricht sich selbst. Nicht selten wird mit dem Rückgriff auf eine ständige Rechtsprechung die eigentlich erforderliche Argumentation und inhaltliche Begründung einfach überspielt. Der Befund einer Lückenhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs in Bezug auf angemessene Haftungsmodalitäten fällt in der Regel nicht schwer. Insbesondere im Bereich der Leistungsstörungen weist der staatshaftungsrechtliche Sekundärrechtsschutz aufgrund seiner historisch bedingten andersartigen Ausrichtung nicht selten Lücken auf oder führt zu Ergebnissen, die als ungerecht empfunden werden (vgl. die fehlende Beweislastumkehr oder die Subsidiarität der Amtshaftung). Die gesetzgeberische Untätigkeit hat gerade hier einen verzettelten „Trümmerhaufen" 1192 im Recht der öffentlich-rechtlichen Entschädigung hervorgebracht. Für diesen tragen die Gerichte mit ihrer stets fortgeschriebenen Rechtsprechung eine erhebliche Mitverantwortung. Das staatshaftungsrechtliche Institut des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" gleicht - wie das Staatshaftungsrecht insgesamt - einem Recyclinghof, auf dem altgediente Haftungsinstitute angeliefert und gelagert werden, aber weder das nicht wiederverwertbare Material aussortiert und ent1190 1,91 1192
U. Stelkens Verwaltungshaftungsrecht, S. 443. Hierzu siehe oben S. 149 ff. Thieme DÖV 1996, 757 (763).
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2. Kap.: Analyse der Rechtsprechung
sorgt wird, noch die zur Wiederverwertung geeigneten Anlieferungen tatsächlich recycled, d. h , aufgearbeitet und einer zeitgemäßen gesetzlichen Normierung zugeführt werden. Daß die Anerkennung einer öffentlich-rechtlichen GoA mit breiten Anwendungsbereichen in drei Fallgruppen weiterhin anerkannt wird 1 1 9 3 , führt diesen Mißstand deutlich vor Augen.
1193
Zur Anerkennung in der Rechtsprechung siehe oben S. 110 ff. und zur Kritik oben S. 254 ff.
Drittes Kapitel
Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis Fehlen bisher weitgehend Ansätze einer Systematisierung „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" oder sind solche zumindest für ein über die „Einzelfallgerechtigkeit" hinausgehendes Verständnis wenig tauglich, so bleibt auch die Antwort auf die Frage weiter offen, wie das expandierende Institut des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" rational erfaßt werden kann und bei seiner Ausformung durch Rechtsprechung und Lehre handhabbar und gleichzeitig dogmatisch haltbar weiterentwickelt werden kann. Es sind die im Zusammenhang mit „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" herangezogenen Vorschriften und Institute des Zivihechts auf der Grundlage der Methoden für eine zulässige Heranziehung von Zivihecht im Bereich des Öffentlichen Rechts (I.) jeweils auf ihre grundsätzliche Anwendbarkeit im öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang hin zu untersuchen (II.). Der Ordnungsrahmen, an dem die inhaltlichen Fragen der Zulässigkeit der Rechtsfortbildung anknüpfen, ist zu ermitteln (III.). Die Grenzen richterlicher Rechtsfortbilung sind zu beachten (IV.).
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung zur Anwendung von BGB-Schuldrecht im Öffentlichen Recht 1. Gewohnheitsrechtliche
Anerkennung
Die Figur des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" entspringt nicht dem geschriebenen Recht, sondern ist eine Rechtsschöpfung von Rechtsprechung und Literatur. Die Methoden richterlicher Rechtsfortbildung wurden, wie gesehen1, bei der Frage der Anwendbarkeit von BGB-Schuldrecht in „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" wenig reflektiert. Der Versuch, allgemeingültige Anforderungen für die Zulässigkeit einer Heranziehung von Zivilrecht in Verwaltungsrechtsverhältnissen herauszuarbeiten, ist meist nicht zu erkennen. Um die Rechtsfortbildung von einer Billigkeitsrechtsprechung abzuheben ist eine solche aber gefordert. Allerdings erübrigt sich eine Diskussion über die Richtigkeit einer angewandten Methode der Rechtsfortbildung, wenn eine Rechtsfigur gewohnheitsrechtlich anerkannt ist. 1
Siehe oben S. 77 ff, 93 ff, 106 f , 115 ff. und S. 141 ff.
278
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Voraussetzungen fur die Anerkennung von Gewohnheitsrecht ist regelmäßig eine lang dauernde tatsächliche Übung, die von der Überzeugung der Beteiligten getragen wird, daß es sich um geltendes Recht handele. Bloßer Verwaltungsusus oder eine ständige Rechtsprechung sind hierfür allein nicht ausreichend2. Liegt eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung einer richterlichen Rechtsfortbildung vor, so kommt ihr Gesetzeskraft zu. Ob die ursprüngliche Herleitung mit dem gesetzten Recht vereinbar war oder nicht, kommt es dann nicht mehr an. Es genügt, wenn das Gewohnheitsrecht der Verfassung oder anderen vorrangigen Rechtsprinzipien nicht widerspricht 3. Bei der Beleuchtung der für eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung in Frage kommenden einzelnen Konstellationen „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" ist zu differenzieren zwischen der Geltung eines „ungeschriebenen" Haftungsinstitut in bestimmten Verwaltungsrechtsverhältnissen auf der einen Seite und den im Einzelfall geltenden Haftungsmodalitäten auf der anderen. Kann im Bereich „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" Gewohnheitsrecht erkannt werden, wären die Methoden, die bei seiner Entwicklung eine Rolle gespielt haben, nicht weiter zu hinterfragen und aus der Herausarbeitung allgemeiner Grundsätze für die Rechtsfortbildung auszunehmen.
a) Öffentlich-rechtliche Verwahrung Über die Berechtigung und die Existenz des Instituts der öffentlichrechtlichen Verwahrung besteht kein Streit 4. Man wird mittlerweile davon ausgehen können, daß sich im Laufe des Jahrhunderts bei allen Beteiligten an ei2
Zu den Voraussetzungen ausführlich Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 322 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 244 ff, 321. 3 Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 323 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 321. 4 Zur Rechtsprechung siehe die Nachw. im zweiten Kapitel Fn. 315 ff. sowie 324 f. - Zur Literatur Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 62, 384; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 688 Anm. 2 d; Driehaus/Pietzner, Einführung, § 19 Rn. 10; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 48 ff; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 4 ff; Friauf, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschn. Rn. 140; Faber, Verwaltungsrecht, S. 142; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 5 (m. w. Nachw. in Fn. 11); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 339 ff.; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 69; ders. Forderungsverletzung, S. 40 ff; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 859 ff; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 138; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 455; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 647; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 272 ff; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 338; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 806; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 25 ff; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 176; Windthorst JuS 1996, 605 (607); Maurer JuS 1994, 1015 (1017 f.); Eckert DVB1 1962, 11; Schack, in: FS Laun, S. 275 (291 ff.); ders. RVerwBl 1935, 289.
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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nem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis die allgemeine Rechtsüberzeugung gebildet hat, daß diese Rechtsbeziehung eigenen Haftungsgrundsätzen unterliegen solle. Bei der Begründung von Sekundäransprüchen aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis der öffentlich-rechtlichen Verwahrung handelt es sich um ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes Haftungsinstitut 5. Diese Rechtsüberzeugung wurde von der Rechtsprechung in einer konstanten Übung manifestiert und vom Gesetzgeber u. a. in der Verwaltungsgerichtsordnung vorausgesetzt (§ 40 Abs. 2 S. 1 VwGO) 6 . Eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage zur Verwahrung oder für die Entstehung von Rechten und Pflichten auf der Primärebene ist dem Rechtsinstitut indes nicht zu entnehmen7. Weiter bleibt bei der anerkannten eigenständigen Haftung wegen Pflichtverletzung in einer öffentlich-rechtlichen Verwahrung zu fragen, inwieweit der Rückgriff auf das Zivihecht zulässig und erforderlich ist und welche besonderen Haftungsregeln im öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis gelten. Insoweit bestehen teilweise erhebliche Meinungsunterschiede und nur wenig erscheint gewohnheitsrechtlich gefestigt 8. Deshalb ist auch hier die Überprüfung der Anwendbarkeit zivilrechtlicher Normen anhand der Methoden richterlicher Rechtsfortbildung angezeigt.
b) Haftung bei Fürsorgepflichtverletzung in Beamtenverhältnissen Entsteht einem Beamten aufgrund einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch den Dienstherrn ein Schaden, so besteht Einigkeit aller Beteiligten am Beamtenverhältnis sowie in Rechtsprechung9 und Literatur 10 darüber, daß der 5 Zum Geltungsgrund von Gewohnheitsrecht Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 176 f , 258. 6 Vgl. auch die positivrechtliche Ausgestaltung in § 8 ZollG; § 48 BGSG; Art. 26 BayPAG; § 39 BerlASOG; § 26 BbgPolG; § 24 BremPolG; § 14 Abs. 3 HambSOG; § 41 HessSOG; §§ 62 f. SOG MV; § 27 NdsSOG; § 44 PolG NW; § 23 PVG RP; § 22 SaarlPolG; § 29 SächsPolG; § 46 SOG LSA; § 217 LVwG SH; § 28 ThürPAG. 7 Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 62. 8 Hierzu siehe unten S. 314 ff. 9 Siehe die Nachweise im zweiten Kapitel Fn. 226 f. 10 Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 54 ff.; Müller/Beck/Entenmann, Beamtenrecht Baden-Württemberg, § 98 LBG Rn. 4; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 25 ff; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 3; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 267 f.; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil F Rn. 72; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Kopp, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. III Rn. 101; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 51 Rn. 9; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 33; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 347 f.; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 3 Rn. 15 f.; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 409 ff.; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 302; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 790; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 503; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 810;
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Staat dem Dienstverpflichteten aus einem originär öffentlich-rechtlichen Haftungsinstitut fur den Schaden einzustehen hat. Die Ursrprünge der Haftung wegen Fürsorgepflichtverletzung gehen bis in das Jahr 1886 zurück 11 . Seitdem hat sie eine ununterbrochene Übung erfahren. Der gewohnheitsrechtlichen Anerkennung steht weder entgegen, daß beispielsweise bei der Haftung wegen unterbliebener oder verspäteter Beförderung ein Streit über die Einordnung in die Haftung wegen Fürsorgepflichtverletzung besteht12, noch daß der BGH 1 3 zwischenzeitlich anderer Auffassung hinsichtlich der Beweislastverteilung war wie die Verwaltungsgerichte 14.
c) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse Nicht in jedem Anstalts- und Benutzungsverhältnis wird ein „verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis" gesehen und werden entsprechende haftungsrechtliche Konsequenzen gezogen15. Allerdings in der „klassischen" Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" in Kanalbenutzungs-, Wasserversorgungsverhältnissen und bei der Benutzung öffentlich-rechtlich betriebener Schlachthöfe liegt die erste Anerkennung schon Jahrzehnte zurück 16 und ist allseits unbestritten geblieben17. Die Geltung der haftungsrechtlichen VerantForsthoff Verwaltungsrecht I, S. 423 f.; Papier, Forderungsverletzung, S. 44; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 79 ff.; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Günther NVwZ 1989, 837 (838 f.); Schnellenbach NVwZ 1989, 435; Schach ZBR 1961, 132; Weimar RiA 1960, 311; Pentz NJW 1960, 85; Idei ZBR 1959, 223; ders. NJW 1955, 1300. - Eine Ausnahme bildet Kreßel, Öffentliches Haftungsrecht, S. 223, der allerdings zum gleichen Ergebnis mit den gleichen Haftungsvoraussetzungen kommt, nur den Bestandsschutz als eigenständigen öffentlich-rechtlichen Haftungsanspruch konstruiert. 11 RGZ 18, 173 (174). 12 Siehe oben 2. Kap, Text zu Fn. 222 ff. 13 BGH NJW 1963, 1828 (1829); so auch Zapf ZBR 1974, 21 (22). 14 BVerwG NVwZ 1998, 400; Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE410003537; Buchholz 232 § 79 BBG S. 2; BVerwGE 13, 17 (24 f.) = NJW 1963, 2364 (2366 f.); E 52, 247 (255) = NJW 1978, 717 (719); OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); so auch Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 25a f.; Battis BBG, § 23 Rn. 27; ders. ZBR 1971, 300; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Schack ZBR 1961, 132 (134); Weimar RiA 1960, 311 (312); Pentz NJW 1960, 85. - Siehe oben 2. Kap, Text zu Fn. 287 ff. 15 BGH NJW 1988, 2667 (2668): öffentlich-rechtlich ausgestalteter Spielplatz; OVG NW NVwZ 1998, 1210: Nutzung des Abfallentsorgungssystems Duales System Deutschland GmbH. 16 BGHZ 54, 299: Kanalbenutzugnsverhältnis; RGZ 99, 96: Wasserversorgung; BGH LM § 40 VwGO Nr. 9: Benutzung eines Schlachthofs. 17 Zur Rechtsprechung siehe oben 2. Kap, Nachw. in Fn. 117 (Kanalbenutzungsverhältnis), Fn. 124 (Wasserversorgung) und Fn. 123 (Benutzung eines Schlachthofs);
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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wortlichkeit bei der Einschaltung von privaten „Erfüllungsgehilfen" (vgl. § 278 BGB) 1 8 sowie die Umkehr der Beweislast (vgl. § 282 BGB) 1 9 sind allgemein anerkannte Eckpfeiler der Haftung aus Kanalbenutzungsverhältnissen et al. Auch insoweit kann von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung der an das private Vertragsrecht angelehnten Haftung aus „verwaltungsrechtlichem aus der Literatur zuerst Schneider NJW 1962, 705 (707); ihm folgten Götz JuS 1971, 349 (350); Menger VerwArch 64 (1973), 305; Tiemann BayVBl 1974, 57; ders. VerwArch 65 (1974), 381; Schwarze JuS 1974, 640; Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (220); Bettermann/Papier Verw 8 (1975), 159 (173 f.); Ρ alder NJW 1977, 954; Grave DVB1 1978, 451; siehe auch Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 130; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 2; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 74; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 65; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 269; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 547; ders., Kommunalrecht BW, Rn. 300; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Driehaus/Pietzner, Einführung, § 19 Rn. 10; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 72 ff.; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 11; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 344 ff; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 259 ff.; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 219; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 91, 139; Battis, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 271; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 808; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 70; Reiter BayVBl 1990, 711; Gries/Willebrand JuS 1990, 103 (104 f.); von Klitzing BayBgm 1989, 327; Rozek BayVBl 1989, 16\ \ Ehlers 1986, 912 (916 ff.). 18 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); OVG NW GemH 1988, 259 (261); RGZ 152, 129 (132); BGHZ 54, 299 (304); 61, 7 (13); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39 f.); DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); 1990, 1167; VersR 1992, 58 (60); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305; OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 269; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 13, 21; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 423; Sander BauR 1985, 167 (168, 169); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (389); Stürner JuS 1973, 749 (753); Götz JuS 1971,349 (351). 19 VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZRR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; Sander BauR 1985, 167 (168 f.); Stürner JuS 1973, 749 (753); auch Vorinstanzen zu BGHZ 54, 299 (302); Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79. - Anders noch BGHZ 17, 191 (196); vgl. auch BGHZ 59, 303 (309), wo die Beweislastverteilung entsprechend den Grundsätzen, die zur Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB entwickelt wurden, begründet wird.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Schuldverhältnis" gesprochen werden. Die Geltung dieser Haftungsgrundsätze in anderen als den genannten Anstalts- und Benutzungsverhältnissen kann allerdings noch nicht in einer Weise als gefestigt angesehen werden, um von einer Erstarkung in Gewohnheitsrecht ausgehen zu können. Eine Überprüfung der methodischen Herleitung der privatrechtlichen Haftungsregeln ist daher in jedem Fall angezeigt20.
d) Öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag Die Breite des Anwendungsbereichs der öffentlich-rechtlichen GoA ist höchst umstritten und wird teilweise gänzlich bezweifelt 21 . Der Rechtsprechung kann keine durchgängige Rationalität bescheinigt werden 22. Häufig wird der öffentlich-rechtlichen GoA auch von ihr die Anerkennung versagt 23. Eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung des Ausgleichsschuldverhältnisses aus öffentlich-rechtlicher GoA steht außer Diskussion und scheidet aus. Eine auch über Jahre gewachsene partiell rechtswidrige Gerichtspraxis kann nicht in Gewohnheitsrecht erwachsen. Im Falle der öffentlich-rechtlichen GoA widerspräche dies auch dem vorrangig geltenden Öffentlichen Recht im jeweiligen Regelungszusammenhang24.
2. Gesetzes- bzw. Rechtsanalogie (gesetzesimmanente Rechtsfortbildung) Die gewohnheitsrechtliche Anerkennung einiger unter dem Überbegriff des „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses" diskutierten Haftungsinstitute hat gezeigt, daß damit selbst bei diesen Instituten die Frage nach der Anwendbar20
Siehe hierzu unten S. 335 ff. u. 361 ff. Den Anwendungsbereich sehr stark eingrenzend Seiler, in: MünchKommBGB, Vorb § 677 Rn. 23 ff.; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 216 ff.; Schmidt, Staatsund Verwaltungsrecht, Rn. 275; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 22 ff.; Bamberger JuS 1998, 706; Schoch Jura 1994, 241; Lorenz JZ 1992, 462; Sieg, in: FS Hauß, S. 335 (339); einen Anwendungsbereich gänzlich verneinend Medicus, Schuldrecht II, Rn. 630; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 62; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, S. 678 ff.; Steckert DVB1 1971, 243 (246). 22 Siehe oben S. 254 ff. 23 Kritisch OVG Lüneburg Die Gemeinde SH 1990, 260; OVG NW NJW 1976, 1956; NJW 1986, 2526; NWVB1 1990, 99; NVwZ 1995, 188; NVwZ-RR 1996, 653; NWVB1 1998, 198; VG Köln NVwZ 1993, 806; VG Würzburg BayVBl 1992, 121; NVwZ-RR 1997, 487; OLG Köln NVwZ 1994, 618. 24 Zur Überschreitung der Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung bei der Anerkennung des Ausgleichschuldverhältnisses aus öffentlich-rechtlicher GoA siehe unten S. 369 ff. 21
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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keit von BGB-Vorschriften im Einzelfall nicht beantwortet werden kann. Insbesondere hinsichtlich der Haftungsmodalitäten ist zu prüfen, ob bestimmte Vorschriften im jeweiligen Regelungszusammenhang Anwendung finden können oder nicht. Es ist zu erläutern, welche Anforderungen dabei an die richterliche „Lückenschließung" gestellt werden. Es kommt eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung in Betracht 25.
a) Beschränkung auf Lücke eines Gesetzes Von einer Gesetzeslücke spricht man, wenn eine Unvollständigkeit des Gesetzes vorliegt. Die Annahme einer Unvollständigkeit birgt immer auch ein Bild von der Vollständigkeit, also ein subjektives Element in sich, deshalb muß diese planwidrig sein, d. h. vom Gesetzgeber unbeabsichtigt26. Wird innerhalb eines Gesetzes eine Lücke festgestellt, so ist an eine Analogie zu denken27. Man unterscheidet hier zwischen Normlücke und Regelungslücke bzw. Gesetzesanalogie und Rechtsanalogie28. Bei der Normlücke können die im Wege der Gesetzesanalogie erzeugten Rechts- und Entscheidungsnormen auf den Text einer Vorschrift zurückgeführt werden, bei der Regelungslücke stützt sich die Rechtsanalogie auf jeweils mehrere verwandte Normtexte eines Gesetzes, aus denen auf ein gemeinsames Prinzip geschlossen wird 29 . Im Zusammenhang der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" interessiert die Möglichkeit eines Analogieschlusses von einer Teilrechtsordnung in eine andere. Es geht darum, ob Normen des Privatrechts auf Regelungszusammenhänge im Öffentlichen Recht sinnentsprechend herangezogen werden können. Die Gesetzesanalogie greift auf eine Vorschrift des gleichen Gesetzes zurück und die Rechtsanalogie auf den Text mehrerer Vorschriften des selben Gesetzes. Über einen Analogieschluß läßt sich grundsätzlich der Rückgriff auf externe Normen nicht rechtfertigen („gesetzesimmanente" Rechtsfortbilung). 25
Siehe auch die Gegenüberstellung gesetzesimmanenter und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung bei Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff. u. 232 ff. sowie bei Schmalz Methodenlehre, Rn. 375 ff. 26 Schwache, Juristische Methodik, S. 79; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 16. 27 Umfassend zu den juristischen Lehren zum Analogieverfahren die Zusammenstellung bei Langhein Analogie, S. 33 ff. 28 F. Müller Methodik, S. 210; Schmalz Methodenlehre, Rn. 383 ff.; Pawlowshi, Methodenlehre, Rn. 464 ff, 467 ff.; Schwache, Juristische Methodik, S. 79, 83; Blasius/Büchner Methodenlehre, S. 173; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 59 ff.; Schach, in: FS Laun, S. 275 (278). 29 F. Müller Methodik, S. 210; Schoch, Übungen II, S. 42 Fn. 149; Schmalz Methodenlehre, Rn. 380; Bydlinshi, Methodenlehre, S. 477 ff; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 97 f.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Die Voraussetzungen einer Analogie sind bei Fehlen einer einschlägigen Vorschrift im Verwaltungsrecht in der Regel nicht gegeben30. Die strikte Beschränkung der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung auf ein „Gesetz" im technischen Sinne, würde allerdings zu kurz greifen. Für die Zulässigkeit einer Analogie darf es keinen Unterschied machen, ob der Gesetzgeber verschiedene Materien in einem Gesetz einer positivrechtlichen Regelung unterwirft oder hierzu mehrere gesonderte Gesetze verabschiedet. Beispielsweise hätte das HGB auch als weiteres Buch und damit Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs verabschiedet werden können. Es stellt insoweit für bestimmte Teilbereiche des Privatrechtsverkehrs ein „Spezialgesetz" zum BGB dar. Ohne HGB wären die Vorschriften des BGB auf die betreffenden Sachverhalte anwendbar. Ähnliches gilt im Öffentlichen Recht ζ. B. im Verhältnis des besonderen zum allgemeinen Polizeirecht. Auch hier besteht untechnisch gesprochen eine „gesetzliche Einheit". So ist das „allgemeine" Polizeigesetz subsidiär einschlägig, wenn die speziellen Gesetze des Besonderen Verwaltungsrechts keine Regelung bereit halten. Der von der h. M. anerkannte Rückgriff auf die Vorschriften über die Störereigenschaft in den allgemeinen Polizeigesetzen zeigt, daß hier - zumindest im Bereich konkurrierender Gesetzgebung nach Art. 74 GG - sogar die Gesetzgebungskompetenz irrelevant ist 31 . Ein Analogieschluß ist folglich nicht nur innerhalb eines Gesetzes im technischen Sinne möglich, sondern auch zwischen Gesetzen, die bei Nichtvorhandensein des jeweils anderen Regelungen für den gleichen Sachverhalt enthalten würden
b) Lückenhaftigkeit des BGB Bei „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" sollen Vorschriften des BGB im Bereich des Öffentlichen Rechts herangezogen werden. Da die Analogie eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung ist, müßte das Zivilrecht planwidrig nicht auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte anwendbar sein. Es geht bei der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" auch nicht um eine Ausweitung des Amtshaftungstatbestands (§ 839 BGB) auf andere, planwidrig nicht geregelte Fälle. Eine Normlücke in § 839 BGB, die im Wege einer Gesetzesanalogie geschlossen werden könnte, zieht niemand ernsthaft in Betracht. Bei der Annahme einer Rechtsanalogie müßte vielmehr das System des BGB für bestimmte öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhänge planwidrig keine Regelung enthalten. Daß das Zivihecht nicht ohne weiteres auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte anwendbar ist, versteht sich von selbst. Dies ist nicht auf eine Unvollständig30 Offensichtlich von einer generellen Analogiefähigkeit ausgehend Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 29; Peine, Allgemeines Venvaltungsrecht, Rn. 62. 31 Für viele vgl. Schoch JuS 1994, 849 (851) m. w. Nachw. in Fn. 31 ff.
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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keit des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückzuführen. Das BGB ist Teil des Privatrechts. Es ist auf solche Rechtsverhältnisse anzuwenden, in denen sich Rechtssubjekte auf der Grundlage von Gleichordnung und Selbstbestimmung begegnen und dabei privatrechtlich handeln. Nur wenn eine Tätigkeit privatrechtlich zu qualifizieren ist, gilt das BGB oder andere einschlägige privatrechtliche Sondergesetze32. Auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte sind - von Ausnahmen abgesehen33 - außer bei ausdrücklicher gegenteiliger Anordnung die Verwaltungsverfahrensgesetze und die sonstigen einschlägigen Normen aus dem Bereich des Öffentlichen Rechts anzuwenden. Darin ist auch keine Unvollständigkeit des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu sehen. Es wird nicht „erwartet", daß das BGB für bestimmte verwaltungsrechtliche Fragestellungen Vorschriften bereit hält. Es ist insoweit in sich geschlossen. Bejaht man trotzdem die Unvollständigkeit des BGB, so fehlt es jedenfalls an einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes. Es entspricht der gesetzgeberischen Intention, öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse nicht durch das BGB zu regeln. Daraus, daß in § 839 BGB eine Haftungsvorschrift auch für öffentlich-rechtliches Handeln bereitgehalten wird, kann nicht gefolgert werden, der historische Gesetzgeber habe versehentlich übersehen, gewisse schuldrechtliche Vorschriften auf Verwaltungsrechtsverhältnisse anwendbar zu machen. Die Differenzierung nach Handeln auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts und des Privatrechts war zur Zeit der Entstehung des BGB noch nicht gleichermaßen ausgeprägt wie heute. Das Haftungsrecht rechnete man unter dem Einfluß der Fiskuslehre generell dem Zivilrecht zu 34 . Nach der Gesetzessystematik35 unterscheidet die deliktische Haftung der Beamten nicht nach öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Tätigkeit, sondern normiert die Haftung der Berufsgruppe der Beamten. Sie reiht sich ein in die Vorschriften des „besonderen Deliktsrechts", welche die Haftung bestimmter Personenkreise 36 gesonderten, von den „Grundtatbeständen der Deliktshaftung (§§ 823 bis 826 BGB) oder den „Allgemeinen Vorschriften" (§§ 827 bis 831, §§ 840 bis 853 BGB) abweichenden Anforderungen unterwerfen. Der hi32
Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl Rn. 2; Söllner ZG 1996, 241 (243). Vgl. z. B. § 196 Abs. 1 Nr. 11 u. 13, § 197, §§ 1719 ff, §§ 1723 ff, §§ 1740a ff, §§ 2353 ff. BGB. 34 Pfab, Staatshaftung in Deutschland, S. 6 f.; Nedden, GoA im Öffentlichen Recht, S. 23 f.; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 11 f. 35 Zum System der §§ 823 ff. BGB Mertens, in: MünchKommBGB, Vorb § 823 Rn. 1 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S. 354 ff.; Schiemann, in: Erman, BGB, Vorb § 823 Rn. 1 ff. 36 Hierzu zählen die Haftung des Aufsichtspflichtigen (§ 832 BGB), des Tierhalters (§ 833 BGB), des Tieraufsehers (§ 834 BGB), des Jagdberechtigten für Wildschaden (§ 835 BGB; aufgehoben durch § 146 Abs. 2 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes vom 29.11.1952, BGBl I S. 780 [788]), des Eigenbesitzers eines Bauwerks (§§ 836, 837 BGB) oder des Gebäudeunterhaltspflichtigen (§ 838 BGB). 33
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
storische Gesetzgeber beabsichtigte keineswegs, dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch für öffentlich-rechtliche Rechtsbeziehungen Geltung zu verschaffen. Er wollte vielmehr die deliktische Haftung einzelner, gesondert aufgeführter Personenkreise von der für »jedermann" geltenden deliktischen Haftung abheben. Aus der Stellung des Amtshaftungstatbestands im BGB lassen sich keine Rückschlüsse auf eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes ziehen. Für die methodische Zulässigkeit einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung fehlt es somit an der Lücke des BGB, je nach Defintion der Lücke zumindest aber an der Planwidrigkeit derselben 37. Die Lückenhaftigkeit öffentlich-rechtlicher Regelungszusammenhänge rechtfertigt Analogien zu Vorschriften im einschlägigen öffentlichen Sonderrecht oder es bleibt der Weg über eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung 38.
3. Heranziehung von Rechtsgrundsätzen (gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung) Der Analogieschluß geht zwar über den Wortlaut des Gesetzes hinaus, bewegt sich aber doch innerhalb des vom Gesetz Gewollten 39 . Die sog. gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt demgegenüber an den Grundsätzen der gesamten Rechtsordnung an. Sie kommt in Betracht, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die nach einer Antwort verlangt, aber von den geltenden Gesetzen unbeantwortet bleibt 40 . Die Beantwortung darf folglich weder durch Gesetzesauslegung noch durch gesetzesimmanente Rechtsfortbildung möglich sein 41 . Der Versuch, die Grenzen zwischen dem Analogieschluß und der gesetzesübersteigenden Heranziehung von Rechtsgrundsätzen zu verwischen 42, 37
Dies erkennend RG JR 1927, Sp. 136 (137); Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 226; Blasius/Büchner, Methodenlehre, S. 175; a. Α. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 29 f.; Suckow, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 39; Weber JuS 1970, 169 (170); Schwacke, Juristische Methodik, S. 82, der hierbei allerdings auf die rechtsgrundsätzliche Wirkung zahlreicher BGB-Vorschriften verweist, was eigentlich auf eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung hindeutet; dies verkennend Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 29 f.; Schack, in: FS Laun, S. 275 (278 ff.). 38 Ebenfalls nur einen Rückgriff auf Rechtsgrundsätze für zulässig erachtend RG JR 1927, Sp. 136 (137); Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 338 f. 39 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 232; Schwacke, Juristische Methodik, S. 91. 40 BVerfGE 34, 269 (287); Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 232 f.; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 39. 41 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 232 f , 245. 42 So Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 157 f.; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 30 ff, 95; Wagner, Anwendbarkeit des AGBGesetzes, S. 71; Papier, Forderungsverletzung, S. 75 ff.; Koenig DÖV 1994, 286 (289 f.); Heintschel v. Heinegg NVwZ 1992, 522 (527); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Stürner JuS 1973,749 (750).
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scheint nur gerechtfertigt, wenn beide Institute der Rechtsfortbildung nicht unterschiedlichen Voraussetzungen und Anforderungen unterliegen. Da die Analogie als mildeste Form der Gesetzesergänzung gilt, dürfte sie prima facie auch niedrigeren Schranken unterworfen sein als die sonstige Rechtsfortbildung 43.
a) Annahme einer Lücke im öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang Auch die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung setzt eine Lücke des jeweiligen Regelungszusammenhangs voraus 44. Die unerwünschte Unvollständigkeit mißt sich nicht am Plan eines Gesetzes (Lücke i. e. S.), sondern an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung bzw. eines materienspezifisch abgrenzbaren Teils derselben. Man spricht auch von einer Lücke i. w. S 45 . Wie bei der Gesetzes- oder Regelungslücke ist eine Lückenschließung nur möglich, wenn mit überzeugenden rechtlichen Argumenten begründet werden kann, daß das Recht im konkreten Fall tatsächlich der Ergänzung bedarf 46. Als Erfordernisse der Gesamtrechtsordnung werden genannt die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des Rechtsverkehrs 47, auf die „Natur der Sache" oder auf rechtsethische Prinzipien 48 . Die ergänzungsbedürftige Unvollständigkeit des Staatshaftungsrechts wurde bereits festgestellt 49. Gemessen an den Erfordernissen der Gesamtrechtsordnung besteht ein unabweisbares Bedürfnis des Rechtsverkehrs zur Rechtsfortbildung. Ob im vorliegenden Zusammenhang in den jeweiligen Konstellationen der „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" die Möglichkeiten zum haftungsrechtlichen oder zu einem sonstigen angemessenen Interessenausgleich defizitär sind, muß die jeweilige Analyse an gegebener Stelle zeigen. Eine er-
43 Schwabe DVB1 1997, 352. - Zu den graduell unterschiedlichen Anforderungen an gesetzesimmanente und gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung siehe unten S. 297 ff. 44 BVerfGE 34, 269 (287); Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 421; Koller, Theorie des Rechts, S. 227 u. 230; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 472; Peine, Recht als System, S. 83; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 37 ff; a. A , den Begriff der Lücke hier für fragwürdig haltend BVerfGE 49, 304 (320 f.); Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 368, 426 f.; Schwacke/Uhlig, Juristische Methodik (2. Aufl.), S. 52, die dies jedoch - zutreffend - erkennen als einen Streit um Worte. 45 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246. 46 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 247; Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 475. 47 Zu den „Bedürfnissen des Rechtsverkehrs" ausführlich Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 233 ff. 48 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 233 ff 49 Allgemein siehe oben S. 42 ff; zur Lückenhaftigkeit der deliktischen Amtshaftung im Vergleich zu vertraglicher Haftung siehe oben S. 212 ff.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
gänzungsbedürftige UnVollständigkeit wird man immer dann annehmen können, wenn eine rechtliche Beurteilung und Behandlung der betreffenden Rechtsbeziehungen im Rechtsverkehr unbedingt gefordert, mit Hilfe des vorhandenen Rechts jedoch vernünftigerweise nicht möglich ist. Der Vergleich der deliktischen Amtshaftung mit den bürgerlichrechtlichen Regelungen der Vertragshaftung 50 hat ergeben, daß beide Bereiche insoweit auch für die Praxis relevante Unterschiede aufweisen. Da das Recht der staatlichen Ersatzleistungen keine Regelungen bzw. Grundsätze enthält, die einer vertraglichen Haftung weitgehend angenähert sind, kann in Verwaltungsrechtsverhältnissen für die Sekundärebene insoweit eine Lückenhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs vermutet werden.
b) Mittel der Lückenschließung bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung Die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung dient der Rechtsergänzung im nicht normierten Bereich. Genauso wie die Feststellung einer Lücke mit rechtlichen Argumenten begründet sein muß, können sich die Maßstäbe der Rechtsfindung nur am Recht orientieren 51. Anerkannt ist die Methode der Heranziehung von Rechtsgrundsätzen. A m häufigsten verwandtes Mittel der gesetzesübersteigenden Lückenschließung ist die Heranziehung von Rechtsgrundsätzen52. Solche werden aus vorhandenen Normen und Rechtsprinzipien abgeleitet53. Über die Frage, was unter Rechtsgrundsätzen zu verstehen ist bzw. wann solche mit Rechtsverbindlichkeit angenommen werden können, besteht weitestgehend - jedoch vorwiegend rein terminologische - Uneinheitlichkeit. So ist - meist ohne inhaltliche Differenzen 54 - von Rechtsgrundsätzen 55, allgemeinen Rechtsgrundsätzen56, allge50
Siehe oben S. 214 ff. Schwache, Juristische Methodik, S. 91; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 99. 52 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 424. 53 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 424; Canaris , Systemdenken und Systembegriff, S. 17. - Α. A. MacCormick/Weinberger, Grundlagen des Institutionalistischen Rechtspositivismus, S. 44 ff.; Hoerster JuS 1987, 181 (186), die „allgemeine Rechtsgrundsätze" nur anerkennen wollen, wenn sie im Gesetz ausdrücklich bestimmt sind. - Zur krit. Auseinandersetzung mit dem Positivismus Dworkin , Bürgerrechte ernstgenommen, S. 46 ff. 54 Gleicher Befund bei Bydlinski, Methodenlehre, S. 484: „Die Vielfalt der Formulierungen täuscht."; Blasius/Büchner, Methodenlehre, S. 67. 55 Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S. 90 ff. 56 So etwa Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 226; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 107 ff; Schwacke, Juristische Methodik, S. 87.; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 338 f. 51
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meinen Rechtsprinzipien 57 oder einheitlichen Rechtsinstituten bzw. einheitlichen Rechtsbegriffen 58 die Rede. Im folgenden soll der Terminologie bei Wolff/Bachof/Stober 59 gefolgt werden, die nur den Begriff Rechtsgrundsätze verwenden und hierbei zwischen allgemeinen und besonderen unterscheiden 60. Allgemeine Rechtsgrundsätze sind als „übergesetzliche Werte" 61 unmittelbar aus dem Rechtsprinzip ableitbar, da sie nicht von besonderen sozialen Gegebenheiten abhängen. Sie sind daher „ethischer Mindestgehalt" und „normatives Fundament" jeder Rechtsordnung 62. Ihre Ermittlung, insbesondere bei der Heranziehung subsidiären Völkerrechts oder beispielsweise der Entwicklung eines europäischen Verwaltungsrechts, erfolgt auf der Grundlage einer wertenden Rechtsvergleichung 63. Besondere Rechtsgrundsätze werden demgegenüber nicht unmittelbar aus einer Rechtsidee abgeleitet. Sie stellen als fundamentale Rechtsnormen bzw. Rechtsgedanken Rechtsquellen und damit Erkenntnisgrund für positives Recht dar 64 und ergeben sich aus der Anwendung des Prinzips der Gerechtigkeit auf eindeutige Interessenlagen allgemeiner Art. Sie sind wegen ihres „allgemeinen Charakters mit objektiver Erkenntnisgewißheit aus dem Rechtsprinzip ableitbar" und können daher von keinem Rechtsgenossen ernsthaft angezweifelt werden 65 . Sie stellen das Bindeglied zwischen dem Gerechtigkeitsprinzip und dessen Anwendung auf eindeutige Interessenlagen innerhalb besonderer sozialer Lebensverhältnisse oder der Rechtsordnung dar 66 ; je komplexer und vielschichtiger die jeweiligen besonderen Lebensverhältnisse bzw. die Grundzüge der Rechtsordnung, desto geringer die Erkenntnisgewißheit über das Vorliegen eines Rechtsgrundsatzes67. Durch den Bezugspunkt der Rechtsordnung und deren bekannten Prinzipien sind besondere Rechtsgrundsätze auch „relativ", d. h. vom Gesetzgeber durch entsprechende Ausgestaltung der Rechtsordnung abänderbar. Insoweit müssen besondere 57 So etwa Larenz/Canaris, Methodenlehre, S 252; Zippelius, Methodenlehre, S. 50 f.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 285, 424; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 93 ff. 58 So etwa Blasius/Büchner, Methodenlehre, S. 67. 59 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 2 ff. 60 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 3 f.; Peine, Recht als System, S. 78 unterscheidet ebenso und verwendet die Begriffe „rechtsethische" und „rechtstechnische Prinzipien". 61 Canaris , Lücken im Gesetz, S. 37. 62 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 3; ähnlich unter der Bezeichnung „rechtsethische Prinzipien" Schwacke, Juristische Methodik, S. 92. 63 Bydlinski, Methodenlehre, S. 483; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 5 m. zahlr. Nachw. zur Entwicklung eines europäischen Verwaltungsrechts. 64 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 6; Schwacke, Juristische Methodik, S. 91. 65 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 2. 66 BVerwGE 42, 222 (227); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 4. 67 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 4. 19 Meysen
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Rechtsgrundsätze - entgegen einer scheinbar auf Absolutheit abzielenden Entscheidung des BVerwG 6 8 und im Gegensatz zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen - nicht der Dispositionsbefugnis des Gesetzgebers entzogen sein69. Um in Vorschriften des positiven Rechts verankerte Rechtsgrundsätze im konkreten Streitfall heranziehen zu können, müssen aus ihnen unter methodologischen Gesichtspunkten Rechtssätze abgeleitet werden 70. Bei einer induktiven Vorgehensweise müssen alle Erfahrungsdaten der geltenden Gesetze ausgewertet werden, um deren Grundgedanken herauslesen zu können. Es ist nach den sozialen Wertvorstellungen und den diesen entsprechenden Normen zu suchen71. Da diese Normen häufig einen Kompromiß zwischen widerstreitenden Wertvorstellungen widerspiegeln, kann dem Gesetzgeber dementsprechend Einfluß auf die Grundgedanken der Rechtsordnung zukommen. Es gilt: Je umstrittener die konkurrierenden Wertvorstellungen bei der Beurteilung eines Lebenssachverhalts, desto genauer muß die Prüfung der positivierten Austarierung durch die Rechtsordnung ausfallen 72. Hierbei können auch überpositive Grundsätze der Gesamtrechtsordnung („allgemeine Rechtsgrundsätze") Eingang finden. Ist schließlich bei einer Reihe von Rechtsbeziehungen eine Typizität erkannt, kann sich diese zu einem Rechtsgrundsatz festigen 73. Daneben wird als vermeintlich weitere Form die Rechtsfindung über eine Herleitung aus dem Argument der „Natur der Sache" genannt74. Sie stellt jedoch lediglich einen Unterfall Heranziehung von Rechtsgrundsätzen dar 75 . Ermittelt werden muß ein „natürlicher Rechtsgrundsatz" 76. Es müssen auch hier Lebensverhältnisse ausfindig gemacht werden, die ihrem typischen Zweck und ihren Wertungen nach gewisse Regeln fordern, die sich aber aus den Rechtsnormen nicht ergeben. Folgerungen aus der „Natur der Sache" müssen jedoch 68
BVerwGE 42, 222. Kritisch gegenüber den etwas überzogenen Anforderungen des BVerwG (E 42, 222 [227]), die an eine „unmittelbare Nähe zum Naturrecht" erinnern, auch Blasius/Büchner, Methodenlehre, S. 66 f. 70 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 25 Rn. 6; Bydlinski, Methodenlehre, S. 484 ff. 71 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 106 f. 72 Bydlinski, Methodenlehre, S. 487. 73 Canaris, Lücken im Gesetz, S. 107. 74 Schwacke, Juristische Methodik, S. 92; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 424; Canaris, Lücken im Gesetz, S. 118 ff. - Canaris, Lücken im Gesetz, S. 123 ff. will daneben noch Rechtswerte zur Lückenschließung heranziehen; er räumt jedoch selbst ein, daß der Unterschied zum Rechtsgrundsatz („allgemeinen Rechtsprinzip") nur in dem Grad der Konkretisierung liege. 75 Bydlinski, Methodenlehre, S. 489. - Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 236 sehen demzufolge in der Rücksichtnahme auf die „Natur der Sache" auch nur einen möglichen Beweggrund für die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung. 76 Bydlinski, Methodenlehre, S. 489; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 96 f.; 99 f. 69
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zwingend sein. Es müssen andere, sachgerechte Gestaltungsmöglichkeiten nicht geregelter Lebenssachverhalte ausscheiden77. Aus der Natur der Sache muß sich ergeben, daß die rechtliche Bewertung eines Lebenssachverhalts nicht anders ausfallen kann als unter Heranziehung des „natürlichen Rechtsgrundsatzes".
c) Grenzen gesetzesübersteigender Lückenschließung aa) Vorrang des Gesetzes Wenn Rechtsgrundsätze nach ihrer abstrakten Extraktion aus den Rechtsnormen auf einen konkreten Sachverhalt Anwendung finden, also selbst auf die Ebene ernes Rechtssatzes gehoben werden sollen, bedarf es der Beachtung des Art. 20 Abs. 3 GG. Die rechtsprechende Gewalt ist auch und gerade bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung an Recht und Gesetz gebunden78. Aufgrund des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), in dem auch das Demokratie- und das Gewaltenteilungsprinzip zum Ausdruck kommen, ist den Gerichten zum einen ein Judizieren contra legem versagt 79. Bei der Heranziehung von Rechtsgrundsätzen ist demnach zu prüfen, ob der jeweils ins Auge gefaßten inhaltlichen Lückenschließung nicht das bereits normierte Recht entgegensteht, also ob das vorhandene Recht nicht in Widerspruch zu dem gefundenen Rechtsgrundsatz steht. Weiter ergibt sich aus der Bindung an Recht und Gesetz, daß sich der Rechtsgrundsatz in den konkreten Regelungszusammenhang, in den er Eingang finden soll, einpaßt80. Letzterer Befund muß, damit die Ausstattung eines Rechtsgrundsatzes mit rechtlicher Verbindlichkeit erfolgen kann, nicht zuletzt mittels einer Ähnlichkeitsprüfung 81 besonders begründet sein. Dies erfolgt über einen Vergleich von Zweck und Wertung des im positiven Recht ermittelten Rechtsgrundsatzes mit der Interessenlage des jeweils vorliegenden Einzelfalls 82 . Nur bei einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen läßt sich eine gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung in die vorhandene Rechtsordnung einfügen. Jedoch selbst wenn nach einer solchen Ähnlichkeitsprüfung die sozialen Zwecke und Wertungen, die in einem Rechtsgrundsatz zum Aus77 BVerfGE 11, 89 (99); 12, 205 (251); 22, 180 (217); 26, 246 (257); Degenhart, Staatsrecht I, Rn. 142; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 240; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 119. 78 BVerfGE 34, 269 (286 f.); Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 158; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246; Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 5 ff, 85 ff.; Schwacke, Juristische Methodik, S. 91; Peine, Recht als System, S. 83 f.; Canaris , Lücken im Gesetz, S. 37; Wehr JuS 1997, 231. 79 Hierzu umfassend Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 5 ff, 85 ff. 80 Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 109. 81 Bydlinski, Methodenlehre, S. 488. - Zur Parallelität der Feststellung beim Analogieschluß siehe unten S. 297 f. 82 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 424 f.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
druck kommen, auch noch so konsensfähig erscheinen, ihre Heranziehung scheidet bei einem Wertungswiderspruch zu positiven Normen der Rechtsordnung aus83. Die Grenzen zwischen der Annahme von Wertungswidersprüchen aufgrund positiven Rechts und fehlender Ähnlichkeit der Interessenlagen, also dem Einpassen in den konkreten Regelungszusammenhang, können nicht immer eindeutig gezogen werden. Eine solche Grenzziehung ist aber auch nicht erforderlich. Beide Einschränkungen (Fehlen von Weitungswidersprüchen und Ähnlichkeitsprüfung) ergeben sich unmittelbar aus der Bindung der Judikative an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG). Das verfassungsrechtliche Prinzip des Vorrangs der Gesetze reicht jedoch über das Verbot des Judizierens contra legem hinaus und verwehrt den Gerichten, im Wege gänzlich „freier" Rechtsschöpfung Rechtssätze neu zu schaffen bzw. auszuweiten84. Gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung als Aufgabe der Obersten Gerichte ist nur zulässig, wenn gewichtige Gründe sie erfordern 85. Welche Rechtsgrundsätze im Einzelfall herangezogen werden können, muß vom jeweils vorliegenden Regelungszusammenhang unzweideutig vorgegeben sein 86 . Läßt der einzelne Sachverhalt mehrere „gerechte" Möglichkeiten der gesetzesübersteigenden Lückenschließung zu, so steht es den Richtern nicht frei, sich an die Stelle des Gesetzgebers zu setzen und mittels reiner Billigkeitserwägungen den nach ihren Vorstellungen angemessensten Lösungsweg einzuschlagen87. Auch richterliche Rechtsfortbildung bedarf der rechtlichen Rückbindung 88 . Das BVerwG 89 nimmt dazu - und zum Vorbehalt des Gesetzes90 - in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 Stellung. In dem Sachverhalt, der dem Urteil 83
Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 251 f , 258, 288 ff.; Bydlinski, Methodenlehre, S. 491; Peine, Recht als System, S. 83. 84 Engisch, Einführung, S. 206; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 302; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 423 f. - Anders bspw. in der Schweiz, wo dem Richter nach Art. 1 ZGB die Aufgabe zukommt, bei fehlender gesetzlicher Regelung „nach der Regel [zu] entscheiden, die er als Gesetzgeber aufstellen würde." 85 Schwacke, Juristische Methodik, S. 77, 86 f. 86 BVerwGE 42, 222 (226); 101, 51 (54) = NJW 1996, 2669; Larenz, Methodenlehre, S. 252 f , 261 , Bydlinski, Methodenlehre, S. 490. 87 BVerwGE 101, 51 (54) = NJW 1996, 2669; Schwacke, Juristische Methodik, S. 77, 91; a. A. offenbar Zippelius, Methodenlehre, S. 77, der es für legitim hält, daß Richter nach ihrem eigenen Rechtsgefühl, ihren persönlichen Zweckmäßigkeitserwägungen oder sogar in rechtsethischem Wagnis an der Weiterentwicklung des Rechts mitwirken. 88 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246, 247; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 423; Schwacke, Juristische Methodik, S. 77. 89 BVerwGE 101, 51 = NJW 1996, 2669; hierzu bespr. U. Stelkens DVB1 1998, 300 ff. 90 Hierzu siehe unten S. 295 ff.
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zugmndelag, hatte die Studentenvertretung einer Fachhochschule bei einem Verlag 8.000 Exemplare einer von ihr selbst herausgegebenen Broschüre bestellt. Der Verlag schickte für die Bestellung an die Fachhochschule eine Rechnung i. H. von rund D M 2.500,-. Auf dieser brachte die Beklagte als zuständiges Mitglied des Sprecherrats den Vermerk „sachlich richtig und festgestellt" an. Daraufhin überwies die Fachhochschule den fälligen Rechnungsbetrag an den Verlag und verlangte von der Studentenvertreterin im Wege des Schadenersatzes Erstattung des überwiesenen Betrags, um den die Fachhochschule geschädigt worden war. Die Vorinstanz hatte in dem Verhältnis der Studentenvertreterin zur Fachhochschule noch ein öffentlich-rechtliches Auftragsverhältnis gesehen und einen Anspruch aus p W anerkannt. Das BVerwG wies die Klage ab. Es führt aus, daß es nicht von vornherein ausgeschlossen sei, bei Einzelfragen, zu denen eine spezielle Regelung fehle, auf „allgemeine" Rechtsgrundsätze zurückzugreifen. Ein solcher Rückgriff setze aber voraus, daß diese Rechtsgrundsätze geeignet und ausreichend seien, gerade auch die Besonderheiten zu erfassen, die den fraglichen Regelungszusammenhang kennzeichnen. Es müsse daher der Nachweis geführt werden, daß sich die Rechtsgrundsätze, auf die man zurückgreifen wolle, in den Regelungszusammenhang einpaßten. Je spezieller dieser Regelungszusammenhang sei und je detaillierter und differenzierter wesentliche Angelegenheiten zu regeln seien, desto höhere Anforderungen müßten gestellt werden. Die Interessenlagen im Beziehungsgeflecht zwischen Staat, Hochschule, studentischer Konvent, Sprecherrat und Mitglied des Sprecherrats seien nicht in einer Weise überschaubar, daß der Ausgleich von Vermögensinteressen durch den Rückgriff auf Rechtsgrundsätze zu bewältigen wäre. Dadurch, daß die Beziehungen zwischen den Beteiligten nicht einfach strukturiert seien, bestünde auch hinsichtlich der wichtigsten Haftungsvoraussetzungen, zu denen die Primärhaftung ehrenamtlich tätiger Studenten, der Regreß, der maßgebliche Verschuldensgrad und die Verjährungsfrist zählen sollen, ein spezieller gesetzlicher Regelungsbedarf. Die diesbezügliche Lücke in der Rechtsordnung könne nicht dahingehend interpretiert werden, der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß auf ein öffentlich-rechtliches Auftragsvehältnis die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Auftrag einschließlich einer daraus entstehenden Haftung des Beauftragten entsprechend zu Anwendung kommen. Den Ausführungen des BVerwG muß nichts hinzugefügt werden. Ist beispielsweise beim Verschuldensmaßstab unklar, ob ein Rechtsgrundsatz, nach dem für Vorsatz und Fahrlässigkeit (vgl. § 276 BGB), oder ein Rechtsgrundsatz, nach dem nur für diligentia quam in suis (vgl. § 277 BGB) gehaftet wird, heranzuziehen ist, kann weder von der rechtsgrundsätzlichen Geltung des einen noch des anderen ausgegangen werden. Ein Rechtsgrundsatz paßt sich nicht nur dann nicht in den betreffenden Regelungszusammenhang ein, wenn dem positivgesetzliche Normen entgegenstehen, sondern auch dann, wenn seine Geltung Zweifeln unterliegt. Dies ist bei Unklarheiten über die Anwendbarkeit einzelner von mehreren Rechtsgrundsätzen der Fall.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Die Unmöglichkeit der Rechtsfortbildung in solchen Fällen setzt sich auch nicht dem Vorwurf der Rechtsverweigerung aus. Sieht das positive Recht keine Rechtsposition vor und läßt sich kein Rechtsgrundsatz finden, der in dem Regelungszusammenhang eindeutig anwendbar ist, so scheidet die Schließung der Lücke aus91. Die Lückenhaftigkeit und damit verbunden als unbillig empfundene Ergebnisse fallen auf den Gesetzgeber zurück. Dem Rechtsverweigerungsverbot, nach dem die Richter auf jede rechtliche Frage eine Antwort zu geben haben, ist insofern genüge zu tun, als der Kläger negativ zu bescheiden, ein Anspruch nicht anzuerkennen ist 92 . Der Rückgriff auf „allgemeine" Rechtsgrundsätze würde in solchen Fällen den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG nicht hinreichend Rechnung tragen und wäre in Wahrheit unzulässige richterliche Normsetzung 93. Das Schließen einer Lücke i. w. S. im Wege einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist mit Blick auf den Vorrang des Gesetzes somit nur möglich, wenn sich der Rechtsgrundsatz in das vorhandene Regelungssystem einpaßt, hier also den Regelungszusammenhang des einschlägigen öffentlichen Sonderrechts. Beim Einpassen in den Regelungszusammenhang geht es zuerst um die Ermittlung und Berücksichtigung grundlegender Wertungen im jeweiligen Rechtsgebiet. Sodann ist ein Vergleich anzustellen zwischen der Interessenlage im betreffenden Verwaltungsrechtsverhältnis, das vom jeweils direkt anwendbaren Öffentlichen Recht determiniert ist, und der Interessenlage, die in den Rechtsgrundsätzen, welche im konkreten Fall herangezogen werden sollen, ihren Ausdruck gefunden hat 94 . Dieser Prüfungspunkt erinnert an das Erfordernis der Vergleichbarkeit der Interessenlagen beim Analogieschluß95. Bei der Annahme einer solchen besteht immerhin die Möglichkeit, daß sich die - in einem vorangegangenen Schritt - aus den Vorschriften des BGBSchuldrechts ermittelten Rechtsgrundsätze in den betreffenden lückenhaften Regelungszusammenhang des Verwaltungsrechtsverhältnisses einpassen. Entscheidend ist, ob die ermittelten Rechtsgrundsätze dem vorhandenen Normkontext nicht widersprechen. Dies richtet sich nach den einschlägigen öffentlichrechtlichen Vorschriften. Diese müssen - neben der Widerspruchslosigkeit nicht zuletzt aufgrund des Gebots der Rechtssicherheit eindeutig erkennen lassen, daß und wenn ja, welche Rechtsgrundsätze im konkreten Fall allein heran-
91
Schmalz, Methodenlehre, Rn. 423; Schwacke, Juristische Methodik, S. 91. Engisch, Einführung, S. 177 f.; Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 287 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 221. 93 BVerwGE 101, 51 (55) = NJW 1996, 2669 (2670). 94 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 424 f. 95 Vgl. hierzu Bydlinski, Methodenlehre, S. 475 ff; Schwacke, Juristische Methodik, S. 83 f.; Blasius/Büchner, Methodenlehre, S. 175. 92
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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gezogen werden können 96 . Nur so kann bei einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung der verfassungsrechtlich verankerten Bindung der Rechtsprechung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) hinreichend Rechnung getragen werden.
bb) Vorbehalt des Gesetzes Bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist neben dem Gesetzesvorrang auch der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes zu beachten97. Der Gesetzesvorbehalt wird teilweise ebenfalls aus Art. 20 Abs. 3 GG hergeleitet 98. Art. 20 Abs. 3 GG verpflichtet Rechtsprechung und Verwaltung jedoch lediglich den Gesetzen. Richtiger erscheint es deshalb, den Vorbehalt des Gesetzes aus den Grundrechten im Zusammenhang mit dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip zu entwickeln (Art. 20 Abs. 1 u. 3 GG) 99 . Nach dem Prinzip der parlamentarischen Demokratie hat der demokratisch legitimierte Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen des Gemeinwesens, insbesondere die grundrechtsintensiven Eingriffe in Rechte des Bürgers, selbst zu treffen (Wesentlichkeitstheorie) 100. Die Rechtsstaatlichkeit setzt voraus, daß die Rechtsbeziehungen zwischen Bürger und Staat für den Bürger voraussehbar und berechenbar sind. I m grundrechtssensiblen Bereichen, wie beispielsweise bei der Frage nach der Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln bei der Eingriffsverwaltung, fordert der dem Rechtsstaatsprinzip immanente Grundsatz der Rechtssicherheit hinreichend bestimmte und detaillierte Regelungen (Bestimmtheitsgrundsatz) 101. Dem genüge zu tun, bedarf es der Regelung durch allgemeine Gesetze. Die gesetzesübersteigende Schließung einer Lücke i. w. S. orientiert sich an den Erfordernissen der Rechtsordnung. Deren Bestimmung durch die Gerichte wird wegen der Schwierigkeit ihrer Ermittlung und der Unsicherhei96 Schwacke, Juristische Methodik, S 91; Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 158. 97 Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 158 f.; Suckow, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 39; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246 f.; Konzak NVwZ 1997, 872 (873); Söllner ZG 1996, 241 (244); Canaris , in: GS Dietz, S. 199 (204 f.); a. A. Herzog, in: FS Simon, S. 103 (106 ff.). 98 BVerfGE 40, 237 (248 f.); 49, 89 (126); 77, 170 (230). 99 Zuletzt VerfGH NW NJW 1999, 1243; ausführlich siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 4 ff. - Nur auf Rechtsstaats- und Demokratieprinzip rekurrierend Wehr JuS 1997, 419 (420 m. w. Nachw. zum Meinungsstand); Pietzcker JuS 1979, 710 (712 ff.). 100 Zur Wesentlichkeitstheorie siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 6 Rn. 5; Ossenbühl, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht (10. Aufl.), § 9 Rn. 18; ders, in: HStR III, § 62 Rn. 33 ff. u. 41 ff. jew. m. zahlr. Nachw. 101 Schwacke, Juristische Methodik, S. 91.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
ten bei ihrer Bewertung den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt daher häufig nicht gerecht. Im Haftungsrecht sind somit an die Rechtsgrundlage für einen Schadenersatzanspruch des Staates gegenüber dem Bürger gesteigerte Anforderungen zu stellen. Die Begründung einer Haftung des Einzelnen bedeutet gleichzeitig die Auferlegung einer Geldzahlungspflicht durch die Gerichte. Darin ist zumindest ein Eingriff in das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG zu sehen 102 . Muß die Haftung erst über die Heranziehung von Rechtsgrundsätzen begründet werden, sind daher an die Klarheit und Eindeutigkeit im Einzelfall höhere Ansprüche zu stellen 103 . Dies gilt für die Begründung einer Haftung sowohl auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts, als auch im Bereich des Privatrechts. Die Rechtsgrundlage, auf welche die Gerichte eine Haftung des Privaten gegenüber dem Staat mithilfe einer Rechtsfortbildung stützen, muß vom Gesetzgeber gesteuert bleiben, und zwar hinsichtlich aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale 104. Die Heranziehung der Rechtsgrundsätze muß unter rechtsstaatlichen Maßstäben zur Vermeidung unerträglicher Ungerechtigkeiten von der Rechtsordnung zwingend gefordert sein und darf in bezug auf die konkrete Ausgestaltung keinen rechtlichen Zweifeln unterliegen 105. Das BVerwG hat in der geschilderten Entscheidung zur Haftung einer Studentenvertreterin gegenüber der Hochschule 106 den Gesetzesvorbehalt zwar nicht explicit als Grenze der (gesetzesübersteigenden) Rechtsfortbildung genannt. Der Heranziehung von Haftungsvorschriften des BGB-Schuldrechts, denen durch die Vorinstanz der Rang „allgemeiner" Rechtsgrundsätze zugesprochen worden war, widersprach das BVerwG aber mit der Begründung, die Rechtsgrundsätze genügten „den Anforderungen des Art. 20 Abs. 3 GG an die Klarheit und Eindeutigkeit von Eingriffsnormen" nicht. Dies entspricht einer Aktualisierung des Vorbehalts des Gesetzes. Hätte das Gericht hier eine gesetzesübersteigende Heranziehung von Rechtsgrundsätzen vorgenommen und da102
Zu Grundrechtseingriffen durch Auferlegung von Geldleistungspflichten BVerfGE 9, 3 (11); 48, 102 (115 f.); 87, 153 (169); BVerfG NJW 1996, 3146; Dreier, in: ders, GG, Art. 2 I Rn. 24; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 5; Murswiek DVB1 1997, 1021 (1022); Konzak NVwZ 1997, 872. 103 BVerfG NJW 1996, 3146 = DVB1 1997, 351 m. Anm. Schwabe. 104
BVerfG NJW 1996, 3146 = DVB1 1997, 351 (m. zust. Anm. Schwabe S. 352 f.); BVerwGE 101, 51 (54) = NJW 1996, 2669; a. A. wohl Thieme Jura 1995, 639 (640), der für den Fall, daß sich keine anwendbare Vorschrift findet, „eine freie Entscheidung möglich und notwendig" hält, „weil der Jurist keinen ihm vorliegenden Fall unentschieden lassen darf*. Er übersieht, daß die Zuerkennung eines Anspruchs mangels Anspruchsgrundlage genauso eine Entscheidung bedeutet. 105 106
BVerfGE 34,269 (287); 54,251 (276); Neuner, Rechtsfindung contra legem, S. 69. BVerwGE 101,51 =NJW 1996,2669; vgl. auch Riedl BayVBl 1993,522(524).
I. Methoden richterlicher Rechtsfortbildung
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mit eine Haftung des Mitglieds des Sprecherrats begründet, so hätte dies einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in dessen Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG bedeutet.
d) Zusammenfassung Die Möglichkeit und Zulässigkeit der Heranziehung von Rechtsgrundsätzen des BGB-Schuldrechts auf Verwaltungsrechtsverhältnisse im Rahmen einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist folglich in folgenden vier Prüfungsschritten zu ermitteln: (1.) Ermittlung einer planwidrigen Lücke des Öffentlichen Rechts, (2.) Suche nach aus dem Zivilrecht ableitbaren Rechtsgrundsätzen, (3.) Einfügen der Rechtsgrundsätze in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang: Vergleichbarkeit mit anderen Rechtsbeziehungen, in denen der Rechtsgrundsatz gilt; kein Widerspruch zu vorhandenen Gesetzen; Klarheit und Eindeutigkeit der Anwendung der jeweiligen Rechtsgrundsätze im konkreten Regelungszusammenhang und (4.) bei Ansprüchen des Staates und seiner Untergliederungen gegenüber dem Bürger die Beachtung des Vorbehalts des Gesetzes.
4. Unterschiede zwischen Analogieschluß und Heranziehung von Rechtsgrundsätzen Die Rechtsprechung begnügt sich häufig damit, die Frage nach der Methode der Rechtsfortbildung offen zu lassen107. Dies basiert auf der Grundannahme, daß der Weg über den Analogieschluß oder über die Heranziehung von Rechtsgrundsätzen mit keinen sachlichen Konsequenzen verbunden ist. Dies kann nur bedingt bestätigt werden. Bei der Analogie erfolgt ein Rückgriff auf bereits positivgesetzlich festgehaltene Vorschriften. Bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung bedarf es hingegen zuerst der Ermittlung eines Rechtsgrundsatzes, dessen Geltung über die seiner möglichen Fixierung in einer positiven Norm hinausgeht. Hierzu wird erforderlich sein, daß bei einer Reihe von Rechtsbeziehungen eine Typizität auszumachen ist. Dabei muß ein Rechtsgrundsatz nicht zwingend in einer Norm niedergelegt sein. Der Analogieschluß geht von der Erforderlichkeit einer Lücke gemessen am Plan eines einzelnen Gesetzes aus (Lücke i. e. S.). Rechtsgrundsätze gelten demgegenüber bei Ergänzungsbedürftigkeit der Gesamtrechtsordnung (Lücke i. w. S.). Ist eine solche festgestellt, gelten sie umfassend und ihre Anwendbarkeit 107
Siehe die Nachweise oben 2. Kap, Fn. 520.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
unterliegt nur noch den Grenzen der Rechtsfortbildung im jeweiligen Regelungszusammenhang. Hier fordert der Vorrang des Gesetzes bei der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen zwischen der Sachverhaltskonstellation, fur welche die konkrete(n) Vorschrift(en) unmittelbare Geltung beanspruchen, und dem Sachverhalt, auf den sie analog angewandt werden sollen 108 . Dem entspricht bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung das Erfordernis, daß sich der Rechtsgrundsatz in den konkreten Regelungszusammenhang einpassen muß 109 . Diese Feststellung wird im Wege einer Ähnlichkeitsprüfung vorgenommen. Bei beiden Formen führen Wertungswidersprüche zu positiven Normen zur Nichtanwendbarkeit. Die aus dem Vorbehalt des Gesetzes abgeleitete Wesentlichkeitstheorie und das Bestimmtheitsgebot fordern, daß besonders grundrechtsintensive Eingriffe nicht auf Rechtsfortbildung gestützt werden können. Zwar wird eine Lückenschließung im Staatshaftungsrecht nicht a priori auf die Anspruchskonstellation Bürger - Staat beschränkt sein. Aber ein Grundrechtsträger wird Eingriffe ohne ausdrückliche gesetzliche Entscheidung nur hinnehmen müssen, wenn gemessen an der Intensität des Eingriffs die gesetzlich Determinierung der Rechtsfortbildung ausreichend bestimmt ist. Sind mit gesetzesimmanenter Rechtsfortbildung Grundrechtseingriffe verbunden, kann daher eine Norm nur dann analog herangezogen werden, wenn eindeutig ist, welche Norm heranzuziehen ist. Bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist das Regel-AusnahmeVerhältnis umgekehrt. Die Heranziehung von Rechtsgrundsätzen ist zur Rechtfertigung von Eingriffen in Rechte des Bürgers nur gerechtfertigt, wenn die Rechtsgrundsätze in ihrer konkreten Ausgestaltung keinen rechtlichen Zweifeln unterliegen und unerträgliche Ungerechtigkeiten in der Rechtsordnung dies zwingend fordern 110 . Ein Vergleich zeigt, daß zwischen einem Analogieschluß oder einer Heranziehung von Rechtsgrundsätzen erhebliche Ähnlichkeiten, in einzelnen Punkten aber auch praxisrelevante Unterschiede bestehen. Inhaltlich und graduell können sich sowohl bei der Ermittlung der Analogiefähigkeit bzw. der Rechtsgrundsätzlichkeit sowie bei den Grenzen mitunter höhere Anforderungen an die gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung ergeben 111. Letztere ist daher partiell nur in engerem Rahmen zulässig 112 .
108
Pawlowski, Methodenlehre, Rn. 481 f.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 389 ff. Looschelders/Roth, Juristische Methodik, S. 251 f.; Schmalz, Methodenlehre, Rn. 447; Schwacke, Juristische Methodik, S. 91 f. 110 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 247 umschreiben dies mit dem „Erfordernis einer besonderen Legitimationsgrundlage". 111 Ebenfalls von graduellen Unterschieden spricht Stürner JuS 1973, 749 (750). 112 Deutlicher formulierend Schwacke, Juristische Methodik, S. 91. 109
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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I I . Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht und Lückenhaftigkeit des öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs 1. Anspruchsgrundlagen - Selbststand des Verwaltungsrechts a) Positive Forderungsverletzung ( p W ) oder Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis Die am häufigsten genannte Anspruchsgrundlage einer Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" wird den „Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung ( p W ) " entnommen 113 . Die privatrechtliche Haftung aus pVV ist selbst ein Produkt richterlicher Rechtsfortbildung. Im Allgemeinen Schuldrecht des BGB finden sich für die Begründung von Sekundäransprüchen nur Vorschriften zur Unmöglichkeit und zum Verzug der geschuldeten Leistung. Für die Fälle der Schlechtleistung und der Verletzung einer sonstigen Verhaltenspflicht ist den §§241 ff. BGB unmittelbar keine Schadenersatzfolge zu entnehmen. Aus den Unmöglichkeits- und Verzugsvorschriften wird daher ein „allgemeiner Grundsatz" abgeleitet, nach dem der Schuldner zum Ersatz auch des Schadens verpflichtet ist, den der Gläubiger infolge einer vom Schuldner zu verantwortenden Pflichtverletzung in seinem Vermögen oder an seinen sonstigen Rechtsgütern erleidet 114 . Dieser - im Wege der gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung entwickelte - Rechtsgrundsatz ist heute aus dem Bestand des Schuldrechts nicht mehr hinwegzudenken. Er umfaßt nicht nur die Fälle der positiven Vertragsverletzung, sondern auch der Forderungsverletzung in nichtvertraglichen Schuldverhältnissen des Privatrechtsverkehrs (ζ. B. GoA). Im Zivilrecht dient die Haftung aus p W somit dazu, dort eine Anspruchsgrundlage zu begründen, wo das Gesetz keinen ausdrücklichen Haftungstatbestand normiert. Die Verletzung einer (Neben-)Pflicht im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses ist hingegen immer gleichzeitig durch die Amts113
BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); NJW 1998, 298 (300); VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991,449 (450); Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 7 (n. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; OVG LSA LKV 1997, 175 (178); BGH DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356; Wiedemann , in: Soergel, BGB, Vorb § 275 Rn. 510; von Klitzing BayBgm 1989, 327; Stürner JuS 1973, 749 (753); Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); wohl auch BGHZ 17, 191 (193 ff.); Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 7 ff, 17 ff.; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Ipsen, Niedersächsisches Verwaltungsrecht, S. 220; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 816; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79; Janson DÖV 1979, 696 (698); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (388,396); ders. BayVBl 1974, 57 (60). 114 Larenz, Schuldrecht I, S. 367.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
haftung in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG sanktioniert. Jedwede „positive Forderungsverletzung" in einem Verwaltungsrechtsverhältnis stellt eine Amtspflichtverletzung dar. Insbesondere besteht bei einer Verletzung der relativen Forderungsrechte aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis stets die in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB geforderte Drittbezogenheit 115. In öffentlich-rechtlichem Regelungszusammenhang könnte man daher - bei Pflichtverletzungen des Staates - auch von „positiven Amtspflichtverletzungen" sprechen. Trotz des § 839 BGB könnte dem Öffentlichen Recht ein Dependant zum privatrechtlichen Institut der positiven Forderungsverletzung immanent sein. Das BVerwG 1 1 6 hat bei der Haftung wegen Verletzung der Fürsorgepflicht in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen festgestellt, daß „nach allgemeinen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung jede rechtswidrige und schuldhafte Vereitelung eines - sei es im bürgerlichen, sei es im öff. Recht begründeten - Erfüllungsanspruchs unabhängig von einem auf Grund desselben Sachverhalts etwa bestehenden Anspruchs aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz" verpflichte. Dem ist zuzustimmen. Wie im Zivihecht aus den Vorschriften zu Unmöglichkeit und Verzug ein Rechtsgrundsatz einer Haftung bei schuldhafter Pflichtverletzung entnommen werden kann, ist dem rudimentären Recht der staatlichen Ersatzleistungen zu entnehmen, daß bei „positiver (Amts-)Pflichtverletzung" gehaftet werden soll 117 . Die Rechtsprechung und Literatur ist bestrebt, den - wie festgestellt 118 - defizitären Amtshaftungstatbestand bei rechtswidrigem Verhalten, durch welches „positive (Amts-)Pflichtverletzungen" ausgelöst werden, zu flankieren (vgl. u. a. die Haftung aus enteignungsgleichem Eingriff, den Folgenbeseitigungsanspruch oder den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch). Obwohl alle relativer Amtspflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen von § 839 Abs. 1 S. 1 BGB erfaßt sind, führen die zahlreichen Einschränkungen und Begrenzungen des Amtshaftungtatbestands zur Annahme einer Lückenhaftigkeit Staatshaftungsrechts i. w. S. und damit zur Rechtfertigung einer Rechtsfortbildung. Insbesondere werden Ansprüche des Staates gegenüber dem Bürger haftungsrechtlich nicht erfaßt oder 115
Siehe auch oben S. 227 f. BVerwG DVB1 1963, 677 (678); vgl. auch HessVGH ZBR 1974, 261; Minz/Conze, Öffentlicher Dienst, Rn. 170a. - Aus dieser Pilotentscheidung hat sich eine ständige Rechtsprechung entwickelt, wobei sich die Mehrzahl der Folgeentscheidungen mit der Feststellung begnügt, der gegenüber dem Staat besonders Verpflichtete habe bei Verletzung einer ihm gegenüber bestehenden Fürsorgepflicht Ansprüche auf Schadenersatz, ohne daß die in „allgemeinen Grundsätzen" begründete Anspruchsgrundlage benannt würde. 117 So auch der Reformvorschlag der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, der die Pflichtverletzung zum Grundtatbestand der Leistungsstörung machen will, vgl. § 280 Kommissionsentwurf; hierzu Rolland NJW 1992, 2377 (2381 f.); Medicus NJW 1992, 2384 f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb § 275 Rn. 5. 118 Siehe oben S. 212 ff. 116
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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hindert die ftir den Schadenersatzgläubiger ungünstige Beweislastverteilung sowie die Subsidiarität der Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 S. 2 BGB) häufig die Durchsetzbarkeit diesbezüglicher Ansprüche. Bei der Anerkennung einer übergreifenden Haftung wegen Pflichtverletzung im Verwaltungsrechtsverhältnis handelt es sich streng genommen nicht um eine Transformation der p W auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis, sondern um einen originär öffentlich-rechtlichen Haftungsgrundsatz. Die Anerkennung einer Haftung aus „positiver (Amts-)Pflichtverletzung" führt zum Selbststand des Verwaltungsrechts, der über den Bereich personenbezogener Verwaltungsrechtsverhältnisse selbstverständlich hinausgeht. Die „Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis" tritt insoweit selbständig neben die deliktische Amtshaftung aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG 1 1 9 . Diese Haftung wegen positiver (Amts-)Pflichtverletzung in einem Verwaltungsrechtsverhältnis setzt, anders als die zitierte Entscheidung des BVerwG glauben macht, nicht etwa zwingend die „Vereitelung eines Erfüllungsanspruchs" voraus. Sie umfaßt nicht nur Fälle der Unmöglichkeit bei der Erfül119
Zur Idealkonkurrenz zwischen der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" und der Amtshaftung siehe BVerwGE 13,17 (18 f.) = NJW 1961,2364 (2365); E 28, 155 (166) = DVB1 1968, 641 (644); OVG Hamburg DVB1 1960, 745 (746 f.); HessVGH RiA 1967, 36 (37); ZBR 1968,412 (413); OVG RP NJW 1977, 72; BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 61, 7 (14); BGH NJW 1974, 1816 (1817); BGHZ 66, 302 (305); NJW 1977, 197 (198); LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NVwZ 1985, 936; BGHZ 109, 8 (9) = NJW 1990, 1167; BGH VersR 1992, 58 (60); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; BAGE 6, 300 (302 ff); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 8; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382, 421; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 548; ders, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 58; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer BBG, § 79 Rn. 26; Battis BBG, § 23 Rn. 28; Götz, Allgemeines Venvaltungsrecht, S. 267; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil F Rn. 73; Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 156; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 418; Bergmann/Schumacher, Kommunalhaftung, Rn. 967; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1 ; Hegele/Ewert; Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Faber, Verwaltungsrecht, S. 410; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 360; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 252; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 5 f.; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 790, 809; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 303; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 140; Glaser, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 839 Rn. 18; Rittstieg, in: AK-BGB, § 839 Rn. 67; Bender, Staatshaftungsrecht (2. Aufl.), Rn. 208; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 423; Dagtoglou, BK-GG, Art. 34 Rn. 68, 70; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 81; Wittkowski NJW 1993, 817 (823); Wolf JA 1989, 468; Günther NVwZ 1989, 837 (838); von Klitzing BayBgm 1989, 327; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (385 ff.); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (224); Menger VerwArch 64 (1973), 305 (308 f.); Götz JuS 1971, 349 (352); Zuleeg DÖV 1970, 627 (630); Schack ZBR 1961, 132 (133).-Zur Konkurrenz mit der deliktischen Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten RGZ 152, 129 (131); BGHZ 59, 303 (309); BGH NJW 1988,2667 (2668). - Nur Baur JZ 1971, 96 will die vertraglichen oder vertragsähnlichen Haftungsbestimmungen als die spezielleren sehen.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
lung von „Hauptleistungspflichten", sondern wie ihr Gegenstück im Zivihecht jeden schuldhaften Sorgfaltsverstoß, der die ordnungsgemäße Erfüllung oder Einhaltung einer relativen Pflicht innerhalb eines (Verwaltungs-)Rechtsverhältnisses verhindert 120 . Da das Öffentliche Recht keine speziellen Regelungen zu Unmöglichkeit 121 oder Verzug 122 vorsieht, sind auch diese von der Haftung wegen „positiver Forderungsverletzung" erfaßt. Es geht bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis wegen „positiver (Amts-)Pflichtverletzung" folglich um die generelle schadenersatzrechtliche Sanktionierung von Pflichtverletzungen innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses. Weitere Tatbestandsvoraussetzung der „Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis" ist das Vorliegen eines rechtswidrig schuldhaften Verhaltens. Für die Annahme einer haftungsauslösenden Pflichtverletzung ist die Rechtswidrigkeit des Verhaltens wesensimmanent. Mag in gewissen Rechtsbeziehungen auch ein Rechtsgrundsatz angenommen werden können, der eine Haftung auch bei schuldlosem Verhalten mit einer Schadenersatzpflicht sanktioniert. Von einer generellen, alle Verwaltungsrechtsverhältnisse umfassenden rechtsgrundsätzlichen Haftung wird man nur dann ausgehen können, wenn der Rechtsverstoß schuldhaft war. Von der Heranziehung des Rechtsgrundsatzes einer Haftung wegen positiver (Amts-)Pflichtverletzung sind alle Verwaltungsrechtsverhältnisse erfaßt. Eingrenzungen, wie sie die selektive Auswahl „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" etwa durch die Qualifizierung bestimmter Verwaltungsrechtsverhältnisses als vertragsähnlich erfährt, können allein das Haftungsregime betreffen, dem die einzelne Rechtsbeziehung hinsichtlich der Haftungsmodalitäten unterstellt werden soll (ζ. B. in Bezug die Beweislastverteilung). Die Verletzung relativer Pflichten sind umfassend aufgrund einer originär öffentlich-rechtlichen Anspruchsgrundlage mit einer Schadenersatzfolge sanktioniert. Mit dieser Lückenschließung im Bereich des Rechts öffentlich-rechtlicher Ersatzleistungen ist folglich nur die Anspruchsgrundlage dem Öffentlichen Recht selbst entnommen. Das Vorliegen einer solchen ist jedoch nicht gleichbedeutend mit der Annahme, daß bei jeder Pflichtverletzung auch ein Schadenersatzanspruch zugesprochen werden kann. Um im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung tatsächlich einen Anspruch zusprechen zu können, müssen alle für die Begründung wesentlichen weiteren inhaltlichen und prozessualen (Anspruchs-)Voraussetzungen unzweideutig dem öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang entnommen werden können 123 . Geht man wie hier von ei120 Dies für den Bereich kaufähnlicher Austauschverhältnisse feststellend Stürner JuS 1973,749 (753). 121 Hierzu siehe unten S. 303 f. 122 Hierzu siehe unten S. 304 ff. 123 Siehe zu den Grenzen gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung oben S. 291 ff.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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ner Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis aus, also einem Selbststand des Verwaltungsrechts, wird folglich weiter zu prüfen sein, ob einzelne Haftungsvoraussetzungen und -modalitäten, welche für vertragliche und vertragsähnliche Rechtsverhältnisse im Zivihecht gelten, auch im Öffentlichen Recht als Rechtsgrundsätze herangezogen werden können. Es wird u. a. zu fragen sein, ob und gegebenenfalls wann Verschulden von „Erfüllungsgehilfen" zugerechnet (vgl. § 278 BGB) 1 2 4 , die Beweislast umgekehrt wird (vgl. § 282 BGB) 1 2 5 oder die Veijährungsregeln aus dem Allgemeinen Teil des BGB (vgl. §§194 ff. BGB) Anwendung finden 126.
b) Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit (§ 280 Abs. 1 BGB) Auf der Suche nach einer Anspruchsgrundlage für die Haftung in „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen" wird gelegentlich - vorwiegend im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlicher Verwahrung - auch § 280 BGB genannt 127 . Nach § 280 Abs. 1 BGB hat der Schuldner dem Gläubiger bei zu vertretender Unmöglichkeit den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Schadenersatzanspruch tritt an die Stelle des ursprünglichen Leistungsanspruchs 128. Zu ersetzen ist daher das positive Interesse des Gläubigers; der Gläubiger ist so zu stellen, wie wenn die primäre Leistungspflicht erfüllt worden wäre. Man spricht vom Erfüllungsinteresse. Dieses soll auch bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung geschuldet sein 129 . § 280 Abs. 1 BGB entspringt einem verallgemeinerungsfähigen Rechtsgrundsatz 130. Übernimmt eine Partei eines Schuldverhältnisses eine Erfüllungspflicht aus einem vertraglichen oder vertragsähnlichen Schuldverhältnis, so hat diese der anderen voll für ein von ihr verschuldetes Ausbleiben der Leistung einzustehen. Beim Vertrag hat sich der Schuldner zu einer bestimmten Leistung verpflichtet und ist damit für das beim Gläubiger geweckte Vertrauen in die Erfüllung mitverantwortlich. Beim vertragsähnlichen gesetzlichen Schuldverhältnis trifft den Schuldner die gleiche Verpflichtung. Das betreffende Schuldver124
Hierzu siehe unten S. 335 ff. Hierzu siehe unten S. 336 ff. 126 Hierzu siehe unten S. 339 ff. 127 BVerwGE 52, 247 (254) = NJW 1978, 717 (719); BVerwG NJW 1995, 2303 (2304); OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Müller JuS 1977, 232 (233); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (388); ders. BayVBl 1974, 57; Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180); Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (257). 128 Larenz, Schuldrecht I, S. 333. 129 Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; a. A. Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (257 f.); Eckert DVB1 1962, 11 (18 f.). 130 Beinhardt VerwArch 55 (1964), 210 (257). 125
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
hältnis ist deshalb vertragsähnlich, weil die Interessenlage deijenigen beim Vertrag entspricht. § 280 Abs. 1 BGB betrifft allerdings nur die Fälle nachträglicher, zu vertretender Unmöglichkeit 131 . Es läßt sich daher ein Rechtsgrundsatz nur insoweit ablesen, als dem Schuldner im vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnis eine Leistung nachträglich und schuldhaft unmöglich wird. Da es sich bei der Haftung wegen zu vertretender Unmöglichkeit ebenfalls um eine Haftung wegen rechtswidrig schuldhafter Verletzung einer relativen Pflicht innerhalb eines (Verwaltungs-)Rechtsverhältnisses handelt, ist ein Rückgriff auf den in § 280 Abs. 1 BGB enthaltenen Rechtsgrundsatz entbehrlich und damit im Sinne der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung unzulässig. Die Anspruchsgrundlage wegen positiver (Amts-)Pflichtverletzung im Verwaltungsrechtsverhältnis ist eine einheitliche und auch bei „Unmöglichkeit" der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Primärpflicht nicht § 280 Abs. 1 BGB gesondert zu entnehmen.
c) Verzug und Verzugszinsen (§§ 284 ff. BGB) Die Anwendbarkeit der privatrechtlichen Verzugsregelungen der §§ 284 ff. BGB auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte 132 wird überwiegend abgelehnt133. Im Öffentlichen Recht wird ein vermeintlicher „Verzugseintritt" nicht entsprechend der §§ 284 ff. BGB bestimmt und zieht nicht notwendigerweise stets einen Verzugsschadenersatzanspruch nach sich - zumindest nicht über einen potentiellen Rechtsgrundsatz aus § 286 Abs. 1 BGB. Das privatrechtliche Instrumentarium des Verzugs mit seinen normierten Verzugsfolgen (§§ 284 ff. BGB) basiert im wesentlichen auf den Instituten der Fälligkeit und des Verzugseintritts. Der Zeitpunkt der Fälligkeit einer Leistung könnte auch im Öffentlichen Recht bestimmt werdem. Bei Leistungspflichten mit Antragserfordernis wird der Anspruch dann als „fällig" anzusehen sein, wenn er dem Grunde nach gegeben, der Antrag gestellt und der Antragsteller alle anderen erforderlichen formellen Erfordernisse für die Anspruchsgewährung erfüllt hat und keine entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften das materielle Bestehen des Anspruchs hindern 134 . Dies entspricht dem Zeitpunkt, ab welchem dem Berech131
Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 280 Rn. 3 f.; Battes , in: Erman, BGB, § 280 Rn. 1. Siehe auch oben S. 245 ff. 133 BVerwG NJW 1973, 1854; BauR 1979, 500 (501); BGH NJW 1982, 1277; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; auch, jedoch mit sehr begrenztem Anwendungsbereich Götz DVB1 1961, 433 (438); a. A. BVerwGE 98, 18 (30 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1101); Fischer NJW 1969, 1883; offen lassend OVG NW NVwZ-RR 1999, 339. 134 Vgl. etwa BVerwGE 25, 72 (82 f.) = DVB1 1967, 486 (489); Papier, Forderungsverletzung, S. 133. 132
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tigten ein Anspruch von Gesetzes wegen zusteht bzw. er dessen Erfüllung verlangen kann 135 ; nicht zu verwechseln ist dies mit der Frage, ob der Anspruch bereits durchsetzbar bzw. einklagbar (vgl. § 75 VwGO) ist. Ist kein Antrag erforderlich, ergibt sich die Fälligkeit ab dem Zeitpunkt, ab dem die Verwaltung kraft Gesetzes (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG) zur Leistungserbringung gegenüber dem „Gläubiger" verpflichtet ist, also ab Entstehung der subjektivrechtlichen Anspruchsposition. Problematisch erscheint indes die zeitliche Fixierung des Verzugseintritts. Eine Mahnung ist offensichtlich nicht erforderlich. Vielmehr ist das privatrechtliche Instrumentarium der Mahnung und der damit einhergehenden Inverzugsetzung dem Öffentlichen Recht gänzlich wesensfremd (§ 284 Abs. 1 BGB) 1 3 6 . Das Risiko, ohne Rechtspflicht oder trotz entgegenstehender Rechtsvorschriften einen Anspruch des Bürgers zu erfüllen, ist wegen der Schwierigkeiten der Rückgängigmachung, des Vertrauensschutzes und möglicher Rechtsverletzungen Dritter ein anderes als bei der Leistung ohne Rechtsgrund im Zivilrecht, für die zumindest die Bereicherungshaftung (§§ 812 ff. BGB) zur Verfügung steht 137 . Der Verwaltung wird daher etwa für den Erlaß von Verwaltungsakten in § 75 S. 2 VwGO eine Regelfrist von drei Monaten für die Bearbeitung eingeräumt. Ob diese überschritten werden darf oder ob in kürzerer Zeit zu entscheiden ist, bemißt sich nicht nach einem bestimmten Verhalten des Anspruchsberechtigten, sondern nach objektiven Kriterien 138 . Es richtet sich allenfalls bei einer ausnahmsweisen Verkürzung nach der Dringlichkeit 139 und nur in extrem gelagerten konkreten Einzelfällen nach der subjektiven Leistungsfähigkeit der jeweiligen Verwaltungseinheit 140 . Nach § 284 Abs. 2 BGB tritt Verzug ein, wenn eine Leistung an einer nach dem Kalender bestimmten Zeit nicht geleistet wird. Eine solche Kalenderbestimmung läßt sich dem Öffentlichen Recht grundsätzlich nicht entnehmen. Eine solche liegt auch nicht in der Dreimonatsfrist des § 75 S. 2 VwGO. Allgemeingültigkeit kommt dieser Ausgestaltung nicht zu, und ohne Rechtsmitteleinlegung kommt mangels Zulässigkeit eines Verhaltens nach dem Motto „dulde und liquidiere" ein Schadenersatzanspruch wegen Verzugs nicht in Betracht 141 . 135
BVerwGE 38,49 (53); a. A. BVerwGE 98, 18 (30) = NVwZ 1995, 1098 (1101). Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 355; Götz DVB1 1961, 433 (436 f.). - Vgl. auch die ausführliche Auseinandersetzung bei Papier, Forderungsverletzung, S. 129 ff. 137 Vgl. hierzu Papier, Forderungsverletzung, S. 130 f. 138 Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 13. 139 Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 14; Weides/Bertrams NVwZ 1988, 673 (674). 140 Vgl. BVerwG ThürVBl 1994, 158 (159) = EWiR § 37 VermG 1/94, 399 0Meier); VG Aachen InfAuslR 1995, 71; VG Bremen NVwZ-RR 1997, 768; VG Frankfurt (Oder) NJ 1993, 427 (428) m. Anm. Pelz\ VG Meiningen LKV 1998, 38; VG Weimar ThürVBl 1995, 92 (93); Kopp/Schenke, VwGO, § 75 Rn. 13; Grunwald/Stubbemann NJ 1994, 494 (498); vgl. aber VG Leipzig ZOV 1993, 281; SächsVBl 1995, 267. 141 So wohl auch Fischer NJW 1969, 1883 (1885 f.). 136
20 Meysen
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Es bleibt also die „einfache Zuspätleistung" als Amtspflichtverletzung 142 . Die Frage, ab wann die Verwaltung einen Anspruch „zu spät" erfüllt und ob hierbei eine Orientierung an § 75 VwGO stattfinden soll, kann offen bleiben. Die Verwaltung trifft im Regelfall jedenfalls die Pflicht zu möglichst unverzüglicher Entscheidung143. Bei schuldhaft verspäteter Leistungserbringung ist ein Amtshaftungsanspruch stets anerkannt worden 144 . Die Verzugshaftung nach dem Amtshaftungstatbestand entspricht der des § 286 Abs. 1 BGB 1 4 5 . Daneben ist die nicht rechtzeitige Erfüllung eines Primäranspruchs im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses als positive (Amts-)Pflichtverletzung in einem Verwaltungsrechtsverhältnis anzusehen. Die verspätete „Leistung" verletzt die öffentlich-rechtliche Pflicht zu rechtzeitiger Erbringung. Hierfür steht dem Schadenersatzgläubiger die mit dem Amtshaftungsanspruch konkurrierende Anspruchsgrundlage bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis zur Verfügung steht 146 . Ein Bemühen des Zivilrechts für die Haftung wegen Verzugs ist nicht erforderlich. Auch bei Verzögerungsschäden ergibt sich die Anspruchsgrundlage für einen Anspruch aus Verwaltungsrechtsverhältnis unmittelbar aus dem Öffentlichen Recht selbst. Damit wäre noch die Frage zu klären, ob in Verwaltungsrechtsverhältnissen eine Heranziehung der Vorschrift des Allgemeinen Schuldrechts des BGB über Verzugszinsen (§ 288 Abs. 1 BGB) möglich ist. Ob öffentlich-rechtliche Forderungen zu verzinsen sind, ist umstritten. Allgemein anerkannt ist die Verurteilung zur Zahlung von Prozeßzinsen im Verwaltungsprozeß entsprechend § 291 S. 1 BGB 1 4 7 . Vorausgesetzt wird, daß in dem gerichtlichen Verfahren zur 142
BGH NJW 1982, 1277 (1278); Götz DVB1 1961, 433 (438 f.). Vgl. die Ausführungen bei Hörstel NJW 1996,497 (498). 144 Vgl. etwa die Fälle der rechtswidrigen und schuldhaften Verzögerung einer Baugenehmigungserteilung BGHZ 65, 182; BGH NVwZ 1990, 501; BRS 53 Nr. 40 (S. 158); BRS 53 Nr. 42 (S. 161); BGHZ 118, 263; BGH NJW 1992, 2218; NJW 1993, 530; NJW 1993, 3065; NJW 1997, 1229; OLG Schleswig NVwZ-RR 1998, 6. 145 Papier, Forderungsverletzung, S. 128. 146 Wohl auf die Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" ( p W ) zurückgreifend Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 814; den Anspruch aus § 286 Abs. 1 BGB ableitend BVerwGE 98, 18 (30) = NVwZ 1995, 1098 (1101). 147 BVerwGE 7, 95 (97); 11, 314 (318); 14, 1 (3 f.); 15, 78 (84 f.) = DVB1 1963, 507 (508); E 15, 106 (107 ff.); 38, 49 (50 f.); 25, 72 (82) = DVB1 1967, 486 (489); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); BauR 1979, 500; NVwZ 1986, 554; NJW 1995, 3135; NJW 1999, 1201; OVG NW ZBR 1986, 276 (277); VG Köln der städtetag 1993, 287 (288); BGH NJW 1982, 1277; Ortloff in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 90 Rn. 17 ff.; Bonk,, in: Stelkens/Bonk/Sachs (4. Aufl.), VwVfG, § 62 Rn. 20; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 42; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; Wolff DÖV 1998, 872 f.; Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (95 ff.); Martens NJW 1965, 1703 (1703 f.); Götz DVB1 1961, 433 (439); mit dem gleichen Ergebnis, aber für eine Anwendung des § 111 FGO Fischer NJW 1969, 1883 (1884); für eine Zuerkennung von Zinsen seit Rechtshängigkeit 143
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
307
Zahlung einer Geldleistung oder zum Erlaß eines Leistungsbescheids, der eine eindeutig bestimmte Geldleistung zum Inhalt hat, verurteilt wird 1 4 8 . Die Anwendbarkeit des § 288 Abs. 1 BGB hingegen wird im Rahmen „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" explicit verneint 149 . Es gebe keinen das Öffentliche Recht bzw. das Beamtenrecht beherrschenden Grundsatz, wonach öffentlich-rechtliche Geldforderungen bei „Verzug" zu verzinsen seien. Der Gedanke der Verzinslichkeit kann jedenfalls nicht unbesehen auf das Verwaltungsrecht übertragen werden. Es bedarf vielmehr eines Rechtsgrundsatzes, der in § 288 Abs. 1 BGB seinen positivrechtlichen Niederschlag gefunden hat und auch auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts zur Anwendung gelangen kann 150 . Bei der Festsetzung der Höhe der Verzugszinsen im Privatrecht mit vier vom Hundert für das Jahr wird ein vermutlicher Schaden fingiert bzw. generalisiert, ohne daß ein tatsächlicher Schaden nachgewiesen werden muß. Schon im Privatrecht kann dieser pauschalierte Schaden in Form einer unwiderleglichen Mindestschadens Vermutung je nach Rechtsgeschäft differieren (vgl. §§ 246, 288 Abs. 1 BGB in Gegenüberstellung zu § 352 Abs. 1 HGB). Welche Höhe der Verzugszinsen sich mangels nachweisbaren abweichenden anderweitigen Verzugsschadens, der unbestritten sowohl aus Amtspflichtverletzung als auch bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis ersetzt verlangt werden kann, generalisieren läßt, ist dem Öffentlichen Recht nicht zu entnehmen. Mit der Festsetzung der Höhe von vier Prozent im Privatrechtsverkehr mit Ausnahme von Handelsgeschäften hat der Gesetzgeber keine die gesamte Rechtsordnung umfassende Entscheidung getroffen, nach welcher Zuspätleistung stets mit einer entsprechenden Verzinsung zu einem eindeutig zu bestimmenden Zinssatz sanktioniert ist. Im Öffentlichen Recht ist kein Grund für die Verzinsung zu einem fixen Zinssatz auszumachen. Staatliches Unrecht fordert auch und gerade in Verwaltungsrechtsverhältnissen Sanktionierung, falls der Betroffene einen Schaden davonträgt. Dies bleibt bei einer Haftung wegen Zuspätleistung des leistungsverpflichteten Verwaltungsträgers auch unbenommen. Die Interessen, die es im Öffentlichen Recht zum Ausgleich zu bringen gilt, wenn eine Leistung nicht rechtzeitig erbracht wird, sind jedoch grundsätzlich andere als im Privatrechtsverkehr. Der Verzug kann nicht wie im Zivihecht einseitig an der persönlichen Verpflichtung des einzelnen Schuldners einer Leistung festgemacht werden, spätestens bis zu einem bestimmten Zeitpunkt leisten zu müssen. Die Verzöaus § 288 Abs. 1 BGB OLG Brandenburg DtZ 1996, 381 (384); OLG Hamm NWVB1 1996, 400 (403); a. A. soweit ersichtlich nur Schwankhart NJW 1967, 377 (378, 380). 148 BVerwGE 15, 78 (85) = DVB1 1963, 507 (508); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); 1995,3135; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 415; Wolff DÖV 1998, 872 (873). 149 BVerwGE 24, 186 (191) = NJW 1967, 511; BFH NVwZ 1998, 320; skeptisch auch Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 814; a. A. Wolff OÖW 1998, 872 (876). 150 BGH DVB1 1962,334.
308
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
rungen, die zu einer Zuspätleistung führen, können ihre Ursache nicht nur in den verwaltungsinternen organisatorischen und ressourcenbedingten Rahmenbedingungen, sondern auch in dem öffentlichen Gemeinwohlinteresse oder in den widerstreitenden und von der Verwaltung zu berücksichtigenden Interessen Dritter haben151. Die besondere Stellung der Verwaltung als gesetzesvollziehendes Organ läßt es zumindest gerechtfertigt erscheinen, dem Geschädigten für einen „Verzugsschadenersatzanspruch" zuzumuten, seinen tatsächlich erlittenen Schaden konkret darzulegen und ihn bei Zuspätleistung nicht generell mit einer festgelegten Mindestverzinsung in die Haftung zu nehmen. Außerdem bleibt unklar, welche Zinshöhe im Öffentlichen Recht als allgemeingültig und im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung auf verwaltungsrechtliche Sachverhalte übertragbar heranzuziehen wäre. Aufgrund der wechselnden und unterschiedlichen Zinssätze bei Sparguthaben oder Kapitalanlagen, läßt sich hier auch kein allgemeingültiges Maß ermitteln. A l l diese Unklarheiten hindern die Annahme eines aus § 288 Abs. 1 BGB für das Öffentliche Recht ableitbaren Rechtsgrundsatzes, öffentlich-rechtliche Geldforderungen generell in bestimmter Höhe zu verzinsen 152 . Ein Rückgriff auf einen vermeintlich entgegenstehenden öffentlichrechtlichen Regelungszusammenhang ist nicht erforderlich 153. Im Beamtenrecht dürfte einer Pflicht des Dienstherrn zur Verzinsung bei verspäteter Zahlung von Dienstbezügen zudem das Alimentationsprinzip widersprechen 154. Eine Anwendung des § 288 Abs. 1 BGB in Verwaltungsrechtsverhältnissen scheidet aus 155 . Die Verzinslichkeit öffentlich-rechtlicher Forderungen kann sich für einzelne Sachgebiete nur aufgrund ausdrücklicher öffentlich-rechtlicher bzw. verwaltungsvertraglicher Regelung156 ergeben 157.
151
Papier, Forderungsverletzung, S. 130 f. BVerwGE 15, 78 (83 f.) = DVB1 1963, 507; BauR 1979, 500 (501); VGH BW NJW 1978, 2050 (2052); VG Köln der städtetag 1993, 287 (288); BGH NJW 1982, 1277; Henneke, in: Knack, VwVfG, § 62 Rn. 3; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 41; Meier GemH 1998, 27 (30); Czybulka NVwZ 1983, 125 (126); dem nicht widersprechend BVerwGE 98, 18 (30 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1101); vgl. auch BFH NVwZ 1998, 320 (321); a. Α. Papier, Forderungsverletzung, S. 136 f.; WoljfOÖV 1998, 872 (876). 153 Vgl. hierzu BVerwGE 48, 133 (136 ff.). 154 BVerwGE 24, 186 (190 f.) = NJW 1967, 511 (512); Zimmerling/Jung DÖV 1987, 94 (98 f.). 155 Α. A. Papier, Forderungsverletzung, S. 135 ff.; Heintschel v. Heinegg NVwZ 1992, 522 (528 f.); Eckert DVB1 1962, 11 (19). 156 Vgl. ζ. B. § 49 a Abs. 3 VwVfG (3 %), § 252 Abs. 2 LAG (4 %); § 8 Abs. 1 Endlagervorausleistungsverordnung (2 % über Diskontsatz); § 237 AO (Vi %); weitere Vorschriften bei WolffOÖV 1998, 872 Fn. 1 ff. 157 VGH BW NJW 1978, 2050 (2052); BGH DVB1 1962, 334; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 41; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 742; Siebelt/Schröder BayVBl 1996, 558. 152
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
309
d) Culpa in contrahendo (c. i. c.) Auf Verschulden bei Vertragsverhandlungen zum Abschluß eines öffentlichrechtlichen Vertrags ist das zivilrechtliche Haftungsinstitut der culpa in contrahendo über § 62 S. 2 VwVfG entsprechend anzuwenden158. Die Frage nach einer Heranziehung der Grundsätze der c. i. c. wird demnach nur in den Fällen relevant, in denen Verhandlungen im Vorfeld von Verwaltungsentscheidungen geführt wurden, bei denen der Abschluß eines Vertrags nicht ernsthaft in Betracht gezogen wurde 159 . Ist das Haftungsinstitut aus culpa in contrahendo mangels vorvertraglichen Kontakts im Öffentlichen Recht nicht über § 62 S. 2 VwVfG entsprechend anwendbar, so kommt nur eine Anwendbarkeit im Wege gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung in Betracht. Führt ein Verwaltungsträger mit einem Privaten oder einem anderen Verwaltungsträger Verhandlungen, die in eine verbindliche Entscheidung münden sollen, so ist oftmals nicht von Beginn an klar, ob am Ende ein Vertrag, ein Verwaltungsakt oder sonstiges Verwaltungshandeln stehen soll. In der Verwaltungspraxis können ausgiebige Verhandlungen mit einem Privaten anstelle des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, den Erlaß eines Verwaltungsakts als Ziel haben 160 . Der Inhalt des Verwaltungsakts mag dem Verhandlungsergebnis entsprechen, das letztendlich nur nicht vertraglich, sondern subordinationsrechtlich festgehalten wird. Genauso kann die Verwaltung trotz ursprünglich geplantem Vertragsschluß hoheitlich vorgehen, wenn es zu keiner Einigung kommt. Die Verwaltung trifft keine Pflicht zum Abschluß von Verträgen, den anderen Beteiligten steht kein Anspruch auf vertragliches Handeln zu 1 6 1 . Die Verwaltung ist - zumindest im Bereich subordinationsrechtlicher Verwaltungsverträge - jederzeit der überlegene Verhandlungspartner und hat insoweit häufig Ermessen bei der Formenwahl 162 . Der „unterlegene" Verhandlungspartner kann oftmals erst zu einem späteren Zeitpunkt erkennen, ob die Verwaltung mit ihm tatsächlich einen Vertrag schließen, sich also vermeintlich auf die Gleichordnungsebene begeben will, oder ob sie umdisponieren bzw. weiter in einem Über-Unterordnungs-Verhältnis tätig werden will. Der einzelne Bürger wird bei seinem Verhalten häufig nicht danach differenzieren können und wollen, wie die Verwaltung vor hat, später vorzugehen. Unabhängig von der späteren Wahl der Handlungsform wird der einzelne bei der Kontaktaufnahme mit der Verwaltung in der Regel seinem Gegenüber das gleiche Verhal158
Siehe oben S. 61 ff. Siehe oben S. 64 f. 160 Zu informellen Absprachen siehe oben S. 209 ff. sowie Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15 Rn. 14 ff m. w. Nachw. 161 Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 176; Hill DVB1 1989, 321 (322). 162 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 54 Rn. 4; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 676; GöldnerYL 1976,352 (354); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (535). 159
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3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
ten an den Tag legen. Das gegenseitige Vertrauen der Beteiligten, das bei der Anbahnung von öffentlich-rechtlichen Verträgen über § 62 S. 2 VwVfG über das gesetzliche Vertragsanbahnungsschuldverhältnis geschützt wird 1 6 3 , ist unabhängig von der späteren von der Verwaltung gewählten Handlungsform das gleiche. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs d^r BGB-schuldrechtlichen Haftungsregeln aus c. i. c. auf Rechtsverhältnisse des Öffentlichen Rechts, die nicht den Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge bezwecken, scheint daher nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Haftung aus öffentlich-rechtlicher c. i. c. ist wie im Zivilrecht nicht ausdrücklich geregelt. Im Zivihecht wird die vertragsähnliche Haftung aus c. i. c. der deliktischen Haftung erst im Wege der Rechtsfortbildung ergänzend zur Seite gestellt. Auch im Öffentlichen Recht ist neben dem deliktischen Amtshaftungstatbestand aus haftungsrechtlicher Sicht kein dieser gesteigerten Nähebeziehung Rechnung tragender Ausgleich über vertragliche bzw. vertragsähnliche Haftungsgrundsätze vorgesehen. Von einer Lücke wird man ausgehen können. Nach der Auffassung von Keller 1 6 4 ist Rechtsgrundlage des vorvertraglichen Schuldverhältnisses der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB), der unbestritten auch im Öffentlichen Recht Geltung beansprucht 165. Der Grundsatz von Treu und Glauben müßte vorliegend also im Öffentlichen Recht über die vorvertraglichen Beziehungen hinaus haftungsbegründend sein. In ihm eine Anspruchsgrundlage zu sehen, wäre jedoch verfehlt. Auch hier verbirgt sich dahinter der übergreifende Rechtsgedanke, daß die Verletzung einer zu erfüllenden - wenn auch häufig nicht auf der Primärebene einforderbaren - Verhaltenspflicht eine Schadenersatzpflicht aus Verwaltungsrechtsverhältnis auslöst. Die Heranziehung der Grundsätze über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen ist wegen des Selbststands des Verwaltungsrechts obsolet. Auch wenn der Sache nach häufig nichts anderes gilt als bei einer Haftung wegen Verschulden bei der Vertragsanbahnung, bleibt es bei der allgemeinen Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis.
e) „Schuldverhältnis" als Anspruchsgrundlage für Primäran£prüche In den Verwaltungsrechtsverhältnissen zwischen den Kommunen und dem Bund bzw. der beliehenen Bundesdruckerei bei der Bestellung von Personal163
Zur Abgrenzung zwischen vorvertraglichem und sonstigem Kontakt im Vorfeld einer Verwaltungsentscheidung siehe oben S. 65 ff. 164 Vorvertragliche Schuldverhältnisse, S. 96 ff. 165 Vgl. zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung aus jüngster Zeit BVerwG NVwZ 1995, 1213; NJW 1997, 1321; NVwZ 1997, 994 (995); NJW 1997, 2966 (2969); NJW 1998, 328; OVG NW NWVB1 1996, 481; aus der Literatur vertiefter etwa Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 154; Weber JuS 1992, 631 (633). - Für die Zivilrechtsprechung vgl. BGHZ 59, 303 (307); 61, 7 (12); 66, 302 (305).
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
311
ausweisen hat das BVerwG 1 6 6 den Vergütungsanspruch aus einem „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnis" hergeleitet 167. Es hat hierin ein „gegenseitiges gesetzliches Schuldverhältnis" gesehen168. Die Annahme eines Schuldverhältnisses diente der Anspruchsbegründung. Jedoch die Ordnungseinheit „Schuldverhältnis" selbst stellt keine Anspruchsgrundlage dar bzw. kann diese nicht ersetzen. Vielmehr ergeben sich Primärpflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen (respektive Schuldverhältnissen) ausschließlich - wenn vorhanden - aus einer Vereinbarung zwischen den Beteiligten oder aus Gesetz. Einseitige Willenserklärungen begründen Ansprüche nur, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Dem Öffentlichen Recht ist eine Vergütungspflicht, wie festgestellt 169, nicht zu entnehmen. Eine Anspruchsgrundlage für die Kostenerstattung findet sich nicht und kann keinesfalls dadurch ersetzt werden, daß über das entstandene Verwaltungsrechtsverhältnis ein Primärpflichten begründendes „gesetzliches Schuldverhältnis" gestülpt wird. Kann die Vergütungspflicht aber dem Gesetz nicht entnommen werden, wäre höchstens an eine vertragliche Vereinbarung über die Vergütung zu denken und bei deren Fehlen an einen Ausgleich der Vermögensverschiebung über den (öffentlich-rechtlichen) Erstattungsanspruch. In den Bestellungen der Personalausweise bei der Bundesdruckerei sind fehlgeschlagene Angebote zum Abschluß von (öffentlich-rechtlichen) Werklieferungsverträgen zu sehen - es fehlt zumindest in bezug auf die Annahme des Angebots durch die Bundesdruckerei am Schriftformerfordernis beim Abschluß öffentlich-rechtlicher Verträge (§ 57 VwVfG) 1 7 0 . Dies gilt sowohl für die Rechtslage vor als auch nach der Privatisierung der Bundesdruckerei 171. Dem Vorliegen gescheiterter öffentlich-rechtlicher Verträge steht auch nicht entgegen, daß es sich bei der Bestellung von Personalausweisen möglicherweise um Dauerbeziehungen zwischen der Bundesdruckerei und den Gemeinden handelt 172 , denn ein Verhalten kann auch 166
BVerwGE 98, 18 = NVwZ 1995, 1098. Näher zum Sachverhalt und den Entscheidungsgründen siehe oben S. 134 ff. 168 BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 169 Siehe oben bei der Frage der Planwidrigkeit des Fehlens einer Anspruchsgrundlage S. 251 ff. 170 VG Braunschweig der städtetag 1993, 185; VG Köln der städtetag 1993, 287 mit jeweils eingehender Begründung anhand des konkreten Verfahrens bei der Bestellung von Personalausweisen; siehe auch Trute JuS 1996, 883 (886). 171 Die Herstellung von Personalausweisen ist auch für die beliehene Bundesdrukkerei GmbH Ausübung von Hoheitsrecht. Ihr ist insoweit die Befugnis übertragen worden, Verwaltungsaufgaben selbständig in den Handlungsformen des Öffentlichen Rechts wahrzunehmen. Sie ist im Bereich der übertragenen öffentlich-rechtlichen Befugnisse insoweit Beteiligte an Verwaltungsverfahren (§ 1 Abs. 4 VwVfG), vgl. BVerwGE 35, 334 (337 ff.) = NJW 1970, 2075; Ehlers, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 40 Rn. 439 mit zahlr. Nachw. in Fn. 1348 sowie zur Gegenauffassung in Fn. 1347. 172 So aber BVerwGE 98, 18 (26) = NVwZ 1995, 1098 (1100). 167
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3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
dann als fehlgeschlagener Versuch, einen Vertrag abzuschließen, angesehen werden, wenn der Vertragsschluß in überaus zahlreichen Fällen und stets scheitert. Die Annahme eines „gesetzlichen Schuldverhältnisses" durch das BVerwG verfolgt offensichtlich das Ziel, die fehlende vertragliche Einigung über die Herstellung und deren Vergütung ersetzen. Trute 173 sieht in dem vom BVerwG bemühten „gesetzlichen Schuldverhältnis" daher treffend dem Inhalt nach ein gesetzlich (besser wohl richterrechtlich) begründetes Vertragsverhältnis. Es besteht ein Verwaltungsrechtsverhältnis und aus diesem läßt sich die Vergütung nicht ableiten. Das Verwaltungsrechtsverhältnis ist das „gesetzliche Schuldverhältnis". Diesem Verwaltungsrechtsverhältnis eine besondere Qualität beizumessen, könnte nicht über den Umstand hinweg helfen, daß in diesem weder vom Gesetzgeber noch von den Beteiligten eine Primärpflicht hinsichtlich der Vergütung festgelegt ist. Das Problem der fehlenden Anspruchsgrundlage ist folglich nur über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu lösen 174 . Die Lieferung der Personalausweise stellt für die Gemeinden einen Vermögenswert dar 175 . Die Ausfertigung der Personalausweise bleibt aufgrund des Personalausweisgesetzes und der entsprechenden Ausführungsgesetze der Länder Aufgabe der Gemeinden. Bedient sie sich zur Erfüllung dieser Aufgabe eines Dritten - unabhängig davon, ob sie zu dessen Inanspruchnahme gesetzlich verpflichtet ist oder nicht - , so spart sie Aufwendungen, die sie bei einer Selbstausführung selbst träfen. Der Umstand, daß die Personalausweise nach entsprechender landesgesetzlicher Regelung in einigen Bundesländern trotz Aushändigung an den Bürger im Eigentum des Bundes verbleiben 176 , steht dem nicht entgegen177, denn die Eigentumsverhältnisse an den ausgestellten Personalausweisen sind für die Frage des Vorliegens einer Vermögensverschiebung irrelevant. Es handelt sich nach der Terminologie beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um eine sog. Vermögensverschiebung auf „sonstige Weise" 178 . Der Rechtsgrund 179 für die Lieferung der Personalausweise entfällt mit dem Fehlschlagen der Vertragsschlüsse 180 allerdings nur dann, wenn die Bundes173
Trute JuS 1996,883 (886). So VG Köln der städtetag 1993, 287; diesen Lösungsansatz favorisiert offensichtlich auch Trute JuS 1996, 883 (887). 175 A. A. VG Braunschweig der städtetag 1993, 185. 176 § 1 Abs. 6 AGPAuswG BW; § 1 Abs. 7 BerlPAuswG; § 1 Abs. 7 BbgPAuswG; § 1 Abs. 6 AGPAuswG MV; § 1 Abs. 6 NdsAGPAuswG; § 1 Abs. 6 PAuswG NW; § 1 Abs. 5 PAuswG RP; § 1 Abs. 6 AGPAuswG LSA. 177 So aber VG Braunschweig der städtetag 1993, 185. 178 Hierzu Ossenbühl NVwZ 1991, 513 (518 f.). 179 Ausführlich zur „wichtigsten" Voraussetzung des Erstattungsanspruchs, der Rechtsgrundlosigkeit, siehe Windthorst JuS 1996, 895 (897 f.); Schoch Jura 1994, 82 (86 f.); Ossenbühl NVwZ 1991, 513 (517 ff.); Weber JuS 1986, 29 (30 f.). 174
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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druckerei nicht anderweitig zur Herstellung und Lieferung verpflichtet bleibt 181 . Die Verpflichtung könnte sich aus dem Gesetz ergeben. Aus § 3 Abs. 3 PAuswG ergibt sich, daß die Personalausweise von der Bundesdruckerei herzustellen sind. Das Gesetz trifft allerdings keine Aussage darüber, ab wann die Bundesdruckerei tatsächlich verpflichtet ist, einem Ausstellungsverlangen einer Kommune nachzukommen. Der subjektivrechtliche Anspruch der Bürger auf Ausstellung eines Personalausweises richtet sich jedenfalls allein gegen die Gemeinden als Personalausweisbehörden und trifft nicht die Bundesdruckerei. Gegen die Annahme einer gesetzlichen Lieferpflicht auf Bestellung spricht insbesondere der Umstand, daß der Bund in diesem Falle auf ihren Kosten sitzen bleiben würde. Dem Gesetz läßt sich eine Vergütungspflicht nicht entnehmen und eine Kostenerstattung über den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch würde mangels Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung ausscheiden. Dem Sinn und Zweck des Personalausweisgesetzes läßt sich aber gerade nicht entnehmen, daß die Bundesdruckerei vergütungsfrei zur Herstellung der Personalausweise verpflichtet sein soll 182 . Ihr ist daher das Recht zuzustehen, die Lieferung zu verweigern, solange die Vergütungsfrage nicht - etwa verwaltungsvertraglich - geklärt ist. Kommt es vor der Lieferung zu keinem Vertragsschluß, so erfolgt diese ohne Rechtspflicht, mithin ohne Rechtsgrund. Der Umfang des Erstattungsanspruchs beschränkt sich auf das tatsächlich Ersparte 183. Dieses wiederum richtet sich nach den Aufwendungen, die der bereicherte Hoheitsträger bei Selbstausführung der Aufgaben gehabt hätte 184 . Da die Herausgabe der Personalausweise wegen der gesetzlichen Pflicht, diese an den ausweispflichtigen Bürger gegen Gebühr weiterzugeben (§ 1 Abs. 1, Abs. 4 PAuswG), nicht möglich ist, kommt nur Wertersatz in Betracht (vgl. §818 Abs. 2 BGB) 1 8 5 . Ein Zinsanspruch entsprechend § 286 Abs. 1 BGB, wie ihn das BVerwG zugesprochen hat 186 , käme in diesem Fall von vornherein nicht in Betracht 187 . 180
Zur Rechtsgrundlosigkeit bei fehlgeschlagenem bzw. nichtigem Verwaltungsvertrag BVerwG NJW 1980, 2538 (2539); VG Köln der städtetag 1993, 287; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 426; Schoch Jura 1994, 82 (87). 181 Allein auf die Wirksamkeit des Vertrags abstellend VG Köln der städtetag 1993,287. 182 Vgl. die Begründung des RegE eines 4. PAuswÄndG BT-Drucks. 9/1809 S. 5 u. 7. - BVerwGE 98, 18 (25) = NVwZ 1995, 1098 (1100); Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, Β § 1 Rn. 29. 183 Zur Unhaltbarkeit der Konstruktion einer Leistungsbestimmung anhand §§315 f. BGB siehe unten S. 350 f. 184 BVerwGE 80, 170 (177) = NJW 1989, 922; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 431 \ders. NVwZ 1991, 513 (520); Windthorst JuS 1996, 894 (898 f.). 185 BVerwG NJW 1980, 2538 (2540); Windthorst JuS 1996, 894 (898). 186 BVerwGE 98, 18 (30 f.) = NVwZ 1995, 1098 (1101). 187 VG Köln der städtetag 1993, 287 (288); Trute JuS 1996, 883 (887). - Ausführlich zur Frage der Verzinsung öffentlich-rechtlicher Forderungen siehe oben S. 304 ff.
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3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
2. Vorschriften zu speziellen Schuldverhältnissen des Schuldrechts Besonderer Teil a) Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff.) Die zivilrechtliche Pflicht, eine Sache zu verwahren, kann durch Vertrag begründet werden (§§ 688 ff. BGB) oder ergibt sich aus einem anderen, bereits bestehenden Rechtsverhältnis, wie ζ. B. im Zuge der Erfüllung eines Werkvertrags, bei welchem dem Werkunternehmer eine Sache zur Reparatur übergeben wurde oder im Gefolge eines Gesellschaftsvertrags, bei welchem ein Gesellschafter Gegenstände aus dem Gesellschaftsvermögen in seiner Obhut hat usw. In letzteren Fällen bestimmen sich die Pflichten zu sachgemäßer und sorgfältiger Aufbewahrung sowie zur Rückgabe der Sache primär bzw. ausschließlich aus dem umfassenderen Rechtsverhältnis mit den hierfür geltenden Vorschriften (vgl. etwa § 1215 BGB) 1 8 8 . Wesen des selbständigen Verwahrungsvertrags ist die Pflicht zur Aufbewahrung einer beweglichen Sache. Diese wird dahingehend konkretisiert, daß der Verwahrer Raum und Obhut zu gewähren hat. Obhut bedeutet dabei schützende und sichernde Tätigkeit 189 . Die bloße Zurverfügungstellung einer Aufbewahrungsmöglichkeit ohne gleichzeitige Übernahme der Verpflichtung, auf die Sache aufzupassen, reicht für die Begründung eines Verwahrungsverhältnisses nicht aus 190 . Der Verwahrer hat die Sache wenn möglich vor Schaden zu bewahren, ihren Zustand zu überwachen, schädliche Umwelteinwirkungen auszuschließen bzw. zu beseitigen und Dritte von dem unbefugten Zugriff auf die Sache fernzuhalten 191. Der Verwahrungsvertrag stellt sich somit als eine besondere Art dar, die Interessen eines anderen, des Hinterlegers, wahrzunehmen 192. Dies kann im Zivihecht entgeltlich oder unentgeltlich geschehen. Beide Male wird durch den Verwahrungsvertrag ein Vertrauensverhältnis begründet, in dem den Verwahrer besondere Sorgfaltspflichten gegenüber dem Hinterleger treffen 193 . 188
OLG Karlsruhe OLGZ 40 (1920), 324; Thomas, in: Palandt, BGB, Vorb § 688 Rn. 3; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 688 Anm. 3 e bb; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 38; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 454; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 2; Nipperdey, in: Staudingers Komm. z. BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 37; a. A. Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 7. 189 Larenz, Schuldrecht II/l, S. 456; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 1. 190 Larenz, Schuldrecht II/l, S. 456. 191 Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 688 Anm. 4 a ; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 11; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 688 Rn. 6; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 12; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 456 f. 192 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 695 Rn. 1 ; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 454. 193 Larenz, Schuldrecht II/l, S. 457.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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Bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung wird der Rückgriff auf die §§ 688 ff. BGB in aller Regel für zulässig erachtet 194. Richtigerweise müßten sich aus den Vorschriften der §§ 688 ff. BGB Rechtsgrundsätze ableiten lassen195. Die widerstreitenden sozialen Wertvorstellungen des Rechtsverkehrs zwischen Depositar und Deponent, wie sie in den BGB-Normen zum Verwahrungsvertrag ihren positivrechtlichen Niederschlag gefunden haben, müßten Grundgedanken und eine Typizität erkennen lassen, die sich zu Rechtsgrundsätzen gefestigt haben.
aa) Wesen der Verwahrung (§ 688 BGB) § 688 BGB besagt lediglich, daß sich der Vertrag, in dem der Verwahrer verpflichtet wird, eine vom Hinterleger übergebene Sache aufzubewahren, Verwahrungsvertrag nennt 196 . Die zentrale Pflicht des Verwahrungsvertrags zur Gewährung von Raum und Obhut richtet sich an den Depositar, in ihr liegt das Wesen des Verwahrungsvertrags begründet. Diese Verpflichtung kann sich wie geschildert - insbesondere auch aus anderen übergeordneten Rechtsbeziehungen ergeben; ein allgemeingültiger Rechtsgrundsatz läßt sich daraus nicht ableiten. Die Aufbewahrungspflicht ergibt sich aus Vertrag oder anderweitiger Rechtsbeziehung, nicht aus einem Rechtsgrundsatz. Im Öffentlichen Recht ergibt sie sich aus dem jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnis, ζ. B. aus dem Verwaltungsrechtsverhältnis bei einer Beschlagnahme- und Sicherstellungsverfügung oder nach dem Abschleppen eines Kraftfahrzeugs durch die Polizei.
bb) Vergütung (§ 689 BGB) Nach § 689 BGB gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn den Umständen nach die Aufbewahrung der Depositalie nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Soweit erkennbar hat in der Rechtsprechung bislang einzig der VGH B W 1 9 7 in einer Entscheidung die Anwendbarkeit des § 689 BGB bei öffentlich-rechtlicher Verwahrung angenommen. In dem Fall, der dem VGH zur Entscheidung vorlag, hatte eine Behörde ein Fahrzeug beschlagnahmt. Nach Aufhebung der Beschlagnahme hat der Eigentümer seinen Wagen über einen längeren Zeitraum nicht abgeholt. Die Behörde verwahrte das Fahr194 Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 100 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341 jew. m. w. Nachw. 195 Siehe oben S. 282 ff. u. 286 ff. 196 Hüffen in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 1. 197 BWVP 1978, 150 (151); differenzierend Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 159 f.
316
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
zeug weiterhin fur den Eigentümer und verlangte anschließend hierfür eine Vergütung. Der VGH BW hat den Vergütungsanspruch unter Zuhilfenahme des § 689 BGB anerkannt. Maurer 198 hat der Heranziehung des § 689 BGB zugestimmt. Sie sollte in sinngemäßer Anwendung erfolgen. Das Ergebnis wird damit gestützt, daß der Betroffene im konkreten Fall nicht hätte davon ausgehen können, daß die Aufbewahrung für ihn unentgeltlich erfolge. Diese Argumentation orientiert sich offensichtlich weniger an den Regeln der Rechtsfortbildung als an allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen. Will man aus § 689 BGB einen Rechtsgrundsatz ableiten, so stellt sich heraus, daß die stillschweigende Vereinbarung einer Vergütung bei der Aufbewahrung von beweglichen Sachen schon im Zivihecht keine Allgemeingültigkeit erlangt 199 . Verwahrt eine Kfz-Werkstatt ein Fahrzeug im Zuge einer Reparatur weiter, so kann im Hinblick auf eine Vergütung nicht auf § 689 BGB zurückgegriffen werden. Es liegt kein typenkombinierter Vertrag vor. Eine entsprechende Vergütungsvereinbarung wird nur beim Verwahrungsvertrag nach §§ 688 ff. BGB fingiert. Bei der Verwahrung von Sachen im Rahmen eines übergeordneten Vertragsverhältnisses gilt vielmehr umgekehrt, daß ohne ausdrückliche Vereinbarung für die Gewährung von Raum und Obhut keine gesonderte Bezahlung beansprucht werden kann. Im Öffentlichen Recht erfolgt die Verwahrung - wenn sie nicht vertraglich vereinbart ist und damit den Regeln der §§54 ff. VwVfG unterfällt - als Bestandteil eines umfassenderen Verwaltungsrechtsverhältnisses. Man wird auch hier nicht davon ausgehen können, daß bei der Aufbewahrung einer Sache durch die öffentliche Hand rechtsgrundsätzlich ein Entgelt geschuldet ist, wenn der Regelungskontext des übergeordneten Verwaltungsrechtsverhältnisses eine solche nicht ausdrücklich vorsieht. Dies muß auch dann gelten, wenn - wie in der geschilderten Entscheidung die Verwahrung nicht im Gemeinwohl-, sondern ausschließlich im privaten Interesse des Deponenten liegt 200 . Ist die Verwaltung im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgabenerfüllung nicht dazu verpflichtet, der Sache Raum und Obhut zu gewähren und tut sie es doch, so nötigt sie dem Privaten eine Leistung auf, die dieser möglicherweise nicht oder zumindest so nicht will. Man wird schwerlich einen Rechtsgrundsatz finden, der für diese „aufgedrängte Bereicherung" eo ipso einen Vergütungsanspruch vorsieht. Aus dem System der Rechtsordnung ergibt sich jedenfalls nicht, daß die Behörde, ohne daß sie selbst zur Anspruchsbegründung aktiv tätig wird, für eine Verwahrung auf „Kulanzbasis" ohne ver198
JuS 1981,809(812). Nach § 467 Abs. 2 HGB ist der Einlagerer beim Lagervertrag nur bei Vereinbarung zur Vergütung verpflichtet. Auch für die Verwahrung nach dem DepotG ist keine Fiktion einer Vergütungsvereinbarung vorgesehen. 200 Α. A. ohne Begründung Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6. 199
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
317
tragliche Vereinbarung und unabhängig von einer spezialgesetzlichen öffentlich-rechtliche Kostenerstattungsregelung eine Vergütung verlangen kann 201 . cc) Verschuldensmaßstab bei unentgeltlicher
Verwahrung
(§ 690 BGB)
Eine Heranziehung des § 690 BGB, wonach der Depositar bei unentgeltlicher Verwahrung nur für diligentia quam in suis haftet, wird überwiegend abgelehnt 202 - zumindest in den Fällen, in denen die Verwahrung nicht ausschließlich den Interessen des Hinterlegers, sondern nur oder auch dem öffentlichen Interesse des Verwahrers zu dienen bestimmt sei 203 . Gegen eine Anwendbarkeit wird angeführt, daß der Behörde (oder dem Privaten), die (der) im öffentlichen Auftrag handelt, keine Haftungsbeschränkung zugute kommen könne, die aus dem Gedanken der freiwilligen Übernahme der Gefälligkeit entspringe 204 . Diese auf die inhaltliche Vergleichbarkeit zwischen zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Interessenlage abstellende Argumentation kann nach dem hier gewählten Ansatz untermauert werden durch den Mangel eines in § 690 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgrundsatzes 205. Die Haftung nach der Verschuldensregel der diligentia quam in suis gilt kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur im vertraglichen VerwahrungsVerhältnis. Andere Rechtsverhältnisse, in denen jemand für einen anderen eine Sache verwahrt, unterliegen ihren eigenen Haftungsgrundsätzen. Das Zivilrecht kennt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem bei der Aufbewahrung von Sachen für einen anderen ge201
Fahland ZZP 92 (1979), 432 (450). VG Arnsberg MDR 1975, 255; RGZ 84, 338 (339); RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 218 (221); BGHZ 4, 192 (194); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 384; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 688 Anm. 2 d; Hüffen in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63 u. § 690 Rn. 6; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54 u. § 690 Rn. 4; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110; Ossenbühl Staatshaftungsrecht, S. 341; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 504; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 139; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 813; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8 u. § 690 Rn. 4; Papier Forderungsverletzung, S. 42; Fahland ZZP 92 (1979), 432 (450 f.); Müller JuS 1977, 232 (233); Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180); Eckert DVB1 1962, 11 (15); Schack, in: FS Laun, S. 275 (292); ders. RVerwBl 1935, 189 (192). - Α. A. soweit ersichtlich nur BVerwGE 52, 247 (254) = NJW 1978, 717 (718 f.); BayVGH ZBR 1998, 66 (66 f.); Bonk,, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 28 u. § 690 Rn. 4; unklar Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 813. 203 Mit dieser Einschränkung Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 107. 204 VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG Warn 1 (1908), Nr. 305 S. 219 (221); RGZ 84, 338 (339); BGHZ 4, 192 (194); Hüffen in: MünchKommBGB, § 690 Rn. 6; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 106 f.; Müller JuS 1977, 232 (233). 205 Α. A. einen Rechtsgrundsatz annehmend Müller JuS 1977, 232 (233). 202
318
3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
nerell ein erleichterter Verschuldensmaßstab gelten solle, geschweige denn ist in der Gesamtrechtsordnung ein solcher anzuerkennen. Dies gilt auch bei Verwahrungsverhältnissen, bei denen der Depositar den Gegenstand ausschließlich im Interesse des Deponenten verwahrt. Es gibt auch im BGB keinen ungeschriebenen Rechtssatz, wonach bei unentgeltlichem Handeln für einen Dritten generell geminderte Verschuldensanforderungen für die Haftung greifen würden. Hierzu genannt seien beispielsweise die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag, wonach gemäß § 680 BGB nur bei einem Tätigwerden wegen einer „drohenden dringenden Gefahr" für den Geschäftsherrn der Verschuldensmaßstab der diligentia quam in suis greift.
dd)Hinterlegung
bei Dritten (§ 691 BGB)
Über die Analogiefähigkeit des § 691 BGB herrscht Uneinigkeit 206 . § 691 BGB besagt, daß der Verwahrer im Zweifel nicht berechtigt ist, die hinterlegte Sache bei einem Dritten zu hinterlegen (Satz 1). Ist die Hinterlegung bei einem Dritten gestattet, so hat der Verwahrer nur ein ihm bei dieser Hinterlegung zur Last fallendes Verschulden zu vertreten (Satz 2). Satz 3 ordnet für das Verschulden eines Gehilfen die Verantwortlichkeit nach § 278 BGB an. Ein Rechtsgrundsatz, der auch im Öffentlichen Recht Anwendung finden könnte, ist aus keinem dieser Sätze herauszulesen. Satz 1 entspringt dem Grundsatz der Privatautonomie. Der Hinterleger soll sich den Vertragspartner aussuchen können, auf dessen Sorgfalt er vertrauen will 2 0 7 . Im Öffentlichen Recht besteht diese Wahlfreiheit hinsichtlich des Partners eines Verwaltungsrechtsverhältnisses grundsätzlich nicht. War der Private in einer Situation, in der es ihm frei stand, sich an eine Behörde zur Verwahrung einer ihm gehörenden Sache zu wenden, unterliegt die Behörde bei öffentlich-rechtlichem Tätigwerden rein öffentlich-rechtlichen Bindungen 208 . Im Verwaltungsrecht existiert kein Rechtsgrundsatz, daß eine verwahrte Sache keinem Dritten zur Aufbewahrung weitergegeben werden darf. Eine solche Be206
Dagegen: Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 108 f.; Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 52; Busch, Öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnisse, S. 23 f.; dafür: RG HRR 1929, Nr. 492; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 691 Rn. 17 (und über § 8 ZollG, Vorb § 688 Rn. 60); Seiler, in: Erman, BGB, § 691 Rn. 5; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 691 Rn. 1; Schack, in: FS Laun, S. 275 (292); unklar RGZ 103, 171 (173). 207 Thomas, in: Palandt, BGB, § 691 Rn. 1; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 691 Rn. 2; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 107; Seiler, in: Erman, BGB, § 691 Rn. 1; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 691 Rn. 1; Krohn, in: RGRKBGB, § 691 Rn. 1. 208 Fahland ZZP 92 (1979), 432 (451); a. A. Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 691 Rn. 17; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 109; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 28.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
319
schränkung müßte sich aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften ergeben. Auch im Zivilrecht müßte sich bei der Verwahrung im Rahmen eines übergeordneten Rechtsverhältnisses das Verbot der Hinterlegung bei einem Dritten aus den konkreten Vereinbarungen der umfassenderen Rechtsbeziehung ergeben und wäre nicht aus § 691 S. 1 BGB ableitbar. Das heißt nicht, daß im Öffentlichen Recht die Weitergabe grundsätzlich zulässig ist. Beim verwaltungsrechtlichen Vertrag folgt die Beschränkung bereits aus § 62 S. 2 VwVfG i. V. m. § 691 S. 1 BGB. Greift die Verwaltung beispielsweise einseitig-hoheitlich (u. U. gegen den Willen des Bürgers) auf eine Sache zu, steht der Weitergabe der Vorbehalt des Gesetzes entgegen. Wegen Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bedarf es einer Befugnisnorm, welche die Weitergabe gestattet. Satz 2 geht davon aus, daß es einer ausdrücklichen Gestattung bedarf, wenn die Depositalie bei einem Dritten hinterlegt werden soll. Wie gesehen, läßt sich aber aus dem Verbot der Weitergabe in § 691 S. 1 BGB keine rechtsgrundsätzliche Geltung entnehmen. Ob es zur Weitergabe der Sache einer ausdrücklichen Erlaubnis bedarf, ergibt sich außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 688 ff. BGB nicht aus § 691 S. 1 BGB. Deshalb ist § 691 S. 2 BGB für die Beurteilung, ob der Depositar bei einer Weitergabe nur für Verschulden bei dieser „zweiten" Hinterlegung haften soll, nicht rechtgrundsätzlich heranziehbar 209. Die Frage des Verschuldens ist aus dem jeweiligen, der Verwahrung übergeordneten Rechtsverhältnis zu entnehmen. Wird durch die Verwahrung im Rahmen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen, so schuldet der Verwaltungsträger grundsätzlich die Gewährung von Raum und Obhut auch dann, wenn er einen Dritten mit der Aufbewahrung betraut. Von dieser öffentlichrechtlichen Pflicht ist der Verwaltungsträger als Depositar wegen der öffentlichrechtlichen Pflichtenbindung auch dann nicht befreit, wenn der Eigentümer der hinterlegten Sache die Weitergabe ausdrücklich erlaubt hat. Satz 3 des § 691 BGB hat im Zivihecht nur deklaratorische Bedeutung, da § 278 BGB im Rahmen des vertraglichen Verwahrungsverhältnisses ohnehin Anwendung findet 210 . Rechtsgrundsätzliches ließe sich somit allenfalls aus der Vorschrift des § 278 BGB ableiten211.
ee) Änderung der Aufbewahrung (§ 692 BGB) Nach § 692 BGB ist es dem Verwahrer gestattet, die vereinbarte Art der Aufbewahrung zu ändern, wenn er den Umständen nach annehmen darf, daß 209
Α. A. für den Fall einer gewillkürten Hinterlegung Büllesbach, Öffentlichrechtliche Verwahrung, S. 109. 210 Hüjfer, in: MünchKommBGB, § 691 Rn. 13; Seiler, in: Erman, BGB, § 691 Rn. 4; a. Α. Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 691 Rn. 2, 13. 211 Hierzu siehe unten S. 335 ff.
320
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
der Hinterleger bei Kenntnis der Sachlage die Änderung billigen würde (Satz 1). Außer bei Gefahr im Verzug ist dem Hinterleger die Änderung im Vorfeld anzuzeigen und dessen Entschließung abzuwarten (Satz 2). Diese Vorschrift setzt voraus, daß bereits eine beiderseits bindende Vereinbarung über eine bestimmte Art und Weise der Aufbewahrung getroffen wurde 212 . Dies müßte auch dann gelten, wenn die Verwahrung im öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis auf einer Absprache beruht, die kein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist 213 . Hier würde es jedoch an der für den Depositar verbindlichen Festlegung der Art der Verwahrung fehlen. Ein Rechtsgrundsatz läßt sich § 692 BGB keinesfalls entnehmen.
ff) Ersatz von Aufwendungen (§ 693 BGB) Der Verwahrer kann vom Hinterleger Ersatz für solche Aufwendungen verlangen, die er den Umständen nach für erforderlich halten durfte (§ 693 BGB). Der HessVGH 214 hat § 693 BGB bei einem öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis für anwendbar gehalten. Der Behörde, die ein im Halteverbot geparkten Pkw abgeschleppt hatte, wurde zugebilligt, die Standgebühren für das Abstellen auf dem Gelände eines Privatunternehmens und die Kosten für ein Sachverständigengutachten, in dem der Wert des Kfz geschätzt wurde, erstattet zu verlangen. Büllesbach 215 kritisiert die Entscheidung, allerdings lediglich hinsichtlich des vom Gericht bei der Frage nach der Ersatzfähigkeit der Aufwendungen nicht geprüften Merkmals der Erforderlichkeit. Über diese berechtigte Kritik hinaus läßt sich aus § 693 BGB zudem kein Rechtsgrundsatz dergestalt entnehmen, nach welchem bei einer Verwahrung von Sachen für einen anderen grundsätzlich Aufwendungsersatz geschuldet ist. Bei der Aufbewahrung von Sachen im Zuge der Erfüllung von Pflichten aus einem darüber hinausgehenden Rechtsverhältnis wird - wie bereits festgestellt 216 - Aufwendungsersatz nur dann geschuldet, wenn dies nach den Regeln oder Vereinbarungen für die übergeordnete Rechtsbeziehung ausdrücklich bzw. stillschweigend 212 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 692 Rn. 3; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 692 Rn. 3; Seiler, in: Erman, BGB, § 692 Rn. 1; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), § 692 Rn. 1; Krohn, in: RGRK-BGB, § 692 Rn. 1; Koch, Die öffentlichrechtliche Verwahrung, S. 52. 213 Fahland ZZP 92 (1979), 432 (451); a. A. Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 110. 214 NVwZ 1988, 655 (656); auch OLG Nürnberg VersR 1971, 279 (280); ohne Begründung zustimmend Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 54 Rn. 52; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; differenzierend Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 159 f. 215 Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 24 f , 111. 216 Siehe oben zu § 689 BGB S. 315 f.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
321
vorgesehen ist. Dies gilt auch in Verwaltungsrechtsverhältnissen, selbst wenn zwischen Deponent und Depositar eine Absprache über die Aufbewahrung besteht217. Will sich der Verwaltungsträger eine Vergütung versprechen lassen, so hat er die Formerfordernise der §§54 ff. VwVfG zu beachten. gg) Schadenersatzpflicht
des Hinterlegers
(§ 694 BGB)
§ 694 BGB lautet: „Der Hinterleger hat den durch die Beschaffenheit der hinterlegten Sache dem Verwahrer entstehenden Schaden zu ersetzen, es sei denn, daß er die gefahrdrohende Beschaffenheit der Sache bei der Hinterlegung weder kennt noch kennen muß oder daß er sie dem Verwahrer angezeigt oder dieser sie ohne Anzeige gekannt hat." Die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Beweislastumkehr beruht auf der speziellen Interessenbewertung beim privatrechtlichen Verwahrungsvertrag, bei welcher dem Hinterleger eine überlegene Stellung eingeräumt wird 2 1 8 . Anspruchsgrundlage für eine zivilrechtliche Haftung in den in § 694 BGB beschriebenen Fällen der Pflichtverletzung wären die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung. Da die Vermutungsregel des § 694 BGB ausschließlich auf den Verwahrungsvertrag zugeschnitten ist, läge es näher, aus den Beweisregeln, die bei der Haftung aus p W oder bei sonstiger Forderungsverletzung gelten, Rechtsgrundsätzliches ableiten zu wollen. Auch § 694 BGB liegt somit kein allgemeingültiger Rechtsgrundsatz zugrunde, der auf andere VerwahrungsVerhältnisse übertragbar wäre 219 . hh)Rückforderungsrecht
des Hinterlegers
(§ 695 BGB)
Die bürgerlich-rechtliche Verwahrung - zumindest die unentgeltliche - endet mit der Rückgabe der Sache220. Im Zivilrecht kann der Hinterleger die hinterlegte Sache vom Verwahrer jederzeit herausverlangen (§ 695 BGB). Nach einer verbreiteten Auffassung ist die Möglichkeit, die verwahrte Sache vom Verwahrer jederzeit zurückfordern zu können, vorbehaltlich anderer Vereinbarung Wesensmerkmal der Verwahrung 221 . Die Verwahrung ist Aufbewahrung 217
Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 111. Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 694 Rn. 2; Büllesbach, Öffentlichrechtliche Verwahrung, S. 112. 219 Α. A. Hüffer, in: MünchKommBGB, § 694 Rn. 1; Büllesbach, Öffentlichrechtliche Verwahrung, S. 113 für den Fall der Verwahrung rein im Interesse des Deponenten (vgl. die Konstellation bei VGH BW BWVP 1978, 150). 220 Dies liegt an der gesetzgeberischen Intention, die ursprünglich von der - mittlerweile überholten - gesetzlichen Ausgestaltung des Verwahrungsvertrags als Realvertrag ausging. 221 Thomas, in: Palandt, BGB, § 695 Rn. 1; Hüffen in: MünchKommBGB, § 695 Rn. 2; Denecke, in: RGRK-BGB (11. Aufl.), § 695 Anm. 1. 218
21 Meysen
322
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
der Sache im Interesse des Hinterlegers, und auf die Wahrnehmung seiner Interessen durch einen anderen soll der Hinterleger jederzeit verzichten können 222 . Von einigen Stimmen wird daher geschlußfolgert, daß ein Abbedingen des § 695 BGB nicht möglich sei, ohne daß das der Aufbewahrung zugrundeliegende Vertragsverhältnis nicht mehr als Verwahrungsvertrag angesehen werden könne 223 . Nach h. M. kann jedoch auch die jederzeitige Rückgabepflicht aus § 695 BGB abbedungen werden 224 . Es wird meist offen gelassen, ob ein Vertrag eigener Art mit Verwahrungselementen vorliegt oder ein atypisch ausgestalteter Verwahrungsvertrag 225. Praktische Bedeutung hat diese Unterscheidung nicht 226 . Auch die Vorschrift des § 695 BGB ist ausschließlich auf die Interessenlage des Verwahrungsvertrags zugeschnitten. Bei der Aufbewahrung von fremden Sachen im Rahmen eines übergeordneten Rechtsverhältnisses steht dem Deponent ein vergleichbares Rückforderungsrecht grundsätzlich nicht zu. Beispielsweise steht dem Werkunternehmer bei der Erstellung einer Werkleistung ein Unternehmerpfandrecht zu (§ 647 BGB), welches ein jederzeitiges Rückforderungsrecht des Hinterlegers und Werkbestellers ausschließt; der Pfandgläubiger ist erst nach Erlöschen des Pfandrechts verpflichtet, das Pfand dem Verpfänder zurückzugeben (§ 1223 Abs. 1 BGB). Im Öffentlichen Recht versteht es sich von selbst, daß eine rechtmäßig beschlagnahmte oder sichergestellte Sache vom Eigentümer nicht gemäß § 695 BGB sofort wieder herausverlangt werden kann 227 . Auch bei rechtswidriger öffentlich-rechtlicher Verwahrung ist für die Ableitung eines Rechtsgrundsatzes aus § 695 BGB kein Raum. Das Rückforderungsrecht ergibt sich aus dem Folgenbeseitigungsanspruch, der seinerseits aus den jeweils verletzten Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) hergeleitet wird 2 2 8 . Selbst wenn der öffentlich-rechtliche Zweck für 222
Brox, Besonderes Schuldrecht, Rn. 318; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 695 Rn. 2. 223 Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 336; Denecke, in: RGRK-BGB (11. Aufl.), § 695 Rn. 1, der bei Abbedingung der jederzeitigen Rückgabepflicht sogar von Nichtigkeit des Verwahrungsvertrags ausgeht. 224 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 695 Rn. 2; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 695 Anm. 1; Seiler, in: Erman, BGB, § 695 Rn. 1; Krohn, in: RGRK-BGB, § 695 Rn. 2; Ennecerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S. 713. 225 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 695 Rn. 2; Seiler, in: Erman, BGB, § 695 Rn. 1. 226 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 695 Rn. 2. 227 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 163; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 341; Seiler, in: Erman, BGB, § 688 Rn. 16; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 273; Papier, Forderungsverletzung, S. 42; Schack, in: FS Laun, S. 275 (292); ders. RVerwBl 1935, 189 (192). 228 Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 114; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 273.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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die Verwahrung entfallen ist oder die Sache freiwillig in Verwahrung gegeben worden ist, richtet sich die Rückgabe nach den Regeln des jeweiligen Verwaltungsrechtsverhältnisses und nicht etwa nach § 695 BGB, auch wenn man bei einer Anwendung der Vorschrift zu denselben Ergebnissen gelangen würde 229 . Verweigert die Verwaltung die Herausgabe, so gilt, sofern sie dies in Form einer Verfügung (§ 35 S. 1 [L]VwVfG) tut, die Vermutung der Rechtmäßigkeit und die Folge der Bestandskraft, wenn nicht fristgemäß gegen sie vorgegangen wird 230 . Die Durchsetzbarkeit oder das Bestehen eines Rückforderungsrechts des Hinterlegers ergibt sich bei Verwahrungsverhältnissen, die keine Verwahrungsverträge sind, aus dem Eigentum oder dem Besitzrecht an der Sache und nicht aus einem in § 695 BGB verankerten Rechtsgrundsatz. ii) Rücknahmeanspruch des Verwahrers
(§ 696 BGB)
§ 696 BGB bestimmt, daß die Rücknahme der hinterlegten Sache vom Verwahrer jederzeit verlangt werden kann, wenn keine bestimmte Zeit für die Dauer der Verwahrung festgelegt ist (Satz 1). Bei Vorliegen einer solchen Zeitbestimmung, kann die vorzeitige Rücknahme nur aus wichtigem Grund gefordert werden (Satz 2). Entscheidend für eine möglicherweise vorliegende Rücknahmepflicht auf Verlangen des Depositars ist folglich, ob eine Vereinbarung über eine konkrete Zeitspanne der Verwahrung geschlossen wurde. Die Vorschrift ist damit Ausfluß des dem Zivilrecht eigenen Grundsatzes der Privatautonomie231. Bei anderen Verwahrungsrechtsverhältnissen, die nicht nach §§ 688 ff. BGB zu beurteilen sind, gilt diese Regel nicht. Die Interessenlage ist vielmehr allein auf die Schutzbedürftigkeit des Hinterlegers ausgerichtet, der nur dann auf die Fortdauer der Verwahrung soll vertrauen dürfen, wenn er sich aufgrund einer Festlegung der Zeitspanne konkrete schutzbedürftige Zeitvorstellungen gemacht hatte. Aus § 696 BGB läßt sich kein die gesamte Rechtsordnung, insbesondere auch nicht das Öffentliche Recht umfassender Rechtsgrundsatz herauslesen 232. jj)
Rückgabeort (§ 697 BGB)
Beim Verwahrungsvertrag hat die Rückgabe der hinterlegten Sache am Ort der Aufbewahrung zu erfolgen; dem Verwahrer obliegt insoweit keine Bring229
Α. A. Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 114; Fahland ZZP 92 (1979), 432 (451 f.). 230 AG Hamm MDR 1978, 51 (52). 231 Hüffer, in: MünchKommBGB, § 696 Rn. 2; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 696 Rn. 1; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 115. 232 Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 115; a. A. Koch, Die öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 53; Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180); unklar Schieferdecker, Die Entfernung von Kraftfahrzeugen, S. 164.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
schuld (§ 697 BGB). Auch diese Vorschrift spiegelt ausschließlich die Austarierung der gegenseitigen Interessen im Verwahrungsvertrag wider. In anderen Aufbewahrungsverhältnissen als dem Verwahrungsvertrag richtet sich die Frage nach dem Erfüllungsort für die Rückgabe der Depositalie nach den für dieses Rechtsverhältnis geltenden Regeln; im Zivihecht sind dies die Vorschriften der §§ 269 f. BGB aus dem Allgemeinen Schuldrecht 233. Im Öffentlichen Recht wird ein Rückgriff auf die Vorschrift aus dem Bereich der §§ 688 ff. BGB nur beim öffentlich-rechtlichen Verwahrungsvertrag über § 62 S. 2 VwVfG möglich sein 234 . Ansonsten ist allenfalls in den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts, den §§ 269 f. BGB, nach Rechtsgrundsätzen zu forschen 235. kk) Verzinsung des verwendeten Geldes (§ 698 BGB) Verwendet der Verwahrer hinterlegtes Geld für sich, so ist er nach § 698 BGB verpflichtet, es von der Zeit der Verwendung an zu verzinsen. Die Vorschrift geht davon aus, daß die Geldverwendung nicht gestattet ist 236 . Wäre die Verwendung des Geldes gestattet, würde es sich um einen anderen Vertragstyp - wie ζ. B. unregelmäßige Verwahrung, Miete oder Leihe - handeln 237 . Erfolgt die Gewährung von Raum und Obhut im Rahmen eines übergeordneten Rechtsverhältnisses, so wird sich in aller Regel aus diesem ergeben, ob es dem Depositar gestattet ist, die Sache zu gebrauchen oder nicht. Bei Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung oder Regelung zu dieser Frage erfolgt kein Rückgriff auf einen Rechtsgrundsatz aus § 698 BGB, sondern allenfalls eine Auslegung anhand der jeweiligen Abmachungen und dem jeweiligen Interessengeflecht in der betreffenden Rechtsbeziehung. Im Öffentlichen Recht besteht zudem ein Rechtsgrundsatz über eine Verzinsungspflicht bei der Verwahrung von Sachen schon deshalb nicht, weil mit der Gewährung von Raum und Obhut immer gleichzeitig auch ein darüber hinausgehender öffentlicher Zweck verfolgt wird. Die Interessenlage ist daher nicht 233
Hüffer, in: MünchKommBGB, § 697 Rn. 3. Α. A. Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 116, die von einer generellen Anwendbarkeit des § 697 BGB bei konsensual zustandegekommenen Aufbewahrungsverhältnissen zwischen Bürger und Staat ausgeht; Reuter, in: Staudingers Komm, z. BGB, § 697 Rn. 5; Seiler, in: Erman, BGB, § 697 Rn. 1; Schack, in: FS Laun, S. 275 (292). 235 Offen lassend OLG Hamburg SeuffArch 72 ( 1917), Nr. 4 S. 7 (8). 236 Thomas, in: Palandt, BGB, § 698 Rn. 1 ; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 698 Rn. 1 ; Seiler, in: Erman, BGB, § 698 Rn. 1. 237 Thomas, in: Palandt, BGB, Einl § 688 Rn. 2, § 698 Rn. 1; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 698 Rn. 1; Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 117; Dubischar, in: AK-BGB, Vorb § 688 Rn. 2. 234
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
325
wie beim zivilrechtlichen Verwahrungsvertrag ausschließlich auf die Aufbewahrung im Interesse des Deponenten beschränkt. Eine zusätzliche Pflicht aus § 698 BGB läßt sich daher nicht mithilfe eines Rechtsgrundsatzes übertragen. Ein solcher besteht im Öffentlichen Recht mangels erkennbarer Typizität der Rechtsbeziehungen nicht. Dies gilt auch dann, wenn die öffentlich-rechtliche Verwahrung ausschließlich dem Interesse des Hinterlegers zu dienen bestimmt ist 238 . In einem solchen Fall gewährt der Staat rein aus „gutem Willen" Raum und Obhut. Eine weitergehende Verpflichtung wie beim Eingehen einer vertraglichen Schuld trifft ihn dabei nicht. II) Fälligkeit der Vergütung (§ 699 BGB) § 699 BGB betrifft die Fälle in denen für die Verwahrung eine Vergütung vereinbart wurde. Die Vorschrift regelt die Frage der Fälligkeit der Vergütung. § 699 BGB setzt voraus, daß eine Vergütung explicit oder stillschweigend (vgl. § 689 BGB) vereinbart wurde. Die Frage der Fälligkeit ist demnach ausdrücklich und ausschließlich nur für vertragliche Verwahrungsverhältnisse geklärt und hat keinen rechtsgrundsätzlichen Gehalt über den Bereich vertraglicher Rechtsbeziehungen hinaus. Da schon die rechtsgrundsätzliche Annahme einer Vergütungspflicht gemäß § 689 BGB generell abgelehnt wurde 239 , scheidet auch eine rechtsgrundsätzliche Übertragung der Fälligkeitsbestimmungen in § 699 BGB aus 240 . mm)
Unregelmäßiger
Verwahrungsvertrag
(§ 700 BGB)
Die Vorschrift des § 700 über die unregelmäßige Verwahrung steht zwar im Zwölften Titel „Verwahrung" des Siebenten Abschnitts des Zweiten Buchs des Bürgerlichen Gesetzbuchs, betrifft aber keinen Verwahrungsvertrag im eigentlichen Sinne, sondern begründet ein Schuldverhältnis eigener Art 2 4 1 . Es fehlt insbesondere am verwahrungsvertraglichen Wesensmerkmal der Gewährung von Aufsicht und Fürsorge für eindeutig bestimmte Sachen242. Bei „unregelmäßiger Verwahrung" entsteht kein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis i. e. S 2 4 3 . Die Vorschrift soll daher aus den Betrachtungen herausgenommen werden. 238
Α. A. Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 118. Siehe oben S. 315 f. 240 Fahland ZZP 92 (1979), 432 (450); a. A. Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 118, die auch von der Übertragbarkeit des § 689 BGB in gewissen Konstellationen ausgeht. 241 Thomas, in: Palandt, BGB, § 700 Rn. 1; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 700 Rn. 2 ff.; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 700 Anm. 1 a ; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 700 Rn. 2 f.; Seiler, in: Erman, BGB, § 700 Rn. \ \ Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), §700 Rn. 1. 242 Büllesbach, Öffentlich-rechtliche Verwahrung, S. 119. 243 BGHZ 34, 349 (354); unklar Fahland ZZP 92 (1979), 432 (452). 239
326
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
nn) Zusammenfassung Bei der Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit einzelner Vorschriften aus dem Bereich der §§ 688 ff. BGB auf die öffentlich-rechtliche Verwahrung besteht durchweg Uneinigkeit. Die Heranziehung keiner einzigen dieser zivilrechtlichen Normen über den privatrechtlichen Verwahrungsvertrag kann als gesichert gelten. Das Rechtsinstitut der öffentlich-rechtlichen Verwahrung ist zwar als gewohnheitsrechtlich anerkanntes Haftungsinstitut des Verwaltungsrechts anzusehen244. Eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Heranziehung der §§ 688 ff. BGB scheidet hingegen aus. Die zivilrechtlichen Vorschriften über den Verwahrungsvertrag (§§ 688 ff. BGB) sind auf Verwaltungsrechtsverhältnisse, in denen eine Sache verwahrt wird, nicht anwendbar. Es fehlt ihnen schon im Zivihecht an einem über den konkreten Verwahrungsvertrag wirkenden rechtsgrundsätzlichen Aussagegehalt, der zudem in das Öffentliche Recht übertragbar sein müßte. Dies liegt insbesondere daran, daß andere Rechtsverhältnisse, in denen Sachen für einen anderen verwahrt werden, eigenen, für dieses übergeordnete Rechtsverhältnis geltenden Rechtsnormen wie beispielsweise bei Beschlagnahme oder Sicherstellung unterliegen 245 . Die jeweiligen Regeln des „unselbständigen" Verwahrungsverhältnisses können nicht ohne weiteres von den Vorschriften zum selbständigen Verwahrungsvertrag, in denen sich lediglich die spezielle Interessenbewertung des Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuchs für diesen Vertragstyp widerspiegelt, überlagert werden. Eine Typizität kann daher weder im Vergleich des zivihechtlichen Verwahrungsvertrags mit anderen zivilrechtlichen Verträgen, die als ein Teilelement die Gewährung von Raum und Obhut beinhalten, geschweige denn zwischen Verwahrungsverträgen und nicht vertraglich zustande gekommenen Rechtsverhältnissen mit Aufsichts- und Fürsorgepflichten wie der öffentlichrechtlichen Verwahrung erkannt werden. Die öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisse sind in aller Regel Bestandteil eines übergeordneten Verwaltungsrechtsverhältnisses. Wie im Zivilrecht sind für die Aufbewahrung einer Depositalie, die nicht auf einem Verwahrungsvertrags beruht, die Vorschriften für das jeweilige umfassende Rechtsverhältnis (Beschlagnahme, Sicherstellung u. a.) maßgeblich. Ein Rückgriff auf die Regelungen zum Verwahrungsvertrag scheidet aus. Können die Vorschriften der §§ 688 ff. BGB somit für die gewohnheitsrechtlich anerkannte öffentlich-rechtliche Verwahrung keine ins Öffentliche Recht übertragbaren Rechtsgrundsätze enthalten246, kommt lediglich eine Her244
Siehe oben S. 278 f. Dieses Defizit erkennen auch Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 261; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 273. 246 Kritisch auch Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 860; Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 261; Papier Forderungsverletzung, S. 42. 245
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
327
anziehung von Rechtsgrundsätzen aus Rechtsinstituten oder -Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts (bzw. des Allgemeinen Teils) des BGB in Betracht.
b) Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) Die Frage nach einer rechtsgrundsätzlichen Geltung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag stellt sich mangels planwidriger Lücke im Öffentlichen Recht nur in seltenen, wenig praxisrelevanten Ausnahmesituationen der Nothilfe eines Privaten oder eines Verwaltungsträgers für einen (anderen) Verwaltungsträger 247. Eine Heranziehbarkeit im Wege gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung kommt auch hier nur in Betracht, wenn den Vorschriften der §§ 677 ff. BGB Rechtsgrundsätze zugrunde liegen, die auch im Öffentlichen Recht Geltung beanspruchen können. Das privatrechtliche Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag stellt ein gesetzliches Schuldverhältnis aus dem Bereich des Besonderen Schuldrechts des BGB dar. Voraussetzung für die Annahme einer Geschäftsführung „ohne Auftrag" ist, daß vor und während der Übernahme der Geschäftsführung zwischen den Parteien jede auf Geschäftsbesorgung gerichtete Rechtsbeziehung fehlt. Der Geschäftsführer darf dem Geschäftsherrn nicht vertraglich oder anderweitig zur Besorgung des Geschäfts verpflichtet sein 248 . Dem Handelnden steht es frei, ob er einschreiten will oder nicht. Seine möglicherweise altruistische Hilfsbereitschaft ist freiwillig 249 . Ziel des Ausgleichsschuldverhältnisses der GoA soll einerseits sein, fremdnütziges Handeln, bei dem der Geschäftsherr begünstigt wird (vgl. §§ 680, 683 BGB), zu fordern. Andererseits soll der Geschäftsherr geschützt werden vor unbefugten und unerwünschten Übergriffen in seinen Rechtskreis (vgl. §§ 677, 678, 684, 687 Abs. 2 BGB) 2 5 0 . Die Regeln der §§ 677 ff. BGB versuchen, eine Abgrenzung zu leisten zwischen der forderungswürdigen fremdnützigen Geschäftsführung und der unerwünschten Einmischung in Angelegenheiten des Geschäftsherrn 251. Das Gesetz zieht teils mit subjektiven („wirklichen Willen" 247
Siehe oben S. 254 ff. Thomas, in: Palandt, BGB, Vorb § 677 Rn. 1; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, Vorb § 677 Anm. 1 a; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 677 Rn. 5; Seiler, in: MünchKommBGB, § 677 Rn. 36; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 6; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 436. 249 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 11; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 677 Rn. 44; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 277, 281; Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 239; Schoch Jura 1994, 241 (242); Oldiges JuS 1989, 616 (621, 622); Habermehl Jura 1987, 199 (202). 250 Thomas, in: Palandt, BGB, Vorb § 677 Rn. 3; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, Vorb § 677 Anm. 1 b; Ehmann, in: Erman, BGB, Vorb § 677 Rn. 1. 251 Larenz, Schuldrecht II/l, S. 437; Klein DVB1 1968, 166. 248
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
§§ 677, 678, 683 S. 1 BGB, „in der Meinung", „obwohl er weiß" § 687 Abs. 1, 2 BGB), teils mit objektiven Kriterien („mutmaßlichen Willen" §§ 677, 678, 683 BGB, „öffentliches Interesse", „gesetzliche Unterhaltspflicht des Geschäftsherrn" § 679 BGB) den Grat zwischen vom Geschäftsherrn oder von der Rechtsordnung erwünschten Geschäftsbesorgungen und unerwünschten, durch die Rechtsordnung zu verhindernden Eingriffen in fremde Rechtssphären. Ist festgestellt, daß das Geschäft objektiv betrachtet ein fremdes darstellt, setzt die Abgrenzung im Zivilrecht zuerst an der Einstellung des Geschäftsführers an. Das Geschäft muß subjektiv für einen anderen besorgt sein (§§ 677, 687 Abs. 1 BGB). Der Geschäftsführer muß bei seinem Tätigwerden von dem Willen getragen gewesen sein, fremdnützig zu handeln. Andernfalls käme ihm das Ausgleichsschuldverhältnis der GoA auch dann nicht zugute, wenn die Geschäftsbesorgung eindeutig vom Willen des Geschäftsherrn gedeckt war und auch in dessen Interesse lag (§ 687 Abs. 1 BGB) 2 5 2 . Auf Seiten des Geschäftsherrn ist die Unterscheidung schwieriger, denn der tatsächliche Wille wird sich häufig nicht feststellen lassen oder fehlt völlig. Von der Ausgleichspflicht soll sich der Geschäftsherr als potentieller Ausgleichsschuldner aber nicht durch die einfache Schutzbehauptung lossagen können, er habe die Geschäftsbesorgung nicht gewollt. Die Fremdgeschäftsführung ist deshalb auch dann berechtigt, wenn sie dem „mutmaßlichen Willen" des Geschäftsherrn entspricht. Es ist danach zu fragen, ob der Geschäftsherr bei objektiver Beurteilung der Gesamtumstände der Geschäftsübernahme zugestimmt hätte. Hierbei können durchaus subjektive Elemente mit hineinspielen, etwa wenn das Geschäft zwar im Interesse des Geschäftsherrn liegt und auch dessen tatsächlichen Willen entspricht, er aber mit der Person des Geschäftsführers ausdrücklich nicht einverstanden ist 253 . Auch hier wird der mutmaßliche Wille trotz unvernünftiger oder interessenwidriger Erwägungen durch den entgegenstehenden tatsächlichen Willen verdrängt 254. Nur wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte vorhanden sind, deckt sich das objektiv zu ermittelnde Interesse des Geschäftsherrn an der Geschäftsbesorgung mit dessen mutmaßlichen Willen 255 . In besonders gelagerten Situationen hat der Gesetzgeber es sogar für angemessen gehalten, einen der Geschäftsübernahme entgegenstehenden tatsächlichen Willen des Geschäftsherrn für unbeachtlich zu erklären. Dies ist dann der Fall, wenn ohne ein Tätigwerden kon-
252
Zu einer Auflistung der vier subjektiven Elemente des Ausgleichsschuldverhältnisses der §§ 677 ff. BGB Martinek/Theobald JuS 1997, 612. 253 Vgl. Ehmann, in: Erman, BGB, § 683 Rn. 3. 254 Thomas, in: Palandt, BGB, § 683 Rn. 7; Seiler, in: MünchKommBGB, § 683 Rn. 9; Schlechtriem, Schuldrecht BT, Rn. 618; Esser/Weyers, Schuldrecht II, S. 404 f.; Müller, Schuldrecht BT, Rn. 1910; Martinek/Theobald JuS 1997, 612 (614). 255 Thomas, in: Palandt, BGB, § 683 Rn. 7; Seiler, in: MünchKommBGB, § 683 Rn. 10.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
329
krete und dringende öffentliche Interessen gefährdet wären 256 oder wenn eine gesetzliche Unterhaltspflicht nicht rechtzeitig erfüllt würde (§ 679 BGB). Liegt eine berechtigte GoA vor, so kann der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn Ersatz seiner Aufwendungen verlangen (§ 683 S. 1 i. V. m. § 670 BGB). Erleidet der Geschäftsführer bei der Geschäftsbesorgung tätigkeitsspezifische Schäden, hat er Anspruch auf eine angemessene Entschädigung257. Verstößt der Geschäftsführer gegen die Sorgfalts- und Treuepflichten, die sich aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis der GoA mit der Pflicht zur ordnungsgemäßen Ausführung des Geschäfts ergeben, so haftet er dem Geschäftsherrn aus positiver Forderungs Verletzung258. Bei unberechtigter Übernahme der Geschäftsführung ist die Haftung verschärft (§ 678 BGB), bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 680 ff. BGB die Haftung gemildert oder ausgeschlossen (vgl. § 684 S. 1 BGB). Voraussetzung für eine Übertragbarkeit der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag in das Öffentliche Recht ist, daß die §§ 677 ff. BGB als Rechtsquellen des positiven Rechts fundamentale Rechtsnormen darstellen, aus denen Rechtsgrundsätze entnommen werden können, die wegen ihres allgemeinen Charakters von keinem Rechtsgenossen ernsthaft angezweifelt werden. Der gesetzlichen Normierung der GoA liegt, wie geschildert, der Grundgedanke zugrunde, fremdnützige Hilfeleistung durch freiwillige Geschäftsbesorgung zu honorieren und durch die Gewährung eines Ausgleichs für finanzielle Aufwendungen zu unterstützen. Wird eine Privatperson für einen anderen Privaten tätig, liegt das Tätigwerden im Interesse des anderen und ist von diesem sogar gewollt, so erlangt dieser einen Vorteil. Derjenige, der durch die nützliche und gewollte Fremdgeschäftsfuhrung einen Vermögenswerten oder nichtVermögenswerten Vorteil erlangt, schuldet dem freiwilligen Helfer einen Ausgleich. Der Gesetzgeber des BGB hat sich für Aufwendungsersatz entschieden - wenn schon kein Entgelt zu gewähren ist. Der hierin liegende allgemeingültige Rechtsgedanke wird nur schwerlich angezweifelt werden können. Die Vorschriften der §§ 677 ff. BGB versuchen nun, diesem der Rechtsordnung immanenten Grundkonsens eine positivrechtliche Ausgestaltung zu geben. Dabei werden insbesondere die beschriebenen widerstreitenden Interessen zwischen dem Geschäftsführer, der einen Ausgleich für seine fremdnützige Tätigkeit begehrt, und dem Geschäftsherrn, der vor ungewollten Übergriffen in 256
Thomas, in: Palandt, BGB, § 679 Rn. 3; Seiler, in: MünchKommBGB, § 683 Rn. 14; Ehmann, in: Erman, BGB, § 679 Rn. 2. 257 BGHZ 33, 251 (257); Thomas, in: Palandt, BGB, § 683 Rn. 9 f.; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 683 Anm. 3 b; Ehmann, in: Erman, BGB, § 683 Rn. 6; Wollschläger, GoA und Erstattungsanspruch, S. 89 ff. 258 Thomas, in: Palandt, BGB, § 677 Rn. 15; Wittmann, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 677 Rn. 8.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
seinen Rechtskreis geschützt werden will, gegeneinander ausbalanciert. Bei der Wertung der Interessenlagen hätte der Gesetzgeber des BGB gewiß auch einen anderen Kompromiß als den über die Bewertung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Geschäftsherrn und dessen objektiven Interesses finden können. Er hat insoweit Einfluß auf die Rechtsordnung genommen, als bei der Frage nach der Berechtigung zur Fremdgeschäftsführung nicht allein nach objektiven Kriterien zu beurteilen ist, ob die Geschäftsbesorgung im Interesse des Geschäftsherrn liegt. A u f der anderen Seite hätte er sich auch darauf beschränken können, eine berechtigte GoA nur dann anzuerkennen, wenn sie einem tatsächlich feststellbaren Willen des Geschäftsherrn entspricht. Dem Gesetzgeber ist es aber unbenommen, an der konkreten Konturierung von Rechtsgrundsätzen gestaltend mitzuwirken. Die in den §§ 677 ff. BGB enthaltenen Rechtsgedanken bleiben erhalten. Das Ausgleichsschuldverhältnis der GoA, wie sie in den §§ 677 ff. BGB ihren positivrechtlichen Ausdruck gefunden hat, läßt für die Gesamtrechtsordnung eine Charakterisierung erkennen, von der man ohne weiteres behaupten kann, sie habe sich zu einem Rechtsgrundsatz gefestigt 259 . Der Umfang des Aufwendungsersatzes ist wiederum in § 670 BGB rechtsgrundsätzlich zum Ausdruck gekommen 260 .
c) Kaufrecht (§§ 433 ff. BGB) Liefert beispielsweise der Anstaltsträger im Rahmen seines Anstalts- und Benutzungsverhältnisses knappe Güter, so liegt ein Vergleich zum Kaufvertragsrecht nahe 261 . Bei privatvertraglicher Ausgestaltung würde der Bezug etwa von Leitungswasser kaufvertraglich geregelt. Es fragt sich daher, ob das spezielle kaufvertragliche Gewährleistungsrecht (§§ 459 ff. BGB) Rechtsgrundsätze enthält, die auch in öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen Anwendung finden können 262 .
aa)Minderung (§ 459 Abs. 1, §§ 462, 472 BGB) Der VGH B W 2 6 3 hat dies in einem obiter dictum „aufgrund der andersartigen rechtlichen Struktur und inhaltlichen Ausgestaltung des zur Entscheidung vorliegenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses" für die Vorschriften 259
So auch BSGE 6, 197 (200); Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5 Rn. 1. BayVGH BayVBl 1997, 83 (Amtl. LS). 261 Stürner JuS 1973, 749 (751). 262 Für eine grundsätzliche Anwendbarkeit Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (394); Janson DÖV 1979,696 (698). 263 VGH BW ESVGH 26, 155 (157 f.); zustimmend Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 300. 260
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
331
der Minderung (§ 459 Abs. 1, §§ 462, 472 BGB) verneint. Als Argumente werden angeführt, daß die zu entrichtende Gebühr für das gelieferte Wasser auf keiner freiwilligen Vereinbarung zwischen den Beteiligten des Verwaltungsrechtsverhältnisses beruhe und der Abnehmer keinerlei Einfluß auf die Preisgestaltung habe und daß die Höhe unabhängig von der Qualität des Wassers sei. Maßgeblich sei lediglich das Kostendeckungsprinzip. Des weiteren bestünde wegen des Anschluß- und Benutzungszwangs keinerlei Ausweichmöglichkeit für den Nutzer. Dem kann uneingeschränkt zugestimmt werden. In der Tat liefe der Grundgedanke der Mängelgewährleistungsrechts des BGB (§§ 459 ff. BGB) den Interessen im öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang zuwider 264 . Nach dem „subjektiven" oder „konkreten" Fehlerbegriff wird die tatsächliche Beschaffenheit der Sache (Istzustand) mit der vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Beschaffenheit verglichen (Sollzustand)265. Stellt sich heraus, daß der Wert oder die Gebrauchstauglichkeit gemindert ist, so soll beim Kauf die vereinbarte Gegenleistung entsprechend des geringeren Gegenwerts reduziert werden. Diese der gegenseitigen Interessenabwägung in der privatautonomen Wirtschaft entsprechende Regelung ist mit der Interessenlage in öffentlich-rechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen nicht vergleichbar. Die Gebühren werden einseitig festgesetzt und über das Kostendeckungsprinzip ausschließlich an öffentlichen, sozialen und kommunalfinanzwirtschaftlichen Interessen orientiert. Sie orientieren sich nicht an einer bestimmten Qualität der gelieferten Sache, bei deren Unterschreitung die Gegenleistung nicht mehr in dem vereinbarten Austauschverhältnis stehen würde und deshalb an eine Anpassung durch Minderung zu denken wäre. Insoweit ist den Ausführungen des VGH BW nichts hinzuzufügen. Dem gewährleistungsrechtlichen Instrumentarium des privatrechtlichen Kaufrechts könnte allerdings für andere Anwendungsfelder - zumindest bedingt - rechtsgrundsätzlicher Charakter zugesprochen werden 266 . Die Anerkennung eines Minderungsrechts ist zwar nach den sozialen Wertvorstellungen nicht zwingend. Wie die konkurrierenden Interessen bei mangelhaftem Kaufgegenstand austariert werden, ist ohne gesetzliche Regelung nicht vorgezeichnet. Neben der Minderung ist an Wandelung, Schadenersatz, Nachbesserung oder erneute Lieferung einer mangelfreien Sache zu denken. Dem Gesetzgeber steht es grundsätzlich frei, wie er die widerstreitenden Wertvorstellungen zu einem Ausgleich bringen will. Soweit die konkurrierenden Wertvorstellungen bei der 264
Windthorst JuS 1996, 605 (609). BGHZ 16, 54 (55); 52, 51 (54); 90, 198 (202); 98, 100 (104); Putzo, in: Palandt, BGB, § 459 Rn. 8; Vollkommer, in: Jauernig, BGB, § 459 Anm. II. 1; Huber, in: Soergel, BGB, Vorb § 459 Rn. 20 ff.; Larenz, Schuldrecht II/l, S. 38. 266 Α. A. Windthorst JuS 1996, 605 (609). 265
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3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Beurteilung der Lieferung einer mangelhaften Kaufsache mit denen bei anderen Vertragstypen bzw. vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen vergleichbar sind, ist die Möglichkeit der Minderung eingeräumt. Ein Minderungsrecht ist ebenfalls vorgesehen beim Werkvertrag (§ 634 Abs. 1 S. 3 BGB), beim Reisevertrag (§ 651 d Abs. 1, § 472 BGB), beim Mietvertrag (§ 537 Abs. 1 BGB) und in der allgemeinen Vorschrift des § 323 Abs. 2 BGB. Allerdings ist beispielsweise die Minderung beim Werkvertrag nur subsidiär im Verhältnis zum Nachbesserungsanspruch. Eine Typizität, nach welcher in der Gesamtrechtsordnung eine Schlechtleistung stets das Recht der Minderung zur Folge haben soll, scheint über den Fall des privatrechtlichen Kaufvertrags nur partiell gegeben. Es erscheint jedoch nicht ausgeschlossen, daß in den Vorschriften der § 459 Abs. 2, §§ 462, 472 BGB auf andere Rechtsbeziehungen übertragbaren Rechtsgrundsätze zum Ausdruck kommen, die gegebenenfalls auch im öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang - sollte dieser nicht entgegenstehen - nutzbar gemacht werden können.
bb)Zusicherung einer Eigenschaft (§ 459 Abs. 2, §§ 463, 480 Abs. 2 BGB) Nach § 459 Abs. 2, § 463 BGB kann der Schuldner bei Mängeln der Kaufsache statt der Wandelung oder Minderung auch Schadenersatz verlangen. Der BGH 2 6 7 hat die Anwendbarkeit der Garantiehaftung in öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnissen der Wasserversorgung nicht grundsätzlich ausgeschlossen268. In einer satzungsmäßigen Verpflichtung, das Wasser in der „üblichen Beschaffenheit" zu liefern, wurde allerdings noch keine Zusicherung dafür gesehen, bei Schädigungen, die bei einer bestimmten Verschmutzung des Wassers nur ausnahmsweise auftreten, uneingeschränkt haften zu wollen. Er führt insbesondere an, daß eine unterbliebene Befreiung vom Anschluß- und Benutzungszwang noch keine Garantiehaftung nach §§ 463, 480 Abs. 2 BGB bei Lieferung verschmutzten Wassers auslöse269. Er begründet dies mit den Besonderheiten des öffentlich-rechtlich ausgestalteten Benutzungsverhältnisses, wonach ein Gemeinwohlinteresse daran bestehe, daß alle potentiellen Anschlußnehmer die städtische Wasserversorgung auch nutzten, um bei der Umlegung der Kosten für die Wasserlieferung auf die Bevölkerung die Gebühren möglichst niedrig halten zu können 270 . §§ 463, 480 Abs. 2 BGB basieren auf dem Grundgedanken, daß immer dann, wenn durch ein Verhalten - wie beispielsweise bei ausdrücklicher Zusicherung - ein besonderes Vertrauen in das Vorhandensein einer besonderen 267 268 269 270
BGHZ 59, 303 (306). Zustimmend Stürner JuS 1973, 749 (752). BGHZ 59, 303 (308). BGHZ 59, 303 (307).
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
333
Eigenschaft geweckt wurde, der Verantwortliche für einen späteren Schaden wegen Fehlens der Eigenschaft verschuldensunabhängig einstehen muß 271 . Öffentlich-rechtliche Pflichten bzw. die möglicherweise korrelierenden subjektiven Rechte des Privaten ergeben sich jedoch - außerhalb des Bereichs formbedürftiger Verwaltungsverträge und Zusicherungen (§ 38 VwVfG) - ausschließlich aus den Gesetzen. Im Privatrecht wird die Garantiehaftung bei einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung durch die Zusicherung einer Eigenschaft begründet 272. Im Verwaltungsrecht beinhalten die öffentlich-rechtlichen Vorschriften diese Garantie - oder nicht - , ohne daß es einer besonderen weiteren gesetzlichen Anordnung oder Verknüpfung mit haftungsrechtlichen Rechtsfolgen bedürfte. Eine „Zusicherung von Eigenschaften" der „Produkte" öffentlichrechtlicher Leistungserbringung in nichtvertraglichen Verwaltungsrechtsverhältnissen erfolgt also durch Vertrag oder Gesetz, auch in der Benutzungssatzung. Hierbei handelt es sich um gesetzlich fixierte öffentlich-rechtliche Leistungsverpflichtungen. Deren Erfüllung ist für den zuständigen Verwaltungsträger als Adressat der öffentlich-rechtlichen Vorschrift (oder Privaten) eine (Amts-)Pflicht. Eine Verletzung dieser „Garantien" löst Schadenersatzpflichten nach den Grundsätzen der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis aus. Durch die Entnahme von Einstandspflichten aus den Gesetzen findet dadurch weder eine „Erhöhung" der vermeintlich satzungsrechtlich zugesicherten Amtspflichten noch eine Gleichsetzung mit vertraglichen Zusicherungen statt. Die hohen formalen Anforderungen für die Verbindlichkeit einer Zusage etwa nach § 38 VwVfG werden auch in vertragsähnlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen 273 nicht aufgeweicht. Die sicherlich rechtsgrundsätzlichen Gedanken der Garantiehaftung nach § 459 Abs. 2, §§ 463, 480 Abs. 2 BGB 2 7 4 , wenn die Leistungen der Verwaltung nicht den in der Satzung vorausgesetzten oder sonst erwartbaren Anforderungen genügen275, sind von dem allgemeinen Anspruch wegen „positiver (Amts-)Pflichtverletzung" im Verwaltungsrechtsverhältnis erfaßt.
d) Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) Gelegentlich wird bei Anstalts- und Benutzungsverhältnissen eine Nähe zum Werkvertrag ausgemacht, etwa bei der Müllabfuhr, und dementsprechend auf die Anwendbarkeit der Vorschriften des Besonderen Schuldrechts des BGB 271
Stürner JuS 1973, 749 (752). Stürner JuS 1973, 749 (751 ). 273 Zur Vertragsähnlichkeit der Anstalts- und Benutzungsverhältnisse siehe oben S. 179 ff. 274 So mit Einschränkungen Stürner JuS 1973, 749 (752). 275 Stürner JuS 1973, 749 (753). 272
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
zum Werkvertrag (§§631 ff. BGB) geschlossen276. Die BGB-Vorschriften über den Werkvertrag sind jedoch speziell und ausschließlich auf diese zivilrechtliche Vertragsform zugeschnitten. Eine Heranziehung in Verwaltungsrechtsverhältnissen erscheint nicht möglich, da sich in ihnen weder Rechtsgrundsätze widerspiegeln, noch eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. Das komplexe Instrumentarium der Nachbesserungspflicht bzw. des Nachbesserungsrechts (§ 633 BGB) sowie der subsidiären Mängelgewährleistung (§ 634 BGB) bzw. des Schadenersatzes (§ 635 BGB) findet in öffentlich-rechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen keine adäquate Grundlage, fügt sich in die dortige Interessenstruktur nicht ein und ist nicht praktikabel. Kommt eine öffentlichrechtlich organisierte Müllabfuhr ihren Müllbeseitigungspflichten nicht nach, so behält der betroffene Bürger einen Erfüllungsanspruch auf vorschriftsmäßige Müllbeseitigung. Dieser ergibt sich originär aus dem öffentlich-rechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnis und kann durch BGB-Vorschriften weder erweitert oder gar begrenzt werden. Wird der einzelne von der öffentlichen Müllabfuhr durch nicht ordnungsgemäße Entsorgung geschädigt, so ist auch hier allenfalls an einen Rückgriff auf die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis zu denken, nicht aber an eine Heranziehung der §§631 ff. BGB.
e) Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB) Bei kostenloser Benutzung, wie etwa einer öffentlichen Bibliothek, könnte an eine Nähe zu einem Leihverhältnis gedacht werden 277 . Allerdings ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 598 ff. BGB nichts, was in einem öffentlichrechtlich geregelten Anstalts- und Benutzungsverhältnis die satzungsmäßige Rechtslage derogieren könnte. Die gestattete „vertragsgemäße" Abnutzung der Sache (§ 602 BGB), der „vertragsgemäße" Gebrauch (§ 603 BGB), die Rückgabepflicht (§ 604 BGB) oder ein vermeintliches „Kündigungsrecht" (§ 605 BGB) sowie das Wesen des Benutzungsverhältnisses ergeben sich aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die das Anstalts- und Benutzungsverhältnis regeln und nicht aus dem BGB. In Fragen der Haftung kommt den Vorschriften über den Verschuldensmaßstab (§ 599 BGB) und die Verjährung (§ 606 BGB) keine rechtsgrundsätzliche Geltung zu. Insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen zur öffentlich-rechtlichen Verwahrung verwiesen werden 278 . Auch die Frage des Ersatzes der Erhaltungskosten müßte öffentlich-rechtlich geregelt sein, um in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis einen An276
Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39. Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39. 278 Zum Verschuldensmaßstab der diligentia quam in suis siehe oben S. 317 f , zur Ableitung von Rechtsgrundsätzen aus den VerjährungsVorschriften siehe unten S. 339 ff. 277
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
335
spruch begründen zu können 279 . Die Mängelhaftung (§ 600 BGB) ist von der Haftung wegen Verletzung einer relativen Pflicht im Verwaltungsrechtsverhältnis voll gedeckt und mangels ableitbaren Rechtsgrundsatzes ebenfalls nicht heranziehbar. Eine Anwendung der BGB-Vorschriften über die Leihe (§§ 598 ff. BGB) in öffentlich-rechtlichen Anstalts- und Benutzungsverhältnissen mit unentgeltlicher Nutzung scheidet aus.
3. Haftungsmodalitäten a) Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) Bei der Abwicklung von Verträgen oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen des Bürgerlichen Rechts ist der Schuldner nach § 278 BGB für das Verschulden der Personen verantwortlich, derer er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient. Ginge es bei der Entwicklung der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" allein um die Zurechnung des Verschuldens von Erfüllungsgehilfen entsprechend § 278 BGB, wäre diese Konstruktion entbehrlich, um eine Haftung nach vertraglichen Grundsätzen im Wege der Rechtsfortbildung zu entwickeln. Der haftungsrechtliche Beamtenbegriff in § 839 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG ist so weit zu verstehen, daß er auch zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben in einem Verwaltungsrechtsverhältnis herangezogene Private miterfaßt 280 . Allerdings sind in Verwaltungsrechtsverhältnissen Konstellationen denkbar, in denen die Amtshaftung trotz Einbeziehung der Erfüllungsgehilfen in den Amtswalterbegriff (beispielsweise wegen einer günstigeren Beweislastverteilung), nur das Institut der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis zu einer Schadenersatzpflicht führt. In diesen Fällen hilft es nichts, daß beim Amtshaftungstatbestand eine Diskussion über die Anwendbarkeit des § 278 BGB obsolet ist. Bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis müßte die Haftungsüberleitungsregel des § 278 BGB als Ausdruck eines Rechtsgrundsatzes unabhängig davon Anwendung finden. Die Anwendbarkeit wird allgemein angenommen281. 279
Vgl. insoweit die Ausführungen zur öffentlich-rechtlichen GoA oben S. 260 ff. sowie unten S. 369 ff. 280 Siehe oben S. 224 ff. 281 So VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); BayVGH BayVBl 1989,571 (572); ZBR 1998, 66 (67); OVG NW GemH 1988, 259 (261); NWVB1 1996, 12 (14); RGZ 84, 338 (339); 115,419 (423); 166,218 (223: „Rechtsgrundsatz"); RG SeuffArch 79 (1925), Nr. 28 S. 49 (50: „Rechtsgrundsatz"); BGHZ 1,369 (383); 3,162 (173); 54,299 (303 f.); 61,7 (13); BGH NJW 1977, 197 (198); VersR 1978,38 (40); DVB1 1978,108 (109); DNotZ 1978, 725; NVwZ 1983, 571; NJW 1996, 464 (465); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZRR 1996, 305; LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); LG Osnabrück VersR 1983, 692; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 6; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwal-
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Mit dem Vertragsschluß verlassen sich die Vertragspartner auf die Zuverlässigkeit des jeweils anderen und auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Vertragspflichten durch den anderen. Wenn nichts Gegenteiliges vereinbart ist, steht es jedem frei, zur Vertragserfüllung Gehilfen einzuschalten. Der Verpflichtung zur vertragsgemäßen Leistungserbringung sollen sich die Vertragspartner nicht durch Einschaltung von Dritten bei der Erfüllung entziehen können. Durch die Zuziehung eines Gehilfen erlangt der Schuldner einen Vorteil, der sich nicht in einen Nachteil für den Gläubiger wenden darf. Es ist der Schuldner, der seinen Geschäftskreis im eigenen Interesse erweitert und damit seinen Risikobereich erhöht 282 . Die Haftung für Erfüllungsgehilfen ist daher ein „unabweisbares Postulat des rechtsgeschäftlichen Verkehrs" 283 . Es umfaßt nicht nur den Bereich der vertraglichen Schuldverhältnisse, sondern aller Schuldverhältnisse mit primären Leistungspflichten. Das Verschulden eines Erfüllungsgehilfen, der vom Schuldner zu einer Tätigkeit herangezogen wird, die im Bereich einer dem Schuldner obliegenden primären Leistungspflicht liegt, wird generell über § 278 BGB zugerechnet 284. Die Vorschrift findet Anwendung innerhalb aller Rechtsverhältnisse, in denen Leistungspflichten zu erfüllen sind. Von der Anwendung des § 278 BGB ausgenommen sind nur Schädigungen, durch welche ein (gesetzliches) Schuldverhältnis erst entsteht. Besteht das - gesetzliche oder vertragliche - Schuldverhältnis (bzw. Rechtsverhältnis), so wird Verschulden von Erfüllungsgehilfen zugerechnet (vgl. auch § 254 Abs. 2 S. 2 BGB). Dies betrifft sämtliche - vertraglichen oder nichtvertraglichen - Schuldverhältnisse bzw. Rechtsverhältnisse. In § 278 BGB ist ein Rechtsgrundsatz positivrechtlich zum Ausdruck gekommen, der besagt, daß der Schuldner bei der Erfüllung von primären Haupt- und Neben(leistungs)pflichten - nicht nur im vertraglichen oder vertragsähnlichen Schuldverhältnis - für Verschulden von Gehilfen, die er zur Erfüllung seiner Pflichten heranzieht, in vollem Umfang einzustehen hat 285 .
b) Beweislastumkehr (§ 282 BGB) Das BGB hat dem Schuldner für die Fälle der Unmöglichkeit und des Verzugs die Beweislast dafür auferlegt, daß die Unmöglichkeit oder die Verspätung der tungsrecht, § 50 Rn. 10; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 40; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8; Windthorst JuS 1996, 605 (609); Eckert DVB1 1962, 11 (15 f.: „Rechtsgedanke"); Schack, in: FS Laun, S. 275 (281 f. u. 292 f.); ders. RVerwBl 1935, 189 (192); siehe auch die Nachw. oben 2. Kap, Fn. 162 u. 282. 282 Battes, in: Erman, BGB, § 278 Rn. 1; Larenz, Schuldrecht I, S. 297; Palder NJW 1977, 954. 283 Larenz, Schuldrecht I, S. 297. 284 Larenz, Schuldrecht I, S. 299. 285 BayVGH BayVBl 1979, 619 (621); RGZ 112, 290 (293); 115, 419 (423); 131, 67 (73 f.); 131, 278 (279); BGH NJW 1996, 315; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 55 Rn. 40; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
337
Leistung auf einen Umstand zurückzuführen sei, den der Schuldner nicht zu vertreten habe (§§ 282, 285 BGB). Im Zivilrecht ist nicht selbstverständlich, daß diese Beweislastverteilung auch für die Fälle positiver Forderungsverletzungen gelten soll 286 . Hingegen bei positiven Forderungsverletzungen im Rahmen „verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse" soll § 282 BGB heranziehbar sein 287 . Für die Fälle der Nichtleistung enthält § 282 BGB die Vermutung für das Verschulden des Schuldners an der Unmöglichkeit der Leistung oder seinem Unvermögen sowie für die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens des Schuldners und dessen Ursächlichkeit 288 . Die Beweislastumkehr des § 282 BGB betrifft also nicht nur die Vorwerfbarkeit der Ausbleibens der Leistung, sondern auch das Vorliegen eines pflichtwidrigen Verhaltens und des Kausalzusammenhangs zwischen diesem Verhalten und der Unmöglichkeit der Leistung. Larenz 289 sieht in der Kozeption des § 282 BGB daher zu Recht „ein Stück Erfüllungsgarantie". Es stellt sich die Frage, ob diese „Erfüllungsgarantie" neben der Haftung wegen Unmöglichkeit oder Verzug auch bei positiver Forderungsverletzung bzw. Vereitelung einer Erfüllungspflicht in einem Verwaltungsrechtsverhältnis und ob sie hier nur bei erfolgsbezogenen Leistungspflichten oder auch bei verhaltensbezogenen Haupt- und Nebenleistungspflichten sowie bei Schutzpflichten eingreift. Der Unterschied zwischen der Haftung aus p W und der Haftung wegen Unmöglichkeit liegt darin, daß bei unverschuldeter Unmöglichkeit der Schuldner von der Leistungspflicht frei werden, er sich bei der p W jedoch - zusätzlich zur Leistungspflicht - schadenersatzpflichtig machen kann. Die h. L . 2 9 0 folgert daraus, daß die Verletzung einer Schutzpflicht nicht - gleich einer schuldhaften Verletzung einer erfolgsbezogenen Erfüllungspflicht - vermutet 286 Dafür: Raape AcP 147 (1941), 217 ff.; einschränkend: Larenz, Schuldrecht I, S. 371 ff.; Stoll, in: FS Hippel, S. 517 (534 ff.). 287 BVerwG Buchholz 232 § 79 BBG S. 2; BVerwGE 52, 247 (255) = NJW 1978, 717 (719); BVerwG NVwZ 1998, 400; VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG Lüneburg ZBR 1974, 17 (20); OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; LM § 688 BGB, Nr. 2 Bl. 2; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); NJW 1990, 1230 (1231); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Köln VersR 1990, 898 (899); NVwZ 1994, 618 (619); Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29 Rn. 6; Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. II Rn. 110. 288 Larenz, Schuldrecht I, S. 371. 289 Larenz, Schuldrecht I, S. 372. 290 Emmerich, in: MünchKommBGB, Vorb § 275 Rn. 371 f; Löwisch, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 282 Rn. 19; Larenz, Schuldrecht I, S. 372; ders, in: FS Hauß, S. 225 ( 236); Stoll, in: FS Hippel, S. 517 (535); ders. AcP 176 (1976), 145 (152 f.); Musielak AcP 176 (1976), 465 (482); ausf. zum Meinungsstand Baumgärtel, in: ders, Beweislast, Anh § 282 Rn. 34 ff. u. 56 ff.
22 Meysen
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3. Kap. : Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
werden könne. Anderes gelte nur, wenn man die Leistungspflicht erfolgsbezogen betrachte und die Vermeidung von Schädigungen bei der Leistungserbringung als Teilinhalt derselben 291. Die Rechtsprechung war ursprünglich ebenfalls gegen eine oder zumindest zurückhaltend gegenüber einer Anwendung der Beweislastregel des § 282 BGB auf Fälle der Haftung des Schuldners aus p W eingestellt292. Mittlerweile wird die Beweislastverteilung des § 282 BGB von den Gerichten jedoch bei nahezu allen Vertragstypen anerkannt. Die Rechtsprechung wurde ursprünglich anhand von Beherbergungs-, Beförderungs- und Verwahrungsverträgen, aber auch Werk- und Dienstverträgen entwickelt und erlegt dem Schuldner den Entlastungsbeweis auf, wenn die Sachlage den Schluß rechtfertige, der Schuldner habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, und die Schadensursache gehe aus dem Gefahrenkreis des Schuldners hervor 293 . Diese Schlußfolgerung erscheint für den Bereich vertraglicher und vertragsähnlicher Schuldverhältnisse entgegen der Ansicht der h. L . 2 9 4 auch konsequent. Durch das Eingehen einer relativ wirkenden Rechtsbeziehung zwischen zwei oder mehreren konkret bestimmten Rechtssubjekten übernimmt der Schuldner bestimmte Erfüllungspflichten. Kommt er diesen nicht nach, befindet sich der Gläubiger in einem Zustand der Beweisnot, weil sich die Frage des Verschuldens und der objektiven Pflichtwidrigkeit seinem Einflußbereich häufig gänzlich entziehen wird. Die Beweislastumkehr des § 282 BGB beruht auf der Erkenntnis, daß der Schuldner am besten und oftmals allein die Umstände aufklären kann, welche die Leistung unmöglich gemacht haben 295 . Die Vermutung des § 282 BGB muß sich daher nicht nur auf die Pflichtwidrigkeit und Schuldhaftigkeit eines konkreten vom Gläubiger zu beweisenden Verhaltens erstrecken, sondern auf das Vorliegen eines objektiv pflichtwidrigen und schuldhaften Verhaltens überhaupt. Gegen diese Ausweitung des Risikobereichs des Schuldners ist auch nichts einzuwenden296. In einer Vielzahl der Fälle wird es für den Schuldner nicht ersichtlich sein, wie es zu der Verletzung der relativen Erfüllungspflichten gekommen ist. Für den Schuldner ist es gleichgültig, aufgrund welchen Fehlverhaltens die Schlecht-, Nicht- oder Zuspätleistung erfolgt. Die Erfüllung der relativen Pflichten samt der Neben- und 291
Larenz, Schuldrecht I, S. 372 f. RGZ 66, 289 (291 f.); JW 1908, 236 (237); RGZ 128, 121 (123 f.); DR 1944, 182 (184); BGH LM § 326 (H) BGB, Nr. 8. 293 RGZ 148, 148 (150); 160, 153 (155 f.); BGHZ 23, 288 (290 f.); 27, 236 (238 f.); 28, 251 (254); BGH MDR 1959, 482 (483); NJW 1964, 33 (35 f.); NJW 1968, 2240; BGHZ 48, 310 (312 f.); 67, 383 (387); NJW 1986, 2757 (2758); NJW 1990, 1230 (1230 f.); BAG NJW 1985, 219 (220); vgl. zur Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB BGHZ 51, 91 (104 ff.); zur Haftung aus c. i. c. BGHZ 66, 51 (54). 294 Siehe oben Fn. 290. 295 VG Arnsberg MDR 1975, 255; BGHZ 4, 192 (195); 48, 310 (312 f.); BGH NJW 1965, 1583 (1584); LM § 688 BGB, Nr. 2 B13; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 282 Rn. 2. 296 So aber Larenz, Schuldrecht I, S. 374 f. 292
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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Schutzpflichten liegt allein im Verantwortungsbereich des Schuldners 297. Ihn trifft die erwähnte „Erfüllungsgarantie" - auch hinsichtlich aller Erwartungen an eine ordnungsgemäße Erfüllung ohne Schädigung des Gläubigers. Die Schadensursache knüpft unmittelbar an diese Erfüllungspflichten des Schuldners an 298 . § 282 BGB bzw. der darin enthaltene Rechtsgedanke ist bei jedweder positiven Forderungsverletzung heranzuziehen. Die Beschränkung der Beweislastverteilung auf bestimmte Vertragstypen ist abzulehnen. Für eine Ausweitung auf den Bereich der deliktischen Haftungstatbestände besteht kein Anlaß 299 . Die Übernahme einer Erfüllungspflicht durch eine Vertragspartei rechtfertigt in diesem Fall auch, daß diese bei Nicht- oder nicht ordnungsgemäßer Erfüllung darlegen und notfalls auch beweisen muß, weshalb sie ihrer positiven Leistungspflicht nicht nachgekommen ist 300 . Dem entspricht die Beweislastverteilung in § 282 BGB (auch § 285 BGB), der diese Aufteilung des Risikos entsprechend der Interessenlage in Vertrags- und vertragsähnlichen Beziehungen nur positivrechtlich wiedergibt. In § 282 BGB ist somit ein Rechtsgedanke normiert, der zumindest sämtliche vertraglichen und vertragsähnlichen Rechtsbeziehungen erfaßt 301 . Die Möglichkeit zur Heranziehung der Beweisgrundsätze des § 282 BGB erstreckt sich auch auf das Öffentliche Recht 302 .
c) Veijährung (§§ 194 ff. BGB) In der gesamten Rechtsordnung kann der Ablauf von Zeit für die Begründung, die Änderung oder die Undurchsetzbarkeit bzw. den Verlust eines Rechts 297
BGHZ 3, 162 (174); 48, 310 (312 f.). A. A. Larenz, Schuldrecht I, S. 375. 299 A. A. Larenz, Schuldrecht I, S. 375 f.; Prölls, Beweiserleichterungen im Schadensersatzprozeß, 1966, S. 78. 300 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 282 Rn. 2; Wiedemann , in: Soergel, BGB, § 282 Rn. 3. 301 RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423); 166, 218 (223); BGH DVB1 1978, 108 (109); Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26. 302 VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NWVB1 1996, 12 (14); VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 138, 40 (42); 166, 218 (223, 240); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); 59, 303 (309); BGH DVB1 1978, 108 (109); LM § 688 BGB, Nr. 2 B1 2; NVwZ 1983, 571; NJW 1990, 1230 (1231); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); LG Osnabrück VersR 1983, 692; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Emmerich, in: MünchKommBGB, § 282 Rn. 9 f.; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Wiedemann , in: Soergel, BGB, § 282 Rn. 8; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8; Czybulka/Biermann JuS 1998, 601 (609); Maurer JuS 1994, 1015 (1017); Grave DVB1 1978, 450 (451); Rüfner DÖV 1973, 808; Adrian DGVZ 84 (1969), 177 (180). 298
340
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
von Bedeutung sein. Diese vom Willen der Beteiligten unabhängige Wirkung bezeichnet man, soweit es um den Verlust von Rechten geht, als Verjährung im weiteren Sinne 303 . Die Verjährung dient der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Um dem Schuldner eine sachgemäße Verteidigung zu erhalten, die z. B. durch den Verlust von Beweismitteln nach einer gewissen Zeit erschwert werden, ist es nötig, ihn vor der Geltendmachung veralteter Ansprüche zu schützen304. Durch Vorschriften über die Verjährung soll ein angemessener Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Gläubigers an der Durchsetzbarkeit des Anspruchs und dem Interesse des Schuldners am Eintritt des Rechtsfriedens hergestellt werden 305 . Soweit keine spezialgesetzlichen Regelungen eingreifen, gelten für vertragliche oder vertragsähnliche Ansprüche im Privatrecht die Verjährungsvorschriften der §§ 194 ff. BGB aus dem Allgemeinen Teil des BGB. Es fragt sich, ob hierin für die gesamte Rechtsordnung gültige Rechtsgrundsätze zum Ausdruck kommen. Dazu müßte es zuerst überhaupt selbstverständlich sein, daß eine Forderung nach einem irgendwie bemessenen Zeitraum verjährt. Im Öffentlichen Recht kann diese Frage nicht ohne weiteres bejaht werden 306 . Insbesondere wird bei nichtvermögensrechtlichen Ansprüchen angenommen, daß diese, wenn nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet 307, keiner Verjährung unterliegen, sondern allenfalls verwirkt werden können (h. M.) 3 0 8 . Ein vermeintlicher, aus den Vorschriften der §§ 194 ff. BGB abgeleiteter Rechtsgrundsatz kann daher im Öffentlichen Recht keine generelle Heranziehung finden. Es bleibt zu klären, ob ein solcher vermeintlicher Rechtsgrundsatz für die hier behandelten Verwaltungsrechtsverhältnisse existiert.
303
HefermehU in: Erman, BGB, Vorb § 194 Rn. 1. Jauernig, in: ders, BGB, § 194 Anm. 4; Hefermehl, in: Erman, BGB, Vorb § 194 Rn. 2; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 343; Büdenbender JuS 1997,481 (482). 305 Heinrichs, in: Palandt, BGB, Vorb § 194 Rn. 4; Jauernig,, in: ders, BGB, § 194 Anm. 4; Hefermehl, in: Erman, BGB, Vorb § 194 Rn. 3; Büdenbender JuS 1997,481 (482). 306 Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 174; a. A. Engelmann, in: Schroeder-Printzen, SGB X, § 52 Rn. 3. 307 Vgl. etwa §§ 169 ff, 228 ff. AO; § 45 SGB I; § 113 SGB X; § 46 Abs. 2 BRRG; § 78 Abs. 2 BBG; § 24 Abs. 3 SoldG; § 34 BLG. 308 Gegen eine uneingeschränkte Ausdehnung auf nichtvermögensrechtliche Ansprüche Kopp VwVfG, § 53 Rn. 23 f.; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 4; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 20; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 53 Rn. 6; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Lange, Die verwaltungsrechtliche Verjährung, S. 21 ff; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 53 Rn. 1; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 174; Jellinek Verwaltungsrecht, S. 224; a. A. auch nichtvermögensrechtliche Ansprüche der Verjährung nach §§194 ff. BGB unterstellend Ule/Laubinger Verwaltungsverfahrensrecht, § 54 Rn. 1; Schäfer, in: Obermayer, VwVfG, § 53 Rn. 6; Dörr DÖV 1984, 12 (14); Schack BB 1954, 1037; ders, in: FS Laun, S. 275 (288). 304
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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Bei den Ansprüchen aus Verwaltungsrechtsverhältnissen handelt es sich um Vermögensansprüche aus relativen Rechtsbeziehungen, meist in Form von Geldersatzansprüchen. Im Zivihecht beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für vertragliche Ansprüche 30 Jahre (§ 195 BGB). Deliktische Ansprüche verjähren hingegen in drei Jahren ab Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger (§ 852 Abs. 1 BGB). Die VerjährungsVorschriften der §§194 ff. BGB gelten nicht nur für Ansprüche aus Verträgen oder vertragsähnlichen Rechtsverhältnissen. Ein Rechtsgrundsatz, daß Ansprüche generell in 30 Jahren verjähren, besteht auch im Zivilrecht nicht; § 195 BGB fungiert insoweit lediglich als Auffangveijährungsfrist 309. Die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB wird in zahlreichen Fällen, insbesondere bei Geschäften des täglichen Lebens, die schnell abgewickelt zu werden pflegen 310 , von den kürzeren Fristen der §§ 196 f. BGB verdrängt. Zudem finden sich im Besonderen Schuldrecht bei den einzelnen vertraglichen oder vertragsähnlichen Rechtsinstituten davon abweichende meist kurze Verjährungsfristen 311. Die höchst unterschiedliche Bemessung der Fristen für die Verjährung der einzelnen Ansprüche beruht auf der vom Gesetzgeber vorgenommenen Austarierung der Interessen des Gläubigers an der Befriedigung und des Schuldners am Eintritt des Rechtsfriedens. Rechtsgrundsätzliches über den Einzelfall des jeweiligen Rechtsinstituts des Besonderen Schuldrechts hinaus läßt sich daraus nicht ableiten. Aus den zivilrechtlichen Veijährungsvorschriften kann jedoch zumindest der Grundsatz entnommen werden, daß der Schuldner wegen der Gefahr des Verlusts der Beweismittel vor der Inanspruchnahme in der unbeschränkten Zukunft geschützt werden soll. Auch im Verwaltungsrechtsverhältnis trägt - zumindest im vertragsähnlichen - der Schuldner des sekundären Schadenersatzanspruchs wie im zivilrechtlichen Vertragsverhältnis (s. o. bei der Ermittlung des in § 282 BGB enthaltenen Rechtsgrundsatzes) die Beweislast dafür, daß er keine Pflichtwidrigkeit verschuldet hat. Auch hier besteht ein dringendes Bedürfnis, den beweispflichtigen Schadenersatzschuldner vor der Geltendmachung veralteter Ansprüche zu schützen, weil er Gefahr liefe, seine Beweismittel zu verlieren 312. Bleibt das Problem der zeithchen Fixierung der Veijährungsfrist. Die 30-Jahresfrist des § 195 BGB scheint hierbei die äußerste Grenze zu sein (vgl. auch § 52 Abs. 2 SGB X i. V. m. § 218 Abs. 1 S. 1 BGB). Dieser Konsens umfaßt sicherlich die gesamte Rechtsordnung 309
BGHZ 49,77 (80 f.); BGH DVB11978,108 (109); Büdenbender JuS 1997,481 (485). Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 196 Rn. 1; Jauernig, in: ders, BGB, § 196 Anm. 1 ; Hefermehl, in: Erman, BGB, § 196 Rn. 1. 311 6 Wochen: § 490 BGB; 2 Monate: § 510 Abs. 2 S. 1, § 611 a Abs. 4 BGB; 6 Monate: § All Abs. 1 S. 1, § 558 Abs. 1, § 591 b Abs. 1, § 606 S. 1, § 638 Abs. 1 S. 1, § 651 g Abs. 2 S. 1 BGB; 1 Jahr: § 477 Abs. 1 S. 1, § 532 S. 1, § 638 Abs. 1 S. 1 BGB; 2 Jahre: § 801 Abs. 1 S. 2 BGB; 3 Jahre: §§ 503, 786 BGB; 4 Jahre: § 801 Abs. 2 S. 1 BGB; 5 Jahre: § 638 Abs. 1 BGB; aber auch 30 Jahre: §§ 382, 503, § 801 Abs. 1 S. 1 BGB oder Unverjährbarkeit: § 758 BGB. 312 Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 343. 310
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
und wird im übrigen auch im Öffentlichen Recht - zumindest bei der Durchsetzung von Vermögensansprüchen 313 - unbestritten angenommen314. Ein Rechtsgrundsatz bezüglich der Höchstgrenze von 30 Jahren kann festgestellt werden 315. Bleibt zu prüfen, ob bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis im Einzelfall eine kürzere Verjährungsfrist des BGB einschlägig sein kann. Anhand der vielfältigen Verjährungsfristen im Besonderen Schuldrecht des BGB kann sicher nicht bestimmt werden, in welchem Zeitraum Ansprüche aus Verwaltungsrechtsverhältnissen rechtsgrundsätzlich verjähren. Die Vorschriften des Besonderen Schuldrechts sind auf die einzelnen Interessenlagen in den jeweiligen Vertragsverhältnissen zugeschnitten und erheben nicht den Anspruch einer Geltung als Rechtsgrundsatz über diesen einen Vertragstypus hinaus 316 . Eine Festlegung auf die ein oder andere Verjährungsfrist in den §§ 433 ff. BGB müßte im Wege von Billigkeitserwägungen getroffen werden 317 . Diese sind aber auch im Bereich gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung kein zulässiges Mittel der Rechtsfindung. Auch für eine Anwendung der für Amtshaftungsansprüche geltenden Veqährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB besteht bei Ansprüchen aus Verwaltungsrechtsverhältnis kein Ansatzpunkt 318 . 313 Gegen diese Einschränkung Wieland, Verjährungsproblematik im Altlastenrecht, S. 122 ff.; Ossenbühl NVwZ 1995, 547 (549); hiergegen explicit, die Vergleichbarkeit der Interessenlagen negierend VGH BW NVwZ-RR 1996, 387 (390); Martensen NVwZ 1997, 442 (444). 314 BVerwGE 66, 251 (253); NJW 1995, 2303 (2309); VGH BW Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 (η. v.); NVwZ 1996, 201; BayVGH BayVBl 1999, 436 (438); OVG Lüneburg KStZ 1988, 172 (173); OVG NW NJW 1986, 1511 (1512); GemH 1988, 259 (262); OVG RP NVwZ-RR 1991, 322 (323); VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145); BGH VersR 1978, 38 (41); DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZRR 1996, 305 (306); Wieland, Veijährungsproblematik im Altlastenrecht, S. 176 f.; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 195 Rn. 13; Kopp VwVfG, § 53 Rn. 25; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Erichsen, in: ders. Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 56; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 54 Rn. 1; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 55; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 4; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 21; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 53 Rn. 5; Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 749; Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 252, 273; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 161; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, VwVfG, § 53 Rn. 1; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 823; Papier, Forderungsverletzung, S. 137; Dörr DÖV 1984, 12 (15); zurückhaltend BayVGH BayVBl 1989, 596 (597); Jellinek, Verwaltungsrecht, S. 224; Martensen NVwZ 1997, 442 (445); Ossenbühl NVwZ 1995, 547 (549); Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (236); Schack BB 1954, 1037 (1040 f.); ders., in: FS Laun, S. 275 (288). 315 Schack, in: FS Laun, S. 275 (288). 316 Α. A. BGH BB 1986, 2289, der § 558 BGB in einem mietrechtsähnlichen öffentlich-rechtlichen Sachzusammenhang für anwendbar hält. 317 Vgl. zur Anwendbarkeit des § 558 BGB im Kanalbenutzungsverhältnis BVerwG NJW 1995, 2303 (2309); VGH BW NVwZ 1996, 201. 318 BVerwG NJW 1995,2303 (2309); OVG NW GemH 1988,259 (262); RGZ 166,218 (224,240); BGHZ 49,77 (80 f.); Papier, Forderungsverletzung, S. 137 ff. - Zu beamtenrechtlichen Besoldungs- und Versorgungsansprüchen BVerwG NJW 1997,1321 (1322).
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
343
Es bleiben die Vorschriften der §§ 196, 197 BGB aus dem Bereich des Allgemeinen Teils des BGB, in denen möglicherweise allgemeine Rechtsgedanken bezüglich der Interessenbewertung in besonders gelagerten Konstellationen enthalten sind, die auch beim Tätigwerden öffentlich-rechtlicher Körperschaften auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts herangezogen werden können 319 . Soweit in § 197 BGB geregelt ist, daß Ansprüche auf Rückstände von Renten, Besoldungen, Wartegelder, Ruhegehältern, Unterhaltsbeiträgen und allen anderen regelmäßig wiederkehrenden - öffentlich-rechtlichen - Leistungen in vier Jahren verjähren, findet das BGB unmittelbare Anwendung 320 . Das Bemühen einer Analogie, um den Anwendungsbereich des § 197 BGB auf andere als die explicit aufgelisteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche auszudehnen, erscheint wegen der ausdrücklichen Anordnung der Anwendbarkeit im Wortlaut der Vorschrift überflüssig und verfehlt 321 . § 197 BGB betrifft sämtliche wiederkehrenden Ansprüche - auch weitere öffentlich-rechtliche („alle anderen"). Nach einem Rechtsgrundsatz muß in § 197 BGB daher nicht gesucht werden. Es kommt noch die Heranziehung von Rechtsgrundsätzen aus § 196 BGB mit der Folge einer zweijährigen Verjährungsfrist in Betracht. § 196 BGB stellt im wesentlichen eine Ausnahmeregelung für Rechtsgeschäfte dar, die im Wirtschaftsleben regelmäßig vorkommen 322 . Eine Anzahl von Geschäften des Privatrechtsverkehrs wird typisiert und einer kürzeren Veijährungsfrist unterworfen, weil dies für angemessen gehalten wird 3 2 3 . Die 17 Anspruchsgruppen sind objektiv durch bestimmte Leistungen oder Lieferungen gekennzeichnet, die überwiegend zum Beruf oder Gewerbe gewisser Personen gehören. § 196 BGB gilt als allgemeine Vorschrift für den gesamten Bereich des Privatrechtsverkehrs, soweit er nicht von anderen, spezielleren Verjährungsregelungen verdrängt wird. Er kann auf den Bereich aller Verwaltungsrechtsverhältnisse nicht 319 Prinzipiell für eine Anwendbarkeit BVerwGE 66, 251 (253); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 20; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 161; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; diskutiert auch bei OVG RP NVwZ-RR 1991, 322 (324 f.). - Zur Anwendbarkeit des § 196 Abs. 2 BGB auf Ansprüche der Bundespost bei privatrechtlichem Vertragsschluß OLG Düsseldorf NJW-RR 1986, 508 (510). 320 BVerwGE 23, 166 (167); 57, 306 (307); 66, 251 (252 ff.); BVerwG NJW 1997, 1321 (1322); OVG Bremen Schütz BeamtR ES/C III 4.2 Nr. 4; Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 4; Ule/Laubinger Verwaltungsverfahrensrecht, § 54 Rn. 1 ; Jellinek Verwaltungsrecht, S. 224. - Nach BVerwG NJW 1997, 1321 (1322) soll auch ein Schadenersatzanspruch aufgrund nicht erfüllter Erfüllungsansprüche auf beamtenrechtliche Dienst- und Versorgungsbezüge direkt unter § 197 BGB fallen. 321 So aber BVerwGE 28, 336 (340 f.); 48, 279 (286 f.); BVerwG NJW 1973, 1854 (1855); DÖD 1983, 180 (181); BayVGH BayVBl 1987, 23 (26); NVwZ-RR 1997, 230; OVG NW NJW 1981, 1328; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344; Dörr DÖV 1984, 12 (15 f.). - Verfehlt ist sicher die entsprechende Anwendung des § 197 BGB auf einen Anspruch auf Prozeßzinsen, BVerwG NJW 1973, 1854 (1855). 322 BGHZ 57, 191 (198); Hefermehl, in: Erman, BGB, § 196 Rn. 1. 323 BGHZ 57, 191 (198).
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
unmittelbar angewandt werden 324 . Eine Ableitung von Rechtsgrundsätzen aus einzelnen der 17 Nummern fur den Bereich des Zivilrechts erübrigt sich daher, und es stellt sich lediglich die Frage, ob aus § 196 BGB für das Öffentliche Recht allgemeine Rechtsgedanken zu entnehmen sind. Dies kann bezweifelt werden. Beteiligt sich ein Verwaltungsträger am Wirtschaftsverkehr, so ergeben sich die von § 196 BGB erfaßten Ansprüche ebenfalls aus Verträgen. Bei privatrechtlichen Verträgen gilt § 196 BGB ohnehin 325 , bei verwaltungsrechtlichen Verträgen über § 62 S. 2 VwVfG. Bei nichtvertraglichen, aber vertragsähnlichen Rechtsgeschäften müßte der Staat sich in eine der Berufsgruppen des § 196 Abs. 1 Nr. 1 bis 17 BGB einordnen lassen, denn § 196 BGB ist ausschließlich auf die in der Vorschrift genannten Personengruppen zugeschnitten und auf öffentlich-rechtliche Körperschaften, die öffentlich-rechtliche Aufgaben erfüllen, nur schwerlich übertragbar 326. Ableitbare Rechtsgedanken aus § 196 BGB könnten sich daher ebenfalls nur auf einen entsprechenden Personenkreis beziehen. Soweit § 196 Abs. 1 BGB auch Ansprüche öffentlichrechtlicher Rechtssubjekte betrifft (Nr. 11 bis 15) sind diese Ansprüche entweder privatrechtlicher Natur oder § 196 BGB gilt unmittelbar. Eine Übertragbarkeit auf Verwaltungsrechtsverhältnisse über die bereits normierten Fälle hinaus scheidet wegen der klar abgegrenzten und ausschließlich auf den Geschäftsverkehr des Zivilrechts zugeschnittenen Konkretisierung aus 327 . Daß sich aus § 196 BGB tatsächlich Rechtsgrundsätze ableiten lassen, die besagen, daß Ansprüche aus derartigen oder gleichgelagerten Rechtsgeschäften in der Rechtsordnung generell einer kürzeren Veijährung unterliegen müssen, muß aus diesem Grund bezweifelt werden 328 . Zudem ist in der Rechtsprechung bislang kein Fall bekannt, in dem die Vorschrift des § 196 BGB auf einen vermögensrechtlichen öffentlich-rechtlichen Anspruch aus einem Verwaltungsrechtsverhältnis für anwendbar gehalten wurde. Lediglich beim öffentlichrechtlichen Vertrag ist die Anwendbarkeit der allgemeinen Veijährungsvorschriften des BGB problemlos. Sie ergibt sich direkt aus der Verweisung in § 62 S. 2 VwVfG 3 2 9 . 324 Vgl. zur Anwendbarkeit von § 196 Abs. 1 Nr. 14 BGB in einem Fall öffentlichrechtlicher GoA VG Gießen NVwZ-RR 1995, 144 (145). 325 Vgl. etwa zur unmittelbaren Anwendbarkeit des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB bei einem privatrechtlichen Vertrag mit einer Krankenkasse BSG NJW 1997, 1659; ablehnend in Bezug auf polizeiliche Kostenersatzansprüche auch Martensen NVwZ 1997,442 (445). 326 Vgl. BGHZ 57, 191 (199 ff.); OVG RP NVwZ-RR 1991, 322 (324 f.); siehe aber auch die gegenteilige Mutmaßung bei Müggenborg/Schoofs LKV 1994, 233 (236). 327 Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 4; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 344. - So im Einzelfall auch BVerwGE 66, 251 (253); BayVGH BayVBl 1989, 596 (597). 328 BayVGH BayVBl 1989, 596 (597); kritisch zur Analogiefähigkeit BVerwGE 69, 227 (233 f.); Kopp VwVfG, § 53 Rn. 25; Dörr DÖV 1984, 12 (15). 329 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 62 Rn. 32.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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d) Schadensberechnung (§§ 249 ff. BGB) Bei der Haftung aus „verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis" in Anstaltsund Benutzungsverhältnissen soll der Umfang des Schadenersatzes nach §§ 249 ff. BGB berechnet werden können 330 . Den Schadensberechnungsvorschriften der §§ 249 ff. BGB kann ohne Bedenken rechtsgrundsätzlicher Charakter zugesprochen werden. Sie finden nahezu ausnahmslos auf das gesamte BGB-Haftungsrecht Anwendung. In ihnen hat der Gesetzgeber ein für alle Schadenersatzansprüche verbindliche Wertentscheidung getroffen, die auf verschiedenste Rechtsbeziehungen gleichermaßen Anwendung finden. Die Berechnung des Schadens hat für die Gesamtrechtsordnung somit ihren typischen Ausdruck in den §§ 249 ff. BGB gefunden. Abweichungen müssen durch Besonderheiten des jeweiligen Haftungsinstituts begründet sein. Dies ist etwa bei der Amtshaftung der Fall, nach welcher die Gerichte vor dem historischen Hintergrund der Entstehung des Amtshaftungstatbestands und der Zuständigkeitsabgrenzung zu den Verwaltungsgerichten nicht verpflichtet werden können, Schadenersatz in Form von Naturalrestitution zuzusprechen 331. Eine solche Beschränkung wie bei dem auf die persönliche Haftung des Beamten ausgerichteten § 839 BGB besteht bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis nicht. Die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB sind daher bei der Schadensberechnung grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar, soweit der öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhang nicht widerspicht 332 . Da im Staatshaftungsrecht für die Fälle der Naturalrestitution aber der Folgenbeseitigungsanspruch zur Verfügung steht und die §§ 249 ff. BGB ansonsten auf die Amtshaftung aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG Anwendung finden, ist die Heranziehbarkeit neben etwaigen anderen Vorteilen der Haftung nach BGB(Vertrags-)Grundsätzen nur wenig gewinnbringend. Zwar unterliegt der Folgenbeseitigungsanspruch etlichen Restriktionen, jedoch werden diese in aller Regel auch bei einer Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis greifen (vgl. z. B. die Haftungsbeschränkungen der tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit einer Durchsetzung oder des Mitverschuldens).
4. Haftungsbeschränkungen Die Haftungsbeschränkungen können verschiedene Zielrichtungen haben. Eine gesetzliche Einschränkung der Amtspflichten ist grundsätzlich - auch im 330 BVerwG NJW 1995, 2303 (2305); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 f. (n. v.); OVG NW NWVB1 1996, 12 (14); Sander BauR 1985, 167 (169 f.). 331 Hierzu siehe oben S. 243 f. 332 Hierzu siehe beispielsweise unten S. 364 ff. u. 375 ff. zur Naturalrestitution bei Schadenersatzansprüchen wegen unterbliebener Beförderung.
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Hinblick auf die Amtshaftung - möglich 333 , sofern sich nicht aus höherrangigem Gesetz eine Einstandspflicht des Staates, also eine drittbezogene Amtspflicht, für gewisse Schädigungen ergibt 334 . Der am häufigsten diskutierte Fall ist der einer Beschränkung des Verschuldensmaßstabs. Aus der Rechtsprechung sind Fälle bekannt, in denen durch Satzung die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt 335 oder gar für jedwedes Verschulden ausgeschlossen sein sollte 336 . Andere Entscheidungen wiederum befassen sich mit der Freizeichnung von der Verantwortung für bestimmte, für das Rechtsverhältnis typische Schäden, wie etwa dem Ausschluß jeglicher Haftung für Schäden, die durch einen Rückstau in der Abwasserkanalisation 337 oder bei Betriebsstörungen 338 verursacht werden. In der Literatur diskutiert werden auch andere Haftungsausschlüsse 339, etwa eine Reduzierung der Schadenersatzpflicht des Anstaltsträger auf eine bestimmte Maximalhöhe 340 , einen Ausschluß der Haftung für Mangelfolgeschäden 341 oder eine Begrenzung des Fortbestands der Hauptleistungspflicht bei Schlechtleistung, obwohl noch mangelfrei geliefert werden könnte 342 .
a) Anwendung von Vorschriften des AGBG Dem satzungsmäßigen Ausschluß der Haftung im Verwaltungsrechtsverhältnis bzw. der Beschränkung derselben sind Grenzen gesetzt343. Es stellt sich die 333 BGHZ 61, 7 (15); Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 34 Rn. 36; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 16; ders. DÖV 1973, 808 (810); Brehm DÖV 1974, 415 (417); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (399); Schwarze JuS 1974, 640 (643 f.). 334 Brehm DÖV 1974, 415 (417); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (399 f.); Rüfner DÖV 1973, 808 (810). 335 BGHZ 17, 191 (199); 61, 7 (15 ff.); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); hierzu Birkenfeld-Pfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Wohlfahrt, Kommunalrecht Saarland, Rn. 81, 290; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (411 ff.); ders. BayVBl 1974,57 (62 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (811); Schneider NJW 1962, 705 (708). 336 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BayVGH VerwRspr 21, 911 (915); RGZ 62, 264 (265); hierzu Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (405 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (61 ff.). 337 BayVGH VerwRspr 21, 911 (914); BGHZ 54, 299 (305); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 2; VersR 1978, 38 (40); NVwZ 1998, 1218 (1219); hierzu Sander BauR 1985, 167 (168, 170); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10(11). 338 BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10. 339 Ausführlich bei Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (415 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (64 f.). 340 Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (418). 341 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39. 342 Tiemann VerwArch 65 ( 1974), 381 (417); ders. BayVBl 1974, 57 (65). 343 Hierzu siehe oben S. 236.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
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Frage, nach welchen Maßstäben sie ermittelt werden können und wo sie im Einzelfall zu ziehen sind. Als Maßstab für die Beurteilung der Zulässigkeit von satzungsmäßigen Haftungsbeschränkungen im Verwaltungsrechtsverhältnis werden insbesondere zivilrechtliche Grundsätze bemüht 344 ; daneben werden ebenfalls die guten Sitten (vgl. § 138 Abs. 1 BGB) 3 4 5 , das Willkürverbot 346 , Zumutbarkeitskriterien 347 und das Übermaßverbot mit seinen Anforderungen an Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Regelungen bei Grundrechtseingriffen 348 angeführt. Die privatrechtlichen Grenzen der Haftungsfreizeichnung können hingegen als solche keinen Eingang in die öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen finden. Bei der Frage nach der Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung im Anstalts- und Benutzungsverhältnis geht es um die Wirksamkeit öffentlich-rechtlicher Normen. Diese bestimmt sich keinesfalls nach Kriterien, die dem Zivilrecht entspringen. Da die Haftungsbeschränkungen im Privatrecht eine Einschränkung der Privatautonomie beinhalten, die sich an den zu 344 BGHZ 54, 299 (305); 61, 7 (17); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10 B1 2; BGHZ 66, 303 (314 f.); BGH VersR 1978, 38 (40 f.); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 136; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 824; Forsthoff Verwaltungsrecht I, S. 422 f.; Dagtoglou, in: BK-GG, Art. 34 Rn. 71; von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329); Stober DOV 1977, 398 (400 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (406, 409); ders. BayVBl 1974, 57 (61); Rüfner DÖV 1973, 808 (809). 345 OVG NW OVGE 18, 153 (162 f.); RGZ 62, 264 (266); Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 159; Janson DÖV 1979, 696 (702 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (402). 346 BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BayVGH NVwZ 1985, 844; VerwRspr 21, 911 (915); BGHZ 62, 372 (377 f.); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 97; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 25; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 432; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 359; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (406 ff, 411 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (59, 61 ff.). 347 OVG NW OVGE 18, 1553 (163 f.); BGHZ 61, 7 16); Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217 f. 348 BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Peine, in: Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 334; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders, Kommunalrecht BW, Rn. 136, 300; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Bonk, in: Sachs, GG, Art, 34 Rn. 100; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; BirkenfeldPfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 14; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 359; Reiter BayVBl 1990, 711 (712 f.); von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329 f.); Ehlers DVB1 1986, 912 (921); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10 (13); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (382, 406 ff, 411 ff.); ders. BayVBl 1974, 57 (59, 61 ff.); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (222 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (810).
348
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
schützenden Grundrechten von im Privatrechtsverkehr benachteiligten Geschäftspartnern orientieren, könnten die dortigen Wertungen im Öffentlichen Recht - erst recht - vergleichend heranzogen werden bzw. heranzuziehen sein 349 . Die Heranziehung scheint aber auch unter diesem Aspekt im Öffentlichen Recht zumindest überflüssig. Es besteht keine Autonomie beim Erlaß von beispielsweise Anstalts- und Benutzungssatzungen. Vielmehr erfolgt dieser in üblicher Gesetzesbindung der Verwaltung (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG). Nicht zuletzt deshalb scheint eine Anwendbarkeit des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) nicht angezeigt350. Dem AGBG lassen sich jedenfalls keine Rechtsgrundsätze ableiten, die dem Öffentlichen Recht nicht schon selbst immanent sind. Auch bei partieller Identität von Zielrichtung und Ergebnissen sind die Grenzen der Haftungsbeschränkung im Öffentlichen Recht daher dogmatisch zutreffender allein aus den öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Grundsätzen zu entnehmen. Einen Ausnahmefall bestimmt die aufgrund § 27 S. 3 AGBG i. V. m. § 27 S. 1 u. 2 AGBG erlassene Rechtsverordnung in ihrem § 35 Abs. 1. Danach sind die Rechtsvorschriften, die das Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich regeln, den Bestimmungen jener Verordnung entsprechend zu gestalten351. Dies stellt nach h. M . 3 5 2 keinen unzulässigen Eingriff in die gemeindliche Satzungshoheit dar. Der verbindliche Maßstab für die Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Satzungsbestimmungen ergibt sich jedoch wiederum aus dem Öffentlichen Recht 353 . 349
Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 358 ff. (Konkretisierung der im öffentlich-rechtlichen Bereicht gültigen Verfassungsprinzipien); ders. DVB1 1986, 912 (921). 350 Α. A. Waechter, Kommunalrecht, Rn. 570; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Gern, Kommunalrecht BW, Rn. 136; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 159; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, § 99 Rn. 39; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 359; Larenz, Schuldrecht I, S. 419; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 190 ff.; von Klitzing BayBgm 1989, 327 (329); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10 (12 f , aber m. E. mit widersprüchlicher Zusammenfassung unter 4.); Janson DÖV 1979, 696 (703); Stober DÖV 1977, 398 (400), die von einer entsprechenden Anwendbarkeit ausgehen. - Die „gebotene enge Auslegung" aus dem AGBG ableitend OLG München VersR 1980, 724 (725). 351 Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser vom 20.6.1980, BGBl I S. 750, 1067 (AVBWasserV). 352 BVerfG NVwZ 1982, 306 (307 f.); OVG NW KStZ 1987, 52; BGH WM 1985, 576; Danner BB 1979, 76 (80); wohl auch Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 190 f.; a. A. Odenthal KStZ 1987, 54; Stober NVwZ 1982, 294 ff, die die Verordnung mangels Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für verfassungswidrig halten. 353 Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (402); Schwarze JuS 1974, 640 (641); Götz JuS 1971, 349 (352). - Vgl. auch OVG NW NWVB1 1997, 473 sowie zur Anwendbarkeit bei privatrechtlich ausgestalteten Parkflächen BayVerfGH NVwZ 1998, 727.
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
349
b) Anwendung der Generalklauseln in §§ 238, 242 BGB Ist eine Anwendbarkeit der Vorschriften des AGBG abzulehnen, wäre noch an eine Heranziehung des auch im Öffentlichen Recht anerkannten Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu denken, welcher in Verwaltungsrechtsverhältnissen durchaus Relevanz erlangen kann 354 . Einen eigenständigen Regelungsgehalt wird man ihm neben dem Willkürverbot und dem Übermaßverbot, dem wohl auch die vage angeführten Zumutbarkeitskriterien zuzurechnen sind, jedoch kaum entnehmen können. Enthält eine Anstalts- und Benutzungssatzung haftungsbeschränkende Vorschriften, so müssen diese sachlich, durch ein öffentliches Interesse gerechfertigt sein 355 , um nicht wegen Willkür dem Vorwurf eines Verstosses gegen Art. 3 Abs. 1 GG ausgesetzt zu sein. Ein Grund für die Freizeichnung kann etwa darin liegen, daß sie die Erhebung niedrigerer Gebühren ermöglicht, da in die Kostenkalkulation kein besonderer Risikozuschlag eingestellt werden muß 356 . Weiter müssen sie geeignet, erforderlich und in Abwägung der öffentlichen Interessen mit den Interessen des Benutzers der öffentlichen Anstalt angemessen sein. Da es sich bei beispielsweise den öffentlich-rechtlich ausgestalteten Anstalts- und Benutzungsverhältnissen um Rechtsverhältnisse des Öffentlichen Rechts handelt, mißt sich die Rechtmäßigkeit der öffentlich-rechtlichen Satzungsbestimmungen aus den gleichen Gründen auch nicht an den guten Sitten (vgl. § 138 BGB) 3 5 7 .
354
Seewald, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Kap. I Rn. 159; Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (409). 355
BayVerfGH DÖV 1970, 488 (489); BGHZ 62, 372 (377 f.); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 28 Rn. 7; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 34 Rn. 11; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 334; ders, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34 Rn. 217 f.; Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 277, 548; ders, Kommunalrecht BW, Rn. 136, 300; BirkenfeldPfeiffer, Kommunalrecht Hessen, Rn. 92, 427; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 100; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Rüfner, in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 49 Rn. 15; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 34 Rn. 1; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 97; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 8 Rn. 12; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Kreft, in: RGRK-BGB, § 839 Rn. 25; Larenz, Schuldrecht I, S. 419; Battis , Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 393; Mayer/Kopp, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 432; Reiter BayVBl 1990, 711 (713); Schulze-Hagen AgrarR 1980, 10 (11); Erichsen VerwArch 65 (1974), 219 (222 ff.); Rüfner DÖV 1973, 808 (810); Götz JuS 1971,349 (352). 356 BGHZ 61, 7 (16); BGH NJW 1978, 1430; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Schneider NJW 1962, 705 (708). 357 So aber OVG NW OVGE 18, 153 (162 f.); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (409).
350
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
5. Leistungsbestimmung nach §§ 315 ff. BGB Dem BVerwG dienen in den „Personalausweisentscheidungen" 358 die Vorschriften der §§ 316, 315 BGB zur Bestimmung der konkret geschuldeten Leistung. Um sie auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte anwenden zu können, müßte man diesen übertragbare Rechtsgrundsätze entnehmen können. Nach § 154 Abs. 1 BGB gilt ein Vertrag im Zweifel als nicht geschlossen, wenn sich die Parteien nicht über alle Punkte des Vertrags geeinigt haben. Wollen beide Parteien sich trotz noch offener Punkte erkennbar binden, so ist § 154 Abs. 1 BGB nicht anwendbar 359. Die Vorschrift des § 316 BGB erfüllt in derartigen Fällen insbesondere bei Kaufverträgen 360 - (ebenso wie § 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2, § 653 Abs. 2 BGB) den Zweck, solche Verträge, die nach dem Willen der Vertragsparteien bindend sein sollen, vor dem Scheitern zu bewahren 361. Die Inanspruchnahme der Leistung des einen ist zwischen den Parteien verbindlich gewollt, über die Gegenleistung, meist die Vergütung, konnte bei Vertragsschluß indes noch keine Einigung erzielt werden. Wird diese Frage offen gelassen und trotzdem schon einseitig erfüllt, so erscheint es im privatautonomen Zivilrecht recht und billig, daß der Gegenanspruch in irgendeiner Weise nachträglich festgesetzt werden kann und der Vorausleistende nicht auf die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB) verwiesen wird. Hinsichtlich dieses „Ob" der Festsetzung der Gegenleistung vermag die für die Herleitung eines Rechtsgrundsatzes notwendige Typizität bestehen. Schwieriger erscheint dies für die Frage des „Wie" der Bestimmung zu sein. Nach §§ 316, 315 Abs. 1 BGB soll das Bestimmungsrecht dem Gläubiger der Gegenleistung nach billigem Ermessen zustehen. Diese im BGB angestrebte Lösung ist aber nicht zwingend, wie beispielsweise die Rechtslage beim vereinheitlichten Kaufrecht zeigt. Hiernach ist der Preis zu zahlen, den der Gläubiger der Gegenleistung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gewöhnlich gefordert hat (Art. 57 EKG; vgl. auch Art. 55 CISG) 362 . Auch die BGB-Vorschriften der § 612 Abs. 2, § 632 Abs. 2, § 653 Abs. 2 BGB schlagen einen anderen Lösungsweg ein. Sie normieren eine Bestimmung anhand der verkehrsüblichen Vergütung. Die Fälle, in denen bei einem verbindlich gewollten Vertrag die genaue Bestimmung der Gegenleistung offenbleibt, werden also schon im Zivihecht keiner einheitlichen Lösung zugeführt (vgl. auch § 2156 BGB, wonach dem Erblasser die Möglichkeit eröffnet wird, einen Dritten zu benennen, dem die 358
Siehe oben S. 27 u. 134 ff. Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 154 Rn. 2; Gottwald, in: MünchKommBGB, §316 Rn. 1; Battes, in: Erman, BGB § 316 Rn. 1. 360 Vgl. BGHZ 41, 275; BGH LM § 315 BGB Nr. 12; BGH NJW 1983, 1777. 361 Gottwald, in: MünchKommBGB, § 316 Rn. 1; Mader, in: Staudingers Komm, z. BGB, § 316 Rn. 2; Wolf, in: Soergel, BGB, § 316 Rn. 1; Trute JuS 1996, 883 (886). 362 BGH NJW 1990, 3077 (3078, 3079). 359
II. Einzelne Rechtsgrundsätze aus dem BGB-Schuldrecht
351
Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen obliegen soll). Es erscheint daher äußerst fraglich, ob den §§ 316, 315 BGB für das Zivilrecht rechtsgrundsätzliche Wirkung zugesprochen werden kann. Für das Öffentliche Recht kann eine solche keinesfalls anerkannt werden. Der Unterschied der Interessenlagen in Verwaltungsrechtsverhältnissen liegt darin, daß die §§ 315 ff. BGB Regelungen für gültig abgeschlossene Verträge bereit halten. Verwaltungsrechtsverhältnisse, die keinen Verwaltungsvertrag zur Grundlage haben, betreffen aber gerade vereinbarungsfreie Rechtsbeziehungen. Dem Öffentlichen Recht läßt sich ein Rechtsgrundsatz nicht entnehmen, nach welchem die Höhe der Kostentragung immer dann, wenn eine gesetzliche Regelung fehlt, nach billigem Ermessen des Gläubigers bestimmt werden dürfe. Es bleibt allenfalls der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, um die „unvergüteten" Vermögensverschiebungen abzugleichen. 6. Kurzzusammenfassung Rechtsgrundsätze, die im öffentlich-rechtlichen Regelungsbereich tatsächlich nutzbar gemacht werden können, lassen sich nur wenigen der von Rechtsprechung und Literatur herangezogenen bzw. diskutierten Vorschriften des BGB entnehmen: Als Anspruchsgrundlage ist der Rückgriff auf das Zivilrecht entbehrlich. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich unmittelbar aus dem Öffentlichen Recht. Jede schuldhafte Verletzung von relativen Rechten und/oder Pflichten löst in der Rechtsordnung eine Schadenersatzfolge aus. Relative Rechte und Pflichten ergeben sich im Öffentlichen Recht aus den Verwaltungsrechtsverhältnissen. -
Bei fremdnütziger Geschäftsführung ohne Auftrag entsteht, sofern nicht wie fast ausschließlich - öffentlich-rechtliche Vorschriften dem widersprechen, ein Ausgleichsschuldverhältnis, dessen rechtsgrundsätzliche Ausgestaltung der Gesetzgeber in den §§ 677 ff. BGB vorgezeichnet hat.
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Bei der Erfüllung von relativen Haupt- und Neben(leistungs)pflichten in Rechtsverhältnissen hat der Schuldner auch für das Verschulden von Personen einzustehen, die er zur Erfüllung heranzieht (vgl. § 278 BGB).
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In § 282 BGB kommt ein Stück „Erfüllungsgarantie" zum Ausdruck, die unter Umständen mit rechtsgrundsätzlicher Wirkung auch in vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnissen zu einer Beweislastumkehr führen kann.
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Die „regelmäßige Verjährungsfrist" von 30 Jahren (vgl. § 195 BGB) genießt in der gesamten Rechtsordnung als Rechtsgrundsatz Geltungskraft.
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Rechtsgrundsätzlicher Charakter kommt auch den Schadensberechnungsvorschriften zu, welche in §§ 249 ff. BGB positivrechtlich normiert sind.
352
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
Der Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. § 242 BGB) erstreckt sich auch über das gesamte Öffentliche Recht.
I I I . Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung Ist die grundsätzliche Geltungskraft einzelner - haftungsrechtlicher Rechtsgrundsätze im Bereich des Öffentlichen Rechts festgestellt, so ist damit noch keine Aussage darüber getroffen, ob im Einzelfall tatsächlich eine Anwendbarkeit angenommen werden kann. Hierzu müßten sich die - häufig dem Zivilrecht entlehnten - Rechtsgrundsätze in den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang einpassen. Die Unhaltbarkeit des Ansatzes von Rechtsprechung und herrschender Lehre, „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" nach einer „besonders engen Beziehung" und dem „Bedürfnis nach angemessener Verteilung der Verantwortlichkeiten im Öffentlichen Recht" zu definieren, wurde bereits aufgezeigt 363. Auch die Bezugsgröße „Schuldverhältnis" liefert hier, wie gesehen364, kein taugliches Eingrenzungskriterium. Die Erkenntnis, daß das Öffentliche Recht bei jeder Verletzung eines relativen Erfüllungsanspruchs in einem Verwaltungsrechtsverhältnis eine rechtsgrundsätzliche Haftung vorsieht, legt vielmehr nahe, die Ordnungseinheit Verwaltungsrechtsverhältnis als Ausgangspunkt für die Ermittlung der Grenzen der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang ergeben, nutzbar zu machen. Da alle bisherigen Begründungsansätze dogmatisch unbefriedigend geblieben sind 365 , stellt sich somit die Frage nach der Leistungsfähigkeit des Verwaltungsrechtsverhältnisses im Zusammenhang der als „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" bezeichneten Rechtsbeziehungen366. 1. Verwaltungsrechtsverhältnis
als Ordnungsrahmen
Das Verwaltungsrechtsverhältnis kommt, wie gesehen367, zur Entstehung, wenn sich eine Rechtsbeziehung so verdichtet, daß innerhalb eines konkreten Lebenssachverhalt zwischen Rechtssubjekten aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften relative Rechte und Pflichten entstehen. Auch wenn das Verwaltungsrechtsverhältnis wegen der Gesetzesbindung der Verwaltung im Vergleich 363 364 365 366 367
Siehe oben S. 144 ff. Siehe oben S. 149 ff. Ausführlich hierzu oben S. 144 ff. Zu einem kurzen Überblick über den Streitstand siehe oben S. 50 ff. Siehe oben S. 163 ff.
III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung
353
zum zivilrechtlichen Schuldverhältnis weniger Elastizität aufweist 368 , findet doch auch hier eine Konkretisierung von Erfüllungspflichten statt. Deren schuldhafte Verletzung ist bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis mit einer Schadenersatzfolge sanktioniert 369 . Zur Begründung eines Haftungstatbestands bedarf es der Feststellung einer schädigenden Pflichtverletzung. Bei der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis löst die Vereitelung von (relativen) Erfüllungsansprüchen bzw. die Verletzung (relativer) Erfüllungspflichten eine Schadenersatzfolge aus. Der Beleuchtung des materiellen Verwaltungsrechtsverhältnisses kommt hier schon insoweit ein übergreifender Nutzen zu, als sie die deutlichere Herausarbeitung der Relativität der rechtlichen Zuordnung ermöglicht 370 . Zudem wird die umfassende Erfassung der beiderseitigen Rechte und Pflichten zwischen den beteiligten Rechtssubjekten zumindest erleichtert. Insbesondere Nebenpflichten, die in einem regelnden Verwaltungsakt oder einer Rechtsnorm keine Erwähnung finden, können oftmals nur mittels der Ordnungseinheit Verwaltungsrechtsverhältnis ermittelt werden 371 . Konkrete Beispiele finden sich etwa bei der Haftung aus öffentlichrechtlicher Verwahrung. Die Obhutspflichten der verwahrenden Verwaltung erstrecken sich nicht nur auf die Bewahrung der Sache vor ihrem Untergang, sondern auch auf die Überwachung und den Schutz vor Beschädigung372. Die diesbezüglichen Sorgfaltspflichten sind Nebenpflichten aus dem öffentlichrechtlichen Verwahrungsverhältnis, die sich zwar nicht unmittelbar aus der Verwaltungsentscheidung bei der Beschlagnahme oder Sicherstellung, wohl aber bei der Betrachtung der öffentlich-rechtlichen Pflichtenbindungen in der jeweiligen Rechte-Pflichten-Beziehung unschwer ermitteln lassen. Ihre Verletzung löst entsprechende Schadenersatzpflichten aus. In Anstalts- und Benutzungsverhältnisse wiederum kann der jeweiligen Satzung nur schwerlich entnommen werden, welche bauliche Beschaffenheit ein Schlachthof 373 bzw. ein Kranwagen 374 bzw. welche Qualität das gelieferte Wasser haben muß 375 , wie 368
Von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (351 f.) mit Hinweis auf Fleiner, Institutionen des Deutschen Verwaltungsrechts, 8. Aufl. 1928, S. 141. 369 Siehe oben S. 299 ff. 370 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 206; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (326 f , 330); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44); ders. DVB1 1989, 533 (540). 371 Pietzcker Verw 30 (1997), 281 (292 f.); Gröschner Verw 30 (1997), 301 (332 f.); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (213); Bauer Verw 25 (1992), 301 (319); Schmidt-Aßmann DVB1 1989, 533 (540); insoweit zweifelnd von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (354 ff.) mit ausdrücklichem Verweis auf die „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse". 372 RGZ 166, 218 (223); BGHZ 3, 162 (173); BGH WM 1973, 1416 (1417); OLG Köln NVwZ 1994,618 (619). 373 BGHZ 61,7 (Einsteilplätze); BGH NJW 1974, 1816 (Rohrbahn). 374 BayObLG BayVBl 1989, 571. 23 Meysen
354
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
die Untersuchung bei einer Fleischbeschau durchzuführen ist 376 , inwieweit die Beteiligten verpflichtet sind, Beschädigungen von Kanalisationseinrichtungen zu verhindern 377 bzw. richtige Auskünfte zu erteilen 378 oder wie eine Regenwasserkanalisation zu dimensionieren ist 379 . Auch hier bedarf es zur Ermittlung der „Erfüllungspflichten" eines weitergehenden Blickes auf das zugrundeliegende Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen dem Betreiber und dem Nutzer der öffentlichen Einrichtung. Weiter ergeben sich auch bei informellen Absprachen Pflichten, die nur über das Verwaltungsrechtsverhältnis ermittelt werden können 380 . Wie bei jedem schlichten Verwaltungshandeln liegt hier überhaupt keine verbindliche Verwaltungsentscheidung vor, die bei der Suche nach einem Anknüpfungspunkt für die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis behilflich sein könnte. Soll bei der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung der öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhang untersucht werden, gewinnt das Verwaltungsrechtsverhältnis auch in seiner Funktion als Auslegungshilfe der maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Normen an Bedeutung 381 . Es lenkt den Blick weg von der Formebene mit der eher punktuellen Verwaltungsentscheidung auf die Dynamik der Wirkungen in der übergreifenden Rechtsbeziehung382. Der Inhalt des Verwaltungsakts oder der Rechtsnorm ist vom Verwaltungsrechtsverhältnis her zu bestimmen. Dies wird insbesondere in Dauerrechtsverhältnissen relevant, in denen die inhaltlichen Veränderungen eines Rechte-Pflichten-Geflechts, welche die Dauerhaftigkeit desselben zwangsläufig mit sich bringt, nicht mehr über die einmalige Regelung erfaßt werden kann 383 . Auch die Vor- und Nach375
VGH BW ESVGH 26, 155; RGZ 152, 129; BGHZ 17, 191; BGH LM § 13 GVG Nr. 89; BGHZ 59,303. 376 BGH LM § 40 VwGO Nr. 9; OLG Hamburg MDR 1961, 938. 377 BVerwG NJW 1995, 2303; VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; Urt. v. 15.06.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW GemH 1988, 259; NWVB1 1996, 13; OVG NW NVwZ-RR 1997, 207; BGHZ 54, 299; BGH NJW 1977, 197; VersR 1978, 38; DVB1 1978, 108; BGHZ 109, 8 = NJW 1990, 1167; BGH VersR 1992, 58; OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; LG Freiburg VersR 1979, 363; LG Koblenz VersR 1981, 1085. 378 OVG NW NVwZ-RR 1996, 482 (Mitteilung der Lage einer Hausanschlußleitung); BGHZ 66, 302 (Aufklärung über Manipulierbarkeit eines Tischmünzfernsprechgeräts); BGHZ 17, 191 (195: Bekanntgabe der Chlorung des Wassers als „Nebenpflicht auf Grund des vertraglichen oder vertragsähnlichen Verhältnisses"). 379 OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627. 380 Von Wedemeyer, Kooperation statt Vollzug im Umweltrecht, S. 188 f.; Schulte DVB1 1988, 512 (514); Bauer VerwArch 78 (1987), 241 (263 ff.). 381 Von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (349 f.). 382 Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (215). 383 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 206 f.; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (330 ff.); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibili-
III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung
355
Wirkungen von Verwaltungsentscheidungen können meist nur über das übergreifende Verwaltungsrechtsverhältnis angemessene Beachtung finden 384 . Beispielsweise können die haftungsrelevanten Fragen, wann innerhalb des Anstalts- und ΒenutzungsVerhältnisses der Wasserversorgung die fällige Reparatur einer Wasserleitung zu spät erfolgt 385 , nur über die Gesamtbetrachtung der Dauerrechtsbeziehung beantwortet werden. In der Fallgruppe der personenbezogenen Rechtsbeziehungen läßt sich vielleicht noch unmittelbar aus dem Gesetz entnehmen, wann die Dienstbezüge in einem Beamtenverhältnis zu spät bezahlt werden 386 oder eine Versetzung in den (vorzeitigen) Ruhestand zu früh erfolgt 387 . Ob eine Einstellung oder Beförderung zu spät bzw. unberechtigt nicht erfolgt ist 388 , läßt sich allerdings am besten anhand der Gesamtumstände des übergreifenden Verwaltungsrechtsverhältnisses ermitteln. Soll bestimmt werden, wie lange die Verwaltung verpflichtet ist, eine Sache - unentgeltlich öffentlich-rechtlich zu verwahren 389 , bietet auch hier das Verwaltungsrechtsverhältnis den Ordnungsrahmen zur Erfassung der zeitlichen Komponente der Rechte-Pflichten-Bindungen. Bezüglich der Vorwirkungen einer Verwaltungsentscheidung sind beim Rechtsverhältnis zur Vorbereitung eines Verwaltungsvertrags die Grundsätze der culpa in contrahendo im Öffentlichen Recht anwendbar (§ 62 S. 2 VwVfG) 3 9 0 . Zwar liefert der spätere öffentlich-rechtliche Vertrag (oder Verwaltungsakt) den Bezugspunkt für die vorwirkenden Pflichten, Bezugsrahmen für deren Ermittlung bleibt aber das über die Entscheidung hinausgreifende Verwaltungsrechtsverhältnis 391. Die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit liegen insbesondere darin, daß das Verwaltungsrechtsverhältnis kaum Steuerungsaufgaben erfüllen kann und daß tät des Verwaltungshandelns, S. 199 (212 f.); Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann/Schuppert, Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11 (44 f.); ders. DVB1 1989, 533 (540); Bauer Verw 25 (1992), 301 (314); insoweit zweifelnd von Danwitz Verw 30 (1997), 339 (346 f.). 384 Schulte, Schlichtes Verwaltungshandeln, S. 207 f.; Gröschner Verw 30 (1997), 301 (333); Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Innovation und Flexibilität des Verwaltungshandelns, S. 199 (213, 229 f.); Bauer Verw 25 (1992), 301 (314); Hill NJW 1986, 2602 (2606). 385 VGH BW VB1BW 1982,369. 386 BVerwGE 14, 222 (224 ff.) = ZBR 1963, 50 (51); E 24, 186 = NJW 1967, 511; NVwZ 1986, 481. 387 OVG Lüneburg ZBR 1972, 84. 388 BVerwG ZBR 1960, 92; ZBR 1979, 335; Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 78; BVerwGE 80, 123 = NJW 1989, 538; BVerwG NJW 1997, 1321; BayVBl 1997, 696; Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris WBRE410003537; NJW 1998, 3288; VGH BW DVB1 1965, 333; ZBR 1975, 316; BayVGH BayVBl 1961, 90; OVG Hamburg DVB1 1960, 745; HessVGH DVB1 1960, 328; OVG Lüneburg ZBR 1974, 17; OVGE 29, 479; OVG NW ZBR 1986, 276; RGZ 146, 369 (373 f.). 389 Vgl. etwa HessVGH NVwZ 1988, 655 (656). 390 Siehe oben S. 64 f. 391 Hierzu Keller, Vorvertragliche Schuldverhältnis im Verwaltungsrecht, S. 132 ff.
356
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
es - anders als die Orientierung an der Handlungsform - nicht zur verbindlichen Regelung von Rechtsbeziehungen taugt. Auf der hier - fast ausschließlich 3 9 2 - interessierenden Sekundärebene ist die Steuerungs- und Regelungsfunktion der Handlungsformenlehre jedoch nur von geringer Relevanz. Es geht bei der Wahrnehmung eines Verwaltungsrechtsverhältnisses um die Darstellung eines - allerdings dynamischen - status quo, eben des fur die Beurteilung der Heranziehbarkeit „zivilrechtlicher" Haftungsgrundsätze und deren Grenzen maßgeblichen öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhangs.
2. Haftungsregime
im Verwaltungsrechtsverhältnis
Löst jede schuldhafte Vereitelung bzw. Verletzung einer Erfìillungspflicht innerhalb eines Verwaltungsrechtsverhältnisses eine Schadenersatzpflicht aus 393 , ist zu klären, welche Haftungsmodalitäten, welche diesbezüglich anwendbaren Rechtsgrundsätzen im öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang grundsätzlich in allen Verwaltungsrechtsverhältnissen anwendbar sind: Die Haftung für „Erfüllungsgehilfen" entsprechend den in § 278 BGB normierten Grundsätzen kann im gesamten Bereich des Öffentlichen Rechts Geltung beanspruchen 394. Bei allen relativen Pflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen handelt es sich nach dem beschriebenen weiten Verständnis um „Erfüllungspflichten" 395 . Der „Schuldner" hat dafür einzustehen, daß sie ordnungsgemäß erfüllt werden und kann sich dem nicht entziehen, indem er Dritte damit beauftragt bzw. dabei zur Hilfe nimmt. Nicht alle öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen unterliegen der Veijährung. Für Ansprüche des Bürgers gegen die Verwaltung auf der Primärebene kennt das Öffentliche Recht, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist 396 , lediglich das allgemeine Institut der Verwirkung 397 . Für die hier in erster Linie interessierenden sekundären Haftungsansprüche aus Verwaltungsrechtsverhältnis gilt aber der Grundsatz, daß ein gegebenenfalls beweispflichtiger Schadenersatzschuldner vor der Geltendmachung veralteter Ansprüche bewahrt bleiben muß. Die deutsche Rechtsordnung hat sich hier mit der Auffangveijährungsfrist des § 195 BGB für die 392 Vgl. die Anspruchsbegründung in Verwaltungsrechtsverhältnissen bei der Herstellung von Personalausweisen, siehe hierzu oben S. 134 ff., 207 f. u. 350 ff. 393 Siehe oben S. 299 ff. 394 Hierzu ausführlich oben S. 335 ff. 395 Siehe oben S. 299 ff. 396 Vgl. etwa § 66 SGB I. 397 Hierzu Henneke, in: Knack, VwVfG, Vorb § 53 Rn. 7; Erichsen, in: ders, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rn. 55; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 37 Rn. 16 ff.
III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung
357
30jährige Verjährung entschieden, die damit auch fur alle, zumindest schadenbzw. aufwendungsersatzrechtlichen öffentlich-rechtlichen Ansprüche rechtsgrundsätzlich Geltung beansprucht 398, sofern nicht speziellere Regelungen etwas anderes bestimmen. Die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 249 ff. BGB über Art und Umfang des Schadenersatzes und über die Schadensberechnung enthalten unterschiedliche Grundsätze, deren Anwendung im Einzelfall der öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhang entgegenstehen kann. Beispielsweise den Grundsätzen der Naturalrestitution (vgl. § 249 S. 1 BGB) können tatsächliche oder rechtliche Grenzen gesetzt sein 399 , die nur bei der Untersuchung der jeweils geltenden Rechtsvorschriften sowie der konkreten Rechte und Pflichten in Verwaltungsrechtsverhältnissen geprüft werden können 400 .
3. Haftungsregime
im vertragsähnlichen
Verwaltungsrechtsverhältnis
Nicht auf alle Verwaltungsrechtsverhältnisse übertragbar ist der Rechtsgrundsatz zur Umkehr der Beweislast, welcher § 282 BGB entnommen werden kann. Die Beweislastumkehr des § 282 BGB beruht, wie geschildert 401, auf der Erkenntnis, daß der Schuldner am besten und oftmals allein die Umstände aufklären kann, welche die Leistung unmöglich gemacht haben 402 . Daher wird vermutet, daß die Nicht- oder Schlechterbringung einer Erfüllungspflicht auf eine verschuldete, kausal ursächliche objektive Pflichtwidrigkeit des Schuldners zurückzuführen ist 403 . Dem Pflichtigen wird der Entlastungsbeweis auferlegt, wenn die Sachlage den Schluß rechtfertigt, der Schuldner habe seine Erfüllungspflichten verletzt, und die Schadensursache gehe aus dem Gefahrenkreis des Schuldners hervor 404 . Rechtfertigung für die Annahme der in § 282 BGB enthaltenen „Erfüllungsgarantie" ist der Umstand, daß die Vertragspartei 398
Hierzu ausführlich oben S. 339 ff. Zu den tatsächlichen und rechtlichen Grenzen des Folgenbeseitigungsanspruchs siehe unter vielen Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 318 ff.; Schneider, Folgenbeseitigung im Verwaltungsrecht, 145 ff.; Schoch Jura 1993, 478 (485 f.). 400 Siehe unten S. 364 ff. 401 Siehe oben S. 336 ff. 402 VG Arnsberg MDR 1975, 255; BGHZ 4, 192 (195); 48, 310 (312 f.); BGH NJW 1965, 1583 (1584); LM § 688 BGB, Nr. 2 B1 3; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 282 Rn. 2. 403 Larenz, Schuldrecht I, S. 371. 404 RGZ 148, 148 (150); 160, 153 (155 f.); BGHZ 23, 288 (290 f.); 27, 236 (238 f.); 28, 251 (254); BGH MDR 1959, 482 (483); NJW 1964, 33 (35 f.); NJW 1968, 2240; BGHZ 48, 310 (312 f.); 67, 383 (387); NJW 1986, 2757 (2758); NJW 1990, 1230 (1230 f.); BAG NJW 1985, 219 (220); vgl. zur Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB BGHZ 51, 91 (104 ff.); zur Haftung aus c. i. c. BGHZ 66, 51 (54). 399
358
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
ihre Erfüllungspflichten übernommen hat. Durch Eingehen eines Vertrags übernehmen die Vertragspartner das Versprechen, ihren positiven Leistungspflichten nachzukommen405. Vertragsähnliche Schuldverhältnisse des Zivilrechts haben ebenfalls eine solche willentliche Komponente. Beispielsweise ist Interessenlage bei der freiwilligen Übernahme einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder bei der beiderseits gewollten Kontaktaufnahme zur Vertragsanbahnung insoweit der in vertraglichen Schuldverhältnissen vergleichbar. Auch hier erscheint § 282 BGB bei positiver Forderungsverletzung anwendbar 406. Der öffentlich-rechtliche Regelungszusammenhang in Verwaltungsrechtsverhältnissen rechtfertigt eine solche Betrachtungsweise in der Regel allerdings nicht. Die Interessenlage in Verwaltungsrechtsverhältnissen entspricht grundsätzlich nicht derjenigen bei einer - mehr oder weniger gewollten - Übernahme von Erfüllungspflichten in vertraglichen oder vertragsähnlichen Schuldverhältnissen des Zivilrechts 407. In dem oben erwähnten Beispiel408 der Errichtung eines Schwaizbaus, kommt zwar zwischen der Behörde und dem „Schwaizbauer" ein Verwaltungsrechtsverhältnis zustande, aus dem sich auch für die Baubehörde Pflichten gegenüber dem Bürger ergeben. Die Interessenlage der Beteiligten ist aber eine gänzlich andere als zwischen Vertragspartnern im Bürgerlichen Recht. Es besteht kein Anlaß für eine Ausweitung des Risikobereichs der Verwaltung. Der Errichter eines Schwaizbaus verdient in seiner durch rechtswidriges Handeln herbeigeführten Rechte-Pflichten-Beziehung keinerlei gesteigerten Schutz. Die Verwaltung übernimmt bei ihrer Aufgabenwahrnehmung grundsätzlich gegenüber dem Bürger keine „Erfüllungsgarantien", sondern erfüllt ihren öffentlichen Auftrag. Trotzdem scheinen Verwaltungsrechtsverhältnisse denkbar, in denen eine Umkehr der Beweislast angemessen erscheint. Damit diese Überlegungen aber nicht in Billigkeitserwägungen stecken bleiben, muß eine sachliche Begründung, ein dogmatischer Ansatzpunkt hierfür gegeben sein. Dieser könnte in der - oben untersuchten 409 - Vertragsähnlichkeit eines Verwaltungsrechtsverhältnisses liegen. Zwar beurteilt sich die Vertragsähnlichkeit im Zivihecht eher an voluntativen Elementen und im Öffentlichen Recht ausschließlich an der Vergleichbarkeit des jeweiligen Rechte-Pflichten-Geflechts. Maßgeblich für die Übertragbarkeit eines Rechtsgrundsatzes im Wege der gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung ist aber auch im Rahmen der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis die Frage nach dem Einfügen in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang; beim Analogieschluß wäre dies die Vergleichbarkeit 405
Rn. 3. 406 407 408 409
Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 282 Rn. 2; Wiedemann , in: Soergel, BGB, § 282 Zur Gegenauffassung und der ausführlichen Begründung siehe oben S. 336 ff. Siehe hierzu bereits oben S. 336 ff. Siehe oben S. 166 f. Siehe oben S. 179 ff.
III. Sachliche Begründung der Rechtsfortbildung
359
der Interessenlagen 410. Ist aber die Interessenlage zwischen den Beteiligten in vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnissen mit der in vertraglichen oder vertragsähnlichen Schuldverhältnissen des Zivilrechts vergleichbar, so muß dies auch für die Risikoverteilung in bezug auf den Beweis darüber gelten, ob eine Rechtspflicht pflichtwidrig und schuldhaft kausal nicht erfüllt wurde. In Anstalts- und Benutzungsverhältnissen, in denen „verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse" gesehen werden - grundsätzlich vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse - , ist das unbestritten 411. Der Bürger als Leistungsempfänger bzw. der Staat als Erbringer der Leistung kann eine Erfüllung ohne Schädigung erwarten. Auch hier liegt die Erfüllung der vertragsähnlichen Pflichten jeweils allein im Verantwortungsbereich des Schuldners und entspringt dessen Gefahrenkreis, was eine Auferlegung der Beweislast indiziert 412 . Auch hier wird sich die Frage des Verschuldens und der objektiven Pflichtwidrigkeit seinem Einflußbereich häufig gänzlich entziehen, so daß aus Gründen der Beweisnot am besten und oftmals allein der Schuldner in der Lage ist, die Umstände aufzuklären, die zur Schädigung des Gläubigers geführt haben. Auch in den vertragsähnlichen personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen413 ist eine Beweislastumkehr angezeigt414. Den fürsorgeverpflichteten Dienstherrn treffen Erfüllungspflichten, bei deren Verletzung sich die Frage des Verschuldens und der objektiven Pflichtwidrigkeit regelmäßig nicht aus der vom geschädigten Fürsorgeberechtigten beeinflußbaren und überschaubaren Sphäre heraus beweisen läßt. Dies gilt allerdings oftmals auch für die Frage nach dem Vorliegen einer Fürsorgepflichtverletzung 415. Hier wird der Nachweis ihres Vorliegens dem beweispflichtigen Fürsorgeberechtigten bedeutend schwerer fallen als etwa dem Deponenten im Falle der Nichtrückgabe einer 410
Zu einem Vergleich zwischen gesetzesimmanenter (Analogie) und gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung (Heranziehung von Rechtsgrundsätzen) siehe oben S. 297 f. 411 Siehe hierzu oben 2. Kap, bei Fn. 668. 412 So daher VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; Sander BauR 1985, 167 (168 f.); Stürner JuS 1973, 749 (753); auch Vorinstanzen zu BGHZ 54, 299 (302); Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Wagner, Anwendbarkeit des AGBGesetzes, S. 79. - Anders noch BGHZ 17, 191 (196); vgl. auch BGHZ 59, 303 (309), wo die Beweislastverteilung entsprechend den Grundsätzen, die zur Produzentenhaftung aus § 823 Abs. 1 BGB entwickelt wurden, begründet wird. 413 Zur Ermittlung der Vertragsähnlichkeit personenbezogener Verwaltungsrechtsverhältnisse siehe oben S. 183 ff, 194, 199 ff. u. 202 ff. 414 Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Simons, Verwaltungsrechtliche Schuldverhältnisse, S. 83. 415 Vgl. BVerwG, Urt. v. 25.6.1997 - 2 Β 130.96 = juris Nr. WBRE410003537.
360
3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
verwahrten Sache im öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnis 416, womit die Beweiserleichterungen entsprechend § 282 BGB leerzulaufen drohen. Gleiches gilt für die haftungsbegründende Kausalität, wenn es etwa einem nicht berücksichtigten Bewerber zwar gelingt, einen Fehler im Beförderungsverfahren nachzuweisen, nicht aber, daß die Auswahl unter mehreren Bewerbern bei NichtVorliegen des Fehlers gerade auf ihn gefallen wäre 417 . Bei Pflichtverletzungen in vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnis steht somit der Anwendung der Beweislastverteilung, wie sie in § 282 BGB zum Ausdruck kommt, grundsätzlich nichts entgegen. Die Beweislastverteilung in § 282 BGB (auch § 285 BGB) gibt die Aufteilung des Risikos entsprechend der Interessenlage in Vertrags- und vertragsähnlichen Beziehungen positivrechtlich wieder. In § 282 BGB ist ein Rechtsgedanke normiert, der sämtliche vertraglichen und vertragsähnlichen Rechtsbeziehungen erfaßt 418 , auch im Öffentlichen Recht 419 . Ansonsten gelten für die Haftung in vertragsähnlichen Verwaltungsrechtsverhältnissen die gleichen Haftungsgrundsätze wie in alle anderen Verwaltungsrechtsverhältnissen auch 420 .
IV. Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung 7. Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes Bei der Heranziehung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze in (vertragsähnlichen) Verwaltungsrechtsverhältnissen müssen die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung beachtet werden. Der Kontext der für ein Verwaltungsrechtsverhältnis geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen steht der Anwendbarkeit „zivilrechtlicher" Rechtsgrundsätze wegen des Vorrangs des Ge416
Vgl. OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619). Hufen JuS 1998, 275 (276). 418 RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423); 166, 218 (223); BGH DVB1 1978, 108 (109); Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 63; Krohn, in: RGRK-BGB, Vorb § 688 Rn. 26. 419 VGH BW NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZ-RR 1996, 482; NWVB1 1996, 12 (14); VG Arnsberg MDR 1975, 255; RG JW 1934, 2842 (2843); RGZ 115, 419 (423 f.); 138, 40 (42); 166, 218 (223, 240); BGHZ 3, 162 (174); 4, 192 (195 ff.); 59, 303 (309); BGH DVB1 1978, 108 (109); LM § 688 BGB, Nr. 2 B1 2; NVwZ 1983, 571; NJW 1990, 1230 (1231); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; OLG Köln NVwZ 1994, 618 (619); LG Osnabrück VersR 1983, 692; Hüffer, in: MünchKommBGB, § 688 Rn. 63; Emmerich, in: MünchKommBGB, § 282 Rn. 9 f.; Reuter, in: Staudingers Komm. z. BGB, Vorb § 688 Rn. 54; Wiedemann , in: Soergel, BGB, § 282 Rn. 8; Mühl, in: Soergel, BGB (11. Aufl.), Vorb § 688 Rn. 8; Maurer JuS 1994, 1015 (1017); Grave DVB1 1978, 450 (451); Rüfner DÖV 1973, 808; Adrian DGVZ 84 (1969), 177(180). 420 Siehe oben S. 356 ff. 417
IV. Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung
361
setzes immer dann entgegen, wenn sich der betreffende Rechtsgrundsatz nicht in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang einpaßt, vorrangig geltende öffentlich-rechtliche Vorschriften die Heranziehung hindern 421 . Da dies auch immer dann der Fall ist, wenn das Öffentliche Recht keine planwidrige Lücke 422 aufweist sowie wenn einer Vorschrift des Zivihechts keine rechtsgrundsätzliche Wirkung bescheinigt werden kann 423 , soll im folgenden der Anwendungsbereich der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis im Bereich einiger von Rechtsprechung und Literatur bisher behandelten „verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisse" noch einmal abschließend umrissen werden. Im Verhältnis der Verwaltung als Anspruchsgläubigerin gegenüber dem Bürger als Anspruchsschuldner wird insbesondere auch auf die Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes als Grenze für die Haftungsbegründung im Wege gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung 424 einzugehen sein.
2. Einzelne „ verwaltungsrechtliche
Schuldverhältnisse"
a) Anstalts- und Benutzungsverhältnisse Einer rechtsgrundsätzlichen Begründung der Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis in Anstalts- und Benutzungsverhältnissen steht nichts entgegen 425 . Auch Grundsätze über die Haftung für Verschulden von Erfüllungsgehilfen 426 sowie die 30jährige Verjährungsfrist 427 sind anwendbar. Die Scha421 Zur Reichweite des Vorrangs des Gesetzes bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung siehe oben S. 291 ff. 422 Zur Ermittlung einer planwidrigen Lücke hinsichtlich der Haftung nach Vertragsgrundsätzen im Gesamtkontext des Staatshaftungsrechts siehe oben S. 212 ff. 423 Zur Ermittlung von dem (Vertrags-)Haftungsrecht des BGB entlehnten Rechtsgrundsätzen siehe oben S. 299 ff. 424 Zur Reichweite des Vorbehalts des Gesetzes bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung siehe oben S. 295 ff. 425 Für die Haftungsbegründung auf die Grundsätze der p W rekurrierend BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW VB1BW 1982, 369; Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 7 (n. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW NWVB1 1996, 12 (13); NVwZRR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH DVB1 1978, 108 (109); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; von Klitzing BayBgm 1989, 327; Stürner JuS 1973, 749 (753); wohl auch BGHZ 17, 191 (193 ff.); Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 72 ff.; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 129; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 356; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 7 ff, 17 ff; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Ipsen, Niedersächsisches Verwaltungsrecht, S. 220; Bender, Staatshaftungsrecht (3. Aufl.), Rn. 816; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79; Janson DÖV 1979, 696 (698); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (388, 396); ders. BayVBl 1974, 57 (60). 426 BVerwG NJW 1995, 2303 (2304, 2309); VGH BW NVwZ-RR 1991, 325 (326); OVG NW GemH 1988, 259 (261); RGZ 152, 129 (132); BGHZ 54, 299 (304);
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
densberechnung erfolgt entsprechend den Grundsätzen aus §§ 249 ff. BGB 4 2 8 . Anstalts- und Benutzungsverhältnisse sind in aller Regel vertragsähnliche Verwaltungsrechtsverhältnisse 429. Die Beweislast trägt somit entsprechend der Beweislastverteilung, wie sie in § 282 BGB zum Ausdruck gekommen ist, der Schädiger 430. Insoweit kann zumindest in Kanalbenutzungs-, Wasserversorgungsverhältnissen sowie bei der Benutzung öffentlich-rechtlich betriebener Schlachthöfe auch von einer gewohnheitsrechtlichen Anerkennung gesprochen werden 431 . Satzungsmäßige Haftungsbeschränkung sind zulässig432. Die kaufrechtlichen Vorschriften über die Minderung (§ 459 Abs. 1, §§ 462, 472 BGB) 4 3 3 passen 61, 7 (13); BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.-rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; NJW 1977, 197 (198); VersR 1978, 38 (39 f.); DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); 1990, 1167; VersR 1992, 58 (60); BayObLG BayVBl 1989, 571 (572); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1994, 627; NVwZ-RR 1996, 305; OLG Hamburg MDR 1961, 938 (939); LG Freiburg VersR 1979, 363 (364); Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 382; Götz, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 269; Reichert/Baumann, Kommunalrecht BW, Rn. 300; Steiner, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Verwaltungsrecht Bayern, Teil C Rn. 210; Hegele/Ewert, Kommunalrecht Sachsen, S. 73; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 235; Windthorst/Sproll Staatshaftungsrecht, § 4 Rn. 13, 21; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Zuleeg, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 260; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79; Forsthoff, Verwaltungsrecht I, S. 423; Sander BauR 1985, 167 (168, 169); Tiemann VerwArch 65 (1974), 381 (389); Stürner JuS 1973, 749 (753); Götz JuS 1971, 349 (351). - Zur rechtsgrundsätzlichen Geltung siehe oben S. 335 ff. u. 356 ff. 427 BVerwG NJW 1995, 2303 (2309); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 (η. v.); OVG NW GemH 1988, 259 (262); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305 (306); Sander BauR 1985, 167 (168). - Zur rechtsgrundsätzlichen Geltung siehe oben S. 339 ff. u. 356 ff. 428 BVerwG NJW 1995, 2303 (2305); VGH BW, Urt. v. 15.6.1992 - 8 S 2728/91, UA S. 12 f. (n. v.); OVG NW NWVB1 1996, 12 (14); Sander BauR 1985, 167 (169 f.). - Zur rechtsgrundsätzlichen Geltung siehe oben S. 345 ff. u. 356 ff. 429 Siehe oben S. 179 ff. 430 VGH BW VB1BW 1982, 369 (370); NVwZ-RR 1991, 325; OVG NW NVwZRR 1996, 482; NVwZ-RR 1997, 207; BGH LM VerwRecht - Allgemeines (öffentl.rechtl. Verpflichtungen) Nr. 10; DVB1 1978, 108 (109); NJW 1984, 615 (617); OLG Düsseldorf NVwZ-RR 1996, 305; Sander BauR 1985, 167 (168 f.); Stürner JuS 1973, 749 (753); auch Vorinstanzen zu BGHZ 54, 299 (302); Schmidt, Staats- und Verwaltungsrecht, Rn. 244; Wallerath, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 155; Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, S. 220; Wagner, Anwendbarkeit des AGB-Gesetzes, S. 79. - Zur rechtsgrundsätzlichen Geltung siehe oben S. 336 ff. u. 357 ff. 431 Siehe oben S. 280 f. 432 BGH NVwZ 1986, 504 (505); NVwZ 1994, 1139 (1140); Bonk, in: Sachs, GG, Art. 34 Rn. 84; Küchenhojf, in: Erman, BGB, § 839 Rn. 65; Erbguth/Becker, Allgemeines Verwaltungsrecht 2, S. 110; vom „pflichtgetreuen Durchschnittsbeamten" sprechen BGH NVwZ-RR 1996, 65; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25 Rn. 24; Papier, in: MünchKommBGB, § 839 Rn. 284; Schäfer, in: Staudingers Komm. z. BGB, § 839 Rn. 301; Glaser, in: Soergel, BGB, § 839 Rn. 196; Windthorst JuS 1995, 892 (896). - Siehe oben S. 236 ff.
IV. Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung
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sich in der Regel nicht in den öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang ein. Die Haftung wegen Zusicherung einer Eigenschaft (§ 459 Abs. 2, §§ 463, 480 Abs. 2 BGB) 4 3 4 geht in der allgemeinen Haftung wegen Verletzung einer (Amts-)Pflicht in einem Verwaltungsrechtsverhältnis auf. Die Vorschriften über den Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB) 4 3 5 oder Leihvertrag (§§ 598 ff. BGB) 4 3 6 weisen keinen rechtsgrundsätzlichen Charakter auf, der im Anstalts- und Benutzungsverhältnis nutzbar gemacht werden könnte. Wie die Verwaltung, treffen auch den Bürger als Beteiligten eines Anstaltsund Benutzungsverhältnisses Pflichten. Verletzt der Bürger diese Pflichten und entsteht dem Verwaltungsträger dadurch ein Schaden, so stellt sich die Frage, ob aus Anstalts- und Benutzungsverhältnissen auch Ansprüche der Verwaltung gegenüber dem Bürger abgeleitet werden können. Insbesondere ist zu fragen, ob der Anspruch aus Verwaltungsrechtsverhältnis an dieser Stelle den Anforderungen an den Vorbehalt des Gesetzes bei gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung genügt 437 . Der im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Grundsatz der Rechtssicherheit fordert auch hier eine hinreichend bestimmte und detailliert ausdifferenzierte Rechtslage. Die Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis bei Verletzung einer positiven (Amts-)Pflicht gibt lediglich eine Selbstverständlichkeit wieder. Verletzt ein Beteiligter eines Rechtsverhältnisses seine einem anderen Beteiligten gegenüber obliegenden Pflichten und erleidet letzterer dadurch einen Schaden, so ist der Schädiger grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet. An der grundsätzlichen Schadenersatzberechtigung des Geschädigten können sich keine rechtlichen Zweifel ergeben, allenfalls an der konkreten Ausgestaltung. Hinsichtlich des anzuwendenden Verschuldensmaßstabs bestehen im Anstalts- und Benutzungsverhältnis jedenfalls nicht die gleichen Unklarheiten, wie bei der öffentlich-rechtlichen Verwahrung, bei der auch eine erschwerte Haftung nach den Grundsätzen der diligentia quam in suis (vgl. §§ 690, 277 BGB) nicht von vornherein auszuschließen ist 438 . Eine Anwendung des allumfassenden Fahrlässigkeitsmaßstabs wie er in § 276 Abs. 1 S. 2 BGB normiert ist, der Haftung bei Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, steht nichts im Wege. Auch die Beweislast (vgl. § 282 BGB), der Haftungsinhalt 433
Zur Begründung siehe oben S. 330 f. Zur Begründung siehe oben S. 332 ff. 435 Zur Begründung siehe oben S. 333 ff. 436 Zur Begründung siehe oben S. 334. 437 Einen Schadenersatzanspruch der Verwaltung gegenüber dem Bürger anerkannt, aber diese Frage nicht problematisiert haben BVerwG NJW 1995, 2303; VGH BW VB1BW 1982, 369; NVwZ-RR 1991, 325; Urt. v. 15.06.1992 - 8 S 2728/91 (η. v.); NVwZ 1996, 201; OVG NW GemH 1988,259. 438 Siehe auch oben S. 317 f. 434
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3. Kap.: Haftung aus Verwaltungsrechtsverhältnis
und -umfang (vgl. §§ 249 ff. BGB) sowie die Veijährung (vgl. § 195 BGB) unterliegen lediglich den „allgemeinen" der gesamten Rechtsordnung immanenten, subsidiär geltenden Regeln. Sollten sich aufgrund der konkreten Ausgestaltung des ein oder anderen Anstalts- und Benutzungsverhältnisses in dem ein oder anderen Punkt doch noch offene Fragen ergeben, so müßten diese, um die unter dem Vorbehalt des Gesetzes stehende Haftung des Bürgers gegenüber dem Verwaltungsträger begründen zu können, notfalls in der Satzung geregelt sein.
b) Personenbezogene Rechtsbeziehungen Daß der Staat gegenüber dem dienstverpflichteten Beamten aus einem originär öffentlich-rechtlichen Haftungsinstitut zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, den dieser dadurch erleidet, daß der Dienstherr seine ihm gegenüber bestehende Fürsorgepflicht nicht erfüllt, ist gewohnheitsrechtlich anerkannt 439. Der Schadenersatzanspruch aus Fürsorgepflichtverletzung setzt Verschulden voraus 440 . Auch hier steht einer Übertragung des Rechtsgrundsatzes aus § 278 BGB nichts entgegen441. Es gilt, daß bei der Verletzung von Primärpflichten in einem vertragsähnlichen Rechtsverhältnis für die Frage der haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit keine Rolle spielen kann, ob der Pflichtige selbst handelt oder einen außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten, der kein dienstverpflichteter Amtswalter ist, zur Erfüllung seiner Pflicht einschaltet442. Besondere Gründe, weshalb im personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnis etwas anderes gelten solle, sind nicht ersichtlich. Die Heranziehung des Rechtsgrundsatzes aus § 278 BGB in personenbezogenen Verwaltungsrechtsverhältnissen kommt allerdings noch weniger Praxisrelevanz zu als ohnehin schon 443 . Die Pflicht zur Gewährung von Fürsorge ist zuerst Erfüllungspflicht, die dem Fürsorgeverpflichteten obliegt. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, gleich ob er Dritte eingeschaltet hat oder nicht, so bleibt er in der Verantwortung. Die Einschaltung von Erfüllungsgehilfen kann haftungsrechtlich lediglich dann von Bedeutung sein, wenn dem Fürsorgeberechtigten bei Gelegenheit der Erfüllung der Fürsorgepflicht durch Dritte ein Schaden zugefügt wird. 439
Siehe oben S. 279 f. Allgemeine Meinung; explicit gegen einen Verzicht auf das Verschuldenserfordernis OVG Lüneburg ZBR 1982, 91; Summer, in: GKÖD, Κ § 79 BBG Rn. 55; Schnellenbach, Beamtenrecht, Rn. 70 u. 411; a. A. nur/