Die Gründung des Technions in Haifa im Lichte deutscher Politik: 1907–1920 [Reprint 2015 ed.] 9783110972351, 9783598232220


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VORWORT
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
ERSTER TEIL Der Hintergrund
ERSTES KAPITEL: Die deutsche Politik und die Türkei 1888 bis 1914
Ansätze zur deutschen Türkeipolitik
Politische und wirtschaftliche Ziele
Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor
ZWEITES KAPITEL: Palästina in der deutschen Politik bis 1914
Die deutschen Interessen in Palästina
Deutsch-christliche Missionen und Institutionen im Heiligen Land
Die Templer
DRITTES KAPITEL: Zionismus, jüdische Wiedergeburt in Palästina und Deutschland
Der zionistische Gedanke und der Anfang der zionistischen Bewegung
Jüdische Einwanderung und jüdischer Aufbau in Palästina (1882-1914)
Zionismus und deutsche Orientpolitik
VIERTES KAPITEL: Von der politischen Umorientierung der Juden Deutschlands bis Zum „Hilfsverein der Deutschen Juden“
Die Krise der deutsch-jüdischen Beziehungen nach 1879 und ihre Folgen
Antisemitismus und jüdische Vereinigungen in Deutschland
Der „Hilfsverein der Deutschen Juden“ und seine Ziele
ZWEITER TEIL Die Gründung
FÜNFTES KAPITEL: Der „Hilfsverein der Deutschen Juden“ und die Idee des Technikums
Es beginnt mit einer Idee
Das Problem der Finanzierung
Die „Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden“
Jakob H. Schiff und das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina“
Das Kuratorium
Bodenkauf in Haifa
SECHSTES KAPITEL: Der Bauverlauf
Bauerlaubnisse
Alexander Baerwald und die Erstellung der Baupläne
Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee
Die Grundsteinlegung und das erste Jahr der Bautätigkeit
Schmarja Levin, Dr. Alfons Finkeistein und der Fortschritt der Bauarbeiten bis 1914
SIEBENTES KAPITEL: Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule
Die Rolle der TH Charlottenburg
Die deutsche technische Schule als Vorbild
Der wissenschaftlich-technische Beirat in Berlin
Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen zur Eröffnung des ersten Studienjahres
ACHTES KAPITEL: Das Technikum und die zionistische Bewegung
Die Beziehungen zwischen dem Hilfsverein und der zionistischen Bewegung in Hinsicht auf das Technikum
Zunehmendes Mißtrauen der Zionisten in Palästina gegenüber den Zielen des Hilfsvereins
NEUNTES KAPITEL: Das Technikum in der deutschen Kulturpolitik
„Der Hilfsverein der Deutschen Juden“ und die deutsche Kulturpolitik bis 1914
Dr. Julius Löytved-Hardegg
Das Technikum in Haifa und die Förderung der deutschen Sprache
DRITTER TEIL Die Krise
ZEHNTES KAPITEL: Vom „Sprachenstreit“ zum „Sprachenkrieg“
Die Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule
Die Beschlüsse des Kuratoriums vom 26. Oktober 1913 und ihre Folgen
Der „Sprachenkrieg“ in Palästina und sein Echo in der jüdischen Welt und in Deutschland
Der Kompromiß vom 22. Februar 1914
ELFTES KAPITEL: Nach dem Sturm des Sprachenstreits
Ausgleichsversuche
Im Zeichen des Kriegsausbruchs
Die Versteigerung des Technikums
Die Kriegsjahre
ZWÖLFTES KAPITEL: Das Ende eines Anfangs
Das Technikum in der Nachkriegswirklichkeit
Die Veräußerung des Technikums an die zionistische Bewegung
DREIZEHNTES KAPITEL: Ausblick
ZUSAMMENFASSUNG
DOKUMENTENANHANG (A-M)
QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNI
PERSONENREGISTER
SACHREGISTER
BILDTEIL
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Die Gründung des Technions in Haifa im Lichte deutscher Politik: 1907–1920 [Reprint 2015 ed.]
 9783110972351, 9783598232220

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EINZELVERÖFFENTLICHUNGEN

DER

H I S T O R I S C H E N K O M M I S S I O N ZU BERLIN B A N D 78

ZEEV W. SADMON

DIE G R Ü N D U N G DES TECHNIONS IN HAIFA IM LICHTE DEUTSCHER P O L I T I K 1907-1920

K G - SAUR MÜNCHEN • NEW PROVIDENCE • L O N D O N • PARIS 1994

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Technion Gesellschaft e. V. Die Schriftenreihe der Historischen Kommission zu Berlin erscheint mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung, Berlin.

Lektorat der Schriftenreihe

Christian Schädlich

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

S a d m o n , Zeev W.: Die Gründung des Technions in Haifa im Lichte deutscher Politik : 1907 - 1920 / Zeev W. Sadmon. - München ; New Providence ; London ; Paris : Saur, 1994 (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin ; Bd. 78) Zugl.: Trier, Univ., Diss. ISBN 3-598-23222-5 NE: Historische Kommission : Einzelveröffentlichungen der Historischen ...

Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten / All Rights strictly Reserved K. G. Saur Verlag GmbH & Co. KG, München 1994 A Reed Reference Publishing Company Printed in the Federal Republic of Germany SatZ: Historische Kommission zu Berlin, Berlin Druck: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Binden: Thomas Buchbinderei GmbH, Augsburg ISBN 3-598-23222-5

VORWORT Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel im Jahre 1965 sind auch die Wissenschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten enger geworden. Die Öffentlichkeit hat dies zum ersten Mal deutlicher wahrgenommen, als 1966 Konrad Adenauer und 1967 Ludwig Erhard als ehemaligen Bundeskanzlern des westdeutschen Teilstaates bei ihrem Besuch in Israel die Ehrendoktorwürde des angesehenen Weizmann Institute of Science in Rehovot verliehen wurde. Schon zuvor waren durch die Initiativen Otto Hahns, Feodor Lynens und Wolfgang Gentners neue Verbindungen zwischen der MaxPlanck-Gesellschaft und dem Weizmann-Institut entstanden, die 1963 zum „Minerva-Vertrag" über gemeinsame Forschungsprojekte deutscher und israelischer Wissenschaftler führten. Engere Wissenschaftsbeziehungen wurden seit 1973 auch zwischen dem Bundesministerium für Forschung und Technologie und dem Einstein Center für Theoretische Physik am Weizmann-Institut beziehungsweise zwischen dem BMFT und dem israelischen „National Council for Research and Development" (NCRD) begründet. Heute besitzen fast alle israelischen Hochschulen sogar Fördergesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland, so die Jerusalemer Hebräische Universität beispielsweise in Frankfurt am Main. Es fehlt jedoch noch an einem Kulturabkommen zwischen beiden Ländern. Daß es überhaupt nach dem Holocaust und den anderen grauenhaften Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs zu einer so ermutigenden Zusammenarbeit zwischen israelischen und deutschen Wissenschaftlern sowie zwischen Lehr- und Forschungsinstitutionen in beiden Ländern kam, grenzt aus der Rückschau fast an ein Wunder. Ein so enger Forschungsverbund, dessen Schwerpunkte heute in der Aquakultur, in der Energieforschung, der Biotechnik, der Medizin, in neuen physikalischen und anderen Technologien liegen, wäre vielleicht nicht möglich gewesen, wenn es nicht schon in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und auch in der Zwischenkriegszeit im damali-

VI

Vorwort

gen Palästina eine deutsch-jüdische Wissenschaftskooperation gegeben hätte, deren Beteiligte und Zeugen das schreckliche Geschehen der Jahre 1933-1945 vereinzelt überlebt haben. Sie wußten noch von den früheren Ansätzen und hatten den Mut, diese Wurzeln zu reaktivieren. Es ist daher wichtig, auf diese nun fast schon hundert Jahre einer deutsch-jüdischen Wissenschaftskooperation im Nahen Osten seit ihren Anfängen einzugehen, wie es das vorliegende Buch von Zeev W. Sadmon tut. Hier seien nur einige Worte über die deutschen technologischen Institute vorausgeschickt, die auch die Ausgangslage der Gründung des Technions in Haifa und anderer von deutscher Seite begründeter oder unterstützter Einrichtungen im Ausland vor dem Ersten Weltkrieg betreffen. Das deutsche und insbesondere das preußische technische Schulund Hochschulwesen besaß in den letzten zwei Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg, als die Technische Hochschule Berlin erheblich ausgebaut und neue Institute auch in Danzig, Breslau und Dortmund geplant wurden, von denen die beiden ersten auch 1904 und 1910 eröffnet werden konnten, eine große Ausstrahlung auf das Ausland. In den USA und in Großbritannien wuchs das Interesse an diesem deutschen Hochschultyp, und auch in außereuropäischen Ländern wie in China und der Türkei waren die Regierungen an der Rezeption, oft verbunden mit spezifischen Abwandlungen dieses deutschen Hochschulzweigs, sehr interessiert. Das galt auch für den neuen Typ mittlerer technischer Lehranstalten, die in Deutschland seit den 1880er Jahren unterhalb der Hochschulebene entstanden. In diesem Zeitalter des Imperialismus wetteiferten die europäischen Großmächte auch auf kulturellem Gebiet miteinander, so daß der Begriff des Kulturimperialismus zum Ausdruck bringt, daß es um einen Wettbewerb auf dem Gebiet der nationalen „Kulturmission" ging, die zugleich als Vorbereitung nationaler Herrschaftsansprüche in Übersee verstanden wurde. Dennoch war ein solcher Kulturimperialismus neben den Handelsbeziehungen noch die zivilste Form des Wettbewerbs der Mächte, und meist standen Handelsinteressen und Bildungsexpansion in enger Beziehung. Bevor es zur Errichtung deutscher technologischer Hochschulinstitute im Ausland kam, hatten die Reichsregierung oder auch private Träger dort meist schon als gewissermaßen zuführende Einrichtungen Gymnasien, Realgymnasien, Realprogymnasien, Real- oder Oberrealschulen geschaffen.

Vorwort

VII

So waren entsprechende Höhere Schulen bis zum Jahre 1912 zum Beispiel schon in Smyrna (Izmir), Aleppo, Jerusalem, Teheran und auf chinesischem Territorium beispielsweise in Shanghai, Tientsin, Hankow, Guangzhou (Kanton), Tschöngtu, Tsinanfu (Prov. Schantung), Lukhang bei Guangzhou, Tsiningtschu bei Tsinanfu, Tungkun bei Guangzhou sowie in Japan in Kobe und Yokohama gegründet worden - um hier nur die wichtigsten für Asien zu nennen. Auf der Basis solcher Gründungen konnten dann auch weiterführende, hochschulartige Institute geplant und errichtet werden. Auch der 1856 in Berlin gegründete Verein Deutscher Ingenieure und der von ihm ins Leben gerufene „Deutsche Ausschuß für technisches Schulwesen" haben sich an der Diskussion über die Gründung deutscher technischer Schulen und Hochschulen in diesen Jahren führend beteiligt. Wenn es um die Gründung einer Ingenieurschule, einer späteren Technischen Hochschule, in Shanghai (1907) und Tsingtau (1912) oder um die Vorbereitung einer ähnlichen Gründung in Adana in der Türkei (1914 in Planung) ging, so wirkten viele deutsche Regierungs- und Fachorganisationen, aber auch deutsch-ausländische Vereinigungen an solchen Entwürfen mit und trugen zu ihrer finanziellen Fundierung wesentlich bei. So verhielt es sich auch bei der Gründung des Technions in Haifa, das allerdings in mancher Hinsicht eine einzigartige Institution war. Hervorgegangen aus einer besonders von Deutschland geförderten Technischen Schule, die man dem Typ nach damals als „Mittlere Ingenieurschule" („Technikum") mit praktischer Ausrichtung bezeichnet hätte, entwickelte sich diese Gründung sehr schnell zu einem führenden Institut technologischer und naturwissenschaftlicher Forschung und dürfte heute weltweit zu den zehn führenden Wissenschaftszentren dieser Art gehören. Ihre Besonderheit lag von Anfang an darin, daß sie von deutsch-jüdischen Wissenschaftlern und Stiftern, auf die Zeev W. Sadmon im einzelnen eingeht, nicht zuletzt auch zur Entwicklung der jüdischen Siedlung in Palästina bestimmt wurde. Im heutigen Sprachgebrauch würde man von einem technologischen Entwicklungsprojekt mit starkem Eigenhilfeanteil sprechen. Doch war demgegenüber die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland noch größer. Im Buch ist gerade der internationale Charakter der Förderung des Technions zu Recht betont: Neben der Hilfe aus Deutschland (zum Beispiel durch den reichen Berliner Unternehmer James Simon) sind auch die Stiftungen des russisch-jüdischen Bankiers Jacob H. Schiff, die Darlehen von zioni-

VIII

Vorwort

stischer Seite und von Förderern zum Beispiel in Großbritannien, Frankreich, Österreich-Ungarn, der Türkei und Rumänien genannt. So entsteht das faszinierende Bild einer weltweiten Kooperation, die viele Schwierigkeiten der Aufbauphase überwinden half. Diesem packenden Thema geht die vorliegende Trierer Dissertation von Zeev W. Sadmon aus Haifa nach, in der die Entstehungsgeschichte des dortigen Technions in einer Epoche, als Haifa noch Teil des Osmanischen Reiches war, beschrieben wird. Es handelt sich hier zunächst in stärkerem Maße um eine deutsch-jüdische Gründung, bei der sowohl jüdische Hochschullehrer der TH Charlottenburg als auch deutsch-jüdische Hilfsorganisationen, besonders die in Berlin, als Berater und Mäzene tätig wurden. Unter ihnen sei hier nur der 1901 gegründete „Hilfsverein der Deutschen Juden" genannt, dessen Direktor Paul Nathan 1907 den Plan entwickelte, den vom Hilfsverein in Palästina schon unterhaltenen 28 Schulen eine höhere technische Bildungsanstalt, sozusagen als Schlußstein, hinzuzufügen. Dieser Gedanke wurde auch von der zionistischen Bewegung unterstützt. Aber die Arbeit beschreibt auch die deutschen wirtschaftlichen und kulturellen Interessen im Nahen Osten und die Probleme der jüdischen Siedler im Osmanischen Reich. Sadmons differenzierte Untersuchung zeigt ebenso, daß für die Orientierung des neuen Instituts in Haifa nicht nur die deutschen Technischen Hochschulen, sondern auch die neuen mittleren Ingenieurschulen, die seit den 1880er Jahren im sächsischen Mittweida und in Köln, aber bald auch an anderen Orten entstanden waren, mit ihrem stärkeren Praxisbezug für das „Technikum" in Haifa gerade in dessen früher Phase als eine Art Modell angesehen wurden, aus dem später der Übergang zu einer Technischen Universität entwickelt werden konnte. Die Arbeit stellt so ein beeindruckendes Kapitel deutsch-jüdischer Kooperation und jüdischer Entwicklungsleistungen in einem Lande dar, das damals noch kaum über eine Infrastruktur verfügte. Der Historischen Kommission zu Berlin, besonders ihrem Vorsitzenden, Herrn Prof. Dr. Dr. Wölfram Fischer, Herrn Dr. Manfred Jehle und dem Lektor Herrn Christian Schädlich, sowie der Deutschen Technion Gesellschaft, besonders ihrem Stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn Dr. Hodler, und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Spur sei herzlich für die Unterstützung gedankt. Sie haben damit zugleich einen Forscher gewürdigt, der durch die schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs, bei denen die engsten Familienangehörigen von Zeev W. Sadmon ermordet wurden, einen Lebensweg gehen

Vorwort

IX

mußte, der ihm sehr spät erst die Möglichkeit zu einer Promotion eröffnete. Mit der Veröffentlichung dieser Studie hat die Historische Kommission ihrerseits ein Band zwischen Haifa und Berlin neu geknüpft, das hoffentlich in Zukunft noch stärker werden wird.

Berlin/Trier, im Oktober 199b

Kurt Düwell

INHALT VORWORT

von Kurt Düwell

V

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

XVI

EINLEITUNG

1

ERSTER TEIL

Der Hintergrund

ERSTES KAPITEL:

Die deutsche Politik und die Türkei 1888 bis 1914

Ansätze Zur deutschen Türkeipolitik

9 9

Politische und wirtschaftliche Ziele

10

Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor

14

ZWEITES KAPITEL:

Palästina in der deutschen Politik bis

1914

Die deutschen Interessen in Palästina

21

21

Deutsch-christliche Missionen und Institutionen im Heiligen Land

24

Die Templer

27

DRITTES KAPITEL:

Zionismus, jüdische Wiedeigeburt in Palästina und Deutschland.

31

Der Zionistische Gedanke und der Anfang der Zionistischen Bewegung

31

Jüdische Einwanderung und jüdischer Aufbau in Palästina (1882-1914)

35

Zionismus und deutsche Orientpolitik

42

Von der politischen Umorientierung der Juden Deutschlands bis zum „Hilfsverein der Deutschen Juden"

VIERTES KAPITEL:

45

Die Krise der deutsch-jüdischen Beziehungen nach 1879 und ihre Folgen. 45 Antisemitismus und jüdische Vereinigungen in Deutschland

46

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden" und seine Ziele

50

Inhalt

XII

ZWEITER TEIL

Die Gründung Der „Hilfsverein der Deutschen Juden" und die Idee des Technikums

FÜNFTES KAPITEL:

63

Es beginnt mit einer Idee

63

Das Problem der Finanzierung

67

Die „Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden"

68

Jakob H. Schiff und das Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina"

73

Das Kuratorium

75

Bodenkauf in Haifa

79

SECHSTES KAPITEL:

Der Bauverlauf

95

Bauerlaubnisse

95

Alexander Baerwald und die Erstellung der Baupläne

97

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee

101

Die Grundsteinlegung und das erste Jahr der Bautätigkeit

113

Schmaija Levin, Dr. Alfons Finkelstein und der Fortschritt der Bauarbeiten bis 1914 Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule

118

SIEBENTES KAPITEL:

125

Die Rolle der TH Charlottenburg

125

Die deutsche technische Schule als Vorbild

127

Der wissenschaftlich-technische Beirat in Berlin

128

Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen Zur Eröffnung des ersten Studienjahres

133

Das Technikum und die zionistische Bewegung

141

Die Beziehungen Zwischen dem Hilfsverein und der Zionistischen Bewegung in Hinsicht auf das Technikum Zunehmendes Mißtrauen der Zionisten in Palästina gegenüber

141

ACHTES KAPITEL:

den Zielen des Hilfsvereins NEUNTES KAPITEL:

Das Technikum in der deutschen Kulturpolitik

147 153

„Der Hilfsverein der Deutschen Juden" und die deutsche Kulturpolitik bis 1914

153

Inhalt Dr. Julius Löylved-Hardegg. Das Technikum in Haifa und die Förderung der deutschen Sprache

XIII

156 158

DRITTER TEIL

Die Krise ZEHNTES KAPITEL: Vom „Sprachenstreit" zum „Sprachenkrieg"

165

Die Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule

165

Die Beschlüsse des Kuratoriums vom 26. Oktober 1913 und ihre Folgen

169

Der „Sprachenkrieg" in Palästina und sein Echo in der jüdischen Welt und in Deutschland

175

Der Kompromiß vom 22. Februar 1914

198

ELFTES KAPITEL: Nach dem Sturm des Sprachenstreits

203

Ausgleichsversuche

203

Im Zeichen des Kriegsausbruchs

209

Die Versteigerung des Technikums Die Kriegsjahre

211 216

ZWÖLFTES KAPITEL: Das Ende eines Anfangs

221

Das Technikum in der Nachkriegswirklichkeit

221

Die Veräußerung des Technikums an die zionistische Bewegung

222

DREIZEHNTES KAPITEL: A u s b l i c k

227

ZUSAMMENFASSUNG

239

DOKUMENTENANHANG ( A - M )

243

QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

279

PERSONENREGISTER

287

SACHREGISTER

293

BILDTEIL

297

Inhalt

XIV

DOKUMENTENANHANG ANHANG A: Die Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden

245

ANHANG B : B o d e n k a u f - K a u f v e r t r a g

247

ANHANG C: D i e Irade

250

ANHANG D : B a u k o n f e r e n z e n

252

ANHANG E: Lehrstoff des Technikums

257

ANHANG F: James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel)

26l

ANHANG G: Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg

263

ANHANG H: Paul Nathan an James Simon

266

ANHANG I: Konsul Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg

267

ANHANG J: James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann

269

ANHANG K: James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann

270

ANHANG L: Die Veräußerung des Technikums in Haifa

272

ANHANG M: 1. Direktor S. Kaplansky an Prof. Albert Einstein; 2. Prof. Albert Einstein an das „Central British Fund for German Jewry"; 3. Direktor S. Kaplansky an Prof. Albert Einstein

275

BILDTEIL Abb. 1: Jüdisches Technikum in Haifa. Vordere Ansicht. Bauzeichnung von Alexander Baerwald, 1910 Abb. 2: Jüdisches Technikum in Haifa. Vordere Ansicht. Hintere Ansicht. BauZeichnung von Alexander Baerwald, 1910 Abb. 3: Gruppenaufnahme anläßlich der Grundsteinlegung des Hauptgebäudes des Technikums am 12. April 1912. Dr. Schmarja Levin (x) und Dr. Jechiel Tschlenow (xx) waren als Vorsteher des Kuratoriums anwesend. Der deutsche Vizekonsul in Haifa, Dr. Julius Löytved-Hardegg (xxx), vertrat die deutschen Behörden

299 300

301

Abb. 4: Dr. Paul Nathan, der Geschäftsführer der Deutschen Juden. Er war die treibende Kraft des ganzen Technikum-Projekts Abb. 5: Dr. Schmarja Levin. Er trieb das Projekt voran, kritisierte die Leitung des Hilfsvereins wegen verschiedener Unzulänglichkeiten des Bautempos und trug viel zum Ausbruch des Sprachenstreites bei Abb. 6: Architekt Alexander Baerwald, Regierungsbaumeister Abb. 7: Alexander Baerwald Abb. 8: Dr. Paul Nathan während seines Besuches in Haifa, 1913. Links von ihm steht Dr. Alphons Finkelstein, der 1913 zum Direktor des Technikums ernannt wurde

302

303 304 305

Abb. 9: Alexander Baerwald vor seinem Haus in Berlin, 1912

307

306

Inhalt Abb. 10: Alexander Baerwald und seine Frau Charlotte Abb. 11: Alexander Baerwald im Kreise einiger Dozenten des Technikums Abb. 12: Alexander Baerwald wird anläßlich seines fünfzigjährigen Geburtstages von seinen Studenten gefeiert, 1927 Abb. 13: Die Innenarchitektur des Technion-Hauptgebäudes, das von A. Baerwald gebaut wurde. Heutzutage befindet sich hier das Nationale Museum für Technik und Wissenschaft Abb. 14: Die Innenarchitektur des Technion-Hauptgebäudes. Siehe auch Abb. 13 Abb. 15: Prof. Albert Einstein während seines Besuches in Haifa, 1923

XV 308 309 309

310 311 311

ABKÜRZUNGEN A.A. C.V. E.A.C. G.A.C. G.B. IAH IDR ISA ISchL JR TJNHA KC ZVfD ZZAJ

Auswärtiges Amt (Politisches Archiv) Centrai-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens Engeres Actions-Comité der Zionistischen Bewegung Großes Actions-Comité der Zionistischen Bewegung Geschäftsbericht Igrot Achad Ham (Briefe Achad Haams) Im Deutschen Reich. Monatsschrift des C.V. Israelisches Staatsarchiv Igrot Schmarjahu Levin (Briefe Schmarja Levins) Jüdische Rundschau The J. Nessyahu Historical Archives Kartell Convent deutscher Studenten jüdischen Glaubens Zionistische Vereinigung für Deutschland Zionistisches Zentralarchiv Jerusalem

EINLEITUNG Die Geschichte des Technions ist die Frühgeschichte einer technischen Hochschule. Diese wurde 1907 von Dr. Paul Nathan konzipiert, 1908-1914 in Haifa errichtet, aber erst Ende 1924 eröffnet. Anfangs als Technikum nach deutschem Vorbild gedacht, entwickelte es sich von bescheidenen Anfängen zu einer Technischen Hochschule und leistete einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung Palästinas und zur Gründung des Staates Israel. Das Technikum wurde vom „Hilfsverein der Deutschen Juden" initiiert. Die Gründung dieses Vereins wurde bereits 1898 erwogen und 1901 durchgeführt. 1 Als deutsch-jüdischer Verein setzte er sich das Ziel, seinen jüdischen Glaubensgenossen im Orient Hilfe und Schutz zu gewähren. Sein Hauptaugenmerk galt dem Aufbau eines eigenen Schulwerks in Palästina, dessen Krönung in der Errichtung des Technikums in Haifa ihren Ausdruck finden sollte. Als treibende Kraft aller Unternehmungen des Hilfsvereins galt der liberale Politiker und Journalist Dr. Nathan.2 Die Finanzierung des Technikums erfolgte durch die Wissotzkische Familienstiftung in Moskau, den amerikanischen Bankier Jacob H. Schiff in New York und den Hilfsverein. Kleinere Geldbeträge wurden auch von anderen jüdischen Spendern zur Verfügung gestellt. Um den allgemein jüdischen Charakter des Technikums und seine Unabhängigkeit vom Hilfsverein zu betonen, wurde eine separate Gesellschaft mit dem Namen Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina" gegründet. 3 Dieses hatte seinen Sitz in Berlin, befand sich in den Büroräumen des Hilfsvereins und war praktisch von der Geschäftsführung des Hilfsvereins nicht zu trennen.

1

Vgl. Erster Geschäftsbericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1903. Vgl. Ernst Feder, Paul Nathan. Ein Lebensbild, Berlin 1929. 3 Vgl. Siebenter Geschäftsbericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1909, S. 70. 2

2

Einleitung

Der Ankauf des Grundstücks zur Errichtung des Technikums in Haifa, die Erreichung der Bauerlaubnis und der Genehmigung zur Eröffnung einer höheren technischen Lehranstalt stießen auf das Mißtrauen der Zentralverwaltung in Konstantinopel und die Schikanen und Bakschisch-Gepflogenheiten der örtlichen Behörden. Auch der Bauprozeß selbst verlief unter komplizierten Bedingungen, da Palästina wie der ganze Orient unentwickelt war. Das Land besaß keine Industrie, keine Elektrizität, keine Zufahrtsstraßen, weder passende Verkehrsmittel noch ausreichende Fachkräfte. Die Dinge komplizierten sich noch durch den Wunsch, soweit als möglich nur jüdische Fachkräfte anzustellen. Die Ausrüstung und Einrichtung für das Technikum mußten allesamt eingeführt werden, und auch ein Teil der Baumaterialien wurde aus Deutschland bezogen. Alle Beschlüsse, die das Technikum betrafen, wurden in Berlin gefaßt. Ein wissenschaftlich-technischer Beirat, in welchem die Professoren Georg Schlesinger und Wilhelm Franz von der Technischen Hochschule Charlottenburg einen entscheidenden Einfluß hatten, stand dem geschäftsführenden Ausschuß des Kuratoriums zur Seite.4 Dies hatte eine positive Wirkung, da die Errungenschaften des deutschen technischen Schulwesens berücksichtigt werden konnten; andererseits ergaben sich aber auch negative Auswirkungen, da den örtlichen Bedürfhissen nicht immer zur Genüge Rechnung getragen wurde. Die Errichtung des Technikums in Haifa fiel in die Zeit des Erwachens des jüdischen Selbstbewußtseins in Palästina. Jüdische Einwanderer, hauptsächlich aus Osteuropa, kamen in größerer Anzahl ins Land, neue landwirtschaftliche Siedlungen waren entstanden, und die erste neue jüdische Stadt wurde in der nördlichen Nachbarschaft von Jaffa gegründet. Die hebräische Sprache gewann an Bedeutung und wandelte sich allmählich von einer altertümlichen Schriftsprache zu einer modernen Umgangssprache. Die neue, in Israel aufgewachsene Generation entwickelte ein starkes nationales Bewußtsein, und das „Hebräische Gymnasium" in Jaffa wurde zum Mittelpunkt dieser neuen Bestrebungen. Besondere Bedeutung kam dem hebräischen Lehrerverband in Palästina zu, dessen Beitrag zur Verbreitung der hebräischen Sprache und Kultur ausschlaggebend war.

4 Vgl. Achter Geschäftsbericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1910, S. 99 ff-

Einleitung

3

Das Deutsche Auswärtige Amt und seine Vertretungen in Palästina erkannten mit der Zeit die Bedeutung des Schulwerks des „Hilfsvereins der Deutschen Juden" in diesem Land. Einen besonderen Beitrag zur Förderung der deutschen Sprache im ganzen Orient versprachen sie sich von der Einrichtung des Technikums in Haifa. Besonders wurde dies in den Berichten der deutschen konsularischen Repräsentanten in Palästina und des Vizekonsuls von Haifa, Dr. Julius LöytvedHardegg, hervorgehoben, welche er an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg richtete.5 Mit dem Näherrücken des Termins für den Unterrichtsbeginn am Technikum, der für April 1914 festgesetzt worden war, befand sich der Hilfsverein in einer äußerst schwierigen Situation. Der Hilfsverein behauptete, aus pädagogischen Gründen die Einführung der deutschen Sprache als Unterrichtssprache in allen wissenschaftlichen und technischen Fächern am Technikum und in der ihm angegliederten Realschule zu befürworten. Von zionistischer Seite wurde er jedoch verdächtigt, zu sehr den deutschen Interessen Rechnung tragen zu wollen. Vom deutschen Vizekonsul in Haifa dagegen ergingen Anschuldigungen, denen zufolge der Hilfsverein den zionistischen Bestrebungen in Palästina in die Hände spiele. Es ist durchaus möglich, daß diese Anschuldigungen auf die unnachgiebige Haltung des Hilfsvereins in der entscheidenden Kuratoriumssitzung am 26. Oktober 1913,6 welche die Frage der Unterrichtssprache behandelte, einen gewissen Einfluß ausübte. Die Beschlüsse des Kuratoriums vom Oktober 1913 lösten den „Sprachenkrieg" aus, welcher die gesamte jüdische Bevölkerung in Palästina erschütterte und weit über die Grenzen des Landes hinaus seine Auswirkungen hatte. In Deutschland fand diese Auseinandersetzung ein weites Echo in der Presse und gelangte auch in den Reichstag. Sie führte zum endgültigen Bruch zwischen dem „Hilfsverein der Deutschen Juden" und der „Zionistischen Vereinigung für Deutschland".

5

Vgl. Die Berichte des Konsuls Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler von Bethmann Hollweg vom 18. April 1912, 10. Juli 1912, 9. Mai 1913 und 8. August 1913, Politisches Archiv im Auswärtigen Amt (im folgenden A. A. Zitiert) Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2 und 3. ^ Vgl. Amtliche Mitteilung des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" an Die Weltvom 27. Oktober 1913, Zionistisches Zentralarchiv, Jerusalem (im folgenden ZZAJ zitiert), Bd. Z 3/1582.

4

Einleitung

In Palästina konnte der Eröffhungstermin des Technikums, welcher für April 1914 festgesetzt war, nicht mehr eingehalten werden. Ein Kompromiß, der bei der Kuratoriumssitzung im Februar 1914 erreicht wurde, 7 sollte den Unterrichtsbeginn im Jahre 1915 ermöglichen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges setzte jedoch allem ein Ende. Nach dem Zusammenbruch Deutschlands veräußerte der Hilfsverein das Technikum an die zionistische Weltorganisation. 8 Dipl.-Ing. Max Hecker wurde mit den Vorbereitungen für die Inbetriebnahme beauftragt. Da Geldmittel fehlten, begab sich Max Hecker 1922 nach Europa, um im deutschen Sprachraum materielle Unterstützung zu suchen. Ende 1924 konnte der Unterricht in der Fachrichtung Hochund Tiefbau mit 17 Studenten eröffnet werden. Regierungsbaumeister Alexander Baerwald, der die Technikumsgebäude in Haifa errichtet hatte, wurde 1925 zum Leiter dieser Fachrichtung ernannt. Die Fachrichtung Maschinenbau sollte erst später eröffnet werden. Das Unterrichtsprogramm der technischen Fächer unterschied sich prinzipiell nur unwesentlich von jenem, welches Direktor Dr.-Ing. Alfons Finkelstein 9 schon 1913 ausgearbeitet hatte. Trotz aller politischen Veränderungen wurde auch weiterhin die deutsch-kontinentale Konzeption der technischen Ausbildung beibehalten. Mit der Ernennung von Dipl.-Ing. Schlomo Kaplansky 1931 zum Direktor des Technions 10 und der Einwanderung einer Anzahl bedeutender deutsch-jüdischer Wissenschaftler nach Palästina als Folge der nationalsozialistischen Machtergreifung war der Übergang dieser Schule vom Status einer höheren technischen Lehranstalt zu einer Technischen Hochschule vollzogen. Obwohl nicht alle Professoren und Dozenten die hebräische Sprache in ausreichendem Maße beherrschten, hatte sich das Prinzip der Unterrichtserteilung in Hebräisch in allen Fächern durchgesetzt. Die deutsche Konzeption der technischen Hochschulbildung blieb jedoch noch viele Jahre erhalten.

7 Vgl. Amtliche Mitteilung des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" vom 23. Februar 1914, ZZAJ, Bd. Z 3/1582. 8 Vgl. Erste Ausfertigung vom 9- Februar 1920, Technion - The J. Nessyahu Historical Archives (im folgenden TJNHA zitiert), Bd. 2. 9 Dr.-Ing. Alfons Finkelstein wurde am 1. Januar 1913 zum Direktor des Technikums ernannt. 1 0 Die Umbenennung dieses Instituts von „Technikum" in „Technion" drückte seine Entwicklung zur Technischen Hochschule aus.

Einleitung

5

Die Gründung des Technions war wohl nur die Frühgeschichte einer technischen Lehranstalt in Palästina. In ihrem Werden berührte sie jedoch politische, nationale und kulturelle Probleme, die zu jener Zeit Weltbedeutung hatten. Sie stand eine Zeitlang im Zentrum des Kampfes für die Wiedergeburt der hebräischen Sprache in Palästina, sollte zu einem Baustein der deutschen Kulturpolitik im Orient werden und tangierte den Wettkampf zwischen den Großmächten in dieser Region. Im engeren Sinne stellte sie den Anfang für die Entwicklung des jüdischen Haifa dar. Daher der besonders dramatische Aspekt dieser Schulgründung.

ERSTER TEIL

Der Hintergrund

ERSTES KAPITEL

Die deutsche Politik und die Türkei 1888 bis 1914

Ansätze zur deutschen Türkeipolitik Mit der Thronbesteigung Wilhelms II. 1888 trat eine grundlegende Wende in der deutschen Außenpolitik ein. Wilhelm II. wandte sich von der komplizierten, widerspruchsvollen, aber vorsichtigen Politik Bismarcks ab und stellte neue Weichen für seine Politik. Von nun an verfolgte die deutsche Reichsregierung eine aktive Kolonialpolitik, die Erweiterung der ökonomischen und politischen Einflußsphären und den Ausbau einer mächtigen Kriegsflotte. In den neunziger Jahren sind auch die Anfänge einer neuen Politik Deutschlands gegenüber dem Osmanischen Reich festzustellen.1 Die Türkeipolitik

1 Zur deutschen Türkeipolitik siehe: Hajo Holborn, Deutschland und die Türkei 1878-1890, Berlin 1926; Edward Mead Earle, Turkey, the Great Powers and tbe Bagdad Raüway.A Study in Imperialism, London 1923; Erich Brandenburg, VonBismarck zum Weltkriege, Darmstadt 1973 (erstmals gedruckt 1925); Carl Mühlmann, Deutschland und die Türkei 1913-1914, Berlin 1929; Lothar Rachmann, Stoßrichtung Nahost 1914-1918, Berlin (Ost) 1963; Ulrich Trumpener, Germany and the Ottoman Empire 1914-1918, Princeton 1968; Fritz Fischer, Griff nach der Weltmacht, Düsseldorf 1961; ders., Krieg der Illusionen. Die deutsche Politik von 1911 bis 1914, Düsseldorf 1969; Wilhelm van Kampen, Studien zur deutschen Türkeipolitik in der Zeit Wilhelms II., Diss. Masch., Kiel 1968; Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten, in: Geschichte und Gesellschaft, 4 (1975); Walter Grab (Hrsg.), Germany and the Middle East 1835-1939, in: Jahrbuch des Instituts für deutsche Geschichte, Beiheft 1, Tel Aviv 1975; Jehuda L. Wallach, Anatomie einer Militärhilfe. Die preußisch-deutschen Militärmissionen in der Türkei 1835-1919, Düsseldorf 1976; Bernd F. Schulte, Vor dem Kriegsausbruch 1914. Deutschland, die Türkei und der Balkan, Düsseldorf 1980; ders., Europäische Krise und Erster Weltkrieg, Frankfurt/Main 1983; Armin Kössler, Aktionsfeld Osmanisches Reich, Diss. Masch., Freiburg im Breisgau 1981 (Nachdruck New York 1981).

I. Die deutsche Politik und die Türkei

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Wilhelms II. drückte das verstärkte Interesse am Osmanischen Reich aus. Im Gegensatz zu Großbritannien und Rußland ging die deutsche Politik vom Grundsatz aus, daß die Integrität des Osmanischen Reiches mit den Interessen Deutschlands übereinstimme. 2 Diese sollten im Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen und in der Erweiterung des politischen Einflusses Deutschlands in der Türkei ihren Ausdruck finden. Die Verfechter dieser Türkeipolitik scheinen daran erhebliche wirtschaftliche Hoffnungen für Deutschland geknüpft zu haben. Deshalb bemühte sich Deutschland um die Stärkung des Osmanischen Reiches und die Aufrechterhaltung seiner Integrität.3

Politische und wirtschaftliche Ziele 1889 fand der erste Besuch Wilhelms II. in der Türkei statt. Am 1. November traf er in Konstantinopel ein und gab sich als Friedensbote und Verkünder der Erweiterung der Handelsbeziehungen mit der Türkei aus. Dem Besuch folgten deutsche Unternehmer mit dem Ziel, den türkischen Markt zu erschließen. Im selben Jahr wurde die Anatolische Eisenbahngesellschaft gegründet. Die erste Bahnkonzession an die deutsche Unternehmergruppe war bereits 1888 unterzeichnet worden. Sie betraf die Strecke Haydarpascha - Izmir Ankara. Die Anatolische Eisenbahngesellschaft - Société du Chemin de fer Ottoman d'Anatolie - wurde von der Deutschen Bank kontrol-

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Vgl. Paul Rohrbach, Deutschland unter den Weltvölkern, Berlin 1911 (1. Aufl. Berlin 1902), S. 301: „Heute sieht es so aus, daß wir in der politischen Integrität, in der militärischen Wehrhaftmachung und in dem materiellen Aufschwung des Osmanischen Reiches unsere eigene Zukunft verteidigen und für sie arbeiten." Dazu W. van Kampen, Studien zur deutschen Türkeipolitik. . ., S. 39: „Kein Satz war bisher in der Geschichte der deutsch-türkischen Beziehungen so oft wiederholt worden wie die Versicherung, Deutschland sei - neben dem fernen Amerika - die einzige Großmacht, die im Osmanischen Reich keine territorialen Interessen habe." Allerdings gab es auch hier andere Stimmen zu hören. Siehe die Schrift des Alldeutschen Verbandes Deutschlands Ansprüche an das türkische Erbe, München 1896, die damals Parlamentariern und Regierungen zugesandt wurde. Die Alldeutschen waren auch hinsichtlich der Türkei den großdeutschen und extrem nationalistischen Anschauungen verhaftet. Es muß hier jedoch hervorgehoben werden, daß nach der jungtürkischen Revolution von 1908 infolge der Änderungen im politischen Klima der Türkei auch seitens des Kaisers und der Reichsregierung die Möglichkeit einer Teilung des Osmanischen Reiches erwogen wurde.

Politische und wirtschaftliche Ziele

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liert. Die zweite Konzession für die Linie Eskischehir - Konya wurde am 15. Februar 1893 unterzeichnet. Drei Jahre später waren die Eisenbahnstrecken nach Ankara und Konya vollendet. Die Anatolische Eisenbahngesellschaft leitete die Einflußbestrebungen Deutschlands auf dem Gebiet des Bahnbaus ein, die im Projekt der Bagdadbahn ihre logische Folge fanden. 4 Einen besonderen Aufschwung erhielt die deutsche Türkeipolitik mit der Ernennung des Freiherrn Marschall von Bieberstein zum Botschafter in Konstantinopel im Jahre 1897. Marschall vertrat den Standpunkt, daß die Zukunft Deutschlands in vieler Hinsicht von der Erweiterung des deutschen Einflusses in Kleinasien abhänge. Während seiner fünfzehnjährigen Amtszeit in Konstantinopel gelang es ihm, die deutsch-türkischen Beziehungen wesentlich zu vertiefen und der deutschen Botschaft eine Sonderstellung zu verschaffen. Im Jahre 1898 fand die zweite Orientreise Wilhelms II. statt. Nach einem Treffen mit Sultan Abdul-Hamid II., Feierlichkeiten und Empfängen und einer Fahrt nach Anatolien mit einem Sonderzug der Anatolischen Eisenbahngesellschaft verließ das Kaiserpaar Konstantinopel und reiste weiter nach Palästina. Am 25. Oktober erreichte die kaiserliche Yacht „Hohenzollem" Haifa. Nach einem feierlichen Empfang, besonders seitens der deutschen Kolonisten, reiste das Kaiserpaar am 29. Oktober nach Jerusalem, wo es an der Einweihung der evangelischen Erlöserkirche teilnahm. Die Orientreise fand ihren Abschluß mit dem Besuch von Damaskus. Am 6. November legte der Kaiser dort einen Kranz am Grab Saladins nieder. Hier erreichte die „Begeisterung" des Kaisers für den Islam ihren Höhepunkt. In seiner Tischrede erklärte sich Wilhelm zum Schutzherrn aller Moslems: „Möge Seine Majestät der Sultan und mögen die 300 Millionen Mohammedaner, die, auf der Erde zerstreut lebend, in ihm ihren Khalifen verehren, dessen versichert sein, daß zu allen Zeiten der deutsche Kaiser ihr Freund sein wird."5 Diese Orientreise eröffnete eine neue Phase der deutschen Türkeipolitik. Im türkischen Finanzgeschäft bekamen deutsche Banken bald einen bedeutenden Anteil. Die deutsche Palästina-Bank AG

Vgl. A. Kössler, Aktionsfeld Osmanisches Reich . . ., S. 125-148. Zitiert nach W. van Kämpen, Studien zur deutschen Türkeipolitik. . ., Anm. III 244, S. 408. 4

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I. Die deutsche Politik und die Türkei

wurde 1899 von der Berliner Privatbank v. d. Heydt & Co. gegründet. 1904 eröffnete die Nationalbank für Deutschland eine Bank in Konstantinopel. Ihr folgten die Dresdner Bank und der Schaaffhausen'sche Bankverein mit der Gründung der Deutschen Orientbank 1906 und die Deutsche Bank mit einer Zweigniederlassung im Jahre 1908 in Konstantinopel. 6 Zur Ausbeutung der Erdölvorkommen bei Mosul und Bagdad hatte eine deutsche Technikergruppe bereits 1901 Vorschläge gemacht. 1904 erhielt die Deutsche Bank eine Prospektierungskonzession für das Euphrat- und Tigristal. Eine Kommission zur Prüfung der Erdölvorkommen wurde in das Konzessionsgebiet entsandt. Obwohl der Bericht der Sachverständigenkommission die Abbauwürdigkeit der entdeckten Erdölvorkommen für fragwürdig hielt, so waren doch schon das Interesse und die Überprüfung der Abbaumöglichkeiten zu jenem Zeitpunkt durchaus bemerkenswert. 7 Hervorzuheben ist auch der Anstieg des Warenaustausches zwischen Deutschland und der Türkei. Zwischen 1897 und 1910 wuchs Deutschlands Anteil an der Einfuhr der Türkei auf mehr als das Dreifache.8 Als bedeutendstes Unternehmen erwies sich die Bagdadbahn. Die dritte Konzession für den Weiterbau der Bahn wurde 1899 erteilt, nachdem ein Einvernehmen zwischen der deutschen und der französischen Seite (Deutsche Bank - Anatolische Eisenbahn einerseits und Banque Impériale Ottomane - Chemin de fer Smyrna-Cassaba andererseits) erzielt worden war. Deutsches Kapital war bei der neugegründeten Gesellschaft mit 50 Prozent beteiligt, französisches mit 30 Prozent und neutrales mit 20 Prozent. Im Oktober 1904 wurde der erste Bahnabschnitt von 200 Kilometern zwischen Konya und Bulgurluk fertiggestellt, dann aber der Weiterbau wegen Finanzierungsschwierigkeiten eingestellt. Erst 1908 kam es zu neuen Verhandlungen, die zu einem Abkommen führten, in dem die Bagdadbahngesellschaft auf die Konzession für die Strecke Basra - Persischer Golf verzichtete, dafür jedoch finanzielle Garantien für den Abschnitt Helif - Bagdad sowie Konzessionen für den Bau einer

^ Vgl. A. Kössler, Aktionsfeld Osmanisches Reich . . ., S. 377-383; F. Fischer, Krieg der Illusionen . . ., S. 425 f. 7 Vgl. a. a. O., S. 425. 8 Vgl. a. a. O., S. 426; A. Kössler, Aktionsfeld Osmanisches Reich . . ., S. 378.

Politische und wirtschaftliche Ziele

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Zweiglinie nach Alexandrette und den Ausbau des Hafens von Haydarpascha erhielt.9 Die deutsche Politik beschränkte sich keineswegs auf wirtschaftliche Mittel, um Einfluß in der Türkei zu gewinnen. Besondere Bedeutung kam der Tätigkeit deutscher Militärinstrukteure zu, die bemüht waren, die Ausbildung des türkischen Heeres nach deutschem Vorbild zu gestalten und es mit deutschen Waffen auszurüsten. Die erste deutsche Militärmission in der Türkei nach der Reichsgründung wurde von Generalmajor Otto Kähler geleitet. Nach drei Jahren seiner Tätigkeit verstarb er im Jahre 1885. Oberstleutnant Colmar Freiherr von der Goltz, seit 1883 Mitglied der Militärmission, wurde mit ihrer Leitung betraut. Als Berater des türkischen Heeres beschäftigte sich von der Goltz mit vielen Aufgaben, widmete sich jedoch besonders den Militärbildungsanstalten. Er übte einen großen Einfluß auf diese aus und unterhielt gute Beziehungen zu seinen ehemaligen Zöglingen, auch noch nachdem er 1895 nach Deutschland zurückgekehrt war. 10 Nach der Revolution der Jungtürken 1908 wurde Freiherr von der Goltz erneut mit der Mission betraut. Der Kaiser und Reichskanzler von Bülow hofften, daß es von der Goltz gelingen werde, durch seine persönlichen Beziehungen die Positionen Deutschlands in der Tükei zu festigen. Seine zweite Mission dauerte vom 1909 bis 1911. Er trat für eine intensivere Ausrüstung der türkischen Einheiten mit neuen Waffen ein und befürwortete ein verstärktes Eingreifen der deutschen Instrukteure in die Ausbildung und Organisation des türkischen Heeres. Bereits 1910 war ein wesentlicher Fortschritt in den Beziehungen zwischen Deutschland und dem neuen Regime in der Türkei festzustellen. Selbst eine Militärallianz mit Deutschland wurde von türkischen Offizieren als wünschenswert erwogen. 11

9 Vgl. a. a. O., S. 290-375. Zum Thema Bagdadbahn siehe auch Edward Mead Earle, Turkey, the Great Powers and the Bagdad Railway. A Study in Imperialism, London 1923; M. K. Chapman, Great Britain and the Bagdad Railway 1888-1914, Northampton, Mass. 1948; Helmut Mejcher, Die Bagdadbahn als Instrument des deutschen wirtschaftlichen Einflusses im Osmanischen Reich, in: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Imperialismus im Nahen und Mittleren Osten, in: Geschichte und Gesellschaft, 4 (1975), S. 447-481. 1 0 Vgl. J. L. Wallach, Anatomie einer Militärhilfe . ., S. 15-63. 11 Vgl. a. a. O., passim; Ulrich Trumpener, German Officers in the Ottoman Empire 1880-1918: Some Documents on their Backgrounds, Functions and Accomplishments, in: Walter Grab (Hrsg.), Germany and the Middle East 1835-1939 • • S. 32 ff.

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I. Die deutsche Politik und die Türkei

Die letzte Militärmission in der Türkei vor dem Ersten Weltkrieg wurde von Generalleutnant Otto Liman von Sanders geleitet, der Ende 1913 nach Konstantinopel kam. Seiner Mission gehörten ungefähr vierzig Mitglieder an, und sie verfügte über so weitgehende Vollmachten, wie sie noch keine Militärmission in der Türkei zuvor besessen hatte. Sie sollte die Reorganisation des türkischen Heeres fortsetzen, um die Folgen der Niederlagen in den Balkankriegen zu überwinden. Diese Militärmission mußte die besondere Aufmerksamkeit der anderen Großmächte auf sich lenken. 12

Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor Die Zeitspanne von 1898 bis 1914 war besonders reich an Publikationen, welche das Osmanische Reich und die deutsche Türkeipolitik zum Thema hatten. Friedrich Naumanns Buch Asia, das unmittelbar nach der Orientreise des Kaisers von 1898 erschien, war nach acht Tagen vergriffen und wurde bis 1914 mehrmals aufgelegt. Sein politisches Programm faßte Friedrich Naumann mit den Worten „Demokratie und Kaisertum" zusammen. Die Zukunft der Türkei sah er in ihrer Reorganisation durch Deutschland, die aber von der Entwicklung Deutschlands zur Weltmacht abhänge. 13 Paul Rohrbachs Deutschland unter den Weltvölkern erschien 1903 und wurde 1908 und 1911 neu und erweitert aufgelegt. Der deutsche Gedanke in der Welt erschien 1912 und erreichte bis 1914 eine Auflage von 75 000 Exemplaren. Rohrbach galt als publizistische Autorität in der Türkei. Er forderte „moralische Eroberungen" und die Durchführung einer Kulturpolitik, wie die Errichtung von Schulen und ärzüichen Stationen, die den deutschen Gedanken in der Welt zur Geltung bringen

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Otto Liman von Sanders wurde 1913, wenige Monate vor dem Beginn seiner Türkeimission, geadelt. Seinem bürgerlichen Namen wurde der Mädchenname seiner verstorbenen Frau „von Sanders" hinzugefügt. Im Januar 1914 wurde er zum preußischen General der Kavallerie befördert und von den Türken Zugleich zum Marschall der türkischen Armee ernannt. Vgl. U. Trumpener, German Officers. . ., S. 37 f.; J. L. Wallach, Anatomie einer Militärhilfe. . ., S. 126 ff. 13 Vgl. W. van Kampen, Studien zur deutschen Türkeipolüik . . ., S. 155 ff.; Rüdiger vom Bruch, Weltpolitik als Kulturmission. Auswärtige Politik und Bildungsbürgertum in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Paderborn-München-WienZürich 1982, passim.

Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor

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sollten.14 Ernst Jäckhs Aufsteigender Halbmond erschien 1909 und wurde 1911 und 1915 neu und erweitert aufgelegt. Als Befürworter einer wirkungsvollen Türkeipolitik besuchte er von 1908 an fast jährlich die Türkei. Als Freund der Türken erhielt er den Beinamen „Türken-Jäckh". Er wurde in kurzer Zeit zum Symbol der Freundschaft mit diesem Land.15 Friedrich Naumann, Paul Rohrbach und Ernst Jäckh waren wohl die interessantesten Befürworter einer aktiveren deutschen Kulturpolitik in der Türkei. Wesentlich war auch der Einfluß von Hans Delbrück, des Herausgebers der Preußischen Jahrbücher, und von Hugo Grothe, der als Generalsekretär der Münchener Orientalischen Gesellschaft in den Jahren 1901 bis 1912 fungierte. Grothe entfaltete eine reiche juristische Aktivität und veröffentlichte seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Schriften, die der Türkei und den deutschen Interessen im Osmanischen Reich gewidmet waren. Er trat für eine Vertiefung der deutschen geistigen „Penetrationsarbeit" ein. Zu den bemerkenswertesten Erscheinungen dieser Zeit gehörten die Gründungen von Gesellschaften und Vereinen, die es sich zum Ziel gesetzt hatten, eine aktive Teilnahme ihrer Mitglieder an der deutschen Kulturpolitik und Ideenexpansion zu ermöglichen. Im Jahre 1898 wurde die „Deutsche Orientgesellschaft" gegründet. Ihr folgte 1901 die „Deutsch-Asiatische Gesellschaft", welche unter dem Präsidium des Freiherrn von der Goltz stand. Diese Gesellschaft gab die Zeitschrift Asien heraus und trat seit 1902 mit einer Schriftenreihe und

14 Der Baltendeutsche Paul Rohrbach wurde 1869 in Livland geboren und war seit 1914 in Preußen eingebürgert. Nach mißlungener akademischer Laufbahn wandte er sich der Publizistik zu und schrieb vor allem in den Preußischen Jahrbüchern und in der Hilfe. Seine Bücher gehörten bis zum Ende des Ersten Weltkrieges zu den Standardwerken zur deutschen Türkeipolitik. Vgl. Paul Rohrbach, Deutschland unter den Weltvölkern, Berlin 1912; ders., Der Deutsche Gedanke in der Welt, Düsseldorf-Leipzig 1912; Walter Mogk, Paul Rohrbach und das „größere Deutschland". Ethischer Imperialismus im Wilhelminischen Zeitalter, München 1972. 15 Ernst Jäckh wurde 1875 in Urach geboren. Nach Studien in Stuttgart, Breslau, Genf und München promovierte er in Heidelberg. 1902 wurde er Chefredakteur der Neckar-Zeitung. 1912 kam er nach Berlin, wo er zu den einflußreichsten Publizisten Zählte. 1933 ging er ins Exil. Er verstarb 1959 in den USA im Alter von 84 Jahren. Vgl. Emst Jäckh, Der aufsteigende Halbmond, Berlin 1911; ders., Der Goldene Pflug. Lebensernte eines Weltbürgers, Stuttgart 1954; W. van Kampen, Studien zur deutschen Türkeipolitik. . ., S. 28 ff.

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I. Die deutsche Politik und die Türkei

später mit Jahrbüchern an die Öffentlichkeit. ^ In dieselbe Zeit gehört auch der Anfang der „Münchener Orientalischen Gesellschaft", die von Hugo Grothe als Generalsekretär in den Jahren 1901 bis 1912 mit großem Erfolg betreut wurde. Von 1902 an wurde durch ein Abkommen die Zeitschrift Asien zum gemeinsamen Organ der „DeutschAsiatischen Gesellschaft" und der „Münchener Orientalischen Gesellschaft". Ein drittes Zentrum für Orient-Interessenten befand sich in Leipzig, wo das „Vorderasien-Institut" gegründet wurde. Von 1912 an war Hugo Grothe auch in Leipzig tätig. Im Jahre 1903 wurde das „Deutsche Bagdadkomitee für Humanitätszwecke" ins Leben gerufen. Trotz großer Bemühungen von Hans Delbrück und Paul Rohrbach waren die Erfolge dieses Komitees wegen Mangels an Unterstützung und Mitteln nur begrenzt. 1910 wurde es aufgelöst. Zur weiteren Entfaltung kamen die kulturpolitischen Bestrebungen erst, als das „Deutsche Vorderasienkomitee" - vom Reeder Albert Ballin 17 besonders gefördert - und die „Deutsch-Türkische Vereinigung" gegründet wurden. Dem Vorstand des „Deutschen Vorderasienkomitees" gehörte außer Albert Ballin auch von der Goltz an. Als KomiteeVorsitzender fungierte Hugo Grothe. Die „Deutsch-Türkische Vereinigung" wurde im Februar 1914 auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes ins Leben gerufen. Dem Vorstand gehörten unter anderen der Direktor der Deutschen Bank, Karl Helfferich, und Ernst Jäckh an. Diese Vereinigung sollte alle bisherigen Ausschüsse, die für die Türkei und in Vorderasien tätig waren, zusammenschließen. Das Programm der „Deutsch-Türkischen Vereinigung" sah die Gründung von Schulen, Erziehungsheimen, Kranken- und Heilanstalten vor, die Entsendung deutscher Lehrer und Ärzte an türkische Schulen und Krankenhäuser, die Errichtung von Bildungsstätten, Büchereien und die Verbreitung von Schriften in der Türkei. Auch sollte die „Deutsch-

^ Eigentlich sollte die neugegründete Gesellschaft „Anatolische Gesellschaft" genannt werden. Dieser Name stieß jedoch auf den harten Widerstand der Deutschen Bank und besonders ihrer Asiatischen Abteilung. Daraufhin wurde die Gesellschaft auf Anregung des Nationalökonomen Vosberg-Rekow, der auch ihr Schriftführer war, „Deutsch-Asiatische Gesellschaft" genannt. Vgl. W. van Kampen, Studien zur deutschen Türkeipolitik . . ., S. 210 ff. 1 7 Albert Ballin (1857-1918) war seit 1899 Generaldirektor der „Hapag". Obwohl er Jude war, gehörte er Zu den Vertrauten Wilhelms II. Nach dem Zusammenbruch 1918 wählte er den Freitod. Vgl. Lamar Cecil, Albert Ballin: Business andPolitics in Imperial Germany 1888-1918, Princeton, N. J. 1967.

Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor

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Türkische Vereinigung" die Ausbildung von türkischen Staatsangehörigen in Deutschland ermöglichen und alle Maßnahmen unterstützen, welche beide Völker einander näherbringen könnten. Auch die Errichtung von Hochschulen in der Türkei zu einem späteren Zeitpunkt sollte in Erwägung gezogen werden. In den Jahren 1914 und 1915 bemühte sich Ernst Jäckh besonders um das „Haus der Freundschaft" und die Entsendung deutscher Professoren nach Konstantinopel. 18 Als einer der wichtigsten Wirkungsbereiche der deutschen Kulturpolitik in der Türkei wurde das Bildungswesen betrachtet, das im Osmanischen Reich im allgemeinen und auf dem Gebiet der technologischen Erziehung und Ausbildung im besonderen unterentwickelt war. Hier blieb der deutsche Einfluß weit hinter dem französischen und selbst dem englischen zurück. So kamen in der Türkei auf 1019 fremdstaatliche Schulen mit rund 87 000 Schülern nur 23 deutsche Anstalten mit ca. 3000 Schülern.19 Große Bedeutung hätte dem deutschen technischen Bildungswesen zukommen können, das in den letzten Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg eine bahnbrechende Entwicklung durchgemacht hatte. 20 Als Hauptträger der deutschen Aktivitäten auf dem Gebiet des Bildungswesens im Ausland soll der 1881 gegründete „Allgemeine Deutsche Schulverein" angeführt werden, welcher 1908 in den „Verein für das Deutschtum im Ausland" (VDA) umbenannt wurde. 21 Hier

1 8 Vgl. Karl Helfferich, Die deutsche Türkeipolitik, Berlin 1921, passim; Emst Jäckh, Protokoll einer Besprechung über Maßnahmen zur Förderung deutscher auswärtiger Kulturpolitik vom 6. 2. 1914, abgedruckt bei: R. vom Bruch, Weltpolitik als Kulturmission . . ., Quellenanhang 8, S. 187; Paul von Salvisberg, Deutsche Kulturarbeit im Ausland, III: Academische Auslandsstudien und deutsche Weltpolitik, in: Hochschulnachrichten, 24 (April 1914), S. 275-279, abgedruckt in: R. vom Bruch, Weltpolitik als Kulturmission . . ., Quellenanhang 2, S. 140.

Vgl. a. a. O., S. 141. Ein deutsches technisches Schulwesen im Ausland hat es erst seit 1907 gegeben, obwohl die deutsche Industrie dieses schon vorher befürwortete, da sie sich davon die Förderung der Ausfuhr deutscher Erzeugnisse versprach Kurt Riezler, Paul Rohrbach und Ernst Jäckh trugen diesen Gedanken bereits seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts in die Öffentlichkeit. Vgl. Kurt Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul- und Hochschulwesens auf das Ausland (1870-1930), in: Interne Faktoren Auswärtiger Kulturpolitik im 19• und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1981, S. 87. 2 1 Vgl. Gerhard Weidenfeiler, Der VDA zwischen „ Volkstumskampf und Kulturimperialismus, in: Interne Faktoren Auswärtiger Kulturpolitik im 19• und 20. Jahrhundert . . ., S. 17-26. 19

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I. Die deutsche Politik und die

Türkei

müssen die Schriften von Kurt Riezler genannt werden, in welchen er für „eine Kulturpolitik großen Stils", vornehmlich mittelst Schulen, Büchern, Vortragsveranstaltungen und Professorentausch eintrat. Riezler sah in den Schulen das wichtigste Medium, durch welches die öffentliche Meinung in den zu beeinflussenden Ländern gewonnen werden könnte. 22 Auch Paul Rohrbach sah die Möglichkeit, durch Errichtung von Schulen und ärztlichen Stationen moralische Eroberungen in der Türkei zu machen. Bereits Anfang 1900 entwarf Rohrbach ein Programm für den Evangelisch-Sozialen Kongreß, das den vielsagenden Titel „Größeres Deutschland in Moral und Politik" trug.23 Deutsche Schulen im Osmanischen Reich hatte es bereits seit den fünfziger Jahren des 19- Jahrhunderts gegeben. Die ersten Schulen im asiatischen Teil des Osmanischen Reiches wurden hauptsächlich in Palästina, im Libanon und in Syrien gegründet. Zu ihnen gehörten die Schulen, die aus Barmherzigkeit für Waisenkinder der einheimischen Bevölkerung errichtet wurden, wie die Waisenhausschulen des Rheinisch-Westfälischen Diakonissenvereins in Smyrna, Beirut und Jerusalem, die Schulen des Syrischen Waisenhauses und des katholischen deutschen Hospizes in Jerusalem und die Schulen der Schwestern des heiligen Borromäus in Jerusalem und Haifa.24 Die Schulen der deutschen Tempelgemeinden in Palästina wurden fast ausschließlich von den Kindern der Templer besucht. 25 Auch die evangelischen Kirchengemeinden in Palästina, die nicht zu den Templern zählten, unterhielten Schulen, die fast ausschließlich von deutschen Kindern besucht wurden. Eine höhere deutsche Schule in Jerusalem wurde gemeinsam von der evangelischen Kirchengemeinde und von der Tempelgesellschaft geleitet.26 Zwei höhere

22

Vgl. J. J. Ruedorffer, Grundzüge der Weltpolitik in der Gegenwart, Berlin 1914, S. 245 (Kurt Riezler schrieb unter dem Pseudonym J. J. Ruedorffer); Kurt Düwell, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik 1918-1932. Grundlinien und Dokumente, Köln-Wien 1976, S. 22 f. Vgl. W. Mogk, Paul Rohrbach und das „Größere Deutschland". . ., passim. 24 Vgl. K. Düwell, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik 1918-1932. . ., Dokumentenanhang, Geheime Denkschrift des Auswärtigen Amtes über das deutsche Auslandsschulwesen, April 1914, S. 281. 25 Vgl. Alex Carmel, Die Siedlungen der württembergischen Templer in Palästina, Stuttgart 1973, passim. Vgl. Geheime Denkschrift des Auswärtigen Amtes über das deutsche Auslandsschulwesen, April 1914, abgedruckt bei K. Düwell, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik 1918-1932. . ., Dokumentenanhang, S. 281.

Deutsche Kulturpolitik als politischer Faktor

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Schulen für einheimische Mädchen der Mittelschicht wurden neben den Waisenhausschulen vom Rheinisch-Westfälischen Diakonissenverein in Beirut und Smyrna unterhalten. In Smyrna gab es auch eine kleine deutsche Privatschule für Knaben. 27 Zu den bedeutendsten deutschen Schulen im Osmanischen Reich gehörte die Schule in Konstantinopel, die man 1911 zur Oberrealschule ausbaute, in der man eine Handelsabteilung einrichtete und deutsche Kurse für die einheimische Bevölkerung organisierte. Als Folge des Baus der Orientalischen Eisenbahnen entstanden deutsche Schulen in Jediküle bei Konstantinopel und Karaagatsch 1883. Ende der achtziger Jahre wurden deutsche Schulen auch in Philippopel und Saloniki gegründet. Alle diese Schulen wurden von einheimischen und deutschen Schülern besucht. 28 Bereits in den Zusammenhang mit der Türkeipolitik Wilhelms II. gehören die Schulen in Eskischehir und Haydarpascha bei Konstantinopel, die 1895 beziehungsweise 1903 gegründet wurden. Diese Schulen wurden von der Anatolischen Eisenbahngesellschaft ausschließlich für türkische Schüler errichtet, um Arbeiter und Unterbeamte für den Bahnbetrieb auszubilden.2^ Die Schule in Bagdad (1909), die Realschule in Aleppo (1911) und die Schule in Adana wurden von vornherein als deutsche Schulen mit propagandistischen Absichten errichtet. Auch die Schulen in Eskischehir und Haydarpascha entwickelten sich mit der Zeit dazu. Die Schule in Adana sollte voraussichtlich zusammen mit noch anderen zu errichtenden Schulen als Unterbau für eine deutsch-türkische Hochschule dienen, die eventuell später gegründet werden sollte. 30 Zu einer deutsch-türkischen Hochschule nach dem Vorbild der Deutsch-Chinesischen Hochschule in Tsingtau ist es aber nicht mehr gekommen. Vielleicht hätte die Berufung von siebzehn deutschen Hochschullehrern nach Konstantinopel in den Jahren 1915 und 1916 einen Anfang in diese Richtung bedeuten können. Der Ausgang des Ersten Weltkrieges setzte jedoch der gesamten Wilhelminischen Türkeipolitik ein Ende.

Ebda. Ebda. Vgl. auch K. Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul- und Hochschulwesens auf das Ausland. . ., S. 88. Vgl. Geheime Denkschrift des Auswärtigen Amtes, abgedruckt bei K. Düwell, Deutschlands Auswärtige Kulturpolitik 1918-1932 . . ., Dokumentenanhang, S. 281. 30 Ebda. 27

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ZWEITES KAPITEL

Palästina in der deutschen Politik bis 1914

Die deutschen Interessen in Palästina 1842 eröffnete Preußen als zweiter Staat ein Konsulat in Jerusalem. Ernst Gustav Schultz, Orientalist und Dozent an der Universität Königsberg, war der erste Vertreter Berlins in Jerusalem. Schultz beherrschte die Sprachen des Landes und bemühte sich um gute Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung. Während seiner längeren Zwischenaufenthalte in Deutschland hielt er zahlreiche Vorträge über Palästina. Er starb 1851 in Jerusalem im Alter von nur 41 Jahren. 1 Mit der Beendigung des Krimkrieges und dem Friedensschluß von 1856 verstärkte sich der Einfluß der europäischen Konsulate in Palästina. Das Edikt des Sultans Abdul-Medschid von 1856, das „Hatti Hümayun" (Toleranzedikt), garantierte die Gleichberechtigung der christlichen Bevölkerung im Osmanischen Reich.2 Dieses Edikt bot natürlich auch den Konsuln in Palästina neue Möglichkeiten der Einmischung in die Angelegenheiten der türkischen Verwaltung, um

1 Vgl. Mordechai Eliav, The Jews in Palestine in the German Policy. Selected Documentsfrom the Archives of the German Consulate inJerusalem 1842-1914, (hebr.), Tel Aviv 1973, S. XVI; E. G. Schultz, Jerusalem. Eine Vorlesung, Berlin 1845. 2 Abdul Medschid (1839-1851) bestieg den Thron im Alter von nur 15 Jahren. Mit ihm begann das Zeitalter der Reformen, als „Tanzimat" bekannt („Tanzimat Hayrire" „die Wohlwollenden Anordnungen"). Das „Hatti Serif von Gülhane" vom 3. November 1839 verkündete in allgemeiner Form die Prinzipien der Gleichberechtigung für alle Untertanen im Osmanischen Reich, unabhängig von Religion und nationaler Zugehörigkeit. Das Edikt vom 3. Februar 1856 - das „Hatti Hümayun" - sollte die volle Gleichberechtigung der christlichen Bevölkerung in Recht und Politik garantieren. Vgl. M. Anderson (Ed.), The Great Powers and the Near East 1774-1923, London 1970, S. 39-^5; Bernhard Lewis, The Emergence of Modern Turkey, London 1962, S. 104 ff.

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II. Palästina in der deutschen Politik bis 1914

die Rechte der christlichen Minderheiten und ihre eigenen Staatsangehörigen zu schützen.3 Von den bedeutendsten christlichen Institutionen, Orden und Vereinen, die im Heiligen Land wirkten, sind hier die franziskanische Custodia Terrae Sanctae, das Lateinische Patriarchat, der katholische Karmelorden, der katholische „Deutsche Verein vom Heiligen Lande", die „London Jews Society" (L. J. S.), die „Church Missionary Society" (C. M. S.), das englisch-preußische Protestantische Bistum, die „Evangelische Karmelmission", der protestantische Jerusalemsverein" und der russische „Orthodoxe PalästinaVerein" zu nennen. 4 Die Interessen Deutschlands in Palästina wurden durch seine Konsulate vertreten. 5 Bis 1871 gab es in Jerusalem ein preußisches Konsulat, das auch alle anderen protestantischen Länder Deutschlands vertrat. Bayern und die anderen katholischen Länder Deutschlands ließen sich bis zur Reichsgründung vom österreichischen Konsulat in Jerusalem vertreten. Die preußischen Konsuln Ernst Schultz (18421851), Dr. Georg Rosen (1852-1867) und Professor Julius Petermann (1867-1869) waren bekannte Orientalisten. Georg Rosen veröffentlichte zahlreiche Übersetzungen und Bücher, die er während seiner Amtszeit in Jerusalem verfaßte.6 Sein letztes Werk Juden und Phönizier erschien erst nach seinem Tod, von seinem Sohn Dr. Friedrich Rosen für den Druck fertiggestellt. Julius Heinrich Petermann, der auch an der Universität Berlin lehrte, publizierte noch vor seiner Ernennung zum Konsul in Jerusalem zwei Bände seiner Reisen im Orient7 Schultz, Georg Rosen und Petermann trugen viel zur Stärkung des deutschen Einflusses in Palästina bei.8

3 Die Edikte von 1839 und 1856 ermöglichten die weitere Ausdehnung der Sonderrechte und Privilegien, die ihren Ursprung im „Regime der Kapitulationen" hatten und mit dem Vertrag von 1535 zwischen Frankreich und dem Osmanischen Reich ihren Anfang nahmen. Vgl. J. Marriott, The Eastern Question. An Historical Study in European Diplomacy, Oxford 1969, S. 93 f. 4 Vgl. Ya'acov Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. The Last Phase of Ottoman Rule (1799-1917), Bd. 8, (hebr.), Jerusalem 1983, S. 109-151. 5 Vgl. Mordechai Eliav, The Jews in Palestine in the German Policy. Selected Documents from the Archives of the German Consulate in Jerusalem 1842-1914, (hebr.), Tel Aviv 1973, Einleitung, S. VII-XXXV und Anhang S. 323-325. ® Georg Rosen, DasHaram vonJerusalem, Gotha 1866; ders., Geschichte der Türkei (1826-1856), Leipzig 1866. 7 Vgl. Julius Heinrich Petermann, Reisen im Orient, Leipzig 1860-1861. 8 Vgl. M. Eliav, The Jews in Palestine . . ., Einleitung S. XV1-XVIII.

Die deutschen Interessen in Palästina

23

Zum ersten Konsul des Deutschen Reiches in Jerusalem wurde Baron Karl Viktor von Alten ernannt, der 1869 als Konsul des Norddeutschen Bundes in Jerusalem anreiste. Am 21. Juni 1871 wurde das Konsulat in Jerusalem offiziell in das Konsulat des Deutschen Reiches umbenannt, und Baron von Alten wurde nach kurzer Zeit der persönliche Rang eines Generalkonsuls verliehen. Er war selbst Forscher und an der Archäologie Palästinas interessiert. Er nahm an der Gründung des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas" teil .9 Ihm folgten Baron Thankmar von Münchhausen (1874-1881), Dr. Julius Reitz (1881-1885) und Dr. Paul von Tischendorf (1886-1899) als Konsuln in Jerusalem. Besonders während der Amtszeit Tischendorfs erstarkte der deutsche Einfluß in Palästina zusehends. Nach dem Besuch Wilhelms II. 1898 in Palästina wurde auch von Tischendorf der persönliche Titel eines Generalkonsuls verliehen.10 Nach der Amtszeit von Dr. Friedrich Rosen in den Jahren 1899 bis 190111 wurde Edmund Schmidt 1901 zum Konsul in Jerusalem ernannt. Schmidt war bereits 1887 nach Jerusalem gekommen, um den Posten eines Kanzler-Dragomans bei Tischendorf einzunehmen. 12 1897 wurde er zum deutschen Vizekonsul in Jaffa befördert. 13 1901 kehrte er als Konsul nach Jerusalem zurück. Seine Amtszeit fiel in die entscheidende Periode der Wilhelminischen Türkeipolitik. Unter Schmidt ging das deutsche Konsulat in Jerusalem zu einer noch aktiveren Anteilnahme an den Ereignissen des Landes über. Schmidt sah im Ansehen des Konsulats in Palästina einen wichtigen Beitrag zur Erweiterung des deutschen Einflusses im Osmanischen Staats-

9

A. a. o., s. XIX. A. a. O., S. XX-XXII. 11 Dr. Friedrich Rosen war der Sohn von Dr. Georg Rosen, der als preußischer Konsul in Jerusalem in den Jahren 1852 bis 1867 amtiert hatte. Friedrich Rosen war während eines Urlaubsaufenthaltes seiner Eltern in Deutschland 1856 in Leipzig zur Welt gekommen und wurde kurz darauf nach Jerusalem gebracht, wo er seine Kindheit verbrachte. Vgl. a. a. O., Einleitung, S. XXII. ^ Dragoman war der übliche Titel eines Botschafts- oder Konsulatsbeamten im Osmanischen Reich, der die Funktion eines Dolmetschers ausübte, obwohl er auch mit vielen anderen Kanzleiaufgaben beauftragt war. ^ Einen konsularischen Agenten in Jaffa gab es noch vor 1872. Von 1872 an amtierte der Armenier Simeon Murad als erster Vizekonsul in dieser Stadt. Nach Edmund Schmidt waren Vizekonsuln in Jaffa: Dr. E. Büge (1901-1905), Rössler (1905-1910) und Dr. Wilhelm Brode. 1914 wurde das Vizekonsulat in Jaffa in den Rang eines Konsulats erhoben. Vgl. a. a. O., Einleitung und Anhang, passim. 10

24

II. Palästina in der deutschen Politik bis 1914

räum. 14 Auch die deutsche Reichsregierung erkannte die wachsende Bedeutung ihres Konsulats in Jerusalem. 1914 wurde dieses in den Rang eines Generalkonsulats erhoben. 15 Mit der Erweiterung der konsularischen Aufgaben in Palästina wurde auch in Haifa eine Vertretung eröffnet. Seit 1871 amtierte der Grieche E. Ziffos als deutscher konsularischer Agent. 1878 wurde in Haifa ein Vizekonsulat eröffnet. Einunddreißig Jahre lang bekleidete Friedrich (Fritz) Keller das Amt eines Vizekonsuls in dieser Stadt.16 1909 übernahm Dr. Julius Löytved-Hardegg die Aufgaben eines Vizekonsuls in Haifa, nachdem er bis 1909 als Kanzler-Dragoman in Jerusalem fungiert hatte. Allerdings wurde ihm erst 1912 der Titel eines Vizekonsuls verliehen. 1914 wurde auch das Vizekonsulat in Haifa in den Rang eines Konsulats erhoben. 17

Deutsch-christliche Missionen und Institutionen im Heiligen Land Wahrscheinlich noch bedeutender in ihren Ausmaßen war die Erweiterung der deutschen nichtstaatlichen Einflußfaktoren in Palästina. Zu ihnen zählten vor allem diejenigen, die von der Kirche oder im Zusammenhang mit ihr geschaffen wurden. Der Anfang in dieser Richtung wurde noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemacht. 1841 wurde von Großbritannien und Preußen ein gemeinsames protestantisches Bistum in Jerusalem gegründet, das, obwohl es unter der Obhut der anglikanischen Kirche stand, vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. aus religiösen Beweggründen gutgeheißen, unterstützt und gefördert wurde. 18 1851 begann die Missionstätigkeit der Kaiserswerther Diakonissen in Jerusalem, die sich der Erziehung und der Krankenfürsorge widmeten. Nach bescheidenen Anfängen innerhalb der Altstadt von Jerusalem erweiterten die Diakonissen ihre Tätigkeit in den neuen

14

Vgl. a. a. O, Einleitung, S. XXIII. Ebda. ^ Vgl. Alex Carmel, The History of Haifa under Turkish Rule, (hebr.), Jerusalem 1977, S. 136-140. 17 Vgl. M. Eliav, The Jews in Palestine. . ., Einleitung, S. XXIV. Über die Rolle von Löytved-Hardegg im Zusammenhang mit der Gründung des Technikums in Haifa wird noch später die Rede sein. 18 Vgl. a. a. O, Einleitung, S. XII ff. 15

Deutsch-christliche Missionen und Institutionen

25

Gebäuden außerhalb der Altstadtmauern wie auch in anderen Teilen des Landes. 1868 wurde das Talitha-Kumi-Waisenhaus für Mädchen eingeweiht, das zu den bedeutendsten Instituten dieser Art bis zum Ende der türkischen Herrschaft in Palästina gehörte. Es wurde auf Initiative von Pastor Fliedner gegründet und von den Kaiserswerther Diakonissen betreut. 19 Im Jahre 1860 gründete Johann Ludwig Schneller das „Syrische Waisenhaus" in Jerusalem. Der Anfang wurde mit neun Kindern gemacht, die Schneller nach den antichristlichen Ausschreitungen von 1860 im Auftrag der Pilgermissionsanstalt von St. Chrischona aus dem Libanon nach Jerusalem in sein Haus brachte. Im Laufe der folgenden Jahre fanden Hunderte von Kindern ein Obdach in dieser Anstalt, die an Ausmaß und erzieherischer Konzeption einzigartig im Orient dastand. Den Zöglingen wurde sowohl allgemeiner als auch praktischer Unterricht geboten. Das „Syrische Waisenhaus" besaß eine Buchdruckerei und Buchbinderei, eine Ziegelei mit Brennofen, eine Töpferei, Schreinerei, Drechslerei, Schlosserei, Bäckerei wie auch Ländereien mit Äkkern, Weinbergen, Baumpflanzungen etc., die alle von den Kindern und Jugendlichen bearbeitet wurden, um ihnen auch Kenntnisse auf dem Gebiete der Landwirtschaft beizubringen. Johann Ludwig Schneller, der „Waisenvater", träumte von Musterkolonien, die seine Zöglinge nach dem Verlassen des Waisenhauses gründen sollten, und erwog selbst die Möglichkeit von Familiengründungen „seiner Kinder" mit den Absolventen des „Talitha-Kumi-Waisenhauses". Nach den antiarmenischen Ausschreitungen in den neunziger Jahren in der Türkei kamen auch armenische Waisen in die Anstalt.20 Das „Syrische Waisenhaus" wurde anfangs hauptsächlich von der Baseler Missionsgesellschaft St. Chrischona unterstützt. Nach dem Tode Friedrich Spittlers im Jahre 1867 suchte Schneller mehr Anschluß an Deutschland. Das deutsche Leitungskomitee befand sich zuerst in Stuttgart, später in Köln. An seiner Spitze stand viele Jahre Ludwig Schneller,

^ Theodor Fliedner war für seine Missionstätigkeit weltbekannt. 1851 begleitete er die ersten vier Diakonissen nach Jerusalem. Vgl. Alex Carmel, Palästina-Chronik 1853-1882. Deutsche Zeitungsberichte vom Krimkrieg bis zur ersten jüdischen Einwanderungswelle, Ulm 1978, passim. 20 Vgl. a. a. O., passim; Alex Carmel, Palästina-Chronik 1883-1914. Deutsche Zeitungsberichte von der ersten jüdischen Einwanderungswelle bis zum Ersten Weltkrieg, Ulm 1983, passim.

II. Palästina

26

in der deutschen

Politik bis

1914

einer der Söhne des „Waisenvaters". Sein Bruder, Theodor Schneller, übernahm später die Leitung der Anstalt in Jerusalem. 21 Weitere protestantische Schulen wurden vom Jerusalemsverein" betreut, der 1852 in Berlin gegründet worden war. Die Tätigkeit dieses Vereins erstreckte sich sowohl auf die Versorgung der deutschkirchlichen Kolonisten als auch auf die Bildung deutsch-arabischer Gemeinden. Solche Gemeinden gab es in Jerusalem, Bethlehem und Betdschala. Der Jerusalemsverein" besaß drei Knaben- und zwei Mädchenschulen sowie ein Waisenhaus.22 Die deutsche katholische Mission in Palästina nahm ihren Anfang mit der Gründung des „Vereins des Heiligen Grabes" im Jahre 1855 in Köln. Im Gegensatz zur universalkatholischen Haltung dieses Vereins machte sich nach der Reichsgründung innerhalb der deutschen katholischen Mission eine Richtung bemerkbar, welche die nationalen Momente des Deutschtums zum Ausdruck bringen wollte. In diesem Sinne wurde 1885 in Aachen der „Deutsch-katholische Palästinaverein" gegründet. Im Jahre 1895 vereinigten sich die katholischen Missionsvereine und gründeten den „Deutschen Verein vom Heiligen Lande", der seine Zentrale in Köln hatte. Die katholischen Missionsvereine wirkten hauptsächlich in Jerusalem, Haifa und Galiläa. Bei Tabgha am See Genezareth wurde 1887 eine Farm von etwa siebzig Hektar Land erworben und von dort aus in fünf arabischen Dörfern sechs Schulen eingerichtet. In Jerusalem unterhielt die katholische Mission eine Tagesschule und ein Hospiz vor dem DamaskusTor. Die barmherzigen Schwestern vom Orden des heiligen Borromäus wirkten in Jerusalem und besonders in Haifa.23 Sie widmeten sich der Armen- und Krankenpflege wie auch der Erziehung von Kindern. In Haifa verfügten sie über eine Schule, in welcher sie 140 Kinder in drei Klassen unterrichteten.24 Außerdem besaßen die deutschen Katholiken in Haifa ein Internat, ein Fremdenhospiz sowie ein Sanatorium für kranke Priester auf dem Karmel. Die evangelischen Kaisers-

21

Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of EretzIsrael. . ., Bd. 8, S. 139Vgl. A. Carmel, Palästina-Chrvnik 1883-1914. . ., passim. Carlo Borromaeo lebte im 16. Jahrhundert in Italien. Die Borromäus-Vereine oder die barmherzigen Schwestern des heiligen Karl Borromäus bildeten einen Zweig des lothringischen Ordens der barmherzigen Schwestern des Vincentius di Paula. Vgl. a. a. O., S. 113. 24 Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 1901. Vgl. a. a. O., S. 294. 22

Die Templer

27

werther Diakonissen widmeten sich auch der Kranken- und Armenpflege. Nach kleinem Anfang innerhalb der Altstadtmauern erweiterten sie ihre Tätigkeit im neuen Krankenhaus, das mit achtzig Betten außerhalb der Mauern unweit vom Talitha-Kumi-Waisenhaus lag und 1894 eingeweiht worden war. Den Diakonissen konnte man auch als Schulschwestern in verschiedenen Gegenden Palästinas begegnen. Das einzige christliche Kinderhospital in Palästina befand sich in Jerusalem. Es wurde vom Großherzog von Mecklenburg unterhalten und von Dr. Sandrezky geleitet. Als besondere Anstalt soll das Aussätzigenasyl Jesushilfe" der Herrnhuter Brüdergemeine bei Jerusalem genannt werden. Das erste Haus wurde 1866 eröffnet. Das neue Gebäude wurde von Conrad Schick entworfen und in den achtziger Jahren erbaut. Das Aussätzigenasyl Jesushilfe" war die einzige Anstalt dieser Art in Palästina. Das protestantische Hospiz in Jerusalem war Eigentum der preußischen Johanniter und wurde noch in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts gegründet. Es war für Protestanten aller Nationen offen und gewährte Armen vierzehn Tage lang unentgeltliche Verpflegung.25 Im Jahre 1889, nachdem das englisch-preußische Bistum bereits aufgelöst worden war, wurde die „Evangelische Jerusalem-Stiftung" mit Sitz in Berlin gegründet. Zweck der Stiftung war es, „die Erhaltung der bestehenden sowie die Schaffung neuer evangelischer kirchlicher Einrichtungen und Anstalten in Jerusalem, insbesondere Kirchen und Schulen, sowie die Einrichtung und Unterstützung der evangelischen Gemeinden daselbst" zu fördern. 26

Die Templer Besondere Bedeutung kam den Templersiedlungen in Palästina zu. Diese Siedlungen wurden in zwei Etappen gegründet. In der ersten Etappe - zwischen 1868 und 1875 - gründeten 750 Mitglieder der „Tempelgesellschaft" vier Kolonien. Es waren dies die deutsche Kolonie bei Haifa, heutzutage ein Teil der Stadt Haifa, damals die erste und

25

Vgl. A. Carmel, Palästina-Chronik 1853-1882. Chronik 1883-1914 . . ., passim. 26 Vgl. a. a. O., S. 133.

. ., passim; ders.,

Palästina-

28

II. Palästina in der deutschen Politik bis 1914

größte Kolonie der Templer, weiter die deutsche Kolonie in Jaffa, ebenfalls im Jahre 1869, die deutsche Kolonie in Sarona bei Jaffa, heute ein Teil der Stadt Tel Aviv, 1871 gegründet, und die deutsche Kolonie bei Jerusalem, heute ein Teil der Stadt Jerusalem, die 1873 ihren Anfang nahm. 27 Die Tempelgesellschaft oder der „Tempel", wie die Gesellschaft sich offiziell nannte, wurde 1861 von Christoph Hoffmann gegründet. Sie hatte ihre Wurzeln im evangelischen Pietismus, ihre Mitglieder stammten hauptsächlich aus Württemberg. Zu den führenden Persönlichkeiten der Gesellschaft gehörten Christoph Hoffmann und Georg David Hardegg. Christoph Hoffmann war der Denker und „Prophet" der neuen Strömung, G. D. Hardegg leistete einen besonderen Beitrag in der praktischen Durchführung der pietistischen Gedanken Hoffmanns. Ende Oktober 1868 erreichten die Familien Hoffmann und Hardegg Palästina. Hoffmann ließ sich in Jaffa nieder, Hardegg in Haifa. Christoph Hoffmann war 1815 in Leonberg geboren. Er stüdierte Theologie an der Universität Tübingen. 1848 wurde er von den Ludwigsburgern in die Deutsche Nationalversammlung gewählt. Im Jahre 1858 entschieden sich die „Freunde Jerusalems", eine Delegation nach Palästina zu senden, um Ansiedlungsmöglichkeiten an Ort und Stelle zu studieren. Ein Jahr später wurde Hoffmann aus der evangelischen Landeskirche ausgeschlossen. 1861 gründete er den „Tempel", 1868 ließ er sich in Palästina nieder, um das Ziel der „Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem" zu verwirklichen. Christoph Hoffmann verstarb 1885 im Alter von siebzig Jahren. 2 8 Georg David Hardegg kam 1812 bei Ludwigsburg zur Welt. Nach einer revolutionären Aktivität, für welche er mit einer langjährigen Gefängnisstrafe und Verbannung zu büßen hatte, wurde er 1844 begnadigt. 1868 kam er zusammen mit Hoffmann nach Palästina. Als Vorsteher der Kolonie bei Haifa entwickelte Hardegg eine eigenmächtige Haltung gegenüber der Zentrale in Deutschland und mißachtete deren Anweisungen. Spannungen entstanden auch zwischen Hardegg und Hoffmann. 1874 sah sich Hardegg zum Rücktritt vom Vorstand der Haifaer Kolonie gezwungen und trat aus der Tempelge-

2 7 Vgl. Alex Carmel, Die Siedlungen der württembergischen Templer in Palästina 1868-1918. Ihre lokalpolitischen und internationalen Probleme, Stuttgart 1973. 28 A. a. O., passim.

Die Templer

29

sellschaft aus. Ein Drittel der Haifaer Kolonisten folgte ihm. Sie gründeten 1878 einen neuen „Tempelverein". 29 Im Jahre 1873 wurde die Zentrale der Gesellschaft in Deutschland aufgelöst, ihr Leiter, Christoph Paulus, wanderte nach Palästina aus und ließ sich in Jaffa nieder. Seit 1874 befand sich die Zentrale der Gesellschaft in Jaffa. 1878 wurde sie feierlich nach Jerusalem überführt. Nach Christoph Hoffmann übernahm Christoph Paulus den Vorsitz der Gesellschaft (1884-1890). Ihm folgte Christoph Hoffmann, der Sohn des Gründers, der die Gesellschaft bis 1911 leitete. 30 Obwohl die deutschen Siedler große wirtschaftliche Erfolge zu verzeichnen hatten und ihre vier ersten Kolonien als Mustersiedlungen gelten konnten, wurden bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts keine neuen Kolonien gegründet, und nur wenige neue Siedler schlössen sich den alten Kolonien an. Die Tempelgesellschaft selbst befand sich im stetigen Wandel und machte öfters Krisen durch. Vom ursprünglichen Ideengut der Gründungsväter blieb bei den folgenden Generationen wenig übrig. In der Zeit Christoph Hoffmanns, des Sohnes, kam es zu einer erneuten Spaltung, die „Freien Templer" verließen die Gesellschaft und bildeten besondere Gemeinden. Die deutsche Reichsregierung verhielt sich den Siedlern gegenüber nicht ablehnend, dachte jedoch nicht daran, ihr Unternehmen zu unterstützen. Vom Standpunkt der Reichsregierung waren sie eher ein störendes Element in den deutsch-ottomanischen Beziehungen. Erst der Palästina-Besuch des Kaisers 1898 brachte den inzwischen etwa 1500 Angehörigen der Kolonien Aufmerksamkeit und Sympathie in der deutschen Presse und Öffentlichkeit. 31 Der deutsche Einfluß machte sich nach 1871 immer mehr auf kulturpolitischem Gebiet in Palästina bemerkbar. Bereits 1877 wurde der „Deutsche Verein zur Erforschung Palästinas", der spätere „Deutsche Palästina-Verein", gegründet, welcher die „Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins" (ZDPV) herausgab. 32 1903 wurde das „Deutsche evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes",

30

32

A. a. O., passim. A. a. O., passim. A. a. O., passim.

Vgl. A. Carmel, Palästina-Cbnmik 1853-1882.

. ., S. 250 f.

II. Palästina in der deutschen Politik bis 1914

30

heute eher als „Deutsches Archäologisches Institut" bekannt, gegründet. 33 Besonders bedeutend wurde der deutsche Anteil an der wirtschaftlichen Entwicklung Palästinas. 1899 wurde die „Deutsche PalästinaBank" als Zweigniederlassung einer Berliner Bank gegründet. Die ersten Filialen wurden in Jerusalem und Jaffa eröffnet. 1905 bekam auch Haifa eine Filiale, eine weitere wurde später in Nazareth eröffnet. Der Bericht über das zwölfte Geschäftsjahr von 1911 zeigte sehr zufriedenstellende Resultate. 34 Auf den Gebieten der Landwirtschaft, des Handwerks, der Industrie, des Fremdenverkehrs und des Gesundheitswesens erfreuten sich die deutschen Siedler eines großen Ansehens. 1899 lief das erste Schiff der deutschen Levante-Linie Jaffa und Haifa an. Mit der Entwicklung der deutschen Schiffahrt entfalteten sich auch die Handelsbeziehungen Deutschlands zu Palästina. Die Ausfuhr von deutschen Industriegütern nach Palästina stieg stetig an, der deutsche Anteil an der Einfuhr von Maschinen nach Palästina entwickelte sich beachtlich. 35 Zusammenfassend soll jedoch nochmals hervorgehoben werden, daß trotz vielseitiger Tätigkeiten in Palästina von keiner eigenständigen Politik Deutschlands gegenüber diesem Land die Rede sein kann. Obwohl Palästina die einzige Provinz im Osmanischen Reich war, in welcher deutsche Siedlungen gegründet wurden und sich auch zu Musterkolonien entwickelten, wurde dies weder als positiv angesehen noch politisch genutzt. Gerade in der wilhelminischen Epoche, in welcher sich die Beziehungen Berlins zu den deutschen Siedlern in Palästina positiver zu gestalten begannen, wuchs die Vorsicht der Reichsregierung hinsichtlich dieser Region, da sie den Ausbau der deutschen Türkeipolitik nicht gefährdet sehen wollte.

Vgl. A. Carmel, Palästina-Chronik 1883-1914. . ., S. 338 f. A. a. O., passim. 3 5 Vgl. A. Carmel, Die Siedlungen der uiürttembergiscben Templer. . ., passim; ders., Patiistina-Chronik 1883-1914. . ., passim. 33

34

DRITTES KAPITEL

Zionismus, jüdische Wiedergeburt in Palästina und Deutschland

Der zionistische Gedanke und der Anfang der zionistischen

Bewegung

Die Einberufung des Ersten Zionistischen Weltkongresses im Jahre 1897 in Basel muß als bahnbrechendes Ereignis in der neueren Geschichte des jüdischen Volkes betrachtet werden.1 Zionistische Ideen und Strömungen hatte es schon vor Theodor Herzl gegeben. Bereits 1862 veröffentlichte Moses Hess seine Schrift Rom und Jerusalem? Nach der fast abgeschlossenen Einigung Italiens und der zu erwartenden Einigung Deutschlands - so der Gedankengang von Moses Hess - sei das jüdische Volk an der Reihe, seine nationale Wiedergeburt im historischen Heimatland zu gestalten. Als Folge der antisemitischen Pogrome, die sich in den Jahren 1881-1883 nach der Thronbesteigung des Zaren Alexander III. (18811894) insbesondere in den südlichen Teilen des Russischen Reiches ausbreiteten,3 erwachte das nationale Bewußtsein bei so manchen Schichten der jüdischen Bevölkerung dieses Landes. 1884 trat in Kattowitz in Oberschlesien unter der Leitung von Dr. Jehuda Leon Pinsker der erste Kongreß der „Chowewe Zion"-Bewegung zusammen.4

1 Vgl. Simon M. Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes, Bd. 3, 4. Abt.: Die Epoche der zweüen Reaktion (1881-1914), Berlin 1923, S. 343 ff.; Alex Bein, Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems, Bd. 1, Stuttgart 1980, S. 254 ff. 2 Vgl. Moses Hess, Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätenfrage. Briefe und Noten, Prag 1862. ' Vgl. S. M. Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes. . ., Bd. 3, 4. Abt., S. 106 ff. 4 A. a. O., S. 191 ff.; siehe auch A. Bein, Die Judenfrage. . ., Bd. 1, S. 277. „Chowewe Zion" bedeutet „Zionsfreunde".

32

III. Zionismus, jüdische Wiedergeburt

Zwei Jahre vorher hatte Dr. Pinsker in Berlin und in deutscher Sprache seine Schrift Autoemancipation veröffentlicht.5 In dieser Schrift „diagnostizierte" der russisch-jüdische Arzt aus Odessa den Antisemitismus als Krankheit. Die Überwindung des Antisemitismus und die Lösung der Judenfrage - so Dr. Pinsker - seien nicht mittels der Emanzipation innerhalb der europäischen Gesellschaft zu erreichen, sondern durch die Erhaltung der nationalen Identität und die Gründung einer nationalen Existenz für das jüdische Volk.6 Als geistiger Vater der „Chowewe-Zion" wurde Dr. Pinsker in Kattowitz zum Vorsitzenden der Bewegung gewählt. Das Zentralkomitee der „Chowewe-Zion" - das „Odessaer Komitee" - befand sich bis 1890 in Odessa. Nachdem die Bewegung 1890 von den russischen Behörden offiziell anerkannt worden war, gelang es ihr, eine bedeutendere Rolle bei der Besiedlung Palästinas zu spielen.7 Die Gründung der Zionistischen Weltorganisation durch Dr. Theodor Herzl 1897 in Basel und die Begründung des „politischen Zionismus" verliehen dem bereits bestehenden zionistischen Gedankengut eine neue Dimension.8 Herzl verband seine Hoffnungen vor allem mit Deutschland. Er war überzeugt, bei Wilhelm II. Verständnis zu finden, und glaubte, daß dieser eine Übereinstimmung der zionistischen Ziele mit den deutschen Interessen feststellen werde.9 Durch die Vermittlung des Kaplans der Britischen Botschaft in Wien, William Hechler, der in guten Beziehungen zum Großherzog Friedrich von Baden, dem Onkel Wilhelms II., stand, wurde Herzl 1896 in Karlsruhe von diesem in geheimer Audienz empfangen. Der Großherzog, dem Herzl sein Programm vortrug, äußerte Zweifel und Bedenken, war jedoch bereit, ihn zu unterstützen.10 Der 28. Juli 1898, der Vorabend der Orientreise Wilhelms II., schien dem badischen Großherzog der richtige Moment, um dem Kaiser 5

Vgl. Leon Pinsker, Autoemancipation. Mahnruf an seine Stammesgenossen von einem russischen Juden, 2. Aufl., Brünn 1903. ^ Ebda. Siehe auch Shlomo Avineri, Varieties of Zionist Thought, (hebr.), Tel Aviv

S. 89-997

Vgl. Y. Shavit (Ed.), TheHistory of EretzIsrael. . ., Bd. 8, S. 277 f. Vgl. S. M. Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes. . ., Bd. 3, 4. Abt., S. 330 f.; Achad Haam, Ten Essays cm Zionism and Judaism, London 1922, 5. 25-31; A. Bein, Die Judenfrage. . ., Bd. 1, S. 294 f. 9 Vgl. Theodor Herzl, Tagebücher, Bd. 1-3, Berlin 1922-1923, passim. 10 Vgl. T. Herzl, Tagebücher. .., Bd. 1, S. 378 ff. 8

Der zionistische Gedanke

33

über die Vorstellungen von Herzl zu berichten. 11 Am 3. September 1898 wurde Herzl ein zweites Mal vom Großherzog in Audienz empfangen, 12 und am 16. September traf er in Wien mit dem dort akkreditierten deutschen Botschafter, dem Grafen Philipp Eulenburg, zusammen, der in besonders nahen Beziehungen zu Wilhelm II. stand. Das Treffen mit Eulenburg hatte ebenfalls Hechler vermittelt, auf Rat des Großherzogs von Baden. Obwohl Eulenburg anfangs Zweifel hatte, erwärmte er sich während seiner Unterhaltung mit Herzl für die Idee und versprach, auch den Kaiser für diese zu gewinnen. Den Kaiser sollte Eulenburg im Jagdhaus Rominten in Ostpreußen bald darauf treffen. 13 Die darauffolgenden Mitteilungen aus Rominten an Herzl klangen sehr ermutigend. Der Kaiser schien von der zionistischen Lösung der Judenfrage und von seiner eigenen voraussichtlichen Rolle sehr angetan zu sein. Er zweifelte nicht an der Möglichkeit seines Erfolges beim Sultan in dieser Sache.14 Am 29. September antwortete Wilhelm II. seinem badischen Onkel. Dieser berühmt gewordene Brief war für den Gedankengang des Kaisers sehr kennzeichnend. Er drückte vor allem seine Beziehung zum Zionismus im Zusammenhang mit der deutschen Türkeipolitik aus. Abgesehen von der Sympathie für den Grundgedanken des Zionismus, sah er, daß die „Frage von der allerweitgehenden Bedeutung" sei. Besonders wichtig schienen ihm die möglichen positiven Auswirkungen des Zionismus auf das Osmanische Reich zu sein. Der Kaiser versprach sich von der zionistischen Bewegung und der jüdischen Einwanderung nach Palästina die Sanierung der türkischen Wirtschaft, die Wiederbelebung und Erschließung Kleinasiens, also die Gesundung des „kranken Mannes", und die Lösung der „Orientfrage". Dann, meinte der Kaiser, „wird der Türke wieder gesund, das heißt, kriegt er auf natürliche Weise, ohne zu pumpen, Geld, dann ist er nicht mehr krank, baut sich seine Chausseen und Eisenbahnen selbst ohne fremde Gesellschaften, und dann kann er nicht so leicht aufgeteilt werden"! Auch zeigte sich

11 Vgl. Herzl, Hechler, The Grand Duke of Baden and the German Emperor 18961904. Documents found by Hermann and Bessi Ellem. Reproduces in Facsimile, Tel Aviv 1961, S. 32-35. 12 Vgl. T. Herzl, Tagebücher. . ., Bd. 2, S. 106 ff. 13 Vgl. a. a. O., S. 115 f. 14 A. a. O., S. 130 ff.

34

III. Zionismus, jüdische

Wiedergeburt

Wilhelm II. in seinem Schreiben bereit, Herzl in Audienz zu empfangen. 15 Die erste Audienz Herzls beim Kaiser fand am 19- Oktober 1898 während der Orientreise des Kaisers in Konstantinopel statt. Anwesend war auch der damalige Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Bernhard von Bülow. Zum ersten Mal hatte Herzl die Möglichkeit, dem Kaiser persönlich die Grundideen des Zionismus vorzutragen. Der Kaiser seinerseits erklärte, warum ihm die Ideen der zionistischen Bewegung zusagten. Er glaubte an die Möglichkeit einer Kolonisierung Palästinas durch Juden. Auf die Frage des Kaisers, was er vom Sultan verlangen sollte, antwortete Herzl: „Eine Chartered Company unter deutschem Schutz." Wilhelm II. versprach, den Sultan dazu zu bewegen. 16 In Jerusalem sollte danach der Kaiser in diesem Sinne eine zionistische Delegation, mit Herzl an der Spitze, empfangen. Wilhelm II. fand kein Verständnis beim Sultan. Eher stieß er auf Ablehnung, dieses Thema überhaupt zu behandeln. Da für Wilhelm II. der Ausbau einer Vertrauensbeziehung zwischen der Türkei und Deutschland im Zentrum seiner Türkeipolitik stand, war der Ausgang der zweiten Audienz Herzls beim Kaiser, die am 2. November 1898 stattfand, bereits entschieden. Während dieser Audienz verhielt sich Wilhelm II. kühl und zurückhaltend und äußerte sich nur ganz allgemein. Die offizielle Pressemeldung erwähnte die Begegnung des Kaisers mit der jüdischen Delegation nur ganz am Rande. Dagegen wurden die Herrschaft des Sultans über Palästina und die Wohlfahrt des Osmanischen Reiches hervorgehoben. Nur in diesem Sinne wurde das „wohlwollende Interesse" des Kaisers, das er der Hebung der Landwirtschaft in Palästina entgegenbrachte, erwähnt. 17 Obwohl Herzl seine Hoffnungen, Deutschland als Schutzmacht für den Zionismus in Palästina zu gewinnen, nicht sofort aufgab, wurden die Kontakte 1899 allmählich abgebrochen. Herzl hatte seit je Großbritannien als einen der entscheidendsten politischen Faktoren im

15

Vgl. H. und B. Ellern (Ed.), Herzl, Hecbler, The Grand Duke of Baden and tbe German Emperor 1896-1904 . . ., S. 48-53. 16 Vgl. T. Herzl, Tagebücher..., Bd. 2, S. 189 ff17 A. a. O., S. 222 ff. An der Audienz nahmen von zionistischer Seite außer Herzl auch Dr. Max Bodenheimer, David Wolfsohn, Ingenieur Seidener und D. Moritz Tobias Schnirer teil. Bereits in der landwirtschaftlichen Schule Mikwe Israel hatte Herzl den Kaiser begrüßt, der auf seiner Fahrt von Jaffa nach Jerusalem am 28. Oktober den Ort passierte.

Jüdische Einwanderung

und jüdischer Aufbau

35

Nahen Osten betrachtet. Dieser Großmacht galten seit früher Zeit viele seiner Sympathien. Bis zu seinem Tode im Jahre 1904 führte Herzl Verhandlungen mit der britischen Regierung. Die Zeit der britischen Orientierung in der zionistischen Strategie war angebrochen. Jedoch erst während des Ersten Weltkrieges wurden die Früchte dieser Orientierung geemtet. 18

Jüdische Einwanderung und jüdischer Aufbau in Palästina (1882-1914) Die Entwicklung Palästinas in den ersten acht Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, das heißt noch vor der modernen zionistischen Einwanderung, führte zu einer Erstarkung der jüdischen Gemeinden. Von nur 6000 Einwohnern zu Beginn des Jahrhunderts war die jüdische Bevölkerung bis zum Jahre 1880 auf 26000 angestiegen. 19 Bis zum 7. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, das heißt bis zur arabischen Eroberung im Jahre 637, war die Zahl der jüdischen Einwohner noch immer beträchtlich. 20 Die Juden lebten in ihren Dörfern in den verschiedenen Gegenden des Landes und bewohnten zum Teil auch die Städte. In den folgenden Jahrhunderten, und besonders während der Herrschaft der Kreuzritter in Palästina (1099-1291), schrumpfte die Anzahl der jüdischen Bevölkerung auf nur wenige Tausende zusammen. 21 Die osmanische Eroberung brachte eine große Änderung mit sich. Die osmanischen Sultane Suleiman der Prächtige (1520-1566) und Selim II. (1566-1574) ermöglichten es den Juden, das Land wieder zu besiedeln. Insbesondere vergrößerten die spanischen Juden - Sepharden genannt - die jüdische Bevölkerung des Landes. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts stieg die jüdische Einwohnerzahl auf 9000

Vgl. T. Herzl, Tagebücher . . ., Bd. 1-3, passim. ^ Zu Beginn des 19- Jahrhunderts betrug die Bevölkerung Palästinas 250000300000 Einwohner. Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. . ., Bd. 8, (hebr.), S. 155. 2 0 Vgl. Ya'acov Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. The Roman Byzantine Period. The Mishna and Talmud Period and the Byzantine Rule (70-640), Bd. 5, (hebr.), Jerusalem 1985, S. 323 f. 21 Vgl. Ya'acov Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. Under Moslem and Crusader Rule (637-1291), Bd. 6, (hebr.), Jerusalem 1981, passim. 18

36

III. Zionismus, jüdische Wiedergeburt

bis 10 000.22 Besondere Bedeutung kam der Stadt Safed in Galiläa zu. Hier wurde von Rabbi Josef Karo der „Schulchan Ha'aruch"23 redigiert und die „Kabbala"24 praktiziert. In den umliegenden Dörfern Galiläas blühte wieder jüdische Landwirtschaft, und jüdische Fischer waren von neuem am See Genezareth an der Arbeit. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde auch der Versuch unternommen, Tiberias wieder aufzubauen und zu einem jüdischen Zentrum zu entwikkeln 2 5 Im 17. Jahrhundert begann der Niedergang des Osmanischen Reiches. Lokale Mächte schwächten die Herrschaft der türkischen Zentralgewalt in den verschiedenen Teilen des ausgedehnten Reiches. Einfälle von Drusen und Beduinen in Galiläa beendeten die jüdische Blütezeit in Safed und Tiberias.26 Die Herrschaft Ibn Farukhs, des Paschas von Jerusalem, führte zu verheerenden Folgen für die jüdischen Einwohner dieser Stadt.27 Die jüdische Bevölkerung Palästinas begann wieder zu schrumpfen. Zwar brachte die Herrschaft des Beduinenscheichs Daher el-Omar28 in Galiläa eine Erleichterung für die Juden in diesem Teil des Landes - und von irgendwelchen Verfolgungen von Juden wurde auch während der Herrschaft seines Nachfolgers Achmed el-Jezzar29 nichts erwähnt von einer Neubelebung der jüdischen Lebenszentren bis zum Anfang des 19- Jahrhunderts konnte jedoch nicht mehr die Rede sein. Die jüdische Bevölkerung des Landes betrug zu jener Zeit, wie schon vorher bemerkt, ungefähr 6000 Seelen, darunter nicht mehr als 1000 in Jerusalem. Im 19. Jahrhundert erstarkte vor allem die jüdische Gemeinde Jerusalems, die bereits 1880 die absolute Mehrheit der Stadtbevölkerung

22 Vgl. Ya'cov Shavit (Ed.), The History of EretzIsrael. Under the Mamluk and Ottoman Rule (1260-1804), Bd. 7, (hebr.), S. 201 ff. Wahrscheinlich betrug die Gesamteinwohnerzahl Palästinas 250000 Seelen. Der „Schulchan Ha'aruch" war eine Zusammenfassung aller religiösen Gebote und Verbote, die von frommen Juden befolgt werden sollten. 24 Die „Kabbala" war eine jüdische mystische Geheimlehre, die ungefähr im 13. Jahrhundert ihren Anfang nahm und im Buch „Hasohar" ihre Grundlage sah. Die „Kabbala Hamaasit" (die „Kabbala der Tat") wurde in Safed praktiziert und sollte magischen Zwecken wie der Vertreibung von bösen Geistern dienen. 25 Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. . ., Bd. 7, S. 207 ff. 26 A. a. O., S. 210. 27 A. a. O., S. 214 f. 28 A. a. O, S. 119 ff. 29 A. a. O., S. 131 ff.

Jüdische

Einwanderung

und jüdischer

Aufbau

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ausmachte. 30 Der Anfang des jüdischen Jerusalems außerhalb der Mauern war dem englisch-jüdischen Philanthropen Sir Moses Montefiore zu verdanken, der Palästina im Laufe seines langen Lebens siebenmal besuchte. 31 Die jüdische Bautätigkeit und die Entwicklung des „Alten Jischuws" 32 begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 1856 wurde die „Laemel"-Schule in Jerusalem eröffnet, die von der Tochter eines der einflußreichsten Juden der Habsburger Monarchie, Simon von Laemel, zur Verewigung des Namens ihres Vaters gegründet worden war. Ende der fünfziger Jahre wurde in der Altstadt die „Churwa"Synagoge erbaut, die zu den bedeutendsten Gebäuden Jerusalems in jener Zeit gehörte. 1860 errichtete Moses Montefiore die „Mischkenot Scha'ananim", die sich unweit der Windmühle befanden, welche Montefiore schon vorher erbaut hatte. Von 1867 an entstanden neue jüdische Wohnviertel im Westen Jerusalems. 1888 wurde das „Rothschild"-Krankenhaus und 1902 beziehungsweise 1910 wurden die Krankenhäuser „Scha'arej Zedek" und „Bikur Cholim" fertiggebaut. 1891 wurde das erste jüdische Waisenhaus außerhalb der Mauern gegründet, dem 1907 das „Diskin"-Waisenhaus folgte. 1901 wurde das jüdisch-aschkenasische Altersheim aus der Altstadt in ein neues Gebäude in West-Jerusalem verlegt. 1914 gab es bereits 69 neue jüdische Wohnviertel im westlichen Teil Jerusalems mit 29 000 Einwohnern. 33 Weltliche Schulen innerhalb des „Alten Jischuws" haben sich anfangs nur schwer durchgesetzt. 1882 wurde in Jerusalem die erste Schule der „Alliance Israélite" in Palästina gegründet. Es war dies ein zweiter Versuch der „Alliance Israélite", nachdem ein erster sich gegen den Widerstand der orthodoxen Kreise nicht behaupten konnte. Die „Alliance Israélite" eröffnete weitere Schulen in Jaffa, Haifa, Safed

3 0 Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. . ., Bd. 8, S. 81, Verschiedenen Schätzungen zufolge hatte Jerusalem im Jahre 1880 31500 Einwohner, darunter 17 000 Juden. 31 A. a. O., passim. Zu Montefiore siehe Albert M. Hyamson, Moses Montefiore, bis Life and Times, London 1962. 3 2 Als „Alter Jischuw" wurde die jüdische Bevölkerung Palästinas der vorzionistischen Zeit bezeichnet. Dieser Begriff behielt seine Gültigkeit auch nach 1882. Man sprach demnach über den „Alten Jischuw" zum Unterschied vom „Neuen Jischuw". 3 3 Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. . ., Bd. 8, passim; D. Kroyanker/ D. Wahrman, Jerusalem Architecture- Periods and Styles, (hebr.), Jerusalem 1983, passim; Joshua Ben-Aryeh, The FirstJewish Quarters Erected outside the Old City Walls in the 1880's, in: Cathedra, (hebr.), 2 (1976), S. 20-58.

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III. Zionismus, jüdische Wiedergeburt

und Tiberias, die insbesondere bei den sephardischen Juden Anklang fanden. In diesen Schulen wurde Hebräisch, Arabisch und Türkisch unterrichtet und der französischen Sprache besondere Bedeutung beigemessen. 1903 begann der „Hilfsverein der Deutschen Juden" mit seiner Erziehungsarbeit in Palästina, indem er ein Netz von Kindergärten und Schulen in Jerusalem, Jaffa, Haifa, Safed und anderen Orten gründete. In den Schulen des Hilfsvereins war Hebräisch die Unterrichtssprache. Der deutschen Sprache wurde jedoch ein besonderer Platz zugewiesen. 34 Die zahlenmäßige Entwicklung des „Alten Jischuws" in den anderen drei Heiligen Städten35 kam nur langsam voran. Bedeutender war die jüdische Gemeinde in Safed. In Hebron behauptete sich eine kleine Gemeinde von ca. 1500 orthodoxen Juden trotz der feindlichen Haltung der moslemischen Mehrheit. Kleine jüdische Gemeinden gab es sowohl in den Küstenstädten Gaza, Akko und Haifa als auch in Samaria und in einigen wenigen Ortschaften in Galiläa. Zu einem bedeutenden jüdischen Zentrum entwickelte sich die kleine Gemeinde in Jaffa erst im Laufe der zionistischen Einwanderung. 36 1863 erschienen die ersten hebräischen Zeitungen in Palästina. Joel Moses Salomon gründete den Halevanon, nachdem er das Handwerk des Buchdrucks in kurzer Zeit in Deutschland erlernt hatte. Israel Bäk gab die Zeitung Chawazelet heraus. Beide Zeitungen stellten ihr Erscheinen nach kurzer Zeit jedoch ein. 1870 gab Bäk seine Zeitung erneut heraus, die dann im Laufe von vierzig Jahren die Entwicklung des Landes journalistisch widerspiegelte.37 Eine große Wende in der Geschichte des Landes trat 1882 ein, als kleine Gruppen von jungen Juden, von zionistischen Idealen bewegt, bei Jaffa landeten. Es waren dies die „Biluim",38mit welchen die erste

34 35

Vgl. Y. Shavit (Ed.), TheHistory of EretzIsrael. . ., Bd. 8, S. 247 f.

Mit den „Heiligen Städten" des Judentums in Palästina sind Jerusalem, Hebron, Tiberias und Safed gemeint. 36 37 38

Vgl. Y. Shavit (Ed.), TheHistory ofEretz Israel. . ., Bd. 8, S. 209 ffA. a. O., S. 299 f.

Vgl. Shulamit Laskov, The Büuim, Jerusalem 1979- Der Name „BUu" wurde aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der Losung „Haus Jakobs, wir wollen aufbrechen" gebildet. (Hebräisch: Beith Ja'akov lechu unelcha.)

Jüdische Einwanderung

und jüdischer Aufbau

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Einwanderungswelle von jüdischen Pionieren, als „Erste Alja"3^ bekannt, ihren Anfang nahm. 1882 wurden von diesen Pioniergruppen die ersten drei Siedlungen - Rischon Lezion unweit von Jaffa, Sichron Ja'akov am südlichen Hang des Karmelberges und Rosch-Pina in Obergaliläa - gegründet. 40 In den achtziger Jahren wurden sechs landwirtschaftliche Siedlungen errichtet, denen in den neunziger Jahren weitere folgten. Von 1899 bis 1914 kam es zu einem neuen Aufschwung der Pioniertätigkeit der jüdischen Siedler, der zur Entstehung von sechzehn Siedlungen führte. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges gab es bereits mehr als dreißig landwirtschaftliche jüdische Siedlungen in Palästina, die als „Moschawot" bekannt waren. 41 Erneute antisemitische Ausschreitungen und Pogrome in Rußland im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts führten zu einer neuen Einwanderungswelle nach Palästina, die als „Zweite Alja" bekannt wurde und bis 1914 anhielt. Die neuen Einwanderer standen zum großen Teil unter dem Einfluß sozialistischer Anschauungen verschiedener Schattierungen, die bei der jüdischen Jugend in Rußland damals verbreitet waren. In Palästina zogen sie es vor, ihren Idealen entsprechend als landwirtschaftliche Lohnarbeiter zu arbeiten. Die einzige landwirtschaftliche Gründung der Anhänger dieser Weltanschauung war Degania im Jordantal, das später zum Vorbild der Kibbutz-Bewegung wurde. 42 1905 entstand die erste jüdische Arbeiterpartei, die „Histadrut Hapoel Hazair" („Die Organisation der jungen Arbeiter"), die sich für die Schaffung von Arbeitsplätzen für jüdische Arbeiter einsetzte und den Klassenkampf innerhalb der jüdischen Gesellschaft verneinte. 1908 wurde eine zweite Arbeiterpartei, die „Poalej Zion" („Die Arbeiter Zions") gegründet, die den Marxismus und den Klassenkampf befürwortete, die theoretischen Grundlagen von Ber Borochov akzeptierte

Mit dem Wort „Alja" („Aufstieg") wurde die jüdische Einwanderung nach Palästina (Eretz Israel - Land Israel) benannt. Demgemäß wird die Auswanderung aus Palästina als Jerida" („Abstieg") bezeichnet. 4 0 Bereits 1878 wurde von jungen Leuten des „Alten Jischuws" die erste landwirtschaftliche Siedlung „Petach-Tikva" gegründet. Obwohl diese kurz darauf verlassen und anschließend nochmals besiedelt wurde, erhielt sie den Ehrentitel „Mutter der Moschawot". Vgl. Mordechai Eliav, TheBirth Painsof Petach-Tikva, in: Cathedra, (hebr.), 9 (1978), S. 3-25. 4 1 Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. . ., Bd. 8, S. 274 ff. 42 A. a. O., S. 290.

40

III. Zionismus, jüdische

Wiedergeburt

und für die Organisierung der jüdischen Arbeiter in den Städten eintrat.43 Die jüdische städtische Bevölkerung machte am Vorabend des Ersten Weltkrieges 85 Prozent der jüdischen Bevölkerung Palästinas aus. Zum Zentrum des „Neuen Jischuws", das heißt der jüdischen Einwanderer seit 1882, wurde die Stadt Jaffa. 1914 lebten in Jaffa zwischen 10000 und 15 000 Juden, die ca. 25-30 Prozent der Stadteinwohner ausmachten. Ab 1887 wurden von den Juden neue Wohnviertel in den Vororten Jaffas gegründet. Diese Tendenz, jüdische Wohnviertel zu errichten, führte zur Gründung der Stadt Tel Aviv, die ihren Anfang im „AchusatBait"-Viertel an der nördlichen Grenze Jaffas hatte. Bis zum Ersten Weltkrieg wurde Jaffa auch zum wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum des „Neuen Jischuws". Die jüdische Gemeinde verfugte über ein Krankenhaus, eine Bibliothek und eine hebräische Schule. 1903 wurde die erste Filiale der Anglo-Palestine-Bank eröffnet und 1908 das Palästina-Amt der Zionistischen Weltorganisation unter der Leitung des deutschen Zionisten Dr. Arthur Ruppin.44 Die neuen Einwanderungswellen und Gründungen von jüdischen Siedlungen führten zu einer Belebung des Handwerks und des Handels und zu den ersten Anfängen einer jüdischen Industrie. Allmählich änderte sich daraufhin auch das äußere Erscheinungsbild Palästinas. Aus den arabischen Nachbarprovinzen begann ein Zustrom von Arbeitsuchenden in das sich jetzt schnell entwickelnde Land. Diese wirtschaftliche Entwicklung Palästinas wurde in den Berichten aller konsularischen Vertretungen immer wieder hervorgehoben. Als besonderes Kennzeichen des „Neuen Jischuws" soll die Wiedergeburt der hebräischen Sprache bezeichnet werden. Hier muß die Rolle von Elieser Ben-Jehuda hervorgehoben werden, der 1882 nach Palästina eingewandert war und seinen ersten Lehrerposten bei Nissim Bechar, dem Direktor der „Alliance-Israelite"-Schule in Jerusalem, bekleidete. Ben-Jehuda forderte die Lehrer auf, alle Fächer in

Vgl. S. Avineri, Varieties of Zionist Thought. . ., S. 161-173. Ber Borochov versuchte, eine Synthese zwischen Zionismus und Marxismus zu begründen. 44 Vgl. Ruth Kark, The Jewish Community in Jaffa in the Late Ottoman Period, in: Cathedra, (hebr.), 16 (1980), S. 13-24; Arthur Ruppin, Der Aufbau des Landes Israel, Berlin 1919; ders., Memoirs, Diaries, Letters. Translated from the German by Karen Gershon, London-Jerusalem 1971, S. 8&-141.

Jüdische

Einwanderung

und jüdischer

Aufbau

41

Hebräisch zu unterrichten und die hebräische Sprache in eine Kulturund Umgangssprache zu verwandeln. Er selbst ging mit persönlichem Beispiel voran, indem er seine Familie zur „ersten hebräischen Familie" gestaltete. In den Jahren 1908-1909 veröffentlichte Ben-Jehuda den ersten Band seines Wörterbuches der hebräischen Sprache.45 Die Lehrer der neuen hebräischen Schulen betrachteten es als ihre Aufgabe, Träger der erneuerten hebräischen Sprache zu sein. Sie waren die Pioniere sowohl einer Kinderliteratur in hebräischer Sprache als auch der hebräischen Lehrbücher für ihre Schulen. 1903 wurde in Sichron-Yaacov der „Hebräische Lehrerverband" (der „Mercas Hamorim") gegründet. Schon 1908 wurde festgestellt, daß alle Schulen in den landwirtschaftlichen Siedlungen zu hebräischen Schulen geworden waren. Auf diese Weise wurde die hebräische Sprache zur natürlichen Umgangssprache der jungen Generation. Trotzdem hielt die erwachsene Bevölkerung an ihren gewohnten Sprachen fest. Um die hebräische Sprache zu fördern, beschlossen die beiden Arbeiterparteien auf ihren Parteitagen (1906 und 1908), Hebräisch als Nationalsprache anzuerkennen. 1908 stellten die „Poalej Zion" die Herausgabe ihrer Zeitung Anfang in Jiddisch ein, um zur Herausgabe ihrer neuen Zeitung Achdut („Einheit") in Hebräisch überzugehen.46 Als Zentrum des „Neuen Jischuws" wurde Jaffa auch zum Zentrum der neuen hebräischen Kultur. Hier spielte das „Hebräische Gymnasium" eine besondere Rolle. Das Gymnasium wurde zum Kulturzentrum der gesamten jüdischen Bevölkerung der Stadt. Es besaß den einzigen größeren Saal in Jaffa, und seine Lehrer waren auch die Träger der neuen Kultur. Vorträge, literarische Abende und Theateraufführungen fanden dort statt. Sie alle waren Zeugnisse der Anfänge der hebräischen Literatur, Kunst und Wissenschaft.47 Drei hebräische Buchdruckereien befanden sich in Jaffa, die Neuerscheinungen, Übersetzungen und die literarischen Zeitschriften Haomer und Moledet druckten. 1910 zog das Gymnasium in ein neues Gebäude in Tel Aviv um. 1913 hatte es bereits fünfhundert Schüler. Vierzig Prozent

4 5 Vgl. S. Avineri, Varieties of Zionist Thought. . ., S. 100-104; Ja'acov Felman, Eliezer Ben-Yehuda's Contribution to the Revival of the Hebrew Language, in: Cathedra, (hebr.), 2 (1976), S. 81-95. 4 6 Vgl. Y. Shavit (Ed.), The History of EretzIsrael. . ., Bd. 8, S. 30947 A. a. O., S. 311 f.

42

III. Zionismus, jüdische Wiedergeburt

der jüdischen Einwohner Palästinas betrachteten zu jener Zeit Hebräisch als ihre Hauptsprache. 48

Zionismus und deutsche Orientpolitik Die Beziehung der deutschen Reichsregierung zum Zionismus und zum jüdischen Aufbau in Palästina war nach der Orientreise Wilhelms II. von 1898 wesentlich zurückhaltender und kritischer als vorher geworden. Die offizielle Auffassung, daß die Ziele des Zionismus in Palästina denjenigen der deutschen Orientpolitik widersprachen, wurde fast als Axiom betrachtet. Dies fand auch in den Berichten der deutschen konsularischen Vertretungen in Palästina in immer größerem Maße seinen Ausdruck. Der deutsche Konsul in Jerusalem, Edmund Schmidt, wie auch die Vizekonsuln in Jaffa und Haifa wiesen auf die Gefahr hin, daß die deutsche Politik mit den Zielen des Zionismus verwechselt werden könnte. Diese Warnung bezog sich bereits 1906 auf das Gesuch Dr. Bodenheimers im Namen der ZVfD, die Genehmigung für die Benennung „zweier auf palästinensischem Boden anzupflanzender Ölbaumhaine mit dem Namen ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten" zu erhalten.49 Eine noch größere Gefahr für die deutsche Orientpolitik sah Edmund Schmidt in den Andeutungen des französischen Journal des Débats vom 11. Januar 1910, der Zionismus sei als ein „oeuvre surtout allemande" und als ein „instrument du Drang nach Osten dans la main de la colossale Germanie" zu betrachten. 50 Solche Andeutungen - meinte Schmidt - würden Mißtrauen gegenüber Deutschland bei den Türken wecken. 51 Einen ähnlichen Gedanken äußerte der Vizekonsul von Haifa, Dr. Julius Löytved-Hardegg, in seinem Bericht an den Reichskanzler Bethmann Hollweg vom 9. Mai 1913. Auf einen Artikel in der L'Asie française ([1912], Seite 395) hinweisend, meinte Löytved-Hardegg, daß es „unter den gegebenen Verhältnissen" nur zu erklärlich sei,

48

A. a. O., S. 310 f. Vgl. Konsul Edmund Schmidt an den Reichskanzler, 28. März 1906, Israelisches Staatsarchiv, Jerusalem (im folgenden ISA Zitiert), A 111/18. 50 Vgl. Konsul Edmund Schmidt an das A. A. durch Vermittlung der Kaiserlichen Botschaft, 21. Februar 1910 (nicht expediert als Material zu den Akten), ISA, A111/18. 51 Ebda.

Zionismus und deutsche Orienpolitik

43

wenn von fremden Politikern angenommen werde, daß der Zionismus „eine deutsche Organisation sei und deutschen Interessen im Orient diene". 52 Dabei wies der Haifaer Vi2ekonsul auf die kulturelle Affinität der an der Spitze der Zionistischen Weltorganisation stehenden deutschen Juden zur deutschen Kultur hin, die den Eindruck einer „deutschen Colonisation Sioniste" erwecken könnte, obwohl die Zionisten in Wirklichkeit politisch eher mit England und weniger mit Deutschland sympathisierten.53 Als weiterer Gegensatz zwischen den deutschen und den zionistischen Interessen in Palästina wurde von Edmund Schmidt und insbesondere von Löytved-Hardegg die Wiedergeburt der hebräischen Sprache betrachtet. Hier, meinte Edmund Schmidt, „widerstreben die Zionisten dem einzigen etwa in Betracht kommenden Interesse Deutschlands an der jüdisch-orientalischen Bewegung",54 da die einwandernden Juden durch den ihnen eigenen „deutschen Jargon" zur Ausbreitung der deutschen Sprache und zur Erweiterung der Handelsbeziehungen mit Deutschland beitragen könnten.55 Im Widerspruch zu diesen Interessen Deutschlands - meinte Schmidt - bekämpften die Zionisten diesen „deutschen Jargon", um an seiner Stelle die hebräische Sprache einzuführen.5^ Andererseits würdigten die konsularischen Vertreter Deutschlands in Palästina mit positiven Bemerkungen den Aufbau und die Tatkraft der jüdischen Pioniere. So meinte Löytved-Hardegg, daß die moralische Macht der jüdischen Nationalbewegung und ihre geschichtliche Notwendigkeit wie auch ihr „Zusammenhang mit den bestimmenden geistigen Mächten des vergangenen und dieses Jahrhunderts nicht zu verkennen" seien.57 Er wies auf die „großzügige und zähe kolonisatorische und kulturelle praktische Arbeit in Palästina" hin, welche von den Pionieren geleistet wurde. 58 Er fand auch, daß „die Vertreter der ,Arterhaltung'-Zionisten" mehr Achtung als die Vertreter der

5 2 Vgl. Dr. Löytved-Hardegg an den Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, 9. Mai 1913, ISA, A 111/18.

53

54

55

Ebda. Vgl. Schmidt an das A. A., 21. Februar 1910, ISA A 111/18.

Ebda. 56 Ebda. Vgl. Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176334-33957

58

Ebda.

44

III. Zionismus, jüdische Wiedergeburt

„,Artzerstörung'-Assimilationsjuden" verdienten und schloß seine Bemerkung mit dem Bekenntnis, „daß die Ersteren als Vertreter einer höheren entwicklungsfähigen Idee immer mehr Einfluß im ganzen Judentum gewinnen werden".

59

Ebda.

VIERTES KAPITEL

Von der politischen Umorientierung der Juden Deutschlands bis zum „Hilfsverein der Deutschen Juden" Die Krise der deutsch-jüdischen Beziehungen nach 1879 und ihre Folgen Die antiliberale Entwicklung seit 1878 wurde für die Juden Deutschlands zum Schicksal. Den judenfeindlichen Kundgebungen stellten sich weder Bismarck noch der rechte Flügel der Nationalliberalen entgegen. Es darf wohl angenommen werden, daß der Antisemitismus eher von Bismarck manipuliert wurde, um die liberale Bewegung in Deutschland zu schwächen. 1880 begann in Deutschland eine antisemitische Petitionsbewegung mit der Forderung, die Gleichberechtigung der Juden rückgängig zu machen. Obwohl die antisemitischen Parteien1 im allgemeinen nur begrenzten Einfluß besaßen, führte jedoch die stete und unbehinderte antisemitische Hetze zur Ausbreitung und Vertiefung der bereits latent vorhandenen antisemitischen Vorurteile und Gefühle bei breitesten Schichten der deutschen Bevölkerung. Diese Erfolge der Antisemitenparteien lösten Bestürzung und Betroffenheit in jüdischen Kreisen aus und mußten den deutsch-jüdischen Bürgern, die die jüdische Frage in Deutschland im Sinne der Gleichberechtigung und der kulturell-politischen Integration als gelöst betrachtet hatten, als Warnung dienen. 2

1 Gemeint sind hier vor allem Adolf Stöckers „Christlich-soziale Arbeiterpartei" und Wilhelm Marrs „Antisemiten-Liga", die 1879, resp. 1880 gegründet wurden. 2 Vgl. Jacob Toury, Die politischen Orientierungen der Juden in Deutschland, Tübingen 1966, S. 170 ff.; UrielTal, Christians andJews in the „Second Reich" (18701914), (hebr.), Jerusalem 1969, passim; ders., Religions and Anti-Religious Roots of Modern Anti-Semitism, 1971, passim.

46

IV. Von der politischen Umorientierung der Juden

Die „Sezession" der Linksliberalen von der Nationalliberalen Partei im Jahre 1880, die Gründung der „Deutschfreisinnigen Partei" 1884 und der Zerfall des Linksliberalismus 1893 in die „Freisinnige Vereinigung" und die „Freisinnige Volkspartei" stellten Stationen des Niedergangs der liberalen Bewegung in Deutschland dar.3 Für die Juden Deutschlands bedeutete dies das Ende der Weggemeinschaft mit dem Nationalliberalismus, die Notwendigkeit einer politischen Umorientierung und den Übergang der meisten Juden in das freisinnige Lager. 4 Doch selbst angesichts des sich ausbreitenden Antisemitismus beharrten die Juden darauf, Deutsche zu sein, und sie versuchten auch, den Kampf gegen den Antisemitismus als eine politische Angelegenheit Deutschlands zu betrachten. 5

Antisemitismus und jüdische Vereinigungen in Deutschland Das Erstarken des Antisemitismus, die beginnende Vertrauenskrise zwischen den Juden und der linksliberalen Bewegung und die Spaltung innerhalb des freisinnigen Lagers 1893 bestimmten die Dynamik der politischen und weltanschaulichen Neuorientierung der Juden Deutschlands. 1893 wurde in Berlin der „Centrai-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" (CV) gegründet, der in bedeutendem Maße zum jüdischen Solidaritätsbewußtsein beitrug. Die Gründdung des CV stellte eigentlich nicht den ersten organisatorischen Versuch dar, spezifisch jüdische Interessen zu verteidigen. Schon 1869 war in Leipzig der „Deutsch-Israelische Gemeindebund" gegründet worden, der 1882 den Sitz seiner Zentrale von Leipzig nach Berlin verlegte und ungefähr zwölfhundert jüdische Gemeinden gegenüber den staatlichen und munizipalen Behörden vertrat.6 1882 wurde die „Deutsche Reichsloge" in Berlin gegründet, und 1885 wurden die zwölf

3

Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Das Deutsche Kaisereich 1871-1918, Göttingen 1983, S. 81 f. 4 Vgl. J. Toury, Die politischen Orientierungen der Juden in Deutschland. . ., S. 174 ff. Allerdings blieb ein großer Teil der einflußreichsten Juden den Nationalliberalen treu, wobei im Laufe der Krise der Linksliberalen auch eine Hinwendung zur Sozialdemokratie erfolgte. 5 A. a. O, S. 203 f. ^ Vgl. Jehuda Reinharz, Fatherland or Promised Land. The Dilemma ojthe German Jew, 1893-1914, The University of Michigan Press 1975, S. 11 ff.

Antisemitismus und jüdische Vereinigungn in Deutschland

47

bestehenden Logen in der Großloge „Der Orden Bnei Briss in Deutschland" vereint.7 In den achtziger Jahren entstanden die ersten jüdischen Studentenvereine, die sich 1896 in dem „Kartell Convent deutscher Studenten jüdischen Glaubens" (KC) zusammenschlössen. 8 1891 wurde der „Verein zur Abwehr des Antisemitismus" gegründet, dem jüdische und deutsche Politiker und Akademiker wie Eugen Richter, Heinrich Rickert, Rudolf von Gneist und Theodor Mommsen angehörten. 9 Ein Jahr später wurde ein jüdisches „Komitee zur Abwehr antisemitischer Angriffe" ins Leben gerufen, dem unter anderen Prominenten auch James Simon und Paul Nathan angehörten. Mit der Gründung des „Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" 1893 sollte jedoch angesichts der immer drohenderen Gefahr des Antisemitismus eine allumfassende deutschjüdische Organisation ins Leben gerufen werden. 10 Diese betrachtete es als Hauptaufgabe, die Rechte der deutschen Bürger jüdischen Glaubens zu verteidigen, ihre Gefühle der Zugehörigkeit zum deutschen Volk zu stärken und die deutsche Gesinnung bei ihren Mitgliedern zu pflegen. Obwohl der CV anfangs auf eine gewisse Zurückhaltung bei der deutsch-jüdischen Öffentlichkeit stieß, konnte nach nur wenigen Jahren festgestellt werden, daß er bei fast allen jüdischen Gemeinden Deutschlands Unterstützung gefunden hatte. Von 2000 Mitgliedern im Jahre 1894 stieg die Mitgliederzahl auf 16 000 im Jahre 1903 und auf ca. 38 000 im Jahre 1914. Von 1895 an gab der CV die Monatsschrift Im Deutschen Reich (IDR) heraus, die nicht nur für eine jüdische Leserschaft gedacht war, sondern sich auch an das allgemeine deutsche Publikum wandte. In dieser Monatsschrift - wie auch in seinen anderen Publikationen - versuchte der CV, eine Synthese zwischen Deutschtum und Judentum im Sinne einer deutschen Gesinnung zu begründen. Der CV betrachtete die deutschen Bürger jüdischen Glaubens eben als „eine Farbe im vielfältigen Gemälde des deutschen Volkes", wie Eugen Fuchs dies so bildlich in

7 8

A. a. O., S. 27 f. A. a. O, S. 30 ff.

^ A. a. O., S. 35. Die Gründungsurkunde des „Vereins zur Abwehr des Antisemitismus" wurde von 535 prominenten deutschen Christen unterzeichnet. Bereits 1892 Zählte der Verein 13 000 Mitglieder. 10 A. a. O., S. 37 ff.

48

IV. Von der politischen Umorientierung der Juden

einer Ansprache in der Hauptversammlung des CV im Jahre 1913 ausdrückte. 11 Die weltanschaulichen Grundsätze des Central-Vereins wurden von der großen Mehrheit der deutschen Juden geteilt. Jedoch zu Beginn der neunziger Jahre machte sich auch eine andere Reaktion auf den Antisemitismus in Deutschland innerhalb des deutschen Judentums bemerkbar. Diese Reaktion war von den zionistischen Anschauungen der in Deutschland studierenden russisch-jüdischen Studenten beeinflußt, die 1889 den „Russisch-Jüdischen Wissenschaftlichen Verein" in Berlin gründeten. 12 Zwei Jahre später rief Heinrich Löwe, der als einziger deutsch-jüdischer Student dem russisch-jüdischen Verein angehörte, die deutsch-jüdische Studentenvereinigung ,Jung-Israel" ins Leben.13 1893 gründete Max Oppenheimer in Berlin die Jüdische Humanitätsgesellschaft", in welcher so mancher zukünftige Führer des deutschen Zionismus sein politisches Debüt gab. 14 In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Köln unter Max Bodenheimer und David Wolfsohn zum Zentrum der zionistischen Bewegung in Deutschland. 1894 wurde die „National-Jüdische Vereinigung in Köln" gegründet, die ihren Namen im Juli 1897 in „Nationaljüdische Vereinigung für Deutschland" änderte und im Oktober desselben Jahres den endgültigen Namen „Zionistische Vereinigung für Deutschland" (ZVfD) annahm. Bis 1910 blieb Köln das Zentrum der ZVfD. In diesem Jahre wurde das Zentralbüro der ZVfD nach Berlin verlegt. Als erster Präsident der ZVfD amtierte Max Bodenheimer. Ihm folgte Arthur Hantke, der 1910 zum zweiten Präsidenten gewählt wurde. 15

11

A a. O., S. 47 ff. Eugen Fuchs gehörte zu den Führern des CV und galt auch als dessen Ideologe. Er zählte auch zu den Gründern des „Verbandes der deutschen Juden". Der Ausspruch von Eugen Fuchs ist bei J. Reinharz, a. a. O., S. 77, angeführt. 12 Vgl. Richard Lichtheim, Die Geschichte des deutschen Zionismus, Jerusalem 1954, S. 103 f. Dem „Russisch-Jüdischen Wissenschaftlichen Verein" gehörten Leo Motzkin, Schmarja Levin, Joseph Lurje, Nachman Syrkin, Victor Jacobson und danach Selig Soskin und Chaim Weizmann an, die alle später eine herausragende Rolle in der Geschichte des Zionismus spielten. 13 A. a. O., S. 116 f. Siehe auch Egmont Zechlin, Die deutsche Politik und die Juden im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1969, S. 63 ff. 14 Vgl. R. Lichtheim, Die Geschichte des deutschen Zionismus . . ., S. 118 ff. 15 A. a. O., passim. Siehe auch J. Reinharz, Fatherland and Protnised Land . . ., S. 97 ff.

Antisemitismus und jüdische Vereinigungen in Deutschland

49

Obwohl die ZVfD bis zum Ersten Weltkrieg zur einflußreichsten Föderation der zionistischen Weltbewegung gehörte und die leitenden Persönlichkeiten des deutschen Zionismus auch die leitenden Ämter der zionistischen Weltbewegung innehatten, war ihr zahlenmäßiger Anteil wie auch ihr weltanschaulicher Einfluß innerhalb des deutschen Judentums ziemlich gering. Nichtsdestoweniger konnte die ZVfD ein Wachstum ihrer Mitgliederzahl von 6200 im Jahre 1910 auf 8400 im Jahre 1912 und auf 9800 im Jahre 1914 verzeichnen.16 Der CV und die ZVfD schienen bis 1912 trotz aller weltanschaulichen Unterschiede in friedlicher Koexistenz zu leben. Eine ganze Reihe von Mitgliedern der ZVfD gehörte auch dem CV an. Obwohl die deutschen Zionisten sich ideologisch mit den osteuropäischen Zionisten identifizierten und eine zionistische Lösung für die in Osteuropa verfolgten Juden anstrebten, dachten wohl nur ganz wenige unter ihnen an eine persönliche zionistische Verwirklichung in Palästina.17 Eine Radikalisierung der ZVfD trat erst mit der Wahl von Kurt Blumenfeld zum Sekretär der ZVfD im Jahre 1909 ein, und besonders nach dem Posener Delegiertentag von 1912, auf welchem der Beschluß gefaßt wurde, jeden deutschen Zionisten zu verpflichten, die Einwanderung nach Palästina für sich selbst zu erwägen.18 Die Radikalisierung der ZVfD fand auch in der zionistischen Publizistik ihren Ausdruck, die von 1910 an durch die Herausgabe des Zionistischen Merkblattes, des Zionistischen A-B-C-Buches und anderer Schriften den Versuch machte, das Interesse für den Zionismus in breiteren jüdischen Kreisen zu wecken. Die Jüdische Rundschau (JR), die bis 1902 unter dem Namen Israelitische Rundschau erschienen war, blieb auch weiterhin das offizielle Organ der ZVfD und trug das Ihre zur Radikalisierung des deutschen Zionismus bei.1^ Die radikale Entwicklung innerhalb der ZVfD hatte eine heftige Reaktion der deutsch-jüdischen nichtzionistischen Organisationen zur Folge und führte zu einem völligen Bruch zwischen dem CV und der ZVfD. Der CV begann den Kampf gegen die ZVfD mit allen Mitteln zu führen. Die ZVfD sah keine Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit

^ Vgl. R. Lichtheim, Die Geschichte des deutschen Zionismus . . ., S. 178 ff. 17 Vgl. J. Reinharz, Fatherland orPromised Land. . ., passim. 1 8 Vgl. Kurt Blumenfeld, Erlebte Judenfrage. Ein Vierteljahrhundert deutscher Zionismus, Stuttgart 1962, S. 59 ff-; siehe auch J. Reinhaß, Fatherland or Promised Land. . ., S. 152 ff. 1 9 Vgl. a.a. O., S. 154.

50

IV. Von der politischen

Umorientierung

derJuden

dem CV mehr und sagte ihrerseits diesem den Kampf an. Die Lage verschlimmerte sich auch dadurch, daß der „Sprachenstreit" in Palästina, der den „Hilfsverein der Deutschen Juden" und das Technikum in Haifa betraf, die ideologische Auseinandersetzung zwischen dem CV und der ZVfD zusätzlich verschärfte.20

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele Im Unterschied zum „Centrai-Verein" und zur „Zionistischen Vereinigung für Deutschland", die am Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf den Antisemitismus und im Rahmen einer politischen Neuorientierung auf der Suche nach einer entsprechenden Lösung für das deutsche Judentum waren, wandte sich der „Hilfsverein der Deutschen Juden" den Problemen der Juden jenseits der Grenzen Deutschlands zu. Der Hilfsverein war von Anfang an ein jüdischphilanthropischer Verein, der sich bemühte, den Juden Osteuropas und des Orients konstruktiv zu helfen. Obwohl die Initiative zur Gründung des Hilfsvereins ausschließlich von deutsch-jüdischer Seite ausging, war die zeitliche Übereinstimmung der Gründung des Hilfsvereins mit dem Ausbau der wilhelminischen Türkeipolitik wohl kein Zufall. Bereits am 21. September 1898, also am Vorabend der berühmten Orientreise Wilhelms II., wandte sich Dr. Paul Nathan an den deutschen Journalisten Arthur Ernst von Huhn, um ihm seinen Plan zur Gründung eines „Deutschen Schulvereins für die Juden des Orients" darzulegen. 21 In seinem Schreiben ging Paul Nathan von folgenden Gesichtspunkten aus: a. Nach 1870 sei es von den deutschen Juden „als eine Anomalie" empfunden worden, daß „die Förderung der Kultur in den barbarischen und halbbarbarischen Ländern" über die „Alliance Israélite", das heißt über Paris, erfolge; b. wegen des starken Zustroms polnischer Juden nach Palästina, die bereits ein „verdorbenes Deutsch" sprächen, sei es nur natürlich, diesen „einen guten Unterricht in der deutschen Sprache" zu erteilen,

20

A. a. O., S. 206 ff. Vgl. Schreiben von Dr. Paul Nathan an Arthur Ernst von Huhn vom 21. A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 1, 175925-927. 21

1898.

Der „ Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele

51

um ihnen „die Anteilnahme an dem geistigen und wirtschaftlichen Leben Europas" zu ermöglichen; c. dies sie um so berechtigter, als „deutsche Industrie und deutscher Handel beständig im türkischen Orient an Boden gewännen, „während der französische wirtschaftliche Einfluß bereits stark zurückgegangen" sei; somin könnten der deutschen Sprache und der deutschen Gesinnung neue Stützpunkte und „den deutschen Handelsbeziehungen in jenen Gegenden weitere Möglichkeiten der Anknüpfung" gewonnen werden. Ferner wies Paul Nathan darauf hin, daß die Gründung des geplanten Schulvereins allerdings vom wohlwollenden Verhalten und von der Fürsorge und Protektion der Reichsregierung abhänge, wie sie „ein patriotisches und humanitäres Unternehmen in fremden Ländern im Allgemeinen erhoffen" dürfe. 22 Der Bitte Paul Nathans gemäß wurde sein Schreiben an das Auswärtige Amt weitergeleitet. Ein Beamter des A. A. merkte an: „S. Ex. sprach sich dahin aus, daß Hn. Nathan zur Zeit wohl eine wohlwollende, aber allgemein gehaltene Antwort zu geben sein würde." 2 3 Diese Bemerkung bezog sich wohl auf das Gutachten des deutschen Botschafters in Konstantinopel, Adolf Marschall von Bieberstein, das dieser in einem Schreiben an den Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst vom 30. August 1900 abgegeben hatte. Dieses Gutachten basierte auf dem Bericht des deutschen Konsuls in Jerusalem, Dr. Friedrich Rosen, und betraf die Zweckmäßigkeit eines „Deutschen Schulvereins für die Jugend des Orients". Seine Thesen lauteten: a. ein deutscher Schulverein für die Juden des Orients würde „einem wirklichen Bedürfnisse entgegenkommen"; b. vier Fünftel der gesamten Juden Palästinas benutzten den „bekannten jüdisch-deutschen Jargon als Muttersprache", während für „eine Anleitung zum mündlichen und schriftlichen Gebrauch eines besseren und gemeinverständlichen Deutsch . . . so gut wie gar nicht gesorgt" werde; c. während der Unterricht der deutschen Sprache vernachlässigt werde, werde „durch Bestrebungen innerhalb wie außerhalb der jüdischen Gemeinden die Erlernung fremder Sprachen, besonders der französischen und der englischen, gefördert"; 22 23

Ebda. Ebda.

52

IV. Von der politischen Umorientierung der Juden

d. die Verbreitung der französischen Sprache habe „die Bevorzugung Frankreichs als Bezugsland für Einfuhrwaren" zur Folge; e. die Verbreitung deutscher Sprachkenntnisse würde den Juden Palästinas „die Anknüpfung von Handelsbeziehungen mit Deutschland wesentlich erleichtern", während die stärkere Ausbreitung und Vorherrschaft der französischen Sprache im Orient „nach einer Seite wenigstens eingedämmt werden" würde. Infolgedessen kam Marschall von Bieberstein zu der eindeutigen Schlußfolgerung: „Ich glaube mich der vorstehenden Äußerung des Kaiserlichen Konsuls in Jerusalem dahin anschließen zu sollen, daß auch ich es im Interesse des Ansehens der deutschen Sprache und der Ausbreitung des deutschen Handels für erwünscht halten möchte, wenn den angeregten Gedanken in vorsichtiger Weise nähergetreten würde." 24 Paul Nathan wußte, daß die Botschaft in Konstantinopel und die entsprechenden Konsulate nach ihrer Meinung gefragt wurden. Er wartete geduldig auf eine Reaktion des Auswärtigen Amtes. Diese erfolgte im Herbst 1900. Dem Auswärtigen Amt schien es politisch zweckmäßig, einen deutsch-jüdischen Schulverein im Orient zu unterstützen. 25 Ein Vorbereitungskomitee aus dreiundzwanzig Mitgliedern trat am 20. Mai 1901 in Berlin zusammen und beschloß, den Verein zu gründen, der den Namen „Hilfsverein der Deutschen Juden" erhalten sollte. Die Gründungsversammlung fand am 28. Mai 1901 ebenfalls in Berlin statt, in Anwesenheit einer großen Anzahl von Teilnehmern. Die Mitglieder des Vorbereitungskomitees waren alle ausschließlich jüdische Bürger der Stadt Berlin. Bei der Gründungsversammlung am 28. Mai waren bereits zahlreiche Teilnehmer aus anderen Städten Deutschlands vertreten.26 Eugen Landau, Bankier und spanischer Generalkonsul, saß im Präsidium. Dr. Paul Nathan hielt die Eröffnungsrede, in welcher er die humanitären Ziele des Hilfsvereins hervorhob. 27 Eugen Landau wurde zum Präsidenten und Dr. Paul Nathan

24 Vgl. Botschafter Marschall von Bieberstein an Reichskanzler Hohenlohe-Schillingsfürst vom 30. August 1900, A. A./JT 195, K 176006-013. 25 Vgl. Ernst Feder, Paul Nathan. Ein Lebensbild, Berlin 1929, S. 76. Vgl. Erster Geschäftsbericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden [im folgenden . . . GB des Hilfsvereins zitiert], Berlin 1903, S. 6. 27 Ebda.

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele

53

zum Geschäftsführer gewählt. Ein Jahr später wurde Eugen Landau von James Simon als Präsident abgelöst.28 James Simon gehörte der verhältnismäßig kleinen Gruppe von deutschen Juden an, die besonders einflußreiche Firmen in der Industrie, im Handel und im Bankwesen vertraten. In der Zeit Wilhelms II. hatten diese Zutritt zum Kaiser und waren als „Kaiserjuden" bekannt. 29 James Simon, 1851 in Berlin geboren, zeigte bereits seit seiner frühesten Jugend eine Vorliebe für das klassische Altertum. Kennzeichnend für den erfolgreichen Kaufmann waren seine Geschäftstüchtigkeit, seine Großzügigkeit und das Interesse für seine Mitmenschen. Er soll von seinen Zeitgenossen als die Personifizierung des Ideals eines „deutschen Kaufmanns" betrachtet worden sein, das heißt gut informiert, reell und geradlinig.30 Unter seiner Leitung wurde das Familienunternehmen „Offene Handelsgesellschaft Gebrüder Simon, Baumwoll-Großhandel" zu einem Weltkonzern, der vor dem Ersten Weltkrieg zu den größten Steuerzahlern der Stadt Berlin gehörte. 31 James Simon galt als berühmter Kunstkenner, Kunstsammler und Musikliebhaber. Als Wilhelm von Bode, der Direktor der Gemäldegalerie, 1904 das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin eröffnete, stiftete James Simon dem Museum Kunstwerke, die in einem besonderen Katalog der Königlichen Museen zu Berlin von 1904 als

28

Vgl. Zweiter GB des Hilfsvereins, Berlin 1904. Vgl. J. Toury, Die politischen Orientierungen der Juden in Deutschland. . ., S. 239 ff-; Werner E. Mosse, Wilhelm II. and the Kaiserjuden. AProblematicalEncounter, in: Jehuda Reinharz/Walter Schatzberg (Eds.), TheJewish Response to German Culture. From the Enlightenment to the Second World War, Hannover-London 1985, S. 164-194. Toury nennt als wichtigste unter den „Kaiserjuden" Albert Ballin, Eduard Arnhold, James Simon, Carl Fürstenberg, Ludwig Max Goldberger, Emil Rathenau und seinen Sohn Walther. In zweiter Linie rechnet Toury auch Georg Solmssen ( - Salomonsohn), Wilhelm Herz, Max Steinthal, Maximilian Kempner, Max M. Warburg, Heinrich Grünfeld, Benjamin Liebermann und die getauften Juden Franz von Mendelssohn und Fritz Friedländer-Fuld zu dieser Kategorie. 30

Vgl. James Simon - Industrialist, Art Collector, Philanthropist, Compiled from Various Sources, in: Leo Baeck Institute, Year Book (im folgenden LBIYB zitiert), 13 (19Ö5), S. 3-23- Der Aufsatz wurde von Dr. Ernst Feder begonnen, jedoch aus Gesundheitsgründen von ihm nicht zu Ende geschrieben. Der Artikel wurde danach aus verschiedenen Quellen kompiliert, wobei als Grundlage die Aufzeichnungen Emst Feders dienten, welche von Frau Erna Feder zur Verfugung gestellt wurden. Ernst Feder starb 1964. 31 A. a. O, S. 10.

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IV. Von der politischen Umorientierung

der Juden

„Sammlung von Renaissance-Kunstwerken gestiftet von Herrn James Simon zum 18. Oktober 1904" vermerkt waren.32 James Simons Interesse für das Altertum brachte ihn zur „Deutschen Orient-Gesellschaft", an deren Gründung er 1898 teilnahm. Er bedachte die Gesellschaft mit großzügigen Geldspenden, indem er die Kosten für die Ausgrabungen in Jericho und Galiläa ganz übernahm und die Ausgrabungen in Tel el Amarna, Ägypten und in Babylonien mitfinanzierte.33 Über die „Deutsche Orient-Gesellschaft" kam James Simon mit dem Kaiser in Kontakt, dessen Interesse für die Orient-Gesellschaft er zu wecken verstand. Wilhelm II. achtete und schätzte den Geist, die Selbstlosigkeit und die Bescheidenheit von James Simon. Die Freundschaft, die der Kaiser James Simon entgegenbrachte, wurde mit Interesse und mit Hoffnung von der jüdischen Öffentlichkeit verfolgt.34 Die philanthropischen Aktivitäten von James Simon waren vielseitig. Besonders viel hat er für die Armen seiner Heimatstadt Berlin getan. Er widmete auch den Bedürftigen unter den Juden große Aufmerksamkeit und kam auf diese Weise zum Hilfsverein, dem er 31 Jahre lang, bis zu seinem Lebensende im Jahre 1932, präsidierte.35 Obwohl die Rolle James Simons bei den Aktivitäten des Hilfsvereins bedeutend war, galt Paul Nathan als die treibende Kraft des Vereins. Paul Nathan wurde 1857 in Berlin als Sohn eines Berliner Bankiers mit künstlerischen Neigungen geboren. Nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1877 verließ er die kaufmännische Laufbahn, um sich dem Studium und dem Journalismus zu widmen. Sein Debüt als Journalist gab er bei der Berliner Bürger-Zeitung und beim Berliner BörsenCourier. Er studierte in Berlin und in Heidelberg, wobei er in Berlin Vorlesungen von Gneist, Treitschke und Dühring hörte und in Heidelberg Archäologie, Alt-Französisch und Germanistik als Studienfächer wählte. Seine Dissertation war dem Thema „Studien zum

32 A. a. O., S. 14 f. 1920 stiftete James Simon dem „Neuen Deutschen Museum" seine Sammlung Deutscher Kunst (Mittelalter und Renaissance), die drei Museumsräume füllten und James Simon Kabinette" genannt wurden. Siehe auch Karl Schwarz, Kunstsammler, in: Juden im deutschen Kulturbereich. Ein Sammelwerk, Berlin 1962, S. 121. 3 3 Vgl. James Simon- Industrialist, Art Collector, Philanthropist. . ., S. 16 ff. 34 A. a. O., S. 6 ff. 35 A. a. O., S. 18.

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele

55

Gargantua und Pantagruel von Francois Rabelais" gewidmet. Sein mündliches Examen bestand er insigni cum laude. 36 Nach seiner Rückkehr nach Berlin im Jahre 1881 schloß sich Paul Nathan den bekannten Führern des deutschen Liberalismus Eduard Lasker (1829-1884) und Ludwig Bamberger (1823-1899) an, die seine politischen Mentoren wurden. 1882 wurde er als Redakteur der neuen Tageszeitung Tribüne angestellt. Von 1883 an schrieb er für die Nation, die von Theodor Barth (1849-1909) als Wochenschrift für Politik, Wirtschaß und Literatur herausgegeben wurde. Zwei Jahre später wurde er Redakteur dieser Wochenschrift.37 Mit den Arbeiten für die Nation machte sich Paul Nathan einen Namen als Journalist. Er verfaßte einen ausführlichen Bericht über den antisemitischen Ritualmordprozeß von Tisza-Eszlar, der 1882 stattgefunden hatte, und über den zehn Jahre späteren Xantener Fall im Rheinland. Obwohl Paul Nathan die Abwehr des Antisemitismus als eine deutsche Angelegenheit betrachtete, als einen Kampf für Demokratie, Recht und Kultur, wurde er durch die Entwicklung in Deutschland immer häufiger auf das Problem der Juden und den Antisemitismus aufmerksam gemacht. 38 In zwei bedeutenden Aufsätzen behandelte er die Kriminalität der Juden in Deutschland39 und das Thema der Juden als Soldatenf0 um ungerechte Angriffe zurückzuweisen. Beide Abhandlungen wurden vom „Komitee zur Abwehr antisemitischer Angriffe in Berlin" veröffentlicht. 1903 trennte sich Paul Nathan von der Nation. Ein Vermächtnis seiner Cousine, der Baronin Julie von Cohn-Oppenheim, die 1903 starb, 36

Vgl. E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 4 ff.; ders., Paul Nathan. The Man and bis Work, in: Publications of the Leo Baeck Institute of fews frorn Germany. Year Book, 3 (1958), S. 60 ff. 37 Vgl. E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 27 ff. Die Nation Zählte zu den besten politischen Zeitschriften Deutschlands. Sie brachte Beiträge von Alexander Meyer, Heinrich Homberger, Max Broemel, Carl Aldenhoven, Ludwig Bamberger, Theodor Mommsen, Rudolf Virchow, Lujo Brentano und später von Hugo Preuß, Georg Gothein und Ludo Hartmann. 38 Vgl. E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 71 ff.; siehe auch E. Feder, Paul Nathan. The Man and his Work. . ., S. 66. 39 Vgl. Paul Nathan, Die Kriminalität der Juden in Deutschland, hrsg. vom „Komitee zur Abwehr antisemitischer Angriffe in Berlin", in: Siegfried Cronbach (Hrsg.), Die Juden in Deutschland, Bd. 1, Berlin 1896. 40 Vgl. Paul Nathan, DieJuden als Soldaten, hrsg. vom „Komitee zur Abwehr antisemitischer Angriffe in Berlin", in: Siegfried Cronbach (Hrsg.), DieJuden in Deutschland, Bd. 2, Berlin 1896.

56

IV. Von der politischen

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der

Juden

hatte ihn finanziell unabhängig gemacht. Er beschloß, sich seinen anderen Aktivitäten zu widmen, unter welchen der Hilfsverein einen ganz besonderen Platz einnahm. 1907 wurde die Nation von Theodor Barth eingestellt.41

Die dringlichste Aufgabe des Hilfsvereins bestand in der Bekämpfung der Not der russischen Juden, die mit den Pogromen in Kischinew während der Osterfeiertage 1903 begonnen hatte und sich in Hornel, in Weißrußland, fortsetzte. Angesichts der zunehmenden Auswanderung russischer Juden über Deutschland organisierte der Hilfsverein Registrierungsstationen, Schutzkomitees und die Beförderung der jüdischen Emigranten nach Amerika. Im Laufe von zehn Jahren sollen auf diese Weise vom Hilfsverein ca. 200 000 jüdische Auswanderer aus Osteuropa über Deutschland in Einwanderungsgebiete in Übersee weitergeleitet worden sein. Nachdem die russische Revolution von 1905 ausgebrochen war, reiste Paul Nathan nach Rußland, besuchte Petersburg, Moskau, Kiew und Odessa und traf sich mit dem Ministerpräsidenten Graf Witte und dem Innenminister Fürst Obolenski, um eine Erleichterung für die Lage der Juden Rußlands durchzusetzen. Im August 1906 ging Paul Nathan ein zweites Mal nach Rußland. Im Juli hatten in Odessa antijüdische Ausschreitungen stattgefunden. Paul Nathan traf sich diesmal mit dem neuen Ministerpräsidenten Stolypin und mit Finanzminister Kokowzew. Im September desselben Jahres fanden jedoch neue Pogrome in Warschau statt, bei welchen ungefähr einhundert Juden ums Leben kamen und einige Hunderte verwundet wurden. Die Interventionen des Hilfsvereins hatten nur wenig Erfolg. Selbst die bescheidenen Vorschläge des russischen Ministerrats vom 31. Dezember 1906 wurden von Zar Nikolaus II. abgelehnt.42 Im Jahre 1907 reiste Paul Nathan nach Rumänien, wo der Bauernaufstand vom März desselben Jahres von der rumänischen Regierung in eine antisemitische Richtung gelenkt wurde. In seiner Hilfsaktion in

Vgl. E. Feder, Paul Nathan. . ., S. 64 ff. Vgl. S. M. Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes. . ., Bd. 3, 4. Abt., S. 450 ff.; E. Feder, Paul Nathan . . S. 77 ff.; Gedenkschrift für Dr. Paul Nathan. Jahresbericht für 1926, Berlin 1927, S. 16. 41

42

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele

57

Bukarest wurde Paul Nathan vom deutschen Gesandten in Rumänien, Kiderlen-Waechter, wesentlich unterstützt.43 Die Balkankriege von 1912 bis 1913, die mit besonderer Härte die Juden des Balkans trafen, führten Paul Nathan 1913 im Rahmen einer Delegation nach Belgrad, Sofia, Saloniki und Konstantinopel. In Sofia wurde er von Ministern, der Königin und dem König Ferdinand, in Griechenland von König Georg empfangen. Überall wurden jüdische Hilfsorganisationen gebildet, die für Kriegsgefangene, Verwundete und Flüchtlinge sorgten. Ein „Bericht über das Balkanhilfswerk" wurde 1913 als vertrauliches Manuskript gedruckt.44 1913 widmete sich Paul Nathan auch dem „Fall Beilis". Mendel Beilis wurde 1911 des Ritualmords an einem Knaben in Kiew beschuldigt. Der Hilfsverein mobilisierte die aufgeklärte öffentliche Meinung gegen die antisemitische Atmosphäre und den Versuch der Tatverdunkelung noch vor Beginn der Gerichtsverhandlung. Dank dem dokumentarischen Beweismaterial, das vom Hilfsverein gesammelt und vor den Gerichtshof gebracht wurde, sah sich dieser gezwungen, Beilis freizusprechen. 45 Im Orient war der Hilfsverein hauptsächlich am Ausbau seines Schulwerks interessiert. Er unterhielt und leitete einen Kindergarten in Konstantinopel, eine Elementarschule in Balata und die Or-ThoraMittelschule in Galata. Außerdem unterstützte der Hilfsverein die Kolonieschule „Or Chadasch" bei Konstantinopel und organisierte Abendkurse für die deutsche und türkische Sprache.46 Ferner unterhielt der Hilfsverein vier Schulen mit 700 Schülern in Saloniki, zwei Schulen mit 800 Schülern in Bulgarien, vier Schulen mit 800 Schülern in Rumänien und zwei Schulen mit 60 Schülern in Galizien.47 Die größte Aufmerksamkeit richtete der Hilfsverein jedoch auf sein Schulwerk in Palästina. Dieses bestand aus Kindergärten, Grundschulen, einer Handelsschule, einem Lehrerseminar und einer Schule für

4 3 Vgl. Sechster GB des Hilfsvereins, Berlin 1908, S. 12 f.; E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 83 f. 4 4 Vgl. Zwölfter GB des Hüfsvereins, Berlin 1914, S. 9; Gedenkschrift für Dr. Paul Nathan . . ., S. 17; E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 91 ff. 4 5 Vgl. S. M. Dubnow, Die neueste Geschichte des jüdischen Volkes. . ., Bd. 3, 4. Abt., S. 489 ff.; E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 94 ff. 4 6 Vgl. Vierzehnter GB des Hilfsvereins. . ., Berlin 1916, S. 24 ff. 4 7 Vgl. Zwölfter GB des Hilfsvereins. . ., S. 13.

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IV. Von der politischen

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der Juden

Kindergärtnerinnen, die von 1903 an gegründet oder übernommen wurden. Um Elementarschulen in Palästina zu gründen, setzte sich der Hilfsverein mit dem Direktor der „Laemel"-Schule für Knaben in Jerusalem, Ephraim Cohn, in Verbindung. Die „Laemel"-Schule war zu jener Zeit die einzige jüdische Schule in Palästina, in der die deutsche Sprache unterrichtet wurde. Diese Schule wurde vom Hilfsverein zum Ausgangspunkt des geplanten Lehrerseminars gewählt. Ephraim Cohn wurde zum Direktor des Lehrerseminars und nach einiger Zeit zum Leiter des gesamten Schulwerks des Hilfsvereins in Palästina und in der Levante ernannt. Die „Laemel"-Schule wurde anfangs vom Hilfsverein nur unterstützt und später finanziell ganz übernommen. 1907 traten James Simon und Paul Nathan dem öffenlichen Verwaltungskomitee der „Laemel"-Schule bei. 48 1905 eröffnete der Hilfsverein eine Mädchenschule in Jerusalem. In Jaffa wurde 1906 eine Knabenschule und unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg auch eine Mädchenschule gegründet. In Haifa war, außer einer Grundschule, eine Realschule vorgesehen, die als Vorschule für das Technikum geplant war. 1912 wurde eine Knabenschule in Safed eröffnet. Von 1908 an gewährte der Hilfsverein sowohl den Schulen in den jüdischen Siedlungen Rechowot und Gedera als auch einigen Talmud-TorahSchulen finanzielle Hilfe.49 Das Lehrerseminar in Jerusalem wurde zu einer der modernsten Institutionen seiner Art. Die Zahl der Seminaristen stieg von achtzehn im Studienjahr 1904/1905 auf siebzig im Jahr 1912/1913. 1907 hatten fünf Seminaristen ihr Studium absolviert, 1913 waren es bereits vierzehn. Trotz der verhältnismäßig geringen Anzahl von Absolventen konnte das Jerusalemer Lehrerseminar einen bedeutenden Einfluß auf das jüdische Schulwesen in den letzten Jahren der türkischen Herrschaft in Palästina ausüben.50 1907 wurde dem Lehrerseminar eine Handelsschule angeschlossen und 1909 eine Schule für Kindergärtnerinnen in Jerusalem eröffnet. Die Schülerzahl der Handelsschule war gering und überschritt nie die 48

Vgl. Ephraim Cohen-Reiss, Memories of a Son of Jerusalem, (hebr.), 2. Aufl., Jerusalem 1967, S. 208 ff. Die Erinnerungen Ephraim Cohns wurden 1933 erstmals veröffentlicht. Siehe auch Moshe Rinott, „Hilfsverein der Deutschen Juden" - Creation and Struggle, (hebr.), Jerusalem 1971, S. 89 ff. Vgl. M. Rinott, „Hilfsverein der Deutschen Juden"- Creation and Struggle . . ., (hebr.), S. 90 ff. 50 A. a. O., S. 109 ff.

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden " und seine Ziele

59

Zahl von 35. Auch die Zahl der angehenden Kindergärtnerinnen war klein. Im Schuljahr 1912/1913 nahmen nur dreißig Schülerinnen am zweijährigen Kursus teil. Trotz der kleinen Schülerzahl leisteten beide Institutionen einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des jüdischen Schulwesens in Palästina.51 Der Hilfsverein hatte ein einheitliches Schulwerk in Palästina aufzubauen versucht. Dieses sollte ausschließlich den Verhältnissen und Bedürfnissen der ortsansässigen Bevölkerung angepaßt werden. Eine Bevormundungspolitik sollte ausgeschlossen werden, und die Direktiven aus Berlin sollten nicht im Widerspruch zu den Zuständen an Ort und Stelle stehen. Um dies zu erreichen, wurden die Schulen des Hilfsvereins lokalen Komitees unterstellt. Der Hilfsverein betonte mit Nachdruck, daß die Erziehung und Ausbildung in seinen Schulen nicht von den Tendenzen beeinflußt werden dürften, die der Hilfsverein als deutscher Verein eventuell hätte verfolgen können. Er erachtete sich nicht als Vormund, sondern als Helfer, der den „schwächeren Glaubensgenossen im Orient" - so der Hilfsverein - zur Seite stehen wollte, um den kulturellen Fortschritt und die wirtschaftliche Selbständigkeit dieser zu unterstützen. Der Hilfsverein förderte in seinen Schulen in Palästina aus pädagogischen Gründen den Unterricht in der hebräischen Sprache. Die Schulen des Hilfsvereins erfreuten sich daher bis zur Gründung des Technikums und dem anschließenden „Sprachenstreit" großer Anerkennung durch breite Kreise der jüdischen Bevölkerung Palästinas und auch der zionistischen Bewegung. 52 Am Vorabend des Ersten Weltkrieges besaß der Hilfsverein in Palästina ein Schulwerk von 28 Instituten, in welchen ca. 3000 Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen ihre Erziehung und Ausbildung erhielten.53 Das gesamte Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina leitete, wie schon oben erwähnt, Ephraim Cohn. Dieser wurde 1862 in Jerusalem geboren und gehörte einer alteingesessenen Familie an. Bis zu seinem vierzehnten Lebensjahr erhielt er seine Erziehung in Jerusalem. Danach wurde er von seiner Familie nach Europa geschickt, um dort

51

A. a. O., S. 130 ff. Vgl. Paul Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. Als Manuskript gedruckt, Berlin (1914), passim. 53 Vgl. Zwölfter GB des Hilfsvereins. . ., S. 13. 52

60

IV. Von der politischen Umorientierung derJuden

seine Studien fortzusetzen und eine Lehrerausbildung zu erhalten. Er verbrachte neun Jahre in Deutschland, in Altona und Hannover, wo er ein Lehrerseminar besuchte, und zwei Jahre in London, wo er hauptsächlich am ,Jews"-College studierte. 1887 kehrte er nach Jerusalem zurück, um seine Lehrtätigkeit in der Schule des Waisenhauses der deutschen Juden aufzunehmen. 54 Ephraim Cohn wurde als Pädagoge, Schulleiter und Administrator in Palästina und in jüdischen Kreisen jenseits der Grenzen geschätzt und geachtet. Durch seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Errichtung des Technikums, und besonders in der Zeit des „Sprachenstreits", zog er sich die Kritik, die Angriffe und sogar die Feindseligkeit der militanten zionistischen Kreise und insbesondere des „Hebräischen Lehrerverbandes" zu. Nach dem Ersten Weltkrieg sah er sich gezwungen, Palästina zu verlassen und ins deutsche Exil zu ziehen. 5 5 In seinem Kampf gegen den Antisemitismus, in seinen philanthropischen Aktivitäten für die Juden Osteuropas und im Aufbau eines bedeutenden Schulwerks im Orient gewann der Hilfsverein eine immer größer werdende Autorität und Unterstützung durch die deutschen Juden. In den jeweiligen Geschäftsberichten des Hilfsvereins wurde die Anzahl der Mitglieder angegeben. Der siebzehnte Geschäftsbericht von 1918 faßt das Wachstum der Mitgliederschaft des Hilfsvereins zusammen. Diese war von 5000 im Jahre 1902 auf25 000 im Jahre 1913 angestiegen. Während der Kriegsjahre soll die Mitgliederzahl unverändert die des Jahres 1913 geblieben sein. 56 Paul Nathan und James Simon wurden zu anerkannten Führern des deutschen Judentums.

Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., (hebr.), passim. Ebda. Anläßlich seines siebzigsten Geburtstages wurde Ephraim Cohn von seinen ehemaligen Schülern und Verehrern nach Palästina eingeladen und in Tel Aviv und Jerusalem gefeiert. Die Umstände gestatteten es E. Cohn nicht, eine Rückkehr nach Palästina zu erwägen. Er und seine Frau verbrachten die ersten Kriegsjahre in Südfrankreich in größter Not. Er starb 1942 in Nizza im Alter von fast 80 Jahren. 5 6 Vgl. Siebzehnter GB des Hilfsvereins, Berlin 1918, S. 19. 54 55

Z W E I T E R TEIL

Die Gründung

FÜNFTES KAPITEL

Der „Hilfsverein der Deutschen Juden" und die Idee des Technikums Es beginnt mit einer Idee Im Jahr 1907 unternahm Paul Nathan seine erste Palästinareise. 1891 hatte er als Journalist 2um ersten Mal den Orient besucht, war aber nur bis Konstantinopel und Anatolien gekommen.1 Der Orientbesuch von 1907 war dagegen umfassender geplant und sollte Palästina als Hauptziel einschließen. Paul Nathan traf gründliche und vielseitige Vorbereitungen für seine Reise, welche die verschiedenen Wissensgebiete in bezug auf den Orient im allgemeinen und Palästina im besonderen betrafen. Auf dieser Reise wurde er von Dr. Eugen Mittwoch, einem jungen Orientalisten, begleitet.2 Diese Reise, die Paul Nathan im September antrat und die vier Monate dauern sollte, führte über Sofia und Philippopel nach Konstantinopel. Hier wurde Paul Nathan als Gast vom stellvertretenden Deutschen Botschafter Kiderlen-Waechter, den er bereits im Sommer desselben Jahres in Bukarest kennengelernt hatte, empfangen. 3 Von Konstantinopel ging die Reise durch den Libanon und Syrien weiter bis Tiberias am See Genezareth, wo der eigentliche Palästinabesuch begann.4

1

Vgl. E. Feder, Paul Nathan . . S. 55. Es war dies die erste Bekanntschaft Paul Nathans mit dem Orient. Moltkes Briefe aus dem Orient soll er auf dieser Reise bei sich gehabt haben. 2 A. a. O., S. 85. ' Ebda. Der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Marschall von Bieberstein, wurde damals vom deutschen Gesandten in Bukarest, Kiderlen-Waechter, in der Türkei vertreten. 4 A. a. O., S. 87.

64

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

Palästina bereiste Paul Nathan besonders intensiv. Er hielt sich länger in Jerusalem auf, wo er die „Laemel"-Schule und das Lehrerseminar des Hilfsvereins mehrmals aufsuchte und die Kunstgewerbeschule „Bezalel", die ein Jahr zuvor von Professor Boris Schatz gegründet worden war, besichtigte.5 In Jaffa stattete er dem „Hebräischen Gymnasium" einen Besuch ab und traf sich mit jüdischen Bürgern der Stadt, die ihn um die Unterstützung des Hilfsvereins für Projekte wie die Gründung eines Theaters ersuchten und ihm sogar die Errichtung einer Zuckerfabrik vorschlugen.6 In Haifa besichtigte Paul Nathan die Stadt, erstieg den Karmel, besuchte die Deutsche Kolonie und besprach Schulfragen. Weitere Reiseziele in Palästina waren die Städte Akko, Samaria, Bethlehem und Jericho.7 Im Dezember 1907 trat Paul Nathan seine Rückreise nach Deutschland über Ägypten an. Die intensive Studienreise in Palästina hatte fast zwei volle Monate gedauert. Nach Berlin zurückgekehrt, unterbreitete Paul Nathan dem Hilfsverein ein Memorandum, das die Errichtung einer höheren technischen Schule in Palästina vorsah. Diese sollte sowohl für die Juden im Orient8 als auch für die allgemeine Entwicklung des türkischen Staatsgebiets von größter Bedeutung sein. Folgende Thesen legte Paul Nathan dem Hilfsverein vor: a. Für das höhere Studium waren drei Institute im türkischen Orient vorhanden: je ein protestantisches amerikanisches College in Konstantinopel und Beirut und die katholische Universität St. Joseph, ebenfalls in Beirut. b. Die Fächer dieser höheren Lehranstalten gehörten zu den Geisteswissenschaften, den Handelswissenschaften, den juristischen Wissenschaften und der Medizin, jedoch nicht zur modernen Technik. Die Entwicklung der Eisenbahnen, des Straßenbaus und der Industrie in der Türkei hing jedoch wesentlich von der Erschließung des Landes durch die moderne Technik ab. c. Die Ausbildung von technischen Fachkräften war eine der dringendsten Aufgaben in der Türkei. Die Aussichten der Juden

5

Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Sem ofJerusalem . . ., (hebr.), S. 279 ff- Zu den

Mitgliedern des Vereins „Bezalel" (Berlin) gehörten damals u. a. auch Dr. Paul Nathan als zweiter Vorsitzender und James Simon als Vertreter des fördernden „Hilfsvereins der Deutschen Juden". 6 A. a. O., S. 250 ff. 7

Vgl. E. Feder, Paul Nathan . . ., S. 87.

® Paul Nathan nannte sie stets „unsere Glaubensgenossen".

Es beginnt mit einer Idee

65

im Orient durften als besonders günstig betrachtet werden, da die türkischen Behörden die jüdischen Techniker als türkische Untertanen und mit den Landessprachen vertraut ausländischen technischen Fachkräften vorziehen würden. d. Die Ausbildung von jüdischen technischen Fachkräften würde auch zur Beschäftigung einer großen Anzahl jüdischer Arbeiter führen. 9 Es waren dies nur ganz allgemein formulierte Ideen. Die Schlußfolgerung konnte jedoch nur eine sein: Der Errichtung eines jüdischen Technikums im Orient kam große Bedeutung zu. 10 Dieser Ansicht schloß sich auch der deutsche Erbauer der Hedschasbahn Meißner-Pascha in einem Schreiben an Paul Nathan an. 11 Paul Nathan war bestrebt, die deutsch-jüdische Öffentlichkeit für seine Ideen zu gewinnen. Er hielt zahlreiche Vorträge in verschiedenen Städten Deutschlands. So berichtete die Frankfurter Zeitung unter dem Titel Renaissance der Juden im Orient über einen Vortrag Paul Nathans, den dieser am 10. März 1908 in der Frankfurtloge in Frankfurt am Main gehalten hatte. In dem Bericht hieß es unter anderem: „Es besteht zwar in Jerusalem ein Lehrerseminar und eine Handelsschule, aber es ist notwendig, auch die Elementarschulen in den Städten nach oben auszubauen, um der Konkurrenz der Griechen und Armenier, aber auch der katholischen und der amerikanischevangelischen Schulen zu begegnen. Vor allem empfehlenswert wäre die Errichtung einer technischen höheren Schule. Dann könnten die Juden für den Orient die nötigen Techniker stellen, die nach den Aussagen türkischer Staatsmänner diesen lieber wären als Griechen, Armenier oder sonstwer. Auch die Elementarschulen bedürfen der Umgestaltung. Nicht um zionistische Ideen handelt es sich bei der Tätigkeit des Hilfsvereins der Deutschen Juden im Orient . . . sondern um die Steigerung des Wohlstandes der jüdischen Bevölkerung im Orient und um das Bestreben, sie auf gewissen Gebieten auch im türkischen Staatsdienst - zu führenden Stellungen zu bringen." 12

9

Vgl. Siebenter GB des Hüfsvereins . . ., Berlin 1909, S. 60 ff. Ebda. 11 A. a. O., S. 64. H. A. Meißner erbaute in den Jahren 1900-1908 die SchmalspurHedschasbahn, die 1302 km lang war und Damaskus über Haifa mit Mekka und Medina verband. 12 A. a.O., S. 13 f. 10

66

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

Um entsprechende Schüler als Kandidaten für das Technikum vorzubereiten, hielt es Paul Nathan für nötig, für die Lehranstalten des Hilfsvereins in Palästina eine einheitliche pädagogische Konzeption auszuarbeiten. Die Jugendlichen sollten von Anfang an eine rationelle Erziehung erhalten. In den Kindergärten sollten die Fundamente der Erziehung nach der Pestalozzi-Fröbelschen Methode gelegt werden. Die hebräische Sprache sollte die gemeinsame Sprache aller Kinder sein. In den Grundschulen sollten die Schüler die vollkommene Beherrschung der hebräischen Sprache erreichen, jedoch auch Arabisch und als Fremdsprache Deutsch lernen. Die deutsche Sprache war als Verbindung zur europäischen Kultur gedacht. Sorgfältigen Unterricht sollten die Schüler im Rechnen, in der Mathematik, in den Naturwissenschaften und im Zeichnen erhalten. Von frühester Jugend an sollte Werkstattunterricht nach dem Vorbild der amerikanischen „Manual Training Schools" und der „Kerschensteiner-Methode" erteilt werden. 1 3 Das Technikum sollte nach „dem bewährten Vorbilde der Techniken in den Kulturländern" 14 eingerichtet werden. Das Studium würde dann drei bis vier Jahre dauern. Nur besonders begabte Schüler sollten in das Institut aufgenommen werden, während der größte Teil von ihnen durch den Handfertigkeitsunterricht für eine Handwerkerlaufbahn vorbereitet werden könnte. Auch eine Realschule, als Vorschule für das Technikum gedacht, sollte gegründet werden. In der Zwischenzeit sollten die Absolventen der „Laemel"-Schule in Jerusalem nach einjährigen Ergänzungskursen in Mathematik, in den Naturwissenschaften und im Zeichnen für die Aufnahme ins Technikum vorbereitet werden. 15 Was die Unterrichtssprache am Technikum betraf, so hatte Paul Nathan diese Frage in seinem Memorandum nicht berührt. Dort hieß es lediglich, daß „das Hebräische als einigende Sprache aller Juden des Orients und als religiöses, nationales Bindemittel nach wie vor in hervorragendem Maße im Schulplan berücksichtigt werden" müsse. 16

^ Georg Kerschensteiner (1854-1932), Pädagoge, Schulreformer und Bildungstheoretiker in München, war als Vorkämpfer der Arbeitsschule und Begründer der modernen Berufsschule und des Handfertigkeitsunterrichts in der Werkstatt, im Laboratorium, Schulgarten und in der Schulküche bekannt.

Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins. . ., S. 65. A.a.O., S. 66. 16 A. a. O., S. 6 5 . 14 15

Das Problem der

Finanzierung

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Als Sprache sollte außer der arabischen Sprache noch Türkisch unterrichtet werden, „um die ausgebildeten Techniker für den türkischen Staatsdienst geeignet zu machen". 17 Auch Englisch sollte gelehrt werden, „um ihr Fortkommen in Ägypten zu erleichtern". 18 Die deutsche Sprache sollte den ausgebildeten Technikern „als Angestellten der mit deutschem Kapital errichteten großen türkischen Eisenbahnlinien" 19 von Nutzen sein. Die Vielzahl der Sprachen schien Paul Nathan aus zwei Gründen, wie er bemerkte, keine Sorgen zu bereiten-. erstens war es üblich, daß „ein halbwegs gebildeter Orientale eine ganze Reihe von Sprachen" beherrschen mußte, 20 und zweitens müsse man berücksichtigen, daß „die orientalischen Kinder mit erstaunlicher Leichtigkeit sich Sprachen zu eigen machen". 21 Es war anzunehmen, daß die Schüler des Technikums anfangs hauptsächlich aus den Kreisen der Juden des Osmanischen Reiches kommen würden, das heißt aus der Mitte „unserer in der Türkei wohnhaften Glaubensgenossen". 22 Später durften auch Schüler aus osteuropäischen Einwandererfamilien erwartet werden. Obwohl das Technikum als jüdisches Institut gedacht war, sollte es auch für Schüler anderer Konfessionen offen sein. Dieser Gedanke wurde von James Simon und Paul Nathan mehrmals geäußert und in einem Schreiben vom 25. Januar 1911 an den Botschafter in Konstantinopel nochmals hervorgehoben. 23

Das Problem der Finanzierung Ein derartig großes Unternehmen erforderte natürlich erhebliche Geldmittel. Paul Nathan errechnete bereits 1908 die einmaligen Ausgaben: a. Grunderwerb 80 000 Frs. b. Schulgebäude mit Raum für 300 Schüler der Vorschule 100 000 Frs.

Ebda. Ebda. VEbda. 20 Ebda. 21 Ebda. 22 A. a. O., S. 66. 2 3 Vgl. James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall von Bieberstein, 25. Januar 1911, A. A. Türkei 195, Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176283-286. 17 18

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V. Der „Hilfsverein der Deutschen

Juden"

c. Gebäude für Werkstätten mit Einrichtung 50 000 Frs. d. Technikum mit Einrichtung 400 000 Frs. e. Internat mit Einrichtung 60 000 Frs. Insgesamt sollten somit die einmaligen Ausgaben 690 000 Frs. betragen, damals ca. 550 000 Mark.24 Die laufenden Ausgaben sollten die Kosten für den Unterricht am Technikum und in der Vorschule dekken, aber auch die Gewährung von Stipendien an auswärtige und unbemittelte Schüler ermöglichen. Paul Nathan schätzte die laufenden Ausgaben auf 80 000 Frs. jährlich. Obwohl das Technikum auch mit Einnahmen an Schulgeld von begüterten Eltern rechnen durfte, wußte Paul Nathan nur zu gut, daß erhebliche Fonds für die laufenden Ausgaben bereitgestellt werden müßten. 25

Die „ Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden" Im Januar 1908, kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland, traf Paul Nathan in Berlin mit David Wissotzky zusammen, der auf seiner Rückreise von London nach Moskau in Berlin Station gemacht hatte.26 Paul Nathan hatte die Familie Wissotzky bereits zwei Jahre vorher in Moskau kennengelernt.27 David Wissotzky war der Sohn des in jüdischen Kreisen wohlbekannten Teegroßkaufmanns Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky.28 Dieser starb 1904 und hinterließ in seinem Vermächtnis eine beträchtliche Stiftung, welche die Vollstrecker verpflichtete, alle fünf Jahre eine entsprechende öffentliche Institution in seinem Namen zu gründen. 1909 sollten die ersten 100 000 Rubel

24

Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins. . ., S. 66. Ebda. Vgl. Achad Haam an Simon Dubnow, 14. Februar 1908, in: Igrot Achad Haatn (Die Briefe Achad Haams, im folgenden L4//zitiert), Bd. 4 (1908-1912), (hebr.), Jerusalem-Berlin 1924, S. 9- Siehe auch Ernst Feder, Die Technische Hochschule von Haifa, Rio de Janeiro 1951, S. 30. 27 Vgl. ebda. 28 Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky (1824-1904) entstammte einer armen jüdischen Familie. Dank seiner Initiative, seinem Fleiß und harter Arbeit verstand er es, im Teegroßhandel zu großem Reichtum zu gelangen. Er unterstützte jüdische Schriftsteller und Gelehrte und schloß sich eine Zeitlang der russisch-zionistischen „Chowewe Zion"-Bewegung an. 1884 besuchte er Palästina, und 1896 gründete er die Monatsschrift Haschiloach, die von Achad Haam redigiert wurde. 25

Die „ Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein "

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bereitgestellt werden, und die Testamentsvollstrecker hielten es für angebracht, die erste Institution in Rußland zu errichten. Achad Haam, der seit 1907 als Beauftragter der Teefirma Wissotzky in London lebte und der zu den Freunden der Familie Wissotzky gehörte, versuchte David Wissotzky zu bewegen, die bereits vorhandenen Geldmittel der Stiftung für eine Kulturinstitution in Palästina zur Verfügung zu stellen. Achad Haam wurde 1856 als Ascher Ginzberg29 im Gebiet von Kiew in der Ukraine geboren. Obwohl er keine formelle weltliche Bildung erhalten hatte, versuchte er, seine Kenntnisse auf den Gebieten der Literatur, der Philosophie und der Wissenschaften in Wien, Berlin und Breslau zu erweitern. 1884 ließ sich Achad Haam in Odessa nieder und schloß sich den „Chowewe Zion" an. In Odessa lebte er bis 1907. 1889 veröffentlichte er seine berühmt gewordene Schrift Dies ist nicht der Weg, in welcher er die zionistische Praxis in Palästina kritisierte und die Verwandlung Palästinas in ein geistiges Zentrum des jüdischen Volkes forderte. So wurde Achad Haam zum geistigen Vater einer neuen Strömung innerhalb der zionistischen Bewegung, die als „Kulturzionismus" bekannt wurde.30 Trotz der großen Autorität Achad Haams gelang es diesem nicht, David Wissotzky für Palästina zu interessieren. Dieser wollte auf keinen Fall mit dem Zionismus in Verbindung gebracht werden.31 Was jedoch Achad Haam nicht gelang, brachte der Nichtzionist Paul Nathan fertig. Er gewann David Wissotzky für die Idee des Technikums in Palästina.32 Wahrscheinlich hat Dr. Schmarja Levin zwischen David Wissotzky und Paul Nathan vermittelt.33 Schmarja Levin34 wurde 1867

Der hebräische Name „Ascher" wurde in anderen Sprachen „Uscher" geschrieben, wie es die jiddische Aussprache forderte. „Achad Haam" war das Pseudonym Ascher Gin2bergs und sollte etwa „Ein Mann aus dem Volke" heißen. 3 0 Vgl. S. Avineri, Varieties ofZionist Tbougbt. .., (hebr.), S. 131-141. Siehe auch A. Bein, Die Judenfrage . . ., Bd. 1, S. 279 ff- Achad Haam lebte in den Jahren 19071921 in London. Im Januar 1922 wanderte er in Palästina ein. Hier bereitete er seine Briefe für den Druck vor (sechs Bände) und diktierte seine „Erinnerungen". Er starb 1927 in Tel Aviv. 31

Vgl. Achad Haam an S. Dubnow, 14. Februar 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 9-

32

Ebda.

Ebda. Siehe auch Achad Haam an Schmarja Levin, 27. Mai 1913, in: IAH, Bd. 5, (1913-1917.), (hebr.), Jerusalem-Berlin 1924, S. 54 ff. ^ Der Name „Schmarja" wurde in Hebräisch gewöhnlich „Schmarjahu" geschrieben. Der Zuname „Levin" kam in Deutsch auch als „Lewin" vor.

70

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

in Weißrußland geboren. Er studierte in Berlin, gehörte dem „Russisch-Jüdischen Wissenschaftlichen Verein" in Berlin an und nahm an der Gründung des studentischen Vereins J u n g Israel" teil. In den Jahren 1896 bis 1904 amtierte er als Rabbiner in Rußland, zuerst als Kronrabbiner in Grodno (bis 1897) und danach als Prediger in Jekaterinoslaw.35 1906 wurde er in die russische Duma 36 gewählt. Von 1908 an hielt er sich in Berlin auf, wo er sich für die Errichtung des Technikums in Palästina einzusetzen begann. Er unterstützte Achad Haams „Kulturzionismus" und stand mit diesem in regem Briefwechsel, der sich hauptsächlich auf das im Werden begriffene Technikum bezog. Schmarja Levin spielte eine außergewöhnliche Rolle in der Frühgeschichte des Technions.37 Seine Redegabe charakterisierte der deutsch-jüdische Arzt Dr. Elias Auerbach, der sich bereits 1909 in Haifa niedergelassen hatte, mit folgenden Worten: „Er war ein hinreißender Redner, der in Bildern und Gleichnissen sprach, oft rasend schnell, wenn der Strom der Gedanken ihn fortriß. Seine Rede schoß wie ein Quell hervor und war getränkt mit tiefer jüdischer Bildung. Er wandte sich an das Gefühl, nicht an den Verstand des Hörers." 38 Schmarja Levin schrieb für jüdische Zeitschriften in Deutsch, Russisch und Hebräisch. Er war sehr gebildet, dozierte gern und besaß eine dynamische Persönlichkeit.39 In den Jahren 1911 bis 1920 war Schmarja Levin Mitglied des Engeren Aktionskomitees der Zionistischen Weltorganisation. 1914 bis 1918 hielt er sich in den Vereinigten Staaten auf. Im Jahre 1924 ließ er sich endgültig in Palästina nieder. Ende der zwanziger Jahre fing er an, seine Erinnerungen zu schreiben. Er starb 1935 in Haifa.40

35

Heute Dniepropetrovsk. Die Duma war eine russische Volksvertretung mit äußerst begrenzten Befugniswelche nach der Revolution von 1905 vom Zaren Nikolaus II. eingeführt wurde. Günther Stökl, Russische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stutt1983, S. 592 ff. 37 Der Name „Technion", der in den dreißiger Jahren üblich wurde, bezeichnete die Entwicklung des Technikums in Haifa zur technischen Hochschule. 38 Vgl. Elias Auerbach, Pionier der Verwirklichung. Ein Arzt aus Deutschland erzählt vom Beginn der zionistischen Bewegung und seiner Niederlassung in Palästina kurz nach derJahrhundertwende, Stuttgart 1969, S. 300 f. 39 A. a. O., S. 301 f. 40 Igrot Schmarja Lettin (Die Briefe Schmarja Levins, im folgenden ISchL Zitiert), (hebr.), Tel Aviv 1966, S. 7.

^ sen, Vgl. gart

Die „ Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein "

71

In den Monaten Januar bis März 1908 wurden die Bedingungen der „Wissotzkyschen Familienstiftung" festgelegt. Es wurde vereinbart, daß der Hilfsverein einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten sollte. Achad Haam wurde von den Wissotzkyschen Erben ermächtigt, mit dem Hilfsverein in dieser Angelegenheit zu verhandeln. 41 Schmarja Levin vermittelte auch zwischen Paul Nathan und Achad Haam. Anfang Februar 1908 besuchte er Achad Haam in London, um mit ihm die ideologischen Aspekte des Technikums zu besprechen. 42 Ein lebhafter Briefwechsel zwischen Achad Haam und Schmarja Levin war, wie schon oben bemerkt, die Folge. 43 Die Formulierung der die finanziellen und organisatorischen Angelegenheiten des Technikums betreffenden Paragraphen des Statuts schien keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Bereits Ende Februar 1908 konnte ein prinzipielles Einvernehmen hergestellt werden. 44 Komplizierter dagegen gestaltete sich die Definition des Verhältnisses von Technikum und Judentum. David Wissotzky widersetzte sich jedweder Identifizierung mit dem Zionismus. 45 Paul Nathan gegenüber hatte er gleich zu Anfang betont, daß er kein Zionist sei. 46 Achad Haam und Schmarja Levin hätten dagegen eine ausgesprochene Betonung des historisch-nationalen Charakters des Judentums vorgezogen. 4 7 Paul Nathan betrachtete das Judentum ausschließlich als Religion. Im März 1908 wurden die Verhandlungen intensiver. Schmarja Levin traf sich fast täglich mit Paul Nathan.48 Er bat Achad Haam, so schnell wie möglich nach Berlin zu kommen, um seinen Einfluß in

Vgl. Achad Haam an S. Dubnow, 14. Februar 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 9A. a. O., S. 9 f. Achad Haam unterhielt einen regen und ausgedehnten Briefwechsel mit vielen Persönlichkeiten der jüdischen Kultur seiner Zeit, die hauptsächlich osteuropäischer Herkunft waren. Ein wesentlicher Teil dieses Briefwechsels in den Jahren 1908-1914 bezog sich auf das Technikum. 4 4 Vgl. Achad Haam an M. Ussischkin, 28. Februar 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 13 f. 4 5 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 17. Februar 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 36. 4 6 Vgl. E. Feder, Die Technische Hochschule in Haifa. . ., S. 33. David Wissotzky soll ausdrücklich erklärt haben: „Vergessen Sie nicht, Herr Doktor, ein Zionist bin ich nicht." 4 7 Vgl. IAH, Bd. 4, (hebr.), passim; ISchL, (hebr.), passim. 4 8 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 18. März 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 41. 41

42

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

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den Verhandlungen mit dem Hilfsverein geltend zu machen. 49 Paul Nathan erwies sich jedoch als konziliant.50 Am 5. März wurde das Programm der Stiftung von den Wissotzkyschen Erben vorläufig bestätigt. Auch wurden die von ihnen zu bestimmenden Kuratoren ernannt. 51 Ende März 1908 trafen sich alle beteiligten Parteien in Berlin. Das Abkommen mit dem Hilfsverein wurde am 29. März 1908 bestätigt und von David Wissotzky und Achad Haam unterzeichnet. Als Folge wurde die „Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden" gegründet.52 Das Statut der neuen Stiftung hatte folgende Bestimmungen: 1. Die von der Wissotzkyschen Familienstiftung dem Hilfsverein zur Verfügung gestellten 100 000 Rubel sollten getrennt von dem übrigen Vermögen des Hilfsvereins verwaltet werden. 2. Die 100 000 Rubel sollten den Grundstock für die Errichtung eines Technikums und einer Vorschule in Palästina bilden. 3. Die Vorschule und das Technikum sollten sich auch die Aufgabe stellen, ihre Schüler zu Juden heranzubilden, im Sinne der Kenntnis des Hebräischen und der jüdischen Vergangenheit, und sie zur Verehrung ihrer Religion, ihres Judentums und ihrer Heimat in Palästina erziehen. 4. Das Kuratorium der Stiftung sollte aus elf Mitgliedern bestehen: D. Wissotzky, J. Zetlin, R. Götz, Dr. B. Gawronsky, alle in Moskau, und A. Ginzberg (Achad Haam) in London von der Wissotzkyschen Familienstiftung und James Simon, Dr. Paul Nathan, Generalkonsul Eugen Landau, Prof. M. Philippson, alle in Berlin, und Moritz Warburg in Hamburg vom Hilfsverein. Schmarja Levin als elftes Mitglied gehörte keiner der beiden Parteien an. 5. Zum Vorsitzenden des Kuratoriums wurde James Simon gewählt. Dr. Paul Nathan sollte als stellvertretender Vorsitzender amtieren. 53 Wenn auch die Wissotzkysche Familienstiftung laut Abkommen getrennt vom Vermögen des Hilfsvereins verwaltet werden sollte, befand sich die Leitung praktisch in seinen Händen. Die Wissotzkysche

49

Vgl. ISchL, (hebr.), passim. Vgl. Achad Haam an M. Ben-Hüel Hacohen, 12. März 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 18. 51 Vgl. Achad Haam an Schmarja Levin, 5. März 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 16. 52 Vgl. Siebenter GB des Hüfsvereins . . ., S. 68 f. Vgl. DOKUMENTENANHANG A. 53 Ebda. 50

Jakob H. Schiff

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Familienstiftung wurde von Anfang an nur als Grundstock für die Errichtung des Technikums betrachtet. Um den zu erwartenden Anforderungen entsprechen zu können, verpflichtete sich der Hilfsverein, eine zusätzliche Summe von 1 000 000 Frs. einzubringen.54

Jakob H. Schiff und das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina " Schon kurze Zeit nach der Gründung der Wissotzkyschen Familienstiftung konnte eine zweite beträchtliche Schenkung in Aussicht gestellt werden. Im Frühjahr 1908 hielt sich der amerikanisch-jüdische Bankier Jakob H. Schiff auf seiner Rückreise von Palästina nach New York in Deutschland auf. Schiff wurde 1847 in Frankfurt am Main geboren. In den Vereinigten Staaten hatte er ein beträchtliches Vermögen erworben. Mit seiner vorigen Heimat blieb er in gutem Kontakt; seine Geschwister lebten auch weiterhin in Deutschland. Jakob H. Schiff hatte bis zu seinem 61. Lebensjahr Palästina nie besucht, obwohl er des öfteren die Wintermonate in Ägypten, also in nächster Nachbarschaft Palästinas, zu verbringen pflegte. 1908 entschloß er sich auf Anregung seiner Schwester, nach Palästina zu reisen.55 In Jerusalem hatte Jakob H. Schiff die „Laemel"-Schule besichtigt und mit Ephraim Cohn Bekanntschaft gemacht. In dessen Begleitung lernte er die Verhältnisse der jüdischen Gemeinde in dieser Stadt kennen. Er war erschüttert zu sehen, in welcher Armut die Gemeinde lebte.56 Die Begegnung und die Gepräche mit Ephraim Cohn dürften wohl für Jakob H. Schiff ein Lichtblick in der düsteren Wirklichkeit des damaligen Jerusalem gewesen sein. In Jakob H. Schiff erwachte der Wunsch, den Juden Palästinas tatkräftig zur Seite zu stehen. Als Ephraim Cohn ein Dankschreiben von Schiff aus Frankfurt am Main erhielt, regte er die Errichtung des Technikums an. Schiff zeigte sich von der Idee angetan und bat um mehr Information

54

Ebda. Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem, (hebr.), S. 253. Schiff wurde von seiner Schwester gebeten, sich um die jüdischen Institutionen zu kümmern, die von ihrem verstorbenen Mann Alfred Geiger unterstützt worden waren. Alfred Geiger war u. a. auch Schriftführer des Vereins zur Erziehung jüdischer Waisen in Palästina. Schiff selbst hatte den Gedanken erwogen, die ganze jüdische Gemeinde Jerusalems nach Amerika zu bringen. Vgl. a. a. O., S. 253. 55

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V. Der „Hilfsverein der Deutschen

Juden"

von Paul Nathan. 57 Dieser sandte Jakob H. Schiff ein ausführliches Schreiben, in welchem er die Grundsätze seines Memorandums, das Technikum betreffend, darlegte.58 Sein sachliches Schreiben beendete Paul Nathan mit einer visionären Mahnung. Er schrieb: „Erwägungen der jüdischen Nächstenliebe und Erwägungen einer vorausschauenden jüdischen Politik mahnen gemeinsam unsere bessergestellten Glaubensgenossen in der ganzen Welt, sich der orientalischen Judenheit in dieser Schicksalsstunde anzunehmen. Unsere orientalischen Glaubensgenossen erscheinen dazu bestimmt, die Mittler zwischen der okzidentalen Kultur einerseits und der langsam sich weiterentwickelnden Kultur des Orients andererseits zu werden. Als Semiten besitzen sie für diese große Aufgabe eine besondere Eignung; sie können für sich und die Menschheit damit eine welthistorische Aufgabe erfüllen und im Orient, nicht erdrückt von der vorgeschrittenen Kultur christlicher Völker, aber befruchtet von dieser Kultur, könnte die Judenheit erneut zu einer eigenartigen intellektuellen Blüte gelangen, ein Segen für sich, für das ottomanische Reich wie für die Menschheit. Mit der Gründung eines jüdischen Technikums im Orient wäre ein einzelner Schritt zur Erfüllung dieser großen Mission getan."5? Dies war der Beginn der Verbindung zwischen Jakob H. Schiff und dem Hilfsverein der Deutschen Juden. 60 Schiff stellte eine Schenkung von 100 000 Dollar in Aussicht.61 Diese wurde jedoch von einigen prinzipiellen Bedingungen abhängig gemacht: Erstens sollte jedwede Ideologisierung des Technikums ausgeschlossen werden. Das Institut hatte nur dem Judentum treu zu sein. Aufgabe der zukünftigen Leitung sollte es sein, jede Abweichung von dieser Grundlinie in Inhalt und Form des Lehrplans zu verhindern 6 2

57

A. a. O., S. 263 f. Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins . . ., S. 60. 59 A. a. O., S. 67. 60 Über ein Treffen von Jakob H. Schiff und Paul Nathan im Frühjahr oder Sommer 1908, von dem Carl Alpert in seinem Buch berichtet, konnte ich leider keine Unterlagen finden. Vgl. Carl Alpert, Technion. The Story of Jsrael's Institute of Technology, New York-Haifa 1982, S. 11. 61 Vgl. Siebenter GB des Hüfsvereins...,%. 68. 62 Vgl. Achad Haam an Schmarja Levin, 20. Dezember 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 51. 58

Das

Kuratorium

75

Zweitens forderte Schiff die völlige administrative Unabhängigkeit des Technikums und die Erweiterung der Leitung sowie des Kuratoriums durch jüdische Persönlichkeiten aus anderen europäischen Ländern und den Vereinigten Staaten. 63 Drittens betrachtete Jakob H. Schiff die Verewigung des Namens von Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky im Rahmen des Technikums als unvereinbar mit dem neutralen Charakter, den diese Institution haben sollte. 64 Die Bedingungen Jakob H. Schiffs riefen bei Achad Haam, Schmarja Levin wie auch bei der Leitung des Hilfsvereins Bestürzung hervor. David Wissotzky wußte nichts von den Forderungen Schiffs. Paul Nathan mußte aus Gesundheitsgründen der tagtäglichen Aktivität fernbleiben. Achad Haam und Schmarja Levin hielten die Bedingungen Schiffs für unannehmbar. Diese hätten selbst die unpolitischsten nationalen Bestrebungen des Kulturzionismus gefährdet. 65 Auch der Hilfsverein sah sich gezwungen, den organisatorischen Forderungen Schiffs Widerstand entgegenzusetzen, und zwar aus zwei Gründen: erstens wollte der Hilfsverein nicht auf seine Kontrollmöglichkeiten verzichten, zweitens hielt er den Schutz und die Protektion Deutschlands bei der Errichtung des Technikums angesichts der Bürokratie und der Willkür der türkischen Behörden für unerläßlich. Solch einen Schutz würde aber die Deutsche Regierung nur einem deutschen Verein gewähren. Eine grundsätzliche Beratung fand am 29. Oktober 1908 bei James Simon statt. Bereits vorher wurde eine Reise Schmarja Levins in die Vereinigten Staaten erwogen. Jetzt schien diese Reise besonders dringend zu sein. 66

Das Kuratorium Schmarja Levin hielt sich in Amerika von November 1908 bis Ende Februar 1909 auf. Seine Reise wurde ein Erfolg. Jakob H. Schiff war

6 3 Vgl. S. 46 f. 6 4 Vgl. 6 5 Vgl. 6 6 Vgl.

Achad Haam an S. Schlechter, 15- November 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), Schmarja Levin an Achad Haam, 11. Dez. 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 60. IAH, Bd. 4, (hebr.), passim; ISchL, (hebr.) passim. Schmarja Levin an Achad Haam, 30. Okt. 1908, in; ISchL, (hebr.) S. 57.

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V. Der „ Hilfsverein der Deutschen Juden "

konzilianter, als man anfangs hätte glauben können. 67 Auch der Hilfsverein zeigte Verständnis für die Forderung Schiffs hinsichtlich der Erweiterung des Kuratoriums, ohne jedoch bereit zu sein, die Leitung aus den Händen zu geben. 68 Am 29. März 1909, genau ein Jahr nach der Errichtung der „Wissotzkyschen Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden", wurde ein Abkommen mit Jakob H. Schiff unterzeichnet, das folgende Bestimmungen vorsah: 1. Eine neue Gesellschaft mit dem Namen „Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina" (hervorgegangen aus dem Kuratorium der Wissotzkystiftung des Hilfsvereins der Deutschen Juden) wurde gegründet. Die neue Gesellschaft wurde beim Amtsgericht in Berlin eingetragen. 2. Berlin wurde als Sitz der Gesellschaft bestimmt. 3. Der Vorsitz und die Geschäftsführung der Gesellschaft sollten in denselben Händen wie beim Hilfsverein der Deutschen Juden liegen. 4. Das Kuratorium der neuen Gesellschaft sollte dem Wunsche Jakob H. Schiffs entsprechend erweitert werden, und es sollten ihm folgende Mitglieder angehören: James Simon (Berlin), Dr. Paul Nathan (Berlin), Dr. Cyrus Adler (Philadelphia), Dr. Boris Gawronsky (Moskau), Ascher Ginzberg-Achad Haam (London), R. Götz (Moskau), Generalkonsul Eugen Landau (Berlin), Dr. Schmarja Levin (Berlin), Richter Julian Mack (Chicago); Louis Marshall (New York), Prof. M. Philippson (Berlin), Julius Rosenwald (Chicago), Prof. Salomon Schechter (New York), Ludwig Schiff (Frankfurt a. M.), Mortimer L. Schiff (New York), Carl Stettauer (London), Samuel Strauss (New York), Richter M. Sulzberger (Philadelphia), Justizrat Timendorfer (Berlin), Dr. Tschlenow (Moskau), David Wissotzky (Moskau), J. Zetlin (Moskau). 5. Die Ziele der neuen Gesellschaft blieben dieselben, wie sie für die Wissotzky-Stiftung festgelegt worden waren, das heißt, „daß Mittelschule wie technisches Institut insbesondere auch die Aufgabe haben, die Schüler zu selbstbewußten, ihre Abstammung und Religion achtenden Juden heranzubilden und denselben

67 68

Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 11. Dez. 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 60. Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 15. Jan. 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 62.

Das

Kuratorium

77

dementsprechend Gelegenheit zu geben, eine ausgiebige Kenntnis des Hebräischen und der jüdischen Vergangenheit zu gewinnen". 6 ? 6. Es wurde vorgesehen, inmitten der baulichen Anlagen einen Gedenkstein zu errichten, der, entsprechend dem Vermächtnis von Kalonymus Wolf (Zeev) Wissotzky, dessen Namen verewigen sollte. 70 Mit der Unterzeichnung des Abkommens vom 29. März 1909 schien die Kontroverse mit Jakob H. Schiff jedoch noch nicht ihren Abschluß gefunden zu haben. Neue Meinungsverschiedenheiten, die sich auf die Verwaltung des gesamten Kapitals der neuen Gesellschaft und auf die genaue Wortfolge ihres offiziellen Namens bezogen, drohten fast mit einem Debakel zu enden. Paul Nathan traf sich mit Schiff in Wiesbaden, um die Situation zu klären. 71 Schmarja Levin hielt die Haltung Jakob H. Schiffs für die korrektere, da es so aussah, als versuche der Hilfsverein, das vorher mit Schiff abgeschlossene Abkommen nicht wortwörtlich einzuhalten. 72 David Wissotzky besuchte James Simon in Berlin und befürwortete Nachgiebigkeit gegenüber Schiff. 73 Ende Mai 1909 schienen die Meinungsverschiedenheiten beigelegt zu sein. Die versprochenen 100 000 Dollar wurden von Jakob H. Schiff nach Berlin überwiesen. 74 Der Hilfsverein hielt es für richtig, in seinem Geschäftsbericht den Beitrag Schmarja Levins besonders hervorzuheben: „In besonderem Maße hat sich Herr Dr. Schmarja Levin um die neue Unternehmung verdient gemacht. Er hat die Sympathien der amerikanischen Judenheit für das technische Institut . . . wie auch in weitgehendem Maße für das ganze Erziehungswerk im Orient erweckt." 75 Und ferner: „Wir sind Herrn Dr. Levin für seine hingebungsvolle und erfolgreiche Tätigkeit aufrichtig dankbar." 76 Auch nach der Gründung des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" und der Erweiterung seines Kuratoriums behielt der Hilfsverein die Leitung der neuen Gesellschaft in seinen Händen.

69 70 71 72 73 74 75 76

Vgl. Siebenter A. a. O., S. 69 Vgl. Schmarja A. a. O., S. 65 Vgl. Schmarja Vgl. Schmarja Vgl. Siebenter Ebda.

GB des Hilfsvereins . . ., S. 70. f. Levin an Achad Haam, 10. Mai 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 65. f. Levin an Achad Haam, 30. Mai 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 66 f. Levin an Achad Haam, 27. Juni 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 68 f. GB des Hilfsvereins . . ., S. 67.

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden "

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Die Büros der Gesellschaft befanden sich in den Räumen des Hilfsvereins in der Steglitzer Straße 12 in Berlin West und waren kaum vom Hilfsverein zu trennen. Bemerkenswert war auch die Tatsache, daß der Hilfsverein in seinen jährlichen Geschäftsberichten die Fortschritte bei der Errichtung des Technikums und seiner Vorschule77 als einen wesentlichen Teil seiner eigenen Tätigkeit behandelte und die mit der Wissotzkyschen Familienstiftung und Jakob H. Schiff vereinbarte Selbständigkeit der Gesellschaft als bloße Formalität betrachtete. Es darf jedoch auch angenommen werden, daß der Hilfsverein nur auf diese Weise die Möglichkeit gegeben sah, dem Technikum den Schutz des deutschen Auswärtigen Amtes und seiner Vertretungen in der Türkei zu sichern. Bereits in seinem siebenten Geschäftsbericht brachte der Hilfsverein dem Deutschen Auswärtigen Amt und seinen Vertretern im Ausland seinen Dank zum Ausdruck „für die in Bezug auf das Technikum wie bei anderen Gelegenheiten erwiesene Hilfe . . . und entgegengebrachtes Interesse".78 Nach dem Abschluß des Abkommens mit Jakob H. Schiff verfügte die neue Gesellschaft des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" über 600 000 Mark.79 Weitere Schenkungen für das Technikum wurden in Aussicht gestellt. James Simon spendete 100 OOOMark. Paul Nathan stellte die Erträge der ihm unterstehenden Stiftung seiner verstorbenen Cousine, der Baronin von Cohn-Oppenheim, in Höhe von 300 000 Mark zur Verfügung. Der Berliner Warenhausbesitzer Oskar Tietz, der Mitglied des Hilfsvereins war, spendete 50 000 Mark. Julius Rosenwald aus Chicago stellte 5000 Dollar - etwa 20 000 Mark - in Aussicht.80 In Rußland gelang es dem österreichischjüdischen Dichter Berthold Feiwel während einer zionistischen Aufklärungsreise, 40 000 Rubel - etwa 80 000 Mark - für das Technikum zu sammeln. 81 Während seiner Amerikareise von 1910 bis 1911 konnte Schmarja Levin mit seinen Appellen an die jüdischen Gemeinden diese bewegen, Stipendien für die zukünftigen Schüler des

77

Die Vorschule des Technikums in Haifa war als Realschule gedacht. Sie wurde einmal Vorschule, einmal Mittelschule, aber auch Realschule genannt. 78 Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins . . ., S. 67. 79 Den 600 000 Deutschen Mark entsprachen 150 000 Dollar bzw. 300 000 Rubel oder 750000 Frs. 80 Vgl. E. Feder, Die Technische Hochschule in Haifa . . ., S. 32 f. 81 A. a. O., S. 33.

Bodenkauf in Haifa

79

Technikums auszusetzen.82 Die zur Verfügung gestellten Summen durften laut Abkommen auch für andere Zwecke des Technikums benutzt werden.83 Auch der Jüdische Nationalfonds der Zionistischen Weltorganisation äußerte den Wunsch, sich am Ankauf des Grundstücks für das Technikum zu beteiligen, und versprach, 100 000 Frs. ca. 80 000 Mark - bereitzustellen. Das Geld wurde - den Statuten des Nationalfonds gemäß - als nicht rückzahlbares Darlehen zur Verfügung gestellt. Dies geschah allerdings, nachdem das Bauterrain schon längst angekauft und bezahlt worden war.84 Ferner konnte für das Jahr 1911 mit einer zweiten Schenkung von 100 000 Rubel durch die „Wissotzkysche Familienstiftung" gerechnet werden.85 Es schien, daß Paul Nathan die Aufbringung der notwendigen Mittel für die Errichtung des Technikums und der dem Technikum angegliederten Realschule als gesichert betrachten konnte.

Bodenkauf in Haifa Es ist anzunehmen, daß Paul Nathan bereits während seiner ersten Palästinareise im Jahr 1907 Haifa als geeigneten Ort für das Technikum gewählt hatte. Herzls visionärer Roman Altneuland dürfte ihm bekannt gewesen sein.86 In diesem Roman schilderte Herzl Haifa als die Stadt der Zukunft.87 Die Wahl Haifas als Standort für das Technikum begründete Paul Nathan mit folgenden Argumenten: 1. Haifa habe die besten Aussichten, zur bedeutendsten Hafenstadt der syrisch-palästinensischen Küste zu werden. Es sei vorauszu-

82

Vgl. ISchL, (hebr.), S. 120-135: Briefe aus N e w York vom 2. Oktober 1910 bis

zum 17. Januar 1911. Siehe auch Die Welt, Nr. 40 v o m 7. Oktober 1910, S. 978 f., und Die Welt, Nr. 9 vom 3. März 1911, S. 199. 83

Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 9. Dezember 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 132.

84

Vgl. ISchL, (hebr.), passim; E. Feder, Die Technische Hochschule in Haifa . . ., S. 33-

85

Vgl. E. Feder, Die Technische Hochschule in Haifa . . ., S. 33.

86

Vgl. Theodor Herzl, Altneuland, Roman, 8. Aufl., Berlin-Wien, erstmalig 1903 er-

schienen. 87

A. a. O., S. 65. Er beschrieb die Stadt Haifa des Jahres 1923, w i e er sie in seiner

Vision sah: „Eine herrliche Stadt war an das tiefblaue Meer gelagert. Großartige Steindämme ruhten im Wasser und ließen den weiten Hafen dem Blick der Fremden sogleich als das erscheinen, was es wirklich war: der bequemste und sicherste Hafen des mittelländischen Meeres. Schiffe aller Größen, aller Arten, aller Nationen hielten sich in dieser Geborgenheit auf."

80

V. Der „Hilfsverein der Deutschen

Juden"

sehen, daß die türkischen Behörden Haifa als Alternative zu Beirut vorziehen würden. Die Entwicklung der Lage in Beirut und im halb unabhängigen Libanon hätte ihr Mißtrauen bereits geweckt. 2. Als besonders wichtig für die Zukunft Haifas dürfe der Bau der Hedschasbahn betrachtet werden, die aus Haifa durch voraussichtliche weitere Anschlüsse über Aleppo an die Bagdadbahn einen wichtigen Eisenbahnknotenpunkt machen werde. 3. Jaffa komme schon deswegen als Standort für das Technikum nicht in Frage, weil es durch die voraussichtliche Entwicklung Haifas seine Bedeutung als Hafenstadt einbüßen werde. 4. Auch Jerusalem könne nicht als passender Ort für eine höhere technische Lehranstalt betrachtet werden, da es keine Aussichten habe, sich zu einem industriellen Zentrum zu entwickeln. Eine technische Schule dagegen benötige Fabriken, Bahn- und Kaianlagen, um ihren Zöglingen während des Studiums entsprechende praktische Erfahrungen zu ermöglichen. 5. Die Errichtung des Technikums in Haifa werde die Zukunft dieser Stadt, die sich erst am Anfang einer günstigen Entwicklung befinde, weitgehend positiv beeinflussen können.88 Wahrscheinlich hat Paul Nathan Haifa auch aus einem zusätzlichen Grund vorgezogen: Haifa war zu jener Zeit weniger als die anderen Zentren des Landes von den ideologischen, politischen und religiösen Strömungen im Judentum beeinflußt. Paul Nathan fand somit, daß die Atmosphäre in Haifa für eine Lehranstalt geeigneter sei, als die von orthodox-religiösem Fanatismus durchtränkte Luft der jüdischen Gemeinde Jerusalems und die von zionistischen Ideen beherrschte politische Stimmung des „Neuen Jischuws" in Jaffa. Durch die Wahl Haifas als Standort für das Technikum erhoffte sich Paul Nathan, diese Institution von den politischen Turbulenzen des Landes fernzuhalten.8? Das Gerücht über die bevorstehende Errichtung eines Technikums in Haifa stieß auf Widerstand in Jerusalem, wo ein Komitee gebildet wurde, um für eine Änderung der Ortswahl zu kämpfen. Das Komitee wandte sich an den Hilfsverein und die Wissotzkyschen Erben. Die Welt vom 22. Mai 1908 wußte in einer Notiz aus Palästina zu

88 89

Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins62. Vgl. E. Feder, Die Technische Hochschule in Haifa . .

S. 34.

Bodenkauf

in Haifa

81

berichten, daß, während Paul Nathan sich in Haifa befinde, „um für die zu begründende technische Schule die nötigen Vorbereitungen zu treffen", in Jerusalem einige Versammlungen stattgefunden hätten, „auf denen beschlossen wurde, nach Kräften dafür einzutreten, daß der Sitz des Technikums in Jerusalem, dem alten jüdischen Zentrum", zu sein habe.90 Das Jerusalemer Wochenblatt Haschkafa führte die Gründe an, warum nur Jerusalem als Sitz für das Technikum in Frage komme: erstens, weil die meisten zukünftigen Schüler des Technikums aus Jerusalem, der Stadt mit der größten jüdischen Bevölkerung, kämen; zweitens, weil Jerusalem dringender als Haifa Beschäftigung für seine bedürftigen jüdischen Einwohner brauche; drittens, weil die Errichtung des Technikums in Jerusalem die industrielle Entwicklung dieser Stadt fördern würde; viertens, weil die bereits bestehenden Schulen und Bildungsinstitutionen in Jerusalem einen positiven Einfluß auf die zukünftigen Schüler des Technikums ausüben könnten; fünftens, weil die Schüler des Technikums in einer so entlegenen Stadt wie Haifa nicht die richtige geistige Umgebung vorfinden würden, welche der Stadt Jerusalem auf ganz natürliche Weise zu eigen sei.91 Am 12. Juni 1908 berichtete Die Welt, daß sich Paul Nathan einige Tage in Jerusalem und Jaffa aufhalte. Das Zentralorgan der zionistischen Bewegung glaubte zu wissen, daß der Ort für die Errichtung des Technikums noch nicht bestimmt sei.92 Die Juden Haifas reagierten dementsprechend. Ein ad hoc gegründetes Komitee plädierte in einem Schreiben an Paul Nathan für die Errichtung des Technikums in Haifa.93 Die angeführten Argumente entsprachen eigentlich den Ansichten Paul Nathans.94 An der Spitze dieses Komitees standen zwei aus Rußland eingewanderte Ingenieure - Schmuel Pevsner und Nachum Wilbuschewitz (später zu „Wilbusch" gekürzt) - , die zusammen mit zwei weiteren Teilhabern 1908 die erste Fabrik in Haifa gründeten.95

Vgl. Die Welt, Nr. 20 vom 22. Mai 1908, S. 13. Vgl. Haschkafa, Wochenblatt, (hebr.), Jerusalem, Nr. 65 vom April/Mai 1908. 9 2 Vgl. Die Welt, Nr. 23 vom 12. Juni 1908, S. 20. 9 3 Vgl. P. A. Alsberg, Toldot Hatechnum Haivri, (hebr. Manuskript), S. 5, TJNHA, Bd. 1301. 94 Ebda. 9 5 Die Haifaer Fabrik für ölextraktion „Athid" war in ihren Ausmaßen sehr bescheiden. Aus ihr entwickelte sich später das große und bedeutende Werk „Schemen". 90 91

82

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden "

Schmuel Pevsner war der Schwiegersohn Achad Haams. Er wurde 1879 in der Ukraine geboren und entstammte einer bürgerlich-jüdischen Familie, die ihm das Studium an der Technischen Hochschule Charlottenburg ermöglichen konnte. Bereits während seines Studiums begeisterte er sich für den Zionismus und nahm am Ersten Zionistenkongreß 1897 in Basel teil. Im Jahre 1906 wanderte er nach Palästina ein, nachdem er Lea Ginzberg, die älteste Tochter Achad Haams, geheiratet hatte. Er ließ sich in Haifa nieder und betätigte sich hauptsächlich als Kaufmann und Unternehmer.9^ Nachum Wilbuschewitz (Wilbusch) begann bereits 1906 mit der maschinellen Ölextraktion in Palästina. An der neugegründeten Haifaer Fabrik „Athid" war er technischer Betriebsleiter. Er wurde 1879 geboren und absolvierte 1903 sein Studium an der Technischen Hochschule Magdeburg. In seiner Familie war die Neigung zur Technik sowohl bei seinem Vater als auch bei seinen beiden älteren Brüdern vorhanden.97 Einer der Brüder - Gedalia (Grischa) Wilbuschewitz - wirkte besonders eindrucksvoll am Bau des Technikums mit.98 Nachum Wilbuschewitz (Wilbusch) war ein schweigsamer Mann, den man fast als Sonderling hätte bezeichnen können, aber äußerst begabt und sehr zäh.99 Er gehörte zu den bedeutendsten Pionieren der industriellen Entwicklung Palästinas.100 Für Paul Nathan war die Wahl des Ortes für die Errichtung des Technikums von großer Bedeutung. Ende Juni 1908 erklärte er dem Korrespondenten der zionistischen Wochenschrift Die Welt: „Es liegt auf der Hand, daß die Frage des Sitzes einer technischen Lehranstalt in einem in dem Anfangsstadium der Entwicklung begriffenen Lande wie Palästina von ganz hervorragender Bedeutung ist für die Existenz der Schule selbst, sowie für die Ortschaft, in der sie beherbergt werden soll. Das begreifen auch die Juden in Palästina sehr wohl, und darum bewerben sich verschiedene Städte um die von uns geplante Schule. Einen endgültigen Beschluß über diese Frage wird

9 6 Vgl. Wa'ad Hadar Hacarmel: Lesichro schei Schmuel Pevsner (1879-1930), (hebr.), Haifa 1940, S. 6. Der Name „Pevsner" wurde bis 1918 oft auch „Pewsner" geschrieben. Vgl. Leseeber Poalo schei Nachum Wilbusch, in: Haroschet Hama'ase, KovetzLetoldot Hata'asia Baaretz, hrsg. von Schmuel Avizur, (hebr.), Tel Aviv 1974, S. 9 ff.

Siehe SECHSTES KAPITEL. ^ Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 209100 Vgl. Leseeber Poalo schei Nachum Wilbusch.

Bodenkauf in Haifa

83

aber erst das Kuratorium zu fassen haben, dem ich das von mir gesammelte Material unterbreiten werde." 101 Am 10. Juli 1908 berichtete jedoch Die Welt, daß der Hilfsverein den endgültigen Beschluß schon gefaßt habe, das Technikum in Haifa zu errichten und das Terrain für diesen Zweck dort anzukaufen. 102 Die Welt bemerkte dazu, daß „die Jerusalemer Bevölkerung . . . sich natürlich durch diesen Beschluß sehr unangenehm betroffen" fühlen müsse. 103 Haifa war zu Beginn des 20. Jahrhunderts - trotz aller Entwicklung - eine kleine Stadt, die dem nördlichen Beirut und selbst dem benachbarten Akko an Größe und Bedeutung nachstand. Obzwar sehr schön am Ufer der Bucht von Haifa gelegen, 104 bestand die Stadt aus verwahrlosten Wohnvierteln mit engen und schmutzigen Gäßchen. Diese waren zum größten Teil von moslemischen Arabern bewohnt, die in äußerst ärmlichen Verhältnissen lebten. Etwa 350 jüdische Familien orientalischer oder nordafrikanischer Herkunft teilten ihr Los. Die weit gebildeteren und wohlhabenderen christlichen Araber und die wenigen Juden europäischer Herkunft bewohnten die besseren Stadtviertel, die sich am unteren Abhang des Karmel und am westlichen Rand der Stadt - zur Deutschen Kolonie hin - befanden. 105 Die Deutsche Kolonie unterschied sich von der ihr benachbarten Stadt durch musterhafte Sauberkeit, gepflegte Obst- und Gemüsegärten und den Wohlstand ihrer ca. 550 Einwohner. Trotz ihrer verhältnismäßig geringen Anzahl war der Einfluß der deutschen

101

Vgl. Die Welt, Nr. 25 vom 26. Juni 1908, S. 5Vgl. Die Welt, Nr. 27 vom 10. Juli 1908, S. 14. 103 Ebda. Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 207. Mit folgenden Worten schilderte Dr. Auerbach den Eindruck, welchen Haifa auf ihn 1909, bei seiner Ankunft, machte: „Plötzlich erschien fern im Norden die schöne ins Meer vorgeschobene Spitze des Karmel mit dem sie krönenden Kloster. Noch sah man nichts von Haifa. Dann aber wendete das Schiff, und in weitem Bogen umfuhr es die KarmelspitZe, so daß sich langsam die Bucht erschloß. Drüben im Norden glänzte Akko herüber wie ein schimmerndes Juwel, und weiter im Norden war Ras-en-Nakura Zu erkennen, der weiße Felsen der Tyrischen Leiter." Und ferner: „Erst ganz zuletzt entrollte sich das Bild der Stadt Haifa. Im Schein der niedergehenden Sonne, am Fuß des Karmel hingelagert, bot es einen märchenhaft schönen Anblick." 102

105

Vgl. A Carmel, The History of Haifa under Turkish Rule . . ., (hebr.), S. l 6 l ff. Siehe auch E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., passim.

84

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

Kolonisten auf das wirtschaftliche Leben Haifas beträchtlich.106 Insgesamt besaß die Stadt am Vorabend des Ersten Weltkrieges eine Bevölkerung von 15 000 bis 20 000 Seelen.107 Haifa und Umgebung wurden von einem türkischen Kaymakam verwaltet. Die Stadt gehörte dem Sanjak Akko an, welcher zusammen mit zwei weiteren Provinzen die Großprovinz Beirut- Vilayet genannt - bildete. Der Gouverneur des Vilayets - der Vali von Beirut - unterstand direkt der Hohen Pforte, also der Zentralregierung in Konstantinopel.108 Das Gebiet südlich des Vilayets Beirut bildete das Mutasarriflik Jerusalem, in welchem ein Gouverneur mit dem Titel eines Mutasarrif im Namen der Hohen Pforte die oberste Gewalt ausübte.109 Der Mutasarrif von Jerusalem erfreute sich zwar eines besonderen Ansehens und stand in direkter Verbindung zur Zentralgewalt in Konstantinopel, hatte jedoch keinen Einfluß auf das Vilayet Beirut. Als Folge dieses Umstands mußten alle Verwaltungsprobleme wie auch die rechtlichen Angelegenheiten, welche die Stadt Haifa betrafen, soweit sie nicht von den örtlichen Behörden gelöst werden konnten, über Akko und Beirut geregelt werden. Der Ankauf eines Grundstücks in Haifa für eine so umfangreiche Institution wie das Technikum und die ihm angegliederte Realschule war kein einfaches Unternehmen. Ohne die Kenntnisse der örtlichen Zustände und Gepflogenheiten und die Mithilfe ortsansässiger interessierter Kreise wäre ein solches Unternehmen wahrscheinlich auch kaum möglich gewesen.

106 Ebda. 107 Die von verschiedenen Quellen angegebenen Zahlen sind nur als Schätzungen Zu verstehen. 108 Die letzte große Verwaltungsreform vor 1914, welche die Provinzen des Osmanischen Reiches betraf, fand 1864 statt Nach der Revolution der Jungtürken von 1908 wurden Versuche unternommen, die Verwaltung zu verbessern und die Prinzipien der Volksvertretung aus der Zeit des Tanzimats in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Gouverneure der Provinzverwaltung - der Vali im Vilayet, der Mutasarrif im Sanjak und der Kaymakam in der Kaza - sollten von 1908 an die neue Zentralgewalt vertreten. Vgl. B. Lewis, The Emergence ofModern Turkey. . ., S. 206-233.

Das Mutasarriflik Jerusalem umfaßte das ganze Gebiet um Jerusalem. Im Norden grenzte es an das Sanjak Balka (das heutige Samaria), im Süden an die Gegend um Beer Schewa, im Westen an das Mittelmeer und im Osten an das Tote Meer. Die Städte Jaffa und Gaza gehörten zu diesem Mutasarriflik. Vgl. Haim Gerber, Ottoman Rule in Jerusalem. 1890-1914, Berlin 1985, passim.

Bodenkauf in Haifa

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Ende März 1908 weihte Paul Nathan Ephraim Cohn ganz vertraulich in das Projekt des Technikums ein. 1 1 0 Obwohl über die Wahl des Ortes für dieses noch nicht offiziell entschieden worden war, bat er ihn, nach Haifa zu reisen, um sich nach einem geeigneten Gelände umzuschauen. 1 1 1 Ende April 1908 begab sich Paul Nathan selbst nach Palästina, um endgültig seine Entscheidung zu treffen und ein Grundstück zu kaufen. Am 1. Mai kam er in Haifa an und traf sich mit Ephraim Cohn, der sich schon seit Tagen auf dem Grundstücksmarkt umgesehen hatte. Cohn schlug ein Gelände am mittleren Karmelabhang vor, das die untere Stadt weit überragte und eine herrliche Aussicht auf die Bucht und die Galiläischen Berge bot. 1 1 2 Das Gelände lag auf einer Höhe von 2 Metern im Norden und 105 Metern im Süden und bestand aus einer Reihe größerer und kleinerer Parzellen. Der nördliche, breitere und tiefer gelegene Teil des Grundstücks gehörte den Grundbesitzern R. Hakim, I. Kassab und S. Reis, der südliche, schmalere und höher gelegene Teil einem Dr. Schmidt und einem Besitzer mit Namen Jabour. Raphael Hakim war ein prominenter jüdischer Kaufmann in Haifa, der die britische Staatsangehörigkeit besaß, I. Kassab und S. Reis waren ottomanische Untertanen arabischer Herkunft. Auch der in Haifa sehr bekannte deutsche Architekt Dr. Gottlieb Schumacher war am südlichen und höher gelegenen Terrain, das zum Teil als Weinberg galt und an einen Olivenhain grenzte, beteiligt. 113

Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 256 f. Obwohl die Mitteilung P. Nathans geheimgehalten werden sollte, wurde sie auch anderen über Achad Haam bekannt. 110

111

Ebda.

A. a. O., S. 258. Die Schönheit der Aussicht vom Gelände des Technikums beschrieb E. Auerbach mit folgenden Worten: „Noch bevor ich meine Praxis in Haifa eröffnete, besichtigte ich das Gelände, auf dem das Technikum erstehen sollte. Es war aber gar nicht so einfach, dorthin zu gelangen, denn es führte keine Straße hinauf, nicht einmal ein Fußweg. Es ging felsig und steinig bergan, und man mußte vorsichtig klettern. Dann aber eröffnete sich der schöne Blick auf die Unterstadt, und es begann das sanft ansteigende Plateau. Ein wenig weiter oben lag der Platz des Technikums, nur locker durch Draht begrenzt." Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 252. 112

1 1 3 Vgl. Kaufvertrag vom 13. Mai 1908 zwischen R Hakim, I. Kassab und S. Reis (Verkäufer) einerseits und Dr. P. Nathan (Käufer) andererseits, TJNHA, Bd. 2. Der im Archiv enthaltene Vertrag ist in französischer Sprache abgefaßt Vgl. DOKUMENTENAN-

HANG B .

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V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden "

Ein günstigeres Terrain für das Technikum scheint es in Haifa nicht gegeben zu haben. Die unbebauten Grundstücke in der unteren Stadt und in der Deutschen Kolonie waren im allgemeinen zu klein und auch zu teuer. 1 1 4 Auch bestand Anlaß zur Sorge, wie sich in der unteren Stadt, aber auch in der Deutschen Kolonie der schädliche Einfluß der salzigen Meeresluft auf die teuren technischen Einrichtungen und Maschinen der künftigen technischen Lehranstalt auswirken würde. 1 1 5 Gegen die Errichtung des Technikums auf dem oberen Karmelabhang, auf welchem sich das Karmeliterkloster und einige Gebäude der deutschen Kolonisten befanden - diese Möglichkeit wurde auch erwogen - , sprachen die für die damalige Zeit erhebliche Entfernung und die zu erwartenden Transportschwierigkeiten. 116 Nachdem Paul Nathan in Begleitung von Ephraim Cohn alle in Frage kommenden Grundstücke selbst besichtigt hatte, entschied er sich für das Gelände am mittleren Karmelabhang. 117 Auch Dr. Arthur Ruppin, der Leiter des Palästinaamtes in Jaffa, der von Paul Nathan gefragt wurde, äußerte sich zustimmend zu dieser Wahl, „da der Boden eine wunderbare Aussicht auf das Meer hatte und von der Unterstadt gerade weit entfernt war, um nicht als ihr Anhängsel zu erscheinen und doch zu Meer und Hafen noch in erreichbarer Nähe lag". 1 1 8 Nun war jedoch Ephraim Cohn an der Reihe, Paul Nathan auf die Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die sich im Zusammenhang mit der Errichtung des Technikums auf diesem Gelände ergeben könnten. Dieser zeigte sich jedoch bereit, alle auftretenden Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen. 1 1 9

1 1 4 Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 252. Er schrieb: „Die Vorzüge des Platzes fielen sofort in die Augen. Ein Gelände von diesem Umfang war in der Unterstadt überhaupt nicht Zu finden oder nur aus kleinen Stücken zu einem gewaltigen Preis zusammenzukaufen. Außerdem gab hier der Felsboden eine sichere Fundamentierung ab, die Gegend war gesund, mit damals prachtvoller Aussicht, so recht geeignet für ehrgeizige Träume von einer künftigen jüdischen Stadt, die sich hier, befreit von der orientalischen Enge und dem Schmutz des alten Haifa, einmal entwickeln konnte."

Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem,. . ., S. 258. ^ A. a. O., S. 257. Angeboten wurde ein Grundstück des berühmten englischen Reisenden, Forschers und Palästinafreundes Sir Lawrence Oliphant. 117 A. a. O., S. 258. 1 1 8 Vgl. Arthur Ruppin, Briefe, Tagebücher, Erinnerungen, Königstein/Ts. 1985, S. 223. Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son of Jerusalem . . ., S. 258. Paul Nathan soll 115

Bodenkauf in Haifa

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Die Verhandlungen mit den Grundbesitzern kamen schnell zustande. Um Preissteigerungen zu verhindern, fuhren Paul Nathan und Ephraim Cohn nach Jerusalem und ließen das Gerücht verbreiten, daß auch andere Orte für das Technikum in Frage kämen. Diese Taktik hatte Erfolg, und das Gelände konnte zu einem angemessenen Preis erworben werden. 120 Am 13. Mai 1908 wurde ein vorläufiger Kaufvertrag abgeschlossen, der sich auf 53 000 quadratpic Land121 bezog. Die genaue Größe des Grundstücks sollte erst nach den endgültigen Vermessungen errechnet werden. Der Käufer behielt sich das Recht vor, den Vertrag bis zum 27. Juni zu bestätigen oder zu annullieren. Die Verkäufer verpflichteten sich: a. das ganze Grundstück rechtlich auf eine vom Käufer genannte Person entsprechend den ottomanischen Gesetzen zu übertragen und eine bei den zuständigen Behörden registrierte und von den Verkäufern unterzeichnete Verkaufs-Mazbata („Mazbata de vente")122 zu beschaffen; b. eine Mazbata der Abgrenzung („Mazbata de délimitation")123 und einen von den Eigentümern der benachbarten Parzellen unterzeichneten und bei den Behörden legalisierten Plan des Terrains zu erstellen; c. eine Baugenehmigung für eine Umfassungsmauer sowie ein Gebäude mit zehn Zimmern und einer Wasserzisterne zu erhalten. Der Vertrag sah auch Alternativen vor für den Fall, daß sich behördliche Schwierigkeiten bei der Übereignung des Grundstücks ergeben würden. Angesichts der Verpflichtungen, denen die Verkäufer nachkommen mußten, sollte der Käufer zunächst eine Anzahlung leisten. Der Restbetrag sollte erst nach Erfüllung aller oben genannten Auflagen fällig werden. 124

gesagt haben, daß er, hätte er sich ein Technikum ohne Schwierigkeiten gewünscht, er dieses in Potsdam oder Spandau errichtet hätte. 120 A. a. O., S. 259121 Ein pic entsprach 68,6 qcm. 122 Die Mazbata war eine offizielle Erklärung: Die „Mazbata de vente" mußte von den Verkäufern bei der Stadtverwaltung - Beledije genannt - registriert und bestätigt werden. 123 Die „Mazbata de délimitation" mußte von den Nachbarn des Terrains unterzeichnet und ebenfalls bei der Beledije eingereicht werden. 124 Kaufvertrag vom 13. Mai 1908, TJNHA, Bd. 2.

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V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

Ephraim Cohn glaubte, bei den Verhandlungen mit den Verkäufern auf einen Vermittler verzichten zu können. Doch angesichts der komplizierten Bodengesetze in der Türkei125 schien ihm der Rat eines Fachmanns auf diesem Gebiet äußerst wichtig zu sein. Er wandte sich daher an Salman David Levontin,126 den Generaldirektor der AngloPalestine Company, Ltd.,127 und bat ihn, seinen Stellvertreter in Jaffa, Eliahu Saphir, nach Haifa zu schicken. Dieser sollte ihm beim Abschluß der Verhandlungen zur Seite stehen. 128 Eliahu Saphir war ursprünglich Lehrer von Beruf. Er widmete dem Studium der Landeskunde und der hebräischen Sprache viel Zeit und war für seine Kenntnisse der arabischen Sprache bekannt. Aus Jerusalem gebürtig und mit den arabischen Sitten vertraut, galt er als unumstrittener Kenner der ottomanischen Steuer-, Land- und Erbschaftsgesetze.129 Mit seiner Hilfe wurden mit dem türkischen Müdir,130 der für den Kataster - Tabu genannt - in der Saraya131 verantwortlich war, die Verhandlungen geführt und mit Hilfe des üblichen Bakschisch erfolgreich abgeschlossen. 132 Anfang Juni 1908 kehrte Paul Nathan nach Berlin zurück. 133 Als Leiter des Schulwerks des Hilfsvereins in Palästina wurde Ephraim Cohn auch mit den Angelegenheiten des Technikums betraut. Da er infolge seiner vielen Aufgaben in Jerusalem nur selten nach Haifa kommen konnte, fand sich Nathan Kaisermann, der Leiter der neugegründeten Anglo-Palestine Bankfiliale in Haifa, bereit, in dieser Hinsicht

125

Vgl. H. Gerber, Ottoman Rule in Jerusalem 1890-1940 . . ., S. 199-222. 126 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 259127 Vgl. Nahum Gross, Bankaile'Uma be'Hitchadschuta. Toldot Bank Leumi le Israel, Bd. 1, (hebr.), Massada Verlag o. J., Die Anglo-Palestine Company, Ltd. wurde 1902 in London gegründet. Die erste Filiale in Palästina wurde 1903 in Jaffa eröffnet. 128 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 25912 9 Ebda. Siehe auch N. Gross, Bankai le'Uma be'Hitchadschut. . ., S. 72. 130 Müdir war der türkische Ausdruck für „Leiter". Kleine Ortschaften wurden auch von einem Müdir (auch Müdür geschrieben) geleitet, der einem Kaymakam unterstand. 131 Das Regierungsgebäude, in welchem sich die Regierungsämter befanden. 132 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 259 f- Die Verhandlungen wurden in einem kleinen Kaffeehaus in der unteren Stadt begonnen und in der Saraya nach einigem Feilschen über die Höhe des Bakschisch abgeschlossen. 133 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 11. Juni 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 44. Paul Nathan kam am 10. Juni in Berlin an.

Bodenkauf

in Haifa

89

behilflich zu sein und die Interessen des Technikums in Haifa zu vertreten. 134 Nathan Kaisermann wurde 1863 in Odessa geboren. Er studierte in der Schweiz Agronomie und wanderte bereits 1891 nach Palästina ein, wo er der Leitung der „Chowewe Zion" angehörte und als Agronom in den jüdischen Siedlungen tätig war. Von 1903 an gehörte er der Anglo-Palestine Co., Ltd. an und wurde 1908 zum Leiter der Filiale in Haifa ernannt, wo vom Hilfsverein das erste Bankkonto in Höhe von 1000 Frs. eröffnet wurde. 135 Die erste Aufgabe Ephraim Cohns und Nathan Kaisermanns bestand darin, die im Kaufvertrag enthaltenen Paragraphen in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Anzahlungen an die Verkäufer wurden in den Monaten Juli bis September 1908 geleistet. 136 Diese beeilten sich jedoch nicht, ihren laut Vertrag übernommenen Verpflichtungen nachzukommen. Besonders dringend war die Bewilligung - Ruhsa genannt - zum Bau der Umfassungsmauer. Gemäß den örtlichen Gepflogenheiten war solch eine Mauer eine offenkundige Bestätigung der Inbesitznahme. Auch war die Umfassungsmauer unerläßlich, um die Vermessung des Terrains vornehmen zu können. Da keine Ruhsa erteilt worden war, beschloß Ephraim Cohn, Dr. Gottlieb Schumacher mit der Errichtung einer provisorischen Umfassungsmauer - mehr Zaun als Mauer - und mit der Beaufsichtigung der Landvermessung zu beauftragen. 137 Noch bevor die Arbeiten zur Errichtung der Mauer begannen, kam es zu einem ernsten Konflikt mit dem Karmeliterorden, der einen 7,5 Meter breiten Landstreifen des erworbenen und an die Grundstücke des Ordens angrenzenden Terrains betraf. Dr. Schumacher machte Ephraim Cohn auf die heikle Situation aufmerksam, und dieser sah sich gezwungen wahrscheinlich über Nathan Kaisermann - die Verkäufer zu verwarnen und sie für alle sich aus diesem Konflikt ergebenden Folgen verantwortlich zu machen. 138 Bis Ende 1908 konnte der Konflikt mit dem Karmeliterorden beigelegt und im Januar 1909 endlich auch die

1 3 4 Vgl. Korrespondenz Ephraim Cohns mit Nathan Kaisermann (1908-1910), TJNHA, Bd. 1. 1 3 5 Vgl. Jaacov Churagin, Nathan Kaisermann. Sifriat Rischonim, Tel Aviv 1943. 136 Ygj Bestätigungen von Geldempfängen vom 10. Juli, 26. August, 21. September, TJNHA, Bd. 2. 1 3 7 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son of Jerusalem . . ., S. 262 f. 1 3 8 Vgl. Schreiben an R. Hakim, I. Kassab und I. Reis, 14. Oktober 1908, (franz.),

90

V. Der „Hilfsverein der Deutschen Juden"

provisorische Umfassungsmauer fertiggestellt werden. 139 Da elf weitere Parzellen - meistens Weinberge - von Landwirten der Deutschen Kolonie gekauft worden waren, 140 die an das Gelände des Technikums grenzten, mußte die Mauer mehrmals geändert werden. Eine provisorische Vermessung wurde vom Büro Voigt unter Anleitung von Dr. Schumacher 141 und eine endgültige vom Büro der Vermessungsingenieure Treidel und Krause durchgeführt.142 Auf Veranlassung von Ephraim Cohn wurde an der Innenseite der Umfassungsmauer vom jüdischen Unternehmer Gurevitz ein Streifen Land umgepflügt und mit Bäumen bepflanzt.143 Da nun ein Wächter gebraucht wurde, bat Ephraim Cohn Nathan Kaisermann, einen Araber anzustellen, falls sich für diesen Posten kein Jude finden würde. Er meinte, es wäre in ganz Palästina üblich, in den Städten wie auch in den Kolonien mohammedanische Wächter anzustellen, weil man dadurch besser geschützt sei. 144 Über den Verlauf der Ereignisse in Haifa war die Leitung des Hilfsvereins in Berlin genauestens informiert. Ephraim Cohn mußte an das dortige Büro ausführliche Berichte über alle Begebenheiten erstatten und genaue Belege über alle Ausgaben vorlegen und erhielt

(Abschrift nicht gezeichnet, wahrscheinlich im Namen der Technikumsleitung in Palästina von einem Rechtsanwalt in Jaffa verfaßt), TJNHA, Bd. 2. 1 3 9 Vgl. E. Cohen-Reiss an N. Kaisermann, 19. Januar 1909, TJNHA, Bd. 1. 1 4 0 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 25. Februar 1909, TJNHA, Bd. 1. Die Namen der folgenden deutschen Parzelleninhaber werden erwähnt: Münzenmay, Weiss, Mader, Beck, Kühnle (zwei Parzellen), J. Ruff, G. Ruff (zwei Parzellen), Schumacher und Schmalzried. Aus Berlin wurde Anweisung gegeben, auch die Parzelle des deutschen Kolonisten Ehmann zu erwerben. Siehe E. Cohn an Nathan Kaisermann, 4. Dezember 1908, TJNHA, Bd. 1. 141 Ebda. 1 4 2 Vgl. Treidel und Krause an Direktor Kaisermann, 15. Februar 1909, TJNHA, Bd. 2. Das Ausmaß des Geländes betrug 4 ha 62 ar 65 qm. Der Landvermesser und Kultur-Ingenieur Joseph Treidel stammte aus Deutschland und war 1904 nach Palästina gekommen. Obwohl ursprünglich kein Zionist, wurde er zu einem der bedeutendsten Pioniere der jüdischen Kolonisation. Siehe dazu E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 210. 1 4 3 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 25. Februar 1909, TJNHA, Bd. 1. 1 4 4 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 2. März 1909, TJHNA, Bd. 1. E. Cohn schrieb: „Jüdische Diebe gibts G. s. D. nicht und vor den arabischen schützt man sich am besten durch einen arabischen Wächter. Früher pflegte man in den Kolonien den gefürchtetsten Dieb zum Wächter Zu machen und diese Praxis erwies sich als äußerst wirksam."

Bodenkauf in Haifa

91

von diesem seinerseits direkte Anweisungen über alle zu unternehmenden Schritte. Insbesondere wurde E. Cohn aufgefordert, unter keinen Umständen den Bau einer Querstraße durch das Technikumgelände zuzulassen. Die von den Verkäufern noch zu beschaffende Mazbata sollte ausdrücklich hervorheben, daß die Umfassungsmauer rechtmäßig errichtet worden sei und die Nachbarn des Technikumgrundstücks keinen Anspruch auf eine Querstraße durch das Gelände hätten. 145 Besonders langwierig gestaltete sich die Eigentumsübertragung. Da infolge der komplizierten Bodengesetze eine Übertragung des gesamten Grundstücks auf den Namen von James Simon anfangs nicht möglich gewesen war - wobei der Bürokratie und der Willkür der örtlichen Behörden wie auch dem unangemessenen Verhalten der Verkäufer Rechnung getragen werden mußte 146 - , erwog man die Übertragung der einzelnen Parzellen auf die Namen einiger fiktiver Käufer. 147 Als besonders hilfreich erwies sich hier David Yellin vom Lehrerseminar in Jerusalem, der als ottomanischer Bürger Besitzrechte - Kuschans genannt - besaß, die es ihm ermöglichten, auch von ottomanischen Staatsbürgern Boden zu erwerben. 148 Um die endgültige Abrechnung mit den Verkäufern vornehmen zu können, forderte die Zentrale in Berlin Ephraim Cohn auf, durch die Vermesser einen detaillierten Plan des Terrains erstellen zu lassen, in welchen die einzelnen Parzellen genau eingezeichnet werden sollten. Auch sollte eine Bestätigung des Architekten der Beledije beigelegt werden. Weitere Zahlungen an die Verkäufer sollten nur nach Erfüllung dieser Bedingungen erfolgen. l4 ^ Eine endgültige Abrechnung sollte jedoch erst nach Erfüllung aller Kontraktparagraphen - einschließlich der Mazbata und der Ruhsa für Mauer, Haus und Wasserzisterne - erfolgen. 150

1 4 5 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 22. Januar, 4. Februar, 17. Februar und 25. Februar 1909, TJNHA, Bd. 1. 1 4 6 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 10. November 1908, TJHNA, Bd. 1. E. Cohn meinte, man würde von den Verkäufern Bakschisch erwarten, das diese nicht zahlen wollten. 1 4 7 Gemeint waren anfangs E. Cohn und David Yellin sowie R. Hakim und Dr. Schumacher. Vgl. Briefe E. Cohns an N. Kaisermann 1908-1909, TJNHA, Bd. 1. 1 4 8 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann 1908-1909, TJNHA, Bd. 1. 14 9 Ebda. 1 5 0 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 2. März 1909, TJNHA, Bd. 1.

92

V. Der „Hilfsverein der Deutschen

Juden"

Im Laufe des Monats Juni ergab sich bereits die Möglichkeit, das Terrain auf den Namen von James Simon zu übertragen. Die damals in Konstantinopel bekanntgegebenen Verordnungen ermöglichten auch Ausländern, Land in der Türkei zu erwerben. 151 Nachdem die Vollmachten James Simons nach Haifa übersandt und die üblichen bürokratischen Schwierigkeiten überwunden worden waren, konnte mit der Übertragung des gesamten Terrains auf seinen Namen endgültig gerechnet werden. 152 Die Abrechnung mit Kassab und Reis schien damit jedoch nicht ihren Abschluß gefunden zu haben. Die Ruhsa und Mazbata wurden von ihnen nicht ausgestellt. Ephraim Cohn hat im Laufe des ganzen Jahres seit Unterzeichnung des Kaufvertrags über ihr unkorrektes Handeln geklagt. 153 Kassab und Reis waren dagegen der Meinung, daß ihnen Unrecht geschehen war und sie die ihnen zustehende Kaufsumme nicht erhalten hätten. Sie wandten sich wiederholt an die Leitung des Technikums mit denselben Geldforderungen, selbst nachdem das Technikum nach dem Ersten Weltkrieg bereits an die Zionistische Weltorganisation veräußert worden war. 154 Eine erste weitgehende Folge der Gründung des Technikums in Haifa war der jüdische Ankauf von Boden in nächster Nähe des Technikumsgeländes. Dr. Arthur Ruppin, der Leiter des PalästinaAmtes in Jaffa, erkannte bereits 1909, daß mit der Errichtung des Technikums am damals noch wüsten Karmelabhang dort ein neues Verkehrszentrum entstehen und die Preise für die benachbarten Grundstücke steigen würden. Mit zehn seiner Bekannten machte er den Anfang, indem er ein Gelände von zehn Dunam 155 erwarb, und

151

Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 16. Juni 1909, TJNHA, Bd. 1. Erstmals wurde der Erwerb von Boden durch fremde Staatsbürger 1867 gestattet. 152 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 4. Juli 1909, TJNHA, Bd. 1. Allerdings wurde die allumfassende Übertragung des Terrains auf einen einheitlichen Kuschan erst Anfang 1910 durchgeführt. 153 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann 1908-1909, TJNHA, Bd. 1. 154 Vgl. Schreiben Reis und Kassab an Monsieur le Docteur P. Nathan vom 21. März 1914, Abschrift (franz.), TJNHA, Bd. 2; Schreiben von Reis und Kassab an Monsieur A. Finkelstein, Directeur de l'insütut Technikum, 13. März 1915, (franz.), TJNHA, Bd. 2; Schreiben des „Board of the Technical College" an Prof. Dr. Otto Warburg, 31- Mai 1921, TJNHA, Bd. 2. 155 Ein Dunam entsprach 1000 qm.

Bodenkauf in Haifa

93

jedem der Käufer einen Dunam zur Verfügung stellte. 15 ^ Um einen Ankauf größeren Maßstabs zu tätigen, wandte sich Arthur Ruppin an Prof. Warburg in Berlin mit dem Vorschlag, eine „Immobiliengesellschaft Palästina" 157 mit einem Grundkapital von 100 OOOMark zu gründen. Das Gesellschaftskapital sollte von deutschen Juden aufgebracht werden, zu dem Zweck, Boden in Tel-Aviv und Haifa zu erwerben. In Haifa gehörten die Grundstücke einigen wenigen arabischen Großgrundbesitzern und erstreckten sich hauptsächlich östlich vom Technikumsgelände. 158 Einen bedeutenden Beitrag zum Ankauf des Bodens leisteten Jehoschua Hankin und Schmuel Pevsner. Die Parzellierung und der Verkauf dieses Bodens sorgten für das Betriebskapital, mit dem weitere Ankäufe vorgenommen werden konnten. Es war dies der Anfang des ersten ausschließlich jüdischen Stadtteils Haifas, der nach dem Ersten Weltkrieg als „Hadar Hakarmel" bekannt wurde. Ende 1912 konnten die Landkäufe als abgeschlossen betrachtet werden. 15 ?

1 5 6 Vgl. A. Ruppin, Briefe, Tagebücher, Erinnerungen . . ., S. 224. Bereits 1908 hatte Eliahu Saphir Ephraim Cohn den Vorschlag gemacht, mit ihm zusammen ein Grundstück von 5000 Ellen in der Nähe des Technikumsgeländes zu erwerben. E. Cohn hatte den Vorschlag abgelehnt, um nicht des Profitstrebens beschuldigt zu werden. Siehe dazu: E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 271. 1 5 7 Die „Immobiliengesellschaft Palästina" ist eher unter ihrem englischen Namen „Palestine Land Development Company" (PLDC) bekannt. 1 5 8 Vgl. A. Ruppin, Briefe, Tagebücher, Erinnerungen. . S . 224. Siehe auch E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung. . ., S. 259 fW Ebda.

SECHSTES KAPITEL

Der Bauverlauf

Bauerlaubnisse Um mit der Bautätigkeit auf dem Technikumsgelände beginnen zu können, mußten vor allem die notwendigen Bauerlaubnisse eingeholt werden. Die Meinungen in dieser Hinsicht waren geteilt. Dr. Schumacher empfahl, auch weiterhin eine Ruhsa von der Beledije anzustreben und nicht auf einen Firman1 aus Konstantinopel zu warten. 2 Ephraim Cohn glaubte nicht, daß die Leitung in Berlin bereit sein werde, Geld in Bauten zu investieren, ohne eine einwandfreie und unanfechtbare Bauerlaubnis zu besitzen. Aber auch er war bereit, alle Bemühungen zu unterstützen, um wenigstens eine lokale Ruhsa zu erhalten. 3 Allerdings widersetzte er sich jeder einschränkenden Zustimmung in dem Sinne, daß man keine Schule, Kirche oder Synagoge zu bauen vorhabe. 4 Gleichzeitig dachte er daran, Schritte zu unternehmen, um eine Irade5 aus Konstantinopel zu erlangen.6 In den Monaten Juli/August 1909 hielt sich Ephraim Cohn in Deutschland auf. In Berlin stellte es sich heraus, daß alle Angelegenheiten des Hilfsvereins wie auch des Technikums ausschließlich vom Büro, das heißt vom Sekretär des Hilfsvereins Dr. Bernard Kahn, erledigt wurden. Paul Nathan bedurfte wegen seines Gesundheitszustandes der vollkommenen Ruhe. Man gestattete, nur „mit angenehmen Nachrichten" an ihn heranzutreten. 7 1 2 3 4 5 6 7

Als Firman wurde ein türkischer Regiemngserlaß bezeichnet. Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 6. Juli 1909, TJNHA, Bd. 1. Ebda. Ebda. Irade wurde ein türkischer imperialer Erlaß genannt. Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 6. Juli 1909, TJNHA, Bd. 1. Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 20. August 1909, TJNHA, Bd. 1.

96

VI. Der Bauverlauf

Auf Empfehlung von James Simon stellte sich Ephraim Cohn im Auswärtigen Amt vor, um für „Unterstützung seiner auf die Errichtung eines Technikums in Haifa gerichteten Bestrebungen" zu plädieren.8 Von Unterstaatssekretär von Schoen wurde E. Cohn an Botschafter Marschall von Bieberstein empfohlen, mit der Bitte, die Angelegenheiten des Technikums in Haifa, von welchem man sich „eine Förderung des Deutschtums verspreche", soweit als möglich zu unterstützen.9 Ephraim Cohn sollte sich auf seiner Rückreise nach Palästina in Konstantinopel dem Botschafter vorstellen und „das Wesen seiner Pläne ausführlich darlegen".10 Die deutsche Botschaft in Konstantinopel sah jedoch keine Möglichkeit, dem Technikum behilflich zu sein. Dies bezog sich auf alle von Staatssekretär von Schoen angeregten Anliegen wie Befreiung von Steuern und Abgaben, Zollfreiheit für einzuführendes Baumaterial und Lehrmittel und besonders auf die Genehmigung zur Eröffnung einer Lehranstalt.11 Hier empfahl der deutsche Botschafter dem Jüdischen Institut für technische Erziehung in Palästina" die in der Türkei bei fremden Schulgründungen „übliche Praxis zu befolgen, nämlich das fragliche Institut zunächst ohne Erlaubnis der türkischen Regierung zu eröffnen und die Regelung seines Verhältnisses zu dieser Letzteren späteren, türkischerseits anzuregenden Verhandlungen zwischen der Pforte und der Kaiserlichen Botschaft vorzubehalten".12 Ephraim Cohn glaubte nicht, daß die Leitung in Berlin der Empfehlung der deutschen Botschaft in Konstantinopel, ohne eine Irade zu bauen, folgen werde. Die Gefahren wären zu groß, und das Technikum würde dadurch allen möglichen Schikanen und Intrigen ausgesetzt sein. Nachdem sich der Weg über die deutsche Botschaft zu den .türkischen Behörden in Konstantinopel als erfolglos erwiesen hatte, müsse die Möglichkeit, über den Vali von Beirut zur Regierung in Konstantinopel vorzustoßen, in Erwägung gezogen werden. Ephraim Cohn meinte, daß die Unterstützung des Vali von Beirut zu-

8

Vgl.

Staatssekretär

von Schoen an Botschafter Marschall

(Konstantinopel),

26. September 1909, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176230-232. 9 10

Ebda. Ebda.

Vgl. Botschafter Marschall (Konstantinopel) an Reichskanzler von Bethmann Hollweg, 18. November 1909, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176243-245. 11

12

Ebda.

A lexander Baerwald

und die Erstellung der Baupläne

97

gesichert wäre. 13 E. Cohn bat Nathan Kaisermann, dem deutschen Konsul in Beirut die Sachlage zu erklären.14

Alexander Baerwald und die Erstellung der Baupläne In Berlin wurde unterdessen über einen Auftrag an ein Architekturbüro für den Bau der Technikumsgebäude verhandelt. Ephraim Cohn wurde angewiesen, mit allen Plänen, selbst für die notwendigsten Vorarbeiten, auf die Ankunft eines Architekten aus Berlin zu warten. 15 Im Mai 1909 wurde dem deutsch-jüdischen Architekten Rathenau das Angebot gemacht, das Projekt des Technikums in Haifa zu übernehmen. 16 Rathenau war der Leiter eines bekannten Architekturbüros in Berlin. Er erklärte sich bereit, das Angebot anzunehmen, wollte jedoch mit der praktischen Leitung der Arbeiten in Haifa einen seiner nichtjüdischen Mitarbeiter beauftragen. 17 Nachdem alle Versuche, Rathenau zu überreden, das Bauprojekt in Haifa persönlich zu leiten, fehlgeschlagen waren, 18 beschloß die Zentrale in Berlin, das Angebot zurückzuziehen. 19 Nach einem weiteren erfolglosen Angebot an den deutsch-jüdischen Architekten Lachmann aus Berlin20 wurde dem Regierungsbaumeister Alexander Baerwald das Angebot unterbreitet.21 Alexander Baerwald verfügte zu jener Zeit über ein bereits bekanntes Architekturbüro in Berlin und hatte sich als Bauleiter der Preußischen Staatsbibliothek in

13

Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 6. Dezember 1909, TJNHA, Bd. 1. Ebda. 15 Vgl. E. Cohn an N. Kaisermann, 16. Juni 1909, TJNHA, Bd. 1. 16 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, Juni 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 67. 17 Ebda. 18 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 27. Juni 1909, in: ISchL, (hebr.). David Wissotzky, Dr. Bernhard Kahn und Schmarja Levin gingen persönlich zu Rathenau, um ihn zur Annahme des Angebots gemäß den Prinzipien des Kuratoriums des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" zu bewegen. 19 Ebda. 20 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 2. September 1909, in: ISchl, (hebr.), S. 73. 21 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 14. September 1909, in: ISchl, (hebr.), S. 74. David Wissotzky und Schmarja Levin hatten schon vorher einen nicht aus Deutschland stammenden Architekten vorgeschlagen, aber James Simon und höchstwahrscheinlich auch Paul Nathan sollen ausdrücklich einen Berliner Architekten vorgeschlagen haben. 14

98

VI. Der Bauverlauf

Berlin einen Namen gemacht. 22 Anfang September 1909 wurde er zu einem ersten Gespräch über die Möglichkeit eines Auftrags in Haifa von Paul Nathan eingeladen. Zu dessen Erstaunen erklärte er sich ohne Zögern bereit, den Bau des Technikums in Haifa sofort zu übernehmen. 2 3 Baerwald wurde 1877 in Berlin geboren. Bereits als Schüler war er von der klassischen Kultur Griechenlands und Roms sehr beeindruckt gewesen. Seine Liebe zur Kunst und seine Neigung zur Technik veranlaßten ihn, Architektur als Studienfach zu wählen. Er studierte in den Jahren 1897 bis 1902 an der TH Charlottenburg und in München. In Charlottenburg war er später auch Assistent. 24 Baerwald war kein Zionist und stand dem jüdischen Leben überhaupt ganz fern. Er widmete sich der Kunst, die er vor allem in seinen Bauten verwirklichen wollte, umgab sich mit ausgesucht schönen Dingen, malte, liebte Musik und war selbst ein guter Cellist. Er war mit dem Maler Hermann Struck eng befreundet, und in seinem Haus in Berlin verkehrte auch Albert Einstein, der als Geiger im „Baerwald-Quartett" mitspielte 2 5 Im Oktober 1909, nachdem er einen Vertrag mit der Leitung des Kuratoriums in Berlin abgeschlossen hatte und vereinbart worden war, die Pläne für die Gebäude des Technikums und der Realschule in Zusammenarbeit mit den Professoren Georg Schlesinger und Wilhelm Franz von der TH Charlottenburg zu erstellen, 26 fuhr Alexander Baerwald nach Palästina. Dort machte er sich mit dem Baugelände in Haifa bekannt, studierte die orientalischen Bauwerke des Landes und

22 Ebda. Das Architekturbüro Baerwalds befand sich anfangs in Wilmersdorf, Uhlandstraße 118-119, und später in Dahlem, Takustraße 3. Den Bau der Preußischen Staatsbibliothek leitete Baerwald seit 1906. Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 236 f. A. Baerwald und E. Auerbach waren eng befreundet. Als Baerwald erfahren hatte, daß sein Freund nach Palästina auswandern wolle, soll er gesagt haben: „Du bist ja sonst ein netter Kerl, aber wirklich total verrückt." Die Freundschaft zu Auerbach dürfte in hohem Maße zu dem schnellen Entschluß Baerwalds beigetragen haben, den Auftrag in Haifa zu übernehmen. 2 4 Vgl. Prof. Hilel Oppenheimer, Alexander Baerwald, 25 Jahre nach seinem Todestag 1955, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 25 Ebda. Siehe auch E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 236 f. 2(s Vgl. Achad Haam an Schmuel Pevsner, 11. Oktober 1909, und Achad Haam an Chaim Weizmann, Manchester, 19- Oktober 1909, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 101 und 105.

Alexander

Baerwald

und die Erstellung der Baupläne

99

insbesondere Jerusalems und unternahm Reisen nach Damaskus und Kairo, um an Ort und Stelle die Architektur dieser berühmten Zentren orientalischer Baukunst kennenzulernen. In Haifa entwarf er die ersten Pläne für die Gestaltung der Gebäude und des gesamten Baugeländes, bestimmte als Baumaterial für das Äußere gelben Sandstein von Atlit27 und für das Innere den blanken Kalkstein des Karmel.28 Nach dreimonatigem Aufenthalt in Palästina nach Berlin zurückgekehrt, unterbreitete Alex Baerwald der Leitung seinen ersten Entwurf. Am 9. Januar 1910 fand bereits eine Unterredung bei James Simon statt.29 Eine Kopie des Lageplans wurde auf Baerwalds Wunsch an Professor Franz übersandt. 30 Für den 6. März wurde Baerwald zu einer Besprechung mit den Professoren Schlesinger und Franz bei James Simon in der Tiergartenstraße eingeladen. 31 Der Entwurf Baerwalds wurde von der Leitung eingehend besprochen und analysiert. Selbst einzelne Kuratoren wünschten, die Pläne besser zu verstehen, und baten um zusätzliche Beschreibungen, damit sie sich auch als Laien ein ungefähres Bild machen könnten. 32 In verschiedenen Schreiben an A. Baerwald behandelte Bernard Kahn den Lageplan der Realschule und des Kindergartens vom Standpunkt der Sicherheit aus, 33 die Frage der Wasserversorgung34 und die Einhaltung der religiösen Vorschriften und besonders der Sabbatruhe beim Bau des Technikums. 35 Auf Ansuchen Baerwalds wurde dieser ermächtigt, in allen Angelegenheiten, die sich auf das Technikum bezogen, im 27

Atlit liegt etwa 20 km von Haifa entfernt Dort befindet sich auch eine berühmte Kreu2ritterruine aus dem 13. Jahrhundert, das Castellum Peregrinorum. 28 Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 237. 29 Vgl. B.Kahn an A. Baerwald, 10. Januar 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 30 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 16. Februar 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 31 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 4. März 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 485132 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 6. Mai 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 33 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 10. Januar 1910, TJNHA, Bd. 48-51. Es ist anzunehmen, daß der Kindergarten der Realschule angeschlossen werden sollte. 34 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 13. Juli 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 4851. Schmarja Levin an das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina", März (?) 1910, und B. Kahn an Schmarja Levin, 22. März 1910, TJNHA, Bd. 48-51. 35 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 26. September 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. Dieses Schreiben wurde im Anschluß an einen Brief des Rabbiners Baruch Majer an Baerwald gesandt.

100

VI. Der Bauverlauf

eigenen Namen mit den Unternehmern und den in Frage kommenden Bauleitern schriftlich in Verbindung zu treten, wobei ein ständiger Kontakt mit den Professoren Franz und Schlesinger vorausgesetzt wurde. 36 Baerwald schlug vor, das Baugelände in Haifa zu terrassieren, um die Bausteine auf dem Grundstück selbst bearbeiten zu können. 37 Für den 17. Juni 1910 wurde Baerwald erneut zu einer Besprechung mit den Professoren Franz und Schlesinger bei James Simon eingeladen, wobei er diesmal gebeten wurde, die Kostenvoranschläge für den Bau der geplanten Gebäude mitzubringen. 38 Mitte Juni glaubte Baerwald so weit mit der Ausarbeitung der Pläne vorangekommen zu sein, daß er eine Ausschreibung für den Bau des Hauptgebäudes des Technikums, der Werkstätten und des Gebäudes der Realschule binnen vier Wochen in Aussicht stellte.39 Den Plan für das vierte Gebäude, das Pförtnerhaus, hatte Baerwald bereits Ende Mai erstellt und die Leitung um die Vollmacht gebeten, sich an verschiedene Baufirmen in Haifa zu wenden, um Preisangebote für den Bau dieses Gebäudes einzuholen.40 Für die Zukunft waren noch weitere Gebäude vorgesehen, welche ein Internat, eine Turnhalle und Lehrerwohnungen aufnehmen sollten. Gegen Ende September oder Anfang Oktober hatte Alexander Baerwald vor, für sechs Wochen nach Haifa zu reisen, um dort die Arbeiten in Gang zu bringen und sich ein klares Bild über die Fähigkeiten von Josef Barski zu verschaffen, den er schon seit einiger Zeit als Bauleiter in Betracht gezogen hatte. 41 In der Zwischenzeit waren von der Leitung in Berlin auch Nathan Kaisermann Anweisungen erteilt worden, 42 welche die Beschaffung

36

Vgl. A. Baerwald an den Hilfsverein, 28. Mai 1910, und B. Kahn an A. Baerwald, 2. Juni 1910, beide in: Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 37 Vgl. A. Baerwald an das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina", 30. Mai 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 38 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 14. Juni 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 4851. 39 Vgl. A. Baerwald an James Simon, 16. Juni 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 40 Vgl. A. Baerwald an das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina", 30. Mai 1910, TJNHA, Bd. 48-51. 41 Vgl. A. Baerwald an James Simon, 16. Juni 1910, TJNHA, Bd. 48-51. Josef Barski war Absolvent des „Bezalels" in Jerusalem und hatte bereits begonnen, sich einen Namen als Designer zu machen. 42 Die Schreiben von Dr. Bernard Kahn an Nathan Kaisermann wie auch an

Das Baubüro

in Haifa

und das Haifaer

Technikum-Komitee

101

von Baumaterialien, den Bau von Wasserzisternen, die Terrassierung des Baugeländes und die Anlage eines Tiefbrunnens betrafen.43 Die Steinlieferungen bezogen sich auf Stein-, Kalk- und Sandsorten.44 Von Kunststeinen wurde Abstand genommen, obwohl auch ihre Verwendung in Erwägung gezogen worden war. 45 Die Materialübernahme sollte der Bauunternehmer Rogow überwachen, den Nathan Kaisermann für diese Aufgabe gewonnen hatte.46 Rogow wurde im übrigen auch als einer der Hauptbauunternehmer für das Technikum in Betracht gezogen. 47 Bernard Kahn hoffte, daß möglichst viel Material auf dem Terrain des Technikums bearbeitet werden könnte. 48 Er bat Nathan Kaisermann, die Briefbögen und die Umschläge mit der Aufschrift „Technikum Haifa" möglichst wenig zu benutzen, um dadurch kein Aufsehen in der türkischen Öffentlichkeit zu erregen.4^

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee Im Oktober 1909 war auch Dr. Schmarja Levin zusammen mit dem Architekten Baerwald während Baerwalds erster Palästinareise nach Haifa gekommen. Es schien sein Ziel gewesen zu sein, den Bau des Technikums durch seinen persönlichen Einsatz so schnell wie möglich zu fördern. Noch in Berlin, also vor seiner Reise nach Palästina, hatte er sich sehr negativ über die Leitung der Technikum-Gremien und ihren Arbeitsstil geäußert.50 Da Dr. Paul Nathan sich aus Gesundheitsgründen von der tagtäglichen Aktivität fernhalten mußte und James Simon bloß repräsentative Funktionen ausübte, hielt Schmarja Levin die Umstrukturierung der Leitung der Arbeiten für äußerst dringlich.51 Er betrachtete die Abhängigkeit des „Jüdischen Instituts

Alexander Baerwald wurden unsystematisch abwechselnd auf Briefbögen des Hilfsvereins und des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina geschrieben. 4 3 Vgl. Dr. Bernard Kahn an N. Kaisermann, Juni-Juli 1910, TJNHA, Bd. 1. 4 4 Vgl. B. Kahn an N. Kaisermann, 3. Juni und 16. Juni 1910, TJNHA, Bd. 1. 4 5 Vgl. B. Kahn an N. Kaisermann, 16. Juni 1910 (2. Schreiben mit demselben Datum), TJNHA, Bd. 1. 4 6 Vgl. B. Kahn an N. Kaisermann, 13. Juli 1910, TJNHA, Bd. 1. 4 7 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 28. Juli 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 93. 4 8 Vgl. B. Kahn an N. Kaisermann, 13. Juli 1910, TJNHA, Bd. 1. 49

Ebda.

50

Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 23. Juli 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 70 f.

51

Ebda.

102

VI. Der

Bauverlauf

für technische Erziehung in Palästina" vom „Hilfsverein der Deutschen Juden" als unvereinbar mit den nationalen Zielen des Technikums in Haifa und empfand Unbehagen selbst über die äußere Zusammenarbeit mit diesem Verein. 52 Auch während seines Aufenthalts in Haifa übte er scharfe Kritik an der Leitung in Berlin und am Verhalten ihrer Repräsentanten in Palästina.53 Er glaubte, daß man in Berlin die Lage der Dinge nicht richtig einzuschätzen verstehe, 54 und erwartete die in Aussicht gestellte Ankunft Paul Nathans in Haifa, um diesem an Ort und Stelle seine Ansichten darzulegen. 55 Mit Paul Nathan fuhr er danach über Konstantinopel nach Berlin zurück, im Glauben, diesen überzeugt zu haben, daß auch in Palästina eine Reorganisation der Leitung des Technikum-Projekts unerläßlich sei. 56 Nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam Schmarja Levin jedoch zu der Überzeugung, daß der Hauptgrund des Übels in Berlin zu suchen sei, und zwar im Abhängigkeitsverhältnis des Technikums vom Hilfsverein. Er besuchte nur selten die Büros des Hilfsvereins und glaubte nicht, daß die Bauarbeiten in Haifa noch vor Einbruch des Winters 1910/11 beginnen könnten. 57 Diesmal war er auch nicht bereit, der Bitte Paul Nathans zu folgen, mit Baerwald nochmals nach Haifa zu reisen. 58 Er war der Ansicht, daß man in Haifa außer dem Architekten dringend einen ständigen Vertreter des Kuratoriums benötige, und deutete indirekt an, daß er selbst der passende Kandidat für diese Aufgabe sei. 59 Andererseits äußerte er sich sehr lobend über Baerwald. Dieser sei - so meinte er - „ein wunderbarer Mensch, der sein Fach gut beherrsche und unserer Sache ganz ergeben sei". 60 Tatsächlich hing die Durchführung der in Berlin getroffenen Entscheidungen von den örtlichen Faktoren in Palästina ab. In den Jahren 1908 bis 1910 leitete Ephraim Cohn - wie bereits bekannt - mit Nathan Kaisermanns Unterstützung die Angelegenheiten des Techni-

Ebda. Vgl. Schmarja 54 Ebda. 5 5 Vgl. Schmarja 56 Ebda. 5 7 Vgl. Schmarja 5 8 Vgl. Schmarja 5 9 Vgl. Schmarja S. 100. 60 Ebda. 52

53

Levin an Dr. Josef Lurie, 30. Januar 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 79. Levin an Bezalel Jaffe, 1. April 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 80. Levin an Achad Haam, 13. Juli 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 87. Levin an Dr. Tschlenow, 18. August 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 95. Levin an David Wissotzky, 31. September 1910, in: ISchL, (hebr.),

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee

103

kums. Ephraim Cohn hatte sich gelegentlich den Rat Eliahu Saphirs eingeholt, den er sehr schätzte und mit dem ihn eine tiefe Freundschaft verband. 61 Von Zeit zu Zeit hatte er auch die Ratschläge Dr. Schumachers befolgt, den er gelegentlich mit fachlichen Aufgaben betraute. Er hatte sich vorgestellt, daß dieser sich größere Hoffnungen auf einen Auftrag als Bauunternehmer am Technikum hätte machen können, und hielt es für richtig, ihm offen darzulegen, daß er die Aufgaben eines Ingenieurs und die Interessen eines Bauunternehmers für unvereinbar hielt. 62 Bereits im Laufe des Jahres 1909 bildete sich eine Opposition gegen Ephraim Cohn. Ihre Hauptträger waren Schmuel Pevsner in Haifa, Achad Haam in London und Schmarja Levin in Berlin. Levin und Achad Haam beschuldigten Ephraim Cohn vor allem, daß er in Palästina den Eindruck erwecke, das Technikum sei auch ein Projekt des Hilfsvereins. Sie betrachteten Ephraim Cohn als williges und ergebenes Instrument des Hilfsvereins und den Idealen der nationalen Wiedergeburt fernstehend. Eliahu Saphir wurde indirekt in diese Kritik miteinbezogen, die ihm natürlich großen Ärger verursachte. 63 Zwischen Schmuel Pevsner und Ephraim Cohn war es schon 1908 zur Konfrontation gekommen, als Ephraim Cohn Pevsner beschuldigte, er habe nicht richtig gehandelt, als er sich selbst zum Lieferanten von Baumaterialien für das Technikum vorschlug. 64 Die Mißklänge zwischen ihm und Schmuel Pevsner hatten zu einer Verschlechterung seiner Beziehungen zu Achad Haam geführt. 65 Gerüchte kamen in Umlauf, wonach Ephraim Cohn Dr. Gottlieb Schumacher, einen Deutschen also, den jüdischen Ingenieuren und Bauunternehmern vorzöge. 66 Der Baurat Dr. Gottlieb Schumacher gehörte zu den bekanntesten Templerfamilien in Palästina. Er hatte sich als Architekt und Baumeister wie auch als Archäologe einen Namen gemacht, als er von 1903 bis 1905 die Ausgrabungen von Megiddo leitete und eine gründliche Vermessung und kartographische Aufnahme des Ostjordanlandes durchführte. Er hatte vermutlich gehofft, sich am Bau des Technikums

^ Vgl. E. Cohen-Reiss, 62 63 64 65 66

A. a. O., S. 262. A. a. O., S. 260. A. a. O., S. 257. A. a. O., S. 261 ff. A. a. O., S. 262 f.

Memories of a Son ofJerusalem . . .,

S. 271 ff.

104

VI. Der

Bauverlauf

beteiligen zu können, und wurde später des Intrigierens gegen das Technikum 67 und antisemitischer Neigungen 68 beschuldigt. Allerdings wurde auch Alexander Baerwald aufgefordert, mit Dr. Schumacher Fühlung aufzunehmen, da der Leitung in Berlin wahrscheinlich seine Erfahrungen im Bauwesen Palästinas von Bedeutung zu sein schienen. 69 Als sich die Opposition gegen E. Cohn im Laufe der Zeit verschärfte, beschloß dieser, die Leitung der Geschäfte des Technikums in Palästina abzugeben. Mit diesem Gedanken hatte er sich bereits Ende 1909 befaßt und Paul Nathan während seines Besuches in Palästina im Frühjahr 1910 seine Absicht mitgeteilt.70 Die vielen Reisen von Jerusalem nach Haifa waren ihm schwergefallen. Im Laufe von drei Jahren hatte er seinen ganzen Urlaub geopfert und letzten Endes auch viel Undank geerntet.71 So meinte er, daß „die Trennung der beste Weg zum Frieden wäre",72 und trat Ende 1910 endgültig von diesem Posten zurück. 73 Um in Palästina einen Kreis von Vertrauensleuten aufzubauen, beschloß die Leitung in Berlin, eine zeitweilige Baukommission in Haifa zu ernennen. Die Aufgabe dieser Kommission sollte es sein, mit den türkischen Lokalbehörden zu verhandeln und nach Möglichkeit die Ausgaben der Baugelder zu beaufsichtigen. Die erste Baukommission dieser Art war schon Anfang 1910 ernannt worden. Als Mitglieder amtierten damals Nathan Kaisermann (als Vorsitzender), Schmuel Pevsner und Dr. Elias Auerbach. Als Berater für technische Fragen wurde mitunter der Vermessungsingenieur Joseph Treidel herangezogen. Sabbetai Levi galt als Verbindungsmann zu den örtlichen türkischen Behörden. 74 Alexander Baerwald, der am 10. Oktober 1910 zum 67 Vgl. B.Kahn an A. Baerwald, 25. Januar 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 285. Über seine antisemitischen Neigungen schrieb Auerbach: „Stärker trat dies" - gemeint sind die Neigungen „bei dem Baurat Dr. G. Schumacher hervor." Schumacher starb in den zwanziger Jahren. Auerbach hob jedoch hervor, daß „seine Frau und besonders seine Tochter sich aufs schärfste von der Nazibewegung distanzierten und auch öffentlich für die Juden eingesetzt haben". 69 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 16. Oktober 1910, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. A. Baerwald war am 10. Oktober in Haifa angekommen. 70 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memories of a Son ofJerusalem . . ., S. 291. 71 Ebda. 72 Ebda. 73 Ebda. 74 Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 252 f.

Das Baubüro

in Haifa und das Haifaer

Technikum-Komitee

105

zweiten Mal in Haifa ankam, ernannte im Einvernehmen mit der Leitung in Berlin eine neue Baukommission, die aus drei Mitgliedern bestand: Nathan Kaisermann als Vorsitzendem, Dr. Elias Auerbach und Bermann.75 Baerwald eröffnete ein Architekturbüro in Haifa und ernannte Joseph Barski zu seinem dortigen Stellvertreter. Gleichzeitig teilte Achad Haam seinem Schwiegersohn die für ihn freudige Nachricht mit, daß Ephraim Cohn keine Beziehungen mehr zum Technikum in Haifa habe. 76 Nachdem Alexander Baerwald nach Deutschland zurückgekehrt war, beschloß die Haifaer Baukommission, die provisorische Umfassungsmauer durch eine dauerhafte und bleibende Steinmauer zu ersetzen. Diese war schon deshalb wichtig, weil sie, örtlichem Brauch gemäß, den sichtbaren Beweis eines Grundbesitzes darstellte. Als die Arbeiten, die schnell vorangekommen waren, sich ihrem Abschluß näherten, wurde vom türkischen Kaymakam der Versuch unternommen, sie zu unterbrechen. Der Plan des Kaymakam war leicht zu durchschauen. Die Anweisungen Paul Nathans, dem die Realitäten des türkischen Orients noch immer fremd waren, verboten jedoch jedwede Anwendung des wirkungsvollsten Mittels im türkischen Orient - des Bakschisch.77 Da die Höhe des geforderten Bakschisch auch diesmal beträchtlich gewesen war, beschloß die Baukommission, einen Trick anzuwenden und den noch offenen südlichen Teil der Mauer - etwa 100 Meter- während einer Nacht fertigzubauen. Alle jüdischen Aibeitskräfte wurden mobilisiert - die Steine, den Mörtel und alle nötigen Utensilien hatte man schon zuvor am Bauplatz bereitgestellt - , und im Laufe einer Nacht wurde die Mauer fertiggebaut.78

75

Vgl. Achad Haam an Sch. Pevsner, 12. Dezember 1910, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 17976 Ebda. 77 Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 254. E. Auerbach verglich die Haltung Paul Nathans mit seiner eigenen, als er, Auerbach, als Neueinwanderer in Haifa angekommen und ein Bakschisch von ihm erpreßt worden war. Später, als er die orientalische Wirklichkeit besser kennengelernt hatte, zeigte er mehr Verständnis für diese „Einrichtung". Er schrieb: „Erst nach größerer Erfahrung der türkischen Verwaltung kam ich zu der Erkenntnis, daß diese Beamten auf derartige zusätzliche Einkünfte absolut angewiesen waren. Sie erhielten ihr an sich schon kärgliches Gehalt oft mit monatelanger Verzögerung und auch dann nur teilweise. Und schließlich von etwas muß der Mensch leben." (A. a. O., S. 245.) 78 A. a. O., S. 254.

106

VI. Der Bauverlauf

Als am nächsten Morgen der Kaymakam mit seinen Begleitern vor der Mauer erschien, fand er die Mitglieder der Baukommision umgeben von einer großen Gruppe jüdischer Bürger Haifas hinter dieser Mauer vor. Die Mitglieder der Baukommission erklärten, daß der Platz auch nach türkischem Recht ihr Eigentum sei und dem Schutz des deutschen Konsulats unterstehe.79 Nach einer mündlichen Auseinandersetzung mit dem Kaymakam und Drohungen von seiner Seite wurde der Streit abgebrochen und später in aller Stille - und im Gegensatz zu den Anweisungen der Zentrale in Berlin - mit Hilfe eines diesmal weit geringeren Bakschisch beigelegt. Nach Berlin wurde anschließend telegraphiert: „Unvorhergesehene Kosten - Francs zweitausend bezahlt - Brief unterwegs."80 Eine besonders schwierige Aufgabe bestand in der Wasserbeschaffung. Als einzige Lösung kam die Bohrung nach Wasser auf dem Gelände des Technikums in Betracht. Geologische Untersuchungen des Karmel lagen zu jener Zeit nicht vor. In welcher Tiefe man eventuell hätte Wasser finden können, war nicht klar. Da es keinen anderen Ausweg gab, mußte mit den Bohrungen, selbst unter diesen Bedingungen, begonnen werden. In einer Tiefe von über 100 Metern - also auf Meeresspiegelniveau - wurde gutes Trinkwasser gefunden. Es wurde in einen Wasserturm gepumpt, der später zum Wahrzeichen des jüdischen Haifa wurde und auch nach dem Ersten Weltkrieg den Hadar Hakarmel mit Wasser versorgte. 81 Das Jahr 1911 begann mit neuen Schwierigkeiten für das Technikum. Auf dem Technikumsgelände wurden Vorarbeiten unter der Leitung des neuangestellten Joseph Barski geleistet, die sich hauptsächlich auf die Bereitstellung von Baumaterial beschränkten. Am 12. Januar 1911 erschienen plötzlich und ohne vorherige Verwarnung türkische Offiziere in Begleitung von Soldaten und Polizisten, die die sofortige Einstellung der Arbeiten erzwangen und Joseph Barski und seine Arbeiter gewaltsam zum Kaykamam brachten. Dieser erklärte ihnen, daß die Unterbrechung der Arbeit erzwungen worden sei, weil man ohne die erforderliche Genehmigung mit den Bauarbeiten begonnen habe. Bei seinem Vorgehen stützte er sich auf eine Verordnung vom September 1910, die vom Minister des Inneren und des Ebda. A. a. O., S. 255. 81 A. a. O., S. 255 f. 79 80

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Tecbnikum-Komitee

107

Äußeren ergangen war und in der streng verboten wurde, innerhalb von Palästina ausländischen Juden Landübertragungen zu gestatten oder Baugenehmigungen zu erteilen. 82 Eine Beschwerde wurde beim deutschen Konsulat wegen des Betretens eines deutschen Geländes eingereicht. Das deutsche Konsulat wurde gebeten, gegen das Vorgehen der türkischen Behörden zu protestieren, eine Wiederholung dieser Vorfälle zu verhindern und die Erlaubnis zur Fortsetzung der vorbereitenden Arbeiten zu erwirken. 8 3 Ein weit umfangreicheres Schreiben wurde von James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall in Konstantinopel gesandt. 84 Angesichts dieser neuen Sachlage, welche die Bedeutungslosigkeit der örtlichen Ruhsas bewies und die Erlangung eines türkischen Firmans mit Hilfe der deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen in der Türkei - Palästina inbegriffen - nicht erwarten ließ, mußte eine Alternative gesucht werden. Schon vorher war die Möglichkeit einer Petition an die türkische Regierung über Beirut in Erwägung gezogen worden. Nun schien dies der einzige Weg zur Erreichung des gewünschten Zieles zu sein. Es war Sabbetai Levi, dem es gelang, eine Verbindung zu einem türkisch-jüdischen Rechtsanwalt in Konstantinopel herzustellen, der den Kreisen der Jungtürken sehr nahestand. Sabbetai Levi galt wie gesagt in Haifa als Verbindungsmann zu den örtlichen Behörden. Er wurde 1876 in der Türkei geboren und bekleidete damals eine noch recht bescheidene Stellung bei der Jewish Colonisation Association (JCA). Er beherrschte mehrere Sprachen - Türkisch, Arabisch, Französisch und Spaniolisch 85 sprach auch gut Englisch und verstand sogar Deutsch und Jiddisch. 86 Dr. Auerbach, der ihn persönlich gut kannte, bezeichnete ihn als besonders intelligent und von höchst anständigem Charakter. 87 8 2 Vgl. A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2 K 176287-288, Anlage zu James Simon - Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel), 25. Januar 1911, A. A. Türkei 195, Juden in der Türkei, Bd. 2 K 176283-286. 83 Ebda. 8 4 Vgl. James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel), 25. Januar 1911, A. A. Türkei 195, Juden in der Türkei, Bd. 2 K 176283-286. Siehe DO-

KUMENTENANHANG F . 86 87

Spaniolisch war die Sprache der spanischen Juden, auch Ladino genannt. Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 253. Ebda. In den dreißiger Jahren wurde Sabbetai Levi unter dem Araber Hassan

VI. Der Bauverlauf

108

Der Mann, zu dem Sabbetai Levi die Verbindung aufnahm, war der damals noch verhältnismäßig junge Rechtsanwalt Ascher Mallah, der aus Saloniki stammte, in Konstantinopel Jura studiert und in diesem Fach auch promoviert hatte. Er wurde 1881 in Saloniki geboren und stand noch von ihren Anfängen her mit der jungtürkischen Bewegung und besonders mit ihren mächtigen Führern Enver Pascha und Talaat Pascha in engem Kontakt.88 1911 unterhielt er eine Praxis als Rechtsanwalt in Konstantinopel und lehrte zur selben Zeit an der Fakultät für Rechtswissenschaften. Von 1912 an gehörte er den leitenden Gremien des Vilayets Saloniki an, bis die Stadt 1913 an Griechenland abgetreten wurde.® Ascher Mallah war in seinen Anschauungen ebenfalls Zionist und daher bereit, in der Angelegenheit der Irade für das Technikum tätig zu werden. 90 Im Mai 1911 fuhr Sabbetai Levi nach Konstantinopel, um zusammen mit Dr. V. Jacobson, dem Direktor der Anglo-Levantine Banking Company, Ltd. in Konstantinopel,91 Asher Mallah zu treffen. 92 Die Erlangung einer Irade zur Errichtung einer jüdischen höheren technischen Lehranstalt in Palästina schien zu jener Zeit besonders kompliziert, da dies angesichts des Mißtrauens der Jungtürken bereits als politischer Akt betrachtet werden mußte. 93 Bereits im Frühjahr 1911 wurde das Bittgesuch Nathan Kaisermanns im Namen von James Simon an die höheren Behörden nach Akko, Beirut und Konstantinopel weitergeleitet. Der Kaymakam von Haifa wie auch die anderen Würdenträger des Bezirks - der Stellvertreter des Kadi (der Recht-

Shukri zum Vizebürgermeister und nach dessen Tod zum Bürgermeister von Haifa gewählt. Er starb im Jahre 1956. 88 Vgl. About the Contribution of the Late Asher Mallah to the Erection of the Haifa Technion, Paris, Nachlaß Mallah, TJNHA, Bd. 1. 89

Ebda.

90

Er war später viele Jahre lang Präsident der Zionistischen Föderation Griechenlands. 9 1 Vgl. N. Gross, Bankai le'Uma b'Hitchadschuta. . ., S. 18. Die Anglo-Levantine Banking Company, Ltd. wurde ebenso wie die Anglo-Palestine Company, Ltd. als Tochtergesellschaft der Jüdischen Colonial Bank (Jewish Colonial Trust, Ltd.) gegründet. Der Anfang wurde 1900 mit dem Erwerb einer kleinen jüdischen Bank in Konstantinopel gemacht. Die neue Tochtergesellschaft wurde damals als politisches Instrument der Zionistischen Weltorganisation betrachtet. 92 Vgl. About the Contribution of the Late Asher Mallah to the Erection of the Haifa Technion . . ., TJNHA, Bd. 1, S. 2. 93

Ebda.

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee

109

sprechung), der Vermögensverwalter, der Mufti (als Deuter der religiösen Gesetzgebung) - erstatteten ein Gutachten und befürworteten das Gesuch des Technikums. Unter anderem wurde bestätigt, daß sich am Karmelabhang, als Mirvan bekannt, aber auch in seiner Nähe weder eine Moschee noch ein Friedhof, eine Kirche, ein Krankenhaus, eine Kaserne, Magazine oder dergleichen Gebäude befänden. 9 4 Das Gesuch vom 6. März 1327 (1911), das von Nathan Kaisermann unterzeichnet worden war, bat um die Erlaubnis zur Errichtung einer Fachschule, 95 in der Türkisch unterrichtet werden würde und Schüler ohne Unterschied ihrer Rasse und Religion aufgenommen werden sollten. 96 Da die Gesuche samt Gutachten den üblichen bürokratischen Weg vom Kaymakam in Haifa über den Mutasarrif in Akko und den Vali in Beirut nach Konstantinopel nehmen mußten, teilte Sabbetai Levi in einem Schreiben vom August 1911 Asher Maliah mit, daß er in Beirut mit Sicherheit feststellen konnte, daß die „Akte James Simon" vom 11. August 1911 unter der Nummer 267 bei der KatasterBehörde in Beirut eingetroffen war. 97 Sabbetai Levi legte seinem Brief an Asher Maliah die Kopie einer neuen Mazbata sowie eine Kopie des Begleitbriefes vom Sanjak Akko an das Vilayet Beirut bei. 9 8 Die Irade wurde im Dezember 1911 erlassen. 99 Sabbetai Levi gratulierte Asher Mallah zu seinem Erfolg, bedankte sich bei ihm und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Leitung des Technikums in Berlin seinen Beitrag entsprechend zu schätzen wisse. 100 Da aber die Irade denselben bürokratischen Weg zurücklegen mußte, den das Gesuch von Haifa nach Konstantinopel genommen hatte, bat Sabbetai Levi

^ Vgl. Zwei Geleitschreiben des Kaymakams von Haifa in französischer Übersetzung aus dem Türkischen an die „Sous-Préfecture" vom 8. März 1327 (1911) und vom 2. April 1327 (1911), No. General 276, No. Particulier 75 und ein Schreiben der Kataster-Behörde an das Vilayet Beirut, ebenfalls in fran2ösischer Übersetzung aus dem Türkischen vom 19. Mai 1327 (1911), No. 25, Nachlaß Asher Mallah, TJNHA, Bd. 1. 95 Ebda. 96 Ebda. 9 7 Vgl. Sabbetai Levi an Asher Mallah, August 1911, Nachlaß Asher Mallah, TJNHA, Bd. 1. 98 Ebda. 9 9 Vgl. Imperiale Irade vom 17. Zilhidje 1329 und 24. Tischrin sani 1327, Nachlaß Asher Mallah, TJNHA, Bd. 1. Vgl. DOKUMENTENANHANG C. 1 0 0 Vgl. Sabbetai Levi an Asher Mallah, 12. Dezember 1911, Nachlaß Asher Mallah, TJNHA, Bd. 1. Siehe DOKUMENTENANHANG C.

110

VI. Der Bauverlauf

Asher Maliah, ihm, wenn möglich, die Nummer der Akte und das Versanddatum nach Beirut mitzuteilen. Er befürchtete, daß auf dem Rückweg noch willkürliche Behinderungen eintreten könnten. 1 0 1 Am 11. Januar 1912 schrieb Sabbetai Levi erneut an Asher Maliah, daß man in Haifa noch immer nicht die offizielle Mitteilung über die Irade erhalten habe. 1 0 2 Es war zwar schon bekannt geworden, daß die Irade am 6. Kanun evel 103 den Behörden in Beirut mitgeteilt und am 15. desselben Monats an die Behörden in Haifa weitergeleitet worden war; 104 ohne jedoch eine offizielle Mitteilung in den Händen zu haben, konnte man die Arbeiten auf dem Technikumsgelände nicht aufnehmen. Während in Konstantinopel alles unternommen wurde, um mit Hilfe von Asher Mallah eine Irade für den Bau des Technikums und der Realschule zu erhalten, war die Leitung in Berlin bemüht, die Baupläne beschleunigt zu erstellen. Sie schien jedoch mit diesem Vorhaben bei Alexander Baerwald auf Schwierigkeiten zu stoßen. Paul Nathan gab bereits im Januar 1911 seiner Unzufriedenheit Ausdruck, daß Baerwald den vereinbarten Termin für die Überreichung eines detaillierten Kostenvoranschlags nicht eingehalten habe. Er beklagte sich über die unzulängliche Buchführung in Haifa und forderte Baerwald auf, Klarheit auf diesem Gebiet zu schaffen. 105 Bernard Kahn wies auf die große Bedeutung des Wasserabflusses hin und bat Alexander Baerwald, mit Prof. W. Franz und Prof. G. Schlesinger diese Frage zu besprechen. 1 0 6 Da noch keine Erlaubnis vorhanden war, die Arbeiten auf dem Technikumsgelände fortzusetzen, wurde der Vorschlag aufgegriffen, die Bearbeitung der Sandsteine auf einem Terrain, das Joseph Treidel gehörte, zu veranlassen. 107 Als schließlich

Ebda. Vgl. Sabbetai Levi an Asher Mallah, 10. Januar 1912, Nachlaß Mallah, TJNHA, Bd. 1. „Kanun evel" war der erste der zwei Kanun-Monate des alten Kalenders. Er entsprach ungefähr den Monaten November und Dezember. 1 0 4 Vgl. a. a. O., Nachlaß Mallah, TJNHA, Bd. 1. 1 0 5 Vgl. Paul Nathan an A. Baerwald, 13. Januar 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 0 6 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 17. Februar 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 107 Ebda. 101

102

Das Baubüro in Haifa und das Haifaer Technikum-Komitee

111

die Kostenvoranschläge für das Pförtnerhaus und die Realschule überreicht wurden, erregten sie „ein allgemeines Schütteln des Kopfes", wie sich B. Kahn in seinem Schreiben an Baerwald ausdrückte. 1 0 8 Unterdessen hatte Prof. Schlesinger die Entwürfe für die Bestellung derjenigen Maschinen ausgearbeitet, zu deren Aufstellung Fundamentierungspläne nötig w a r e n . A m 17. Juni fand eine Besprechung über die noch zu lösenden Probleme statt, 110 und für den 11. Juli 1911 wurde eine Sitzung - diesmal des Kuratoriums - einberufen, welche in der Technischen Hochschule in Charlottenburg stattfinden sollte. 111 Anfang August 1911 mahnte James Simon A. Baerwald, zu einem Einvernehmen mit Prof. W. Franz in bezug auf das Bauprogramm des Technikums zu kommen und die Pläne wie auch sämüiche Kostenvoranschläge bis zum 1. Oktober 1911 der Leitung vorzulegen. 112 Doch alle Mahnungen schienen keinen Erfolg zu haben. Nachdem A. Baerwald auch nach einer Konferenz bei Prof. G. Schlesinger die Bauunterlagen nicht termingerecht zugestellt hatte, wurde er von Prof. Nathan gerügt und verwarnt. 113 Außerdem wurde Baerwald von Paul Nathan auf die Lage der Dinge bei den

108

51.

Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 1. Mai 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-

Ebda.

Vgl. B.Kahn an Paul Nathan(?), 25.Juni 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 1 1 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, 8. Juli 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 4851. Die Sitzung fand im Assistenten2immer von Prof. W. Franz im Neubau Berliner Straße 171/172 statt. 1 1 2 Vgl. James Simon an A. Baerwald, 7. August 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 1 3 Vgl. Paul Nathan an A. Baerwald, 10. November 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. Paul Nathan schrieb: „Die Baubeschreibung, die Sie uns nach der Konferenz bei Herrn Prof. Schlesinger in 8 Tagen zustellen wollten, ist noch nicht in unserem Besitz. Ich muß dringend um Ablieferung derselben bitten, und ich möchte Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Wenn wir bisher Ihnen gegenüber die größte Rücksicht walten lassen konnten, so hört das von dem Augenblick naturgemäß auf, wo die Bauerlaubnis in Konstantinopel erlangt sein wird. Dieser Augenblick rückt aber, wie ich hoffe, heran. Und ich mache Sie schon jetzt auf die Konsequenzen aufmerksam, die es haben müßte, wenn wir die Bauerlaubnis haben sollten und alsdann nach dieser außergewöhnlich langen Zeit, die Ihnen für alle Vorarbeiten zur Verfügung stand, noch nicht Pläne etc. etc. bis auf das letzte Tüpfelchen auf dem i fertiggestellt sein sollten. Es werde alsdann eine Auseinandersetzung folgen müssen, die, wie ich annehme, für alle Teile gleich unerfreulich sein würde." 110

112

VI. Der Bauverlauf

Vorarbeiten auf dem Technikumsgelände aufmerksam gemacht, über die Achad Haam nach seinem Besuch in Palästina im Herbst 1911 berichtet hatte. 1 1 4 Baerwald wurde aufgefordert, zu diesen Behauptungen Stellung zu nehmen und dem Kuratorium seine Erklärungen zukommen zu lassen. 1 1 5 Gegen Ende des Jahres 1911 waren schließlich die Baupläne erstellt. Für den 21. Januar 1912 wurde eine weitere Kuratoriumssitzung einberufen, die unter anderem die Vorlage der endgültigen Baupläne zur Genehmigung und Beschlußfassung über den Baubeginn wie auch die Beschlußfassung über die Bestellung der notwendigen Maschinen zum Gegenstand haben sollte. 11 ^ Da die Errichtung des Technikums und der Realschule bereits greifbar war, wurde zum ersten Mal auch die Wahl eines Direktors und die Anstellung von Lehrkräften für das Technikum auf die Tagesordnung gesetzt. 117 Das Jahr 1911 brachte keine wesentlichen Fortschritte auf dem Baugelände des Technikums. Der Kaymakam von Haifa gestattete nur ganz minimale Vorbereitungsarbeiten auf dem Gelände. 1 1 8 Erst nach der Genehmigung der imperialen Irade konnte an den eigentlichen Baubeginn gedacht werden. Nun beschloß die Leitung in Berlin im Einvernehmen mit dem Kuratorium, Schmarja Levin als ständigen Beauftragten nach Haifa zu entsenden und die örtliche Baukommission aufzulösen. 1 1 9 Dies geschah allerdings, nachdem das Kuratorium seine Bedenken gegen die Beauftragung eines seiner Mitglieder mit dieser Aufgabe gegen Bezahlung überwunden hatte. 1 2 0 Schmarja Levin war mit den Umständen und Gegebenheiten in Haifa bestens vertraut, da er bereits einige Monate im Herbst und Winter 1909 in dieser Stadt verbracht hatte. Seine Ernennung zum Beauftragten wurde von ihm selbst angeregt, in der Hoffnung, mit dem ihm

1 1 4 Vgl. Paul Nathan an A. Baerwald, 10. November 1911, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 115 Ebda. 11 ^ Vgl. Tagesordnung der Sitzung des Kuratoriums vom 21. Januar 1912, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 117 Ebda. 1 1 8 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 30. März 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 144. 1 1 9 Vgl. B. Kahn an A. Baerwald, (nicht datiert), Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 2 0 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 30. März 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 143 f.

Die Grundsteinlegung

und das erste Jahr der Bautätigkeit

113

eigenen Elan die Arbeiten in Haifa zu beschleunigen und eventuell später am Technikum als Lehrer oder sogar als Direktor der hebräischen Sprachfächer zu wirken. Im März 1912 reiste er nach Haifa, 121 und Ende desselben Monats sandte er der Leitung in Berlin seinen ersten Bericht. 122 Darin beklagte er sich über die Zustände in Haifa und über den langsamen Fortschritt der Bauarbeiten und wies auf einige Meinungsverschiedenheiten mit den Bauunternehmern hin, die höhere Geldforderungen stellten, als ursprünglich vereinbart worden war. 123 Er beklagte sich auch darüber, daß man in Haifa noch nicht die Baupläne erhalten hatte, und bemerkte, daß J. Barski sich in dieser Angelegenheit an Baerwald wenden wolle. 124 In einem Schreiben an Achad Haam fügte Schmarja Levin hinzu, daß er von den Mitgliedern der alten Baukommission nur Nathan Kaisermann um Rat frage, daß J. Barski und die übrigen Mitarbeiter am Technikumbau ihre Aufgaben zur vollen Zufriedenheit verrichteten, daß sie jedoch während der ganzen Zeit von der Leitung in Berlin mit Herablassung behandelt worden wären. 125 Schmarja Levin meinte, daß er selbst viel Zeit am Bau verbringe, um sich mit kleineren oder größeren Problemen beschäftigen zu können. 126

Die Grundsteinlegung und das erste Jahr der Bautätigkeit Am 11. April 1912 erfolgte die feierliche Grundsteinlegung auf dem Technikum-Gelände. 127 Zu der schlichten Feier wurden kurzfristig etwa hundert Gäste eingeladen. Unter den Prominenten befanden sich Yehiel Tschlenow aus Moskau, der auch Mitglied des Engeren Aktions-Komitees der Zionistischen Weltorganisation war, der deutsche Vizekonsul in Haifa, Julius Löytved-Hardegg, Ephraim Cohn,

121

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. März und 3. März 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 157 ff. 122 vgl. Sch. Levin an das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina", 24. März 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 159 f. 123 Ebda. 124 Ebda. 125 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 26. März 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 160 f. 126 Ebda. 127 Die Grundsteinlegung Zum Gebäude der Realschule hatte bereits im März 1912 stattgefunden. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 26. März 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 162.

114

VI. Der

Bauverlauf

Gottlieb Schumacher und der aschkenasische Rabbiner von Haifa, Baruch Majer. 128 Die türkische Beamtenschaft war nicht erschienen und ließ sich durch Sabbetai Levi und Jehoschua Hankin entschuldigen.12^1 Die ersten vier Grundsteine wurden in folgender Reihenfolge gelegt: von Y. Tschlenow als dem Repräsentanten des Kuratoriums, von Vizekonsul Löytved-Hardegg als deutschem Regierungsvertreter, vom Rabbiner B. Majers als religiösem Vertreter und von Schmarja Levin als dem Baubeauftragten. 130 In derselben Reihenfolge wurden auch kurze Reden gehalten. 131 Besonders wurden die Beiträge von James Simon und Paul Nathan hervorgehoben. 132 Löytved-Hardegg überbrachte die Glückwünsche der deutschen Regierung. 133 Nach der Grundsteinlegung wurden die Arbeiten mit neuer Energie fortgesetzt. Bei der Lösung der immer neu aufkommenden Probleme war jedoch Schmarja Levin sich selbst überlassen. Er schrieb an Achad Haam: „Mehr als zwei Monate sind verstrichen, seitdem ich Berlin verlassen habe. Bis heute habe ich von ,den Herren' nicht mal einen einzigen Brief erhalten." 134 J. Barski war den technischen Problemen der Bauleitung nicht gewachsen. A. Baerwald befand sich in Berlin und erteilte seine Ratschläge aus der Ferne. Als er den Versuch einer Probebelastung anregte, wußte Barski nicht einmal, was zu tun war, und meinte, daß es für solch einen Versuch in Haifa an der nötigen Apparatur fehle, was nur seine eigene Unkenntnis bewies. 1 3 5 In diesem Fall holte sich Schmarja Levin Rat bei Gedalia (Grischa)

Vgl. Sch. Levin an das „Jüd. Institut für technische Erziehung in Palästina", 14. April 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 164 f. Ebda. Vgl. auch Konsul Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 18. April 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, 176334-339- LöytvedHardegg äußerte in seinem Bericht die Meinung, daß die türkischen Beamten der Feier nicht aus antisemitischen Gründen ferngeblieben seien. Er glaubte vielmehr, sie hätten ganz einfach nicht genügend Zeit zur Verfügung gehabt, um Anweisungen von ihren Vorgesetzten einzuholen. 128

Vgl. Sch. Levin an das J ü d . Institut für technische Erziehung in Palästina", 14. April 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 164 f. 131 Ebda. 132 Ebda. 1 3 3 Vgl. Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 18. April 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, 176334-3391 3 4 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 7. Mai 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 176. 1 3 5 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 14. Mai 1912, in: ISchL, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 130

Die Grundsteinlegung und das erste Jahr der Bautätigkeit

115

Wilbuschewitz, dem ältesten Bruder von Nachum Wilbuschewitz, der damals zu Besuch in Haifa war. 136 Gedalia Wilbuschewitz lebte in Minsk in Weißrußland, war dort Fabrikbesitzer und selbst ein sehr begabter Ingenieur. Er hatte an der TH Charlottenburg studiert und verfügte bereits über große technische Erfahrung. 137 1865 geboren, gehörte er bei den damals in Palästina herrschenden Verhältnissen der älteren Generation an. Er schlug ganz einfache Verfahren für die Errechnung der Probebelastung der Fundamente vor, und Baerwald war daher überzeugt, in ihm den idealen Bauleiter für das Technikum gefunden zu haben. Schmarja Levin ging noch weiter und meinte, daß er später auch für den Posten eines Werkstättenleiters am Technikum in Frage käme. 1 3 8 Die Schwierigkeiten, die sich bei den Arbeiten an den Fundamenten ergaben, wurden mit Hilfe von G. Wilbuschewitz gelöst. Bei den Planierungsarbeiten stellte sich entgegen den ursprünglichen Annahmen heraus, daß der tragfähige, felsige Untergrund an manchen Stellen bis zu sieben Meter von Erde bedeckt war. Das Abtragen und der Abtransport dieser Erde erhöhten den im Etat dafür angesetzten Betrag um ein Vielfaches. G. Wilbuschewitz schlug ein Vorgehen vor, das zu beträchtlichen Einsparungen führte, indem er den Boden nur teilweise abtragen ließ und die Fundamente nur stellenweise betonierte. 139 Weitere finanzielle Schwierigkeiten ergaben sich dadurch, daß die Bauunternehmer eine Änderung der Bedingungen forderten. Sie wiesen darauf hin, daß ihnen durch die Unterbrechung der Arbeiten im Jahre 1911 große Geldverluste entstanden waren. Der Bauunternehmer Rogow kündigte sogar seinen Vertrag mit dem Technikum. Nur mit viel Mühe konnten die Firmen Treidel und Krause dazu gebracht werden, die Durchführung der Rogowschen Arbeiten zu übernehmen. 1 4 0 Auch war die Einstellung von jüdischen Arbeitern, die fast alle jemenitischer Herkunft waren, nicht einfach. Diese Arbeiter wohnten alle in Jerusalem, hatten dort ausreichend Beschäftigung und waren nur schwer zu bewegen, nach Haifa zu kommen.

Ebda. Ebda. 1 3 8 Vgl. Sch. Levin an Dr. Paul Nathan, 19. Mai 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 179 f. 139 Ebda. Siehe auch Sch. Levin an Achad Haam, 28. Mai 1912, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 140 Ebda. 136 137

116

VI. Der

Bauverlauf

Infolgedessen bestanden die Arbeitskräfte beim Bau auf dem Technikumsgelände nur zu 60 Prozent aus Juden und zu 40 Prozent aus Arabern. 141 Trotz aller Schwierigkeiten machte der Bau des Hauptgebäudes und der Werkstätten und vor allem des Gebäudes der Realschule große Fortschritte. Schmarja Levin bemerkte in seinen Berichten, daß die Gebäude schon eine sehr schöne Form angenommen hätten. 142 Im Sommer 1912 wurde das Pförtnerhaus fertiggestellt.143 Für das Hauptgebäude wurden eine Aula, Hörsäle, Laboratorien, kleinere Lehrräume, eine Bibliothek mit Lesesaal sowie die nötigen Verwaltungsräume geplant. Im Juni 1912 kam Alexander Baerwald wieder für zwei Monate nach Haifa. 144 Die Zusammenarbeit zwischen Baerwald, G. Wilbuschewitz und Sch. Levin gestaltete sich sehr positiv. Auf Wunsch Baerwalds und Wilbuschewitz' beschloß Schmarja Levin, bis Mitte August in Haifa zu bleiben. 145 Baerwald war glücklich über die Aussicht, einen so erfahrenen und kenntnisreichen Fachmann wie G. Wilbuschewitz als leitenden Ingenieur in Haifa zu haben. 146 Seine feste Anstellung hing jedoch von einigen Faktoren ab: erstens mußte er für zwei bis drei Monate nach Minsk reisen, um seine Vermögensangelegenheiten zu regeln, 147 zweitens sollte seine offizielle Ernennung in Berlin erfolgen. 148 Schmarja Levin bemühte sich, Bernard Kahn davon zu überzeugen, daß es sich in diesem Fall um eine Sache von großer Bedeutung für die Bautätigkeit in Haifa handele, und bat ihn, beim Treffen zwischen Prof. Georg Schlesinger und G. Wilbuschewitz, das in Berlin zustande kommen sollte, anwesend zu sein. 149

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 24. April 1912, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. Vgl. Sch. Levin an Y. Tschlenow, 28. Juli 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 195 f. 1 4 3 Vgl. a. a. O., S. 195. 1 4 4 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 30. Juni 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 185 f. 145 Ebda. 146 Ebda. 1 4 7 Gedalia (Grischa) Wilbuschewitz war zwar Zionist, hatte jedoch noch nicht beschlossen, nach Palästina einzuwandern. Als ihm der Vorschlag gemacht wurde, die technische Leitung beim Bau des Technikums zu übernehmen, sah er sich gezwungen, nach Minsk zu reisen, um seine privaten Vermögensangelegenheiten - er war Besitzer einer Papierfabrik - zu regeln. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 30. Juni 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 185 f. Siehe auch Sch. Levin an David Wissotzky, 30. Juni 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 187. 141

142

Vgl. Sch. Levin an B. Kahn, 12. Juli 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 188 f. W Ebda. 148

Die Grundsteinlegung und das erste Jahr der Bautätigkeit

117

Die Bautätigkeit wurde von Anfang an von A. Baerwald im Einklang mit den Forderungen und Anweisungen des technisch-wissenschaftlichen Beirats durchgeführt, an dessen Spitze die Professoren G. Schlesinger und W. Franz standen. Bei der ersten Besprechung dieses Beirats, die bereits im September 1909 stattgefunden hatte, nahmen außer Prof. G. Schlesinger auch Prof. Dr. Arthur Binz, Stadtbauinspektor Broniatowski, Geh. Regierungsrat Götte, Geh. Baurat Dr.-Ing. Theodor Landsberg, Prof. D. Martitz, Geh. Regierungsrat Dr. J. Pieck und Direktor Volck vom Städtischen Technikum in Berlin teil. 150 Diese Besprechung legte die Grundlinien fest, nach welchen der Bau und die Einrichtung des Technikums vorzunehmen waren. 151 Die Konferenzen in den Jahren 1912 und 1913 bezogen sich auf äußerst detaillierte Probleme des Technikums und seiner Einrichtung. So wurden auf der Konferenz vom 28. November 1912 die Garderobe, die Waschräume und der Ausbau des Kellers behandelt. Bei dieser Besprechung waren die Professoren W. Franz und G. Schlesinger, der Konstr.-Ing. Rambuschek und Dipl.-Ing. Weichert anwesend. 152 Die Konferenz vom 4. Dezember 1912 legte die Werkstättenanordnung definitiv fest. 153 An dieser Konferenz nahmen Prof. W. Franz, Prof. G. Schlesinger, Architekt Bernhard, Konstr.-Ing. Rambuschek und Dipl.-Ing. Weichert teil.154 Besprochen wurden Fragen, welche die Gießerei, die Tischlerei, die Schmiede, die mechanische Werkstatt, die Kellerräume, das Laboratorium und den Montageraum betrafen. Die Unterkellerung der mechanischen Werkstätten sollte nach den Angaben von G. Wilbuschewitz ausgeführt werden. 155 Die Baukonferenz vom 12. März 1913 fand in der TH Charlottenburg, unter Teilnahme der Professoren Franz und Schlesinger, des Architekten Baerwald und des neu ernannten Direktors des Technikums, Dr. Ing. A. Finkelstein, statt. 156 Auf dieser Konferenz wurde die Annahme des

150 151 152

Siehe 153

Siehe 154

Vgl. Achter GB des Hilfsvereins der Deutschen Juden . . ., S. 99 f. Ebda. Vgl. Bericht über die Konferenz vom 28. November 1912, TJNHA, Bd. 12-24. DOKUMENTENANHANG D .

Vgl. Bericht über die Konferenz vom 4. Dezember 1912, TJNHA, Bd. 12-24. DOKUMENTENANHANG D .

Ebda. 155 Ebda. 156 Vgl. Baukonferenz am 12. Mäiz 1913, TH Charlottenburg, Zimmer 237, TJNHA, Bd. 12-24. Siehe DOKUMENTENANHANG D .

118

VI. Der

Bauverlauf

Be- und Entwässerungsprojekts der Firma Börner und Herzberg beschlossen. Die Materialien sollten bei der deutschen Firma gekauft werden, der Bau aber unter der Aufsicht eines Monteurs dieser Firma von den örtlichen Fachkräften in Haifa durchgeführt werden. 157 Vor seiner Abreise nach Berlin im August 1912 gab Schmarja Levin mehrmals seiner Zufriedenheit über den Fortschritt der Arbeiten in Haifa Ausdruck. Das Problem des Fundaments für die Technikumsgebäude war gelöst, das kleine Pförtnerhaus fertiggebaut und das erste Stockwerk der Realschule bereits zu sehen. Schmarja Levin war voller Lob für G. Wilbuschewitz, den er besonders schätzte, 158 wie auch für A. Baerwald, 159 der für zwei Monate nach Haifa gekommen war, um die Bautätigkeit zu koordinieren. 160 Schmarja Levin bemerkte, daß sich auch das Verhältnis der Leitung in Berlin ihm gegenüber gebessert hatte und daß er auf all seine Berichte und Anfragen mit umgehenden Antwortschreiben und Entscheidungen rechnen konnte. So hatte man in Berlin sogar mit einem Danktelegramm auf die „vortrefflichen Berichte" reagiert.161 Am 10. August 1912 verließ Schmarja Levin zusammen mit A. Baerwald Haifa, um nach Berlin zurückzukehren. 162

Schmarja Levin, Dr. Alfons Finkelstein und der Fortschritt der Bauarbeiten bis 1914 Im Jahre 1912 wurde die Frage der Ernennung eines Direktors für das Technikum besonders aktuell. Der Unterrichtsbeginn war für das Frühjahr 1914 geplant. Nun mußten nicht nur die Bauarbeiten beschleunigt werden, sondern es sollten auch alle anderen Vorbereitungen getroffen werden, wie die Bestellung der Ausrüstung für die Werkstätten und die Laboratorien, die Ausarbeitung detaillierter Lehrpläne und die Anstellung eines entsprechenden Lehrerkollegiums.

Ebda. Vgl. Sch. Levin an Y. Tschlenow, 28. Juli 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 159Ebda. Siehe auch Schreiben an U. Ginzberg (Achad Haam), 1. August 1912, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 1 6 0 Vgl. Sch. Levin an Y. Tschlenow, 28. Juli 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 159. 161 Ebda. 1 6 2 Vgl. Sch. Levin an U. Ginzberg (Achad Haam), 1. August 1912, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 157

158

Schmarja Levin, Dr. Alfons Finkelstein und der Fortschritt

119

Dies sollte natürlich zur direkten Aufgabe des Technikumsleiters werden. Bereits im März 1912 wurde Dr.-Ing. Alfons Finkelstein als Kandidat für diesen Posten erwähnt. 163 Alfons Finkelstein hatte an der TH Charlottenburg Maschinenbau studiert und war vermutlich von Professor G. Schlesinger empfohlen worden. Auch die Kandidatur von Dr. Chaim Weizmann, 164 der an einer Hochschule in Manchester Chemie lehrte, wurde in Erwägung gezogen. 165 Schlesinger war jedoch der Meinung, daß Weizmann für ein Technikum ohne einen Chemie-Fachbereich nicht in Frage käme. 166 Obwohl die Ernennung Alfons Finkelsteins offiziell am 1. Januar 1913 in Kraft getreten war, 167 reiste er erst im April 1913 nach Haifa. Bei Schmarja Levin ergaben sich Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung seines Gehalts,168 und so blieb er bis März 1913 in Deutschland. Nur Gedalia Wilbuschewitz kehrte Ende 1912 nach Haifa zurück, um die technische Leitung auf dem Baugelände wieder aufzunehmen. 169 Er leitete die Arbeiten mit großem Erfolg, stellte hohe Anforderungen an die Bauunternehmer, achtete auf eine hohe Arbeitsmoral und kam stets mit den ihm Unterstellten in Konflikt.170 Klagen über Wilbuschewitz waren natürlich die Folge. Wilbuschewitz gab jedoch nicht nach. Seine Forderungen beruhten auf seinen hohen fachlichen Qualitäten und schienen wohl berechtigt gewesen zu sein. Die Unnachgiebigkeit seines Charakters trug das Ihre zu den Spannungen bei. 171

163

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. März 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 158. ^ Prof. Dr. Chaim Weizmann wurde nach dem Ersten Weltkrieg zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation und nach der Gründung des Staates Israel zum ersten Staatspräsidenten gewählt. Er wurde 1844 in Motila bei Pinsk in Weißrußland geboren und studierte in Deutschland in den Jahren 1893-1897, anfangs in Darmstadt und danach an der TH Charlottenburg. Er starb am 9- November 1952. Vgl. Weizmann Archive, Yad Ch. Weizmann, Ch. Weizmann Decade 1952-1962, Rehovot 1962, S. 98. 165 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 3. März 1912, in: IScbL, (hebr.), S. 159166 Ebda. 167 Vgl. Elfier GB des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1913, Abschnitt: Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina. 168 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. November 1912, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 169 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 21. Januar 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 201. 170 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, Purim 5653 (März 1913), in: ISchL, (hebr.), S. 205. 171 Vgl. W. Wissotzky an Sch. Levin, 30. Januar/12. Februar 1913, TJNHA, Bd. 48-51.

120

VI. Der Bauverlauf

Schmarja Levin traf noch in Berlin in den ersten Monaten des Jahres 1913 mit Alfons Finkelstein zusammen und war von seiner Persönlichkeit positiv beeindruckt. 172 Er erzählte ihm von G. Wilbuschewitz, 173 den er als Schlüsselfigur zum Erfolg in Haifa betrachtete. 174 Alfons Finkelstein war bereit, schon Ende Februar 1913 nach Haifa zu reisen, wurde aber von Paul Nathan veranlaßt, sich vorerst in Berlin mit allen Problemen des Technikums vertraut zu machen. 175 Im März 1913 kehrte Schmarja Levin nach Haifa zurück. Die Realschule war bereits im Rohbau vollendet und das Hauptgebäude des Technikums bis zum zweiten Stockwerk fertig. Die Arbeiten am Werkstättenbau befanden sich noch in den Anfängen, sollten jedoch bis zum Herbst 1913 soweit gediehen sein, daß das Aufstellen der Maschinen für eine eigene Kraftzentrale und die Werkstätten möglich war. 176 Im Zusammenhang mit den Bauarbeiten griff Alfons Finkelstein hauptsächlich in die Angelegenheiten der Beschaffung der Inneneinrichtung der Gebäude ein. Sie betrafen sowohl die Arbeitergarderoben der Werkstätten177 als auch die Inneneinrichtung der Physik- und Chemieklasse und die Physiksammlung.178 Vor seiner Abreise nach Haifa bat Alfons Finkelstein A. Baerwald, für ihn einen kompletten Satz von Grundrissen und Ansichten der Realschule, des Technikums, der Werkstätten und des Wasserturms anfertigen zu lassen. 179 Kurz vor Antritt der Reise befaßte er sich mit Fragen, welche

172

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 21. Januar 1913, 20. Februar 1913 und Purim 5653 (März 1913), in: ISchL, (hebr.), S. 201 ff. Siehe auch Wissotzky an Sch. Levin, 30. Januar/12. Februar 1913, TJNHA, Bd. 48-51. 173 Vgl. Sch. Levin an Ing. Wilbuschewitz, 22. Januar 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 202. 174 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, Purim 5653 (März 1913), in: ISchL, (hebr.), S. 205. 175 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 20. Februar 1913, in: ISchl, (hebr.), S. 203. Vgl. Elfter GB des Hilfsvereins . . ., Abschnitt: Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina . . . In Haifa gab es damals noch keinen elektrischen Strom. 177 Vgl. A. Finkelstein an A. Baerwald, 19. März 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. A. Finkelstein bezog sich auf die Kataloge der Firma Heinrich Amend, Hanau, und auf den Kostenvoranschlag der Firma Wolf Netter & Jacobi für Kleiderspinde. 178 Vgl. A. Finkelstein an A. Baerwald, 20. März 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 179 Vgl. A. Finkelstein an A. Baerwald, 28. März 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51.

Schmarja Levin, Dr. Alfons Finkelstein und der Fortschritt

121

die Tischlerei und die Gießerei betrafen. 180 Ein Teil der Einrichtung mußte natürlich eingeführt werden. Ein Großteil der Ausstattung sollte jedoch in Haifa in der eigenen, gut eingerichteten Tischlerei und Schlosserei hergestellt werden. 181 Am 12. April 1913 nahm Alfons Finkelstein an einer Sitzung des Kuratoriums teil182 und reiste anschließend nach Palästina, um sich nun mit den Angelegenheiten des Technikums an Ort und Stelle zu befassen. 183 Da bei der letzten Kuratoriumssitzung noch keine genauen Daten vorlagen, um die bis zum Abschluß der Bautätigkeit noch fehlenden Geldmittel feststellen zu können, betrachtete es A. Finkelstein auch als seine Aufgabe, die laufende Buchhaltung des Technikums in Haifa zu überprüfen. 184 Nathan Kaisermann seinerseits erklärte sich bereit, eine Prüfung der Buchhaltung der ersten Jahre vorzunehmen. 185 Schmarja Levin glaubte, daß die Leitung in Berlin mit ihren harten und unlogischen Anforderungen an die Buchhaltung in Haifa für das unklare Bild der Ausgaben verantwortlich war.186 Schmarja Levin hoffte, daß es Dr. Finkelstein gelingen werde, sich über die in Palästina herrschenden Arbeitsverhältnisse ein Bild zu machen. Diese waren natürlich mit den in Europa herrschenden Bedingungen nicht zu vergleichen. Die Bauunternehmer waren unerfahren und die Arbeiter ohne fachliche Ausbildung. Trotzdem meinte Dr. Finkelstein, daß „der Teufel nicht so schwarz wäre", wie er sich diesen in Haifa vorgestellt hatte. 187 Er hielt die Leitung der Arbeiten durch G. Wilbuschewitz für sehr gut und wirkungsvoll und erklärte sich bereit, ihn in Berlin für eine feste Anstellung am Technikum vorzuschlagen. 188 Dr. Finkelstein hielt sich etwa sechs Wochen in Palästina auf. Ende Juni kehrte er nach Berlin zurück. Im Juli 1913 verließ auch Schmarja

180

Vgl. A. Finkelstein an A. Baerwald, 3. April 1913, Nachlaß Baeiwald, TJNHA, Bd. 48-51. 181 Vgl. Elfter GB des Hüfsvereins . . ., Abschnitt: Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina. 182 Vgl. James Simon an A. Finkelstein, 8. April 1913, Nachlaß Baeiwald, TJNHA, Bd. 48-51. 183 Vgl. Achad Haam an Schmarja Levin, 27. April 1913, in: IAH, (hebr.), Bd. 5, S. 41. 184 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 11. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 185 Ebda. 186 Ebda. 187 Ebda. 188 Ebda.

122

VI. Der

Bauverlauf

Levin Haifa, um nach Berlin zu reisen. Ein neues, aktuelles Problem schien für ihn nun entscheidende Bedeutung zu gewinnen 189 und drängte die Bauarbeiten am Technikum in den Hintergrund. In Haifa blieb nur G. Wilbuschewitz zurück, um weiter den Bau zu leiten. Die Arbeiten in Haifa machten gute Fortschritte. Gelegentlich kam es zu Zwistigkeiten zwischen den deutschen Firmen und der Haifaer Bauleitung, die meistens in der Überschreitung von Terminen durch die Bauunternehmer ihre Ursache hatten. Zu ernsten Meinungsverschiedenheiten und Mißstimmungen kam es mit der Heinrich Westphal AG in Berlin, welche die fertiggestellten Decken für die Gebäude in Haifa liefern sollte. 190 Ein Obermeister der Firma war nach Haifa gekommen, um die Decken zu montieren, doch ruhten die Arbeiten in Haifa, worauf die Firma in einem Schreiben vom 23. August 1913 bereits hingewiesen hatte, seit dem 24. Juli ganz. 191 Im Laufe von acht Wochen standen dem Obermeister nur zwei Arbeitskräfte zur Verfügung, was natürlich zu erheblichen Verlusten führen mußte. 192 Mitte September 1913 war auch ein Fachmann für Isolierung in Haifa eingetroffen, um die Isolierungsarbeiten in einem Teil der Realschule vorzunehmen und um festzustellen, daß die Arbeiten noch nicht weit genug fortgeschritten waren. 193 Meinungsverschiedenheiten zwischen den Firmen Heinrich Westphal AG und der Firma T. Neukrantz AG einerseits und G. Wilbuschewitz andererseits waren in bezug auf die Pappen für die Isolierungen entstanden. 194 A. Baerwald teilte den Standpunkt der deutschen Firmen, und entsprechende Anweisungen wurden an den deutschen Obermeister in Haifa gegeben. 195 In einem Schreiben an die Bauleitung des Technikums in Haifa warnte die Firma T. Neukrantz AG, daß

1 8 9 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 15- Juni 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 27. Gemeint war das Sprachproblem. 1 9 0 Vgl. Heinrich Westphal AG an A. Baerwald, 26. August 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 9 1 Vgl. Heinrich Westphal AG an A. Baerwald, 19. September 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 192

Ebda.

Vgl. Heinrich Westphal AG an A. Baerwald, 23. September 1913, TJNHA, Bd. 48-51. 1 9 4 Vgl. Heinrich Westphal AG an Obermeister Emil Brämer, 8. Oktober 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 1 9 5 Vgl. T. Neukrantz AG an A. Baerwald, 21. Oktober 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. 193

Schmarja Levin, Dr. Alfons Finkelstein und der Fortschritt

123

sie bei einer anderen Behandlung der Isolierschicht spätere Mängel der Isolierung auf diese unsachgemäße Behandlung zurückführen und infolgedessen Regreßansprüche ablehnen würde. 196 Zusätzlich wies die Firma darauf hin, daß laut Vertrag die Arbeiten bis zum 1. November 1913 beendet sein müßten. Sie zeigte sich zwar bereit, einer Verlängerung des Termins von vier bis sechs Wochen zuzustimmen, meinte aber, daß solch ein Entgegenkommen auch als Maximum zu betrachten wäre. 197 Trotz aller Warnungen konnte auch nachher kein schnellerer Fortschritt bei den Arbeiten festgestellt werden. Zu wiederholten Malen beklagte sich Obermeister Brämer, nicht in der Lage zu sein, die Montierung der Decken auch nur halbwegs rationell vorzunehmen. Die Maurerarbeiten, insbesondere das Aufstellen der Säulen und Träger im Werkstättengebäude, gingen so langsam voran, daß er ständig gezwungen sei, zu warten und daher unrentabel arbeiten müsse. 198 Die Firma sah sich deshalb gezwungen, den Ersatz des durch den langsamen Fortschritt der Bauarbeiten entstandenen Schadens zu fordern. 1 " Die Bautätigkeit im Orient war eben auf keinen Fall mit den in wirtschaftlich fortgeschrittenen Staaten üblichen Normen zu messen und in Einklang zu bringen.

!96 Ygi t NeukrantZ AG an die Bauleitung des Technikums in Haifa, 29. Oktober 1913, Nachlaß Baerwald, TJNHA, Bd. 48-51. W Ebda. Vgl. T. Neukrantz AG an Direktor Dr.-Ing. A. Finkelstein, 12. Mai 1913, TJNHA, Bd. 48-51. Ebda. 198

SIEBENTES KAPITEL

Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule Die Rolle der TH Charlottenburg In dem Memorandum, das Paul Nathan nach seiner Rückkehr von seiner ersten Palästinareise 1908 der Leitung des „Hilfsvereins der Deutschen Juden" vorgelegt hatte, bemerkte er, daß die zu gründende technische Schule in Haifa „nach dem bewährten Vorbilde der Techniken in den Kulturländern" errichtet werden sollte.1 Gemeint waren hiermit hauptsächlich die technischen Schulen Deutschlands und des deutschen Sprachraums, die erstens Paul Nathan am besten bekannt und räumlich und sprachlich auch am leichtesten zugänglich waren und die zweitens um die Jahrhundertwende einen bedeutenden Aufschwung genommen hatten und sich eines großen internationalen Ansehens erfreuten.2 Dies betraf vor allem die deutsche technische Hochschule, aber auch in bestimmtem Maße die Techniker- und Ingenieurschulen, die sich mit der Ausbildung der mittleren Ingenieurgrade und der Techniker befaßten. Die deutsche technische Hochschule entwickelte sich aus der „Polytechnischen Schule" des 19. Jahrhunderts. Die ersten Polytechnischen Institute wurden 1806 in Prag und 1815 in Wien gegründet. Bis zur Mitte der dreißiger Jahre gab es bereits in allen wichtigen deutschen Staaten gewerbliche Bildungsinstitute, die sich als Polytechnische Schulen bezeichneten oder Schulen mit ähnlichem Namen und

1

Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins . . ., S. 65. Vgl. Kurt Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul- und Hochschulwesens auf das Ausland (1870-1930), in: Interne Faktoren auswärtiger Kulturpolitik im 19. und 20. Jahrhundert, T. 1, Bd. 16, Stuttgart 1981, passim. 2

126

VII. Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule

Niveau waren. Bis 1868 nahmen fast alle technischen Schulen Deutschlands den Namen einer Polytechnischen Schule an.3 Die Technische Hochschule Aachen (RWTH) war die erste deutsche Polytechnische Schule, die sich in ihrem Statut von 1870 als „Hochschule" bezeichnete und dadurch eine bahnbrechende Rolle bei der Entwicklung des technischen Hochschulwesens in Deutschland spielte.4 Es war dies der Abschluß einer Entwicklungsperiode, in welcher die Polytechnischen Schulen Deutschlands einen grundlegenden Wandel durchgemacht hatten, indem sie die mathematisch-wissenschaftlichen Grundlagen der Ingenieurwissenschaften immer mehr betonten und den Polytechniken einen wissenschaftlichen Charakter verliehen. 5 Mit der feierlichen Eröffnung ihres neuen Gebäudes im Jahre 1884 fand der Gründungsprozeß der Technischen Hochschule in Berlin, der 1879 begonnen hatte, seinen Abschluß. Die Gründung der neuen Hochschule durfte nicht nur als Fusion zweier älterer technischer Institute - der Bauakademie und der Gewerbeakademie 6 - betrachtet werden, sondern auch als neuer, qualitativer Sprung in Richtung auf eine technische Hochschule, die neben den Lehraufgaben auch der wissenschaftlichen Forschung einen ganz bedeutenden Platz einräumte. 7 Da innerhalb der Stadt Berlin kein passendes Grundstück für den Bau eines großen Gebäudes für das neue Polytechnikum zu finden

3

A. a. O., S. 80 f. Vgl. Kurt Düwell, Gründung und Entwicklung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen bis zu ihrem Neuaufoau nach dem Zweiten Weltkrieg. Darstellung und Dokumente, in: Hans Martin Klinkenberg (Hrsg.), Die RheinischWestfälische Technische Hochschule Aachen 1870-1970, Stuttgart 1970, S. 55. 5 Vgl. K. Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul- und Hochschulwesens auf das Ausland (1870-1930) . . ., S. 81. ** Die Bauakademie wurde 1799 und die Gewerbeschule 1821 gegründet. Von 1827 an wurde die Gewerbeschule als „Gewerbeinstitut" bezeichnet, um 1866 in „Gewerbeakademie" umbenannt zu werden. Vgl. Reinhard Rürup, Die Technische Universität Berlin 1879-1979: Grundzüge und Probleme ihrer Geschichte, in: Reinhard Rürup (Hrsg.), Wissenschaft und Gesellschaft. Beiträge zur Geschichte der Technischen Universität Berlin 1879-1979, Bd. 1, Berlin-Heidelberg-New York 1979, S. 8 ff. 7 A. a. O., S. 12. Die neue technische Hochschule bestand aus fünf Abteilungen: Architektur, Bauingenieurwesen, Maschineningenieurwesen (Schiffbau inbegriffen), Chemie und Hüttenkunde. Auch eine Abteilung für allgemeine Wissenschaften, insbesondere für Mathematik und Physik, war vorhanden. 4

Die deutsche technische Schule als Vorbild

127

war, wurde beschlossen, das neue Gebäude in Charlottenburg zu bauen. Charlottenburg hatte den Nachteil, daß es verhältnismäßig weit entfernt von Berlin lag und bis 1920 eine selbständige Stadt blieb, es bot jedoch günstigere Baumöglichkeiten als Berlin. Man sprach später von der „Charlottenburger Hochschule", wußte jedoch ganz genau, daß es sich dabei um die Technische Hochschule der Stadt Berlin handelte. 8 Bedeutsam für die Entwicklung der technischen Hochschulen Deutschlands um die Jahrhundertwende war die Entwicklung von Laboratorien und die Errichtung von Materialprüfungsanstalten und Forschungseinrichtungen. Besonders läßt sich die Gründung neuer Maschinenlaboratorien und elektrotechnischer Institute feststellen. Diese waren nicht nur auf die industrielle Entwicklung in Deutschland zurückzuführen, sonderen regten ihrerseits durch die Ausbildung von erstklassigen Ingenieuren und durch ihre Forschung die industrielle Entwicklung an. Das steigende Ansehen der technischen Hochschulen Deutschlands führte zu einem raschen Anstieg der Zahl der Studenten an diesen Institutionen. Zu einem großen Aufschwung der technischen Hochschulen kam es im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, das auch zwei Neugründungen aufzuweisen hatte, und zwar die Gründung der Technischen Hochschule in Danzig 1904 und der Technischen Hochschule in Breslau 1910. 9

Die deutsche technische Schule als Vorbild Die Entwicklung und die Erfolge der deutschen technischen Hochschulen fanden im Ausland große Beachtung. Besonders in England und in den Vereinigten Staaten machte sich ihr Einfluß bemerkbar. In England wurde Deutschland zum Modell für die Wissenschaftsförderung. Das im Jahre 1907 in London gegründete „Imperial College of Science and Technology" wurde vom deutschen Vorbild stark beeinflußt, wobei man von einem „Charlottenburg" für London sprach. Deutschland wurde als Land der technischen Wissenschaften

8 Vgl. R. Rürup, Die Technische Universität Berlin 1879-1979: Grundzüge und Probleme ihrer Geschichte . . ., S. 12 ff. 9 Vgl. K. Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul- und Hochschulwesens auf das Ausland (1870-1930) .. ., S. 83 ff.

128

VII. Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule

angesehen, an denen Lehre und Forschung gleichen Anteil hatten und ein vielseitiger Erfahrungsaustausch zwischen Industrie und Forschung stattfand. Es sah so aus, als würde gerade dieser Erfahrungsaustausch die industrielle Entwicklung begünstigen und die großen wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands in der Vorkriegszeit, das heißt vor 1914, begreiflich machen. 10 Nach der Jahrhundertwende entstand ein reges Interesse für das deutsche technische Schulwesen in Staaten wie China und der Türkei, welche auf diesem Gebiet gänzlich unterentwickelt waren. Dies scheint natürlich auch für die deutsche auswärtige Politik und für die Förderung der Ausfuhr von deutschen industriellen Erzeugnissen in diese Länder von großer Bedeutung gewesen zu sein. Die Gründung von Schulen und „moralische Eroberungen" überhaupt wurden insbesondere von Kulturpolitikern wie Paul Rohrbach und Ernst Jäckh befürwortet.11 Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg machte jedoch all diesen Tendenzen ein schnelles Ende.

Der wissenschaftlich-technische Beirat in Berlin Da Palästina für die Gründung einer technischen Hochschule noch nicht reif war, konnte das deutsche technische Hochschulwesen der in Haifa entstehenden Institution nicht als Vorbild dienen. Trotzdem stand von Anfang an die Gründung des Technikums in Haifa in enger Verbindung mit der technischen Hochschule in Charlottenburg. Es war dies eine Verbindung indirekter Art, die vor allem dem Umstand zu verdanken war, daß zwei Professoren der TH Charlottenburg Wilhelm Franz und Georg Schlesinger - sich bereit erklärt hatten, den technisch-wissenschaftlichen Beirat des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" zu leiten. Die erste Sitzung dieses Beirats fand unter Anteilnahme einer Reihe von hervorragenden Sachverständigen bereits im September 1909 statt. Um genau festzu-

1 0 Vgl. Peter Alter, Das Imperial College of Science and Technology- deutsches Vorbild und britischer Ansatz, in: Interne Faktoren auswärtiger Kulturpolitik im 19• und 20. Jahrhundert, T. 1, Bd. 16, Stuttgart 1981, S. 6S-77. 1 1 Vgl. K. Düwell, Der Einfluß des deutschen technischen Schul-und Hochschulwesens auf das Ausland (1870-1930) . . ., S. 87 ff.

Der wissenschaftlich-technische

Beirat in Berlin

129

stellen, welche Fachgebiete der Technik für das Technikum in Betracht kämen, hatte sich Professor Schlesinger angeboten, im Frühjahr 1910 nach Konstantinopel zu reisen, um an Ort und Stelle die Bedürfnisse in der Türkei zu prüfen. 12 Professor Wilhelm Franz hatte sich einen Namen auf dem neuen Gebiet der Verwaltungsingenieure gemacht. Seine Bücher Der Verwaltungsingenieur und Ingenieurstudium und Verwaltungsreform13 waren 1908 und 1909 erschienen. Er hatte die Forderung erhoben, auch technische Hochschulen neben den Universitäten als Bildungsstätten für höhere Verwaltungsbeamte anzuerkennen. 14 Professor Franz war der einzige Nichtjude, der die Gründung des Technikums in Haifa als Wissenschaftler und Experte unermüdlich förderte. Sein Beitrag wurde zwar honoriert, jedoch von ihm auch aus Interesse an dem Schulprojekt in Palästina als solchem geleistet.15 Von besonderer Bedeutung für das Technikum war die Zusammenarbeit zwischen Prof. Franz und A. Baerwald bei der zweckmäßigen Ausstattung für das Technikumsgebäude. Prof. Dr. Georg Schlesinger gehörte der Maschinenbau-Abteilung der TH Charlottenburg an. Diese Abteilung bildete das Zentrum der Hochschule, besaß die größte Anzahl von Studenten, wies eine ganze Reihe international angesehener Wissenschaftler auf und verfügte über ein Drittel aller Ordinariate.16 Dr. Georg Schlesinger war der einzige Jude, der es an der TH Charlottenburg bis zum Ordinarius gebracht hatte. Er wurde 1874 in Berlin geboren, war seit 1904 Professor an der TH Charlottenburg und gründete das Versuchsfeld für Werkzeugmaschinen und das Psychotechnische Institut für Eignungsprüfung. Seit 1907 gab er die Zeitschrift Werkschaftstechnik heraus. Sein Werk Prüjbuch für Werkzeugmaschinen, das in vollem Umfang zum ersten Mal 1927 erschien, hatte er schon 1901

12

Vgl. Achter GB des Hilfsvereins . . ., S. 100 f. ^ Vgl. Technik und Wittschaft. Monatsschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 2. Jg., Berlin 1909, S. 564. 14 Ebda. 15 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 9- Oktober 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 75 f. ^ Vgl. R. Rürup, Die Technische Universität Berlin 1879-1979: Grundzüge und Probleme ihrer Geschichte. . ., S. 15. Reinhard Rürup zählt die international angesehenen Wissenschaftler der Maschinenbau-Abteilung in folgender Reihenfolge auf: von Franz Reuleaux über Adolf Staby, Alois Riedler und viele andere bis hin zu dem jungen G. Schlesinger . . ."

130

VII. Das Technikum

in Haifa und die deutsche technische

Schule

begonnen. Gleichzeitig war er ein Pionier auf dem Gebiet der Psychotechnik. 17 Seinen Beitrag zur Gründung des Technikums leistete G. Schlesinger ehrenamtlich, und dieser Beitrag wurde im Zehnten Geschäftsbericht des Hilfsvereins von 1912 mit besonders warmen Worten hervorgehoben. 18 Im Elften Geschäftsbericht des Hilfsvereins von 1913 wurde beiden Professoren der TH Charlottenburg - Franz und Schlesinger - „für ihre mühevolle, ehrenamtliche Arbeit herzlichster Dank ausgesprochen".19 Der Einfluß der TH Charlottenburg auf das Technikum in Haifa kam noch auf andere Weise zum Ausdruck. Es war reiner Zufall, aber ein durchaus bemerkenswerter, daß fast alle im Zusammenhang mit der Gründung und Errichtung des Technikums tätigen Ingenieure Absolventen der TH Charlottenburg waren. Diese Tatsache bezog sich vor allem - wie bereits erwähnt - auf den Regierungsbaumeister Alexander Baerwald, den Dipl.-Ing. Gedalia (Grischa) Wilbuschewitz und auf den ersten Direktor des Technikums Dr.-Ing. Alfons Finkelstein, aber auch auf den Dipl.-Ing. Max Hecker, der 1913 als designierter Lehrer ans Technikum nach Haifa kam. 20 Auch Dr. Chaim Weizmann, dessen Kandidatur als Direktor des Technikums - wie schon bemerkt - erwogen worden war und der 1914 ins Kuratorium kooptiert wurde, 21 hatte seine Studien an der TH Charlottenburg beendet. 22

17 G. Schlesinger veröffentlichte eine überaus große Anzahl von Arbeiten über Fabrikation und Fabrikeinrichtungen, Werkzeugmaschinen und Forschungen im Versuchsfeld über Normung. Er war der Schöpfer der „Schlesinger-Normen". Von den Nationalsozialisten 1933 entlassen, ging er über Zürich und Brüssel nach England, wo er am Loughborough College in Leicestershire die Erforschung industrieller Produktionen leitete. Er starb 1949 in England. Vgl. Jüdisches Lexikon. Ein enzyklopädisches Handbuch des jüdischen Wissens in 4 Bänden, Bd. 4, Berlin 1930; Der Große Brockhaus, Bd. 16, Leipzig 1933; Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl., Bd. 16, Wiesbaden 1973. 18

Vgl. Zehnter GB des Hilfsvereins. . ., S. 124. Vgl. Elfter GB des Hilfsvereins. . ., Abschnitt: Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina. 20 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 6. April 1913 u. 18. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. Siehe auch Georg Herlitz, Zum Gedenken: Max Mordechai Hecker, Das M. B.-Blatt, 10. Juli 1964, TJNHA, Nachlaß Hecker. 21 Vgl. Y. Tschlenow an J. Simon, 11. März 1914, ZZAJ, Bd. Z 3/1570. Chaim Weizmann war zu jener Zeit Professor der Chemie an der Universität Victoria in Manchester. 22 Vgl. Chaim Weizmann, Trial and Error. The Autobiography of Chaim Weizmann, Bd. 1, Philadelphia 1949, S. 34 f.

Der wissenschaftlich-technische

Beirat in Berlin

131

Technische Schulen, die dem Technikum in Haifa als Vorbild dienen konnten, fehlten in Deutschland nicht. Die Gründung von neuen Techniker- und Ingenieurschulen füllten die Lücke aus, welche durch die Weiterentwicklung der alten Polytechniken zu technischen Hochschulen entstanden war. Die neueren Anstalten des mittleren Niveaus übernahmen die Aufgaben, welche die alten Polytechniken bis zu den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts innegehabt hatten. Die Techniker als allgemeine Berufsbezeichnung besaßen nebst praktischen Fachkenntnissen auch eine gründliche Ausbildung hinsichdich der Gewinnung von Rohstoffen oder der Herstellung handwerklicher und industrieller Erzeugnisse. Die Tätigkeit der Techniker erstreckte sich besonders auf Planung, Vorbereitung, Beaufsichtigung, Prüfung und Begutachtung. Kennzeichnend für die Bedeutung des Technikerstandes war die Tatsache, daß der Verband Deutscher Techniker (VDT) 27 000 Mitglieder zählte, im Vergleich zu dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI), der nur 23 000 Mitglieder hatte. 23 Bereits im Februar 1908 hatte Paul Nathan begonnen, Informationsmaterial zu sammeln. Als Mitglied der Schuldeputation der Stadt Berlin war es für ihn natürlich nicht schwer, das gewünschte Material im Bereich der Stadt Berlin zu erhalten. 24 Er begnügte sich jedoch nicht damit und besuchte auch andere Institutionen dieser Art, unter anderem in Braunschweig, München, Kothen, Magdeburg und Mittweida, wobei er für gewöhnlich Schmarja Levin einlud, ihn auf diesen Reisen zu begleiten. 25 Sehr oft wurde im Briefwechsel zwischen Schmarja Levin und Achad Haam das Technikum in Mittweida als besonders geeignetes Vorbild für die Schule in Haifa erwähnt. 26 Die Professoren Schlesinger und Franz schlugen für das Technikum in Haifa eine Fachrichtung für Hoch- und Tiefbau sowie eine für Maschinenbau vor. Die Fachrichtung für Hoch- und Tiefbau war offensichtlich gerechtfertigt durch die Entwicklung der Bautätigkeit, den Ausbau der Eisenbahnen und Straßen sowie der Kaianlagen in der Türkei. Auch waren die Investitionen für diesen Fachbereich

2 3 Vgl. Hermann Beck, Ingenieur und Kultur, Technik und Wirtschaft, in: Monatsschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 2. Jg., Heft 10, Oktober 1909, S. 451. 2 4 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. Februar 1908, in: ISchL, (hebr.), S. 35. 2 5 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. Februar 1908, 17. Februar 1908 und 10. März 1908, in: ISchl, (hebr.), S. 35, resp. S. 37 und S. 41. ° Mittweida bei Chemnitz war zu jener Zeit eine der bedeutendsten Textilstädte Sachsens und besaß ein sehr berühmtes Technikum.

132

VII. Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule

verhältnismäßig gering. Dagegen erschien die Einrichtung eines Fachbereichs für Maschinenbau noch etwas problematisch. Auf längere Sicht gesehen, war ein solcher Fachbereich natürlich unentbehrlich, doch angesichts der fehlenden Industrieanlagen in der Türkei schien es zunächst fraglich, w o die Absolventen für ihre Kenntnisse Verwendung finden sollten. Außerdem waren die Investitionen an Maschinen für die Werkstätten sowie für die Einrichtung der Laboratorien unter den damaligen Verhältnissen in Palästina außergewöhnlich hoch. Von 1912 an und verstärkt im Jahre 1913 wurden die Bestellungen für die Einrichtung und Ausrüstung der Werkstätten und der Laboratorien aufgegeben. Sie wurden ausschließlich bei deutschen Firmen vorgenommen. Die Ausführung dieser Aufträge lag in den Händen von Prof. Schlesinger, der die Aufsicht über die gesamten Bestellungen hatte. 27 Die Bestellungen betrafen die modernsten Maschinen und Geräte, welche damals in Deutschland hergestellt wurden, die es bis dahin in Palästina noch nie gegeben hatte und die wahrscheinlich in der gesamten Türkei sehr selten waren. 28 Obwohl eine genaue Bestandsaufnahme nicht vorlag, ermöglichten die Bestellungen bei den diversen Firmen am Vorabend des Ersten Weltkrieges wie auch die Inventarlisten nach dem Ersten Weltkrieg eine gute Übersicht über den Maschinen-, Geräte- und Materialienbestand.29 Es muß jedoch

27

Den vorhandenen Belegen gemäß wurden die Bestellungen bei folgenden Firmen getätigt: AEG Berlin; Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG; R. Wolf, Maschinenfabrik, Magdeburg-Buckau; Ludwig Loewe & Co., AG, Berlin; Maschinenfabrik Weingarten, Württemberg; Dolze und Slotta, Maschinenbau-Werkstätten, Coswig; Wanderer Werke, Schönau b. Chemnitz; Beling & Lübke, Fein-Werkzeugmaschinenbau; Franz Irmischer Maschinenfabrik und Eisengießerei, Saalfeld (Thüringen); Gebrüder Böhring, Werkzeug-Maschinenfabrik und Eisengießerei, Göppingen; SiemensSchuckert-Werke, GmbH., Berlin; Siemens & Halske AG, Berlin; Erdmann Kircheis in Aue in Sachsen. Vgl. TJNHA, Bd. 3 und Bd. 6. 28

Es ist anzunehmen, daß die Werkstätten der Bagdadbahn und anderer ähnlicher Unternehmen fremder Firmen in der Türkei ebenfalls über eine moderne Ausrüstung verfügten. 2 9 Das Technikum hatte folgendes Inventar. Dieselmotor 50 PS, Glühkopfmotor 15 PS, Wolf-Lokomobile 25 PS, Transmissionen, Hill-Kupplungen, Kupolofen 5 to-Leistung, Dampfpumpe, Dampfleitung, Luftleitung, Schalttafel mit Schaltern, diverse Akkumulatorenplatten, Transformator, diverse Akkumulatoren-Glasgefäße, Aktenhobelmaschine, Abrichthobelmaschine, Wandbohrmaschine, Späneabsauganlage, komplette Eisenmaschinenanlage, Dynamos und Zubehör, Zusatzaggregate mit Zubehör, Horizontalstoßmaschine, Vertikalstoßmaschine, Vertikal-Fräsmaschine, Werkzeugschleifmaschine, Rundschleifmaschine, Radialbohrmaschine, Hebel-Blech- und Profileisen-

Das Lehrprogramm

des Technikums

und die Vorbereitungen

133

hervorgehoben werden, daß infolge des Kriegsausbruchs im Sommer 1914 höchstwahrscheinlich nicht alle Bestellungen rechtzeitig geliefert werden konnten. So bezog sich ein Schreiben der Siemens-Schukkert-Werke vom 28. September 1914 auf ein Gesuch des Technikums vom 14. Juni 1914, in dem um eine geschenkweise Überlassung von Anschauungsmaterial für Lehrzwecke gebeten worden war, welchem das Werk infolge des herrschenden Kriegszustandes nicht mehr Folge leisten konnte; die Firma erklärte sich jedoch bereit, die Bitte in der Nachkriegszeit zu erfüllen.30 Im allgemeinen wurden dem Technikum beim Ankauf der Maschinen und der Materialien von den deutschen Firmen wesentliche Preisermäßigungen gewährt, da man nicht vergessen hatte zu bemerken, daß die Bestellungen für eine Institution mit deutschem Profil getätigt würden. In seinem elften Geschäftsbericht dankte der Hilfsverein den Firmen, „die unter Zurückstellung ihres eigenen Vorteils beim Einkauf des Baumaterials und der Maschinen durch Gewährung günstiger Preise das Werk unterstützt" hatten. 31

Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen zur Eröffnung des ersten Studienjahres Auf der Kuratoriumssitzung vom 17. September 19 1 3 32 wurde der Beschluß gefaßt, im Frühjahr 1914 mit dem Unterricht am Technikum und an der Mittelschule zu beginnen. Zunächst sollten die schere, verschiedene Drehbänke, Präzisions-Patronenbank, Sägemaschine, Telefonstation, Telegrafenstation, Versuchsstation für drahtlose Telegrafie, diverses Handwerkszeug, Eisen, Schrott und dergleichen, Zeichentische, Bibliothek und wissenschaftliche Werke, Bücherregale, Schulbänke, Büroinventarien, Bogenlampen, Glühlampen, Reflektoren etc. etc. Vgl. Belege über Kostenvoranschläge, Bestellungen, Lieferungen und Rechnungen, welche sich auf Maschinen, Geräte, Materialien etc. bezogen, TJNHA, Bd. 5 und Bd. 6. Siehe auch die Liste des Inventars des Technikums, die vom Hilfsverein der Deutschen Juden aufgestellt wurde, vom 16. März 1920, ZZAJ, Bd. Z 3/1570. Diese Aufstellung muß jedoch als unvollständig betrachtet werden, da so manche Stücke während des Ersten Weltkrieges infolge des Notzustandes in Palästina von den Verwaltern des Technikums veräußert wurden. 30 Vgl. Siemens-Schuckertwerke an das Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina, 28. September 1914, TJNHA, Bd. 6. 31 Vgl. Elfter GB des Hilfsvereins . . ., Abschnitt: Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina. 32 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 18. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51.

134

VII. Das Technikum

in Haifa und die deutsche technische

Schule

Mittelschule und die Werkstätten des Technikums eröffnet werden. 33 Als besonders dringend erwies sich die Berufung eines Lehrkörpers für beide Schulen und die Ausarbeitung eines detaillierten Lehrprogramms. Als Lehrer für das Technikum wurden Gedalia Wilbuschewitz und Max Hecker in Betracht gezogen: Wilbuschewitz als Leiter der Werkstätten und Hecker als Lehrer für die technischen Fächer.34 Schmarja Levin hatte bereits seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, hebräische Fächer unterrichten und diesen Unterricht eventuell leiten zu dürfen. Für die Realschule wurden Dr. Arthur Biram35 als Direktor und Dr. Loewenherz als Lehrer für Mathematik genannt. 36 Außerdem wurden zwei weitere Lehrer - der eine für Zeichnen und der andere für die unteren Klassen der Mittelschule - erwähnt. 37 Die endgültige Ernennung der Lehrer sollte jedoch erst nach der Kuratoriumssitzung vom 26. Oktober 1913 erfolgen.38 Es war natürlich bemerkenswert, daß alle bis dahin genannten Bewerber für Lehraufträge als Zionisten bekannt waren. Alfons Finkelstein äußerte, daß nach Palästina überhaupt nur zionistisch motivierte Lehrer ziehen würden. Wahrscheinlich gegen Ende 1913 war der Plan für die ersten Studienjahre erstellt, und der Unterricht sollte am 26. April 1914 beginnen. Das erste Semester sollte bis zum 30. August 1914 und das darauffolgende Wintersemester vom 25. Oktober 1914 bis zum 26. März 1915 dauern. Es war geplant, den Unterricht mit den fünf untersten Klassen der Mittelschule, der ersten Klasse der Realschule,40 der ersten 33

Ebda. Ebda. 35 Ebda. Dr. Arthur Biram wurde 1878 in Bischofswerda bei Dresden geboren. Er studierte an der Universität Berlin und an der Hochschule für Wissenschaft des Judentums in Berlin. Von 1909-1913 unterrichtete er klassische Sprachen in deutschen Schulen. 1914 wurde er zum Direktor der Realschule in Haifa berufen. 1920 kehrte er nach Haifa Zurück, um Zum Zweiten Mal das Amt Zu übernehmen, das er dann bis 1948 innehatte. Unter der Leitung von Dr. Biram entwickelte sich die Realschule in Haifa zu einem der berühmtesten Gymnasien des Landes, das einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des hebräischen Schulwesens leistete. Dr. Biram spielte auch eine wichtige Rolle im Kuratorium des Technions nach dem Ersten Weltkrieg. Er starb im Jahre 1967. Vgl. Sarah Halperin, Dr. A. Biram and bis „Reali"-School. Tradition and Experimentation in Education, (hebr.), Jerusalem 1970, passim. 34

36

Ebda. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 24. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 38 Ebda. 39 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 18. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 40 Die Realschule sollte aus 2 Klassen bestehen, die den 7 Klassen der Mittelschule folgen sollten. 37

Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen

135

Werkstattklasse und der ersten Klasse der Fachrichtung Bau zu beginnen. Im Fachbereich Maschinenbau war eine Unterrichtsdauer von zwei Jahren vorgesehen, für das Fachgebiet Hoch- und Tiefbau eine Dauer von drei Jahren. Der Unterricht war schulisch geplant und sollte aus theoretischem Unterricht sowie aus technischem Zeichnen und Arbeiten in den Laboratorien und Übungsräumen bestehen. Die Lehrpläne sahen eine vielseitige Ausbildung der jungen Leute vor, wobei mit Absicht großer Wert auf die Erziehung gelegt wurde, um bei den Schülern das Gefühl für Selbständigkeit und Mitverantwortung zu wecken und zu festigen.41 Die Leitung des Technikums bezeichnete die Einrichtung der Werkstätten als mustergültig und den fortgeschrittenen technischen Ansprüchen entsprechend. Selbst die Möglichkeit wissenschaftlicher Forschung in den Laboratorien des Technikums wurde für die Zukunft erwogen. 42 Die vorgesehene Stundenverteilung der beiden Fachrichtungen war wie folgt geplant: TABELLE 1

Fachbereich

Maschinenbau43

Fächer Technische Mechanik, Vortrag und Übungen Festigkeitslehre, Vortrag und Übungen Maschinenteile, Vortrag und Übungen Maschinenkunde, Vortrag und Übungen Dampfkessel- und Feuerungsanlagen, Vortrag und Übungen Mechanische Technologie, Vortrag und Übungen Materialienkunde Wärmetechnik Elektrotechnik, Vortrag und Übungen Fabrikanlagen und Fabrikbetrieb, Vortrag und Übungen Baukunde, Vortrag und Übungen Maschinenlaboratorium Geschäftskunde, Wirtschaftslehre, Rechtskunde, Bürgerkunde

Halbjahr 1 2 3 1 1 — 9 13 13 17 7 4 7 4 3 3 3 — 3 4 4 6 6 9 3 3 —

4 — 20 — 7 8 10 -

Vgl. Programm des Technischen Instituts zu Haifa (Palästina), veranstaltet vom Jüdischen Institut für technische Erziehung in Palästina, Berlin, l.Jg. (1914-1915), ZZAJ, Z 3/1570. Siehe DOKUMENTENANHANG E. 42 Ebda. 43 Ebda. 41

136

VII. Das Technikum in Haifa und die deutsche technische Schule TABELLE 2

Fachbereich Hoch- und Tiefoau44 Fächer

Halbjahr

2 Technische Mechanik Festigkeitslehre und Graphostatik Geodäsie Hoch- und Tiefbauelemente Baukonstruktionen in Holz, Stein, Beton, Eisen und Eisenbeton, Entwerfen und Veranschlagen Materialienkunde Geologie Straßenbau und Straßenbahnen Eisenbahnen, Bahnhofsanlagen, Sicherungsanlagen Städtischer Tiefbau Brückenbau Kanal-Fluß-Seebau, Hafenbau Siedlungen Übersicht über den Kraftmaschinen-, Lokomotivund Wagenbau Bau- und Arbeitsmaschinen Zeichnen Geschäftskunde, Wirtschaftslehre, Rechtskunde, Bürgerkunde Bauführung

7 6 6

6

10

10 -

3

3

4

21

3

5

21

-

6

20

-

20

-

-

2

-

6

-

-

6 6

4 4

6

8

2

4

1

1

2

Zu den bereits genannten Fächern, welche in einem Umfang von 45 Wochenstunden unterrichtet werden sollten, sollten noch zehn weitere Stunden hinzukommen, und zwar je zwei Stunden Hebräisch, Englisch und Französisch sowie je zwei Stunden Chorgesang und Sport. Insgesamt sollten also 55 Stunden in der Woche unterrichtet werden, was einen Eindruck von der Fülle und dem Niveau des Lehrprogramms und von dem voraussichtlichen Niveau der Schüler vermittelt, an die solche Anforderungen gestellt werden konnten. Die detaillierte Beschreibung des Lehrprogramms zeugte ebenfalls von der Vielseitigkeit des zu erwartenden Unterrichts am Technikum. 45 Die dem Technikum angegliederte Mittel- und Realschule setzte sich aus sieben Mittelschulklassen und zwei Realschulklassen zusammen. Die Aufgabe der Mittelschule war es, intensiven hebräischen

44 45

Ebda. Ebda.

Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen

137

Unterricht zu erteilen, daneben die Landessprachen - Arabisch und Türkisch - zu unterrichten und die Grundlagen der Mathematik, Physik, Chemie und Naturkunde unter Einbeziehung von praktischen Aufgaben zu lehren. In den beiden Realschulklassen sollten der Unterricht der wissenschaftlichen Fächer intensiviert und besonders die Fähigkeiten zum Zeichnen geschult werden. Dagegen sollte der Sprachunterricht etwas verringert und nur wahlweise erteilt werden. Die Stundenaufteilung der Mittel- und Realschule sollte wie folgt vorgenommen werden: 46 TABELLE 3

Lehrfach Hebräische Sprache und Literatur Bibelkunde Gebete und Ritual Jüdische Geschichte Deutsche Sprache und Literatur Arabische Sprache Türkische Sprache Rechnen und Mathematik Naturkunde Physik Chemie Weltgeschichte Heimatkunde und Geographie Singen Turnen Schreiben Zeichnen Handfertigkeit Gesamte wöchentliche Stundenzahl

Mittelschule IX VIII VII 2 2 2 2 2 2 2 2 1 4

4

4

-

-

VI 2 2 1

-

4 4

4 4 6 2

6

6

6

6

-

-

-

2

-

-

-

-

2/2 2/2 6

2

2 5

-

-

-

-

24

23

V 2 2 1

-

2 2 2 3 2 2 28

IV 2 2

Realschule II III I 2 2 2 2 2 2

-

-

-

-

1 4 4

1 4 4

6 2 2

1 4 3 2 6

1 4 3 2 6

-

-

6 3 2

6 3 2

-

-

2 2

2 2

6 4 45

6 4 45

2 2 2

2 2 2 2

2 2 2 2

6 2 2 2 2 2 2 2

3 4 34

4 4 37

4 4 39

4 4 43

-

Nach Absolvierung der Realschule sollten die Schüler ihre Ausbildung in den Werkstätten erhalten. Die Ausbildung in den Werkstätten war als Vorstufe und als Vorbedingung für das Studium am Technikum gedacht. Ohne die praktischen Grundlagen dieser Ausbildung, so glaubte man, sei ein erfolgreiches Studium der Ingenieurwissenschaften überhaupt nicht möglich. Parallel zur Ausbildung in den

46

Ebda.

138

VII. Das Technikum in Haifa und die deutsche technische

Schule

Werkstätten sollte es auch einen wissenschaftlichen Unterricht geben, mit dem Ziel, die in der Realschule erworbenen Kenntnisse zu erweitern. Für die praktische Ausbildung in der Lehrwerkstatt im Fachbereich Maschinenbau war eine Dauer von drei Jahren und im Fachbereich Hoch- und Tiefbau eine Dauer von zwei Jahren geplant. Die Werkstätten bestanden aus einer Kraftzentrale und Fabrikationswerkstätten mit folgenden Abteilungen: Gießerei, Tischlerei, Schmiede, Klempnerei, mechanische Werkstätte und Montage. Laboratorien für die Prüfung von Material und Maschinen wurden den Werkstätten beigeordnet. Infolge der großen Bedeutung der Kältetechnik und Kühlgeräteindustrie in Palästina wurde eine Eis- und Kälteanlage eingerichtet. Die Werkstätten waren in erster Linie für Maschinentechniker bestimmt. Die praktische Ausbildung der Schüler im Fachbereich Hoch- und Tiefbau sollte, wenn möglich, auf benachbarten Baustellen erfolgen und nur kurze Zeit in den Werkstätten selbst stattfinden47 TABELLE 4

Die voraussichtliche

Stundenverteilung für die

Lehrfach

Maschinenbau

I Arbeiten in der Werkstätte bzw. auf dem Bauplatz Mathematik und Mechanik Materialienkunde Zeichnen: Skizzieren, geometrisches Zeichnen, Maschinenzeichnen, Bauzeichnen Schreibübungen Hygiene Erste Hilfeleistung Geschäftskunde

32 5 1

4 1/2 1/2 1/2 -

II

Werkstattklassen

/Q

Hoch- und Tiefbau

III

I

II

32 32 5 5 1 1

32 5

32 5 1 1

4 1/2 1/2 1/2 -

4 1

4 -

4 -

1

Außerdem standen auf dem Lehrplan: Hebräisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Turnen, Sport und Chorgesang, je zwei Wochenstunden in allen Jahrgängen. Insgesamt wurden 55 Stunden wöchentlich unterrichtet.

47 48

Ebda. Ebda.

Das Lehrprogramm des Technikums und die Vorbereitungen

139

Die Lehrwerkstätten hatten auch die Aufgabe, Berufshandwerker auszubilden. Die Lehrzeit für Handwerker, die nicht am Technikum weiterstudieren wollten, sollte vier Jahre betragen. Auch war an die Möglichkeit gedacht, diese Schüler in Sonderfächern auszubilden, falls das Bedürfnis bestünde. Gemeint waren damit Maschinenwärter, Schlosser, Werkzeugmacher, Schmiede, Elektriker, Modelltischler, Gießer und Former, Steinmetzen, Zimmerleute, Modell- und Möbeltischler. Die unterste Altersgrenze für Schüler zu Beginn des ersten Schuljahres im Werkstattunterricht sollte 15 Jahre, die oberste 21 Jahre betragen. Dementsprechend sollte die unterste Altersgrenze für Schüler zu Beginn des ersten Studienjahres am Technikum 18 Jahre für Maschinentechniker und 17 Jahre für Bautechniker betragen, während die obere bei 25 respektive 24 Jahren liegen sollte. 49 Das Programm des Technikums in dieser ursprünglichen Form wurde nicht verwirklicht. Der „Sprachenkrieg" von 1913 bis 1914 5 0 und der Ausgang des Ersten Weltkrieges machten allen Plänen ein Ende. Die geleistete Arbeit und die Vorbereitungen für die Eröffnung des Technikums am Vorabend des Ersten Weltkrieges waren jedoch nicht umsonst gewesen. In einer veränderten Wirklichkeit, unter neuen Voraussetzungen wurde mit den bereits entwickelten Ideen ein neuer Anfang gemacht.

^ Ebda. 5 0

S i e h e ZEHNTES KAPITEL.

ACHTES KAPITEL

Das Technikum und die zionistische Bewegung

Die Beziehungen zwischen dem Hilfsverein und der zionistischen Bewegung in Hinsicht auf das Technikum Die Tätigkeit des „Hilfsvereins der Deutschen Juden" in Palästina erweckte von allem Anfang an in zionistischen Kreisen ein positives Echo. Über die Aktivitäten des Hilfsvereins im allgemeinen und in Palästina im besonderen wurde im zionistischen Wochenblatt Die Welt ausführlich und mit Sympathie berichtet. Obwohl die Leitung des Hilfsvereins ihren nicht-zionistischen Anschauungen in bezug auf die jüdische Kolonisation von Palästina einen unmißverständlichen Ausdruck gab,1 glaubte Die Welt zu erkennen, daß diese Anschauungen über Palästina als jüdisches Kolonisationsgebiet sich nicht allzu sehr von den zionistischen unterschieden.2 Die Welt betrachtete insbesondere die Erklärungen Dr. Nathans als überaus erfreulich, in welchen dieser „das hervorragende Verständnis für den Zusammenhang 1 Vgl. Dr. P. Nathan über die Entwicklung Palästinas, in: Die Welt, Nr. 8 vom 21. 2. 1908, S. 5 ff. Die WeA veröffentlichte den Inhalt eines Interviews, das Paul Nathan dem Vertreter der New York Times gewährt hatte, in welchem es u. a. hieß: „Jede Hoffnung auf Wiederbesiedelung Palästinas durch die verfolgten Kinder Israels, die jetzt in andere Länder verbannt sind, muß als durchaus unausführbar aufgegeben werden." Und ferner: „Ich bin fest überzeugt, daß Palästina kein Gebiet für jüdische Emigration in einem größeren Maße darstellt. Weder die industriellen noch die landwirtschaftlichen Hilfsquellen des Landes würden hinreichen, eine größere Bevölkerung als die gegenwärtige zu ernähren." 2 Ebda. Die folgenden Äußerungen Dr. Nathans in demselben Interview führten wahrscheinlich zu dieser Schlußfolgerung: „Sie fragen mich, ob es denn wirklich meine Ansicht sei, daß auch in einer näheren oder ferneren Zukunft eine stärkere Immigration in den Orient, insbesondere seitens unserer Glaubensgenossen, ausgeschlossen erscheinen müsse. Nicht im geringsten. Ich bin nur der Ansicht, daß in diesem Augenblick und in allernächster Zukunft eine solche Immigration in keiner

142

VIII. Das Technikum und die zionistische

Bewegung

zwischen jüdisch-geistiger und wirtschaftlicher Entwicklung" in Palästina bewies und seinen Willen äußerte, „an der Stärkung des jüdischkulturellen Elementes" vor allem arbeiten zu wollen. 3 Das Zentralorgan der Zionistischen Weltorganisation schrieb: „Wir begrüßen dieses Programm aufs freudigste und erhoffen uns um so mehr davon, als der Träger dieses Programms und seine Organisation es bereits bewiesen haben, daß sie es bei Worten nicht bewenden lassen. Und so bedeutet uns Dr. Nathans Programm in Hinsicht auf Palästina eine partielle aber sehr wertvolle Erfüllung unseres Wunsches, alle jüdischen Energien der Diaspora im Heiligen Lande fruchtbar werden zu lassen." 4 Das positive Verhältnis der zionistischen Bewegung zu dem Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina wurde durch die Gründung des Technikums in Haifa noch stärker. Die Welt begrüßte den Plan und meinte, daß man „vom jüdischen Technikum als einer Tatsache der nächsten Zeit sprechen" könne, „einer Tatsache, deren Bedeutsamkeit für unsere nationale Zukunft in Palästina nicht hoch genug" zu veranschlagen sei. 5 Die Welt hielt es für angebracht, immer häufiger über den Hilfsverein und sein Werk in Palästina zu berichtend Am 26. Juni Weise heilsam wäre." Femer: „Ist alsdann mit der Einführung moderner Technik der Reichtum der türkisch-asiatischen Länder, den sie zweifellos bergen, 2u steigender Entfaltung gelangt, dann wird natürlich auch das Problem der Immigration ein ganz anderes werden, als es jetzt ist" 3 Ebda. 4 Ebda. Dr. Nathan behauptete in seinem Interview: „Heute braucht die Türkei Intelligenz und Kapitalien in erster Reihe. Wie die Kapitalien beschafft werden können, das will ich in diesem Augenblick nicht untersuchen, aber die Intelligenz im Lande selbst zu stärken, dazu können wir beitragen, indem wir für unsere orientalischen Glaubensgenossen gute und geeignete Schulen von der Dorfschule herauf bis zum modernen Technikum errichten. Sind diese Vorbedingungen einmal vorhanden, dann wird der Orient auch imstande sein, weit größere Menschenmassen Zu ernähren, als er das heute vermag. Und mit Hilfe der modernen Technik kann dann dort eine Bevölkerung leben, die unvergleichlich größer sein wird, als sie selbst in den blühenden Zeiten des Altertums gewesen ist." Vgl. Ein jüdisches Technikum in Palästina, in: Die Web, Nr. 15 vom 10. 4. 1908, S. 2. „Durch eine ungemein erfreuliche Kunde" - so Die Welt- „sind am vorletzten Sonntag die Teilnehmer an der Generalversammlung des ,Hilfsvereins der Deutschen Juden' überrascht worden." Gemeint war die Nachricht über die Errichtung des Technikums in Palästina, welche in einer kleinen Notiz in der Welt schon am 3. April 1908 erschienen war ( a. a. O., Nr. 14, S. 16). 6 Vgl. Dr. Nathans zweite Palästinareise, in: Die Welt, Nr. 17 vom 1. 5. 1908, S. 16, und Dr. Nathan in Jerusalem, in: Die Welt, Nr. 23 vom 12. 6. 1908, S. 20. 5

Hilfsverein und zionistische

Bewegung

143

1908 wurde der Inhalt einer Unterredung mit Paul Nathan veröffentlicht, in welcher dieser sich über das Technikum äußerte.7 In den nächsten Monaten berichtete das Blatt in mehreren Artikeln über den Ankauf eines Grundstücks für das Technikum in Haifa.8 Auch die übrigen Aktivitäten des Hilfsvereins wurden im Zentralorgan der Zionistischen Weltorganisation aufs wärmste begrüßt.9 Die Welt zitierte die Jüdische Presse, welche schrieb, daß „der siebente Geschäftsbericht des Hilfsvereins ein ungemein sympathisches und erfreuliches Bild einer ihren Rahmen immer weiter, das Netzwerk immer dichter und dauerhafter spannenden Tätigkeit" vermittele, „die sich auf drei Gebiete vornehmlich erstrecke: Fürsorge für die Emigranten, Hilfeleistung bei Katastrophen und Förderung des Bildungswesens unter den Juden des europäischen Ostens und insbesondere des Orients als eines Hauptmittels ihrer Existenzerleichterung".10 Im März 1910 brachte Die Welt einen ausführlichen Überblick über das Werden des Technikums in Haifa, wie man diesen aus dem achten Jahresbericht des Hilfsvereins entnehmen konnte.11 Im Oktober desselben Jahres erschien ein Bericht über die Reise Paul Nathans nach Amerika, wo er mit Jacob H. Schiff „hinter Schloß und Riegel geheime Beratungen" geführt haben soll, „die nach Ansicht vieler von tiefgehender Bedeutung für die zionistische Sache" sein könnten.12 Der Traum, eine jüdische Universität in Palästina zu errichten, wurde noch vor der Gründung der Zionistischen Weltorganisation geäußert. Bereits in den Jahren 1882 bis 1884 veröffentlichte Hermann Zwi Schapira, Professor für Mathematik an der Universität Heidelberg, eine Reihe von Artikeln, in denen er die Gründung einer jüdischen Universität in Palästina befürwortete.13 In seinem Namen wurde 1897

7 Vgl. Dr. Paul Nathan über seine zweite Palästinareise (Eine Unterredung), in: Die Welt, Nr. 25 vom 26. 6. 1908, S. 5. 8 Vgl. Das jüdische Technikum, in: Die Welt, Nr. 27 vom 10. 7. 1908, S. 14, Nr. 38 vom 25. 9- 1908, S. 9, und Nr. 16 vom 16. 4. 1909, S. 347 f. 9 Vgl. Vom Hilfsverein, in: Die Welt, Nr. 39 vom 2. 10. 1908, und der Jahresbericht des Hilfsvereins, in: Die Welt, Nr. 31 vom 23. 7. 1909, S. 691. Gemeint war der 7. Jahresbericht, der 1909 erschienen war. 1 0 Vgl. Der Jahresbericht des Hilfsvereins, in: Die Welt, Nr. 31 vom 23. 7. 1909, S. 691- Gemeint war der 7. Jahresbericht, der 1909 erschienen war. 1 1 Vgl. Das Technikum in Haifa, in: Die Welt, Nr. 11 vom 18. 3. 1910, S. 244. 1 2 Vgl. Dr. Paul Nathan in New York, in: Die Welt, Nr. 40 vom 7. 10. 1910, S. 978. Vgl. LeibJaffe, Rabbi and Mathematician: The Life of Hermann Schapira, Jerusalem 1939, S. 14 f.

144

VIII. Das Technikum und die zionistische Bewegung

beim Ersten Zionistenkongreß in Basel ein Vorschlag zur Errichtung einer jüdischen Universität unterbreitet, wobei als Unterrichtssprache Deutsch, für die Zukunft aber auch Hebräisch, als Möglichkeit erwogen wurde. 14 Seit 1897 war die Idee einer jüdischen Universität in Palästina nie von der Tagesordnung der zionistischen Kongresse abgesetzt worden, bis endlich 1913 auf dem Elften Zionistenkongreß auch der formelle Beschluß gefaßt wurde, eine hebräische Universität in Jerusalem zu errichten.15 Obwohl bei einigen Gelegenheiten das Primat der technischen und der landwirtschaftlichen Fachgebiete hervorgehoben wurde - insbesondere vom Standpunkt ihrer Bedeutung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Palästinas aus 1 6 -, so sollte die Universität aus der Sicht der Juden in der Diaspora zu einem Zentrum jüdischer Kultur und jüdischer Wissenschaft werden, im Sinne einer eigenen Literatur, einer eigenen Theologie und Ethik, einer eigenen Geschichtswissenschaft und einer eigenen Sprache. 17 So gesehen war auch die Bedeutung des „Bezalels" in Jerusalem für den Zionismus zu verstehen, da der „Bezalel" seit seiner Gründung durch Boris Schatz für einen jüdischen Kunstgewerbestil und eine jüdische angewandte Kunst eintrat.18

14

1897,

Vgl. Protokoll des 1. Zionistischen Prag 1911, S. 210.

Weltkongresses in Basel

vom 29-31-

August

Vgl. Stenographisches Protokoll der Verhandlungen des 11. Zionistenkongresses in Wien vom 2.-9- September 1913, Berlin-Leipzig 1914, passim. ^ Vgl. Martin Bub er/Berthold Feiwel/Chaim Weizmann, Bet-Se/er gavoa jehudi, (hebr.), Genf-Lausanne 1902. Siehe auch Ch. Weizmann zu seinen Genfer Tagen, in: Trial and Error. . ., Bd. 1, S. 68. Die drei zionistischen Freunde träumten von einer jüdischen Hochschule, einem jüdischen Verlag und einer jüdischen Zeitschrift. Sechs Jahre später veröffentlichte Israel Abrahams, Dozent für rabbinische und talmudische Literatur an der Universität Cambridge, in dem Jewish Chronicle einen Aufsatz, in welchem auch er die Errichtung einer jüdischen Universität vorschlug. Über die Bedeutung solch einer Universität schrieb er 1910: „Ich denke an die Universität in Jerusalem unter zwei verschiedenen Gesichtspunkten. Für Palästina selbst würde sie eine Universität sein, in der alle Wissenschaften einer modernen Universität gelehrt werden, während sie gleichzeitig der Brennpunkt aller erzieherischen und technischen Bestrebungen sein würde . . ." Israel Abrahams meinte, daß das Technikum in Haifa Zusamm e n mit anderen bereits existierenden Schulen in Palästina ein wertvolles Vorbereitungsstadium für eine Universität bilden könnte. Vgl. Israel Abrahams, Eine Universität für Jerusalem, in: Die Welt, Nr. 41 v o m 17. Oktober 1910, S. 1032. 15

Ebda. Vgl. Die Welt, Jg. 1907-1914. Das Wochenblatt berichtete regelmäßig über d i e Fortschritte der Schule, brachte Notizen über Ausstellungen des „Bezalels" in 17

18

Hilfsverein und zionistische

Bewegung

145

Nichtsdestoweniger unternahm die 2ionistische Bewegung alles, um auch einen direkten Beitrag zur Errichtung des Technikums zu leisten. Die Zionistische Weltorganisation als solche war gemäß den Statuten des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" im Kuratorium nicht vertreten. Die drei prominenten Zionisten im Kuratorium - Achad Haam, Dr. Schmarja Levin und Dr. Yechiel Tschlenow - waren als Personen gewählt worden. Achad Haam hatte zwar am Ersten Zionistenkongreß 1897 teilgenommen, war aber der organisierten zionistischen Bewegung ferngeblieben. 19 Sein Einfluß auf die zionistische Bewegung war ausschließlich ideologischer Natur. Im Kuratorium vertrat er, wie erwähnt, die Wissotzkysche Familienstiftung. Schmarja Levin und Yechiel Tschlenow waren dagegen prominente Mitglieder der zionistischen Leitung. Besondere Autorität innerhalb der Zionistischen Weltorganisation genoß Yechiel Tschlenow. 1909 beschloß der Jüdische Nationalfonds,20 sich auch an der Erwerbung des Grundstücks für das Technikum zu beteiligen. Gemäß den Statuten des Nationalfonds wurde dem „jüdischen Institut" ein Darlehen in Höhe von 100 000 Frs. gewährt, das jedoch nicht zurückerstattet werden sollte, solange es dem ursprünglichen Zweck diente. 21 Der russische Zionistenführer Menahem Ussischkin dagegen empfand dies als ein unwürdiges Handeln der zionistischen Bewegung, das als Aufdringlichkeit hätte ausgelegt werden können und von den Initiatoren der Errichtung des Technikums überhaupt nicht gewünscht worden war. 22 In Manchester referierte 1909 Dr. Chaim Weizmann anläßlich einer zionistischen Konferenz und bezog sich auf das „nationale Polytech-

jüdischen Zentren in Europa und in den Vereinigten Staaten, veröffentlichte Beiträge von Boris Schatz und Illustrationen von Bezalel-Künstlern. Vgl. Achad Haam an den Verein jüdischer Hochschüler „Bar-Chochba" in Prag, 9. Juli 1911, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 242. Achad Haam motivierte sein Fernbleiben von der Zionistischen Weltorganisation mit dem Wunsch, seine Meinungsverschiedenheiten mit den Führern dieser Organisation frei austragen zu können. 20 Die Gründung des Jüdischen Nationalfonds wurde noch auf dem 1. Zionistenkongreß beschlossen. Der Vorschlag wurde von Prof. Hermann Zwi Schapira eingebracht. Vgl. Protokoll des 1. Zionistenkongresses in Basel. . ., passim. 21 Vgl. Schmarja Levin an Achad Haam, 22. September 1908 und 21. März 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 50 und S. 64. 22 Vgl. Achad Haam an M. Ussischkin, 10. September 1908, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 31 f.

146

VIII. Das Technikum und die zionistische Bewegung

nikum, das in Haifa vor der Errichtung war". 2 3 Chaim Weizmann äußerte bei dieser Gelegenheit die Meinung, daß die Eröffnung des Technikums erst nach einer Zeitspanne von fünf Jahren zu erwarten sei, da erst zu diesem Zeitpunkt dem Institut national gesinnte Wissenschaftler von hohem Niveau zur Verfügung stehen würden. Wären solche Wissenschaftler bereits vorhanden - meinte Weizmann könnte das Technikum sofort eröffnet werden. „Die Finanzierung des Unternehmens stelle kein Problem dar, da die reichsten Juden in allen Ländern sich dazu bereit erklärt hatten." 24 Der Hilfsverein war natürlich ein ausgesprochen nicht-zionistischer Verein. In seiner Weltanschauung wie auch in seiner organisatorischen Zusammensetzung war er jedoch pluralistisch und ließ in seinen Reihen verschiedenartige ideologische Strömungen zu. Es war daher nicht verwunderlich, daß ein prominentes Mitglied der ZVfD wie Prof. Otto Warburg dem Zentralkomitee des Hilfsvereins angehörte. Auch vom Standpunkt der ZVfD wurde dies als möglich betrachtet, da im Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina eigentlich ein gemeinsames Ziel - wenn auch von verschiedenen Ausgangspunkten ausgehend - erstrebt wurde. Die Leitung des Hilfsvereins bemühte sich stets, in ihren Kundgebungen zu betonen, daß der Hilfsverein in Vgl. Bericht von E. L. Biska in Hazwi. Wochenblatt in Palästina, (hebr.), 26. Tamus 5669 (1909), TJNHA, Bd. 2. 24 Ebda. In diesem Zusammenhang ist es von Interesse Zu bemerken, daß 1912 von Dr. Bendersky aus Kiew die Errichtung einer medizinischen Hochschule in Palästina angeregt wurde. Diese sollte natürlich zur Entwicklung des Gesundheitswesens in Palästina beitragen, war jedoch nicht als Beitrag zur Wiedergeburt des nationalen Geistesgutes gedacht. Dr. Bendersky schrieb: „Die Notwendigkeit der Gründung einer medizinischen Hochschule wird doch niemand bestreiten wollen. Es ist wohl schon Zeit, daß wir eine eigene jüdische Hochschule haben, in welche die jüdischen Studenten und Studentinnen ohne Prozentbeschränkungen aufgenommen werden, an welchen die jüdischen Gelehrten als ordentliche Professoren fungieren, und die auf die jüdische und arabisch-muslimische Bevölkerung eine tiefe und ausgiebige kulturelle Wirkung ausüben könnten. Diese Hochschule würde die Juden von der Barmherzigkeit der Missionsärzte und der dominikanischen und franziskanischen Schwestern befreien, sie würde die kläglichen sanitären und hygienischen Zustände der jüdischen Bevölkerung in Palästina verbessern, das Spitalwesen heben, den Bildungsstand der Ärzte fördern usw. usw." Die Welt reagierte, wie es eigentlich zu erwarten war. „Unseres Erachtens", hieß es in der Anmerkung der Redaktion, „ist die Idee des Herrn Dr. Bendersky, so sympathisch sie an sich erscheinen mag, verfrüht. Durch kleine Sammlungen sind die nötigen Beiträge nicht aufzubringen, und die Verhältnisse in Palästina sprechen ebenfalls gegen das Projekt." Vgl. Die Welt, Nr. 28 vom 12. Juli 1912, S. 842.

Zunehmendes

Mißtrauen

der Zionisten

in Palästina

147

seinem Schulwerk in Palästina sich nur von pädagogischen und sachlichen Erwägungen leiten lasse. Auch bei der Errichtung des Technikums schien sich der Hilfsverein nicht anders verhalten zu haben. Es sah nicht so aus, als hätte es irgendwelche Diskriminierungen bei der Ernennung oder Anstellung von Funktionären und Lehrern gegeben. Zwar beklagte sich Achad Haam bei Schmarja Levin, daß es so aussähe, als bestelle Paul Nathan die Ausrüstung für das Technikum nur bei deutschen Firmen und ließe günstige Angebote aus England unbeachtet, 25 doch auch er konnte nicht mit Sicherheit behaupten, daß diese Bevorzugung nicht auf sachlichen Grundlagen beruhe.2^ Eher sah es so aus, als sei sich der Hilfsverein der Tatsache bewußt gewesen, daß bei der Errichtung des Technikums der Fortschritt in großem Maße von der moralischen Unterstützung und der in den meisten Fällen ehrenamtlichen Mitarbeit der ortsansässigen Zionisten abhängig war.

Zunehmendes Mißtrauen der Zionisten in Palästina gegenüber den Zielen des Hilfsvereins Obwohl die offiziellen Beziehungen zwischen der ZVfD und dem Hilfsverein unverändert blieben und Die Weltb\s zum Herbst 1913, wie stets zuvor, ausführlich und mit Sympathie über die Aktivitäten des Hilfsvereins, das Schulwerk in Palästina und die Fortschritte bei der Errichtung des Technikums berichtete, waren Anzeichen eines wachsenden Mißtrauens bei Achad Haam und besonders bei Schmarja Levin hinsichtlich der Ziele des Hilfsvereins in bezug auf das Technikum immer deutlicher zu erkennen. Von den anfänglichen Differenzen, welche sich auf die Definition des national-jüdischen Charakters des Technikums bezogen, begann sich allmählich das Mißtrauen der zionistischen Mitglieder des Kuratoriums auf die Frage der

Vgl. Achad Haam an Schmarja Levin, 26. Januar 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 7. Ebda. Achad Haam berichtete über das Schreiben eines jüdischen Ingenieurs, der auch ein Freund Chaim Weizmanns und bei einer englischen Firma beschäftigt war und ein günstiges Angebot dieser Firma Maschinen für das Technikum betreffend an die Leitung nach Berlin sandte. Erst nach Monaten erhielt er eine Antwort. Achad Haam meinte dazu, wenn dieses Angebot der englischen Firma aus „deutschem Patriotismus" abgelehnt worden sei, dann müßte man dagegen aufs schärfste protestieren. 25

148

VIII. Das Technikum und die zionistische

Bewegung

Unabhängigkeit des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" vom „Hilfsverein der Deutschen Juden" zu konzentrieren. Wie bereits bekannt, sah das am 29. März 1908 mit der „Wissotzkyschen Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden" abgeschlossene Abkommen die getrennte Verwaltung der Stiftung vom übrigen Vermögen des Hilfsvereins vor. 27 Das Abkommen mit Jacob H. Schiff vom 28. März 1909 und die Gründung des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" hätte die völlige Unabhängigkeit des Technikums garantieren sollen.28 In der Praxis jedoch wurden - wie schon öfter erwähnt - alle Angelegenheiten des Technikums vom Hilfsverein behandelt und waren von diesem in der tagtäglichen Arbeit kaum zu trennen. James Simon, Dr. Paul Nathan und Dr. Bernard Kahn übten in beiden Institutionen die gleichen Funktionen aus.29 Das Büro des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" befand sich in den Räumen des Hilfsvereins in der Steglitzer Straße 12. Der Einfluß des Hilfsvereins auf die Entscheidungen in den Angelegenheiten des Technikums, der natürlicherweise seinen Grund in der Idee und der Initiative Paul Nathans hatte, wurde später auch durch die objektiven Umstände der Zusammensetzung des Kuratoriums begünstigt. Es waren nur die vom Hilfsverein ernannten deutschen Mitglieder des Kuratoriums, die an allen seinen Sitzungen teilnehmen konnten. Den übrigen Mitgliedern in den verschiedenen Ländern war es nur selten möglich, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. David Wissotzky lebte in Moskau, Jacob H. Schiff - wenn auch nicht Mitglied des Kuratoriums - in New York. Selbst Achad Haam, der die Angelegenheiten des Technikums mit unermüdlichem Interesse verfolgte, war es nicht immer möglich, sich von seinen Verpflichtungen in London freizumachen, um an allen Sitzungen teilzunehmen.30 Von den drei zionistischen Kuratoriumsmitgliedern blieb im Grunde nur Schmarja Levin übrig, der erstens bereit war, sich mit Leib und Seele den Angelegenheiten des Technikums zu widmen, und zweitens in Berlin lebte, wo er auch den Verlauf der Ereignisse, die das Technikum betrafen, aktiv und unmittelbar verfolgen konnte. 31 27 28 29 30 31

Vgl. Siebenter GB des Hilfsvereins. . ., S. 67. A. a. O., S. 69Ebda. Vgl. IAH, Bd. 4 und 5, (hebr.), passim. Yechiel Tschlenow, der neben Achad Haam und Schmarja Levin das dritte

Zunehmendes Mißtrauen der Zionisten in Palästina

149

Schmarja Levin betrachtete es als eine seiner wichtigsten Aufgaben, für die Selbständigkeit des neuen Instituts und seine Unabhängigkeit vom „Hilfsverein der Deutschen Juden" zu kämpfen. In seinen Briefen an Achad Haam wie auch an seine anderen Gesinnungsgenossen klagte er darüber, daß das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina" trotz aller getroffenen Abkommen vom Hilfsverein und seinen Funktionären als ein Teil des Schulwerks des Hilfsvereins in Palästina betrachtet wurde. 32 Um die Unabhängigkeit des Technikums vom Hilfsverein zu betonen, erwog er die Möglichkeit eines getrennten Büros für das Institut und erreichte, daß ihm zumindest ein separates Zimmer in den Räumen des Hilfsvereins als Büro eingerichtet wurde, in welchem er amtieren konnte. 33 Schmarja Levin beschuldigte Ephraim Cohn, daß dieser in Palästina den Eindruck erwecken wolle, als würde das Technikum Absolventen der Schulen des Hilfsvereins als Kandidaten für die Ausbildung vorziehen, 34 und wies in einem Schreiben an Eliahu Saphir auf die Bedeutung des selbständigen Status des Instituts für die kulturelle Entwicklung Palästinas hin. 35 Achad Haam gab in einem längeren Schreiben an Dr. Bernard Kahn seiner Verbitterung über die Täuschung der Öffentlichkeit in dieser Hinsicht Ausdruck und meinte, daß „das Technikum entweder als selbständige Institution oder überhaupt nicht existieren werde". 36 Die Beziehung Schmarja Levins zu Paul Nathan war kompliziert. Einerseits war er vom Engagement Paul Nathans für die Idee des Technikums in Palästina begeistert 37 und bedauerte, daß sein Leiden ihn an seiner Tätigkeit hinderte, 38 andererseits beklagte er sich über seine „feste Hand" und seine zentralistische Leitung, nachdem Paul Nathan

Zionistische Kuratoriumsmitglied war, beschäftigte sich hauptsächlich mit den Angelegenheiten der Zionistischen Weltbewegung. 3 2 Vgl. ISchL, (hebr.), passim. Bemerkenswert war auch die Tatsache, daß die Korrespondenz, die das Technikum Zum Thema hatte, insbesondere von Generalsekretär Dr. B. Kahn, manchmal auf Briefbögen mit dem Briefkopf des Hilfsvereins und manchmal mit dem des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" geführt wurde. 3 3 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 1. Juni 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 148. 3 4 Vgl. Sch. Levin an Ephraim Cohn, 13. Juli 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 88 f. 3 5 Vgl. Sch. Levin an Eliahu Saphir, 19. Juli 1910, in: ISchL, (hebr.), S. 90 f. 3 6 Vgl. Achad Haam an Dr. B. Kahn, 21. Juli 1910, in: IAH, Bd. 4, (hebr.), S. 143 ff. 3 7 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 2. September 1910, ISchL, (hebr.), S. 99. 3 8 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 10. Februar 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 139-

150

VIII. Das Technikum und die zionistische Bewegung

nach seiner Genesung die Angelegenheiten des Technikums wieder in eigene Regie genommen hatte.39 Als Beauftragter des Kuratoriums in Haifa in den Jahren 1912 bis 1913 übte Schmarja Levin scharfe Kritik am Arbeitsstil der Leitung in Berlin und empörte sich über die Überheblichkeit dieser Leitung, die seine Schreiben und Anfragen ohne Antwort ließ.40 Als er jedoch das langersehnte Schreiben von Paul Nathan erhielt, ließ er durchblicken, wie sehr er dafür dankbar war und wie viel ihm dieses Schreiben bedeutete, 41 wie er denn auch wenige Wochen später in einem Brief an Yechiel Tschlenow bemerkte, daß sich das Verhalten Berlins weitgehend gebessert habe und ihn, Schmarja Levin, gänzlich zufriedenstelle.42 Dagegen maß Schmarja Levin James Simon keine Bedeutung zu, da dieser seiner Meinung nach kein wirkliches Interesse für das Technikum an den Tag legte.43 In Dr. B. Kahn sah er einen mittelmäßigen, aber ehrgeizigen Beamten, der die Krankheit seines Chefs auszunützen suchte, um sich als dessen Stellvertreter aufzuspielen. 44 Als Ursprung allen Übels in Palästina galt für ihn Ephraim Cohn, den er bis zu dessen Rücktritt von der Leitung der Angelegenheiten des Technikums in Palästina unermüdlich und aufs schärfste bekämpfte. 45 Man sollte jedoch das kritische Verhalten Schmarja Levins dem Hilfsverein gegenüber nicht nur auf ideologische oder weltanschauliche Hintergründe zurückführen. Es beruhte wahrscheinlich auch auf unterschiedlichen Arbeitsstilen und auf dem Gegensatz zwischen dem von revolutionärem Elan im Rußland des beginnenden 20. Jahrhunderts geprägten Temperament eines zionistischen Volkstribuns und einer kühl denkenden und bedächtig handelnden Leitung eines deutschen Vereins. Es war dies wahrscheinlich auch ein Ausdruck des osteuropäischen zionistischen Sturms, der die Wirklichkeit oft nicht

39

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 30. Juni 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 150 f. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 24. Aprü 1912 und 14. Mai 1912, (hebr.), TfNHA, Bd. 48-51. 41 Vgl. Sch. Levin an Paul Nathan, 19. Mai 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 179 f. In diesem Brief schrieb Sch. Levin: „Es ist mir bekannt, daß auf Ihren Schultern sehr viele Dinge lasten, die für unsere Öffentlichkeit von größter Bedeutung sind und daß von Ihrem Gesundheitszustand und Tatfähigkeit der Erfolg vieler Aufgaben abhängt." 42 Vgl. Sch. Levin an Y. Tschlenow, 28. Juli 1912, in: ISchL, (hebr.), S. 195 f. 43 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 10. Februar 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 130. 44 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 1. Juni 1911, in: ISchL, (hebr.), S. 148. 45 Vgl. ISchL, (hebr.), passim. 40

Zunehmendes

Mißtrauen

der Zionisten

in Palästina

151

wahrnehmen konnte und wollte, der allen kalt durchdachten und nüchternen Erwägungen mit Befremden und Mißtrauen gegenüberstand und ihnen sogar nicht offen eingestandene Beweggründe und Absichten unterstellte. Nur so läßt sich die noch fast zu Beginn der Zusammenarbeit geäußerte Stimmung Schmarja Levins erklären, als er am 23. Juli 1909 an Achad Haam schrieb: „Wenn Sie nur wüßten, wie schwer mir diese selbst äußerliche Zusammenarbeit mit dem Hilfsverein fällt und wie sehr ich mich bemühen würde, unsere Institution von der Unterjochung des Hilfsvereins zu befreien."4^ Achad Haam betrachtete die Zusammenarbeit mit dem Hilfsverein von einem rationaleren Standpunkt aus. Auch er war sich der Abhängigkeit vom Hilfsverein bewußt und natürlich nicht besonders glücklich darüber, sah jedoch ein, daß es keine andere Möglichkeit zur Errichtung eines Technikums in Palästina gab. Er hoffte indessen, im Laufe der Zeit auf die Leitung des Hilfsvereins einwirken zu können und sie dadurch den Zielen des Kulturzionismus näherzubringen. Er hielt die ständige Auflehnung Schmarja Levins für ungerechtfertigt, da die Anschauungen des Hilfsvereins von Anfang an allgemein bekannt waren und somit nichts Unerwartetes darstellten. Von einem „Verrat" des Hilfsvereins - so Achad Haam - konnte auf keinen Fall die Rede sein, und wenn die Zusammenarbeit nicht den Erwartungen entsprach, so müßten die zionistischen Partner vor allem sich selbst die Schuld daran geben. 47 Zusammenfassend sollte jedoch betont werden, daß hauptsächlich weltanschauliche Beweggründe die aktive zionistische Opposition hervorriefen. Auf dem 11. Zionistenkongreß, der 1913 in Wien stattfand, erklärte Schmarja Levin, daß man es nur als natürliches Ideal betrachten müsse, „daß alle Unternehmungen in Palästina, sowohl ökonomischer wie kultureller Art, von der Organisation begründet werden sollen, die auf ihr Banner die Wiedergeburt des jüdischen Volkes geschrieben hat. Wenn es nun bisweilen zulässig sein mag, in wirtschaftlichen Dingen von diesem Ideal abzugehen, obwohl dann gewöhnlich infolge des Fehlens nationaler Bestrebungen die Zweckmäßigkeit des Geschaffenen stark beeinträchtigt wird, so muß dieses Ideal unter allen Umständen und mit aller Energie da vertreten werden, wo es sich um die Erziehung des in Palästina heranwachsenden

46 47

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 23. Juli 1909, in: ISchL, (hebr.), S. 71. Vgl. Achad Haam an Sch. Levin, 27. Mai 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 55 f.

152

VIII. Das Technikum und die zionistische Bewegung

Geschlechts handelt. Die dürfen wir keinesfalls den anderen Organisationen überlassen, eben weil ihnen jedes Banner fehlt." 48 Ferner meinte Schmarja Levin, daß der Zionistischen Organisation die unbedingte Verpflichtung erwachse, „die gesamte Kulturarbeit in Palästina in ihren Händen zu konzentrieren".49 Von militanten und radikalen zionistischen Kreisen wurde auch von Zeit zu Zeit der Verdacht geäußert, daß der Hilfsverein im Auftrag deutscher Interessen und im Gegensatz zu den Bestrebungen der jüdischen Bevölkerung in Palästina handele. Andeutungen dieser Art, obwohl sie weder von der zionistischen Weltorganisation noch von Achad Haam oder Schmarja Levin geäußert wurden, müßten jedoch den Hilfsverein unter einen gewissen Druck gesetzt haben. Doch eine weit größere Belastung für den Hilfsverein stellte der entgegengesetzte Druck dar, der vom deutschen Vizekonsul in Haifa auf den Verein ausgeübt wurde.

48 49

Vgl. Die Welt, Kongreßausgabe I vom 3. September 1913, S. 11 f. Ebda.

NEUNTES KAPITEL

Das Technikum in der deutschen Kulturpolitik

„Der Hilfsvereln der Deutschen Juden " und die deutsche Kulturpolitik bis 1914 Der „Hilfsverein der Deutschen Juden" maß von allem Anfang an dem Verhalten der Reichsregierung und ihrer Vertreter im Ausland gegenüber den Aktivitäten des Hilfsvereins größte Bedeutung bei. Der Bestand und die Entwicklung seines Schulwerks in Palästina wurden von ihm nur unter der Voraussetzung für möglich gehalten, daß die deutschen Behörden dem Verein wohlwollend gegenüberstehen und diesem Schutz und Fürsorge angedeihen lassen würden. Dies schien um so unerläßlicher, als im Osmanischen Reich alle Unternehmen dieser Art in Konstantinopel auf Mißtrauen stießen und auch in hohem Maße durch die Willkür der türkischen Lokalbehörden gefährdet waren. Der Hilfsverein seinerseits ließ deutlich durchblicken, daß durch sein Schulwerk der deutschen Sprache, der deutschen Gesinnung und dem deutschen Handel neue Möglichkeiten erschlossen würden. 1 Auch die deutsche Reichsregierung nahm eine positive Stellung gegenüber der Errichtung des Schulwerks durch den Hilfsverein ein, insbesondere, nachdem sie sich mit ihren Vertretungen im Osmanischen Reich beraten hatte. Zwar versprach sich der deutsche Konsul in Jerusalem, Dr. Friedrich Rosen, keine direkten politischen Vorteile für Deutschland, er befürwortete jedoch die Gründung eines „Deutschen Schulvereins für die Juden des Orients",2 da er in der Gründung

Vgl. Paul Nathan an Herrn von Huhn, 21. September 1898, A. A. Türkei 195, Juden in der Türkei, Bd. 1, K 175925-927. 2 Vgl. Dr. Friedrich Rosen an den Kaiserlichen Geschäftsträger, Konstantinopel, 9. August 1900, ISA, A 111/18, Abschrift. 1

154

IX. Das Technikum in der deutschen Kulturpolitik

eines Schulwerks seitens deutscher Juden eine zusätzliche Möglichkeit der Eindämmung der französischen Sprache und des französischen Einflusses im Orient erblickte.3 Von 1903 an wurde, für die vom „Hilfsverein der Deutschen Juden" neugegründeten oder übernommenen Kindergärten und Schulen der deutsche Schutz beantragt. Obwohl solch ein Schutz offiziell nie gewährt wurde, galten diese Institutionen in der Öffentlichkeit als unter deutschem Schutz stehend. In den Schulen des Hilfsvereins, in welchen, wie bereits bekannt, in Hebräisch unterrichtet wurde, übernahm Deutsch den Platz der ersten europäischen Kultursprache. 1904 wurde vom Hilfsverein in Jerusalem ein Lehrerseminar gegründet und der „Edler von Laemel"-Schule angeschlossen, die von Ephraim Cohn geleitet wurde und sich ebenfalls um den deutschen Schutz bewarb. 4 Als 1906 die Kunstgewerbeschule „Bezalel" in Jerusalem gegründet wurde, wandte sich auch der „Bezalel"-Verein in Berlin an den deutschen Konsul in Jerusalem mit der Bitte, die Schule unter deutschen Schutz zu stellen.5 Dies schien so dringend gewesen zu sein, daß der erste Vorsitzende des „Bezalel"-Vereins in Berlin, Professor Otto Warburg, sein Schreiben an den deutschen Konsul in Jerusalem mit dem Ansuchen beendete, „das junge Institut auch schon jetzt, bevor es offiziell unter deutschem Schutz steht, wenn es nötig sein sollte", unter seine Obhut zu nehmen. 6 Das Auswärtige Amt wie auch seine Vertretungen im Ausland verhielten sich dem neuen Projekt des Technikums gegenüber anfangs etwas zurückhaltend. Zwar hielt es der Hilfsverein für richtig, bereits in seinem siebenten Geschäftsbericht von 1909 dem Auswärtigen Amt seinen Dank auszusprechen für den Rat und die Hilfe, welche dem Verein bei der Errichtung des Technikums zuteil wurde, 7 doch ließ sich eine tatsächliche Unterstützung in den ersten Jahren der Gründung des Technikums kaum feststellen. Als Ephraim Cohn sich im Sommer 1909 auf Empfehlung von James Simon im Auswärtigen Amt

3

Ebda. Vgl. E. Schmidt an den Botschafter in Konstantinopel, 22. Februar 1905, ISA A XXVIII/39 I, Abschrift. Siehe auch: E. Schmidt an die Kaiserliche Deutsche Botschaft in Konstantinopel, 21. April 1904, ISA, A XXVIII/39 I, Abschrift. 5 Vgl. Prof. Dr. O. Warburg an den Deutschen Konsul in Jerusalem, 4. April 1906, ISA, A XXVI11/44. 6 Ebda. 7 Vgl. Siebenter GB des Hilfevereins. . ., S. 67. 4

,.Der Hilfsverein der Deutschen

Juden"

155

in Berlin vorstellte und um die Unterstützung für die Schritte bat, die unternommen worden waren, um die Genehmigung zur Eröffnung des Technikums zu erhalten,8 wandte sich Staatssekretär von Schoen an den Botschafter in Konstantinopel Marschall von Bieberstein.9 Die Antwort Marschalls an Staatssekretär von Schoen10 wie auch die Übermittlung des Ratschlags des Deutschen Botschafters über Konsul Schmidt in Jerusalem an Ephraim Cohn11 waren jedoch für den Hilfsverein keineswegs ermutigend. Die deutsche Botschaft hielt es auf jeden Fall nicht für opportun, „den Antrag auf Erteilung der zur Eröffnung des gedachten Technikums erforderlichen Erlaubnis auf Anerkennung desselben" zu stellen.12 Die Bereitschaft der deutschen Botschaft in der Türkei, sich energischer für das Technikum in Haifa einzusetzen, nahm auch nach dem Besuch Paul Nathans in Konstantinopel im Frühjahr 1910 nicht zu; 13 bei dieser Gelegenheit soll Marschall von Bieberstein ihm jedoch erklärt haben: „Bauen Sie ruhig, ich werde Sie schützen."14 Angesichts der Ereignisse auf dem Baugelände in Haifa im Januar 1911 15 sah sich die Leitung des Hilfsvereins in Berlin genötigt, den Botschafter in Konstantinopel zu ersuchen, wenn möglich telegraphisch den deutschen Vertreter in Haifa

8 Vgl. Staatssekretär von Schoen an Botschafter Marschall in Konstantinopel, 26. September 1909, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176230-232. Das Ansuchen Ephraim Cohns bezog sich auch auf Befreiung von Steuern, Abgaben, Zollfreiheit für einzuführende Baumaterialien für das Technikum sowie auf die Bitte um eine Intervention des Vizekonsuls in Haifa in der Sache der Übertragung des Technikumgrundstücks auf den Namen von James Simon.

9

Ebda.

Vgl. Botschafter Marschall (Konstantinopel) an Reichskanzler von Bethmann Hollweg, 18. November 1909, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176243-245. 10

1 1 Vgl. Konsul E. Schmidt an Seminar-Direktor E. Cohn, 29. November 1909, ISA, A XXVIII/39 I. Wie schon im SECHSTEN KAPITEL erwähnt, riet die Kaiserliche Botschaft in Konstantinopel, „die bisher bei verschiedenen Schulgründungen in der Türkei übliche Praxis zu befolgen, nämlich das fragliche Institut zunächst ohne Erlaubnis der türkischen Regierung zu eröffnen und die Regelung seines Verhältnisses Zu dieser späteren, türkischerseits anzuregenden Verhandlungen zwischen der Pforte und der Kaiserlichen Botschaft vorzubehalten".

12

Ebda.

^ Im Anschluß an Paul Nathans dritten Palästinabesuch. 1 4 v gl- James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel), 251. 1911, Kopie, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176283-286. 15

V g l . SECHSTES KAPITEL.

156

IX. Das Technikum

in der deutschen

Kulturpolitik

anzuweisen, „sich die Beseitigung der der Weiterführung unseres Unternehmens entgegenstehenden Schwierigkeiten energisch angelegen sein zu lassen".^

Dr. Julius Löytved-Hardegg Die Einsicht in die Bedeutung des Technikums in Haifa für die deutsche Kulturpolitik im Osmanischen Reich läßt sich erst seit 1912 feststellen und muß mit der Tätigkeit des deutschen Vizekonsuls in Haifa, Dr. Julius Löytved-Hardegg, in Verbindung gebracht werden. Es ist durchaus möglich, daß Löytved-Hardegg von der schnell fortschreitenden Bautätigkeit auf dem Technikumsgelände, die eigentlich erst 1912, nach der Grundsteinlegung am 11. April, wirklich begonnen hatte, beeindruckt war und sich die Inbetriebnahme dieser Institution in nächster Zukunft bereits greifbar vorstellte. Obwohl keine Unterlagen dafür vorhanden sind, darf wohl angenommen werden, daß so weitverbreitete Schriften wie die von Hugo Grothe, Paul Rohrbach und Ernst Jäckh, welche die deutsche Kulturpolitik in der Türkei insbesondere nach der jungtürkischen Revolution - zum Thema hatten, 17 auf Männer wie Löytved-Hardegg einen großen Einfluß

^ Vgl. James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel), 25. Januar 1911, Kopie, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176283-286. 17 Nach der jungtürkischen Revolution kam es zu einer neuen Welle von Schriften, welche die deutsche Kulturpolitik in der Türkei zum Thema hatten. Durch die Gründung des „Deutschen Vorderasien-Komitees" wurde die Inangriffnahme und Unterstützung deutscher Kulturarbeit, wie die Gründung von Schulen, Bibliotheken, ärztlichen Stationen und Krankenhäusern, besonders gefördert. Diese Kulturarbeit hatte es sich zur Aufgabe gemacht, vor allem deutsches Ansehen und die deutsche Sprache in der türkischen Öffentlichkeit zur Geltung zu bringen und den deutschen Interessen in der Türkei einen ideellen Überbau zu liefern. Zu den bekanntesten Schriften in jenen Jahren gehörten: Hugo Grothe (Hrsg.), Beiträge zur Kenntnis des Orients. Jahrbücher der Münchener Orientalischen Gesellschaft (bis 1911) und der Deutschen Vorderasiengesellschaft, Bd. 9-15 (die Bände 1-15 erschienen in Halle in den Jahren 1902-1913). Ders., Der Neue Orient. Vorträge und Abhandlungen zur Geographie und Kulturgeschichte der Länder des Orients, Bd. 1-3, Halle 1910-1913. Paul Rohrbach, Deutschland unter den Wehvölkern, Berlin 1903. Von dem Buch erschienen drei weitere, mehr oder weniger veränderte Auflagen in den Jahren 1908, 1911 und 1912. Ders., Der deutsche Gedanke in der Welt, Düsseldorf-Leipzig 1912. Emst Jäckh, Der aufsteigende Halbmond, Berlin 1909. Ders., Unter dem Halbmond (Der aufsteigende Halbmond), Berlin 1911. Ders., Deutschland im Orient nach dem

Dr. Julius Löytved-Hardegg

157

ausübten und sich indirekt auch auf sein Verhalten gegenüber dem Technikum auswirkten. Dr. Julius Löytved-Hardegg war der Sohn eines dänischen Architekten, der in Beirut lebte und an der architektonischen Gestaltung der Deutschen Kolonie in Haifa mitgewirkt hatte. Die nahen Beziehungen zu den Kolonisten führten zur Ehe Löytveds mit einer Tochter von Georg Hardegg, der, wie bekannt, zu den prominentesten Templern in Palästina zählte. Der Sohn aus dieser Ehe, Julius Löytved, amtierte anfangs als Dragoman am deutschen Konsulat in Jerusalem. 1908, nachdem er die württembergische Staatsbürgerschaft erworben hatte, erhielt er die Erlaubnis, „Hardegg", den Mädchennamen seiner Mutter, seinem ursprünglichen Zunamen beizufügen. Es war dies höchstwahrscheinlich ein Ausdruck seiner gefühlsmäßigen Zugehörigkeit zum Deutschtum. Von 1909 an amtierte er, wie erwähnt, in Haifa, zuerst als Beauftragter, von 1912 an als Vizekonsul und von 1914 an mit dem Titel eines deutschen Konsuls.18 Elias Auerbach beschrieb den jungen deutschen Vizekonsul in Haifa als einen eleganten und höflichen Herrn, mit diplomatischen Manieren, aber mit sehr reserviertem Benehmen. Gelegentlich soll bei ihm eine antisemitische Einstellung zum Ausdruck gekommen sein, die auch zu einem offenen Konflikt mit Auerbach führte. 19 Löytved-

Balkankrieg, München 1913. Dieses Buch entstand als Ergebnis einer großen Vortragstour, die Jäckh im Oktober 1912 durch eine Anzahl von deutschen Städten unternahm. 18 Vgl. Dr. Julius Löytved-Hardegg, Personal-Akte, ISA, A IV/7. ^ Der Konflikt zwischen Dr. Elias Auerbach und Dr. Löytved-Hardegg entstand infolge eines Streites zwischen einem jungen deutschen Kolonisten und einem jüdischen Arbeiter, wobei der deutsche Kolonist den jüdischen Arbeiter schwer verprügelte und mißhandelte. Der Arbeiter, der russischer Staatsbürger war, wandte sich an den russischen Konsul in Haifa und wurde von diesem zwecks ärztlicher Untersuchung zu Dr. Auerbach geschickt. Dr. Auerbach attestierte dem Arbeiter wegen der Blutergüsse fünf Tage Arbeitsunfähigkeit, woraufhin der russische Konsul vor dem deutschen Konsulargericht klagte und Untersuchungshaft für den Arbeitgeber beantragte. Kurz darauf erfuhr Dr. Auerbach vom russischen Konsul, daß Löytved-Hardegg jenem erklärt hatte, das Attest Dr. Auerbachs sei für ihn nicht maßgebend, da er, Auerbach, als Jude in dieser Sache Partei ergreifen müsse. Dr. Auerbach stellte LöytvedHardegg zur Rede und forderte ihn auf, sich Zu entschuldigen. Da Löytved-Hardegg anfangs eine Entschuldigung verweigerte, kam es zu einem Konflikt, der in der ganzen Deutschen Kolonie wie auch in ganz Haifa publik wurde. Am Ende entschuldigte sich Löytved-Hardegg, wobei er behauptete, daß es ein Mißverständnis sei, ihn als Antisemiten zu bezeichnen, und daß er die Interessen jüdischer Deutscher mit demselben Eifer wie die der übrigen Deutschen verteidigen würde.

158

IX. Das Technikum in der deutschen

Kulturpolitik

Hardegg, der in Palästina geboren wurde, schien sich manchmal eher wie ein Vertreter der deutschen Gemeinde Palästinas zu verhalten und dabei zu vergessen, daß er als Repräsentant des Deutschen Reiches eine angemessen objektive Haltung an den Tag legen müßte. Es dürfte ihm natürlich infolge seiner persönlichen Erfahrungen leichter gewesen sein, die komplizierten innenpolitischen Beziehungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu verstehen, allerdings mit dem Nachteil, daß ihm dadurch die erforderliche und äußerst wichtige Distanz des Außenstehenden fehlte. Dieser Umstand dürfte auch bei der Beurteilung der Situation im Zusammenhang mit dem Technikum in den entscheidenden Vorkriegsjahren schicksalhaft gewesen sein.

Das Technikum in Haifa und die Förderung der deutschen Sprache Es war jedoch Löytved-Hardegg, der mit Nachdruck auf die Bedeutung des Schulwerks des Hilfsvereins und besonders des Technikums für die deutsche Kulturpolitik aufmerksam machte. In seinen Berichten an den Reichskanzler Bethmann Hollweg20 bemerkte er, daß der Hilfsverein durch seine Schulen in Palästina zur Verbreitung der deutschen Sprache unter den Juden besonders beitrage und daß diese deutsche Sprachgemeinschaft den deutschen Handelsinteressen diene. 21 In bezug auf das Technikum meinte er, daß es „Ähnliches wie das deutsche Technikum Mittweida bieten" werde, 22 und fügte hinzu, daß es im Interesse des Unternehmens läge, „zunächst nur eine

Dr. Auerbach schätzte im allgemeinen die Beweggründe der Templer sehr. Die Verbundenheit mit dem Alten Testament war beiden Seiten gemeinsam. Friedrich Keller, Löytved-Hardeggs Vorgänger in Haifa, soll ihm einmal erklärt haben: „Ihr Juden werdet dieses Land wieder besitzen, davon bin ich fest überzeugt, und die Zeit dafür hat schon begonnen. Deshalb sind wir gekommen, um mit unseren schwachen Kräften das Land für euch vorzubereiten." Erst nachdem die Nachkommen der Templer sich vom Gedankengut der Gründergeneration entfernt hatten, waren sie - so Auerbach für den Antisemitismus und den Nationalsozialismus anfällig geworden. Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . .., S. 244, 285, 321 ff. 20 Die Konsulate unterstanden dem Reichskanzler. 21 Vgl. Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 18. April 1 9 1 2 , A. A. Türkei 1 9 5 , Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 1 7 6 3 3 4 - 3 3 9 . Siehe DOKUMENTENANHANG G . 22

Ebda.

Das Technikum in Haifa

159

Handwerkerschule und später mit dem eintretenden Bedürfnis eine technische Hochschule zu eröffnen". 23 Obwohl er persönlich „das Technikum in erster Linie als ein rein jüdisches Unternehmen" 24 betrachtete, sah er darin auch eine Bedeutung für das Deutschtum, indem es „zur Verbreitung der deutschen Sprache und deutschen Wissenschaft" beitrage. 25 Die größte Bedeutung des Technikums sah er in der Möglichkeit der Verbreitung der deutschen Sprache in Syrien, da wegen des Unterrichts in deutscher Sprache am Technikum in Haifa auch viele nichtjüdische Schulen voraussichtlich dem Deutschunterricht einen größeren Platz einräumen müßten, um ihren Absolventen die Aufnahme in das Technikum zu ermöglichen. 26 Trotz der Rolle, in der Löytved-Hardegg das Technikum sah, griff er aufs schärfste den „Hilfsverein der Deutschen Juden" an, dem er eine pro-zionistische Wirkung in Palästina vorwarf. Bereits in seinem Bericht vom 18. April 1912 an Reichskanzler Bethmann Hollweg bemerkte er, daß „die Grundsteinlegung des unter deutschem Schutze stehenden Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina' 27 von dem Zionisten Dr. Schmarja Levin veranstaltet" worden sei. 2 8 Der deutsche Vizekonsul unterließ es dabei nicht zu bemerken, daß „die Auswahl eines Zionisten zum Festredner und seine in der jüdischen Nationalsprache und im zionistischen Geiste gehaltene Rede" 2 9 für den großen Einfluß der zionistischen Organisation auf das Technikum kennzeichnend seien. Löytved-Hardegg gab zwar zu, daß die Ausgangspunkte des Hilfsvereins und der Zionisten in Palästina verschiedenartig seien, meinte jedoch, daß beide in der Praxis dieselben näheren Ziele anstrebten. „Sie mögen in Deutschland getrennt marschieren" - so Löytved-Hardegg - , „hier aber operieren sie

23

Ebda.

Vgl. Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 10. Juli 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176357-362. Siehe DOKUMENTENANHANG I. 24

25 JS

Ebda.

Vgl. Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 8. August 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176453-457. 2 7 Vgl. Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 18. April 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176334-339. Die Worte „unter deutschem Schutze stehenden" waren im Original unterstrichen. 28 29

Ebda. Ebda.

160

IX. Das Technikum, in der deutschen Kulturpolitik

erforderlichenfalls zusammen."30 Als Beweis für den zionistischen Einfluß auf das Technikum führte er folgendes an: 1. die Bereitstellung eines unkündbaren Darlehens durch den jüdischen Nationalfonds für das Grundstück des Technikums; 2. die Gewährung einer Unterstützung von 2430 Mark durch das zionistische Aktionskomitee; 3. die Mitgliedschaft von vier Zionisten31 im Kuratorium des Technikums in Berlin; 4. die zionistische Zusammensetzung des Haifaer Lokalkomitees für das Technikum, in dem der Direktor der Anglo Palestine Company, Nathan Kaisermann, und der Verfasser der Broschüre Palästina als Judenland, Elias Auerbach, Mitglieder seien; 5. die Geldtransaktionen des Technikums würden nur durch die zionistische Anglo Palestine Company vorgenommen. 32 Zusätzlich wies der deutsche Vizekonsul darauf hin, daß nichtjüdische Deutsche in Haifa geschäftlich enttäuscht seien, weil sie sich nicht am Bau des Technikums beteiligen und verdienen könnten und somit ihrerseits dazu beitrügen, das Technikum als zionistisch hinzustellen. 33 Löytved-Hardegg schloß seinen Bericht vom 10. Juli 1912, indem er bemerkte, daß er die schwierige Stellung Paul Nathans verstehe, „der auf der einen Seite den Verdacht zionistischer Tendenzen abweisen muß, auf der anderen Seite zionistische Geldmittel und Hilfskräfte nicht abweisen kann", 34 und dazu meinte, daß es für ihn schwer sein werde, „aus diesem Dualismus einen Ausweg zu finden". 35 Die Anschuldigungen Löytved-Hardeggs, die er gegen den Hilfsverein richtete, versetzten diesen in eine unangenehme Lage. Vor allem Paul Nathan und James Simon sahen sich einem Druck ausgesetzt, der sie zur Verteidigung zwang, indem sie nun ihre Abgrenzung vom Zionismus unter Beweis stellen mußten. Besonders Paul Nathan hielt

30

Vgl. Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 10. Juli 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176357-362. 31 Eigentlich waren im Kuratorium nur drei Zionisten vertreten. 32 Vgl. Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 10. Juli 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176357-362. 33 Ebda. 34 Ebda. 35 Ebda.

Das Technikum

in Haifa

l6l

es für dringend, das Auswärtige Amt zu ersuchen, den Vizekonsul in Haifa auf den wirklichen Stand der Dinge hinzuweisen: 1. daß „alle Personen von Gewicht im Vorstand des Technikums nicht nur keine Zionisten" seien, sondern „die politischen Aspirationen des Zionismus für undurchführbar und für verfehlt hielten"; 2. daß die großen Sponsoren des Technikums auf demselben Standpunkt wie seine geistige Führung stünden; 3. daß der zionistische Nationalfonds gemäß seinen Statuten einen Betrag von 100 000 Frs. für das Grundstück des Technikums nur als Darlehen gewährt habe; 4. daß Schmarja Levin zum Mitglied des Kuratoriums ernannt wurde, nicht, weil er Zionist war, „sondern weil er sich für die Entwicklung des orientalischen Judentums in hingebungsvoller Weise" engagierte; 5. daß der Unterricht im Hebräischen an den Schulen des Hilfsvereins auf keinen Fall auf zionistische Einwirkung zurückzuführen sei; 36 6. daß „die bezweckte Hebung des Bildungsniveaus der einheimischen jüdischen Bevölkerung am besten durch die Vermittlung deutscher Kultur erreicht werden" könne. 37 Es läßt sich vermuten, wenn auch nicht belegen, daß die Anschuldigungen, die Löytved-Hardegg gegen den Hilfsverein richtete, zu dessen Versteifung in seiner Haltung im Sprachenstreit beigetragen haben.

3 6 Vgl. Paul Nathan an James Simon, 18. Juni 1912, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176343-351. Siehe DOKUMENTENANHANG H. 3 7 Vgl. James Simon an Staatssekretär Zimmermann, 3. Juni 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176418-420. Siehe DOKUMENTENANHANG J.

DRITTER TEIL

Die Krise

ZEHNTES KAPITEL

Vom „Sprachenstreit" zum „Sprachenkrieg"

Die Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule Das Jahr 1913 brachte auf dem Baugelände des Technikums einen großen Fortschritt. Bereits im März 1913, als Schmarja Levin aus Berlin auf seinen Posten nach Haifa zurückgekehrt war, bemerkte er in einem Schreiben an die Leitung des Hilfsvereins in Berlin, welch großen Eindruck dieser Fortschritt auf ihn gemacht habe. 1 Dem Tempo der Bautätigkeit zufolge durfte im Frühjahr 1914 - wie vorgesehen mit dem Beginn des Unterrichts am Technikum und an der Realschule gerechnet werden. Nachdem der Geschäftsführende Ausschuß des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" und der wissenschaftlich-technische Beirat des Instituts die Lehrziele und die Lehrbereiche sowie die Einrichtung und die Ausstattung bestätigt hatten, sollte die Ernennung von Dr.-Ing. Alfons Finkelstein zum Direktor des Technikums die endgültigen Vorbereitungen zur Eröffnung des ersten Studienjahres ermöglichen. Diese Vorbereitungen sollten sich vor allem auf ein detailliertes Lehrprogramm und die Ernennung eines Lehrerkollegiums erstrecken. Schmarja Levin hatte Dr. Alfons Finkelstein noch in Berlin kennengelernt und war von seiner Persönlichkeit sehr positiv beeindruckt.2 Alfons Finkelstein schien sich seiner großen Verantwortung, was die Leitung der neuen Institution betraf, bewußt gewesen zu sein, und Schmarja Levin meinte, daß er der komplizierten Wirklichkeit in Palästina gewachsen sein werde. 3 Nachdem am 1. Januar 1913 seine 1 2 3

Vgl. Sch. Levin an Bernard Kahn, 23. März 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 204. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 21. Januar 1913, in: IScbL, (hebr.), S. 201. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 20. Februar 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 203.

166

X. Vom „Sprachenstreit"zum

„Sprachenkrieg"

Ernennung in Kraft getreten war, erklärte sich Dr. Finkelstein bereit, wenige Tage später nach Haifa zu reisen. Paul Nathan forderte ihn jedoch auf, sich zunächst in Berlin mit den Aufgaben und Problemen des Technikums bekannt zu machen.4 In der verhältnismäßig kurzen Zeit bis zur voraussichtlichen Eröffnung des Technikums wurde die noch unentschiedene und so lange Zeit umgangene Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule äußerst aktuell. In Berlin, vor seiner Rückreise nach Haifa, hatte Schmarja Levin an einer Sitzung bei James Simon teilgenommen, der auch Bernard Kahn und Alfons Finkelstein beigewohnt hatten. 5 Schmarja Levin teilte Achad Haam mit, daß die Art, wie bei dieser Sitzung nur so ganz nebenbei die Frage der Unterrichtssprache erörtert worden war, bei ihm große Bedenken erweckt habe. 6 Nach Ostern reiste Dr. Finkelstein nach Palästina ab. 7 Auf Veranlassung von Achad Haam, der dem neuen Direktor großen Einfluß zuschrieb - viel größeren, als er in Wirklichkeit besaß - , wurde A. Finkelstein von Schmarja Levin nach Jaffa und Jerusalem eingeladen. 8 Dort sollten ihm durch den Besuch von Schulen und Treffen mit Vertretern der zionistischen Öffentlichkeit - also des „Neuen Jischuws" der jüdische Wiederaufbau des Landes sowie die Wiedergeburt und Vitalität der hebräischen Sprache anschaulich gemacht werdend Finkelstein scheint von dem Gesehenen und Erlebten auch beeindruckt gewesen zu sein, obwohl er selbst die hebräische Sprache nicht beherrschte. 10 Er ließ jedoch durchblicken, daß am Technikum Deutsch als Unterrichtssprache vorgesehen war. 11 Im selben Sinne hatte er sich auch zuvor zu Löytved-Hardegg geäußert, 12 der diese Mitteilung seinerseits an den Direktor der Hilfsvereinsschule in Haifa weitergegeben hatte. 13 Da jedoch vom Kuratorium ein Beschluß über die Ebda. Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, Purim 5673 (März 1913), in: ISchL, (hebr.), S. 205. 6 Ebda. 7 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 11. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 8 Vgl. Achad Haam an Sch. Levin, 11. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 9 Ebda. 10 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 1. Juni 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 11 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 11. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 12 Vgl. Konsul Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 9- Mai 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176407-414. Siehe auch: Sch. Levin an Achad Haam, 18. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 13 Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 18. Mai 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. 4

5

Die Frage der Unterrichtssprache am Technikum

\6l

Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule gefaßt werden sollte, bemühte sich Schmarja Levin, sämtliche Partner zu beeinflussen, um eine Entscheidung so weit als möglich zugunsten der hebräischen Sprache zu erreichen. Im Sommer 1913 war er in dieser Hinsicht besonders aktiv, wovon die intensive Korrespondenz jener Monate ein beredtes Zeugnis ablegen könnte. Schmarja Levin war in seinen Forderungen weit radikaler als die beiden anderen zionistischen Kuratoriumsmitglieder. Wahrscheinlich war er, der als einziger von ihnen eine längere Zeit in Palästina verbracht hatte, mehr als die anderen vom militanten Geiste der nationalbewußten zionistischen Öffentlichkeit beeinflußt worden. 14 Achad Haam stimmte in manchem nicht mit ihm überein. 15 Er wies darauf hin, daß auch Schmarja Levin von Anfang an gewußt habe, daß für die wissenschaftlichen und technischen Fächer Deutsch als Unterrichtssprache vorgesehen war. 16 Er selbst, Achad Haam, war der Ansicht, daß diese Fächer auf hohem Niveau in Hebräisch gar nicht gelehrt werden könnten, da passende Lehrer wie auch die nötige Fachterminologie und die erforderlichen Lehrbücher dafür fehlten. 17 Auf jeden Fall, meinte Achad Haam, hätte die Forderung nach Hebräisch als Unterrichtssprache vor der Errichtung des Technikums gestellt werden müssen und nicht am Vorabend des Unterrichtsbeginns.18 Schmarja Levin sah sich anfangs gezwungen, an zwei Fronten zu kämpfen. Auf der einen Seite bemühte er sich, die militanten Kräfte in Palästina von spontanen und vorzeitigen Aktionen zurückzuhalten, 19 auf der anderen Seite bereitete er sich auf die zu erwartende Auseinandersetzung in der Kuratoriumssitzung vor.20 Seine Argumentation für Hebräisch als Unterrichtssprache - wobei allerdings Hebräisch nicht als alleinige Unterrichtssprache gedacht war - hatte er wie folgt formuliert: a. Die hebräische Sprache ist eine der wesentlichen Komponenten im Wiedergeburtsprozeß des jüdischen Volkes in Palästina. 14

Vgl. Achad Haam an Sch. Levin, 19. Juni 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 65. Vgl. Achad Haam an Sch. Levin, 27. Mai 1913, 10. Juni 1913 und 19-Juni 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 54. 16 Ebda. 17 Ebda. 18 Ebda. ^ Vgl. Sch. Levin an Dr. Josef Lurie (wahrscheinlich zwischen dem 20. und 27. Juni), in: ISchL, (hebr.), S. 235 f. 20 Vgl. Sch. Levin an Dr. J. D. Magnes, 24. Siwan 5673, in: ISchL, (hebr.), S. 238 f. 15

X. Vom „Sprachenstreit"zum „Sprachenkrieg"

168

b. Nur durch Hebräisch als Unterrichtssprache wird es möglich sein, den jüdischen Charakter des Technikums zu wahren, da anzunehmen ist, daß auch nichtjüdische Schüler - vor allem Deutsche und Araber - an diesem Institut studieren werden. c. Sollte Deutsch als Unterrichtssprache eingeführt werden, würden die anderen Großmächte darin eine politische Zielsetzung sehen. Hebräisch dagegen könnte als neutrale Sprache gelten. d. Sollte Hebräisch nicht als Unterrichtssprache eingeführt werden, müsse es zwangsläufig zu Unruhen in Palästina kommen, da die militante jüdische Jugend auf die hebräische Sprache nie verzichten werde. 21 Die Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule scheint so entscheidend gewesen zu sein, daß Schmarja Levin ein Technikum mit deutschem Charakter für die Sache der jüdischen Wiedergeburt in Palästina sogar als schädlich betrachtete. Er behauptete, bereits 1912 den Sprachenstreit vorausgeahnt zu haben,22 und bat den amerikanischen Zionisten Jehuda Leib Magnes,23 die jüdische Öffentlichkeit in den Vereinigten Staaten auf die zu erwartenden Unruhen in Palästina aufmerksam zu machen.24 Da die Sitzung des Kuratoriums, welche Anfang Juli 1913 hätte stattfinden sollen, zunächst auf August, später auf September und zuletzt auf den 26. Oktober 1913 verschoben wurde, nutzte Schmarja Levin die noch zur Verfügung stehende Zeit aus, um auf die Kuratoriumsmitglieder einzuwirken. Zunächst versuchte er, die Einwände Achad Haams zu widerlegen. 25 Er meinte, daß Hebräisch durchaus für den Unterricht auch von wissenschaftlich-technischen Fächern am Technikum in Frage käme: erstens, weil diese Lehranstalt nicht als Hochschule gedacht sei und somit nicht allzu große Ansprüche an die Fachterminologie gestellt werden müßten, und zweitens, weil an einem Technikum nicht Professoren den Unterricht erteilen müßten und Lehrer von hohem fachlichen Niveau auch mit Kenntnissen der hebräischen Sprache zu finden seien. Er hielt es sogar für möglich, einen Direktor mit hebräischen Sprachkenntnissen für das

21

Ebda.

22

Ebda.

23

Dr. Jehuda Leib Magnes (1876-1948) war amerikanischer Zionist und erster Prä-

sident der Hebräischen Universität in Jerusalem. 24

Vgl. Sch. Levin an Dr. J. L. Magnes, 24. Siwan 5673, in: ¡Sehl,

25

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 4. Juli 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 247 ff.

(hebr.), S. 238 f.

Etie Beschlüsse des Kuratoriums vom 26. Oktober 1913

169

Technikum zu ernennen, und wies auf Chaim Weizmann in Manchester als passenden Kandidaten für diesen Posten hin. Den Mangel an Fachliteratur empfand er nicht als ein Hindernis, das nur der hebräischen Sprache zuzuschreiben war; mit diesem Mangel hätten sich fast alle kleinen Länder auseinanderzusetzen. Er betrachtete es als äußerst wichtig, der öffentlichen Meinung in Palästina Rechnung zu tragen, und meinte, daß diese sich bereits eindeutig gegen Deutsch als Unterrichtssprache ausgesprochen habe. Außerdem wies er auf das Mißtrauen Großbritanniens gegenüber dem Zionismus hin, den die englische Regierung als Wegbereiter des Deutschtums zu betrachten begonnen habe. 26 Noch während seiner Tätigkeit in Haifa wandte sich Schmarja Levin an das Kuratorium mit der ausführlichen Darlegung seines Standpunkts.27 Nach Berlin zurückgekehrt, versuchte er nochmals, Paul Nathan zu bewegen, seine Anschauungen zu ändern 2 8 Die Aussprache zwischen beiden artete jedoch in einen heftigen Streit aus, wobei Paul Nathan Schmarja Levin des Intrigierens bezichtigte und ihm vorwarf, vergessen zu wollen, was er, Paul Nathan, als Anreger und Urheber des Technikums geleistet habe. 29 Schmarja Levin dürfte seiner eigenen Aussage zufolge ziemlich schroff reagiert haben. 30 Eine Änderung in den Ansichten Paul Nathans trat daraufhin natürlich nicht ein.

Die Beschlüsse des Kuratoriums vom 26. Oktober 1913 und ihre Folgen Am 17. September 1913 fand im Hause von James Simon eine Sitzung statt, die dem Lehrprogramm sowie der Ernennung von Lehrern für das Technikum und die Realschule gewidmet war. An dieser Sitzung nahmen außer James Simon und Paul Nathan auch die Professoren Georg Schlesinger, Wilhelm Franz und Martin Philippson teil

26

Ebda.

Vgl. Sch. Levin an das Kuratorium des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina", 8. Juni 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 222 f. Siehe auch: Sch. Levin an Paul Nathan, 8. Juni 1913, in: IScbL, (hebr.), S. 225 f. 27

28

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 24. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51.

29

Ebda. Ebda.

30

170

X. Vorn „Sprachenstreit"zum

„Sprachenkrieg"

sowie Schmarja Levin, Alfons Finkelstein, Alexander Baerwald und Bernard Kahn. 31 Als Lehrer für das Technikum wurden die Ingenieure Gedalia Wilbuschewitz und Max Hecker in Erwägung gezogen. 32 Der junge Pädagoge Dr. Arthur Biram und Dr. A. Löwenherz kamen für die Realschule in Betracht, der erste als Direktor und der zweite als Lehrer für Mathematik.33 Bemerkenswerterweise waren alle vier als Zionisten bekannt, was die nichtzionistischen Kuratoriumsmitglieder aber nicht hinderte, ihre Kandidaturen vorläufig zu akzeptieren. 34 Die entscheidende Kuratoriumssitzung fand am 26. Oktober 1913 statt. An ihr nahmen in erster Linie die Vertreter des Hilfsvereins, aber auch David Wissotzky, J. Zetlin, Achad Haam, Yechiel Tschlenow, Schmarja Levin und Ludwig Schiff teil. Die amerikanischen Kuratoren waren nicht anwesend. 35 Auf der Tagesordnung stand hauptsächlich der Punkt Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule. Die Auseinandersetzung entbrannte über die Anträge Paul Nathans und Schmarja Levins. Schmarja Levin beantragte erstens, für die Realschule prinzipiell ausschließlich Hebräisch als Unterrichtssprache festzulegen - er meinte, daß an den hebräischen Gymnasien in Jaffa und Jerusalem die hebräische Sprache ihre praktischen Möglichkeiten hinlänglich bewiesen hätte -, und zweitens, am Technikum die prinzipielle Stellung des Hebräischen als Unterrichtssprache dadurch zu gewährleisten, daß von einer noch festzusetzenden Anzahl von obligatorischen Disziplinen einige, aber wenigstens eine in hebräischer Sprache unterrichtet werden sollte. 36 Der Antrag Schmarja Levins wurde von der Mehrheit der anwesenden Kuratoriumsmitglieder abgelehnt. Nur die Zionisten Achad Haam, Yechiel Tschlenow und Schmarja Levin stimmten dafür.37

Vgl. Sch. Levin an Achad Haam, 18. September 1913, (hebr.), TJNHA, Bd. 48-51. Ebda. 33 Ebda. 34 Ebda. 3 5 Vgl. Veröffentlichungen des Acticms-Comites der Zionistischen Organisation zum Sprachenstreit in Palästina, Nr. 2 vom Januar 1914, ZZAJ, Z 3/1575, S. 3. Vgl. Die Unterrichtssprache am Haifaer Technikum. Der Beschluß des Kuratoriums, in: Die Welt, Nr. 44 vom 31. Oktober 1913, S. 1501. Siehe auch Paul Nathan, PaIcistina und palästinensischer Zionismus, Berlin (1914), als Manuskript gedruckt, S. 3 f. 3 7 Vgl. Die Unterrichtssprache. . ., in: Die Welt, Nr. 44 vom 31. Oktober 1913, S. 1501. 31 32

Die Beschlüsse des Kuratoriums

vom 26. Oktober 1913

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Das Kuratorium genehmigte mit einer Mehrheit von 16 Stimmen gegen drei Stimmen das von Paul Nathan vorgelegte Programm zur Lösung der Sprachenfrage, das sowohl für das Technikum als auch für die Realschule gedacht war: 1. Eine offizielle Unterrichtssprache für alle Fächer solle nicht eingeführt werden. 2. Dem jüdischen Charakter des Technikums gemäß sollte das Hebräische die eingehendste Pflege erhalten. 3. Arabisch und Türkisch sollten intensiv unterrichtet werden, um den Schülern enge gesellschaftliche und geschäftliche Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung und den osmanischen Behörden zu ermöglichen. 4. Für die naturwissenschaftlich-technischen Fächer war als Unterrichtssprache Deutsch vorgesehen, was den Anschluß an die moderne wissenschaftliche Entwicklung vermitteln sollte. 5. In den höheren Klassen sollten auch Englisch und Französisch unterrichtet werden, um den Schülern Arbeitsmöglichkeiten in Gebieten zu verschaffen, in denen diese Sprachen vorherrschten. 38 Noch am selben Abend, nach der Sitzung des Kuratoriums, erklärten Achad Haam, Yechiel Tschlenow und Schmarja Levin in einem kurzen Schreiben an das Kuratorium ihren Rücktritt. Sie betrachteten die mehrheitlich gefaßten Beschlüsse über die Unterrichtssprache als unvereinbar mit ihren Anschauungen. 39 Das Engere Aktionskomitee (EAC) der Zionistischen Organisation billigte den Schritt der zionistischen Kuratoriumsmitglieder.40 Die Welt warf dem Hilfsverein vor, in seinem Kommunique die wahren Tatsachen verhüllen zu wollen, 41 und führte als Beweis dafür an, daß selbst der Vermittlungsantrag von

38

Ebda. Ebda. 40 Vgl. Veröffentlichungen des Actions-Comités der Zionistischen Organisation zum Sprachenstreit in Palästina . . ., ZZAJ, Z 3/157541 Vgl. Die Unterrichtssprache. . ., in: Die Welt, Nr. 44 vom 31. Oktober 1913, S. 1501. Im Kommunique des Kuratoriums hieß es: „Im Lehrplan nimmt der hebräische Unterricht gemäß der Entwicklung und Bedeutung der hebräischen Sprache in Palästina einen breiten Raum ein. Das Hebräische wird so eingehend gelehrt, daß die Schüler imstande sein werden, die hebräische Literatur im Urtext Zu studieren und sich der Sprache als Umgangssprache zu bedienen. Auch für die religiöse Unterweisung wird in ausgiebiger Weise gesorgt werden." 39

172

X. Vom „Sprachenstreit" zum

„Sprachenkrieg"

Professor Martin Philippson, an der Realschule außer den rein jüdischen Fächern auch Geschichte und Geographie in der hebräischen Sprache zu unterrichten, vom Hilfsverein abgelehnt worden war. 42 Im Gegensatz zu diesen Behauptungen beschuldigte Paul Nathan die zurückgetretenen Mitglieder des Kuratoriums, die er bloß „Opposition" nannte, 43 der Entstellung des Sachverhalts und der absichtlichen Irreführung. 44 Für die Ablehnung des Antrags von Schmarja Levin seien nur pädagogische Gründe maßgebend gewesen. Von chauvinistisch-germanisierenden Tendenzen - so Paul Nathan - könne nicht die Rede sein, da selbst Schmarja Levin dem deutschen Sprachunterricht jede gewünschte Anzahl von Stunden zuzubilligen bereit gewesen sei. Über den Antrag von Professor Philippson und Ludwig Schiff wurde nicht abgestimmt, da „die Opposition" erklärt hatte, der Annahme dieses Antrages keinen Wert beizumessen. 45 Schmarja Levin verurteilte das Verhalten der amerikanischen Kuratoren in der Sprachenfrage. Zwar waren sie bei der Kuratoriumssitzung nicht anwesend, ihre Sympathien galten jedoch der antizionistischen Seite. Schmarja Levin vermutete, daß dies aus zwei Gründen geschehen war: 1. Paul Nathan hatte die amerikanischen Kuratoren einseitig beeinflußt und die prinzipielle Auseinandersetzung als einen Streit zwischen Männern der Tat und zionistischen Schwätzern dargestellt; 2. Jacob H. Schiff wollte auf keinen Fall mit dem Zionismus identifiziert werden.4^ Trotzdem schickte sich Schmarja Levin an, den amerikanischen Kuratoren ein ausführliches Memorandum zukommen zu lassen, das den zionistischen Standpunkt in der Frage der Unterrichtssprache

42

Ebda. ' Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. . ., S. 5. 44 Ebda. Ebda. Der Antrag von Prof. Philippson und Ludwig Schiff soll in folgender Form gestellt worden sein: „Die Verwaltung des Kuratoriums hat als Richtlinie zu befolgen, daß Weltgeschichte, Heimatkunde und Geographie, Singen, Turnen, Schreiben und Zeichnen gleichfalls in hebräischer Sprache unterrichtet werden, insofern sich dies als im Interesse der Schüler als wünschenswert herausstellt und insofern die geeigneten Lehrkräfte, die hebräisch Zu unterrichten imstande sind, zu beschaffen sind." 46 Vgl. Sch. Levin an Dr. J. L. Magnes, 2. November 1913, in: ISchL, (Hebr.), S. 266 f. 4

Die Beschlüsse des Kuratoriums vom 26. Oktober 1913

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am Technikum und in der Realschule aufs genaueste erläutern sollte. 47 Die zionistische Presse unternahm eine intensive Aufklärungsaktion. Die Welt erklärte, daß für die Juden Palästinas die Wiederbelebung der hebräischen Sprache „ein Gebot der Selbsterhaltung" sei. 4 8 Ohne eigene Sprache, meinte das Blatt, hingen alle Kulturbestrebungen in Palästina völlig in der Luft. Daher ergäbe sich die zwingende Notwendigkeit, die hebräische Sprache in allen Lehranstalten als Unterrichtssprache einzuführen. Das jüdische Volk sei bestrebt, mit allen Kulturnationen Hand in Hand zu gehen, es sei jedoch gezwungen, die „widersinnige Assimilationssucht" abzulehnen. 49 In Palästina dürfe die Pflege des Hebräischen nicht als „exotische Liebhaberei" betrachtet werden, 5 0 sondern als die „Richtschnur für eine vernünftige und idealistische Volkserziehung". 51 Um beide Standpunkte der jüdischen Öffentlichkeit näherzubringen, publizierte Die Welt ein Interview mit Paul Nathan und Schmarja Levin. Der Berliner Korrespondent der New Yorker JeuHsh Daily News, M. T. Seidmann, hatte beiden die gleichen Fragen vorgelegt. 52 Als Antwort auf die Kernfrage könnte folgender Ausspruch Paul Nathans hervorgehoben werden: „Wir brauchen freilich Juden, die fest in unserer Vergangenheit wurzeln, aber wir brauchen auch Juden, die den Ansprüchen des modernen wirtschaftlichen Lebens gewachsen sind, und was das Programm für die Anstalten in Haifa will, ist nichts als beide Ziele zu erreichen, ohne das eine dem anderen zu opfern, und für diesen Standpunkt, glaube ich, wird man Verständnis in der Ebda. Siehe auch: Sch. Levin an Hermann Kahnheim, 3. November 1913, in: ISchL, Chebr.), S. 267, und Sch. Levin an Ch. Weidmann, 5. November 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 271. 4 8 Vgl. Ein Gebot der Selbsterhaltung, in: Die Welt, Nr. 44 vom 31. Oktober 1913, S. 1487 f. ® Ebda. 50 Ebda. 51 Ebda. Außer der Welt nahmen zu den Beschlüssen der Kuratoriumssitzung vom 26. Oktober 1913 auch andere Zionistische Blätter Stellung. Das Frankfurter Israelitische Familienblatt veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel Ein verhängnisvoller Beschluß. In der Hazephirah reagierte der bekannte russische Zionistenführer Nahum Sokolow. Im russischen Rasswjet behandelte A. Davidsohn hauptsächlich die politisch-kulturelle Seite der Angelegenheit. Vgl. Das Echo der Presse, Die Welt, Nr. 46 vom 14. November 1913, S. 1558 ff. 5 2 Vgl. Die Sprachenfrage am Technikum. Ein Interview mit Dr. Nathan und Dr. Levin, in: Die Welt, Nr. 46 vom 14. November 1913, S. 1558 ff. 47

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X. Vom „Sprachenstreit''zum

„Sprachenkrieg"

jüdischen Welt haben." 53 Dazu meinte Schmarja Levin, daß die nach außen hin gezeigte Höflichkeit dem Hebräischen gegenüber nur über die Zurücksetzung und Degradierung der hebräischen Sprache als Unterrichtssprache hinwegtäuschen solle und die Idee der kulturellen Renaissance aufs äußerste beeinträchtigen werde. Er sagte: „Wenn wir diese Idee beseitigen, so entseelen wir unsere Unternehmungen in Palästina und verurteilen sie zu einem kümmerlichen Hinfristen."54 In den jeweiligen Berichten der zionistischen Presse wurde der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß das Kuratorium seinen Beschluß überprüfen und ändern werde. Solche Hoffnungen waren jedoch zu jenem Zeitpunkt völlig unbegründet. Paul Nathan hatte selbst zugegeben, daß, wären nicht prinzipielle pädagogische Erwägungen bei den Beschlüssen des Kuratoriums grundlegend gewesen, man leicht einen Ausgleich mit dem Antrag Schmarja Levins erzielt hätte. 55 Die Debatten bei der Kuratoriumssitzung waren gleich zu Beginn bei der Frage der Unterrichtssprache in der Realschule ins Stocken geraten. Die Unterrichtssprache am Technikum wurde danach gar nicht erst erörtert.56 Achad Haam bemerkte dabei die außergewöhnliche Hartnäckigkeit in der Haltung Paul Nathans.57 Besonders positiv eingeschätzt wurde der Kuratoriumsbeschluß vom deutschen Vizekonsul in Haifa. In seinem Bericht an den Reichskanzler vom 10. November 1913 gab er seiner Erwartung Ausdruck, daß als unmittelbare Folge dieses Beschlusses in den meisten Schulen des Orients die deutsche Sprache in erhöhtem Maße ihren Platz als Fremdsprache einnehmen werde, um ihren Absolventen die Aufnahme ins Haifaer Technikum zu ermöglichen, „das in der Türkei einzig in seiner Art" sein werde. 58 Löytved-Hardegg schloß seinen Bericht mit der Bemerkung, daß ihm aus diesem Grund „der erwähnte Beschluß für die Verbreitung der deutschen Sprache in der Türkei von weittragender Bedeutung zu sein" scheine. 59 Ebda. Ebda. Vgl. P. Nathan, Palästina undpalästinensischerZionismus. . ., S. 5. ^ Vgl. Achad Haam an Schmuel Pevsner, 4. November 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 102 f. 5 7 Vgl. Achad Haam an Schmuel Pevsner, 28. November 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 123. 5 8 Vgl. Konsul Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 10. November 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176462-464. 59 Ebda. 53 54

Der „Sprachenkrieg" in Palästina und sein Ecbo

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Der „Sprachenkrieg" in Palästina und sein Echo in der jüdischen Welt und in Deutschland In Palästina brach ein Sturm der Proteste aus. In Haifa standen die Ereignisse natürlicherweise in engstem Zusammenhang mit den Beschlüssen des Kuratoriums vom 26. Oktober. Am 15. November 1913 fand unter freiem Himmel gegenüber dem Platz des Technikums eine Protestkundgebung statt, die von Dr. Elias Auerbach angeführt wurde. Zu den Rednern zählten Schmuel Pevsner, der Lehrer Bensabath und Ing. Klimker, der die kulturelle Rolle der hebräischen Einheitssprache für Palästina erörterte. Namens der beim Technikumsbau beschäftigten Arbeiter wurde insbesondere Schmarja Levin der Dank für seine Tätigkeit ausgesprochen.^0 In der Protestresolution, die dem Kuratorium zugesandt wurde, hieß es unter anderem, daß in Palästina nur solche jüdischen Schulen Existenzberechtigung hätten, in denen die herrschende Unterrichtssprache Hebräisch sei. Die Resolution sprach den ausgeschiedenen Mitgliedern des Kuratoriums ihr volles Vertrauen aus und bekräftigte die Entschlossenheit der Protestler, mit allen Mitteln die Beschlüsse des Kuratoriums zu bekämpfen. 61 Das „Komitee zur Förderung der hebräischen Erziehung in Haifa", das Vgl. Das Urteil der öffentlichen Meinung, öffentliche Protestkundgebung in Haifa gegen das Kuratorium des Technikums, in: Die Welt, Nr. 48 vom 28. November 1913, S. 1626. ^ A. a. O., S. 1626 f. Der volle Wortlaut der Protestresolution lautete wie folgt: „1. Wir Bewohner Palästinas finden, daß sowohl aus nationalen wie auch aus praktischen Gesichtspunkten im heutigen Palästina nur eine solche jüdische Schule Existenzberechtigung hat, in der die hebräische die herrschende Sprache ist. Denn nur die hebräische Sprache kann die verschiedenen Teile der Judenheit Palästinas vereinigen. 2. Jede europäische Sprache als Schulsprache in einer jüdischen Schule muß hier dieser Schule einen einseitigen politischen Charakter aufprägen, was der Judenheit Palästinas schweren Schaden bringen kann. 3. Der einmütige Widerstand der Juden Palästinas gegen die Beschlüsse des Kuratoriums ist geeignet, den Bestand und die Entwicklung der geplanten Schulen zu gefährden. 4. Die Versammlung spricht den drei ausgeschiedenen Mitgliedern des Kuratoriums ihr volles Vertrauen aus und dankt ihnen für die Vertretung der Interessen der palästinensischen Judenheit. 5. Nach alldem protestieren wir einstimmig und nachdrücklich gegen die Beschlüsse des Kuratoriums und sind entschlossen, mit allen Mitteln gegen sie anzukämpfen. Wir hoffen, daß die Mehrheit des Kuratoriums ihre Beschlüsse einer Revision unterziehen wird." Dieser Protest-Resolution schlössen sich folgende Gremien an: Der Vorstand der aschkenasischen Gemeinde Haifa, Der Vorstand der sephardischen Gemeinde Haifa, Die Dr. Paul Nathan-Loge des U.O.B.B., Haifa, Die Karmel-Loge des Order of Ancient Maccabeans, Haifa, Das Komitee der Mittelschule des Hilfsvereins der Deutschen

176

X. Vom „Sprachenstreit"zum „Sprachenkrieg"

sofort nach Bekanntwerden der Kuratoriumsbeschlüsse gebildet wurde, beschloß als Protestaktion, eine hebräische Mittelschule in Haifa zu gründen. Gegen das Technikum und die Realschule stellten sie die Parole auf: „Dieser Schule keine Schüler."62 Obwohl die Protestkundgebung in Haifa bereits den Beginn einer Boykottbewegung gegen das Technikum und die Realschule erkennen ließ, maß ihr der deutsche Vizekonsul nur wenig Bedeutung bei. In seinem Bericht an Reichskanzler Bethmann Hollweg vom 17. November 1913 meinte er, daß über die Hälfte der 300 Zionisten, die an der Protestversammlung in der Nähe des Technikums teilgenommen hätten, aus Frauen und Kindern bestanden habe. Ferner glaubte er, daß „der jugendliche Dr. Auerbach . . . als einer der wenigen akademisch gebildeten Juden in Haifa" sich zum „Bannerträger des Zionismus berufen" und verpflichtet fühle, „seinem Gesinnungsgenossen und Freund Schmarja Levin beistehen zu müssen". 63 Er fügte hinzu, daß ihm von jüdischen Zuschauern versichert worden sei, daß, wenn die Protestversammlung auf das Kuratorium denselben Eindruck machen werde wie auf diese Zuschauer, dieser Eindruck ein sehr geringer sein würde. 64 Er hielt dieses Verhalten der zionistischen Protestler für kurzsichtig, selbst vom Standpunkt der zionistischen Interessen aus, indem sie „die gegenwärtig weniger wichtige und mit der Zeit sich von selbst entwickelnde hebräische Sprache auf Kosten der Leistungsfähigkeit der jüdischen Erziehung in den Vordergrund" stellten. 65 Er glaubte, daß die Zeit kommen werde, in der „die doktrinären und radikalen Protestler" dem Kuratorium dafür danken werden, daß Juden, Die Haifaer Ortsgruppe der Allgemeinen Palästina-Organisation, Der Haifaer Arbeiter Klub, die Haifaer Ortsgruppen der Arbeiter-Organisationen „Poale-Zion" und „Hapoel-Hazair". 62 A. a. O., S. 1627. ® Vgl. Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskan2ler Bethmann Hollweg, 17. November 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176485-487. Siehe auch: Abschrift in ISA, A111/24. ^ Ebda. Das Verhalten der Juden von Haifa dürfte anfangs vom nationalen Standpunkt aus nicht ganz einwandfrei gewesen sein. Selbst der Berichterstatter der Weh in Jaffa meinte, daß man in den nationalen Kreisen im Zweifel sei, ob die Juden von Haifa nicht „auch einem auf das Niveau des Levantinismus herabgesunkenen Technikum Zujubeln würden". Vgl. Palästina und das Technikum, in: Die Welt, Nr. 47 vom 5. Dezember 1913, S. 1656. 65 Vgl. Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 17. November 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176485-487 und ISA, A111/24.

Der „Sprachenkrieg"

in Palästina

und sein Echo

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es „in kluger Voraussicht der praktischen Bedürfnisse der hiesigen Juden durch den gedachten Beschluß in erster Linie tüchtige Juden und nicht hebräisch sprechende Chauvinisten heranbilden" wolle.66 Die Protestbewegung konzentrierte sich jedoch hauptsächlich auf Jaffa und Jerusalem. Die Bedeutung Jaffas in dieser Hinsicht war deshalb besonders schwerwiegend, weil die Stadt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zum Zentrum der modernen zionistischen Kolonisation Palästinas geworden war. Von Jaffa gingen die Impulse für die ganze Palästinaarbeit aus. Hier befand sich auch die Zentrale des hebräischen Lehrerverbandes (des „Merkas Hamorim"), der mit seinen 150 Mitgliedern die Leitung des Kampfes gegen die Kuratoriumsbeschlüsse und für die hebräische Sprache übernommen hatte. Dieser Kampf drückte sich vor allem in der Verhängung des Boykotts gegen das Technikum und die Realschule in Haifa aus, in der Boykotterklärung gegen jene Lehrer und Beamten, die nicht bereit sein würden, ihre Stellen in den erwähnten Schulen aufzugeben, sowie in der Organisation von Protestversammlungen in allen Städten und Kolonien Palästinas.67 Die Protestversammlungen in Jaffa fanden im Beth-Ha'am,68 in der Synagoge „Kehillath Jakob" und im Garten des Hebräischen Gymnasiums statt. Eine besonders eindrucksvolle Demonstration war das Protestmeeting im Garten des Hebräischen Gymnasiums, das von M. Disengoff, dem ersten Bürgermeister der Stadt Tel Aviv, eröffnet wurde. Im Beth-Ha'am sprachen Dr. Metmann, der Gründer des Hebräischen Gymnasiums, und M. Scheinkin, der zu den prominenten Bürgern der Stadt zählte. In der Synagoge „Kehillath Jakob" sprach der ebenfalls bekannte Zionist Dr. Bogratschow. Von dort begaben sich Demonstranten zu den Schulen des Hilfsvereins und der Alliance, um ihren Forderungen zugunsten der hebräischen Sprache in lauten Rufen Ausdruck zu verleihen.69 Auch in Jerusalem nahmen die Protestversammlungen erhebliche Ausmaße an, trotz der Tatsache, daß sich das Schulwerk des Hilfsvereins wie auch seine Aktivitäten auf humanitärem Gebiet bei einem

66

Ebda. ^ Vgl. Die Beschlüsse des Lehrerverbandes, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5- Dezember 1913, S. 1662. 68 „Beth-Ha'am" bedeutet Volkshaus. 69 Vgl. Palästina und das Technikum, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1658.

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X. Vom „ Sprachenstreit" zum „ Sprachenkrieg "

großen Teil der jüdischen Bevölkerung - von den Zionisten verächtlich „Chalukah-Juden"70 genannt - eine dominierende Stellung erworben hatte. Eine große Protestkundgebung fand im Jerusalemer Beth-Ha'am statt. Hier hielt unter anderem auch Elieser Ben-Jehuda eine Rede, der - wie bekannt - der erste Vorkämpfer der hebräischen Sprache und Verfasser des großen hebräischen Wörterbuches war. Er warf dem Hilfsverein nicht offen eingestandene Beweggründe für sein e Kompromißlosigkeit vor. „Die Herren", sagte er, „scheinen einem fremden Faktor gegenüber die Verpflichtung übernommen zu haben, die deutsche Unterrichtssprache unbedingt einzuführen. Alles spricht dafür, daß sie das Erstgeburtsrecht des Hebräischen verkauft haben wer weiß, für welches Linsengericht und an welchen Esau! . . ,"71 Eine zweite Massenkundgebung fand in Jerusalem eine Woche nach der großen Protestversammlung unter freiem Himmel im Garten des Beth-Ha'am statt. An Teilnehmerzahl übertraf sie noch die erste Protestkundgebung. M. Disengoff verlas eine Reihe von Beschlüssen, welche das „Jaffaer Komitee zur Förderung des hebräischen Erziehungswesens in Palästina" beschlossen hatte.72 Der Hilfsverein reagierte mit Berichten und Kommuniques über Sympathieerklärungen aus Palästina zu seinem Standpunkt. Diese kamen hauptsächlich aus orthodox-religiösen Kreisen und aus dem Handel, die den militanten zionistischen Bestrebungen fernstanden. In dieser Hinsicht tat sich besonders die offizielle Zeitung der Jerusalemer Gemeinden Moriah hervor. Der Geist dieser Berichte ließ sich mit folgenden Worten resümieren: „Israel soll wissen, daß wir alle gegen den zersetzenden Geist, der in unsere Mitte getragen wurde, erregt sind, daß wir, die auf dem Boden der Tradition stehen, den Hilfsverein für sein löbliches Streben segnen."73 Das zweite Kommunique des Hilfsvereins, das auch der zionistischen Presse zuging,74 70 Als „Chalukah-Judentum" wurde der Teil der jüdischen Bevölkerung bezeichnet, der zum „Alten Jischuw" zählte und auf die Verteilung von Spenden zum Lebensunterhalt angewiesen war. 71 Vgl. Großes Protestmeeting in Jerusalem, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1659 f. 72 Vgl. Eine weitere Massenversammlung in Jerusalem, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1661. Vgl. Das Kommunique des Hilfsvereins, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1658. 74 Das erste Kommunique des Hilfsvereins zum Sprachenstreit in Palästina war nur der nichtzionistischen Presse zugänglich gemacht worden.

Der „ Sprachenkrieg " in Paldistina und sein Echo

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verzeichnete ebenfalls die wachsenden Sympathien der deutschen Juden dem Hilfsverein gegenüber, welche in den zahlreichen Beitritten neuer Mitglieder in Deutschland zum Ausdruck kamen. In Berlin allein, hieß es, seien etwa tausend neue Mitglieder registriert worden. 75 In der zweiten Hälfte des Monats November nahm die Protestbewegung an Schwung zu. In Jaffa fand eine Konferenz aller jüdischen Verbände statt. 76 Die Konferenz genehmigte die Maßnahmen des Lehrerverbandes und hielt es für notwendig, eine Streikkasse für die Lehrer ins Leben zu rufen, die infolge der Aufgabe ihrer Stellen an den Schulen des Hilfsvereins ihr Einkommen verlieren würden. Die Konferenz war außerdem der Ansicht, daß der Kampf gegen das Vorgehen des Kuratoriums nicht genüge und eine positive Arbeit erforderlich sei, wie die Gründung einer hebräischen Kulturgesellschaft, welche das gesamte jüdische Erziehungswerk in Palästina leiten sollte. 77 In Jerusalem richteten die Schüler des Lehrerseminars und der Handelsschule eine Denkschrift an die Direktion dieser Anstalten. Darin wandten sie sich gegen Deutsch als Unterrichtssprache und forderten, ihren Schulen einen rein hebräischen Charakter zu verleihen. Sie betonten, daß durch die bestehende Gepflogenheit, wissenschaftliche Fächer in deutscher Sprache vorzutragen, ein Widerstand der Schüler gegen Deutsch überhaupt entstehe, welcher letzten Endes dem Ansehen der deutschen Sprache nur Schaden zufüge. 78 Protestversammlungen fanden in den jüdischen landwirtschaftlichen Kolonien Ekron, Sichron-Jacob, Merchaviah, 79 Ness Ziona, Be'er Tovia, Rischon le Zion und Gedera 80 statt. In der Kolonie Rechowoth

Vgl. Das Kommunique des Hilfsvereins, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1658. Vgl. Die Konferenz der jüdischen Verbände in Jaffa, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. l66l. An der Konferenz nahmen Vertreter folgender Körperschaften teil: Jüdischer Gemeindevorstand von Jaffa, Komitée des jüdischen Stadtviertels Tel Aviv, Palästina-Amt, Büro des Odessaer Palastina-Komitées, Anglo Palestine Company, Leihgenossenschaft, Ärztegesellschaft, Musikverein, Beamtenverein, Hapoel Hazair, Poale Zion, Order of Ancient Maccabeans, Turnverein Makkabi, Organisation der jüdischen Lehrer in Jaffa, Handwerkerzentrale und die Redaktionen der Zeitungen und Zeitschriften Kohelet, Hachinuach, Moledet, Hachaklai und La'am. 11 Ebda. 7 8 Vgl. Die Denkschrift der Schüler des Lehrerseminars in Jerusalem, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1663 f. 7 9 Vgl. Die Welx, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1662. 8 0 Vgl. Die Welt, Nr. 50 vom 12. Dezember 1913, S. 1Ó92 f.

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X. Vom „Sprachenstreit"zum

„Sprachenkrieg"

gestaltete sich die Protestversammlung zu einer Kundgebung mit Delegierten aus allen jüdischen Kolonien.81 In Beirut protestierten die jüdischen Studenten der „Organisation der ottomanisch-jüdischen Studenten" und die jüdische Studentenverbindung „Kadimah" am amerikanischen College.82 Die hebräische Tageszeitung Hazephirah (Nr. 254) berichtete über zahlreiche schriftliche Proteste jüdischer Mittelschüler und Studenten aus Rußland.83 Ein Sympathie-Telegramm sandte das Präsidium des Bundes jüdischer Korporationen in Deutschland an Dr. Lurie, den Leiter des Hebräischen Lehrerverbandes in Palästina.84 Das Präsidium des „Kartells Zionistischer Verbindungen" gab in einem Schreiben an das Kuratorium seiner Enttäuschung über dessen Beschlüsse Ausdruck und erhob dagegen Protest.85 Eine Kundgebung der jüdischen Studierenden am Technikum Mittweida veröffentlichte in der jüdischen Presse eine Protestresolution.86 In Berlin setzte Schmarja Levin seinen Kampf in der Frage der Unterrichtssprache am Technikum fort. An Chaim Weizmann schrieb er, daß er mit Zuversicht auf die Zukunft des Technikums blicke. Der Kampf, meinte er, sei noch nicht zu Ende, sondern stehe erst vor seiner Entfaltung. Ein deutsches Technikum in Haifa habe keine Zukunft, da Schüler mit gutem Niveau ein Studium in Europa vorziehen und national gesinnte es dagegen boykottieren würden.87 In einem Schreiben an M. Karpas in Moskau bezeichnete er die Beschlüsse des Kuratoriums als „nationales Verbrechen".88 Der Standpunkt Achad Haams unterschied sich in einigen Aspekten von den Ansichten Schmarja Levins. Er hielt seine Verbindung zu Paul Nathan auch nach der Kuratoriumssitzung aufrecht und war darauf bedacht, auch weiterhin am Ausbau eines nationalgesinnten, das heißt zionistischen Lehrkörpers am Technikum und in der Realschule mitzuwirken. Sich auf die Ereignisse in Palästina beziehend, glaubte er, daß man dort zu weit gegangen sei. Er widersetzte sich jedweder

m 82 83 84 85 86 87 88

A. a.O.,S. 1690. Vgl. Die Weh, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1662. A. a. O., S. 1663. Ebda. Vgl. Die Welt, Nr. 50 vom 12. Dezember 1913, S. 1693 f. A. a. O., S. 1694. Vgl. Sch. Levin an Ch. Weizmann, 5. November 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 271. Vgl. Sch. Levin an M. Karpas, 26. November 1913, in: ISchL, (hebr.), S. 274.

Der „Sprachenkrieg" in Palästina und sein Echo

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Boykottaktion gegen Schüler wie auch Lehrer. Der Boykott, gegen Lehrer gerichtet, würde zur Bildung eines der nationalen Wiedergeburt fernstehenden Lehrkörpers führen, der Boykott Schülern gegenüber würde sie nur in die Alliance- oder Missionsschulen treiben. Er hielt auch die Idee der Gründung einer anderen Schule in Haifa für verfrüht, da zu erwarten sei, daß der Hilfsverein seine Haltung in der Frage der Unterrichtssprache an der Realschule noch ändern werde. Er hielt Weiterverhandeln und Kompromißbereitschaft für die einzig annehmbare Taktik.89 Angesichts der Lage entschloß sich Paul Nathan, nach Palästina zu reisen. Am 18. November verließ er Berlin.90 Am selben Tag berichtete James Simon Unterstaatssekretär Zimmermann über die Reise Paul Nathans, der voraussichtlich am 28. November in Haifa eintreffen werde. James Simon bat Zimmermann, den Besuch Paul Nathans bei Löytved-Hardegg zu avisieren, um eine Aussprache „über die beiderseits interessierenden Punkte" zu ermöglichen.91 In Alexandrien erhielt Paul Nathan ein Telegramm mit der Mitteilung aus Palästina, daß die Schüler des Lehrerseminars in Jerusalem in den Streik getreten waren und ein Teil der Lehrer und Schüler der Mittelschule des Hilfsvereins in Jaffa unter Führung einiger Lehrer in ein anderes Schulgebäude umgezogen war. Gegen die dem Hilfsverein treu gebliebenen Lehrer sei sogar gewaltsamer Druck ausgeübt worden. Bei diesem Stand der Dinge wurde Paul Nathan empfohlen, die weitere Entwicklung zunächst in Ägypten abzuwarten.92 Er folgte diesem Rat nicht, beschloß jedoch, seinen Plan zu ändern und vorerst nicht nach Haifa zu reisen, sondern über Jaffa auf kürzestem Weg Jerusalem zu erreichen, von w o aus er, wie er glaubte, die Schulangelegenheiten des Hilfsvereins in Palästina am klarsten überblicken konnte.93 Achad Haam ließ deutlich seine Bewunderung für die Charakterstärke und den Mut dieses Mannes durchblicken,94 obwohl er die Hartnäckigkeit Paul Nathans ablehnte.

8 9 Vgl. Achad Haam an Sch. Pevsner, 28. Nobember 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 122 ff. 90

Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. .., S. 12.

Vgl. James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann, 18. November 1913, A. A Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176465. 9 2 Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. .., S. 15. 93 Ebda. 9 4 Vgl. Achad Haam an Schmuel Pevsner, 28. November 1913, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 123. 91

182

X. Vom „Sprachenstreit"zum

„Sprachenkrieg"

Die Lage, welche Paul Nathan in den Schulen des Hilfsvereins in Palästina vorfand, war nicht ermutigend. In Jaffa kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen den streikenden und den dem Hilfsverein treu gebliebenen Lehrern der Knabenschule. Die Fenster des Schulgebäudes wurden eingeschlagen, und es wurde sogar der Versuch gemacht, die gesamte Schule zu sprengen. 95 In Haifa hatte der Leiter der Schule des Hilfsvereins selbständig den Lehrplan geändert. Ein Teil der Lehrerschaft war in den Streik getreten. Eltern wurden von den streikenden Lehrern aufgefordert, ihre Kinder vom Unterricht fernzuhalten.9^ In Jerusalem war noch vor der Ankunft Paul Nathans unter den Schülern des Lehrerseminars ein Streik ausgebrochen. Eine Vertretung der Lehrer überreichte Paul Nathan ein Memorandum, in welchem binnen vier Tagen eine Änderung des Lehrplans des Lehrerseminars im zionistischen Sinne gefordert wurde, sonst würden die Lehrer nach zweimonatigem Unterricht, also mitten im Semester, die Anstalt verlassen. 97 Paul Nathan schien die Entwicklung des letzten Jahrzehnts im jüdischen Palästina nicht richtig wahrgenommen zu haben. Seine Vorstellungen von der jüdischen Bevölkerung, also von den „Glaubensgenossen im Orient", rührten von den ihm stets entgegengebrachten Zeichen der Dankbarkeit für das Werk des Hilfsvereins her 98 und ließen ihn die selbstbewußte und militante Atmosphäre des „Neuen Jischuws" nicht rechtzeitig erkennen. Er faßte einen gewagten und auf jeden Fall keinen weisen politischen Entschluß und suspendierte am nächsten Tag die Lehrer des Lehrerseminars.99 Nach der Suspension der Lehrer nahmen die Unruhen in Jerusalem zu. Schon vorher waren in Schulen Fenster eingeworfen und war von Stinkbomben Gebrauch gemacht worden. Nun fanden vor den Schulen Demonstrationen statt, und in den Klassenzimmern forderten die suspendierten Lehrer ihre Schüler auf, die Schulen zu verlassen. Am 10. Dezember bat Ephraim Cohn über Generalkonsul E. Schmidt um polizeilichen Schutz. E. Schmidt hielt es für notwendig, sich

95

Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. . ., S. 17. Ebda. 97 A. a. O., S. 18. 98 A. a. O., S. 17. 99 A. a. O., S. 18. Paul Nathan verteidigte sich, indem er schrieb: „Bei dieser Sachlage blieb mir kein anderer Ausweg, als die Lehrer sofort 2u suspendieren, und es erfolgte am nächsten Tag die Suspension." 96

Der „Sprachenkrieg" in Palästina und sein Echo

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persönlich in die Schulen zu begeben, um auf den deutschen Schutz für die Anstalten des Hilfsvereins hinzuweisen. In der Mädchenschule kam es zu einem Wortwechsel zwischen der suspendierten Leiterin und dem Generalkonsul. 100 Medschid Schevkat, der Mutassarif von Jerusalem, erließ eine Proklamation, in welcher er die Urheber der Unruhen verwarnte. 101 Über Ephraim Cohn wurden besonders feindselige Gerüchte verbreitet. In einem hieß es, daß er sich hätte taufen lassen, in einem anderen, daß er selbst die Fenster im Lehrerseminar habe einwerfen lassen. 102 Obwohl Edmund Schmidt nach wenigen Tagen berichten konnte, daß in allen Anstalten des Hilfsvereins in Jerusalem der Unterricht wieder aufgenommen werde - wenn auch mit einer begrenzten Schülerzahl 103 - , stand es jedoch fest, daß die Ereignisse in Palästina nicht nur leidenschaftliche Formen angenommen, sondern ihren ursprünglichen Rahmen bereits weit überschritten hatten. Paul Nathan unternahm den Versuch, in Jerusalem persönlich einzugreifen. In den Straßen wurde er daraufhin mehrmals öffentlich angegriffen. Obwohl er sich bedroht fühlen durfte, lehnte er den ihm angebotenen Schutz der türkischen Polizei ab. 1 0 4 In seiner Schrift Palästina und palästinensischer Zionismus, die er auf seiner Rückreise von Palästina nach Deutschland niederschrieb, führte er zahlreiche Fälle von Drohungen gegen Lehrer, Schüler und Eltern an, die den Hilfsvereinsschulen treu zu bleiben versuchten. 105 Paul Nathan beklagte sich über Greuelgerüchte, die über ihn in Umlauf gekommen waren. So wurde ihm vorgeworfen, in Deutschland als einer der eifrigsten Kämpfer gegen das gesetzestreue und überlieferte Judentum bekannt zu sein. Die jüdische Gemeinde Berlins, zu deren Vorstehern Paul Nathan gehörte, wurde beschuldigt, den Text des Gebetes „wegen unserer Sünden sind wir aus unserem Lande vertrieben worden" in entgegengesetztem Sinne verändert zu haben: „Du aber hast uns in

1 0 0 Vgl. Generalkonsul Schmidt (Jerusalem) an Botschafter von Wangenheim (Konstantinopel), 16. Dezember 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176536-543. 1 0 1 Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus . . S. 19. 1 0 2 Vgl. Generalkonsul Schmidt (Jerusalem) an Botschafter v. Wangenheim (Konstantinopel), A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176536-543.

103

Ebda.

104

P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus . . ., S. 20.

105

A. a. O., S. 21 f.

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X, Vom „ Sprachenstreit" zum „ Sprachenkrieg "

Deiner großen Barmherzigkeit unter die Völker und Nationen verstreut." 106 In Jerusalem richtete Elieser Ben Jehuda ein Schreiben an Paul Nathan, in welchem er als Verfasser des Thesaurus totius Hebraitatts seine Meinung äußerte, daß er besser als jeder andere beurteilen könne, ob wissenschaftlicher Unterricht in Hebräisch möglich wäre. Der Mangel an wissenschaftlicher Terminologie sei nur eine Frage der Zeit und würde sich schnellstens beheben lassen. Er fuhr fort: „Das also kann Sie nicht verhindert haben, unsere nationale Sprache zur Unterrichtssprache zu machen; es muß demnach andere und ernstere Gründe geben, weshalb Sie alle sich entschieden weigern, das Hebräische als Unterrichtssprache in Ihren Haifaer Instituten einzuführen, und dies ist die Ursache unserer allgemeinen Bestürzung."107 Die Gewalttaten, die im „Sprachenkrieg" an den Schulen des Hilfsvereins verübt worden waren, veranlaßten den hebräischen Lehrerverband, ein Manifest zu publizieren und sich öffentlich von diesen Drohungen und Handgreiflichkeiten zu distanzieren. Der „Merkas Hamorim" meinte, daß dies Taten einzelner gewesen seien, von denen man nicht einmal wüßte, ob sie dem Lehrerverband überhaupt angehörten. Der „Merkas Hamorim" erklärte dazu, daß nur die Anwendung von Mitteln, die in der Kulturwelt üblich seien, in diesem Kulturkampf berechtigt wäre. Zu diesen Mitteln gehörten seiner Auffassung nach allerdings Protestkundgebungen, die Boykottierung der geplanten Realschule und des Technikums in Haifa sowie derjenigen Lehrer, die sich um die durch Demission ihrer Kollegen

106

A. a. O., S. 29. Vgl. Ben Jehuda an Dr. Nathan. Ein Dokument, in: Die Welt, Nr. 50 vom 12. Dezember 1913, S. 1691. Interessanterweise veröffentlichte Die Welt in ihrer Nummer vom 5. Dezember 1913 einen Artikel des Ingenieurs S. Kaplansky aus Köln a. Rhein, der sich gegen die Einwände Paul Nathans in bezug auf das Hebräische wandte. Kaplansky meinte darin, daß die hebräische Sprache bewundernswert in ihrer Gestaltungsfähigkeit sei und daß die Terminologie, welche sie besitzen werde, „bedeutend reiner und wissenschaftlicher sein werde" als der technische Jargon, den sich manche europäische Sprache in Eile angeeignet habe. Sich auf Lehrbücher und Lehrer beziehend, wies S. Kaplansky darauf hin, daß an den technischen Hochschulen viele Disziplinen gelehrt würden, ohne daß entsprechende Lehrbücher vorhanden seien. Auch sei es möglich, genügend Mathematiker, Physiker und Ingenieure mit hinreichenden Kenntnissen der hebräischen Sprache ausfindig zu machen. Vgl. S. Kaplansky, Technik und Sprache, in: Die Welt, Nr. 49 vom 5. Dezember 1913, S. 1664 f. Schlomo Kaplansky wurde 1931 zum Direktor des Technions ernannt. 107

Der „Sprachenkrieg" in Palcistina und sein Echo

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freigewordenen Stellen bewerben würden. Der Boykott dürfe jedoch nicht durch Gewalttaten oder Nötigung durchgesetzt werden. Als positives Mittel im Kampf müßten hebräische Schulen eröffnet werden. Der „Merkas Hamorim" rief zu Geldsammlungen für solche Schulen auf. 108 Die zionistische Bewegung schloß sich diesem Aufruf an. 109 Es schien, als würde der junge jüdische Jischuw in Palästina die zionistische Weltbewegung hinter sich herziehen und nicht umgekehrt. Paul Nathan seinerseits gab der Meinung Ausdruck, daß es die Extremisten in Palästina waren und nicht das Zionistische Aktionskomitee, die als Urheber des Kampfes gegen den Hilfsverein bezeichnet werden müßten. Diese extremistischen und militanten Kräfte konzentrierten sich vorwiegend um den hebräischen Lehrerverband und waren besonders im Lehrerkollegium des hebräischen Gymnasiums in Jaffa stark vertreten. Paul Nathan meinte, daß sich die zionistischen Führer in Berlin schwach gezeigt hätten und infolgedessen den Sprachenkrieg als ein Ringen um hohe jüdische Ideale darstellten.110 Er wies darauf hin, daß der Fanatismus innerhalb des jüdischen Jischuws in Palästina auch in der Beziehung „jener exaltierten" Elemente zu den Moslems und Christen des Landes seinen Ausdruck gefunden habe. 111 Über die Ereignisse in Palästina berichtete das offiziöse Wolffsche Telegraphenbüro in Berlin, das sonst jüdische Angelegenheiten aller jüdischen Gruppen gleichmäßig zu ignorieren pflegte, in einem ziemlich aufgeregten Ton, wobei Ausdrücke wie „zionistische Agitatoren" und „drohende Haltung einer lärmenden Menge" gebraucht wurden. Die Form und der Inhalt der Berichte aus Palästina wie auch die

1 0 8 Vgl. Der nationale Kulturkampf, in: Die Welt, Nr. 52 vom 25. Dezember 1913, S. 1755. 1 0 9 Vgl. Die Welt, Nr. 51 vom 19- Dezember 1913, S. 1719 ff. Der Aufruf des Aktions-Komitees der Zionistischen Organisation, der von Warburg, Tschlenow, Hantke, Jacobson, Levin und Sokolow unterzeichnet war, sprach vom „Angriff auf die hebräische Sprache in Palästina" und forderte die Juden auf, ein hebräisches Schulwerk zu errichten, um der Jugend „sichere Stätten hebräischer Erziehung zu schaffen". 1 1 0 Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus. . ., S. 55. 111 A. a. O., S. 57 ff. Paul Nathan meinte, daß man in den zionistischen Zentralinstanzen bereits wisse, wie sehr sich die Beziehungen der Juden zum mohammedanischen Arabertum verschlechtert hätten. Auch zu den Christen hätten sich die Beziehungen der Juden ungünstig verändert, und verschiedene vorurteilslose, angesehene und alteingesessene Christen, die es mit dem Judentum gut und ehrlich meinten, hätten darüber geklagt.

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X. Vorn „Sprachenstreit"zum „Sprachenkrieg"

Tatsache ihrer Verbreitung durch ein deutsches offiziöses Telegraphenbüro dürfte eine gewisse Besorgnis bei den Zionisten Deutschlands hervorgerufen haben. 112 Natürlich waren neue Anschuldigungen gegen den Hilfsverein zu hören. 113 Protestkundgebungen gegen dessen Aktivitäten und für die hebräische Sprache wurden in den landwirtschaftlichen Kolonien fortgesetzt.114 In Basel protestierten die Mitglieder des Studentenvereins „Hechawer".115 Auch der „Cercle des Etudiants Juifs" in Nancy befaßte sich in einer Generalversammlung mit den Angelegenheiten der künftigen Unterrichtssprache am Haifaer Technikum und legte Protest gegen die Beschlüsse des Kuratoriums ein.116 Die Protestresolution des „Vereins der jüdisch-ottomanischen Studenten in Konstantinopel" wurde von David Ben Gurion als Vorsitzendem und I. Ben Zwi als Sekretär unterzeichnet. 117 In deutschen Kreisen in Palästina löste der Sprachenkrieg Bestürzung aus. Er berührte die politischen Interessen Deutschlands im Orient und konnte mit der Zeit auch seine wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigen. Da die Entwicklung Palästinas im letzten Jahrzehnt sehr schnell verlaufen war, scheint es nicht sehr einfach gewesen zu sein, die Verschiebungen des Kräfteverhältnisses innerhalb der jüdischen Bevölkerung richtig einzuschätzen. Dies gelang jedoch Dr. Wilhelm Brode, dem deutschen Vizekonsul in Jaffa, der dank seiner engen Beziehungen zu jüdischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens einen guten Einblick in die politische Lage gewonnen hatte. In seinem Bericht an Reichskanzler Bethmann Hollweg vom 24. November 1913118 wies Wilhelm Brode auf die Ursachen hin, warum gerade in Jaffa, der „Zentrale des neuen jüdischen Lebens" und der „Hochburg der zionistischen Tendenzen", die Protestaktionen gegen die Beschlüsse des Kuratoriums ihren Anfang genommen hatten, 119

112

Vgl. Die Welt, Nr. 51 vom 19. Dezember 1913, S. 1722 f. A. a. O, S. 1723. 114 A. a. O., S. 1725 f. 115 A. a. O., S. 1726. 116 A. a. O., S. 1723. 117 Vgl. Kundgebung der jüdischen Hochschüler in Konstantinopel, in: Die Welt, Nr. 51 vom 19- Dezember 1913, S. 1723. Ben Gurion wurde der erste Ministerpräsident des Staates Israel und Ben-Zwi der zweite Staatspräsident. 118 Vgl. Konsul Brode (Jaffa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 24. November 1913, A. A. Türkei, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176478-484. 119 Ebda. 113

Der „Sprachenkrieg" in PaUistina und sein Echo

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um kurz darauf über ihr eigenes Ziel hinauszuschießen, indem allen Schulen des Hilfsvereins in Palästina der Krieg erklärt wurde. 120 Die Ereignisse in Palästina, meinte Dr. Brode, seien „symptomatisch für den radikalen Geist des Jungjudentums", dessen Anhänger, aus Rußland stammend, „teilweise schon in ihrer alten Heimat die Träger umstürzlerischer Ideen" gewesen waren. 121 In bezug auf die deutschen Interessen im Orient ließ Wilhelm Brode durchblicken, daß die Entscheidung in der Sprachenfrage seiner Meinung nach unklug gewesen sei. In seinem Bericht an die Botschaft in Konstantinopel vom 14. Mai 1913 wie auch in den Berichten an das Auswärtige Amt vom 5. Juni 1913 und vom 3. Juli 1913 hatte er seine Ansicht deutlich zum Ausdruck gebracht, daß nämlich „das Hebräische hierzulande ein Faktor geworden" war, „den man nicht zu niedrig anschlagen durfte". 122 Die Forderung, die hebräische Sprache als Unterrichtssprache am Technikum einzuführen, mußte - so Brode als Utopie betrachtet werden, „aber hinsichtlich der Vorschule 123 hätte man der nationalistischen Strömung klugerweise wohl mehr Konzessionen machen können", ohne dabei das deutsche Interesse am Unternehmen zu gefährden. 124 Dr. Brode ließ dabei seine Einstellung zu den in Palästina lebenden deutschen Zionisten erkennen, die sich vor allem als Juden fühlten, wofür ihre Auswanderung aus Deutschland nach Palästina bereits den Beweis dargestellt hatte. Er glaubte, daß man ihnen in Deutschland dankbar sein müsse, wenn sie ihre Anhänglichkeit an ihre frühere Heimat durch die Erhaltung und Förderung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser bekundeten. Er, Brode, hätte alles unternommen, um nicht den Eindruck zu

120 Ebda. Wilhelm Brode erwähnte dabei die „leidenschaftliche Form" dieses Krieges, die „dem jüdischen Volkscharakter" entsprach. 121 Ebda. Daß „die Pädagogen sich im Umgang mit ihren Zöglingen solcher Mittel wie Streik und Boykott" bedienten, erschien W. Brode „besonders bedenklich", da der dadurch entstandene „Geist der Unduldsamkeit und Autoritätslosigkeit. . . sich gegebenenfalls auch gegen sie selbst richten" ließe. 122 Ebda. W. Brode fügte hinzu: „Die Pflege und Wiederbelebung der alten Volkssprache ist für die Zionisten das höchste Ideal und wird von ihnen mit Recht als Grundbedingung ihrer völkischen Renaissance angesehen."

Gemeint ist natürlich die Mittelschule und die ihr angeschlossenen Realklassen, also die Realschule. 1 2 4 Vgl. Konsul Brode (Jaffa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 24. November 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176478-484.

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X. Vom „ Sprachenstreit" zum „ Sprachenkrieg "

erwecken, als gedenke er, die deutschen Juden in Palästina „als Vorspann für deutsche Sonderinteressen zu gebrauchen . . ," 1 2 5 Auf diese Weise - meinte Brode - habe er sich das Vertrauen der Zionisten erhalten können. 126 Für die Zukunft befürwortete er folgende Taktik: Einerseits müßte sich der Hilfsverein an seine Prinzipien halten und dafür sorgen, daß das Kuratorium in seiner Entscheidung fest bleibe, unabhängig von der Frage, ob die Entscheidung bezüglich der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule politisch klug gewesen war, andererseits sollte das Kuratorium nach dem Abflauen der Erregung, wann es dies für angebracht halte, in bezug auf die Realschule freiwillig einige Konzessionen machen. 127 Wilhelm Brode hatte die Ereignisse in Palästina bis zu diesem Zeitpunkt nicht allzu tragisch genommen. Den Sprachenkrieg hatte er weniger als einen Kampf gegen das Deutschtum, sondern eher als einen Kampf gegen das „Nichthebräische" betrachtet, wobei er gelegentlich in Gesprächen zu erkennen gegeben hatte, daß er „die Bewegung als eine mit jüdischer Leidenschaftlichkeit inszenierte Kinderei ansehe". 128 „Sollten sich im weiteren Verlauf" - so Brode - „politische oder wirtschaftliche Schädigungen für das Deutschtum ergeben, so würde in Erwägung zu ziehen sein, den Zionisten das Handwerk dadurch zu legen, daß die Aufmerksamkeit der türkischen Regierung auf diesen sich allmählich in Palästina bildenden Sonderstaat hinzulenken ist, dessen Angehörige sich zwar in ihren Reden gern als getreue ottomanische Bürger hinstellen, in Wahrheit aber sich als

125

Ebda. „Nichts war ungeschickter" - schrieb Brode - „als die immer wieder in der Presse auftauchenden, auf einen im Frühjahr dieses Jahres von Professor Hartmann in der Frankfurter Zeitung veröffentlichten Reisebrief zurückgreifenden Notizen, daß das Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina' eine Art Propaganda-Anstalt für das Deutschtum sein würde. Dadurch mußte man den Widerspruch derjenigen Zionisten, die nicht deutsch sind (d. h. die überwiegende Mehrzahl) erregen, und man brachte die deutschen Zionisten in eine schiefe Lage, indem man sie bei ihren Stammesgenossen als Handlanger einer fremden Macht verdächtigte." Ebda. W. Brode schätzte insbesondere den Rechtsanwalt Dr. Arthur Ruppin, der der Gründer und erster Leiter des Palästinaamtes war und den er als sehr einflußreich und hochintelligent bezeichnete. Er hob das Vertrauen hervor, das ihm sogar während des Sprachenkriegs bekundet wurde, als der stellvertretende Vorsitzende des Palästinaamtes, Dr. Thon, ihn aus eigener Initiative aufsuchte, um ihm über die Lage im Sprachenkrieg Auskunft zu geben. 127 Ebda. 128 Ebda.

Der „Sprachenkrieg"

in Paleistina und sein Echo

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unabhängige Herren des Landes zu fühlen beginnen." 129 Wilhelm Brode ließ durchblicken, daß es mit Hilfe der russischen Diplomatie möglich wäre, das Mißtrauen der Hohen Pforte gegen den Zionismus zu erregen, wobei „das sicherste Mittel, die Hetzereien zum Schweigen zu bringen, eine zeitweise Schließung des hebräischen Gymnasiums" sei.130 Die Besorgnis über das Verhalten der deutschen Regierungskreise dem Zionismus gegenüber als Folge des Sprachenkriegs veranlaßte wahrscheinlich Dr. Bodenheimer, sich an Unterstaatssekretär Zimmermann zu wenden. 131 Dr. Bodenheimer meinte dabei, daß er als Vorsitzender des Direktoriums des Jüdischen Nationalfonds berechtigt gewesen sei, sich in die Frage der Unterrichtssprache am Technikum und in der Realschule einzumischen, da der Nationalfonds durch eine Spende von 80 000 Mark für den Erwerb des Grund und Bodens, auf dem das Technikum errichtet werde, an dieser Schulgründung beteiligt gewesen sei.132 Dr. Bodenheimer hob von neuem hervor, 133 daß durch die Einwanderung der Juden Osteuropas und ihre Seßhaftmachung in jüdischen Kolonien nicht nur ein Kulturfaktor im Orient geschaffen werde, sondern auch, daß diese Kolonien Stützpunkte des deutschen Handels und Gewerbefleißes werden könnten. Die deutschen Juden würden natürlicherweise infolge ihrer besseren Schulbildung als Ärzte, Lehrer, Techniker und Verwaltungsbeamte zu einem maßgebenden Einfluß in Palästina gelangen.134 Ferner meinte Bodenheimer, daß die Wiederbelebung der hebräischen Sprache und ihre Entwicklung zur Umgangssprache in Palästina keineswegs den Einfluß des deutschen Elementes beeinträchtigen würde. Für das deutsche Prestige sei es besonders erforderlich - setzte Bodenheimer hinzu -, wenn die jüdische Bevölkerung Palästinas den

12

9 Ebda. Ebda. 131 y g j £)r Bodenheimer an Unterstaatssekretär Zimmermann, 12. Dezember 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K 176505-519- Dr. Bodenheimer verfaßte sein Memorandum, nachdem er am 25. November 1913 von Unterstaatssekretär Zimmermann Zu einem Gespräch empfangen worden war. 132 Ebda. Ebda. Dr. Bodenheimer bezog sich auf die Denkschrift, welche er im Jahre 1902 dem Staatssekretär des Auswärtigen Amtes im Auftrage des Präsidenten des damaligen Aktionskomitees der zionistischen Organisation, Dr. Theodor Herzl, überreicht hatte. 134 Ebda. 130

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X. Vom „Sprachenstreit"zum „Sprachenkrieg"

Eindruck gewinnen könnte, daß Deutschland ein Freund und kein Feind des Hebräischen als Umgangssprache sei. „Im Augenblick, wo das geschieht, werden wir mit noch weit größerem Nachdruck als bisher das Vordringen der französischen und englischen Sprache in den wenigen Schulen, wo dieselben noch gebraucht werden, bekämpfen können." 1 3 5 Um den Konflikt in Haifa zu lösen, schlug Bodenheimer vor, für die Realschule die hebräische Sprache als Unterrichtssprache zu bestimmen, während für das Technikum einstweilen die deutsche Sprache als Unterrichtssprache dienen sollte, bis sich für den Unterricht in Hebräisch die geeigneten Lehrkräfte finden würden. In beiden Schulen sollte jedoch die deutsche Sprache die bevorzugte Fremdsprache sein. 136 Am 18. Dezember 1913 traf Dr. Paul Nathan in Haifa ein. Am selben Tag schloß sich die Mittelschule des Hilfsvereins in Haifa der Streikbewegung an. Die Lehrer und die Schüler sollten in eine neue hebräische Mittelschule übergehen, welche mit Hilfe der neuen Fonds des hebräischen Schulwerks gegründet werden sollte. Paul Nathan nahm die Kündigung der Lehrer an und beauftragte Dr. Finkelstein, die Schule des Hilfsvereins in die Realschule zu integrieren und sofort im Neubau der Realschule auf dem Technikumsgelände zu eröffnen. Irgendwelche Ausschreitungen hatte es in Haifa nicht gegeben. 1 3 7 Aus den Besprechungen mit Paul Nathan gewann Löytved-Hardegg den Eindruck, daß der Hilfsverein entschlossen war, für die Durchführung des Kuratoriumsbeschlusses vom 26. Oktober 1913 einzutreten. 138 Löytved-Hardegg war der Meinung, daß es im Interesse des

135 Ebda. Bei dieser Gelegenheit bekundete Bodenheimer die Treue der deutschen Zionisten dem deutschen Vaterland gegenüber. Er schrieb: „Es ist selbstverständlich, daß wir kein Unternehmen unterstützen werden, welches gegen das Interesse des Deutschen Reiches gerichtet ist." Ebda. Bodenheimer erhoffte sich eine Beeinflussung des Hilfsvereins durch das Auswärtige Amt. Er schrieb: „Darum glaube ich auch durch Aufklärung der maßgebenden Faktoren im Auswärtigen Amt dahin wirken zu können, diejenigen Führer des HUfsvereins der deutschen Juden, die in mangelnder Kenntnis der wirklichen Bedürfnisse des Landes den in Rede stehenden Beschluß durchgesetzt haben, zu einer Berücksichtigung der Forderungen der petitionierenden Vereine und Gemeinden zu veranlassen."

Vgl. Konsul Dr. Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 29. 12. 1913, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 4, K 176605-616. 138 Ebda. Paul Nathan hatte ironisch Zu Löytved-Hardegg gesagt: „. . . das ginge doch nicht, daß er und seine Freunde ihr Geld, ihre Arbeitskraft und ihren Einfluß für 137

Der „Sprachenkrieg" in Palcistina und sein Echo

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Hilfsvereins und des Kuratoriums liege, an der Sprachresolution zunächst festzuhalten, da sie sonst ihre Unabhängigkeit aufs Spiel setzen würden. Er ließ dabei durchblicken, daß er bezweifle, ob diese Sprachresolution auf die Dauer erfolgreich aufrechtzuerhalten sei. 139 Im Gegensatz zu Wilhelm Brode war Löytved-Hardegg von der Möglichkeit der Beeinträchtigung deutscher Interessen, politischer wie wirtschaftlicher, keineswegs beunruhigt. Im Gegenteil. Er fand, daß der Sprachenkrieg den im deutschen Interesse liegenden Vorteil gebracht habe, den Hilfsverein und das Kuratorium von den Zionisten zu trennen.140 Andererseits riet er, die Beziehungen zu ihnen nicht abzubrechen. Er hielt es für ratsam, die Möglichkeit offen zu lassen, „die nicht unbedeutende und entwicklungsfähige zionistische

die hiesigen Anstalten opfern und andere über sie ohne weiteres verfügen. Er sei kein besonderer Freund einer solchen Arbeitsteilung." 139 Ebda. 140 Ebda. Löytved-Hardegg schrieb: „Der gegenwärtige Zeitpunkt scheint mir zur Austragung des Konfliktes für den Hilfsverein nicht ungünstig zu sein. Wenn die Auseinandersetzung früher, d. h. vor der Errichtung des nunmehr beinahe fertig gestellten Technikums erfolgt wäre, hätte die Gefahr bestanden, daß die für diesen Bau notwendigen Beträge . . . nicht so leicht eingegangen wären . . . und wenn die Auseinandersetzung später erfolgt wäre, d. h. nachdem das Technikum in Betrieb gewesen, die hebräische Unterrichtssprache in der Mittelschule des Technikums eingeführt und wie beabsichtigt - der gegenwärtige Hauptführer der Gegenpartei, der Zionist Dr. Schmarja Levin, als jüdischer Erzieher' am Technikum tätig gewesen wäre, dann wäre der Same beständiger Parteikämpfe unter Schülern und Lehrern im Technikum gestreut worden. Es wäre dann, um auch die höhere Schule zu erobern, von den Zionisten im Technikum ein Streik, wie jetzt in den Schulen des Hilfsvereins inszeniert worden, nur wäre voraussichtlich der Ausgang dieses Streikes - nachdem die Zionisten schon festen Fuß in der Mittelschule des Technikums gefaßt hätten - für diese wahrscheinlich erfolgreicher gewesen. Die voraussichtliche Folge wäre gewesen, daß die deutsche Sprache als Unterrichtssprache in der höheren Schule des Technikums bald verdrängt und als .Lehrfach' in der Mittelschule des Technikums und in allen Anstalten des Hilfsvereins wesentlich beschränkt worden wäre. Die weitere Folge wäre gewesen, daß die Nichtjuden, da sie kein Interesse an der Erlernung der hebräischen Sprache haben, von dem Technikum - dieser einzigartigen Anstalt in der Türkei - sozusagen ausgeschlossen worden wären. Das hiesige Werbungsgebiet für die deutsche Sprache wäre wesentlich beeinträchtigt worden, während gegenwärtig die Aussicht vorhanden ist, wenn der Hilfsverein und das Kuratorium an ihrem gegenwärtigen Standpunkt festhalten und mit Geschick weiter vorgehen, daß das unter den hiesigen Juden durch die deutsche Sprachgemeinschaft zugängliche Werbungsgebiet erweitert und unter den nichtjüdischen Eingeborenen des Landes durch die Eintrittsmöglichkeit in das Technikum Propaganda für die deutsche Sprache gemacht wird."

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X. Vom „Sprachenstreit"zum „Sprachenkrieg"

Bewegung" in bezug auf die deutsche Sprache zu beeinflussen.141 Ende Dezember 1913 verließ Paul Nathan Palästina, um nach Berlin zurückzukehren. Am 4. Januar 1914 fand im Hilfsverein unter Vorsitz von James Simon eine Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses statt, auf welcher Paul Nathan über seine Reise Bericht erstattete.142 Am 16. Januar erschien die Schrift Paul Nathans Palästina und palästinensischer Zionismus}^ die zu einer Veröffentlichung einer Zusammenfassung von Artikeln zionistischer Persönlichkeiten als Gegenschrift führte.144 Die Sprachdiskussion griff auch auf die nichtjüdische Presse über und versetzte die deutschen Zionisten in nicht geringe Verlegenheit.145 Nachdem Paul Nathan zur Überzeugung

141 142

Ebda. Vgl. Bericht des Hilfsvereins der Deutschen Juden, 5. Januar 1914, ZZAJ, Z 3/

1582. Vgl. P. Nathan, Palästina und palästinensischer Zionismus . . ., Berlin (1914). Vgl. Die Welt, Nr. 5 vom 30. Januar 1914, in der die folgenden Artikel abgedruckt wurden: Der Tatbestand, S. 107 f.; Schmarja Levin, Pro Domo, S. 110 f.; Eine Erklärung David Yellins, S. 115 f-; Max Nordaus Stellungnahme. Ein Briefwechsel mit Nah um Sokolow. 1 4 5 Hier sollen einige Auszüge aus der deutschen nichtjüdischen Presse zum Sprachenkrieg in Palästina angeführt werden. Am 5. November 1913 schrieb der Osmanische Lloyd in Konstantinopel in seiner Nr. 62: „Die ausschließliche Einführung der hebräischen Sprache in die Schulen Palästinas scheint uns eher eine Gefahr und eine Schädigung für das Judentum zu bedeuten als einen Nutzen. Das Judentum ahmt damit die kleinen Nationen Europas nach, die man besonders in der slavischen Kulturgemeinschaft antrifft, und die eifrig damit beschäftigt sind, chinesische Mauern um ihre Volksgemeinschaft zu errichten, und diese von der großen Kulturgemeinschaft immer mehr abschneiden." Ferner: „Wenn mit Hilfe der deutschen Sprache tüchtige und mit der modernen wissenschaftlichen Literatur vertraute Techniker vorbereitet werden, die keine Schwierigkeiten finden, wenn sie Zur europäischen und deutschen Technik Fühlung nehmen, so ist das doch alles, was die Herren wünschen können. Dadurch ist der jüdischen Nation ein größerer Dienst erwiesen als durch die Heranbildung von Technikern, die in erster Linie auf ihre Leistungen im Hebräischen stolz sein dürfen, aber von der europäischen Kulturwelt mehr oder weniger getrennt sind." Vgl. ZZAJ, Z 3/1582. 143 144

Am 18. Dezember 1913 veröffentlichte der Berliner Lokalanzeiger ein Telegramm aus Jerusalem, in welchem hervorgehoben wurde, daß die Schulen des Hilfsvereins „seit einiger Zeit unter den Angriffen gewisser zionistischer Elemente" Zu leiden hatten. Vgl. Die Welt, Nr. 1 vom 2. Januar 1914, S. 6. Am 28. Dezember 1913 brachte die Vossische Zeitung eine Korrespondenz aus Jerusalem, daß die mohammedanischen Notabein in Haifa „das Eingreifen des Unterrichtsministers gegen die (von den Zionisten angestrebte) Hebräisierung des jüdischen Technikums und die daraus folgende Ausschließung der nichtjüdischen Eingeborenen

Der „Sprachenkrieg" in Palcistina und sein Echo

193

gelangt war, daß der Sprachenkrieg in Palästina im Abflauen begriffen sei und das Schulwerk des Hilfsvereins allmählich wieder normale

erbaten. Die Notabein erklären, das Technikum sei von einzigartigem Wert für die gesamte Bevölkerung." Vgl. Die Welt, Nr. 1 vom 2. Januar 1914, S. 6. Am 5- Januar 1914 schrieb die Kölnische Zeitung in einem Bericht aus Jerusalem zum Sprachenkrieg in Palästina: „Ohne auf eine Kritik der angewandten Mittel einzugehen, sei nur die Tatsache betont, daß sich im Zionistischen Lager slavische Einsprüche geltend machen. Es ist bekannt, daß die russischen Konsuln den Zionisten ihre Förderung angedeihen lassen, um, wie es der ganzen russischen Politik in der Türkei entspricht, möglichst viel separatistische Volkselemente zu schaffen. Auch diesmal nutzen die Konsuln die Gelegenheit aus, um gegen Deutschland Zu arbeiten." Vgl. Die Welt, Nr. 2 vom 9- Januar 1914, S. 38. Im Berliner Tag schrieb Fritz Lorch am 6. Januar 1914: „Über Nacht ist in Palästina ein Kampf um die deutsche Sprache ausgebrochen, der sich in dutzenden Protestversammlungen, Straßendemonstrationen und schließlich auch im Einschreiten der deutschen Konsuln geäußert hat." „Vor etwa 1 1/2 Jahren habe ich in diesen Blättern auf die Bedeutung der deutschen Sprache für den kleinen Küstenstrich am Ostrande des Mittelmeers hingewiesen. In der Tat ist Palästina heute das einzige Land außerhalb Europas, in dem das Deutsche auf dem besten Weg ist, die fremde Kultursprache der Bevölkerung zu werden." Und ferner: „Deutschland hat ja den einzigartigen Vorzug keine zweite Nation kann sich dessen rühmen - , in den Kolonien der Templer abgeschlossene Siedlungen und Sprachinseln zu besitzen . . . Weitaus am verbreitetsten ist aber die deutsche Sprache unter den Juden, die seit Anfang der 80er Jahre eingewandert sind, und deren Zahl heute 100 000 übersteigt. Für die Erhaltung der deutschen Sprache unter diesen Juden hat sich der , Hilfsverein deutscher Juden', der in Berlin seinen Sitz hat, große Verdienste erworben." In bezug auf den Sprachenkrieg schrieb er: „Wenn der Hilfsverein standhaft bleibt, wird das Deutschtum in dem Technikum, das bestimmt ist, zusammen mit den Vorschulen 600 Schüler aufzunehmen, über eine Anstalt verfügen, die ihresgleichen sucht im Orient. Unterliegt er, so geht nicht nur für die deutsche Industrie und den deutschen Handel eine schöne Zukunftshoffnung verloren, sondern es wird auch der sprachliche Zusammenhang zwischen dem Deutschtum und den heute noch Deutsch sprechenden Tausenden Juden Zerstört." Vgl. Der Tag, Berlin, Nr. 4 vom 6. Januar 1914, Zeitungsausschnitt, Berliner Literarisches Bureau G.m.b.H. ZZAJ, Z 3/1582. In der Naumannschen Hilfe schrieb Eugen Katz, daß „für den deutschen Juden trotz aller Zurücksetzungen - das Deutschtum Träger seiner nationalen Kultur sei." Er setzte hinzu: „Mit seltener Opferwilligkeit haben sich seit Jahrzehnten die deutschen Juden ihrer bedrängten russischen Glaubensgenossen angenommen. Sie lassen sich dadurch aber nicht bestimmen, ihren Zusammenhang mit der deutschen Kultur nur im mindesten Zu lockern, sie lassen sich in keiner Weise verfuhren, von ihrer staatsbürgerlichen, nationalen, deutschen Gesinnung auch nur ein Jota preiszugeben." Vgl. Die Welt, Nr. 3 vom 16. Januar 1914, S. (ß f. Allerdings waren auch andere Stimmen zu hören. So schrieb die Bayerische Staatszeitung: „Wenn man aber diesen jüdisch-nationalen begeisterten Massen die deutsche

194

X. Vom „Sprachenstreit"zum

„Sprachenkrieg"

Formen angenommen habe, 146 und in diesem Sinne auf der Sitzung des Geschäftsführenden Ausschusses des Hilfsvereins Bericht erstattete, konnte in Palästina und in der jüdischen Welt noch keine Wendung festgestellt werden. In Jaffa und Jerusalem wie auch in den landwirtschaftlichen Siedlungen fanden weitere Protestaktionen gegen den Hilfsverein statt.147 Gleichzeitig wurden die Protestkundgebungen in den jüdischen Zentren Europas und Amerikas fortgesetzt. 148 Zu besonders scharfen Auseinandersetzungen kam es auf dem Baugelände des Technikums in Haifa. Gegen Dr. Finkelstein wurden Anschuldigungen erhoben, wonach er die Arbeiter und Angestellten zwinge, ihre Kinder in die Schule des Hilfsvereins zu schicken, falls nicht, würden sie keine Arbeit am Technikum bekommen. 14 ^ Auch wurde behauptet, er versuche mittels Andeutungen materieller Vorteile die sephardische Gemeinde auf die Seite der Hilfsvereinsschule zu bringen. In einem öffentlichen Brief, unterzeichnet von 120 Sepharadim, das heißt Juden spanisch-orientalischer Abstammung, sollen sich diese jedoch gegen den Verdacht gewehrt haben, als „wollten sie ihre Seele um Geld verkaufen".150 Im Januar dürfte es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen den Arbeitsleitern und Aufsehern und den jüdischen Arbeitern gekommen sein. Diesmal wurde Finkelstein beschuldigt, die Arbeiter unter Aufsicht von Gendarmen arbeiten zu lassen. 151 An das Schiedsgericht in Haifa und an das Komitee des Arbeiterhauses wurden gegen Dr. A. Finkelstein Klagen Sprache aufzwingen will, so wird man mit diesem Zwang nicht Sympathien schaffen, sondern manche bestehende Sympathie vernichten. Für Deutschland ist der Orient ein wichtiges Gebiet, und Palästina mit seiner - in den amtlichen deutschen Konsularberichten gerühmten - fleißig aufblühenden Kolonistenbevölkerung ist für Deutschlands Wirtschaft ein bedeutsamer zukünftiger Absatzfaktor. Hier kann Übereifer nur schaden, und er hat bereits geschadet." Vgl. Die Welt, Nr. 3 vom 16. Januar 1914, S. 66. Vgl. Der Bericht Paul Nathans an die „Frankfurter Zeitung" vom 24. Dezember 1913 und an die „ Vossische Zeitung " vom 30. Dezember 1913, in: Die Welt, Nr. 1 vom 2. Januar 1914, S. 7. 147 Vgl. Die Welt, Nr. 1 vom 2. Januar 1914, S. 12 ff., Nr. 2 vom 9. Januar 1914, S. 36 f. 148 Vgl. Die Welt, Nr. 2 vom 9- Januar 1914, S. 35 ff., Nr. 3 vom 16. Januar 1914, S. 59 ff-, Nr. 4 vom 23. Januar 1914, S. 86, Nr. 5 vom 30. Januar 1914, S. 119, und Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 137. 149 Vgl. Die Welt, Nr. 2 vom 9- Januar 1914, S. 41. 150 Vgl. Die Welt, Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 136. 151 Ebda.

Der „Sprachenkrieg"

in Palästina und sein Echo

195

eingereicht, von Schmuel Pevsner unterzeichnet und durch Zeugenaussagen belegt. 152 Danach wurden am 1. Februar 1914 auf telegraphische Anordnung des Geschäftsfuhrenden Ausschusses in Berlin die Arbeiten auf dem Technikumsgelände eingestellt. Die Welt vom 6. Februar wußte zu berichten, daß 65 jüdische Arbeiter bereits entlassen worden waren.153 Währenddessen, als Folge ununterbrochener Einwirkungsversuche durch beide Parteien, beschlossen die amerikanischen Kuratoren, die sich am 26. Oktober 1913 nicht hatten äußern können, sich in die Diskussion einzuschalten. Jacob H. Schiff hatte beide Seiten der Hartnäkkigkeit und Unnachgiebigkeit beschuldigt, war jedoch der Meinung, daß die kleine, von Schmarja Levin geleitete Minorität durch ihren übereilten Austritt aus dem Kuratorium und ihre Agitation in Palästina den Sprachenkrieg ausgelöst und dadurch das ganze Projekt des Technikums in Haifa an den Rand des totalen Zusammenbruchs gebracht hatte.154 Um einen Ausgleich im Kuratorium herbeizuführen, trafen sich die amerikanischen Kuratoren in der ersten Hälfte des Monats Januar 1914 in New York zu einigen separaten Beratungen. Am 18. Januar richteten sie an den Vorsitzenden des Kuratoriums ein Telegramm, in welchem sie ihren einstimmig gefaßten Beschluß bekanntgaben, dem Kuratorium folgende Empfehlungen zu geben: 155 „The official language of the Technikum as far as schools and intercourse within school, Palestine and Turkey are concerned, shall be Hebrew, further Arabic and Turkish; for the intercourse with other countries the official language may be German, English, French, all or

1 5 2 Vgl. Klage gegen Dr. Finkelstein, gerichtet an die Vertreter des Schiedsgerichts, 12. Schewat 5674 (ungefähr Januar-Februar 1914), Abschrift, und Klage gegen Dr. A. Finkelstein, gerichtet an das Komitee des Arbeiterhauses in Haifa, 3. Teweth 5674 (ungefähr Februar 1914), ZZAJ, Z 3/1585. 1 5 3 Vgl. Die Weh, Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 137. 1 5 4 Vgl. Schreiben von Jacob H. Schiff an das American Hebrew, angeführt von C. Adler, Jacob H. Schiff: His Life and Letters . . Vol. 2, New York 1929, S. 174. Schiff schrieb: „. . . the fact stands out incontrovertibly that a small minority in the governing body, led by Doctor Levin, by their hasty resignation and inopportune agitation brought about consequences which - notwithstanding the efforts of the American curators who were a unit in their conclusions - have finally led to the breakdown of the project when almost on the point to be realized and when upward of $ 300 000 had already been expended upon it." 155

Vgl. Der Sprachenkampf in Palästina, Februar 1914, ZZAJ, Z 3/1575, S. 53.

196

X Vom „ Sprachenstreit" zum „ Sprachenkrieg "

any in choice of the Kuratorium. The language of instruction shall be left to the decision of the Kuratorium with the understanding that Hebrew as far as practible shall be predominant and that after not more than seven years the language of instruction be Hebrew in all courses except those in which it can be shown that proper Hebrew instructors or textbooks have not been developed. The Zionist Organisation should also undertake to procure moral and material support to the institution. It was also recommended that Messrs. Ginzberg, 156 Levin and Tschlenow now be requested to reenter the Kuratorium." Das Telegramm war von den Kuratoren Adler, Kraus, Mack, Marshall, Schechter, Schiff und Straus unterzeichnet. 157 Von zionistischer Seite wurden die Empfehlungen der amerikanischen Kuratoren als Sieg ihrer Ansichten gedeutet. Der Kampf schien für sie in ein neues Stadium getreten zu sein. Noch mehr Mut schöpften sie aus der Tatsache, daß Ende Januar 1914 bekanntgegeben wurde, daß auch von den russischen Kuratoren die Revision der Beschlüsse vom 26. Oktober 1913 gefordert wurde. So hatten bereits am 21. Dezember 1913 (8. Dezember 1913 nach dem alten russischen Kalender) D. Wissotzky und J. Zetlin an James Simon ein Schreiben gerichtet, in welchem sie erklärten, schon während der Kuratoriumssitzung am 26. Oktober 1913 auf seiten der zurückgetretenen Mitglieder gestanden zu haben. Wenn sie dennoch mit der Majorität gestimmt hätten, so einzig und allein deshalb, weil sie dies unter den damaligen Umständen als die allein richtige und mögliche Lösung zur Vollendung des Technikumbaus und seiner Inbetriebnahme hielten. Die Ereignisse in Palästina hätten ihnen jedoch bewiesen, daß ohne die Sympathien der jüdischen Bevölkerung Palästinas ein Gedeihen des Technikums nicht möglich sei. Daher erschien ihnen eine Änderung der Kuratoriumsbeschlüsse unbedingt notwendig. 158 Die zionistische Bewegung gab sich jedoch mit den Empfehlungen der amerikanischen Kuratoren nicht zufrieden. Sie vermißte die unterschiedliche Behandlung der hebräischen Unterrichtssprache für die Realschule und für das Technikum. Auch befürchtete man die Möglichkeit, daß nach Ablauf der gestellten Frist von sieben Jahren die

Achad Haam wurde stets in Dokumenten bei seinem nichtliterarischen Namen genannt. 157 Vgl. Der Sprachenkampf in Palästina, Februar 1914, ZZAJ, Z 3/1575, S. 53. 158 Vgl. Die Welt, Nr. 5 vom 30. Januar 1914, S. 106.

Der „Sprachenkrieg"

in Palästina

und sein

Echo

197

vollständige Hebräisierung des Technikums hintertrieben werden könnte. In zionistischen Kreisen hatte man das Gefühl, daß sich als Folge dieser Empfehlung die Situation für das hebräische Schulwerk günstig gestalten könnte.159 Paul Nathan indessen war anderer Meinung. Er erklärte im Berliner Tageblatt, „es ist keine Rede davon, wie das von offizieller' zionistischer Seite behauptet wird, daß die Unterrichtssprache am Technikum ,prinzipiell' hebräisch sein soll, sondern die Wahl der Unterrichtssprache bleibt den leitenden Männern überlassen, mit der Maßgabe, dem Hebräischen eine hervorragende Stellung zuzuweisen. Dieser Standpunkt entspricht durchaus den bisherigen Absichten des Kuratoriums."160 Doch kurz danach änderte sich seine Einstellung. Die Beschlüsse der amerikanischen Kuratoren schienen für ihn wie auch für James Simon unannehmbar zu sein. Beide erklärten sich bereit, die Konsequenzen zu ziehen und aus dem Geschäftsführenden Ausschuß auszuscheiden. Vermutlich stand die Einstellung der Arbeiten auf dem Technikumsgelände mit dieser Entwicklung im Zusammenhang. Sie bestätigte die Tatsache, daß James Simon und Paul Nathan sich nicht mehr in der Lage sahen, unter den gegebenen Bedingungen die Verantwortung für das Technikum zu tragen.161 In zionistischen Kreisen wurde die Meinung laut, daß nach dem Rücktritt James Simons und Paul Nathans der Schwerpunkt des Kuratoriums in Zukunft nicht mehr in Deutschland, sondern in Amerika liegen sollte.162 In diesen Kreisen war man auch zuversichtlich in bezug auf die Möglichkeit, die finanziellen Probleme auch ohne die

Vgl. Splendid Isolation, in: Die Weh, Nr. 5 vom 30. Januar 1914, S. 105. Vgl. Der Rückzug, in: Die Welt, Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 129. Vgl. Schreiben James Simons an die Vossische Zeitung vom 4. Februar 1914, Zitiert von der Welt, Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 130: „Die in der Sitzung der amerikanischen Kuratoren am 18. Januar gefaßten Beschlüsse erschienen Dr. Nathan und mir nicht annehmbar, insbesondere waren wir nicht geneigt, dem Ersuchen, mit den ausgeschiedenen Zionistischen Kuratoren Dr. Schmarja Levin und Dr. Tschlenow aufs neue in Verhandlungen zu treten, zu entsprechen. Wir hielten dies unvereinbar mit unserer Würde und Selbstachtung und gaben unserer Ansicht Ausdruck, daß unter diesen Verhältnissen unser Rücktritt geboten sein würde. Darauf hat Herr Jacob H. Schiff seither dringend an uns appelliert, daß wir uns nicht zurückziehen möchten und ein Weg Zur Verständigung gefunden werden müßte. Die für den 22. Februar einberufene Kuratoriumssitzung wird Klärung schaffen." 159 100

162

Vgl. Der Rückzug, in: Die Welt, Nr. 6 vom 6. Februar 1914, S. 129 f-

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X. Vom „ Sprachenstreit" zum „ Sprachenkrieg "

Mitarbeit des Hilfsvereins zu lösen. Das Aktions-Komitee der Zionistischen Organisation setzte sich zum Ziel, im Laufe von zwei Wochen die Eingänge für den Zentralfonds und für das hebräische Schulwerk in Palästina von 120 000 auf 200 000 Mark zu erhöhen. 163

Der Kompromiß vom 22. Februar 1914 Für den 22. Februar 1914 wurde eine neue Kuratoriumssitzung einberufen. Sie sollte die Aufgabe erfüllen, einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Tendenzen zu finden, den Abschluß der Arbeiten am Technikumsgelände zu ermöglichen und die Institution ihrer Bestimmung zu übergeben. Als Auftakt zu dieser Sitzung war eine Verschärfung des Kampfes zwischen den Parteien zu beobachten. In einer Proklamation, die im Anzeigenteil fast aller großen deutschen Zeitungen erschien, erklärten die Unterzeichneten - 300 an der Zahl - , daß es ihnen in Zukunft unmöglich sein werde, mit den Zionisten zusammenzuarbeiten. Zu den Unterzeichnern gehörten auch James Simon und Paul Nathan.164 Die Zionistische Organisation sah sich vor die Aussicht gestellt, die finanzielle Verantwortung für das Technikum übernehmen zu müssen. Die russischen Kuratoren mit David Wissotzky an der Spitze erklärten sich bereit, den zionistischen Standpunkt bei der Sitzung zu unterstützen, verlangten jedoch, daß ihnen seitens der Zionistischen Organisation eine offizielle Erklärung in bezug auf die moralischen und finanziellen Verpflichtungen gegeben werde. Diese Verpflichtungen betrafen 200 000 Mark zur Vervollständigung der Einrichtung des Technikums wie auch eine Schuld von 170 000 Mark beim Hilfsverein.165

Vgl. Die Entscheidung im Sprachenkampf, Rundschreiben des „Zionistischen Centraibureaus" an die zionistischen Vereine und Vertrauensleute, 10. Februar 1914, ZZAJ, Z 3/1575. 164 Ebda. ^ Vgl. Streng vertrauliches Rundschreiben des zionistischen Aktionskomitees an seine Mitglieder vom 19. Februar 1914, unterzeichnet von Y. Tschlenow, das mit folgenden Worten schloß: „Wir geben uns alle Mühe, eine Verständigung, die mit unseren Minimalforderungen vereinbar wäre, zu erzielen. Sollte dies aber ausgeschlossen sein, und sollten wir vor die Notwendigkeit gestellt sein, das Technikum zu übernehmen, so sind wir nach gründlicher Beratung einstimmig zu der Überzeugung gelangt, daß wir diese Aufgabe übernehmen müssen und können. Wir fordern Sie, geehrter Herr Kollege, daher auf, uns sofort nach Empfang dieses Briefes Ihre Meinung

Der Kompromiß vom 22. Februar 1914

199

Am 15. Februar 1914 beschlossen die amerikanischen Kuratoren in einer Sitzung unter Vorsitz von Mayer Sulzberger, ihre Empfehlungen vom 18. Januar zu präzisieren. Ihr Telegramm an das Kuratorium lautete: „Hebräisch soll vorherrschen, doch Kuratorium behält sieben Jahre lang freie Verfügung, danach müssen alle Fächer hebräisch sein, ausgenommen die, für welche Bücher, Lehrer noch nicht existieren. Amerikaner bedauern tief die Vorgänge in Palästina, sowie die kürzlich in Deutschland gegen die Zionisten veröffentlichten Proklamationen. Angesichts der hervorragenden Wichtigkeit nicht nur für unser Institut, sondern für das Judentum allenthalben, daß schleunigst Friede hergestellt wird, appellieren wir an Ginzberg, Levin, Tschlenow, an ihren Ergebenheitssinn für das jüdische Volk und die Sache, die uns allen teuer ist, sich mit ihren Freunden zu vereinigen und drei annehmbare Herren namhaft zu machen, welche die durch ihren Rücktritt entstandenen Vakanzen ausfüllen sollen und das Kuratorium ersuchen, diese Kandidaten als Mitglieder zu wählen. Ebenso appellieren wir an die Kuratoren, diese Mittel zur Beendigung der unglückseligen Streitigkeiten, die zum Bruch und einer Fülle von Übeln zu führen drohen, anzunehmen." 166 Die zionistische Reaktion auf die Empfehlungen der amerikanischen Kuratoren war im allgemeinen positiv. Sie stimmte jedoch nicht mit der amerikanischen Forderung überein, anstelle der zurückgetretenen zionistischen Mitglieder des Kuratoriums andere zionistische Kandidaten zu nominieren. Sie ließen indessen durchblicken, daß Personalfragen für sie nicht entscheidend waren. 167 Sich auf die sachlichen amerikanischen Empfehlungen stützend, beschloß das Große Aktionskomitee der Zionistischen Organisation in seiner Sitzung vom 19. Februar 1914 unter Teilnahme von Achad Haam, folgende Forderungen zu stellen: 1. Die Unterrichtssprache in der Realschule müsse ausschließlich hebräisch sein; sonst müsse die Schule gänzlich aufgegeben werden. 2. Am Technikum müßten Mathematik, Physik und Chemie von Anfang an in hebräischer Sprache unterrichtet werden.

telegraphisch Zu übermitteln, da wir unseren Beschluß spätestens Sonnabend Abend den Vertretern des Hauses Wissotzky mitteilen müssen." 166 Vgl. Die neue Kuratoriumssitzung, in: Die Welt, Nr. 8 vom 20. Februar 1914, S. 179 f. 167 Ebda.

200

X. Vom „Sprachenstreit" zum „Sprachenkrieg"

3. Die Bestimmung der Frist über die Einführung der hebräischen Lehrgegenstände am Technikum müsse entweder dem Lehrerkollegium überlassen oder auf Antrag des Lehrerkollegiums dem Geschäftsführenden Ausschuß übertragen werden. 4. In die Verträge der neu zu engagierenden Lehrer sollte ein Passus aufgenommen werden, worin diese sich zu verpflichten hätten, nach einer bestimmten Frist, und zwar spätestens sieben Jahre nach Eröffnung des Technikums, ihren Unterricht in hebräischer Sprache zu erteilen. 5. Dem Geschäftsführenden Ausschuß müßten, so wie früher, zwei zionistische Vertreter angehören. 6. Bei der Anstellung von Lehrkräften müßten sämtliche Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses befragt werden. Die Anstellung dürfe nicht erfolgen, wenn zwei Mitglieder dagegen seien. 1 6 8 Die entscheidende Sitzung des Kuratoriums fand, wie vorgesehen, am 22. Februar 1914 statt. Den Mitgliedern des Kuratoriums lagen die Empfehlungen der amerikanischen Kuratoren vor. Bei der Beschlußfassung über die Frage der Unterrichtssprache und der Leitung des Technikums wurden diese Empfehlungen - vom 18. Januar und vom 15. Februar - als Grundlage angenommen. Aber auch auf Grund dieser Empfehlungen gelang es nicht, bei den Kuratoren eine Einigung in bezug auf das Technikum zu erzielen. Um den Hauptstreitpunkt zu beseitigen, wurde beschlossen, dem Technikum keine Realschule vorzugliedern. In bezug auf das Technikum selbst wurden folgende Beschlüsse gefaßt: 1. a) „Gleich von Anfang an werden Mathematik und Physik in hebräischer Sprache unterrichtet. b ) In neu abzuschließenden Verträgen mit Lehrern wird ein Passus aufgenommen, laut dem sie sich verpflichten, vier Jahre nach ihrer Anstellung das Hebräische zu beherrschen. c ) Nach Ablauf des ersten vierjährigen Kurses am Technikum wird das Kuratorium in Beratung treten, welche Gegenstände nach der derzeitigen Entwicklung der hebräischen Sprache und der hebräischen Unterrichtsmittel der hebräischen Sprache überwiesen werden können.

168

Vgl. Die Forderungen des GA.C. vom 19. Februar 1914, ZZAJ, Z 3/1583.

Der Kompromiß

vom 22. Februar

1914

201

2. Bei der Anstellung von Lehrern müssen sämtliche Mitglieder des Geschäftsführenden Ausschusses befragt werden. Die Entscheidung fällt mit Majorität. 3. Ins Kuratorium werden statt der drei ausgeschiedenen Mitglieder drei andere Zionisten kooptiert, von denen zwei dem Geschäftsführenden Ausschuß angehören. Das Ergebnis der Kuratoriumssitzung wurde von zionistischer Seite als Erfolg begrüßt. Die zionistische Bewegung betrachtete die Beschlüsse des Kuratoriums als Anerkennung ihrer sachlichen Forderungen in allen wesentlichen Punkten und hob hervor, daß sie sogar mehr erreicht habe als in der Sitzung vom 26. Oktober 1913. 1 7 0 Am 26. April 1914, auf der Generalversammlung des Hilfsvereins, gab Paul Nathan seinem Wunsch Ausdruck, das Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina nach den festgelegten und erprobten Grundsätzen fortzusetzen. Eine Zusammenarbeit mit den Zionisten zum Wohle des Judentums, meinte Paul Nathan, sei durchaus möglich und nützlich. 171 Dr. Arthur Hantke, Mitglied des Engeren Aktions-Komitees der zionistischen Bewegung und Vorsitzender des ZVfD, erklärte sich im Namen der zionistischen Mitglieder des Hilfsvereins einverstanden mit den Ausführungen Paul Nathans. Dieser begrüßte die Erklärung Hantkes, die ihn - so Paul Nathan - zur Überzeugung bringe, daß auch die andere Seite den Frieden wünsche. 1 7 2 In Palästina waren die Folgen des Sprachenkriegs noch deutlich sichtbar. In dem hebräischen Blatt Hazephirah erklärte Dr. Lurie, der Vorsitzende des Hebräischen Lehrerverbandes („Merkas Hamorim"), daß seine Organisation den Boykott gegen die Hilfsvereinsschulen in Palästina nicht aufzuheben gedenke. 1 7 3 James Simon beklagte sich darüber bei David Wissotzky. 174 Auch D. Wissotzky sah darin einen Verstoß gegen die Vereinbarungen vom 22. Februar 1914 und erörterte diese Angelegenheit in einem Schreiben an das Engere Aktions-

169 vgl. Beschlüsse des Kuratoriums des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina", 22. Februar 1914, ZZAJ, Z 3/1582. 1 7 0 Vgl. Die Hebräisierung des Technikums, in: Die Welt, Nr. 9 vom 27. Februar 1914, S. 205. 1 7 1 Vgl. Hauptversammlung des Hilfsvereins, in: Die Welt, Nr. 18 vom 1. Mai 1914, S. 43 ff. 172 Ebda. 1 7 3 Vgl. D. Wissotzky an das E.A.C., 3-/16. März 1914, Abschrift, ZZAJ, Z 3/1587. 1 7 4 Vgl. James Simon an D. Wissotzky, Abschrift ohne Datum, ZZAJ, Z 3/1587.

202

X. Vom „Sprachenstreit''zum

„Sprachenkrieg"

Komitee der Zionistischen Organisation.175 Protestkundgebungen und Ausschreitungen fanden jedoch nicht mehr statt.

175

Vgl. D. Wissotzky an das E.A.C, 3-/16. März 1914, Abschrift, ZZAJ, Z 3/1587.

ELFTES KAPITEL

Nach dem Sturm des Sprachenstreits

Ausgleichsversuche Die Kuratoriumsbeschlüsse vom 22. Februar 1914 boten beiden Seiten die Möglichkeit, auf Errungenschaften hinzuweisen. Allerdings war nicht zu bestreiten, daß sie eine Revision der Kuratoriumsbeschlüsse vom 26. Oktober 1913 darstellten. Ein Kompromiß wurde erreicht, der von allen Seiten noch viele Anstrengungen erforderte, um einen wirksamen Ausgleich herbeizuführen. James Simon und Paul Nathan traten nicht aus dem Kuratorium aus und behielten ihre Ämter. Einige finanzielle und organisatorische Fragen mußten dringend gelöst werden, erstens, um das noch bestehende gegenseitige Mißtrauen zu beseitigen, und zweitens, um die Fertigstellung des Technikums zu ermöglichen. Der Hilfsverein machte jede Zusammenarbeit mit den Zionisten in den Angelegenheiten des Technikums von der Einstellung der Boykottbewegung des „Merkas Hamorim" gegen die Schulen des Hilfsvereins in Palästina abhängig. David Wissotzky, der über gute Beziehungen zu den russischen Vertretern in der zionistischen Weltbewegung verfügte, versuchte in dieser Hinsicht eine Vermittlerrolle zu spielen. Er hoffte, daß mit der Rückkehr der palästinensischen Delegierten, die an den Beratungen im Februar 1914 in Berlin teilgenommen hatten, in Palästina Ruhe eintreten werde. 1 Andererseits äußerte sich D. Wissotzky befremdet darüber, daß James Simon die Regelung der Angelegenheiten des Technikums mit den

1

Vgl. David Wissotzky an James Simon, 11./24. März 1914, ZZAJ, Z 3/1587.

204

XI. Nach dem Sturm des

Sprachenstreits

Lehrprogrammen der Schulen des Hilfsvereins in Verbindung bringe. 2 Entsprechend den Beschlüssen vom 22. Februar 1914 sollten anstelle der drei ausgeschiedenen Mitglieder des Kuratoriums drei andere Zionisten in das Kuratorium gewählt werden. Am 11. März 1914 sandte Yechiel Tschlenow James Simon ein Schreiben, in welchem er Dr. Chaim Weizmann, Professor der Chemie an der Victoria University in Manchester, England, Leo Motzkin, Schriftsteller, und Julius Simon, Kaufmann, als zionistische Repräsentanten zur Kooptation in das Kuratorium vorschlug.3 Die Kooptation wurde auf der Kuratoriumssitzung vom 6. Mai 1914 beschlossen, nachdem die amerikanischen Kuratoren statutenmäßig vorher befragt worden waren. 4 Eine weitere Forderung der zionistischen Seite bezog sich auf den Arbeitsstil des Sekretariats des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina". Wie bekannt, hatte sich Schmarja Levin ständig darüber beklagt, daß die Verwaltung der Angelegenheiten des Technikums von der Verwaltung des Hilfsvereins praktisch nicht getrennt war. Bernard Kahn als Generalsekretär des Hilfsvereins war auch für die Angelegenheiten des Technikums zuständig. Nun forderten die Zionisten die Errichtung eines vom Hilfsverein getrennten Sekretariats unter Leitung eines vom Hilfsverein unabhängigen Sekretärs.5 David Wissotzky hielt diese Forderung für gerechtfertigt. Während seines Aufenthalts in Berlin im Frühjahr 1914 bemühte er sich, Paul Nathan seinen Standpunkt in dieser Hinsicht klarzumachen. Ein Schreiben James Simons vom 9. Mai 1914 ließ ihn jedoch erkennen, daß die Leitung des Hilfsvereins an den gewohnten organisatorischen

2 Ebda. David Wissotzky schrieb: „Während der Besprechungen, die ich mit Ihnen und mit Herrn Dr. Paul Nathan gepflogen habe, wie auch späterhin in der Sitzung des Kuratoriums, war nur die Rede vom Technikum, und mit keiner Silbe ist der Hilfsverein in die Debatte gezogen worden. Wenn ich in der Sitzung des Kuratoriums gesagt habe, daß die Annahme der Beschlüsse zu einem gesicherten Frieden führen und die Garantie eines allgemeinen ruhigen Zusammenarbeitens bieten wird, so konnte damit doch nur die Arbeit für das Technikum gemeint sein, was sich auch vollständig bewährt hat."

Vgl. Y. Tschlenow an James Simon, 11. März 1914, ZZAJ, Z 3/1570. Vgl. Protokoll der Sitzung des Kuratoriums des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina vom 6. Mai 1914, ZZAJ, Z 3/1570. Die Kooptation bezog sich auf Prof. Dr. Ch. Weizmann, Leo Motzkin, Prof. Sobernheim und Dr. E. Straus. 5 Vgl. D. Wissotzky an James Simon, 11./24. März 1914, ZZAJ, Z 3/1587. 3

4

Ausgleichsversuche

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Gepflogenheiten des Sekretariats festhalten und keinerlei Änderungen zulassen werde. 6 D. Wissotzky versuchte, die Einwände James Simons, welche sich zum Teil auf höhere Ausgaben bezogen, zu widerlegen. Von einer erheblichen Zunahme der Kosten für die Verwaltung könne nicht die Rede sein, meinte er, da der Hilfsverein vermutlich auch vorher nicht voll den Unterhalt für die Leitung des Technikums getragen habe. Außerdem verfolge der Hilfsverein andere Ziele als die Leitung des Technikums. „Ich kann es mir nicht vorstellen", schrieb D. Wissotzky, „wie ein und derselbe Apparat, welcher doch in dem gedachten Falle durch das Sekretariat repräsentiert wird, zwei ganz verschiedenartige Ziele im Auge haben und zwei verschiedene Wege gehen kann." 7 D. Wissotzky betonte, daß es der aufrichtige Wunsch aller beteiligten Parteien sein müsse, für ein friedliches Zusammenwirken zu sorgen. 8 Er hatte schon zuvor darauf hingewiesen, daß sich die zionistische Organisation eine friedliche Zusammenarbeit mit dem Hilfsverein wünsche. So habe Professor Weizmann als Mitglied und Vertreter des Aktionskomitees in diesem Sinne Paul Nathan einen Besuch abgestattet, und das Aktionskomitee der zionistischen Organisation habe den ersten Schritt getan und an James Simon geschrieben.^ In der entstandenen Situation waren auch die finanziellen Probleme schwer zu lösen. Das noch nicht wiederhergestellte beiderseitige Vertrauen erschwerte die Lösungsmöglichkeiten. Auf dem Technikumsgelände war - wie bereits erwähnt - die Arbeit eingestellt worden. Im März 1914 verließ Dr. A. Finkelstein Haifa, um nach Deutschland zurückzukehren. Bernard Kahn gab in einem Gespräch mit G. Wilbuschewitz zu verstehen, daß der Geschäftsführende Ausschuß des Kuratoriums noch nicht wisse, wann das Technikum eröffnet werden könne, da man noch nicht über die nötigen Geldmittel verfüge. Erst nachdem man von amerikanischer und russischer Seite die zugesagten Beiträge erhalten habe, würde auch der Hilfsverein für die Einzahlung des auf ihn entfallenden Betrages sorgen und die Arbeit in Haifa wieder aufnehmen. 10 6

Vgl. D. Wissotzky an James Simon, 7./20. Mai 1914, ZZAJ, Z 3/1587. Ebda. 8 Ebda. 9 Vgl. D. Wissotzky an James Simon, 11./24. März 1914, ZZAJ, Z 3/1587. 10 Vgl. Vertrauliche Mitteilung des Ing. Wilbuschewitz an Dr. Jacobson vom 8. April 1914, nicht gezeichnet, ZZAJ, Z 3/1570. 7

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XI. Nach dem Sturm des

Sprachenstreits

Die Kuratoriumssitzung vom 3. Mai 1914 hatte die Aufgabe, die finanziellen Probleme des Technikums zu behandeln. Da das Kuratorium aus Quorumsgründen nicht beschlußfähig war, 11 wurde sogleich beschlossen, auf Grund von Paragraph 22 der Statuten eine neue Sitzung zum 6. Mai einzuberufen. Laut den Statuten war diese Sitzung bei jeder Besetzung beschlußfähig. 12 Paul Nathan berichtete über die bisherige Tätigkeit. Die Fertigstellung des gesamten Baues stünde unmittelbar bevor. Hätte er bei seiner letzten Palästinareise den Auftrag gegeben, mit Beschleunigung weiterzubauen, stände man bereits vor der Eröffnung. Da noch keine Klarheit über die Finanzsituation erzielt worden sei, könne die Bautätigkeit nicht wieder aufgenommen werden. Würde man eine Einigung erzielen, könnte der Bau bis Herbst 1914 fertiggestellt und mit der Lehrtätigkeit begonnen werden. Alle drei Partner - die Amerikaner, die Wissotzkysche Familienstiftung und der Hilfsverein - sollten je 100 000 Mark zur Verfügung stellen. D. Wissotzky und James Simon hätten sich bereits verpflichtet, nur die Entscheidung der Amerikaner stehe noch aus. 13 James Simon präzisierte seinen Standpunkt zu den Ausführungen von Paul Nathan. 300 000 Mark, meinte er, würden es ermöglichen, das Technikum fertigzustellen und betriebsfähig zu machen. Er war jedoch der Ansicht, das Technikum erst zu eröffnen, wenn ein Budget für vier Jahre garantiert sei. Anstellungen von Lehrern dürften nicht erfolgen, wenn die Zukunft des Instituts ungewiß sei. Er war bereit, die Garantie des deutschen Anteils für vier Jahre zu übernehmen und verlangte dasselbe von den übrigen Partnern. Es wurde beschlossen,

Anwesend waren sechs Kuratoriumsmitglieder: Dr. James Simon, Dr. Paul Nathan, Generalkonsul Eugen Landau, Geh. Justizrat Timendorfer, Prof. Philippson, Dr. Kahn. Als Gäste erschienen: Prof. Schlesinger und Justi2rat Makower. Vgl. Protokoll der Kuratoriumssitzung des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina vom 3. Mai 1914, ZZAJ, Z 3/1570. 12 Auf dieser Kuratoriumssitzung waren nur vier Mitglieder anwesend: Dr. James Simon, Dr. Paul Nathan, Generalkonsul Eugen Landau und Dr. Bernard Kahn. Prof. Schlesinger nahm als Gast teil. Carl Netter, Ludwig Schiff (Frankfurt a. M.), Timendorfer, Max Warburg (Hamburg) hatten sich entschuldigt. Louis Marshall hatte mitgeteilt, daß die amerikanischen Kuratoren an der Sitzung nicht teilnehmen könnten und ihre Stimmen nicht auf andere übertragen wollten. Vgl. Protokoll der Kuratoriumssitzung des jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina vom 6. Mai 1914, ZZAJ, Z 3/1570. 13 Vgl. Protokoll der Kuratoriumssitzung vom 6. Mai 1914, ZZAJ, Z 3/1570.

A usgleicbsversuche

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mit der Lösung der Budget-Frage bis zum 15. Juni 1914 zu warten. Ansonsten sollte eine neue Sitzung des Kuratoriums zwecks formeller Auflösung des Vereins einberufen werden. James Simon deutete an, daß man eventuell gezwungen sein werde, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Konkurs anzumelden. 14 Eine Einigung wurde auch nach der Kuratoriumssitzung nicht erzielt. D. Wissotzky knüpfte in einem Schreiben an James Simon vom 1. Juni 1914 den Beitrag von 100 000 Mark an die Bedingung, ein selbständiges Sekretariat für das Technikum zu errichten.15 James Simon lehnte ab.1^ Die Bemerkung Simons in seinem Antwortschreiben: „Wir sind hier in Deutschland nicht gewohnt, daß, wenn man eine Bedingung zu erfüllen hat, man neue Bedingungen an die Erfüllung knüpft", empfand D. Wissotzky als besonders beleidigend. 17 Er erwiderte mit einem sachlichen Brief, der sich jedoch auf die oben erwähnte Bemerkung James Simons mit der Gegenbemerkung bezog, daß er, Simon, für Deutschland etwas in Anspruch nehme, was in der ganzen gesitteten Welt üblich sei.18 Als Resultat dieses Briefwechsels scheint Wissotzky noch überzeugter gewesen zu sein, daß ein vom Hilfsverein unabhängiges Sekretariat unerläßlich sei.19 Seine Beziehungen zu James Simon standen vor dem vollständigen Bruch. Inzwischen hatte Jacob H. Schiff erfahren, daß die vom Hilfsverein beigesteuerten 400 000 Mark nur als Anleihe zur Verfügung standen, sein Beitrag jedoch wie auch der der Wissotzkyschen Familienstiftung als Schenkungen betrachtet wurden. Am 20. April 1914 schrieb er an Louis Marshall: „As I have already explained you, in view of the position the German section of the Technicum Curatorium has taken namely that its M. 400 000 is loan, instead of an outright contribution I am not prepared to take my further interest in the Technicum until this is satisfactorily settled, and I have so advised Dr. Paul Nathan directly. Moreover, my son has informed me that for reasons which I think he has also explained to the other curators, he has resigned from the Curatorium, as to which action I, personally, have not in the least influenced him."20 Am 10. Juni beschlossen alle amerikanischen 14 15 16 17 18 19 20

Ebda. Vgl. James Simon an D. Wissotzky, 8. Juni 1914, ZZAJ, Z 3/1587. Ebda. Vgl. D. Wissotzky an James Simon, 31. Mai/13. Juni 1914, ZZAJ, Z 3/1587. Ebda. Ebda. Zitiert nach C. Adler, Jacob H. Schiff: His Life and Letters . . ., Bd. 2, S. 172.

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XI. Nach dem Sturm des

Sprachenstreits

Kuratoren, ihre Ämter niederzulegen. Als Grund dafür wurde die Tatsache angegeben, daß sie nicht imstande waren, ihre Verantwortung wahrzunehmen, ohne an den Sitzungen des Kuratoriums teilzunehmen. 21 Schmarja Levin, der im Juni 1914 im Auftrag der Zionistischen Organisation in New York angekommen war, wurde gebeten, den Versuch zu unternehmen, die amerikanischen Kuratoren umzustimmen und sie zu bewegen, ihre Erklärung rückgängig zu machen. Dies schien der zionistischen Leitung von äußerster Wichtigkeit, da Paul Nathan und James Simon vorhatten, auf die Tagesordnung der für den 17. Juli einberufenen Kuratoriumssitzung die Liquidation des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" zu setzen. 22 Am 17. Juli 1914 fand in Berlin die letzte Kuratoriumssitzung vor Ausbruch des Weltkrieges statt. Achad Haam wurde von D. Wissotzky und Yechiel Tschlenow gebeten, nach Berlin zu kommen, um an privaten Beratungen teilzunehmen.23 Die Mehrheit der anwesenden Kuratoriumsmitglieder faßte den Beschluß, den Verein zu liquidieren und das Technikum zu versteigern. Durch die Versteigerung des Technikums sollten die Schulden gedeckt werden, die hauptsächlich beim Hilfsverein entstanden waren. 24 Achad Haam war über die in Aussicht stehende Liquidation des Vereins nicht besonders unglücklich. Er glaubte, daß auf diese Weise eine Trennung des Technikums vom Hilfsverein herbeigeführt werden könne. Ein Einvernehmen zwischen Jacob H. Schiff und David Wissotzky war dafür natürlich Vorbedingung. 25 Jacob H. Schiff hielt seine Beziehungen zu Paul Nathan aufrecht. Er wollte nicht das ihm so sehr am Herzen liegende Technikum liquidiert und veräußert sehen. Für das Mißgeschick des Technikums hatte er schon zuvor die zionistischen Gruppen verantwortlich gemacht. „While I earnestly hope", schrieb er, „that ways and means may be

2 1 Schiff befürwortete diesen Entschluß. Er schrieb an Louis Marshall: „I am quite satisfied that, in view of prevailing conditions, nothing else could have been done on the part of the American Curators." Vgl. a. a. O., S. 173. 2 2 Vgl. Schreiben an Sch. Levin vom 19- Juni 1914, ohne Unterschrift (vielleicht von Arthur Hantke), ZZAJ, Z 3/1587. 2 3 Vgl. Achad Haam an M. Ben Hilel Hacohen, 22. Juli 1914, in: IAH, Bd. 5, (hebr.), S. 196. 24 Ebda. 2 5 Vgl. Schreiben an Sch. Levin vom 19- Juni 1914, nicht gezeichnet, vermutlich von Arthur Hantke, ZZAJ, Z 3/1587.

Im Zeichen des Kriegsausbruchs

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found to resurrect the Technicum, so that it may yet become dedicated to the great purposes it was intended for, the deplorable occurences that have in the end led to its present breakdown have clearly shown that Palestinian affairs are swayed by what I believe to b e a comparatively small group of Jewish Nationalists, who, while continuably clamoring for the support and cooperation of all Jewry for Palestinian work of every character, will not hesitate to stop to employ the most reprehensible means in order to accomplish, forcibly, if necessary, their own purposes and designs."2^ Im Juli 1914, nachdem ihm Paul Nathan versprochen hatte, die Lehrtätigkeit am Technikum im Frühjahr 1915 aufzunehmen, 27 sagte Jacob H. Schiff die Zahlung von 100 000 Mark zu, machte aber schon im August sein Versprechen rückgängig, als man ihm mitteilte, daß eventuell Konkurs angemeldet werden müsse. 28

Im Zeichen des Kriegsausbruchs Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich Serbien den Krieg. Am 29- Juli folgte die Mobilmachung in Rußland. Am 1. August stand Deutschland bereits im Krieg mit Rußland und am 3. August mit Frankreich. Am 4. August erklärte England Deutschland den Krieg, und am 6. August folgte die österreichische Kriegserklärung an Rußland. Im fernen Palästina hatte man nur wenig über die politischen Spannungen in Europa erfahren. Alles kam ganz plötzlich. Für die deutschen Juden wie auch für die anderen deutschen Wehrpflichtigen in Palästina bedeutete dies die Meldung zum Wehrdienst in Deutschland entsprechend den Mobilmachungsordern. Eine erste Gruppe aus Haifa, aus 36 Wehrpflichtigen bestehend, reiste am 8. August ab, um auf dem Landweg über Syrien und Kleinasien Deutschland zu erreichen.

2 6 Vgl. Jacob H. Schiff an den American Hebrew, 28. Juni 1914, Zitiert bei C. Adler, Jacob H. Schiff: His Life and Letters. . ., Bd. 2, S. 174. 2 7 Schiff schrieb am 21. Juli 1914 an Paul Nathan: „It is a particular satisfaction to me to receive your assurance that the Technicum will yet be completed so that its opening may be expected in the spring of 1915." Zitiert ebda. 2 8 Vgl. Jacob H. Schiff an Sch. Levin, 20. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573. Cyrus Adler glaubt, daß Schiff im Juli 1914, seinem Versprechen gemäß, das Geld auch wirklich übersandt hatte, was aber nicht der Fall war. Siehe ebda.

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XI. Nach dem Sturm des Sprachenstreits

Am nächsten Tag sollte eine weitere Gruppe aus Jaffa und danach eine dritte aus Jerusalem der ersten folgen.29 In Palästina wie im ganzen Orient herrschte Kriegspanik. Zwar war die Türkei noch neutral, doch sah sich die jüdische Bevölkerung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Gefahr, in den Krieg miteinbezogen zu werden. Insbesondere würden dadurch die Juden russischer Provenienz betroffen sein - und sie machten die Mehrheit der neuen jüdischen Bevölkerung Palästinas aus - , sollte die Türkei in den Krieg verwickelt werden. Deutschland galt als verbündeter Staat, Rußland dagegen als Erzfeind. In diesem Falle müßten die russischen Juden als Angehörige eines feindlichen Staates betrachtet werden. Vom Standpunkt des Hilfsvereins - abgesehen vom Krieg als Gefahr für jedermann - schien sich dadurch die Lage des Schulwerks in Palästina günstiger zu gestalten. Der Name Paul Nathans stand nun in den türkeifreundlichen deutschen Kreisen hoch in Ehren. Bereits Anfang 1914 wurde er von Staatssekretär von Jagow zu der konstituierenden Versammlung der deutsch-türkischen Vereinigung eingeladen. Diese hatte unter anderem vor, deutsch-türkische Schulen zu gründen. Zum Vorsitzenden dieser Vereinigung wurde Karl Helfferich gewählt. Paul Nathan wurde auf Grund seiner Erfahrungen vom Vorstand in den Ausschuß berufen. 30 In Palästina konzentrierte sich die Haupttätigkeit des Hilfsvereins in der zweiten Hälfte des Jahres 1914 auf Jerusalem und in beschränktem Maße auf Jaffa. Die Anzahl der Hilfsvereinsschulen war zwar zurückgegangen, so auch die der Schüler,31 das Ansehen des Hilfsvereins in den gemäßigteren Kreisen war jedoch weitgehend wiederhergestellt. Als Folge des Krieges und der ungelösten finanziellen Angelegenheiten konnten die Arbeiten auf dem Technikumsgelände nicht wieder aufgenommen werden. Am 14. Oktober schrieb Schiff an Paul Nathan: „I can well understand that until the end of the war the Technicum, as you write, must rest."32 In seinem dreizehnten und vierzehnten Jahresbericht gab der Hilfsverein dies auch offiziell

Vgl. E. Auerbach, Pionier der Verwirklichung . . ., S. 353. Unter den 36 wehrpflichtigen Deutschen in Haifa waren 4 Juden, von denen zwei in die Leitung der Gruppe gewählt wurden: Dr. Auerbach und Oskar Treidel. 30 Vgl. E. Feder, Paul Nathan. Ein Lebensbild. . ., S. 99. 31 Vgl. E. Cohen-Reiss, Memoriesofa Son ofJerusalem . . ., (hebr.), S. 363 ff. Siehe auch: Dreizehnter GB des Hilfsvereins, Berlin 1915. 32 Zitat bei C. Adler, Jacob H. Schiff: HisLife and Letters . . ., S. 175.

Die Versteigerung des Technikums

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bekannt. 3 3 Im vierzehnten Geschäftsbericht hieß es: „Wir hatten bereits in unserem letzten Jahresbericht darauf hingewiesen, daß das Technikum in Haifa, das sich nunmehr im Eigentum des Hilfsvereins der Deutschen Juden befindet, erst nach dem Krieg seiner Bestimmung wird übergeben werden können. Dieser Standpunkt ist nach Lage der Dinge auch heute noch der unsere." 34 Am 11. September 1914 setzte die Türkei dem „Regime der Kapitulationen" ein Ende. Den fremden Staatsangehörigen war der Schutz ihrer Konsulate genommen worden. Die jüdische Bevölkerung Palästinas sah sich dadurch ernstlich bedroht. Am 2. November 1914 erklärte Rußland der Türkei den Krieg. Drei Tage später schlössen sich England und Frankreich dieser Kriegserklärung an. 35 Bis 1917 fanden jedoch in Palästina keine Kämpfe statt. Das Land wurde aber zu einem wichtigen militärischen Knotenpunkt. Auch deutsche Truppen wurden hier stationiert. Im Frühjahr 1917 war es das Asienkorps unter von Falkenhayn, das in der Schlacht bei Gaza gegen die aus dem Süden vorrückenden englischen Truppen Schulter an Schulter mit den Türken kämpfte.

Die Versteigerung des

Technikums

Am 10. Dezember 1914 teilte die Geschäftsführung des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina" offiziell mit, daß das Institut in Konkurs gehen müsse, weil Mittel zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr vorhanden seien. Aus dieser Mitteilung ging hervor, daß die Verwaltung des Technikums die Zahlungen des Instituts endgültig eingestellt hatte. Auf Antrag des geschäftsführenden Ausschusses des Kuratoriums wurde beim Amtsgericht Berlin-Mitte am 31. Dezember 1914 das Konkursverfahren eröffnet. Am 1. März 1915 sollte der freihändige Verkauf des Grundstücks mit allen dazu gehörenden Bauten in Berlin stattfinden. Zur Begründung des Konkursantrages fügten die Antragsteller eine Bilanz bei, aus der hervorging, daß das Institut bei 892 000 Mark Passiva nur über 284 000 Mark

3 3 Vgl. Dreizehnter GB des Hilfsvereins, Technikum Haifa, Berlin 1915, und Vierzehnter GB des Hilfsvereins, Berlin 1916. 3 4 Vgl. a. a. O., S. 26. 3 5 Vgl. J. A. R. Marriott, The Eastern Question . . ., S. 488 f.

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XI. Nach dem Sturm des

Sprachenstreits

Aktiva verfüge. 36 Die Demission der amerikanischen Kuratoriumsmitglieder hatte den Hilfsvereinsangehörigen im Kuratorium die Mehrheit zugespielt und diesen Beschluß ermöglicht. Durch die Versteigerung des Technikums konnte der Einfluß der anderen Juden - die Zionisten natürlich inbegriffen - endgültig ausgeschaltet werden. In New York wurde Mitte Januar 1915 nach Beratungen mit Schmarja Levin beschlossen, dem Hauptbüro des Jüdischen Nationalfonds, das sich in Den Haag befand, den Rat zu erteilen, alle nur möglichen Schritte zu unternehmen, um die Versteigerung, wenn auch nicht endgültig, zu verhindern. Gegen die Mitteilung vom 10. Dezember 1914 könnte der Einspruch erhoben werden, daß die Überschuldung nicht richtig kalkuliert worden sei. Außerdem sollte die Leitung des Jüdischen Nationalfonds Protest einlegen, daß der Nationalfonds als Gesellschaft bei der Versteigerung nicht anwesend sein könne. 37 Am 19. Januar 1915 fand vor dem Konkursgericht in Berlin die erste Gläubigerversammlung statt. Der Wert des Technikums, einschließlich Grund und Boden, wurde vom Konkursverwalter mit 250 000 Mark angegeben. Der freihändige Verkauf sollte nach Mitteilung des Konkursverwalters am 1. März 1915 stattfinden. Der Jüdische Nationalfonds protestierte zunächst gegen die unzweckmäßige Zusammensetzung des Gläubigerausschusses und ersuchte um die Wahl eines zusätzlichen Mitglieds, das die Interessen des Jüdischen Nationalfonds vertreten könne. Auf den Hinweis des Justizrats Makower hin, daß der Jüdische Nationalfonds eine in England registrierte Gesellschaft sei, lehnte der Richter dieses Ansuchen ab. 38 In einem Schreiben an den Leiter des Hauptbüros des Jüdischen Nationalfonds in Den Haag regte Max Bodenheimer die Möglichkeit an, den deutschen Gesandten in Holland auf den für Deutschland unvorteilhaften Eindruck im neutralen Ausland aufmerksam zu machen, den eine solche Erledigung der Technikumsfrage erwecken müßte. Das zionistische Anliegen bestand bloß darin, den Verkauf des Technikums bis auf einen Zeitpunkt nach dem Krieg zu verschieben.3^ 36

Vgl. Dr. Arthur Hantke an Dr. Erich Alexander, 19. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573 und Jüdische Rundschau, Nr. 13 vom März 1915. 37 Vgl. Ing. Kaplan (New York) an das Hauptbüro des Jüdischen Nationalfonds (Den Haag), 15. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573. 38 Vgl. Max Bodenheimer an J. H. Kann, 20. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573. Kann war der Leiter des Hauptbüros des Jüdischen Nationalfonds in Den Haag. 39 Ebda.

Die Versteigerung des Technikums

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Am 20. Januar wandte sich James Simon an den Unterstaatssekretär Zimmermann, um ihn über die Sachlage der Versteigerung des Technikums zu informieren. Er wies darauf hin, daß der Jüdische Nationalfonds die Versteigerung bis nach Kriegsende verschoben haben möchte, um in der Zwischenzeit die nötigen Mittel - 460 000 Mark aufzubringen und möglichst das Institut in seine Hand zu bekommen. 4 0 James Simon hob hervor, daß „die Umtriebe der Zionisten das Technikum zum Scheitern gebracht" hätten. 4 1 Sie - so James Simon hatten den Sprachenkampf entfesselt, durch Gerüchte den Hilfsverein zu diskreditieren versucht und diesen beschuldigt, im Auftrag des Auswärtigen Amtes zu arbeiten. „Ich selbst", schrieb James Simon, „hätte unserem Kaiser das Versprechen gegeben, aus dem Technikum eine deutsche Anstalt zu machen." 4 2 In den Vereinigten Staaten wurde von der Zionistischen Organisation der Versuch unternommen, die dem Technikum in Haifa wohlgesinnten Kreise gegen das Vorhaben des Hilfsvereins zu mobilisieren. Am 18. Januar wandte sich Schmarja Levin, der sich wie bekannt zu jener Zeit in New York aufhielt, mit einem Rundschreiben an die ausgeschiedenen Kuratoriumsmitglieder, um sie zu einer Aktion für den Aufschub des Verfahrens der Auktion des Technikums bis nach dem Ende des Krieges zu bewegen. „Der Moment ist gewiß nicht geeignet", meinte Schmarja Levin, „neue Zwistigkeiten im jüdischen Volk offenbar werden zu lassen. Dieser Schritt der Berliner Herren birgt jedoch in sich soviel Verhängnisvolles für die künftige Entwicklung Palästinas und den Frieden unter den Juden", daß man dagegen alles Mögliche unternehmen müsse. 4 3 Schmarja Levin hatte keinen Erfolg. Jacob H. Schiff reagierte unverzüglich. Er meinte, daß der Krieg in Europa wahrscheinlich Verhältnisse geschaffen habe, die eine Reorganisation des Technikums ohne 4 0 Vgl. James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann, 20. Januar 1915, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 5, L 76774-776. Siehe DOKUMENTENANHANG K.

41

Ebda.

Ebda. James Simon schloß sein Schreiben an Zimmermann mit einer Warnung: „Gerät die Technische Schule in die Hände der Zionisten, so wird eine neue Hetze gegen die Schulen des Hilfsvereins sofort einsetzen und all die beklagenswerten und unwürdigen Agitationen, die Palästina und die deutsche Judenheit erschüttert und so viel widrige Erscheinungen gezeitigt haben - auch die Stellung der Araber zu den Juden ungünstig beeinflußt haben - , werden sich in verstärktem Maße wiederholen." 4 3 Vgl. Schmarja Levin an die amerikanischen Kuratoren, Abschrift, 18. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573. 42

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XI. Nach dem Sturm des Sprachenstreits

Konkurserklärung unmöglich machten. Er war auf jeden Fall nicht bereit, sich abermals in diese Sache hineinziehen zu lassen, welche ihm so viel Kummer bereitet hatte. Aus seinem Antwortschreiben konnte man eine Anklage gegen die Gegner des Hilfsvereins heraushören. 44 Die Gegner des Konkursverfahrens versuchten dieses mit gerichtlichen Mitteln zu vereiteln. Als Vertreter des Konkursgläubigers Hecker unterbreiteten die Rechtsanwälte Erich Cohn und Dr. Julius Rosenfeld dem Konkursgericht, dem Gläubigerausschuß und dem Konkursverwalter „folgendes Bedenken gegen den auf 24. März 1915 angesetzten Verkauf des zur Masse gehörenden Grundstücks samt Zubehör". Dieses Bedenken basierte auf folgenden Punkten: 1. Der beabsichtigte Verkauf wäre hinsichtlich eines Teils der angebotenen Gegenstände rechtswidrig. 2. Es stand nicht fest, ob die zum Verkauf gelangenden Rechte realisierbar waren. 45 Die deutsche Botschaft in Washington reagierte mit Besorgnis auf das Echo der Technikumsversteigerung in jüdischen Kreisen in den U.S.A. In einem Bericht vom 12. Februar 1915 an Reichskanzler Bethmann Hollweg wurde auf die Mißbilligung dieser Kreise gegenüber dem Vorgehen des Hilfsvereins hingewiesen, wonach dieser die Zeiten des Krieges dazu benutzen möchte, um sich das jüdische Technikum in Haifa anzueignen. „Man betrachtet hier in eingeweihten Kreisen", so der Bericht, „den Versuch der Leiter des Hilfsvereins als einen moralisch absolut verwerflichen, der leider unter den jetzigen Umständen auf gesetzlichem Wege nicht verhindert werden kann." Der deutsche Botschafter in Washington gab seiner Meinung 44

Vgl. Jacob H. Schiff an Sch. Levin, 20. Januar 1915, ZZAJ, Z 3/1573. Schmarja Levin sandte ein zweites Schreiben an Jacob H. Schiff. Auf die von Schiff angedeutete Anschuldigung der Fraktions-Politik reagierte er wie folgt: „Es handelt sich hier weniger um Ihr persönliches Zutrauen zu den Herren des Hilfsvereins, als um die Tatsache, daß auf diese Weise nicht nur die Zionisten, sondern auch die Familie Wissotzky auf die rücksichtsloseste Weise aus dem Kuratorium ausgestoßen werden sollen. Nicht wir verdienen den Vorwurf der Fraktions-Politik, und wir sind auch jetzt noch bereit, für das beinahe fertiggestellte Werk weiter zu arbeiten, wenn nur eine Basis gefunden werden kann. Diese neueste Aktion des Hilfsvereins scheint mir jedoch jeden solchen Gedanken zu vereiteln." Als Postskriptum fügte er hinzu: „Es ist für mich immer eine schmerzliche Empfindung, daß Sie zu sehr der einseitigen Darstellung der deutschen Herren Ihr Ohr leihen." Vgl. Erich Cohn und Dr. Julius Rosenfeld, Einspruch gegen das Konkursverfahren in der Sache Technikum, ZZAJ, Z 3/1573. Die angeführten juristischen Einwände hatten den Zweck, das Konkursverfahren zu erschweren und vor allem zu verzögern.

Die Versteigerung des Technikums

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Ausdruck, wonach es ihm notwendig erscheine, daß die jüdische Bevölkerung in der Türkei und insbesondere in Palästina nicht den Eindruck gewinne, als würden die offiziellen deutschen Stellen die „unredlichen Absichten" des Hilfsvereins billigen.46 Unterstaatssekretär Zimmermann sandte eine Abschrift dieses Berichts an James Simon „zur vertraulichen Kenntnisnahme" mit der Bemerkung, daß auch die deutsche Botschaft in Konstantinopel eine Äußerung des amerikanischen Botschafters in der Türkei, Dr. Straus, angeführt hatte, derzufolge das Vorgehen gegenüber dem Technikum für die deutsche Sache in Amerika schädlich wirke.47 Trotz aller Einwände fand die öffentliche Versteigerung des Technikums in Haifa - Grund und Boden, Gebäude, Maschinen und sonstiges Inventar - am 24. März 1915 statt. Es wurde vom Hilfsverein der Deutschen Juden für 225 000 Mark erworben. Außer dem Angebot des Hilfsvereins lag kein weiteres vor.48 Die zionistische Presse verurteilte die Handlungsweise des Hilfsvereins. Die Jüdische Rundschau schrieb, daß es dem Hilfsverein gelungen war, unter Ausnutzung der juristischen Möglichkeiten eine buchmäßige Überschuldung aufzubauen und diese als Konkursgrund anzugeben. Das Blatt meinte, daß dem Hilfsverein aus seiner Handlungsweise kein Heil erblühen werde und er durch sein Vorgehen weder seinen noch den jüdischen und schon gar nicht den deutschen Interessen einen Dienst erweisen werde.49 Die New Yorker jüdische Zeitung Der Tag bezog sich auf dieses Vorgehen mit den Worten „Deutscher Patriotismus auf jüdische Rechnung",50 und das russischzionistische Blatt Rassivjet verurteilte dieses Vorgehen des Hilfsvereins als „unwürdige Handlungsweise".51 Das Blatt meinte allerdings,

Vgl. Die deutsche Botschaft in Washington an Reichskanzler Bethmann Hollweg, 12. Februar 1915, A. A. VI B und Jüdisches Technisches Institut in Haifa 1913-1923, A. A. III d. Nr. A 30, 3086, identisch mit A 8058. 4 7 Vgl. Unterstaatssekretär Zimmermann an James Simon, 11. März 1915, A. A. VI B, III d, Abschrift zu A 8058. 4 8 Vgl. Jüdische Rundschau, Nr. 13 vom 26. März 1915, A. A., Deutsche Botschaft in Konstantinopel 1912-1917, Jüdische Interessen in der Türkei, Bd. 2, Nr. 392. 4 9 Ebda. Die Jüdische Rundschau meinte dabei, daß eine Ersteigerung für die Zionistische Organisation gar nicht möglich gewesen wäre, da der Hilfsverein sein Angebot mit den von ihm vertretenen Forderungen verrechnen konnte, während die Zionistische Organisation ihr Angebot in bar hätte bezahlen müssen. 5 0 Vgl. Der Tag, New York, vom 31. März 1915, ZZAJ, Z 3/1573. 5 1 Vgl. Rasswjet, Petrograd, Nr. 14 vom 5. April 1915, TJNHA, Bd. 2.

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XI. Nach dem Sturm des

Sprachenstreits

daß die ganze Angelegenheit noch nicht endgültig abgeschlossen sei und erst nach dem Krieg ihre Lösung finden werde. 52

Die Kriegsjahre Anfang Februar 1915 berichtete A. Finkelstein dem Kuratorium in Berlin, daß, sollte eine diesbezügliche Anweisung erfolgen, die unterste Altersklasse für Maschinenbau und Hoch- und Tiefbau den Unterricht sofort aufnehmen könnte. Der Lehrplan würde Arbeiten in der Werkstatt und Bauen sowie theoretischen Unterricht in Zeichnen, Rechnen, Materialienkunde und Werkstättenkunde umfassen. A. Finkelstein rechnete mit ca. zwölf Schülern im Mindestalter von sechzehn Jahren. Die Lehrer H. Rothschild und M. Eldodt53 müßten in diesem Fall jedoch aus Deutschland nach Haifa zurückkehren. 54 Botschafter Wangenheim hatte keine Bedenken gegen die Eröffnung des Schulbetriebs am Technikum. Einer amtlichen englischen Erklärung zufolge sollten Ortschaften wie Haifa als „offene Städte" nicht beschossen werden. Außerdem waren keine Störungen bei der Aufnahme des Unterrichts von Seiten zionistischer Kreise zu befürchten, da die jüdische Bevölkerung auf deutschen Schutz angewiesen war. Trotzdem hielt Wangenheim es für angemessen, das Technikum im Kleinbetrieb zu eröffnen und das vom Hilfsverein vorgesehene Lehrprogramm ohne Rücksicht auf den zuvor stattgefundenen Sprachenstreit durchzuführen. 55 Löytved-Hardegg maß auch nach Kriegsbeginn der deutschen Kulturpolitik große Bedeutung bei. Bereits im November 1914 hatte er auf die Bitte der türkischen Behörden in Damaskus die Eröffnung von deutschen Schulen in dieser Stadt angeregt. Er hatte damals vorgeschlagen, bei James Simon zu ermitteln, ob es nicht möglich sei, bis zur Eröffnung des Technikums in Haifa Dr. Alfons Finkelstein und zwei Meister aus Haifa mit der provisorischen Eröffnung einer technischen Lehranstalt in Damaskus zu betrauen. Löytved-Hardegg 52

Ebda. H. Rothschild war Maler und als Lehrer für Zeichnen am Technikum vorgesehen. Moritz Eldodt war in den Jahren 1913-1914 der Sekretär Dr. Finkelsteins. 54 Vgl. Botschafter Wangenheim an das Auswärtige Amt, 4. Februar 1915, A. A. VI B, Jüdisches technisches Institut in Haifa 1913-1923, Nr. 297, III d, 551. 55 Ebda. 53

Die Kriegsjahre

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hatte sich bereit erklärt, eine Eisenbahnwerkstätte als Lehrwerkstätte zur Verfügung zu stellen. „Bei der Bedeutung Damaskus' als politisches Zentrum und Eisenbahnknotenpunkt", schrieb er, „und bei der gegenwärtigen Schließung der Schulen der Feinde halte ich energische Einsetzung deutscher Kulturpolitik dort für sehr wünschenswert." 56 Das Auswärtige Amt hatte keine Bedenken gegen die Verlegung des Technikums in Haifa für die Kriegsdauer nach Damaskus, hielt es jedoch nicht für ratsam, ein neues Technikum in Damaskus zu gründen. Zur Vorbereitung späterer Schulgründungen erschien es dem Auswärtigen Amt als zweckmäßig, die Einrichtung von deutschen Sprachkursen für Erwachsene und die Erteilung des Deutschunterrichts an türkischen Schulen anzuregen. 57 Zu einer deutschen Gründung einer technischen Schule in Damaskus ist es nicht mehr gekommen. Auch zu der Möglichkeit eines Schulbeginns in Haifa noch vor Kriegsende verhielt sich der Hilfsverein negativ. A. Finkelstein wurde angewiesen, sämtlichen Angestellten zu kündigen. Er selbst wurde gebeten, bis nach der Versteigerung des Technikums in Haifa zu bleiben. James Simon hoffte, daß das Technikum, wenn es in das Eigentum des Hilfsvereins übergegangen sei, unter den Schutz des deutschen Konsuls in Haifa gestellt werden könnte. Es müsse danach auch für die Anstellung von Wachpersonal gesorgt werden. 58 Da das Technikum nicht eröffnet wurde, kehrte Dr. A. Finkelstein nach Deutschland zurück. Sabbetai Levi und H. Rothschild wurden gebeten, die Interessen des Technikums zu vertreten: der erste als Vertreter des Technikums gegenüber den türkischen Behörden, der zweite als Verwalter. Ende 1916 wurden die Technikumsgebäude vom deutschen Militär für diverse Zwecke benutzt, um im Frühjahr 1917 von den Türken zum Teil in ein Lazarett umgewandelt zu

^ Vgl. Löytved-Hardegg an die Botschaft in Konstantinopel, 25- November 1914, ISA, Schulsachen 1913-1915, A 111/24 II. Die Gefahr einer Beschießung Haifas vom Meer aus hätte natürlich ein zusätzliches Hindernis bei der Eröffnung des Technikums während des Krieges sein müssen. 5 7 Vgl. Unterstaatssekretär Zimmermann an den Botschafter in Konstantinopel, 19. Dezember 1914, A. A. VI B, Jüdisches technisches Institut in Haifa 1913-1923, III d 11504. 5 8 Vgl. James Simon an Dr. A. Finkelstein, 15. Februar 1915, A. A. VI B, Jüdisches technisches Institut in Haifa 1913-1923, Abschrift, III d 704.

218

XI. Nach dem Sturm, des Sprachenstreits

werden. 59 Im Juli 1918 wurden die beiden noch leerstehenden Gebäude des Technikums - die Maschinenhalle und das unfertige Hauptgebäude - von einem deutschen Depot-Regiment requiriert, da ein dringender Notstand hinsichtlich der Unterbringung des Regiments bestand. 60 Das Inventar des Technikums wie auch die Gebäude selbst konnten nicht unversehrt erhalten bleiben. Ein Teil des Inventars mußte sogar veräußert werden, um in den schweren Kriegsjahren den kargen Lebensunterhalt der am Technikum beschäftigten Personen zu decken. Auf jeden Fall waren bei Kriegsende die Gebäude in einem kläglichen Zustand.61 Im Laufe des Krieges hatte sich die Lage der Juden - wie auch die der anderen Bevölkerungsgruppen - zusehends verschlechtert. Die Aufhebung der Kapitulationen zu Beginn des Krieges und das wachsende Mißtrauen der türkischen Behörden den Juden gegenüber bedrohten die eigentliche Existenz der russischen Juden in Palästina, die ca. 30 000 Seelen zählten. Diese hatten nicht nur mit der materiellen Not zu kämpfen, sondern waren auch Schikanen und Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt. In dieser verzweifelten Lage waren es die deutschen Konsulate in Palästina, die den Juden beistanden und von diesen sogar als ihre inoffiziellen Vertretungen betrachtet wurden. Allerdings kam materielle Hilfe - Geld und Nahrungsmittel - vor

Vgl. Sabbetai Levi, Misichrcmotai, in: Joseph Nadewa, Haifa: Oliphant w'Hachason Hazioni, (hebr.), Universität Haifa, (ohne Datum), S. 78-175; Zeev Wilnai, Haifa Beawar Ubehowe, (hebr.), Tel Aviv 1936, S. 93 f. Siehe auch: A. Carmel, TheHistory of Haifa under Turkish Rule . . ., (hebr.), S. 190-197. Vgl. Das Deutsche Konsulat in Haifa, gezeichnet Hoffmann an Herrn Piciotto, Technikum in Haifa, 30. Juli 1918, TJNHA, Bd. 2. Als Vertreter des Technikums wurden in diesem Schreiben Herr Piciotto und Frau Rothschild erwähnt, letztere „als derzeitige einzige deutsche Bewohnerin des Technikums". Die schriftlich niedergelegten Umstände der Requirierung der Technikumsgebäude lassen ihren Zustand erkennen. Die Maschinenhalle war Zum Teil leer, die Laufkräne wurden hinter den Standort der Lokomobile geschafft, die Zimmer waren teilweise mit Materialien und Einrichtungsgegenständen angefüllt. Siehe Anm. 59Vgl. Konsul Dr. Brode, Jaffa, an Reichskanzler Bethmann Hollweg, Memorandum über den Zionismus und den Weltkrieg, Anlage I zu K 177300, 26. August 1915, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 7, K 177301-335. Die Konsulate nahmen zwischen den Juden Palästinas und den türkischen Behörden eine Vermittlerrolle ein. Den russischen Juden erteilten sie den Rat, die Ottomanisierung zu beantragen, und die Türken beeinflußten sie dahin, die Einbürgerungsanträge wohlwollend zu akzeptieren.

Die Kriegsjahre

219

allem aus den Vereinigten Staaten, wo sie von dem „American Jewish Committee" aufgebracht und durch amerikanische Kriegsschiffe an ihren Bestimmungsort gebracht wurden. 63 Die zionistischen Sympathien galten hauptsächlich den Entente-Mächten und vor allem Großbritannien, von dem die Errichtung einer jüdischen nationalen Heimstätte erhofft wurde. 64 In bezug auf das Technikum war es von Anfang an klar, daß der Ausgang des Krieges sein weiteres Schicksal entscheiden würde. 65

® Das amerikanische Kriegsschiff „Vulcan" überbrachte 1915 900 Tonnen Nahrungsmittel, die vom „American Jewish Committee" geschickt wurden. ^ Die „Balfour-Erklärung" wurde vom englischen Kabinett am 31. Oktober 1917 beschlossen und vom englischen Außenminister Lord Balfour am 2. November in einem Schreiben Lord Lionel de Rothschild mitgeteilt. Über die zukünftigen Beziehungen Zwischen den Zionisten und dem Hilfsverein schrieb Wilhelm Brode im Jahre 1915: „Die erste Kraftprobe beider Parteien wird sich nach dem Kriege an dem Schicksal des Haifaer Technikums messen . . ." Als Diplomat empfahl er: „Aber auch das Schicksal des Technikums ist eine Frage, die wir die Juden in erster Linie unter sich abmachen lassen sollen. Solange die Machtverhältnisse zwischen Zionisten und Nichtzionisten noch so ungeklärt wie bisher sind, tun wir gut, es mit keinem Teil Zu verderben und uns die Möglichkeit offen zu halten, beide Teile für unsere Zwecke dienstbar zu machen." Vgl. Konsul Dr. Brode (Jaffa), Geheime Bemerkungen zu dem Memorandum: Der Zionismus und der Weltkrieg (s. K 177301 ff.). Anlage II, 26. August 1915, A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd 7, K 177336346, S. 3 f.

ZWÖLFTES KAPITEL

Das Ende eines Anfangs

Das Technikum in der Nachkriegswirklichkeit Die mehr als vierhundertjährige türkische Herrschaft in Palästina war 1918 zu Ende gegangen. Am 31. Oktober 1917 wurde Be'er Schewa im Süden erobert, und am 9. Dezember zog General Allenby, der Oberbefehlshaber des englischen Expeditionskorps, in Jerusalem ein. Der nördliche Teil des Landes wurde erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1918 erobert. Am 23. September 1918 übergab der Haifaer Bürgermeister Hassan-Schukri General King die Herrschaft über die Stadt.1 Das Ende der türkischen Herrschaft und die Eroberung Palästinas durch Großbritannien bedeuteten gleichzeitig das Ende des besonderen deutschen Einflusses in diesem Land. Über die Zukunft Palästinas mußte noch entschieden werden, es war jedoch klar, daß Großbritannien die Oberhand behalten würde. Bis 1920 befand sich die Verwaltung des Landes in den Händen der „Occupied Enemy Territory Administration" (O. E. T. A.), welche zu diesem Zweck das AugustaVictoria-Gästehaus requirierte. Das englische Militärkommando bezog Stellung am Karmel.2 Die englische Militärverwaltung sah sich in den ersten zwei Jahren mit vielen Fragen der Sicherung der Versorgung und des Aufbaus der Verwaltung konfrontiert. Die jüdische Bevölkerung hoffte auf die Verwirklichung der „Balfour-Deklaration". 1919 setzte eine neue zionistische Einwanderungswelle aus Osteuropa ein. Im Land fehlte es noch an allem. Am 10. November 1918 wurden auch aus dem Technikum Vgl. Cyril Falls, TheGreat War, New York 1959, S. 394 ff. Vgl. Ya'acov Shavit (Ed.), The History of Eretz Israel. The British Mandate and the Jewish National Home, Vol. 9, Chebr.), Jerusalem 1982, S. 86 ff. 1

2

222

XII. Das Ende eines Anfangs

verschiedene Instrumente und Materialien für ein englisches Lazarett requiriert. 3 Die Verwaltung des Technikums in Haifa befand sich hauptsächlich in den Händen von Sabbetai Levi. Die Beziehungen zum Hilfsverein in Berlin waren nur sporadisch. Der Hilfsverein trug noch die volle juristische und moralische Verantwortung für das Institut, wußte jedoch, daß der militärische Zusammenbruch Deutschlands und der Ausgang des Krieges auch dem Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina ein Ende gesetzt hatten. Der Hilfsverein steuerte auf eine radikale Lösung zu.4 In der Zwischenzeit mußten die Technikumsgebäude so gut wie möglich verwaltet und die laufenden Zahlungen vorgenommen werden. Sabbetai Levi informierte den Hilfsverein über den Stand der Dinge. Am 5. Dezember 1919 überwies Dr. B. Kahn an Sabbetai Levi 100 Pfund für die Auszahlung von Gehältern. „Wir betonen aber", schrieb B. Kahn, „daß es uns nicht möglich sein wird, weitere Geldsendungen von hier aus zu machen." 5 Eine Lösung mußte gefunden werden.

Die Veräußerung des Technikums an die zionistische Bewegung 1919 fragte Jacob H. Schiff bei seinem Neffen, Professor M. Sobernheim, an, der Mitglied des Zentralkomitees des Hilfsvereins war, was aus dem Technikum in Haifa werden sollte, Sobernheim ließ Schiff wissen, daß der Hilfsverein bereit war, es für 500 000 Mark zu veräußern. 6 In einem Schreiben an den Richter Julian W. Mack vom 5. November 1919 erklärte sich Schiff bereit, das Technikum zu kaufen und es der Zionistischen Organisation zu übergeben. 7 Am 5. Januar 1920, in einem zweiten Schreiben an J . Mack, wiederholte

' Vgl. Jüdisches Technisches Institut in Haifa, Liste der an das English Military Hospital gelieferten Instrumente und Materialien, 10. November 1918, TJNHA, Bd. 2. 4 Vgl. Dr. B. Kahn an Sabbetai Levi, 5. Dezember 1919, TJNHA, Bd. 2. ' Ebda. B. Kahn bat um genaue Mitteilungen über gezahlte Gehälter in der Zeit von Sabbetai Levis Verwaltung. „Insbesondere bitten wir um Auskunft über die GehaltsZahlung an Herrn Rothschild." 6 Vgl. C. Adler, Jacob H. Schiff: His Life and Letters. . ., Bd. 2, S. 175. 7 Ebda. Schiff schrieb: „If it is correct, I am inclined to acquire the Technicum and turn it over to the Zionist Organisation, provided, it wants it and can put it to good and advantageous use." Zitiert nach C. Adler, ebda.

Die Veräußerung des Technikums

223

er seinen Vorschlag,8 zog diesen jedoch am 5. Februar 1920 zurück, als ihm klar wurde, daß die Zionistische Organisation es vorzog, mit dem Hilfsverein direkt zu verhandeln. 9 Der Verkauf des Technikums an die Zionistische Organisation wurde am 9. Februar 1920 abgeschlossen. Die Verhandlungen hatten im Hause James Simons in der Tiergartenstraße in Berlin stattgefunden, wobei James Simon und Paul Nathan den Hilfsverein vertraten und Professor Otto Warburg im Namen von Professor Chaim Weizmann als Repräsentant des Zionistischen Aktionskomitees erschienen war. Der Notar Felix Makower hatte sich zwecks Aufnahme dieser Verhandlungen in die Tiergartenstraße begeben. 10 Laut Vertrag wurden folgende Vereinbarungen getroffen: 1. Der Hilfsverein verkaufte an Professor Warburg alle Gegenstände und Rechte des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina", welche er auf Grund der Versteigerung vom 15. März 1915 erworben hatte. 2. Der Kaufpreis betrug 538042,01 Mark. 3. Der Hilfsverein verpflichtete sich, an Professor Warburg 167 548,21 Mark zugunsten des Jüdischen Nationalfonds, der Haifa Internat-Gesellschaft m.b.H., der Samuel-Strauss-Stiftung und des Stipendienfonds Haifa durch Übergabe von Wertpapieren zu erstatten. 4. Professor Warburg übernahm die Deckung der Auslagen beziehungsweise der Schulden des Hilfsvereins für die Verwaltung des Technikums seit Inbesitznahme durch die Engländer (bis zu einem Betrag von 150 000 Mark).

8

Ebda.

9 Ebda. Am 5. Februar 1920 schrieb Schiff an Julian W. Mack: „I should have preferred to make the purchase of the Technicum building personally as I originally put $ 100000 into that enterprise, and a personal purchase would have rounded this out more appropriately and satisfactorily to myself. However, I want to help the matter along and shall have no objection to having the Zionist Organisation buy it (I furnish the funds for the purpose of effectuating this) and you may accordingly cable to London, as proposed in your letter of this morning. I shall cable this evening to Doctor Simon: .Answering your cable have no objection your selling Technicum Zionist Organisation.'" Zitiert nach C. Adler, a. a. O., S. 176. Jacob H. Schiff starb am 25. September 1920. 10 Vgl. Erste Ausfertigung des Kaufvertrages vom 9- Februar 1920, Nr. 14 des Notariatsregisters für 1920, TJNHA, Bd. 2. Siehe DOKUMENTENANHANG L.

224

XII. Das Ende eines

Anfangs

5. Professor Warburg verpflichtete sich, bei seinem Auftraggeber dafür einzutreten, daß dieser die Forderungen von 100 000 Mark nebst Zinsen an die Türkei für Maschinenlieferungen übernehme. 6. Professor Warburg übernahm alle etwaigen Verpflichtungen gegenüber den in Haifa noch angestellten Beamten und für die sonstigen Dienstverpflichtungen des Hilfsvereins. Das Protokoll des Vertrages wurde von Otto Warburg, James Simon, Paul Nathan und Felix Makower unterschrieben. 11 Das Inventar des Technikums, welches vom Hilfsverein aufgestellt wurde, umfaßte Gegenstände im Werte von 266 500 Mark, welche noch bis zum Ende des Krieges vorhanden waren.12 Professor Warburg meinte, daß die übernommenen Maschinen und Materialien nicht einmal für den dreioder vierfachen Preis zu erwerben wären. 13 Er ersuchte Sabbetai Levi, an Ort und Stelle eine eigene Inventur vorzunehmen. Damit diese unabhängig durchgeführt werden konnte, wurde ihm die Inventarliste des Hilfsvereins nicht zugeschickt.14 Am Technikum in Haifa mußte auch die Übernahme organisiert werden. Professor Warburg bat Sabbetai Levi, die Verwaltung des Technikums weiterzuführen. 15 Verschiedene Angelegenheiten - auch

11

Ebda. Vgl. Aufstellung des Inventars des Technikums vom Hilfsverein der Deutschen Juden, ZZAJ, Z3/1570. Die Liste enthielt folgendes Inventar: 1 Dieselmotor 50 PS div. Büroinventarien 1 Glühkopfmotor 15 PS Bibliothek, wissenschaftliche Werke 1 Wolf-Lokomobile 25 PS Kataloge 1 Transmission 80 0 30-40 m lg. div. eiserne Bücherregale 2 Hill-Kupplungen div. Schulbänke 1 Transmission 50 0 30-40 m lg. div. halbfertige Zeichentische 1 Kupolofen 5 to. Leistung 1 Aktenhobelmaschine 1 Dampfpumpe 1 Abrichthobelmaschine 1 Dampfleitung 80 0 120 m lg. 1 Wandbohrmaschine 1 Luftleitung ca. 150 0 90 m lg. div. Ventilatoren 1 Schalttafel mit Schaltern 1 Späneabsauganlage div. Akkumulatorenplatten 1 kompl. Eisenmaschinenanlage 1 kleiner Transformator div. Handwerkszeug, Gartengerät u. dergl. div. Akkumulatoren-Glasgefäße div. Eisen, Schrott u. dergl. 13 Vgl. Otto Warburg an die „Zionist Commission" in Jerusalem, 16. März 1920, ZZAJ, Z 3/1570. 14 Ebda. 15 Ebda. 12

Die Veräußerung des Technikums

225

privater Natur - mußten geregelt werden. 1 6 Dr. Arthur Biram hielt es für richtig, im Namen des provisorischen Technikum-Komitees die nationale jüdische Leitung in Jerusalem zu befragen, wie das Komitee sich zu den türkischen Schulden beim Technikum für die während des Krieges verkauften Maschinen und Materialien verhalten solle. 1 7 Sabbetai Levi erläuterte in einem Schreiben an Professor Warburg, wie diese Verkäufe in den Jahren 1915 bis 1918 an die Verwaltung der Hedschas-Bahn in Damaskus getätigt worden war und wie diese Schulden entstanden waren. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß in den Büchern der Bahnverwaltung nur die Zahlungen an das Technikum gebucht waren, nicht aber der Wert der gelieferten Instrumente und Materialien. Infolgedessen weigerte sich die Bahn, die Forderungen des Technikums zu begleichen. 1 8 Iskander Kassab, der seinerzeit zu den Hauptverkäufern des Technikumsgrundstücks gehört hatte, wandte sich an den neu errichteten „Board of the Technical College" in Haifa mit der Forderung einer Nachzahlung von 12 350 Frs. Er belegte seine Ansprüche mit den Abschriften des Kaufvertrages von 1908, den Abrechnungen und seiner Korrespondenz mit den Vorstehern des Hilfsvereins und des Technikums. Sabbetai Levi, der inzwischen die Leitung der Verwaltung des Technikums niedergelegt hatte, meinte, daß die tatsächlich vorhandene Restforderung der Verkäufer durch die dem Hilfsverein entstandenen Mehrkosten infolge des nicht völlig erfüllten Kaufvertrages annulliert worden seien. Das Haifaer Komitee schloß sich dieser Meinung an, glaubte jedoch, Professor Warburg um Rat fragen zu müssen. 1 9 Auch die Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG. reklamierte bei Professor Warburg eine Reihe von Instrumenten und Materialien, welche noch vor Kriegsausbruch in Haifa zurückgelassen worden waren und nicht mehr ausfindig gemacht werden konnten. Nun war es nicht klar, wer dafür die Verantwortung tragen sollte, da nach Aussagen eines Angestellten des Technikums diese Gegenstände während der Abwesenheit Dr. Finkelsteins - er war damals in Damaskus - von ^ Ebda. Professor Warburg bezog sich auf Privateigentum der früheren Beamten des Technikums, wie Dr. Finkelstein und andere, die sich nicht mehr in Palästina aufhielten. 17

Vgl. Biram an das Abgeordneten-Komitee für EretZ Israel, Jerusalem, 9. August

1920, TfNHA, Bd. 2. 1 8 Vgl. Sabbetai Levi an Prof. Dr. O. Warburg, 10. August 1921, TfNHA, Bd. 10. 1 9 Vgl. The Board of the Technical College Haifa an Prof. Dr. O. Warburg, 31. Mai 1921, TJNHA, Bd. 2.

226

XII. Das Ende eines Anfangs

H. Rothschild an die deutschen Militärbehörden verkauft worden waren.20 Die vielen ungeklärten Fragen erforderten natürlich ständige Erkundigungen beim Hilfsverein in Berlin. Das Haifaer Komitee des Technikums wollte jedoch nicht in direkte Beziehungen zum Hilfsverein in Berlin treten und zog es vor, Professor Warburg auch weiterhin um Vermittlung zu bitten.21 Die dringendste Aufgabe der zionistischen Gremien, die das Technikum jetzt betreuten, sollte selbstverständlich die Eröffnung dieser Institution werden. Professor Warburg hatte gehofft, den Unterricht am Technikum in irgendeiner Form schon im Herbst 1920 aufnehmen zu können. Zu diesem Zweck traf er mit Dr. Finkelstein zusammen, um einen besseren Einblick in diese Angelegenheit zu gewinnen. Dr. Finkelstein sprach sich für eine stufenweise Inbetriebsetzung des Technikums aus, wie er sie selbst geplant hatte. Es müßte zunächst mit der Ausbildung von Lehrlingen begonnen werden, welche drei Jahre dauern sollte und die Altersgruppen zwischen sechzehn und neunzehn Jahren umfassen würde. Demnach sollten die Schüler ihr Studium am Technikum im Alter von neunzehn Jahren beginnen. Als Unterrichtssprachen kämen Englisch und Hebräisch in Betracht. Professor Warburg glaubte nicht, daß sich ein Lehrerproblem ergeben könnte. H. Rothschild und Ing. Max Hecker wären geeignete Kandidaten, obwohl anzunehmen sei, daß man Hecker mit verantwortlicheren Aufgaben betrauen würde. Er beabsichtigte, auch mit Ing. Gedalia Wilbuschewitz die Möglichkeit eines Lehrauftrags zu erörtern, da nach Meinung Dr. Finkelsteins für die praktische Ausbildung in den Werkstätten ein Ingenieurbüro eingerichtet werden müßte.22 Die finanziellen Fragen ließ Professor Warburg allerdings noch offen. Er ahnte damals noch nicht, welch zahlreiche Hindernisse der Eröffnung des Technikums diesbezüglich noch im Wege stehen würden.

20

Vgl. Das Provisorische Haifaer Komitee des Technikums in Haifa an Prof. O.

Warburg, 8. August 1921, TJNHA, Bd. 10. 21

Ebda.

22

Vgl. Otto Warburg an die Zionist Commission Jerusalem, 16. März 1920, ZZAJ,

Z 3/1570.

DREIZEHNTES KAPITEL

Ausblick

Am 26. April 1920 fand in Haifa die formelle Übergabe der Technikumsgebäude an die Zionistische Organisation statt.1 Sabbetai Levi vertrat den „Hilfsverein der Deutschen Juden" und Dipl.-Ing. Max Hecker die „Zionist Commission" für Palästina, die ihren Sitz in Jerusalem hatte. In Haifa wurde ein provisorisches Technikum-Komitee gebildet, welches zeitweise die Angelegenheiten des Technikums verwalten sollte. Das Komitee leistete erhebliche Arbeit, um die Bauten auf dem Technikumsgelände instand zu setzen, hatte jedoch keine Möglichkeit - und wahrscheinlich auch keine Befugnisse - , irgendwelche entscheidenden Schritte zur Eröffnung des Instituts zu unternehmen. Der Übergang des Technikums in das Eigentum der Zionistischen Organisation bedeutete noch lange nicht die Schaffung der Bedingungen, welche für die Inbetriebnahme dieser Institution notwendig waren. Das Technikum stand nun nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit der zionistischen Welt, wie dies zur Zeit des Sprachenkriegs der Fall gewesen war. Die zionistische Bewegung sah sich vor mannigfaltige Aufgaben politischer und praktischer Natur gestellt, und das Technikum schien seinen symbolischen Platz im nationalen Kampf schon längst eingebüßt zu haben. Auch war nun offensichtlich, daß man der Gründung einer hebräischen Universität in Jerusalem weit größere Bedeutung beimaß als dem Technikum. Zwar bekundeten Professor Otto Warburg, Professor Chaim Weizmann und Dr. Menahem Ussischkin2 auch weiterhin ihr großes 1

Vgl. TJNHA, Bd. 6. Dr. Menahem Ussischkin (1863-1941) gehörte zu den prominentesten Zionistenführern Rußlands. 1889 hatte er seine Ingenieurstudien in Moskau absolviert Obwohl 2

228

XIII.

Ausblick

Interesse an der technischen Schule in Haifa, es war jedoch eindeutig, daß die Zionistische Exekutive in dieser Sache zu entscheiden haben werde. Durch den Beschluß des Völkerbundes vom 24. Juli 1922 wurde das britische Mandat über Palästina bestätigt. Dieser Beschluß war auch für die endgültige Verlegung der zionistischen Leitung nach England entscheidend. Von London aus sollte von nun an auch über das Schicksal des Technikums entschieden werden. Nachdem zwei Zionistenkongresse - der zwölfte (Karlsbad, September 1921) und der dreizehnte (Karlsbad, August 1923) - die Frage des Technikums auf die Tagesordnung gesetzt hatten, 3 wurde in London der Beschluß gefaßt, einen „Board of Governors" und einen „Board of Trustees" einzusetzen, welche die Aufgabe übernehmen sollten, die notwendigen finanziellen Mittel für das Technikum aufzubringen. In Palästina sollte ein „Palestine Committee of Management" gegründet werden, das für die laufenden Angelegenheiten des Technikums zuständig sein sollte.4 Da sämtliche Beschlüsse in London und Jerusalem keine große Hoffnung auf eine angemessene Finanzierung des Technikums erweckten, beschloß das provisorische Haifaer Komitee, nun selbst die Initiative zu ergreifen. Max Hecker erklärte sich im Sommer 1922 bereit, nach Berlin zu reisen, um in Deutschland und in weiteren Ländern des deutschsprachigen Raums - hauptsächlich in jüdischen Kreisen - Geld, Ausrüstung und Einrichtung für das Technikum aufzubringen. 5 Es war zwar nicht zu erwarten, daß solch eine Aktion eine geregelte Finanzierung ersetzen konnte, sie sollte jedoch die Aufgabe haben, die Vorbereitungen zur Eröffnung des Technikums zu beschleunigen und diese im Herbst 1923 zu ermöglichen.6

er später als Ingenieur nie tätig gewesen war, maß er dem Technikum große Bedeutung bei. 3 Der XII. Zionisten Kongreß in Karlsbad 1921, Berlin 1922, S. 121 f.; Stenographisches Protokoll der Verhandlungen des XIII. Zionisten-Kongresses in Karlsbad 1923, London 1924, passim. 4 Der Beschluß wurde von der Jewish Colonisation Association der Anglo-Jewish Association und von Vertretern der Zionistischen Exekutive gefaßt. 5 Vgl. Dipl.-Ing. M. Hecker, Eine erfolgreiche Aktion, Jerusalem-Berlin, (Manuskript ohne Datum), TJNHA, Bd. 6. ^ In verschiedenen Briefen und Rundschreiben bemerkte M. Hecker, daß im Herbst 1923 der Unterricht am Haifaer Technikum beginnen werde.

Ausblick

229

Das Institut wurde auch 1923 nicht eröffnet. Max Hecker befand sich bis April 1924 in Deutschland. Seine umfassende Tätigkeit fand in einer großen Anzahl von Schriften, Rundschreiben und Briefen ihren Ausdruck. 7 „Die Zionistische Organisation", schrieb Hecker, „die Eigentümerin des Bodens und der Gebäude ist, hat Betrieb und Unterhaltung der Anstalt einer neugegründeten Gesellschaft, dem .Haifa Technical Institute', übergeben." 8 Ferner: „Die neue Gesellschaft hat sich erst vor einigen Monaten in London konstituiert und ist jetzt dabei, eine Werbetätigkeit in größerem Umfang vorzubereiten. In diesem Vorstadium ihrer Entwicklung stehen der Gesellschaft natürlich erst beschränkte Mittel zur Verfügung . . . Der Beginn einer fruchtbaren Tätigkeit hängt davon ab, daß ein gewisser Grundstock an Einrichtung und Lehrmaterial zur Verfügung steht, die den Unterricht gegenständlich und anschaulich gestalten sollen." 9 Max Hecker wandte sich an Industrielle und Kaufleute und interessierte jüdische Gruppen an verschiedenen Orten, um die Geldmittel aufzubringen, die zum Ankauf von Ausstattung und Einrichtung erforderlich waren. 10 Er regte den „Verband Jüdischer Ingenieure für den technischen Aufbau Palästinas" an, ein Rundschreiben an zionistische Fachkollegen und Mitglieder zu senden, um sie zur Beteiligung an der Sammelaktion zur Unterstützung des Technikums aufzurufen. 11 Er erwog die Möglichkeit, bei der „Technischen Lehrmittelanstalt" in Charlottenburg Lehrmittel, Modelle und Apparate zu bestellen, und bat darüber um nähere Angaben. 12 Mit Direktor Stolzenberg von der städtischen Gewerbeschule Charlottenburg trat er in Kontakt, um bei ihm Rat für Maschinenbestellungen einzuholen. 13 Mit Ing. Majerczik, Professor Rambuschek und Dr.-Ing. Orenstein hielt er Besprechungen über die Neueinrichtung des Technikums ab. 1 4

Vgl. TJNHA, Nachlaß Hecker. Vgl. M. Hecker, Eine erfolgreiche Aktion . . ., TJNHA, Bd. 6. 9 Ebda. 10 Ebda. 1 1 Vgl. Verband Jüdischer Ingenieure für den technischen Aufbau Palästinas, (Rundschreiben), Berlin, Februar 1923, TJNHA, Bd. 2. 1 2 Vgl. Dipl.-Ing. M. Hecker an die Technische Lehrmittelanstalt, Charlottenburg, 8. Januar 1923, TJNHA, Bd. 6. 1 3 Vgl. Direktor Stolzenberg, Städtische Gewerbeschule Charlottenburg an M. Hekker, 19. Februar 1923, TJNHA, Bd. 6. 1 4 Vgl. Bericht über die Besprechung vom 16. April 1923, TJNHA, Bd. 6. 7 8

230

XIII. Ausblick

Die Sammelaktion Heckers hatte großen Erfolg. Der Inhaber eines Maschinenkonzerns in Berlin und der Leiter einer Düsseldorfer Fabrik schenkten jeder eine Anzahl von Werkzeugmaschinen für die mechanische Werkstätte. Eine ähnliche Schenkung stammte vom Generaldirektor eines tschechoslowakischen Eisenwerks, der außerdem noch den gesamten Eisenbedarf der Werkstätten zur Verfügung stellte. Der Leiter eines Kupferwerks spendete den Bedarf an Messing und Kupfer sowie das Leitungsmaterial für die elektrische Anlage. Von verschiedenen Seiten wurden Motoren, Pumpen, Einrichtungsteile, Holz und andere Materialien geschenkt. Aus Chemnitz kam die Einrichtung für den physikalischen Unterricht und aus Berlin und Hamburg die entsprechende Einrichtung für ein chemisches Laboratorium. Außerdem wurden zahlreiche Beiträge für die Lehrmittelsammlung geleistet und einzelne Geldbeträge zur Verfügung gestellt, um Lücken in der Einrichtung ausfüllen zu helfen. Beachtenswert war die Tatsache, daß der größte Teil der Materialspenden und auch zahlreiche Geldbeträge von nichtzionistischer Seite stammten, wobei manche Schenkungen auch aus nichtjüdischen Kreisen kamen. 15 Max Hecker hielt es für wichtig, ein „Deutsches Komitee für das Technische Institut in Haifa" zu gründen. Das Komitee sollte für besondere Vergünstigungen bei Lieferanten sorgen, Industriebetriebe veranlassen, dem Institut aus ihrem Arbeitsbereich geeignete Gegenstände als Lehrmittel zu überlassen, und sich bei den zuständigen Behörden für die Befreiung von Ausfuhrzöllen einsetzen. Die Aufgabe des Komitees sollte sich hauptsächlich auf den Einfluß der in ihm vertretenen „klangvollen Namen" beschränken.1^ Bereits am 30. Januar 1923 wandte sich M. Hecker in einem Rundschreiben an die zionistischen Ortsgruppen Deutschlands, um durch diese einen Überblick über die in Frage kommenden Kreise zu gewinnen. 17 Gegen Ende des Jahres 1923 wurden die Einladungen zur Gründung des Komitees von Direktor Siegmund Hirsch verschickt. Da Professor Albert Einstein, der eingewilligt hatte, den Vorsitz des Komitees zu übernehmen, abwesend war, wurde Siegmund Hirsch gebeten, die Einladungen zu

15

Vgl. M. Hecker, Eine erfolgreiche Aktion . . ., TJNHA, Bd. 6. ^ Vgl. Max Hecker, Aufgaben des „deutschen Komitees für das Technische Institut in Haifa", (ohne Datum), TJNHA, Bd. 6. 17 Vgl. M. Hecker an die zionistischen Ortsgruppen Deutschlands, Rundschreiben vom 30. Januar 1923, TJNHA, Bd. 6.

Ausblick

231

unterzeichnen. 18 James Simon wurde ebenfalls eingeladen, dem Komitee beizutreten, lehnte dies jedoch in einem Schreiben an M. Hekker vom 28. Dezember ab. 1 9 Auch ein Versuch Heckers, ihn zu einem entsprechenden Beitrag zur Förderung der ästhetischen Erziehung am Technikum zu bewegen, wurde von ihm zurückgewiesen. 20 Die Tätigkeit Heckers, ein „Deutsches Komitee für das Technische Institut in Haifa" zu gründen, scheint als Beispiel auch auf Arthur Blok, der dem Board of Governors des Instituts in London angehörte, gewirkt zu haben. „Ich freue mich", schrieb ihm Max Hecker am 3. April 1924 aus Königsberg, „daß Sie bereits Schritte unternommen haben, um eine größere Aktion zur Werbung von Mitgliedern und Aufbringung von Mitteln in England einzuleiten. Ich halte diese Arbeit für eine der wichtigsten Grundlagen unseres Werkes." 21 Max Hecker war nicht bestrebt, aus dem „Haifa Technical Institute" eine technische Hochschule zu machen. Die Aufgabe des Instituts sah er in der Ausbildung von Technikern und technischen Hilfskräften. „Ich betone", schrieb Hecker, „den letzten Ausdruck, denn nur Verkennung der tatsächlichen Realitäten und Bedingungen könnte daran denken, der Anstalt den Charakter einer technischen Hochschule zu geben, mit der Aufgabe, auf der höchsten Stufe stehende Ingenieure und Techniker zu erziehen." Und ferner: „Was hier viel dringender und in weit größerer Anzahl benötigt wird, sind technische Hilfskräfte mittleren und niederen Grades. Hierher sind im Wesentlichen die drei folgenden Kategorien zu rechnen: 1. Techniker, Ingenieurgehilfen und Baumeister; 2. Werkmeister, Polierer und Vorarbeiter; 3. Handwerker und Arbeiter technischer Berufe." 2 2 Das Institut sollte in drei Abteilungen gegliedert werden: in Hochbau, Tiefbau und Maschinentechnik. Bei der letzten Abteilung sollte die Elektrotechnik besonders berücksichtigt werden. 23 Das erste Semester begann im Dezember 1924. Die feierliche Eröffnung fand am 9. Februar 1925 in Gegenwart von Sir Alfred Mond,

1 8 Vgl. M. Hecker an Direktor Siegmund Hirsch, 18. November 1923, TJNHA, Bd. 6. Albert Einstein hatte 1923 Haifa besucht und die Technikumsgebäude besichtigt. 1 9 Vgl. M. Hecker an James Simon, 14. Januar 1924, TJNHA, Bd. 6. 2 0 Vgl. James Simon an Max Hecker, 15. Januar 1924, TJNHA, Bd. 6. 2 1 Vgl. M. Hecker an Arthur Blok, 3. April 1934, TJNHA, Bd. 6. 2 2 Vgl. Das Jüdische Technikum in Haifa, verfaßt von Dipl.-Ing. Max Hecker, im Auftrage des Haifa-Komitees für Angelegenheiten des Technikums, 1923, S. 5. 23 A. a. O., S. 9-

232

XIII. Ausblick

dem späteren Lord Melchet, der zum ersten Vorsitzenden des Board of Governors gewählt worden war, und anderen Prominenten statt. Im Namen der zionistischen Bewegung eröffnete Menahem Ussischkin das Institut und hob hervor, daß es „das erste nicht nur in Palästina, sondern im ganzen nahen Osten sei".24 Sieben Dozenten in Hauptfächern und neun in nebenberuflichen Fächern lehrten in den ersten Jahren. Von den Dozenten in den Hauptfächern kamen einer aus Rußland, einer aus der Schweiz, einer aus Österreich und vier aus Deutschland. Zum ersten Direktor wurde von der englischen Exekutive Arthur Blok berufen. 25 Dieser hatte die Aufgabe, die Institution vorerst als bescheidene Fachschule zu leiten. Ihm sollte nach einem Jahr, das heißt 1925, entsprechend einer vorherigen Vereinbarung, Max Hecker folgen. Die Leitung des Technions - wie das Institut auf Hebräisch seitdem genannt wurde - wie auch das Lehrerkollegium waren bestrebt, den Lehrstoff den Bedürfnissen des Landes anzupassen. Grundsätzlich war aber das Lehrprogramm nach dem Vorbild der deutschen Technischen Schulen dieser Art aufgebaut.2^ Die offizielle Unterrichtssprache war Hebräisch. Nicht alle Dozenten beherrschten jedoch die hebräische Sprache. Arthur Blok, der aus England kam, sprach Englisch. Alexander Baerwald hatte nie Hebräisch gelernt, und der Chemiker Professor Iiioff lehrte in einer ihm eigenen Mischung aus Hebräisch und Russisch. Max Hecker hatte während seiner Amtszeit als Direktor des Technions mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er warf der zionistischen Exekutive in London vor, der von ihr übernommenen finanziellen Verantwortung für das Technion nicht gerecht zu werden. In Haifa sah er sich im Technion einer stets wachsenden Opposition gegenüber, da sowohl von den Dozenten als auch von den Studenten die Forderung erhoben wurde, aus dem Technion eine Technische Hochschule zu machen. Dies aber widersprach den Absichten Heckers, der im Sinne des noch vor dem Krieg geplanten Technikums für die Ausbildung von technischen Fachkräften

24

Vgl. Inauguration of Haifa Technical Institute, 9th February 1925, TJNHA, Bd. 12-

24. 25

Arthur Blok (1882-1974) hielt sich nur ein Jahr lang in Palästina auf. Vgl. Auszug aus dem Programm des-Hebräischen Technikums in Haifa, (1925), TJNHA, Bd. 12-24. 2(l

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mittleren Grades eintrat. 1927 gab Hecker seinen Rücktritt von der Leitung des Technions bekannt. Er verließ die Institution für immer, um sich bis zu seinem Ruhestand den praktischen technischen Aufgaben seines Landes zu widmen, zuerst in Haifa und anschließend in Jerusalem, wo er den Posten eines Stadtingenieurs bekleidete. Er starb 1964 im Alter von 85 Jahren. 2 7 Die Jahre nach dem Rücktritt Heckers erwiesen sich als besonders kritisch. Fast unlösbar schien die finanzielle Lage des Technions. Es fehlte an einer beständigen Leitung. Verhandlungen mit den zionistischen Gremien waren ununterbrochen im Gange. Auch das Lehrerkollegium war von der Krisenstimmung beherrscht. Doch trotz der prekären finanziellen Situation trat es für die Akademisierung der Institution ein. 28 Ende 1931 wurde Dipl.-Ing. Schlomo Kaplansky zum Direktor des Technions berufen. Er wurde 1884 in Bialystok, Rußland, geboren und hatte an der Technischen Hochschule in Wien Maschinenbau studiert. Da er sich hauptsächlich der zionistischen Aktivität widmete, übte er seinen Beruf als Ingenieur nie aus. Bereits 1912 ließ er sich in Palästina nieder, kehrte 1913 im Auftrage der zionistischen Bewegung nach Europa zurück und wanderte erst nach dem Ersten Weltkrieg endgültig in Palästina ein, wo er zu den Mitgliedern der zionistischen Exekutive gehörte. 29 Nachdem es Kaplansky gelungen war, für die dringendsten finanziellen Probleme eine zeitweilige Lösung zu finden - wobei das Lehrerkollegium und das Verwaltungspersonal sich bereit erklärten, für die Dauer eines Jahres auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten 30 - , konnte er sich der inneren Gesundung der Institution widmen. Er befürwortete die Entwicklung des Technions zur technischen Hochschule und erweckte dadurch bei Lehrern wie auch bei den Studenten neue Hoffnungen und einen größeren Elan. 31

2 7 Vgl. Max Hecker, Bekenntnisse anläßlich seines 75. Geburtstages, (hebr.), 1954, TJNHA, Bd. 6. Georg Herlitz, Zum Gedenken an Max Mordechai Hecker, M. B.-Blatt, 10. Juli 1964, TJNHA, Bd. 5. 2 8 Vgl. C. Alpert, Technion. The Story ofIsraels Institute of Technology. . ., S. 133162. Vgl. Mendel Singer, Schlomo Kaplansky. Chajaw upoalö [Schi. K. Sein Leben und Werk], Jerusalem 1971, Bd. 1 u. 2, (hebr.), passim. 3 0 Vgl. Schreiben der Lehrer und Angestellten an den Vorstand des Technions, 22. November 1931, (hebr.), TJNHA, Bd. 1301. 3 1 Vgl. M. Singer, Schlomo Kaplansky. . ., Bd. 2, (hebr.), S. 171 f.

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XIII. Ausblick

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland am 30. Januar 1933 veranlaßte eine große Anzahl von deutschen Juden, die Auswanderung aus Deutschland in Erwägung zu ziehen. Unzählige Briefe von jüdischen Studenten erreichten das Technion mit der Bitte um Auskunft über Studienmöglichkeiten. Deutsch-jüdische Wissenschaftler - Professoren, Dozenten und Assistenten - wurden von ihren Hochschulen entlassen und konnten ihre wissenschaftliche Arbeit in Deutschland nicht fortsetzen. Eine noch nie dagewesene Gelegenheit - wenn auch auf äußerst tragische Weise - bot sich damit, Wissenschaftler ersten Ranges für das Technion zu gewinnen. Einen ersten Vorschlag in dieser Richtung unterbreitete bereits 1933 der Dresdener Physiker H. Dember. Sein Konzept sandte er an Professor Schwarz von der „Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland" nach Zürich. In dem Entwurf nannte Dember eine Reihe von deutsch-jüdischen Hochschullehrern, die seines Erachtens für eine Anstellung am Technion in Frage kämen. Über einige wußte er, daß sie schon mit der Leitung des Technions in Verhandlungen standen. Der Vorschlag Dembers bezog sich auf die für das Technion wichtigen Fachbereiche der technischen Wissenschaften wie das Maschinen-Ingenieurwesen, die Elektrotechnik, Chemie und Architektur, aber auch auf wissenschaftliche Fächer wie Mathematik und Naturwissenschaften (Reine Mathematik, Darstellende Geometrie und Angewandte Mathematik, Physik und technische Physik, technische Mechanik, technische Thermodynamik, Materialprüfung, Geodäsie, Vermessungskunde und Katasterkunde, Botanik, Spezielle Technologie und Faserstoffe, Mineralogie und Geologie) sowie auf allgemeine, für technische Fachbereiche aber wichtige Wissenschaften wie Nationalökonomie, Wirtschaftsgeographie, Patentrecht, Arbeitsrecht und Sprachen. 32 Für die am Technion bereits bestehenden Fachbereiche hielt er folgende Professoren und Dozenten für geeignet: - Prof. Dr.-Ing. E. Schwerin von der TH Berlin, Prof. Hohenemser von der Universität Göttingen und Dr.-Ing. Luftschütz von der TH Dresden für die Elastizitäts- und Festigkeitslehre; - Prof. Fritz Frank, Prof. Hermann Großmann und Dipl.-Ing. M. Kaplan (bei Prof. Muthesius), alle drei von der TH Berlin, sowie Prof. Dr. Berl von der TH Darmstadt für Technologie, Metallurgie und Physikalische Chemie; 32 Vgl. „Vorschlag Dember" an die Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland, TJNHA, Bd. 1301.

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- Prof. Dr. Martin Igel, Prof. Dr. Max Kurrein, Prof. Dr.-Ing. Georg Schlesinger, Dr.-Ing. S. Ledermann, alle vier von der TH Berlin, sowie Dipl.-Ing. Feist von der Ing.-Schule Mannheim für mechanische Technologie, Werkzeugmaschinen und Maschinenbau; - Prof. Salinger von der TH Berlin und Prof. J. Hermann von der TH Stuttgart für Elektrotechnik; - Privatdozent Dr. E. Alexander von der Universität Freiburg und Prof. H. Dember, also sich selbst, für Physik und Thermodynamik; - Architekt Erich Mendelsohn und Dr.-Ing. Leo Adler, beide aus Berlin, für Architektur; - Prof. Karl Mautner von der TH Aachen und Dr.-Ing. Hajnal-Konyi aus Darmstadt (bei Professor Kleinlögel) für Hoch- und Tiefbau, Eisenbeton und Baukonstruktionen.33 Professor Guido Zerkowitz verhielt sich dem „Vorschlag Dember" gegenüber einigermaßen kritisch. Er fand, daß das Konzept zu sehr auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten war und die technischen Fachbereiche vom Standpunkt eines Physikers betrachtete.34 Für Palästina - so Zerkowitz - müsse der Leitgedanke darin bestehen, Ingenieure auszubilden, die über einen guten allgemeinen technischen Überblick verfügen und in der Lage sind, sich schnell von einem Gebiet auf ein anderes umzustellen. Die Ausbildung von Spezialisten käme daher erst in zweiter Linie in Frage. Die schwerwiegendsten Einwände hatte er auf den Gebieten des Maschinen-Ingenieurwesens und der Elektrotechnik zu machen. Erstens fehlte im „Vorschlag Dember" das grundlegendste Fach für den Maschinen- und Elektroingenieur, nämlich Maschinenelemente, und zweitens war dem Kraftmaschinenbau zu viel Platz eingeräumt, obwohl Zerkowitz einsah, daß die Kraftmaschinen für den Konstruktionsunterricht einen besonderen Lehrwert hatten. Er fand, daß andere, für Palästina äußerst wichtige Gebiete, bei Dember zu kurz gekommen waren. Zu diesen gehörten vor allem Pumpen- insbesondere für Bewässerungsanlagen - , Ventilatoren, Lüftungstechnik, Kompressoren,

Ebda. Guido Zerkowitz kannte Prof. Dember noch aus seiner Dresdener Assistentenzeit und wußte ihn als Physiker sehr zu schätzen. Zerkowitz selbst war vor allem auf dem Gebiet des Maschinenbaus und seiner Nachbargebiete bewandert. Vgl. Prof. G. Zerkowitz an Prof. Schwarz von der „Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland" in Zürich, 9- Oktober 1933, TJNHA, Bd. 1301. 33

34

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XIII. Ausblick

Kältetechnik - hauptsächlich für Schlachthöfe und Lebensmittelkonservierung Transport- und Verkehrsmaschinen. 35 In bezug auf Professoren und Dozenten sah Zerkowitz in Prof. Georg Schlesinger den denkbar geeignetsten Vertreter für die mechanische Technologie und die Werkzeugmaschinen. Prof. Max Kurrein hatte ebenfalls auf diesen Gebieten gearbeitet, konnte aber ohne weiteres auch Maschinenelemente und Lasthebemaschinen lehren. In Prof. Edwin Schwerin sah Zerkowitz einen ausgezeichneten Vertreter der technischen Mechanik. Prof. Igel käme für Verkehrsmaschinen in Frage, konnte aber auch Kolbendampfmaschinen übernehmen. Sich selbst schlug Zerkowitz für einige Gebiete des Maschinen-Ingenieurwesens vor. Zusätzlich erwähnte G. Zerkowitz Prof. Hopf aus Aachen für Mathematik, Prof. Erich Marx aus Leipzig für Radiotechnik und Privat-Dozent Dr. Erich Herlinger aus Berlin für Mineralogie und Geologie. 36 Schlomo Kaplansky entfaltete eine fieberhafte Aktivität. Er wandte sich an Professor Albert Einstein, der bereits am „Institute for Advanced Study" der Princeton University seine wissenschaftliche Tätigkeit aufgenommen hatte, um dessen Intervention beim „Central British Fund for German Jewry" zugunsten des Technions zu erreichen. 37 Am 28. September 1933 schrieb Albert Einstein an das Allocation Committee des britischen Hilfskomitees: „I can only say that this is a great opportunity of creating in Palestine an important centre of Jewish technical science. I therefore earnestly appeal to your Committee to give its wholehearted support to the Technion und enable it to save for Palestine some of the best Jewish technical brains." In einem in deutscher Sprache geschriebenen Satz bemerkte er: „Ich möchte hinzufügen, daß meine Informationen über die Leitung und die Leistungen des Technions stets günstig lauteten." 38 Im Herbst 1934 wurden erste Ergebnisse erzielt. Am 27. September 1934 konnte Schlomo Kaplansky Professor Einstein mitteilen, daß die

3 5 Vgl. Prof. G. Zerkowitz an Prof. Schwarz, Anlage vom 9. 10. 1933, TJNHA, Bd. 1301. 36 Ebda. 3 7 Vgl. Schlomo Kaplansky an Prof. Albert Einstein, September 1933, Technion, The Central Archives, Bd. Einstein. Siehe DOKUMENTENANHANG M. 3 8 Vgl. Prof. Albert Einstein an das Allocation Committee des „Central British Fund for German Jewry", September 1933, Technion, The Central Archives, Bd. Einstein.

Siehe DOKUMENTENANHANG M.

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Professoren Max Kurrein und Edwin Schwerin, Dipl.-Ing. J. HaberSchaim, Dr.-Ing. Henri Marcus und Dr. Fritz Naphtali der Ernennung durch das Technion zugestimmt hatten. 39 Prof. Georg Schlesinger zog es vor, nach neunmonatiger Inhaftierung in Deutschland über Zürich und Brüssel nach England zu gehen, wo er später, wie bereits erwähnt, am Loughborough College in Leicestershire die industrielle Produktionsforschung leitete.40 Erich Mendelsohn emigrierte 1933 über Holland nach England, wo er zusammen mit Serge Chermayeff in London ein Architekturbüro eröffnete. Ein Jahr später richtete er ein zweites Büro in Jerusalem ein. Die Aufträge in Palästina ermöglichten ihm, bemerkenswerte Bauten in Jerusalem, Rehowot und Haifa zu errichten. Zu einer akademischen Laufbahn am Technion kam es jedoch nicht. Obwohl er 1937 die britische Staatsangehörigkeit erhalten hatte, beschloß er, sich 1939 in Palästina niederzulassen, in der Hoffnung, hier seine Heimat zu finden und eine erfolgreiche Architektentätigkeit zu entfalten. Enttäuschungen aller Art führten ihn jedoch zu dem Entschluß, 1941 in die Vereinigten Staaten auszuwandern. Er starb 1953 in San Francisco.41 Professor Max Kurrein wurde 1878 in Linz geboren. Er hatte an der TH Prag studiert und dort auch promoviert. Von 1911 an war er der Chef-Ingenieur am Forschungsinstitut für Werkzeugmaschinen bei Prof. Schlesinger an der TH Charlottenburg. 1913 wurde er zum Privatdozenten und 1921 zum außerordentlichen Professor an der TH Berlin ernannt. An Schlomo Kaplansky schrieb er: „Die szt. Entwicklung des Technions durch Professor Schlesinger kenne ich sehr genau und wundere mich nicht, daß die Entwicklung andere Wege gegangen ist. Man hat, sowie ich die Aufgaben des jüdischen Palästinas verfolgt habe, damals von falschen Gesichtspunkten aus, die ich schriftlich nicht näher bezeichnen möchte, den Aufbau durchführen wollen, ohne die tatsächlichen Notwendigkeiten des Landes zu berücksichtigen." Und ferner: „Ich würde deshalb auch für richtig halten, die Werkstättenleitung zur Ausbildung der jungen Leute und zur Herstellung der Betriebsmittel mit der Technologie und der Betriebstechnik theoretisch und praktisch zusammenzufassen."

" Vgl. Schlomo Kaplansky an Prof. Albert Einstein, 27. September 1934, Technion, The Central Archives, Bd. Einstein. Siehe DOKUMENTENANHANG M. 40 Siehe SIEBENTOS KAPITEL. 41 Vgl. Erich Mendelsohn in Palestine. Catalog, Faculty of Architecture and Town Planning, Technion - Israel Institute of Technology, Haifa 1987.

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XIII. Ausblick

Professor Edwin Schwerin hatte mit Auszeichnung seine Doktorwürde an der TH Charlottenburg erworben. Nach einiger Zeit als Privatdozent wurde er 1926 zum außerordentlichen Professor ernannt. Dr. Fritz Naphtali hatte Volkswirtschaft in Berlin studiert und wurde zum Dozenten für dieses Fach an das Technion berufen. 42 1935 wanderte der Architekt Alexander Klein in Palästina ein und schloß sich dem Lehrerkollegium des Technions an. Er hatte an der Technischen Hochschule in St. Petersburg Architektur studiert und lebte seit 1921 in Berlin. Er gehörte dem Bund Deutscher Architekten und dem Architekten- und Ingenieur-Verein Berlin an. Verschiedentlich hielt er Vorträge in einzelnen Seminaren an der TH Berlin und veröffentlichte zahlreiche Beiträge über Wohnungs- und Städtebau. 43 Prof. Franz Ollendorf schloß sich 1937 dem Technion an. Seit 1922 war er Oberassistent bei Prof. Roessler in Danzig. 1924 trat er in die Forschungsabteilung der Siemens-Schuckert-Werke in Berlin ein. In den Jahren 1928 bis 1933 war er erster Assistent und Privatdozent an der elektrotechnischen Fakultät der TH Berlin.44 Als einer der letzten Wissenschaftler aus Deutschland schloß sich 1938 Professor Guido Zerkowitz dem Technion an. Am Ende der dreißiger Jahre war die Entwicklung des Technions zur technischen Hochschule endgültig abgeschlossen.

42

Vgl. Technion, The Central Archives, Personal-Akte. Ebda. 44 Ebda. 43

ZUSAMMENFASSUNG Die Gründung des Technions in Haifa kann mit keinem anderen Unternehmen dieser Art verglichen werden. Die Initiative dafür ging von keiner Staatsmacht im Rahmen ihrer politischen Interessen aus. Sie wurde auch nicht von einer mächtigen weltlichen oder religiösen Institution angeregt oder gefördert. Ihre Finanzierung war rein privater Natur, und sie war auf die ehrenamtliche und hingebungsvolle Mitarbeit vieler Menschen angewiesen. Sie wurde von den Behörden des Landes, dem sie Fortschritt bringen sollte, mit Mißtrauen betrachtet, und es wurden ihr zahlreiche Hindernisse lokaler und zentraler Natur in den Weg gelegt. Sie hatte mit Schwierigkeiten objektiver Art zu kämpfen, welche auf die Rückständigkeit des Landes zurückzuführen waren. Ihre Ziele wurden selbst für manche der Beteiligten zum Ausgangspunkt von Mißverständnissen und leidenschaftlichen Auseinandersetzungen. Das Technikum wurde aus philanthropischen Beweggründen errichtet. Zu diesem Zweck wurde - wie bekannt - das „Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina" ins Leben gerufen, dessen Kuratorium vom „Hilfsverein der Deutschen Juden", von der Wissotzkyschen Familienstiftung und vom amerikanischen Bankier Jacob H. Schiff ernannt wurde. In diesem Rahmen kam dem Hilfsverein eine zentrale Bedeutung zu. Er sollte den deutschen Schutz für die neue Institution gewährleisten, den notwendigen organisatorischen Rahmen bereitstellen, die Erfahrung des deutschen technischen Schulwesens übermitteln und die Zusammenarbeit zwischen den Gründungspartnern koordinieren. Ohne die Rolle aller an der Gründung Beteiligten schmälern zu wollen, soll hier die ausschlaggebende Bedeutung Paul Nathans hervorgehoben werden. Infolge der ideologischen Auseinandersetzungen, welche die Gründung des Technikums begleiteten und oft die schärfsten Formen annahmen, wurde seine Rolle nicht immer gebührend gewürdigt und eine Zeitlang fast totgeschwiegen. Es war Paul Nathan allein, der nicht nur die Bedeutung einer technischen höheren

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Lehranstalt für die Juden Palästinas erkannte, sondern auch den Mut besaß, diese Idee unter den damals äußerst schwierigen Bedingungen in die Tat umsetzen zu wollen. Er benutzte seine Autorität, um James Simon und die Leitung des Hilfsvereins für diese Idee zu gewinnen, wobei er auf die Bedeutung einer solchen Institution für das Osmanische Reich wie auch für die deutsche Politik hinwies. Die zionistische Bewegung betrachtete das Schulwerk des Hilfsvereins in Palästina mit Sympathie. Sie unterstützte die Errichtung des Technikums und drückte dies im Beitrag des „Jüdischen Nationalfonds" zum Erwerb des Grundstücks am Karmelabhang aus. Drei prominente Zionisten gehörten dem Kuratorium des Technikums an, wobei sie allerdings nur als Personen ernannt worden waren und keine politischen oder ideologisch ausgerichteten Organisationen repräsentierten. Obwohl Achad Haam als der „Vater des Kulturzionismus" sich einer größeren Autorität erfreute, war der tatkräftige und eloquente Einsatz Schmarja Levins besonders vielseitig und erfolgreich. Es war nicht verwunderlich, daß diese Tatsache von der Leitung des Hilfsvereins mehrmals hervorgehoben wurde. Obwohl der Hilfsverein keine zionistischen Ziele in Palästina verfolgte, setzte er sich aus pädagogischen Gründen für die hebräische Sprache in seinem Schulwerk ein. In bezug auf das Technikum befürwortete er jedoch aus sachlichen Gründen Deutsch als Unterrichtssprache, wie dies stets betont wurde. Dies entsprach auch den Ansichten des deutschen Vizekonsuls in Haifa, der vom Standpunkt der deutschen Kulturpolitik dem jüdischen Technikum in Haifa große Bedeutung für die Verbreitung der deutschen Sprache in Palästina wie auch in Syrien beimaß. Paul Nathan und James Simon als Leiter eines deutsch-jüdischen Vereins sahen keinen Widerspruch zwischen ihrer jüdisch-philanthropischen Aktivität in Palästina und der Loyalität ihrem deutschen Vaterland gegenüber. Die von deutscher Seite fast als Axiom betrachteten Anschauungen, daß die Ziele des Zionismus den deutschen politischen Interessen im Orient widersprächen und Hebräisch der Verbreitung der deutschen Sprache in Palästina im Wege stünde, wurden von Löytved-Hardegg in seinen Berichten an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg in den Jahren 1912 bis 1914 konsequent vertreten. Sie trugen indirekterweise zur Verschärfung der Gegensätze zwischen dem Hilfsverein und den Zionisten bei, die schließlich im „Sprachenkrieg" zum Ausbruch kamen. Gegen den Hilfsverein und insbesondere gegen Paul Nathan wurden Anschuldigungen erhoben, die seine persönliche

Zusammenfassung

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Glaubwürdigkeit in Frage stellten. Andeutungen zufolge habe er nicht nur im Sinne deutscher Interessen gehandelt, sondern direkt in ihrem Dienste gestanden. In ihrem Kampf gegen den Hilfsverein und für die hebräische Sprache schienen Schmarja Levin und insbesondere die radikalen Zionisten Palästinas zu weit gegangen zu sein. Sie fügten nicht nur ihren Gegnern, sondern auch ihren eigenen Interessen erheblichen Schaden zu. Durch den Sprachenkrieg wurde vor allem die Eröffnung des Technikums, die im April 1914 hätte stattfinden sollen, vereitelt und mehr als zehn Jahre lang hinausgeschoben. Achad Haam, Max Nordau, Nachum Sokolow wie auch andere Prominente der zionistischen Bewegung verhielten sich kritisch diesem Extremismus gegenüber. Die hebräische Sprache war zu jener Zeit als Umgangssprache bereits so verbreitet, daß sie sich ohnehin in wenigen Jahren auch am Technikum durchgesetzt hätte. Die Anschuldigungen gegen die Leiter des Hilfsvereins und ihre Beweggründe in Palästina erwiesen sich als völlig unbegründet. An der moralischen Integrität ihrer Handlungen war nichts auszusetzen. Es muß hier nochmals hervorgehoben werden, daß sie gerade vom Haifaer Vizekonsul beschuldigt wurden, den Zionisten in Palästina in die Hände zu spielen. Wenn Einwände gegen ihr Verhalten im Sprachenstreit erhoben werden sollen, dann nur deswegen, weil ihre konsequent unnachgiebige Haltung sich letzten Endes als politisch kurzsichtig und nicht weise erwiesen hatte. Aus dem „Sprachenkrieg" sind keine eindeutigen Sieger hervorgegangen. Nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, wurde es allen Seiten klar, daß der Ausgang des Krieges auch das Schicksal des Technikums bestimmen würde. Die Veräußerung des Technikums an die Zionistische Bewegung führte nicht zur unmittelbaren Eröffnung dieser Institution. Entgegen allen Erwartungen hatte das Technikum seine symbolische Bedeutung eingebüßt und wurde in den ersten Jahren nach dem Kriegsende eher als Bürde empfunden. Die Zionistische Bewegung sah in jenen Jahren in der Eröffnung einer höheren technischen Lehranstalt keine dringende Aufgabe für Palästina. Infolgedessen wurde der Unterricht offiziell erst Anfang 1925 aufgenommen, fast elf Jahre nach dem ursprünglich geplanten Eröffhungstermin. Die hebräische Sprache hatte sich als Unterrichtssprache für wissenschaftliche und technische Fächer ziemlich schnell durchgesetzt. In diesem Sinne hatten ihre Befürworter zweifellos recht gehabt. Die

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Zusammenfassung

Tradition der deutschen technischen Schule jedoch war am Technion noch eine Zeitlang vorherrschend. Dies kam in den Lehrprogrammen, in der wissenschaftlich-technischen Ausrüstung, in der Fachliteratur und nicht zuletzt in der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte zum Ausdruck. Von den Gründern nahm an der Nachkriegsentwicklung des Technions fast keiner mehr teil. Jacob H. Schiff war 1920 gestorben, David Wissotzky reagierte auf die Einladung zur Eröffnung der Institution nur mit einem Glückwunschschreiben und Paul Nathan und James Simon waren nicht bereit, das im Zusammenhang mit dem Sprachenkrieg Geschehene zu vergessen. Achad Haam und Schmarja Levin, die nach dem Ersten Weltkrieg nach Palästina eingewandert waren, nahmen nicht mehr aktiv Anteil an der Entwicklung der Institution. Am bedauerlichsten hat sich wahrscheinlich das Schicksal Ephraim Cohns gestaltet. Er mußte nach dem Krieg ins deutsche Exil ziehen und starb 1942 in Südfrankreich.

Dokumentenanhang

ANHANG A

Die Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der Deutschen Juden (Aus dem Siebenten Geschäftsbericht des Hüfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1909)

Um dem Andenken unseres verstorbenen Vaters und Schwiegervaters Wolf Wissotzky aus Jagor bei Kowno für alle Zeiten ein ehrendes Denkmal zu errichten, übergeben wir aus dem Nachlaß des teuren Entschlafenen dem Hilfsverein der Deutschen Juden zu Berlin ein Kapital von 100 000 Rubeln (Einhunderttausend Rubeln) unter den nachstehenden Bedingungen: 1. Das Kapital von 100000 Rbl. ist seitens des Hilfsvereins der Deutschen Juden als besondere Stiftung abgesondert von dem übrigen Vermögen des Vereins zu verwalten. 2. Das Kapital soll den Grundstock bilden für die Errichtung eines Technikums in Palästina, nebst einer Mittelschule, die dem Technikum als Vorbereitungsstufe zu dienen hat. Mittelschule wie Technikum haben insbesondere auch die Aufgabe, die Schüler zu Juden heranzubilden, die bei ausgiebiger Kenntnis des Hebräischen und der jüdischen Vergangenheit mit Liebe und Verehrung an ihrer Religion, ihrem Judentum und an ihrer Heimat Palästina hängen. 3- Über die Verwendung von Kapital und Zinsen der obigen Stiftung entscheidet im Rahmen der Festsetzungen, die unter Nr. 2 enthalten sind, auf Grund der Vorschläge des Hilfsvereins der Deutschen Juden das nachstehende Kuratorium von 11 Mitgliedern: die Herren D. Wissotzky in Moskau, J. Zetlin in Moskau, R. Götz in Moskau, Dr. Gawronsky in Moskau, U. Ginzberg in London, Schmarja Lewin Z. Zt. Berlin, James Simon in Berlin, Moritz Warburg in Hamburg, Generalkonsul Eugen Landau in Berlin, Prof. M. Philippson in Berlin und Dr. P. Nathan in Berlin. 4. In allen Fragen der Ausgestaltung und Leitung der zu gründenden Schule steht dem Kuratorium der Wissotzky-Familienstiftung das Recht zu, selbständige Beschlüsse zu fassen mit der Maßgabe, daß die Ausführung dieser Beschlüsse des Kuratoriums nur nach erfolgter Zustimmung

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AnhangA

seitens des geschäftsführenden Ausschusses des Hilfsvereins der Deutschen Juden erfolgt. 5. Jeder der oben genannten Herren Kuratoren hat für den Fall seiner endgültigen Verhinderung oder seines Todes einen Ersatzmann Zu ernennen, der an seine Stelle tritt und alsdann so fort. Sollte im einzelnen Fall dies nicht geschehen sein, so wählen die übrig gebliebenen Mitglieder des Kuratoriums per majora den Nachfolger. 6. Das Kuratorium wird zusammenberufen, durch Herrn James Simon, der der derzeitige Vorsitzende des Kuratoriums ist, resp. bei Verhinderung des Herrn James Simon durch den stellvertretenden Vorsitzenden Herrn Dr. Paul Nathan. Sollte Herr James Simon das Amt des Vorsitzenden nicht ferner auszuüben in der Lage sein, so wählt das Kuratorium per majora einen neuen Vorsitzenden. Auf Antrag eines jeden Mitglieds des Kuratoriums resp. auf Antrag des geschäftsführenden Ausschusses des Hilfsvereins der Deutschen Juden muß eine Sitzung des Kuratoriums baldigst einberufen werden Das Kuratorium beschließt über die Vorschläge, die ihm seitens eines seiner Mitglieder resp. seitens des geschäftsführenden Ausschusses des Hilfsvereins der Deutschen Juden gemacht werden, mit einfacher Majorität. Bei Stimmengleichheit gibt gegebenenfalls die Stimme des Herrn James Simon resp. seines Nachfolgers im Vorsitze den Ausschlag. 7. Die Einholung einer schriftlichen Abstimmung seitens des Vorsitzenden ist zulässig. 8. Über Anlage und Verwaltung des Kapitals von 100 000 Rbl. soll das ernannte Kuratorium besondere Festsetzungen treffen. 9- Sollte der Hilfsverein der Deutschen Juden aufhören zu existieren, oder sollten seine Statuten eine derartige Änderung erfahren, daß eine gemeinsame Tätigkeit mit diesem Kuratorium sich nicht ermöglichen läßt, dann soll das Kuratorium der Wissotzky-Stiftung in völliger Selbständigkeit in Tätigkeit treten. In diesem besonderen Falle können per majora die obigen organisatorischen Bestimmungen geändert werden, insbesondere kann alsdann das Kuratorium durch Kooptation vergrößert werden. Der Name, der Zweck und das Ziel der Stiftung dürfen eine Änderung nicht erfahren. gez. D. Wissotzky im Namen der Testamentsvollstrecker U. Ginzberg Berlin, den 29. März 1908.

Bodenkauf-Kaufvertrag

247

ANHANG B

Bodenkauf-Kaufvertrag (The J. Nessyahu Historical Archives, Technion, Bd. 2)

Contract

Entre M. M. R. Hakim, sujet anglais, S. Reis Is. Kassab sujets ottomans, vendeurs d'une part, et Mr. le Dr. P. Nathan sujet allemand, acheteur, d'autre part, il a été convenu ce qui suit: 1. M. M. Hakim Reis et Kassab, vendent à Mr. le Dr. P. Nathan une parcelle de environ 53 000 pics carrés et se composant des lots suivants: a) Un lot limitrophe au terrain des Carmelites, appartenant à M.-M. Hakim Reis et Kassab d'une superficie de 40 000 pics carrés environ selon couchan. b) Un lot contigu au précédent du côté sud, appartenant à Mr. le Dr. Schmidt et Jabour, mesurant ensemble environ 9000 pics carrés, selon couchan tabo Nr. ( ) date. c) Un lot planté en vigne, contigu au lot b) du côté sud, mesurant environ 4000 pics carrés, appartenant à Mr. le Dr. Schmidt et dont le couchan est au nom du Dr. Schônmacher. 2. Le prix de tout le terrain formant une superficie d'un seul tenant d'environ 53000 pics carrés est fixé à francs 1,25, soit un franc et vingtcinq Cts. le pic carré officiel (Mimari). 3. Les vendeurs s'enggent à effectuer les opérations et transactions suivantes: a) De transférer par devant les autorités cadastrales tout le terrain cihaut énuméré au nom de la personne designée par l'acheteur et agrée par le gouvernement ottoman. Les vendeurs auront, à cet effet, à procurer à leur frais tous les documents nécessaires, faire la Mazbata de vente signé et enregistré par les mouktars et les autorités compétentes, et faire déclarer par tous les propriétaires des lots vendus, la vente officielle et légale de ces terrains à la personne designée par l'acheteur par devant la commission de transfert. Les frais et droit qui demandera le dernier transfert au nom designé par l'acheteur seront à la charge de ce dernier, et ne doivent être faits sans le consentement de l'acheteur. b) Dans le cas où le gouvernement ottoman ne permettrait pas à effectuer le transfert immédiat de tout le terrain au nom designé par l'acheteur, les vendeurs auront à transférer tout le terrain inscrit actuellement au nom de M. M. Reis et Kassab, au nom de Mr. Hakim, les

AnhangB

c)

d)

e)

f)

g) h) i)

frais de ce transfert seront â la charge de l'acheteur, après que le dernier les aura examinés et y consenti; toutefois si ce transfert au nom de Mr. Hakim ne serait non plus admis par le gouvernement ottoman, les vendeurs auront à faire l'ifraz officiel de manière à ce que Mr. R. Hakim aura à son nom un terrain mafrouze d'une superficie d'au moins 15 000 pics carrés, situés à l'endroit choisi par l'acheteur, et de transférer ensuite la superficie restante au nom de Mr. Reis et Kassab au nom d'un israélite sujet ottoman, qui sera designé par l'acheteur. Dans ce cas les vendeurs auront à supporter les frais et droits de l'ifraz ci-haut mentionné et l'acheteur aura à payer les frais et les droits du transfert au nom du sujet ottoman, indiqué par lui, frais qu'il doit examiner et y donner au préalable son consentement. De transférer dans le cas également où le transfert immédiat et intégral au nom designé par l'acheteur ne serait pas admis par le gouvernement ottoman le terrain inscrit actuellement au nom de Mr. Jabour au nom de Mr. le Dr. Schmidt, les frais de ce transfert seront complètement à la charge des vendeurs. Pour tous les lots de terrain qui resteront, â cause de l'empêchement du gouvernement ottoman, au nom des propriétaires actuels, les vendeurs auront à délivrer à l'acheteur tous les documents, actes et garanties (traités, procurations, hypothèque, Vacale, daourie et autres) qu'il exigera afin de assurer à lui et à ses ayant-droits la possession et jouissance libre et absolue de tout le terrain acheté par lui, sans la moindre contestation de la part de qui que soit, ni à present ni à l'avenir, et afin de lui permettre au moment qu'il obtiendrait l'autorisation du gouvernement, à passer sans inconvénient tout le terrain au nom qu'il voudra et d'en disposer comme bon lui semble. Tous les documents garanties devront être effectués suivant les indications de l'avocat nommé ad hoc par l'acheteur. De limiter aux frais des vendeurs tout le terain acheté en vertu d'une Mazbata de délimitation et un plan signé par les voisins et légalisé par les autorités requises. De procurer à leur frais à l'acheteur un permis de construction pour un mur de clôturer autour de tour ce terrain, pour une maison de 10 chambres et pour une cisterne. De livrer tout le terrain à l'acheteur libre de tout engagement et de tout contestation de la part du gouvernement ou des particuliers. Les vendeurs sont obligés à régler au gouvernement tous les impots de ce terrain jusqu'au moment de sa remise à l'acheteur. Les vendeurs s'engagent à réparer et à rectifier à leur frais toutes les irregularitées que l'acheteur, après examen fait par son avocat, trouvera dans l'état légal actuel de cette propriété, ou dans les opérations et transactions qui seront faites par les vendeurs.

Bodenkauf-Kaufvertrag

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k) Toutes ces opérations et transactions et la remise de tout le terrain à l'acheteur devront être terminé par les vendeurs dans un délai maximum de 3 mois à partir de la date que ce contrat sera définitivement accepté par l'acheteur. 4. Le mesurage de tout le terrain sera fait par un arpenteur nommé par l'acheteur après la délimitation légale de tout le terrain. L'acheteur se réserve cependant la faculté de vérifier le mesurage par le même ou par un autre arpenteur après avoir construit le mur d'enclos tout au tour du terrain. 5. L'acheteur s'engage à verser aux vendeurs le prix de ce terrain après le mesurage, la délimitation et la prise en possession effective de ce terrain, soit aussitôt après le transfert et la remise des couchans de tout le susdit terrain au nom indiqué par l'acheteur (§ 3,a) ou bien, dans le cas que ceci ne serait pas possible, après le transfert partiel et l'ifraz et la remise de tout les documents couchans et garanties exigées ainsi qu'il est mentionné dans les §§ 3/b,c. Dans les 2 cas une somme de 5000 francs (cinq mille francs) sera retenue par l'acheteur, jusqu'après l'obtention du permis de construction mentionné dans le § 3/f- et après l'élévation du mur d'enclos, et l'achèvement du second mesurage. L'acheteur de son côté s'engage à achever ce mur et le mesurage dans un délai de 3 mois à partir de la date de la remise du permis de construction et de la prise en possession effective de tout le terrain. 6. L'acheteur se réserve le droit jusqu'au 27 Juin 1908 de ratifier ou d'annuler le présent contrat, ce délai passé sans que Mr. le Dr. P. Nathan aurait ratifié ce contrat, il sera considéré comme nul et non avenu. Les vendeurs par contre s'engagent des à présent à accepter tout le contenu de ce contrat et à l'exécuter des que Mr. le Dr. P. Nathan l'aura ratifié. 7. Les 2 parties contractants ont nommés des à présent 3 arbitres pour régler tout différent qui pourrait surgir entre elles au sujet de ce contrat, et elles s'engagent à accepter sans contestations ni hésitations et sans avoir recours à aucun autre jugement tour ce que ces arbitres décideront à leur égard. Les 3 arbitres sont: Monsieur le Directeur Cohen, Monsieur le Consul d'Angleterre de Caiffa et Monsieur Saphir. Dans le cas où Mr. Cohen serait empêché d'y prendre part, Mr. le Dr. P. Nathan aura à nommer un autre à sa place, si Mr. le Consul d'Angleterre serait empêché se sont les vendeurs qui auront à le faire remplacer par un autre, et en cas d'empêchement de Mr. Saphir, il sera remplacé par le Directeur en chef de l'Anglo-Palestine Co. de Jaffa. Les 2 parties seront obligées à nommer les remplaçants dans un délai maximum de 3 semaines à partir du moment où l'arbitrage sera requis par une de deux parties ou par l'Anglo-Palestine-Co., Ltd. Ce délai passé, l'Anglo-Palestine Co., Ltd. aura le droit de nommer de son propre chef les arbitres manquants. Ces

Anhang C

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nouveaux arbitres auront la même compétence et pouvoir executif que les premiers. Fait et conclu à Caiffa le 13- Mai 1908.

ANHANG C

Die Irade (The J. Nessyahu Historical Archives, Technion, Bd. 1)

a. Traduction de l'Irade Impérial En ce qui concerne l'autorisation demandée par M. James Simon sujet allemand, pour la construction des 3 maisons et une école sur le terrain qu'il possède à Caiffa dans la localité «Miravan» et comprenant 80 700 pics (37 977,42 qm), à condition que les 67 829 pics (31 920,33 qm) de ce terrain restent à l'état primitif et continuent à payer comme par le passé la dîme annuelle, et que pour les 956 pics (449,80 qm) qu'occupera la construction de la maison comprenant 2 chambres et une voûte il soit imposé une taxe annuelle de Piastres 1.50 comme contrevaleur de la dîme (Bedel Uscher), pour les 1.538 pics (723,78 qm) qu'occupera une deuxième maison comprenant les mêmes compartiments P. 2,25, pour les 1928 pics (907,31 qm) qu'occupera une troisième maison comprenant 7 chambres et deux voûtes P. 3,-, pour les 1823 pics (860,25 qm) qu'occupera la construction d'un magasin P. 2,25, pour les 1813 pics (853,19 qm) qu'occupera la construction du deuxième magasin P. 2,25, pour les 4800 pics (2258,88 qm) qu'occupera la construction de l'école 60 Piastres, et enfin à condition que le gouvernement local veille à ce que ces bâtisses ne soient utilisées dans un but défendu, on doit agir conformément à la loi du Cadastre et aux règlements y relatifs pour la construction des 3 maisons et magasins; et pour l'ecole lorsqu'elle prendra la forme d'une école d'arts et métiers, étant donné qu'elle n'a pas une représentation officielle, on doit se conformer aux lois et règlements en vigueur pour toutes les institutions privées de ce genre, et transformer le terrain occupé par toutes ces bâtisses en terrain d'immeuble (Arsa). Cette autorisation est donnée conformément à la décision du Conseil d'Etat. Signé: Mohamed Rechad

Die Irade

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Afin de mettre en execution cette Irade Imperial, je charge le Grand Ve2irat d'en autoriser les Ministres de l'Intérieur, des Finances, de l'Instruction Publique et du Cadastre. Le 17 Zilhidje 1329 (et 24 Tichrin Sani 1327, 1909). Signé: Grand Vezir Ministre de l'Intérieur, Min. des Finances, de l'Inst.

b. Schreiben von Sabbetai Levi an Asher Mallah, 12. Dezember 1911, Nachlaß Maliah. Caiffa, le 12. Décembre 1911 R. le 28/12/911 Cher Monsieur Mallah, J'ai reçu cette semaine votre estimée du 29 de l'écour renfermant les détails complémentaires relatifs à l'affaire de la construction, et hier matin j'ai pris connaissance de votre dépêche adressée à l'Anglo Bank, informant que Tirade a déjà été promulgué. Je vous félicite, mon cher ami, de votre bon succès et j'espère que les représentants du Technikum à Berlin sauront apprécier vos services. Ainsi que nous vous l'avions demandé par notre derrière dépêche, vous nous rendrez un grand service en nous avisant par cable, le numéro et la date du départ de la lettre de Compte au Vilayet de Beyrouth afin que nous prenions nos mesures en conséquence. Vous n'ignorez pas qu'il y aura plusieures personnes, même parmi les fonctionnaires, qui ne sont pas très contents de cette décision et sont capables de cacher un certain temps ces ordres pour en tirer profit. Mr. Kaisermann me charge de vous présenter ses meilleures salutations, et au plaisir de vous lire, je vous prie d'agréer, cher Monsieur Mallah, mes cordiales salutations. Sabby Compliments à Mr. Paraggi et au Dr. Jacobson.

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ANHANG D

Baukonferenzen (The J. Nessyahu Historical Archives, Technion, Bd. 12-24) Bericht über die Konferenz am 28. November 1912, betreffend Garderobe, Waschräume und Ausbau des Kellers. Anwesend waren: Herr Professor Franz Herr Professor Schlesinger Herr Konstr. Ing. Rambuschek Herr Dipl. Ing. Weichert Es wurde festgelegt: 1. Die Klosetts werden in der Ecke neben der Schmiede angelegt. 2. Die Lagerräume im Seitenflügel bleiben so wie in der Zeichnung VI angegeben. 3. Der Betriebsingenieur und Betriebsmeister erhalten je einen Raum zwischen mechanischer Werkstatt und Montage. 4. Die Waschräume und Garderoben werden im Keller nach dem Lagerraum Zu angebracht. Die Entwässerung ist so tief zu legen, daß ein direkter Abfluß aus den Waschräumen möglich ist. 5. Eingang zu dem Keller und Anrampung für die Türen wird von Herrn Prof. Franz so bald als möglich angegeben. 6. Im Keller sind Räume für Lehrer und Unterrichtszwecke anzuordnen. 7. Eine Tür in der mechanischen Werkstatt neben Lagerraum fällt fort. 8. Die Tür in der Tischlerei auf der inneren Seite des Flügels wird verlegt. Beide Türen in der Tischlerei erhalten eine Breite von 2 m. 9- Im Lagerraum wird nur 1 Fenster nach vorn (cf. Eismaschinenraum) vorgesehen.

Baukonferenzen

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Beriebt über die Konferenz vom 4. Dezember 1912. Definitive Festlegung der Werkstättenordnung. Anwesend waren: Herr Professor Franz Herr Architekt Bernhard Herr Professor Schlesinger Herr Konstr. Ing. Rambuschek Herr Dipl. Ing. Weichert

Betrifft Gießerei: Die Gießerei bekommt nur von den Längsseiten je ein Fenster und je eine Tür von der normalen Fensterbreite (ca. 3 1/2 m), Höhe vollständig zum Öffnen.

Betrifft Tischlerei: Die Tischlerei erhält ebenso 2 Fenster an den Längswänden und 2 Türen von 2 m Breite, Türhöhe 2 1/2 m.

Betrifft Schmiede: In der Schmiede von vorn aus gesehen in der rechten Ecke werden die Aborte angeordnet. Die Eingangstür von der Schmiede zur mechanischen Werkstatt kommt etwa in die Mitte unter Berücksichtigung der Deckenträgerauflage. Der Eingang zum Abort geschieht von außen vom Hof her. In der Gießerei und in der Schmiede sind in der Decke in jedem Feld je eine Öffnung von rund 1 qm vorzusehen. Die Öffnungen richten sich nach der Dachkonstruktion nach den Angaben von Westphal. Diese Durchbiüche sind nur für Ventilation, nicht für Oberlicht. Die Durchbrüche werden aus Eisenblech hergestellt mit angenieteten Winkeleisen als Auflage. Sie werden für die Regenzeit verschließbar gemacht und können evtl. für die Trockenzeit mit Blechhauben und Jalousie-Verschluß Zugedeckt werden, um den Luftzug zu verstärken. Für die Lagerräume längs des Seitenflügels werden einfache von der Hauptdeckenkonstruktion unabhängige Konsoldächer angeordnet. Das Kon-

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Anhang D

sol besteht aus zusammengenieteten Winkeleisen nach einer einzuliefernden Skizze. Die Deckung dieses Daches soll aus Holzbrettern bestehen mit Pappbelag. Die Herstellung des Daches mit Pappbelag soll in Haifa selbst erfolgen. Holzschrauben, Schloßschrauben u. dergl. werden von uns mitgeliefert. Der Drehkran in der Gießerei bleibt für eine höchste Belastung von 1000 kg wie ursprünglich angenommen. Die Bunker für Sand, Kohle vor der Gießerei werden mit einer 1 m hohen Schutzmauer versehen, die unter dem Dach liegt. Der vordere Lagerraum bekommt ein Fenster von der Vorderseite, ein Fenster von der Seite her. Gegenüber liegen je 1 Tür von 2 m Breite und 2 1/2 m Höhe. In der Wand vom Lagerraum nach der mechanischen Werkstatt wird ein Oberlichtfenster von mindestens 2 m Brüstungshöhe vorgesehen. Die mechanische Werkstatt wird in ihrem vorderen Teil auf ganze Länge unterkellert. Zu diesem Kellerraum führen 3 Treppen; eine Treppe dicht hinter dem Zimmer des Betriebsingenieurs, eine Treppe links hinter der Wand nach dem Lagerraum und eine Treppe von außen auf der rechten Seitenwand des vorderen Lagerraums. Die Kellerräume werden in der Weise verwendet, daß ein Teil als Garderoben, und Zwar der von vorn gesehene rechte Teil, und ein zweiter Teil für ein Protokoll- und ein Lehrerzimmer verwendet wird. Zwischen letzteren beiden Räumen liegt ein Vorraum, der durch Luxferprismen erleuchtet wird. Vor den Garderoben liegt ein Dienerzimmer. Die Durchbrüche für die Luxferfenster sollen etwa 1/2 qm sein. Von außen führt zur mechanischen Werkstatt eine Rampe. Der die Werkstatt durchsetzende Hauptrohrschacht soll unter Kellerfußboden liegen, so daß die Möglichkeit gewährt wird, die vorstehend beschriebenen Kellerräume mit dem davorliegenden Kellerhals zu entwässern. Die Lichthöhe für die Kellerräume soll ungefähr 2,70 m betragen. Für die Einlage des vorerwähnten Entwässerungskanals ist ein großer Rohrtunnel vorzusehen, der stets Zugänglich bleiben soll und in den später etwa notwendig werdende weitere Leitungen mit eingelegt werden können. An dem Plan, das Hauptsammelbassin als Erdbecken auszubilden, wird unter allen Umständen festgehalten. Die Unterbringung von Einzelbassins wird als unzweckmäßig verworfen mit Rücksicht auf den hohen Preis, vor allen Dingen auf die Schwierigkeit, später bei Errichtung des Internats für die Bewässerung desselben und die Feuersicherheit Sorge zu tragen. Über die ganze Be- und Entwässerung wird der definitive Plan, von Börner & Herzberg angefertigt, beigefügt. Die Größe und Lage der sämtlichen vorhandenen und evtl. projektierten Zisternen ist umgehend anzugeben. Es sind Erkundigungen möglichst schnell einzuziehen, welche Härte das Brunnenwasser bei den bisher erbohrten Brunnen in der Umgebung hat.

Baukonferenzen

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Läßt sich das nicht ermitteln, so sollen Probeflaschen versiegelt nach hier geschickt werden, damit die Untersuchung hier durchgeführt werden kann. Danach wird es sich richten, ob eine Wasserreinigungsanlage von hier aus beschafft werden muß, und da die Art dieser Anlage im wesentlichen von der Beschaffung des Kochsalzes oder Sodas abhängt, so sind für die beiden letztgenannten Salze die dortigen Preise anzugeben. Wenn in der Umgebung (Jerusalem, Damaskus, Beirut, Haifa) Wasserreinigungsanlagen bestehen, die sich bewährt haben, so ist das System derselben anzugeben und die Beschaffungsfirma. Die Geivölbedecken über den Kellern in der mechanischen Werkstatt sind für eine Höchstbelastung von 750 kg zu berechnen.

Laboratorium und Montageraum Festlegung der durch die Verlegung der Maschinen notwendigen Änderungen: Es sind 9 Felder von dem rechten Flügel ausgehend auf die gleiche, früher in der Zentrale festgelegte Höhe von rd. 7 m zu bringen. Das bedeutet, daß 3 Felder höher werden als vorher. Die Folge davon ist, daß auch drei Eisensäulen höher ausfallen müssen, die Wolf Netter & Jacobi nachliefern wird. Von den frei werdenden niedrigen Säulen werden 2 unverändert in der Schmiede und Klempnerei Verwendung finden können. Mit Rücksicht auf die Anbringung der Transmission an der hinteren Wand wird so vorgegangen, daß Fenster und Türen vollständig unbeeinflußt bleiben. Es werden T-Träger vorgesehen werden, an denen die Transmissionsbrücken direkt verschraubt werden. Die Abstützung dieser T-Träger geschieht an den Hausteinwänden von 60 cm Stärke. Die Konstruktionszeichnungwird mitgeliefert und die T-Träger beschafft Wolf Netter & Jacobi. Durch die Vergrößerung am Seitenflügel müssen die Dächer auch entsprechend vergrößert werden, was am besten durch Westphal wieder geschehen soll. Die Dächer über dem Laboratorium und dem Eismaschinenraum sind in direkter Verlängerung der Hauptdächer auszufuhren (Schleppdächer). Für den Fall, daß die früher um 60 cm verlängerte Säule für den Dieselmaschinenraum noch nicht geliefert ist, kann von dieser Verlängerung abgesehen werden, so daß die 8 hohen Säulen auch gleich lang ausfallen. Die Kranbahnen müssen entsprechend der Verlängerung des hohen Teñes des Maschinenraums um 3 Felder, also rd. 15 m verlängert werden. Für die Unterkellerung der mechanischen Werkstätten und für die Verlängerung des Seitenflügels waren für die Berliner Herren maßgebend die Angaben des Herrn Wilbuschewitsch, daß sich diese neuen Bauten sämtlich innerhalb der bereits bewilligten Kostensummen ausführen lassen. Herr

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AnhangD

Wilbuschewitsch muß sich zu diesem Punkt sofort äußern, da bei einer irgendwie erheblichen Kostenüberschreitung unbedingt die Einwilligung des Kuratoriums eingeholt werden müßte. Wir übersenden hierbei Herrn Wilbuschewitsch einen Lageplan, der sämtliche neuen Änderungen enthält und ersuchen ihn, als den wichtigsten Teil seiner Antwort aufzufassen, genaue Angaben über die Höhenmaße und Ausdehnung des Kellers, besonders Höhe des anliegenden Terrains, der Anrampungen, Zu machen. Um jedes Mißverständnis Zu vermeiden, haben wir die Stellen, die uns interessieren, rot angekreuzt. Baukonferenz am 12. März 1913, 12 Uhr vormittags, Technische Charlottenburg, Zimmer Nr. 237-

Hochschule

Anwesende Herren: Professor Franz Professor Schlesinger Reg. Baumeister Bärwald Dr. Finkelstein Das Be- und Entwässerungsprojekt der Firma Börner & Herzberg wird besprochen und akzeptiert. Herr Professor Franz hält es für wünschenswert, daß zwischen der Frischwasserleitung und der oberen Zisterne einerseits und der Abwasserleitung andererseits eine absperrbare Verbindung geschaffen wird. Das Projekt soll nunmehr durch Herrn Reg. Baumeister Bärwald an Herrn Wilbuschewitsch geschickt werden, damit letzterer sich an Ort und Stelle von der Durchführbarkeit des Projektes übeizeugt. Es wird der vorgeschlagene Weg, alle Materialien bei der deutschen Firma zu kaufen und den Bau unter der Aufsicht eines Monteurs dieser Firma von unseren Leuten in Haifa ausführen zu lassen, als der zweckmäßigste bezeichnet und zur Ausführung in Aussicht genommen. Unterschrift (Finkelstein)

Lehrstoff des Technikums

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ANHANG E

Lehrstoff des Technikums (Aus dem Zentralen Zionistischen Archiv in Jerusalem, Bd. Z 3/1570)

a. Abteilung

Maschinenbau:

Technische Mechanik: Die Gesetzte der elementaren Statik und Dynamik fester und tropfbar flüssiger Körper unter besonderer Berücksichtigung von deren Anwendung auf Aufgaben aus dem Maschinen- und Bauingenieurwesen. Praktische Übungen im Mechaniklaboratorium. Festigkeitslehre: Die verschiedenen Arten der Beanspruchung und Belastung. Trägheitsmomente und Widerstandsmomente. Gebrauch von Tabellen. Übungen im Festigkeitslaboratorium. Einiges aus der Graphostatik. Maschinenteile: Berechnung und Konstruktion der wichtigsten Maschinenelemente des Kraftmaschinen-, Hebemaschinen- und Werkzeugmaschinenbaus. Einiges aus der Getriebslehre. Aufstellung und Verwendung von Normalen. Maschinenkunde: Grundlagen für die Berechnung und den Entwurf von Dampf- und Verbrennungsmaschinen, Turbinen, Pumpen, Kompressoren und Hebemaschinen; die wichtigsten landwirtschaftlichen Maschinen. Feuerungsanlagen: Brennstoffe und Verbrennung. Wärmeübertragung. Kesselfeuerung, Kessel und Kesselarmaturen. Überhitzer. Vorwärmer. Kesselbetrieb. Mechanische Technologie: Die Verarbeitung von Stahl und Eisen und der am meisten benutzten Metalle und Metall-Legierungen. Die wichtigsten Arbeitsmethoden und die dabei verwendeten Werkzeuge, Vorrichtungen und Werkzeugmaschinen. Einrichtungen für die Massenfabrikation. Bestimmung der wirtschaftlich günstigsten Schnittgeschwindigkeiten und Vorschübe. Holzbearbeitungsmaschinen und Werkzeuge, Klempnerei- und Klempnereimaschinen, Übungen im Veranschlagen.

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AnhangE

Materialkunde: Die Herstellung und Prüfung von Eisen und Stahl und der für das Maschinenbaufach wichtigsten Metalle und Metall-Legierungen. Ausgewählte Kapitel aus dem mechanisch-technischen und chemisch-technischen Gewerbe. Wärmetechnik: Die thermischen Grundlagen der Kraft- und Arbeitsmaschinen. Kreisprozesse. Graphische Darstellung der Vorgänge in den Maschinen. Elektrotechnik: Die physikalischen Grundlagen der Elektrotechnik, Entwerfen, Berechnen und Prüfen elektrischer Anlagen. Stromerzeuger und Motore. Vergleichende Betriebskostenberechnungen, Übungen im Laboratorium und in den Werkstätten. Fabrikanlagen und Fabrik: Fabrikbetrieb: Die hauptsächlichen Gesichtspunkte bei Anlage und Bau von Fabriken und Werkstätten, deren Ausrüstung und Ausstattung, Organisationsformen, Lohnwesen. Kosten- und Unkostenberechnungen. Einkauf und Verkauf, Verkehr mit Geld und Ware. Baukunde: Die Elemente des Hoch- und Tiefbaus. Entwurf kleiner Bauanlagen für gewerbliche und industrielle Zwecke, für die Landwirtschaft und deren Nebenbetriebe. Maschinenlaboratorium: Untersuchungen in der Zentrale, den Laboratorien und den Werkstätten an dort aufgestellten Maschinen. Leistungs- und Abnahmeversuche. Berechnung der Betriebskosten. Übersicht über den Kraftmaschinen-, Lokomotiv- und Wagenbau: Einiges über Dampf- und Gasmaschinen, Lokomobile, Wasserturbinen, Elektromotoren, Lokomotiven für Haupt-, Neben- und Kleinbahnen, Eisenbahnwagen für verschiedene Zwecke, Übungen im Maschinenlaboratorium. Bau- und Arbeitsmaschinen: Besprechung der wichtigsten Bearbeitungs- und Verarbeitungsmaschinen für Baumaterial. Transportmittel für den Hoch- und Tiefbau.

Lehrstoff des Technikums

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Zeichnen: Perspektivisches Zeichnen und Schattenkonstruktionen, Freihandzeichnen nach Modell und Natur. Geschäftskunde, Wirtschaftslehre, Rechtskunde, Bürgerkunde: Doppelte Buchführung, Technische Berichte, Grundbegriffe der Volkswirtschaftslehre, Verwaltung und Recht in der Türkei und den wichtigsten Industrieländern. Bauführung: Einrichtung und Führung der für ein Baugeschäft nötigen Bücher, Listen, Kontrollen. Abnahme der Arbeiten, Abrechnungen, Ausstellung der Rechnungen.

b. Abteilung Hoch- und Tiefbau Technische Mechanik: Die Gesetze der elementaren Statik und Dynamik fester und tropfbar flüssiger Körper unter besonderer Berücksichtigung von deren Anwendung auf Aufgaben aus dem Bauwesen. Praktische Übungen im Mechaniklaboratorium. Festigkeitslehre und Graphostatik: Die verschiedenen Arten der Beanspruchung und Belastung. Trägheitsmomente und Widerstandsmomente. Gebrauch von Tabellen, Übungen im Festigkeitslaboratorium. Graphisches Rechnen und Graphostatik der Baukonstruktionen. Geodäsie: Die wichtigsten Instrumente des Feldmessers. Übungen in ihrem Gebrauch. Aufnahme und Herstellung von Lageplänen. Abstecken von Gebäuden. Vorarbeiten für den Bau von Eisenbahnen, Straßen und Wasserführungen. Hoch- und Tiefbauelemente: Die wichtigsten Baustoffe und ihre Verbände. Die Mauer, die Stütze, das Gewölbe, die Decke, das Dachgerüst und die Dachdeckung, Fundamente, Gründungen, Erdarbeiten, Elemente des Wasserbaus: Wassergewinnung, Wasserführung, Wasserschutzbau. Baukonstruktionen: Entwerfen von Baukonstruktionen in Holz, Stein, Beton, Eisen- und

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AnhangE

Eisenbeton. Innerer Ausbau. Übungsbeispiele aus dem Gebiete des Wohnungs- und Werkstättenbaus und der landwirtschaftlichen Gebäude. Vollständige Durcharbeitung von Projekten: Entwerfen, Detaillieren, Massenund Kostenberechnungen, Aufnahmen von Gebäuden in Skizzen, Schulung des Verständnisses für Form und Stil. Materialienkunde: Besprechung der in Hoch- und Tiefbau am häufigsten benutzten Materialien, deren Herstellung, Verwendung, physikalische und chemische Eigenschaften. Geologie: Die Entwicklung der Erdkruste unter besonderer Berücksichtigung der Geologie Palästinas und der Nachbarländer, Geologiekunde, Beurteilung von Gelände für verschiedene Verwendungszwecke. Straßenbau und Straßenbahnen: Trassieren von Straßen in Städten und auf dem Lande. Steigungs- und Krümmungsverhältnisse, Oberbau der Straßen. Unterhaltung von Straßen, Überblick über die verschiedenen Straßenbahnsysteme. Eisenbahnbau, Bahnhofsanlagen, Sicherungsanlagen: Unter- und Oberbau der Haupt-, Neben- und Kleinbahnen. Erd- und Tunnelbau. Entwurf von Bahnhofsgebäuden. Werkstätten und Lagerschuppen. Kurzer Abriß der Sicherungsanlagen für den Eisenbahndienst. Übungen im Trassieren. Städtischer Tiefbau: Die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung von ländlichen und städtischen Siedlungen. Besprechung der wichtigsten Systeme. Entwurf und Berechnung von Anlagen. Brückenbau: Einfache Straßen- und Eisenbahnbrücken in Holz, Eisen, Stein und Eisenbeton. Kanal-, Fluß-, See-, Hafenbau: Die Herstellung und Dimensierung von Schiffahrtskanälen. Anlagen von Schleusen, Befestigung von Flußbetten. Die Anlage von Fluß- und Seehäfen. Siedlungen: Entwerfen von Bebauungsplänen.

James Simon und Paul Nathan an Botschafter

Marschall

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ANHANG F

James Simon und Paul Nathan an Botschafter Marschall (Konstantinopel) Berlin, 25. Januar 1911 - Copie. (A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176 285-286)

Copie Euere Excellenz erlauben sich die Unterzeichneten ganz ergebenst, in dem nachstehend näher bezeichneten Falle um Schutz und Abhilfe anzugehen. Im vergangenen Frühjahr hatte der mitunterzeichnete Dr. Paul Nathan die Ehre, von Euerer Excellenz in Konstantinopel empfangen zu werden. Er unterbreitete die detaillierten Pläne zur Errichtung eines Technikums und einer Mittelschule in Haifa. Diese Institute sollen erbaut und alsdann verwaltet werden von einem „Jüdischen Institut für technische Erziehung in Palästina", das seinen Sitz in Berlin hat und dessen Vorsitzende die Unterzeichneten sind. Euere Excellenz hatten damals nach Kenntnisnahme der Tatsachen dem unterzeichneten Paul Nathan erklärt: „Bauen Sie ruhig, ich werde Sie schützen." Das Grundstück im Werte von 100 000 Francs wurde in Haifa erworben, und es ist gelungen, die rechtsgültige Eintragung des Grundstücks auf dem Katasteramt in Haifa auf den Namen des Herrn Dr. James Simon in Berlin zu erlangen. Das gesamte Grundstück ist bereits mit einer Mauer umgeben, und es wurden von den Lokalbehörden die entsprechenden Bauerlaubnisse für die zu errichtenden Baulichkeiten ohne nähere Bestimmung des Zwecks erlangt. Seit 2 Monaten ist alsdann mit der Anlage von Zisternen, Brunnen und dem Behauen von Steinen auf dem Bauplatz begonnen worden. Mit dem eigentlichen Bau selbst ist bisher noch nicht der Anfang gemacht. Darauf intervenierten am 12. Januar die türkischen Behörden und haben jede weitere Tätigkeit auf dem Bauplatze, der dem deutschen Staatsbürger, Herrn Dr. James Simon, gehört, untersagt und gewalttätig Zu verhindern gesucht, und auch das Einschreiten des deutschen Konsuls in Haifa hat einen Erfolg bisher nicht gehabt. Wir erlauben uns, Euerer Excellenz über die Vorgänge abschriftlich einen Bericht zugehen zu lassen, der uns von unseren dortigen Vertretern Zugestellt worden ist. Wir möchten hinzufügen, daß wir auf Grund telegraphischer Verständigung annehmen müssen, es habe sich die Situation bis zum jetzigen Augenblick zum Bessern in Haifa nicht gewendet. Die Unterzeichner ersuchen nunmehr ganz ergebenst Euere Excellenz, uns nach der Richtung hin Ihre machtvolle Hilfe gewähren zu wollen, daß zunächst wenigstens die rein vorbereitenden Arbeiten auf dem Terrain, als da

262

AnhangF

sind Applanieren des Bodens, Behauen von Steinen, Anlegen von Wegen etc., wozu eine Bauerlaubnis überhaupt nicht erforderlich erscheint, uns gestattet werden, damit wir die vorhandenen Arbeitskräfte beschäftigen können. Jeder Tag der Untätigkeit kostet uns ca. 300.- Francs. Die Behinderung dieser Arbeiten dürfte unter allen Umständen rechtswidrig sein und einen Anspruch unsererseits auf Schadenersatz begründen. Es entsteht aber alsdann die Frage, ob eine bedingungslos erteilte Bauerlaubnis der Ortsbehörde überhaupt zurückgezogen werden kann und namentlich, wenn es sich um Bauten auf einem Terrain handelt, das einem deutschen Staatsbürger gehört und das auch seitens der türkischen Behörden auf den Namen des deutschen Staatsbürgers eingetragen worden ist. Wir ersuchen ganz ergebenst Euere Excellenz, Ihren mächtigen Einfluß dahin geltend zu machen, daß der Benutzung der erteilten Bauerlaubnisse Hinderungen seitens der türkischen Behörden nicht ferner in den Weg gelegt werden, und wir bitten Euere Excellenz, uns gütigst jene Schritte bezeichnen zu wollen, die zur Durchführung unseres humanitären Werkes zweckdienlich erscheinen. Besonders hervorheben möchten wir noch, daß unsere Bestrebungen jedes politischen Charakters entbehren, und daß sie zugleich dem ottomanischen Reiche Nutzen bringen werden. Unsere Tendenzen gehen dahin, unsere im türkischen Reich wohnenden Glaubensgenossen zwar zu guten Juden, aber gleichzeitig Zu guten ottomanischen Staatsbürgern zu erziehen. In den von uns zu begründenden Schulen soll insbesondere auch das Türkische in ausgiebigster Weise gelehrt werden und daneben freilich das Deutsche als Kultursprache. Die aus unseren Instituten hervorgehenden Schüler würden also brauchbare Handwerker und Techniker, die mit der türkischen Staatssprache vertraut sind, dem ottomanischen Reiche liefern. Da wir uns zugleich von jeder konfessionellen Engherzigkeit fernhalten, so könnten unsere Schulen insbesondere auch der heranwachsenden Jugend der deutschen Kolonie von Haifa von Nutzen sein, insofern, als wir durchaus bereit sind, die Söhne der deutschen Kolonisten wie alsdann auch die Söhne von Mohamedanern in unsere Anstalten aufzunehmen. Daß das Unternehmen schließlich dem deutschen Handel im Oriente Nutzen bringen kann, erscheint zweifellos, da wir, wie hervorgehoben, das Deutsche als Kultursprache in unseren Schulen lehren. Ganz besonders dankbar wären wir Euerer Excellenz, wenn Zunächst womöglich telegraphisch der deutsche Vertreter in Haifa angewiesen werden könnte, sich die Beseitigung der der Weiterführung unseres Unternehmens entgegenstehenden Schwierigkeiten energisch angelegen sein zu lassen. Indem wir uns der Erwartung hingeben, daß Euere Excellenz unserem ergebensten Ersuchen zu entsprechen in der Lage sein werden, zeichnen wir mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung ehrerbietigst gez. Dr. James Simon Dr. Paul Nathan

Löytved-Hardegg an Bethmann Hollweg

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ANHANG G

Konsul Löytved-Hardegg (Haifa) an Reichskanzler Bethmann Hollweg Haifa, den 18. April 1912 (A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176 334-339)

Am 11. dieses Monats fand die Grundsteinlegung des unter deutschem Schutze stehenden „Jüdischen Institutes für technische Erziehung in Palästina" statt. Aus diesem Anlaß wurde eine Feier von dem Zionisten Dr. Schmarja Levin veranstaltet, der kürzlich von dem Kuratorium des Jüdischen Technikums in Berlin zur Überwachung der Bauarbeiten hierher entsandt worden ist. Ich nahm an der Feier teil und erlaubte mir, die Wünsche der Kaiserlichen Regierung für das Gedeihen des Technikums auszusprechen. Von türkischen Beamten war niemand erschienen. Da sie, wie auch ich, erst am Vormittag des 11. dieses Monats eingeladen wurden, entschuldigten sie ihr Ausbleiben damit, daß sie sich mit ihrer Zeit nicht so schnell hätten einrichten können. Tatsächlich dürften sie nicht gekommen sein, weil sie nicht rechtzeitig Instruktionen von ihren Vorgesetzten einholen konnten und ohne solche üblicherweise an fremden Veranstaltungen der gedachten Art nicht teilnehmen. Ich glaube nicht, daß ihr Ausbleiben als eine antisemitische oder etwa fremdenfeindliche Demonstration aufzufassen ist. Hiergegen spricht das bisherige wohlwollende Verhalten der hiesigen türkischen Behörden diesem Unternehmen gegenüber, wie es auch in ihrem befürwortenden Begleitbericht zu dem Gesuch Zur Bauerlaubnis des jüdischen Technikums zum Ausdruck gekommen ist. Die Feier, an der gegen 100 Juden aller Nationen teilnahmen, wurde durch den Segensspruch des hiesigen Rabbiners der Aschkenasim eröffnet. Bei dem großen Kampf zwischen den orthodoxen thoratreuen Rabbinerschulen und den modernen Laienschulen in Palästina bedeutete die Beteiligung eines Rabbiners, der außerdem noch in den Talmud-Thoraschulen Jerusalems groß geworden ist, einen Fortschritt. Es ist ein Zeichen für den auch unter dem jüdischen Klerus eindringenden Modernismus und des zunehmenden Verständnisses der Laien für die enge Verknüpfung von Religion und Volkstum. Beide Richtungen tragen zu der seit einigen Jahren unter dem Einfluß der zionistischen Idee mächtig geförderten Einigung des jüdischen Volkes bei. Die Festrede hielt der oben genannte Dr. Schmarja Levin, der durch seine agitatorische Tätigkeit wesentlich Zur finanziellen Fundierung des Technikums beigetragen hat, Zu dem die Cohn-Oppenheim-Stiftung des Hilfsvereins der Deutschen Juden 300 000 M, der Amerikaner H. Schiff 100 000 Dollar, die russische Familie Wissotzky 100000 Rubel und der zionistische

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Anbang G

Nationalfonds 100 000 frs. gestiftet haben. Die Auswahl eines Zionisten Zum Festredner und seine in der jüdischen Nationalsprache und im zionistischen Geiste gehaltene Rede erscheinen mir symptomatisch für den großen Einfluß der zionistischen Organisation auf dieses neue Unternehmen zu sein, Zu dem sie zwar mit Geld verhältnismäßig wenig beigetragen hat und in dessen Kuratorium in Berlin sie dementsprechend nur 4 Vertreter hat, während die übrigen angeblich nicht zionistischen deutsch-, amerikanisch- und russischjüdischen Geldspender je 7 Vertreter haben. Ihre Macht ist mehr eine moralische und beruht auf der von ihr geleiteten Nationalbewegung, deren geschichtliche Notwendigkeit und Zusammenhang mit den bestimmenden geistigen Mächten des vergangenen und dieses Jahrhunderts nicht zu verkennen sind. Ist es nicht natürlich, daß die Juden unter dem Einfluß der nationalen Bewegung aller Völker und bei dem überall erwachenden Bildungs- und Kolonisationsbetrieb ihrer durch Jahrhunderte erhaltenen Rassen- und Religionsgemeinschaft und ihrer gemeinsamen bedeutenden Vergangenheit und Messiashoffnung tiefer bewußt geworden sind? Im Anfang betätigte sich dieses Bewußtsein in Hilfeleistungen für die leibliche Not der östlichen Juden und Schaffung von gesicherten Heimstätten/Territorialismus. Später erweckte es mit dem Rückgang der Türkei die Sehnsucht nach der alten Heimat und seit Herzl den Plan und das Ziel, in Palästina eine Heimstätte des jüdischen Volkes zu schaffen. Dieser Plan ist durch eine großzügige und Zähe kolonisatorische und kulturelle praktische Arbeit in Palästina betätigt worden. Die kräftigen ideellen Momente, die dieser Bewegung Zu Grunde liegen und die Lösung der Judenfrage und die moralische Wiedergeburt des gesamten jüdischen Volkes herbeizuführen geeignet sind, werden ihre Früchte tragen. Es wäre verfrüht, über die Erfolge ihrer politischen Ziele schon heute urteilen zu wollen. Die Zionisten werden gewiß noch manche Enttäuschung erleben und viel lernen müssen. Vor allem wird ihre vielfach hervortretende Überhebung einem taktvollen und nüchternen Vorgehen weichen müssen. Im Ganzen aber verdienen die Vertreter der „Arterhaltung"-Zionisten nach meiner unmaßgeblichen Ansicht mehr Achtung als die Vertreter der „Artzerstörung"Assimilationsjuden. Ich glaube, daß die Ersteren als Vertreter einer höheren entwicklungsfähigen Idee immer mehr Einfluß im ganzen Judentum und im besonderen bei dem in Frage stehenden Unternehmen gewinnen werden. Nach der Festrede des Dr. Levin folgten mehrere Reden, von denen die Mehrzahl in hebräischer, die anderen in deutscher Sprache gehalten wurden. In diesen beiden Sprachen soll im Technikum später unterrichtet weiden. Die hebräische Sprache ist unter dem Einfluß der Zionistischen Bewegung in fast allen jüdischen Schulen und Kindergärten eingeführt worden. Sie ist aus einer Schriftsprache in eine Umgangssprache und Unterrichtssprache umgewandelt worden und dürfte mit der Zeit die lebendige Nationalsprache aller gegenwärtig sprachlich und kulturell auseinandergehenden Juden werden. Der deutsch-jüdische Jargon, der von den Aschkenasim gesprochen wird,

Löytved-Hardegg an Bethmann Holhveg

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dürfte dementsprechend verdrängt werden. Immerhin wird bei der Zahl der deutschsprechenden Juden dieser Prozeß langsam vor sich gehen. Nach einer Statistik von David Trietsch betrug im Jahre 1910 die Zahl der deutschsprechenden Juden:

5 000 000 2 150 000 1 900 000 620 000 100 000 275 000 250 000 100 000 zusammen: 10 395 000

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5 380 2 150 2 000 620 500 275 250 120

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Rußland Österreich-Ungarn Nord-Amerika Deutschland der Türkei Rumänien Großbritannien Frankreich

11 295 000

Bei den engen geistigen Beziehungen des Judentums zur deutschen Kultur und insbesondere des Zionismus, dessen Begründer deutsche Juden waren und dessen leitendes Komitee, Nationalfonds und Hauptzeitungsorgan ihren Sitz in Deutschland haben, neigen die Juden überhaupt dazu, die deutsche Sprache zu lernen. Der Hilfsverein der Deutschen Juden trägt durch seine hiesigen Schulen zur Verbreitung der deutschen Sprache unter den Juden besonders bei. Allerdings werden die Stimmen immer lauter, die dem Hilfsverein denselben Vorwurf machen, wie der Alliance Israélite Universelle, nämlich daß erstere auf die deutschen und letztere auf die französischen Unterrichtsfächer mehr Gewicht legen, als es die jüdischen Interessen im heiligen Lande erforderlich machen. Beide Vereine werden - glaube ich - mit der Zeit den national-jüdischen Ansprüchen immer mehr Rechnung tragen. Einstweilen wird die deutsche Sprachgemeinschaft den deutschen Handelsinteressen dienen. Das Technikum soll in Zwei Jahren fertiggestellt werden. Die Baukosten werden auf 1 Million Mark geschätzt. Es soll eine Elementar-, Mittel- und Hochschule enthalten und Ähnliches wie das deutsche Technikum Mittweida bieten. Bei der bisherigen geringen industriellen Entwickelung der Türkei werden Techniker und Ingenieure verhältnismäßig wenig gebraucht. Der Bedarf wird steigen, sobald die Zahlreichen Projekte für Straßen-, Bahn-, Hafen-, Bewässerungs- und Beleuchtungsanlagen zur Ausführung gelangen. Es läge im Interesse des Unternehmens, Zunächst nur eine Handwerkerschule und später mit dem eintretenden Bedürfnis eine technische Hochschule zu eröffnen. Dr. Löytved-Hardegg

AnhangH

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ANHANG H

Paul Nathan an James Simon Berlin, 18. Juni 1912 (A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176 343-351)

Lieber, verehrter Herr Doktor! Der Bericht aus Haifa ist sehr interessant, aber ich glaube, es hegt im Interesse unseres Unternehmens, daß wir zwei Irrtümer des Berichts nicht bestehen lassen. Bei der Besorgnis der türkischen Regierung vor den Zionistischen Bestrebungen ist es nicht gleichgültig, wenn der deutsche Vertreter in Haifa den Einfluß derartiger Tendenzen bei uns vorausetzt. Diese seine Auffassung kann auch zu den türkischen Behörden durchsickern und diese würden alsdann um so mißtrauischer gegen uns sein und damit würden die Schwierigkeiten für unser Unternehmen wachsen. Unter diesen Umständen wäre es, wie mir scheint, sehr zweckmäßig, wenn vom „Auswärtigen Amt" aus Herr Dr. Löytved-Hardegg darauf aufmerksam gemacht würde, daß alle Personen von Gewicht im Vorstand des Technikums nicht nur keine Zionisten sind, sondern die politischen Aspirationen des Zionismus für undurchführbar und für verfehlt erachten; sowohl die großen Geldgeber des Instituts wie die geistigen Leiter stehen auf diesem Standpunkte. Der zionistische Nationalfond hat auch nicht 100 000 fr. für das Unternehmen „gestiftet", sondern er hat nur Grund und Boden mit diesem Betrag beliehen und hierzu ist er durch seine Statuten veranlaßt. Was endlich Herrn Dr. Lewin anbetrifft, so ist er freilich zur Zeit noch im Kuratorium, aber nicht weil er Zionist ist, sondern weil er sich für die Entwicklung des orientalischen Judentums in hingebungsvoller Weise interessiert. Herr Dr. L. wird übrigens in kürzester Zeit aus dem Kuratorium austreten, um als Lehrer unter einem von uns zu bestellenden Direktor in einem großen Lehrerkollegium in Haifa zu wirken und dieses Lehrerkollegium wird zusammengesetzt werden in Rücksicht auf die pädagogische Tüchtigkeit der Zu Berufenden und nicht in Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Parteigruppierung innerhalb des Judentums. Endlich ist es unzutreffend, daß die Heranziehung des Hebräischen für den Unterricht in unseren Schulen auf zionistische Einwirkung zurückzuführen sei. Dem Hebräischen wurde bekanntlich in unseren Schulen der Platz angewiesen, den es immer hat, ausschließlich aus pädagogischen Rücksichten. Wir haben in unsern Schulen Kinder aus Marokko, aus Tunis, aus Ägypten, arabische Juden aus Jemen, sephardische Juden aus Palästina und dem Euphrat- und Tigris-Gebiet, aus Persien und dazu osteuropäische eingewanderte Juden. Für die Gesamtheit dieses zusammengewürfelten Schülermaterials

Löytved-Hardegg an Bethmann Hollweg

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muß eine gemeinsame Unterrichtssprache vorhanden sein. Die konnte nur das Hebräische sein, die als religiöse Sprache in den Familien all dieser verschiedenen jüdischen Bevölkerungselemente gesprochen wird. Das ist, wie Sie wissen, der ausschlaggebende und einzige Grund für die Stellung, die wir dem Hebräischen im Unterrichtsplan gegeben haben, neben dem Deutschen als Weltsprache. Ich glaube, es wäre zweckmäßig, wenn Herr Dr. Hardegg vertraulich von Berlin aus auf diese Tatsachen hingewiesen würde, damit nicht unbeabsichtigte Äußerungen des deutschen Konsuls die Veranlassung geben, die türkischen Lokalbehörden uns ungünstig zu stimmen. Herzlichst wie stets Ihr P. Nathan

ANHANG I

Konsul Löytved-Hardegg an Reichskanzler Bethmann Hollweg Haifa, den 10. Juli 1912 (A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 2, K 176 357-362)

Vertraulich In der Anlage beehre ich mich den mit hohen Erlaß vom 26. vorigen Monats übersandten Brief des Herrn Dr. Paul Nathan gehorsamst zurückzureichen. In diesem Brief verwahrte sich der Genannte dagegen, daß ich den Einfluß zionistischer Tendenzen bei dem Vorstand des jüdischen Technikums voraussetze. Alle Personen von Gewicht seien nicht nur keine Zionisten, sondern erachten die politischen Aspirationen des Zionismus für undurchführbar und für verfehlt. Ferner sei die Heranziehung des Hebräischen für den Unterricht in den Schulen des Hilfsvereins nicht auf Zionistische Einwirkung zurückzuführen, sondern erfolge ausschließlich aus pädagogischen Rücksichten ... Ich bin überzeugt, daß Herr James Simon und Dr. Paul Nathan den Hilfsverein der Deutschen Juden nicht aus Zionistischen, sondern humanitären Motiven ins Leben gerufen haben, um den notleidenden Juden im Osten, namentlich in Rußland, wo massenhafte Judenausweisungen stattfinden, zu helfen. Ich glaube auch, daß die beiden Herren die politischen Aspirationen der Zionisten für undurchführbar halten. Die Zionisten selbst haben neuerdings in kluger Weise den politischen Zionismus vorläufig zurückgestellt. Sie glauben selber nicht, daß sie durch einen

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Anhang I

großen diplomatischen Erfolg Palästina auf einmal gewinnen werden, um dem jüdischen Volk eine öffentlich-rechtliche gesicherte Heimstätte Zu schaffen. Sie haben vielmehr den sogenannten „Kulturzionismus" und die praktische Palästinaarbeit vorläufig in den Vordergrund gestellt. Palästina soll zunächst durch Förderung der Besiedlung mit Juden, Schaffung von Lehranstalten, Wiederbelebung der hebräischen Sprache zur Nationalsprache u.s.w. ein jüdisches Kulturzentrum werden. Die Bestrebungen des Kulturzionismus laufen mit denen des deutschen Hilfsvereins parallel... Der Unterschied zwischen den Bestrebungen des deutschen Hilfsvereins und denen des Zionismus scheint mir in erster Linie in den Motiven und dem „weiteren" Zweck Zu liegen. Während der Hilfsverein aus allgemein „menschlichen" Gründen seinen „jüdischen Glaubensgenossen" helfen, sie wegen der „bestehenden Einund Auswanderungsverhältnisse" nach dem Orient (alias heiliges Land) leiten und aus pädagogischen Rücksichten die hebr. Sprache neubeleben will, damit die Juden hier geordnete Kulturgemeinden gründen können, bildet bei den Zionisten der Wille zur Nation die Haupttriebfeder und die Gesamtorganisation des jüdischen Volkes für die Schaffung einer jüdischen nationalen Heimstätte in Palästina den Hauptzweck. In der Praxis arbeiten beide, Zionisten und Hilfsverein, mit gleichen Mitteln zu demselben gegenwärtigen erreichbaren „näheren" Zweck. Aus diesem Grunde gehen sie vielfach Hand in Hand auf dem gemeinsamen Arbeitsfeld in Palästina. Sie mögen in Deutschland „getrennt marschieren", hier aber operieren sie erforderlichenfalls zusammen, wie aus folgenden Tatsachen beim Technikumsunternehmen hervorgeht: 1. der jüdische Nationalfonds der Zionisten hat dem Hilfsverein der Deutschen Juden für den Boden des in Haifa Zu begründenden Technikum ein unkündbares Darlehen von 81 000 Mark gegeben ... 2. das Zionistische Aktionscomite hat dem Hilfsverein für denselben Zweck eine Subvention von 2430 Mark gegeben; 3. im Kuratorium des Technikums in Berlin sind 4 Zionisten vertreten; 4. das hiesige Lokalkomite für das Technikum bestand bis zur Ankunft des Zionisten Dr. Schmarja Levin aus dem Direktor der zionistischen Bank Anglo-Palestine-Company, Herrn Kaisermann, und dem Zionisten Dr. Auerbach, Verfasser der Broschüre „Palästina als Judenland"; 5. die Geldangelegenheiten des Technikums werden durch die zionistische Anglo-Palestine-Bank geregelt. Wenn trotz dieser Tatsachen Herr Dr. Nathan bei den Türkischen Behörden und einflußreichen Eingeborenen nicht den Verdacht erwecken möchte, daß sich beim Technikum Zionistischer Einfluß geltend macht, überschätzt er entweder die Naivität der hiesigen maßgebenden Kreise oder er verkennt die Tragweite der bestehenden Zionistischen Beziehungen mit dem Technikum. Die Einheimischen nehmen überhaupt an, daß alle hiesigen jüdischen Unternehmungen mehr oder weniger dem Zionismus dienen ... Vor allem wird bei

James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann

269

der strengen Scheidung der verschiedenen religiösen Gemeinden in Palästina das hiesige Judentum natürlicherweise dahin geführt, sich zusammenzuschließen und nach seinen national-religiösen Idealen zu leben ... Ich bemühe mich nach Möglichkeit Zu betonen, daß das Technikum dem Zionismus fernsteht. Ich tue es schon aus dem einfachen Grunde, weil ich die Interessen dieses deutschen Unternehmens zu wahren habe und jede Schwierigkeit seitens der türkischen Behörde verhindern möchte ... Ich verstehe die schwierige Stellung Dr. Nathans, der auf der einen Seite den Verdacht zionistischer Tendenzen abweisen muß, auf der anderen Seite zionistische Geldmittel und Hilfskräfte nicht abweisen kann. Es wird für ihn schwer sein, aus diesem Dualismus einen Ausweg zu finden. Ich persönlich sehe das Technikum in erster Linie als ein rein jüdisches Unternehmen an. Es hat nach meinem Dafürhalten für das Deutschtum nur solange Bedeutung, als es zur Verbreitung der deutschen Sprache und deutschen Wissenschaft dient. Dr. Löytved-Hardegg

ANHANG J

James Simon an Unterstaatssekretär

Zimmermann

Berlin, den 3. Juni 1913 (A. A. Türkei 1195, Die Juden in der Türkei, Bd. 3, K176 418-420)

Ich bestätige hiermit den Empfang Euer Hochwohlgeborenen gef. Zuschrift vom 29ten pr. nebst Anlagen und habe von dem Bericht des Kais. Vizekonsuls in Haifa über die Organisation und die Bestrebungen der Zionisten bez. Palästinas bestens Kenntnis genommen. Ich enthalte mich heute eines Eingehens auf diese Darlegungen; ich glaube nur sagen zu sollen, daß es m. E. sich erübrigen wird, formelle Verpflichtungen für die dauernde Erhaltung der deutschen Sprache als Unterrichtssprache in der Mittelschule und dem Technikum in Haifa Zu geben. Letzteres wird mit deutschen Unterrichtskräften besetzt werden. Diese können selbstverständlich fruchtbringenden Unterricht nur dann erteilen, wenn ihre auf der Mittelschule herangebildeten Schüler die deutsche Sprache völlig beherrschen. Der uns gütigst angesagte Schutz des deutschen Reiches kann natürlich nur so lange in Anspruch genommen werden, als den berechtigten Forderungen der Reichsbehörden in bez. auf die Gestaltung des Unterrichts gebührend Rechnung getragen wird. Der Hilfsverein der Deutschen Juden ist bei der Begründung des Instituts von der

AnbangK

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Anschauung ausgegangen, daß die bezweckte Hebung des Bildungsniveaus der einheimischen jüd. Bevölkerung am besten durch die Vermittlung deutscher Kultur erreicht werden wird. Wenn die hebräische Sprache auch als Verkehrssprache nicht recht entbehrt werden kann für die Verständigung der Aschkenasim, Sephardim und Yemeniten unter einander, so werde ich doch stets bemüht bleiben, sie als Unterrichtssprache auf das geringstmögliche Maß zu beschränken. Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung bleibe ich Euer Hochwohlgeboren sehr ergebener James Simon

ANHANG K

James Simon an Unterstaatssekretär

Zimmermann

Berlin, den 20. Januar 1915

(A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei, Bd. 5, L 76774-776)

Euer Hochwohlgeboren erlaube ich mir folgendes ergebenst vorzutragen: Das jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina, welches das Technikum in Haifa errichtet hatte, mußte in Konkurs gehen, weil Mittel Zur Befriedigung der Gläubiger nicht mehr vorhanden sind. Zu den Gläubigern gehört das zionistische Unternehmen „der jüdische Nationalfonds", welcher in England seinen Sitz hat. Diese Institution hatte dem Technikum ein unkündbares Darlehen von 80 000 Mark zum Erwerb von Grund und Boden gegeben. Die Direktion des Nationalfonds hatte einen Sitz im GläubigerAusschuß beansprucht, ist aber von dem Gericht zurückgewiesen worden, weil er in feindlichem Lande domiziliert. Die Direktion wird nun sofort bei dem Herrn Reichskanzler einkommen, daß ihr gegenüber eine Ausnahme gemacht werde, damit sie im Gläubiger-Ausschuß Vertretung erlangen könne. Wird ihr das bewilligt, so will sie darauf hinarbeiten, daß die auf den 1. März festgesetzte Versteigerung bis nach Ende des Krieges verschoben werde. Inzwischen will sie versuchen, Mittel aufzubringen, um bei der Versteigerung gegen den Hilfsverein der Deutschen Juden, der eine Forderung von460 000 Mark an das Technikum hat, konkurrieren und möglichst das Institut in ihre Hand bringen zu können.

James Simon an Unterstaatssekretär Zimmermann

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Hierbei wird zu berücksichtigen sein, daß ausschließlich die Umtriebe der Zionisten das Technikum zum Scheitern gebracht haben. Es wurde dazu ausersehen, um Sturm gegen die deutschen Schulen des Hilfsvereins zu laufen. Der von uns entworfene Lehrplan wurde benutzt, um den bekannten Sprachenkampf zu entfesseln, dessen Ziel war, in den Schulen des Hilfsvereins die deutsche Sprache durch die hebräische Sprache zu ersetzen. Kommt das Technikum in die Hand der Zionisten, so wird in ihm die hebräische Sprache Unterrichtssprache werden. Um die Leitung des Hilfsvereins zu diskreditieren, hat die gesamte zionistische Presse unentwegt verbreitet, daß wir nicht in erster Linie die jüdischen Interessen Zu fördern im Augen hätten, sondern im Solde des Berliner Auswärtigen Amtes arbeiteten, also mit politischen Motiven. Ich selbst hätte unserem Kaiser das Versprechen gegeben, aus dem Technikum eine deutsche Anstalt zu machen. Als die Zionisten sahen, daß wir uns ihnen nicht fügen würden, haben sie durch ihre Machenschaften die Fertigstellung des Technikums verhindert, indem sie die Forderung aufstellten, wir sollten uns der Aufsicht eines Generalsekretärs unterwerfen. Nur unter dieser Bedingung sollten aus Rußland 100 000 Mark Zur Fertigstellung beigesteuert werden, während Dr. Nathan und ich sich bereit erklärt hatten, ein jeder 100 000 Mark ä fonds perdu beizusteuern. Unter diesen Verhältnissen blieb als einziger Ausweg der Konkurs. Gerät die technische Schule in die Hände der Zionisten, so wird eine neue Hetze gegen die Schulen des Hilfsvereins sofort einsetzen und all die beklagenswerten und unwürdigen Agitationen, die Palästina und die deutsche Judenheit erschüttert und so viel widrige Erscheinungen gezeitigt haben - auch die Stellung der Araber zu den Juden ungünstig beeinflußt haben - , werden sich in verstärktem Maße wiederholen. Ich hielt mich deshalb verpflichtet, Euer Hochwohlgeboren über die Sachlage zu informieren. In vorzüglicher Hochachtung empfehle ich mich sehr ergeben Dr. James Simon

AnhangL

272

ANHANG L

Die Veräußerung des Technikums in Haifa

Erste Ausfertigung Zur Urschrift sind 341 M. (Dreihunderteinundvierzig Mark) Stempel verwendet. Als erste Ausfertigung stempelfrei. Berlin, den 9. Februar 1920 Makower, Notar Nr. 14 des Notariats-Registers für 1920

verhandelt zu Berlin, Tiergartenstraße 15 a am 6. Februar 1920 vor dem unterzeichneten zu Berlin, Potsdamerstr. 131 wohnhaften Notar Felix

Makower

der sich zwecks Aufnahme dieser Verhandlung nach Tiergartenstraße 15 a begeben hatte, erschienen heute: 1. Herr Dr. James Simon, wohnhaft in Berlin, Tiergartenstraße 15 a, 2. Herr Dr. Paul Nathan, wohnhaft in Berlin, Altonaerstr. 26, 3. Herr Professor Dr. Otto Warburg, wohnhaft in Charlottenburg, Uhlandstr. 175. Die Erschienenen sind dem Notar persönlich bekannt. Die Erschienenen zu 1 und 2 erklärten, namens des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Eingetragener Verein, zu Berlin (nachstehend „Hilfsverein" genannt) zu handeln. Der Erschienene zu 3 erklärte, daß er im eigenen Namen handle, wenngleich im Verhältnis nach innen für Rechnung des Herrn Professor Weizmann als Vertreter des Zionistischen Aktionskomitees. Hierauf erklärten die Erschienenen:

Die Veräußerung des Technikums in Haifa

273

§ 1. Der Hilfsverein verkauft und, soweit möglich, übereignet hierdurch an Herrn Professor Warburg alle Gegenstände und Rechte, die der Hilfsverein aus dem Vermögen des „Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina (hervorgegangen aus der Wolff Wissotzky Stiftung des Hilfsvereines der Deutschen Juden) E. V." in Berlin auf Grund der Versteigerung vom 15. März 1915 und der ihr Zu Grunde liegenden Herrn Professor Warburg bekannten Verkaufsbedingungen erworben hat. Die Veräußerung erfolgt in dem Zustand, in dem sich jene Rechte und Gegenstände gegenwärtig befinden, ohne jede Gewährleistung für Bestehen und Beschaffenheit. Zu einer besonderen Übergabe an Ort und Stelle ist der Hilfsverein nicht verpflichtet. Dem Käufer bleibt es vielmehr überlassen, auf Grund der hierdurch ausgesprochenen Ermächtigung des Hilfsvereins auf eigene Gefahr und Kosten sich in den Besitz zu setzen. Auf Wunsch des Käufers wird der Hilfsverein, soweit es in seinen Kräften steht, ihm hierbei behilflich sein. § 2. Der Kaufpreis beträgt 538042.01 M (fünfhundertachtunddreißigtausendzweiundvieizig Mark 01 Pfg) entsprechend den laut erfolgter Abrechnung gehabten Aufwendungen des Hilfsvereins für den Erwerb und für die Verwaltung bis zur Inbesitznahme durch die Engländer. Dieser Betrag ist seitens des Käufers in einem Scheck heute gezahlt worden, was der Verkäufer hierdurch anerkennt. § 3- Der Hilfsverein hat bei Übernahme des Vermögens des Jüdischen Instituts für technische Erziehung in Palästina eine Reihe von Beträgen in Wertpapieren teils freiwillig teils gemäß dem Zwangsvergleich zurückgelegt behufs demnächstiger Auseinandersetzung mit nachstehend erwähnten Vereinen, Gesellschaften und Stiftungen: 1. Zu Gunsten des Jüdischen Nationalfonds wurden 83 632,50 (Dreiundachtzigtausendsechshundertzweiunddreißig Mark 50 Pfg) festgelegt, als der Wert, den der von ihm für das Jüdische Institut für technische Erziehung in Palästina geleistete Betrag von 100 000 Franken Zur Zeit dieser Betragsleistung hatte. Bei Hinzurechnung der Zinsen seit der Rücklegung würde dieser Betrag sich erhöhen auf rund 100000.- M. 2. Der zu Gunsten der Haifa Internat Gesellschaft m.b.H. Zurückgelegte Betrag zuzüglich Zinsen beläuft sich auf 60 877.- M. 3. Der für die Samuel Strauss-Stiftung, vertreten durch den Hilfsverein, Zurückgelegte Betrag beläuft sich mit Zinsen auf 5487,90 M. 4. Der Zu Gunsten des Stipendienfonds Haifa, vertreten durch den Hilfsverein, zurückgelegte Betrag beläuft sich mit Zinsen auf 1183,31 M. Diese zusammen 167 548,21 M. (Einhundertsiebenundsechzigtausendfünfhundertachtundvierzig Mark

274

AnhangL

21 Pfg) verpflichtet sich der Hilfsverein an Herrn Professor Warburg durch Hingabe der Wertpapiere zum Kurs der Bilanz des Hilfsvereins vom 31. Dezember 1914 oder, soweit es sich um Kriegsanleihe handelt, zum Kurse von 92 % und Zahlung eines etwa überschießenden Betrags in bar Zu überweisen. Herr Professor Warburg übernimmt es, sich mit den zu 1 bis 4 genannten Vereinen, Gesellschaften und Stiftungen, Zu 2 auch mit den Gesellschaftern der Gesellschaft m.b.H., auseinanderzusetzen und von ihnen, soweit möglich, Ausgleichungsquittung für den Hilfsverein zu beschaffen. § 4. Herr Professor Warburg erstattet dem Hilfsverein bis Zu einem Höchstbetrag von 150000 M. dessen Auslagen beziehungsweise übernimmt dessen Schulden für die Verwaltung in Haifa aus der Zeit seit Inbesitznahme durch die Engländer. Zahlung erfolgt jeweilig innerhalb eines Monats nach Übermittlung entsprechender Aufstellung und, soweit möglich, Belegen seitens des Hilfsvereins an Herrn Professor Warburg. § 5- Dem Hilfsverein steht gegen die türkische Regierung eine Forderung von 100 000 M. nebst Zinsen für Maschinenlieferungen zu. Er verpflichtet sich, diese Forderung oder etwaige an deren Stelle tretende Ersatzforderungen ohne Gewährleistung für die Einbringlichkeit an Herrn Professor Warburg oder an eine von ihm zu bezeichnende Person abzutreten. Herr Professor Warburg verpflichtet sich, bei seinem Auftraggeber dafür einzutreten, daß dieser diese Forderung möglichst sofort durch Zahlung von 100 000 M. an den Hilfsverein ablöse und zahlt allenfalls diese 100 000 M. spätestens am 1. Januar 1922 an den Hilfsverein. § 6. Herr Professor Warburg übernimmt alle etwaigen über die Zeit dieses Vertragsabschlusses hinausgehenden Verpflichtungen gegenüber den für Haifa gegenwärtig noch angestellten Beamten und sonstigen Dienstverpflichteten des Hilfsvereins. Herr Professor Warburg tritt in die bestehenden Dienstverträge, die namentlich, wie der Hilfsverein erklärt, nicht auf LebensZeit geschlossen sind, ein. Auf Verlangen des Herrn Professor Warburg ist der Hilfsverein verpflichtet, jeden dieser Verträge mit der zulässigen kürzesten Frist jeweilig zu kündigen. Herr Professor Warburg verpflichtet sich, das auf dem Grundstück in Haifa noch vorhandene und nach Möglichkeit auch das sonst in oder bei Haifa vorhandene Privateigentum der jetzigen und früheren Angestellten sicher Zu stellen und dies Privateigentum entweder bei erster Gelegenheit den Eigentümern an ihren jetzigen Wohnsitz außerhalb der Türkei auf deren Rechnung und Gefahr hinzusenden, oder, soweit der betreffende Eigentümer dies vorzieht und die Gegenstände für das Gebäude des Technikums gebraucht werden können, diese Gegenstände zu dem Wert zu übernehmen, den der betreffende Gegenstand zur Zeit der Übernahme in Haifa hat. § 7. der Käufer übernimmt alle durch vorstehende Verhandlung und deren Ausführung entstehenden Kosten, Stempel und Abgaben.

Briefe an und von Albert Einstein

275

Im Stempel- und Kosteninteresse wird bemerkt: 1. Die nach § 1 veräußerten Gegenstände und Rechte betreifen außerhalb Deutschlands gelegene unbewegliche Sachen und deren Zubehör, 2. der Wert der nach § 6 übernommenen Verpflichtungen wird auf 100 000 M. angegeben. Das Protokoll ist in Gegenwart des Notars vorgelesen, von den Beteiligten genehmigt und von ihnen eigenhändig, wie folgt, unterschrieben: Otto Warburg Paul Nathan James Simon Felix Makower Vorstehende Verhandlung wird hiermit zum ersten Mal ausgefertigt. Diese Ausfertigung wird dem Herrn Professor Dr. Otto Warburg in Charlottenburg, Uhlandstr. 175 erteilt. Berlin, den 9- Februar 1920 Felix Makower, Notar.

ANHANG M 1. Direktor S. Kaplansky an Prof. Albert Einstein, September 1933 2. Prof. Albert Einstein an das „Central British Fund for German Jewry", 28. September 1933 3. Direktor S. Kaplansky an Prof. Albert Einstein, 26. September 1934 (Aus dem Technion-General Archives, Bd. Einstein).

Herrn Prof. Albert Einstein c/o Comm. Locker Lompson 72, St. Stephens House, Westminster, S.W.I. Hochverehrter Herr Professor, Verzeihen Sie tausendmal, daß ich Sie wiederum behellige. Soeben in London eingetroffen, erfahre ich, daß die nächste Sitzung des Britischen Hilfskomitees am Montag, den 24. d. M. stattfindet, und es besteht gute Aussicht auf eine günstige Neubehandlung der Frage der Berufung von deutschen Professoren an das Technion. Ich bitte Sie daher sehr, verehrter Herr Professor, unserer Verabredung in Le Coq gemäß den beiliegenden Brief an das Komitee richten zu wollen.

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Anhang M

Ich wäre Ihnen unendlich dankbar, wenn Sie die Absendung des Briefes umgehend veranlassen, damit trotz der jüdischen Feiertage und des Sonntags der Brief rechtzeitig sein Ziel erreicht. Von Frau Prof. Schlesinger habe ich inzwischen die Nachricht bekommen, daß Prof. Sch. zwar noch verhaftet ist, daß aber seine Befreiung in den nächsten Tagen zu erwarten ist. Mittlerweile habe ich auch mit Herrn Prof. Schwarz von der „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler" konferiert, und er hat mir autoritative Auskunft über die meisten Kandidaten versprochen. Es wird mir stets eine hohe Ehre sein, Ihnen über alle diese Pläne auch persönlich berichten zu dürfen. Ich nutze die Gelegenheit, um Ihnen ein glückliches neues Jahr zu wünschen und bin in verehrungsvoller Ergebenheit Ihr sehr dankbarer

Copy

The Allocation Committee Central British Fund for German Jewry, Woburn House, Upper Woburn Place, W.C.I.

September 28th, 1933

Gentlemen, I understand that the Hebrew Technical Institute has submitted to you proposals which, if carried out, would provide a number of Jewish Scholars and engineers of high standing with facilities for continuing their work and studies in the field of technical science under the auspices of the Haifa Technion. Some time ago I had an opportunity of discussing with Mr. Kaplansky the names of Professors available for this task and ready to go to Palestine, and I can only say that this is a great opportunity of creating in Palestine an important centre of Jewish technical science. I therefore earnestly appeal to your Commitee to give its wholehearted support to the Technion and to enable it to save for Palestine some of the best Jewish technical brains. Very truly yours, (signed) Albert Einstein P. S. Ich möchte hinzufugen, daß meine Informationen über die Leitung und die Leistungen des Technions stets günstig lauteten.

Briefe an und von Albert Einstein

277 26. 9- 1934

Prof. Dr. Albert Einstein, Princeton University, Princeton, New-Jersey, U.S.A. Hochverehrter Herr Professor, Etwa ein Jahr ist seit den denkwürdigen Tagen vergangen, als ich die große Auszeichnung hatte, Sie in Le Coq besuchen Zu dürfen, und seit der großartigen Versammlung in der Londoner Albert Hall, in der ich Sie sprechen hörte. Ihr lieber Schwiegersohn, Herr Dr. Marianoff, überbrachte mir damals Ihr freundliches Schreiben an den Central British Fund, das mir natürlich von unschätzbarer Hilfe war. Zwar will ich nicht behaupten, daß die Londoner Herren besonders generös waren. Für die Berufung von Gelehrten aus Deutschland erhielt das Technion für das Jahr 1933/34 die mehr als bescheidene Summe von nur L.P. 750.- Aber ich erzielte einen ähnlichen Beitrag von der Union der Jüdischen Gemeinden Italiens (30000 Lire) und mit diesen kleinen Mitteln habe ich bisher fünf deutsche Wissenschaftler und hervorragende Ingenieure an das Technion verpflichtet: (Prof. Dr. Max Kurrein, Prof. Dr. Ing. Edwin Schwerin, Dipl. Ing. I. HaberSchaim, Dr. Ing. Henri Marcus und Dr. Fritz Naphtali). Das Technion ist nach wie vor bereit, eine Anzahl von Gelehrten für einige noch vakante Lehrkanzeln zu berufen, aber ich muß Ihnen, verehrter Herr Professor, leider gestehen, daß ich dafür in den maßgebenden Kreisen in London und New York wenig Verständnis und noch weniger finanzielle Unterstützung finde. Ich hielt es für meine Pflicht, Sie über diese Tatsachen kurz Zu unterrichten, weil ohne Ihren moralischen Beistand auch die aufgezählten Resultate kaum erzielt worden wären. Aber ich wage nicht, Sie mit weiteren Details und meinen Sorgen über die Zukunft Zu belasten, solange Sie nicht den Wunsch äußern, mehr darüber zu hören. Inzwischen bin ich so frei, hochverehrter Herr Professor, Ihr dem Technion so oft bekundetes tätiges Interesse für das Komitee unserer Freunde in Amerika in Anspruch zu nehmen. In den letzten drei Jahren haben wir uns geduldig bemüht, die Freunde unseres Instituts in den Vereinigten Staaten zusammenzufassen und dort tätige Förderung zu finden. Erst in diesem Jahre ist ein repräsentatives und, ich hoffe, aktionsfähiges National Commitee of Friends of the Haifa Technion entstanden. Nun steht das Technion vor seiner Zehnjahresfeier. Es wurde bekanntlich Anfang 1925, einige Monate vor der Universitäts-Eröffnung und Ihrem Besuch in Haifa, eröffnet. Die Feier in Haifa soll Anfang Januar 1935 stattfinden, und die Vorbereitungen sind im Gange. Unsere Freunde in Amerika möchten dieses im Leben des Technions wichti-

278

AnhangM

ge Ereignis zum Ausgangspunkt ihrer Aktion machen und das amerikanische Judentum an der Zehnjahresfeier des Instituts beteiligen. Sie möchten dazu Ihre persönliche Hilfe anrufen, und ich richte an Sie, hochverehrter Herr Professor, meine innige Bitte, dem Technion auch in diesem Falle Ihre gütige Hilfe und den Glanz Ihrer Persönlichkeit nicht zu versagen. Sie haben wiederholt in der Öffentlichkeit für die Universität in Jerusalem geworben. Das Technion wagt es zum ersten Mal, an Sie mit einer derartigen Zumutung heranzutreten. Aber nach 10 schweren Jahren des Anfangs, im Bewußtsein seiner Leistung, darf es wohl die große Ehre und Genugtuung der öffentlichen Anerkennung durch den größten Forscher und Juden unserer Zeit erbitten. Mit aufrichtigem Dank im voraus verharre ich in ehrfurchtsvoller Ergebenheit (Unterschrift) S. Kaplansky, Direktor

Q U E L L E N - UND

LITERATURVERZEICHNIS

I. Archivalische Quellen 1. Technion - Israel Institute of Technology a. The J. Nessyahu Historical Archives (TJNHA Zitiert), Bd. 1-14, 12-24, 48-51, 1301. Nachlaß Baerwald, Nachlaß Ascher Maliah, Nachlaß Hecker. b. The Central Archives Bd. Einstein und Personal-Akten. 2. Auswärtiges Amt - Akten, Bonn (A. A. Zitiert) a. A. A. Türkei 195, Juden in der Türkei, Bd. 1-7 (Abschriften aus dem Zionistischen Zentral-Archiv Jerusalem und dem Yad-Ben-Zwi-Archiv Jerusalem). b. Konstantinopel/Ankara Jüdische Interessen im Orient, Bd. 2-3, Deutsche Schulpolitik in der Türkei, Bd. 4-9, Das Jüdische Technische Institut in Haifa (1913-1923), Kult. VI S., Schulwesen. 3. Israelisches Staatsarchiv, Jerusalem (ISA zitiert) Die Akten des Deutschen Konsulats bis 1918 A HI/18 - Zionismus und Judentum 1899-1914; A 111/24 - Schulpolitik 1913-1914; A 111/24 II - Secreta Schulsachen 1913-1915; A XXVI11/39 I - Edler von Laemel-Schule 1901-1912, incl. Verein zur Erziehung jüdischer Waisen in Palästina und Hilfsverein der Deutschen Juden; A XXVIII/44 - Kunstgewerbeschule des Bezalel (Berlin), 1906-1908; A XXXX/1 - Secreta betr. Politisches 1889-1916; A XXXX/2, vol. 2 - Secreta betr. Personalien 1910-1917. 4. Zionistisches Zentral-Archiv Jerusalem (ZZAJ Zitiert) Akten: Z3/15Ö9, Z3/1570, Z3/1571, Z3/1573, Z3/1574, Z3/1575, Z3/1576, Z3/1579, Z3/1582, Z3/1583, Z3/1585, Z3/1587. 5. Yad-Ben-Zwi-Archiv Jerusalem Abschriften aus den Bd. 1-7 A. A. Türkei 195, Die Juden in der Türkei.

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Quellen- und

Literaturverzeichnis

6. Archive Yad Chaim Weizmann, Chaim Weizmann, Decade 1952-1962, Rehovot 1962.

II. Zeitgenössische Zeitungen, Zeitschriften und periodische (in Zusammenhang mit den untersuchten Zeitabschnitten)

Berichte

Die Welt, Köln-Berlin, 1908-1914. Jüdische Rundschau (JR), Berlin 1913-1914. Haschkafa, Wochenblatt, hrsg. von Elieser Ben-Jehuda (Hebr.), Jerusalem, 1908. Hapoel Hazair, Wochenblatt (Hebr.), 1913-1914. Geschäftsberichte des Hilfsvereins der Deutschen Juden, Berlin 1903-1918. Technik und Wirtschaft. Monatsschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, Berlin, 19081909.

III. Bücher und Aufsätze

bis 1918

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IV. Bücher und Aufsätze nach 1918 Achad Haam, Ten Essays on Zionism and Judaism, London 1922. Achad Haam, Igrot Achad Haam, Bd. 4 (1908-1912) (Hebr.), Jerusalem-Berlin 1924. Achad Haam, Igrot Achad Haam, Bd. 5 (1913-1917) (Hebr.), Jerusalem-Berlin 1924. Adler, Cyrus, Jacob H. Schiff: His Life and Letters, Vol. 2, New York 1929Alpert, Carl, Technion. The Story of Israel's Institute of Technology, New York-Haifa 1982. Alsberg, Paul, Toldot Hatechnion Haivri, (Hebr., Manuskript), TJNHA. Alsberg, Paul, The Hebrew Technical College, in: Zion (January-February 1950). Alter, Peter, Das Imperial College of Science and Technology- deutsches Vorbild und britischer Ansatz, in: Interne Paktoren auswärtiger Kulturpolitik im 19• und 20. Jahrhundert, Teil 1, Bd. 16, Stuttgart 1981. Anderson, M. J. (Ed.), The Great Powers and the Near East 1774-1923, London 1970. Auerbach, Elias, Pionier der Verwirklichung. Ein Arzt aus Deutschland erzählt vom Beginn der zionistischen Bewegung und seiner Niederlassung in Palästina kurz nach derJahrhundertwende, Stuttgart 1969Avineri, Shlomo, Varieties of Zionist Thought (Hebr.), Tel Aviv 1980. Avizur, Schmuel (Hrsg.), Lesecher Poalo schel Nahum Wilbusch, in: Haroschet Hama'ase, KowetzLetoldot Hata'asia Baaretz(Hebr ), Tel Aviv 1974. Beck, Hermann, Ingenieur und Kultur, in: Technik und Wirtschaft. Monatsschrift des Vereins Deutscher Ingenieure, 2. Jg., Heft 10 (Oktober 1909). Bein, Alex, Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems, Bd. 1, Stuttgart 1980. Ben-Aryeh, Joshua, The First Jewish Quarters Errected outside the Old City Walls in the 1880's (Hebr.), in: Cathedra, 2 (1976). Blumenfeld, Kurt, Erlebte Judenfrage. Ein Vierteljahrhundert deutscher Zionismus, Stuttgart 1962. Brandenburg, Erich, Von Bismarck zum Weltkriege, Darmstadt 1973 (erstmals gedruckt 1925). Bruch, Rüdiger vom, Weltpolitik als Kulturmission. Auswärtige Politik und Bildungsbürgertum in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkriegs, Paderborn-München-Wien-Zürich 1982. Carmel, Alex, Die Siedlungen der württembergischen Templer in Palästina, Stuttgart 1973. Carmel, Alex, The History of Haifa under Turkish Rule (Hebr.), Jerusalem 1977. Carmel, Alex, Palästina-Chronik 1853-1882. Deutsche Zeitungsberichte vom Krimkrieg bis zur ersten jüdischen Einwanderungswelle, Ulm 1978. Carmel, Alex, Palästina-Chronik 1883-1914. Deutsche Zeitungsberichte von der ersten jüdischen Einwanderungswelle bis zum Ersten Weltkrieg, Ulm 1983. Carmel, Alex, The Political Significance of German Settlement in Palestine 1868-1918, in: Walter Grab (Hrsg.), Germany and the Middle East 1835-1939 (- Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte, Beiheft 1), Tel Aviv 1975. Cecil, Lamar, The German Diplomatie Service 1871-1914, Princeton 1973.

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PERSONENREGISTER Abdul-Hamid II. 11, 34 Abdul-Medschid 21 Abraham, Israel 144 Achad Haam (U[A]scher Ginzberg) 68, 69, 70, 71, 72, 75, 76, 82, 85, 103, 105, 112, 113, 114, 131, 145, 147, 148, 149, 151, 152, 166, 167, 168, 170, 171, 174, 180, 181, 196, 199, 208, 240, 241, 242, 245, 246 Achmed el-Jezzar 36 Adler, Cyrus 76, 196 Adler, Leo 235 Aldenhoven, Carl 55 Alexander, Ernst 235 Alten, Karl Viktor von 23 Arnhold, Eduard 53 Auerbach, Elias 70, 83, 85, 86, 98, 104, 105, 107, 157, 158, 160, 175, 176, 268 Baerwald, Alexander 4, 97, 98, 99, 101, 102, 104, 105, 110, 111, 112, 115, 116, 117, 118, 120, 122, 129, 170, 232, 256 Balfour, Arthur James 219 Ballin, Albert 16, 53 Bamberger, Ludwig 55 Barski, Josef (Joseph) 100, 105, 106, 114 Barth, Theodor 55, 56 Bechar, Nissim 40 Beilis, Mendel 57 Ben Gurion, David 186 Ben Zwi, Izhak 186 Ben-Jehuda, Elieser 40, 41, 178, 184 Bendersky, Mediziner 146 Bensabath, Lehrer 175

100, 114, 130,

113,

Berl, Ernst 234 Bermann, Mitglied der Baukommission des Technikums 105 Bernhard, Karl 117, 253 Bethmann Hollweg, Theobald von 3, 42, 158, 159, 176, 186, 214, 240, 263, 267 Binz, Arthur 117 Biram, Arthur 134, 170, 225 Bismarck, Otto von 45 Blok, Arthur 231, 232 Bode, Wilhelm von 53 Bodenheimer, Max 42, 48, 189, 190, 212 Bogratschow, Hayyim (auch Boger, Hayyim) 177 Brämer, Obermeister 123 Brentano, Lujo 55 Brode, Wilhelm 23, 186, 187, 188, 189, 191, 218, 219 Broemel, Max 55 Broniatowski, Stadtbauinspektor 117 Buber, Martin 144 Büge, E. 23 Bülow, Bernhard von 13, 34 Chermayeff, Serge 237 Cohn, Ephraim 58, 59, 60, 73, 85, 86, 88, 89, 90, 91, 92, 95, 96, 97,102,103, 104, 105, 113, 149, 150, 154, 155, 182, 183, 242, 249 Cohn, Erich 214 Cohn-Oppenheim, Julie von 55, 78 Daher el-Omar 36 Davidsohn, A 173 Delbrück, Hans 15, 16 Dember, Harry 234, 235

288

Personenregister

Disengoff (auch Dizengoff), Meir 177,178 Einstein, Albert 98, 230, 236, 275, 276, 277 Eldodt, Moritz 216 Eulenburg, Philipp Graf 33 Feder, Ernst 53 Feist, Dipl.-Ing. 235 Feiwel, Berthold 78, 144 Ferdinand, König von Bulgarien 57 Finkelstein, Alfons 4, 117, 118, 119, 120, 121, 130, 134, 165, 166, 170, 190, 194, 195, 205, 216, 217, 225, 226, 256 Fliedner, Theodor 25 Frank, Fritz 234 Franz, Wilhelm 2, 98, 99, 100, 110, 111, 117, 128, 129, 130, 131, 169, 252, 253, 256 Friedländer-Fuld, Fritz 53 Friedrich von Baden 32, 33 Friedrich Wilhelm IV., König von Preußen 24 Fröbel, Friedrich 66 Fuchs, Eugen 47, 48 Fürstenberg, Carl 53 Gawronsky, Boris 72, 76, 245 Geiger, Alfred 73 Georg, Kronprinz von Griechenland 57 Ginzberg, U(A)scher s. Achad Haam 245, 246 Ginzberg, Lea 82 Gneist, Rudolf von 47 Goldberger, Ludwig Max 53 Goltz, Colmar Frhr. von der 13, 15, 16 Gothein, Georg 55 Götte, Geh. Regierungsrat 117 Götz, R. 72, 76, 245 Großmann, Hermann 234 Grothe, Hugo 15, 16, 156 Grünfeld, Heinrich 53 Haber-Schaim, J. 237, 277 Hajnal-Konyi, Dr.-Ing. 235 Hakim, Raphael 85, 91, 247, 248 Hankin, Yehoshua 93, 114

Hantke, Arthur 48, 185, 201, 208 Hardegg, Georg David 28, 157, 267 Hartmann, Ludo 55 Hechler, William 32, 33 Hecker, Konkursgläubiger 214 Hecker, Max 4, 130, 134, 170, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 233 Helfferich, Karl 16, 210 Herlinger, Erich 236 Herrmann, Immanuel 235 Herz, Wilhelm 53 Herzl, Theodor 31, 32, 33, 34, 35, 79, 189, 264 Hess, Moses 31 Hirsch, Siegmund 230 Hoffmann, Christoph (Sohn von Chr. Hoffmann) 29 Hoffmann, Christoph 28, 29 Hohenemser, Prof. 234 Hohenlohe Schillingsfürst, Chlodwig zu 51 Homberger, Heinrich 55 Hopf, Ludwig 236 Huhn, Arthur Ernst von 50 Ibn Farukh (Mohammed ibn Farukh) 36 Igel, Martin 235, 236 Iiioff, Prof. 232 Jäckh, Ernst 15, 16, 17, 128, 156 Jacobson, Victor 48, 108, 185 Jagow, Gottlieb E. G. von 210 Kähler, Otto 13 Kahn, Bernhard 95, 97, 99, 100, 101, 110, 111, 116, 148, 149, 150, 166, 170, 204, 205, 206, 222 Kaisermann, Nathan 88, 89, 90, 97, 100, 101, 102, 104, 105, 108, 109, 113, 121, 160, 268 Kaplan, M. 234 Kaplanski, Schlomo 4, 184, 233, 236, 237, 275, 276, 278 Karo, Josef 36 Karpas, M. 180 Kassab, Iskander 85, 92, 225, 247, 248 Katz, Eugen 193

Personenregister Keller, Friedrich 24, 158 Kempner, Maximilian 53 Kerschensteiner, Georg 66 Kiderlen-Waechter, Alfred von 57, 63 Klein, Alexander 238 Kleinlögel, Adolf 235 Klimker, Ingenieur 175 Kokowzew, Wladimir N. 56 Kraus, Kurator 196 Krause, Vermessungsingenieur 90, 115 Kurrein, Max 235, 236, 237, 277 Lachmann, Architekt 97 Laemel, Simon von 37 Landau, Eugen 52, 53, 72, 76, 206, 245 Landsberg, Theodor 117 Lasker, Eduard 55 Ledermann, Siegfried 235 Levi, Sabbetai 104, 107, 108, 109, 110, 114, 217, 222, 224, 225, 227, 251 Levin, Schmarja 48, 69, 70, 71, 72, 75, 76, 77, 78, 97,101,102, 103, 112,113, 114, 115, 116, 118, 119, 120, 121, 122, 131, 134, 145, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 159, 161, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 180, 185, 191, 195, 196, 197, 204, 208, 210, 213, 214, 240, 241, 242, 245, 263, 264, 266, 268 Levontin, Salman David 88 Liebermann, Benjamin 53 Liman von Sanders, Otto 14 Loewenherz, A. (auch Löwenherz) 134, 170 Lorch, Fritz 193 Löwe, Heinrich 48 Löytved-Hardegg, Julius 3, 24, 42, 43, 44, 113, 114, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 166, 174, 181, 190, 191, 216, 217, 240, 263, 265, 266, 267, 269 Luftschitz, Heinrich 234 Luije, Joseph (auch Lurie) 48, 180, 201 Mack, Julian W. 76, 196, 222 Magnes, Jehuda Leib 168 MajercZik, Ingenieur 229 Majer, Baruch 114

289

Makower, Felix 206, 212, 223, 224, 272, 275 Maliah, Ascher (auch M. Asher) 108, 109, 110, 251 Marcus, Henri 237, 277 Marianoff, Dr. 277 Marschall von Bieberstein, Adolf 11, 51, 52, 63, 67, 96, 107, 155, 261 Marshall, Louis 76, 196, 206, 207, 208 Martitz, D. 117 Marx, Erich 236 Mautner, Karl 235 Medschid Schevkat 183 Meißner, Heinrich August (auch MeißnerPascha) 65 Mendelsohn, Erich 235, 237 Mendelssohn, Franz von 53 Metman-Cohen, Yehudah Leib 177 Meyer, Alexander 55 Mittwoch, Eugen 63 Mohamed Rechad 250 Mommsen, Theodor 47, 55 Mond, Sir Alfred (Lord Melchett) 231, 232 Montefiore, Sir Moses 37 Motzkin, Leo 48, 204 Münchhausen, Thankmar von 23 Murad, Simeon 23 Naphtali, Fritz (Naphtali, Peretz) 237, 238, 277 Nathan, Paul 1, 47, 50, 51, 52, 54, 55, 56, 57, 58, 60, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 71, 72, 74, 75, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 85, 86, 88, 95, 97, 98, 101, 102, 105, 107, HO, 111, 114, 120, 126, 131, 141, 142, 143, 147, 148, 149, 150, 155, 160, 166, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 190, 192, 194, 197, 198, 199, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 223, 224, 239, 240, 242, 245, 246, 247, 249, 261, 262, 266, 267, 268, 269, 271, 272, 275 Naumann, Friedrich 14, 15, 193 Netter, Carl 206 Nikolaus II., Zar 56 Nordau, Max 241

290

Personenregister

Obolenski, russ. Minister 56 Ollendorf, Franz 238 Oppenheimer, Max 48 Orenstein, Benno 229 Paulus, Christoph 29 Pestalozzi, Johann Heinrich 66 Petermann, Julius Heinrich 22 Pevsner, Samuel Joseph (Shemu'el BenNatan) 81, 82, 93, 103, 104, 175, 195 Philippson, Martin 76, 72, 169, 172, 206, 245 Piciotto, Vertreter des Technikums 218 Pieck, J. 117 Pinsker, Jehuda Leon 31, 32 Preuß, Hugo 55 Rambuschek, Ingenieur, Prof. 117, 229, 252, 253 Rathenau, Architekt 97 Rathenau, Emil 53 Rathenau, Walther 53 Reis, S. 85, 92, 247, 248 Reitz, Julius 23 Richter, Eugen 47 Rickert, Heinrich 47 Riezler, Kurt (Pseud. J. J. Ruedorffer) 18 Roessler, Prof. 238 Rogow, Bauunternehmer 101, 115 Rohrbach, Paul 14, 15, 16, 18, 128, 156 Rosen, Friedrich 22, 23, 51, 153 Rosen, Georg 22, 23 Rosenfeld, Julius 214 Rosenwald, Julius 76, 78 Rössler, Vizekonsul 23 Rothschild, Vertreterin des Technikums 218 Rothschild, H. 216, 217, 222, 226 Rothschild, Lionel de 219 Ruppin, Arthur 40, 86, 92, 93, Salinger, Prof. 235 Salomon, Joel Moses 38 Sandrezky, Dr. 27 Saphir, Eliahu 88, 103, 149, 249 Schapira, Hermann Zwi 143 Schatz, Boris 64, 144

Schechter, Salomon 76, 196 Scheinkin, Menahem 177 Schick, Conrad 27 Schiff, Jacob H. 1, 73, 74, 75, 76, 77, 78, 143, 148, 172, 195, 197, 207, 208, 209, 210, 213, 214, 222, 223, 239, 242, 263 Schiff, Ludwig 76, 170, 172, 206 Schiff, Mortimer L. 76, 196 Schlesinger, Georg 2, 98, 99, 100, 110, 111, 116, 117, 119, 128, 129, 130, 131, 132, 169, 206, 235, 236, 237, 252, 253, 256, 276 Schmidt, Edmund 23, 42, 43, 182, 183 Schneller, Johann Ludwig 25 Schneller, Ludwig 25 Schneller, Theodor 26 Schoen, Wilhelm von 96, 155 Schultz, Ernst Gustav 21, 22 Schumacher, Gottlieb 85, 89, 90, 91, 95, 104, 114 Schwarz, Prof. 234, 276 Schwerin, Edwin 234, 236, 237, 238, 277 Seidmann, M. T. 173 Selim II. 35 Simon, James 47, 53, 54, 58, 60, 64, 67, 72, 75, 76, 77, 78, 91, 92, 96, 97, 99, 100, 101, 107, 108, 109, 111, 114, 148, 150, 154, 155, 160, 166, 169, 181, 192, 196, 197, 198, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 213, 215, 216, 217, 223, 224, 231, 240, 242, 245, 246, 250, 261, 262, 266, 267, 269, 270, 271, 272, 275 Simon, Julius 204 Sobernheim, Prof. 204, 222 Sokolow, Nahum 173, 185, 241 Solmssen, Georg 53 Soskin, Selig 48 Spittler, Friedrich 25 Steinthal, Max 53 Stettauer, Carl 76 Stolypin, Petr Arkadjewitsch 56 Stolzenberg, Schuldirektor 229 Straus, Oskar Salomon 215 Straus, Eduard 204 Strauss (auch Straus), Samuel 76, 196 Suleiman der Prächtige 35 Sulzberger, Mayer 76, 199

Personenregister Syrkin, Nachmann 48 liete, Oskar 78 Timendorfer, Berthold 76, 206 Tischendorf, Paul von 23 Treidel, Joseph 90, 104, 110, 115 Trietsch, David 265 Tschlenow, Yehiel 76, 113,114,145,150, 170, 171, 185, 196, 197, 198, 199, 204, 208 Ussischkin, Menahem 145, 227, 232 Virchow, Rudolf 55 Volck, Schuldirektor 117 Wangenheim, Hans Freiherr von 216 Warburg, Max M. 53, 206 Warburg, Moritz 72, 245 Warburg, Otto 93, 146,154,185, 223, 224, 225, 226, 227, 272, 273, 274, 275 Weichen, Dipl.-Ing. 117, 252, 253 Weizmann, Chaim 48, 119, 130, 144, 145, 146, 147, 169, 180, 204, 205, 223, 227

291

Wilbusch, Nachum, s. Wilbuschewitz, Nachtun Wilbuschewitz, Gedalja (Grischa) 82, 114, 115, 116, 117, 118, 119, 120, 121, 122, 130, 134, 170, 205, 226 Wilbuschewitz, Nachum 81, 82, 115 Wilhelm II., deutscher Kaiser 9, 10, 11, 19, 23, 32, 33, 34, 42, 50, 53, 54 Wissotzky, David 68, 69, 71, 72, 75, 76, 77, 97, 148, 170, 196, 198, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 242, 245, 246, 263 Wissotzky, Kalonymus Wolf (Zeev) 68, 75, 77, 245 Witte, Sergej Juljewitsch 56 Wolffsohn, David 48 Yellin, David 91 Zerkowitz, Guido 235, 236, 238 Zetlin, J. 72, 76, 170, 196, 245 Ziffos, E. 24 Zimmermann, Artur 181, 189, 213, 215, 217, 269, 270

SACHREGISTER Alldeutscher Verband 10 Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft 132 Allgemeiner Deutscher Schulverein 17 Alliance Israélite Universelle 37, 40, 50, 265 Alter Jischuw 37, 38, 39, 178 American Jewish Committee 219 Anatolische Eisenbahngesellschaft- Société du Chemin de fer Ottoman d'Anatolie 10, 11, 12, 19 Anglo Palestine Company 88, 89, 108, l60, 179, 249, 268 Anglo-Jewish Association 228 Anglo-Levantine Banking Company 108 Anglo-Palestine-Bank 40 Antisemitismus 45, 46, 47, 48 Ärztegesellschaft 179 Bagdadbahn 11, 12, 80 Banque Impériale Ottomane 12 Beamtenverein 179 Beling & Lübke Fein-Werkzeugmaschinenbau 132 Berliner Bank 30 Bezalel 64, 144, 154 Bikur Cholim 37 Börner und Herzberg 118 Büro des Odessaer Palâstina-Komitées 179 Central British Fund for German Jewry 236, 275, 276, 277 Centrai-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens 46, 47, 48, 49, 50 Cercle des Étudiants Juifs Nancy 186 Chemin de fer Smyrna-Cassaba 12

Chowewe Zion 31, 32, 68, 69, 89 Church Missionary Society 22 Churwa-Synagoge 37 Cohn-Oppenheim-Stiftung des Hilfsvereins der deutschen Juden 263 Custodia Terrae Sanctae 22 Der Orden Bnei Briss in Deutschland 47 Deutsch-Asiatische Gesellschaft 15, 16 Deutsch-Chinesische Hochschule Tsingtau 19 Deutsch-israelischer Gemeindebund 46 Deutsch-katholischer Palästinaverein 26 Deutsch-Türkische Vereinigung 16 Deutsche Bank 12, 16 Deutsche Orientbank 12 Deutsche Orientgesellschaft 15, 54 Deutsche Palästina-Bank 30 Deutsche Reichsloge 46 Deutscher Palästina-Verein 23, 29 Deutscher Schulverein für die Juden des Orients 50, 51, 153 Deutscher Verein vom Heiligen Lande 22, 26 Deutscher Verein zur Erforschung Palästinas s. Deutscher Palästina-Verein Deutsches Archäologisches Institut 30 Deutsches Bagdadkomitee für Humanitätszwecke 16 Deutsches evangelisches Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes 29 Deutsches Vorderasienkomitee 16, 156 Diskin-Waisenhaus 37 Dolze und Slotta Maschinenbau-Werkstätten 132

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Sachregister

Dresdner Bank 12 Engeres Aktionskomitee der Zionistischen Weltorganisation 70, 113, 171, 185, 189, 198, 201, 202, 205, 223 Erdmann Kircheis, Fa. 132 Evangelische Jerusalem-Stiftung 27 Evangelische Karmelmission 22 Franz Irmischer Maschinenfabrik und Eisengießerei 132 Freunde Jerusalems 28 Gebrüder Böhring Werkzeug-Maschinenfabrik und Eisengießerei 132 Gesellschaft für die Sammlung des Volkes Gottes in Jerusalem 28 Großes Aktionskomitee der Zionistischen Organisation 199 Haifa Internat Gesellschaft m.b.H. 273 Handwerkerzentrale 179 Hatti Hümayun (Toleranzedikt) 21 Hebräischer Lehrerverband s. Merkas Hamorim Hebräisches Gymnasium 2, 41, 177, 185 Hebräisches Schulwerk 198 Hedschasbahn 65, 80, 255 Heinrich Westphal AG 122 Herrnhuter Brüdergemeinde 27 Hilfsverein der Deutschen Juden 1, 3, 38, 50, 52, 54, 56, 57, 58, 59, 60, 64, 65, 71, 72, 74, 75, 76, 77, 78, 80, 83, 88, 89, 90, 95, 102, 125, 141, 142, 143, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 155, 158, 159, l 6 l , 165, 166, 171, 172, 177, 178, 179, 181, 182, 183, 184, 186, 187, 188, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 201, 204, 205, 206, 208, 210, 211, 213, 214, 215, 217, 222, 223, 224, 226, 227, 239, 240, 241, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 273, 274 Histadrut Hapoel HaZair 39, 179 Immobiliengesellschaft Palästina s. Palestine Land Development Company Imperial College of Science and Technology 127

Institute for Advanced Study, Princeton University 236 Jaffaer Komitee zur Förderung des hebräischen Erziehungswesens in Palästina 178 Jerusalemsverein 22, 26 Jewish Colonial Trust 108 Jewish Colonisation Association 107, 228 Jüdische Colonial Bank s. Jewish Colonial Trust Jüdische Humanitätsgesellschaft 48 Jüdischer Nationalfonds 79, 145, 189, 212, 213, 223, 240, 264, 265, 266, 270, 273 Jüdisches Institut für technische Erziehung in Palästina 1, 3, 73, 76, 77, 78, 96, 97, 101, 102, 113, 128, 148, 149, 159, 165, 188, 201, 204, 206, 208, 211, 239, 261, 273 Jung-Israel 48 Kaiser-Friedrich-Museum 53 Kaiserswerther Diakonissen 24, 26, 27 Karmelorden 22 Kartell Convent deutscher Studenten jüdischen Glaubens 47 Kartell Zionistischer Verbindungen 180 Kerschensteiner-Methode 66 Komitee zur Abwehr antisemitischer Angriffe 47 Kulturzionismus 268 Laemel-Schule 37, 58, 64, 66, 73, 154 Lateinisches Patriarchat 22 Leihgenossenschaft 179 London Jews Society 22 Ludwig Loewe & Co. AG 132 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG 132, 225 Maschinenfabrik Weingarten 132 Merkas Hamorim (auch Mercas Hamorim) 41, 60, 177,179, 180, 184, 185, 201, 203 Mischkenot Scha'ananim 37 Missionsgesellschaft St. Chrischona 25 Münchener Orientalische Gesellschaft 15, 16

Sachregister Musikverein, Jaffa 179 National-Jüdische Vereinigung in Köln 48 Nationalbank für Deutschland 12 Nationaljüdische Vereinigung für Deutschland 48 Neuer Jischuw 40, 41, 166, 182 Notgemeinschaft Deutscher Wissenschaftler im Ausland 234, 276 Or Chadasch (bei Konstantinopel) 57 Or-Thora-Mittelschule Galata 57 Orden des heiligen Borromäus 26 Order of Ancient Maccabeans 179 Organisation der jüdischen Lehrer in Jaffa 179 Organisation der ottomanisch-jüdischen Studenten 180 Orthodoxer Palästina-Verein 22 Palästina-Amt 179 Palästina-Bank AG 11 Palestine Land Development Company 93 Pestalozzi-Fröbelsche Methode 66 Poale Zion (auch Poalej Zion) 39, 41, 179 Protestantisches Bistum Jerusalem 22 R. Wolf Maschinenfabrik 132 Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen 126 Rheinisch-Westfälischer Diakonissenverein 19 Rothschild-Krankenhaus 37 Russisch-Jüdischer Wissenschaftlicher Verein 48, 70 Samuel-Strauss-Stiftung 223, 273 Scha'arej Zedek 37 SchaafFhausen'scher Bankverein 12 Sepharden 35 Siemens & Halske AG 132 Siemens-Schuckert-Werke GmbH 132, 238

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Stipendienfonds Haifa 273 Studentenverbindung Kadimah 180 Studentenverein Hechawer 186 Syrisches Waisenhaus 25 T. Neukrantz AG 122 Talitha-Kumi-Waisenhaus 25, 27 Technikum Mittweida 180 Technische Hochschule Charlottenburg 111, 117, 119, 125, 126, 127, 128, 129, 130 Technische Hochschule Breslau 127 Technische Hochschule Danzig 127 Technische Lehrmittelanstalt Charlottenburg 229 Templer 18, 27, 28, 29, 103, 157, 158, 193 Turnverein Makkabi 179 Union der jüdischen Gemeinden Italiens 277 Verein der jüdisch-ottomanischen Studenten in Konstantinopel 186 Verein des Heiligen Grabes 26 Verein für das Deutschtum im Ausland 17 Verein zur Abwehr des Antisemitismus 47 v. d. Heydt & Co., Privatbank 12 Vorderasien-Institut 16 Wanderer Werke 132 Wolf Wissotzkysche Familienstiftung für den Hilfsverein der deutschen Juden 68, 69, 70, 71, 72, 76, 78, 79, 80, 145, 148, 206, 207, 239, 273 Zentralfonds 198 Zionist Commission 227 Zionistische Bewegung 232, 240, 241 Zionistische Exekutive 228 Zionistische Organisation 198, 208, 213, 222, 223, 227, 229 Zionistische Vereinigung für Deutschland 3, 42, 48, 49, 50, 146, 147, 201 Zionistische Weltorganisation 32, 40, 108, 142, 143, 145

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Abb. 1 Jüdisches Technikum in Haifa. Vordere Ansicht. Bauzeichnung von Alexander Baerwald, 1910

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Abb. 2 Jüdisches Technikum in Haifa. Vordere Ansicht. Hintere Ansicht. Bauzeichnung von Alexander Baerwald, 1910

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Abb. 3 G r u p p e n a u f n a h m e anläßlich d e r Grundsteinlegung des H a u p t g e b ä u d e s des Technikums am 12. April 1912. Dr. Schmarja Levin (x) und Dr. Jechiel Tschlenow (xx) waren als Vorsteher des Kuratoriums a n w e s e n d . Der deutsche Vizekonsul in Haifa, Dr. Julius LöytvedT Iardegg (xxx), vertrat die deutschen Behörden.

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Abb. 4

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Dr. Paul Nathan, der Geschäftsführer der Deutschen Juden. Er war die trei-

b e n d e Kraft des ganzen Technikum-Projekts.

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Abb. t

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Dr. Sclimarja Levin. F.r trieb das Projekt voran, kritisierte die Leitung des Hilfs-

vereins w e g e n verschiedener Unzulänglichkeiten des B a u t e m p o s und trug viel zum Ausbruch des Sprachenstreites bei.

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Abb. 6

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Architekt Alexander Baerwald, Regierungsbaumeister

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Abb. 7

Alexander Baerwald

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Abb. 8

Dr. Paul Nathan (x) wälirend seines Besuches in Haifa, 1913. Rechts von ihm

steht Dr. Alphons Finkelstein (xx), der 1913 zum Direktor des Technikums ernannt wurde.

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Abb. 9

Alexander Baerwald vor .seinem Haus in Berlin, 1912

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Abb. 10

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Alexander Baerwald und seine Frau Charlotte

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Abb. 12 Alexander Haerwald wird anläßlich seines fünfzigjährigen Geburtstages von seinen Studenten gefeiert, 1927.

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Abb. 13 Die Innenarchitektur des Technion-I Iauptgebiiudes. das von A. Bacrwald gebaut w u r d e . Heutzutage befindet sich Iiier das Nationale Museuni für Technik und Wissenschaft.

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Ahh. 15

Prof. Alberi Kinstein w ä h r e n d s e i n e s B e s u c h e s in Ilaifa, 1923

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H I S T O R I S C H E K O M M I S S I O N ZU B E R L I N

Vorstand.

WOLFRAM F I S C H E R (Vorsitzender) PETER BAUMGART/OTTO BÜSCH HELMUT ENGEL/GERD HEINRICH WOLFGANG HOFMANN/STEFI JERSCH-WENZEL PETER LÖSCHE/ILJA MIECK H O R S T MÖLLER/WOLFGANG RIBBE HENRYK SKRZYPCZAK/PETER STEINBACH WILHELM TREUE t/WERNER VOGEL KLAUS Z E R N A C K

Nikolassee, Kirchweg 33 („Mittelhof'). 14129 Berlin