119 22 28MB
German Pages 315 Year 1992
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 22
Die Grenzen der Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Hamburger Verfassung Von
Dr. Christoph Meyer-Bohl
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTOPH MEYER-BOHL
Die Grenzen der Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
Beiträge zum Parlamentsrecht lIerausgegeben von
Werner Kaltefleiter, Ulrich Karpen, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang lIeyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, lIans-Peter Schneider Uwe Thaysen
Band 22
Die Grenzen der Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Hamburger Verfassung
Von
Dr. Christoph Meyer-Bohl
DUßcker & Humblot . Berliß
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meyer-Bohl, Christoph: Die Grenzen der Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen unter Berücksichtigung von Besonderheiten der Hamburger Verfassung / von Christoph Meyer-Bohl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Beiträge zum Parlamentsrecht ; Bd. 22) Zug\.: Hamburg, Univ., Diss., 1991/92 ISBN 3-428-07548-X NE: GT
Alle Rechte vorbehalten
© 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Texterfassung: Computer College, Hamburg 13 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-07548-X
Vorwort Die vorliegende Abhandlung ist im Wintersemester 1991/92 vom Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation angenommen worden. Das Manuskript wurde im Mai 1991 abgeschlossen. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten Doktorvater und akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Ulrich Karpen, der die Entstehung der Arbeit in jeglicher Hinsicht gefördert und mir die größtmögliche wissenschaftliche Freiheit gewährt hat Ebenso bin ich Herrn Prof. Dr. Peter Selmer für die Erstellung des Zweitgutachtens zu Dank verpflichtet. Bedanken möchte ich mich auch bei den Damen und Herren von der Parlamentsdokumentation der Hamburgischen Bürgerschaft, die mir ihr umfangreiches Archiv zugänglich machten, sowie bei den vielen Gesprächspartnern in Politik und Wissenschaft, deren Erfahrungen und Anregungen mir halfen, für eine Vielzahl von Problemen einen Lösungsvorschlag zu erarbeiten. Meinen besonderen Dank möchte ich auch an meine Familie richten, ohne deren wohlwollende und aufmunternde Unterstützung die Anfertigung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Hamburg, im Januar 1992 Christoph Meyer-Bohl
Inhalt
Einleitung
15
1. Kapitel 18
Historische Entwicklung des Untersuchungsrechts
A. Die Entwicklung in England
........
19
B. Die Entwicklung in den Vereinigten Staaten
21
C. Das Untersuchungsrecht in Frankreich . . .
25
D. Geschichte des Deutschen Untersuchungsrechts
26
1. Das Untersuchungsrecht in der Zeit zwischen 1871 und 1918
II. Das Untersuchungsrecht in der Weimarer Republik
27
.....
29
III. Das Untersuchungsrecht nach dem Grundgesetz . . . . . . .
31
E. Verfassungsrechtliche Geschichte des Untersuchungsrechts in Hamburg . 1. Die Entwicklung der Verfassungslage bis 1921
34
...........
34
II. Die Verfassung von 1921 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
III. Die wichtigsten Unterschiede zwischen Art.26 HambVerf 1921 und Art.34 WRV
38
IV. Das Untersuchungsrecht nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
40
2. Kapitel Rechtsgrundlagen der Aktenherausgabe- und Aussagepfticht
45
A. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts
45
B. Abweichende Ansichten in der Literatur
47
1. Der Aktenvorlageanspruch
..
II. Anwendbarlteit von § 96 StPO C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . .
47 49 51
8
Inhalt
3. Kapitel Inhalt und Reichweite des Untersuchungsrechts
52
A. Die Korollartheorie. . . . . . . . . . . . . .
52
B. Neuere Entwicklung des Untersuchungsrechts
53
C. Auslegung des Art. 44 Abs. 1, S.1 GG
54
l. Wörtliche Auslegung
..
55
Il. Systematische Auslegung
55
III. Genetische Auslegung . .
57
1. Beratungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung in Weimar . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
2. Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee .
59
IV. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . .
60
1. Rechtsetzung als Ziel einer Untersuchung
61
a) Gesetzgebungskompelenzen . . . . . .
63
b) Informationsgewinnung zur Gesetzgebung
63
2. Kontrolle als Untersuchungsgrund
66
a) Begriffsbestimmungen . . . . .
66
b) Kontrolle im unmittelbar-staatlichen Bereich
67
c) Kontrolle im mittelbar-staatlichen Bereich
.
69
aa) Subventionen und steuerliche Begünstigungen
69
bb) Konzemmäßige Verbindung von Unternehmen
72
ce) Kritik an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
72
............
73
d) Untersuchungen im "rein" privaten Bereich
74
aa) Staatsleitung als Legitimation . .
75
bb) Parlament und Medien
76
dd) Stellungnahme
(1) Pionierfunktion der Medien
78
(2) Zuweisung von Kontrolle auf Parlament und Medien
79
e) Zwischenergebnis
..............
V. Grenzen des privatgerichteten Untersuchungsrechts 1. Das öffentliche Interesse
82 82 83
a) Stand der Diskussion .
83
b) Stellungnahme . . . .
85
2. Verstoß gegen gesetzliche Schutzgüter
89
a) Vorliegen eines Anfangsverdachts
89
b) Legitimation durch Bestimmung schutzwürdiger Rechtsgüter
90
D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Inhalt
9
4. Kapitel Verfassungsrechtliche Grenzen des Untersuchungsrechts A. Das Gewaltenteilungsprinzip als Grenze des Untersuchungsrechts I. Kembereichslehre und Kembereich exekutiver Eigenverantwortung
H. Umfang des Kembereichs exekutiver Eigenverantwortung
97 98 99
1. Die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts
100
2. Die Ansicht vom absoluten Kembereich
100
3. Die Gegenansicht
. . . . . . .. .
4. Kritische Würdigung
101
...... .
102
5. Dispositionsbefugnis der Regierung
104
6. Ergebnis . . . . . . . . . ..
105 105 106 106
III. Problem der laufenden Kontrolle 1. Die herrschende Meinung 2. Die Gegenansicht 3. Bisherige Praxis
107
4. Stellungnahme .
108
5. Ergebnis . . . .
112 112 113 114 115 117 118 118 119 119
IV. Parallelität von Untersuchungsausschuß und Strafverfahren 1. Verfassungsrechtliche Absicherung . . . 2. Möglichkeit des Aussetzens . . . . . . . 3. Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme 4. Umfang der Vorlagepflicht 5. Kritische Würdigung 6. Ergebnis . . . . . . . B. Das Rechtsstaatsprinzip als Grenze des Untersuchungsrechts I. Das Bestimmtheitsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Verfassungsrechtliche Einordnung
........ .
2. ''Fehlende'' Bestimmtheit des Untersuchungsauftrags a) Lösungsvorschlag des Bundesverfassungsgerichts b) Vorschlag der "Angriffsumkehrung" 3. Inhalt des Bestimmtheitsgebots . . . . . a) Konsequenzen für das Untersuchungsrecht b) Begründung des Einsetzungsantrags c) Nennung der Adressaten
120
121
123 124 125 125 127 128
..
129
e) Zweifelsregelung .
129
4. Zeitliche Bestimmtheit
129 131 131
d) Fragenkatalog
5. Ergebnis . . . . . . . 11. Bindung an die Grundrechte
10
Inhalt 1. Auswirkungen in der Praxis . . . .
132
2. Eingriffsmöglichkeiten
133
3. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
133
a) "Verhältnismäßigkeit" des Untersuchungsauftrags
134
b) Kontrollmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . .
136
4. Exkurs: Zulässigkeit laufender Kontrolle im privat(wirtschaftlich)en Bereich?
137
5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139
C. Das Bundesstaatsprinzip als Grenze des Untersuchungsrechts
139
I. Erkenntnisstand unter der Weimarer Verfassung
140
11. Problemaufriß . . . . . . .
142
1. Doppeluntersuchungen
143
2. Außenpolitik . . . . . .
144
3. Vntersuchungsausschuß "U-Boot-Affäre"
146
4. Weitere Kollisionsfälle
147
IIL Gang der Untersuchung . .
149
IV. Bundesstaatsprinzip und Kontrollenqueten mit Landesbezug
150
1. Verwaltungsarten
150
2. Reflextheorie . . .
151
a) Kritik an der Reflextheorie
151
b) Zwischenergebnis
153
.....
3. Bundesauftragsverwaltung
153
a) Lösungsmodelle in Literatur und Rechtsprechung
154
b) Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . .
156
4. Ausführung der Gesetze nach Art. 83,84 GG . .
159
a) Rechtsaufsicht als Ingerenzrecht des Bundes
159
b) Konsequenzen der reinen Rechtsaufsicht
160
5. Kompetenzrechtliche Gemengelagen . . . .
160
a) Lösungsmodelle in der Literatur . . . . .
161
aa) Der Hinweis auf die Strafprozeßordnung
162
bb) Amtshilfe
162
.........
164
ce) Grundsatz der Bundestreue b) Stellungnahme . . . . . . . . .
166
..........
167
c) Folgerungen
V. Bundesstaatsprinzip und Gesetzgebungsenqueten 1. Adressat der Untersuchung
168
..........
a) Private als Adressaten der Untersuchung
.
b) Bundesexteme Verwaltungen als Adressaten 2. Zwischenergebnis . . . . .
168 169 170 171
VI. Gewillkürte Enquetestandschaft
171
VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . .
173
Inhalt
11
5. Kapitel Übertragbarkeit der bundesrechtlichen Grundsätze des Untersuchungsrechts auf die hamburgische Verfassungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . A. Homogenität in Bund und Ländern als Verfassungsprinzip
I. Durchgriff rechtsstaatlicher Prinzipien . . . . . . . . 11. Demokratische Grundsätze
..............
B. Homogenität bei der Auslegung von Verfassungsnormen ?
174 174 175 176 178
I. Verfassungsgerichtliche Zuständigkeiten . . . . . . .
178
11. Auslegungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . .
178
111. Begründung für die Übereinstimmung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung
ISO
IV. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
182
6. Kapitel Das Untersuchungsrecht der Hamburgischen Bürgerschaft A. Das Gewaltenteilungsprinzip am Beispiel des Landes Hamburg
I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . 11. Die Exekutive als kontrollierte Gewalt
184 184 184 185
1. Der Senat als Regierung des Landes Hamburg
185
2. Der Senat als oberste Behörde - Struktur der Exekutive in Hamburg
186
III. Parlamentarismus
186
IV. Die Opposition
188
1. Verfassungsrechtliche Verankerung
188
2. Oppositionsrechte als Minderheitsrechte
190
a) Rechte der Opposition in der Verfassung
190
b) Landesgesetzliche Rechte der Opposition
192
c) Regelungen in der Geschäftsordnung der Bürgerschaft
193
d) Auskunfts- und Aktenvorlageanspruch gem.Art32 HV
194 194 195 195 196
aa) Auskunftsanspruch
....... ... .
bb) Aktenvorlageanspruch
........ .
(1) Ausgestainmg als Minderheitsrecht
(2) Deputationsverfassung und Aktenvorlagerecht B. Parallelität von Interpellations- und Untersuchungsrecht
I. Verhältnis von Art25 zu An.24 HV 11. Verhältnis von Art25 zu Art23 HV
III. Verhältnis von Art25 zu An.32 HV
197
197 198 199
1. Genese des Aktenvorlageanspruchs
200
2. Die Verweisung des An.25 Abs.2, S.l HV
202
12
Inhalt a) Grundlagen der Verweisungstechnik
202
..
b) Rechtswirlrung der Verweisung . . . . .
203
c) Probleme der dynamischen Verweisung .
204
aa) Aspekte des Bundestaatsprinzips
205
bb) Aspekte des Demokralieprinzips .
2fJ7
ce) Stellungnahme
209
dd) Konsequenzen. . . . . . . . . . .
211
3. Voraussetzungen und Folgen einer Gesetzesanalogie IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . .
212
C. Grenzen der Aktenvorlage und Aussage 1. Überblick
211 212
...........
213
11. Die Grenzen des Art.32 HV . . . .
214
1. Begriff des Bekanntwerdens . .
214
2. Entgegenstehende gesetzliche Vorschriften
216
a) Bedeutung des Art.2S Abs.2, S.2 HV .
217
b) Genese des Hinweises auf das Brief-, Post- und Femmeldegeheimnis
218
c) Meinungsstand in der Literatur
219
d) Die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
e) Kritische Würdigung. . . . . . . . . . . . . . . . . .
221
f) Der Streit vor dem Verfassungsgericht (HVerfG 1/88)
222
g) Art.2S Abs.l, S.2 HV als grundrechtsbeschränkendes Gesetz
224
h) Grundrechtsträger und Grundrechtsadressaten
226
.
i) Exkurs: Der Kieler Untersuchungsausschuß
227
j) Grundrechtsschutz bei Beteiligung der Exekutive
228
k) Lösungsvorschlag
230
................
aa) Schutzbereich des Art. 10 Abs.1 GG
....
230
bb) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
232
ce) Übertragbarkeit der Grundsätze auf Art. 10 GG
232
(1) Abgestufter Schutz der Rechtsgüter des Art. 10 GG im Lichte der Strafprozeßordnung . . . . . . . .
232
(2) Eingriff in das Femmeldegeheimnis
233
(3) Eingriff in das Postgeheimnis
234
(4) Eingriff in das Briefgeheimnis . . .
234
(5) Konsequenzen
235
............
I) Verltältnis von Art.2S Abs.l, S.2 i.V.m. Art.32 HV 211 § 100b Abs.5 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . m) Vorlagefähigkeit von nach dem G 10 erhobenen Unterlagen . aa) Rechtsstellung der Kommission
.............
bb) Verltältnis von Art.2S Abs.2, S.2 HV
211
Art. 10 Abs.2, S.2 GG.
n) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere entgegenstehende gesetzliche Vorschriften
236 237 238 239 240 241
Inhalt
13
a) Steuergeheimnis gern. § 30 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
242
b) Amtsgeheimnis gern. § 30 HmbVwVfG . . . . . . . . . . . . . . .
244
c) Schutz vor Offenbanmg gern. §§ 203 Abs.2, 353b Abs.l, S.l StGB.
245
d) Gesellschaftsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . .
247
4. Das Staatswohl als Grenze des Untersuchungsrechts . . . .
248
a) Staatswohlbelange als Ausdruck des Amtsgeheimnisses
249
b) Staatswohlbelange im Lichte der Rechtsprechung
250
c) Weitere Staatswohlbelange
252
...............
d) Entbehrlichkeit der Staatswohlschranke des Art.32 HV im Untersuchungsverfahren ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Beamtenrechtliche Aussagepflicht und die Funktion des Art.25 Abs.5 HV . . . . .
253 255
I. Allgemeines .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
255
H. Funktion des Vorsitzenden und der Opposition bei der Zeugenvernehmung . .
255
III. Amtsverschwiegenheit
............
256
1. Begründung des GenehmigungsvoJbehaits . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
2. Umfang der Aussagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
IV. Zulässigkeit der Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht gern. Art.25 Abs.5 HV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
258
1. Streitstand . . . . . . . . . . . . . . . . . .
259
2. Funktion des Beamtenrechtsrahmengesetzes
260
3. Kollision von Bundes- und Landesrecht
261
4. Verhältnis von Art. 75
11l
Art.31 GG
261
5. Stellungnahme
262
264
V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . .
7. Kapitel
.........
Öffentlichkeit und Verfahren
265 265
A. Öffentlichkeit im Untersuchungsverfahren . . . . . I. Begründung des Erfordernisses der Öffentlichkeit
266
II. Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgrundsatz . . . .
267 268
B. Verfahren bei der Behandlung vertraulicher Unterlagen I. Herstellung kompensatorischen Geheimnisschutzes II. Vorsitzenden-Verfahren . . . . . . . . . . . .
.
269 271
1. Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . .
271
2. Abweichende Rechtsprechungsgrundsätze
273
3. Stellungnahme . . . . . . . . .
274
III. Weitere Verfahrensvorschläge
275
IV. Verfahren bei der Beschlagnahme
277
1. Gnmdsätze des Bundesverfassungsgerichts
277
Inhalt
14
2. Kritische Würdigung 3. Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . .
277 278
a) Der Arbeitsstab gern. Art.25 Abs.4 HV
278
b) Der Arbeitsstab als ausführendes Organ
279
V. Bürgerschaftliche Praxis
279
C. Sanktionsrnöglichkeiten . . . .
280
1. Bundesebene . . . . . . .
280
11. Hamburgische Recntslage
281
Thesen
..............•..............................
282
Anhang: Bürgerschaftlicbe Untel'!iUchungsausschÜS5e seit 1946
286
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
296
Einleitung Die Pflicht der Exekutive zur Aktenvorlage und Aussage besteht gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht unbeschränkt. Das Aufzeigen der Schranken dieser Pflicht ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, zumal die Rechtswissenschaft für die in der Praxis auftretenden Probleme ex ante nur selten eine Lösung anzubieten vermag. Vielmehr ist sie gerade in den letzten Jahren in die Rolle der Interpretin bereits ergangener höchstrichterlicher Entscheidungen gedrängt worden. Durch die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verhältnis von parlamentarischer Aufklärungspflicht zur Wahrung der Grundrechte Dritter durch die Exekutive, das sog. Flick-Urteil 1,ist das Untersuchungsrecht insgesamt gestärkt und zuletzt durch den BGAG-Beschluß2 nicht nur auf den Bereich der Exekutive, sondern zumindest auch auf solche privaten Unternehmen erweitert worden, die aus staatlichen Mitteln gefördert und steuerlich begünstigt werden sowie besonderen rechtlichen Bedingungen unterliegen, sofern ein öffentliches Interesse von hinreichendem Gewicht besteht. Damit wird dem Parlament ein Kontrollrecht zugestanden, das in diesem Umfang von den Verfassungsgebern nicht zufriedenstellend ausgefüllt werden konnte. In der Folge der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts kommt es immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten, die die angerufenen Gerichte veranlassen, die von höchstrichterlicher Rechtsprechung und wissenschaftlicher Lehre angesprochenen Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts zu konkretisieren. Trotz der zahlreichen, bisher ergangenen Judikatur fehlt es an einer Bestimmung des Umfangs des Untersuchungsrechts im privat-(wirtschaftlich)en Bereich, deren Beantwortung vom Bundesverfassungsgericht im BGAG-Beschluß ausdrücklich 3 offengelassen wurde.
1
BVerfGE 67, l00ff.
2 BVerfGE 77, Iff. 3
BVerfGE 77, 1 (45)
16
Einleitung
Die Beantwortung dieser Frage ist ein wesentliches Anliegen der Arbeit und Ausgangspunkt für die Behandlung der im Untersuchungsverfahren auftretenden Probleme, insbesondere die des Grundrechtsschutzes. Zugleich sollen auch die Problemstellungen behandelt werden, die in der Praxis oftmals Anlaß zu Konflikten zwischen Parlament und Regierung geben. Nach einer historischen Herleitung des parlamentarischen Untersuchungsrechts (1.Kap.) und der Darstellung der Rechtsgrundlagen der Aktenvorlagepflicht (2.Kap.) wird im 3. Kapitel der Arbeit ein Begründungsansatz hergeleitet, weshalb die Untersuchungskompetenz des Parlaments auch auf den privat- (wirtschaftlich)en Bereich zu erstreken ist. Die weite Auslegung des Art.44 Abs.l GG erfolgt dabei unter dem Aspekt, daß es gegenwärtig allein den Medien vorbehalten ist, unter Berufung auf die Presse-und Informationsfreiheit des Art.5 GG - ohne dabei gern. Art.l Abs.3 GG an die Grundrechte gebunden zu sein - auch solche Sachverhalte aufzuklären, die primär zwar den Rechtskreis des Parlaments berühren, jedoch bisher nur in geringem Umfang der parlamentarischen Untersuchung zugänglich waren. Im 4. Kapitel werden die von Rechtsprechung und Lehre als Grenzen des Untersuchungsrechts genannten Verfassungsprinzipien einer kritischen Prüfung unterwgen und Lösungsmodelle entworfen, die bei der Lösung von Problemen in der parlamentarischen Praxis herangewgen werden können. Auf eine Behandlung der Probleme, die sich aus der Stellung des Betroffenen im parlamentarischen Untersuchungsverfahren ergeben, wird verzichtet und insoweit auf die Dissertation von Bemd Klaus Buchholz4 verwiesen. Im 5.Kapitel steht die Frage im Vordergrund, inwieweit die entwickelten Grundsätze unter Berücksichtigung der Homogenitätsklausel des Art.28 GG auch für die Bundesländer, insbesondere das Land Hamburg, Geltung beanspruchen können, oder ob die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg eine andere Betrachtungsweise erfordert. Danach erfolgt im 6.Kapitel eine Darstellung des Untersuchungsrechts vor dem Hintergrund der Hamburger Verfassung von 1952. Die Hamburger Verfassung weist - abweichend vom Grundgesetz - eine Vielzahl von Regelungen auf, die in Zusammenhang mit dem Untersuchungsrecht der Bürgerschaft Beachtung finden, deren "Zusammenspiel" jedoch Fragen aufwirft, die einer Klärung, zumindest aber eines Lösungsvorschlags bedürfen. In diesem Teil der Untersuchung finden sich bei den angesprochenen Problemen viele Parallelen zum Grundgesetz und den Verfassungen der anderen Bundeslän-
4
Buchhnlz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, Diss. Kiel 1990
Einleinmg
17
der aufgrund gleichlautender Verfassungsnormen. Die Ergebnisse lassen sich daher zumindest partiell übertragen. Abschließend werden im 7.Kapitel die Funktion der Öffentlichkeit für das Untersuchungsverfahren sowie die unterschiedlichen Verfahren und Verfahrensvorschläge, die dem Ausgleich zwischen dem Untersuchungsrecht und dem Bedürfnis nach Vertraulichkeit bestimmter Sachverhalte dienen, dargestellt Die vorliegende Untersuchung wird geleitet von der Erkenntnis, daß sich die Arbeit in einem Untersuchungsausschuß in der Praxis stets vielschichtiger gestaltet, als die Verfassungsgeber dies hätten vorhersehen können. Daraus folgt, daß die verfassungsrechtlichen Probleme, vor die ein Untersuchungsausschuß gestellt wird, allein mit rechtstheoretischen Mitteln nicht immer zufriedenstellend aufzuarbeiten sind. Die Arbeit behält daher Praktikabilität und Effizienz der Ausschußtätigkeit im Blick und ergänzt die wissenschaftliche Behandlung von Zweifelsfragen durch praktische Erfahrungen und Kenntnisse, die der Verfasser als parlamentarischer Mitarbeiter des Untersuchungsausschusses "Hafenstraße" der Hamburgischen Bürgerschaft erlangte.
2 Meyer-Bohl
1. Kapitel
Historische Entwicklung des Untersuchungsrechts Das parlamentarische Untersuchungsrecht ist seiner historischen Wurzel nach ein Instrument zur Kontrolle der Exekutive durch die Legislative. 1 Das Bestreben zur Verselbständigung ist jeder Exekutive in allen Gemeinwesen seit jeher immanent. Einem Verwaltungsapparat, der solche Tendenzen erkennen läßt, galt es deshalb schon immer, Kontrolle entgegenzusetzen. Kontrolle soll aber nur ausüben, wer hierzu von Verfassungs wegen berufen ist,
das erforderliche Werkzeug "in die Hände gelegt" bekommt und darüber hinaus
eine den Kontrollierten gegenüber unabhängige Stellung im Staat einnimmt.
Außerhalb der Gerichte, die nur die individuelle und individualisierbare Verletzung geltenden Rechts zum Gegenstand ihrer Verfahren machen können, ist kraft Verfassung nur das Parlament berufen, im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Rechte Kontrolle auszuüben. Darüber hinaus sind die Medien gerade in der Nachkriegszeit zunehmend in eine Wächterfunktion hineingewachsen, die sich häufig als effektiver und effizienter als die Kontrollfunktion des Parlaments erweist 2 Ein gewandeltes Verfassungsverständnis macht die Notwendigkeit offensichtlich, die parlamentarische Kontrolle nicht mehr nur als Korrelat zur Machtfülle der Exekutive zu verstehen, sondern sie als umfassende Aufgabe des Parlaments aufzufassen, die auch den privat(wirtschaftlich)en Bereich berühren kann. Eine Neubestimmung des parlamentarischen Untersuchungsrechts ist aber nur möglich unter Berücksichtigung seiner historischen Entwicklung, vor allen Dingen vor dem Hintergrund seiner Entwicklung in England, den USA und Frankreich, da die Idee der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen aus der Verfassungspraxis dieser Länder herrührt und vom deutschen Staatsrecht in seinen Grundzügen rezipiert wurde.
1 Lewald, AöR Bd. 5 (1923); S. 269 (320); E. Kaufmann, Untersuchungsausschüsse und Staatsgerichtshof, S. 19 2 Die überwachende Rolle der Medien sei in diesem Kapitel noch ausgenommen. Auf die Auskunftserteilung außerllalb der Regierung durch "die Presse und das Vereinswesen" weist schon Zweig, ZfP Bd. 6 (1913), S. 265 (298) hin.
A. Die Entwicklung in England
19
A. Die Entwicklung in England Die Einrichtung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses stammt aus dem englischen Parlamentsrecht, das Ausgangspunkt zahlreicher wichtiger parlamentarischer Institutionen ist. 3 Obgleich England zu keinem Zeitpunkt eine geschriebene Verfassung besessen hat, die ein Untersuchungsrecht hätte statuieren können 4 , wurde die Befassung des Parlaments mit Sachverhalten, die in seinen originären Aufgabenbereich fielen und einer sachlichen Aufklärung bedurften, zu keiner Zeit ernsthaft in Frage gestellt. Aus dem Jahre 1340 wurde erstmals über die Einsetzung eines Ausschusses des englischen Parlaments berichtet, der die "Prüfung der Rechnungen über die Verausgabung der zuletzt bewilligten Subsidie" zum Gegenstand hatte. 5 Bereits im 16. Jahrhundert wurde es gängige Parlamentspraxis, besondere Ausschüsse zum Zwecke der Untersuchung zu bilden.6 Die Verfassungskämpfe des 17. Jahrhunderts führten zu einer weiteren Ausdehnung