Die Verfassung vor dem Richterstuhl: Vorgeschichte und Ratifizierung der amerikanischen Verfassung 1787–1791 [Reprint 2014 ed.] 9783110851892, 9783110116045


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German Pages 1049 [1068] Year 1988

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Table of contents :
Geleitwort
Vorbemerkung
Vorwort
Verzeichnis der Karten und Abbildungen
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung: Die Historiographie der Verfassungsdebatte. Divergierende Deutungen und offene Fragen
Erster Teil: Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung
I. Kapitel: Das Unbehagen an der Konföderation und die Bewegung für eine nationale Regierung, 1777 bis 1787
Die Bilanz der „kritischen Periode“
Die Articles of Confederation und die Reformbemühungen bis 1786
Die Sorge um den inneren Frieden und den Bestand der republikanischen Ordnung
II. Kapitel: Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung, 1783 bis 1790
Das Ideal der gesellschaftlichen Harmonie und die Hierarchie der Interessen
Regionale Wirtschaftsstrukturen und Besitzverteilung gegen Ende des 18. Jahrhunderts
Handelsdefizite und Deflationskrise nach 1783
Erholung und Auftriebstendenzen bis 1790
Die finanzielle Erblast des Krieges und die Krisenpolitik der Staaten
Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Ratifizierungsdebatte
Die Spekulation mit Wertpapieren
Die Forderung nach einem nationalen Wirtschafts- und Währungssystem
III. Kapitel: Parteien und Parteienverständnis im Übergang zum Bundesstaat
Die wachsende Einsicht in die Unvermeidlichkeit und den Nutzen von Parteien und Opposition
Formen und Stadien der Parteienentwicklung im Kongreß und in den Staaten
Zweiter Teil: Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes
IV. Kapitel: Philadelphia: Verfassunggebende Versammlung statt Reformkonvent
Konvente und Verfassunggebung
Der Konvent und die Souveränität des Volkes
V. Kapitel: Der Verfassungsentwurf vor dem Konföderationskongreß und den Staatenparlamenten
Der Kongreß läßt die Verfassung passieren
Der „Anschein von Einigkeit“ und Richard Henry Lees Amendments
Das Ende der Staatensouveränität: Die Einberufung von Ratifizierungskonventen durch die Parlamente
Übereifer und Parlamentsskandal in Philadelphia
Massachusetts und Connecticut: Ein antifederalistischer Koordinierungsversuch scheitert
Kompromisse in Virginia, Maryland und North Carolina
Federalistische Erfolge in New Hampshire und New York
Das Parlament von South Carolina diskutiert die Verfassung
Rhode Island: Referendum statt Ratifizierungskonvent
Der Sieg der Volkssouveränität über die „Legislative Supremacy“
Dritter Teil: Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen
VI. Kapitel: Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung
„Public Opinion“ im republikanischen Staat
Mentalitätswandel und Meinungsumschwung in der „kritischen Periode“
Der Klerus zwischen Heilserwartung und Degenerationsfurcht
Die „Revolution of Sentiments“: Fluch oder Segen?
Die Debatte als Feuerprobe der Verfassung
Regionale Besonderheiten im Stimmungsbild
Die Intensität der Debatte
Meinungsklima und Konformitätsdruck
Neue Vorstellungen vom Wesen und Nutzen der öffentlichen Meinung
VII. Kapitel: Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften und Zeitungen
Bücher und Almanache
Pamphlete und Flugblätter
Zeitungsschreiber und Pseudonyme
Die Bedeutung der Zeitungen für Breite und Intensität der Debatte
Die Berichterstattung über die Ratifizierungsdebatte
Parteien, Parteipresse und parteiische Drucker
Eleazer Oswald und der Independent Gazetteer
Thomas Greenleaf und das New York Journal
Benjamin Russell und der Massachusetts Centinel
Der Einfluß der Zeitungen auf Formen und Verlauf der Debatte
Pressekritik, Selbstzensur und Presseeinschüchterung
Pluralistische Presse und Nationalstaatsgründung
VIII. Kapitel: Das Netzwerk der privaten Korrespondenzen
Die Bedeutung des Briefeschreibens und der Privatkorrespondenzen
Verfassungsinterpretation in Briefen
Dauerkorrespondenzen
Politische Korrespondenzen auf Staatenebene
Nationale Korrespondenzen
Vierter Teil: Die Grundsatzdebatte: Republikanischer Konsens und unterschiedliches Republikverständnis
IX. Kapitel: Die antifederalistische Kritik der Verfassung
Fundamentalkonsens und unterschiedliche Positionen
Die Bedrohung der Grundwerte und der politischen Stabilität
Konsolidierung statt Föderalismus
Der Namensstreit
Zentralismus und Bürgerrechte
Die Notwendigkeit einer Bill of Rights
Die Fehlkonstruktion der Zentralgewalt
Sklaverei und Nord-Süd-Konflikt
Die Gefahren der Eliteherrschaft
X. Kapitel: Die federalistische Verteidigung und Erläuterung der Verfassung
Der bestmögliche Verfassungsplan
Die Notwendigkeit des Verfassungswechsels
Die Vorteile des Bundesstaates
Die Vereinbarkeit von Föderalismus und starker Zentralgewalt
Die Vereinbarkeit von republikanischer Freiheit und starker Zentralgewalt
Repräsentation
Komplexe Regierung
Die ausgedehnte Republik
Republikanische Tugend und mechanistisches Verfassungsverständnis
Geschichte und Zukunft
Das Amerikanische Empire
Fünfter Teil: Politische Richtungen und Parteiführer
XI. Kapitel: Kontinuität und Wandel des Parteienwesens in der Verfassungsdebatte
Die Haltung der Parteien zur Ratifizierungsfrage
Das Parteienbild von Federalists und Antifederalists
XII. Kapitel: Entschiedene Federalists, Gemäßigte Federalists und Fence Sitters
Das Spektrum der Verhaltensweisen und politischen Entscheidungen
Entschiedene Federalists
Gemäßigte Federalists
Fence Sitters
XIII. Kapitel: Radikale und Gemäßigte Antifederalists
Radikale Antifederalists
Gemäßigte Antifederalists
Sechster Teil: Die Wahlen zu den Ratifizierungskonventen
XIV. Kapitel: Wahlkämpfe
Unmittelbare Beteiligung und Kommunikation
Propaganda, Polemik und Verschwörungsvorstellungen
Zielgruppen
Nachrevolutionäre Wahlpraktiken in den Vereinigten Staaten
Town Meeting-Demokratie, County-Politik und Gentry-Kultur: Die Wahlen in Massachusetts, New York und Virginia
Übergreifende Zusammenhänge und gemeinsame Merkmale
XV. Kapitel: Die Ergebnisse der Wahlen zu den Ratifizierungskonventen
Siege der Federalists
Umstrittene Staaten
Erfolge der Antifederalists
Ursachen und Bedeutung der Wahlergebnisse
Siebenter Teil: Die Ratifizierungskonvente der dreizehn Staaten
XVI. Kapitel: Die „Zähmung“ der Konvente
Die Organisation der Konvente und die Öffentlichkeit
Teilnehmer, soziale Gruppierung und Gegensätze
Konfrontation in Neuengland
Soziale Homogenität und Statusdenken in der Mitte und im Süden
Die Wirkungen der Rhetorik
XVII. Kapitel: Die Geschichte der Ratifizierungskonvente
Der Auftakt: Pennsylvania
Die kritische Phase: Massachusetts und New Hampshire
Neuer Schwung: Maryland und South Carolina
Zwischenstaatliche Zusammenarbeit und Koordination
Die Entscheidung: New Hampshire, Virginia und New York
Nachzügler: North Carolina und Rhode Island
Achter Teil: Die Ratifizierungsfeiern
XVIII. Kapitel: Die neue republikanische Festkultur
Kirchenglocken, Kanonen und Trinksprüche
Die Federal Processions in den großen Städten
Ratifizierungsfeiern auf dem Lande
Sinn und Bedeutung der Ratifizierungsfeiern
Republikanische Volkskultur und „Civil Religion“
XIX. Kapitel: Kritik, Frustration und Gewalt
Ironische Distanz und kritische Ein wände
Gegenfeiern und Gewalt
Die Eindämmung der Gewalt
XX. Kapitel: Washington als integrierende Persönlichkeit
Die Feiern als Plebiszit und Akklamation
Die „hand of God“ in Geschichte und Verfassunggebung
Washingtons Inauguration
Neunter Teil: Entstehung und Annahme der Bill of Rights
XXI. Kapitel: Die Amendment-Empfehlungen der Staaten und das Scheitern der Bewegung für einen zweiten Verfassungskonvent
Grundrechte und Änderungen der Verfassung
Die Hoffnung auf einen zweiten Verfassungskonvent
XXII. Kapitel: James Madison, der Kongreß und die Bill of Rights
Erfolge der Federalists bei der ersten Bundeswahl und bei der Revision von Staatenverfassungen
Der Jefferson-Madison-Briefwechsel über eine Bill of Rights
Die Amendments im Kongreß
Reaktionen und Ratifizierung
Inhalt und historische Bedeutung der Bill of Rights
Abschluß: Verfassunggebung als politischer und kommunikativer Prozeß
Amerikanische Verfassungsdebatte und Französische Revolution
Die Dialektik von Fortschritt und Bewahrung
Die Legitimierung der Verfassung und des Bundesstaates
Quellen- und Literaturverzeichnis
I. Unveröffentlichte Quellen
II. Gedruckte und verfilmte Quellen
III. Bibliographien und andere Hilfsmittel
IV. Darstellungen, Zeitschriftenartikel und Sammelbände
Anhang
I. Die Ratifizierungskonvente der dreizehn Staaten
II. Chronologie der Ratifizierung
III. The Constitution of the United States and the Resolutions of the Convention Recommending the Procedures for Ratification and for the Establishment of Government under the Constitution by the Confederation Congress
IV. Amendments Proposed by the First Federal Congress
Personenregister
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Die Verfassung vor dem Richterstuhl: Vorgeschichte und Ratifizierung der amerikanischen Verfassung 1787–1791 [Reprint 2014 ed.]
 9783110851892, 9783110116045

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Jürgen Heideking Die Verfassung vor dem Richterstuhl

Jürgen Heideking

Die Verfassung vor dem Richterstuhl Vorgeschichte und Ratifizierung der amerikanischen Verfassung

1787-1791

w C DE

Walter de Gruyter · Berlin · New York

1988

Gedruckt auf säurefreiem Papier (alterungsbeständig — pH 7, neutral)

CIP-Titelaujnähme der Deutschen Bibliothek Heideking, Jürgen: Die Verfassung vor dem Richterstuhl: Vorgeschichte u. Ratifizierung d. amerikan. Verfassung ; 1787—1791 / Jürgen Heideking. — Berlin ; New York : de Gruyter, 1988 Zugl.: Tübingen, Univ., Habil.-Schr., 1987 ISBN 3-11-011604-9

© 1988 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Wege (Fotokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer, Berlin Printed in Germany

Meinen amerikanischen Freunden

„The Constitution is now before the judgment seat. It has, as was expected, its adversaries and its supporters, which will preponderate is yet to be decided."

George Washington to Henry Knox, Mount Vernon, 15. 10. 1787. Documentary History of the Ratification of the Constitution, vol. XIII, S. 381.

GELEITWORT

Gerne folge ich der Bitte, diesem Buche einige Worte voranzustellen, die seinen Weg begleiten mögen. Dies gibt auch Gelegenheit, die Befriedigung darüber zum Ausdruck zu bringen, daß eine rasche Drucklegung dieses wichtigen Buches, dessen Bedeutung der künftige Leser ermessen mag, dank der Bemühungen des Autors wie des Verlages gelungen ist. Der Verfasser hat schon vor einem Jahrzehnt in seiner Dissertation „Der Areopag der Diplomaten" die zuvor von Historikern kaum beachtete wichtige Rolle der Botschafterkonferenz der alliierten Hauptmächte nach Beendigung des ersten Weltkriegs behandelt, aufgrund neu zugänglich gewordener Akten in den verschiedenen Archiven ergründet und damit Neuland im Bereich der Zeitgeschichte entdeckt und betreten. Gerade der aus den aktuellen Brennpunkten der zeitgeschichtlichen Forschung heraus sorgsam auf Ursachen und Wirkungen, die sich in der Vergangenheit vollzogen haben, zurückgehende nachdenkliche Historiker wird immer wieder auf neue Wurzeln stoßen. Das kann gewiß auch in Deutschland so sein, mögen auch die wirklichen Chancen bisher allzu selten genutzt worden sein — um einer unvermeidlichen Aktualität zeitgeschichtlicher, brandheißer Diskussionen willen, die sich gern an Jahrestage, Gedenktage — wirkliche wie erfundene — und ephemere Anlässe heftet, was natürlich Geschichte in der Vergangenheit auch immer wieder getan hat. Aber über ihre Streitigkeiten wird letztlich doch nur ein Urteil hinweghelfen, das sich der ureigensten Aufgabe des Historikers und ihrer Erfüllung widmet: Quellenforschung auch unter schwierigsten Umständen zu betreiben. Für die Zeitgeschichte heißt dies, daß sie immer wieder auch klärend in ältere Vergangenheiten zurückgreifen muß. Was hierbei zutage gefördert werden kann und welche Überlegungen hierdurch angeregt werden, mag die vorliegende Arbeit vorführen, die sich einer frühen Phase der amerikanischen Geschichte zuwendet. Schon dies verdient Beachtung und Würdigung. Das deutsche Interesse an der Geschichte Amerikas ist im Unterschied zu den demographischen und auch wirtschaftlichen Beziehungen, trotz des frühen Versuches in der Historiographie Johann Gustav Droysens aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, fortschreitend verkümmert und erst nach 1945 — äußerst mühsam und unter dem Eindruck starker stimulierender Bemühungen amerikanischer Historiker und Politologen — nach und

χ

Geleitwort

nach entwickelt worden, aber häufig in Anfangen stecken geblieben. Die wenigen Ausnahmen bestätigen insgesamt nur die Regel; an der letzten Jahrhundertwende gab es wohl eine heftige und nachhaltig wirkende Kontroverse über das geistes- bzw. ideengeschichtliche Prävenire der amerikanischen oder der französischen Revolution, die Georg Jellinek eingeleitet hatte; auf die deutsche Historikerschaft aber blieb sie ohne erkennbaren Einfluß. Nur wenige, etwa Karl Lamprecht, auch Wilhelm Hasbach, bezeugten Interesse an der Neuen Welt und bemerkenswerte Kenntnisse, die allerdings in erster Linie die zeitgenössische USA betrafen, während im übrigen die Schrift von Alexis de Tocqueville, der die unmittelbar empfangenen Eindrücke der Jackson-Demokratie in allgemeinen, zur Abstraktion neigenden Formulierungen festzuhalten versuchte, bis in die jüngste Zeit hinein auch die deutschen Vorstellungen von Nordamerika geprägt hat. Ganz anders war es mit der Geschichtswissenschaft in den Vereinigten Staaten selbst beschaffen. Der Prozeß der Vermittlung historischer Kenntnisse und der Historisierung, das heißt: der historischen Ergründung der erlebten Zeit, der in Deutschland mit Klassik und Romantik einsetzt, wurde in Amerika übersprungen. Erlebte Geschichte und Erfahrungen gingen von Anbeginn unmittelbar in Geschichtsschreibung über, begründeten mithin auf neue Weise das, was wir hierzulande als Zeitgeschichte betrachten. Diesem Umstand selbst hat Jürgen Heideking sehr viel zu verdanken. Daß eine Arbeit wie die vorliegende geschrieben werden konnte — so, wie sie geschrieben wurde —, ist in erster Linie der Tatsache zu danken, daß die große Masse der unveröffentlichten archivierten Uberlieferung zur Entstehungs- und Frühgeschichte der Vereinigten Staaten aus allen archivalischen Sammelstätten innerhalb wie außerhalb Amerikas in Kopien im Zentrum für die Erforschung der Amerikanischen Verfassung an der Universität Madison in Wisconsin verwahrt wird und nun auch zugänglich geworden ist. Diese archivgeschichtlich beispiellose zentrale Sammlung von Archivalien hat es ermöglicht, für diese Arbeit Überlieferungen in einem Umfang zu sichten und auszuwerten, der unter anderen, den sonst üblichen Voraussetzungen zahlreiche Reisen und viele Archivbenutzungen an verschiedenen Orten erfordert hätte, wahrscheinlich in absehbarer Zeit gar nicht erreicht worden wäre. Die Ausbeute der Arbeiten Heidekings, der als erster Deutscher, als erster Forscher überhaupt die vollendete Sammlung, die vor mehr als vierzig Jahren begonnen wurde, nutzen konnte, ist entsprechend ausgefallen. Es dürfte kaum ein Beispiel geben, das innerhalb Nordamerikas wie innerhalb Deutschlands einen ähnlich umfassenden

Geleitwort

XI

Arbeitsgang erlaubte und zu einem ähnlich umfassenden Ergebnis auf verschiedenen Ebenen mit verschiedenartigen Gesichtspunkten, auf mehreren Stufen der gesellschaftlichen und politischen Vorgänge der Zeit gelangte. Zeitgemäß erscheint diese Arbeit allerdings. Genau zwei Jahrhunderte nach der Annahme und dem Inkrafttreten der Verfassung der Vereinigten Staaten, mithin des Beginns der Geschichte dieses Staatswesens, erscheint diese Arbeit auf dem Buchmarkt. Doch dies ist trotz des zweifellos günstigen zufälligen Zusammentreffens keineswegs Anlaß oder gar Leitlinie für die Erforschung der Thematik gewesen, die sich der Verfasser stellte. Jeder, der von historischer Forschung und ihren Voraussetzungen etwas versteht, wird wissen, daß zu gründlicher Arbeit und Äußerung jahrelange Befassung gehört, die sich in ihren Ergebnissen nicht auf „Memorials" zuspitzen oder Zuschneidern läßt. Freilich wird diese Arbeit auch im Vorfeld der nun von vielen Seiten her vorbereiteten und angebahnten Erinnerungsfestivitäten aus Anlaß der 200-Jahrfeier der französischen Revolution erscheinen und Beachtung finden. Wenn man heute von einer amerikanischen Revolution im 18. Jahrhundert spricht, was gute Gründe für sich hat, so muß man sie sich allerdings in den drei aufeinanderfolgenden Phasen vor Augen halten. Die erste wurde durch die Unabhängigkeitserklärung gegenüber dem United Kingdom besiegelt; die zweite war durch den Feldzug gegen die britischen Truppen wie gegen die Loyalisten innerhalb der amerikanischen Kolonien, bis zum Friedensschluß zu Versailles von 1783, bestimmt; die dritte Phase schließlich wird durch den schwierigen, am Ende noch erfolgreichen Versuch abgeschlossen, die in vielen Hinsichten unzulängliche Kriegskonföderation der verschiedenartig entwickelten dreizehn Kolonien, die sich als selbständige Staaten die Unabhängigkeit erkämpften, unter einer Verfassung zu einem Staat zusammenzuschließen. Während die ersten beiden Phasen häufig behandelt wurden und innerhalb der letzten Phase die Tätigkeit des Verfassungskonvents in Philadelphia größere Aufmerksamkeit gefunden hat, wendet sich die Arbeit von Heideking ganz der letzten Phase zu, die nun auf breitester Quellengrundlage eindringlich behandelt wird und viel mehr von dem werdenden Nordamerika in Erscheinung treten läßt, als die anderen, bisher im Vordergrund des Interesses stehenden Phasen erkennen ließen. Tübingen, im Januar 1988

Gerhard Schulz

VORBEMERKUNG

Es ist nicht langfristig vorausschauender Planung, sondern eher dem glücklichen Zusammentreffen verschiedener Umstände zu verdanken, daß dieses Buch noch rechtzeitig zum 200jährigen Jubiläum der 1788 angenommenen und in Kraft gesetzten amerikanischen Verfassung erscheinen kann. Als die Vorarbeiten 1980 begannen, lag dieses Datum in so weiter Ferne, daß es kaum ins Bewußtsein trat. Heute freue ich mich natürlich darüber, daß ich dank der raschen Abwicklung meines Habilitationsverfahrens durch die Geschichtswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen und dank der zügigen Bearbeitung des Manuskripts durch den Verlag Walter de Gruyter einen Beitrag zum „Geburtstag" der Verfassung leisten kann. Dabei hoffe ich, daß das Buch über diesen Anlaß hinaus wirken wird, und das Beispiel der dreizehn amerikanischen Staaten, die sich in freier Diskussion einen konstitutionellen Rahmen für die gemeinsame Zukunft schaffen, gerade auch dem europäischen Leser etwas zu sagen hat. Die erste Anregung zur Beschäftigung mit der Entstehungsgeschichte der amerikanischen Verfassung kam von meinem akademischen Lehrer, Professor Gerhard Schulz. Als Direktor des Seminars für Zeitgeschichte der Universität Tübingen ist er nie auf das Geschehen des 20. Jahrhunderts fixiert geblieben, sondern hat seinen Blick stets bis in die große geistig-politische und gesellschaftliche Umbruchsphase des 18. Jahrhunderts und darüber hinaus bis in die Zeit der Entdeckung und Kolonisierung Amerikas zurückgerichtet. Für sein Bemühen, die Einsicht in die übergreifenden Zusammenhänge der westeuropäisch-atlantischen Geschichte und Kultur zu vertiefen, bin ich ihm ebenso zu großem Dank verpflichtet wie für seine kontinuierliche Förderung meiner wissenschaftlichen Laufbahn als Angestellter und dann als Hochschulassistent an dem von ihm geleiteten Institut. Auf seinen Rat hin nahm ich Ende 1979 Kontakt zu Professor Merrill Jensen in Madison, Wisconsin auf, dem Initiator und ersten Herausgeber der monumentalen „Documentary History of the Ratification of the Constitution." Professor Jensen ermutigte mich, die seit dem Buch von Charles A. Beard heftig umstrittene Frage nach den Ursprüngen der amerikanischen Verfassung mit den Augen des unvoreingenommenen „outsiders" neu zu betrachten, und er lud mich zu Literatur- und Quel-

XIV

Vorbemerkung

lenstudien nach Madison ein. Leider bin ich ihm nicht mehr persönlich begegnet, da er vor meinem ersten Besuch in den USA im Frühjahr 1980 nach langer Krankheit verstarb. Herzliche Gastfreundschaft wurde mir dennoch zuteil von seinen Schülern und Nachfolgern als Herausgeber der „Documentary History", den Professoren John P. Kaminski, Gaspare J. Saladino und Richard Leffler. Im Rahmen zweier weiterer Aufenthalte in den USA, die 1983/84 und 1985 von der Alexander von HumboldtStiftung durch ein Feodor-Lynen-Stipendium ermöglicht wurden, entwickelte sich diese Beziehung zu einer echten persönlichen Freundschaft. Die Großzügigkeit der Humboldt-Stiftung erlaubte mir nicht nur eine ungestörte intensive Quellenarbeit, sondern gestattete es auch meiner Familie, ein ganzes Jahr lang mit unseren Bekannten die Freuden und Leiden des amerikanischen Alltags zu teilen. Professor John Boyer, der mich freundlicherweise als ehemaliger Humboldt-Stipendiat in die USA eingeladen hatte, erläuterte mir die Arbeitsbedingungen an der University of Chicago und brachte mich mit anderen dortigen Historikern zusammen. Mein „Hauptstützpunkt" blieb aber die University of Wisconsin in Madison, deren History Department, damals geleitet von dem exzellenten Deutschlandkenner Professor Theodore S. Hamerow, mich ganz unbürokratisch als einen „Visiting Scholar" in ihre Reihen aufnahm. In wissenschaftlicher Hinsicht war der nahezu tägliche Umgang mit den Herausgebern der „Documentary History of the Ratification of the Constitution" von unschätzbarem Wert. Ihre in jahrelanger Detailarbeit erworbenen Kenntnisse gaben sie vorbehaltlos und nicht ohne einen gewissen pädagogischen Eifer an den Besucher aus Europa weiter. In ihrem Institut, das inzwischen als „Center for the Study of the American Constitution" über die USA hinaus Ansehen genießt, räumten sie mir einen ständigen Arbeitsplatz ein. Ganz nebenbei machten sie mich mit modernen Editionstechniken vertraut und führten mich in die Geheimnisse des Personal Computers ein. Vor allem imponierte mir aber ihr exakter, sorgfaltiger Umgang mit den Quellen und der Respekt, den sie gerade auch den überlieferten Äußerungen der „common people" zollen. Für dieses Buch habe ich ihre Methode übernommen, die Zitate möglichst unverändert wiederzugeben und nur eine offenkundig mißverständliche oder sinnentstellende Schreibweise zu korrigieren. Durch ihre Vermittlung konnte ich auch an den Forschungsergebnissen anderer großer Editionsprojekte teilhaben: der „Documentary History of the First Federal Elections", ebenfalls in Madison, und der in der Bundeshauptstadt an der George Washington University beheimateten „Documentary History of the First Federal Congress". Auch deren Mitarbeitern danke ich

Vorbemerkung

XV

für ihren Rat und ihre Unterstützung. Falls trotz allem noch Fehler in dem Text verblieben sind, kann ich es wahrlich nicht meinen amerikanischen Kollegen anlasten, sondern muß ganz allein die Verantwortung tragen. Diesseits des Atlantiks profitierte ich sehr von den Kontakten, die ich auf den Jahrestagungen und regelmäßigen Historikertreffen der Deutschen Gesellschaft für Amerikastudien knüpfen konnte. In Tübingen danke ich allen Angehörigen des Seminars für Zeitgeschichte, die den Fortgang meiner Arbeit mit Interesse verfolgten und die stets Zeit zum Gedankenaustausch fanden. In der Phase der größten Belastung nahmen sie mir auch manche Verwaltungstätigkeit ab und munterten mich durch ihre gute Laune immer wieder auf. Ganz besonders dankbar bin ich aber meiner Frau und meinen Kindern, die mir den für ein solch langwieriges Projekt nötigen Rückhalt gaben und die doch in den letzten drei Jahren so oft auf meine Gesellschaft verzichten mußten. Ich stehe in ihrer Schuld und will versuchen, Versäumtes nachzuholen. Tübingen, im Januar 1988

Jürgen Heideking

VORWORT

Jeder politisch denkende Mensch, insbesondere aber der mit historischen Brüchen und Katastrophen schmerzlich vertraute Mitteleuropäer, muß es als intellektuelle Herausforderung ersten Ranges empfinden, sich mit einer Verfassungsordnung zu beschäftigen, auf deren Grundlage und nach deren Regeln sich das politische und gesellschaftliche Leben eines großen Landes seit nunmehr zweihundert Jahren kontinuierlich vollzieht. Zwischen Mai und September 1787 in Philadelphia ausgearbeitet, von der wahlberechtigten Bevölkerung der dreizehn souveränen Staaten nach eingehender Debatte angenommen, vom ersten Kongreß durch eine Grundrechteerklärung ergänzt und später nur sparsam mit Amendments versehen, erwies sich die amerikanische Bundesverfassung in ihren Prinzipien und ihren institutionellen Formen geeignet, den Aufstieg eines locker gefügten und heterogenen Staatswesens zur demokratischen Weltmacht in jeder Entwicklungsphase maßgeblich mitzusteuern. Die schweren Belastungsproben, denen das amerikanische Regierungssystem durch Bürgerkrieg und Weltkriege, Rassenkonflikte und wirtschaftliche wie innerpolitische Krisen bisher ausgesetzt war, offenbarten ihre ungebrochene Vitalität und ihre Kraft als zentrales Symbol nationaler Zusammengehörigkeit und Identität. Millionen von Einwanderern fanden in diesen zwei Jahrhunderten über Unabhängigkeitserklärung und Verfassung den ersten Zugang zu den geistig-kulturellen Werten der Neuen Welt. Dieser phänomenale Erfolg hebt die amerikanische Verfassung aller Kritik zum Trotz, die sie stets begleitete und an schwierigen Wegstrecken auch vehement vorgetragen wurde, in den Rang eines der bedeutsamsten und folgenreichsten Dokumente der Weltgeschichte. 1 Auf Grund der

1

Die Constitution of the United States ist die älteste noch geltende Verfassung. Am nächsten kommen ihr diejenigen Belgiens (1831) und der Schweiz (1874). Einen interessanten Versuch, ihre Schwachstellen und Unzulänglichkeiten systematisch zusammenzustellen, unternahm Karl Loewenstein unter dem kennzeichnenden Titel: Ketzerische Betrachtungen über die amerikanische Verfassung, in: Peter Saladin und Luzius Wildhaber (Hrsg.), Der Staat als Aufgabe. Gedenkschrift für Max Imboden, Basel—Stuttgart 1972, S. 233 — 254. Dem stärksten öffentlichen Druck waren Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit in der Ära des New Deal ausgesetzt. Bis in die 1980er Jahre hinein wurden in den Vereinigten Staaten aber periodisch Forderungen nach einer neuen Constitutional Convention zur Revision

XVIII

Vorwort

Erfahrungen mit den autoritären und totalitären Regimen unserer Zeit verstehen wir heute vielleicht besser als jemals zuvor den Sinn des Gladstone-Wortes, die amerikanische Verfassung sei „the most wonderful work ever struck off at a given time by the brain and purpose of man." 2 Für den Historiker, der den Wurzeln und Ursprüngen geschichtlicher Zusammenhänge und Entwicklungen nachgeht, bleibt eine solche Würdigung jedoch niemals Ziel oder Selbstzweck. Sie kann ganz im Gegenteil nur den Ausgangspunkt für umso intensiveres Fragen bilden. Das ehrfurchtgebietende Alter der Verfassung sollte deshalb nicht vergessen machen, daß der Entwurf des philadelphischen Konvents keineswegs die ungeteilte Zustimmung der Zeitgenossen fand, sondern daß es enormer Anstrengungen seiner Befürworter bedurfte, um ihn an die Stelle der erst 1781 in Kraft getretenen, dezentral ausgerichteten Konföderationsverfassung zu setzen. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Debatte über die Verfassung und die Bill of Rights in den Jahren 1787 bis 1791, die alle Probleme und Streitpunkte zu der ersten großen nationalen Kontroverse der Vereinigten Staaten bündelte und für damalige Verhältnisse breite Bevölkerungsschichten mobilisierte und zur Parteinahme veranlaßte. Der Verfasser ist der Überzeugung, daß der Prozeß der öffentlichen Willensbildung und Entscheidungsfindung, der dem Inkrafttreten der Verfassung und der Bill of Rights vorausging, den Schlüssel zum Verständnis ihrer dauerhaften Stabilität und Legitimität liefert. Insofern als die Debatte Grundsatzfragen nach dem Wesen von Staat und Regierung, Souveränität, Gewaltenteilung, Föderalismus, Repräsentation, politischer Beteiligung und Rechtsstaatlichkeit aufwarf, hat sie auch für unsere Zeit nichts an Aktualität und Bedeutung eingebüßt. Das letzte Viertel des 18. Jahrhunderts gehört zweifellos zu den am gründlichsten erforschten Perioden der amerikanischen Geschichte. Gemessen an der beeindruckenden Literaturfülle zu Revolution und Nationalstaatsgründung, wurde der Ratifizierungsdebatte selbst bislang nur sehr bescheidene Aufmerksamkeit zuteil. Noch vor kurzem lautete das

2

der Verfassung laut, allerdings stets ohne große Erfolgsaussichten. Heute konzentriert sich die Kritik auf den schwerfälligen und langwierigen Prozeß der Haushaltsgesetzgebung und die Machtbefugnisse des Präsidenten. Siehe Andreas Falke, Sind 200 Jahre genug? Zur Debatte um eine Reform der amerikanischen Verfassung, in: APZ Β 3 0 - 3 1 / 8 7 , S. 1 6 - 2 8 . Das volle Zitat lautet: „As the British Constitution is the most subtle organism which has proceeded from progressive history, so the American Constitution is the most wonderful work ever struck off at a given time by the brain and purpose of man." Kin Beyond the Sea, in: North America Review 126:185 (1887).

Vorwort

XIX

Verdikt eines exzellenten Kenners der Materie, die Erforschung der Verfassungsentstehung befinde sich seit längerem „at a standstill." 3 Unter diesen Umständen kann es kaum Wunder nehmen, daß eine kritische Gesamtbeurteilung, die Formen, Inhalte und historischen Stellenwert der Verfassungsdebatte gleichermaßen einschließt, noch aussteht. Die Gründe hierfür sind teils praktischer, teils methodischer Natur. In Darstellungen der Revolution, die über den Frieden von 1783 hinausreichen, erscheint die Debatte zumeist nur als Anhängsel und steht völlig im Schatten des Verfassungskonvents von Philadelphia. Arbeiten zur Geschichte der jungen Republik wiederum setzen die Kenntnis von der Entstehung und Annahme der Verfassung fast durchweg voraus, so daß sich die Ratifizierung gewissermaßen in einem historischen „toten Winkel" abspielt. Wird dem öffentlichen Für und Wider nach der Vorlage des Verfassungsentwurfs doch einmal breiterer Raum gegeben, so tritt die Analyse der Zusammenhänge und Strukturen hinter das narrative, auf die chronologische Abfolge der Ratifizierungsakte in den Staaten fixierte Element zurück. Noch schwerwiegender ist allerdings, daß sich fast alle Spezialstudien die Untermauerung oder Widerlegung der 1913 von Charles A. Beard aufgestellten These von den „ökonomischen Ursprüngen der Verfassung" zur alleinigen Richtschnur machen. 4 Diese Verengung des Erkenntnisinteresses auf einen wenn auch wichtigen Teilbereich hatte zur Folge, daß die Debatte als komplexes gesellschaftliches Geschehen und als Kommunikations- und Entscheidungsprozeß kaum jemals wirklich ins Blickfeld gelangte. Hinzu kam die Neigung der amerikanischen Autoren, sich mit einer der beiden zeitgenössischen Konfliktparteien zu identifizieren und die längst geschlagenen Schlachten zwischen Federalists und Antifederalists auf wissenschaftlicher Ebene noch einmal auszufechten. Dabei wurden oft die Ansichten und Aktionen der einen Seiten nur als Folie benutzt, vor der sich die Progressivität und Rationalität der anderen um so deutlicher abhebt. Bis in die Gegenwart ist zudem die Tendenz zu beobachten, die soziale Ebene der Auseinandersetzung um die Verfassung von der geistig-ideologischen zu trennen und nur einer von beiden ungeteiltes Interesse zu widmen. So droht sich das Studium der materiellen Interessen und Motive der handelnden Individuen, Grup-

3

4

James H. Hutson, The Creation of the Constitution. Scholarship at a Standstill, in: Reviews in American History 12 (1984), S. 463—477. Charles A. Beard, An Economic Interpretation of the Constitution of the United States, New York 1913; dt. Übers.: Eine ökonomische Interpretation der amerikanischen Verfassung, Frankfurt/M. 1974.

XX

Vorwort

pen, Gesellschaftsschichten und Klassen von der Erforschung der Ideen, Ideologien, Weltbilder, Bewußtseinslagen und Mentalitäten zu lösen und zu verselbständigen. Dem hat der englische Historiker J. G. A. Pocock zu Recht entgegengehalten, daß Ideen und die Sprache, in der sie formuliert werden, die Realität nicht einfach widerspiegeln, sondern ebenso zur geschichtlichen Wirklichkeit gehören wie Institutionen und Gesellschaftsstrukturen. 5 Gefordert sind demzufolge ein organisches Verständnis der Beziehungen zwischen Ideologie und Sozialstruktur und eine Methode, die es gestattet, Kommunikation und Interaktion von Individuen und Gruppen vor dem Hintergrund des sozialen Beziehungsgeflechts und der wirtschaftlichen Entwicklung durchsichtig zu machen. Nur so wird man der jüngst erhobenen Forderung gerecht werden können, Verfassungsgeschichte in neuer Form als eine soziale Strukturgeschichte zu erfassen und darzustellen. 6 Die leidenschaftlich geführte Grundsatzdebatte der Jahre 1787/88 scheint der geeignete und lohnende Untersuchungsgegenstand zu sein, diesen Versuch zu unternehmen. Ziel der Arbeit ist es deshalb, die Verfassungsdebatte nicht als Reflex tieferliegender Strömungen und Kräfte, auch nicht als staatstheoretischen Disput einiger herausragender Denker, sondern als einen vielschichtigen gesamtgesellschaftlichen Vorgang zu präsentieren, der um seiner selbst willen Interesse verdient. Das Ratifizierungsgeschehen spielte sich auf nationaler wie auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene ab, erfaßte sowohl den öffentlichen als auch den privaten Lebensbereich und veränderte die traditionellen Formen von politischer Öffentlichkeit. Der Kampf um die Verfassung veranschaulicht die enorme Dynamik der nachrevolutionären Gesellschaft, die — und das macht die Erforschung besonders reizvoll und lehrreich — nicht planlos und ungezügelt, sondern sinnvoll und zielstrebig eingesetzt wurde. Überdies war die Verfassungsdebatte wie alle großen politischen Weichenstellungen der Neuzeit auch der Versuch einer umfassenden geistigen Ortsbestimmung und kulturellen Sinndeutung. Das wird offenbar, wenn man die Menschen selbst mit ihrer ungemein lebendigen und kraftvollen, an der Bibel, den klassischen Autoren und den englischen Staatstheoretikern und Pamphletisten geschulten Sprache zu Wort kommen läßt. Nur die Einbeziehung und

5

6

In: Politics, Language and Time. Essays on Political Thought and History, New York 1971. Helmut Quaritsch (Hrsg.), Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung. Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte in Hofgeismar am 30./31. März 1981, in: Der Staat, Beiheft 6, Berlin 1983.

Vorwort

XXI

Durchdringung des gesamten verfügbaren Quellenmaterials von den Akten der legislativen Körperschaften und Ratifizierungskonvente über private Aufzeichnungen und Briefe bis hin zur anschwellenden Zeitungsund Flugschriftenliteratur vermag die wahre Breite, Tiefe und Vielfalt der Diskussion zu veranschaulichen. Auf diesem Fundament scheint es möglich, den Zusammenhang zwischen dem institutionellen Ablauf der Ratifizierung und dem geistigen Gehalt der Verfassungsdebatte der Klärung näherzubringen. An die Stelle der bisherigen überwiegend statischen Betrachtungsweise muß die Analyse der Strukturen und des dynamischen, prozeßhaften Charakters der Auseinandersetzung treten. Dies wiederum ist die Voraussetzung für das Verständnis der Scharnierfunktion, die der Annahme der Verfassung im Übergang vom Unabhängigkeitskampf zur nationalstaatlichen Integration und — im weitergespannten Rahmen der „demokratischen Revolution" des 18. Jahrhunderts — in der Umbruchsphase von der traditionellen zur modernen Gesellschaft zukommt. 7 Aus dieser Perspektive betrachtet, gewinnt die Ratifizierungsdebatte Konturen als historischer Knotenpunkt im neuzeitlichen politischen Denken, von dem aus sich Verbindungslinien bis hin zur gegenwärtigen amerikanischen und westeuropäischen Verfassungstheorie und -praxis ziehen lassen.8

7

8

Grundlegend, aber nicht unwidersprochen, Robert R. Palmer, The Age of Democratic Revolution. A Political History of Europe and America, 1760 — 1800, 2 vols., Princeton, N. J., 3rd ed., 1962; dt. Übers.: Das Zeitalter der demokratischen Revolution, Frankfurt/M. 1970. Nach der Entstehung der Bundesrepublik hat man sich auch in Deutschland verstärkt mit der amerikanischen Verfassung beschäftigt und versucht, die rechtliche und politische Entwicklung unter dem Grundgesetz im Lichte der amerikanischen Erfahrungen zu sehen. Ein frühes Beispiel ist die Habilitationsschrift des späteren Bundespräsidenten Karl Carstens, Grundgedanken der amerikanischen Verfassung und ihre Verwirklichung, Berlin 1954. Weitere wichtige Beiträge sind u. a. Horst Ehmke, Wirtschaft und Verfassung. Die Verfassungsrechtsprechung des Supreme Court zur Wirtschaftsregulierung, Karlsruhe 1961; Klaus von Beyme, Das präsidentielle Regierungssystem der Vereinigten Staaten in der Lehre der Herrschaftsformen, Karlsruhe 1967; Catharina von Oppen-Rundstedt, Die Interpretation der amerikanischen Verfassung im Federalist, Bonn 1970; Horst Dippel, Deutschland und die amerikanische Revolution. Sozialgeschichtliche Untersuchung zum politischen Bewußtsein im ausgehenden 18. Jahrhundert, Diss. Köln 1972; Willi Paul Adams, Republikanische Verfassung und bürgerliche Freiheit. Die Verfassungen und politischen Ideen der amerikanischen Revolution, Darmstadt 1973; Erich Angermann, Der deutsche Frühkonstitutionalismus und das amerikanische Vorbild, in: HZ 219 (1974), S. 1 ff. Besondere Verdienste um die Vermittlung amerikanischer Verfassungstheorien und amerikanischen politischen Den-

XXII

Vorwort

Der gerade vier Zeitungsseiten füllende Verfassungsentwurf, der am 18. September 1787 in Philadelphia von der Druckerpresse gezogen wurde, löste eine Debatte aus, die im privaten Kreis, in vertraulichen Briefwechseln, in den republikanischen Institutionen und vor allen Foren der Öffentlichkeit ebenso lebhaft wie gründlich geführt wurde. Über mehr als ein Jahr hinweg hielt sie die Amerikaner in ihrem Bann und fesselte auch das Interesse ausländischer Beobachter. Binnen kurzem bildeten sich zwei Meinungslager — die Federalists und die verfassungskritischen Antifederalists —, die aber niemals eine monolithische Geschlossenheit erlangten, sondern ein relativ breites Spektrum politischideologischer Anschauungen und Überzeugungen zuließen. Zwischen ihnen bewegten sich Unsichere, Zweifelnde und Neutrale, die zu gewinnen beide Seiten nichts unversucht ließen. Anhänger wie Gegner der Verfassung waren sich der historischen Tragweite des Geschehens bewußt. Sie gingen darin einig, daß die vielbeschworene und beklagte amerikanische Krise in ihr entscheidendes Stadium getreten war. Vom Ausgang des Verfassungsstreits hing das Schicksal nicht nur der Lebenden, sondern auch kommender Generationen, ja möglicherweise der ganzen Menschheit ab. Alexander Hamilton sprach im ersten PubliusBrief vom 27. Oktober 1787 aus, was viele dachten, „that it seems to have been reserved to the people of this country, by their conduct and example, to decide the important question, whether societies of men are really capable or not, of establishing good government from reflection and choice, or whether they are forever destined to depend, for their

kens nach Europa und in den deutschen Sprachraum hat sich der österreichische Historiker und Staatsrechtler Gerald Stourzh erworben. In einem seiner Hauptwerke analysiert er einfühlsam das Staatsverständnis eines bis heute kontroversen „Verfassungsvaters": Alexander Hamilton and the Idea of Republican Government, Stanford, Cal., 1970. In jüngerer Zeit weitet sich das Interesse auf die westlichdemokratische Verfassungsentwicklung insgesamt aus und bezieht auch die bisherigen Ergebnisse und künftigen Möglichkeiten des europäischen Zusammenschlusses mit ein. Vgl. Ernst-Wilhelm Böckenförde, Geschichtliche Entwicklung und Bedeutungswandel der Verfassung, in: Festschrift für Rudolf Gmür, Bielefeld 1983, S. 7 ff.; Michael Bothe, Kompetenzstruktur des modernen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, Berlin—Heidelberg —New York 1977; ders., Die Entwicklung des Föderalismus in den angelsächsischen Staaten, in: JOR 31 (1982), S. 109 ff.; Klaus Stern, Grundideen europäisch-amerikanischer Verfassungsstaatlichkeit, Berlin —New York 1984; Ludolf Herbst, Die zeitgenössische Integrationstheorie und die Anfänge der europäischen Einigung, 1947 — 1950, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 34 (1986), S. 1 6 1 - 2 0 6 .

Vorwort

XXIII

political constitutions, on accident and force." 9 Während Hamilton und seine Freunde für den Fall der Annahme der Verfassung eine Wende zum Besseren auf allen Gebieten versprachen, warnten die Gegner vor dem drohenden Verlust der Staatensouveränität und der Bürgerfreiheit. Nach der Übergabe des Entwurfs an den Konföderationskongreß lautete die zentrale Frage, ob der Entscheidungsprozeß in die berechnete Bahn gelenkt und auf ihr vorangetrieben werden konnte, oder ob er, ähnlich den Impost-Amendments von 1781 und 1783, unterwegs steckenbleiben würde. Dann drohte der Veränderungswille nicht einfach zu versickern, sondern aus den republikanischen Institutionen auszubrechen und sich ungeregelt und möglicherweise gewaltsam einen Weg zu suchen. Man ging also das Risiko ein, der alten Ordnung jegliche bindende Kraft zu nehmen, ohne eine neue an ihre Stelle setzen zu können. In das erhebende Gefühl, an einer epochalen Entscheidung mitzuwirken, mischte sich deshalb die Furcht vor der Entartung und dem blutigen Scheitern der amerikanischen Revolution. Diese ambivalente, für Schwankungen anfallige Grundstimmung darf bei der Beurteilung der Verfassungsdebatte ebensowenig außer Acht gelassen werden wie die zeitliche Dimension des Ratifizierungsvorgangs, seine Beschleunigungen, Verzögerungen und dramatischen Höhepunkte. Bis zu einem gewissen Grade bestand das Geschehen, das zur Annahme der Verfassung und zu ihrer Ergänzung durch eine Bill of Rights führte, aus dreizehn separaten Debatten. Jeder Staat der Konföderation mußte für sich prüfen und wählen, und jede Entscheidung hing in hohem Maße von dem seit der Unabhängigkeit herausgebildeten inneren Kräftespiel des betreffenden Staates ab. Zugleich stimulierte der Verfassungsentwurf aber eine übergreifende nationale Diskussion, die auf die Staaten und das Verhalten ihrer Bürger zurückwirkte. Erst diese Verquickung von innerstaatlichen und nationalen Faktoren macht die wahre Komplexität des Geschehens aus. Um zu einem tieferen Verständnis der Debatte zu gelangen, muß man also vor allem drei Zusammenhänge beachten: Die Aufnahme, die der Verfassungsentwurf in den Staaten fand, die äußeren Einwirkungen auf diese interne Meinungsbildung, und das zunehmende Gewicht nationaler Gesichtspunkte und Problemstellungen, das die „Nationalisierung" des politischen Lebens der Union förderte.

9

DHRC XIII, 494.

INHALTSVERZEICHNIS Seite Geleitwort

IX

Vorbemerkung

XIII

Vorwort

XVII

Verzeichnis der Karten und Abbildungen

XXXI

Abkürzungsverzeichnis

XXXV

Einleitung: D i e Historiographie der Verfassungsdebatte. Divergierende D e u t u n g e n und offene Fragen

Erster Teil: D i e Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

1

. . .

I. Kapitel: Das Unbehagen an der Konföderation und die Bewegung für eine nationale Regierung, 1777 bis 1787 Die Bilanz der „kritischen Periode" Die Articles of Confederation und die Reformbemühungen bis 1786 Die Sorge um den inneren Frieden und den Bestand der republikanischen Ordnung II. Kapitel: Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung, 1783 bis 1790 Das Ideal der gesellschaftlichen Harmonie und die Hierarchie der Interessen Regionale Wirtschaftsstrukturen und Besitzverteilung gegen Ende des 18. Jahrhunderts Handelsdefizite und Deflationskrise nach 1783 Erholung und Auftriebstendenzen bis 1790 Die finanzielle Erblast des Krieges und die Krisenpolitik der Staaten Die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage zur Zeit der Ratifizierungsdebatte Die Spekulation mit Wertpapieren Die Forderung nach einem nationalen Wirtschafts- und Währungssystem

19

21 21 23 30 36 36 48 51 55 61 72 84 88

XXVI

Inhaltsverzeichnis

III. Kapitel: Parteien und Parteienverständnis im Übergang zum Bundesstaat

93

Die wachsende Einsicht in die Unvermeidlichkeit und den Nutzen von Parteien und Opposition Formen und Stadien der Parteienentwicklung im Kongreß und in den Staaten

97

Zweiter Teil: Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

105

IV. Kapitel: Philadelphia: Verfassunggebende Versammlung statt Reformkonvent

107

Konvente und Verfassunggebung Der Konvent und die Souveränität des Volkes

93

107 117

V. Kapitel: Der Verfassungsentwurf vor dem Konföderationskongreß und den Staatenparlamenten Der Kongreß läßt die Verfassung passieren Der „Anschein von Einigkeit" und Richard Henry Lees Amendments Das Ende der Staatensouveränität: Die Einberufung von Ratifizierungskonventen durch die Parlamente Übereifer und Parlamentsskandal in Philadelphia Massachusetts und Connecticut: Ein antifederalistischer Koordinierungsversuch scheitert Kompromisse in Virginia, Maryland und North Carolina Federalistische Erfolge in New Hampshire und New York . . . . Das Parlament von South Carolina diskutiert die Verfassung . . . . Rhode Island: Referendum statt Ratifizierungskonvent Der Sieg der Volkssouveränität über die „Legislative Supremacy" .

126 126 130 132 138 142 146 150 154 156 158

Dritter Teil: Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen . . . .

161

VI. Kapitel: Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

. .

163

„Public Opinion" im republikanischen Staat Mentalitätswandel und Meinungsumschwung in der „kritischen Periode" Der Klerus zwischen Heilserwartung und Degenerationsfurcht . . . Die „Revolution of Sentiments": Fluch oder Segen? Die Debatte als Feuerprobe der Verfassung Regionale Besonderheiten im Stimmungsbild Die Intensität der Debatte Meinungsklima und Konformitätsdruck Neue Vorstellungen vom Wesen und Nutzen der öffentlichen Meinung

163 164 167 172 174 181 184 187 190

Inhaltsverzeichnis

XXVII

VII. Kapitel: Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften und Zeitungen

192

Bücher und Almanache Pamphlete und Flugblätter Zeitungsschreiber und Pseudonyme Die Bedeutung der Zeitungen für Breite und Intensität der Debatte Die Berichterstattung über die Ratifizierungsdebatte Parteien, Parteipresse und parteiische Drucker Eleazer Oswald und der Independent Gazetteer Thomas Greenleaf und das New York Journal Benjamin Russell und der Massachusetts Centinel Der Einfluß der Zeitungen auf Formen und Verlauf der Debatte . . Pressekritik, Selbstzensur und Presseeinschüchterung Pluralistische Presse und Nationalstaatsgründung

192 197 202 205 215 222 224 227 228 231 234 238

VIII. Kapitel: Das Netzwerk der privaten Korrespondenzen Die Bedeutung des Briefeschreibens und der Privatkorrespondenzen Verfassungsinterpretation in Briefen Dauerkorrespondenzen Politische Korrespondenzen auf Staatenebene Nationale Korrespondenzen

240 240 241 245 248 249

Vierter Teil: Die Grundsatzdebatte: Republikanischer Konsens und unterschiedliches Republikverständnis

257

IX. Kapitel: Die antifederalistische Kritik der Verfassung

259

Fundamentalkonsens und unterschiedliche Positionen Die Bedrohung der Grundwerte und der politischen Stabilität . . . Konsolidierung statt Föderalismus Der Namensstreit Zentralismus und Bürgerrechte Die Notwendigkeit einer Bill of Rights Die Fehlkonstruktion der Zentralgewalt Sklaverei und Nord-Süd-Konflikt Die Gefahren der Eliteherrschaft

259 264 267 275 277 282 285 292 299

X. Kapitel: Die federalistische Verteidigung und Erläuterung der Verfassung

302

Der bestmögliche Verfassungsplan Die Notwendigkeit des Verfassungswechsels Die Vorteile des Bundesstaates Die Vereinbarkeit von Föderalismus und starker Zentralgewalt . . . Die Vereinbarkeit von republikanischer Freiheit und starker Zentralgewalt Repräsentation Komplexe Regierung

302 304 310 314 322 327 331

XXVIII

Inhaltsverzeichnis

Die ausgedehnte Republik Republikanische Tugend und mechanistisches Verfassungsverständnis Geschichte und Zukunft Das Amerikanische Empire

338 341 344 350

Fünfter Teil: Politische Richtungen und Parteiführer

355

XI. Kapitel: Kontinuität und Wandel des Parteienwesens in der Verfassungsdebatte

357

Die Haltung der Parteien zur Ratifizierungsfrage Das Parteienbild von Federalists und Antifederalists

357 363

XII. Kapitel: Entschiedene Federalists, Gemäßigte Federalists und Fence Sitters

379

Das Spektrum der Verhaltensweisen und politischen Entscheidungen Entschiedene Federalists Gemäßigte Federalists Fence Sitters

379 381 402 406

XIII. Kapitel: Radikale und Gemäßigte Antifederalists Radikale Antifederalists Gemäßigte Antifederalists

412 412 428

Sechster Teil: Die Wahlen zu den Ratifizierungskonventen . . .

441

XIV. Kapitel: Wahlkämpfe

455

Unmittelbare Beteiligung und Kommunikation Propaganda, Polemik und Verschwörungsvorstellungen Zielgruppen Nachrevolutionäre Wahlpraktiken in den Vereinigten Staaten . . . Town Meeting-Demokratie, County-Politik und Gentry-Kultur: Die Wahlen in Massachusetts, New York und Virginia Übergreifende Zusammenhänge und gemeinsame Merkmale . . . . XV. Kapitel: Die Ergebnisse der Wahlen zu den Ratifizierungskonventen Siege der Federalists Umstrittene Staaten Erfolge der Antifederalists Ursachen und Bedeutung der Wahlergebnisse

455 461 480 487 492 526 531 531 549 556 563

Siebenter Teil: Die Ratifizierungskonvente der dreizehn Staaten

573

XVI. Kapitel: Die „Zähmung" der Konvente

575

Die Organisation der Konvente und die Öffentlichkeit Teilnehmer, soziale Gruppierung und Gegensätze

575 592

Inhaltsverzeichnis

XXIX

Konfrontation in Neuengland Soziale Homogenität und Statusdenken in der Mitte und im Süden Die Wirkungen der Rhetorik XVII. Kapitel: Die Geschichte der Ratifizierungskonvente Der Auftakt: Pennsylvania Die kritische Phase: Massachusetts und New Hampshire Neuer Schwung: Maryland und South Carolina Zwischenstaatliche Zusammenarbeit und Koordination Die Entscheidung: New Hampshire, Virginia und New York Nachzügler: North Carolina und Rhode Island

594 599 604 621

. . .

621 627 644 653 656 686

Achter Teil: Die Ratifizierungsfeiern

709

XVIII. Kapitel: Die neue republikanische Festkultur

711

Kirchenglocken, Kanonen und Trinksprüche Die Federal Processions in den großen Städten Ratifizierungsfeiern auf dem Lande Sinn und Bedeutung der Ratifizierungsfeiern Republikanische Volkskultur und „Civil Religion"

711 717 732 736 751

XIX. Kapitel: Kritik, Frustration und Gewalt Ironische Distanz und kritische Einwände Gegenfeiern und Gewalt Die Eindämmung der Gewalt

759 759 764 771

XX. Kapitel: Washington als integrierende Persönlichkeit

774

Die Feiern als Plebiszit und Akklamation Die „hand of God" in Geschichte und Verfassunggebung Washingtons Inauguration

774 779 783

Neunter Teil: Entstehung und Annahme der Bill of Rights . . .

789

XXI. Kapitel: Die Amendment-Empfehlungen der Staaten und das Scheitern der Bewegung für einen zweiten Verfassungskonvent

791

Grundrechte und Änderungen der Verfassung Die Hoffnung auf einen zweiten Verfassungskonvent XXII. Kapitel: James Madison, der Kongreß und die Bill of Rights

791 800 . . .

814

Erfolge der Federalists bei der ersten Bundeswahl und bei der Revision von Staatenverfassungen Der Jefferson-Madison-Briefwechsel über eine Bill of Rights . . . . Die Amendments im Kongreß

814 826 835

XXX

Inhaltsverzeichnis Reaktionen und Ratifizierung Inhalt und historische Bedeutung der Bill of Rights

844 852

Abschluß: Verfassunggebung als politischer und kommunikativer Prozeß Amerikanische Verfassungsdebatte und Französische Revolution Die Dialektik von Fortschritt und Bewahrung Die Legitimierung der Verfassung und des Bundesstaates

859 . .

Quellen- und Literaturverzeichnis I. II. III. IV.

Unveröffentlichte Quellen Gedruckte und verfilmte Quellen Bibliographien und andere Hilfsmittel Darstellungen, Zeitschriftenartikel und Sammelbände

Anhang I. Die Ratifizierungskonvente der dreizehn Staaten II. Chronologie der Ratifizierung III. The Constitution of the United States and the Resolutions of the Convention Recommending the Procedures for Ratification and for the Establishment of Government under the Constitution by the Confederation Congress IV. Amendments Proposed by the First Federal Congress Personenregister

859 869 874 878 878 885 898 900 972 972 972

974 984 987

VERZEICHNIS DER KARTEN UND ABBILDUNGEN

S. 20:

Die Vereinigten Staaten bis 1796 (Entwurf und Ausführung Rainer Bodey, Tübingen)

S. 445—454:

Die dreizehn amerikanischen Staaten zur Zeit der Ratifizierungsdebatte (Entwurf und Ausführung Rainer Bodey, Tübingen)

Tafeln I - I V zw. S. 214 u. S. 215. Tafel I:

Tafel II:

oben: Frühester erhaltener Zeitungsabdruck der Verfassung im Pennsylvania Packet vom 19. September 1787 (Center for the Study of the American Constitution, Madison, Wise.), unten: Zusammenstellung von „Mastheads" einiger an der Ratifizierungsdebatte beteiligter Zeitungen (Center for the Study of the American Constitution, Madison, Wise.). Erste Seite des Briefes von George Washington an James Madison vom 7. Dezember 1787 über den Nachdruck von Publius-Essays und die Fortschritte der Ratifizierung (Amherst College Library. By permission of the Trustees of Amherst College).

Tafel III:

links: Ankündigung des „Federalist" im New Yorker Independent Journal vom 2. Januar 1788 (Center for the Study of the American Constitution, Madison, Wis.), rechts: Titelseite des ersten Bandes der Buchausgabe der Publius-Essays unter dem Titel The Federalist, Frühjahr 1788 (Aus: The Documentary History of the Ratification of the Constitution, Bd. XIV, S. 470).

Tafel IV:

Titelseite der Buchausgabe der Debatten des Ratifizierungskonvents von Virginia, Herbst 1788 (Center for the Study of the American Constitution, Madison, Wise.).

Tafeln V - V I I I zw. S. 406 u. S. 407 Tafel V:

links: James Madison. Porträt von Charles Willson Peale, ca. 1792 (Aus: ... this Constitution: A Bicentennial Chronical, Summer, 1987, published by Project '87 of the American Historical Association and the American Political Science Association. Original in Thomas Gilcrease Institute of American History and Art, Tulsa, Oklahoma). rechts: Alexander Hamilton. Porträt von James Sharpies, ca. 1796 (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington D. C.).

XXXII Tafel VI:

Verzeichnis der Karten und Abbildungen links: John Jay. Porträt von Β. B. Ellis, 1783 (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington, D. C.). rechts: James Wilson (Aus: ... this Constitution: A Bicentennial Chronical, Summer, 1987, published by Project '87 of the American Historical Association and the American Political Science Association. Original in The Historical Society of Pennsylvania, Philadelphia).

Tafel VII: links: Richard Henry Lee. Porträt von Charles Willson Peale, 1795 (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington, D. C.). rechts: Patrick Henry. Porträt von James Barton Longacre, ca. 1835, nach Lawrence Sully (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington, D. C.). Tafel VIII: links: Elbridge Gerry. Porträt von James Barton Longacre, ca. 1825 (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington, D. C.). rechts: George Mason. Porträt von D. W. Boudet, nach John Hesselius (Aus: ... this Constitution: A Bicentennial Chronical, Summer, 1987, published by Project '87 of the American Historical Association and the American Political Science Association. Original im Virginia Museum, Richmond, Va.). Tafeln I X - X I I zw. S. 486 u. S. 487 Tafel IX:

Kandidatenliste und Wahlaufruf des „Federal Committee" von Albany für die Wahlen zur Legislative und zum Ratifizierungskonvent des Staates New York im April/Mai 1788. Flugblatt (Aus: Prologue, Vol. 18, No. 3, Fall 1986, S. 170).

Tafel X:

„Election Ordinance" des Konföderationskongresses, mit der die Verfassung in Kraft gesetzt wurde. Flugblatt, unterzeichnet vom Sekretär des Kongresses, Charles Thomson. (Aus: Documentary Editing, Vol. 9, No. 3, September 1987, S. 9).

Tafel XI:

Tafel XII:

links: Kandidatenliste der Federalists von Maryland für die erste Bundeswahl. Flugblatt, ca. 1. Januar 1789 (Aus: Documentary Editing, Vol. 9, No. 3, September 1987, S. 8). rechts: Kandidatenlisten von Federalists und Antifederalists für die Gouverneurs- und Parlamentswahlen 1790 in Rhode Island. Abgedruckt in der Providence Gazette vom 10. April 1790 (Aus: Rhode Island History, Vol. 35, No. 3, August 1976, S. 90). Die ersten vier der vom U. S.-Repräsentantenhaus am 24. August 1789 auf Vorschlag von James Madison verabschiedeten Amendments (Aus: The Story of the Bill of Rights. Facsimiles and Portraits, National Archives and Records Service, Washington, D. C., 3rd ed. 1980, S. 8).

Verzeichnis der Karten und Abbildungen

XXXIII

Tafeln X I I I - X V I zw. S. 726 u. S. 727 Tafel XIII:

Der Ratifizierungsprozeß im Spiegel der Zeitungs-Cartoons: oben: Massachusetts Centinel, 16. Januar 1788 Mitte: Massachusetts Centinel, 25. Juni 1788 unten: Massachusetts Centinel, 16. Dezember 1789

Tafel XIV:

New Yorks „Grand Federal Procession" am 23. Juli 1788 oben: Das „Federal Ship Hamilton" salutiert den Mitgliedern des Konföderationskongresses während des Festumzugs (Aus: Martha J. Lamb, History of the City of New York, New York 1877, S. 325). unten: Der Architekt und Ingenieur Pierre l'Enfant entwarf den „Federal Banquet Pavillon" für das abschließende öffentliche Festessen. Aquarell von David Grim, um 1800 (Aus: Richard B. Bernstein, Are We to Be a Nation? Cambridge, Mass., 1987. Original in der New-York Historical Society).

Tafel XV:

Die Ankunft des designierten Präsidenten George Washington im Hafen von New York City am 23. April 1789. Stich von John MacRae aus dem Jahr 1866 (Aus: Prologue, Vol. 18, No. 3, Fall 1986, S. 180).

Tafel XVI:

George Washington. Ölgemälde von Robert Edge Pine, 1785 (National Portrait Gallery, Smithonian Institution, Washington, D. G).

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1. Archive und Bibliotheken AN BPL ChHi CtHi CtY DHi GHi HvU LC LibCPh MaHi MdHi MHi MWA NA NCDAH NHHi Ν Hi NN NYStL PaStA PHi PPAmP RHi SHi VHi ViU VStL WM WHi

Archives Nationales, Paris Boston Public Library Chicago Historical Society Connecticut Historical Society, Hartford Yale University, New Haven, Connecticut Delaware Historical Society, Wilmington Georgia Historical Society, Savannah Harvard University, Cambridge, Massachusetts Library of Congress, Washington, D. C. Library Company of Philadelphia Maine Historical Society, Portland Maryland Historical Society, Baltimore Massachusetts Historical Society, Boston American Antiquarian Society, Worcester, Massachusetts National Archives, Washington, D. C. North Carolina Department of Archives and History, Raleigh New Hampshire Historical Society, Concord New-York Historical Society, New York City New York Public Library, New York City New York State Library, Albany Pennsylvania State Archives, Harrisburg Pennsylvania Historical Society, Philadelphia American Philosophical Society, Philadelphia Rhode Island Historical Society South Carolina Historical Society Virginia Historical Society, Richmond University of Virginia, Charlottesville Virginia State Library, Richmond College of William and Mary, Williamsburg, Virginia State Historical Society of Wisconsin, Madison

2. AgH AH AHR AJLH

Zeitschriften

Agricultural History American Heritage American Historical Review American Journal of Legal History

XXXVI AJPS AJS Amst APSR apz/APZ AQ AS ASI BHR BPLQ ChH

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CJEPS CJH CJPS CR CRAS DE EAL EcHR ECS EEH EHR GaO GHQ GLJ GuG HEQ

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HJM HLB HLQ HLR ΗΡΕ ΗΝ Η HZ IHR JAH JAS JBS JChS JEH JER JHI JIH JMH JÖR

A bkür^ungsver^eichnis American Journal of Political Science American Journal of Sociology Amerikastudien/American Studies American Political Science Review Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament American Quarterly American Speech American Studies International Business History Review Boston Public Library Quarterly Church History Classical Journal Canadian Journal of Economics and Political Science Canadian Journal of History Canadian Journal of Politics and Science Centennial Review Canadian Review of American Studies Documentary Editing Early American Literature Economic History Review Eighteenth Century Studies Explorations in Economic History English Historical Review Government and Opposition Georgia Historical Quarterly Georgetown Law Journal Geschichte und Gesellschaft Historical Education Quarterly Historical Journal Historical Journal of Massachusetts Harvard Library Bulletin Huntington Library Quarterly Harvard Law Review History of Political Economy Historical New Hampshire Historische Zeitschrift International History Review Journal of American History Journal of American Studies Journal of British Studies Journal of Church and State Journal of Economic History Journal of the Early Republic Journal of the History of Ideas Journal of Interdisciplinary History Journal of Modern History Jahrbuch des Öffentlichen Rechts

Abkür^ungsver^eichnis Journal of Politics Journal of Presbyterian History Journal of Public Law Journalism Quarterly JQ Journal of Southern History JSH Journal of Social History JSocH LH Labor History Md. History Maryland History MJPS Midwest Journal of Political Science Militärgeschichtliche Mitteilungen MGM Maryland Historical Magazine MHM MLJ Mississippi Law Journal Michigan Law Review MLR Mississippi Valley History Review MVHR North Carolina Historical Review NCHR N. C. History North Carolina History New England Quarterly NEQ NPL Neue Politische Literatur Ν. Y. History New York History New York Historical Society Quarterly NYHSQ Organization of American Historians Newsletter OAH PAH Perspectives in American History Pa. History Pennsylvania History PHR Pacific Historical Review Princeton Library Chronicle PLC PMHB Pennsylvania Magazine of History and Biography POQ Public Opinion Quarterly PP Past and Present PS Politics and Sociology Political Science Quarterly PSQ QJLC Quarterly Journal of the Library of Congress Quarterly Journal of Speech QJS RAH Reviews in American History R. I. History Rhode Island History RP Review of Politics SAQ South Atlantic Quarterly SaS Science and Society SCHM South Carolina Historical Magazine SE Social Education SECC Studies in Eighteenth-Century Culture SHAFR Society of the History of American Foreign Relations SHS Studies in History and Society Southern Quarterly SQ SR Social Research Southwest Social Science Quarterly SSSQ Tennessee Historical Quarterly THQ TLR Texas Law Review UCLR University of Chicago Law Review JP JPH JPL

XXXVII

XXXVIII VaC VLR VMHB VQR WMH WMQ WPHM WVH YLJ ZfG ZfP

A bkiir%ungsver%eichnis Virginia Cavalcade Virginia Law Review Virgina Magazine of History and Biography Virginia Quarterly Review Wisconsin Magazine of History William and Mary Quarterly, 3rd series Western Pennsylvania History Review West Virginia History Yale Law Journal Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für Politik

3. Kurztitel Adams, Life and Works of John Adams J. Q. Adams, Diary Ballagh Belknap Papers I —IV Boyd Bristol Burnett, LMCC

Butterfield, Rush Commager, Documents Correspondence

Cushing, Writings of Samuel Adams DAB

DeWindt

Charles Francis Adams, ed., The Works of John Adams ... with a Life of the Author ..., 10 vols., Boston 1850-56. Allen, David G., et al., eds., The Diary of John Quincy Adams, Cambridge, Mass., 1981. James C. Ballagh, ed., The Letters of Richard Henry Lee, 2 vols., New York 1911-14. The Belknap Papers. Part I —IV. Mass. Hist. Soc. Coll., Fifth Series, Boston 1877; Sixth Series, 1891. Julian P. Boyd, et al., eds., The Papers of Thomas Jefferson, Princeton, N. J., 1950ff. Roger P. Bristol, Supplement to Charles Evans' American Bibliography, Charlottesville, Va., 1970. Edmund C. Burnett, ed., Letters of Members of the Continental Congress, 8 vols., Washington, D. C., 1921-1936. Lyman H. Butterfield, ed., Letters of Benjamin Rush, 2 vols., Princeton, N. J., 1951. Henry S. Commager, ed., Documents of American History, vol. I, 7th ed., New York 1963. Correspondence Between Jeremy Belknap and Ebenezer Hazard, in: The Belknap Papers. Mass. Hist. Soc. Coll., Boston 1877 - 91. Harry A. Cushing, ed., The Writings of Samuel Adams, 4 vols., New York 1904-1908. Allen Johnson, Dumas Malone et al., eds., Dictionary of American Biography, New York 1928-1943. Caroline A. Smith DeWindt, ed., Journal and Correspondence of Miss [Abigail] Adams, Daughter of John Adams, 2 vols., New York 1841-1842.

AbkAr^ungsver^eichnis DHRC

Diplomatic Correspondence

Elliot, Debates

Evans Farrand FFC

FFE

Fitzpatrick

Fotd, Correspondence

Ford, Essays

Ford, Pamphlets

XXXIX

The Documentary History of the Ratification of the Constitution, ed. Merrill Jensen (vol. I—III); eds. John P. Kaminski, Gaspare J. Saladino, Richard Leffler (vol. Xlllff. ), Madison, Wise, 1976 ff. United States. Department of State. The Diplomatic Correspondence of the United States of America, 1783-1789, 3 vols, Washington, D. C , 1855. Jonathan Elliot, e d . The Debates in the Several State Conventions, on the Adoption of the Federal Constitution, 5 vols, Philadelphia 1905. Charles Evans, American Bibliography, 12 vols, Chicago, 111, 1903-1934. Max Farrand, e d . The Records of the Federal Convention, 4th e d , 4 vols. New Haven, Conn, 1937. Documentary History of the First Federal Congress of the United States of America, 1789-1791, ed. Linda Grant DePauw (vol. I —III); eds. Charlene B. Bickford, Helen E. Veit and Kenneth R. Bowling (vol. IVff. ), Baltimore and London 1972ff. The Documentary History of the First Federal Elections, 1788 — 1790, eds. Merrill Jensen and Carl Becker (vol. I); eds. Gordon DenBoer and Lucy T. Brown (vol. II ff.), Madison, Wise, 1975 ff. John C. Fitzpatrick, e d . The Writings of George Washington, from the Original Manuscript Sources, 1745-1799, 39 vols, Washington, D. C , 19311944. Samuel Blachley Webb, Correspondence and Journals. Coll. and ed. by Worthington C. Ford, 3 vols. New York 1893. Paul Leicester Ford, e d . Essays on the Constitution of the United States. Published During Its Discussion by the People 1787-1788, Brooklyn, Ν. Y , 1892. Paul Leicester Ford, e d . Pamphlets on the Constitution of the United States. Published During Its Discussion by the People 1787-1788, Brooklyn, N.

Y, 1888. Henry, Patrick Henry Historical Magazine 6 Hunt, Writings of Madison JCC

William Wirt Henry, Patrick Henry, Life, Correspondence and Speeches, 3 vols. New York, 1891. George F. Goodwin, e d . The Thatcher Papers, in: Historical Magazine 6 (Nov. 1869). Gaillard Hunt, e d . The Writings of James Madison, 9 vols. New York 1900-1910. Worthington C. Ford, et al, eds. Journals of the Continental Congress, 1774—1789, 34 vols, Washington, D. C , 1904-1937.

XL

A bkiir^ungsver^eichnis

Johnston, Correspondence

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King, Life of Rufus King Leake, Memoir of Lamb Lee, Memoir of R. H. Lee Lee, Life of A. Lee Madison, Debates

McMaster and Stone

McRee PCC Rutland

Rutland, Mason Papers Shipton-Mooney

Smyth, Writings of Franklin State Dept., Doc. Hist, of the Const. Storing

Syrett

Thorpe Van der Weyde, Paine

Gaillard Hunt and James B. Scott, eds., The Debates in the Federal Convention of 1787 Which Framed the Constitution of the United States of America, Reported by James Madison, New York 1920. John B. McMaster and Frederick D. Stone, eds., Pennsylvania and the Federal Constitution, 1787— 1788, Lancaster, Pa., 1888. Griffith J. McRee, ed., Life and Correspondence of James Iredell, 2 vols., New York 1857-1858. Papers of the Continental Congress, 1774—1789, Washington, D. C., 1971. Record Group 360, NA. Robert A. Rutland, et al., eds., The Papers of James Madison, Chicago, 111., and Charlottesville, Va., 1962 ff. Robert A. Rutland, ed., The Papers of George Mason, 1725-1792, 3 vols., Chapel Hill, N. C., 1970. Clifford K. Shipton and James E. Mooney, National Index of American Imprints Through 1800. The Short-Title Evans, 2 vols., Worcester, Mass., 1969. Albert H. Smyth, ed., The Writings of Benjamin Franklin, 10 vols., New York 1905-1907. Department of State, ed., Documentary History of the Constitution of the United States, 1786—1870, 5 vols., Washington, D. C., 1894-1905. Herbert J. Storing and Murray Dry, eds., The Complete Anti-Federalist, 7 vols., Chicago —London 1981. Harold C. Syrett and Jacob E. Cooke, eds., The Papers of Alexander Hamilton, 26 vols., New York 1961-1979. Francis N. Thorpe, ed., The Federal and State Constitutions, 7 vols., Washington, D. C., 1909. William M. Van der Weyde, ed., The Life and Works of Thomas Paine, 10 vols., New Rochelle, Ν. J., 1925 ff.

Abkür$ungsver%eichnis Van Schaack, Life of Peter Van Schaack Van Schaack, Life of Henry Van Schaack Welk, Life of Samuel Adams

XLI

Henry Cruger Van Schaack, ed., The Life of Peter Van Schaack, New York 1842. Henry Cruger Van Schaack, ed., Memoirs of the Life of Henry Van Schaack, Chicago, Hl., 1892. William V. Wells, The Life and Public Services of Samuel Adams, 3 vols., Boston 1865; 2nd ed. 1888; N D New York 1969.

EINLEITUNG

Die Historiographie der Verfassungsdebatte: Divergierende Deutungen und offene Fragen

„The present state of American politics will form the most important area that ever engaged the pen of the historian." Baltimore

Maryland Gazette, 13. 7. 1787.

„I have either read or heard this truth, which Americans should never forget, — That the silence of historians is the surest record of the happiness of a people." „A Farmer", Baltimore

Maryland 1788.

Gazette,

7. 3.

Kaum ein Gegenstand der amerikanischen Geschichtsschreibung ist kontroverser behandelt worden als die Yerfassunggebung von 1787 — 91. Die Interpretation dieses für das Selbstverständnis und Wertebewußtsein der Nation konstitutiven Ereigniszusammenhangs oszillierte dabei zwischen zwei extremen Polen. Den einen erschien die Verfassung als krönender Abschluß der Revolution und bedeutende Etappe in der Entfaltung eines göttlichen Heilsplanes, der eine „special destiny" für die Vereinigten Staaten barg. Andere Historiker sahen in ihr den Bruch mit der revolutionären Tradition, die Eliminierung radikal-demokratischer Tendenzen, im äußersten Fall sogar den Sieg der Konterrevolution. Die erste Betrachtungsweise beherrschte das 19. Jahrhundert und erreichte ihre Höhepunkte in den Geschichtswerken der romantischen Schule und in den Kundgebungen zu den Jahrhundertfeiern von Unabhängigkeitserklärung und Verfassunggebung. Ihrer metaphysischen Überhöhung entkleidet und verwissenschaftlicht, trat sie nach dem zweiten Weltkrieg in Gestalt der „consensus history" wieder in den Vordergrund. Die zweite bildete sich am Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Eindruck wachsender wirtschaftlicher und sozialer Spannungen und eines neuen Wis-

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Einleitung

senschaftsverständnisses heraus und dominierte in der „Progressive E r a " vor dem Ersten Weltkrieg und in der Großen Depression der 1930er Jahre. In differenzierter Form fand sie Eingang in spätere Strömungen der „New L e f t " und der „Radical History." 1 Das Schreiben über Revolution und Verfassung beinhaltete für die Amerikaner immer ein Glaubensbekenntnis, eine Positionsbestimmung in den politischen Stürmen der eigenen Zeit. Bewußt oder unbewußt nahmen sie dabei das Risiko in Kauf, daß zeitgenössische Probleme, Vorstellungen, Maßstäbe und Werte in eine andersgeartete Vergangenheit zurückprojiziert wurden. 2 Damit rückte die Deutung der Verfassung als Symbol und Substanz der Union in einen doppelten Bezug zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Sie war Spiegelbild und Ausdruck des Meinungsklimas, der jeweils vorherrschenden Bewußtseinslagen, Stimmungen und Mentalitäten. Sie wirkte aber auch selbst auf diese Anschauungen und Denkgewohnheiten ein, bekräftigte sie oder stellte sie in Frage und leitete auf subtile Weise Meinungswandel ein. Hinzu gesellte sich in unserem Jahrhundert die Dynamik eines Forschungsprozesses, die mit der Etablierung der Geschichte als kritischer Wissenschaft und dem Ausbau des Universitätswesens entfesselt wurde. 3 Dieser Prozeß folgte seiner eigenen Logik und drängte zur Erweiterung des Blickfeldes, zur Entwicklung neuer Denkansätze, Methoden und Techniken, sowie zur Integration von Erkenntnissen anderer Wissenszweige. Mit seiner Hilfe kann es gelingen, aus einer den politischen Großwetterlagen folgenden zyklischen Interpretation und Reinterpretation der Revolutionsepoche auszubrechen und zu Synthesen auf höherer Ebene vorzudringen.

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Eine umfassende Bestandsaufnahme der Revolutionsgeschichtsschreibung bis an die Schwelle der 1980er Jahre leistete Erich Angermann, Die amerikanische Revolution im Spiegel der Geschichte, in: ders. (Hrsg.), Revolution und Bewahrung. Untersuchungen zum Spannungsgefüge von revolutionärem Selbstverständnis und politischer Praxis in den Vereinigten Staaten von Amerika, HZ-Beiheft 5, N F (1979), S. 1 3 - 8 8 . Vgl. Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), 200 Jahre Amerikanische Revolution und Revolutionsforschung, GuG-Sonderheft 2, 1976. Von amerikanischer Seite v. a. Richard B. Morris, The American Revolution Reconsidered, N e w York 1967; Jack P. Greene, ed., The Reinterpretation of the American Revolution, 1 7 6 3 - 1 7 8 9 , N e w York 1968; Michael Kämmen, A Season of Youth. The American Revolution and the Historical Imagination, N e w York 1978. Siehe Ellen Nore, Charles A. Beard's Act of Faith. Context and Content, in: J A H 66 (1980), S. 850 ff. W. Stull Holt, The Idea of Scientific History in America, in: J H I 1 (1940), S. 352-362.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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Als bedeutender Teil des revolutionären Geschehens ist die Ratifizierungsdebatte stets aufs neue, wenngleich mehr am Rande, in die übergreifenden Deutungen der Epoche einbezogen worden. Dabei haben sich stark voneinander abweichende Erklärungsmuster herauskristallisiert und sind wichtige Fragen strittig oder unbeantwortet geblieben. 4 Die Meinungsverschiedenheiten lassen sich drei zentralen Problemkreisen zuordnen: Dem Verfahren und Ablauf der Verfassunggebung, den sozialen Hintergründen, Motivationen und Triebkräften, und schließlich der geistig-ideologischen Dimension der Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern des Verfassungsentwurfs. Das Verfahren der Formulierung und Ratifizierung der Verfassung galt lange Zeit als Inbegriff demokratischer Meinungsbildung und Gewähr dafür, daß die neue Ordnung dem Willen des ganzen Volkes entsprach. Die Verfassung als das Produkt intensiver Beratungen und vielfaltiger Kompromisse war vom Volk nach ruhiger und gewissenhafter Prüfung gebilligt und legitimiert worden. Hierin stimmten schon die zeitgenössischen Chronisten der Revolution wie Jeremy Belknap, David Ramsay, Edmund Randolph und — mit Abstrichen — John Marshall und Mercy Otis Warren überein. Trotz gelegentlicher Differenzen sahen sie in der Verfassung die logische Konsequenz der Revolution. Ihre Huldigung und Verehrung diente der Stärkung der Bürgertugend und der Vertiefung des nationalen Zusammenhalts, den sie durchaus noch als prekär empfanden. In der Folge wurde das Geschehen weiter verklärt, idealisiert und personalisiert und in Fortschritts- und Auserwähltheitsideen eingebettet. Bei George Bancroft, der die erste Gesamtdarstellung der Ratifizierungsdebatte schrieb, avancierte Washington zum Helden und zum „anchor of the Constitution." Dagegen gerieten die Verfassungskritiker in die Nähe der State

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Kritische Überblicke geben Richard B. Morris, The Confederation Period and the American Historians, in: W M Q 13 (1956), S. 139 ff.; Hugh H. Bellot, The Literature of the Last Half-Century on the Constitutional History of the United States, in: Royal Hist. Soc., London, Transactions, 5th ser., vol. 7 (1957), S. 159—182; Ernest M. Lander, Jr., The .Critical Period', the Constitution, and the New Nation, in: A. S. Link and R. W. Patrick, eds., Writing Southern History, Baton Rouge, La., 1965, S. 67 ff.; Ray Hiner and William Carrell, The Constitution of 1787. A Review of Changing Interpretations, in: SE 32 (1968), S. 13—24; Leonard W. Levy, ed., Essays on the Making of the Constitution, New York —London— Toronto 1969; Jack P. Greene, Revolution, Confederation, and Constitution, in: W. H. Cartwright and R. L. Watson, eds., The Reinterpretation of American History and Culture, Washington, D. C., 1973.

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Einleitung

Rights-Philosophie, mit der die Südstaatler die Existenz der Sklaverei hatten rechtfertigen wollen. 5 Kritik an den idealisierenden und schematisierten Darstellungsformen regte sich schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Erst Charles A. Beard stellte aber in seiner 1913 erschienenen Schrift „An Economic Interpretation of the Constitution" die klassische Verbindung zwischen der neuen wissenschaftlichen Methode und der sozialkritischen Perspektive her. 6 Für ihn war die Verfassung das Werk einer energischen und entschlossenen Elite, die ihre persönlichen Vorteile und Klasseninteressen gegen die besitzlosen und politisch entmündigten Massen absicherte. Als Minderheit konnte sie sich nur auf Grund ihrer höheren Bildung, ihres politischen Einflusses und ihres Reichtums durchsetzen. Außerdem mußte sie noch zu unlauteren Mitteln und Manipulationen greifen. Schon die Geschichte des Verfassungskonvents von Philadelphia tauchte bei Beard in das Licht der Illegalität, der Geheimniskrämerei, ja sogar der Verschwörung und des konterrevolutionären Staatsstreichs. Aber auch die Ratifizierungskonvente spiegelten keineswegs die Meinung des „Volkes" wider, waren sie doch maximal von einem Viertel der erwachsenen weißen Männer gewählt worden: „The disenfranchisement of the masses through property qualifications and ignorance and apathy contributed largely to the facility with which the personalty-interest carried the day." Mit den „arts of political management" bestens vertraut, manövrierten

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George Bancroft, History of the Formation of the Constitution of the United States of America, New York 1885. Zur frühen amerikanischen Historiographie Arthur Η. Shaffer, The Politics of History. Writing the History of the American Revolution, 1783 — 1815, Chicago 1975; Lester H. Cohen, The Revolutionary Histories. Contemporary Narratives of the American Revolution, Ithaca, Ν. Y., 1980. Zu den Ursprüngen der kritischen Betrachtungsweise und den Vorläufern Beards vgl. Arthur M. Schlesinger, Economic Aspects of the Movement for the Constitution, in: New Viewpoints in American History, New York 1922; Richard Hofstadter, Beard and the Constitution. The History of an Idea, in: A Q 2 (1950), S. 195 — 213; ders., The Progressive Historians. Turner, Beard, Parrington, New York 1968; Benjamin F. Wright, Jr., Consensus and Continuity, 1776 — 1787, New York 1958, S. 40 f.; David Van Tassel, Recording America's Past. An Interpretation of the Development of Historical Studies in America, 1607 — 1884, Chicago 1960, S. 161 ff.; Lee Benson, Turner and Beard. American Historical Writing Reconsidered, Chicago 1960; Charles M. Hepburn, Charles Beard and the Founding Fathers, Ph. D. diss., Stanford Univ., 1966.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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die Verfassungsanhänger, die sich selbst Federalists nannten, die oppositionellen Antifederalists leicht aus. 7 Während die herausgeforderte Historikerzunft Beards These vom illegalen, undemokratischen Zustandekommen der Verfassung aufs heftigste bestritt, stimmten ihre Vertreter überwiegend zu, daß die Ratifizierung ohne große Mühe erreicht worden war. Nur führten sie dies entweder auf einen breiten Konsens im Volk oder ein beträchtliches Desinteresse der Wahlberechtigten zurück. 8 Demgegenüber unterstrichen gerade diejenigen späteren Historiker, die sich Beards Interpretationsansatz verbunden fühlten, daß die Debatte außerordentlich heftig gewesen sei und der Ausgang am seidenen Faden gehangen habe. Jackson Turner Main nannte den Kampf um die Annahme der Verfassung „erbittert" und bewertete ihn als „the climactic and most important event of the decade." 9 Von einer „Feuerprobe" der Verfassung sprach Robert A. Rutland 1966 in der nach Bancrofts „History of the Formation of the Constitution" ersten Gesamtdarstellung des Ratifizierungsprozesses. Ähnlich wie Beard und Main unterstrich auch Rutland die organisatorisch-strategische Schwäche der Verfassungsgegner und zog das Fazit, „that the Antifederalists began their campaign for an amended Constitution without coordination, without a definite counterproposal, and without unified leadership." 10 Neuerdings versuchte dagegen Stephen R. Boyd, der wie Main aus Merrill Jensens „Wisconsin School" kommt, den Nachweis zu erbringen, daß die Opposition besser organisiert gewesen sei und zielstrebiger gehandelt habe als allgemein angenommen. 11 7

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An Economic Interpretation, S. 233 f., 242 (zit. nach der 2. Aufl. 1935). Zum Streit um die Parteinamen, der Teil der Ratifizierungsdebatte war, s. u. Kap. IX. Daß die „marginal and independent voters" den Ausschlag zugunsten der Verfassung gaben, vermutete Cecelia Μ. Kenyon, ,Αη Economic Interpretation of the Constitution' after Fifty Years, in: CR 7 (1963), S. 327 ff. Political Parties before the Constitution, Chapel Hill, N. C., 1973, S. 31 f., 79. The Ordeal of the Constitution. The Antifederalists and the Ratification Struggle of 1 7 8 7 - 8 8 , Norman, Okla., 1966, S. 312f. Es fällt auf, daß die Gesamtdarstellungen der Debatte im 20. Jahrhundert nur den Antifederalists, nicht aber den Siegern von 1787/88 gewidmet sind. The Politics of Opposition. Antifederalists and the Acceptance of the Constitution, Millwood, Ν. Y., 1979. Max Savelle rühmte die Jensen-Schule wegen ihrer „basic and uncompromising dependence upon sources, inflexible insistence upon facts, complete avoidance of theorizing (not without an occasional judicious generalization, however, when the facts clearly justify it), all adding up to a hard-headed realism in the study of what happened and why." Rezension der Jensen-Festschrift „The Human Dimensions of Nation Making", ed. J. K. Martin, Madison, Wise., 1976, in: JAH 64 (1977), S. 130.

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Einleitung

Organisatorischer Zusammenhalt und einheitliche Führung werden oft als ausschlaggebend dafür angesehen, ob man Federalists und Antifederalists noch als „factions" oder bereits als Parteien im modernen Sinne bezeichnen muß. Entgegen Mains These, die Ratifizierungsdebatte habe das erste amerikanische Parteiensystem hervorgebracht, datieren die meisten Historiker die Entstehung nationaler Parteien in die 1790er Jahre, als die Jeffersonian Republicans den Federalists die Vorherrschaft streitig machten. 12 Klärungsbedürftig bleibt demnach, ob die Verfassung legal und demokratisch oder durch einen revolutionären bzw. konterrevolutionären Akt zustandekam. Jensen sprach zunächst von einer „conservative counter-revolution" und kontrastierte dann die „revolution in favor of liberty" von 1776 mit der „revolution in favor of government" von 1787. Noch Ende der 1960er Jahre überwog die Auffassung, die Verfassung trage „milde konterrevolutionäre Züge." 13 Klärungsbedürftig bleibt ferner, welche Intensität die Debatte erreichte, auf welche Weise die Öffentlichkeit beeinflußt wurde, wie sich Wahlrecht und Wahlbeteiligung auf das Ergebnis auswirkten, und welche Bedeutung der Organisation und der politische Strategie und Taktik zukommen. Die Geschichtsschreiber und Publizisten des 19. Jahrhunderts liebten es, die Verfassungsväter als selbstlose Patrioten zu porträtieren, denen wirtschaftliche Erwägungen oder gar schnöde Profitgier wenig, die Sorge um das Gemeinwohl und das Streben nach Ruhm dagegen alles bedeutete. Niedere Beweggründe wie Selbstsucht, Eitelkeit und der demagogische Drang zur Popularität blieben allein für die Gegner der Verfassung reserviert. Den ersten Versuch, die Haltung in der Ratifizierungsdebatte aus den wirtschaftlichen Interessen sozialer Schichten, Gruppen und Klassen herzuleiten, unternahm 1894 der Turner-Schüler Orin Grant Libby in Madison. Seine Untersuchung der Wahlergebnisse zu den Ratifizierungskonventen ergab, daß die Antifederalists die Farmer des Landesinnern und der Frontierregionen hinter sich vereinten. Die Federalists sammelten hingegen ihre Stimmen vornehmlich in den „älteren", wirt-

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Vgl. Main, The Antifederalist Party, in: Α. M. Schlesinger, Jr., ed., History of United States Political Parties, vol. 1, New York —London 1973, S. 135 ff.; Joseph Charles, The Origins of the American Party System, 6th ed., New York 1965. Vgl. Jensen, The Articles of Confederation. An Interpretation of the SocialConstitutional History of the American Revolution, 1774—1781, Madison, Wise., 1940, 5th ed. 1963, S. 245; ders., The American Revolution Within America, New York 1974, S. 167, 214f.; J. P. Greene, Einleitung zu Reinterpretation of the Constitution, S. 71.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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schaftlich und kulturell weiterentwickelten Gebieten entlang der Küste und der Hauptverkehrswege. Von dieser geographischen Verteilung Schloß Libby auf das Gegeneinander zweier Parteilager, der antifederalistischen „debtor" bzw. „paper money party" und der federalistischen „creditor party." Die unter einer wachsenden Steuerlast leidenden back countrj-FsLimei stellten sich der Verfassung entgegen, weil sie wußten, daß die Ratifizierung das Ende billiger Kredite und eine strikte Steuerund Schuldeneintreibung bedeutete. Diese strenge Geschäfts- und Zahlungsmoral erachtete die „Gläubigerpartei" aber als unerläßlich für die gesamtwirtschaftliche Gesundung. Mit dem in der Verfassung verankerten Verbot der einzelstaatlichen Papiergeldausgabe, der Unantastbarkeit privatrechtlicher Abmachungen und der Gewährung des nahezu uneingeschränkten Besteuerungsrechts an den neuen Kongreß erreichte sie ihre Ziele: „To sum up, the Constitution was carried in the original thirteen states by the influence of those classes along the great highways of commerce, the sea-coast, the Connecticut river, the Shenandoah valley and the Ohio river ... In other words, the areas of intercourse and wealth carried the Constitution." 14 Gestützt auf Libbys Einsichten, wollte Beard eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Inhalt der Verfassung und den ökonomischen Interessen ihrer Schöpfer und Vorkämpfer aufdecken und quellenmäßig belegen. Hinter der Bewegung für eine neue Verfassung stand seiner Meinung nach eine Koalition von Interessengruppen, in der die Besitzer beweglichen Vermögens (personalty interests), speziell die Eigentümer aufwertungsverdächtiger Staatspapiere den Ton angaben. Um diese Hypothese zu testen, nahm Beard die Berufe und Tätigkeiten sowie die Besitz- und Einkommensverhältnisse der 55 Mitglieder des Verfassungskonvents unter die Lupe. Das generelle Erklärungsmuster, das er dabei herausfand, übertrug er auch auf den Ratifizierungsprozeß: „In the ratification, it became manifest that the line of cleavage for and against the Constitution was between substantial personalty interests on the one hand and the small farming and debtor interests on the other hand." An anderer Stelle charakterisierte er die Auseinandersetzung als einen „deepseated conflict between a popular party based on paper money and agrarian interests, and a conservative party centered in the towns and resting on financial, mercantile, and personal property interests generally." 15 14

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The Geographical Distribution of the Votes of the Thirteen States on the Federal Constitution, 1 7 8 7 - 1 7 8 8 , Madison, Wise., 1894, v. a. S. 49. Beard, An Economic Interpretation, S. 292, 325.

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Einleitung

Im Zenith des „Progessive Movement" fielen diese Thesen auf fruchtbaren Boden und verbreiteten sich rasch in Universitäten und Intellektuellenkreisen. Uber populäre Textbücher und einflußreiche Werke wie Vernon L. Parringtons „Main Currents in American Thought" (1927) oder J. Franklin Jamesons „The American Revolution Considered as a Social Movement" (1926) drangen sie tief ins öffentliche Bewußtsein ein. Trotz insgesamt bescheidener Auflage wurde Beards „An Economic Interpretation of the Constitution" zu einem der wirkungsmächtigsten Bücher im Amerika dieses Jahrhunderts. 16 Die weitere historische Beschäftigung mit Entstehung und Annahme der Verfassung verlief geradezu zwanghaft in den von Beard vorgezeichneten Bahnen. Zwischen den Weltkriegen fand eine Reihe von Historikern seine generelle Aussagen vom Vorrang ökonomischer Interessen auf der Ebene der Einzelstaaten bestätigt. So zeichnete Nathaniel J. Eiseman die Antifederalists von New Hampshire als „agricultural people, devoted to the land and denied many of the privileges of wealth and education." Ihnen gegenüber stand „the class of commercial men and their followers, men who had generally profited from the Revolution in a material way ... and who were more interested in laissez faire for their enterprises than in the preservation of hypothetical individual rights." 17 Die moralische Bewertung des 19. Jahrhunderts war in ihr Gegenteil verkehrt, und Bancrofts selbstlose Patrioten hatten die Rolle von undemokratischen, ehrgeizigen und eigensüchtigen Bösewichtern übernommen. Die erste Breitseite gegen Beards Doktrin der „economic interests" und ihre „unfortunate implications" feuerte Eugene C. Barker 1943 in 16

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Bis 1954 waren nicht einmal 8. 000 Exemplare der „Economic Interpretation" verkauft worden. Andererseits hatten Beards Textbücher zu diesem Zeitpunkt eine Gesamtauflage von 5,5 Millionen erreicht. Hofstadter, Beard and the Constitution, S. 208 f.; ders., Progressive Historians, S. 477. Nathaniel J. Eiseman, The Ratification of the Federal Constitution by the State of New Hampshire, Washington, D. C., 1938, S. 105. Weitere Beispiele sind Louise I. Trenholme, The Ratification of the Constitution in North Carolina, New York 1932; Ernest W. Spaulding, New York in the Critical Period, New York 1932; Robert L. Brunhouse, The Counter-Revolution in Pennsylvania, 1776 — 1790, Harrisburg, Pa., 1942. Die ersten Untersuchungen auf Staatenebene waren von den Jahrhundertfeiern der Verfassung stimuliert worden. Sie gingen meist rein deskriptiv vor, vermittelten aber teilweise ein realistischeres Bild als die großen Würfe eines Bancroft, Fiske oder Hildreth. Vgl. ζ. B. Hugh Β. Grigsby, The History of the Virginia Convention of 1788, 2 vols., Richmond, Va., 1890/91; John B. McMaster and Frederick D. Stone, eds., Pennsylvania and the Federal Constitution, 1 7 8 7 - 1 7 8 8 , Lancaster, Pa., 1888, Repr. New York 1970.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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einer juristischen Fachzeitschrift ab. Fundiertere Zweifel an Beards Interpretationsschema wurden dann in der Regionalforschung laut. Philip A. Crowl und Robert E. Thomas, die sich 1947 bzw. 1954 mit Maryland und Virginia befaßten, fanden weder klare Trennungslinien zwischen Schuldner- und Gläubigerlagern oder Arm und Reich, noch gestanden sie den führenden Verfassungsgegnern demokratische Überzeugungen zu. Für North Carolina konstatierte 1950 William C. Pool, „that men owning substantially the same amount of the same kind of property were equally divided on the matter of adoption or rejection." 18 Zur Generalabrechnung setzte 1956 Robert Ε. Brown an. Er warf Beard mangelnde Sorgfalt und fehlerhafte Methoden vor und zerpflückte seine Schlußfolgerungen Punkt für Punkt. In Browns Fahrwasser maßen die „Consensus"-Historiker der fünfziger und sechziger Jahre wirtschaftlichen Interessen nur noch untergeordnete oder gar keine Bedeutung mehr für die Verfassungsdebatte zu. Sie schilderten das nachrevolutionäre Amerika als eine „middle-class democracy", deren breite Besitzstreuung und große Mobilität kaum Anlaß zu ernsthaften sozialen Konflikten bot. 19 Forrest McDonald dehnte 1958 Beards Idee der „Kollektivbiographien" in minutiöser Kleinarbeit auf die Mitglieder sämtlicher Ratifizierungskonvente aus. Weder hinsichtlich der Berufe noch nach Art und Umfang des Vermögens fand er signifikante Unterschiede zwischen Verfassungsanhängern und Verfassungsgegnern. Vielfach trafen die Attribute, die Beard den „personalty interest"-Besitzern zuschrieb, gerade auf die Antifederalists zu. Vor allem kreidete er Beard aber an, die Komplexität der sozialen und wirtschaftlichen Lage in den einzelnen Staaten außer Acht gelassen zu haben: „The various interest groups operated under different conditions in the several states, and their attitude toward

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Eugene C. Barker, Economic Interpretation of the Constitution, in: TLR 22 ( 1 9 4 3 - 4 4 ) , S. 3 7 3 - 3 9 1 ; Philip A. Crowl, Anti-Federalism in Maryland, 1787 — 1788, in: WMQ 4 (1947), S. 446 ff.; Robert E. Thomas, The Virginia Convention of 1788. A Criticism of Beard's 'An Economic Interpretation of the Constitution', in: JSH 19 (1953), S. 63 — 72; William C. Pool, An Economic Interpretation of the Ratification of the Federal Constitution in North Carolina, in: NCHR 27 (1950), S. 1 1 9 f f . Robert E. Brown, Charles Beard and the Constitution. A Critical Analysis of ,An Economic Interpretation of the Constitution', Princeton, N. J., 1956; ders., MiddleClass Democracy and the Revolution in Massachusetts, 1691 — 1780, Ithaca, Ν. Y., 1955; ders., Reinterpretation of the Formation of the American Constitution, Boston 1963; ders. u. B. Katherine Brown, Virginia 1705 — 1786: Democracy or Aristocracy? East Lansing, Mich., 1964.

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Einleitung

the Constitution varied with the internal conditions in their states." 20 Obgleich McDonald Beards Ergebnisse verwarf, blieb er den Fragestellungen und Denkweisen der „Economic Interpretation" letztlich doch verhaftet. Nur war in seiner Version nicht mehr von Interessenkonflikten breiter Gesellschaftsschichten oder Klassen die Rede, sondern die Verfassungsdebatte geriet zum Gegeneinander einer schier unüberschaubaren Vielzahl von Regional-, Gruppen- und Berufsinteressen. Von der Dramatik und historischen Bedeutung der Verfassunggebung ließ diese „theory of atomistic egoism" nichts mehr ahnen. 21 In Auseinandersetzung mit Beard und den Vertretern der KonsensGeschichte versuchte eine jüngere Historikergeneration die Substanz der Beard-These zu wahren, indem sie die ökonomische Interpretation verfeinerte und dem neueren Erkenntnisstand anpaßte. Eindrucksvoller als den marxistisch orientierten Exponenten der „New Left"-Bewegung 22 gelang das Jackson Turner Main, der solide Quellenkenntnis mit sozialwissenschaftlicher Methodik verband. Er beherzigte Lee Bensons Vorschlag von 1960, Federalists und Antifederalists als „broad symbolic groups" zu definieren und das Augenmerk auf „social and cultural characteristics, formal and informal organizations, values, beliefs, symbols, [and] sense of identity" zu richten. Seine Studien über die Sozialstruktur, die Parteienbildung und die politischen Institutionen der Revolutionszeit führten ihn zu der Einsicht, daß nach 1783 die kommerziellen und die agrarischen Elemente der amerikanischen Gesellschaft um 20

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Forrest McDonald, We the People. The Economic Origins of the Constitution, Chicago 1958, S. 357. Erste kritische Reaktionen waren Main, Charles A. Beard and the Constitution. A Critical Review of Forrest McDonald's ,We the People', in: W M Q 17 (I960), S. 86 ff.; Peter J. Coleman, Beard, McDonald, and Economic Determinism in American Historiography, in: BHR 34 (1960), S. 113—121; Robert L. Schyler, Forrest McDonald's Critique of the Beard Thesis, in: JSH 27 (1961), S. 7 3 - 8 0 . Für das nachfolgende Werk McDonalds traf das in noch höherem Maße zu: Ε Pluribus Unum. The Formation of the American Republic, 1776—1790, Boston 1965. Mit einem frischen Blick auf die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge vervollständigte McDonald vor kurzem seine Trilogie der Verfassungsentstehung: Novus Ordo Seclorum. The Intellectual Origins of the Constitution, Lawrence, Kansas, 1985. Den wichtigsten Beitrag zum Thema leistete Staughton Lynd, Anti-Federalism in Dutchess County, New York. Α Study of Democracy and Class Conflict in the Revolutionary Era, Chicago 1962; zur Programmatik vgl. ders., Beyond Beard, in: Barton J. Bernstein, ed., Toward a New Past, New York—Toronto 1968, S. 46 — 64; Jesse Lemisch, The American Revolution Seen from the Bottom Up, a. a. O., S. 3 - 4 5 .

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die Gestaltung der Zukunft rangen. Die Annahme der Verfassung markierte den Sieg der vom merkantilistischen Geist durchdrungenen und nach nationaler Einheit strebenden „commercial cosmopolitans" über die „agrarian localists", deren Machtbastionen die Regierungen und Parlamente der Einzelstaaten waren. 23 Jüngere Untersuchungen zur Regional- und Lokalgeschichte geben diesem konfliktorientierten Ansatz wieder den Vorrang vor der KonsensInterpretation. Sie lassen die inneren Spannungen einer sich rasch wandelnden Gesellschaft plastisch hervortreten und räumen den sozialen, ethnischen, religiösen und sektionalen Konflikten breiten Raum ein. So stellte beispielsweise Edward Countryman die sozialen und ideologischen Konfrontationen und das Gegeneinander klar unterscheidbarer Parteien im Staat New York, deren Relevanz Linda Grant De Pauw 1966 bestritten hatte, 1981 in den Mittelpunkt seines Buches „A People in Revolution." 24 Andererseits distanzieren sich auch die Vertreter dieser Richtung mehr oder weniger deutlich von den simplifizierenden Verallgemeinerungen und dem ökonomischen Determinismus Beardscher Prägung. Den „economic interests" im Sinne Beards sind mittlerweile eine Reihe anderer Beweggründe materieller wie immaterieller Art zur Seite gestellt worden. Nach wie vor dominiert aber die Motivforschung und verhindert eine wirkliche Befreiung aus den eingefahrenen Geleisen der Beard-Kontroverse. 25 Dagegen wurden die neueren wirtschaftswissenschaftlichen For23

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Siehe v. a. Jackson T. Main, The Antifederalists. Critics of the Constitution, 1781 — 1788, Chapel Hill, Ν. C., 1961; ders., The Social Structure of Revolutionary America, Princeton, Ν. J., 1965; vgl. Benson, Turner and Beard, S. 169f. Vgl. Linda Grant De Pauw, The Eleventh Pillar. New York State and the Federal Constitution, Ithaca, Ν. Y., 1966; Edward Countryman, A People in Revolution. The American Revolution and Political Society in New York, 1760—1790, Baltimore—London 1981. Diese neue „social history" bezog wichtige Anregungen aus den Arbeiten von George Rude und Ε. P. Thompson über die englischen Unterschichten im 18. Jahrhundert. Weitere Marksteine dieser Kontroverse sind E. James Ferguson, The Power of the Purse. A History of American Public Finance, 1776 — 1790, Chapel Hill, N. C., 1961; Stuart Bruchey, The Forces Behind the Constitution. A Critical View of the Framework of E. J. Ferguson's The Power of the Purse, in: W M Q 19 (1962), S. 429 — 438; David W. Brogan, The Quarrel Over Charles Austin Beard and the American Constitution, in: EcHR 18 (1965), S. 199 — 223; Henry S. Commager, The Constitution: Was it an Economic Instrument? in: J. A. Garraty, ed., Historical Viewpoints, New York 1970/71, S. 148 — 161. Beard selbst schwächte in den vierziger Jahren viele seiner Thesen merklich ab. Versuche, ihn zu „rehabilitieren", werden immer wieder unternommen. Siehe ζ. B. John P. Diggins, Power and Authority in American History. The Case of Charles A. Beard and His Critics, in: AHR 86 (1981), S. 7 0 1 - 7 3 0 .

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Einleitung

schungsergebnisse noch kaum für das Studium des Ratifizierungsgeschehens fruchtbar gemacht. Es wird also zu prüfen sein, vor welchem ökonomischen Hintergrund die Verfassungsdebatte geführt wurde. Die Position John Fiskes, der wirtschaftliche Niedergang der „kritischen Periode" ab 1783 habe die konstitutionelle Neuordnung unumgänglich gemacht, ist heute ebensowenig zu halten wie Merrill Jensens Urteil, die Krise habe hauptsächlich in der Einbildung und der Propaganda der Verfassungsbefürworter existiert. 20 Vor allem müssen die Quellen befragt werden, wie die Zeitgenossen selbst ihre wirtschaftliche Lage und die Zukunftschancen beurteilten, und inwieweit die Spaltung in Federalists und Antifederalists tatsächlich Schichten- und Klassenlinien folgte. Durch die Konzentration auf ökonomische Interessen ist die geistigideologische Dimension der Verfassungsdebatte lange Zeit vernachlässigt worden. Bei Augenzeugen der Revolution findet sich noch ein Nachklang des heftigen ideologischen Schlagabtausches, den der Verfassungsentwurf provozierte. Aus der Sicht von Mercy Otis Warren etwa, die mit den Antifederalists sympathisiert hatte und sich dann den Jeffersonian Republicans zugesellte, stießen in der Verfassungsdebatte die Ideale des Republikanismus mit einem „getarnten" Monarchismus zusammen, dem es keineswegs um die „greatest happiness of the greatest number" gegangen sei. 27 Später verlor sich dieses Wissen in der Verherrlichung der „Founding Fathers", die zum Sinnbild politischer Erfahrung, aufgeklärter Rationalität und bürgerlichen Freiheitsstrebens stilisiert wurden. Vom Standpunkt des 19. Jahrhunderts, das die Verfassung geradezu religiös verehrte, konnte die Opposition von 1787/88 nur engstirniger Borniertheit, irrationalen Ängsten oder bösem Willen entsprungen sein. In Bancrofts Darstellung verbreiten die Antifederalists „inflammatory tracts" über das Land, handelt George Mason aus verletzter Eitelkeit, und arbeiten Richard Henry Lee und Patrick Henry mit Intrigen und Kabalen auf einen separaten Zusammenschluß der Südstaaten hin. 28 Den „Beardianern" galten die politischen Aussagen, verfassungsrechtlichen Argumente und historischen Begründungen von Anhängern und Gegnern der Verfassung in erster Linie als Verbrämungen oder Ratio-

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Vgl. John Fiske, The Critical Period of American History, Boston 1888; Jensen, The New Nation. A History of the United States During the Confederation, 1 7 8 1 - 1 7 8 9 , New York 1950, S. 422 ff. Erst die Annahme der Bill of Rights versöhnte Warren mit der Verfassung. Shaffer, Politics of History, S. 147 f. History of the Formation of the Constitution, S. 230 ff., 279 ff.

Die Historiographie

der

Verfassungsdebatte

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nalisierungen der eigentlichen ökonomischen Beweggründe. Auch waren sie sich selten schlüssig, ob sie die Federalists als „reaktionär" anprangern, oder zur Avantgarde des Kapitalismus rechnen sollten. Beard selbst pries die Verfassungsväter als „practical men", die es im Unterschied zu den deutschen Revolutionären von 1848 fertiggebracht hätten, „to build the new government upon the only foundation which could be stable: fundamental economic interests." In diesem Punkt unterschieden sich die Historiker der „Progressive Era" nur in der Bewertung, nicht aber in der Substanz von den Geschichtsschreibern des späten 19. Jahrhunderts. Für Fiske war die Verfassung ein am englischen Beispiel orientiertes konservatives Rettungswerk, mit dem die Federalists über die Kräfte des Chaos und die „policy of negation and obstruction" triumphierten. 29 Beards kongenialer Nachfolger Merrill Jensen machte hingegen aus seiner Sympathie für die Antifederalists kein Hehl. Er stellte sie in die Tradition der „popular leaders", die der Revolution Schwung und demokratische Impulse verliehen hatten. Als Träger der Bewegung für eine starke Zentralregierung identifizierte er eine Gruppe konservativer Politiker, denen die Radikalisierungstendenzen im Volk große Sorge bereiteten und die den emanzipatorischen „spirit of 76" mit dem auf Ordnung, Hierarchie und Stabilität bedachten „spirit of 87" auszutreiben suchten. In der ersten Unionsverfassung, den Articles of Confederation, hatte die Philosophie der Unabhängigkeitserklärung ihren konstitutionellen Ausdruck gefunden. Die Bundesverfassung, die sie ablöste, war bestimmt als ein „check upon the rights of the states and the democracy that found expression within their bounds." Ihre Annahme stellte den Kulminationspunkt eines antidemokratischen Kreuzzuges dar. 30 Gegen diese Aufwertung der Antifederalists zu Hütern des demokratischen Erbes setzte sich Cecelia Μ. Kenyon energisch zur Wehr. Nach ihren Beobachtungen hoben sich die Sprecher der Opposition ganz im Gegenteil durch ein pessimistisches Menschenbild und geringes Vertrauen in die politischen Fähigkeiten des „Volkes" von den Federalists ab. In der Diskussion, die ihr Artikel „Men of Little Faith" auslöste, wurde häufig übersehen, daß schon Libby und sein berühmter Lehrer Frederick

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Vgl. Beard, An Economic Interpretation, S. 151; Fiske, Critical Period, S. 64, 230 ff., 309 ff., 337 ff. Dazu Hofstadter, Progressive Historians, S. 266. Jensen, Articles of Confederation, S. 239, 242 f.; Vorwort zur 2. Aufl., 1947, S. IX; ders., The Idea of a National Government During the American Revolution, in: PSQ 58 (1943), S. 356-379; ders., American Revolution Within America, S. 167 ff.

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Einleitung

J. Turner zu ähnlichen Schlüssen gelangt waren. Libby nannte die isoliert lebenden North Carolina-Antifederalists „conservative [and] suspicious of new ideas"; und Turner zog eine kritische Parallele zwischen der Papiergeld-Politik der 1780er Jahre und der populistischen Agitation für eine Silberwährung und billige Kredite in seinen Tagen. Für ebenso bedeutsam wie diesen überraschenden konservativen Zug erachtete Kenyon die Gemeinsamkeit, die Befürworter und Gegner der Verfassung auf vielen Gebieten verband. Beide teilten „a large body of political ideas and attitudes, together with a common heritage of political institutions." 31 Diese Interpretation entsprach dem Konsens-Gefühl der fünfziger und frühen sechziger Jahre, fand aber nicht nur Zustimmung. Der Kritik von Main und Rutland Schloß sich 1969 Gordon S. Wood in seinem monumentalen Werk „The Creation of the American Republic" an. Konservative Führer wie Mason und Richard Henry Lee, denen Kenyon besondere Beachtung geschenkt hatte, repräsentierten nicht die antifederalistische Gefolgschaft. In ihrer Mehrheit waren die Verfassungsgegner „true champions of the most extreme kind of democratic and egalitarian politics." Andererseits schilderte Wood den Weg von den Articles of Confederation zur Verfassung als einen kollektiven Lernprozeß in Sachen politischer Praxis und konstitutioneller Theorie. Die Federalists stellten dabei Phantasie und Innovationsfähigkeit unter Beweis; die Antifederalists hingegen hielten an den veralteten Glaubenssätzen der „Whig Ideology" fest. 32 Mit der Kontroverse über Kenyons „kleingläubige Männer" war das Interesse am „antifederal mind" und seiner befremdlich anmutenden Mischung aus radikaldemokratischen und konservativen Elementen geweckt worden. Die Selbstzeugnisse der Verfassungsgegner, die bis dahin ganz im Schatten der Federalist Papers von Hamilton,

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Vgl. Cecelia Μ. Kenyon, Men of Little Faith. The Anti-Federalists on the Nature of Representative Government, in: W M Q 12 (1955), S. 3ff.; Libby, Geographical Distribution, S. 49; Einleitung von Turner, S. IV. Gordon S. Wood, The Creation of the American Republic, 1776 — 1787, Chapel Hill, N. C., 1969, S. 499 ff., 516 f., 606 ff. Dieses Deutungsmuster liegt auch den meisten übergreifenden Darstellungen der Verfassungsentstehung zugrunde, von Max Farrand, The Framing of the Constitution of the United States (1913) bis Robert Middlekauff, The Glorious Cause. The American Revolution, 1763 — 1789, London 1982. Die intellektuellen und praktischen Fortschritte, die in dieser Zeit in dem wichtigen Teilbereich der Repräsentation gemacht wurden, erörterte umfassend Jack R. Pole, Political Representation and the Origins of the American Republic, New York 1968.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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Madison und Jay gestanden hatten, wurden nun auch in Form von Sammelbänden und Editionen zugänglich. 33 Ausgehend von Pionierstudien der Engländerinnen Zera S. Fink und Caroline Robbins, 34 sind inzwischen, einer geistesgeschichtlichen Archäologie gleich, die einzelnen Schichten des republikanischen Gedankenguts freigelegt worden. John G. A. Pocock hat Verbindungslinien rekonstruiert, die vom Florenz Machiavellis zum England Harringtons und von dort durch die Vermittlung solch unterschiedlicher Gestalten wie Trenchard, Gordon und Lord Bolingbroke zu den amerikanischen Revolutionären führen. In der Neuen Welt verband sich diese Oppositionsideologie mit protestantisch-puritanischen Glaubensinhalten und aufklärerischen Ideen und bildete eigenständige Formen und Strömungen aus. Dem vielbeachteten Nachweis der „ideologischen Ursprünge der Revolution" durch Bernard Bailyn 35 haben Pocock und seine Schüler die Erkenntnis hinzugefügt, daß die ideologische Auseinandersetzung mit Erlangung der Unabhängigkeit keineswegs erlosch. Sie überdauerte die Vertreibung der Loyalisten und den Friedensschluß, und ihre Inhalte lassen sich nicht in die schlichten Gegensatzpaare „Vernunft versus Irrationalität" und „demokratisch versus antidemokratisch" pressen. 36 Ebensowenig hilft eine vorschnelle „republikanische Synthese" weiter, die alle Unterschiede hinwegbügelt oder in einer Art republikani33

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Morton Borden, ed., The Antifederalist Papers, East Lansing, Mich., 1965; Kenyon, ed., The Antifederalists, Indianapolis, Ind., 1966; John D. Lewis, ed., AntiFederalists Versus Federalists, San Francisco, Cal., 1967. Diese Reihe setzt sich in jüngerer Zeit fort. Siehe Herbert J. Storing and Murray Dry, eds., The Complete Anti-Federalist, 7 vols., Chicago—London 1981; W. B. Allen and Gordon Loyd, eds., The Essential Antifederalist, Lanham, Md., 1985. Zera S. Fink, The Classical Republicans. An Essay in the Recovery of a Pattern of Thought in Seventeenth-Century England, Evanston 1945; Caroline Robbins, The Eighteenth-Century Commonwealthmen, Cambridge 1959. Bernard Bailyn, The Ideological Origins of the American Revolution, Cambridge, Mass., 1967; 13th ed., 1976. Zu nennen sind v. a. Pocock, Machiavelli, Harrington and English Political Ideologies in the Eighteenth Century, in: WMQ 22 (1965), S. 549-583; ders., The Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, Princeton 1975; John M. Murrin, The Great Inversion, or Court Versus Country. A Comparison of the Revolutionary Settlements in England (1688-1721) and America (1776-1816), in: Pocock, ed., Three British Revolutions: 1641, 1688, 1776, Princeton, N. J., 1980, S. 386-453. Wichtige Beiträge auch in Richard Beeman, Stephen Botein, and Edward Carter III, eds., Beyond Confederation. Origins of the Constitution and American National Identity, Chapel Hill, N. C . - L o n d o n 1987.

16

Einleitung

scher Gesamtideologie auffängt. Man kommt nicht umhin, die Vorstellungen, Weltbilder und Mentalitäten, die den geistigen Gehalt der Verfassungsdebatte ausmachen, im Kontext der transatlantischen Republikanismus-Uberlieferung sorgfaltig zu analysieren und neu zu bewerten. 37 Im sozialen wie im ideologischen Bereich ist der Hang zu monokausalen Erklärungen und zur „Homogenisierung" der Geschichte also differenzierteren Forschungsanstrengungen gewichen. 38 Hierzu haben die zahlreichen qualitativ hochwertigen Editionswerke einen Beitrag geleistet, die fortlaufend neues Quellenmaterial erschließen und verfügbar machen.39 Damit deutet sich die Überwindung der Dichotomie von Konsens und Konflikt an, zweier Grundmuster der menschlichen Existenz, die doch letztlich in einer unlösbaren, organischen Wechselbeziehung zueinander stehen.40 Welche Sehweise jeweils den Vorzug erhält, hängt in hohem Maße vom geistig-politischen Klima des Landes ab, dessen Wandel wiederum sehr viel mit den äußeren Belastungen und inneren Gefahrdungen der Gesellschaft zu tun hat. So verwundert es nicht, daß die Konsens-Geschichte in den fünfziger und frühen sechziger

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Charakteristisch für den Wandel des Verständnisses sind die Beiträge von Robert E. Shalhope, Towards a Republican Synthesis, in: WMQ 29 (1972), S. 49 ff.; ders., Republicanism and Early American Historiography, in: WMQ 39 (1982), S. 334— 356; James H. Hutson, Country, Court, and the Constitution. Antifederalism and the Historians, in: WMQ 38 (1981), S. 3 3 7 - 3 6 8 . Siehe auch Sharon Μ. Marmon, Sword of Damocles. The Federalists, the Antifederalists, and the American Experiment With the Good Republic, Ph. D. diss., Univ. of Texas, 1983. Dazu neuerdings John P. Kaminski, Antifederalism and the Perils of Homogenized History. Review of Storing and Dry, eds., Complete Anti-Federalist, in: R. I. History 42 (1983), S. 3 0 - 3 7 . Neben den überragenden Revolutionsführern wie Washington, Jefferson, Hamilton, Madison und John Adams werden nun auch immer mehr Persönlichkeiten des zweiten Gliedes mit Editionen bedacht. Für unser Thema von besonderer Bedeutung sind aber einige breite Quellensammlungen zur Umbruchsphase von 1787 bis 1791: Merrill Jensen, John P. Kaminski, Gaspare J. Saladino, and Richard Leffler, eds., The Documentary History of the Ratification of the Constitution and the Bill of Rights, Madison, Wise., 1975 ff. (=DHRC); Merrill Jensen, Carl Becker, Gordon Den Boer, and Lucy T. Brown, eds., The Documentary History of the First Federal Elections 1788-1790, Madison, Wise., 1975 ff. ( = FFE); Linda Grant De Pauw, Charlene B. Bickford, Kenneth R. Bowling, and Helen E. Veit, eds., Documentary History of the First Federal Congress of the United States of America, March 4, 1789 - March 3, 1791, Baltimore-London 1972ff. ( = FFC). Bernard Sternsher, Consensus, Conflict, and the American Historians, Bloomington, Ind., 1975.

Die Historiographie der Verfassungsdebatte

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Jahren dominierte, als die Abwehr kommunistischer Expansionsbestrebungen das allgemeine Bewußtsein prägte, während der konfliktorientierte Ansatz in der Phase der weltpolitischen Entspannung und des innenpolitischen Ringens um Bürgerrechte und Vietnam-Intervention stärker betont wurde. Die heutigen Historiker sind herausgefordert, der Logik der Wissenschaft zu folgen und die weiterführenden Forschungsergebnisse der verschiedenen Disziplinen für ihren Stoff nutzbar zu machen. Dabei geht es, wie Bernard Bailyn dargelegt hat, im wesentlichen um die Integration von „manifest history" — dem sichtbaren, meßbaren Geschehen — und „latent events", langfristigen und übergreifenden historischen Prozessen. Die amerikanische Verfassungsdebatte bietet ein günstiges Feld, in diesem Sinne den Beziehungen zwischen dem „course of external events" und den „interior world views" nachzuspüren. 41

41

Bailyn, The Challenge of Modem Historiography, in: JAH 87 (1982), S. I f f .

ERSTER TEIL

Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung „The evils we experience do not proceed from minute or partial imperfections, but from fundamental errors in the structure of the building, which cannot be amended otherwise than by an alteration in the first principles and main pillars of the fabric." Alexander Hamilton, 15. Publius-Btief, New York Independent Journal, 1. 12.1787.

20

Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

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I. KAPITEL

Das Unbehagen an der Konföderation und die Bewegung für eine nationale Regierung Die Bilanz der „kritischen

Periode"

In allen seinen Schriften hat Merrill Jensen die landläufige Meinung bekämpft, die Geschichte der Vereinigten Staaten unter den Articles of Confederation habe aus einer Kette von Mißerfolgen bestanden und sei durch politisches Versagen und moralischen Niedergang gekennzeichnet gewesen. Zu Recht hielt er einer solchen einseitigen Version die konstruktiven, zukunftweisenden Leistungen entgegen, die in diesen Jahren erbracht wurden und die zeigten, daß Revolution und Krieg den Unternehmungsgeist der Amerikaner keineswegs lähmten, sondern eher noch anstachelten. An erster Stelle ist in diesem Zusammenhang die Northwest Ordinance von 1787 zu nennen, die das Fundament für die weitere territoriale Expansion der Vereinigten Staaten legte. Nachdem die „landreichen" Staaten ihre Gebietsansprüche im Westen abgetreten hatten, schuf der Kongreß eine „national domain", die für Siedlungswillige offenstand und der neuen Bundesregierung als Finanzquelle dienen konnte. Auch die schiedsrichterliche Vermittlung des Kongresses in Grenzstreitigkeiten, etwa zwischen Pennsylvania und Connecticut um das Wyoming-Tal, stärkte das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Verständnis für die Notwendigkeit einer nationalen Gerichtsbarkeit. 1 Kriegszwänge und Nachkriegssorgen veranlaßten den Kongreß, aus dem 1

Die Ordinances von 1784 und 1787 sind abgedr. in DHRC I, 150ff., 168 ff. Siehe dazu Gerhard Kollmann, Revolution und Kontinuität. Eine Untersuchung der Pläne und Ansätze zur Organisation der Gebiete zwischen Appalachen und Mississippi, 1774—1786, Diss. Köln 1976; Hermann Wellenreuther, „First Principles of Freedom" und die Vereinigten Staaten als Kolonialmacht, 1787 — 1803. Die Northwest Ordinance von 1787 und ihre Verwirklichung im Northwest Territory, in: HZ-Beiheft 5, NF, 1979, S. 89 ff.; Peter S. Onuf, The Origins of the Federal Republic. Jurisdictional Controversies in the United States, 1775 — 1787, Philadelphia 1983; ders., Liberty, Development, and Union. Visions of the West in the 1780s, in: WMQ 43 (1986), S. 1 7 9 - 2 1 3 .

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

Komitee- und Kommissionswesen heraus die Grundelemente einer Regierungsbürokratie und Verwaltung 2u formen. Hierzu gehörten die Präsidentschaft und das Sekretariat des Kongresses ebenso wie das Post Office und die drei wichtigsten, 1781 eingerichteten „executive departments": das Office of Foreign Affairs, das Department of War und das Finance Department, das bis 1784 dem Superintendent of Finance, Robert Morris, danach einem dreiköpfigen Board of Treasury unterstand. Alle diese Ämter und Behörden entfalteten Initiative und setzten Reformen in Gang, die nach 1787 im bundesstaatlichen Rahmen fortgeführt werden konnten. 2 Abgesehen von diesen technisch-administativen Verbesserungen war die Konföderationsperiode auch eine Zeit der lebendigen geistigen Auseinandersetzung, der Suche nach neuen Wegen und des Bemühens, aus der aufklärerischen Theorie Nutzanwendungen für alle Bereiche des menschlichen Lebens zu ziehen. Beginnend in Virginia, wichen die Privilegien der „established churches" allmählich dem Prinzip der Trennung von Kirche und Staat. Das humanitäre Streben manifestierte sich in ersten gesetzgeberischen Maßnahmen gegen die Sklaverei, in Strafrechtsreformen und im Ausbau des Erziehungs- und Bibliothekswesens. Allerorts wurden private Gesellschaften gegründet, die sich dem Fortschritt der Naturwissenschaften und der Medizin verschrieben und mit neuen Methoden experimentierten. Auf wirtschaftlichem Gebiet stellten sich die Amerikaner der Herausforderung, Exportmärkte in Übersee zu erschließen, die Infrastruktur des Landes durch Straßen- und Kanalbau zu verbessern und Erfindungen wie das Dampfschiff und den mechanischen Webstuhl möglichst rasch einzuführen. Obwohl die Westwanderung nach 1783 wieder zunahm, wuchsen die Städte der Ostküste weiter an, reorganisierten ihre Verwaltungen und bemühten sich um Bildung und Kultur. Alle diese Entwicklungen hatten ihre Wurzeln in der Kolonialzeit, waren aber ebensosehr Resultat „of a new freedom of choice and a delight in national independence." 3 2

3

Siehe Herbert A. Johnson, Towards a Reappraisal of the „Federal" Government, 1 7 8 3 - 1 7 8 9 , in: AJLH 8 (1964), S. 314ff.; Frederic F. Rolater, Charles Thomson, „Prime Minister" of the United States, in: PMHB 101 (1977), S. 322 ff. Vgl. Brooke Hindle, The Pursuit of Science in Revolutionary America, 1735 — 1789, Chapel Hill, N. C., 1956; Kenneth Silverman, A Cultural History of the American Revolution, 1783 — 1789, New York 1976; Alexandra Oleson and Sanborn C. Brown, eds., The Pursuit of Knowledge in the Early American Republic. American Scientific and Learned Societies from Colonial Times to the Civil War, Baltimore 1979.

Unbehagen an der Konfideration und Bewegung für eine nationale Regierung

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Diesen hoffnungsvollen Tendenzen zum Trotz durchzog eine Strömung der Unzufriedenheit und des Selbstzweifels die Kriegs- und Nachkriegszeit. Sie ließ sich schon bei der Beratung der Konföderationsverfassung vernehmen und schwoll zwischen 1780 und 1783 bedrohlich an. Durch die Freude über den Friedensschluß nur vorübergehend zurückgedrängt, weitete sie sich ab 1785 zu einem allgemeinen Krisenbewußtsein aus. Bis zu einem gewissen Grade war die Überzeugung, das System der Articles of Confederation sei den Anforderungen der Zeit nicht gewachsen, Ausfluß jenes Experimentier- und Reformgeistes, der sich mit dem Bestehenden nie zufriedengab, sondern stets verändern, umgestalten und neuordnen wollte. Sie wurzelte aber auch in der Erfahrung konkreter Mißstände, deren Ursache einerseits die Schwäche des Kongresses, andererseits die labilen politischen und sozialen Verhältnisse in den Staaten waren. Dabei standen bis 1783 die Befugnisse der Konföderationsregierung im Mittelpunkt des Interesses, während sich nach dem Friedensschluß die Sorge um die Staaten immer mehr in den Vordergrund schob. Der Änderungswille bezog seine Impulse demnach aus zwei verschiedenen, wenngleich miteinander verschränkten Vorstellungen: Die Lähmung des Kongresses drohte die Vereinigten Staaten zum Spielball der europäischen Mächte zu degradieren und beschwor den Zerfalls der Union herauf. Die Gefährdung von Recht und Ordnung in den Staaten kündigte überdies das unrühmliche Ende des republikanischen Experiments insgesamt an. Den Kritikern dieser Entwicklung, allen voran Alexander Hamilton, ging es deshalb gleichzeitig um eine Stärkung der Zentralregierung nach außen und die Kontrolle über die Innen- und Wirtschaftspolitik der dreizehn Staaten. Die Articles of Confederation und die Reformbemühungen

bis 1786

An Plänen für den Zusammenschluß der amerikanischen Kolonien hatte es im 18. Jahrhundert nicht gemangelt. Sie wollten die Verteidigung gegen äußere Feinde effektiver organisieren und eine einheitliche Interessenvertretung der Siedler im britischen Empire ermöglichen. Gelegentlich spielte aber auch schon das Verlangen mit, die innere Entwicklung der Kolonien besser unter Kontrolle zu halten. 4 Der Galloway4

Die Pläne sind abgedr. in Hampton L. Carson, ed., History of the Hundredth Anniversary of the Constitution of the United States, 2 vols., Philadelphia 1889, vols. 2, S. 4 3 9 - 5 0 3 . Vgl. J. M. Bumstead, Things in the Womb of Time. Ideas of American Independence, 1633 to 1763, in: W M Q 31 (1974), S. 533 ff.

24

Die

Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

Plan, der 1774 dem ersten Kontinentalkongreß vorlag, knüpfte an diese Tradition in der Absicht an, einen endgültigen Bruch mit dem Mutterland zu vermeiden. Radikalere Delegierte schmiedeten dagegen Unionspläne mit dem Ziel, die Loslösung von Großbritannien zu beschleunigen. Die Unabhängigkeitserklärung von 1776 rückte die Souveränitätsproblematik in ein neues Licht, denn nun waren die bisherigen Kolonien „free and independent states", die nach eigenem Ermessen über Form und Inhalt einer Unionsverfassung befinden konnten. Bei der Ausarbeitung der Articles of Confederation hatten zentralistische Gedankengänge schon deshalb wenig Chancen, weil sie an den „kompromißlerischen" GallowayPlan erinnerten. Entscheidend war aber, daß sie das neugewonnene Selbstbestimmungsrecht der Staaten in Frage stellten, das einer Mehrheit der Delegierten nun als überaus wichtige Errungenschaft der Revolution erschien. In ihrer Endfassung vom 15. November 1777 schufen die Articles of Confederation einen Staatenbund, der allen Mitgliedern die gleiche souveräne Stellung beließ, und in dem der Kongreß die Rolle eines Koordinierungsorgans übernahm. Die Abgeordneten wurden von den Staatenparlamenten gewählt und stimmten auch staatenweise ab. Beschlüsse über wichtige Fragen bedurften der Zustimmung von mindestens neun Staaten, Verfassungsänderungen konnten sogar nur einvernehmlich erfolgen. Andererseits verzichteten die Staaten auf die Ausübung eines Teils ihrer Rechte zugunsten der Union und delegierten spezifische, genau umgrenzte Befugnisse an den Kongreß. So konnte die Konföderationsregierung laut Artikel IX über Krieg und Frieden entscheiden, Verträge und Bündnisse schließen, sowie Botschafter entsenden und empfangen. Sie war auch verantwortlich für die Land- und Seekriegsführung und durfte Anleihen aufnehmen und Schuldverschreibungen und Papiergeld ausgeben. Die Staaten verpflichteten sich, den finanziellen und militärischen Forderungen Folge zu leisten, die der Kongreß in Form von Requisitionen an sie richten würde. 5 Auf dem Papier schienen diese Bestimmungen eine gemeinsam getragene, kraftvolle Kriegführung und Außenpolitik zu ermöglichen. Noch bevor Maryland als letzter der dreizehn Staaten die Articles 1781 ratifl5

Die Articles of Confederation sind abgedr. in D H R C I, 86 ff.; Commager, Documents, S. 111 ff. Zur Entstehungsgeschichte Marie A. Nichols, The Evolution of the Articles of Confederation, 1775-1781, in: SQ 2 (1964), S. 3 0 7 - 3 4 0 ; Steven R. Boyd, A Supreme Continental Legislature. A Study of the Argument for a Strong Central Government in America, M. A. Thesis, Univ. of Wisconsin, Madison, 1970, S. 35 ff.; Kenneth M. Stamp, The Concept of a Perpetual Union, in: JAH 65 (1978), S. 5ff.

Unbehagen an der Konfideration

und Bewegung für eine nationale Regierung

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zierte, wurden jedoch bereits Zweifel am Sinn der gefundenen Lösung laut und grundsätzliche Änderungen erwogen. Mit öffentlicher Kritik traten besonders Washingtons Adjutant Alexander Hamilton und Thomas Paine hervor, der 1776 in seinem aufrüttelnden Pamphlet Common Sense das Zukunftsbild eines mächtigen nordamerikanischen Nationalstaates entworfen hatte. 6 Bestätigt fanden sich diese „nationalists" durch eine Serie militärischer Rückschläge und durch die enormen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, denen sich der Kongreß gegenübersah. Als Heilmittel empfahlen sie eine Stärkung der Zentralgewalt und rückten drei Forderungen ins Zentrum: Der Kongreß sollte die Befugnis erhalten, den Binnen- und Außenhandel zu regulieren, sich unabhängig von den Staaten durch Zölle und Steuern ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen, und mit Zwang gegen säumige oder widerspenstige Staaten vorzugehen. Über das notwendige Maß der Verfassungsrevision und den geeigneten Weg, auf dem sie erreicht werden konnte, gingen die Meinungen allerdings auseinander. Prinzipiell boten sich drei Möglichkeiten an, die man auch allesamt erprobte. Zum einen wurde versucht, die Konföderationsverfassung so weit auszulegen, daß konstitutionelle Änderungen überflüssig wurden. Da die Articles dem Kongreß die Verantwortung für die Kriegführung aufbürdeten, so lautete das Argument, gaben sie ihm auch implizit alle Befugnisse an die Hand, deren er zur Erfüllung dieses Auftrags bedurfte. Dieser Theorie der „implied powers" wollten einige Kongreß-Delegierte durch die Konstruktion von Präzedenzfallen Geltung verschaffen. Sie scheiterten aber wiederholt an der Wachsamkeit der Befürworter der Staatensouveränität, die einer solchen „schleichenden" Ausweitung der Regierungskompetenzen den Riegel vorschoben. Erfolgversprechender schien es deshalb, die Staaten für Reformen zu gewinnen, um auf ordnungsgemäßem Wege zu Amendments zu gelangen. Zwischen 1781 und 1786 arbeiteten Kongreß-Komitees in steter Folge Vorschläge aus, die darauf zielten, das Regierungssystem der Konföderation effizienter zu gestalten. Obwohl einige dieser Pläne breite Zustimmung fanden, nahm keiner von ihnen die hohe Hürde

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Hamilton verfaßte u. a. die Continentalist-Essays, Syrett II, 649 ff.; III, 75 ff. Paine meldete sich 1780 mit dem Pamphlet Public Good zu Wort und schrieb dann die American Cra/r-Serie. Van der Weyde, Paine, IV, 108 ff. 1782 trat er als bezahlter Propagandist in den Dienst der Gruppe um Hamilton und Robert Morris. Joseph L. Davis, „a hoop to the barrel ..." The Nationalist Movement to Create a Strong Central Government in the United States, 1780 — 1786, M. A. Thesis, Univ. of Wisconsin, Madison, 1969, S. 50 f.; Eric Foner, Tom Paine and Revolutionary America, New York 1976, S. 184ff.

26

Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

der Ratifizierung durch sämtliche Staaten. Eine dritte, radikalere Alternative bot die Einberufung eines Konvents, auf dem sich Vertreter der Staaten einzig und allein mit der Revision der Articles of Confederation beschäftigen sollten. Dieser Gedanke wurde ebenfalls schon früh ins Spiel gebracht und fand sowohl im Kongreß als auch in einigen Staaten Fürsprecher. Andererseits schreckten selbst so entschiedene Verfechter von Reformen wie James Madison und Edmund Randolph lange Zeit vor dem ungewissen Abenteuer eines Konvents zurück. Erst als alle anderen Möglichkeiten erschöpft schienen und die Krisenstimmung einen Höhepunkt erreichte, setzte sich diese Idee schließlich durch und führte über das Treffen in Annapolis zum Verfassungskonvent von Philadelphia. 7 Ihre erste Offensive hatten die Nationalisten zwischen 1780 und 1783 vorgetragen. Veranlaßt wurde sie zunächst durch die bedrohliche Kriegslage, später durch die Annahme, ein günstiger Friedensschluß werde die Refombereitschaft dahinschwinden lassen, und das Eisen müsse geschmiedet werden, solange es noch heiß sei. Bei den führenden Männern, dem wohlhabenden philadelphischen Kaufmann Robert Morris und dem energischen, ehrgeizigen Alexander Hamilton, verbanden sich politische, konstitutionelle und wirtschaftliche Vorstellungen zu einem Gesamtprogramm. Dreh- und Angelpunkt ihrer Überlegungen war die „power of the purse", die Kontrolle über die Finanzen der Union. Nur wenn sich der Kongreß ein „unabhängiges Einkommen" sichern konnte, würde er über die nötige Autorität im Umgang mit den Staaten und den ausländischen Mächten verfügen. Die Einkünften sollten dann in erster Linie dazu verwendet werden, die Zinsansprüche der öffentlichen Gläubiger zu befriedigen, die durch Anleihen und Zwangsabgaben die Kriegsanstrengungen finanziert hatten. Auf diese Weise würde die in der Revolution aufgelaufene innere Staatsschuld zu einem „bond of union" werden, das die kommerziell engagierten Schichten aus Eigeninteresse um die Zentralregierung scharte. Die Fundierung der Staatsschuld versprach

7

Die Reformdebatte ist dokumentiert in Worthington C. Ford and Gaillard Hunt, eds., Journals of the Continental Congress, 1774—1789, 33 vols., Washington, D. C , 1 9 0 4 - 1 9 3 6 ; Papers of the Continental Congress, 1 7 7 4 - 1 7 8 9 . NA Microfilm Publications. Μ 247. RG 360, Washington, D. C., 1971; Edmund C. Burnett, ed., Letters of the Members of the Continental Congress, 1774—1789, 8 vols., Washington, D. C., 1921 — 36; Paul H. Smith, ed., Letters of Delegates to Congress, 1 7 7 4 - 1 7 8 9 , Washington, D. C , 1976 ff.

Unbehagen an der Konföderation und Bewegung für eine nationale Regierung

27

außerdem, Kapital für Investitionen freizumachen und den Aufschwung von Handel und Industrie zu beschleunigen. 8 Die Nationalisten kamen der Verwirklichung diese Konzepts sehr nahe, als der Kongreß Robert Morris 1781 zum Superintendent of Finance mit nahezu unbeschränkten Vollmachten ernannte und einen fünfprozentigen unionsweiten Einfuhrzoll beschloß. Dieser „Impost of 1781" sollte so lange in Kraft bleiben, bis die innere und äußere Staatsschuld „fully & finally discharged" war. 9 Für Unterstützung warben Morris und Hamilton gezielt bei den Kaufleuten, den Offizieren der Kontinentalarmee und den öffentlichen Gläubigern. Auf die Loyalität dieser einflußreichen Gruppen gedachten sie die Macht der Zentralregierung zu gründen. Der Impost kam aber nicht zustande, weil Rhode Island seine Zustimmung verweigerte und Virginia das bereits erteilte Einverständnis Ende 1782 wieder rückgängig machte. Die Mobilisierung der Interessengruppen gelang ebenfalls nicht im gewünschten Maße. Ein Teil der Kaufleute und Gläubiger setzte seine Hoffnung eher auf die Staaten, die sich anschickten, ihren Teil der Revolutionsschuld zu übernehmen und eigene Zins- und Tilgungsregelungen zu beschließen. Eine massive politische Einflußnahme des Offizierskorps, das um seine Bezahlung und berufliche Zukunft bangte, ließ sich gegen den Willen des allen illegalen Machenschaften abholden Oberbefehlshabers George Washington nicht bewerkstelligen. 10 Der Friede, Robert Morris' Rücktritt und das Ausscheiden anderer prominenter „nationalists" aus dem Kongreß, das durch die Rotationsbestimmungen der Articles of Confederation erzwungen wurde, schwächten die Bewegung, löschten sie aber nicht aus. Washingtons Rundschreiben an die Staatenexekutiven vom Juni 1783 sorgt mit dafür, daß die kontinentale Vision und der nationale Gedanke lebendig blieben. Amerikas Wohlergehen erforderte nach den Worten des scheidenden Oberbefehlshabers, daß der Kongreß als „supreme power" anerkannt werde und man ihm zugestehe, „to regulate and govern the general concerns of the confederated republic." Das Volk der Vereinigten Staaten

8

9 10

Siehe Syrett III, 304 ff.; Ferguson, Power of the Purse (1961); ders., The Nationalists of 1781—1783 and the Economic Interpretation of the Constitution, in: JAH 56 (1969), S. 241 ff.; ders., ed., The Papers of Robert Morris, 1 7 8 1 - 1 7 8 4 , 12 vols., Pittsburgh, Pa., 1974ff. Abgedr. in DHRC I, 140f. Die sog. „Newburgh Conspiracy" wird unterschiedlich bewertet von Richard H. Kohn, The Inside History of the Newburgh Conspiracy. America and the Coup d'Etat, in: W M Q 27 (1970), S. 187 ff.; C. Edward Skeen, The Newburgh Conspiracy Reconsidered, in: W M Q 31 (1974), S. 273 ff.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

müsse seine „local prejudices and politics" überwinden und Bereitschaft zu „mutual concessions" an den Tag legen. 11 Die Probleme der Friedenszeit öffneten immer mehr Menschen die Augen für die Unzulänglichkeiten der bisherigen Staatsorganisation. Als die britische Regierung 1783 Handelsrestriktionen gegen die Vereinigten Staaten verhängte, sah sich der Kongreß mangels einer „commerce power" außerstande, Gegenmaßnahmen zu treffen. Die Nachkriegsrezession, die durch eine deflationäre Finanzkrise verschärft wurde, förderte protektionistische Tendenzen und belastete die Beziehungen der Staaten untereinander. Von der Frontier häuften sich die Klagen über einen mangelhaften militärischen Schutz gegen Indianerüberfälle. In den Westgebieten fanden separatistische Gruppierungen Zulauf, die mit der Gründung eigener Staaten drohten. 12 Am gravierendsten gestaltete sich aber die Finanzlage der Union. Die Requisitionen, denen die Staaten schon während des Krieges nur sehr sporadisch nachgekommen waren, versiegten nun fast völlig. Neue Auslandsanleihen ließen sich nur schwer beschaffen, wenn man den Gläubigern die Zinsen schuldig blieb. Während die Staaten mit ihren eigenen Schwierigkeiten kämpften, zeichnete sich die totale Zahlungsunfähigkeit der Konföderationsregierung ab. Zu diesem trostlosen Bild paßte, daß sich der Kongreß nach seinem Auszug aus Philadelphia 1783 auf keinen festen Sitz mehr einigen konnte. An den verschiedenen Orten, die ihm als temporäre Residenz dienten, brachte er wiederholt kein Quorum zustande. Im Sommer 1786 verstrickten sich die Delegierten noch dazu in einen erbitterten Nord-Süd-Disput über das Verhältnis zu Spanien und die Schiffahrtsrechte auf dem Mississippi. 13 11

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13

Abgedr. in DHRC XIII, 60 ff. Während der Ratifizierungsdebatte wurde der Brief in der Presse häufig zitiert. Vgl. Jensen, New Nation, S. 67 ff., 154ff., 177 ff.; Richard H. Kohn, Eagle and Sword. The Beginnings of the Military Establishment in America, New Y o r k London 1975; Ε. Wayne Carp, The Origins of the Nationalist Movement of 1780— 1783. Congressional Administration and the Army, in: PMHB 107 (1983), S. 3 6 3 392; Wolfgang Krieger, Militär und Republik. Zur Entstehung der amerikanischen Bundesverfassung von 1787, in: MGM 40 (1986), S. 2 5 - 3 7 . Grundlegend Edmund C. Burnett, The Continental Congress. A Definite History of the Continental Congress from its Inception in 1774 to March 1789, New York 1941. Vgl. Jack Rakove, The Beginnings of National Politics. An Interpretative History of the Continental Congress, New York 1979. Zur Hauptstadt-Problematik Kenneth R. Bowling, Wigwam of Empire. The Idea and Location of the United States Capital, unpubl. Ms., Univ. of Wisconsin, Madison, o. D.; Lawrence D. Cress, Whither Columbia? Congressional Residence and the Politics of the New Nation, in: W M Q 32 (1975), S. 5 8 1 - 6 0 0 . Die Jay-Gardoqui-Verhandlungen und ihre Auswirkungen untersucht Michael Allen, The Mississippi River Debate, 1 7 8 5 - 1 7 8 7 , in: THQ 36 (1977), S. 4 4 7 - 4 6 7 .

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Hoffnungen knüpften sich zu diesem Zeitpunkt noch an einen weiteren Amendment-Vorschlag, den der Kongreß 1783 als Ersatz für den gescheiterten Impost von 1781 auf den Weg gebracht hatte. In Wirklichkeit handelte es sich um ein komplexes wirtschaftspolitisches Reformprogramm, das die Staaten als Ganzes annehmen mußten, wenn sie von den darin enthaltenen Vergünstigungen profitieren wollten. Das Kernstück bildete wiederum ein Einfuhrzoll, der diesmal aber auf 25 Jahre befristet war. Im April 1784 bat der Kongreß die Staaten zusätzlich um die „power to regulate commerce", wobei er sich ebenfalls mit einer beschränkten Geltungsdauer zufriedengab. 14 Anfang 1786 mußten die Delegierten allerdings feststellen, daß die Amendments bislang nur von einem Teil der Staaten ratifiziert worden waren. Verschiedene Parlamente hatten ihre Zustimmung überdies mit Einschränkungen verbunden und an Bedingungen geknüpft. Nun wurde der Ruf nach einem Konvent, der den gordischen Knoten durchhauen konnte, unüberhörbar. Auf Initiative Virginias trafen sich im September 1786 Bevollmächtigte aus fünf Staaten in Annapolis, um gemeinsam interessierende Handelsangelegenheiten zu diskutieren. Ihr von Hamilton verfaßter Abschlußbericht empfahl einen Konvent aller Staaten, der im Mai 1787 in Philadelphia zusammentreten sollte, „to take into consideration the situation of the United States, to devise such further provisions as shall appear to them necessary to render the constitution of the Federal Government adequate to the exigencies of the Union; and to report such an Act for that purpose to the United States in Congress Assembled, as when agreed to, by them, and afterwards confirmed by the Legislatures of every State will effectually provide for the same." 15 Mit der Ablehnung des Impost von 1783 versetzte die New Yorker Legislative am 15. Februar 1787 allen Amendment-Plänen den Todesstoß. Wenige Tage später stimmte der Kongreß dem Antrag der Massachusetts-Delegation zu, einen Konvent einzuberufen, „for the sole and express purpose of revising the Articles of Confederation." 16 Man war sich einig, daß die Nominierung der Delegierten durch die Staatenparlamente erfolgen sollte. Eine Volkswahl hätte darauf hingedeutet, daß die Schaffung einer neuen Verfassung beabsichtigt war. Im Laufe der folgenden Wochen kamen alle Staaten außer Rhode Island der Auffor-

14 15 16

Beide Amendment-Vorschläge sind abgedr. in D H R C I, 146 ff. D H R C I, 181 ff. D H R C I, 187.

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Die Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

derung des Kongresses nach, Vertreter zu bestimmen und mit den nötigen Vollmachten auszustatten. 17 Damit war der Weg zum Verfassungskonvent von Philadelphia geebnet.

Die Sorge um den inneren Frieden und den Bestand der Ordnung

republikanischen

Über den relativ engen Kreis der entschiedenen Nationalisten hinaus zeigten nach 1783 immer mehr Amerikaner Verständnis für die Notwendigkeit, die Befugnisse der Konföderationsregierung vor allem im Wirtschafts- und Finanzbereich zu erweitern. Dieser wachsende Konsens, der auch viele spätere Antifederalists einschloß, 18 war aber nur die halbe Wahrheit. Neben der Hilflosigkeit des Kongresses gerieten nämlich seit Kriegsende auch die Unabhängigkeit und Machtfülle der Staaten ins Kreuzfeuer der Kritik. Dabei ging es um mehr als reine Zuständigkeitsfragen. Viele Beobachter aus der besitzenden und gebildeten Führungsschicht fürchteten, die politische Entwicklung auf Staatenebene könne außer Kontrolle geraten und den Erfolg der Revolution zunichtemachen. Ihre Bedenken richteten sich weniger gegen einzelne Maßnahmen und Gesetze, als gegen die Prinzipien der Staatenverfassungen selbst, die den Parlamenten und damit dem Mehrheitswillen der Bürger angeblich übermäßigen Einfluß gewährten. Diese Haltung stand im Kontrast zu der Genugtuung, mit der die neuen Verfassungen ab 1776 begrüßt und als Muster republikanischer Staatskunst gepriesen worden waren. 19 Wohl 17 18

19

DHRC I, 191 ff. Beispiele sind Patrick Henry, Mitglied des Virginia House of Delegates, sowie John Francis Mercer und Richard Henry Lee, die Virginia im Kogreß vertraten. Henry setzte sich schon 1784 im virginischen Parlament für eine Stärkung des Kongresses ein und sah „ruin inevitable unless something was done to give Congress a compulsory Process on delinquent States &c." Mercer glaubte, die Konföderation werde scheitern, „unless great & effectual repairs are made." Lee erkundigte sich im Dezember 1784 bei Madison über die Möglichkeit eines Konvents „for the Sole purpose of revising the Confederation." Der Kongress müsse „execute with more energy, effect, & vigor, the powers assigned to it." DHRC XIII, 25. Eine Ausnahme bildete Thomas Jefferson, der in seinen Notes on Virginia 1781 die neue Staatsverfassung attackierte, weil sie alle Macht im Parlament konzentriere und so die Gefahr eines „elective despotism" heraufbeschwöre. Edward S. Corwin, The Progress of Constitutional Theory Between the Declaration of Independence and the Meeting of the Philadelphia Convention, in: AHR 30 (1925), S. 519. Das

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hatte es schon früh Warnungen vor „zu viel Demokratie", vor der „Tyrannei der Mehrheit" und einem Abgleiten in Anarchie und Despotie gegeben. Sie waren aber vereinzelt geblieben und hinter die Hoffnung zurückgetreten, die Amerikaner verfügten über genügend Bürgertugend, um solcher Gefahren Herr zu werden. Dieser Optimismus flackerte 1783/ 84 noch einmal auf, machte dann jedoch zunehmender Ernüchterung und Skepsis Platz. Auslösendes Moment waren die Anstrengungen einiger Staaten, die sozialen Härten der Rezession durch die Ausgabe von Papiergeld und durch Gesetze abzumildern, die den Schuldner vor dem Zugriff seiner Gläubiger schützten. Diese Maßnahmen weckten Erinnerungen an die galoppierende Inflation der Kriegsjahre und galten als Indiz dafür, daß der Schutz des Privateigentums nicht mehr gewährleistet war. Der heftige Parteienstreit, der sich auch an vielen anderen Fragen — von der Behandlung der zurückgebliebenen Loyalisten über die Gültigkeit des Friedensvertrags bis hin zur Erlaubnis für Theateraufführungen — entzündete, verhieß ebenfalls nichts Gutes. Von dieser Warte aus wurde die wirtschaftliche Malaise als äußere Erscheinungsform einer tieferreichenden moralischen Krise verstanden, als Verlust der „virtue", der Bürgertugend, ohne die eine Republik zugrundegehen mußte. Die geplante Verfassungsrevision durfte sich deshalb nicht auf eine neue Kompetenzverteilung zwischen Zentralregierung und Staaten beschränken, sondern sollte das Übel an der Wurzel packen und den Selbstzerstörungsmechanismus entschärfen, der offensichtlich in die Staatenverfassungen eingebaut war. 20 Wer das Geschehen unter diesem Vorzeichen sah, fand seine dunklen Ahnungen durch zwei Ereignisse vollauf bestätigt. Bei den April-Wahlen 1786 eroberte die radikale „Country Party" in Rhode Island den Gouverneursposten und eine Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments. Umgehend setzte sie ein Regierungsprogramm ins Werk, das den Wert-

20

Standardwerk über Entstehung, geistige Grundlagen und Inhalte der neuen Staatenverfassungen ist Willi Paul Adams, Republikanische Verfassung und bürgerliche Freiheit. Die Verfassungen und politischen Ideen der amerikanischen Revolution, Darmstadt 1973 (engl. Übers. 1980). John T. Agresto, Liberty, Virtue and Republicanism, 1 7 7 6 - 1 7 8 7 , in: RP 39 (1977), S. 473 ff. Vgl. Gerald Stourzh, Die tugendhafte Republik. Montesquieus Begriff der .vertu' und die Anfange der Vereinigten Staaten von Amerika, in: H. Fichte u. H. Peichl (Hrsg.), Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch, G r a z Wien—Köln 1965. Parallel zum Kampf um die Bundesverfassung wurden in mehreren Staaten Versuche unternommen, auch die State Constitutions zu revidieren. S. u. Kap. XXII.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

verfall des ausgegebenen Papiergeldes bewußt einkalkulierte und der Erleichterung der privaten wie der öffentlichen Schuldenlast dienstbar machte. Die agrarischen Country-Abgeordneten setzten sich bedenkenlos über die Proteste von Kaufleuten, Gläubigern und Handwerkern hinweg, deren Hartgeldforderungen mit praktisch wertlosem Papiergeld abgegolten werden konnten. Ebensowenig ließen sie sich durch den Einspruch der obersten Richter von Rhode Island beirren, die das „right of property" hochhielten. Ein erneuter Wahlsieg im Frühjahr 1787 gestattete es ihnen, die Richter durch willfahrige Gefolgsleute zu ersetzen und die Papiergeldpolitik, die weithin als Verhöhnung elementarer Grundsätze von Gerechtigkeit und Moral angeprangert wurde, noch zu verschärfen. Rhode Island bot dem Betrachter also bereits das Schauspiel einer ungezügelten Demokratie, die rücksichtslos mit den Rechten und Interessen der Minderheit umsprang. 21 Nicht minder beunruhigend waren die Nachrichten, die seit Mitte 1786 aus Massachusetts eingingen. Dort hatte sich die Legislative unter Führung der Geschäftswelt des Ostens für eine Politik des knappen Geldes und einen harten Konsolidierungskurs entschieden. Um die gegenüber den Staatsgläubigern eingegangenen Verpflichtungen pünktlich erfüllen zu können, wurden Steuern und Abgaben erhöht. Die Folge waren bäuerliche Protestaktionen im Landesinnern, die sich im August 1786 zu einer regelrechten Aufstandsbewegung ausweiteten. Gruppen bewaffneter Farmer unterbanden Steuereintreibungen und Zwangsversteigerungen und hinderten die lokalen Gerichte an ihrer Arbeit. Zu militärischen Formationen zusammengeschlossen, bedrohten sie schließlich sogar ein wichtiges Waffenarsenal der Union in Springfield. Am Sitz des Kongresses in New York City kursierten Gerüchte, die Rebellen wollten alle Schulden aufheben und mit Hilfe von „agrarian laws" eine gleichmäßige Besitzverteilung herbeiführen. Die Kunde von diesen Vorgängen ging wie ein Lauffeuer durch die Staaten und rief aufgeregte, teilweise hysterische Reaktionen hervor. Selbst für einen besonnenen Mann wie Washington stand nun fest, „that mankind when left to themselves are unfit for their own Government." Den Berichten aus Massachusetts entnahm er, daß die Vereinigten Staaten geradewegs

21

Irwin H. Polishook, Rhode Island and the Union, 1774—1795, Evanston, III., 1969; Patrick T. Conley, Rhode Island's Paper Money Issue and Trevett v. Weeden (1786), in: R. I. History 30 (1971), S. 95 ff.; John P. Kaminski, Paper Politics. The Northern State Loan-Offices During the Confederation, Ph. D. diss., Univ. of Wisconsin, Madison, 1972.

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33

auf „anarchy and confusion" zusteuerten. 22 Andere sahen in „Shays' Rebellion" einen heilsamen Schock, der letzten Endes den Reformbestrebungen zugutekommen werde. Die Empörung der gesetzestreuen Bürger müsse ausgenützt werden, schrieb Stephen Higginson an General Henry Knox: „The public mind is now in a fit State ... to come foreward with a System competent to the great purpose of all Civil Arrangements, that of promoting and securing the happiness of Society." 23 Zwar gelang es der Massachusetts-Miliz Anfang 1787 relativ mühelos, die Aufständischen zu zerstreuen, doch die psychologische Wirkung hielt über den Philadelphia-Konvent hinaus an. In der Ratifizierungsdebatte verwendeten die Federalists den Begriff „Shaysite" als Synonym für einen Gegner des Verfassungsentwurfs. Die Sorge um den inneren Zustand der Staaten brachte niemand klarer zur Sprache als James Madison. Der Plantagenbesitzerssohn aus Orange County in Virginia war zwar stets für eine Stärkung des Kongresses eingetreten, hatte aber nicht zum engeren Kreis der Nationalisten gehört. 24 Erst die Erfahrungen, die er seit 1784 im virginischen Parlament sammelte, machten ihn zu einem eifrigen Befürworter der Konventsideee. Noch vor Ablauf des Jahres erklärte er, man müsse verhindern, daß die unvollkommenen Systeme der Revolutionszeit zu „Gewohnheiten" würden. 25 Inmitten der Alarmmeldungen aus Rhode Island und Massachusetts kehrte er im Frühjahr 1787 wieder als Kongreß-Delegierter nach New York zurück. Dort verfaßte er eine Denkschrift unter dem Titel „Vices of the Political System of the United States", die im Kern bereits die Gedanken seiner großen Reden auf dem Verfassungskonvent und der bedeutendsten Nummern der P«M»j-Briefe enthält. In einigen kurzen Paragraphen handelte er die Ohnmacht der Konföderationsregierung und die strukturellen Mängel der Articles of Confederation ab. Den Haupt-

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Washington to Henry Lee, 31. 10. 1786; to Madison, 5. 11. 1786, Fitzpatrick X X I X , S. 33 f., 51 f. Higginson to Knox, 12. 11. 1786, zit. nach Rutland IX, 155, Anm. 4. Die Bezeichnung „Shays' Rebellion" (oder „Shays's Rebellion") hat sich eingebürgert, obgleich der ehemalige Offizier Daniel Shays nur einer der Führer und noch dazu ein gemäßigter war. DHRC XIII, 35, 91 ff. Die jüngste Darstellung der Vorgänge liefert David P. Szatmary, Shays's Rebellion. The Making of an Agrarian Insurrection, Amherst, Mass., 1980. Lance Banning, James Madison and the Nationalists, 1780 — 1783, in: WMQ 40 (1983), S. 227 — 255; ders., The Hamiltonian Madison. A Reconsideration, in: VMHB 92 (1984), S. 3 - 2 8 . Rutland VII, 10.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

akzent legte er jedoch auf die Fehlleistungen und irregulären Verhaltensweisen der Staatenparlamente: „If the multiplicity and mutability of laws prove a want of wisdom, their injustice betrays a defect still more alarming: more alarming not merely because it is a greater evil in itself, but because it brings more into question the fundamental principle of republican Government, that the majority who rule in such Governments, are the safest Guardians both of public Good and of private rights." 26 Mit dieser Auffassung stand Madison keineswegs allein. Ähnliche Zweifel an den moralischen und konstitutionellen Grundlagen der aus der Revolution hervorgegangenen Staaten hegten Hamilton in New York und der Kongreß-Delegierte Rufus King aus Massachusetts, der im Oktober 1786 schrieb: „But if ... the great Body of people are without Virtue, and not governed by any internal Restraints of Conscience, there is but too much room to fear that the Framers of our constitutions and laws have proceeded on principles that do not exist, and that America, which the Friends of Freedom have looked to as an Asylum when persecuted, will not afford that Refuge." 27 Solche Äußerungen waren nur die Spitze eines Eisberges, zu dem sich das Unbehagen an den politischen Verhältnissen verhärtet hatte. Die „firm league of friendship", das lockere Bündnis der dreizehn souveränen Republiken, die den Gefahren der Mehrheitstyrannei schutzlos ausgeliefert waren, mußte demnach durch ein System ersetzt werden, das die Unionsregierung mit der nötigen „coercive authority" gegenüber den Staaten ausstattete. Für das zweckmäßigste Instrument dieser Zwangsgewalt hielt Madison ein Vetorecht, das es der Zentralregierung erlaubte, in die Staatengesetzgebung einzugreifen und ungeeignete Maßnahmen zu anullieren. Dieser Idee maß er zentrale Bedeutung zu, und um ihre Verwirklichung wollte er in Philadelphia kämpfen. 28 Hier war aber ein Zwiespalt angelegt, der die gesamte spätere Verfassungsdebatte

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Rutland IX, 345 ff. Vgl. Neal Riemer, James Madison's Theory of the SelfDestructive Features of Republican Government, in: Ethics 65 (1954), S. 34 ff. Madisons Kollege Edward Carrington sah das Virginia-Parlament „frequently disgraced by wicked and puerile acts." Rutland XII, 393. To Theodore Sedgwick, zit. nach Agresto, Liberty, Virtue and Republicanism, S. 488. Rückblickend stellte der Oberste Bundesrichter John Marshall 1827 fest, die „general tendency of state politics" habe ihn in den 1780er Jahren überzeugt, „that no safe and permanent remedy could be found but in a more efficient and better organized general government." Zit. nach Shaffer, Politics of History, S. 153. Charles F. Hobson, The Negative on State Laws. James Madison and the Crisis of Republican Government, in: W M Q 36 (1972), S. 215 f.

Unbehagen an der Konföderation und Bewegung für eine nationale Regierung

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durchziehen sollte: Wer sich zur Stärkung des Kongresses bereitfand, brauchte noch lange nicht der Entmachtung der Staaten zuzustimmen. Madison ging davon aus, daß die Mißstände, die aus der Praxis der Parlamente resultierten, mehr zum Zustandekommen des Konvents und zur Reformbereitschaft der Öffentlichkeit beitrugen, als die Mängel, „which accrued to our national character and interest from the inadequacy of the Confederation to its immediate objects." 29 Als er diese Zeilen am 27. Oktober 1787 an Jefferson schrieb, stand aber noch keineswegs fest, ob der „public mind" den Verfassungsentwurf von Philadelphia, der auch ohne das Veto gegen Staatengesetze weit über eine bloße Reform der Articles of Confederation hinausging, tatsächlich sanktionieren würde.

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Boyd XII, 276.

II. K A P I T E L

Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung, 1783 bis 1790

Das Ideal der gesellschaftlichen

Harmonie und die Hierarchie der Interessen

Die Verfassungsdebatte fand nicht im luftleeren Raum abstrakter Staatstheorien und ideologischer Konzepte statt. Es standen auch handfeste wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel: Interessen der verschiedenen Regionen und jedes einzelnen Staates der Union; Interessen gesellschaftlicher Schichten und Gruppen; und nicht zuletzt auch Interessen von Individuen. Das Zusammenwirken und die Verflechtung von ökonomischen und politisch-ideologischen Motiven bildeten die Voraussetzung für die Fortentwicklung der Parteien in den Staaten und für die Ausformung eines ersten nationalen Zweiparteien-Systems. Der Vorwurf, Befürworter und Gegner des Verfassungsentwurfs hätten sich weniger von politischen Überzeugungen und Gemeinsinn als von Ehrgeiz und Eigensucht leiten lassen, wurde nicht erst in späteren Geschichtswerken erhoben. Schon die Zeitgenossen gaben sich redlich Mühe, hinter den öffentlichen Verlautbarungen und dem Schwall der Rhetorik die „secret springs of action" zu entdecken. 30 Bald erregte es kaum noch Aufsehen, wenn die Opponenten den Federalists „selfish and personally interested Motives" unterstellten, oder wenn umgekehrt die Federalists ihre Widersacher als „needy unprincipled men" verunglimpften, die sich von „vile, sordid self views" und „private passions and avarice" leiten ließen. 31 Dieser Schlagabtausch bezeugt die Schwierigkeit der Amerikaner, das pessimistische bzw. „realistische" Menschenbild der 30

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Amariah Jocelin to Jeremiah Wadsworth, Wilmington, Ν. C., Oct. 1789, J. Wadsworth Correspondence, CtHi; „An Old Spy", N. C. Gazette, 19. 12. 1787. Typisch ist die Äußerung des Kaufmannes Levi Hollingsworth in einem Brief an Richard Dobbs Spaight in North Carolina: „I am sorry to find that your State should have any opposers to the New Constitution. They must be under the influence of Privat interest or mistaken prejudice." 22. 4. 1788, Hollingsworth Letterbook, PHi.

Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung

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Zeit mit den Idealen des Republikanismus und den Erfordernissen ihrer zunehmend fragmentierten, interessenorientierten Gesellschaft in Einklang zu bringen. Daß der Einzelne auch in einer Republik erst einmal an das eigene Fortkommen dachte, war eine betrübliche Erkenntnis, die sich aber nach der Revolution bei vielen zur unumstößlichen Wahrheit verfestigte: „It is the nature of man to pursue his own interest, in preference to the public good," klagte der philadelphische Anwalt James Wilson. Die Antifederalists widersprachen nicht, kehrten das Argument aber gegen den Urheber selbst, als dessen schwachen Punkt sie den brennenden Ehrgeiz ausgemacht hatten, Oberster Bundesrichter zu werden. 32 Der federalistische Pamphletist Jonathan Jackson sah die gesamte Politik von Interessen und Interessenten beherrscht: „To expect that men in publick, any more than in private life, will act without interested motives, is to expect what is never to be found in human nature, nor ought to be looked for." Das war zugleich eine Kritik an den Revolutionären von 1776, die genau dies erwartet und das Bild einer harmonischen Republik mit tugendhaften, selbstlosen und solidarischen Bürgern gemalt hatten. 33 Die Wandlungen im politischen Leben der Staaten und der Union belehrten sie eines Besseren. Die Menschen ließen sich von „present conveniences" anstatt von Prinzipien leiten, stellte John Jay ernüchtert fest. „Interest has a mighty effect on the opinions of Man," pflichtete William Ellery in Rhode Island bei, und Samuel A. Otis bezeichnete „Interest" als den Leitstern, der Menschen und Mächten im Guten wie im Bösen die Richtung wies. Als im Philadelphia-Konvent die Sklavenfrage verhandelt wurde, erklärte John Rutledge aus South Carolina, Religion und Humanität hätten damit nichts zu tun: „Interest alone is the governing principle with Nations." 34 Die Verfassung schien da keine Ausnahme zu bilden. Laut Abigail Adams Smith harrten die New Yorker der Ratifizierung „with great expectations of receiving

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Vgl. Wilsons Rede vom 6. 10. 1787 und „Centinel" XIII vom 30. 1. 1788, D H R C II, 171; XV, 506. Daß der Verdacht, Wilson spekuliere auf einen Sitz im Supreme Court, nicht unbegründet war, bestätigt Charles W. Smith, James Wilson, Founding Father, 1 7 4 2 - 1 7 9 8 , Chapel Hill, Ν. C., 1956, S. 284. „A Native of Boston", Aug. 1788, Evans 21173. In der ersten Zeit nach der Unabhängigkeit hatten die Parlamente noch versucht, die Bürgertugend per Gesetz zu verordnen. Jay to Washington, New York, 21. 9. 1788, Johnston, Correspondence III, S. 360f.; Ellery to John Adams, Newport, 13. 5. 1790, Ellery Papers, R. I. State Archives; Otis to Davis, Ν. Y., 27. 5. 1788, Davis Papers, MHi; Rutledge in Farrand II, 364.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

advantage from it ...There are very few who have not personal aggrandizement in view." Auch in Boston stand außer Zweifel, daß die Annahme oder Ablehnung des Entwurfs eine „material difference in the value of property" machen würde. 35 Sobald es allerdings um die ganz persönliche Haltung ging,verwahrte sich jedermann gegen eine übertriebene Betonung des Egoismus als der Triebfeder seines Handelns. Daß Eigeninteressen die politische Entscheidung mitbeeinflußten, wurde normalerweise nicht abgestritten. Welches Gewicht ihnen aber letzten Endes zukam, wußten die Beteiligten oft selbst nicht genau zu sagen: „I find myself wavering," gestand St. George Tucker, „perhaps interest has it's Biass, in that case." George Turner sah die Grundrechte in Gefahr und blieb auch den Prosperitätsverheißungen der Federalists gegenüber skeptisch, fügte aber an, er selbst hätte von dem neuen System wohl nichts zu befürchten: „As a public Creditor, and weighing, like many good Citizens, my own private Advantage against the public Good, I ought to wish for the most speedy Adoption of the proposed plan ... [the] Payment of my hopeless Debt might perhaps be obtained sooner under a real Government of any sort, than one merely nominal."36 Der North Carolina-Federalist Hugh Williamson glaubte nicht, daß privates Gewinnstreben sein politisches Urteil trübe, „but having claims to a considerable Quantity of Land in the Western Country I am fully persuaded that the Value of those Lands must be increased by an efficient federal Government." Angriffen auf seine persönliche Integrität baute er früh vor: „I have not in a single instance preferred my private interest to the benefit of the State." Mindestens ebenso glaubwürdig klingt das Bekenntnis, das der in Virginia unterlegene Antifederalist George Mason seinem Sohn machte: „In this important trust, I am truly conscious of having acted from the purest motives of honesty, and love to my country, according to that measure of judgment which God has bestowed on me." 37 Washington, der für sich dasselbe reklamierte, billigte eine Zeitlang den führenden Persönlichkei35

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Abigail Α. Smith to Abigail Adams, New York, 15./22. 6. 1788, DeWindt II, S. 80ff.; Thomas Smith to John Dolbeare, Boston, 15. 11. 1787, Dolbeare Papers, MHi. Tucker to Fanny Tucker, Richmond, 3. 10. 1787, Tucker-Coleman Papers, Swem Library, WM; Turner to Winthrop Sargent, Philad., 6. 11. 1787, DHRC XIII, 565 f. Williamson to Madison, New York, 2. 6. 1788, Rutland XI, 71 f.; to Iredell, New York, 23. 8. 1788, McRee II, 236 ff.; Mason to John Mason, Gunston Hall, 13. 3. 1789, Rutland, Mason Papers III, 1142f.

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ten auf beiden Seiten guten Willen und Sorge um das Gemeinwohl zu. Dann drängte ihn allerdings die vollständige Identifizierung mit dem Schicksal des Verfassungsentwurfs dazu, hinter jeglicher Kritik unlautere Absichten zu vermuten. Als die Verfassung endlich in Kraft war, rang er sich jedoch wieder zu seiner ursprünglichen, staatsmännischen Haltung durch: „A difference of opinion on political points is not to be imputed to Freemen as a fault; since it is to be presumed that they are all actuated by an equally laudable and sacred regard for the liberties of their Country."38 Wie viele andere Konzepte, war auch das Verständnis von „Interest" im Wandel begriffen. Nach der Revolution verbreitete sich die Einsicht, daß das Geltendmachen von Interessen und der offene Austrag von Interessenkonflikten zu den Wesensmerkmalen einer freiheitlich-republikanischen Staatsordnung gehörten. Madison schrieb im zehnten PubliusBrief nieder, was viele wahrnahmen. Die „zivilisierte", arbeitsteilige, zunehmend auf Marktbeziehungen ausgerichtete Gesellschaft brachte mit Notwendigkeit „Interests" hervor, denen man besser nicht verwehrte, sich zu organisieren und zu artikulieren: „A landed interest, a manufacturing interest, a mercantile interest, a moneyed interest, with many lesser interests, grow up of necessity in civilized societies, and divide them into different classes, actuated by different sentiments and views." „Atticus" zitierte zustimmend Popes Verse: „Thus jarring interests, of themselves create Th'according music of a well mix'd State." Wer den eigenen Interessen gemäß handelte, machte im Grunde nur von seinem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch: Er halte dafür, verkündete ein Handwerker in Baltimore, „that the liberty of a mechanic, or of any man, consists in a right to serve himself ... I am led by my interest and not by my nose." So besehen, fand es auch Henry Knox nicht überraschend, daß der Verfassungsentwurf auf Opposition stieß: „When mankind will constantly develop upon their frailties and faculties and being constrained by local circumstances to receive the same object through different mediums and with different apparatus it is no wonder that their conceptions and opinions should be different." 39 Die Aufklä38

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Antwort auf die Grußadresse des Ν. C. Council of State vom 10. 5. 1789 am 19. 6. 1789, Governors' Papers, NCDAH; vgl. Washington to Hamilton, 18. 10. 1787, Syrett IV, 284. „Publius" X, DHRC XIV, 177; „Atticus" II, Boston Indep. Chronicle, 18. 10. 1787; „A Federal Mechanic", Baltimore Md. Gazette, 9. 9. 1788; Knox to Lincoln, New York, 13. 6. 1788, Knox Papers, MHi.

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rungsphilosophen maßen den wirtschaftlichen Interessen — neben dem Streben nach Ruhm und Ehre und der „passion of distinctions" — eine überragende Bedeutung für das politische und soziale Handeln zu. Sie stellten dabei die Fähigkeit des Menschen in Rechnung, seine Interessen rational zu erkennen, zu definieren und zu verfolgen. Daraus erwuchsen den Verfassungsgebern zwei wichtige Aufgaben. Zum einen mußten sie das ungerechtfertigte Ubergewicht eines „Interest" oder einer Interessenkoalition vermeiden und einen Gleichgewichtszustand anstreben. Zweitens hatten sie zwischen den legitimen und den selbstsüchtigen, das Gemeinwohl schädigenden Interessen zu unterscheiden, also gewissermaßen eine Rangfolge der „Interests" aufzustellen. 40 Die Art und Weise, mit der Federalists und Antifederalists diese beiden Aufgaben angingen, offenbart Gemeinsamkeiten, aber auch Trennendes. Aus der Perspektive der Yerfassungsgegner gebührte dem „agricultural" oder „landed interest" im Kreis der vier großen, von Madison genannten Interessenzusammenhänge eine natürliche Vorrangstellung. Sein zahlenmäßiger Anteil an der Gesamtbevölkerung lag bei gut 90%, und sein Kern, die freie, grundbesitzende Bauernschaft (yeomanry), bildete nach traditioneller Auffassung die Grundlage eines republikanischen Gemeinwesens. Der „landed interest" war kein monolithisches, sondern ein recht differenziertes Gebilde, zu dem auch die reichen Grundherren (landlords) des Hudson-Tales und ihre Pächter [tenants), sowie die Plantagenbesitzer des Südens gehörten. Gemeinsam erhofften sie sich aber eine erträgliche Steuerlast, günstige Kredite, aufnahmefähige Märkte und angemessene Preise. Die Südstaaten-Pflanzer legten darüber hinaus besonderen Wert auf billige Frachtraten im Schiffsverkehr, die ihre Profitmarge erhöhten. Ein zwiespältiges Verhältnis hatten die Antifederalists zum „manufacturing interest", der Handwerkerschaft, den Kleingewerbetreibenden und den in Handelshäusern, Manufakturen und Industrien beschäftigten Arbeiter. Auch dieser „Interest" trat nicht völlig einheitlich und in sich geschlossen auf, wie die gelegentlichen Reibungen zwischen Handwerksmeistern und Gesellen bezeugen. Dennoch hob er sich sowohl 40

E. A. J. Johnson, The Foundations of American Economic Freedom. Government and Enterprise in the Age of Washington, Minneapolis 1973, S. 5 ff., 40 ff., 302 ff. Vgl. dazu Diggins, Lost Soul of American Politics, S. 352; Albert O. Hirschman, The Passions and the Interests. Political Arguments for Capitalism Before its Triumph, 2nd ed., Princeton, N. J., 1978; Walter Euchner, Egoismus und Gemeinwohl. Studien zur Geschichte der bürgerlichen Philosophie, Frankfurt/M. 1973; J. A. W. Gunn, Beyond Liberty and Property. The Process of Self-Recognition in 18th-Century Political Thought, Kingston-Montreal 1983.

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durch soziale Merkmale — das Vorherrschen der „middling" und der „lower sort of people" — als auch durch seine wirtschaftspolitischen Forderungen nach hoher Beschäftigung und Schutz vor ausländischen Fertigwaren-Einfuhren hinreichend von den anderen Gruppen ab. 41 Die sozialen Charakteristika schienen den „manufacturing interest" zum natürlichen Verbündeten der Antifederalists zu machen, die ja eine Frontstellung gegen die „Reichen und Mächtigen" bezogen. Das Verlangen, einfache Industrieprodukte mit Hilfe von Zollschranken abzuwehren, und der Wunsch nach einer stabilen Währung schufen jedoch eine schwer überbrückbare Kluft zur Masse der Farmer, denen nur der Import von Luxusartikeln ein Dorn im Auge war, und die sich von inflationären Maßnahmen eine Erleichterung ihrer Schuldensituation erhofften. Die geballte Macht der Handels- und Geldinteressen, die sie im — weitgehend identischen — „mercantile" und „monied interest" erblickten, empfanden die Antifederalists dagegen als Bedrohung. Zum „mercantile interest" rechnete man die im Überseegeschäft engagierten Großhändler und Reeder sowie Kaufleute und Zwischenhändler bis hin zu kleinen Ladenbesitzern, Schiffskapitänen und Seeleuten. Prestige und Einfluß dieser in den Hafenstädten konzentrierten Schicht wurden durch die Allianz verstärkt, die sie mit Vertretern der freien Berufe wie Anwälte, Ärzte und Gelehrte einging. Ihre Sprecher forderten eine harte Währungspolitik, Einheitlichkeit in der Wirtschafts- und Handelspolitik sowie möglichst freizügige Ein- und Ausfuhrbestimmungen — allerdings mit Vorrang der amerikanischen Schiffseigner vor der ausländischen Konkurrenz. 42

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Die städtischen Mittelschichten haben in letzter Zeit verstärkt Aufmerksamkeit gefunden. Eine fesselnde Schilderung ihrer Lebensumstände in Philadelphia gibt Eric Foner, Tom Paine and Revolutionary Philadelphia, New York 1976. Bedeutende neuere Beiträge sind Howard B. Rock, Artisans of the New Republic. The Tradesman of New York City in the Age of Jefferson, New York 1979; Charles G. Steffen, The Mechanics of Baltimore. Workers and Politics in the Age of the Revolution, 1 7 6 3 - 1 8 1 2 , Urbana, 111., 1984; Sean Wilentz, Chants Democratic. New York City and the Rise of the American Working Class, 1788—1850, New York 1984; Ronald D. Schultz, Thoughts Among the People. Popular Thought, Radical Politics, and the Making of Philadelphia's Working Class, 1 7 6 5 - 1 8 2 8 , Ph. D. diss., Univ. of California — Los Angeles, 1985. Wichtige Einblicke in Tätigkeit und Selbstverständnis dieser Gruppe vermitteln Benjamin W. Labaree, Patriots and Partisans. The Merchants of Newburyport, 1764—1815, Cambridge, Mass., 1962; Edward C. Papenfuse, In Pursuit of Profit. The Annapolis Merchants in the Era of the American Revolution, 1763 — 1805, Baltimore —London 1975; Thomas M. Doerflinger, Merchants and Economic Development in Revolutionary Philadelphia, Chapel Hill, N. C., 1986.

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Besonders gespannt waren die Beziehungen der Antifederalists zum „monied interest", der alle diejenigen verband, die Geld an Privatleute verliehen hatten und die durch Revolution und Krieg willentlich oder gezwungenermaßen zu Gläubigern der Staaten und der Union geworden waren. Prinzipiell erkannten die Verfassungsgegner durchaus an, daß private Abmachungen eingehalten und Schulden beglichen werden mußten und daß der Besitz verzinslicher Staatspapiere einklagbare Eigentumsansprüche begründete. In beiden Fällen reichte ihrer Meinung nach die schlichte Berufung auf „heilige Rechte" allerdings nicht aus, da verschiedene „property rights" kollidierten. Die Forderungen der „public and private creditors" mußten mit den Bedürfnissen der zahllosen Farmer in Einklang gebracht werden, die ohne eigenes Verschulden in die Klemme geraten waren. Wem half es, wenn sich die Schuldgefängnisse füllten und immer mehr Eigentum unter den Hammer des Zwangsversteigerers kam? Trugen die Regierungen nicht auch und gerade Verantwortung für die wirtschaftlich Schwachen? Die Frage sei, schrieb „Brutus", „whether the law which impowers creditors to confine debtors in goal, who are willing, but unable to pay their debts, is a just law?" 43 Bei den öffentlichen Gläubigern handelte es sich vielfach nicht mehr um die ursprünglichen Inhaber der Staatspapiere, sondern um Geschäftsleute und professionelle Makler, die abgewertete Schuldscheine horteten und auf Spekulationsgewinne hofften. Ihre Ansprüche aus Steuermitteln voll zu befriedigen, schien den Antifederalists weder sozial gerecht, noch politisch sinnvoll zu sein. Diesen „speculative interest" beurteilten sie durchweg negativer als die Spekulation mit Ländereien im Westen oder mit konfiszierten loyalistischen Besitztümern, an der sie nicht unbeteiligt waren. 44 Trotz gewisser Sympathien für den „manufacturing interest" 43

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Hampshire Gazette, 5. 12. 1787 (es handelte sich nicht um den bekannteren New Yorker „Brutus"). Am 12. 12. schrieb er, das vom Bostoner Parlament beschlossene Schutzgesetz (Tender Law) sei kein „act of grace", sonden ein „act of justice, making provisions that the creditor may receive the full value of his debt, though in a way not so injurious to the debtor." Über das harte Los zahlungsunfähiger Schuldner Peter J. Coleman, Debtors and Creditors in America. Insolvency, Imprisonment for Debt, and Bankruptcy, 1607 — 1900, Madison, Wise., 1974, S. 249ff. „Z" zählte zu den „Verfassungsgewinnlern" u. a. „the present holders of public securities, who have defrauded the honest soldiers of their just dues." U. S. Chronicle, 12. 6. 1788. „A Citizen of America" (Noah Webster?) warf dafür den prominenten New Yorker Antifederalists vor, sich seit 1776 pro Kopf etwa 20.— 30. 000 acres Land verschafft zu haben. In Maryland spekulierten Samuel Chase und seine Freunde mit konfiszierten Ländereien. S. u. Kap. XV.

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gingen die Kritiker von einem Grundkonflikt zwischen agrarischen und städtisch-kommerziellen Interessen aus und projizierten ihn in die Verfassungsfrage. Am deutlichsten wird das in folgender Passage des Cor«i/äw-Essays im Hampshire Chronicle: „The citizens in the seaport towns are numerous; they live compact; their interests are one; there is a constant connection and intercourse between them; they can, on any occasion, centre their votes where they please ... the landed interest... are scattered far and wide; they have but little intercourse and connection with each other ... Thus I conceive, a foundation is laid for throwing the whole power of the federal government into the hands of those who are in the mercantile interest; and the landed, which is the great interest of this country to be unrepresented, forlorn, and without hope." 45 Die Federalists bewerteten derartige Auffassungen wie Häresien. Das Gebot des Eigentumsschutzes galt ihnen absolut. Seine Vernachlässigung brachte nicht nur wirtschaftliche Nachteile mit sich, sondern rüttelte an den sittlich-moralischen Grundfesten des Staates. Wohl durften temporäre Ausnahmebestimmungen zur Überwindung einer Notlage ergriffen werden. Zur schleunigen Rückkehr auf den Pfad der Rechtschaffenheit gab es aber keine Alternative. Wie so oft, brachte Washington diese Philosophie auf den kürzesten Nenner: „Honesty in States as well as in Individuals, will ever be found the soundest policy." 46 Im übrigen weigerten sich die Federalists strikt, eine Hierarchie der „Interests" anzuerkennen. Für sie waren alle gleich wichtig, gleich nützlich, und auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden. Wo die Verfassungskritiker auf Konfliktmöglichkeiten und Rivalitäten hinwiesen, beschrieben sie einen Wirtschaftskreislauf, dessen Gesundheit und Schwäche jedermann zu spüren bekam. Ein „Mechanick" erinnerte die notleidenden Bürger von Newport daran, „that all your silver and gold came from the merchants through the medium of trade — the merchant received it from the West-Indies, he handed it to the mechanicks ... and they more rapidly consigned it to the farmer for his produce — witness our markets." 47 Gewiß sahen die Federalists im „mercantile interest" das „aufgeklärte", weltoffene Element der amerikanischen Bevölkerung und die Triebfeder des wirtschaftlichen Fortschritts. Es war bekannt, welch große Bedeutung Männer wie Hamilton, Robert Morris und Gouverneur Morris dem „monied interest" für die Zukunft der Nation zumaßen. Der Gedanke, die 45 40 47

Hampshire Chronicle, 18. 12. 1787. To David Stuart, 5. 11. 1787, Washington Papers, LC. Newport Herald, 13. 3. 1788.

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Geschicke der öffentlichen Gläubiger unlösbar mit denen der Zentralregierung zu verketten und die Staatsschuld zum „cement of the union" zu machen, stammte schon aus den dunkelsten Stunden des Krieges. 48 Andererseits verbreiteten die federalistischen Publizisten, allen voran Tench Coxe, eifrig die beruhigende Botschaft, die Position des „landed interest" werde schon auf Grund seiner numerischen Stärke unangefochten bleiben. Verantwortlich für die Spannungen zwischen Stadt und Land seien nicht unüberbrückbare Interessengegensätze, sondern Mißverständnisse und Vorurteile. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit zeigten doch, daß die Vertreter der Landwirtschaft jederzeit imstande waren, in den Staatenparlamenten solide Mehrheiten aufzubieten. Wie sollten ohne sie oder gegen ihren Willen wichtige Entscheidungen gefallt werden? An dieser Grundkonstellation vermochte auch die neue Verfassung nichts zu ändern. Die Bevölkerung der Vereinigten Staaten, die sich erfahrungsgemäß alle 25 Jahre verdoppelte, und der die unermeßliche Weite des Kontinents als Expansionsraum zur Verfügung stand, würde auf lange Zeit hinaus ihre agrarische Wirtschafts- und Lebensweise bewahren können. 49 In ähnlichen Bahnen verlief der Streit um die Frage, ob bei der Verfassunggebung auf die diversen „local interests" Rücksicht genommen werden müsse. Die Antifederalists wollten die Interessen ihres jeweiligen Staates und ihrer Region nicht den schwer vorhersehbaren Bedürfnissen und Zwängen eines amerikanischen Empire zum Opfer bringen. Es drohten im Norden, Süden und Westen Randgebiete zu entstehen, die zugunsten des politischen und wirtschaftlichen Zentrums der „konsolidierten" Union vernachlässigt würden. Bostoner Kritiker warnten, die Stadt werde einen Teil ihres Handels an Philadelphia verlieren, das die besten Voraussetzungen für eine nationale Metropole bot. 50 War dem 48 49

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Ferguson, Power of the Purse, S. 109 ff. „An American": „To Richard Henry Lee", 28. 12. 1787, DHRC XV, S. 165 ff. Über den Konflikt zwischen „Landed and Commercial Interests" in Virginia Alexander Donald to Jefferson, 12. 11. 1787, Boyd XII, 345 ff. Die Zukunft des „landed interest" beschäftigte auch den Verfassungskonvent. Madison sah voraus, daß sich Nordamerika auf Grund des Bevölkerungswachstums allmählich den „modern States of Europe" angleichen werde und daß die Landbesitzer dann von der Masse der Landlosen bedroht sein könnten. Um die Vorherrschaft der Ostküste bangte Gouverneur Morris: „If the Western people get the power into their hands they will ruin the Atlantic interest." Farrand I, 421 ff., 425, 430ff., 583; II, 202 ff., 221, 362, 442. Zu den „Disadvantages of Federalism" zählte ein Flugblatt in Boston u. a.: „The Trade of Boston transferred to Philadelphia; the Boston Tradesmen starving ... [The] importance of Boston annihilated ... The wealthy retiring to Philadelphia

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Gemeinwohl nicht eher gedient, wenn jeder Staat nach Kräften für die eigene Entwicklung und Prosperität Sorge trug? Die New Yorker beispielsweise lebten nicht schlecht in der Konföderation und hatten, wie ein Kongreß-Delegierter zugab, „many Arguments of private Interest", die gegen die Abgabe weiterer Kompetenzen an die Unionsregierung sprachen. 51 Die Federalists nahmen solche Vorstellungen zum Anlaß, ihre Gegner des Lokalpatriotismus und der provinziellen Borniertheit zu zeihen. Nur die Uberwindung „lokaler Vorurteile" und die Preisgabe von Sonderinteressen konnten den Weg zu einem Amerika ebnen, von dessen politischer, ökonomischer und militärischer Stärke alle Teile der Union gleichermaßen profitieren würden. In Maryland hoffte man, die neue Verfassung sei „better calculated to promote the general Interest of the Union ... our Commerce will be rendered more Respectable and of course the property and produce of this Country more Valuable, than it hath been for sometime past." 52 Als wenige Monate später zur Debatte stand, wo die neue Regierung ihren Sitz nehmen sollte, erwiesen sich jedoch auch die Federalists von New York bis Virginia als überaus empfänglich für den Reiz der „local interests." 53 Damit war die Interessenvielfalt der Gesellschaft noch lange nicht erschöpft. Die übrigen „Interests" konnten aber entweder nur eingeschränkte Geltungskraft beanspruchen, oder sie erschienen im politischen Leben gar als anstößig. Den religiösen und ethnischen Gemeinschaften wurde im Prinzip die freie Entfaltung zugesichert, solange sie nicht die Rechte und Gefühle anderer beeinträchtigten. Ob die Verfassung diesen

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to spend their Revenues, while we are oppressed to pay Rents and Taxes to Absentees ..." „Truth", 14. 11. 1787, Shipton-Mooney 45060. Die Ängste werden verständlicher, wenn man weiß, daß Boston schon am Ende der Kolonialzeit Mühe hatte, wirtschaftlich mit den anderen großen Städten Schritt zu halten. Siehe Nash, Urban Crucible (1979); Myron F. Wehtje, A Town in the Confederation. Boston, 1 7 8 3 - 1 7 8 7 , Ph. D. diss., Univ. of Virginia, 1978. Hugh Williamson to Samuel Johnston, New York, 27. 7. 1788, Governors' Papers, NCDAH. H. D. Gough to Thomas Worthington, Perry Hall, 12. 2. 1788, Misc. Mss., MHi. Hauptkonkurrenten waren Philadelphia und New York. Coxe & Frazier hofften auf die baldige Ankunft des Kongresses, „which will increase the Demand of West India Articles, and will have a favorable effect, we expect, on business in general." To Stephen Blackett, Philad., 11. 7. 1788, Coxe Papers, PHi. Robert Morris meinte, Philadelphia passe ausgezeichnet in die 10-Quadratmeilen-Zone „and [will] become the Head Quarters for Politics and Pleasure and it will be particularly well adapted for all who have sufficient Annual Income to live upon." To Horatio Gates, Richmond, 12. 6. 1788, R. Morris Papers, Emmet Coll., NN.

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Grundsatz bestätigte oder nicht, blieb bis zur A n n a h m e des zweiten A m e n d m e n t s eine offene und vieldiskutierte Frage. 5 4 Heftig umstritten w a r die Existenzberechtigung eines eigenen „military interest", wie er sich seit 1783 in der Society of the Cincinnati organisierte. Den Cincinnati gehörten auch Verfassungsgegner wie N e w Yorks G o u v e r n e u r Clinton an; doch die große Mehrheit der Antifederalists und selbst etliche Federalists begegneten diesem Offiziersorden, der fatal an den europäischen A d e l erinnerte, äußerst skeptisch. Unbeeindruckt v o n den heftigen A n feindungen, ergriff die Gesellschaft eindeutig Partei und propagierte auf ihren feierlichen Versammlungen und in Grußbotschaften an den V o r sitzenden Washington die Ratifizierung als patriotische Pflicht. 5 5 Major J o h n D o u g h t y aus Virginia versicherte K n o x , „that o u r society are more generally advocates of g o o d G o v e r n m e n t , than perhaps any other Class of Citizens." Ein K o r r e s p o n d e n t des United

States

Chronicle

argwöhnte

deshalb, die Verfassung lege stillschweigend „the foundation of an Hereditary Aristocracy, by the institution of the O r d e r o f the Cincinnati." 5 6

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Daß v. a. die Juden gegen beträchtliche Diskriminierungen kämpfen mußten, zeigt das Ersuchen um Religionsfreiheit und politische Gleichstellung, das die philadelphische Gemeinde an den Verfassungskonvent richtete. Farrand III, 78f. Vgl. Morton Borden, Jews, Turks, and Infidels, Chapel Hill, N. C., 1984. Zum zweiten Amendment s. u. Kap. XXII. Siehe ζ. Β. die Grußbotschaft des New Hampshire-Kapitels an Washington vom 7. 1. 1788, Washington Papers, LC. Die Generalversammlung vom 1789 verlautbarte: „A good constitution was the object for which we risked our lives ... We are happy in the conviction that our views are answered in the present government of the United States." Charleston State Gazette, 28. 6. 1789. Eine wirksame Anklageschrift hatte 1783 Aedanus Burke mit den Considerations on the Society or Order of Cincinnati verfaßt. Zum Einfluß dieses Pamphlets auf die Verfassungsdebatte DHRC III, 379, 429, Anm. 1. Vgl. Edgar E. Hume, ed., General Washington's Correspondence Concerning the Society of the Cincinnati, Baltimore 1941; ders., The Role of the Cincinnati in the Birth of the United States, in: Pa. History 5 (1938), S. 101 ff. Zur Mitgliedschaft Clintons Frederick R. Stevens, New York in the Society of the Cincinnati, in: Ν. Y. History 25 (1944), S. 18 — 34. Eine neue Gesamtdarstellung liegt vor von Minor Myers, Jr., Liberty Without Anarchy. A History of the Society of the Cincinnati, Charlottesville, Va., 1983. Doughty to Knox, 5. 7. 1788, Knox Papers, MHi; „Z", 12. 6. 1788. In seiner Autobiographie von 1827 maß John Marshall, Konvent-Delegierter von Virginia und später Oberster Bundesrichter, seiner militärischen Erfahrung große Bedeutung zu: „My extensive acquaintance in the army was of great service to me ... I was confirmed in the habit of considering America as my country, and congress as my government." John S. Adams, ed., An Autobiographical Sketch of John Marshall, Ann Arbor, Mich., 1937.

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Wer eine Offizierskarriere anstrebte, setzte seine H o f f n u n g auf die Etablierung des neuen Systems. Solche W ü n s c h e öffentlich zu äußern, w a r aber angesichts der Stimmung während der Verfassungsdebatte nicht ratsam. 5 7 Die Federalists betrachteten die Leidenschaft, der Nation auf diese Weise zu dienen, als aller Ehren wert. Ihre Kontrahenten verliehen den Begriffen „ambition" und „love of fame" in der Debatte aber einen ausgesprochen negativen, an die Gefahren der Aristokratie gemahnenden Beiklang. 5 8 A l s f r a g w ü r d i g galten die „rein privaten" Interessen — das Festklammern an Regierungsämtern, das die Federalists den Opponenten immer wieder unterstellten, oder das Schielen nach lukrativen Posten in der neuen Administration, das die Antifederalists bei den Verfassungsb e f ü r w o r t e r n zu erkennen glaubten. Daß dies letztere nicht ganz abwegig war, belegen Ä u ß e r u n g e n in Privatbriefen und die Vielzahl v o n Bittund Empfehlungsschreiben, die den designierten Präsidenten Washington schon ab Herbst 1 7 8 8 erreichten. Die Bewerber vergaßen selten zu erwähnen, daß sie sich frühzeitig und energisch f ü r die Ratifizierung der Verfassung eingesetzt hätten. 5 9 57

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„If [the Constitution] should be approved of by the State will there be a Military establishment? — If so I hope you will think of me — as that is the only situation in which I shall ever be happy." Henry Jackson to Knox, 28. 10. 1787, Knox Papers, MHi. Ehemalige Offiziere der Kontinentalarmee neigten eher dem Federalismus zu als Angehörige der Staatenmilizen. Vgl. Wallace Ε. Davies, The Society of the Cincinnati in New England, 1783-1790, in: WMQ 5 (1948), S. 3 - 2 5 ; Sidney Kaplan, Veteran Officers and Politics in Massachusetts, WMQ 9 (1952), S. 29 — 57; William A. Benton, Pennsylvania Revolutionary Officers and the Federal Constitution, in: Pa. History 31 (1964), S. 4 1 9 - 4 3 5 ; Edwin C. Burrows, Military Experience and the Origins of Federalism and Antifederalism, in: Jacob Judd and Irwin H. Polishook, eds., Aspects of Early New York Society and Politics, Tarrytown, Ν. Y., 1974. Hamiltons Ausspruch, die „love of fame" sei „the ruling passion of the noblest mind" interpretiert Douglass Adair, Fame and the Founding Fathers, ed. H. Trevor Colbourn, New York 1974, S. 7. Vgl. Diggins, Lost Soul of American Politics, S. 69 ff.; Stourzh, Hamilton, S. 76 ff. Robert Ballard aus Baltimore hoffte am 1. 1. 1789, „that my true Federal principles will have some Influence with the Friends of the Federal Constitution." Samuel Hanson, ebenfalls aus Maryland, erbat am 7. 1. 1789 Washingtons „patronage in securing a federal job." Washington Papers, LC. 1789/90 bewarben sich sogar schon zahlreiche Rhode Islander, obgleich der Staat noch gar nicht ratifiziert hatte. William Littleton, der eine Stelle in der Finanzverwaltung suchte (24. 9. 1789), schwärzte die amtierenden Steuereinzieher des Staates an: „They took no part in the late revolution ... nor have they been friendly to Federal measures." Als Federalist getarnt, hatte „Federalicus" schon am 20. 6. 1788 in der Baltimore Md. Gazette ironisch gefordert, „that no anti-federalist be elegible to any office of trust,

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Regionale Wirtschaftsstrukturen und Besit^verteilung gegen Ende des 18. Jahrhunderts Den Anstoß zum vertieften Nachdenken über den Stellenwert v o n Interessen im republikanischen Staat hatte die enttäuschende Wirtschaftsentwicklung nach dem Friedensschluß gegeben. Im Hochgefühl des Sieges waren die Amerikaner davon ausgegangen, daß die Kriegsschäden rascher beseitigt und die Früchte der Unabhängigkeit müheloser geerntet werden konnten, als es dann tatsächlich geschah. Neueren Forschungsergebnissen zufolge rechtfertigte die ökonomische Wirklichkeit der 1780er Jahre ebensowenig die Kassandrarufe der Federalists wie die Beschwichtigung und Schönfärberei der Verfassungsgegner. Die „kritische Periode" markierte keinen dramatischen Einbruch, wohl aber eine v o n mehreren kurzfristigen Stagnationsphasen, die in den säkularen Wachstumstrend der kolonialen Wirtschaft eingelagert waren. Die A m e rikaner fanden sich mit dieser Gegebenheit umso schwerer ab, als sie bereits v o r dem Krieg einen vergleichsweise sehr hohen Lebensstandard erreicht hatten und weitreichende Erwartungen hegten. 6 0 Außerdem ging die Wachstumspause mit einem unvermindert starken Anstieg der Be-

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or place of profit ... Our great and leading federalists will fill the various offices of the revenue, of State Financier, Treasurer, Collector-General, and Naval-Officers; our second-rate characters will be Judges, and Clerks." In der Forschungsliteratur wurden die unterschiedlichen Standpunkte lange Zeit durch die Arbeiten von Merrill Jensen, The New Nation (1950) und Curtis Netteis, The Emergence of a National Economy, 1775 — 1815, New York 1962, repräsentiert. Während Jensen von einer Periode „of extraordinary economic growth" sprach (S. 423f.), stellte Netteis die Krisenerscheinungen in den Vordergrund. Neuerdings schätzt man die durchschnittliche Wachstumsrate der kolonialen Wirtschaft im 18. Jahrhundert — ähnlich der englischen — auf 0. 3 — 0. 5% pro Jahr. Zwischen 1780 und 1790 fand vermutlich kein Wachstum statt. Das durchschnittliche pro-Kopf-Einkommen der weißen Amerikaner betrug am Vorabend des Unabhängigkeitskrieges 13 Pfund Sterling und übertraf damit dasjenige aller anderen Staaten. Die Steuerlast in den Kolonien machte nur etwa ein Fünftel der den Engländern auferlegten aus. Die folgende Darstellung stützt sich im wesentlichen auf die Studien von Gordon C. Bjork, The Weaning of the American Economy. Independence, Market Changes, and Economic Development, in: JEH 24 (1964), S. 541 — 560; James F. Shepard and Gary M. Walton, Economic Change after the American Revolution. Pre-War and Post-War Comparisons of Maritime Shipping and Trade, in: EEH 13 (1976), S. 397-422; dies., The Economic Rise of Early America, Cambridge 1979; Edwin J. Perkins, The Economy of Colonial America, New York 1980; John McCusker and Russell R. Menard, The Economy of British America, 1607-1789, Chapel Hill, N. C., 1985.

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völkerung einher. Zwischen 1775 und 1790 erhöhte sie sich in den dreizehn Staaten und Vermont um nicht weniger als 56% von 2,507 auf 3,929 Millionen. Das eigentliche Problem war nicht die Sanierung einer strukturell kranken Wirtschaft, sondern die Überwindung der Kriegsfolgen und die vernünftige Nutzung des ökonomischen Potentials der Union. Dazu bedurfte es der Neuorientierung von dreizehn Volkswirtschaften, die sich nun außerhalb des britischen Merkantilsystems mit seinen teils hemmenden, teils aber auch wohltuenden Schutzgesetzen, Subventionen und Privilegien befanden. Dieser erzwungene Anpassungsprozeß war keineswegs nur wirtschaftlicher Natur. Er verlangte geistige Beweglichkeit und den Abschied von alten Denkgewohnheiten, wie er in der Verfassungsdebatte spürbar und sichtbar wird. Ein getreues Bild der wirtschaftlichen Lage zu zeichnen, ist nicht leicht, da die Entwicklungen in den einzelnen Staaten zum Teil erheblich divergierten. Noch am Vorabend der Revolution waren die meisten Kolonien viel stärker auf das Mutterland und die westindischen (karibischen) Inseln hin ausgerichtet gewesen als auf ihre Nachbarkolonien. Die Union gliederte sich in vier Wirtschaftszonen: Die Neuenglandstaaten, die Mittelatlantikregion, die den größten Zustrom an nichtenglischen (schottisch-irischen, deutschen, niederländischen und skandinavischen) Einwanderern verzeichnete, den oberen Süden mit Maryland und Virginia, und den unteren Süden, den die beiden Carolinas und Georgia bildeten. In den fünf Südstaaten lebten am Ende der Kolonialzeit gut 90% aller Schwarzen. Ihr Bevölkerungsanteil lag zwischen 15% in North Carolina und fast 70% in South Carolina. Die kleinen Farmen Neuenglands konnten auf Grund von Bodenbeschaffenheit und Klima keine nennenswerten agrarischen Uberschüsse erzeugen. Einen Ausgleich schufen der Fisch- und Walfang sowie die Schiffbauindustrie, für die grundlegende Produkte wie Holz, Teer, Pech, Harz und Terpentin im Lande selbst gewonnen wurden. Kaufleute und Reeder der Neuenglandstaaten kontrollierten weitgehend den Küstenhandel und waren führend im Überseehandel mit der Karibik, England und dem europäischen Festland. Die kombinierten Einkünfte aus Fischfang, Schiffbau, Handel und Schiffahrtsdiensten reichten bis zur Revolution aus, um die erforderlichen Einfuhren zu finanzieren. 61 Die Mittelatlantikstaaten exportierten Getreide, Felle, Salz, Fleisch und andere Nahrungsmittel nach Europa und auf die westindischen Inseln. Für Mehl fanden sie Absatzmärkte in den Nachbarstaaten, und die Herstellung von Bier und Whisky aus 61

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Die Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

Getreiden reduzierte den kostspieligen Import von Rum, Wein und Gin. Noch stärker als in Neuengland wurde hier während des Krieges die Entwicklung von Manufakturen und Industrien gefördert, um von britischen Textilien, Eisenwaren und anderen Gebrauchsgütern unabhängig zu werden. Bis zum Friedensschluß hatte sich in dieser Region schon eine recht komplexe Wirtschaftsstruktur ausgebildet, deren Zentren die rasch wachsenden Städte Philadelphia und New York waren. Der Süden lebte dagegen fast ausschließlich vom Agrarexport. Dabei hatte sich der „Upper South" bis in die Grenzgebiete North Carolinas hinein im Laufe der Zeit auf den Tabakanbau, der „Lower South" auf Reis und Indigo spezialisiert. In den Küstengebieten und Flußtälern herrschte die Plantagenwirtschaft vor, die beträchtliche Einkünfte abwarf, dem Besitzer aber auch kontinuierliche Kosten für die Verbesserung der Böden sowie für Erwerb und Unterhalt von Sklaven aufnötigte. Dieser Umstand und der herrschaftliche Lebensstil der Gentry brachten es mit sich, daß ein Teil des benötigten Kapitals durch Kredite bei britischen Handelshäusern beschafft werden mußte und Schulden und Zinslasten zum Alltag vieler Pflanzer gehörten. 62 Im Hinterland der Carolinas und Georgias siedelten dagegen Farmer, die ihr schmales Einkommen durch Holzwirtschaft, die Bearbeitung von Fellen und Häuten und die Herstellung von „naval stores" — Pech, Teer, Terpentin — aufbesserten. Diese sektionalen Unterschiede in den Staaten waren im Süden besonders krass; in abgemilderter Form spürten sie aber alle Staaten bis hinauf nach New Hampshire. Zur Nord-Mitte-Süd-Gliederung trat also ein Ost-WestGefalle von der etablierten Küstenregion über die Zone vorwiegender Subsistenzwirtschaft zur kaum erschlossenen Frontier. Aus der Fähigkeit der Staaten, diesen internen Spannungen standzuhalten, folgerten die Federalists, daß eine Überwindung der Interessengegensätze auch im größeren Rahmen des Bundesstaates möglich sein werde. 63

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Vgl. a. a. O., 105 ff.; Perkins, Economy, S. 88f., 103. „Is there ... a greater disparity between the interests of Massachusetts and Virginia, than there is, between Norfolk and Prince Anne counties; and Amherst and Buckingham? Certainly not." „Cassius" II, Va. Indep. Chronicle, 9. 4. 1788. Paine hatte in Common Sense die Notwendigkeit der Union gerade mit der Vielfalt und Widersprüchlichkeit der Interessen begründet: „The vast variety of interests, occasioned by an increase of trade and population, would create confusion. Colony would be against colony. Each being able, would scorn each other's assistance: and while the proud and foolish gloried in their little distinctions, the wise would lament that the union had not been formed before." Peach, Works of Paine, S. 37.

Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung

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Die regionale Differenzierung schlug auch bei den Besitzverhältnissen zu Buche. Akribische Berechnungen für das Jahr 1774 haben ergeben, daß der Süden selbst bei Außerachtlassung des Eigentums an Sklaven, gemessen am pro-Kopf-Vermögen und pro-Kopf-Einkommen der freien weißen Bürger, fast doppelt so wohlhabend war wie die Mitte und der Norden. 64 Dafür überstiegen aber im Süden wie im Norden die Verbindlichkeiten die finanziellen Guthaben, während die Mittelstaaten höhere Aktiva als Passiva aufwiesen. Das erklärt, warum die Einwohner der Mittelatlantikregion am ehesten in industriellen Unternehmungen investieren konnten. 65 Der individuelle Besitz war schon in der spätkolonialen Gesellschaft ungleich verteilt. In Neuengland und den Mittelkolonien hielten die reichsten 10% der Bürger 46,8 bzw. 35,1% des gesamten Vermögens (ohne finanzielle Guthaben und Verbindlichkeiten), die ärmsten 30% dagegen nur 2,2 bzw. 2,3%. Für den Süden lauten die entsprechenden Zahlen 46,9% zu 1,6%. 66 Der Reichtum konzentrierte sich in den früh besiedelten und am Handel partizipierenden Küstenstrichen, und dort wiederum in den Hafenstädten. Trotz der Veränderungen, die Revolution und Krieg bewirkten, gelten diese Befunde in ihrer Grundstruktur auch für die 1780er Jahre.

Handelsdefizite

und Deflationskrise

nach 1783

Auf den wichtigen Feldern der Eingliederung in das Geflecht der internationalen Handelsbeziehungen und der Ordnung der Staatsfinanzen setzte es zunächst Rückschläge, deren kumulative Wirkung um die Mitte des Jahrzehnts eine Depression zeitigte. Obgleich der Außenhandel einen bescheidenen Anteil von unter 15% an den wirtschaftlichen Aktivitäten der dreizehn Staaten hatte, fiel ihm eine Schlüsselrolle zu. Da nur im Überseegeschäft große Gewinne erzielt werden konnten, fand hauptsächlich in diesem Sektor die Kapitalakkumulation statt, von der die ent-

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Alice Hanson Jones, Wealth of a Nation to Be. The American Colonies on the Eve of the Revolution, New York 1980, v. a. S. 50 ff., 308 ff. Der Vorteil des Südens schwindet, wenn man die Werte auf die Gesamtbevölkerung einschließlich Sklaven und unfreie weiße Arbeiter (indentured servants) umrechnet. A. a. Ο., S. 311 f. A. a. Ο., S. 160 ff., 312 ff.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

scheidenen Impulse für das gesamtwirtschaftliche Wachstum ausgingen. 67 Die Wiederanknüpfung der vom Krieg unterbrochenen Handelsbeziehungen und die Erschließung neuer Märkte wurden aber durch eine Reihe von Faktoren erschwert. Die Londoner Regierung schloß die Vereinigten Staaten 1783 offiziell vom direkten Handel mit den britischen Karibikinseln aus. Einfuhren in amerikanischen Schiffen waren nur noch im Sonderfall erlaubt, und über Fisch, Fleisch und Milchprodukte wurde ein absolutes Importverbot verhängt. Ähnlichen Bestimmungen unterlag der Verkehr mit Neufundland, dessen Fischereigewerbe vor dem Krieg zu Neuenglands bevorzugten Kunden gehört hatte. Sämtliche in Amerika gebauten Schiffe, selbst die von Engländern erworbenen, wurden den ausländischen gleichgestellt und durften nicht am Empire-Handel teilhaben. Auf dem englischen Markt drückten Zölle und Einfuhrsteuem den Absatz wichtiger amerikanischer Exportgüter wie Tabak und Reis. Aus Protest gegen die Nichterfüllung der Finanzklauseln des Friedensvertrags hielten die Briten die Besetzung von sieben Militärposten entlang der kanadischen Grenze aufrecht und schnitten die Amerikaner damit vom lukrativen Pelzhandel ab. 68 Zu diesen Maßnahmen, die teils eine logische Folge des amerikanischen Ausscheidens aus dem Empire-Verband waren, teils durch fortdauernde britische Animositäten und Feinseligkeit diktiert wurden, gesellten sich weitere unerwartete Erschwernisse. Die Amerikaner hatten gehofft, die unvermeidlichen Verluste im England-Geschäft durch Ausfuhrsteigerungen in andere Teile der Welt mehr als wettzumachen. Die spanische Regierung zog aber die im Krieg gewährten Handelsprivilegien mit Kuba, Puerto Rico und Hispaniola zurück und bekräftigte den Grundsatz, daß die Belieferung der Uberseebesitzungen aus dem Mutterland zu erfolgen habe. Um einer weiteren Expansion der Vereinigten Staaten nach Westen vorzubeugen, behinderten die Spanier die Mississippi-Schifffahrt und blockierten auf diese Weise den einzigen wirtschaftlichen Transportweg für westlich der Alleghenies gewonnene Produkte. Der Warenaustausch mit Französisch-Westindien konnte sich ebenfalls nicht 67

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Perkins, Economy, S. 35 f., 164. Vgl. aus marxistischer Sicht Margit Mayer, Die Entstehung des Nationalstaates in Nordamerika, Frankfurt/M. —New York 1979. Vgl. Herbert C. Bell, British Commercial Policy in the West Indies, 1783-1793, in: EHR 31 (1916), S. 429 - 4 4 1 ; Charles R. Ritcheson, Aftermath of Revolution. British Policy Toward the United States, 1783-1795, New York 1969; Nettels, National Economy, S. 48 ff., 55 ff. Klagen über den Verlust des Pelzgeschäftes u. a. im Northern Centinel vom 15. 10. 1787 u. in der Charleston City Gazette vom 14. 4. 1788.

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frei entfalten. Amerikanische Schiffe durften keinen französischen Zucker transportieren, und für Mehl, Fisch und Fleisch galten Einfuhrbeschränkungen. Der Tabakimport nach Frankreich lag in den Händen einer Monopolgesellschaft, der Farmers-General, die niedrige Ankaufspreise diktieren konnte. 69 Nachdem der Zwang entfallen war, die meisten Güter für den europäischen Markt durch das Mutterland zu schleusen, boten sich auf dem Kontinent gute Chancen. Aber auch hier stieß man an Grenzen, weil es dem Kongreß nicht gelang, die Handelsverträge mit Frankreich, den Niederlanden und Schweden durch weitere Abkommen zu ergänzen. Ohne den Schutz der britischen Flotte im Mittelmeer wurden die amerikanischen Schiffe zu Freiwild für Piraten und kam der Verkehr mit den nordafrikanischen Staaten fast zum Erliegen. 70 Waren die Exportchancen gemindert, so hatte sich auf der anderen Seite während des Krieges in Amerika ein gewaltiger Bedarf an europäischen Gütern angestaut. In dieser Situation fiel es Großbritannien nicht schwer, rasch die Position des wichtigsten Handelspartners zurückzuerobern und sich den Löwenanteil an dem Importboom zu sichern, der die Amerikaner ab 1783 in Atem hielt. 71 1783 und 1784 überstiegen die englischen Einfuhren in die Vereinigten Staaten bei weitem die amerikanischen Ausfuhren nach England und Britisch-Westindien. Vor dem Krieg waren solche Defizite mit Hilfe der englischen Verwaltungsund Militärausgaben in den Kolonien größtenteils ausgeglichen worden. 72 Diese Einnahmequelle entfiel nun, und die Erschließung neuer Exportmärkte ging zu langsam voran, um Ersatz zu bieten. Anfangs waren die Amerikaner noch in der Lage, die Differenz zwischen Einfuhrrechnung und Ausfuhrerlösen mit dem Hartgeld zu bezahlen, das sie im Krieg angesammelt hatten. Bald begannen die Importeure aber auf Kredit zu kaufen und die Waren ihrerseits gegen Kredit an Zwischenhändler und Ladenbesitzer weiterzugeben. Da die Endabnehmer häufig ebenfalls nicht mehr bar zahlten, entstand ein Netzwerk von

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Vgl. John F. Stover, French-American Trade During the Confederation, 1781 — 1789, in: NCHR 35 (1958), S. 399ff.; Jacob M. Price, France and the Chesapeake. A History of the French Tobacco Monopoly, 1764—1791, 2 vols., Ann Arbor, Mich., 1973. Die Bemühungen Madisons und Jeffersons sind dokumentiert in Rutland XI, 201 ff.; Boyd XI, 614 ff.; XII, 76 ff. Zum Problem der Handelsverträge Reginald Horsman, The Diplomacy of the New Republic, 1 7 7 6 - 1 8 1 5 , Arlington Heights, 111., 1985, S. 28 ff. Jensen, New Nation, S. 179 ff.; Nettels, National Economy, S. 45 ff. Shepard and Walton, Economic Rise, S. 99 ff.

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Kredit- und Schuldenverpflichtungen, das Küste und Hinterland gleichermaßen überzog. Parallel dazu verloren Grundstücke, Gebäude und beweglicher Besitz an Wert oder wurden gänzlich unverkäuflich. Die Folgen der unausgeglichenen Handels- und Zahlungsbilanz waren binnen kurzem überall zu spüren, auch wenn sie sich in den einzelnen Regionen unterschiedlich bemerkbar machten. Hart getroffen wurde Neuengland, dessen Kaufleute besonders unter den britischen Restriktionen litten, und das den Rückgang der Schiffbauund Fischereiindustrie zu verkraften hatte. 73 Überdies bedrohte die Flut billiger englischer Fertigwaren die im Krieg aufgebauten, aber noch nicht konkurrenzfähigen heimischen Gewerbezweige. In eine ähnlich prekäre Lage gerieten die Kleinindustrien der Mittelatlantikstaaten. Außerdem gingen die Getreide- und Mehlpreise auf dem philadelphischen Markt infolge der verringerten Absatzmöglichkeiten in Westindien stark zurück. Pennsylvanias gesamter Export sackte von $ 3.7 Millionen im Jahr 1784 auf $ 2.1 Millionen 1786 ab, um erst 1789/90 wieder $ 3.4 Millionen zu erreichen. 74 Die Tabakpflanzer von Maryland und Virginia mußten die im Krieg angerichteten Zerstörungen und den Verlust mehrerer zehntausend Sklaven verkraften, die den britischen Truppen gefolgt waren. Andererseits hielten sich die Tabakpreise trotz der englischen Steuer und des französischen Monopols auf einem erträglichen Niveau, so daß mengenmäßige Einbußen zumindest teilweise kompensiert werden konnten. Insgesamt aber stagnierte die Nachfrage aus Europa, was eine wachsende Zahl von Pflanzern bewog, zum Getreideanbau überzugehen. 75 Vor noch größeren Schwierigkeiten stand der untere Süden. Die Briten und die Loyalisten hatten allein aus South Carolina 25.000 Sklaven mitgenommen. Der dadurch bedingte akute Arbeitskräftemangel schlug sich vor allem im Rückgang der Reiserzeugung nieder. Hohe Zölle, mit

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Siehe die Statistiken in U. S. Bureau of the Census. Historical Statistics of the United States. Colonial Times to 1970, Part 2, S. 1195. Vgl. Boyd XIII, 290ff., 450 ff.; XIV, 217 ff. Bjork, Weaning of American Economy, S. 548. Der Wert der amerikanischen Tabakausfuhren nach Großbritannien sank von 102 Mio Pfund Sterling 1775 auf 18 Mio Pfund 1783, stabilisierte sich dann bis 1788 zwischen 40 und 50 Mio und stieg 1789 auf 59 Mio an. Die durchschnittlichen Gesamtausfuhren aus Virginia für die Jahre 1784 bis 1790 erreichten aber in etwa das Vorkriegsniveau. U. S. Historical Statistics, S. 1190. Über die Tabakpreise finden sich in der Literatur unterschiedliche Angaben. Laut Rutland X, 11, Anm. 3, u. 27 ff. fielen die Preise in Virginia ab 1785, so daß Madisons Familie vorzog, ihre Ernte auf dem philadelphischen Markt zu verkaufen.

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denen die Londoner Regierung den Reisverbrauch im eigenen Land drosselte, und die geringe Aufnahmekapazität der übrigen Märkte in Westindien und Europa führten 1783 zu einem Preissturz. In der Folge ließen die Produktionsrückgänge den Preis wieder langsam steigen, was die Gesamtverluste aber nicht ausglich.76 Indigo und Schiffbaumaterialien fanden nach dem Fortfall der englischen Prämien und Subventionen kaum noch Abnehmer. Der verstärkte Tabakanbau, zu dem manch ein Farmer Zuflucht nahm, konnte angesicht der Lage im oberen Süden keine Erleichterung schaffen. Bei schrumpfenden Märkten für ihre Produkte und steigenden Importkosten für die Lebensmittelversorgung bot sich den Staaten südlich von Virginia die ungünstigste Zukunftsperspektive. 77

Erholung und A uftriebstenden^en bis 1790

Die Deflation, die dem Importboom auf dem Fuße folgte, hatte wirtschaftlich gesehen eine positive Wirkung. Das abfließende Münzgeld verringerte die in den Staaten zirkulierende Geldmenge und drückte die amerikanischen Preise, die im Krieg inflationsbedingt kräftig gestiegen waren, auf das europäische Niveau hinunter. Das dämpfte die Nachfrage nach Importen und verbesserte zugleich die Absatzchancen für amerikanische Produkte im Ausland. 78 Mit Hilfe dieses Mechanismus wurden 76

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Die Reisausfuhr aus Charleston sank von 118.428 Faß 1774 auf 24.255 Faß 1783, bewegte sich 1784-1787 um 65.000 Faß, und stieg 1788 auf 82.400 und 1789 auf 100.000 Faß an. U. S. Historical Statistics, S. 1192. Die „British Community" blieb in Charleston sehr einflußreich. Der britische Konsul Miller riet dringend zur Annahme der Verfassung. George C. Rogers, Jr., South Carolina Ratifies the Constitution, in: Proceed, of the S. C. Hist. Assoc. 31 (1961), S. 53 f. Shepard and Walton, Economic Rise, S. 148. Charles Pinckney gab im Parlament implizit zu, daß das englische Merkantilsystem nützlich gewesen war und zugunsten der Südstaaten funktioniert hatte. Rogers, South Carolina Ratifies, S. 55f. Das wirtschaftspolitische Vorbild Großbritanniens empfahl auch „Pacificus" in der Charleston City Gazette vom 10. 5. 1788 zur Nachahmung. Siehe den Index der Großhandelspreise in U. S. Historical Statistics, S. 1196. Vgl. Anne Bezanson, Prices and Inflation During the American Revolution. Pennsylvania, 1770 — 1790, Philadelphia 1951. Die Einwohner von Cumberland County, Ν. J., zeigten sich in einer Eingabe an das Parlament vom Februar 1786 mit den ökonomischen Mechanismen vertraut: „A scarcity of money is a political desease, which, if left to itself, will naturally effect its own cure, by producing a change in commerce in our favor, and forcing us into those virtuous habits of industry,

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

die Handelsdefizite innerhalb weniger Jahre auf ein erträgliches Maß zurückgeführt. So betrug das von Philadelphia erwirtschaftete Defizit 1784 $ 5.1 Millionen, 1787 aber nur noch $ 1 . 1 Millionen. Das gesamte Defizit der Vereinigten Staaten im Handel mit Großbritannien sank von dem Höchststand im Jahr 1784 (2.444.753 Pfund Sterling) bis auf 614.876 für 1786 ab. Dann kletterte der Fehlbetrag wieder auf Werte um eine Million Pfund Sterling an, wie sie auch in den Jahren 1773 bis 1775 erzielt worden waren. 79 Die Wechselbäder von kriegsbedingter Inflation, Importboom und Deflation brachten allerdings erhebliche soziale Härten mit sich. In einer besonders mißlichen Situation waren die Schuldner, die bei verringertem Geldumlauf, erschwerter Kreditaufnahme und stagnierenden oder sinkenden Realeinkommen ihren Zins und Steuerverpflichtungen nicht mehr nachkamen. Arbeitslosigkeit traf vor allem die Werft- und Fischereiarbeiter sowie die Beschäftigten der Manufaktur- und Industriebetriebe, die den billigen britischen Importen nicht gewachsen waren. Diese Gruppen artikulierten Mitte der 1780er Jahre lautstark ihr Verlangen nach Einfuhrbeschränkungen und Zöllen, die den Zustrom fremder Waren bremsen, den Abfluß des Hartgeldes stoppen und die inländischen Produzenten schützen sollten. 80 Fünf Staaten setzten daraufhin Zolltarife in Kraft, von denen sie sich die Förderung der heimischen Industrie und eine Aufbesserung ihrer eigenen Finanzen versprachen. Solche Maßnahmen bargen allerdings die Gefahr der Diskriminierung gegen andere Unionsstaaten. Selbst wenn die Belastungen, die amerikanischen „Importartikeln" auferlegt wurden, nicht hoch ausfielen, wirkten sie doch dem Ziel eines einheitlichen

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economy, and simplicity of manners, so essential to the welfare and prosperity of states, more especially that of republics." Zit. nach Kaminski, Paper Politics. The Northern State Loan-Offices During the Confederation, 1 7 8 3 - 1 7 9 0 , 1972, S. 105. U. S. Historical Statistics, S. 1176 f.; vgl. Bjork, Weaning, S. 558. Zur Umrechnung in Dollar und zum Wert- und Kaufkraftvergleich bis 1978 Jones, Wealth of a Nation, S. 9 ff. In dieser Zeit bildeten sich Organisationen wie das Committee of Merchants and Tradesmen in Providence, die Society for the Encouragement of Manufactures in North Carolina und die Association of Tradesmen and Manufacturers in Baltimore. Die größeren Hafenstädte verfügten bereits über Handelskammern (Chambers of Commerce). Die meisten dieser Gremien versuchten Einfluß auf die Verfassunggebung und Ratifizierung zu nehmen. Ein Beispiel ist die Eingabe des Providence Committee of Merchants and Tradesmen an den Verfassungskonvent vom 1 1 . 5 . 1787, in Brown Papers, John C. Brown Library, Brown University.

Wirtschaftskrise,

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Binnenmarktes entgegen. Mehrere Staaten erließen auch Navigation Acts, die sich gegen britische Kaufleute und Schiffseigner richteten und als Vergeltung für die Londoner Handelsbeschränkungen gedacht waren. Das Ergebnis blieb jedoch hinter den Erwartungen zurück, weil sich nicht alle Staaten beteiligten, und die britischen Importeure in „offene" Häfen ausweichen konnten. Die daraus resultierenden Spannungen zwischen den Staaten schilderte Madison Jefferson im März 1786: „The States are every day giving proof that separate regulations are more likely to set them by the ears, than to attain the common object. When Massts. set on foot a retaliation of the policy of G. B. Connecticut declared her ports free. N. Jersey served N. York in the same way. And Delaware I am told has lately followed the same example in opposition to the commercial plans of Penna." 81 Die Staaten, die am weitesten vorgeprescht waren, mußten die Verbote nach und nach rückgängig machen, um nicht einen Teil ihres Handels an die großzügigeren Nachbarn zu verlieren. Unter diesen Umständen wurde der Ruf immer lauter, dem Kongreß die ausschließliche Zoll- und Handelsgesetzgebung anzuvertrauen. Obgleich die Statistiken der Konföderationsepoche fragmentarisch sind, sprechen viele Anzeichen dafür, daß die amerikanische Wirtschaft Ende 1786 die Talsohle durchschritten hatte. Ein früher Lichtblick waren die verbesserten terms of trade. In den ersten Friedens jähren lagen die Importpreise geringfügig unter, die Exportpreise dagegen — trotz sinkender Tendenz — über dem Vorkriegsniveau. Der Grund ist vor allem 81

Rutland VIII, 502. Vgl. Albert A. Giesecke, American Commercial Legislation Before 1789, New York 1910, S. 123 ff.; Netteis, National Economy, S. 69 ff.; William W. Crosskey, Politics and the Constitution in the History of the United States, 3 vols., Chicago 1 9 5 3 - 8 0 , vol. I, S. 295 ff. Die Kaufleute von Virginia wehrten sich besonders energisch gegen die Ein- und Ausfuhrgesetzgebung ihres Parlaments. Sie räumten die Notwendigkeit von Zöllen für ausländische Güter ein, bestanden aber darauf, „that Trade and mutual intercourse between the several States ought to be free ... [and] that all Laws imposing Duties on Goods or Merchandise from any of our Sister States may be repealed." Memorial of Winchester Merchants, 6. 11. 1787, Legislative Petitions, VStL. Weitere kritische Kommentare von Zeitgenossen in Rutland X, 10 f., 247 ff., 331 ff., 346 f., 473 ff.; „One of the Middling Interest", Mass. Centinel, 28. 11./5. 12. 1787. Zur Haltung Jeffersons Boyd VII, 356; VIII, 229. Vor einer Überschätzung der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahmen warnt William F. Zornow in einer Reihe von Einzelstudien zur Zollpolitik der Staaten. Siehe VMHB (1954), S. 306 ff.; GHQ 38 (1954), S. Iff.; Essex Inst. Hist. Coll. 90 (1954), S. 194ff.; NCHR 32 (1955), S. 151 ff.; Ν. Y. History 37 (1956), S. 40 ff.

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darin zu suchen, daß die Amerikaner die Güter, die zuvor nur über das Mutterland ausgeführt werden durften, nun direkt an die europäischen Kunden liefern konnten. Die geringeren Transport- und Umschlagkosten steigerten den Absatz und erhöhten die Gewinnmargen. Mit der Zeit verloren auch die britischen Restriktionen im Westindienhandel an Schrecken. Teils wurden sie durch Schmuggel umgangen, teils führte man amerikanische Waren indirekt über die niederländische Insel St. Eustatius ein, und teils lockerten die britischen Gouverneure notgedrungen von sich aus die Bestimmungen. 82 Rekonstruierte Exportdaten für Pennsylvania und South Carolina zeigen an, daß nach dem Abfall bis in die Mitte des Jahrzehnts die Wende zum allmählichen Wiederaufstieg eintrat. 83 Beim Vergleich der gesicherten Ausfuhrzahlen für die Zeiträume 1768 — 72 und 1791 — 92 schneiden die Mittelatlantikstaaten am besten ab. 84 Ihnen gelang es in der genannten Spanne, den realen Durchschnittswert ihrer jährlichen Ausfuhren von 559.000 auf 1.127 Millionen Pfund Sterling fast zu verdoppeln. Damit stieg zugleich ihr Anteil an den Gesamtausfuhren der Vereinigten Staaten um 10% auf 30%. Innerhalb dieser Region erzielte New York den höchsten Zuwachs (von 187.000 auf 512.000 Pfund und von 7 auf 14%) und rückte nahe an Pennsylvania heran, das sich von 353.000 auf 584.000 Pfund und von 13 auf 16% verbesserte. Auch die Neuenglandstaaten konnten ihre Ausfuhrleistung insgesamt von 477.000 auf 842.000 Pfund steigern und damit einen Anteil von 22% gegenüber vorher 17% erobern. Allerdings kontrastiert der Aufschwung, den Massachusetts und in geringerem Maße auch Connecticut und Rhode Island verzeichneten, mit dem Schicksal New Hampshires, dessen Exporte von 46.000 auf 33.000 Pfund Sterling zurückgingen, und dessen Anteil von 2% auf 1% sank. Diese Sonderentwicklung war zweifellos durch die besondere Abhängigkeit vom Schiffbau bedingt. Der Süden erreichte erst 1790/91 wieder in etwa die Exportzahlen der Vorkriegszeit, woduch sich sein Anteil an den Gesamtausfuhren der Union um 15% auf 48% verringerte. Einen Rückgang in absoluten Zahlen mußten gerade die bedeutenden Exportstaaten hinnehmen: im oberen Süden Virginia (von 770.000 auf 678.000 Pfund) und im unteren

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Alice B. Keith, Relaxations in the British Restrictions on the American Trade With the British West Indies, 1 7 8 3 - 1 8 0 2 , in: JMH 20 (1948), S. 1 - 1 8 . Zur Auswirkung Bjork, Weaning, S. 552 f. Siehe die Tabelle in Bjork, Weaning, S. 548. Shepard and Walton, Economic Change, S. 406 ff.

Wirtschaftskrise,

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Süden South Carolina (von 455.000 auf 436.000 Pfund). Insgesamt führten die Vereinigten Staaten im Jahresdurchschnitt 1791/92 Produkte im Wert von 3.766 Millionen Pfund Sterling aus. Die Vergleichszahl für die dreizehn Kolonien im Zeitraum von 1768 bis 1772 lautet 2.802 Millionen Pfund Sterling. Ungünstiger nimmt sich diese Bilanz allerdings aus, wenn man das Bevölkerungswachstum mitberechnet und die jährlichen proKopf-Ausfuhren ermittelt. Dann ergibt sich nur in der Mittelatlantikregion ein Anstieg (von 1.01 auf 1.11 Pfund), in Neuengland ändert sich wenig (0.82 zu 0.83 Pfund), und im oberen und unteren Süden ist ein deutlicher Rückgang zu registrieren (von 1.79 auf 1.09 bzw. von 1.75 auf 0.88 Pfund). Aufs Ganze gesehen, wurde Anfang der 1790er Jahre pro Kopf um ein Drittel weniger exportiert als 1768—1772 (0.99 anstatt 1.31 Pfund). Die Aufschlüsselung dieser Einbußen macht aber sichtbar, wie problematisch generalisierende Urteile über die Wirtschaft in der „kritischen Periode" sind. Legt man den jährlichen pro-Kopf-Export zugrunde, so lassen sich die Staaten in „Gewinner" und „Verlierer" unterteilen. In Massachusetts, Rhode Island, Connecticut und New York liegen die Werte für 1791/92 über denen der Vorkriegszeit. New Jerseys minimaler Anstieg fallt wegen der geringen Exportquote des Staates kaum ins Gewicht. Mäßige Verluste stehen für Pennsylvania, Delaware, Maryland und North Carolina zu Buche, deutlichere für New Hampshire und Virginia, und besonders starke für South Carolina und Georgia. Es fallt auf, daß die Ratifizierung der Verfassung in drei der vier „Gewinnerstaaten" — Massachusetts, New York und Rhode Island — besonders schwer fiel. Das vorübergehende Absinken der pro-Kopf-Ziffern trug sicherlich zu der verstärkten Westwanderung bei, die in diesen Jahren beobachtet wurde. 85 Unter den gegebenen Bedingungen verdient die Steigerung der absoluten Exportzahlen über den Stand der frühen 1770er Jahre hinaus Anerkennung. Das gilt umso mehr, als der Wert der Ausfuhren nach England ab 1784 nur vergleichsweise geringfügig zunahm und 1791/92 noch beträchtlich unter dem der Jahre 1771 bis 1774 lag. Während Großbritannien und Irland vor dem Krieg fast 60% der kolonialen

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„The Emigration to the Western Country is beyond belief," schrieb William Constable aus New York an Lafayette: „Should the New Government create any troubles a very great Number of the Yeomanry of the Coast will retire to the Banks of the Ohio and Mississippi." 4. 1. 1788, Constable-Pierrepont Coll., NN. Über die Auswanderung aus Rhode Island „A Mechanick", Newport Herald, 13. 3. 1788.

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Ausfuhren absorbiert hatten, hielten sie 1790 — 92 nur noch einen Anteil von 31% am Export der Vereinigten Staaten. Der Zugewinn in absoluten Zahlen ging einseitig auf das Konto der Handelsausweitung mit Frankreich, den Niederlanden und anderen nordeuropäischen Ländern, sowie mit den nicht-britischen Karibikinseln, wohin nun 16% bzw. 24% der Exporte flössen. In diesen beiden geographischen Zonen machte sich die Befreiung von den Fesseln des britischen Merkantilsystems also am frühesten und nachhaltigsten bemerkbar. Schließlich wuchs auch der Handel mit Südeuropa, ohne allerdings den Vorkriegsanteil von 14% zu übertreffen. Die Wirtschaftsbelebung läßt sich an der Zunahme des überseeischen Schiffsverkehrs ablesen. Von 1768 bis 1772 betrug die Gesamttonnage der in den kolonialen Häfen abgefertigten Schiffe pro Jahr etwa 223.000, wovon 120.000 auf amerikanische Eigner entfielen. Die Vergleichszahlen für 1790 — 92 sind fast doppelt so hoch, nämlich 406.000 und 220.000 Tonnen. 86 Insgesamt bietet sich das Bild von Volkswirtschaften, die im Wandel begriffen sind und eine notwendige Anpassung an die veränderten Regeln und Bedingungen des transatlantischen Marktes vollziehen. Die statistischen Daten lassen keinen Zweifel daran, daß die außenwirtschaftliche Erholung noch unter dem dezentralen System der Articles of Confederation begann. Der erfolgreiche Umorientierungsprozeß ist durch die Annahme der neuen Verfassung nicht eingeleitet, wohl aber konsolidiert und beschleunigt worden. Wenn demnach auch kein unmittelbarer wirtschaftlicher „Zwang" zum Verfassungswechsel gegeben war, boten sich langfristig durch die Zusammenfassung der ökonomischen Ressourcen und politischen Entscheidungsbefugnisse doch fraglos wesentlich günstigere Wachstumschancen. Der Außenhandel war das dynamische Element in den vorindustriellen „commercial-agricultural societies" der westlichen Welt. 87 Daß dieser Motor verhältnismäßig rasch wieder anzog, konnte zuversichtlich stimmen. An der Schwelle zur letzten Dekade des Jahrhunderts kehrte der nach dem Friedensschluß versiegte Optimismus allmählich wieder zurück und verband sich mit der Hoffnung auf die neue Verfassung. Ein rasanter Aufschwung setzte aber erst ein, als 1793 der große europäische Krieg begann, den viele Amerikaner schon 1787/ 88 erwartet hatten. Er verschaffte den neutralen Vereinigten Staaten zusätzliche Handlungsspielräume und Gewinnmöglichkeiten. 88 86 87 88

S. o. Anm. 84. Perkins, Economy, S. 12. Seit Mitte 1787 wurde in Zeitungen und Privatbriefen viel über einen baldigen

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und Erholung

Die finanzielle Erblast des Krieges und die Krisenpolitik

der Staaten

Die finanzielle Liquidierung eines langwierigen und verlustreichen Krieges ist unter den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Bedingungen der Neuzeit zu einem Schlüsselproblem für Regierungen und Völker geworden, seien sie nun als Sieger oder Besiegte aus dem Konflikt hervorgegangen. Beispiele in unserem Jahrhundert sind die Verquickung von Reparationsfrage und alliierter Kriegsschuldenregelung nach dem Ersten Weltkrieg, sowie die von der Erinnerung an dieses mißglückte Experiment beeinflußten Währungsreformen und Wiederaufbauprogramme nach dem Zweiten Weltkrieg. Zweihundert Jahre zuvor hatten die Versuche der englischen Krone und des Parlaments von Westminster, die nordamerikanischen Untertanen zur Mitfinanzierung des Siebenjährigen Krieges heranzuziehen, in Revolution und neues Blutvergießen gemündet. Der Unabhängigkeitskampf wurde dann für die Kolonisten selbst zu einer überaus teuren Angelegenheit. Als der amerikanische Kongreß 1793 seine Bücher zu diesem Kapitel Schloß, bezifferte er die Gesamtkosten des Krieges auf 158 bis 168 Millionen Dollar. 89 Summen von dieser Größenordnung durch Steuern zu beschaffen, war praktisch unmöglich und ist mit Rücksicht auf die Loyalität und den Durchhaltewillen der Bevölkerung auch gar nicht erst versucht worden. Vielmehr griffen Kongreß und Staatenregierungen zu einer Fülle von Alternativmaßnahmen und Notbehelfen, unter denen das Drucken von Papiergeld, die Aufnahme von Anleihen im In- und Ausland, das Requirieren von Sachgütern und die Konfiszierung feindlichen Eigentums hervorstechen. Dieses unübersichtliche Finanzierungssystem lud zu Spekulations- und

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allgemeinen Krieg spekuliert. Anlaß dazu boten verschärfte Konflikte auf dem Balkan, die Einmischung der Großmächte in die niederländische Innenpolitik und die wachsende Unruhe in Frankreich. Beim New Hampshire-Politiker und Kaufmann John Langdon mischten sich Hoffnungen und moralische Skrupel: „The time is not far distant before a general European War will take place. This will doubtless be to our advantage if our Government should be in Motion, and wisdom our Guide — though on reflection human nature must Revolt at the dreadful Idea." To Gilman, Portsmouth, 25. 8. 1788, Personal Papers Misc., LC. Coxe betrachtete die Dinge nüchtern: „The future wars among the naval powers of Europe will probably be general... The prosperity of agriculture in the southern states, in the event of a general war in Europe, will depend on the shipping of the middle and eastern states." „An American", Pa. Gazette, 21. 5. 1788. Siehe auch Jeffersons Berichte aus Europa in Boyd XI, 490 f., 659 f., 678 ff., 685 f., 693 ff.; XII, 32 ff. u. a. Ferguson, Power of the Purse, S. 333 f. mit Anm. 22.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

Betrugsmanövern ein und wirkte in mancher Hinsicht sozial ungerecht. Es erfüllte aber seinen Hauptzweck, indem es half, den Krieg bis zum siegreichen Ende fortzuführen. Nach dem Friedensschluß machten sich die wirtschaftlichen und sozialen Folgen allerdings umso unangenehmer bemerkbar. Die hemmungslose Papiergeldemission durch den Kongreß hatte schon während des Krieges zur nahezu vollständigen Entwertung der „kontinentalen" Geldscheine geführt. Sie entpuppte sich als eine Sondersteuer oder Zwangsanleihe, die viele Menschen hart traf, dem Kongreß aber frühzeitig einen großen Teil seiner finanziellen Bürde abnahm. Von den bis Ende 1779 gedruckten ca. $ 226 Millionen befanden sich 1790 noch ganze $ 6 Millionen in privater Hand. Nicht verzinsliche Zertifikate, mit denen die Militärbehörden bis 1780 beschlagnahmtes Hab und Gut „bezahlten", teilten das Schicksal des Kongreß-Papiergeldes, verloren rapide an Wert und verschwanden bald aus dem Umlauf. Trotz dieser Formen der Massenenteignung blieb noch eine beträchtliche kontinentale Staatsschuld zurück. Sie bestand in der Hauptsache aus fünf Elementen: 1. Verzinsliche Auslandsanleihen in Höhe von über $ 10 Millionen; 2. Loan OfficeZertifikate, inländische Anleihescheine mit einem Nennwert von $ 200 aufwärts, die ebenfalls Zinsen trugen und als „bevorzugte Sicherheiten" galten; 3. Final Settlement-Zertifikate, die Privatleute nach Kriegsende im Austausch gegen anerkannte Requirierungsbescheinigungen erhielten; 4. Final Settlement-Zertifikate, mit denen die Angehörigen der Kontinentalarmee entlohnt worden waren; 5. Indents, Schuldscheine, die man in Ermangelung von Hartgeld zur Zahlung der falligen Zinsen für die Loan Office-Zertifikate und den verzinslichen Teil der Final Settlements verwendete. Die Gesamtschuld der Union belief sich 1784 auf etwa $ 39 Millionen, für die ein jährlicher Zinsendienst von $ 1.875 Millionen geleistet werden mußte. Da der Kongreß jedoch über keine eigenen Einnahmequellen verfügte und von den Staaten nur sehr unvollkommen mit Geld versorgt wurde, stiegen die Schulden weiter an. Bis 1790 summierten sich Kapital und Zinsen zu $ 52.8 Millionen. 90 1785 geriet der Kongreß mit der Zinsund 1787 mit der Abtragszahlung an Frankreich in Verzug. Nur mühsam konnten Jefferson und John Adams diese Lücke 1787/88 durch zwei neue Anleihen in den Niederlanden schließen. Bei den Kreditverhandlungen spielte schon die Hoffnung der niederländischen Bankiers auf die Bundesverfassung, die größere finanzielle Sicherheit versprach, eine ge90

Netteis, National Economy, S. 94.

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wichtige Rolle. Es stand zu befürchten, daß der Kongreß im Falle der Nichtratiflzierung den letzten Rest an Kreditwürdigkeit einbüßen würde. 9 1 Im Dezember 1787 sah es so aus, als würde er demnächst nicht einmal mehr die laufenden Regierungs- und Verwaltungskosten aufbringen können: „The States seem to be either wholly omitting to provide for the federal Treasury; or to be withdrawing the scanty approbations made to it," teilte Madison Jefferson mit: „The Treasury Board seems to be in dispair of maintaining the shadow of Government much longer. Without money, the Offices must be shut up, and the handful of troops on the frontier disbanded." 92 Das Problem der inneren Staatsverschuldung war nicht ganz so akut, da sich die Gläubiger der Unionsregierung vorerst wohl oder übel mit der Zinszahlung in Form von Schuldscheinen (Indents) begnügen mußten. Den Nationalisten um Robert Morris und Hamilton ging es weniger um eine rasche Tilgung der Staatsschuld als um die solide Fundierung der „public debt" nach britischem Vorbild. Auf diese Weise sollten eine stabile Währung geschaffen, das für den wirtschaftlichen Fortschritt nötige Investitions kapital bereitgestellt und die öffentlichen Gläubiger dauerhaft am Wohlergehen der nationalen Regierung interessiert werden. 93

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Antifederalist benutzten die überraschende Nachricht von der niederländischen Anleihe in Höhe von 1 Mio Gulden um zu zeigen, „that our credit is not so bad in other countries as has been represented, and that our resources are fully equal to the pressure." „Agrippa" VII, 18. 12. 1787; vgl. „Newport Man", März 1788, Storing IV, 82, 251; Abraham Yates to Gov. Clinton, New York, 27. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN. Nicht in die Verhandlungen eingeweihte Federalists konnten sich den Erfolg ihrer Gesandten nur damit erklären, „that the Lenders do not fully know our miserable Situation." David Sewall to George Thatcher, York, 5. 1. 1788, Historical Magazine 6 (1869), S. 261. Die Bankiers van Staphorst ließen Jefferson am 22. 5. 1788 aber wissen: „Until the Organization [of the new government] shall be known, and its proceedings respecting the Public Debts be published, We cannot flatter your Excellency, We shall be able to raise Monies here for discharging the Interest due by the United State to the Court of Versailles." Boyd XIII, 185. Vgl. Ferguson, Power of the Purse, S. 235ff.; James C. Riley, Foreign Credit and Dutch Investment in the United States, 1781 — 1794, in: JAH 63 (1978), S. 654 ff. New York, 20. 12. 1787, Rutland X, 332. 1786 hatten die Staaten anstatt der geforderten $ 3 Mio Requisitionen ganze f 100.000 aufgebracht. Rutland VIII, 502. 1787 verwendeten Massachusetts und Virginia einen großen Teil des Geldes, das bereits dem Kongreß reserviert war, für eigene Zwecke. DHRC XV, 90 f., Anm. 3. Über die Vorbildfunktion der britischen Finanzpolitik für die Nationalisten siehe

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Die Vorgeschichte der

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Die Finanznot der Union brachte dieses „nationale" Programm jedoch an den Rand des Scheiterns. Das Unvermögen des Kongresses, die Zinsen in Hartgeld zu zahlen, bewirkte einen allgemeinen Wertverlust der Staatspapiere. Loan Office-Zertifikate erbrachten in den ersten Friedensjahren nur ein Fünftel bis ein Viertel ihres Nennwertes, und der Marktpreis der Final Settlements fiel gar auf 10 bis 15 Cents je Dollar. Diese Abwertung verschärfte die Kontraktion des Geldumlaufs, die durch das Verschwinden des Papiergeldes und den Münzabfluß eingetreten war. Aus dem Gefühl der Schwäche heraus zeigte der Kongreß immer mehr Neigung, die Verantwortung für seine Schulden an die Staaten abzutreten. Bereits 1782 hatten die Staaten teilweise die Zinszahlung übernommen, indem sie an diejenigen ihrer Bürger, die kontinentale Anleihescheine hielten, Indents ausgaben. Als sie nach dem Krieg begannen, auch Loan Officeund Final Settlement-Zertifikate in ihr eigenes Finanzsystem einzubeziehen, schritten die Vermischung von nationalem und einzelstaatlichem Schuldenwesen und die Fragmentierung der Unionsschuld noch weiter fort. Pennsylvania, Maryland, New Jersey und New York integrierten ganz offiziell den Anteil ihrer Bürger an der kontinentalen Schuld in die jeweilige Staatsschuld. Das geschah häufig unter dem Druck der Gläubiger, die nach dem Scheitern der Impost-Pläne das Vertrauen in den Kongreß verloren und ihre Hoffnungen den Staatenregierungen zuwandten. Aus der Sicht der Nationalisten drohte damit die Gefahr, daß sich die gesamte kontinentale Schuld verflüchtigte und in die Schuld der Staaten auflöste. Wenn die Loyalität der Gläubiger und der besitzenden Schichten insgesamt aber nicht mehr der Union, sondern den Staaten galt, mußten der Kongreß und die Konföderation über kurz oder lang ihre Existenzberechtigung verlieren. 94

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Ferguson, Power of the Purse, S. 120 ff., 289 ff.; ders., Political Economy, Public Liberty, and the Formation of the Constitution, in: WMQ 40 (1983), S. 3 9 0 - 9 8 . Den „Native of Boston" (Jonathan Jackson) beeindruckte an den Briten besonders ihr „inviolable faith, when pledged in support of public credit." Evans 21173. In Hamiltons Report on Public Credit vom Januar 1790 stand zu lesen: „The beneficial tendency of a funded debt ... has been manifested by the most decisive experience in Great Britain." Syrett VI, 72. John Adams hatte das britische Beispiel aus der Nähe erlebt: „The national debt I have long thought, must be the instrument for establishing a national government." To Stephen Higginson, New York, 14. 3. 1790, Adams Papers, MHi. Zur Neuordnung des britischen Finanzwesens nach der Glorious Revolution P. G. M. Dickson, The Financial Revolution in England. Α Study of the Development of Public Credit, 1688-1756, London 1967. Vgl. Ferguson, Power of the Purse, S. 220 ff., 228 ff., 252ff.; DHRC XIII, 220 mit Anm. 2 u. 3.

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Die Staaten selbst kämpften jedoch mit finanziellen Schwierigkeiten, die sie von einer derart radikalen Lösung letztlich abhielten. Der Krieg hatte auch ihnen gehörige Lasten aufgebürdet und sie gezwungen, entsprechend der Praxis des Kongresses Papiergeld und Schuldverschreibungen an die Bürger auszugeben, ihre Soldaten und Offiziere mit Wertpapieren abzufinden, und für den Kriegsgebrauch und die Versorgung der Truppen requirierte Güter mit Zertifikaten zu entgelten. Die Südstaaten taten sich dabei besonders hervor, indem sie Kosten beglichen, die anderwärts in die Verantwortung des Kongresses fielen und mit kontinentalen Zertifikaten gedeckt wurden. Auf diese Weise entstand ein sektionales Ungleichgewicht in der Schuldenverteilung, das nach 1783 noch zunahm. Während sich die „national debt" immer mehr in den Mittelatlantikstaaten konzentrierte, verzeichneten der Süden und — mit gewissem Abstand — der Norden die höchsten „state debts". Alle diese Papiere wurden in den Sog der Inflation hineingezogen und vergrößerten mit ihren variierenden Preisabschlägen das Durcheinander, das im Währungswesen herrschte. 95 Anders als die Nationalisten im Kongreß faßten die meisten Staatenparlamente eine möglichst rasche Tilgung der Kriegsschulden ins Auge. Sie handelten dabei nach der republikanischen Maxime, daß eine permanente „public debt" für den Staat von Übel sei, weil sie eine anhaltend hohe Steuerbelastung der breiten Massen erzwang und Spekulation und Korruption Vorschub leistete. Die Antifederalists fanden wenig Nachahmenswertes am britischen Finanzwesen. „Brutus" konnte sich kaum ein größeres Unglück für das Volk vorstellen, „than to be loaded with a debt exceeding their ability ever to discharge." „Agrippa" meinte, die Europäer würden den Respekt vor den Amerikanern verlieren, denn die neue Verfassung „will render us more like their own degraded models." Es sei leicht verständlich, warum die Federalists „wie die anderen Nationen" sein wollten und der gewaltigen, ca. 250 Millionen Pfund Sterling ausmachenden britischen Staatsschuld nacheiferten: „Power and high life are their idols, and national funds are necessary to support them." 96 Wie der Schuldenabbau aber am besten und gerechtesten zu bewerkstelligen sei, darüber gingen die Meinungen auseinander. Man konnte versuchen, den Ansprüchen der öffentlichen Gläubiger vollauf Genüge 95

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Vgl. Ferguson, Power of the Purse, S. 179ff.; Whitney K. Bates, Northern Speculators and Southern State Debts: 1790, in: WMQ 19 (1962), S. 3 0 - 4 8 . Vgl. DHRC XV, 335 („Brutus" VIII); Storing IV, 92 („Agrippa" XI). Dazu „A Friend to the United States", Ν. Y. Packet, 16. 10. 1787.

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zu tun, und Zinsen und Abtrag in Hartgeld bezahlen. Diese „commercial finance" oder „high finance" genannte Methode belastete die Staatskasse und verlangte der Bevölkerung hohe Steuern ab. In Massachusetts, wo sie konsequent verfolgt wurde, steigerte sie die soziale Unzufriedenheit und trug zum Ausbruch von Shays' Rebellion bei. Die Mehrzahl der Staaten bevorzugte die zweite Methode, die den gesunkenen Marktwert der Zertifikate in Rechnung stellte und ihn zur rascheren Liquidierung der Staatsschulden ausnutzte. Dieser Weg der „agrarian finance" war von der Kolonialzeit her vertraut, lief aber faktisch auf eine Teilenteignung der Gläubiger hinaus. Fast alle staatlichen Finanzprogramme zielten darauf ab, die Schuldpapiere mit mehr oder weniger hohem Abschlag zurückzuziehen, um sie dann entweder zu vernichten oder an den Kongreß abzugeben. Zu diesem Zweck sahen sie vor, daß ein gewisser Teil der Steuern in altem Papiergeld und Zertifikaten bezahlt werden durfte, und daß abgewertete Staatspapiere auch für den Kauf von staatseigenem Land und konfiszierten Besitztümern Verwendung finden konnten. Landverkäufe im Westen wurden von den Anhängern der „agrarian finance" ohnehin stets als die bequemste Lösung zur Einnahmesteigerung und Schuldentilgung propagiert. 97 Die Konsequenz all dieser Bemühungen war jedoch weniger die Reduzierung der öffentlichen Schulden, als eine weitere Verknappung des umlaufenden Geldes und die Beschleunigung der deflationären Spirale. Bis 1786 ging die Schere zwischen vorhandener Geldmenge und wachsender Steuerlast immer weiter auseinander und beschwor in Verbindung mit dem drückenden Problem der privaten Schulden die Gefahr ernster sozialer Unruhen herauf. Eine Welle von Petitionen, in denen hauptsächlich kleine Farmer, aber auch verschuldete Plantagenbesitzer und illiquide Spekulanten Steuersenkungen, billige Kredite und Schutz vor dem Zugriff der Gerichte forderten, überschwemmte die Parlamente.

„It is easy to see how such an immense fund as the western territory may be applied to the payment of the foreign debt," erklärte „Agrippa". Storing IV, 82. R. H. Lee glaubte, „that the lands yet to be disposed of, if well managed, will sink the whole 30 Millions [domestic debt] that are due." To Washington, 11. 10. 1787, DHRC XIII, 367f. Vgl. XIV, 6 („Federal Farmer"). Auch Jefferson hätte diese Lösung bevorzugt: „I am uneasy at seeing that' the sale of our Western lands is not yet commenced. That precious fund for the immediate extinction of our debt will I fear be suffered to slip thro' our fingers." To Madison, 20. 6. 1787, Boyd XI, 481. Zur Unterscheidung zwischen „commercial/high finance" und „agrarian/currency finance" Ferguson, Power of the Purse, S. X V f . , 3 ff., 109 ff., 334 ff.

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Heftige Antipathien schlugen den Anwälten entgegen, die auf dem Lande die finanziellen Ansprüche ihrer zumeist städtischen Klienten durchzusetzen versuchten. 98 Es kam zu Übergriffen gegen Steuereintreiber und Sheriffs, zur Störung von Zwangsversteigerungen, zum Boykott von County-Gerichten und zur gewaltsamen Befreiung von Schuldhäftlingen. Die Autorität der Staatenregierungen, die neben der — größtenteils aus Farmern gebildeten — Miliz über keine nennenswerten polizeilichen Machtmittel verfügten, geriet ins Wanken." Um den ärgsten Druck zu lindern, entschlossen sich zwischen März 1785 und Ende 1787 sieben Staaten, die seit Kriegsende gestoppte Emission von Papiergeld und Loan Office-Zertifikaten wieder aufzunehmen. Noch mehr Staaten verabschiedeten Gesetze, die Schuldnern Stundung gewährten, Zahlung auf Raten und in Naturalien gestatteten, und die Gerichte zur Zurückhaltung in privaten Schuldenangelegenheiten verpflichteten. In der Kolonialzeit hatte man finanzielle Engpässe mit ähnlichen Mitteln überbrückt. Nach den Erfahrungen mit der Hyperinflation des Unabhängigkeitskrieges und der Abwertung aller Staatspapiere war der Widerstand gegen Papiergeld nun aber weit heftiger als jemals zuvor. Getragen wurde er von den im Handel engagierten Kreisen, die negative Auswirkungen auf die Kreditsituation voraussahen, und von den Gläubigern, die befürchten mußten, neuerlich mit wertlosen Scheinen entgolten zu werden. Zusätzliche Sorgen plagten diejenigen, denen die Erweiterung der Kongreßbefugnisse am Herzen lag. Die Rückkehr zum Papiergeld drohte alle Reformbestrebungen zu durchkreuzen, weil sie

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Federalist Henry Van Schaack riet den Massachusetts-Juristen aus diesem Grunde Zurückhaltung in der Verfassungsdebatte an: „I hope my bar friends will not be too zealous. I mean not show themselves so in favor of the new federal arrangements." To Caleb Strong, Pittsfield, 10. 10. 1787, Van Schaack, Memoirs of Henry Van Schaack, S. 155f. Im American Herald wurde gefordert, Anwälte vom Parlament auszuschließen, damit sie die selbstverfaßten Gesetze nicht auch noch auslegen könnten. „A Bostonian", 4. 2. 1788. Auch in New York versuchten die Verfassungsgegner, die Anti-Anwälte-Stimmung im Wahlkampf auszuschlachten. Siehe ihr mit „Many Federalists" gezeichnetes Flugblatt vom 28. 4. 1788 und die föderalistische Antwort „One and All" vom 29. 4., Evans 21500 u. 21501. Vgl. Gerard W. Gawalt, Sources of Anti-Lawyer Sentiment in Massachusetts, 1740— 1840, in: AJLH 14 (1970), S. 283ff. Siehe den Abschnitt „Agrarian Unrest and the Constitution" in DHRC XIII, 91ff. Im September 1787 warnte der Virginier James McClurg Madison vor einer „tendency of Insurrection in several quarters of the State." Rutland X, 165. Auch R. H. Lee zeigte sich von den „riots and mobbish proceedings in Virginia" alarmiert. To Richard Lee, New York, 13. 9. 1787, in: Ballagh II, S. 436 f.

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die Staaten noch stärker als bisher auf ihre eigenen Währungsprobleme fixierte und den Spielraum, der für die Befriedigung der Finanzbedürfnisse der Union verblieb, weiter einengte. 100 Andererseits zeitigte das Papiergeld nicht die verheerenden Wirkungen, die viele Gegner prophezeit hatten. Die Abwertungsraten variierten entsprechend den Zwecken, für die das Geld verwendet werden durfte, und entsprechend den Sicherheiten — in der Regel Landbesitz —, die von den Empfängern der Loan Office-Zertifikate verlangt wurden. In Pennsylvania, New York und South Carolina, wo das Papiergeld kein gesetzliches Zahlungsmittel war, sondern in erster Linie zur Steuerzahlung diente, wurde es normalerweise mit geringfügigen Abschlägen gegenüber Münzgeld gehandelt. Auch die Kreditpapiere, die New Jersey zu 6% Zinsen auf zwölf Jahre ausgab, blieben relativ stabil, obgleich das Parlament sie als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannte. Dagegen büßte das Papiergeld von North Carolina und Georgia, das für alle öffentlichen und privaten Transaktionen verwendet werden durfte, binnen kurzem die Hälfte seines Nennwertes ein und war außerhalb dieser Staaten noch weniger wert. Am weitesten ging Rhode Island, dessen Legislative ein, wie der pennsylvanische Kaufmann Tench Coxe es nannte, „infamous Game of Depreciation" trieb, um die Farmer von ihren Schulden und den Staat von seiner Kriegsschuld zu befreien. Öffentliche und private Gläubiger wurden unter Strafandrohung gezwungen, das bis auf einen Bruchteil des Nennwertes abgesunkene Papiergeld als Bezahlung zu akzeptieren. Wer sich weigerte, verwirkte seine Ansprüche. Bald stand Rhode Island in dem Ruf, den Gläubigern keine andere Wahl als die Flucht vor ihren Schuldnern zu lassen. Die radikale Entschlossenheit, mit der die Country-Mehrheit ungeachtet aller Kritik und allen Hohnes an dieser Marschroute festhielt, trug viel dazu bei, Papiergeld überhaupt zu diskriminieren. 101 Ökonomisch gesehen, nimmt sich die Bilanz der Papiergeldemissionen gar nicht einmal so schlecht aus. Die zusätzlichen Zahlungs- und Kreditmittel lockerten die deflationäre Anspannung auf, gönnten den bedrängten Schuldnern eine Atempause, und garantierten den öffentlichen Gläubigern immerhin regelmäßige Zinseinkünfte. Auf 100 Ygj Netteis, National Economy, S. 81 ff.; Ferguson, Power of the Purse, S. 229 ff. Zur Papiergeldausgabe in der Kolonialzeit Perkins, Economy, S. 105 ff. 101

Coxe to Henry Bromfield, Philad., 6. 5. 1788, Coxe Papers, PHi. Vgl. Ferguson, Power of the Purse, S. 243ff.; Kaminski, Paper Politics, S. 169ff.; Patrick T. Conley, Rhode Island's Paper Money Issue and Trevett v. Weeden (1786), in: R. I. History 30 (1971), S. 9 5 - 1 0 8 ; ders., Rhode Island in Disunion, 1 7 8 7 - 1 7 9 0 , a. a. Ο. 31 (1972), S. 9 9 - 1 1 5 .

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der Sollseite standen die gesteigerte Konfusion im Währungswesen der Union, die besonders den Kaufleuten schwer zu schaffen machte, und die wachsende Abneigung potentieller Geldgeber, bei fluktuierenden Kursen und staatlichem Schuldnerschutz größere Summen zu verleihen oder zu investieren. 102 Einige Parlamente riskierten lieber eine Verschärfung der sozialen Spannungen, als sich dem Verlangen nach Papiergeld zu beugen. Delaware war stiller Teilhaber an der Papiergeldwährung des großen Nachbarn Pennsylvania; und Connecticut und Virginia nahmen durch Nachlässe und Stundungen bei der Steuer- und Schuldenzahlung den größten Druck von der Landbevölkerung. 103 In Maryland vereitelte der konservative Senat alle Anstrengungen des Delegiertenhauses, ein Papiergeldgesetz zu verabschieden, das den privaten Schuldnern, die 1787 mit 2. 5 Millionen Pfund Sterling in der Kreide standen, mehr Luft gelassen hätte. Dieser Streit beschäftigte die Bevölkerung bis ins Jahr 1788 hinein und nahm Züge einer Verfassungskrise an. 104 New Hampshires Regierungssitz Exeter erlebte im September 1786 die erste ernsthafte Gewaltaktion, als ein bewaffneter Mob das Parlament belagerte, um den Widerstand gegen Papiergeld zu brechen. Unter der Führung von Präsident John Sullivan gelang es der lokalen Miliz und regierungstreuen Bürgern, die Demonstranten zu vertreiben. Der Papiergeld-Plan, den das Parlament kurz

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Im Juni 1788 stellte Coxe als „A Pennsylvanian" den Mitgliedern des New Yorker Ratifizierungskonvents die Lage der Union folgendermaßen dar: „Ask your merchants and other citizens, who have monies due in New Jersey, the three southern states, and Rhode Island. In Jersey and North Carolina they can compel payment of their debts, but must receive paper money, depreciated 25 per cent. In South Carolina an installment law prevents them from receiving more than one third of their demand, and that in a paper currency, worth no more than 16 or 17 shillings in the pound. In Georgia and Rhode Island they have a paper lawful tender depreciated four fifth." Pa. Gazette, 11. 6. 1788. Die New Yorker öffentlichen Gläubiger, für die noch verhältnismäßig gut gesorgt wurde, beschwerten sich dennoch bitter: „Fair promises and foul disappointments have so constantly succeeded each other, that State Faith and State Securities are as proverbial as Carthagenian Faith was formerly amongst the Romans." „A Citizen of America" (N. Webster?), Ν. Y. Daily Adv., 19. 2. 1788. Vgl. Nettels, National Economy, S. 85 ff.; Rutland X, 290 ff., 329 f., 373 ff. Siehe Melvin Yazawa, ed., Representative Government and the Revolution. The Maryland Constitutional Crisis of 1787, Baltimore—London 1975. Aufgliederung der Schuldensumme in James A. Haw, Politics in Revolutionary Maryland, 1753 — 1788, Ph. D. diss., Univ. of Maryland, 1972.

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darauf zur öffentlichen Diskussion stellte, wurde von einer Mehrheit der Gemeinden verworfen. 105 Massachusetts enthielt sich aller Währungsexperimente und sagte seinen Gläubigern die Rückzahlung der gesamten Staatsschuld von über $ 5 Millionen zum Nennwert in Hartgeld zu. Die Steuerschraube wurde angezogen, die Eintreibung strenger gehandhabt und fast das ganze Aufkommen für die Liquidierung der Staatsschuld verwendet. 106 Hier wie überall begründeten die Verfechter eines Austeritätskurses ihre Ablehnung des Papiergeldes mit einer Mischung aus ökonomischen und moralischen Argumenten. Angeblich behinderte dieses „fiktive" und „imaginäre" Medium den Handel und zerstörte das Vertrauen der Geschäftswelt in den Staat. Darüber hinaus verführe es die Bürger zu trägem Leben, untergrabe die öffentliche Moral und schädige die Schwächsten der Gesellschaft. 107 Die Opposition gegen eine derart rigide Politik nahm aber, ausgehend von West-Massachusetts, stetig zu, bis sie im Sommer 1786 in offenen Aufruhr überging. Die Shays'-Rebellen wurden zwar Anfang 1787 von der Miliz relativ leicht in die Flucht geschlagen und zerstreut. Die Ursachen der Misere konnten aber mit militärischen Mitteln nicht beseitigt werden. Ein neu gewähltes Parlament, in dem der Westen stark vertreten war, nahm deshalb erhebliche Korrekturen an der bisherigen Finanzpolitik vor. Die Steuern wurden gesenkt, der Abbau der Staatsverschuldung büßte die Priorität ein, und selbst die Zinszahlung erfolgte nicht mehr pünktlich. Damit war aber der Versuch des Staates, sich allein aus dem Sumpf der Kriegsschulden zu ziehen, endgültig gescheitert. Den öffentlichen Gläubiger blieb nun als Rettungsanker allein die künftige Zentralregierung. In Massachusetts war deshalb sehr früh der Vorschlag zu hören, die Bundesregierung solle nicht nur die finanziellen Verpflichtungen des Kongresses honorieren, sondern auch die 105

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Siehe Letters of William Plumer, 1 7 8 6 - 1 7 8 7 . Publications of the Colonial Society of Mass., vol. IX, Boston 1910, S. 3 8 3 - 4 0 3 . Vgl. Ferguson, Power of the Purse, S. 245ff.; Oscar and Mary F. Handlin, Revolutionary Economic Policy in Massachusetts, in: W M Q 4 (1947), S. 3 f f . Zu einer heftigen Kontroverse über Nutzen und Nachteil von Papiergeld kam es im Parlament von South Carolina am 17. u. 18. 1. 1788 zwischen Rawlins Lowndes („had not paper money carried us triumphantly through the war?") und Charles Pinckney (paper money „corrupted the morals of the people — diverted them from the path of honest industry to the ways of ruinous speculation — destroyed both public and private credit — brought total ruin on numberless widows and orphans." Elliot, Debates IV. Zweifel am „inherent value of paper currency" plagten u. a. auch Präsident John Witherspoon vom Princeton College (Kaminski, Paper Politics, S. 108 f.) und seinen Schüler Madison (Rutland IX, 93 ff.).

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Schulden der Staaten übernehmen und sie mit der kontinentalen Schuld zu einer einzigen „national debt" verschmelzen. 108 Diese Lösung gewann an Attraktivität, weil sich die Kriegsschulden der Staaten trotz aller bisherigen Opfer 1787 immer noch auf insgesamt $ 13.5 Millionen beliefen und wegen des mangelhaften Zinsendienstes weiter anstiegen. Eine Regierung, die genügend Autorität und Finanzkraft besaß, um sämtliche verbliebenen Schulden in Höhe von etwa $ 70 Millionen fundieren zu können, bot unter diesen Umständen ein verlokkendes Zukunftsbild. Je günstiger die Ratifizierungsaussichten wurden, desto höher stiegen deshalb auch die Marktkurse der Staatspapiere, und desto eifriger bemühten sich Spekulanten um den Aufkauf von Zertifikaten. 109 Hamiltons Finanzplan, den der neue Kongreß am 4. August 1790 als Gesetz verabschiedete, erfüllte die kühnsten Hoffnungen der Gläubiger. Die Bundesregierung übernahm die auswärtige Schuld ($ 11.7 Millionen), die innere kontinentale Schuld ($ 40.4 Millionen) und die Staatenschulden ($ 18.3 Millionen), garantierte die Annahme aller Zertifikate zum Nennwert und verpflichtete sich, die Zinsen in Hartgeld zu zahlen. Bis 1794 wurden die alten Schuldpapiere gegen neue verzinsliche Zertifikate eingetauscht, die ihren Wert hielten und als Geldersatz zirkulierten. Dieses Programm ermöglichte enorme Spekulationsgewinne und beseitigte die Reste der einzelstaatlichen Finanzhoheit. Dafür stattete es die Union mit einem soliden Finanz- und Währungssystem aus und stellte genügend Kapital zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zur Verfügung. Die fundierte Staatsschuld, die neu gegründete Bank der Vereinigten Staaten und das einheitliche Geldwesen wurden zum „Bindemittel der Union", wie es sich Hamilton seit Beginn der 1780er Jahre vorgestellt hatte. 110 „Convention", Mass. Centinel, 13. 10. 1787. Im Verfassungskonvent hatte sich Rufus King hierfür stark gemacht. Nach einer kontroversen Diskussion ließ man das Thema aber fallen. Farrand II, 6, 327 f., 355 f., 377. Hamiltons Erörterung der Steuerkompetenzen der Bundesregierung in den Pubiius-fttiefen 30—36 deutete wieder in diese Richtung. Antifederalists wie James Winthrop und Arthur Lee bezweifelten die Durchführbarkeit eines solchen Planes. Storing IV, 85; DHRC XIV, 227, 309 f. ίο? Nettels, National Economy, S. 97. 1,0 Zusammen mit ehemaligen Antifederalists setzte sich Madison im neuen Kongreß vergeblich für eine differenzierte Behandlung von ursprünglichen und derzeitigen Besitzern der Staatspapiere ein. Vgl. Netteis, National Economy, S. 109 ff., 126 ff.; Ferguson, Power of the Purse, S. 289ff. Hamiltons große Berichte über Handel, Kredit, Finanzen und Manufakturen aus den Jahren 1790 und 1791 sind abgedr. in Syrett VI, 51 ff.; VII, 210 ff., 236 ff., 462 ff. 108

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Die Einschätzung der wirtschaftlichen

Lage %ur Zeit der

Ratifi^ierungsdebatte

Die Jahre 1787 bis 1790 waren eine Phase des Ubergangs von der Stagnation zum Aufschwung, in der die Stimmung der Menschen zwischen Hoffen und Bangen, Zweifeln und Zuversicht schwankte. Im Grunde besaß niemand die nötigen Informationen, um sich ein klares Bild von der ökonomischen Geamtlage machen zu können. Selbst dem Kongreß mangelte es an der statistischen Beobachtung der Wirtschaftstätigkeit und mehr noch an der Analyse oder gar Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung. Man ging deshalb häufig von lokalen oder regionalen Erfahrungen aus und verließ sich im übrigen auf Mitteilungen von Freunden und Bekannten, Reiseberichte und Zeitungsartikel. Wie wenig das hinreichte, erhellt Madisons Eingeständnis vom August 1786, er wisse über Georgia so gut Bescheid wie über Kamschatka, nämlich überhaupt nicht. 111 Der Fähigkeit, Tendenzen zu erfühlen und zu erahnen, kam deshalb große Bedeutung zu. Da wirtschaftliche Zusammenhänge fast immer unter ethisch-moralischen Gesichtspunkten verstanden und nach sittlichen Maßstäben beurteilt wurden, ist bei der Auswertung zeitgenössischer Verlautbarungen Vorsicht am Platze. Ganz offensichtlich lieferten die Autoren je nach philosophisch-politischer Überzeugung alarmierende oder verharmlosende Zustandsbeschreibungen. 112 Die Alarmglocke zu läuten, verstand niemand besser als Alexander Hamilton. Am 1. Dezember 1787 beklagte er die „melancholische Situation" der Vereinigten Staaten und fragte seine Landsleute, ob sie nicht inzwischen auf der tiefsten Stufe der nationalen Demütigung angelangt seien: „Is public credit an indispensable resource in time of public danger? We seem to have abandoned its cause as desparate and irretrievable. Is commerce of importance to national wealth? Ours is at the lowest point of declension ... Is a violent and unnatural decrease in the value of land a symptom of national distress? The price of improved land in most parts of the country is much lower than can be accounted for by the quantity of waste land at market, and can only be fully explained by the want of private and public confidence ... it may in general be demanded,

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To Jefferson, 12. 8. 1786, Rutland XI, 95. Die Bewußtseinsstrukturen, in denen die ökonomischen Informationen verarbeitet wurden, untersuchen J. E. Crowley, This Sheba, Self. The Conceptualization of Economic Life in 18th-Century America, Baltimore 1974; Drew McCoy, The Elusive Republic. Political Economy in Jeffersonian America, Chapel Hill, N. C., 1980.

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what indication is there of national disorder, poverty, and insignificance that could befall a community so peculiarly blessed with natural advantages as we are, which does not form a part of the dark catalogue of our public misfortunes?" 113 Wer dagegen James Winthrops Agrippa-Briefe und den Hanno-Essay in der Massachusetts Gazette las, mußte meinen, zumindest Massachusetts liege auf einem anderen Stern. Shays' Rebellion war überwunden, und die Bevölkerung verspürte wieder die Vorteile der Freiheit in einem wachsenden Land: „The people have applied with diligence to their several occupations, and the whole country wears one face of improvements. Agriculture has been improved, manufactures multiplied, and trade prodigiously enlarged. Let any man look round his own neighbourhood, and see if ... there was ever more of the produce of all kinds together for the market; if their stock does not rapidly increase; if there was ever a more ready vent for their surplus; and if the average of prices is not about as high as was usual in a plentiful year before the war." „Hanno" hatte dasselbe Gefühl: „Perhaps the effects of sudden industry were never more apparent than they now are in every part of the commonwealth. By means of it, the trade of this town [Boston], particularly the export trade, is very considerably augmented, beyond what was ever known." Um den beschäftigungslosen Werftarbeitern und den öffentlichen Gläubigern zu helfen, die allein noch Grund zum Klagen hätten, brauche man nicht die Verfassungsordnung auf den Kopf zu stellen. Ebensowenig wie „Agrippa" und „Hanno" glaubte „Candidus", die Annahme der neuen Verfassung könne die noch ungelösten Probleme aus der Welt schaffen. Nötig seien vielmehr Fleiß und Genügsamkeit: „No establishment will enrich a people, who wantonly spend beyond their income." Ein weiterer Verfassungskritiker, der das Pseudonym „A Federalist" benutzte, zog für sich die Konsequenz: „I had rather be a free citizen of the small republic of Massachusetts, than an oppressed subject of the great American empire." 114 Das in New York veröffent113 114

„Publius" XV, DHRC XIV, 325 f. „Agrippa" II, III, 27./30. 11. 1787, Storing IV, 72 ff.; „Hanno", Mass. Gazette, 13. 11. 1787; „Candidus", Boston Indep. Chronicle, 6./20. 12. 1787, Storing IV, 125 ff.; „A Federalist", Mass. Gazette, 26. 11. 1787. Eine negative Einschätzung vom federalistischen Standpunkt gab dagegen „Atticus" im Indep. Chronicle vom 27. 12. 1787. Der Delegierte Thomas Dawes behauptete am 21. 1. 1788 im Ratifizierungskonvent, „not only our coasting trade, our whole commerce is going to ruin ... we call ourselves independent of each other, but we are slaves to Europe ... Our manufactures are another great subject, which has received no encouragement by national duties on foreign manufactures."

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lichte Federal Farmer-Pamphlet las sich nüchterner, schlug aber ebenfalls einen optimistischen Ton an: „Our governments answer all present exigencies, except the regulation of trade, securing credit, in some cases, and providing for the interest, in some instances, of the public debt ... We are hardly recovered from a long and distressing war: The farmers, fishermen, &c. have not yet fully repaired the waste made by it. Industry and frugality are again assuming their proper station. Private debts are lessened, and public debts incurred by the war, have been, by various ways, diminished." 115 Die Privat- und Geschäftsbriefe der Zeit vermitteln ein differenziertes Bild, das zwischen der Hamiltonschen Düsternis und der rosigen „Agrippa"-Version angesiedelt ist. Abgesehen von den regionalen Besonderheiten und Ungleichzeitigkeiten, treten zwei generelle Tendenzen hervor: Einerseits bestätigt sich die Wiederbelebung des Handels und die Steigerung der Agrarproduktion, zum anderen wird aber auch das volle Ausmaß der Schulden- und Kreditkrise offenbar, die den Aufschwung hinderte und gefährdete. Ab und zu ist in den Briefen von Kaufleuten und Händlern noch von mangelnder Nachfrage und flauem Geschäft die Rede. Zwischen diesen eher routinemäßig klingenden Äußerungen 116 finden sich aber mehr und mehr Hinweise auf verbesserte Aussichten im Agrar- und Außenhandelssektor. Am deutlichsten war der Aufwärtstrend offensichtlich in Massachusetts zu spüren. Der Oberste Richter des Staates, Sargent, lobte schon im Januar 1788 die Rückkehr der Bürger zu Fleiß und Sparsamkeit: „Industry has occasioned great improvements in agriculture and in manufactures. The first has rendered Provisions plenty and so cheap that we sell them to almost all nations. The latter has supplied us with many necessaries which we used to send cash for ... Frugality has prevented us from sending our Cash abroad for many Superfluities which we can do as well or perhaps better without; so that now it is an undoubted fact that the exports from America greatly exceed the imports." Ab Sommer 1788 regierten nach übereinstimmender Meinung „Content, Quiet and productive Labour", und der Kongreß verzeichnete mit Genugtuung die Ausfuhrüberschüsse der Neuengland-

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DHRC XIV, 20. Der Verleger William Spotswood erfuhr auf einer Reise durch South Carolina im Frühjahr 1788, die Beschwerden seien „generally so here at this time of the year." To Mathew Carey, Charleston, 10. 5. 1788, Lea and Febiger Coll., PHi.

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Staaten.117 Vorwärts ging es auch in Connecticut und in Rhode Island, das vom Krieg allerdings besonders schwer in Mitleidenschaft gezogen worden war. Während sich Newport nur langsam erholte, beschrieb John Quincy Adams Providence 1789 schon wieder als eine „flourishing and thrieving town." 118 Aus New Hampshire liegen widersprüchliche Berichte vor. Präsident Sullivans positive Schilderung vom November 1787 mag durch den Wunsch gefärbt sein, seine eigenen Verdienste herauszustreichen: „Trade and commerce begin to revive; business goes on with more celerity than heretofore ... money seems to be finding its way among us." Sein Nachfolger Langdon sprach dagegen im Juni 1788 vor dem Parlament über den „deranged state of our finances [and] the almost annihilation of our commerce." In ihrer Antwort verpflichteten sich die Abgeordneten, alles zu tun, um den „drooping spirit of commerce" wiederzubeleben. 119 Gelassenheit und Optimismus war der Haupttenor vieler Briefe aus den Mittelatlantikstaaten. Die insgesamt recht günstige Lage hatte schon im Oktober 1787 einen ausländischen „Friend to the United States" im New York Packet zu der spöttischen Bemerkung veranlaßt: „The Americans are too well, and they know it not." 120 Im Dezember ver-

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Nathaniel P. Sargent to J. Badger, Boston, Jan. 1788, in: New England Historical and Genealogical Register I, Boston 1847, S. 237ff.; Nathaniel Gorham to Washington, Boston, 5. 7. 1788, Washington Papers, LC; Nathaniel Barrett to Jefferson, New York, 18. 8. 1788, Boyd XIII, 523 f. Zu Connecticut Gaspare J. Saladino, The Economic Revolution in Late 18thcentury Connecticut, Ph. D. diss., Univ. of Wisconsin, Madison, 1964. Den Aufzeichnungen des britischen Sekretärs Woodorf zufolge hatte Newport vor dem Krieg 1200 Häuser und 9000 Einwohner, 1787 dagegen nur noch 800 Häuser und 2500 Einwohner. Von ehemals 14 Destillerien waren vier, von drei KerzenManufakturen eine verblieben. Woodorf Journal, 2. 8. 1787, PPAmP. J. Q. Adams' Eindruck von Newport im Tagebuch vom 9. 9. 1789. Sullivan to Gilman, Durham, 20. 11. 1787, Etting Coll., PHi; Journal of. the Proceedings of the Ν. Η. House of Representatives, Portsmouth 1788. Gegen das ständige Klagen über die „schlechten Zeiten" wandte sich im Ν. H. Spy vom 19. 2. 1788 ein „Contended Man." Ein Schreiber in der Ν. H. Gazette schilderte am 16. 4. 1788 die „certain advantages that must accrue to the eastern States, if the new government is established." Samuel Lane aus Stratham blickte in seinem Tagebuch auf das Jahr 1788 zurück: „Money remains very Scarce, and Business Dull — the New Constitution is this year Adopted; and Many people are hoping for Relief from their Difficulties thereby." Charles L. Hanson, ed., A Journal for the Years 1739-1803, Concord, Ν. H., 1937, S. 92. Ν. Y. Packet, 16. 10. 1787. Bereits 1786 hatte sich Franklin in Philadelphia positiv und zuversichtlich über den „Internal State of America" geäußert. Sein Aufsatz

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meldete das New Yorker Geschäftshaus Murray & Samson: „The produce of our country is great this year particularly in Beef, Pork; and finer Wheat has not been known in this Country." Niemals zuvor habe er eine so gute Erntesaison erlebt, schrieb der Kongreß-Delegierte Pierse Long im Sommer 1788: „All the earth can yield, it does liberally." Der prominente New Yorker Federalist Robert R. Livingston bat seine französischen Briefpartner, den Gerüchten über Armut und soziale Unruhen in Amerika keinen Glauben zu schenken: „The people of this country are the happyest in the world, poverty is hardly known in it our population is more rapid than you can have any Idea of. Such is the improved State of our agriculture that ... the general ballance will this year be in our favor." Trotz einer „schwachen und unwürdigen" Regierung sei die Bevölkerung des Staates New York „happy and easy." 121 In der Tat sicherten die Einfuhrzölle, die von den Bürgern Connecticuts und New Jerseys mitaufgebracht werden mußten, den New Yorkern niedrige Steuern, günstige Landpreise und hohe Profite. 122 Die Anzeichen der Besserung waren auch in Philadelphia unverkennbar. Das Monatsmagazin American Museum sprach schon Ende 1787 von bemerkenswerten Fortschritten, die erzielt worden seien durch den „patriotic or interested and enterprising spirit of the individuals: perhaps even by the want of an effective government ... for it might have meddled and, as in most similar cases, might have marred." Die Tendenz hielt über den Winter an: „The commerce of this City seems to revive a little this Spring,"

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war aber vor allem zur Widerlegung britischer Pressemeldungen vom bevorstehenden Ruin der ehemaligen Kolonien gedacht. Verner W. Crane, ed., Franklin's .Internal State of America' (1786), in: WMQ 15 (1958), S. 214ff. Vgl. Drew McCoy, Benjamin Franklin's Vision of a Republican Political Economy for America, a. a. O. 35 (1978), S. 605-628. Murray & Samson to Levi Hollingsworth, New York, 21. 12. 1787, Hollingsworth Papers, PHi; Long to Gilman, Portsmouth, 22. 7. 1788, J. S. H. Fogg Autograph Coll., MaHi; Livingston to Marquis de la Luzerne, Clermont, 7. 5. 1788; to Lafayette, Clermont, 17./22. 9. 1788, R. R. Livingston Papers, NHi. Dieser Umstand, der den New Yorkern in den Nachbarstaaten recht übelgenommen wurde, gab einem Verfassungskritiker Anlaß zu der besorgten Frage: „Let our imposts and advantages be taken from us, shall we not be obliged to lay as heavy taxes as Connecticut, Boston, etc.?" Albany Federal Herald, 25. 2. 1788. Vgl. Ernest W. Spaulding, New York in the Critical Period, 1783-1789, New York 1932; Thomas C. Cochran, New York in the Confederation. An Economic History, Philadelphia—London 1932; Manfred Jonas and Robert V. Wells, eds., New Opportunities in a New Nation. The Development of New York After the Revolution, Schenectady, N. Y., 1982.

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stellte Levi Hollingsworth fest, „great Quantities of Wheat are shipping off for Portugal and flour for Spain." Wenige Monate vor seinem Tode blickte Franklin im November 1789 mit Dankbarkeit auf die Entwicklung in Pennsylvania zurück: „We have had a most plentiful year for the fruits of the earth, and our people seem to be recovering fast from the extravagance and idle habits which the war had introduced; and to engage seriously in the contrary habits, of temperance, frugality, and industry." 123 In Maryland war Baltimore seit dem Krieg zu einem Handelszentrum voller Aktivität und Vitalität aufgestiegen. Es gelang der Stadt sogar, einen Teil des Getreide- und Mehlexports an sich zu ziehen, den bislang Philadelphia allein abgewickelt hatte. Dennoch überwogen pessimistische Töne: „Let what will happen, we cannot be worse than we are now," klagte Richard Curson in einem Brief an Horation Gates. Die Bewohner des Eastern Shore wüßten, berichtete ein Reisender dem Pennsylvania Mercury, „that their prosperity depends on the exportation of their wheat and flour, and that as long as there is neither government nor trade they must languish under the distresses which they have so long suffered." 124 Virginia und Kentucky befanden sich nach den ausgezeichneten Ernteerträgen des Jahres 1788 endgültig auf dem Weg der wirtschaftlichen Gesundung: „I really believe that there never was so much labour and economy to be found in the country as at the present moment," faßte Washington noch vor Virginias Ratifizierung seine Eindrücke in einem Brief an Lafayette zusammen. 125 Auch im unteren Süden wurden 1787 und 1788 gute Ernten eingebracht, die den Farmern und Pflanzern aus der ärgsten Bedrängnis halfen. North Carolina erlebte 1788 „the finest and greatest Crops of Wheat, Rye, Oats, Corn and Tobacco that ever grew here ... The People are now rising out of the most starved condition 123

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Hollingsworth to Mark Prager, Philad., 21. 4. 1788, Hollingsworth Papers, PHi; American Museum, Dec. 1787; Franklin to John Wright, 4. 11. 1789, in: Smyth, Writings of Franklin, X, S. 60 ff. Franklin starb am 17. 4. 1790. Curson to Gates, 8. 11. 1787, Gates Papers, NHi; Pa. Mercury, 12. 2. 1788. Den längerfristigen Wachstumstrend betonen Philip A. Crowl, Maryland During and After the Revolution. A Political and Economic Study, Baltimore 1943; Rhoda Μ. Dorsey, The Pattern of Baltimore Commerce During the Confederation Period, in: MHM 62 (1967), S. 1 1 9 - 1 3 4 ; William A. O'Brian, Challenge to Consensus. Social, Political and Economic Implications of Maryland Sectionalism, 1776— 1789, Ph. D. diss., Univ. of Wisconsin, Madison, 1979. 18. 6. 1788, Fitzpatrick XXIX, S. 522ff. Vgl. Madison to Jefferson, New York, 24. 7. 1788, Rutland XI, 196ff. Ausführlich Norman K. Risjord, Chesapeake Politics, 1 7 8 1 - 1 8 0 0 , New York 1978, S. 160 ff., 468 ff.

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to a most plentiful State." 126 Im Herbst 1788 und im Winter 1788/89 zählte man in Wilmington mehr Handelsschiffe als in allen Jahren seit 1775. Sie nahmen hauptsächlich Bauholz, Schindeln und Faßdauben für die karibischen Inseln an Bord. 127 Charles Pinckney beurteilte Anfang 1788 im Charlestoner Parlament die Wirtschaftslage des Südens besser als diejenige des Nordens, und Arthur Bryan konstatierte wenig später, die schlechten Zeiten hätten South Carolina noch nicht erreicht: „Our produce is so valuable that we never can be so wretched as the Northern States." Dagegen fand David Ramsay im Juni, die Lage verschlechtere sich eher und die Preise seien weiterhin zu niedrig. 128 Eine interessante, zukunftweisende Entwicklung kündigte sich im Hinterland von South Carolina und Georgia an, wo immer mehr Farmer mit dem Anbau und der maschinellen Verarbeitung von Baumwolle experimentierten. 129 Der wirtschaftliche Aufschwung hätte sich noch rascher und umfassender bemerkbar gemacht, wäre er nicht durch die äußerst angespannte Finanzlage gebremst worden. Gerade weil die Zeichen seit 1787 auf Wachstum und Expansion standen, machten sich das Währungsdurcheinander und der Kapitalmangel immer nachteiliger bemerkbar. Oberrichter Sargent ließ es deshalb nicht bei der Würdigung der günstigen Exportentwicklung bewenden, sondern legte den Finger auch auf den wunden Punkt: „The old Confederation without Power or Energy destroyed the Credit of the United States. The scarcity of Cash, and the embarrassments of the Government, for want of some fixed System of finance has destroyed the credit of the individual states — different Tender acts in

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Jesse Benton to Thomas Hart, Hartford, N. C., 29. 6. 1788, Thomas J. Clay Papers, LC. Ähnlich für South Carolina Henry Laurens to Edward Bridgen, Mepkin Plantation, 8. 10. 1787, H. Laurens Papers, SHi. Vgl. Charleston Columbian Herald, 23. 4. 1789. Maclaine to Iredell, Wilmington, 22. 2. 1789, McRee II, S. 254f. Den Silberstreif am Horizont sah um diese Zeit auch der bisherige Kongreß-Delegierte Hugh Williamson in einem Brief an Gov. Samuel Johnston vom 30. 3. 1789, Governors' Papers, NCDAH. Vgl. Charles G. Crittenden, The Commerce of North Carolina, 1763-1789, New Haven, Conn., 1936. Pinckney in der Parlamentsdebatte vom 17. 1. 1788, Elliot, Debates IV; Bryan to George Bryan, Charleston, 9. 4. 1788, Bryan Papers, PHi; Ramsay to Benjamin Lincoln, Charleston, 20. 6. 1788, B. Lincoln Papers, MHi. Spotswood war vom ungesunden Klima, dem Schmutz und den hohen Preisen in Charleston wenig angetan: „I think a person should be making money to induce him to live in such a place." To Carey, 10. 5. 1788, Lea and Febiger Coll., PHi. Vgl. Coxe to Madison, Philad., 11. 6. 1788, Rutland XI, 104; Charleston City Gazette, 29. 5. 1788.

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different States ... have destroyed private Credit; so that we are now as a people and as individuals totally without either public or private Credit. Under these circumstances money never can circulate in plenty, let the advantages for importing it be what they may." 130 Die Symptome der Kreditkrise waren zur Zeit der Verfassungsdebatte allgemein, und sie sprechen auf bedrückende Weise aus einer Vielzahl von Quellen. 131 Mehrere Faktoren wirkten zusammen, um die Erholung und langfristige Gesundung zu verzögern. Der Nutzeffekt des neuen Papiergeldes blieb begrenzt, weil seine Emittierung mit zusätzlichen Zwecken befrachtet worden war, die an der Redlichkeit und Kontinuität der staatlichen Finanzpolitik zweifeln ließen. Der Versuch, sich mit billigem Geld der öffentlichen und sogar der privaten Schulden zu entledigen, provozierte heftige Gegenwehr und bewirkte Störungen im Geld- und Wirtschaftskreislauf. Das Interesse der Schuldner an fallenden Kursen verstärkte die Aversion der Gläubiger gegen jede Art von Papiergeld, und beides zusammen entzog der Papierwährung die Grundlage. Dazu hätte es kaum noch des Extrembeispiels von Rhode Island bedurft, wo die agrarische Minderheit und die städtischen Kaufleute gleichermaßen die Zerrüttung der Finanzen betrieben — erstere im Rahmen ihres Schuldentilgungsprogramms, letztere, um möglichst schnell zur reinen Hartgeldwährung zurückzukommen. 132 Zur Zeit des Verfassungskonvents hatte die Pa130 131

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S. o. Anm. 117. Einige Beispiele müssen genügen: „The Article of Money is very Scarce at present, every monied person choosing rather to keep the same by them, than to Let it, untill it shall be ascertained whether the Federal Constitution takes place or Not." Samuel Cotesworthy, Jr. to Tilly Merrick, Boston, 19. 2. 1788, T. Merrick Papers, Concord Free Public Library, Mass. „Money is scarce in this Place beyond anything I have experienced before." Andrew Ellicot to John Nicholson, Baltimore, 7. 1. 1788, J. Nicholson Papers, Pa. State Archives, Harrisburg. „No money is to be borrowed — no Property will command Cash and no reliance Can be placed in the Collection of debts." Thomas Pleasants, Jr. to Stephen Collins, Petersburg, Va., 7. 11. 1787, Papers of Stephen Collins and Son, LC. „It is impossible for a gentleman from this state [Conn. ] to negotiate any business, or conclude any bargain on credit with any of their [Ν. Y.] merchants and other inhabitants, without a previous personal acquaintance." Extract of a letter, Middlesex Gazette, 12. 11. 1787. „Trade here is very dull, the great scarcity of circulating Cash renders it very difficult to carry on trade to advantage." Benjamin Talbot, Jr. to Silas Talbot, Providence, 7. 10. 1787, S. Talbot Papers, Mystic Seaport Assoc. Library, Mystic, Conn. Kaminski, Paper Politics, S. 169ff. Der Antifederalist Arthur Fenner versuchte, den Kurs der Country-Partei mit dem Hinweis auf die Inflationspolitik des Krieges zu rechtfertigen, „which led the Congress in 1780 to adopt the Measure of sinking

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piergeldagitation ihren Höhepunkt schon überschritten. Immer mehr Amerikaner fürchteten, daß die vorübergehende Linderung der G e l d n o t mit irreparablen Nachteilen erkauft werden mußte. Die Zahl der Papiergeldstaaten nahm 1 7 8 7 nicht mehr weiter zu, und diejenigen Parlamente, die Emissionen v o r g e n o m m e n hatten, zogen die Scheine auf dem Wege der Steuererhebung und des Landverkaufs nach und nach aus dem Verkehr. Dadurch verringerte sich der Geldumlauf aber noch mehr, denn ausreichender Ersatz stand w e d e r in F o r m v o n Münzen noch v o n wertbeständigen Zertifikaten bereit. 1 3 3 Ein weiteres Hindernis bildeten die zahlreichen Verordnungen und Gesetze, die Schuldner v o r Pfändungen, Zwangsversteigerungen und Inhaftierung schützten. Diese Hilfsmaßnahmen waren sozial gerechtfertigt, in den Südstaaten angesichts der enormen privaten Schuldenlasten sogar unumgänglich. 1 3 4 Sie warfen aber die juristische Frage nach der „Obligation of Contracts", der Geltungskraft und Unantastbarkeit privatrechtlicher Verträge auf, und sie reduzierten den Geldumlauf und die Kreditmöglichkeiten noch weiter. 1 3 5 W e r sein Geld

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zurückverlangte,

forty Dollars of their Currency for one Silver Dollar." To Washington, 20. 5. 1790, Misc. Letters, State Dept. Records. Bushrod Washington hoffte allerdings, die unzweideutige Stellungnahme des virginischen Parlaments gegen Papiergeld werde das Vertrauen wiederherstellen, „and bring into circulation a considerable quantity of money which fear and diffidence had locked up." To Robert Carter, Richmond, 4. 11. 1787, in: Henkels Auction Catalog 1913, No. 1044, Part II, Item 281, S. 26. Mit Blick auf die in Virginia anhängigen 4000 Schuldverfahren hieß es in einem Geschäftsbrief: „It is thought the number of executions that would issue would be too heavy for our Government to bear and that such a rapid transfer of Property would altogether stop the momentum of our Machine." Logan & Story to Stephen Collins, Peterburg, 2. 11. 1787, Papers of Stephen Collins and Son, LC. Henry W. DeSaussure beschrieb das Dilemma in South Carolina: „On the one hand all Legislative Interferences are unjust & should only be resorted to in the last Extremity — on the other hand procrastination seems better even for the Creditor than absolute ruin to the debtor with only half pay to the Creditor." To Jedidiah Morse, 11.2. 1788, DeSaussure Folder, Derby-Deyrea Box, NHi. Edward Rutledge versprach sich noch im Mai 1789 keine Erleichterung von der Beseitigung des Schuldnerschutzes: „There is no body of military men in existence, to enforce an obedience to the laws, and to suppose that neighbors and fellow debtors will execute the law for the benefit of creditors, is to imagine a vain thing." To Jay, Charleston, 21. 5. 1789, Johnston, Correspondence III, S. 367 f. Im Februar 1787 hatte der Sprecher des Unterhauses von South Carolina, John Julius Pringle, das Interventionsrecht der Staatenlegislativen ausdrücklich verteidigt: „Is it not one of the terms or conditions men are bound by when they submit to government that the interest of individuals must be sacrificed when such

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wurde mit entwertetem Papier und Naturalien abgefunden oder auf unabsehbare Zeit hingehalten. Gelegentlich verwischte sich die Trennungslinie zwischen Schuldnern und Gläubigern, denn manch einer war nur deshalb zahlungsunfähig, weil es ihm nicht gelang, die eigenen Außenstände einzutreiben. Selbst Coxe & Frazier mußten ihre Säumigkeit mit dem „delay of payments from all those indebted to us" entschuldigen. 136 Die Geschäftsleute verdroß am meisten, daß sie ihre Forderungen nicht einmal mehr auf dem Rechtsweg geltend machen konnten. Sofern die Gerichte unter dem Druck der Öffentlichkeit nicht von sich aus Milde walten ließen, banden ihnen die Parlamente die Hände. Ein virginischer County Court vertagte sich Ende 1787 mit der Begründung, „that it is expected that this Session of Legislature will install Debts and therefore it was improper to proceed to give judgment in the causes before them." James Duncanson erwartete, seine Schuldner würden „adopt every method the Law will admit, to stave off payment, so that it runs in my head, that I shall not live to see the matter finally determined." 137 Bald gab es so viele Schlupflöcher, daß ein Prozeß jahrelang dauern konnte, und die Kosten in keinem Verhältnis mehr zum Streitwert standen. Viele Gläubiger resignierten deshalb und warteten günstigere Bedingungen unter der neuen Verfassung ab: „The friends to order and Good Government seem to have lost hopes of relief at home and are looking up to the Federal Constitution for redress," meldete Thomas Pleasants aus Petersburg in Virginia. Der New Yorker Thomas Goadsby sprach seinen Leidensgefährten aus der Seele, wenn er sich von der Ratifizierung einen „wonderful change in the face of affairs, particularly in expediting the collection of debts" erhoffte. 138

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sacrifice is absolutely necessary for the preservation of the society?" Zit. nach Robert A. Becker, Salus Populi Suprema Lex. Public Peace and South Carolina Debtor Relief Laws, 1 7 8 3 - 1 7 8 8 , in: SCHM 80 (1979), S. 74. To Thomas Dickson, Philad., 12. 3. 1788, Coxe Papers, PHi. Die Firma Brown & Benson war aus diesem Grunde unfähig, ihre Schulden in England zu verringern. James B. Hedges, The Browns of Providence Plantations, Cambridge, Mass., 1952, S. 293ff. John Peirce to Knox, Richmond, 12. 11. 1787, Knox Papers, MHi; Duncanson to James Maury, Fredericksburg, 8. 5. 1788, J. Maury Papers, ViU. In Dutchess County, Ν. Y., machte sich Richter James Kent unbeliebt, weil er die Farmer anhielt, „to pay their Debts a Term sooner than they did before by our loose practice of delaying Course, without any justifiable Defence." To Nathaniel Lawrence, 6. 10. 1787, Dreer Coll., PHi. Pleasants to Stephen Collins, s. o. Anm. 131; Goadsby to Holmes & Co., New York, 3. 7. 1788, Hancock Papers, Baker Library, HvU.

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Die Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

All dies verstärkte natürlich die Zurückhaltung der Geldgeber und Investoren, der „monied men", die ohnehin als sehr vorsichtig galten. Sie interpretierten die Aktivitäten der Parlamente als Ausfluß eines „gleichmacherischen Geistes" und als gezielten Angriff auf das Privateigentum. Es sei wohlbekannt, schrieb John Langdon aus Portsmouth, „that such there are in all the states, who wish to annihilate all debts and reduce all to a level." Theodore Sedgwick witterte gar einen planmäßigen Krieg gegen Tugend, Besitz und Rangunterschiede, „and however there may be an appearance of a temporary cessation of hostilities, yet the flame will again and again break out." 139 In Maryland drohte der Vertrauensverlust jede wirtschaftliche Initiative zu ersticken: „We are at present in such a situation, that whoever trusts his property in the hands of another, can never be sure of commanding it when wanted, or perhaps not at all. This is a most disagreeable situation, and of course will put a stop to all credit among us." Hartgeld wurde nur noch zu dem exorbitanten Zinssatz von 25% verliehen. Häufig war es aber selbst unter diesen Bedingungen nicht mehr erhältlich, „proceeding from the want of Government in which Monied men would be safe in lending out their Cash." 140 Den Aufzeichnungen der Mährischen Brüdergemeinde in Salem, North Carolina, ist zu entnehmen, daß gute Ernten in dieser Situation nicht ausreichten, um das Los der Landbevölkerung zu verbessern. In einem Bericht von Frederick W. Marshall vom November 1789 an das Vorsteherkollegium heißt es: „The harvests last year and this have been good, but the products of the land cannot be sold in our seaports and are constantly falling in price ... Meanwhile the serious situation has arisen which we have feared so long, for hard money has disappeared and products of the land are worth nothing even if they are taken two or three hundred miles." 141 Aus vielen Zeugnissen spricht das bewußte

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Langdon to Gilman, Portsmouth, 25. 5. 1788, Personal Papers Misc., LC; Sedgwick to King, 18. 6. 1787, King, Life of Rufus King, I, S. 223 f. Im Parlament von Rhode Island war im Dezember 1786 ein Gesetzentwurf eingebracht worden, der „zur Aufrechterhaltung eines republikanischen Regierungssystems" die gleichmäßige Verteilung allen Besitzes im Abstand von jeweils 13 Jahren vorsah. Kaminski, Paper Politics, S. 172. Im Verfassungskonvent wies u. a. Madison auf die Gefahr solcher „agrarian laws" hin. Farrand, I, 422 f. Baltimore Md. Journal, 1 1 . 1 . 1788; Rinaldo Johnson to Stephen Collins, 4. 5. 1788, Papers of S. Collins and Son, LC; „A Feeling Man", Baltimore Md. Gazette, 29. 4. 1788. Zit. nach Adelaide L. Fries, ed., Records of the Moravians in North Carolina, 11 vols., Raleigh, N. C., 1922-1969, V, S. 2282 f.

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Umorientierung

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Abwarten der Geldgeber: „We are in that kind of suspense now which is injurious to all private pursuits," erkannte Nathan Dane in Massachusetts. Anstatt zu neuen wirtschaftlichen Aktivitäten anzuspornen, förderte die monatelange Verfassungsdebatte in finanzieller Hinsicht Passivität und Attentismus. Für Volkswirtschaften, die zur Verstetigung des Erholungsprozesses Zahlungsmittel und Investitionskapital dringend benötigten, war dies eine schwere Belastung. 142 Es fehlte aber nicht nur das amerikanische Geld, das Furcht und Mißtrauen unter Verschluß hielten oder ins Ausland trieben. 143 Im Süden fanden sich die Pflanzer auch von dem britischen Kapitalstrom abgeschnitten, der in der Kolonialzeit kontinuierliches Wachstum ermöglicht hatte, und der nach dem Krieg kurzfristig wieder in Gang gekommen war. Die Engländer wurden aber verprellt, als sich einige Staaten, darunter New York und Virginia, weigerten, ihre Vorkriegsschulden gemäß den Bestimmungen des Friedensvertrages anzuerkennen. Britische Handelshäuser und Banken, deren Agenten in Amerika vergeblich auf diese Klausel pochten, zeigten verständlicherweise wenig Neigung, neue Kredite einzuräumen. Einige von ihnen gingen sogar in Konkurs, weil sie den Ausfall der amerikanischen Zahlungen nicht verkraften konnten. 144 Virginia, dessen Verbindlichkeiten gegenüber britischen Geldgebern sich Ende 1787 auf ca. 2 Millionen Pfund Sterling beliefen, blieb aber nach wie vor auf ausländisches Kapital angewiesen. 145 Die britischen Dienste, obgleich teuer bezahlt, waren nach Ansicht des gut informierten „True Friend" unverzichtbar für die Steigerung der Produktion und die Aufnahme neuer Siedler: „By running in debt with the mother country, America increased really in power." Um die Kreditwürdigkeit wiederzuerlangen, mußten die Virginier den Friedensvertrag respektieren und die nötigen Sicherheiten stellen: „We have the best mortgage to offer,

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Dieser Attentismus wurde schon zur Zeit des Verfassungskonvents beobachtet. DHRC XIII, 191; vgl. II, 316. Geschäftliche Transaktionen wurden häufig bis zum Inkrafttreten der Verfassung vertagt. Siehe u. a. Libby to Belknap, Portsmouth, 12. 5. 1788, Belknap Papers III, S. 405; Josiah Throop to James Beekman, 20. 11. 1787, Beekman Coll., NHi. Die Kapitalflucht nach England erwähnte „A True Friend", Va. Indep. Chronicle, 14. 11. 1787. Nettels, National Economy, S. 63. Die britischen Kaufleute bezifferten ihre Forderungen gegenüber Bürgern Virginias 1791 auf 2,3 Mio Pfund Sterling. Die Amerikaner honorierten später jedoch nur ein Achtel der von der Londoner Regierung genannten Gesamtsumme von ca. 5 Mio Pfund. Shepard and Walton, Economic Rise, S. 107 f.

84

Die Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

which is immense and fruitful lands. For this axiom is certain, nothing is lent those that have nothing, and credit is offered, at its lowest rate, to those that offer the best securities." 146 Auch in diesem Punkt versprach die neue Verfassung Abhilfe, denn sie ermächtigte die Bundesgerichte, über die Befolgung des Friedensvertrags zu wachen. Die antifederalistische Propaganda griff diesen Punkt mit Vorliebe auf, um die Angst zu schüren: „An Englishmen will not allow you to carry him out of his own country for debt, but he may carry a citizen of Virginia to Philadelphia, or wherever the new Congress may appoint, upon every frivolous pretext, and there try him without a jury." Die Südstaaten-Pflanzer mußten sich also entscheiden, ob sie das langfristige Interesse an britischem Investitionskapital über das kurzfristige, aber in manchen Fällen elementare Interesse stellen sollten, ihrer Vorkriegsschulden ledig zu sein.147

Die Spekulation mit

Wertpapieren

Ein nicht unerheblicher Teil des restlichen Geldes fand für spekulative Zwecke Verwendung. Die Masse der kontinentalen und einzelstaatlichen Zertifikate war bereits um die Mitte des Jahrzehnts weit unter Nennwert von den ursprünglichen Besitzern in die Hände vermögender Privatleute und Makler übergegangen. Nun gaben die Kurssteigerungen einen zusätzlichen Anreiz, Staatspapiere zu horten. In der Massachusetts Gazette vom 8. Juli 1788 frohlockte ein Korrespondent über den „rapid rise of continental securities ... It is well known that the publick securities of Britain sell above FIFTY PER CENT higher than ours, notwithstanding her debt is so enormous, and our interest higher than hers; but as this has been owing to want of national government, it cannot remain so long ... Now, now is the time to hold fast your property in the American funds; they have in a short time risen to forty per cent!" Die Staaten 146

147

„A True Friend", s. o. Anm. 143. Zur Haltung des virginischen Parlaments Rutland Χ, 247 ff., 290 ff.; XI, 196 ff.; XII, 50 ff. „Brutus", Va. Indep. Chronicle, 14. 5. 1788, Storing V, 205. Zur Auswirkung der Verfassung vgl. Myra L. Rich, Speculations on the Significance of Debt. Virginia 1 7 8 1 - 1 7 8 9 , in: VMHB 76 (1968), S. 3 0 1 - 3 1 7 ; Emory G. Evans, Private Indebtedness and the Revolution in Virginia, 1776 to 1796, in: WMQ 28 (1971), S. 3 4 9 374; Charles Ε Hobson, The Recovery of British Debts in the Federal Circuit Court of Virginia, 1790 to 1797, in: VMHB 92 (1984), S. 1 7 6 - 2 0 0 ; Risjord, Chesapeake Politics, S. 293 f., 452 ff.

Wirtschaftskrise,

Umorientierung

und

Erholung

85

taten ein übriges, indem sie Schuldscheine und Indents in ihre Kassen lenkten, um für die Kriegsschulden-Endabrechnung mit dem Kongreß gewappnet zu sein. Der Durchschnittswert von Final Settlements, der Anfang 1787 unter 15 Cents pro Dollar gelegen hatte, erreichte zur Zeit des Verfassungskonvents zwischen 17 und 19 Cents und kletterte bis zur Annahme der Verfassung durch New York im Sommer 1788 auf 25 Cents. Danach sank er vorübergehend auf 21 Cents ab, als Profite kassiert wurden und neue Zertifikate auf den Markt kamen. Nun erweckten die amerikanischen Wertpapiere auch das Interesse europäischer Investoren, die verstärkt an der Spekulation teilnahmen. Im Frühjahr und Sommer 1789 erholte sich der Preis wieder, um dann im Winter 1789/90 auf 45 bis 50 Cents emporzuschnellen. Während der ganzen Zeit hielt der Konzentrationsprozeß an, so daß am Ende ein relativ enger Personenkreis den gesamten Wertpapierbestand kontrollierte. Damit büßten die Zertifikate für die Zeit der Verfassungsdebatte ihre Funktion als Ersatzzahlungsmittel ein. 148 Zweifellos war die meisten Amerikaner, die über eine nennenswerte Zahl von Wertpapieren verfügten, am Inkrafttreten der neuen Verfassung interessiert. Henry Jackson und Jeremiah Libby gehörten zu denen, die schon im Herbst 1787 voraussahen, daß im Falle einer Ratifizierung der Wert aller Schuldscheine steigen würde: „Should the new Constitution take place ... our national character will then rise, and the securities of course." 149 Dennoch sollte die Bedeutung dieses Faktums für das Zustandekommen und die Annahme der Verfassung nicht zu hoch veranschlagt werden. 1787 ließ sich noch nicht klar absehen, in welchem Maße selbst eine gut organisierte und kompetente Zentralregierung die Ansprüche der öffentlichen Gläubiger würde befriedigen können. Der Kursanstieg hielt sich lange Zeit in Grenzen, bis eine neue Spekulationswelle 1791/92 den Marktwert über Pari auf $ 1.20 hinauftrieb. 150 Es ist auch nicht mehr sicher zu ermitteln, wer 1787/88 wieviele und welche Art

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150

Ferguson, Power of the Purse, S. 251 ff. Libby to Belknap, Portsmouth, 24. 10. 1787, Belknap Papers III, S. 340 ff.; vgl. Jackson to Knox, Boston, 21. 10. 1787, Knox Papers, MHi. „Pray does not national Securities rise, in proportion as States join the federal Constitution?" erkundigte sich Samuel P. Savage nach der Ratifizierung von Massachusetts bei George Thatcher. Weston, Mass., 17. 2. 1788, G. Thatcher Papers, BPL. Ferguson, Power of the Purse, S. 329f. Washington machte im Frühjahr 1788 einen großen Teil seines Wertpapierbesitzes flüssig und verwendete ihn für die Steuerzahlung, obgleich Charles Lee ihm geraten hatte, die Wertsteigerung abzuwarten. Risjord, Chesapeake Politics, S. 299.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

von Schuldpapieren hielt. Die frühesten verläßlichen Zahlen, auf die Beard seine These von der Spekulation als dem „dynamischen Element" in der Verfassungsentstehung stützte, stammen aus dem Jahr 1790 und sind in Anbetracht der ständigen Marktbewegungen von begrenzter Aussagekraft. Nicht ganz bedeutungslos war etwa, ob jemand hauptsächlich in kontinentale oder in staatliche Zertifikate investiert hatte. Öffentliche Gläubiger in Pennsylvania, Virginia und New York, die von ihren Parlamenten verhältnismäßig korrekt behandelt wurden, mußten fürchten, die Annahme der Verfassung werde die Steuerkraft der Staaten und damit die Fähigkeit zur Zinsleistung mindern: „What is to become of the state debts, when all the sources of revenue in the states are seized by Congress?" erkundigte sich James McClurg besorgt bei Madison. 151 Umgekehrt konnte sich die Übernahme der Staatenschulden durch die Bundesregierung negativ auf die kontinentalen Papiere auswirken, da zweifelhaft war, ob die Einkünfte der Union hinreichen würden, um die Gesamtschuld zu günstigen Bedingungen zu konsolidieren. 152 Maklerfirmen in Philadelphia, New York und Boston deckten sich deshalb mit kontinentalen und staatlichen Papieren ein, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Sollte der Verfassungsentwurf scheitern, so versprachen die Schuldpapiere der finanzkräftigen Einzelstaaten immer noch ein gutes Geschäft. Der New Yorker Makler Collin McGregor wähnte im Juni 1788 die „critical period" für Spekulanten gekommen, „for should Virginia reject the New Constitution final Settlements and other Continental debt will fall for a time, if she acceded they will appreciate immediately ... The adoption or rejection of the Constitution will not have much influence on State Securities; if any, the rejecting it, would be most favorable for the State debt as many Channels are now open for its extinction, which in all probabillity would be shut if the New Government takes effect — From all this you will observe that we have a chance both ways, and I will pay the utmost attention to this business." 153

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Richmond, 31. 10. 1787, Rutland, X , 243. Thomas FitzSimons befürchtete eine Spaltung der pennsylvanischen Federalists, da viele Leute die Behandlung der Staatsschuld zum „Pole Star of their direction" gemacht hätten. To Samuel Meredith, Philad., 20. 8. 1788, John Read, Jr. Papers, LibCPh. Thomas Τ. Tucker sah voraus, daß die nationalen Einfuhrzölle den Staaten die Fähigkeit nehmen würden, ihre eigenen Schulden zu bedienen. To St. George Tucker, New York, 13. 6. 1788, Tucker-Coleman Coll., Swem Library, WM. Siehe Matthew M'Connell to William Irvine, Philad., 20. 9. 1787, DHRC XIII, 220. Vgl. „Cincinnatus" V, VI, DHRC XIV, 308ff., 361 f. To Dear Sir [G. B.], New York, 4. 6. 1788, C. McGregor Letterbook, NN. Auch

Wirtschaftskrise, Umorientierung und Erholung

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Das wirtschaftliche Schicksal der Wertpapierbesitzer hing in den seltensten Fällen vom Ausgang der Ratifizierungsdebatte ab. Sie gehörten ohnehin zu den Wohlhabenden, die ihr Geld auf verschiedene Weise angelegt hatten und Einkommen aus unterschiedlichen Quellen bezogen. Daß die erhofften Spekulationsgewinne zum einzigen oder entscheidenden Beweggrund ihres politischen Handelns wurden, ist deshalb eher unwahrscheinlich. In Einzelfällen verfügten sie über erheblichen Einfluß, doch insgesamt waren sie zu wenige, um die Verfassungsdebatte in ihrem Sinne lenken oder manipulieren zu können. Zutreffender erscheint, daß die Federalists die Interessenlage der öffentlichen Gläubiger geschickt ausnutzten und diese kleine, aber wichtige Gruppe vor den Karren der konstitutionellen Veränderung spannten. Die Antifederalists geißelten hin und wieder das Bestreben der Spekulanten, auf Kosten der ursprünglichen Wertpapierbesitzer zu „fürstlichen Reichtümern" zu gelangen.154 In der öffentlichen Diskussion spielte dieses Thema aber nur eine untergeordnete Rolle. Anders als die privaten Schuldverstrickungen war die Spekulation kein Massenphänomen, und bis zu einer gewissen Grenze galt sie als legitim. Einige führende Verfassungsgegner hielten sich wohl auch deshalb mit Kritik zurück, weil sie selbst — wie etwa Elbridge Gerry — über eine gehörige Portion von Wertpapieren verfügten. 155

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Coxe & Ftazier wagten um diese Zeit noch keine genaue Prognose: „We think the Mind of the public is so little made up on the Subject of funding our federal and State debts that certificates will fall from the price to which they will probably rise soon after the adoption of 9 or ten States." To Walter Livingston, Philad., 12. 6. 1788, Coxe Papers, PHi. Vgl. Royal Flint to Andrew Craigie, New York, 22. 6. 1788, A. Craigie Papers, MWA. Siehe u. a. „Z", U. S. Chronicle, 12. 6. 1788; „Honestus", Wilmington Centinel, 3. 9. 1788; Ledlie to Lamb, Hartford, IS. 1. 1788, DHRC III, 581. Ferguson errechnete, daß zwischen 1786 und 1792 eine Verzehnfachung des in Staatspapieren ingelegten Besitzes möglich war. Power of the Purse, S. 330. Nach Netteis profitierten hauptsächlich „men of substance who had become affluent before 1789." National Economy, S. 122. Gerry besaß 1787 Staatspapiere verschiedener Art zum Nennwert von $ 50.000 und übertraf damit alle anderen Teilnehmer am Verfassungskonvent. McDonald, We the People, S. 44, 90. Seine politischen Gegner unterstellten ihm, er lehne die Verfassung nur deshalb ab, weil er kontinentale Zertifikate in Staatsschuldscheine umgetauscht habe. Mass. Centinel, 10. 11. 1787. Vgl. „Landholder" (O. Ellsworth) VIII, DHRC III, 503 ff.

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Die Vorgeschichte der

Verfassungsentstehung

Die Forderung nach einem nationalen Wirtschafts- und

Währungssystem

Bedeutsamer als die Spekulation war das Verlangen breiter Bevölkerungskreise nach Einheitlichkeit, Verläßlichkeit und Berechenbarkeit im Wirtschafts- und Währungswesen. Das bezog sich sowohl auf den Handel zwischen den Staaten und mit dem Ausland, als auch auf die Steuer- und Finanzpolitik von Einzelstaaten und Union. Der Anstieg der Exporte und die Verbesserung der Handelsbilanz brachte die Masse der Kaufleute, Unternehmer, Händler und Handwerker nicht von ihrer Forderung nach einer wesentlichen Vereinfachung und Vereinheitlichung des amerikanischen Wirtschaftssystems ab. Sie wünschten sich einen von allen Restriktionen befreiten Binnenmarkt, die Förderung der heimischen Industrie, sowie feste, von der Bundesregierung vorgegebene und garantierte Regeln für den Außenhandel. Der New Yorker Geschäftsmann William Constable betrachtete das Fehlen eines solchen Regelwerks als das einzige wesentliche Manko: „One uniform Code of Commercial Laws will be adopted which must be attended with very great advantages to the Union at large ... it is the only real inconvenience which we labour under; the others complained of being either in Idea or apprehension." Sein Landsmann John Pintard stellte fest: „As a merchant I am perfectly convinced that the commerce of the United States must be governed by general Laws to be productive of general benefits — As a Citizen I am also convinced that taxation ought to be equal and the funds arising whether from Impost or otherwise to be equally applied." In Massachusetts forderte ein „Republican" die Errichtung von Handelskammern in alien dreizehn Staaten, „for the purpose of promoting an extensive trade, upon such principles as will lastingly cement the union of the whole confederacy." 156 Der Federalist „Curtius" hatte Grund zu loben: „The number of that enlightened order in society, the mercantile, are too sensible of the importance of national respectability, or public credit abroad, and of just commercial regulations at home, to hesitate long as to the [Constitution's] adoption." 157 In der Frage der nationalen Handelsregulierung 156

157

Constable to W. Chalmers, New York, 10. 12. 1787, Constable-Pierrepont Coll., NN; Pintard to Elisha Boudinot, New York, 22. 9. 1787, Boudinot-Pintard Papers, NHi; „A Republican", Boston Indep. Chronicle, 28. 2. 1788. „Curtius" III, Ν. Y. Daily Adv., 3. 11. 1787. Den ersten Schritt in die gewünschte Richtung tat der neue Kongreß mit dem Tariff Act von 1789. Netteis, National Economy, S. 109 ff. Vgl. Jacob E. Cooke, Tench Coxe, Alexander Hamilton, and the Encouragement of American Manufactures, in: WMQ 32 (1975), S. 369—391; John R. Nelson, Jr., Alexander Hamilton and American Manufacturing. A Reexamination, in: J AH 65 (1979), S. 971 ff.

Wirtschaftskrise,

Umorientierung

und Erholung

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waren die Antifederalists bereit, ein ganzes Stück Wegs entgegenzukommen. Sie warnten allerdings davor, der Union die gleichen Rechte zu gewähren, wie sie das britische Parlament besessen hatte: „If we surrender the unlimitted right to regulate trade and levy taxes, imposts will oppress our foreign trade for the benefit of other states, while excises and taxes will discourage our internal industry." Die Zentralregierung sollte nicht in die „internal economy of the states" eingreifen oder Monopole errichten dürfen, die einzelne Staaten benachteiligten.158 Am nachhaltigsten prägten sich dem öffentlichen Bewußtsein die finanziellen Turbulenzen ein, der Wertverlust des Papiergeldes und der Zertifikate, der Währungswirrwarr, die Kapitalknappheit und die Zwangslage von Schuldnern und Gläubigern. Auch hier gab es Annäherungen und erste Lichtblicke, wie die allmähliche Abkehr von der inflationären Papiergeldpraxis und die vorsichtige Lockerung des Schuldnerschutzes. Sie wurde von den Gläubigern offenbar nicht erbarmungslos ausgenutzt, sondern mit einer gewissen Rücksichtnahme beantwortet. 159 Im Süden sahen immer mehr Menschen ein, daß sie sich im Interesse des Gemeinwohls nicht mehr länger um die Anerkennung der britischen Schulden herumdrücken konnten, und daß sie die Scheu vor momentanen Unannehmlichkeiten hinter die Sicherung der Zukunft zurückstellen mußten. 160 Wiederholt wurde auch die Forderung nach einer nationalen 158

159

160

„Agrippa" VI, XII, Storing IV, 80, 97 f. „Hanno" und „Candidus" empfahlen einen unionsweiten Navigation Act und eine engere „Commercial Confederation" als Alternative zum Verfassungsentwurf. Mass. Gazette, 13. 11. 1787; Storing IV, 130 ff. Noch im Dezember 1786 hatte sich aber auch der spätere Federalist Edmund Pendieton unter Hinweis auf die Interessengegensätze zwischen Nord- und Südstaaten dagegen ausgesprochen, dem Kongreß die „Commerce Power" zu geben. To Madison, Edmundsbury, 9. 12. 1786, Rutland IX, 202. Nachdem das Parlament von South Carolina im März 1788 eine Verlängerung bzw. Ausweitung der Schutzgesetze abgelehnt hatte, nahm die Zahl der Prozesse in Charleston zu. Beobachter vermerkten aber einen „spirit of accomodation between debtors and creditors" und eine „extreme moderation of Creditors." Alexander Gillon to Richard Hampton, Ashley Hill, 19. 3. 1788, Charles Roberts Autograph Coll., Haverford College Library; Ramsay to Benjamin Lincoln, Charleston, 31. 3. 1788, B. Lincoln Papers, MHi. New York hob sein Insolvent Law im Februar, Massachusetts sein Tender Law im Sommer 1788 auf. North Carolina nahm 1789 Abschied von den Installment und Valuation Laws. Im Herbst 1787 lief in Virginia eine Petitionskampagne für die Einhaltung des Friedensvertrages, gegen Papiergeld und gegen Schuldnerschutz. Legislative Petitions, VStL. Wie hart die Konsequenzen im Einzelfall sein konnten, erhellt ein Brief von Thomas T. Tucker an seine Pflegesöhne Theoderick und John Randolph vom 29. 6. 1788: „You will have heard that the Constitution has been adopted in

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Die Vorgeschichte der

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Währung, einem „permanent, widely circulating medium of exchange", oder einem „continental paper medium issued on a good security" laut. 161 Die Federalists unternahmen jede erdenkliche Anstrengung, die Hoffnung auf eine dauerhafte Ordnung des Finanz- und Schuldenwesens fest an das Schicksal des Verfassungsentwurfs zu knüpfen. Sie wollten die politischen Entscheidungen, von denen der Wohlstand und die Kreditwürdigkeit der Vereinigten Staaten abhingen, nicht mehr länger den über 1500 Staatenparlamentariern überlassen, „two thirds of whom were never from their fire side before, and never comprehended in their view more than their own farms and their own little private interest." 162 Ihr Hauptproblem bestand darin, die Ängste der kleinen Steuerzahler und der Schuldner zu beschwichtigen, deren Existenz auf dem Spiel stand, wenn der Übergang zu „geordneten Verhältnissen" zu abrupt erfolgte. Widerstand leisteten auch die Anhänger der Staatensouveränität, die klar erkannten, daß den finanziellen Bestimmungen des Verfassungsplans die am stärksten „konsolidierende" Wirkung innewohnte. Das uneingeschränkte Besteuerungsrecht der Zentralregierung, gekoppelt mit dem alle Staaten bindenden Verbot, Papiergeld auszugeben, Münzen zu prägen und privatrechtliche Verträge anzutasten, schufen überhaupt erst die Voraussetzung für eine nationale Wirtschafts- und Währungsordnung. Dieses Maß an Einheitlichkeit überstieg aber noch das Vorstellungsvermögen vieler Amerikaner, und es erschien denen, die ihr Augenmerk auf die Eigenständigkeit und Lebensfähigkeit der Staaten richteten, auch gar nicht erstrebenswert. William Ellery war die Gedanken- und Gefühlswelt der Antifederalists nicht völlig fremd: „We have been so little accustomed to system ... that we are scared out of our wits at the sight of a long

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this State; that Event, my dear Children, affects your interest more nearly than that of most others. The recovery of British debts can no longer be postponed, and there now seems to be a moral certainty that your patrimony will all go to satisfy the unjust debt from your Papa to the Hanbury's. The consequence, my dear boys, must be obvious to you — your sole dependence must be on your own personal Abilities and Exertions: it is happy for you, my sons, that the Event has been so long postponed as to give an opportunity of laying the foundation of a good Education for you both." Bryan Family Papers, ViU. Siehe u. a. „A Jerseyman", American Museum, No. 2,1787; „Mean Well", Charleston City Gazette, 28. 7. 1788; „Letter from Edenton", Boston Gazette, 26. 5. 1788; Ellery to Huntington, Newport, 28. 7. u. 25. 8. 1788 u. 10. 8. 1789, Thomas C. Bright Autograph Coll., Jervis Library, Rome, Ν. Y. Der Coinage Act vom 2. 4. 1789 ermächtigte die Bundesregierung zur Prägung von Gold- und Silbermünzen. Netteis, National Economy, S. 120 f. Sargent to Badger, Jan. 1788, s. o. Anm. 117.

Wirtschaftskrise,

Umorientierung

und Erholung

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military or financeering report — The former looks like a confounded great standing army threatening us with slavery, and the latter like a vast despot who fiercely demands the earnings of our industry, and will involve us in poverty and distress." 163 Für die Federalists, deren eifrigsten einer Ellery war, stand aber außer Frage, daß das ökonomische Potential der Vereinigten Staaten nur unter der neuen Verfassung optimal genutzt werden konnte. Der New York Daily Advertiser glaubte die „happy effects of ratification" schon im Juli 1788 zu verspüren: „Returning confidence seems to promise once more to raise the drooping shade of public credit, and to place it on the firm basis of national faith." Die Freude, die man im Handelshaus Coxe & Frazier beim Inkrafttreten der Verfassung empfand, erzählt ebensoviel über die bisherigen Sorgen und Kümmernisse der Geschäftsleute wie über die Zukunftserwartungen, Wünsche und Zielvorstellungen des „mercantile interest" in der jungen Republik: „The affairs of this Country are now placed upon a safe and promising footing ... The Banishment of paper tenders, the Establishment of a Dignified and independent federal Court for the benefit of foreigners, and many other articles favorable to property and distributive Justice render this Measure a Matter of great importance to all Nations, who may incline to trade with us — We hope the administration of Justice throughout the Union will be as certain and perfect as the Courts of Great Britain, which alone can establish us in the Confidence of foreign Countries." Anfang 1789 urteilte Tench Coxe, vieles von dem, was man sich gewünscht habe, sei bereits in Erfüllung gegangen: „That the expences of manufacturing are decreased — the means increased — the raw materials reduced in price — the passions for foreign goods converted into a well grounded preference for home manufactures." 164 Als John Adams im Februar 1790 eine vorläufige Bilanz der Umbruchszeit zog, bemühte er sich etwas ange-

163

164

To Huntington, Newport, 2. 2. 1790, Ellery Letters, R. I. State Archives. Washingtons Begleiter William L. Smith kamen die Farmer des Landesinnern von Rhode Island „as uncultivated as the country" vor: „They are generally antifederal & ignorent & dislike any govt, which calls them for taxes — indeed they seem to care very little what govt, prevails or whether there is any at all & would prefer that which required the least taxes." Dieses Urteil ist sicher nicht frei von einer gewissen städtischen Hochnäsigkeit. W. L. Smith, Diary, 16. —19. 8. 1790, in: Matthews, ed., Journal of W. L. Smith, S. 36 ff. Ν. Y. Daily Adv., 16. 7. 1788; Coxe & Frazier to James O'Neal, Philad., 10. 7. 1788, Coxe Papers, PHi; „An American Citizen" (Coxe), Pa. Gazette, zit. nach Abdruck in Charleston City Gazette, 13. 2. 1789.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

strengt, alle Erfolge auf das Konto der neuen Verfassung zu schreiben: „The benign influence of the new Constitution upon the Commerce, manufacture and agriculture of the country has been already seen and felt, in as great a degree as the most sanguine admirer of it could have reasonably expected." 165 Zweifellos hatte die Yerfassungsdebatte dazu beigetragen, den lähmenden Pessimismus der „kritischen Periode" zu überwinden und den Blick wieder nach vorn zu richten. An den wirtschaftlichen Grundtatsachen konnte das neue Regierungssystem in der kurzen Zeit aber genauso wenig ändern, wie es für die guten Ernten der Jahre 1787 bis 1789 verantwortlich war.

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To Brown & Francis, New York, 28. 2. 1790, Adams Papers, MHi.

III. KAPITEL

Parteien und Parteienverständnis im Übergang zum Bundesstaat

Die wachsende Einsicht in die Unvermeidlichkeit und Opposition

und den Nutzen von Parteien

Die wirtschaftlichen Turbulenzen der „kritischen Periode" waren der Entwicklung des Parteienwesens in den Vereinigten Staaten förderlich, weil sie latente Interessenkonflikte ins Bewußtsein hoben und zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung machten. Wie unter dem Einfluß eines unsichtbaren Magnetfeldes ordneten sich die politischen Kräfte nach der Revolution zu neuen Strukturen und Formationen. Zunächst reagierten die Amerikaner auf die Virulenz des Parteiengeistes überrascht, betroffen oder sogar schockiert, lief sie doch den Wunschvorstellungen von der harmonischen Republik und ihren tugendhaft vereinten Bürgern zuwider. Bei einigen verlieh dieses Erlebnis nun der koloniale Vergangenheit den Glanz der „guten alten Zeit." 166 Wer die Dinge nüchtern betrachtete, konnte jedoch nicht allzusehr verwundert sein. Das Bild des geschlossen um seine Freiheit ringenden Volkes entsprach weniger den Tatsachen als den Propagandabedürfnissen der Revolutionäre. In Wirklichkeit hatte sich ein gehöriger Teil der Bevölkerung abwartend bis englandfreundlich verhalten, und häufig genug waren die Kriegsanstrengungen durch Zwietracht im Lager der Patrioten behindert worden. Auch nach der Vertreibung der Loyalisten blieben die politische Einheit und soziale Homogenität der neuen Staaten Fiktion. Dafür waren wichtige Voraussetzungen einer Parteienkultur — die zunehmende Differenzierung der Gesellschaft, eine relativ breite Streuung des Eigentums, die Einübung in lokale Selbstverwaltung und ein lesefahiges, kritisch enga166

Zum Ursprung dieses Motivs vgl. Robert Weir, „The Harmony We Were Famous For." An Interpretation of Pre-Revolutionary South Carolina Politics, in: W M Q 26 (1966), S. 473 — 501; Hermann Wellenreuther, The Quest for Harmony in a Turbulent World. The Principle of „Love and Unity" in Colonial Pennsylvanian Politics, in: PMHB 108 (1983).

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

giertes Publikum — schon zu Beginn der Unabhängigkeit gegeben. Wer legitime „Interests" anerkannte, hatte außerdem den ersten Schritt zur Respektierung von Parteien bereits getan. Selbst Idealisten mußten eingestehen, daß die Geltendmachung der Interessen koordinierte Anstrengungen in Parlamenten und Öffentlichkeit erforderte. Die Zusammenarbeit der Interessenten mit dem Ziel der Mehrheitsbildung war die logische Antwort auf den Widerstreit der Interessen im freiheitlich-republikanischen Staat. Dahinter stand die vernünftige Einsicht, daß man sich weder auf eine Selbstregulierung von Wirtschaft und Gesellschaft, noch auf die Rechtschaffenheit und Unfehlbarkeit der neuen Obrigkeit verlassen durfte. Auch die Struktur der Staatenverfassungen kam der Ausformung von Parteien entgegen. Die beherrschende Stellung der Parlamente verlieh dem Kampf um legislative Mehrheiten höchste Priorität, die Ausweitung des Stimmrechts regte zur Teilnahme am politischen Leben an, und die Praxis der jährlichen Wahlen nötigte den Mandatsbewerbern Anstrengungen ab, die kaum noch im Alleingang bewältigt werden konnten. Zu den ersten Aufgaben der embryonalen Parteiorganisationen gehörten deshalb die Auswahl der Kandidaten und ihre Unterstützung im Wahlkampf. Der Terminus party wurde zunächst noch synonym mit faction verwendet, das einen negativen Beigeschmack von Klüngel, Clique und Intrige hatte. Nun bezeichneten faction und party aber neutraler eine Gruppe von Abgeordneten, die im Parlament gemeinsame Ziele verfolgten und bei den Abstimmungen geschlossen votierten. Vor wichtigen Entscheidungen hielten sie immer häufiger eine interne Sitzung, den caucus ab, um Verhaltensrichtlinien festzulegen. Mit der Zeit bezogen sie durch Öffentlichkeitsarbeit größere Kreise in das politische Geschehen ein. Je enger sie die Verbindung zwischen den republikanischen Institutionen und der Bürgerschaft knüpften, und je intensiver sie durch programmatische Forderungen und Propaganda die Meinungsbildung beeinflußten, desto näher kamen sie Parteien im modernen Sinne des Wortes. 167 167

Das Interesse der Forschung konzentrierte sich zunächst auf die nationalen Parteien, wie sie in den 1790er Jahren Gestalt annahmen. Siehe ζ. B. Joseph Charles, The Origins of the American Party System, Chapel Hill, N. C., 1956; William N. Chambers, Political Parties in a New Nation. The American Experiment, 1776 — 1809, New York 1963. Seit geraumer Zeit beschäftigt man sich aber ebenso intensiv mit den Staatenparteien der Konföderationsepoche und den Verbindungslinien, die von ihnen zum ersten nationalen Zweiparteien-System führen. Vgl. Main, Political Parties Before the Constitution (1973); ders., The Antifederalist Party, in:

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Die amerikanischen Staaten bildeten gewissermaßen Laboratorien, in denen mit verschiedenen Formen von Parteiorganisationen experimentiert wurde. Diese allmähliche Annäherung an den Parteienstaat vollzog sich gegen eine geistige Strömung, die factions und parties als überflüssig, störend und zersetzend beurteilte und die zum Mißtrauen gegen jede Äußerung des Parteiengeistes erzog. In ihr flössen die Lehren der klassischen republikanischen Theorie, auf deren Werteskala soziale Geschlossenheit obenanstand, und die Erfahrungen der englischen Geschichte seit dem 17. Jahrhundert zusammen, die Parteien als Vehikel der Korruption gründlich in Verruf gebracht hatte. 168 Der Unabhängigkeitskrieg mit seiner gebieterischen Forderung nach nationaler Einheit tat ein übriges, um das Ressentiment gegen Parteien am Leben zu halten. Man kreidete ihnen an, immer nur begrenzte Sonderinteressen unter Vernachlässigung und auf Kosten des Gemeinwohls zu verfolgen. John Adams würdigte 1780 zwar die Bedeutung einer kontroversen parlamentarischen Debatte für die überlegte Beschlußfassung. Das permanente Gegeneinander zweier Parteien fürchtete er aber als das „greatest evil under our Constitution." 169 Die Parteien entwickelten sich also in einem Spannungsfeld zwischen tradierter Parteienfeindlichkeit und praktisch-politischen Notwendigkeiten. Dabei trat ein mentalitätsmäßiger Wandel ein, der dem konservativen Trend der „kritischen Periode" zumindest partiell zuwiderlief und eine erstaunlich rasche Anpassung der theoretischen Konzepte an die neuen Realitäten ermöglichte. 170 Zur Zeit der Verfassungsdebatte hatten sich die meisten Amerikaner, wenn auch recht widerwillig mit der

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169 170

Α. M. Schlesinger, Jr., ed., History of United States Parties, vol. I: From Factions to Parties, 1 7 8 9 - 1 8 6 0 , New Y o r k - L o n d o n 1973, S. 135 ff.; H. James Henderson, The First Party System, in: Vaughan and Billias, eds., Perspectives on Early American History, 1973, S. 325 ff.; Patricia U. Bonomi, ed., Party and Political Opposition in Revolutionary America, Tarrytown, Ν. Y., 1980. Grundlegend Richard Hofstadter, The Idea of a Party System. The Rise of Legitimate Opposition in the United States, 1780—1840, 4th ed., Berkeley—Los Angeles —London, 1975. Brief aus dem Jahr 1780, zit. nach Hofstadter, a. a. O., S. 38. Hofstadter ist dem Widerspruch von „anti-party thought" und „partisan action" bis weit ins 19. Jahrhundert nachgegangen und hat es ein Paradoxon genannt, daß der Parteienstaat der Neuzeit von Anti-Parteien-Denkern eingerichtet worden ist. Indem er sich aber allzusehr auf Cecelia Kenyons Befund verließ, Federalists und Antifederalists seien gleichermaßen parteienfeindlich eingestellt gewesen (S. 54), unterschätzte er das Ausmaß des intellektuellen Wandels, das im ersten Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit eintrat.

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Die Vorgeschichte der

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Existenz von Parteien abgefunden. Einige träumten noch davon, die Bundesverfassung würde dem Parteienwesen den Garaus machen, oder sie hofften zumindest, „ihre" Partei werde eines Tages sämtliche Anhänger der Gegenseite aufsaugen und die harmonische Gemeinschaft wiederherstellen. Insgesamt gewann jedoch die Einsicht an Boden, daß es bei der Verschiedenheit der Interessen ein aussichtsloses Unterfangen war, die politischen Meinungen der Menschen auf einen Nenner zu bringen. Bei wichtigen Streitfragen wirkte offenbar, wie Jefferson es formulierte, ein geheimnisvoller Mechanismus auf die „natural division of men into two parties" hin. 171 Gelegentlich verfolgten Autoren diese Zweiteilung in die Kolonialzeit zurück, ja behaupteten sogar, die gesamte bisherige Menschheitsgeschichte habe unter ihrem Vorzeichen gestanden. 172 Daneben wurden aber auch Stimmen laut, die sich mit der passiven Hinnahme des Unvermeidlichen nicht mehr zufriedengaben. Sie erklärten Parteien für notwendig und lobten ihre Rührigkeit als konstruktiven Ausdruck der Energien, die nur eine freiheitliche Gesellschaftsordnung wecken und mobilisieren könne: „We live in a day, when one year of life is worth many in dull common times," schrieb der Massachusetts-Richter James Sullivan im Sommer 1787: „We have a world of curiosity in our own Commonwealth. Labouring parties, different views and jarring interests make up the sum of our politicks." 173 Der Kampf um die Verfassung zwang zu erhöhter organisatorischer Anstrengung auf der staatlichen und bald auch auf der nationalen Ebene. Zugleich förderte er die Reflexion über das Wesen und die Rolle von Parteien in einer Republik. Die Spannung zwischen politischem Aktivismus und der Utopie des parteienlosen Staates brachte neue, differenziertere und wirklichkeitsgerechtere Konzepte hervor. Madison überbrückte die Kluft mit der These, eine gut konstruierte Verfassung halte die

171 172

173

Zit. nach Rutland, Ordeal, S. 115. Über „colonial parties" (die „ins", die an der Macht waren, und die „outs", die dorthin wollten), schrieb ζ. B. „Sydney" im Ν. Y. Journal vom 13. 6. 1788, Storing VI, 114f. In Wirklichkeit fungierten die Kolonialregierungen aber eher als ein „non-partisan public service device" oder eine „agency of administration pure and simple." Williamson, American Suffrage, S. 6, 59. Als Beleg für den welthistorischen Antagonismus einer aristokratischen und einer demokratischen Klasse bzw. Partei führte der „Federal Farmer" den Satz von Beccaria an: „In every society there is an effort continually tending to confer on one part the hight of power and happiness, and to reduce the others to the extreme of weakness and misery." Storing II, 266f. To King, Boston, 14. 6. 1787, King, Life of Rufus King, I, S. 222 f.

Parteien und Parteienverständnis

im Übergang %um Bundesstaat

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Interessen in einem Gleichgewichtszustand und verhindere die gefährlichen Auswüchse des Parteienstreits. Der antifederalistischen Mentalität entsprach eher die Betonung der Opposition als einer notwendigen und rechtmäßigen Kraft im politischen Prozeß. Für den Schreiber in Greenleafs New York Journal, der die gängigen Urteile über Parteien gegeneinanderstellte, war die antifederalistische Partei zweifellos der „protector of freedom."174 Aus der Abwehrhaltung gegen den Verfassungsentwurf heraus gelang es den Kritikern, das Prinzip der loyalen Opposition kenntlich zu machen, die sich den Mehrheitsbeschlüssen der republikanischen Institutionen beugte und nach geschlagener politischer Schlacht an die gemeinsame Arbeit zurückkehrte. Solange Aussicht auf friedliche Revision bestand, gehörte es zu den Pflichten des oppositionellen Abgeordneten, seine Wähler mit den getroffenen Entscheidungen zu versöhnen und die Enttäuschten von einer Rebellion abzuhalten. Funktionierte die konstitutionelle Balance und beachtete man die Grundsätze der loyalen Opposition, dann ließ sich die allseits gewünschte Harmonie stets von neuem herstellen, ohne daß die Freiheit der Meinungsäußerung und der politischen Betätigung eingeschränkt werden mußte. Der Ausgang der Ratifizierungsdebatte lieferte den ersten sichtbaren Beweis für die Vereinbarkeit von nationalem Konsensbedürfnis und Parteienkonkurrenz.

Formen und Stadien der Parteienentwicklung

im Kongreß und in den Staaten

Parteien formierten sich seit der Revolution sowohl im Kongreß als auch in den Staaten. Dabei ensprachen die politischen Gruppierungen im Kongreß eher den traditionellen Vorstellungen von factions, während einige Staatenparteien schon recht moderne Züge annahmen.175 Die jährliche Wahl der Kongreß-Delegierten durch die Staatenparlamente bildete die Brücke, über die sich Machtverschiebungen in den Staaten 174 175

12. 6. 1788. Nach Samuel Johnson's Dictionary of the English Language von 1755 konnte faction zweierlei bedeuten: „1. a party in a state; 2. tumult, discord, dissention." Party wurde beschrieben als „a number of persons confederated by a similarity of designs or opinion in opposition to others." Hofstadter, Idea, S. lOf. Main definiert factions als „personal alliances or followings", die es v. a. auf die Eroberung von Ämtern abgesehen hatten, party dagegen als eine „coalition which developed out of some shared objectives, some unifying ideology or ,interest'." Antifederalist Party, S. 135 f.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

direkt auf die Kräftekonstellation im Kongreß auswirkten. Bestimmender Faktor der Fraktionsbildung war zunächst nicht der Gegensatz von Nationalisten und Partikularisten, sondern die regionale Zugehörigkeit. Schon für die Kriegszeit kann man „Stimmenblöcke" unterscheiden, deren Mitgliedschaft auf Grund des häufigen Abgeordnetenwechsels — eine Folge der Rotationsbestimmungen in den Articles of Confederation — stets im Fluß blieb, die sich aber allmählich zu einer Nord-, Mitteund Südfraktion verfestigten. 176 Entscheidend für den politischen Kurs des Kongresses wurden die Kombinationen, die in Sachfragen zwischen den Vertretern der drei Blöcke zustandekamen. Bis 1779 dominierte die Nordstaatenfraktion, in der die Massachusetts-Delegierten mit ihrem revolutionären Schwung, ihrer republikanischen Prinzipientreue und ihrem Antizentralismus den Ton angaben. Unterstützung erhielten sie aus Pennsylvania, aber auch von den Virginiern Arthur und Richard Henry Lee, was die Gegner zur Kritik an der „Lee-Adams Junto" veranlaßte. Die zweite Phase bis 1783 stand im Zeichen der Mittelstaaten-Nationalisten um Robert Morris, Gouverneur Morris, James Wilson und Hamilton. Ihre starke Position verdankten sie nicht zuletzt dem innenpolitischen Übergewicht, das die kommerziell-zentralistisch gesinnten Republicans 1780 in Pennsylvania errungen hatten. Die bisherige Achse Massachusetts-Pennsylvania wurde nun durch ein Mitte-Süd-Bündnis ersetzt, auf das sich Robert Morris als Superintendent of Finance fast vier Jahre lang stützen konnte. Das Scheitern des Impost-Vorschlags, Morris' selbstherrliches Gebaren, der Friede und ein erneuter Umschwung in Pennsylvania entzogen der Zusammenarbeit dann jedoch Schritt für Schritt die Grundlage. Nachdem der Kongreß 1783 Philadelphia verlassen hatte, und einige prominente Nationalisten wie Hamilton, Madison, Robert R. Livingston, Gouverneur Morris und Robert Morris in ihre Staaten zurückgekehrt waren, gewann wieder der „Lee-Adams-Interest" die Oberhand. Die Frage der Westexpansion und die Jay-Gardoqui-Verhandlungen bewirkten dann aber eine starke Nord-Süd-Polarisierung, die den Mittelstaatenblock völlig aufrieb. Die Initiative ging an die Südstaatler, insbesondere die Virginier über, die mit einem gemäßigten Reformpro-

176

H. James Henderson, Party Politics in the Continental Congress, New York 1974; ders., The Structure of Politics in the Continental Congress, in: Kurtz and Hutson, eds., Essays on the American Revolution, 2nd ed., 1975, S. 157 — 196. Wie Main, so bediente sich auch Henderson der Methode der „roll call analysis", die den systematischen Vergleich des Abstimmungsverhaltens ermöglicht.

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gramm den Bruch der Union verhindern und die eigenen Interessen wahren wollten. Das Treffen in Annapolis und der philadelphische Verfassungskonvent kamen hauptsächlich auf ihr Betreiben 2ustande, wohingegen die Nordstaaten-Republikaner vorerst noch den egalitär-antizentralistischen Idealen treu blieben. Im Gefolge des Shays'-Aufstandes trat hier aber ein ebenso rascher wie gründlicher Wandel ein. Die Fraktionsbildung im Kongreß ist also in erster Linie auf eine Verschmelzung von regionalen Interessen mit politisch-ideologischen Überzeugungen zurückzuführen. Darüber hinaus erlangten in dem Klima des „factionalism" persönliche Freundschaften und Animositäten Bedeutung. Das Spiel der politischen Kräfte blieb in dauernder Bewegung, gestattete wechselnde Koalitionen und lockerte starre Fronten auf. Ein stabiles Parteiensystem mit nationaler Resonanz konnte unter diesen Umständen nicht entstehen, zumal die Autorität des Kongresses immer mehr verfiel. Hamilton glaubte aber 1787 ein hintergründiges Zusammenwirken zwischen der antizentralistischen Kongreßfraktion und den antifederalistischen Staatenparlamenten zu erkennen, und James McHenry hielt den Maryland-Abgeordneten Ende November vor: „In every Congress there is a party opposed to Federal Measures — In every state even there is a party opposed to efficient Government." 177 NordSüd-Gegensatz und Föderalismus-Problematik waren also im Kongreß bereits angelegt und deuteten auf gleichartige Konstellationen und Schwierigkeiten in der künftigen Bundeslegislative voraus. Die souveränen, unabhängigen Staaten wurden in den 1780er Jahren zum bevorzugten Betätigungsfeld für politische Parteien. Sowohl hinsichtlich der Gegenstände des Parteienstreits, als auch beim Blick auf die sozialen und weltanschaulichen Unterscheidungsmerkmale der Parteien ergibt sich ein relativ einheitliches unionsweites Muster. Ausgehend von den Parlamenten, entstanden in fast allen Staaten zwei politische Richtungen, die Jackson Turner Main mit den Namen „commercial cosmopolitans" und „agrarian localists" belegt, die man aber auch schlicht Coast und Country nennen kann. 178 Die Zeitgenossen schufen für identische oder zumindest sehr ähnliche Konfliktstrukturen ihre eigene abwechslungsreiche, zuweilen verwirrende Terminologie: Constitutionalists gegen Republicans in Pennsylvania; Clintonians (oder Republicans) gegen 177 178

DHRC XIII, 137; XIV, 280. Das scheint den amerikanischen Verhältnissen angemessener zu sein als die Übertragung der in England bis ins 19. Jahrhundert gebräuchlichen Begriffe Court und Country. Siehe J. R. Jones, Court and Country, London 1978.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

Hamiltonians in New York; Country (oder Majority)gegen Commercial Interest (oder Minority) in Rhode Island; Western Interest gegen Eastern Interest in New Jersey; Democrats gegen Aristocrats in Massachusetts und Maryland; Agrarians gegen Commercial Interest in Connecticut; Whigs gegen Tories in Delaware; High Country (oder Upcountry) gegen Low Country in North Carolina und Georgia; Upcountry gegen Tidewater in South Carolina und Virginia; und sogar Court gegen Country in Kentucky. Der Antagonismus von Küste und Hinterland darf nicht rein geographisch verstanden werden. Die Küstenparteien fanden auch Anhänger im Landesinnern und umgekehrt. In letzter Instanz handelte es sich um den Gegensatz kollektiver Geisteshaltungen, Mentalitäten und Weltbilder. Nicht überall waren die Parteigrenzen gleich scharf gezogen. Das Ausmaß der öffentlichen Anteilnahme am Parlamentsgeschehen und die Intensität des politischen Wettbewerbs schwankten von Staat zu Staat. Neben den beiden Parteien existierte immer ein neutrales Lager, das sich nach der einen wie der anderen Seite hinneigen konnte und deshalb oft die Waage hielt. Trotz dieser Einschränkungen traten der Kontrast und die Konkurrenz zweier Richtungen klar zutage, noch bevor sie 1787/88 im Widerstreit von Federalists und Antifederalists kulminierten. 179 Die Anlässe für die Aufspaltung der Parlamente in legislative Parteien, die „electioneering" betrieben, waren sowohl ökonomisch-politischer als auch sozialer und kultureller Art. Wirtschaftlich gesehen repräsentierten die Country-Parteien den „agrarian interest" und Teile des „manufacturing interest", während sich die Coast-Parteien vornehmlich die Handelsund Kapitalinteressen angelegen sein ließen. Bei der Behandlung von Steuer- und Haushaltsfragen gingen die Auffassungen gewöhnlich am weitesten auseinander. Die Küsten-Parlamentarier befürworteten in der Regel die staatliche Förderung kommerzieller Belange, die CountryAbgeordneten dagegen Kürzungen und Einsparungen, solange sie nicht die Diäten berührten, die es vielen von ihnen überhaupt erst ermöglichten, an den Parlamentssitzungen teilzunehmen. Trat die Coast fast durchweg für Steuererhöhungen ein — hauptsächlich um die Zinsansprüche der öffentlichen Gläubiger befriedigen zu können —, so erstrebte die Country allgemeine Senkungen oder zumindest die Verlagerung der Einnahmequellen weg von der Land- und Kopfsteuer zu indirekten 179

Main sammelte Informationen über 1. 503 Abgeordnete, die zwischen 1783 und 1788 den Parlamenten von sieben Staaten angehörten. Davon ordnete er 539 den agrarian-localists (Country), 552 den commercial-cosmopolitans (Coast) und 412 den neutrals zu. Political Parties, S. 24.

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Abgaben und Zöllen. Zur Krisenbekämpfung bediente sich die Country der Instrumente der „agrarian finance", wohingegen die Coast die Methoden der „commercial finance" bevorzugte. Der erbitterte Streit um die Bank of North America, den sich die pennsylvanischen Constitutionalists (Country) und Republicans (Coast) über Jahre hinweg lieferten, rückte die konträren finanzpolitischen Anschauungen ins Rampenlicht. 1782 hatte das vorübergehend von den Republicans kontrollierte Parlament der Bank, die nach Robert Morris' Willen als zentrales Geld- und Kreditinstitut der Union fungieren sollte, eine Charter erteilt. Die Constitutionalists warfen den Initiatoren und Anteilseignern der Bank nicht ganz zu Unrecht vor, einseitig die Interessen der kommerziellen Kreise zu vertreten und ihre Finanzmacht für politische Zwecke zu mißbrauchen. Als sie Ende 1784 die Parlamentsmehrheit zurückeroberten, durchkreuzten sie Morris' Stabilisierungspläne mit einem Papiergeldgesetz, das Farmern zinsgünstige Kredite einräumte. Im folgenden Jahr fühlten sie sich stark genug, die Bank-Charter durch Parlamentsbeschluß zu widerrufen. Der Kampf wogte aber weiter, und nach einem erneuten Umschwung an den Wahlurnen erhielt die Bank of North America im März 1787 ihre zweite Charter. 180 Auf dem politisch-konstitutionellen Sektor verteidigte die Country die existierende Gewichtsverteilung in den Staatenverfassungen gegen Bestrebungen, den Einfluß der Parlamente zugunsten der Exekutiven und Judikativen zu schwächen. In einer Reihe von Staaten beantragten Country-Abgeordnete auch die Verlegung der Hauptstädte ins Landesinnere, um die Regierungen „näher ans Volk" zu bringen und der Bevormundung durch die Küsten-„Aristokratie" zu entziehen. Vor allem widersetzte sich die Country aber jedem Ansinnen, hinter dem sie die Absicht vermutete, die Staatensouveränität zu mindern oder zu beseitigen. Finanzielle und politische Erwägungen, aber auch sozialpsychologische Nachwirkungen des Krieges bestimmten das Verhältnis zu Großbritannien und zu den im Land gebliebenen Loyalisten. Die Coast mahnte die Respektierung des Friedensvertrages an, lehnte die weitere Enteignung von Loyalisten i8o Vgl. Janet Wilson, The Bank of North America and Pennsylvania Politics, 1781 — 1787, in: PMHB 66 (1942), S. 3 - 2 8 ; Kaminski, Paper Politics, S. 50ff. Allgemein zum Parteienwesen in diesem Staat Douglas M. Arnold, Political Ideology and the Internal Revolution in Pennsylvania, 1776 — 1790, Ph. D. diss., Princeton Univ., 1976; Glenn W. Jacobson, Politics, Parties, and Propaganda in Pennsylvania, Ph. D. diss., Univ. of Wisconsin, Madison, 1976; Owen S. Ireland, The EthnicReligious Dimensions of Pennsylvania Politics, 1 7 7 8 - 1 7 8 6 , in: W M Q 30 (1973), S. 424 ff.

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ab und trat für eine rasche Rehabilitierung dieses Personenkreises ein. In allen drei Punkten verfocht die Country die Gegenposition, mit der sie sich allerdings immer schwerer behaupten konnte. Der kulturelle Aspekt kam in Abstimmungen über das Erziehungs- und Theaterwesen zum Vorschein. Die Coast befürwortete staatliche Aufwendungen für höhere Bildungseinrichtungen und wollte den Theaterleuten ihre schöpferische Freiheit lassen. Dagegen waren die Country-Abgeordneten offensichtlich der Meinung, Universitäten kämen ohnehin nur den Wohlhabenden zugute und Theater verdürbe die Moral des Volkes. Fragt man nach den Ursachen dieser divergierenden Ausrichtung, dann sticht als erster Faktor der Wohnsitz und die Wählerschaft des Abgeordneten hervor. 181 Die Küsten-Abgeordneten vertraten zumeist Wahlkreise in den Städten und deren Einzugsbereichen, sowie entlang der schiffbaren Flüsse. Je weiter entfernt die Wahlkreise von diesen Gebieten lagen, desto wahrscheinlicher wurde es, daß sie einen Country-Vertreter ins Parlament schickten. Die Ausnahme bilden einige Frontier-Regionen, deren Bewohner das Verlangen der Coast nach energischer, auch im Militärischen verläßlicher Regierungsautorität teilten. Die Spezifizierung nach Berufsgruppen zeigt, daß gut zwei Drittel der Country-Abgeordneten, aber nur ein Drittel aller Coast-Parlamentarier von der Landwirtschaft lebten. Die Country-Partei trug also einen ausgesprochen agrarischen Charakter, während in der Führungsschicht der Coast Kaufleute, Händler und Angehörige der „professions" — Juristen, Ärzte, Geistliche und andere Akademiker — stark vertreten waren. Fabrikanten, Handwerker und Manufakturarbeiter verteilten sich nahezu gleichmäßig auf beide Lager. In den Städten ließen sie aber eine Präferenz für die Coast erkennen, während sie in ländlichen Gegenden eher die Country unterstützten. Wirtschaftlicher Status, gemessen an Besitz und Einkommen, spielte ebenfalls eine gewichtige, von den anderen Faktoren weitgehend unabhängige Rolle. In Mains viergeteilter Skala entfallen drei Viertel der Country-Abgeordneten auf die beiden unteren Gruppen des „moderate" und des „substantial wealth." Dagegen können über die Hälfte der Küstenparlamentarier als „well to do" oder „wealthy" gelten. Die Country war also die Partei der Kleinbesitzer, während die Coast mehr Unterstützung aus den höheren Einkommensschichten erhielt. Weltanschaulich stieß der egalitär-kommunalistische Republikanismus der Country 181

Main erläutert die Methode der „ multivariate analysis", der er diese Ergebnisse verdankt, in Political Parties, S. 37 ff.

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mit dem elitären, im ganzen aber liberaleren und weltoffeneren Republikanismus der Coast zusammen. Die Küsten-Parlamentarier waren im Schnitt besser gebildet und weiter gereist und hatten bedeutendere Ämter ausgeübt und höhere Offiziersgrade erreicht. Sie verfügten deshalb eher über eine kontinentale, die Probleme der Union umspannende Perspektive. Dieser Gegensatz zweier Weltbilder und Denkweisen kann nicht allein aus den materiellen Lebensverhältnissen der Parlamentarier abgeleitet werden, sondern besaß ein für die politische Entscheidung wesentliches Eigengewicht. Verglichen damit kam anderen Faktoren wie dem Lebensalter, dem Familienhintergrund, der ethnischen Herkunft und der Religionszugehörigkeit eine geringere Bedeutung zu. 182 Der Parteiengegensatz der 1780er Jahre läßt auf die Entstehung und Auseinanderentwicklung zweier republikanischer Kulturen in den unabhängigen Staaten und in der Union insgesamt schließen. Wirtschaftliche Interessen, sozialer Status und geistig-intellektuelle Einstellungen formten politische Handlungsweisen, die von ähnlichen Prämissen in unterschiedliche Richtungen führten. Die ländlich-agrarische Kultur war aus den praktischen Erfahrungen der lokalen Selbstverwaltung erwachsen und stand noch stark unter dem Einfluß puritanischer Ideen, die Gemeinschaftsgeist und Harmonie, aber auch soziale Kontrolle betonten. 183 Von ihr hob sich immer deutlicher eine anpassungsfähige, urban-utilitaristische Kultur ab, die dem Einzelnen mehr Freiraum gab und politische Organisation zum Instrument der wirtschaftlichen Interessenvertretung machte. 184 In ihrem Einflußbereich veränderte sich das öffentliche Bewußtsein rascher und nahm die Bereitschaft zu, institutionelle Neuerungen zu erproben. Diese beiden Richtungen und politischen Kulturen wurden auch konstitutiv für den Kampf um die Verfassung. Von den 179 Country- und 206 Coast-Abgeordneten, die Main identifizieren konnte, fanden sich jeweils etwa 85% auf der Seite der Verfassungsgegner bzw. der Verfassungsanhänger wieder. 185 Die Ratifizierungsdebatte gab

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Den Antifederalists wurde immer wieder ihre mangelnde „kontinentale Vision" vorgehalten. „Marcus" sprach von „minds whose narrow vision can look over the concerns of a state or town, but cannot extend their short vision to Continental concerns." New Jersey Journal, 14. 11. 1787, DHRC III, 153. Edmund S. Morgan, The Puritan Ethic and the American Revolution, in: WMQ 26 (1967), S. 3ff. Siehe Patricia U. Bonomi, The Middle Colonies. Embryo of the New Political Order, in: Vaughan and Billias, eds., Perspectives on Early American History, 1973, S. 63 - 92. Main, Political Parties, S. 358 f. mit Anm. 10.

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Die Vorgeschichte der Verfassungsentstehung

dem organisatorischen Ausbau der Parteien zusätzliche Impulse, förderte den Prozeß der Ideologiebildung, bewirkte Verschiebungen im Kräfteverhältnis zwischen den Parteien und erschloß der Parteienkonkurrenz ein nationales Betätigungsfeld. Sie trieb den Fraktionen- und Parteienstreit der „kritischen Periode" auf den Höhepunkt, leitete aber gleichzeitig zu einer neuen Epoche mit neuen Formen und Inhalten der politischen Auseinandersetzung über.

ZWEITER TEIL

Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes „He came here as a Representative of America ... in some degree as a Representative of the whole human race; for the whole human race will be affected by the proceedings of the Convention." Gouverneur Morris, 5. 7. 1787, Farrand I, 529. „No alteration in the government should, I think, be made, nor if attempted, will easily take place, unless deducible from the source of just authority - THE PEOPLE." John Jay to Washington, New York, 7. 1. 1787, Washington Papers, Library of Congress.

IV. KAPITEL

Philadelphia: Verfassunggebende Versammlung statt Reformkonvent Konvente und Verfassunggebung Mit der Einberufung des Philadelphia-Konvents triumphierte die Idee, daß eine wirksame Reform auf nationaler Ebene ansetzen mußte und das amerikanische Verfassungssystem einer grundlegenden Neuordnung bedurfte. In gleicher Weise brach sich Madisons Überzeugung vom strukturellen Zusammenhang zwischen einzelstaatlicher und nationaler Politik Bahn. Die „private rights" der Bürger konnten nur dann dem Griff der Parlamente entzogen werden, wenn eine unerschütterliche Barriere in Form einer starken Zentralinstanz errichtet würde. Folgerichtig hielt sich der Konvent nicht mit der Revision der Konföderationsverfassung auf, sondern konstruierte ein völlig neuartiges Regierungssystem. Die entscheidende Abweichung betraf das Verhältnis von Bundesgewalt und Volk. Bislang hatte sich der Kongreß nur auf dem Umweg über die Staatenregierungen an die Bürger wenden können. Die zukünftige nationale Regierung sollte ihre Kraft direkt aus der Quelle der Volkssouveränität schöpfen. Dafür konnte sie dann in wichtigen Bereichen ihren Willen unmittelbar gegenüber den Individuen, die das „Volk der Vereinigten Staaten" ausmachten, zur Geltung bringen. Aus dieser Bindung an das Volk und aus dem Bewußtsein heraus, von dem enger gefaßten Reformauftrag des Kongresses und der Parlamente abgewichen zu sein, resultierte das Verlangen der Delegierten, ihrem Werk unanfechtbare Legitimität durch den Volkswillen zu verschaffen. Dieser Ausgang der Beratungen war aber auch geeignet, allen denjenigen Recht zu geben, die vor dem Konvent als einem Instrument der Verfassungsreform gewarnt hatten. Mit dem Begriff Convention verbanden sich seit der Revolution die Ideen der Volkssouveränität und des Widerstandsrechts ebenso wie die Vorstellung, daß Gesetzgebung und Verfassunggebung Dinge von unterschiedlicher Art und Qualität seien. Ab 1774 waren Konvente, Komitees und Kongresse häufig als Ersatzautoritäten an die Stelle der

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

kolonialen Regierungsorgane getreten, die den Rückhalt im Volk verloren oder sich aufgelöst hatten.1 Ihre Existenz zeigte an, daß die bisherige politische Ordnung brüchig geworden war und eine neue Legitimitätsbasis gesucht werden mußte. Konvente symbolisierten aber nicht nur den Volkswiderstand gegen die traditionellen Gewalten, sondern sie überbrückten auch die Zusammenbruchsphase und leisteten einen wichtigen Beitrag zur Begründung der nachrevolutionären Ordnung. In mehreren Staaten wurde schon früh das Argument laut, die „normalen" Repräsentativorgane, selbst wenn sie durch Wahl zustandekämen, seien nicht zur Verfassunggebung befugt. Eine auf Parlamentsbeschluß beruhende Verfassung könne ebensogut durch legislative Akte geändert oder gar beseitigt werden. Nur dem Volk selbst in seiner „ultimate political sovereignty" stehe es zu, ein neues Regierungssystem zu errichten. Die authentische Stimme des Volkes sei aber eine „constitutional convention", die eigens zum Zwecke der Verfassunggebung gewählt werden müsse.2 Die ersten Konvente dieser Art fanden 1776 in Delaware und 1778 in New Hampshire statt, nachdem der Kontinentalkongreß im November 1775 den Provinzkongressen empfohlen hatte, „to call a full and free representation of the people, and that the representatives, if they think it necessary, establish such a form of government, as in their judgment will best produce the happiness of the people."3 Am gründlichsten

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In England galten Conventions seit dem 17. Jahrhundert als „irreguläre" Organe und eine Art „defective Parliament." Nach 1789 reichte schon „the very use of the word .convention'... to provoke ministerialists and loyalists." Auch in Amerika verstand man sie zumeist als „legally deficient bodies existing outside of the regularly constituted authority." Clive Emsley, Repression, „Terror" and the Rule of Law in England During the Decade of the French Revolution, in: EHR 100 (1985), S. 808; Wood, Creation S. 311 f. Dem juristisch, politisch und historisch gebildeten Amerikaner war — u. a. durch Blackstones Commentaries — auch das englische „Convention Parliament" von 1688/89 bekannt, das William und Mary aus den Niederlanden nach England holte, die Abdankung Jakobs II. proklamierte und die Declaration of Rights aushandelte. Jefferson mahnte im Frühsommer 1776 von Philadelphia aus seine Freunde in Virginia, sie sollten sich der Annahme einer Verfassung widersetzen, „until the people should elect deputies for the special purpose." Zit. nach Thad W. Tate, The Social Contract in America, 1774—1787. Revolutionary Theory as a Conservative Instrument, in: WMQ 22 (1965), S. 380. Die New Yorker Handwerker betrachteten es als einen „act of despotism", daß die Staatsverfassung von 1777 keine Ratifizierung durch das Volk vorsah. Vgl. Wood, Creation, S. 328 ff.; Palmer, Democratic Revolution, I, 213 ff. Zit. nach Robert J. Taylor, ed., Massachusetts, Colony to Commonwealth. Documents on the Formation of the Constitution, 1775 — 1780, Chapel Hill, N. C.,

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erörtert wurde das Prinzip, wonach die Volkssouveränität ihren sichtbaren Ausdruck in einem Konvent findet, von den Bürgern des Staates Massachusetts. Das von den Towns gewählte Parlament, der General Court in Boston, hielt sich als rechtmäßiges government für kompetent, eine Verfassung auszuarbeiten. Dagegen drängten die radikalen „Constitutionalists" des Hinterlandes von Beginn an auf eine „Convention, or Congress ... immediately Chosen, to form & establish a Constitution, by the Inhabitants of the Respective Towns in this State." 4 Erst als der Entwurf des General Court 1778 am Widerstand der Gemeindeversammlungen scheiterte, ließen sich die Parlamentarier auf die Forderung nach einem Konvent ein. Im Juni 1779 beschlossen sie, „That it be and Hereby is recommended to the several Inhabitants of the several towns of this State to form a Convention for the sole purpose of forming a new Constitution."5 Dieser Konvent durfte unter Verzicht auf Eigentumsoder Steuerqualifikationen von allen weißen Männern über 21 Jahre gewählt werden. Er einigte sich auf einen Verfassungsplan und legte ihn den Towns zur Begutachtung vor. Nachdem die Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Gemeinden ergeben hatte, trat die neue Verfassung 1780 in Kraft. 6 Damit war, zumindest in Massachusetts, der Grundsatz der „constituent power" des Volkes formell anerkannt und praktisch verwirklicht worden. Die zentrale Idee der naturrechtlichen Vertragslehre, daß der Staat auf der Zustimmung seiner Bürger beruhe, hatte den fiktiv-theoretischen Charakter, der ihr in Europa anhaftete, endgültig abgestreift. Zugeich erhielt die geschriebene Verfassung als „fundamental law" eine höhere Weihe und Geltungskraft als das „statutory law", die von den Parlamenten verabschiedeten Gesetze. Verfassung war nun nicht mehr gleichbedeu-

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5 6

1961, S. 11. Siehe auch Oscar and Mary Handlin, eds., The Popular Sources of Political Authority. Documents on the Massachusetts Constitution of 1780, Cambridge, Mass., 1966. Der Schöpfer der Verfassung von 1780, John Adams, legte allerdings in der Ratifizierungsfrage eine gewisse Vorsicht an den Tag. Schon 1776 hatte er geschrieben: „It is certain in theory that the only moral foundation of government is the consent of the people. But to what extent shall we carry this principle?" Adams, Life and Works of John Adams, IX, 375. Stellungnahme der Gemeinde Concord, 22. 10. 1776, Taylor, Massachusetts, S. 45 f. A. a. O., S. 116 f. Abgedr. a. a. O., S. 127 ff. Um zu dieser Mehrheit zu gelangen, mußte das Parlament die teilweise sehr kritischen „Returns" der Gemeinden allerdings recht großzügig auslegen. Vgl. Täte, Social Contract, S. 382 f.; Ronald M. Peters, Jr., The Massachusetts Constitution of 1780. Α Social Compact, Amherst, Mass., 1978.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

tend mit Regierung, sondern stand über ihr und schrieb ihr den Kotnpeten2rahmen und die Regeln des Handelns vor. Folgerichtig galten für die Änderung der Verfassung auch strengere Vorschriften als für Gesetzesänderungen. 7 Die Implikationen dieses Vorgangs wurden anfangs selbst in Massachusetts nicht vollständig wahrgenommen. Hier wie anderswo kristallisierte sich aber schon in den 1780er Jahren der Gedanke heraus, ein Gesetz müsse verfassungskonform sein, um Bestand zu haben. Da die Parlamente nicht Richter in eigener Sache sein konnten, fiel es der Judikative zu, die Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Mit der Forderung, diese richterliche Interpretation als endgültig hinzunehmen, war die Doktrin der „judicial review" geboren, auf der die gesamte Verfassungsgerichtsbarkeit beruht. 8 Im selben Zusammenhang tauchte die Behauptung auf, die Konföderationsverfassung sei den Staatenverfassung übergeordnet und die Staaten dürften mithin keine Maßnahmen ergreifen, die gegen geltendes Recht der Union verstießen. Solange die Unionsverfassung in der Zustimmung der Staaten anstatt in der Volkssouveränität wurzelte, ließ sich diese Theorie aber nur schwer verankern. 9 Eine nationale Verfassunggebung aus dem Willen des Volkes heraus hatte als erster Thomas Paine vorgeschlagen. In Common Sense propagierte er mit der ihm eigenen Mischung aus phantasievollem Weitblick und Pathos eine „continental conference", die eine „Continental Charter", vergleichbar der ehrwürdigen Magna Charta, verfassen sollte. Enttäuscht über die kraftlosen Articles of Confederation, griff er 1780 in Public Good dieses Thema erneut auf: „The several states will, sooner or later, see the convenience if not the necessity of adopting; which is, 7

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Siehe Hans-Christoph Schröder, Politisches Denken und Verfassunggebung in der Friihzeit der Vereinigten Staaten, in: Jb. f. Amerikastudien 14 (1969), S. 259 ff.; Harro Höpfl and Maryn P. Thompson, The History of Contract as a Motif in Political Thought, in: AHR 84 (1979), S. 919 ff.; Stanley N. Katz, The Origins of American Constitutional Thought, in: PAH 3 (1969), S. 474ff.; Lawrence H. Leder, Constitutionalism in American Thought, 1689 — 1783, in: Pa. History 36 (1969), S. 411 ff.; Benjamin F. Wright, Jr., The Early History of Written Constitutions in America, in: Essays in History and Political Theory in Honor of Charles H. Mcllwain, Cambridge, Mass., 1936, S. 3 4 4 - 3 7 1 . Eingehend behandelt dieses Thema Gerald Stourzh, Vom Widerstandsrecht zur Verfassungsgerichtsbarkeit. Zum Problem der Verfassungsgerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, Graz 1974. Öffentlich wurde diese These erstmals von Hamilton in dem Verfahren Rutgers v. Waddington (New York) vertreten. Corwin, Progress of Constitutional Theory, S. 529 f.

Philadelphia:

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that of electing a continental convention, for the purpose of forming a continental constitution, defining and describing the powers and authorities of Congress." 10 Im September desselben Jahres ließ auch Hamilton die verschiedenen Methoden Revue passieren, die zur Stärkung der Zentralregierung taugten. Darunter befand sich eine „convention of all the States, with full authority to conclude finally upon a general confederation." Eine solche Versammlung würde auch die Hoffnungen der Menschen wiederbeleben und ihren Leidenschaften eine neue Richtung weisen. 11 Zwei Monate darauf trafen sich Vertreter der Neuenglandstaaten und New Yorks in Hartford, Connecticut, und schlugen vor, General Washington quasi-diktatorische Vollmachten zu erteilen und den Kongreß mit der „power of Coertion" gegen pflichtvergessene Staaten auszurüsten. 12 Von diesem Zeitpunkt an verstummte die Diskussion über einen nationalen Konvent nicht mehr. Sie wurde öffentlich und privat, im Kongreß, in den Parlamenten, in der Pressse und in Briefwechseln gefuhrt. Für viele trug der Konvent aber immer noch den Doppelcharakter einer Institution, die sowohl extra-legale, revolutionäre Zwecke verfolgen, als auch Ordnung stiften und legitimieren konnte. In konservativen Kreisen verfolgte man mit Sorge, wie sich vielerorts Kreisversammlungen mit dem Anspruch zusammenfanden, für „das Volk" zu sprechen, Beschlüsse der Staatenregierungen kritisierten und das Übergewicht der Küstenregionen in den Repräsentativorganen anprangerten. Auch die Verteidiger der Staatensouveränität fanden wenig Gefallen an diesen „wilden" Konventen. 13 Noch mißtrauischer reagierten sie jedoch auf die Konventspläne der Nationalisten, hinter denen sie einen gezielten Angriff auf die bestehende, in Revolution und Unabhängigkeitskrieg erkämpfte Staatsordnung vermuteten. In einem Brief an seinen Freund Samuel Adams empörte sich James Warren über die Verlautbarungen des 10

11 12

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Van der Weyde, Paine II, 145 f.; IV, 108 f. Im August 1776 hatte sich auch Edward Rutledge dafür ausgesprochen, daß ein „special Congress" die Unionsverfassung schreiben solle. Dahinter stand v. a. die Absicht, den in Fraktionen gespaltenen Kongreß zu umgehen. An eine direkte Beteiligung des Volkes dachte Rutledge noch nicht. Burnett, LMCC, II, 56. To James Duane, 3. 9. 1780, Syrett II, 400 ff. George Bancroft, ed., Original Documents. Α Hartford Convention in 1780, in: Magazine of History 8 (1882), S. 6 8 8 - 6 9 8 . Selbst das Revolutionsidol Samuel Adams gelangte zu der Überzeugung, „that popular Committees and County Conventions are not only useless but dangerous." Zit. nach Wood, Creation, S. 327.

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität

des Volkes

Hartford-Konvents: „If one of them does not astonish you I have forgot my political catechism."14 Konvente mehrerer Staaten stellten nach James Mercer „gefahrliche Präzedenzfälle" dar und hatten in den Augen von Theoderick Bland „the appearance of young congresses."15 Noch 1785 verweigerten sich die Kongreß-Delegierten von Massachusetts dem Wunsch ihres eigenen Parlaments, einen allgemeinen Konvent zu beantragen. Dem Gouverneur teilten sie mit, sie betrachteten die Articles of Confederation und die Staatenverfassungen als die „Great Bulwarks of Liberty." Lasse man zu, daß sie aus trivialen oder auch aus bedeutenden Gründen ständig revidiert würden, dann verlören sie bald ihren Wert als „effectual and sacred Barriers." Die Kampagne für einen nationalen Konvent sei Teil der kunstvoll geschmiedeten und energisch verfolgten Pläne, „which had they been successful, We think would inevitably have changed our republican Governments, into baneful Aristocracies." Lieber sollten die Amerikaner mit den gegenwärtigen Unzulänglichkeiten leben, als „general Dissentions and Animosities" zu riskieren, die nur in einem ruinösen Regierungssystem enden könnten.16 Ganz ähnlich begründete zwei Jahre später die General Assembly von Rhode Island ihre Weigerung, Delegierte nach Philadelphia zu schicken. Das Abweichen von der Amendment-Prozedur der Konföderationsverfassung berge die Gefahr, daß der existierende Compact der Staaten aufgelöst würde und alle Amerikaner „in a common ruin" untergingen. Außerdem stehe es in Rhode Island nur den freemen in ihren Gemeindeversammlungen zu, Kongreß-Delegierte zu wählen. Das Parlament könne deshalb rein rechtlich gar keine Vertreter in einen Konvent entsenden, „which might be the means of dissolving the Congress of the Union."17 Am Vorabend des Treffens in Philadelphia wußte man also, daß ein Konvent nur schwer zu kontrollieren war und mit mancherlei Überraschung aufwarten mochte. Gerade diese Unbestimmtheit und potentielle Sprengkraft, die sie an den spontanen County Conventions so fürchteten, begriffen Männer wie Hamilton, Madison, Robert Morris, Gouverneur Morris und James Wilson nun als einmalige Chance. Einen nationalen Konvent glaubten sie im Griff behalten und zum Vehikel

14 15 16

17

Zit. nach Jensen, New Nation, S. 49 f. Zit. nach Davis, „a hoop to the barrel", S. 146. Die Delegierten waren Elbridge Gerry, Rufus King und Samuel Holton. Vgl. Burnett, LMCC, VII, 189, 206 ff.; DHRC XIII, 28 f. Rhode Island General Assembly to President of Congress, 15. 9. 1787, DHRC I, 225 f.

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ihrer politischen Ordnungsvorstellungen machen zu können. Nach getaner Arbeit stimmten sie aber überein, daß selbst Konvente dieser Art eine sehr ernste Angelegenheit seien, und das Beispiel von Philadelphia möglichst selten oder nie mehr wiederholt werden sollte. 18 Der Konvent trat am 14. Mai 1787 in Philadelphia zusammen, erreichte aber erst am 25. Mai das vorgeschriebene Quorum von sieben Staaten. Unter Washingtons Vorsitz berieten die Delegierten dann hinter verschlossenen Türen an jedem Werktag fünf bis sechs Stunden. Diesen Rhythmus unterbrachen sie nur in der Zeit vom 26. Juli bis zum 6. August, als ein committee of detail den ersten Verfassungstext entwarf. Am 17. September löste sich der Konvent durch eine Vertagung sine die auf. Von den ursprünglich gewählten 74 Delegierten nahmen 55 teil, von denen wiederum 14 die Beratungen vorzeitig verließen. Rhode Island war nicht vertreten, die New Hampshire-Delegation erschien erst am 23. Juli, und New York büßte am 10. Juli das Stimmrecht ein, als Hamilton nach der Abreise von John Lansing und Robert Yates allein zurückblieb. Am Ende unterzeichneten 39 Delegierte für elf Staaten den Verfassungsentwurf. Die Virginier George Mason und Edmund Randolph sowie Elbridge Gerry aus Massachusetts verweigerten ihre Zustimmung. 19 Mit gewissen Einschränkungen lassen sich im Konvent drei Gruppen von Delegierten unterscheiden: Die Nationalisten, zu denen Hamilton, Robert Morris, Gouverneur Morris, James Wilson, Nathaniel Gorham, Madison und Washington zählten; die Anhänger der Staatensouveränität um Lansing, Yates, Gerry, Luther Martin aus Maryland und William Paterson aus New Jersey; und die um Vermittlung Bemühten wie Roger Sherman und Oliver Ellsworth aus Connecticut, John Dickinson aus Delaware, John Rutledge aus South Carolina und George Mason aus

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Madison, Debates, S. 576. DHRC I, 232 ff.; XIII, XLVIf. Die 39. Unterschrift leistete George Read in Vertretung des abwesenden John Dickinson. Die wichtigsten Quellen sind Madisons Aufzeichnungen (s. o. Anm. 18); Max Farrand, ed., The Records of the Federal Convention, 4 vols., New Haven, Conn., 1927 — 1937 (zit. Farrand); James H. Hutson, ed., Supplement to Max Farrand's Records of the Federal Convention of 1787, New Haven, Conn., 1987; Records of the Constitutional Convention of 1787. NA Microfilm Publications. Μ 866, Washington, D. C., 1972. Zu den Problemen der Quellenüberlieferung James Η. Hutson, Riddles of the Federal Constitutional Convention, in: W M Q 44 (1987), S. 4 1 1 - 4 2 3 .

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Virginia. 20 Zweifellos kam den Befürwortern einer starken Zentralregierung zugute, daß einige der prominentesten Volksführer — die Virginier Patrick Henry und Richard Henry Lee, der New Yorker Gouverneur George Clinton, Abraham Clark aus New Jersey, Samuel Chase aus Maryland und Willie Jones aus North Carolina — entweder auf eine Kandidatur zum Konvent verzichtet oder ihr Mandat nicht angenommen hatten. Es ist allerdings fraglich, ob eine Beteiligung dieser Männer das Übergewicht der Nationalisten und der flexiblen Gemäßigten in Philadelphia entscheidend gemindert hätte. Der Konvent faßte schon früh den fundamentalen Entschluß, die Articles of Confederation fallen zu lassen und die Resolutionen der Virginia-Delegation als Ausgangsbasis für eine neue Verfassung zu nehmen. Am 30. Mai stimmten sechs der acht anwesenden Staaten dem von Randolph eingebrachten Antrag zu, „that a national Government ought to be established consisting of a supreme Legislative, Executive & Judiciary." Dieser Konsens geriet im Juni noch einmal in Gefahr, als Paterson einen Alternativplan präsentierte, der den Interessen der kleinen Staaten entgegenkam und sich auf eine Revision der Articles of Confederation beschränkte. Nach intensiver Debatte lehnte der Konvent diesen Vorschlag jedoch ab und kehrte zu dem modifizierten Virginia-Plan zurück. Die Mehrheit gestand lediglich zu, den als anstößig empfundenen Begriff „national government" überall durch „the government of the United States" zu ersetzen. 21 Auch nach dieser zentralen Weichenstellung blieben noch genug Streitfragen und Konflikte übrig. Es ging nun aber in der Hauptsache darum, ein Gebäude zu errichten, dessen Grundriß vorgezeichnet war. Das öffnete Kompromißspielräume, die auch konsequent genutzt wurden. Jedesmal, wenn die Debatte in einer Sackgasse zu enden drohte, gewann letzten Endes der Wille zur Verständigung und zum Ausgleich die Oberhand. Dabei half den Delegierten ihre langjährige politische Erfahrung ebenso wie ihr gemeinsamer sozialer Hintergrund,

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Jensen, American Revolution Within America, S. 172 ff. Vgl. Sidney S. Ulmer, Sub-Group Formation in the Constitutional Convention, in: MJPS 10 (1966), S. 288 — 303; Calvin Jillson, Constitution Making. Alignment and Realignment in the Federal Convention of 1787, in: APSR 75 (1981), S. 5 9 8 - 6 1 2 ; Jillson and Cecil L. Eubanks, The Political Structure of Constitution Making. The Federal Convention of 1787, in: A J P S 28 (1984), S. 4 3 5 - 4 5 8 . Farrand I, 29 ff., 240 ff., 312 ff. Die verschiedenen Pläne, die dem Konvent vorlagen, und die Entstehungsstufen des Verfassungsentwurfs sind abgedr. in DHRC I, 243 ff.

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die Zugehörigkeit zur wirtschaftlichen und bildungsmäßigen Elite der Staaten. 22 Die Diskussion konzentrierte sich auf vier Problemfelder: Die Machtverteilung zwischen Union und Staaten, die Balance der Gewalten innerhalb der Zentralregierung, sowie den Interessenausgleich zwischen großen und kleinen Staaten einerseits und zwischen Norden und Süden andererseits. Der Konvent ließ keinen Zweifel an der übergeordneten Stellung der neuen Unionsregierung. Bundesverfassung, Gesetze und Verträge der Vereinigten Staaten bildeten das „supreme Law of the Land", an das alle Richter gebunden waren, „any Thing in the Constitution or Laws of any State to the Contrary notwithstanding." Im Vergleich zu dem System der Articles of Confederation erhielt die Bundesregierung vier wichtige neue Befugnisse, während die Staaten einige wesentliche Beschränkungen hinnehmen mußten. Die Zentralgewalt sollte fortan das Recht haben, unmittelbar und ohne Miwirkung der Staaten Steuern zu erheben, den zwischenstaatlichen Handel und den Außenhandel zu regulieren, die Staatenmilizen zu beaufsichtigen und alle Gesetze zu erlassen, die „notwendig und angemessen" (necessary and proper) waren, um die in der Verfassung enthaltenen Kompetenzen voll auszuschöpfen. Den Staaten wurde dagegen untersagt, Münzgeld zu prägen und Papiergeld zu emittieren, in geltende Privatverträge einzugreifen oder durch rückwirkende Gesetze und Enteignungen Besitzrechte anzutasten. Diese eindeutige Machtverlagerung zugunsten der Bundesregierung erübrigte eine strikte militärische Zwangsgewalt ebenso wie das von Madison für absolut notwendig erachtete Veto gegen Staatengesetze. 23 Der Vorrang des Kongresses im neuen Regierungssystem, den die Virginia-Resolutionen hatte festschreiben wollen, wurde im Verlauf der Beratungen zugunsten einer gleichgewichtigen Position der Exekutive abgeschwächt. Der Präsident sollte — unter Zwischenschaltung eines Wahlmännerkollegiums — aus einer Volkswahl hervorgehen, war mit suspensivem Veto gegenüber Gesetzesvorschlägen des Kongresses ausgestattet und fungierte als Oberbefehlshaber von Armee und Flotte. Er amtierte für vier Jahre, durfte sich aber unbegrenzt zur Wiederwahl

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Vgl. McDonald, We the People, S. 38 ff.; Richard D. Brown, The Founding Fathers of 1776 and 1787. A Collective View, in: W M Q 33 (1976), S. 465 ff. McDonald, Novus Ordo Seclorum, S. 263 ff.; Frank H. Garver, Some Propositions Rejected by the Constitutional Convention of 1787, in: Historian 6 (1944), S. 113 ff.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

stellen. Der „Connecticut-Kompromiß" überbrückte die Kluft zwischen den kleinen und großen Staaten, indem er allen gleiches Stimmrecht im Senat gewährte. 24 Die zweigeteilte Legislative bestand nun aus dem Repräsentantenhaus, das nach proportionalem Wahlrecht direkt vom Volk in den Staaten gewählt wurde, und dem Senat, in den jedes Staatenparlament zwei Vertreter delegierte. Die Legislaturperiode des Repräsentantenhauses betrug zwei, die des Senats sechs Jahre, wobei ein Drittel der Senatoren alle zwei Jahre neu bestimmt werden sollte. Die judikative Gewalt war in einem Supreme Court verkörpert, dessen Richter vom Präsidenten mit Zustimmung des Senats ernannt wurden und „during good Behavior", also theoretisch auf Lebenszeit amtierten. Außerdem konnte der Kongreß nach freiem Ermessen niedere Bundesgerichte in den Staaten installieren. Der Gegensatz zwischen dem rein agrarischen Süden und dem kommerziell weiterentwickelten Norden reichte in die Kolonialzeit zurück und hatte auch den Konföderationskongreß — etwa in der MississippiKontroverse — vor manch harte Probe gestellt. Im Konvent verwickelten sich drei Fragen zu einem schier unentwirrbaren Problemknäuel: Der Modus der Repräsentation, die Sklaverei und die Zuständigkeit des Kongresses in Wirtschafts- und Handelsdingen. Schon im Juni kam man überein, sowohl die Zuteilung der Sitze im Repräsentantenhaus als auch die Erhebung direkter Steuern nach der Bevölkerungszahl vorzunehmen und dabei, als Konzession an den dünner besiedelten Süden, drei Fünftel der Sklaven mitzuzählen. 25 Trotz dieses Entgegenkommens fürchteten die Delegierten des Südens, die Nord- und Mittelstaaten könnten ihre numerische Überlegenheit im Kongreß zur Errichtung eines Schiffahrtsund Handelsmonopols mißbrauchen. Sie forderten deshalb, daß handelsregulierende Gesetze einer Zweidrittelmehrheit des Kongresses bedurften und Exportsteuern verboten sein sollten. Die Nord-Vertreter sahen aber voraus, daß der Zustrom an Sklaven, das raschere Bevölkerungswachstum des Südens und die Entstehung neuer Staaten im Südwesten das Kräfteverhältnis bald auf den Kopf stellen würden. Sie attackierten deshalb die Dreifünftel-Klausel und setzten sich für eine Besteuerung oder sogar für ein Verbot des Sklavenimports ein. Diese unvereinbar scheinenden Standpunkte brachten den Konvent an den Rand des Schei-

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Christopher Wolfe, On Understanding the Constitutional Convention of 1787, in: JP 39 (1977), S. 9 7 - 1 1 8 . Unter den Articles of Confederation (Art. VIII) richteten sich die Finanzbeiträge der Staaten nach dem Wert ihres genutzten oder vermessenen Landes.

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terns. Erst Ende August gelang einem eigens gebildeten Komitee der rettende Kompromiß. Die Dreifünftel-Klausel und das Verbot von Exportsteuern wurden in den Verfassungsentwurf aufgenommen; der Kongreß konnte die Einfuhr von Sklaven mit maximal $10 pro Person besteuern, durfte sie aber bis zum Jahr 1808 nicht verbieten; dafür reichten einfache Mehrheiten in Repräsentantenhaus und Senat zur Beschlußfassung über handelsregulierende Gesetze und Handelsverträge. Als der Konvent diese komplizierte Formel mit den Stimmen von sieben gegen vier Staaten akzeptierte, war der Weg zur Unterzeichnung der Verfassung frei. 26

Der Konvent und die Souveränität des Volkes Um der Einflußnahme und dem Erwartungsdruck der Öffentlichkeit zu entgehen, hatten sich die Delegierten zu Beginn auf strengste Vertraulichkeit verpflichtet. 27 Diese Regel wurde im allgemeinen befolgt, auch wenn an einem Ort wie Philadelphia keine völlige Abschottung zu bewerkstelligen war. Obgleich die Türen für das Publikum geschlossen blieben, nahm „das Volk" auf unsichtbare Weise dennoch an den Beratungen im State House teil. Wieder und wieder beschworen die Redner den „genius of the people", verwiesen auf die „sentiments of the people" und den „popular current" oder suchten den „public mind" zu ergründen. 28 Madison mahnte zwar, der Konvent solle nicht auf die Volksstimmung achten, sondern davon ausgehen, „what was right & necessary in itself for the attainment of a proper Government." Die Mehrheit hielt es aber eher mit Pierce Butler, der zu bedenken gab: „We must follow the example of Solon who gave the Athenians not the best Government 26

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Den Hintergrund der Nord-Süd-Rivalität beleuchtet Joseph L. Davis, Sectionalism in American Politics, 1774—1787, Madison, Wise., 1977. Zur Sklavereiproblematik Staughton Lynd, The Compromise of 1787, in: PSQ 81 (1966), S. 2 2 5 - 2 5 0 ; Howard A. Ohline, Republicanism and Slavery. Origins of the Three-Fifth Clause in the United States Constitution, in: W M Q 28 (1971), S. 5 6 3 - 5 8 4 ; William W. Freehling, The Founding Fathers and Slavery, in: AHR 77 (1972), S. 81 ff.; Calvin Jillson and Thornton Anderson, Realignment in the Convention of 1787. The Slave Trade Compromise, in: JP 39 (1977), S. 712 ff. Eine der Vorschriften lautete: „That nothing spoken in the House [could] be printed, or otherwise published, or communicated without leave." Daß dennoch einige Informationen nach außen sickerten, zeigt DHRC XIII, 120 ff. Siehe ζ. B. Farrand I, 153, 250, 274, 288 f., 291, 338 f., 512 ff., 528, 530; II, 204 f., 211 f., 414.

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he could devise; but the best they would receive." 29 Jede Bestimmung wurde deshalb daran gemessen, ob sie vor dem Urteil des Volkes Bestand haben oder die Opposition gegen den Verfassungsentwurf steigern würde. Extreme Vorstellungen ließen sich unter diesen Umständen nicht verwirklichen. So strich der Konvent im August endgültig das Veto gegen Staatengesetze. Die Mehrheit machte sich dabei John Rutledges Meinung zu eigen, diese Bestimmung allein „would damn and ought to damn the Constitution." Hamiltons Plan, den Präsidenten und die Senatoren auf Lebenszeit zu wählen und die Staatengouverneure von der Zentralregierung einsetzen zu lassen, wurde erst gar nicht ernsthaft in Betracht gezogen. 30 Das Lamento über die „excesses and follies of democracy" und den „levelling spirit", bei dem sich die Nationalisten gegenseitig überboten und in das auch ein Verfassungskritiker wie Elbridge Gerry einstimmte, 31 war also nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen standen der Respekt vor der öffentlichen Meinung und das Bemühen um mehrheitsfähige Lösungen. Mason meinte zwar am Schlußtag, die Verfassung sei „without the knowledge or idea of the people" geschrieben worden. 32 Tatsächlich hatte aber das Bewußtsein der bevorstehenden Ratifizierungsdebatte zur Vermeidung mancher Schärfen beigetragen und dem Entwurf insgesamt maßvolle Züge verliehen. Für das Ratifizierungsverfahren gab es weder feste Regeln noch einen geeigneten Präzedenzfall. Die meisten Staatenverfassungen der Revolutionsära waren weder aus einem speziellen Verfassungskonvent hervorgegangen, noch hatten sie sich vor ihrem Inkrafttreten dem Urteil der Wähler stellen müssen. 33 In einer Reihe von Staaten wurden deshalb Zweifel an ihrer Gültigkeit laut, da sie nicht auf der authentischen Basis der Volkssouveränität ruhten. 34 Diese Kritik stimulierte die Entwicklung konstitutioneller Prozeduren und Mechanismen, die dem Ideal des Ge29 30 31

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34

Farrand I, 123, 215; vgl. II, 614. Der am 18. 6. unterbreitete Plan findet sich in DHRC I, 253 ff. Ihn hatte Shays' Rebellion „the danger of the levelling spirit" gelehrt. Farrand I, 48. Farrand II, 623. Die Art des Zustandekommens der ersten Staatenverfassungen ist tabellarisch dargestellt in einem Annex zu dem Werk von John Franklin Jameson, A Treatise on Constitutional Conventions, 4th ed., Chicago 1887, S. 643 ff. In Virginia begründeten Jefferson und Madison 1784 damit ihr Verlangen nach einer neuen Staatsverfassung. Boyd VI, 294ff.; VII, 258 f., 359 ff. In Connecticut entzündete sich der Streit an der Entscheidung des Parlaments, die Kolonialcharta (wie in Rhode Island) durch einfaches „Reenactment" zur Staatsverfassung zu erklären. Täte, Social Contract, S. 384.

Philadelphia: Verfassunggebende Versammlung statt Reformkonvent sellschaftsvertrags besser entsprachen. Als erste Staaten sahen N e w Hampshire und Massachusetts Ende der 1770er Jahre sowohl eine verfassunggebende Versammlung als auch eine „popular ratification" vor. Viele Beobachter empfanden diesen Fortschritt aber als fragwürdig, weil die Entscheidung nicht beim individuellen Bürger lag, sondern den Town Meetings anheimgestellt wurde. Diese lehnten denn auch in Massachusetts einen und in New Hampshire gleich vier Entwürfe ab, bevor sie 1780 bzw. 1783 den neuen Verfassungen ihren Segen erteilten. 35 Vergleichbare Schwierigkeiten hatte es bereitet, die Articles of Confederation in Kraft zu setzen. Im November 1777 bat der Kongreß die Staatenlegislativen, sie sollten ihre Delegierten bis zum 10. März 1778 zur Unterzeichnung des Entwurfs autorisieren. Sieben Staaten schlugen aber Verbesserungen vor, und Maryland wollte die Instruktionen nur unter ganz bestimmten Bedingungen erteilen. Erst als der Kongreß sämtliche Amendments verworfen und die Bedenken Marylands zerstreut hatte, konnte er am 1. März 1781 die Konföderation für vollendet erklären, „each and every of the Thirteen United States from N e w Hampshire to Georgia, both included, having adopted and confirmed and by their delegates in Congress ratified the same." 36 Gemessen an der Idealvorstellung, wie sie sich in den 1780er Jahren herausbildete, wies aber auch dieses Verfahren Mängel auf. Zunächst hatte nicht ein unabhängiges Gremium, sondern der Kongreß selbst die Verfassung geschaffen, die ihn binden sollte. Weiterhin waren die Ratifizierungsakte der Staaten unterschiedlich ausgefallen und reichten von bloßen Parlamentsresolutionen bis zu formellen Gesetzen. Schließlich erkannte nur ein Teil der Staatenverfassungen die Articles of Confederation offiziell als geltendes Recht an. Dies hatte zur Folge, daß der Vorrang von „Acts of Congress" vor Staatengesetzen häufig umstritten war. Nach Madisons Auffassung barg die Konföderation deshalb schon den Keim des Zerfalls in sich. Aus der Vertragsdoktrin folge, „that a breach of any of the articles of the confederation by any of the parties to it, absolves the other parties from their respective obligations, and gives them a right if they chuse to exert it, of dissolving the Union altogether." 3 7 Hieraus zog er die Lehre, daß die neue Verfassung der expliziten Zustimmung des Volkes bedurfte, wenn sie Bürger wie Staaten wirksam und dauerhaft binden sollte. Mit diesem Argument verteidigte

35 36 37

A. a. O , S. 383. DHRC I, 136; vgl. S. 97 ff. (Acts of Ratification). Rutland IX, 352.

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er am 5. Juni die fünf2ehnte und letzte der Virginia-Resolutionen, derzufolge die Verfassung nach der Billigung durch den Kongreß extra gewählten Staatenkonventen zur Begutachtung und Entscheidung vorzulegen war. Eine solche Bestimmung hielt er für essentiell und unverzichtbar, denn das Werk von Philadelphia „should be ratified in the most unexceptionable form, and by the supreme authority of the people themselves." 38 Auf Anhieb konnten sich die Delegierten mit dieser Methode aber nicht befreunden. Sie kamen deshalb mehrfach auf das Thema zurück und erwogen Alternativen. Die meisten Fürsprecher fand eine Ratifizierung durch die Staatenparlamente. Genannt wurde aber auch ein allgemeiner unionsweiter Ratifizierungskonvent. Ferner gab es die Möglichkeit, den Legislativen die Einberufung von Staatenkonventen freizustellen, oder einen zweiten nationalen Konvent endgültig über eventuelle Amendment-Vorschläge der Staaten befinden zu lassen. Eine allgemeine Volksabstimmung schien dem föderativen Prinzip zuwiderzulaufen, und ein Referendum auf Gemeindeebene stand nach den negativen Erfahrungen, die man in Massachusetts und New Hampshire gesammelt hatte, nicht zur Debatte. Die Staatenparlamente hielten vor allem diejenigen für geeignet, die — wie Sherman, Gerry und Martin — eine völlige Preisgabe der Konföderation vermeiden wollten. Der Frontverlauf war aber keineswegs eindeutig. So beklagte Ellsworth, der ansonsten häufig die Nationalisten unterstützte, „that a new sett of ideas seemed to have crept in since the Articles of Confederation were established. Conventions of the people, or with power derived expressly from the people, were not then thought of." Konvente seien besser geeignet, „to pull down than to build up Constitutions." 39 Dafür fand Madison Rückendeckung bei seinem Landsmann George Mason, der in vielem mit Gerry und Martin konform ging, den Parlamenten aber unmißverständlich die Ratifizierungsbefugnis absprach: „Whither then must we resort? To the people with whom all power remains that h^s not been given up in the Constitutions derived from them. It was a great moment ... that this doctrine should be cherished as the basis of free Government." Später verlangte er ebenso wie Randolph, die Ratifizierungsprozedur in den Staaten solle mit einer „second general convention" auf Unionsebene abgeschlossen werden. 40 38 39 40

Farrand I, 122 ff. Farrand I, 335; II, 88, 90. Farrand II, 88, 477.

Philadelphia:

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G e g e n die Parlamente und für Ratifizierungskonvente sprachen eine Reihe praktischer Gründe. In den Staatenregierungen, so hieß es, verfügten Partikularisten und D e m a g o g e n über einen beträchtlichen Einfluß. Ihnen konnte nicht daran gelegen sein, die Union durch den Verzicht auf einen Teil ihrer Machtbefugnisse zu stärken. Für die Konvente hingegen würden sich viele „fähige M ä n n e r " zur Verfügung stellen, die dem kleinkarierten parlamentarischen Getriebe schon längst den Rücken gekehrt hatten oder die, wie die Geistlichen in einigen Staaten, von den Legislativen ausgeschlossen waren. Ferner stand zu befürchten, daß die Gegner der Verfassung das komplexe und relativ schwerfällige Zweikammersystem, wie es in elf der dreizehn Staaten existierte, zu taktischen Winkelzügen, Verzögerungen und Blockaden ausnutzen würden. Grundsätzliche E r w ä g u n g e n fielen aber noch stärker ins Gewicht. Eine Ratifizierung durch die Parlamente erinnerte die meisten Delegierten zu sehr an das überholte System der Articles of Confederation. Als Ellsworth und Paterson diesen M o d u s formell beantragten, hielt ihnen Gouverneur Morris entgegen, sie hätten den eigentlichen Sinn der Beratungen noch nicht erfaßt. Ihr Vorschlag gehe v o n der irrigen Annahme aus, „that we are proceeding on the basis of the Confederation. This Convention is unknown to the Confederation." N o c h konsequenter als Morris z o g Madison einen scharfen Trennungsstrich zwischen Articles o f Confederation und Bundesverfassung. E r erachte „the difference between a system founded on the Legislatures only, and one founded on the people, to be the true difference between a league or treaty, and a Constitution." Der K o n v e n t könne den Makel, nicht direkt v o m Volk gewählt worden zu sein und seine Befugnisse überschritten zu haben, einzig und allein durch eine „popular ratification" abstreifen: „The people were in fact, the fountain of all power, and by resorting to them, all difficulties were g o t over. They could alter constitutions as they pleased." Rufus K i n g und James Wilson forderten ebenfalls eine „recurrence to first principles" und den Rückgriff auf die „original powers of Society", wie sie die republikanische Theorie für die Begründung eines neuen Gesellschaftsvertrags vorsah. 4 1 Unter diesem Gesichtspunkt mußten Kompromißlösungen wie eine gemischte Ratifizierung durch Parlamente und Konvente nicht nur unpraktikabel, sondern unzureichend und sogar gefährlich erscheinen.

41

Farrand II, 92, 468 f., 475 ff., 561 f. Unter einem „resort to first principles" verstand man die Zufluchtnahme zu „extrajudicial, extralegal acts against the established authority, with the support of a clear conscience." Stourzh, Hamilton, S. 21.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Mit der Festlegung auf die Methode der Staatenkonvente war aber noch nicht darüber entschieden, wieviele Unionsmitglieder zustimmen mußten, bevor die Verfassung rechtskräftig wurde. Die Vorschläge reichten von der Mehrheit, also sieben, bis zur Einstimmigkeit, die den Amendment-Bestimmungen der Articles of Confederation entsprochen hätten. Diese Variante galt aber schon im Hinblick auf Rhode Island als illusorisch und schied deshalb aus. Um den republikanischen Prinzipien gerecht zu werden, befürworteten Madison und Wilson eine Mehrheit sowohl der Staaten als auch der Bevölkerung der Union. Schließlich einigte man sich aber auf die Zahl neun, dieselbe Stimmenmehrheit also, die der bisherige Kongreß für wichtige Entscheidungen benötigte. In seiner endgültigen Fassung lautete Artikel VII nun: „The Ratification of the Convention of nine States, shall be sufficient for the Establishment of this Constitution between the States so ratifying the Same." Diese Formulierung Schloß aus, daß einige wenige Staaten das Inkrafttreten der Verfassung vereiteln konnten, und stellte zugleich sicher, daß die abweichende Minderheit nicht zwangsweise auf das neue System verpflichtet werden durfte. 42 Das so gewählte Ratifizierungsverfahren trug der Tatsache Rechnung, daß die Staaten als politische Einheiten fortexistierten und ihre Verfassungen durch die Bundesverfassung allenfalls modifiziert, nicht aber abgeschafft wurden. Damit war auch in indirekter Form das komplizierte Problem der Souveränität angesprochen. Der Konvent übertrug die Ratifizierung nicht dem Volk in seiner Gesamtheit, sondern den Bürgern der Vereinigten Staaten als Bürger dieser einzelnen

42

Die Verfassung ist abgedr. in D H R C I, 3 0 6 - 1 7 ; XIII, 2 0 0 - 2 1 1 ; sowie im Anhang zu dieser Arbeit. Erstaunlich nahe an die schließlich verabschiedeten Ratifizierungsbestimmungen war der Kongreß-Delegierte aus Massachusetts, Stephen Higginson, schon im Februar 1787 gekommen, als er dem Kriegsminister Henry Knox schrieb: „The most probable way in my mind, of meeting with Success, would be to have special State Conventions appointed, to whom the report of the general Convention should be referred, and they be directed to report to Congress their dissent or approbation thereof. And if nine of those State Conventions shall report in favour of the System, Congress shall be authorised thereupon, to declare it to be the federal Constitution of Government; and the States shall be compelled to conform themselves by it. This Mode is, I think most likely to be adopted by the people in the several States, as it will give each of them a Voice in the revision of the doings of the general Convention, and it will avoid the difficulties which may probably attend a reference to Congress, to the several Legislatures, or to the people at large." Boston, 8. 2. 1787, Knox Papers, MHi. Weder Higginson noch Knox nahmen am Verfassungskonvent teil. Knox hielt aber engen Kontakt zu den meisten führenden Federalists. S. u. Kap. VIII.

Philadelphia: Verfassunggebende Versammlung statt Reformkonvent

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Staaten. So gesehen, verblieb der Souveränitätsrest, der weder an die Bundesregierung noch an die Staatenregierungen abgetreten worden war, ebenfalls beim Volk in seinen Staaten und nicht bei einem einheitlichen amerikanischen Staatsvolk. 43 Ein letzter Punkt betraf die Zustimmung des Kongresses, die in der Einladung zum Konvent gefordert worden war. Auf sie verzichtete man schließlich, um dem Kongreß die Peinlichkeit zu ersparen, gegen die Articles of Confederation und damit gegen seine eigene verfassungsmäßige Grundlage handeln zu müssen.44 Diese beiden gravierenden Entscheidungen — die Reduzierung der erforderlichen Ratifizierungen von dreizehn auf neun und der Verzicht auf ein positives Votum des Kongresses — vervollständigten die Abkehr von der Konföderation und die Hinwendung zu einem neuen bundesstaatlichen Regierungssystem. Die Vorbehalte gegen „democracy" als einer schrankenlosen Herrschaft der Mehrheit gingen bei den meisten Delegierten einher mit dem grundsätzlichen Vertrauen in die politische Urteilskraft des Volkes. Wenn der Konvent auch möglichst günstige Voraussetzungen für die Annahme der Verfassung zu schaffen suchte, zögerte er doch niemals, den wahlberechtigten Bürgern das letzte Wort zu überlassen. Auf diese Weise erfüllte er ganz in der Tradition der revolutionären conventions eine innovativ-konservierende Doppelfunktion. Außerhalb der Legalität der Articles of Confederation half er, die existierende Verfassungsform zu beseitigen, um eine neue Ordnung zu stiften. Die Souveränität des Volkes, auf die sich zu Beginn der Revolution vor allem die radikalen Patrioten berufen hatten, erschien nun auch den sozial konservativer eingestellten Delegierten als die einzig tragfahige Legitimationsgrundlage. Sie hatten erkannt, daß sich das Konzept der „popular sovereignty" ausgezeichnet dazu eignete, den gefürchteten Trend zur Allmacht der Parlamente, zur „legislative supremacy" zu stoppen. Auf diese Weise verschmolz die Idee einer über den Staaten stehenden, die Bürgern unmittelbar erreichenden nationalen Regierung mit der republikanischen Idee der Volksregierung. 45 Dabei zweifelte kaum jemand daran, daß noch eine schwierige 43

44 45

Diese Frage ist immer noch umstritten. Siehe neuerdings McDonald, NovusOrdo, S. 279 ff. Farrand II, 475 ff. Mit der Gesamtbeurteilung des Konvents tun sich die Historiker schwer. Gegen Beard und Jensen heben die meisten den „demokratischen" und „reformerischen" Charakter der Versammlung hervor. Siehe v. a. John P. Roche, The Founding Fathers. Α Reform Caucus in Action (1961); Martin Diamond, Democracy and the Federalist. A Reconsideration of the Framers Intent (1959); Douglass Adair,

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Wegstrecke zu durchmessen war: „One idea has pervaded all our proceedings, to wit, that opposition as well from the States as from individuals, will be made to the System proposed." Die anfängliche Begeisterung für die Verfassung könne allzu rasch verfliegen: „By degrees the State officers, & those interested in the State Governments will intrigue & turn the popular current against it." Man erwog sogar, die KonventProtokolle zu verbrennen: „If suffered to be made public, a bad use would be made of them by those who would wish to prevent the adoption of the Constitution." 46 Besonders düstere Ahnungen plagten diejenigen, die schon im Konvent auf Oppositionskurs gegangen waren. Von einem „Rückgriff auf erste Prinzipien" versprach sich Elbridge Gerry nichts Gutes. Er warnte seine Kollegen „against pushing the experiment too far. Some people will support a plan of vigorous Government at every risk. Others of a more democratic cast will oppose it with equal determination. And a Civil war may be produced by the conflict." Eine „danger of commotions from a resort to the people & to first principles" beschwor auch Luther Martin. Das Volk werde die Verfassung nicht ratifizieren, „unless hurried into it by surprise." Mason wollte lieber seine rechte Hand abhacken als ein Dokument unterzeichnen, das nicht einmal eine Grundrechteerklärung nach Art der Virginia Bill of Rights enthielt. Seiner Meinung nach konnte das ganze nur in Monarchie oder tyrannischer Aristokratie enden. Am Schlußtag prophezeihte Edmund Randolph Anarchie und Bürgerkrieg für den Fall, daß der Konvent an seiner „Alles oder Nichts"Strategie festhielt. 47 Mit der ganzen Autorität seiner staatsmännischen Erfahrung und seines Alters appellierte Benjamin Franklin an die Delegierten, ihre Meinungsdifferenzen in der Verschwiegenheit des State House zu begraben und nach außen hin gemeinsam für die Verfassung

46

47

Experience Must Be Our Only Guide. History, Democratic Theory, and the United States Constitution; Hannah Arendt, Constitutio Libertatis; alle vier Beiträge abgedr. in: Greene, ed., Reinterpretation, S. 3 9 7 - 4 1 5 ; 4 3 7 - 4 6 8 ; 5 0 4 - 5 2 5 ; 579ff.; Stanley M. Elkins and Eric McKittrick, The Founding Fathers. Young Men of the Revolution (1961), abgedr. in: Levy, ed., Essays on the Making of the Constitution, S. 213—257; Clinton Rossiter, 1787. The Grand Convention, New York —London 1966; Michael Kämmen, The Founding Fathers. In Search of Fame and Identity, in: RAH 3 (1975), S. 196ff. Zum Verfassungskonvent als Institution neuerdings Kermit L. Hall, Harold M. Hyman and Leon V. Sigal, eds., The Constitutional Convention as an Amending Device, Washington, D. C., 1984. Madison, Debates, S. 305, 499, 582 f. Die Papiere des Konvents wurden schließlich in die Obhut Washingtons gegeben, der sie unter Verschluß halten sollte. Madison, Debates, 306, 498 ff., 580 ff.; Farrand II, 645 ff.

Philadelphia:

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zu werben: „If every one of us in returning to our Constituents were to report the objections he has had to it, and endeavour to gain partizans in support of them, we might prevent its being generally received ... Much of the strength and efficiency of any Government in procuring and securing happiness to the people, depends on opinion, on the general opinion of the goodness of the Government, as well as of the wisdom and integrity of its Governors." 48 Auch Hamilton sprach die Hoffnung aus, daß alle Anwesenden ihren Namen unter den Entwurf setzen würden: „A few characters of consequence, by opposing or even refusing to sign the Constitution, might do infinite mischief by kindling the latent sparks which lurk under an enthusiasm in favor of the Convention which may soon subside. No man's ideas were more remote from the plan than his were known to be; but is it possible to deliberate between anarchy and Convulsion on one side and the chance of good to be expected from the plan on the other?" 49 Randolph, Mason und Gerry, denen diese Worte galten, zeigten sich beeindruckt, unterschrieben aber dennoch nicht. Die übrigen 39 Delegierten signierten den Verfassungsentwurf und schickten ihn mit einer Schlußresolution auf seine ungewisse Reise: „RESOLVED, That the preceding Constitution be laid before the United States in Congress assembled, and that it is the Opinion of this Convention, that it should afterwards be submitted to a Convention of Delegates, chosen in each State by the People thereof, under the Recommendation of its Legislature, for their Assent and Ratification." 50 Zu einer erläuternden Grußadresse an das Volk, wie sie der Marylander Daniel Carroll vorgeschlagen hatte, konnte sich der Konvent nicht mehr aufraffen. Die Verfassung mußte vorerst für sich selbst sprechen. 51

48

49 50 51

Madison, Debates, S. 577 ff.; Farrand II, 641 ff. Aus Gesundheitsgründen ließ Franklin die Rede von James Wilson verlesen. Im Dezember 1787 wurde der Text in zwei Versionen von Zeitungen in Massachusetts und Virginia veröffentlicht und anschließend vielfach nachgedruckt. DHRC XIII, 212 ff. Farrand II, 645. DHRC I, 317 f.; XIII, 210 f. Farrand II, 622.

V. KAPITEL

Der Verfassungsentwurf vor dem Konföderationskongreß und den Staatenparlamenten Der Kongreß läßt die Verfassung passieren Der Konvent von Philadelphia wandte sich nicht direkt an das Volk der Vereinigten Staaten, sondern hielt aus rechtlichen und politisch-praktischen Gründen den Instanzenweg über den Konföderationskongreß und die Staatenparlamente ein, den die Resolution vom 21. Februar 1787 vorgezeichnet hatte. Zwar traute kaum jemand dem unter Autoritätsund Vertrauensschwund leidenden Kongreß zu, sich der „kollektiven Weisheit des Kontinents" zu widersetzen, die man im Konvent, dieser „assembly of demigods", verkörpert sah.52 Andererseits verfügte er noch über genügend esprit de corps und institutionelles Beharrungsvermögen, daß man ihn nicht übergehen konnte, ohne einen konfliktträchtigen Dualismus von alten und neuen Regierungsgewalten zu riskieren. Nathaniel Gorham, zugleich Konventsmitglied und Kongreß-Delegierter aus Massachusetts, sah besondere Schwierigkeiten für den Fall voraus, daß nur neun oder zehn Staaten ratifizieren würden. Sollte der Kongreß dann nicht aus freien Stücken die Verfassung proklamieren und das Feld räumen, wäre die neue Regierung gezwungen, Truppen aufzubieten, „to overset Congress."53 Der Kongreß mußte also dazu gebracht werden, einen Schlußstrich unter die eigene Existenz zu ziehen und den reibungslosen Wechsel von der Konföderation zum Bundesstaat vorzunehmen. Die Parlamente bildeten nach allgemeiner Einschätzung eine erheblich höhere Hürde. Es war keineswegs ausgemacht, daß sich überall Mehrheiten für die Einberufung von Ratifizierungskonventen finden würden. Staatsverständnis und Regierungspraxis der nachrevolutionären Zeit, die den Legislativen die Rolle von Trägern der Souveränität zugebilligt hatten, ließen aber nur diesen einen Weg offen. Jeder Versuch, von 52

53

Vgl. St. John de Crevecoeur to Marechal de Castries, New York, 25. 9. 1787, DHRC XIII, 226; Jefferson to John Adams, Paris, 30. 8. 1787, Boyd XII, 69. Kongreßdebatte vom 27. 9. 1787, DHRC I, 331.

Der Verfassungsentwurf vor Konfiderationskongreß

und Staatenparlamenten

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Philadelphia oder New York aus Staatenkonvente anzuordnen, hätte schwerwiegende praktische Probleme aufgeworfen und das Bild einer wohlgeordneten Reformprozedur empfindlich gestört. Ob die Parlamente aber wirklich freiwillig auf ihre Souveränität verzichten und sich einem nationalen Regierungssystem unterordnen würden, stand noch in den Steinen. Am 19. September 1787 händigte William Jackson, der Sekretär des Philadelphia-Konvents, die Verfassungsurkunde und die begleitenden Unterlagen in New York City an den Sekretär des Kongresses, Charles Thomson aus. Tags darauf wurde der Verfassungsentwurf vor den Delegierten verlesen, und vom 26. bis zum 28. September fand — wie immer ohne Zutritt der Öffentlichkeit — eine kurze, aber heftige Debatte statt. 54 Sie verlief in dreierlei Hinsicht bemerkenswert. Einmal zeigte sie, daß die Nicht-Unterzeichner im obersten Regierungsorgan der Konföderation bereits einige Verbündete gefunden hatten, die nicht kampflos weichen wollten. Mit ihren Zweifeln an der Legitimität des Verfahrens brachten sie die Verfassungsbefürworter sogar in beträchtliche Verlegenheit. Zugleich wurde aber deutlich, daß formalrechtliche Gesichtspunkte nur einen Teilaspekt bildeten, dem keine ausschlaggebende Bedeutung zukam. Durch geschicktes Taktieren erreichten die Federalists einen „Kompromiß", von dem sie mehr profitierten als ihre Gegner. Dieser Vorgang sollte sich in manchem Parlament und Ratifizierungskonvent wiederholen. Die Beratungen sind aber auch deshalb von Bedeutung, weil sie die Opponenten veranlaßten, konkrete Änderungswünsche zu entwickeln und auf den Tisch zu legen. Als der Kongreß am 26. September zusammentrat, um den „new frame of government" zu diskutieren, waren elf Staaten vertreten. Rhode Islands Plätze blieben leer; und Maryland hatte keine Stimme, weil nur ein Delegierter teilnahm. Welch große Bedeutung die Federalists diesem Auftakt der Ratifizierungsprozedur beimassen, läßt sich daraus ersehen, daß von den 33 anwesenden Kongreß-Delegierten zehn auch im Verfassungskonvent gesessen und — bis auf den vorzeitig abgereisten William Pierce aus Georgia — den Verfassungsentwurf unterzeichnet hatten. Auf diese Weise stellten Konventsmitglieder die Mehrheit in drei Delegationen, die Hälfte der Connecticut-Abordnung und je einen Delegierten in weiteren drei Vertretungen. Schon durch diese Bereitschaft zum Doppelmandat unterschieden sich die Federalists von einem Kritiker wie 54

Die Reden und Beschlüsse sind aus sämtlichen verfügbaren Quellen rekonstruiert in DHRC I, 322 ff.; vgl. XIII, 229 ff.

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

Richard Henry Lee, der seine Wahl in den Philadelphia-Konvent mit der Begründung abgelehnt hatte, es sei unangemessen, „that the same men should in New York review their own doings at Philadelphia." Sieben der zehn wurden später auch in Staatenkonvente gewählt, wo sie allesamt für die Annahme der Verfassung stimmten. 55 Die Befürworter der Verfassung, an ihrer Spitze James Madison, verfolgten zwei Ziele. Sie wollten den Entwurf schnell durch den Kongreß schleusen, um dem pennsylvanischen Parlament noch vor Ablauf der herbstlichen Sitzungsperiode Gelegenheit zu geben, einen Ratifizierungskonvent einzuberufen. 56 Außerdem hatten sie vor, die Weiterleitung des Entwurfs an die Staaten mit einer positiven Würdigung und mit der Aufforderung zu verbinden, so bald wie möglich Konvente zu wählen. Aus der Sicht der Opposition, zu der sich die dreiköpfige New Yorker Delegation, die Virginier Lee und Grayson sowie Nathan Dane aus Massachusetts zusammenfanden, gingen die Befürworter der Verfassung äußerst ungeduldig zu Werke und verhinderten eine leidenschaftslose und unvoreingenommene Prüfung. Die Minderheit wußte, daß sie den Entwurf nicht blockieren oder gar ablehnen konnte. Insbesondere Richard Henry Lee, einer der prominenten Revolutionsführer und zeitweiliger Präsident des Kongresses, zeigte sich aber wohl vorbereitet und gewillt, die Schwächen der Federalists aufzudecken. Dabei kam ihm zustatten, daß er von George Mason aus Philadelphia einen schriftlichen Bericht über den Ablauf der Verfassungsberatungen und eine Liste mit Einwänden erhalten hatte. 57 Seiner Auffassung nach beabsichtigten die Federalists, „to push the business on with great dispatch and with as little opposition as possible; that it may be adopted before it has stood the test of reflection and due examination." 58 Gemeinsam mit Dane bezog er den Standpunkt, der Philadelphia-Konvent habe seine durch die Februar-Resolution des Kongresses, die Vollmachten der StaatenVertreter und Artikel XIII der Konföderationsverfassung abgesteckten

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R. H. Lee to Samuel Adams, New York, 27. 10. 1787; Kritik übte auch Arthur Lee in einem Brief an John Adams, New York, 3. 10. 1787, DHRC I, 348; XIII, 308. Vgl. Richard Leffler, Richard Henry Lee and the Early Opposition to the Constitution, in: DE 9 (1987), S. 1 - 6 . Siehe William Bingham to Thomas FitzSimons, New York, 21. 9. 1787, DHRC I, 325. Zu Masons Aktivitäten nach der Beendigung des Verfassungskonvents siehe DHRC XIII, 346 ff., 358 f. Manuskriptkopien seiner Objections to the Constitution kursierten bald in mehreren Staaten. DHRC XIII, 348 ff.; s. u. Kap. VII. DHRC I, 345; vgl. XIII, 484 ff.

Der Verfassungsentwurf vor Konfiderationskongreß

und Staatenparlamenten

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Kompetenzgrenzen überschritten. Dem Kongreß stehe es nicht zu, sich inhaltlich mit einem Vorschlag zu befassen, dessen Realisierung die existierende Verfassungsordnung beseitigen würde. Madison wertete das als einen „very serious effort ... to embarrass [the Constitution]." 59 Die Federalists mußten sich nun mit dem Rücken zur Wand gegen den Vorwurf des Verfassungsbruchs wehren und das Recht des Kongresses verteidigen, über den Entwurf zu befinden. Sie wiesen darauf hin, daß die Kongreß-Resolution nicht nur eine Reform der Articles of Confederation erlaubt, sondern auch die Notwendigkeit eines „firm national government" anerkannt habe. Im Streitgespräch mit Lee räumte Madison aber ein, die Konventteilnehmer seien nicht „exactly in the line of their appointment" geblieben. Er ließ sich sogar zu der problematischen Behauptung verleiten, auch der Kongreß habe in der Vergangenheit mehrfach, etwa mit dem Amendment-Vorschlag von 1781 und der Northwest Ordinance von 1787, seine Befugnisse überschritten. Der letzte Rechtfertigungsgrund blieb der Staatsnotstand, das „great principle of necessity or the salus populi." Ob der Kongreß den Verfassungsentwurf billige oder nicht, sei von optischer Bedeutung, rechtlich aber irrelevant. Das Volk selbst werde in letzter Instanz über das Werk des Konvents zu Gericht sitzen. Damit bekannten sich die Federalists offen zum revolutionären Charakter des geplanten Verfassungswechsels. 60 Richard Henry Lee warnte vor dem Rückgriff auf die „doctrine of the salus populi", die alle Tyrannen im Munde führten: „If men may do as they please, from this argument all constitutions [are] useless." 61 Die Mehrheit setzte ihren Rechtsstandpunkt aber mit den Stimmen von zehn Staaten gegen einen — New York — klar durch. Nun verlegte sich Lee auf eine andere Taktik. Wenn der Kongreß den Entwurf behandeln dürfe, könne es ihm auch nicht verwehrt sein, Verbesserungen zu erörtern und Korrekturen anzubringen. Dieser Vorstoß kam den Federalists sehr ungelegen. Eine ausführliche Diskussion der Verfassung und der inzwischen von Lee formulierten Amendments mochte dazu führen, daß die kontroversen Meinungen in die Kongreß-Protokolle und von dort an die Öffentlichkeit gelangten. Am Ende würden möglicherweise ein Kongreß-

59 60

61

To Jefferson, New York, 24. 10. 1784, Rutland X, 217. Wie Dane später schrieb, betrachteten die Delegierten die Verfassung als „an entire New System, on its passage from the Convention to the people, and altogether extraneous to the powers of Congress." To Caleb Strong, New York, 10. 10. 1787, DHRC XIII, 357. DHRC I, 332.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

und ein Konvententwurf miteinander konkurrieren und heillose Verwirrung stiften. 62 Die Federalists befanden sich in der unangenehmen Lage, dem Kongreß ein Recht zugesprochen zu haben, von dem sie bei genauerem Hinsehen lieber keinen Gebrauch machen wollten. Um aus dieser Zwickmühle herauszukommen, gaben sie schließlich einer „silent passage" des Verfassungsentwurfs den Vorzug, wie sie der Delegierte von New Jersey, Abraham Clark, schon gleich zu Beginn gefordert hatte. Sie verzichteten auf eine befürwortende Stellungnahme und ließen dafür im Gegenzug alle kritischen Einwände, Gegenstimmen und Amendments aus dem Protokoll tilgen. Der Entwurf wurde kommentarlos an die Parlamente weitergereicht, „in order to be submitted to a convention of delegates chosen in each state by the people thereof in conformity to the resolves of the Convention made and provided in that case." Bei der Schlußredaktion am 28. September stellten die Federalist sicher, daß dieser Kompromiß als e i n s t i m m i g gefaßter Beschluß gekennzeichnet wurde. Das entsprach zwar den Tatsachen, diente aber vor allem dazu, der Bevölkerung zu suggerieren, im Kongreß habe bezüglich der Verfassung Einvernehmen geherrscht. 63

Der „Anschein

von Einigkeit"

und Richard Henry Lees

Amendments

Dieser Schachzug wendete das Blatt zugunsten der Verfassungsanhänger und gab ihnen einen nicht zu unterschätzenden Startvorteil für den Ratifizierungswettlauf. Dem breiten Publikum blieben die Hintergründe der Kongreßresolution vorerst verborgen. Die Zeitungen beschränkten sich auf knappe Meldungen, und lediglich der Pennsylvania Herald deutete am 6. Oktober an, daß überhaupt eine Debatte stattgefunden hatte. „The people do not scrutinize terms," schrieb Carrington an Jefferson: „The unanimity of Congress in recommending a measure to their consideration, naturally implies approbation; but any negative to a direct approbation would have discovered a dissension, which would have been used to 62 63

So die Befürchtung Madisons, DHRC I, 337. Resolution vom 28. 9. 1787, DHRC I, 340. Rückblickend erläuterte Clark, der Entwurf habe ihm nicht in allen seinen Teilen zugesagt: „With all these imperfections about it, I nevertheless wished it to go to the states from Congress just as it did, without any censure or commendation, hoping that in case of a general adoption, the wisdom of the states would soon amend it in its exceptionable parts." To Thomas Sinnickson, 23. 7.1788, Burnett, LMCC VII, 764 f. Zur Haltung Clarks u. Kap. XIII.

Der Verfassungsentwurf

vor Konfoderationshongreß

und Staatenparlamenten

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favor divisions in the states." Washington zeigte sich erleichtert, daß es nicht jedermann vergönnt sei, „to peep behind the curtain." Die „appearance of unanimity", von der auch Madison angetan war, werde überall wohltuend wirken. Den meisten Außenstehenden ging es in der Tat wie dem britischen Konsul Phineas Bond, der den Beschluß vom 28. September als „a complete adoption of the Constitution" interpretierte.64 Erst aus dem zweiten Centinel-Essay erfuhren die Leser Ende Oktober, daß es den Verfassungsfreunden „in zweitägiger lebhafter Diskussion" nicht gelungen sei, den Kongreß zu einer förmlichen Billigung der Verfassung zu bewegen. Die mitgelieferte Begründung, eine Mehrheit sei g e g e n den Entwurf gewesen, taugte allerdings nur für Propagandazwecke. Mitte November schließlich publizierten mehrere Gazetten Lees Amendments verbunden mit dem Vorwurf, die Federalists hätten die Öffentlichkeit durch die Einfügung des Wortes „unanimous" bewußt getäuscht.65 Ohne Illusionen über die Mehrheitsverhältnisse, aber ebenfalls unzufrieden, urteilte Nathan Dane: „Very few members wanted any alterations ... Had Congress been of opinion that it was a subject within their cognizance, and taken time to examine it as so respectable a body ought always to do [in] such important cases, I think it is highly probable that Congress would have very strongly approved of the plan proposed."66 Wichtiger als diese akademischen Fragen wurden nun die Amendments selbst, die Lee mit Hilfe von Masons „Objections" redigiert hatte. Sie standen unter der Prämisse, daß der Verfassungsentwurf zwar „a great many excellent Regulations" enthalte, in seiner augenblicklichen Form jedoch eine extreme Gefahr für die Bürgerfreiheit darstelle.67 Die ersten neun Vorschläge fügten sich zu einer Bill of Rights zusammen, die unter anderem die Gewissensfreiheit in Religionsfragen, die Presse- und Ver64

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66 67

Vgl. Carrington to Jefferson, New York, 23. 10. 1787, Boyd XII, 252 f.; Madison to Washington, New York, 30. 9. 1787; Washington to Madison, 10. 10. 1787, Rutland Χ, 179 ff., 189 ff.; Bond to Marquis of Carmarthen, Philad., 29. 9. 1787. Besser informiert als Bond war der französische Gesandte Otto, der es überraschend fand, „that Congress itself is not in agreement over the great powers which the new Constitution allots it." DHRC I, 350, 352 f. „Centinel" II, Freeman's fournal, 24. 10. 1787, DHRC XIII, 457 ff.; „Observations on the Plan of Government, proposed by the Convention, by R. H. L**, Esquire," Winchester Va. Gazette, 16. 11. 1787. Die Amendments waren in einem Brief enthalten, den Lee am 16. 10. an Gouverneur Randolph geschickt hatte. Bis Mitte Februar 1788 wurden sie von zwölf Zeitungen in sieben Staaten nachgedruckt. DHRC XIV, 364 ff. To Strong, s. o. Anm. 60. So Lee im Kongreß am 27. 9., DHRC I, 333.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

sammlungsfreiheit, das Wahlrecht und den Schutz vor militärischer und behördlicher Willkür gewährleisten sollte. Ferner sah Lee vor, das Amt des Vizepräsidenten durch einen elfköpfigen Exekutivrat für den Präsidenten zu ersetzen. Andere Wünsche betrafen die Reduzierung der judikativen Befugnisse, eine Erhöhung der Sitzzahl im Repräsentantenhaus, um den „democratic interest" zu stärken, strengere Vorschriften für das Gesetzgebungsverfahren im Kongreß sowie eine proportionale Repräsentation im Senat. Diese letzte Forderung fehlte in der Zeitungsversion. Sie hätte der Opposition in den kleinen Staaten, denen die Senatslösung entgegenkam, sicherlich geschadet. Im Oktober verschickte Lee seine Liste, erweitert um den Gedanken der Second Convention, an Freunde und Bekannte. 68 Damit zeichnete sich ansatzweise eine Strategie ab, die zur gründlichen Überarbeitung des in Philadelphia geschaffenen Werkes führen konnte. Auf jeden Fall hatten George Mason und Richard Henry Lee das diffuse Verlangen nach Änderungen des Verfassungsentwurfs als erste in konkret faßbare Formen gebracht.

Das Ende der Staatensouveränität: Die Einberufung Ratifi^ierungskonventen durch die Parlamente

von

Die Beratungen in Philadelphia hatten gezeigt, daß es den Federalists in erster Linie darum ging, das Dogma der „state sovereignty" zu beseitigen und die Allmacht der Staatenlegislativen zu brechen. Diese Absicht blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen, sondern wurde bald lebhaft diskutiert. Zur Zeit des Konvents hatte die Auffassung vorgeherrscht, die Parlamente selbst würden die Verfassungsänderungen zu sanktionieren haben. Richard Henry Lees Bruder Arthur, der später auch zur Opposition stieß, erwartete von ihnen den heftigsten Widerstand gegen eine Neuordnung, „because in fact their powers and abuse of them, are the root of the evil that is to be remedied." Nach der Veröffentlichung des Plans stach die Machtverlagerung von den Staaten zur Zentralregierung sofort ins Auge. Die französischen Diplomaten De la Forest und Otto stellten fest, die Staaten müßten „große Souveränitätsopfer bringen" und sie würden in 68

Empfänger waren u. a. Gerry, Mason, Samuel Adams und Lees Schwager William Shippen Jr. in Philadelphia. Andere Kopien verteilte Lee auf der Rückreise nach Virginia an Antifederalists in Philadelphia, Chester, Pa., und Wilmington, Del. Vermutlich überließ er bei seinem Besuch in Mount Vernon am 11./12. 11. auch Washington ein Exemplar. DHRC XIII, 289; XIV, 365 f.

Der Verfassungsentwurf vor Konföderationskongreß und Staatenparlamenten

133

Zukunft „resemble corporations rather than Sovereign assemblies." Dennoch seien viele Leute der Ansicht, der Entwurf belasse den Legislativen zu viel Autorität. Charles C. Pinckney, einer der South Carolina-Delegierten im Konvent, setzte seinem englischen Korrespondenten Sir Matthew White Ridley den Hauptgrund für das gewählte Ratifizierungsmodell auseinander: „This is done that [the Constitution] may be paramount to all State Constitutions, & that all Laws made in pursuance thereof may be the supreme Law of the Land." 69 Die Frage war nun, ob die Parlamente ihre Privilegien verteidigen würden, oder ob der Appell an die Entscheidungsbefugnis des Volkes das probate Mittel war, um ihr Beharrungsvermögen und ihre „vested interests" zu überwinden. Die Parlamente waren nicht über Nacht in diese beherrschende Stellung gelangt. Schon die Jahrzehnte vor der Revolution verzeichneten eine Tendenz zur Stärkung der kolonialen Repräsentativkörperschaften gegenüber den Gouverneuren und den ernannten Räten, die den Machtanspruch der Krone und der Proprietors personifizierten. In ständiger Reibung und gelegentlicher Konfrontation mit ihnen eroberten die Assemblies als Vertretungsorgane der Siedler allmählich die Kontrolle über das Steuer- und Ausgabenwesen der Kolonien. Diese Entwicklung vollzog sich weitgehend parallel zu dem erfolgreichen Streben des britischen Unterhauses nach der „legislative supremacy", das seine theoretische Rechtfertigung vornehmlich in den Schriften von Coke, Locke und Blackstone fand.70 Der Weg zur Unabhängigkeit war zwar von Bekenntnissen zu Gewaltentrennung und „mixed goverment" gesäumt, gab in Wahrheit aber dem bisherigen Trend ein noch rascheres Tempo. Die Staatenverfassungen schrieben die dominierende Position der Parlamente fest, indem sie den Einfluß der Exekutive als des „monarchischen Elements" weiter verringerten und auf eine klare Grenzziehung zwischen 69

70

Vgl. A. Lee to Adams, 6. 7. 1787, Adams Papers, MHi; Antoine de la Forest to Comte de Montmorin, New York, 28. 9. 1787; Otto to Montmorin, New York, 20. 10. 1787; C. C. Pinckney to Ridley, New York, 29. 9. 1787, DHRC XIII, 259, 274, 424 f. Zur öffentlichen Diskussion siehe DHRC I, 349, 383 f.; II, 367, 377 f.; XIII, 184, 186; XIV, 129. Grundlegend Pole, Political Representation (1966). Speziell zur Entwicklung in Amerika siehe auch Main, Government by the People. The American Revolution and the Democratization of the Legislatures, in: WMQ 23 (1966), S. 3 9 1 - 4 0 5 ; ders., The Upper Houses in Revolutionary America, 1763 — 1788, Madison, Wise., 1967; J. P. Greene, The Role of the Lower Houses of Assembly in 18th-Century Politics, in: Greene, ed., Reinterpretation, S. 86—109; ders., Political Mimesis. A Consideration of the Historical and Cultural Roots of Legislative Behavior in the British Colonies in the 18th Century, in: AHR 75 (1969), S. 337 ff.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

geset2gebender und rechtsprechender Gewalt verzichteten. Die Gouverneure und Präsidenten wurden in der Regel von den Parlamenten auf ein Jahr gewählt und verfügten allenfalls über ein suspensives Veto. Häufig gab man ihnen — mehr zur Beaufsichtigung als zur Beratung — einen Exekutivrat bei. 71 An der Richterernennung wirkten die Abgeordneten ebenfalls maßgeblich mit, und sie scheuten sich auch nicht, auf vielfaltige Weise in die Rechtsprechung einzugreifen. Für einen wirksamen check gegen unbedachte und willkürliche Entscheidungen sollte die Zweiteilung der Legislative sorgen, wie sie in neun der elf Verfassungen vollzogen wurde. 72 Der Versuch, auf diese Weise Kontrollinstanzen für die „demokratischen" Assemblies zu schaffen, zeitigte allerdings nur begrenzte Erfolge. Anders als die Councils der Kolonialzeit oder das britische Oberhaus, verkörperten die Senate der Staaten keinen separaten gesellschaftlichen interest. Gingen sie durch Wahl aus den Unterhäusern hervor, blieben sie von diesen weitgehend abhängig. Wurden sie direkt gewählt, konnten auch die höheren Besitzqualifikationen für Wähler und Senatoren kaum verhindern, daß sich die beiden Kammern bezüglich ihrer sozialen Merkmale und Interessenlage anzugleichen begannen. Statt eine Mittlerfunktion zwischen Gouverneur und Volksvertretung zu erfüllen und die „property interests" zu repräsentieren, trugen die Oberhäuser zur Machtkonzentration in der Legislative bei. Über ihre ohnehin großzügig bemessene Gesetzgebungsbefugnis hinaus konnten die Parlamente deshalb immer mehr administrative und judikative Aufgaben an sich ziehen. Die Revolution ergänzte diese in der Kolonialepoche angelegte Entwicklungslinie durch einen Wandel in der Machtstruktur der Repräsentativorgane und durch eine Ideologie, die das Prinzip der Gewaltentrennung in Frage stellte. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, waren die kolonialen Assemblies Instrumente und Sprachrohr einer gesellschaftlichen Elite gewesen. Bei den Abgeordneten hatte es sich weit weniger um einen Querschnitt durch die Bevölkerung als um ein — noch dazu schrumpfendes — Segment der vermögenden und gebildeten Oberschicht gehandelt. Die Revolution kehrte diesen Oligarchisierungsprozeß um 71

72

Die Verfassung von Pennsylvania ersetzte den Gouverneur sogar durch einen Supreme Executive Council, in den jede County und die Stadt Philadelphia einen Vertreter entsandten, und der kein Vetorecht gegenüber der Assembly besaß. Adams, Republikanische Verfassung, S. 249, 276 ff. Pennsylvania und Georgia schufen Einkammer-Legislativen, Connecticut und Rhode Island behielten ihre kolonialen Charters mit Zweikammersystem bei. Das faktisch unabhängige Vermont übernahm das „radikale" Pennsylvania-Modell.

Der Verfassungsentwurf

vor Konfiderationskongreß

und Staatenparlamenten

135

und ermöglichte breiteren Kreisen die Teilnahme am politischen Leben. Das Eindringen von Handwerkern und Farmern in die Revolutionsgremien, die bessere Repräsentation des Landesinnern und die Ausweitung des Wahlrechts veränderten die Sozialstruktur der Parlamente erheblich. Vor dem Krieg war höchstens einer von fünf Abgeordneten einfacher Farmer oder Handwerker gewesen. Nach 1783 stellte die „yeomen-artisan middle class" der Nord- und Mittelstaaten dagegen bereits die Mehrheit in den vergrößerten Unterhäusern. Im Süden verlief die Entwicklung langsamer, hinterließ aber gleichwohl deutliche Spuren. In den Parlamenten mußten die Angehörigen der prominenten Pflanzerfamilien, der Gentry, die Sitze nun mit aufstrebenden Kaufleuten und Abgeordneten von bescheidener Herkunft und geringerem Vermögen teilen. Die amerikanische Oberschicht insgesamt ging gewandelt aus Revolution und Krieg hervor. Merrill Jensen schätzt, daß im Zuge der „internen Revolution" etwa 50% der Elite und 77% der Amtsinhaber ausgetauscht wurden. In die von den Briten und Loyalisten freiwillig oder zwangsweise geräumten Positionen rückten homines novi, Aufsteiger vom Schlage eines Patrick Henry, George Clinton und John Hancock ein.73 Diese Veränderungen wurden ideologisch untermauert durch eine Agitation für bürgernahe „popular governments" mit einfachen, überschaubaren Strukturen. Zuvor war es Gemeingut gewesen, daß ein Abgeordneter „able in Estate, in Knowledge and Learning" sein mußte, und daß bei den Wahlen der „better Class of People" und den „men of birth and fortune" der Vortritt gebührte. Nach 1774 pries man dagegen den „ordinary citizen", der seinen Unterhalt durch „honest industry" verdiente und in „middling circumstances" lebte, als den idealen Kandidaten.74 Die Vorliebe für „simplicity", die Aversion gegen eine Institutionalisierung der Interessengegensätze und die Ablehnung jeder Art von „Aristokratie" mündeten in die Forderung nach dem Einkammersystem. Der homogen verstandene Volkswille sollte sich möglichst ungehindert in politisches Handeln umsetzen können. Damit hatte der radikale Flügel der Revolutionäre, der in Pennsylvania besonders stark war, sowohl theoretisch als auch in der Praxis die Abkehr vom strengen Gewaltenteilungsgebot vollzogen. 75 Die Schattenseiten der Parlamentssouveränität wurden allerdings bald sichtbar. Parallel zur Zunahme der 73 74

75

Jensen, American Revolution Within America, S. 100 f. Vgl. Main, Government by the People, S. 392, 407; Jensen, The American People and the American Revolution, in: JAH 57 (1970), S. 5 ff. Adams, Republikanische Verfassung, S. 267 ff.

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

Abgeordnetenzahl breiteten sich in den Assemblies Mittelmaß und Engstirnigkeit aus. Männer von Besitz und Bildung wurden durch die rasch aufeinanderfolgenden Wahlen, die Rotationsregelungen und die egalitäre Rhetorik abgeschreckt. Dagegen konnten die unerfahrenen Hinterbänkler häufig nicht zwischen Demagogie und sachlichen Argumenten unterscheiden. Die Gesetzgebungsarbeit wurde kurzatmig und verlor an juristischer Qualität und Berechenbarkeit. Nicht selten war ein Parlament hauptsächlich damit beschäftigt, Beschlüsse seines Vorgängers zu korrigieren oder durch neue, aber kaum dauerhaftere zu ersetzen. Dabei nahmen die Beratungsgegenstände seit der Revolution sprunghaft zu, wobei Routineangelegenheiten und diffizile, weitreichende Reformvorhaben eine bunte Mischung eingingen. Die verschwommenen Grenzen zur Exekutive und zu den Gerichten taten ein übriges, um die Tagesordnungen mit einer Fülle langwieriger und komplizierter Fragen zu überlasten. In Wirtschafts- und Finanzdingen kam es zu Kollisionen mit dem Kongreß, dessen Wünsche und Belange vielfach mißachtet wurden. In diesem Zusammenhang tauchten erstmals die Begriffe „federal" und „antifederal" auf. Als „federal" bezeichneten sich diejenigen, die Einfluß und Autorität des Kongresses stärken wollten. Das pejorative Beiwort „antifederal" wurde auf Abgeordnete, Parlament und Staaten gemünzt, die solchen Vorstellungen zuwiderhandelten. 76 Ihre Omnipotenz und ihr Aktivismus machten die Legislativen zwangsläufig zu Foren interessenpolitischer und ideologischer Auseinandersetzungen. Sie unterschieden sich deshalb ebensosehr von den kolonialen Assemblies, die ein eng begrenztes Interessenspektrum verkörpert hatten, wie vom Idealbild einer republikanischen Volksvertretung, deren Mitglieder alles dem Gemeinwohl unterordneten. Die Entstehung von Parteien, die ihren Ausgang von den Fraktionen der legislativen Körperschaften nahm, wurde weithin als Zeichen der Korruption und des Niedergangs begriffen. Die Senate bildeten nicht das erhoffte Bollwerk, weil sie den Unterhäusern zu ähnlich geworden waren und infolgedessen mit den gleichen internen Spannungen zu kämpfen hatten. Nur in Maryland blieb der Senat auf Grund rigider Besitzqualifikationen und eines indirekten Wahlverfahrens die sichere Bastion der Gentry.

76

Das Gegensatzpaar „foederal" — „antifoederal" verwendete als erster der Lehrer und Publizist Noah Webster in einem Aufsatz für den Connecticut Courant vom November 1786, DHRC XIII, 193. Vgl. Main, Political Parties, S. 306 f. Zum Wortgebrauch in New York De Pauw, Eleventh Pillar, S. 170.

Der Verfassungsentwurf

vor Konfoderationskongreß

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137

Mitte der 1780er Jahre hatte der Trend zur Machtkonzentration in den Legislativen allerdings seinen Höhepunkt bereits überschritten und wurden Gegenkräfte wirksam. Die Massachusetts-Verfassung von 1780 verankerte nicht nur das Zweikammersystem, sondern legte auch großen Wert auf die Eigenständigkeit des vom Volk gewählten Gouverneurs und die Unabhängigkeit der Judikative. 77 In anderen Staaten setzte danach eine Reformdiskussion ein, die in die gleiche Richtung deutete. Typische Vorwürfe erhob „Marcus" im New York Daily Advertiser gegen die Parlamente, „where eloquence is treated with contempt, and reason overpowered by a silent vote." In der Präambel eines Gesetzes der North Carolina-Legislative vom November 1787 hieß es, bei geringer Wahlbeteiligung seien häufig ungeeignete Kandidaten zum Zuge gekommen, wohingegen „men of Integrity and Abilities have often ... declined offering their Services to their Country." Auf Unionsebene waren die Philadelphia-Beratungen Teil der Abkehr von Theorie und Praxis der Parlamentssouveränität. Die Ironie bestand darin, daß sich ein solcher Umschwung nicht gegen den Willen, sondern nur unter Mitwirkung der Volksvertretungen bewerkstelligen ließ. Der Marylander „Civis" schrieb Anfang 1788 ebenso hoffnungsfroh wie beschwörend: „Although men of property, character and abilities, have too much retired from public employment since the conclusion of the war, yet it is to be hoped, that, in this all-important crisis, they will again step forth, with a true patriotic ardour." 78 Der Verfassungsentwurf konfrontierte die Parlamente mit sachlichen und rechtlichen Problemen, für die es keine Präzedenzfalle gab. Der Philadelphia-Konvent hatte alle Fragen nach Zeitpunkt und Modus der Einberufung sowie nach Verfahrensweise und Befugnissen der empfohlenen Ratifizierungskonvente offengelassen. Konnten sich die Legislativen weigern, Staatenkonvente einzuberufen? Setzten sie sich mit der Zustimmung zu Konventen nicht in Widerspruch zu den Articles of Confederation und ihren eigenen Verfassungen? Waren sie im Falle der Einberufung berechtigt, die Entscheidungsfreiheit der Konvente durch 77

78

Die theoretische Begründung lieferte ihr Hauptautor, John Adams, in einer Schrift nach, die er 1786 unter dem Titel A Defence of the Constitutions of Government of the United States of America in London drucken ließ und die im April 1787 Amerika erreichte. Statt einer Verteidigung handelte es sich um eine Grundsatzkritik der Revolutionsverfassungen, ausgenommen der von Massachusetts. Siehe DHRC XIII, 81 ff. Ν. Y. Daily Adv., 15. 10. 1787, DHRC XIII, 383; Bill to Enforce Attendance ..., 29. 11. 1787, NCDAH, Legislative Papers; Baltimore Md. Journal, 1. 2. 1788.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Resolutionen und Instruktionen einzuengen? Durften die Konvente Änderungswünsche vorbringen, oder mußten sie den Entwurf in toto akzeptieren bzw. zurückweisen? Neben diesen juristischen galt es taktische und strategische Überlegungen anzustellen. Sollten die Konvente rasch herbeigeführt oder möglichst weit hinausgeschoben werden? Konnten die Staaten ihre Aktionen aufeinander abstimmen und einen gemeinsamen Ratifizierungsfahrplan einhalten? Über allem stand die Frage, ob die verschiedenen Fraktionen und Parteien zu einem Konsens fähig waren, oder ob der Verfassungsplan zum Gegenstand der innerpolitischen Machtkämpfe und Rivalitäten werden würde.

Übereifer und Parlamentsskandal

in

Philadelphia

Das pennsylvanische Parlament hatte vom 4. bis 17. September das State House in Philadelphia mit dem Verfassungskonvent geteilt. Die Befürworter des Plans waren entschlossen, noch in der bis Ende September laufenden Sitzungsperiode die Weichen für einen Ratifizierungskonvent zu stellen. Augenblicklich geboten die Republicans, die eine Stärkung der Unionsregierung und die Revision der Pennsylvania-Verfassung auf ihre Fahnen geschrieben hatten, über eine sichere Mehrheit in der Assembly. Die Neuwahlen im Oktober konnten aber einen Umschwung zugunsten der Constitutionalists herbeiführen, die sich mit der radikalen Verfassung von 1776 identifizierten, und denen antifederalistische Neigungen nachgesagt wurden. Abgesehen davon bedeutete eine Vertagung bis nach den Wahlen, daß der Ratifizierungskonvent frühestens im Sommer 1788 zusammentreten würde. Die Republicans wollten aber das augenblickliche Stimmungshoch ausnutzen und ein Signal für alle anderen Staaten setzen. Am Morgen nach der Unterzeichnungszeremonie im Konvent lieferten die Pennsylvania-Delegierten eine Kopie des Verfassungsentwurfs im Parlament ab. Bei der Übergabe regte Franklin an, Pennsylvania solle dem Kongreß per Gesetz die für die künftige Bundeshauptstadt vorgesehenen zehn Quadratmeilen Land zur Verfügung stellen. Der Gedanke an die mögliche Zurückeroberung des 1783 verlorengegangenen Regierungssitzes steigerte die Begeisterung des Publikums auf der Galerie noch mehr. Die Abgeordneten beschlossen, 6500 Exemplare des Verfassungsentwurfs, davon 1500 in deutscher Sprache, drucken zu lassen und im ganzen Staat zu verbreiten. Ansonsten schien Einvernehmen darüber zu herrschen, daß man zunächst die Reaktion des

Der Verfassungsentwurf vor Konfiderationskongreß

und Staatenparlamenten

139

Kongresses abwarten müsse. 79 Als der Termin der Parlamentsauflösung aber immer näherrückte, ohne daß etwas Wesentliches aus New York verlautete, riß den Republicans der Geduldsfaden. Am 28. September, dem Schlußtag der Kongreß-Debatte, beantragten sie im Parlament die Einberufung eines Ratifizierungskonvents. Über Zeitpunkt und Modalitäten wollten sie mit sich reden lassen, nicht jedoch über die Notwendigkeit, die Ratifizierungsprozedur umgehend in Gang zu setzen. Als Rechtfertigung und Druckmittel dienten ihnen Petitionen für eine baldige Annahme des Entwurfs, die inzwischen von mehr als 4000 Bürgern aus Philadelphia und Umgebung signiert worden waren. 80 Die führenden Constitutionalists, die mit George Mason beratschlagt hatten, 81 stemmten sich stundenlang einem Parlamentsbeschluß entgegen. Ihrer Meinung nach brauchten die Bürger mehr Zeit, um sich über Inhalt und Auswirkungen der Verfassung klar zu werden. Die Bewohner der westlichen Kreise hätten den Text bislang nicht einmal zu Gesicht bekommen. Insbesondere müsse man aber die Botschaft des Kongresses abwarten, da der Entwurf an ihn und nicht an die Staaten adressiert sei. Angesichts der federalistischen Stimmung auf den Zuschauerrängen traten die Oppositionssprecher William Findley und Robert Whitehill betont maßvoll auf. Sie stellten die Notwendigkeit von konstitutionellen Reformen und die Berechtigung eines Staatenkonvents nicht grundsätzlich in Frage. Wenn das Parlament jedoch ohne Erlaubnis durch den Kongreß zur Tat schreite, verlasse es den „federal ground" und kündige die Union auf. Dagegen griffen die Wortführer der Mehrheit zu radikaleren und recht gewagten Argumenten. Einige meinten, der Kongreß sei nur höflichkeitshalber eingeschaltet worden, und für andere schien das schwächliche Gebilde Konföderation überhaupt nicht mehr zu existieren. Die neue Verfassung weiche „in every principle" von den Articles of Confederation ab, in denen Staatenkonvente bekanntlich gar nicht vorkämen. Der Kongreß und die Legislativen seien in diesem Falle lediglich „vehicles to convey information to the people" und hätten kein Recht, Ratifizierungskonvente zu verhindern. Notfalls werde sich das Volk einfach über sie hinwegsetzen: „Recourse is once more had to the 79

80

81

Die Beratungen der Pennsylvania Assembly sind dokumentiert in DHRC II, 54— 126, sowie im Microfiche Supplement zu dem Band. Die erste im Parlament verlesene Petition trug die Unterschrift von 250 Einwohnern aus Germantown. Der Ort machte sich Hoffnungen, Sitz der Bundesregierung zu werden. DHRC II, 62, 134 ff. Zu den öffentlichen Versammlungen und Petitionskampagnen s. u. Kap. XIV. Vgl. DHRC II, 156; XIII, 347.

140

Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

authority of the people ... It is on the principle of self-conservation that we act ... we have power to proceed, independent of Congress or Confederation." Federalist Daniel Clymer verurteilte die „secret machinations" einiger weniger Opponenten, die von der pennsylvanischen Staatskasse lebten und denen eine hilflose Unionsregierung deshalb gerade recht sei. Er behauptete auch, die Konvente müßten „adopt in toto or refuse altogether for it must be a plan that is formed by the United States, which can be agreeable to all, and not one formed upon the narrow policy and convenience of any particular state."82 Für die Constitutionalists stand nun fest, daß ihre Gegner nach einem „concerted plan" handelten, um dem einfachen Mann den unverdauten Verfassungsentwurf „in die Kehle hinunterzustoßen." Mit 43 zu 19 Stimmen fiel das Votum für einen Konvent noch deutlicher aus, als sie befürchtet hatten. Neun Abgeordnete aus den eigenen Reihen, darunter alle Repräsentanten des deutschen Bevölkerungsteils, waren zur Mehrheit übergegangen. 83 Die zusammengeschmolzene Opposition griff nun zu einem zweifelhaften, in der pennsylvanischen Parlamentsgeschichte aber nicht unbekannten Mittel. Sie blieb der Nachmittagssitzung, auf der Ort, Zeit und andere Formalitäten des Konvents festgelegte werden sollten, geschlossen fern und vereitelte so die Beschlußfahigkeit der Assembly.84 Vergebens schickte der Speaker einen Boten aus, um die Abgeordneten an ihre Pflichten zu erinnern. Darauf beraumte er eine neue Sitzung für den nächsten Morgen, den Schlußtag der Legislaturperiode an. In der Frühe überbrachte ein Expreßreiter aus New York die inoffizielle Fassung der Kongreß-Resolutionen vom 28. September. Nun machte sich die Erregung der Bevölkerung in einer — nicht ganz spontanen — Gewaltaktion Luft. Unterstützt von einer großen Menschenmenge gelang es dem erneut ausgesandten Parlamentsbüttel, zweier „Sezessionisten" habhaft zu werden und sie ins State House zu expedieren. In einer komödienreifen Szene offerierte einer von ihnen, James McCalmont, dem Speaker die Buße von 5 Shilling, die für unentschuldigtes Fernbleiben vorgesehen war. Er erntete aber nur den Spott der Zuschauer, die den Ausgang blockierten und ihn am Verlassen der Assembly hinderten. Nach einem kurzen Wortgefecht konstatierte der Speaker die Anwesenheit der erforderlichen Zahl von zwei Dritteln aller Abgeordneten und ging zur 82 83 84

DHRC II, 71, 76 ff., 89, 93. Coxe to Madison, Philad., 28-/29. 9. 1787, DHRC II, 121 f. Diese Obstruktionstaktik hatte den Constitutionalists vier Jahre zuvor Erfolg beschert. DHRC II, 110, Anm. 4.

Der Verfassungsentwurf vor Konfiderationskongreß

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141

Tagesordnung über. Die Schlußresolution sah vor, daß die KonventWahlen nach dem Muster der Assembly-Wahlen durchzuführen seien und am 6. November stattfinden sollten. Der Ratifizierungskonvent würde dann am 20. November in Philadelphia zusammentreten, „for the purpose of deliberating and determining on the said constitution." McCalmont hatte erfolglos einen späteren Wahltermin beantragt, aber immerhin 14 Verbündete für den Vorschlag gefunden, das weiter westlich gelegene Lancaster zum Beratungsort zu bestimmen. 85 Nach ihrem Sieg spekulierten die Republicans bereits auf einen baldigen Zerfall der durch „Überläufer" geschwächten Oppositionspartei. 86 Die Constitutionalists formulierten jedoch eine Rechtfertigungsschrift, die sie am 2. Oktober als Flugblatt unters Volk brachten. Diese Address of the Seceding Assemblymen konterte die Notstands-These der Federalists mit dem Pathos des Widerstands gegen Verfassungsbruch und Machtusurpation. Sie brandmarkte die verdächtige Eile und das irreguläre Verfahren der Assembly und sprach dem Philadelphia-Konvent die Befugnis ab, eine völlig neue, die konstitutionelle Ordnung Pennsylvanias aus den Angeln hebende Verfassung zu schreiben. In der Form suggestiver Fragen warnte sie zudem vor den hohen Kosten und der gefahrlichen Machtfülle der geplanten Bundesregierung. 87 In Pennsylvania wirkte das Geschehen außerordentlich polarisierend und verschärfte den schon seit längerem andauernden erbitterten Parteienstreit. Wie das Votum der deutschstämmigen Abgeordneten zeigte, folgten die Frontlinien aber nicht mehr präzise dem herkömmlichen Constitutionalists versus Republicans-Schema. Stattdessen bahnte sich eine Konfrontation zwischen dem federalistischen Osten mit Philadelphia und dem antifederalistischen Westen an. Daß der Widerstand ungebrochen war, zeigte sich, als bei den Pariamentswahlen am 9. Oktober 15 der 17 kandidierenden „Sezessionisten" ihre Sitze verteidigen konnten. Jenseits der Grenzen fielen die Reaktionen sehr zwiespältig aus. Die Befürworter der Verfassung freuten sich, daß Pennsylvania erwartungsgemäß an die Spitze der Ratifizierungsbewegung getreten war. Sie beklagten aber den Übereifer, mit dem die Mehrheit das Konzept eines reibungslosen Verfassungswechsels verdorben hatte. Die Opponenten hofften, die fragwürdigen Umstände des Parlamentsbeschlusses würden viele Bürger aus ihrer Apathie aufschrecken und Zweifel an der Redlichkeit der Federalists wecken.

85 86 87

DHRC II, 109 ff. DHRC II, 121 ff. Abgedr. in DHRC II, 112 ff.; vgl. XIII, 293 ff.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Besonders hohe Wellen schlug die Affäre in New York City, wo sich Lob und Tadel des Verfassungsentwurfs noch die Waage hielten. Der vom Geschehen gefesselte französische Gesandte Otto sah nun einen harten politischen Kampf zwischen den „aristokratischen" und den „demokratischen" Kräften in der amerikanischen Gesellschaft voraus: „The alarm is sounded, the public is on its guard and begin to examine strictly what they would have adopted almost blindly." 88

Massachusetts und Connecticut: Ein antifederalistischer Koordinierungsversuch scheitert Um weiteren Überraschungen vozubeugen, sannen die prominenten Verfassungkritiker nun auf eine gemeinsame Strategie. Offenbar angeregt von Richard Henry Lee, riet Elbridge Gerry seinen Bostoner Freunden, den Beschluß über einen Ratifizierungskonvent in die nächste Sitzungsperiode des Massachusetts-Parlaments zu verschieben. Gleichzeitig schickte er eine Kopie des Entwurfs an den General Court und legte die Gründe dar, die ihn von der Unterzeichnung abgehalten hatten. Auch nach dem Willen von George Mason sollten alle übrigen Konvente etwa zur selben Zeit im Frühjahr oder Frühsommer 1788 stattfinden: „By a regular & cordial Communication of Sentiments, confining themselves to a few necessary amendments, & determining to join heartily in the System so amended, they might, without Danger of public Convulsion or Confusion, procure a general Adoption of the new Government." 89 Noch bevor diese Vorschläge ihre Adressaten erreichten, unternahmen allerdings fünf weitere Staaten Schritte, die ein koordiniertes Vorgehen unmöglich machten. In Connecticut fand die Verfassung eine überraschend günstige Aufnahme. Connecticuts Vertreter im Philadelphia-Konvent, Sherman und Ellsworth, beruhigten ihre Landsleute mit dem Hinweis, die Interessen des Staates seien vollauf gewahrt und die Abweichungen von den Articles of Confederation hielten sich in engen Grenzen. Einige Gemeinden instruierten ihre Abgeordneten, sich im Parlament für einen umgehenden 88 89

To Montmorin, 10. 10. 1787, D H R C II, 124 ff. Vgl. Gerry to James Warren, N e w York, 18. 10. 1787; to Mass. General Court, 18. 10. 1787; Mason to Gerry, Gunston Hall, Va., 20. 10. 1787, D H R C XIII, 407 f., 421 f., 546 ff. Hinweise auf Gespräche, die R. H. Lee um diese Zeit mit Gerry und mit N e w Yorker Antifederalists führte, bei Boyd, Politics of Opposition, S. 19 f.

Der Verfassungsentwurf vor Konfiderationshongreß

und Staatenparlamenten

143

Ratifizierungskonvent einzusetzen, und der einflußreiche kongregationalistische Klerus bekundete der neuen Verfassung öffentlich Sympathie. 90 Als die General Assembly am 11. Oktober in New Haven zusammentrat, legte Gouverneur Huntington ihr sofort den Verfassungsentwurf und das Schreiben des Kongresses vor. Das Repräsentantenhaus billigte am 16. Oktober nahezu einstimmig einen Zeitplan, der Delegiertenwahlen auf den Town Meetings am 12. November und den Beginn des Konvents in Hartford für den 3. Januar vorsah. Tags darauf erklärte sich der Council, das zwölfköpfige Oberhaus, mit dieser Regelung einverstanden. 91 In beiden Kammern saßen Vertreter des agrarian interest, die in der Vergangenheit vehement gegen eine Stärkung der Zentralregierung opponiert hatten und deshalb als „anti-federal men" tituliert worden waren. 92 Sie machten aber keinerlei Anstalten, den Konvent hinauszuzögern oder gar zu verhindern. Nach den Unruhen im Nachbarstaat Massachusetts blies ihnen der „populär wind" ins Gesicht und ließ es ihnen geraten erscheinen, sich nicht zu exponieren. Die „prevailing disposition of the people to support order and good government", schrieb ein Parlamentarier, lasse keinen Zweifel an der Ratifizierung der Verfassung durch Connecticut. 93 Radikale Federalists wie der Kaufmann Jeremiah Wadsworth trauten dem Frieden allerdings nicht recht. Sie wußten, daß es der Einmütigkeit des Parlaments zum Trotz auch in Connecticut Widerstand gab, und sie witterten eine Verschwörung der „Democratic[s] and Tories ... against any change." 94 In Boston befaßte Gouverneur John Hancock den General Court am 17. Oktober mit der Ratifizierungsfrage. In einer Rede vor beiden Häusern pries er die „bemerkenswerte Einigkeit" des Philadelphia-Konvents beim schwierigen Ausgleich zwischen nationalem Wohlergehen und den Rechten der Staaten. 95 Diese wohlwollende Stellungnahme paßte zu der Erleichterung, die sich nach dem Abklingen von Shays' Rebellion und der Veröffentlichung des Verfassungsplans in der Bostoner Bevölkerung ausbreitete. Unter Berufung auf Elbridge Gerry meldeten sich zwar auch einige Kritiker zu Wort. So befand ein Schreiber in der Massachusetts Gazette, es werde wohl nötig sein, „to have this system carefully revised

90 91 92 93 94 95

DHRC III, 351 ff. DHRC III, 363 ff. DHRC III, 324 f. DHRC III, 369 ff. Wadsworth to John Chaloner, New Haven, 19. 10. 1787, DHRC III, 370. Pamphlet, Evans 20517.

144

Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

and corrected, before it will be perfect," und ein anderer verwahrte sich in der Essex Gazette gegen „a revolution every seven years." Allgemein ging man jedoch davon aus, daß der General Court den Bürgern rasch Gelegenheit geben werde, selbst ein Urteil zu fallen.96 Bis zum 22. Oktober verständigte sich eine Kommission, der drei Abgeordnete und zwei Senatoren angehörten, auf den 12. Dezember als Konventtermin. Der Senat mit Samuel Adams in seiner Mitte stimmte einhellig zu. Im Repräsentantenhaus jedoch bezogen Dr. Daniel Kilham aus Newburyport und William Widgery, ein Vertreter des Maine-Distrikts, gegen den Senatsbeschluß Stellung. Aus Kilhams Darlegungen ging nicht klar hervor, ob er die Ratifizierungsprozedur als Verstoß gegen die Konföderationsverfassung rundweg abzulehnen gedachte oder ob er mit einem Aufschub des Konvents zufrieden sein würde. So oder so handelte er sich den Vorwurf ein, dem Volk das Recht auf die eigene Entscheidung streitig zu machen. Vor gefüllten Zuschauerrängen bedauerte einer der Federalists sarkastisch, „that the Dr. was so much against the people's being permitted to think for themselves." Widgery plädierte dafür, ebenso zu verfahren wie 1780 mit der Staatsverfassung und ein Referendum auf Gemeindeebene abzuhalten. Als die Federalists aber eine Verschiebung des Konvents auf den 9. Januar 1788 zugestanden, votierten 129 der 161 anwesenden Repräsentanten für die modifizierte Senatsresolution.97 Das klare Ergebnis täuschte allerdings über die tatsächlichen politischen Kräfteverhältnisse in Massachusetts hinweg. Zahlreiche der im Mai gewählten Abgeordneten aus dem Hinterland, auf deren Unterstützung Kilham und Widgery hätten zählen können, waren der Herbstsession des General Court ferngeblieben.98 Außerdem kam Gerrys Schreiben vom 18. Oktober zu spät und wurde dem Parlament erst am 31. Oktober zur Kenntnis gebracht. Das geringe Interesse und die Widersprüche in den Reihen der Opposition offenbarten, daß es noch keine antifederalistische „Partei" mit einheitlicher Marschroute gab. Das erleichterte den Fede-

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Mass. Gazette, 9. 10. 1787; Essex Gazette, 17. 10. 1787. Christopher Gore schrieb aber am 7. 10. aus Boston an den Kongreß-Delegierten Rufus King: „The federal plan is well esteemed and as far as can be deduced from present appearances, the adoption will be easy." King, Life of Rufus King, I, S. 261. Mass. General Court, 25. 10. 1787, Mass. Archives Div., Resolves, Chapter 9. Wiedergabe der Debatte im Indep. Chronicle vom 25. 10. und im Mass. Centinel vom 27. 10. 1787. Aus den Kreisen Hampshire, Berkshire und Worcester, die insgesamt 125 Abgeordnete stellen durften, waren ganze 21 zugegen. Boyd, Politics of Opposition, S. 25.

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und Staatenparlamenten

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ralists auch, an Boston als Tagungsort festzuhalten. Die Gegenstimmen wurden zwischen York in Maine und dem im Landesinnern gelegenen Worcester aufgesplittert. Nun hatten also zunächst die annähernd 300 Town Meetings das Wort, die — gemäß den für Repräsentantenhauswahlen geltenden Regeln — bis Anfang Januar Konvent-Delegierte bestimmen sollten. Einmütigkeit kennzeichnete das Verhalten von Georgia, New Jersey und Delaware, die zwischen dem 26. Oktober und 10. November Ratifizierungskonvente einberiefen." Alle drei Staaten kannten inneren Zwist, hatten aber gute Gründe, sich über die Verfassung nicht zusätzlich zu zerstreiten. Georgia sah einem Waffengang mit den Creek-Indianern entgegen, New Jersey wurde vom übermächtigen Nachbarn New York wirtschaftlich ausgebeutet, und das kleine Delaware pflegte in nationalen Angelegenheiten dem Vorbild Pennsylvanias zu folgen. Die Parlamente entschieden überall einstimmig, warteten aber mit einigen Besonderheiten auf. Georgia legte die Konvent-Wahlen mit den regulären Parlamentswahlen zusammen auf den 4. Dezember und ermächtigte die für den 25. Dezember nach Augusta bestellten Delegierten, „to adopt or reject any part of the whole [Constitution]." Das öffnete zumindest theoretisch die Tür für eine teilweise oder an Bedingungen geknüpfte Ratifizierung. In Trenton hörte die New Jersey-Legislative drei ihrer fünf PhiladelphiaDelegierten an, bevor sie die Wahl auf den 27. November und den Ratifizierungskonvent auf den 11. Dezember festsetzte. Die Abgeordneten kleideten diese Resolution in die Form eines Gesetzes, das nach dreifacher Lesung in Assembly und Council am 1. November verabschiedet wurde. In Delaware schließlich wünschte das Oberhaus eine Abänderung und Ergänzung der Assembly-Vorlage. Es empfahl unter anderem, die Zahl der Delegierten je Kreis (County) von sieben auf zehn zu erhöhen und — ebenso wie Pennsylvania — der neuen Regierung den Platz für die „Federal Capital" zur offerieren. Die erste Kammer stimmte am 9. November zu und gab damit grünes Licht für die Wahlen am 26. November und den Konvent am 3. Dezember. Durch das Vorpreschen dieser Staaten war das Konzept von Lee, Mason und Gerry, die Bürger erst nach Ende des Winters ungefähr gleichzeitig über die Verfassung entscheiden zu lassen, illusorisch geworden.

99

DHRC III, 50 ff.; 133 ff.; 219 ff.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Kompromisse

in Virginia, Maryland und North

Carolina

In der General Assembly von Virginia, die vom 15. Oktober 1787 bis 8. Januar 1788 in Richmond tagte, war der Verfassungsentwurf das beherrschende Thema. Die Gentry zeigte sich in dieser Frage gespalten wie selten zuvor. Zwischen die glühenden Verehrer der Verfassung und ihre erbitterten Feinde schob sich aber, einem Puffer gleich, die Gruppe der Gemäßigten und Unentschiedenen, die eine genaue Stärkeschätzung schwer machte. George Lee Turberville gab Arthur Lee einen ersten Überblick: „The plan of a Government proposed to us by the Convention affords matter for conversation to every rank of being from the Governor to the door keeper ... the enthusiastic admirers of the thing in toto (fortunately for us) appear the least considerable — a vast consolidated squadron is composed of those who view the plan as an admirable frame wanting only some few amendments to render it desirable — and a pretty considerable band consists of those who hold it as the engine of destruction." 100 Da sich seit Bekanntwerden des Entwurfs zahlreiche Bürgerversammlungen für einen Ratifierungskonvent ausgesprochen hatten, 101 bestritt niemand offen die Ratsamkeit seiner Einberufung. Als die Frage auf die Tagesordnung kam, erklärte selbst Partick Henry, in dem viele den Oppositionsführer sahen, „that it transcended our powers to decide on the Constitution; that it must go before a Convention." 102 Die Debatte über Termin und Befugnisse des Konvents bot den Kritikern aber eine günstige Gelegenheit, ihren Einfluß auszuloten und der Verfassung „Seitenhiebe" zu versetzen. 103 Am 25. Oktober präsentierten die Federalists ihren Resolutionsentwurf dem House of Delegates. Henry antwortete mit einem Gegenvorschlag, der es dem Konvent freistellte, die Verfassung zu ratifizieren, abzulehnen oder zu verbessern. Aus federalistischer Sicht war diese Formel unannehmbar, weil sie den Eindruck erwecken mußte, das Parlament halte den Entwurf für änderungsbedürftig. Dennoch wäre Henrys Antrag durchgegangen, wenn Mason ihn unterstützt hätte. Der trug aber dem Wunsch der gemäßigten Abgeordneten Rechnung, die Verfassung ohne jedes Zeichen von Kritik oder Zustimmung an das Volk weiterzuleiten. 100 101

102 103

Richmond, 28. 10. 1787, DHRC XIII, 505. Selbst Mason war von seinen Wählern in Fairfax County förmlich angehalten worden, für einen Konvent zu stimmen. S. u. Kap. XIV. Zitiert in Washington to Madison, 22. 10. 1787, Rutland Χ, 204. Archibald Stuart to Madison, Richmond, 21. 10. 1787, a. a. O., S. 202 f.

Der Verfassungsentwurf

vor Konfiderationskongreß

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Die endgültige Version lautete, „that the proceedings of the Foederal Convention ... be submitted to a Convention of the people for their full and free investigation, discussion, and decision." Die Wahlen im März 1788 sollten bis auf geringfügige Abweichungen nach dem Muster der Unterhauswahlen durchgeführt werden. Für den Konvent-Beginn in Richmond war zunächst der letzte Montag im Mai vorgesehen gewesen. Über den Senat verschaffte sich die Opposition dann noch eine weitere Woche Zeit, um die Bevölkerung in ihrem Sinne aufzuklären. 104 Wegen der ungewissen Mehrheitsverhältnisse kam die lange Vorbereitungszeit aber auch den Federalists gelegen. Sie erhofften sich günstigere Bedingungen, sobald einige andere Staaten ratifiziert hatten. 105 Das Versäumnis beider Kammern, die Bezahlung der Konvent-Delegierten zu regeln, erlaubte den Antifederalists Ende November noch einen „side blow." Zusätzlich zu den Diäten verlangten sie die Bereitstellung von Sondermitteln für die Kontaktaufnahme mit den Konventen der anderen Staaten. Die Parlamentskommission, der dieser Antrag überwiesen wurde, ging einen Schritt weiter und bewilligte sogar Gelder für die Teilnahme Virginias an einem eventuellen zweiten Verfassungskonvent. Vor einem solchen Hinweis auf die inzwischen vieldiskutierte Second Convention-Idee schreckte eine knappe Mehrheit des Unterhauses dann aber doch zurück. 106 Der „Act Concerning the Convention" vom 12. Dezember maß einer überstaatlichen Kooperation zwar „essentielle Bedeutung" bei, erwähnte den zweiten Konvent aber nicht mehr. Auf Verlangen beider Häuser schickte Gouverneur Randolph den Gesetzestext zusammen mit den Oktober-Resolutionen an sämtliche Staatenexekutiven. Der weitergehende Wunsch einiger Antifederalists, den Staaten per Rundschreiben Virginias Sympathien für Amendments kundzutun, blieb dagegen unerfüllt. 107 Damit beendete die General Assembly vorerst

104

105

106

107

Resolutionen im Journal of the House of Delegates, gedr. in Evans 20839. Zeitungsberichte im ISa. Indep. Chronicle, 31. 10. 1787, und in der Petersburg Va. Gazette, 1. 11. 1787. Den „spirit of accomodation" lobte John Peirce in einem Brief an Knox vom 27. 10. 1787, Knox Papers, MHi. Vgl. Randolph to Madison, ca. 29. 10. 1787; Washington to Madison, 5. 11. 1787, Rutland X, 229ff., 242f. Stuart to Madison, 2. 12. 1787, Rutland X, 290 ff. Zu den Propagandisten eines zweiten Konvents gehörten Mercy Otis Warren (A Columbian Patriot), James Winthrop ( A g r i p p a ) , Samuel Bryan (Centinel), James Hutchinson (An Old Whig), Arthur Lee (Cincinnatus) und Melancton Smith {Plebeian). Ausführlich u. Kap. XXI. Randolph to Madison, 27. 12. 1787, Rutland Χ, 346 f.

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

ihre Gratwanderung zwischen Federalismus und Antifederalismus. Wer allerdings die Stimmung im Parlament als repräsentativ für das Old Dominion insgesamt ansah, der konnte nicht umhin, dem Verfassungsentwurf schwere Zeiten vorauszusagen. Die Formel von der „füll and free investigation, discussion, and decision" bot dem Ratifizierungskonvent eine Handhabe, Änderungen zu erörtern und zu fordern. Wenn die Opposition weitere Staaten für ihre Amendment-Ideen gewinnen konnte, dann rückte sogar ein zweiter allgemeiner Verfassungskonvent in den Bereich des Möglichen. Das Parlament des benachbarten Maryland konnte sich auf seiner konstituierenden Sitzung vom 23. November in Annapolis bereits am Beispiel Virginias orientieren. Die Verfassungsgegner, an ihrer Spitze der populäre Samuel Chase aus Baltimore, wollten die Richmond-Beschlüsse so weit wie möglich kopieren. Demgegenüber erstrebten der konservative Senat und die federalistische Unterhausfraktion einen früheren KonventTermin und engere Richtlinien für die Delegierten. Das Ratifizierungsproblem hatte schon in den Parlamentswahlkampf vom September hineingespielt. Chase war des Antifederalismus bezichtigt worden, hatte aber öffentlich versichert, er werde im Unterhaus für einen Konvent stimmen. Andererseits vermied er es, sich auf eine vorbehaltlose Unterstützung des Verfassungsplans festzulegen. Nach seiner Wiederwahl entwarf er Instruktionen, die es den Abgeordneten ermöglichen sollten, dem Konvent völlige Entscheidungsfreiheit zuzusichern. Im Gegenzug forderten die Federalists das Parlament durch eine Petition auf, den Konvent lediglich zur „Annahme und Ratifizierung" zu ermächtigen. 108 Dieser Streit setzte sich nun innerhalb des Unterhauses und im Tauziehen zwischen den beiden Kammern fort. Das Haus billigte dem Konvent zunächst im Sinne Virginias eine „full and free investigation and decision" zu, machte aber im Verlauf der Debatte signifikante Abstriche. Am Ende lautete der Auftrag, „to take into consideration the aforesaid constitution, and if approved of by them or a majority of them, finally to ratify the same." Den Senatoren war das noch nicht restiktiv genug. Sie wollten den Konvent-Delegierten nur Gelegenheit zu „assent and ratification" geben. Als Termine für Wahlen und Konvent sah der Senat den 16. Januar und 3. März 1788 vor, das Haus dagegen den 7. und 24. April. Chase und seinen Freunden war selbst die zweite Alternative noch zu früh, denn sie hätten lieber zeitgleich mit Virginia gehandelt. Als Aus108

Vgl. Baltimore Md. Journal, 12. u. 16. 10. u. 17. 12.; Baltimore Md. Gazette, 16. 11. u. 4. 12. 1787.

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gleich wurde ihnen zugestanden, daß sich der Konvent „from day to day" vertagen könne. Wähler und Delegierte mußten die gleichen Besitzqualifikationen erfüllen, die für Unterhauswahlen galten. Der Senat wollte wesentlich höhere Normen festsetzen, fand bei den Abgeordneten jedoch kein Gehör. 109 Für Spannung sorgte die im Unterhaus mit 28:22 Stimmen getroffene Entscheidung, Marylands Philadelphia-Delegierte zur Berichterstattung einzuladen. Vielen Federalists mißfiel der Gedanke, Luther Martin das Parlament als Bühne für seine antifederalistischen Tiraden zur Verfügung zu stellen. In der Sitzung vom 29. November boten sie die drei Unterzeichner Daniel Carroll, Daniel of St. Thomas Jenifer und James McHenry auf, die mit vereinten Kräften Martins Attacken auf die „mischievous tendency" der Verfassung und die aristokratischen und monarchischen Neigungen ihrer Schöpfer zurückschlugen. 110 Der Senat hielt noch bis zum 1. Dezember an seinen Terminund Zensusvorstellungen fest, bevor er nachgab, um die Sitzungsperiode nicht unnötig zu verlängern. Abschließend ließ das Parlament 2000 englische und 300 deutsche Exemplare des Verfassungsentwurfs und der verabschiedeten Resolutionen drucken. 111 Auch wenn es weder Sieger noch Besiegte gab, hatte der Verlauf der Debatte die Grenzen des antifederalistischen Einflusses in Maryland doch deutlich aufgezeigt. Virginias südlicher Nachbar North Carolina war für seine „deference to the political opinions of the Old Dominion" bekannt. 112 Federalists wie Archibald Maclaine und der Kongreß-Delegierte und Verfassungsunterzeichner Hugh Williamson erwarteten deshalb eine starke und konzertierte Opposition. Als treibende Kräfte machten sie die Führer der agrarischen High Country aus, die seit Jahren mit der Low CountryPartei in Fehde lag. 113 Im Parlament zogen die Verfassungsgegner aber 109

110

111 112 1,3

Votes and Proceedings of the House of Delegates, S. 9ff.; Votes and Proceedings of the Senate, S. 5ff., Annapolis 1788. Marylands Philadelphia-Delegierte hatten bei ihrer Nominierung den Auftrag erhalten, „to report the proceedings of said convention, and any act agreed to therein, to the next session of the general assembly." DHRC I, 222. Die Reden sind abgedr. in DHRC XIV, 279 ff. Martins Ausführungen wurden in erweiterter Fassung zwischen dem 28. 12. 1787 und dem 8. 2. 1788 in der Baltimore Md. Gazette veröffentlicht und erschienen im April 1788 auch als Pamphlet unter dem Titel The Genuine Information, Delivered to the Legislature of the State of Maryland. DHRC XV, 146 ff.; Evans 21220. House and Senate Proceedings, NA, Ms. Vol. „Ratification of the Constitution." William R. Davie to James Iredell, Halifax, N. C., 22. 1. 1788, McRee II, 217 f. Vgl. Williamson to Iredell, Philad., 22. 7. 1787; Maclaine to Iredell, Wilmington, 29. 8. 1787, a. a. O., S. 167, 178 f.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

noch nicht am selben Strang. Eine radikale Gruppe um Senator Thomas Person lehnte jede Erörterung der Ratifizierungsprozedur ab und regte bereits Vorkehrungen für den Fall des Scheiterns der Verfassung an. Die Mehrheit einschließlich des High Country-Führers Willie Jones beschied sich am 6. Dezember aber mit einer neutralen Resolutions Variante nach dem Muster von Maryland. Was die Wahlen (28./29. März) und den Konvent in Hillsborough (21. Juli) betraf, ließ man sich dagegen noch mehr Zeit als Virginia. Jede County durfte fünf, jede Town und Borough je einen Delegierten entsenden, die allesamt über einen freehold verfügen mußten. Der Entwurf von Philadelphia wurde in 1500, der Parlamentsbeschluß in 300 Druckexemplaren in Umlauf gebracht. 114 Nach Einschätzung des französischen Konsuls Jean-Baptiste Petry hatten sich die Antifederalists in der Legislative bedeckt gehalten, um ihre Wahlaussichten nicht zu mindern. Über die wahre Stärke der Opposition werde erst der Konvent selbst Aufschluß geben können. 115

Federalistische

Erfolge in New Hampshire

und New York

Der Präsident von New Hampshire, General John Sullivan, hatte das Parlament Ende September auseinandergehen lassen, um den Verfassungsfreunden Gelegenheit zu geben, auf einer Sondersitzung im Dezember besser vertreten zu sein. 116 Dank dieser Taktik kamen dann in Portsmouth Resolutionen zustande, die den Federalists eine Reihe von Vorteilen bescherten. Die frühe Anberaumung der Wahlen auf den 14. Januar und des Konvents auf den 13. Februar erschwerten es der Opposition, ihre Anhänger im Hinterland zu mobilisieren und Kontakte über die Grenzen hinweg zu knüpfen. Die vorgeschlagene Verdoppelung der Mandatszahl gegenüber dem Unterhaus wurde abgewiesen, weil sie den Einfluß der städtischen Elite verringert hätte. Aus dem gleichen Grunde befreite das Parlament die Delegierten von dem in New Hampshire geltenden Verbot des „dual officeholding." Damit war auch Amts114

115

116

N. C. Senate-House Joint Resolutions Calling Convention, 6. 12. 1787, NCDAH, Legislative Papers. Vgl. Walter Clark, ed., State Records of North Carolina, 1776— 1790, 16 vols., Winston and Goldsboro, Ν. G , 1 8 9 5 - 1 9 0 5 , vol. 20, S. 196ff., 290. To Montmorin, Charleston, 26. 12. 1787, Correspondence Consulaire Β I 372, Charleston, vol. I, 1 7 8 4 - 1 7 9 2 , S. 258 ff., AN, Paris. Sullivan to Belknap, 4. 10. 1787, in: Letters and Papers of Major-General John Sullivan, ed. O. G. Hammond, Concord, Ν. H., 1939, vol. 3, S. 545 f.

Der Verfassungsentwurf

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und Staatenparlamenten

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Inhabern wie dem Präsidenten, dem Schatzmeister und den Richtern, die ihre federalistischen Sympathien offen bekundeten, die Kandidatur zum Ratifizierungskonvent gestattet. 1,7 Bevor die New Yorker Regierung aktiv wurde, hatten bereits fünf Staaten die Verfassung ratifiziert. Trotz bitterer Vorwürfe seiner Gegner ließ sich Gouverneur Clinton bis zum 3. Dezember Zeit, bevor er das Parlament für den 11. Januar nach Poughkeepsie einberief. 118 In seiner Eröffnungsrede vor beiden Häusern beschränkte er sich auf eine kommentarlose Übermittlung des Verfassungsentwurfs, lobte dafür aber umso nachdrücklicher die Stabilität des Staates New York, der die Kriegsschäden weitgehend überwunden habe. 119 In dem langen Zeitraum zwischen Veröffentlichung des Philadelphia-Entwurfs und Parlamentsdebatte war die Verfassungsfrage hier wie nirgends sonst zum Kristallisationspunkt des Parteiengegensatzes geworden. Während die agrarischen ClintonAnhänger, die Clintonians, einen radikal antifederalistischen Kurs einschlugen, verschrieben sich ihre innenpolitischen Widersacher, die gelegentlich nach dem fähigsten Kopf der Partei Hamiltonians genannt wurden, ebenso rückhaltlos dem Federalismus. Die heftigen publizistischen Gefechte, die sich beide Seiten lieferten, deuteten auf eine vorentscheidende Kraftprobe in der Legislative hin. Das antifederalistische New York Journal riet den Abgeordneten unverblümt, den Verfassungsentwurf als nichtexistent zu betrachten und einen Ratifizierungskonvent zu verhindern. 120 Ähnliche Konsequenzen legte ein an den Gouverneur adressierter, aber hauptsächlich für die Öffentlichkeit bestimmter Brief der New Yorker Delegierten John Lansing und Robert Yates nahe, in dem sie ihre vorzeitige Abreise aus Philadelphia begründeten. 121 Obgleich die Clintonians seit 1786 Einbußen in der Wählergunst hatten hinnehmen müssen, rechneten sie sich Mehrheiten in beiden Häusern des Parlaments aus. Die Federalists glaubten hingegen, ihnen drohe nur von der „un-

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121

New Hampshire General Court: Senate/House of Representatives. Journals of the Proceedings ... Portsmouth 11 — 14 Dec. 1787, NH State Archives. Hamilton hatte die Kampagne gegen Clinton schon eröffnet, als der Verfassungskonvent noch tagte. Seine erste anonyme Attacke erschien am 21. 7. 1787 im N. Y. Daily Adv., DHRC XIII, 135 ff. Governor Clinton to New York Senate and Assembly, 11. 1. 1788, G. Clinton Letters, NHi. Siehe v. a. die Beiträge von Hugh Hughes („A Countryman") am 21. 11. u. 3. u. 15. 12. 1787, Storing VI, 49 ff., 54 ff., 57 ff. Farrand III, 244 ff.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

favorable Complexion" des Senats Gefahr. 122 Im New York Journal vom 3. Januar 1788 war zu lesen, die Januar-Session der Legislative werde „conceived by every class of people to be the most important one that the state of New York has ever experienced since the first establishment of its sovereignty and independence." Am 31. Januar — in Massachusetts trat der Konvent gerade in seine entscheidende Phase — nahm sich die New Yorker Assembly endlich der Ratifizierungsproblematik an. Für die Federalists unterbreitete Egbert Benson einen neutralen, auf dem Kongreß-Beschluß vom 28. September fußenden Resolutionsentwurf. Antifederalist Cornelius Schoonmaker wollte ihn mit einer Präambel konterkarieren, die schwere Vorwürfe gegen den Philadelphia-Konvent erhob. Anstatt Empfehlungen für die Revision der Articles of Confederation zu geben, habe er eine neue Verfassung ausgearbeitet, „which if adopted, will materially alter the Constitution and Government of this State, and greatly affect the rights and privileges of the people thereof." Benson hielt es für eine „very odious idea", die Bevölkerung auf diese Weise gegen die Verfassung voreinzunehmen. Das Parlament könne in der Sache nichts anderes tun, „than merely to comply with the recommendations of Congress." Im übrigen kämpfe er ebenso entschlossen für die Rechte des Volkes wie die selbsternannten „Champions of the people" auf der anderen Seite des Hauses. Der Abgeordnete Samuel Jones unterstützte Schoonmakers Präambel, beeilte sich aber festzustellen, daß er keineswegs gegen einen Ratifizierungskonvent sei. Das Volk selbst als „the sovereign of the land" müsse sein Urteil über den Verfassungsentwurf sprechen. Nach längerer Debatte wurden sowohl die kritische Präambel als auch Jones' Vorschlag, die Worte „for their free investigation, discussion and decision" in den Text einzufügen, mit äußerst knapper Mehrheit abgelehnt. Die Federalists hatten ihr Ziel erreicht, alles zu vermeiden, was den Gedanken an Amendments nahelegen konnte. Ergänzt durch eine Wahlrechtserweiterung auf alle „free male citizens" über 21 Jahre, passierte Bensons Resolutionsantrag daraufhin die Assembly. Konvent- und Parlamentswahlen sollten gleichzeitig vom 29. April bis 3. Mai abgehalten werden, der Konvent am 17. Juni in Poughkeepsie seine Arbeit beginnen. Tags

122

Richard Sill to Jeremiah Wadsworth, Albany, 12. 1. 1788, J. Wadsworth Correspondence, CtHi. Melancton Smith bezweifelte den Optimismus seines Freundes Abraham Yates, zumal die Legislative gleich zu Beginn eine mehrheitlich federalistische Kongreß-Abordnung mit Hamilton an der Spitze für das Jahr 1788 gewählt hatte. Smith to A. Yates, 28. 1. 1788, Papers of A. Yates, NN.

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darauf scheiterten die Antifederalists um Abraham Yates auch im Senat mit dem Versuch, eine Änderung der Resolutionen oder eine Vertagung zu erreichen. 123 Sie kamen nicht gegen das Argument an, dem Parlament bleibe keine andere Wahl, als den Verfassungsentwurf gemäß der Kongreßempfehlung an das Volk weiterzuleiten. Yates' Kollegen Williams und Hopkins spielten den Federalists noch durch freimütig geäußerte Zweifel an dem großzügigen Wahlrecht in die Hände. Die Senatoren Duane und Lawrence hielten ihnen entgegen, daß eine derart wichtige Entscheidung auf breitestmöglicher Grundlage getroffen werden müsse. Umgehend versicherte Williams, es liege ihm fern, irgendjemandem das Privileg des Wahlrechts streitig zu machen. Das nachfolgende 11:8Votum verlieh den Assembly-Beschlüssen Gesetzeskraft. 124 Wie es der skeptische Kaufmann Melancton Smith in New York City vorausgeahnt hatte, waren die Clintonians von ihren Gegnern ausmanövriert worden. Vielleicht hätten Benson und seine Freunde mehr Mühe gehabt, wenn Gouverneur Randolphs offizielles Schreiben mit dem Virginia-Gesetz vom 11. Dezember rechtzeitig bei Clinton angelangt wäre. Aus unerfindlichen Gründen verzögerte sich diese Post aber um volle zwei Monate und lag der Assembly erst auf ihrer Schlußsitzung am 10. März vor. 125 Daß die Federalists allerdings keine automatische Mehrheit aufbieten konnten, wurde in einer bemerkenswerten Debatte über den von der New Yorker Verfassung geforderten Amtseid offenbar. Eigentlich war nur beabsichtigt gewesen, die Eidesformel präziser zu fassen. Nun wollten Benson und Harison aber plötzlich die Treuepflicht der Amtsinhaber vom Staat New York auf die Union übertragen wissen. Sie sorgten sich, der „oath of allegiance" könne im Konvent als Kampfinstrument gegen den Verfassungentwurf verwendet werden, der die Souveränität der Staaten beschnitt wenn nicht abschaffte. Nach Bensons nationalem Staatsverständnis war die „power of sovereignty", der man Treue schuldete, bereits an die Vereinigten Staaten übergegangen: „He confessed that he did not know what allegiance he owed New York, as an individual state." Auch Harrison hielt einen Amtseid nur dann für 123

124

125

Journal of the Assembly of the State of New York; Journal of the Senate of the State of New York, 11. 1. —11. 3. 1788, Poughkeepsie 1788. Zeitungsberichte in Ν. Y Daily Adv., 8. u. 12. 2. 1788; N. Y.Journal, 9. u. 21. 2. 1788; Poughkeepsie Country Journal, 12., 19. u. 26. 2. 1788. Act of the New York Assembly to Appoint Ratifying Convention, 31. 1. 1788, NA, Ms. Vol. „Ratification of the Constitution." Randolphs Brief datierte vom 27. 12. 1787, s. ο. Anm. 107. Zu den Störungen im Postverkehr der Union s. u. Kap. VII.

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Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

sinnvoll, wenn er der Stützung des „Federal Government" diente. Dem Abgeordneten Jones stellte sich die Lage ganz anders dar: „He asked who was the sovereign of the states? — Was it not the people — of which the legislature was the representation? Was not this a more explicit oath than when bound to the United States in Congress assembled?" Der Eid werde ihn aber nicht hindern, mit dem Volk zu gehen, „if ever the majority should think proper to change the government." Dieses Argument beeindruckte offensichtlich auch viele der zu den Federalists neigenden Abgeordneten, denn Harisons Antrag konnte nur neun der 45 Stimmen auf sich vereinigen. 126

Das Parlament von South Carolina diskutiert die Verfassung Als einzige der dreizehn Volksvertretungen führte das Repräsentantenhaus von South Carolina eine inhaltliche Debatte über den Verfassungsentwurf. Den Anstoß gaben die Philadelphia-Delegierten Charles C. Pinckney, John Rutledge und Pierce Butler, die vor den Parlamentariern die bis dahin geäußerte Kritik an dem Dokument entkräften wollten. Pinckney ging sofort mit der Behauptung in die Offensive, die negativen Nachkriegserfahrungen hätten einen „total change of system" unumgänglich gemacht. An die Stelle einer „league founded in paternal and persuasive principles" trete nun ein „firm, national government" mit den erforderlichen Kompetenzen und einer „proper distribution of powers." Erst die Praxis werde allerdings erweisen, ob man ein großes Reich nach republikanischen Grundsätzen regieren könne oder nicht. Das politische Überleben für ein Experiment aufs Spiel zu setzen, hielt Rawlins Lowndes dagegen für unverantwortlich und frevelhaft. Die Amerikaner lebten unter vorzüglichen Verfassungen, die ihnen heilig sein sollten. Der ehemalige Gouverneur von South Carolina und reiche Plantagenbesitzer nahm den Kampf gegen die Phalanx der federalistischen Juristen und Staatsmänner nur widerstrebend auf. Er handelte den back country-Abgeordneten zuliebe, die ihn gebeten hatten, „die Sache des Volkes" zu verfechten. Einmal zum Sprecher der Verfassungskritiker avanciert, fiel ihm dann doch so viel ein, daß die Federalists drei Tage lang mit Erläuterungen und Gegendarstellungen beschäftigt waren. Er beklagte die Reduzierung der Staaten auf „mere corporations", die Ubermacht von Präsident und Senat und das Recht der Zentralregierung, Steuern ,26

Wiedergabe der Debatte im N. Y.Journal, 16.-21. 2. 1788.

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einzutreiben. Den Hauptakzent legte er jedoch auf die wirtschaftliche und politische Benachteiligung der Südstaaten. Im neuen Kongreß würden sich die Interessen der Handel und Schiffahrt treibenden „eastern states" jederzeit gegen die des rohstoffproduzierenden und -exportierenden Südens durchsetzen. Die Mißgunst, mit der die Nordstaatler bislang schon die Sklaveneinfuhr verfolgt hätten, drohe demnächst den Lebensnerv des Südens zu treffen: „Without negroes this state would degenerate into one of the most contemptible in the union ... Negroes were our wealth, our only national resource." In manchem Einzelpunkt ließ sich Lowndes von seinen federalistischen Diskussionspartnern belehren. Alles in allem erschien ihm die Verfassung aber dennoch als „the best preparatory plan for a monarchical government that he had read." Als Grabinschrift wünsche er sich die Worte: „Here lies the man that opposed the constitution, because it was ruinous to the liberty of America."127 In Wirklichkeit forderte der betagte Lowndes, der sich in den Anfangen der Revolution gegen die Unabhängigkeit ausgesprochen hatte und der als Feind alles Neuen und Unbekannten galt, die Federalists nicht ernsthaft heraus. Vielmehr lieferte er ihnen die Stichwörter, auf die sie gewartet hatten, um in ruhiger, souveräner Manier die im Volk grassierenden Ängste besänftigen zu können. Der Kern ihrer Aussagen war, daß die Verfassung dem Süden mehr Vorteile als Nachteile einbringen werde und daß das System der Sklaverei auf absehbare Zeit völlig ungefährdet sei. Die Debatte wurde denn auch allgemein als federalistischer Erfolg gewertet. 128 Der Widerstand der back country war damit aber noch lange nicht gebrochen. Gegen Ende hatte einer ihrer Vertreter, James Lincoln, doch in die Aussprache eingegriffen. Bezeichnenderweise legte er den Akzent nicht auf die Sklavenfrage, die im Hinterland eine geringere Rolle spielte, sondern auf die Wahrung der Bürgerrechte und Freiheiten. Je mehr Argumente für den Verfassungsentwurf vorgebracht würden, erklärte er feierlich, desto mehr sei er von der „evil tendency" des Textes überzeugt: „It totally changes the form of your present government ... from a well formed democratic, you are at once rushing into an aristocratic government ... Let the people but once trust their

127

128

Die „Debates Which Arose in the House of Representatives of the State of South Carolina ... on the Constitution, Charleston, 1788" sind abgedr. in Elliot IV, 253 — 342. Auszüge aus den Lowndes-Reden finden sich auch in Storing V, 148 — 159. Vgl. Penu Bowen to Joseph Ward, Charleston, 16. 1. 1788, J. Ward Papers, ChHi; Henry W. DeSaussure to Jedidiah Morse, Charleston, 11. 2. 1788, Mise. Mss., NHi.

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Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität des Volkes

liberties out of their own hands, and what will be the consequence? First, an haughty imperious aristocracy, and ultimately a tyrannical monarchy." Schon vor der Unterhausdebatte, die vom 16. bis 18. Januar dauerte, hatten Kommissionen beider Kammern mit der Ausarbeitung von Konvent-Resolutionen begonnen. Obgleich die Fassungen nicht wesentlich voneinander abwichen, stand erst Mitte Februar ein gemeinsamer Text fest. Er bestimmte einen Konvent „for the purpose of Considering and of Ratifying or Rejecting the Constitution." Zu den Wahlen am 11./12. April waren alle Bürger zugelassen, die für Mitglieder des Repräsentantenhauses stimmen durften. Bei der Suche nach dem Ort, an dem sich die Delegierten am 12. Mai einfinden sollten, kam wieder der gewohnte Gegensatz von Küste (Low Country) und Hinterland zum Vorschein. Nur mit einer einzigen Stimme Mehrheit brachten die Low CountryAbgeordneten die Hauptstadt Charleston durch. Die Verteilung von 500 Kopien der „Acts and Ordinances" an die aufbrechenden Parlamentarier gab am 29. Februar das Startzeichen für den Wahlkampf.129

Rhode Island: Referendum statt

Ratifizierungskonvent

Allein Rhode Island weigerte sich, einen Ratifizierungskonvent einzuberufen. Vergeblich warnte ein Leser des United States Chronicle in Providence: „The General Assembly of this State have no Right to refuse calling a Convention of the People ... as the People at large have a Right to judge of the Propriety or Impropriety of adopting [the Constitution], however the present Members may be opposed to it." Das von der Country-Partei beherrschte Parlament ließ Anfang November 1787 lediglich 1000 Kopien des Verfassungsentwurfs austeilen, „that the Freemen may have an opportunity of forming their sentiments of the said Proposed Constitution."130 Zu Beginn der Frühjahrssitzung rief die Legislative dann die freemen und freeholders des Staates auf, am 24. März in speziellen Gemeindeversammlungen über Annahme oder Ablehnung der Verfassung zu befinden. Wichtiger als die Furcht vor konstitutionellen Neuerungen, die gegen einen Ratifizierungskonvent ins Feld geführt wurde, war die Überlegung der Antifederalists, daß ein Referendum mit 129

130

Journals of the Senate and the House of Representatives of the State of South Carolina, 8. 1 . - 2 9 . 2. 1788, S. C. State Archives. U. S. Chronicle, 1. 11. 1787; William R. Staples, Rhode Island in the Continental Congress, 1765-1790, Providence, R. I., 1870, S. 584f.

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und Staatenparlamenten

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Sicherheit das gewünschte Ergebnis zeitigen werde, während der Konvent unter die Kontrolle einiger redegewandter Delegierter aus den Küstenstädten Providence und Newport geraten konnte. In einer Petition übte das Town Meeting von Providence grundsätzliche Kritik am Verhalten der Mehrheit und zählte sämtliche Gründe für die Überlegenheit der Konvent-Methode auf. Zur Beratung von Verfassungsfragen müßten im Idealfall alle Bürger an einem Ort zusammenkommen. In republikanischen Stadtstaaten sei das auch durchaus noch üblich. Für das politische Leben Amerikas gelte aber das fundamentale Prinzip der Repräsentation. Auch die Gesetze Rhode Islands kämen weder auf einer Volksversammlung noch in Town Meetings zustande, sondern würden im Parlament beraten und verabschiedet. Für Entscheidungen, die außerhalb des Kompetenzbereichs der Abgeordneten lägen, müßten folglich Repräsentanten in einen speziellen Konvent gewählt werden. Er ermögliche die Kommunikation und den Interessenausgleich zwischen verschiedenen Regionen und Gesellschaftsgruppen, wohingegen Gemeindeversammlungen nach rein lokalen Gesichtspunkten zu urteilen pflegten. Konvent-Delegierte könnten die Dinge von einer höheren Warte aus sehen und seien imstande, auch das Wohl der anderen Staaten und der Union zu bedenken. Da die Town Meetings nur mit Ja oder Nein stimmen dürften, bringe sich Rhode Island selbst um das Recht, ähnlich wie Massachusetts Verbesserungen zu empfehlen. Außerdem dächten der Kongreß und die übrigen Unionsmitglieder gar nicht daran, das Votum von Town Meetings anzuerkennen: „They can only attend to the Voice of a Convention duly authorized to act on the Subject, and to bind all Individuals in the State, in Virtue of having been appointed their Representatives for this Purpose, agreably to the Line pointed out by the Federal Convention." Das ganze Verfahren sei also irregulär und zögere den letztlich unumgänglichen Konvent nur über Gebühr hinaus. In der Zwischenzeit begebe sich Rhode Island jedes Mitspracherechts bei der Überarbeitung des Verfassungsentwurfs und der Errichtung der neuen Regierung. In noch schärferer Form prangerte das Town Meeting von Newport den Parlamentsbeschluß als „verfassungswidrig, beispiellos und unwirksam" an: „For if the People alone have a right to frame a New Constitution, What right has the Legislature to restrict them to any Particular mode or time?"131 Die Federalists von Rhode Island klammerten 131

Vgl. Providence Town Meeting. Report of a Committee Appointed on 24 March 1788, 26. 3. 1788, Providence Town Records; Newport Town Meeting. Report of the Committee Appointed to Draw Up Instructions to Delegates, 28. 3. 1788, Newport Town Records, Newport Hist. Soc. Ähnlich eine Petition der Town Bristol an die General Assembly, o. D., Staples, Rhode Island, S. 607 f.

158

Der Konvent von Philadelphia,

die Staaten und die Souveränität fas Volkes

sich an die neue Verfassung wie an einen Rettungsring und waren bereit, für sie zu kämpfen. Vorerst verfehlten ihre Deklamationen aber jede Wirkung auf die Country-Partei, die ihren antifederalistischen Kurs unbeirrt fortsetzte.

Der Sieg der Volkssouveränität

über die „Legislative

Supremacy"

Die dreizehn Parlamente hatten unabhängig voneinander, nach den gewohnten Regeln und Gebräuchen und nach eigenem Ermessen gehandelt. Dennoch weisen ihre Entscheidungen ein Muster auf, das von übergreifenden nationalen Stimmungen und Strömungen geprägt ist. Überall lag die Initiative bei den Federalists, denen der Verfassungsentwurf ein Programm, ein Ziel und die nötige Motivation gab. In den städtischen Zentren entlang der Küste von Boston bis Charleston stand die Bevölkerung hinter ihnen und drängte auf eine baldige Ratifizierung. Abgesehen von Rhode Island unternahmen die Verfassungsgegner nirgends den ernsthaften Versuch, die Einberufung eines Konvents zu blockieren. Wer es wagte, die Rechtmäßigkeit der Konvent-Methode in Zweifel zu ziehen, setzte sich dem Vorwurf aus, undemokratisch zu denken und zu handeln. Nach einem Gespräch mit Dr. Kilham notierte John Quincy Adams, der in Newburyport eine Anwaltslehre absolvierte, in sein Tagebuch: „He has made himself rather unpopular, by opposing the submission of the federal Constitution, to a State Convention, and I think he is perfectly right, in preferring his independency to his popularity." In der Pennsylvania Gazette rügte ein Schreiber die parlamentarische Taktik der New Yorker Clintonians: „It is bold conduct, thus early after a struggle for liberty, for their new rulers to attempt to restrain the people from determining upon their own affairs." 132 Aber auch die Antifederalists selbst richteten ihre öffentlichen Verlautbarungen über die Parlamente hinweg direkt an „the people" und brachten damit die höhere Autorität des Volkes ins Spiel. Nicht einmal die General Assembly von Rhode Island beanspruchte das letzte Wort für sich, sondern ließ es den freemen in den Gemeindeversammlungen. Auf diese Weise triumphierte schon in der Anfangsphase der Verfassungsdebatte das Konzept der Volkssouveränität über die seit der Revolution geübte Praxis der legislativen Oberhoheit. Kaum jemand war kühn genug, Abstriche an der „fundamental maxim of American politics" vorzunehmen, „which is that 132

J. Q. Adams, Diary, 29. 10. 1787; Pa. Gazette, 13. 2. 1788.

Der Verfassungsentwurf

vor Konfiderationskongreß

und Staatenparlamenten

159

,the sovereign power resides in the people.'" 1 3 3 Durch ihr Stillhalten oder ihre Mitarbeit in den Parlamenten willigten die Verfassungskritiker faktisch in das Ratifizierungsverfahren ein, das der Philadelphia-Konvent empfohlen und der Kongreß implizit gebilligt hatte. Die Anberaumung von Ratifizierungskonventen in zwölf Staaten gab den Federalists Auftrieb, bedeutete aber noch keine Vorentscheidung über das Schicksal der Verfassung. Nur dort, wo der Entwurf aus der Parteipolitik herausgehalten wurde — also in Delaware, New Jersey und Georgia —, war eine problemlose Annahme so gut wie sicher. In allen anderen Staaten mußten die Mehrheitsverhältnisse in den Parlamenten nicht unbedingt repräsentativ für die Haltung der gesamten Wählerschaft zur Verfassungsfrage sein. Außerdem ließen die verabschiedeten Resolutionen und Gesetze den Konventen einen relativ weiten Ermessensspielraum. Eine völlige Ablehnung der Verfassung kam nach dem positiven Votum der Legislativen und nach der frühen Zustimmung von fünf Konventen kaum mehr in Betracht. Als realistische Alternative bot sich im Februar 1788 aber immer noch an, Verbesserungen und Ergänzungen vorzunehmen, nur unter bestimmten Bedingungen zu ratifizieren, und einen zweiten allgemeinen Verfassungskonvent zu fordern. Richard Henry Lee ging ohnehin davon aus, daß es genügen würde, wenn einige wichtige Staaten wie Massachusetts, Virginia und New York gemeinsam handelten: „If such amendments were proposed by a Capital State or two, & a willingness expressed to agree with the plan so amended; I cannot see why it may not be effected." 134 Die Berufung auf die Volkssouveränität verpflichtete zu einer möglichst großzügigen Gewährung des Wahlrechts. Deshalb richteten sich die Parlamente nach den weniger restriktiven Bestimmungen, die für die Wahl der Unterhäuser als den eigentlichen „Volksvertretungen" galten. New York ließ sogar — ebenso wie Massachusetts bei der Verfassunggebung von 1780 — alle freien Männer über 21 Jahre, ungeachtet ihres 133

134

Eine abweichende Meinung vertrat Noah Webster, der als „Giles Hickory" in dem von ihm herausgegebenen American Magazine einige „received opinions of the present age" in Frage stellte. Aus seiner Sicht war das Parlament „a standing Convention, invested with the whole power of their constituents." Der „sense of the people" komme in einem Konvent nicht besser zum Ausdruck als in der Legislative. Beide unterschieden sich „merely in name, and in a few formalities of their proceedings ... The Legislature should always be competent to make the necessary amendments, or they have not an unlimited power to do right." New York, Jan./ Febr. 1788. Mit dieser Theorie stand Webster aber allein da. To Samuel Adams, New York, 5. 10. 1787, DHRC XIII, 323 ff.

160

Der Konvent von Philadelphia, die Staaten und die Souveränität des Volkes

Besitzstandes, zur Stimmabgabe zu. Von dieser Regelung erhofften sich die Federalists Vorteile, weil sie ihnen zu verdanken war und ihr Image in der Öffentlichkeit aufpolierte. Sie konnte aber auch den Clintonians zugutekommen, die sich von jeher als Beschützer des gemeinen Mannes verstanden. Bislang beschränkte sich die politische Mobilisierung noch auf die Küstenstriche und die Hauptstädte mit ihrem Einzugsbereich. Hier fanden spontane und organisierte Versammlungen statt und wurden Petitionen herumgereicht und unterschrieben. Einige Parlamente erlebten einen Ansturm informationshungriger Bürger und lebhafte Publikumsreaktionen. Bei der Bestimmung der Konvent-Delegierten würde aber die agrarische Bevölkerung des Landesinnern ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Auf diese vorerst nur unvollkommen unterrichtete Wählerschaft konzentrierten die Verfassungsgegner deshalb ihre Anstrengungen. Durch die Druckaufträge an die „State Printers" hatten die Parlamente das ihre dazu beigetragen, daß der Verfassungentwurf bekannt wurde und die Kunde von den bevorstehenden Wahlen bis in den hintersten Winkel der Union drang.

DRITTER TEIL

Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen „There has been an extraordinary revolution in the sentiments of men, respecting political affairs, since I came to America; and much more favorable in the result than could then have been reasonably expected." David Humphreys to Thomas Jefferson, Mount Vernon, 29. 11. 1788, Boyd XIV, 300. „So wonderfully are mens minds now changed upon the subject of liberty, that it would seem as if the sentiments [which] universally prevailed in 1774 were antediluvian visions, and not the solid reason of fifteen years ago." Richard Henry Lee to Samuel Adams, New York, 8. 8. 1789, Ballagh II, 495.

VI. KAPITEL

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

,.Public Opinion" im republikanischen

Staat

Der Erfolg des Unabhängigkeitskampfes beruhte in hohem Maße auf der Aktivierung breiter Bevölkerungsschichten und ihrer Einbeziehung in den politischen Prozeß. Die Revolutionäre erprobten eine Reihe von Organisations- und Propagandatechniken, um dieses „mass political involvement" zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten. Ließ der Elan im Laufe des Krieges auch spürbar nach, so blieb doch das Bewußtsein der notwendigen und berechtigten Teilhabe am politischen Geschehen bei den Farmern und in der Handwerkerschaft erhalten. 1 Von nun an konnten nur noch solche Entscheidungen durchgesetzt werden, von deren Sinn die Stimmbürger überzeugt waren, und für die sich eine Mehrheit in den republikanischen Institutionen fand. Nach der Beseitigung der kolonialen Prärogativen bedurfte jedes politische Handeln der Legitimierung durch den Wählerwillen. Damit wurde die öffentliche Meinung, verstanden als die Meinung der Mehrheit, zum konstitutiven Element der amerikanischen Politik. Anders als in Europa, wo sich „öffentliche Meinung" im Spannungsfeld von gesellschaftlichen Kräften und etablierten staatlichen Gewalten bildete und zunächst allenfalls kritisch-korrigierend wirken konnte, stellte „public opinion" hier das eigentliche Movens der politi-

1

Dieser Aspekt der Revolutionsgeschichte ist in der Vergangenheit gründlich untersucht worden. Siehe v. a. Pauline Maier, From Resistance to Revolution (2nd ed., 1974); Dirk Hoerder, Crowd Action in Revolutionary Massachusetts, 1765 — 1780, New York 1977; Richard D. Brown, Revolutionary Politics in Massachusetts. The Boston Committee of Correspondence and the Towns, 1772 — 1774, Cambridge, Mass., 1970; Richard A. Ryerson, The Revolution Is Now Begun. The Radical Committees of Philadelphia, 1 7 6 5 - 1 7 7 6 , Philadelphia 1978; Charles S. Olton, Artisans for Independence. Philadelphia Mechanics and the American Revolution, Syracuse, Ν. Y., 1975; Richard Walsh, Charleston's Sons of Liberty. A Study of the Artisans, 1 7 6 3 - 1 7 8 9 , Columbia, S. C., 1959.

164

Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen

sehen Entwicklung dar. 2 Die Existenz dieser neuen Öffentlichkeit zwang zur Beschäftigung mit den Formen, in denen sie sich manifestierte, und mit den Instrumenten, die zu ihrer Beeinflussung dienten. Jährliche Wahlen sorgten dafür, daß Stimmungsschwankungen rasch registriert und in Parlamentsmandate umgesetzt wurden. In dem Maße, wie die Lesefähigkeit anstieg, fühlte sich das Publikum sachkundiger und fähig, seine Ansichten, Sorgen und Wünsche selbst zu artikulieren. Eine offene Presse, die im Prinzip jedermann Gelegenheit bot, seine Überzeugungen darzulegen, half die Meinungsschattierungen sichtbar zu machen. Die Revolution hatte aber auch gelehrt, daß man über die Druckerpresse sehr leicht das Denken und Fühlen der Menschen in die gewünschte Richtung lenken konnte. Zum aufklärerischen Verständnis von „public opinion" als rationaler Grundlage des politischen Handelns gesellte sich ein instrumentelles, für das öffentliche Meinung Gegenstand und Produkt von Erziehung oder gar Manipulation war.

Mentalitätswandel

und Meinungsumschwung

in der kritischen

Periode

Den Revolutionären blieb die Erfahrung nicht erspart, daß die Bevölkerung für Stimmungen anfällig war und der „public mind" Fluktuationen unterlag. Der Konflikt mit dem Mutterland und den Loyalisten löste im Innern einen kräftigen demokratischen Impuls aus, der bis dahin als natürlich empfundene gesellschaftliche Schranken durchbrach und zu Gleichheit, Mitverantwortung und Selbstbestimmung aller Bürger drängte. Dieser Demokratisierungsschub, der auch in die Sphären von Erziehung, Kultur und Religion hineinreichte, wurde durch die Bundes2

Siehe allgem. Merle Curti, Public Opinion and the Study of History, in: POQ 1 (1937), S. 84ff.; Richard L. Merritt, Public Opinion in Colonial America, POQ 27 (1963), S. 356 ff.; Hans Speier, Historical Development of Public Opinion, in: A J S 55 (1950), S. 3 6 7 - 3 8 8 ; Walter Lippman, Public Opinion, 2nd ed., New York 1961. Zur Theorie Ernst Manheim, Aufklärung und öffentliche Meinung. Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, hrsg. v. N. Schindler, Stuttgart 1979; Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, 4. Aufl., Neuwied 1969. Mit der Situation in England befaßte sich zuletzt Günther Lottes, Politische Aufklärung und plebejisches Publikum. Zur Theorie und Praxis des englischen Radikalismus im späten 18. Jahrhundert, München—Wien 1979. Von einer „virtual creation of a public opinion on political questions" in einigen kontinentaleuropäischen Ländern ab etwa 1760 spricht R. R. Palmer, The World Revolution in the West, 1 7 6 3 - 1 8 0 1 , in: PSQ 69 (1954), S. 3.

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

165

Verfassung nicht wirklich gebremst, sondern setzte sich über die Jahrhundertwende fort. Alexis de Tocqueville leitete aus seinen Äußerungsformen eine säkulare Entwicklung hin zur egalitären demokratischen Massengesellschaft ab. 3 Andererseits ist unverkennbar, daß innerhalb dieses übergreifenden Trends spätestens ab 1784 eine Gegenbewegung einsetzte, die von dem Bedürfnis nach Autorität, Geborgenheit, wirtschaftlicher Sicherheit und nationaler Respektabilität getragen wurde. 4 Sie äußerte sich am häufigsten in der Enttäuschung über die ausgebliebenen Früchte der Revolution und in Zweifeln an der Selbstregierungsfahigkeit des Volkes. Der Sturz aus den Höhen der Zukunftshoffnung in den abgrundtiefen Pessimismus der „kritischen Periode" wird auf geradezu beklemmende Weise deutlich, wenn man Ezra Stiles 1783 gehaltene Predigt „The United States Elevated to Glory and Honour" mit Joel Barlows Gedicht „The Vision of Columbia" von 1787 vergleicht. Stiles hatte erklärt, in der Menschheitsgeschichte seien alle Regierungsformen erfolglos ausprobiert worden, bis auf eine, „and that seems to have been reserved in Providence to be realized in America." Dagegen war Barlows Vision, wie schon die kurz zuvor mit David Humphreys und John Trumbull verfaßte „Anarchiad", voller Selbstmitleid, Anklagen, Ängste und verletzter Gefühle. Dem Prinzip, daß alle Gewalt vom Volk ausgehe, wollte Jeremy Belknap treu bleiben: „But let the people be taught (and they will learn it by experience, if no other way) that they are not able to govern themselves." John Stevens erkannte eine direkte Beziehung zwischen dem Anteil des Volkes an den Regierungsgeschäften und den „most shocking outrages and enormities of every kind," die man seit der Revolution erlebt habe. Regierung wurde wieder offen als unverzichtbare Kontrollinstanz für die Schattenseiten der menschlichen Natur propagiert. Unglücklicherweise brauche der Mensch

3

4

De la Democratie en Amerique, Paris 1839/40. Grundlegend zur „inneren Revolution" ist J. Franklin Jameson, The American Revolution Considered as a Social Movement, Princeton, Ν. J., 1926. Die kulturellen und mentalitätsmäßigen Auswirkungen behandelt Jay Fliegelman, Prodigals and Pilgrims. The American Revolution Against Patriarchal Authority, 1750 — 1800, Cambridge 1982. Das scheint für nachrevolutionäre Perioden nicht unüblich zu sein. Vgl. Walter Euchner, Über das Altern revolutionärer Ideen, in: apz B32/33 (1982), S. 2 4 - 4 0 ; Dirk Käsler, Revolution und Veralltäglichung. Eine Theorie postrevolutionärer Prozesse, München 1977. R. R. Palmer sah dagegen gewisse Parallelen zur „konservativen Revolution" der Notablen und Parlamente, die der Französischen Revolution unmittelbar voraufging: Age of Democratic Revolution I, 213 ff. Vgl. dazu Jean Egret, La Pre-Revolution frangaise, 1787—1788, Paris 1962.

166

Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

anscheinend doch mehr „government", als er sich habe träumen lassen, räsonnierte Marylands Gouverneur Thomas Johnson im Angesicht von Shays' Rebellion.5 Zahlreiche revolutionäre Wahrheiten, wie etwa das Erfordernis jährlicher Wahlen oder die Überlegenheit der Miliz über ein professionelles Heer, gerieten unter Beschüß. Selten lehnten die Kritiker die Errungenschaften der Revolution in Bausch und Bogen ab. Sie stimmten aber darin überein, daß das politische Pendel zu weit in die demokratische Richtung ausgeschwungen sei und sich nun in eine Mittellage zurückbewegen müsse: „Our government should, in some degree, be suited to our manners and circumstances, and they, you know, are not strictly democratical," gab der Außenminister der Konföderation, John Jay, Washington zu bedenken. Die „relaxation of goverment that attends revolutions on popular principles" durfte nicht zum Dauerzustand werden, sondern sollte wieder den „habits of good order and regularity" weichen.6 Gelegentlich entschuldigte sich ein Schreiber für die Naivität, mit der er selbst den Revolutionsidealen angehangen hatte: „For my own part, I confess, I was once as strong a republican as any man in America. Now a republic is among the last kinds of government I should choose. I should indefinitely prefer a limited monarchy, for I would sooner be subject to the caprice of one man, than to the ignorance and passions of a multitude." Diesem freimütigen, aber anonymen Bekenntnis von Noah Webster entsprach die privat geäußerte Überzeugung John Pintards, „that we must have an Energetic government for it must be evident to all by this time that our Utopian Ideas were too fine spun for Execution." John Quincy Adams bekam die allgemeine Desillusionierung im Gespräch mit einem Captain Wyer zu spüren: „He was he says an enthusiast for liberty in 1775, but finds it all a farce." Und in Rhode Island fühlte sich der Finanzagent des Kongresses, William Ellery, „almost sick of our democracy. We have lost that public virtue which is the support of a

5

6

Zu Stiles und Barlow vgl. Shaffer, Politics of History, S. 17, 39 f.; Silverman, Cultural History of the Revolution, S. 513; Cohen, Revolutionary Histories, S. 185 ff. Zur Frage der Selbstregierungsfähigkeit Belknap to Hazard, 3. 3. 1784, zit. nach Main, Antifederalist Party, S. 145; „Americanus" [John Stevens, Jr.], Ν. Y. Daily Adv., 23. 11. 1787; Johnson to Washington, 11. 12. 1787, Washington Papers, LC. Jay to Washington, New York, 7. 1. 1787, a. a. O.; Coxe to Andrew Allen, Philad., 10. 10. 1787, DHRC XIII, 360; Dr. William Brown to Dr. William Cullen, Alexandria, Va., 19. 7. 1788, Misc. Mss. Coll., PPAmP.

Stimmungen,

Mentalitätswandel

und öffentliche

Meinung

167

republican government." 7 Solche Meinungsbekundungen dürfen nicht als bloße Reaktionen auf die ökonomischen Schwierigkeiten und agrarischen Unruhen der 1780er Jahre gesehen werden. Sie sind vielmehr Ausdruck eines tiefgreifenden Konflikts der Werte und Mentalitäten, den die Revolution entfesselt hatte, und der mit der Unabhängigkeit in eine neue Phase trat. Wirtschaftskrise und Shays' Rebellion wirkten nur als Katalysatoren, die den Austrag dieses Konflikts beschleunigten und zu einem Massenereignis werden ließen.

Der Klerus %wischen Heilserwartung

und

Degenerationsfurcht

Unübersehbar war die Rolle der Geistlichen, die in der Revolution zu den Meinungsführern gehört hatten und deren Wort auch jetzt noch etwas galt. Viele von ihnen fungierten gleichermaßen als Sprachrohr und als Verstärker des öffentlichen Krisenbewußtseins. Vor allem in Neuengland geriet die sonn- und feiertägliche Predigt häufig zur schonungslosen Abrechnung mit den Degenerationserscheinungen der Zeit und zur staatspolitischen Lehrstunde. 8 Die Sympathie, die eine große Mehrheit des amerikanischen Klerus für die Bundesverfassung empfand, entsprang nicht einer Laune des Augenblicks, sondern hatte tiefere theologische und sozialpsychologische Gründe. Nach der Revolution nahmen die Geistlichen weniger Einfluß auf die unmittelbaren politischen Entscheidungen als auf das generelle Meinungsklima. Ihre Fähigkeit, Wissen aus den drei Quellen der Vernunft, Offenbarung und Erfahrung zu schöpfen, versetzte sie in die Lage, „to warn the people against encroachments of power on the one hand, and the evils of anarchy on the other." 9 Sie 7

8

9

Webster, Conn. Courant, 20. 11. 1786; Pintard to Elisha Boudinot, New York, 22. 9. 1787, Boudinot-Pintard Papers, NHi; J. Q. Adams Diary, 20. 12. 1787; Ellery to Benjamin Huntington, Newport, 10. 5. 1787, Huntington Autograph Book, Jervis Libr., Rome, Ν. Y. Selbst Jefferson gewann 1786 den Eindruck, in Amerika gingen die Dinge „down hill." Cohen, Revolutionary Histories, S. 198 f. Vgl. Shaffer, Politics of History, S. 1 6 - 2 9 . Siehe v. a. Alice M. Baldwin, The New England Clergy and the American Revolution, 2nd ed., New York 1958; James H. Smylie, American Clergymen and the Constitution of the United States of America, 1781 — 1796, Ph. D. diss., Princeton 1958; Alan Helmert, Religion and the American Mind from the Great Awakening to the Revolution, Cambridge, Mass., 1966; K. Dietrich Pfisterer, Religion als Ferment der Freiheit in der amerikanischen Revolution, in: Amst 21 (1976), S. 217 ff. Smylie, American Clergymen, S. 11.

168

Öffentlichheit,

Presse und

Korrespondenzen

reagierten besonders sensibel auf die Krisensymptome der Nachkriegszeit, die sie als warnenden Fingerzeig Gottes an sein Volk deuteten. Ihre Predigten zogen oft Parallelen zum Volk Israel, das Gottes Hilfe beim Auszug aus Ägypten und bei der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft mit Undank gelohnt hatte. In der überlieferten Form der Jeremiade geißelten sie den Egoismus der Staaten, den Hochmut des Einzelnen, das Schindluder, das die Parlamente mit der Gabe der Selbstregierung trieben, die Mißachtung der „civil authority" und den allgemeinen Verlust von Glauben, Moral und Bürgertugend. Das Gefühl des Niedergang war fast allgemein und ging quer durch die verschiedenen Glaubensrichtungen. Es schmerzte umso mehr, als auf der anderen Seite die Verheißung stand, Gott werde sich der Amerikaner bedienen, um sein Schöpfungswerk zu vollenden und das tausendjährige Friedensreich aufzurichten. 10 Wenn Einsicht und Umkehr nicht bald erfolgten, würde Gott Amerika hinstellen „as a monument of what an impious and ungrateful people may expect from his hands." 11 Die Unzufriedenheit mit der eigenen sozialen Lage und der Statusminderung im Gefolge der Revolution trug sicher das ihre zu dieser kritischen Situationsanalyse bei. 12 Das Verständnis des Klerus für die politisch-konstitutionellen Reformbemühungen wurde aber auch dadurch gefördert, daß die Kirchen in dieser Zeit mit neuen Organisationsformen experimentierten und nach unionsweiter Zusammenarbeit strebten. Methodisten, Presbyterianer und Baptisten gaben sich Verfassungen, die erstmals eine nationale Repräsentation und überregionale Lenkungsgre-

10

11 12

Zu den Milleniums-Vorstellungen am Ende des 18. Jahrhunderts neuerdings zusammenfassend Ruth Bloch, Visionary Republic. Millennial Themes in American Thought, 1756-1800, Cambridge-London-New York 1982. Zit. nach Smylie, American Clergymen, S. 126. Die Ratifizierung liege im Interesse des Klerus, meinte „Marcus" im New fersey Journal, denn „civil tumults excite every passion — the soul is neglected, and the clergy starve." DHRC III, 153. Wenn man Charles Nisbet, dem 1785 aus Schottland eingewanderten presbyterianischen Pfarrer und Präsidenten des Dickinson College in Carlisle, glauben darf, dann standen die Dinge im Westen Pennsylvanias besonders schlecht: „The Clergy, to be sure, have the worst of it in such a Situation of things, as no Laws protect their Rights, it having pleased the Majesty of the People that Clergymen & Negroes should be entirely at Discretion." To Earl of Buchan, 25. 12. 1787, DHRC XV, 88. Zu den Zeichen des moralischen Verfalls zählte Benjamin Rush „the deficiency in parishes to pay their ministers agreeably to their subscriptions ... where public worship is not maintained, it will be difficult to preserve religion; and where there is no religion, there will be no morals." DHRC II, 594 f.

Stimmungen, Mentalitätswandel

und öffentliche

Meinung

169

mien vorsahen. Dabei erfuhren sie am eigenen Leibe, wie schwer der gerechte Ausgleich zwischen der Notwendigkeit eines kraftvollen „ecclesiastical g o v e r n m e n t " und dem Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden zu bewerkstelligen war. Der Wille zu Einheit äußerte sich sogar schon in zwischenkirchlichen Kontakten und im Wunsch nach einer Nationalkirche. 13 E s nimmt deshalb nicht Wunder, daß Geistliche aller Richtungen trotz beträchtlicher Differenzen in theologischen Fragen von der Notwendigkeit einer „political reconstruction" durchdrungen waren und für sie warben. Diese Erneuerung setzte ihrer Meinung nach Selbstbeschränkung, G e h o r s a m gegenüber den legalen Autoritäten und Unterwerfung unter die Gesetze voraus. Sie mußte die Wunden der Gesellschaft heilen und das Gemeinwohl wieder obenanstellen. Mit der Propagierung dieser Ideen bereitete der Klerus dem politisch-konstitutionellen Umschwung psychologisch und mentalitätsmäßig den Boden. 1 4 Die Federalists versuchten geschickt, das Wohlwollen des Klerus in Wähler- und Delegiertenstimmen umzumünzen. In Boston gewannen sie den Baptisten-Pfarrer Stillman für eine Konvent-Kandidatur: „ H e is a high Federal Man and charmed with the proposed plan," berichtete Jackson: „ H e being at the head of the Baptists in this State and of great influence a m o n g them it is thought policy to choose him one of the Deligates by which means we shall gain that whole Sect in favor of u s . " 1 5 Sofern kirchliche Gremien aktiv in die Debatte eingriffen, überwog das Bekenntnis zum neuen Verfassungssystem. Die zur Philadelphia Association zusammengeschlossenen Baptisten der Mittelstaaten legten ihren

13

14 15

Mit dem Plan eines „ecclesiastical foederal government for the advancement of morals" wandten sich philadelphische Kreise um Benjamin Rush im Sommer 1788 an alle Kirchen Amerikas. Rush to Belknap, 24. 6. 1788, Belknap Papers, MHi. „The foederal connexion, established on these liberal and generous principles, will lead to a sort of foederal union among the various churches," hoffte auch Tench Coxe: „A Friend of Society and Liberty", Pa. Gazette, 23. 7. 1788. Vgl. Smylie, American Clergymen, S. 105 ff. Zur innerkirchlichen Entwicklung ders., S. 65 ff.; William P. Trent, The Period of Constitution-Making in the American Churches, in: J. F. Jameson, ed., Essays in the Constitutional History of the United States (1889), S. 186—262; Timothy L. Smith, Congregation, State, and Denomination. The Forming of the American Church Structure, in: WMQ 25 (1968), S. 155 ff. Smylie, American Clergymen, S. 135 f., 154 ff. To Knox, Boston, 11. 11. 1787, Knox Papers, MHi. „It is very fortunate for us that the Clergy are pretty generally with us; they have in this State a very great influence over the people," erläuterte Benjamin Lincoln Washington am 9. 2. 1788, Washington Papers, LC. Ähnlich berichtete David Humphreys aus Connecticut, DHRC III, 354; vgl. S. 331, 394 f., 452, 460.

170

Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

Gemeinden im Oktober 1787 in einem öffentlichen Rundschreiben den Einsatz für die Ratifizierung ans Herz. Sie verspreche, „to rescue our dear country from that national dishonor, injustice, anarchy, confusion and bloodshed, which have already resulted from the weakness and inefficiency of the present form." In New Hampshire forderte eine Association of Christian Ministers alle Einwohner der Vereinigten Staaten zum Gebet auf, „that there may be no delay in clothing Congress with all necessary powers to act in character as the Federal Head of a sovereign, independent nation." Der kongregationalistische Klerus von New Haven County, Connecticut, diskutierte den Verfassungsentwurf auf seinem Jahrestreffen Ende September 1787 und billigte ihn einmütig. Fastenund Bettage für das Wohl der Union legten Presbyterianer in New Jersey und Niederländisch Reformierte in New York ein. 16 Für einen Korrespondenten der New Haven Gazette stand die Ratifizierung außer Frage, „since the ministers and christians, of all denominations are now engaged in praying for it, and there is good reason to believe, that no prayers have as yet been offered up against it." In Neuengland und in den Mittelstaaten schimpfte die Opposition über die einseitige Parteinahme des Klerus, der sich doch besser um religiöse Dinge kümmern sollte. Daraufhin zieh Noah Webster die Kritiker in der Februar-Ausgabe des American Magazine eines „schweren Irrtums": Die Geistlichen hätten die Pflicht, „to inform the minds of people on all subjects and to correct their morals; so that they have a direct influence on government." 17 Allerdings stellte der Klerus sich keineswegs geschlossen hinter den Verfassungsentwurf. In Connecticut gab es Proteste gegen die „sinful Omission in the late federal convention, in not looking to God for 16

17

Vgl. DHRC XIII, 374 ff.; Ill, 351; A Concert for Prayer, Pamphlet, Exeter, Ν. H., Evans 20284; Ν. Y. Daily Adv., 11. 6. 1788; Smylie, American Clergymen, S. 164 f., 351. Das baptistische Rundschreiben fand nicht nur Beifall. Im N. Y.fournal erinnerte ein „Baptist" seine Glaubensbrüder daran, daß das Reich Christi nicht von dieser Welt sei. Kirchen „do not concern themselves, as churches, with worldly policy, or meddle with the government of states, or the politics of them." Jeder Einzelne müsse als Mitglied der „civil society" prüfen, ob das vorgeschlagene Regierungssystem nicht zur Errichtung eines amerikanischen Hofes führen werde, „similar to the veneral courts of Europe." Insgesamt lasse der Entwurf die Tendenz erkennen, „to confer the height of power and happiness on the few, and to reduce the many to weakness and misery." 30. 11. 1787. New Haven Gazette, 18./25. 10. 1787; vgl. DHRC XIII, 573; Smylie, American Clergymen, S. 231 ff. Webster verurteilte scharf, daß die Verfassungen einiger Staaten Geistliche von öffentlichen Ämtern ausschlossen oder sie nicht zum Parlament zuließen.

Stimmungen,

Μentahtätswandel

und öffentliche

Meinung

171

direction, and of omitting the mention of the name of God in the Constitution." Kongregationalisten, Baptisten, Methodisten und Quäker nahmen Anstoß an der Duldung der Sklaverei und mehr noch am Recht der Sklavenhalter, entflohene Schwarze zurückzufordern. Im oppositionellen Hinterland von Massachusetts, New York und Pennsylvania gingen die Pfarrer nicht selten mit der Stimmung ihrer Gemeinden. 18 Stärker war der Widerstand in Virginia und North Carolina, wo sich Anglikaner und Presbyterianer uneins waren, und die Baptisten offen Front gegen den Philadelphia-Plan machten. Das Generalkomitee der virginischen Baptisten beantwortete die selbstgestellte Frage, ob der Verfassungsentwurf hinreichende Vorkehrungen für die „secure enjoyment of religious liberty" enthalte, mit einem klaren Nein. 19 In North Carolina betrieben baptistische Prediger antifederalistische Wahlwerbung und reichten „circular letters" von Gemeinde zu Gemeinde weiter. Die Baptisten des Hinterlandes seien dermaßen fanatisch und ungebildet, beschwerte sich ein Briefschreiber, daß sie nicht einmal davor zurückschreckten, den Tempel des Herrn mit „vile declamations against the Constitution" zu entweihen. Madison nahm die Sorgen der Baptisten um die Religionsfreiheit aber ernst und machte sie zum Ausgangspunkt seiner Amendment-Bemühungen. 20 An den Konventen nahmen insgesamt 44 Geistliche teil, von denen sich 32 für und 12 gegen die Ratifizierung aussprachen. In Massachusetts stimmten von 18 Pfarrern nur drei Baptisten und ein Kongregationalist mit Nein. Die Zeitungen kolportierten daraufhin das Gerücht, die antifederalistische Parlamentsmehrheit wolle den Klerus mit einer speziellen Kopf- und Grundsteuer strafen, „for taking so active a part in Favour of the intended new Constitution, and introducing Politics into their Sermons, instead of adhering strictly to the Gospel." 21 Einheitlich federalistisch votierten die drei Kongregationalisten in Connecticut sowie die drei Presbyterianer und der Reformierte in New Jersey. Im Süden fanden sich dagegen Baptisten, Anglikaner und Presbyterianer fast gleichmäßig verteilt auf beiden Seiten der Kontroverse. Abgesehen von dem 32:12-Vorteil war für die Verfassungsanhänger von besonderem Wert, 18 19

20

21

Vgl. Smylie, American Clergymen, S. 160 ff.; DHRC XIV, 503 ff. Baptist General Committee, Meeting, Goochland County, 7. 3. 1788, in: Robert B. Semple, A History of the Rise and Progress of the Baptists in Virginia, Richmond, Va., 1804, S. 102. „A Planter", Va. Indep. Chronicle, 13. 2. 1788; Letter from Fairfax County, Va., 24. 3. 1788, U. S. Chronicle, 24. 4. 1788. Smylie, American Clergymen, S. 175 ff.; Providence Gazette, 20. 3. 1788.

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daß sie die Leiter wichtiger Bildungseinrichtungen wie James Manning in Providence, Ezra Stiles in Yale und John Witherspoon in Princeton auf ihrer Seite hatten. 22

Die „Revolution of Sentiments":

Fluch oder Segen?

Der Stimmungswandel war für jedermann erkennbar, doch an seiner Beurteilung schieden sich die Geister. Der größere Teil der Revolutionselite begrüßte und förderte ihn nach Kräften. Die Führer, allen voran Washington, verhehlten nicht ihre Dankbarkeit für diese unerwartete „revolution of sentiment." 23 Stephen Higginson sah niemals zuvor „such a great change in the public mind as has lately appeared in this State [Massachusetts] as to the expediency of increasing the powers of Congress." Dem Anwalt Theodore Sedgwick erschien es, als seien die Menschen endlich wieder zu Sinnen gekommen, „and the first evidence is their discernment of their true friends." 24 Der nüchterne Sinn für ökonomische Realitäten gewann sichtlich an Boden: „The minds of the People are now disposed to hear reasoning upon the subject of Trade, from those who have been long engaged in it." 25 Im äußersten Westen von Massachusetts verglich Henry Van Schaack die Begeisterung für die neue Verfassung mit dem „Geist von 1775." Damals allerdings, so vertraute er Sedgwick an, habe er diesen Massenenthusiasmus als „höllisch" empfunden, „and now, my good friend, it appears to me to be a good one. What changeable creatures we are!" 26 22

23 24

25 26

Smylie, American Clergymen, S. 173 f. Ein persönliches Schlußwort, dem sicher viele Geistliche beipflichteten, sprach Reverend Jeremy Belknap 1791 in Boston: „Our government appears at last to be happily settled, and every friend to virtue and good order must wish it permanency. I hope that 25 years of controversy and revolution will be sufficient for the space of time which I have to exist on this globe." A. a. O., S. 1. Um diese Zeit wurde die Aufmerksamkeit des amerikanischen Klerus mehr und mehr von der Frage gefangengenommen, welcher Platz der Französischen Revolution wohl in der göttlichen Heilsgeschichte zukommen werde. Gary B. Nash, The American Clergy and the French Revolution, in: W M Q 22 (1965), S. 3 9 2 - 4 1 2 . Washington to Lafayette, 28. 5. 1788, Fitzpatrick X X I X , 506 ff. Higginson to Knox, Boston, 25. 11. 1786, in: Letters of S. Higginson, 1783 — 1804, Annual Report of the Am. Hist. Assoc. for 1896, vol. 1, S. 742 f.; Sedgwick to Henry Van Schaack, Boston, 29. 5. 1788, Sedgwick Papers, MHi. Alexander Donald to Jefferson, Richmond, 12. 11. 1787, Boyd XII, 345 ff. Pittsfield, 8. 1. 1788, Sedgwick Papers, MHi.

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Mentalitätswandel

und öffentliche

Meinung

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Ganz andere Gefühle weckte die Trendwende bei dem kleineren Teil der Führungsschicht, der gegen den Verfassungsentwurf Front machte. Die Reaktionen auf den „Verrat" der revolutionären Ideale reichten von ungläubigem Staunen bis hin zu Sarkasmus und Resignation. „We have lived under these constitutions, and after the experience of a few years, some among us are ready to trample them under their feet," klagte „Alfred" im Philadelphia Independent Gazetteer. Der Bostoner „Impartial Examiner" erinnerte seine Landsleute an die gemeinsamen Anstrengungen, die zum Sieg über England geführt hatten: „By no means can I conceive that the laudible vigor, which flamed so high in every breast, can have so far evaporated in the space of five years ... the ardent glow of freedom gradually evaporates; — the charms of popular equality, which arose from the republican plan, insensibly decline." Wenige Jahre zuvor habe das Wort Republikanismus einen guten Klang gehabt, hieß es in der Maryland Gazette, nun aber sei die Schwäche von Republiken „the everlasting theme of speculative politicians." Gemessen an dem revolutionären Schwung der Jahre 1774 bis 1776 hatte sich in der Tat ein „mighty change ... in the political opinions of many people" vollzogen. 27 Niemanden stimmte das bedenklicher als Richard Henry Lee. Schon im Mai 1787 kontrastierte er das unentwegte Verlangen nach Stärkung der Zentralregierung mit dem früheren Machtmißtrauen der Revolutionäre: „Whence this immense change of sentiment in a few years? for now the cry is power ..." Im Oktober kam es ihm vor, als sei die Masse — wie auf dem Tiefpunkt des Unabhängigkeitskrieges — einer „temporary Insanity" verfallen. Acht Monate später stand er vor vollendeten Tatsachen, wußte aber immer noch keine rechte Antwort: „It will be considered, I believe, as a most extraordinary Epoch in the history of mankind, that in a few years there should be so essential a change in the minds of men. 'Tis really astonishing that the same people who have just emerged from a long & cruel war in defence of liberty, should now agree to fix an elective despotism upon themselves & their posterity!" 28

27

28

„Alfred", Indep. Gazetteer, 13. 12. 1787, DHRC XIV, 432 ff.; „Impartial Examiner" III, Boston Indep. Chronicle, 5. 8. 1788, Storing V, 172 ff.; Baltimore Md. Gazette, 4. 9. 1787; „An Old Whig" III, Indep. Gazetteer, 20. 10. 1787, DHRC III, 428. Lee to Mason, 15. 5. 1787, Rutland, Papers of Mason, III, 1096; to William Shippen, New York, 2. 10. 1787, DHRC XIII, 289; to John Lamb, 27. 6. 1788, Lamb Papers, NHi. Der Charlestoner Arzt Thomas Tudor Tucker sinnierte über ein Gedicht seines Bruders St. George: „I am sorry to agree with you that those Sentiments of equal Liberty which make the Ground work as well as Spirit of your whole poem, are getting so much out of Fashion, and at this very early

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Diese gegensätzliche Beurteilung des Stimmungs- und Mentalitätswandels während der „kritischen Periode" bildete die Ausgangslage für die Verfassungsdebatte. Im Streit um das Werk von Philadelphia stießen beide Anschauungen hart aufeinander und zwangen die Menschen zu kritischer Prüfung und Stellungnahme. Die Federalists verstanden die Krise im medizinischen Sinne als unvermeidbares Durchgangsstadium zur Genesung und wollten die Gunst der Stunde für grundlegende Reformen und Neuerungen nutzen. Dagegen versuchten die Antifederalists, den „Geist von 1776" wiederzubeleben, um die Errungenschaften der Revolution zu schützen. Sowohl vom Werben für eine Stabilisierung unter nationalem Vorzeichen als auch vom Appell an die revolutionären Tugenden und Ideale gingen starke emotionale Anreize aus. Weil sich viele Menschen hin- und hergerissen fühlten, war die Debatte längere Zeit von einer Art „Vibrieren" der Stimmungen zwischen gegensätzlichen Polen gekennzeichnet.

Die Debatte als Feuerprobe der Verfassung Ebenso wie die Revolution war der Verfassungsstreit ein Kampf um Mehrheiten, um die Festigung oder Veränderung bisheriger Überzeugungen und Denkgewohnheiten. Diesmal konnten die Aggressionen allerdings nicht gegen einen äußeren Feind und dessen Kollaborateure im Innern abgelenkt werden. Kaum jemand war ernsthaft bereit, Verantwortung für einen Bürgerkrieg zu tragen. Da ein gewaltsamer Ausweg versperrt war, nahm die Bedeutung der öffentlichen Meinung enorm zu. Die Federalists erkannten das als erste und bemühten sich, die Bevölkerung auf die kommenden Veränderungen einzustimmen. Washingtons Vertrauter David Humphreys lieferte kurz nach Beendigung des Verfassungskonvents einen zuversichtlichen Lagebericht aus Connecticut: „Indeed the well affected have not been wanting in efforts to prepare the minds of the Citizens for the favorable reception of whatever might be the result of your Proceedings. I have had no inconsiderable agency in the superintendence of two Presses, from which more News Papers are circulated, I imagine, than from any others in New England. Judicious & well-timed publications have great efficacy in ripening the judgment Period after so heavy a Sacrifice to Principles which we are but too much inclined to abandon." New York, 22./28. 7. 1788, Tucker-Coleman Papers, Swem Library, WM.

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of men in this quarter of the Continent." Anfang Oktober, als die Verfassung vor dem „judgment seat" der Öffentlichkeit war, antwortete der General: „Much will depend however on literary abilities; and the recommendation of it by good pens, should it be openly, I mean publicly, attacked in the gazettes." Madison glaubte, John Adams Defence sei gerade rechtzeitig in Amerika angelangt, um als eine „powerful engine in forming public opinion" zu dienen. Etwas später erläuterte er Jefferson, daß er unter „public opinion" die Meinung der Mehrheit verstehe. 29 Manch ein Zeitgenosse empfand den ständigen Blick auf das „thermometer of public opinion" als opportunistisch. „Justitia" beschwerte sich in der Hampshire Gazette vom 10. Oktober 1787 über die milde Behandlung der Shays'-Rebellen durch die Regierung von Massachusetts: „There appears to be an influence, in the counsels of the land, that is paramount to law, and the Constitution ... The grand inquiry with such men is not, what is law? what says the constitution? but how stands the thermometer of public opinion? and when that is known, their determination is known." Der virginische Abgeordnete Archibald Stuart bekannte selbstkritisch: „We are all contending for popular applause and he is ye Cleverest fellow who bellows most against taxes and distressing the good citizens of the country who are so dear to us all." 30 Aber selbst wer, wie Gouverneur Morris, die rationalen Fähigkeiten des gewöhnlichen Menschen gering veranschlagte, konnte die öffentliche Meinung nicht außer acht lassen, lebte er doch in einem Land, „where Opinion is every Thing." 31 Hamilton tat ebenfalls alles, „to cultivate a favourable disposition in the citizens at large." Im Ratifizierungskonvent führte er aus, daß letztlich jede Regierung, selbst eine despotische, in hohem Grade von der Meinung der Bürger abhänge. In freiheitlichen Republiken sei der Volkswille aber geradezu „the essential principle of the government; and the laws which control the community, receive their tone and spirit from the public wishes." 32 Diese Feststellung entsprang weniger einer 29

30 31 32

Humphreys to Washington, New Haven, 28. 9. 1787, DHRC XIII, 261 f.; Washington to Humphreys, 10. 10. 1787, Washington Papers, LC; Madison to Jefferson, 6. 6. 1787; 24. 10./1. 11. 1787, Rutland X, 29 f.; 205 ff. Gelegentlich wurde der Begriff auch im Plural verwendet: „Your public opinions, Solon, I have treated with freedom ..." „Casca to Solon", Baltimore Md. Gazette, 9. 5. 1788. To John Breckinridge, Richmond, 21. 10. 1787, Breckinridge Family Papers, LC. To Washington, Philad., 30. 10. 1787, DHRC XIII, 513 f. Vgl. Hamilton to Madison, New York, 19. 5. 1788, Rutland XI, 53 f.; Konventrede vom 21. 6. 1788, Syrett V, 37. Auch R. Η. Lee stellte fest, daß alle freien Regierungen auf „opinion" gründeten. Sobald diese nicht mehr trage, trete Gewalt an ihre Stelle. To Patrick Henry, New York, 14. 9. 1789, in: Lee, Memoir of R. Η. Lee, II, S. 98 f.

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theoretischen Vorliebe für das Prinzip der Volkssouveränität, als der Einsicht, daß es zur Verwirklichung von Reformplänen unter den politischen und sozialen Gegebenheiten der Vereinigten Staaten des entsprechenden Reformwillens und eines günstigen Meinungsklimas bedurfte. Die gewaltige Bedeutung der Ratifizierungsdebatte ergab sich daraus, daß sie erstmals seit der Revolution wieder die nationale Frage mit grundlegenden Verfassungsproblemen verband. Der Nationalismus war nach 1783 durch andere Strömungen überlagert worden und offenbarte nun eine unerwartete Anziehungskraft. Konstitutionelle Fagen berührten seit jeher den Lebensnerv der Siedler in der Neuen Welt. Eine Fülle von Zeugnissen belegt die Ehrfurcht vor geschriebenen Verfassungen, die im Verständnis der Gesellschaft als eines Vertragsverhältnisses wurzelte, und die von den kolonialen Charters auf die Dokumente der Revolutionsepoche übertragen worden war. Ohne Verfassung war für die Amerikaner kein geordnetes, zivilisiertes Zusammenleben denkbar. Preisgabe oder Zerstörung der Verfassung stießen die Individuen unweigerlich in den chaotischen Naturzustand zurück. Deswegen traf sicherlich zu, was im Juni 1788 in der Georgia State Gazette zu lesen war: „There is not, I believe, under the sun, a people who are so trembling alive when any thing is said about government as the Americans." 33 Dem Thema Verfassung näherte man sich mit tiefem Ernst und nicht selten mit religiöser Inbrunst: „The Formulation of a Constitution, or Fundamental Law for a State, your Petitioners consider as the most arduous as well as the most important Work to which the People can be called," stellten die Bürger von Providence feierlich fest. Über die eigene Regierungsform frei zu entscheiden, war ein Privileg der Amerikaner, dessen sie sich nach Meinung des Newport Herald würdig erweisen mußten: „For what is the most perfect Constitution of any nation in Europe? but a crude system, arranged without design, and forced upon the people without their choice." Dem Virginier „Cato Uticensis" galt der Verfassungsentwurf als „one of the most serious and awful objects, that ever was agitated by a free people." Seit den Tagen Noahs, gab „Observator" in Connecticut zu bedenken, liefere die Weltgeschichte kein Beispiel für ein Volk, „so great in numbers, so far separated and extended as to situation and territory, and so different as to their interests, ever taking so rational

33

Augusta, 21. 6. 1788.

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measures to unite their wealth and power, and to establish a permanent government." 34 Der junge John Preston aus Smithfield in Virginia fand die Angelegenheit so groß und wichtig, „that I can justly term it incomprehensible — I tremble & fear ..." Die Angst vor dem Ungewissen wurde durch den verlockenden Gedanken gemildert, die Union könne eines Tages Gesetze geben „like Rome, to all the world besides." Aber auch erfahrenen und abgeklärten Politikern fiel es nicht leicht, die Verantwortung zu übernehmen. Richard Henry Lee sah in der Etablierung eines neuen Verfassungssystems eine Aufgabe, „that involves such immense consequences to the present time and posterity, that it calls for the deepest attention of the best and wisest friends of their country and of mankind." Für Melancton Smith bedeutete das eine körperliche und seelische Belastung, die fast über seine Kräfte ging: „But the establishing a good government for a great Country is an object of such moment I cannot give it up — It is a matter of too much magnitude. I view it as affecting the whole system of things for ages far remote. It may have a vast effect not only on the comfort and happiness of men here, but carry its influence upon the state & condition of that Kingdom which can never be moved. May we stand in our lot in that Kingdom." 35 Die Debatte selbst erhielt eine höhere Weihe: „That calm deliberation, which ought on such solemn occasions, to mark the character of freemen, should now be religiously observed." 36 Diese emotionale Komponente stand nicht im Widerspruch zu der aufklärerischen Gewißheit von der Notwendigkeit und dem Nutzen einer freien Diskussion. Durch die theologischen Dispute der Kolonialzeit, die juristischen Kontroversen mit dem Mutterland und die rhetorische Schulung in Colleges und Anwaltskanzleien war die gebildete Schicht auf Herausforderungen von der Art der Verfassungsdebatte vorbereitet. Der spezifische Beitrag der Aufklärung bestand darin, daß „government" nun als ein wissenschaftliches Problem betrachtet wurde, das durch historische Studien, rationale Analyse, experimentellen Vergleich und freie Erörte34

35

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Providence Town Meeting, Petition to the General Assembly, 26. 3. 1788, s. ο. Anm. 131 zum Zweiten Teil; Newport Herald, 3. 7. 1788; „Cato Uticensis", Va. Indep. Chronicle, 17. 10. 1787, Storing V, 119 ff.; „Observator", New Haven Gazette, 20./27. 9. 1787, DHRC III, 349. John Preston to John Brown, 10. 2. 1788, J. Brown Papers, CtY; R. Η. Lee to Randolph, 16. 10. 1787, DHRC XIV, 366 f.; Melancton Smith to Gilbert Livingston, New York, 1. 1. 1789, Microfilm No. 67, Ν. Y. State Library. „A Planter", Va. Indep. Chronicle, 13. 2. 1788.

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rung der Lösung nähergebracht werden konnte. Die klassische Formulierung dieses Bewußtseins stammte aus Washingtons Zirkularschreiben an die Staatenexekutiven von 1783: „The foundation of our empire was not laid in the gloomy age of ignorance and superstition, but at an epocha when the rights of mankind were better understood and more clearly defined, than at any former period: Researches of the human mind after social happiness have been carried to a great extent. The treasures of knowledge acquired by the labours of philosophers, sages and legislators, through a long succession of years, are laid open for use, and their collected wisdom may be happily applied in the establishment of our forms of government." 37 Unter diesem Aspekt erschien die Verfassungsdebatte als ein Wetteifern im Streben nach Fortschritt und Perfektion: „Government, to an American, is the science of his political safety — this then is a moment to you the most important ... Deliberate, therefore, on this new national government with coolness, analize it with criticism; and reflect on it with candour." 38 Den Federalists wäre es wohl lieber gewesen, wenn ihre Landsleute diesen Rat nicht gar so ernst genommen und dem Entwurf ohne langes Zögern zugestimmt hätten. Sie wichen der Herausforderung aber nicht aus, zumal sie sich dem Gegner in jeder Hinsicht gewachsen fühlten. Den Fehdehandschuh zu ergreifen, war auch eine taktische Notwendigkeit. Auf nichts reagierte die Öffentlichkeit empfindlicher, als auf Versuche, den „spirit of free investigation" zu dämpfen und den Austausch von Gedanken, Meinungen und Informationen zu behindern. Nur sehr selten gab ein Schreiber seine Überzeugung preis, daß die Masse der Menschen eigentlich ungeeignet sei, „to judge for themselves what government will best suit their peculiar situation." 39 Normalerweise wurde das demokratische Mitspracherecht ausdrücklich bekräftigt: „All men, in

37

38 39

DHRC XIII, S. 63. Dieser Brief wurde in der Verfassungsdebatte häufig zitiert und nachgedruckt: vgl. o. S. 27 f. Zum Hintergrund Douglas Sloan, The Scottish Enlightenment and the American College Ideal, New York 1970; Henry F. May, The Enlightenment in America, New York 1976. „Cato" I, Ν. Y. Journal, 27. 9. 1787, DHRC XIII, 255 ff. „Caesar" II, Ν. Y. Daily Adv., 17. 10. 1787, DHRC XIII, 395 ff. Im Baltimore Md. Journal vom 16. 5. 1788 sagte ein „Republican" den Federalists nach, es sei ihre , favorite maxim, that the people at large were incompetent to decide or form a judgment on the subject; that they were, and always must be, in these things, directed by a few, who had more knowledge·, and that the people at large were totally incapable of determining whether a government was perfect or imperfect, good or bad, until they felt its consequences, and gained the information by perceiving its effects."

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the same society, have a right to enquire into all opinions, to examine all subjects, to represent all grievances, to shew what laws are pernicious or defective and to lay before the public their sentiments agreeable to truth." 40 Die Gebildeten trugen aber selbst nach Ansicht des Verfassungsgegners Samuel Bryan eine besondere Verantwortung für das Gemeinwesen. Im ersten Centinel-Brief rief er sie auf, „to come forward, and thereby the better enable the people to make a proper judgment; for the science of government is so abstruse, that few are able to judge for themselves." Sein New Yorker Gesinnungsfreund „Cato" fürchtete hingegen, erst unter der neuen Verfassung werde die politische Wissenschaft „intricate and perplexed" werden, „and too misterious for you to understand, and observe."41 Im allgemeinen traute man den Menschen zu, richtig zu entscheiden, wenn sie nur über die nötigen Informationen verfügten und bereit waren, ihre „little personal and local interests" hinter die großen nationalen Belange zurückzustellen.42 Madison mißtraute allerdings der optimistischen Annahme vieler seiner Kampfgefährten, die Geheimnisse der Regierungskunst seien bereits gelüftet. Die Vielzahl der Meinungen und Standpunkte zur Verfassungsfrage war ihm melancholischer Beweis für die „fallibility of the human judgment, and of the imperfect progress yet made in the science of Government."43 Im Grunde stimmten Federalists und Antifederalists darin überein, daß der geplante Verfassungswechsel umfassender und gründlicher Erörterung bedurfte. Alle diejenigen, die bei der Urteilsfindung behilflich sein konnten, hatten nicht nur das Recht, sondern waren verpflichtet, ihren Beitrag zur öffentlichen Diskussion zu leisten: „It is a duty incumbent on every man, who has had opportunities for inquiry to lay the result of his researches on any matter of publick importance before the publick eye." 44 Nur so konnte die Debatte ihren Zweck erfüllen, Irrtümer und Mißverständnisse beiseitezuräumen, das Wissen zu erweitern und Wahrheit ans Licht zu bringen: „If the constitution is good, it can receive no damage from examination, but will, like silver, by rubbing appear brighter and brighter, and the people be led to accept of the same with 40 41

42

43 44

„Denatus", Va. Indep. Chronicle, 11. 6. 1788, Storing V, 260ff. „Centinel" I, Indep. Gazetteer, 5. 10. 1787; „Cato" III, Ν. Y. Journal, 25. 10. 1787, DHRC XIII, 326 ff., 475. „A Landholder" [O. Ellsworth], Conn. Courant, 5. 11. 1787; „A Citizen of Philadelphia" [Pelatiah Webster], Pamphlet, Okt. 1787, DHRC XIII, 305 f., 562. To Stuart, New York, 30. 10. 1787, DHRC XIII, 512. „Agrippa" X, Mass. Gazette, 1. 1. 1788, Storing IV, 87 ff. Vgl. DHRC XIII, 258, 529 ff.

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more unanimity," schrieb „Lycurgus" im Bostoner American Herald. „Freedom of debate strikes out truth, as the collision of flint and steel produces light," bestätigte William Ellery in Newport.45 Auch Jefferson hielt die „public discussion" für das beste Mittel, die Schwächen und Unzulänglichkeiten des Verfassungsentwurfs aufzudecken. Durch eine intensive Korrespondenz versuchte er so gut wie möglich an ihr teilzuhaben. Einem seiner Briefpartner bekannte er schließlich, Diskussion und Reflexion hätten ihm weitgehend die Sorge vor negativen Folgen der Reform genommen. Das „free right to the unbounded exercise of reason and freedom of opinion" verteidigte er bis an sein Lebensende.46 Nach Abschluß des Ratifizierungsverfahrens stand für die Federalists fest, daß dem Verfassungsentwurf die gebührende Behandlung zuteil geworden war. „Since the world began, I believe no Question has ever been more repeatedly and strictly scrutinized or more fairly and fully argued, than this proposed Constitution," erfuhr Jefferson im Juli 1788 aus Philadelphia. Diesen Härtetest hatte die Verfassung dem New York Daily Advertiser zufolge glänzend bestanden: „The Constitution has, comparatively speaking, undergone an ordeal torture, and been preserved, as by fire." Sie sei „emerged from the fiery ordeal of discussion ... with additional purity and lustre," behauptete auch ein Festredner am Unabhängigkeitstag von 1789. Und Anfang 1790 hieß es in der Pennsylvania Gazette, je sorgfaltiger man die Verfassung seziert habe, „the more the goodness of it has appeared."47 Zugleich hatte sich der Kenntnisstand der Bevölkerung erhöht und ihr Bewußtsein verändert: „The new Constitution has diffused political knowledge by the discussions it has occasioned. Compare the present state of the public mind of America, on the subject of Government, with what was its condition previous to the war, and you will be struck with the contrast."48 Der Verfassungsentwurf

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„Lycurgus", Am. Herald, 29. 10. 1787; Ellery to Huntington, Newport, 21. 7. 1789, Thomas C. Bright Autograph Coll., Jervis Library, Rome, Ν. Y. Vgl. Jefferson to John Adams, 30. 8. 1787; to Madison, 20. 12. 1787; to Carrington, 27. 5. 1788, Boyd XII, 69, 438 ff.; XIII, 208 f.; Zitat aus dem Jahr 1825, nach C. M. Kenyon, The Declaration of Independence, in: Fundamental Testaments of the American Revolution. LC Symposia on the American Revolution, Washington, D. C., 1973, S. 45. Francis Hopkinson to Jefferson, Philad., 17. 7. 1788, Boyd XIII, 369 ff.; Ν. Υ. Daily Adv., 28. 7. 1788; „A Citizen of America" [John O'Connor]: Political Opinions Particularly Respecting the Seat of Federal Empire, Georgetown, Md., 1789, Pamphlet, Evans 22072; Pa. Gazette, 20. 1. 1790. Letter from Charleston, 20. 6. 1788, Ν. Y. Daily Adv., 7. 7. 1788.

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und öffentliche

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war der Schlüssel gewesen, der dem politischen Denken neue Dimensionen und Horizonte geöffnet hatte. 49 Die Antifederalists bestritten zwar, daß die Debatte derart fair, sachlich und unbehindert abgelaufen sei, wie ihre Widersacher vorgaben. Sie trösteten sich aber damit, daß die öffentliche Auseinandersetzung die Notwendigkeit von Amendments bewiesen habe.

Regionale Besonderheiten im

Stimmungsbild

Nach Intensität, Art und Dauer unterschied sich die Debatte von Region zu Region und von Staat zu Staat. Innerhalb jedes einzelnen Staates wiederum variierten die Stimmungslagen zwischen Stadt und Land, Küste und Frontier. Nimmt man die literarische Produktivität und Originalität zum Maßstab, dann lassen sich die Staaten in drei Gruppen einteilen. Den stärksten Niederschlag fand die Verfassungskontroverse in Pennsylvania, New York, Massachusetts und Connecticut. Diese Staaten verfügten über das am besten ausgebaute Zeitungswesen, und zumindest in den beiden erstgenannten existierte ein eingespieltes Zweiparteiensystem. Connecticut bildet insofern einen Sonderfall, als die Praxis der dortigen Zeitungsverleger, fast nur federalistisches Material zu drucken, keinen echten öffentlichen Meinungsaustausch zuließ. Innerhalb dieser Gruppe verlagerte sich der Schwerpunkt der Debatte von Philadelphia, das schon früh ratifizierte, im Winter 1787/88 nach Boston und von dort im Frühjahr 1788 nach New York City. In die zweite Kategorie fallen Rhode Island, New Hampshire, Virginia, Maryland und North Carolina. Hier trug die Debatte zwar lebhafte und zuweilen sogar recht heftige Züge. Bis zu einem gewissen Grade stützten sich die Kontrahenten aber auf Ideen und Publikationen aus den städtischen Zentren der Union. Rhode Islands Country-Partei verließ sich auf ihre erdrückende numerische Ubermacht und zeigte wenig Interesse an einer echten Diskussion über Vorzüge und Nachteile der Verfassung. In New Hampshire und North Carolina spielte sich die Auseinandersetzung vorwiegend im lokalen Bereich ab, so daß übergreifende Stimmungstrends erst nach den Konvent-Wahlen sichtbar wurden. Virginia und Maryland waren einen stärker personenbezogenen und verbalen Debattenstil gewohnt, wie er den traditionellen Gegebenheiten einer auf die Achtung des sozial Höherstehenden gegründeten „deferential society" entsprach. 49

„Another True Federalist", Fayetteville

Gazette, 21. 9. 1789.

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Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen

Allerdings vollzog sich hier im Laufe der Zeit eine Annäherung an die egalitärere Praxis der Nord- und Mittelstaaten. 50 Die dritte Gruppe bildeten New Jersey, Delaware, South Carolina und Georgia, die wenig eigenständige Beiträge zur nationalen Debatte leisteten. Entweder fehlte es an der Opposition, die einen Streit hätte entfachen können, oder die Kritiker verhielten sich zu passiv, um das von den Federalists geformte Meinungsklima nachhaltig zu beeinflussen. Einige Beobachter verzeichneten Stimmungs- und Mentalitätsunterschiede zwischen dem Norden und dem Süden der Union, die nicht mit den alten, oft stereotypen Vorstellungen zusammenpassen wollten. Staunen erregte, daß die als „demokratisch" bekannten Neuengländer nun besonders laut nach Autorität, Ordnung und stabiler Regierung riefen. Wie war es möglich, fragte nicht nur Mathew Ridley in Baltimore, „that the Cold Climate of New-England, and Religious Independency can so assimulate, as to make a Hot-Bed of Governmental Experiments?" Carrington glaubte schon im Oktober 1787 feststellen zu können, daß der Verfassungsentwurf in den „Eastern States" eine freundlichere Aufnahme fand als anderswo. Auch Washington wunderte sich, „that the men of large property in the South should be more afraid that the Constitution will produce an Aristocracy or a Monarchy, than the genuine democratic people of the east." Nicht minder aufmerksam registrierte Madison dieses Phänomen. Es sei bemerkenswert, teilte er Jefferson mit, daß in Neuengland die „men of letters, the principal officers of Govt, the Judges & Lawyers, the Clergy, and men of property" nur hin und wieder einen Verfassungsgegner stellten. Dagegen gehe im Süden der Riß mitten durch die Elite hindurch. Es gebe aber Anzeichen, daß die Bevölkerung des Südens diesmal ihren politischen Führern nicht in der gewohnten Weise folgen werde, selbst wenn sie sich auf „popular ground" stellten. Der Fall Virginia beweise, „that the body of sober & steady people, even of the lower order, are tired of the vicissitudes, injustices and follies which have so much characterised public measures, and are impatient for some change which promises stability & reason." In diesem ungeduldigen Verlangen schienen sie sich mit der Nordstaaten-Elite zu treffen, deren radikal-demokratische Gesinnung den Schock der agrarische Unruhen offenbar nicht unbeschadet überstanden hatte. 51

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Siehe dazu v. a. J. G. A. Pocock, The Classical Theory of Deference, in: AHR 81 (1976); Rhys Isaac, The Transformation of Virginia, 1 7 4 0 - 1 7 9 0 , Chapel Hill, N. C., 1982. Ridley to Jay, 6. 12. 1787, M. Ridley Papers, MHi; Carrington to Jefferson, 23.

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

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Im Gesamtrahmen der Ratifizierungsdebatte durchmaß jeder Staat seine eigene Stimmungskurve. Normalerweise kulminierten öffentliches Interesse und Lautstärke der Auseinandersetzung in den Wahlkämpfen und während der Konvente, um dann abzuflauen. Allein in Pennsylvania gelang es den Antifederalists, die Spannung über die Ratifizierung hinaus aufrechtzuerhalten und den Widerstand sogar noch zu intensivieren. Erst im Frühsommer 1788 nahmen die Federalists das längst erhoffte Nachlassen der Opposition in der back country wahr. Noch im September versammelten sich aber Verfassungsgegner zu einem Parteikonvent in Harrisburg. 52 Am Stimmungsbarometer Virginias lasen die Beobachter besonders hektische Ausschläge ab. Nach anfanglich positiver Reaktion wuchs die Zahl der Kritiker gegen Ende 1787 nahezu täglich. Im Januar konstatierten die Verfassungsanhänger einen Rückgang des „anticonstitutional fever", doch im Wahlkampf griff der „demoniac spirit" wieder von den Wenigen auf die Masse über. Im April gaben viele die Verfassung in Virginia bereits verloren. Obwohl sich die Federalists nach der Ratifizierung von Maryland und South Carolina wieder erholten, hielt Madison den Ausgang bis kurz vor der Abstimmung für völlig ungewiß. 53 Antifederalistische Erfolge im Parlament erfüllten Washington gegen Jahresende wieder mit einem „unusual degree of anxiety." Erst im Januar 1789 war an dem „encrease of federal sentiments" nicht mehr zu deuteln, und Mitte 1789 stellte Archibald Stuart erleichtert fest, der „Parteiengeist" sei endgültig gebannt. 54 Im Staat New York befanden sich die Federalists von Anfang an in der Defensive, auch wenn die City ihre sichere Domäne war. Die Wahlschlappe im Frühjahr 1788 erklärten sie damit, daß die „popular tide" diesmal gegen die gute Sache gewesen sei. Ihre eigene Überzeugungsarbeit, vor allem jedoch „external circumstances" wie die Annahme der Verfassung durch New Hampshire und Virginia, bewirkten

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10. 1787; to Short, 25. 10. 1787, DHRC XIII, 439, 469; Washington to Lafayette, 18. 6. 1788, Fitzpatrick X X I X , 522 ff.; Madison to Jefferson, 9. 12. 1787, Boyd XII, 408 ff. Coxe to Madison, Philad., 11. 6. 1788, Rutland XI, 103 ff. Zum HarrisburgKonvent s. u. Kap. XXI. James Breckinridge to John Breckinridge, Richmond, 14. 12. 1787, Breckinridge Family Papers, LC; Washington to Madison, 10. 1. 1788, Rutland X, 357 ff.; Tobias Lear to Langdon, Mt. Vernon, 25. 1. 1787, Langdon-Elwyn Papers, NHHi; Carrington to Knox, Richmond, 13. 3. 1788, Knox Papers, MHi; Cyrus Griffin to Madison, New York, 28. 4. 1788; Madison to James Madison, Sr., Richmond, 20. 6. 1788, Rutland XI, 31 f., 157 f. Washington to Lincoln, 26. 10. 1788; to Knox, 1. 1. 1789, Washington Papers, LC; Stuart to Madison, Staunton, Va., 31. 7. 1789, Rutland XII, 319 f.

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Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen

im Sommer den „Change of Sentiment", der die Ratifizierung in Poughkeepsie ermöglichte. Aber auch danach blieben die Antifederalists, die sich als die wahren Republikaner verstanden, einflußreich. Im November klagte Hamilton wieder über die „rage for amendments", die seine Landsleute erfaßt habe. Die Parlamentswahlen des Jahres 1789 brachten dann jedoch federalistische Mehrheiten in beide Kammern: „A strange alteration this, to be made in one year, in the minds of the people of the State," resümierte Richard Platt. Der Versuch, Clinton aus dem Gouverneursamt zu verdrängen, schlug allerdings fehl. 55 Nicht minder wechselvoll war der Ablauf in Massachusetts. Nachdem die Stärke der Opposition im Winter 1787/88 Freund und Feind überrascht hatte, wurde der Antifederalismus im Verlauf des Jahres 1788 mehrfach totgesagt. Bei Parlaments- und Governeurswahlen sowie anläßlich der AmendmentBeratungen des Kongresses im Sommer 1789 flackerte er aber immer wieder auf.

Die Intensität der Debatte In den Städten war die Intensität der Debatte naturgemäß am größten. Hier verfügten die Menschen über die besten Möglichkeiten, Informationen zu sammeln und zu verbreiten und soziale Kontakte für politische Zwecke auszunutzen. Tonangebend waren Philadelphia, New York, Boston, Charleston und Baltimore, die mehr als 10. 000 Einwohner zählten. Aber auch in kleineren Orten wie Hartford, Portsmouth, Newport, Providence und Albany im Norden und Richmond und Wilmington im Süden hielt die Diskussion oft über Monate hinweg an. Der Verfassungsplan schlug die ganze Einwohnerschaft in seinen Bann, bildete den „principal topic of conversation in every company," und verdrängte „all lesser matters." 56 Gelegentlich liefen die politischen Fronten mitten durch eine Familie, wie die Beispiele der Lees in Virginia, der Shippens in Philadelphia und der Banckers in New York zeigen. Französischen Salons vergleichbare philosophisch-literarische Gesellschaften behandelten den Entwurf auf ihren Sitzungen, und Debattierclubs wurden eigens gegrün55

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Peter Van Schaack to Henry Walton, Kinderhook, 3. 6. 1788, in: Van Schaack, Life of Peter Van Schaack, S. 425 f.; Ezra L'Hommedieu to John Smith, New York, 20. 7. 1788, John Smith Misc. Mss. Folder, NHi; Hamilton to Sedgwick, New York, 9. 11. 1788, Syrett V, 230 f.; Platt to Winthrop Sargent, New York, 9. 7. 1789, Sargent Papers, MHi. Vgl. u. a. DHRC XIII, 356 f., 505; Rutland X, 233 f.

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

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det, um ihn unter die Lupe zu nehmen. William Cranch berichtete John Quincy Adams im Januar 1788 aus Boston: „We lads who are students in the law in town have form'd ourselves into a club, meeting once a week, for the purpose of cultivating and encouraging forensic and ex tempore disputations." In Richmond diskutierte die „Political Society" die Verfassung an mehreren Abenden im November und Dezember 1787. Zu den Rednern zählten Patrick Henry und George Nicholas, und als Gäste waren die Geschäftsreisenden aus Pennsylvania, Gouverneur Morris und Robert Morris geladen. James Breckinridge wohnte einem Treffen der Gesellschaft bei: „The subject was pretty fully discussed the sense of the house was taken and a great majority were in favor of the ratification." 57 Ähnliche Aktivitäten sind belegt für Philadelphia (Society for Political Enquiries; Federal Club), New York (Philological Society), Newark (Society for Promoting Useful Knowledge), Danville, Ky. (Political Club), Poughkeepsie (Constitutional Society), Wilmington, N. C. (Federal Club) und Charleston (Free and Easy; Ugly Club). Mit weniger Niveau, aber ebenso ernsthaft wurde in Kaffehäusern, Tavernen und auf öffentlichen Plätzen gestritten. An kirchlichen und staatlichen Feiertagen ließen sich Prediger und Festredner von der Verfassung mindestens ebensosehr inspirieren, wie von der Bibel. Zu den Leidtragenden des Debattiereifers gehörten die Frauen, die in der Öffentlichkeit nicht mitreden durften und noch dazu auf die gewohnte Geselligkeit verzichten mußten: „A general anxiety for the Event, supends the love of pleasure. All the Men are immers'd in Politicks — ; and the Women say ,Life is not Life without them.'" Ihr Los verbesserte sich erst, als die Konvente tagten und die Ratifizierung auf Festbanketts und Bällen gefeiert wurde. 58 Ausnahmeerscheinungen waren Mercy Otis Warren und Ann Gerry, die man in Boston als die „anti-federal ladies" kannte. Daß aber auch andere Frauen privat durchaus eine eigene politische Meinung vertraten, bezeugen u. a. der Briefwechsel, den John Adams' Tochter Abigail Adams Smith mit ihrer Mutter Abigail und ihrem Bruder John Quincy führte, sowie der schriftliche Gedankenaustausch zwischen John Jay und seiner Frau Sarah und zwischen Samuel 57

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William Cranch to J. Q. Adams, Boston, 22. 1. 1788, Adams Papers, MHi; James Breckinridge to John Breckinridge, Richmond, 14. 12. 1787, DHRC XV, 561 f. John seinerseits diskutierte den Entwurf am William und Mary College. To James Breckinridge, Grove Hill, 25. 1. 1788, Breckinridge Family Papers, LC. Henrietta Maria Colden to Fanny Tucker, New York, 28. 12. 1787, Tucker-Coleman Papers, Swem Library, WM. Unter den Zuschauern der Ratifizierungskonvente waren Frauen keine Seltenheit. S. u. Kap. XVII.

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B. Webb und seiner Verlobten Catherine C. Hogeboom. Webb geriet in Verlegenheit, als Catherine Hogeboom ihm die zärtlich-herablassende Bezeichnung „Petticoat Philosopher" übelnahm: „You need not fear of my reproving you with the term female politician, I do not hold your Sex in that trifling point of view, Men generally do, — I can readily conceive, that your sensations are lively when you think your friends or Country in danger — and I know not why you may not speak your opinions as well as those who term themselves the Lords of the Creation." Auch Robert Morris' Ehefrau nahm zu politischen Problemen Stellung, „as you know that I am something of a politician." Diese Anzeichen für eine begrenzte Politisierung der Frauen sind bemerkenswert, wenn man liest, daß um dieselbe Zeit der „Verfassungsvater" Charles Pinckney die Geburt eines Sohnes mit den Worten kommentierte: „In my opinion one son is worth a dozen daughters." 59 Weniger aufgeregt als in den Städten ging es für gewöhnlich in den ländlichen Gebieten zu, in denen immer noch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lebte. Hier flössen die Nachrichten spärlicher, und Gelegenheit zum politischen Gedankenaustausch bot sich nur bei bestimmten Anlässen wie Town- und County Meetings, Gerichtstagen, Kirchbesuchen und Milizübungen. Das sagt allerdings wenig über den Grad des Interesses an der Verfassung aus. Zumeist hatten auch die Farmer des Landesinnern ihre feste Meinung, der sie auf gewohnte Weise durch die Wahl und Instruierung von Abgeordneten Ausdruck verliehen. Auf Grund der geschlossenen Siedlungsweise und der Tradition der Gemeindeversammlungen fiel es den Neuengländern etwas leichter, ihre Forderungen zu definieren und zu vertreten, als den Bürgern der Mittelund Südstaaten, deren relevante politische Einheit der Kreis oder das Kirchspiel (Parish) waren. Sicher gab es auch abgeschiedene Gebiete, in 59

Das Webb-Zitat findet sich in Ford, Correspondence III, S. 110 f., Mrs. Morris' Aussage in DHRC II, 602, Pinckneys Äußerung in einem Brief an Rufus King, Charleston, 16. 6. 1788, in: King, Life of Rufus King, I, S. 335. Zu Mercy Warren und Ann Gerry siehe Gerry to James Warren, Cambridge, 28. 6. 1788, in: James T. Austin, Life of Elbridge Gerry, II, S. 84f.; vgl. C. Harvey Gardner, ed., Mercy Otis Warren and Elbridge Gerry. Α Study in Dissent. The Warren-Gerry Correspondence, 1776 — 1792, Carbondale, III., 1968. Nach einem Besuch bei Gouverneur Clinton schilderte Abigail Adams Smith dessen vierzehnjährige Tochter als „as smart and sensible a girl as I ever knew — a zealous politician, and a high antiFederalist." DeWindt II, 80 ff. Zu den Jays siehe Johnston, Correspondence III. Siehe allgem. Linda K. Kerber, Women of the Republic. Intellect and Ideology in Revolutionary America, Chapel Hill, N. C., 1980; Mary Beth Norton, The Revolutionary Experience of American Women, 1750 — 1800, Boston 1980.

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

187

denen die Bewohner ihrem Tagwerk nachgingen, ohne sich um Politik zu scheren: „In this County we have few Politicians, nor do the people seem to concern themselves much about the New foederal Constitution," war im Februar 1788 aus dem virginischen Kreis Botetourt zu hören. In der Gegend um Penobscot in Massachusetts fiel laut Silas Lee kaum ein Wort über die neue Verfassung: „The people in general appear to be totally unacquainted with it and equally indifferent as to its establishment." 60 Aus der Existenz solcher Inseln, zu denen kaum der Verfassungstext, geschweige denn Zeitungen und Propagandamaterial gelangten, auf eine allgemeine Ahnungslosigkeit und Apathie der back countryFarmer zu schließen, wäre aber ganz falsch. Das ebenfalls weit westlich gelegene Pittsfield liefert ein gutes Gegenbeispiel. Auf den Nachbarschaftstreffen, die Henry Van Schaack dort im Dezember 1787 organisierte, stellte er eine „disposition for information" und den politischen Willen fest, „to do that which is right." Ihn selbst nahm die Verfassungsfrage so gefangen, „that I can neither think or talk of any thing else." Wenn sich die freemen provoziert fühlten, das lehrten die Vorfalle in und um Carlisle im Westen Pennsylvanias, konnte ihr Unabhängigkeitsdrang sehr schnell militante Formen annehmen. Die Federalists wußten deshalb nur zu gut, daß ihnen vom Hinterland und der Frontier die größte Gefahr drohte. 61

Meinungsklima

und

Konformitätsdruck

Der Druck, den das Meinungsklima auf den Einzelnen auszuüben vermochte, läßt sich an den Briefen und Tagebuchaufzeichnungen von John Quincy Adams vorzüglich ablesen. Die erste Reaktion des feinfühligen Harvard-Absolventen auf den Philadelphia-Entwurf war äußerst kritisch. Seiner Meinung nach verletzte er die Articles of Confederation und widersprach in wichtigen Punkten der Massachusetts-Verfassung. Schlimmer noch: Er sei „calculated to increase the influence, power and wealth 60

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William Fleming to Thomas Madison, 19. 2. 1788, Draper Coll., WHi; S. Lee to George Thatcher, 9. 5. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 348 f. H. Van Schaack to Sedgwick, 14. 12. 1787, Sedgwick Papers, MHi. Während der Konvent in Boston tagte, nahm die Anspannung noch zu: „The perturbations of mind we are in can be better conceived than described. I can bring myself to think of nothing but this important matter; it is the last of my thoughts when I go to bed and the first in the morning when I awake ... Our friends in the State of New York are anxious beyond discription." 4. 2. 1788, a. a. O.

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Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen

of those who have any already ... it will be a grand point gained in favour of the aristocratic party." Bis ins Jahr 1788 hinein verstand sich John Quincy als ein „strong antifederalist." Inzwischen hatte er aber erfahren müssen, daß sein Lehrherr Theophilus Parsons und die meisten Freunde und Bekannten die federalistische Sache verfochten. Das Bewußtsein, auf der „weaker side" zu stehen und sich zu isolieren, zog seine Gesundheit in Mitleidenschaft: „My nerves for two or three months have been somewhat disordered, and my mind has been totally incapable of much application." 62 Als Massachusetts ratifizierte, hielt er jede weitere Opposition für unvereinbar mit den republikanischen Prinzipien: „In this Town the Satisfaction is almost universal: for my own part, I have not been pleased with this System, and my acquaintance have long since branded me with the name of an antifederalist. But I am now converted, though not convinced ... In our Government, opposition to the acts of the majority of the people is rebellion." Im Bostoner Konvent hätte er für die Annahme der Verfassung gestimmt, versicherte er seinem Studienkameraden William Cranch, „not from the arguments and characters which favoured that side, but from those which appeared on the other." 63 Dieser Sinneswandel stabilisierte sich beim Besuch des ersten New Hampshire-Konvents. Hier wie in Massachusetts stellten gewöhnliche Farmer, die der Sympathien für Daniel Shays verdächtig waren, das Gros der Verfassungsgegner. Mit solchen Leuten und ihrer ungeschliffenen Argumentationsweise wollte Adams nicht identifiziert werden: „I am now a strong federalist. Not that I am convinced the plan is a good one, but because I think opposition would be attended with more immediate and perhaps greater evil." 64 Im März stellte er etwas erstaunt, aber erleichtert fest, daß sich sein Vater im dritten Band des Defence of the American Constitutions positiv zum Verfassungsentwurf geäußert hatte. Mit seinem Gewissen war er aber auch im April noch nicht ganz im reinen: „The revolution that has taken place in sentiments within one twelve month past must be astonishing to a person unacquainted with the weaknesses, the follies, and the vices of the human nature." Von einem „Rückfall" in den Antifederalismus hielt ihn aber das Schicksal

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Vgl. J. Q. Adams to William Cranch, 14. 10. 1787; to Oliver Fiske, 31. 1. 1788, DHRC XIV, 220ff.; Diary, 1-2. 10. 1787. Brief vom 16. 2. 1788, Adams Papers, MHi; vgl. Diary, 7. 2. 1788. To Nathaniel Freeman, 25. 2. 1788, Printed Excerpts in: Highly Important American Historical Documents ... The Property of Elsie O. and Philip D. Sang Foundation, Sotheby Parke Bernet, Sale No. 4267.

Stimmungen, Mentalitätswandel und öffentliche Meinung

189

des einst hochangesehenen Generals James Warren ab: „Among all those who were formerly his friends he is extremely unpopular, while the insurgents and antifederal party (for it is but one) consider him in a manner as their head." 65 Die Warrens und die Gerrys mochten diese soziale Quarantäne ertragen und überstehen; der junge, ehrgeizige John Quincy Adams konnte sich dagegen eine Außenseiterrolle in der „besseren Gesellschaft" von Newburyport und Massachusetts nicht leisten. John Quincy Adams' Weg vom prinzipiellen Gegner über den zögerlichen, von Selbstzweifeln geplagten Kritiker zum Anhänger der Verfassung war kein Einzelfall. Diese Entwicklung kann vielmehr als repräsentativ für eine beträchtliche Zahl von jungen Amerikanern gelten, die den Bruch mit der radikal-republikanischen Tradition, in der sie aufgewachsen waren und die sie verinnerlicht hatten, schmerzlich empfanden. Zwei weitere Briefauszüge mögen als Beleg genügen. Der knapp dreißigjährige virginische Anwalt William Nelson suchte im März 1788 bei William Short in Paris Rat: „The theories of republicanism (at least according to my ideas) are degraded as the phantasies of enthusiastick minds, as metaphysical exercises for youthful genius, but too chimerical for practice. My God! is it possible that thou hast given reason merely as an ornament, and not as a light which we are to follow in the pursuit of philosophical and political truth? Is sound argument at variance with fact?" Der Bostoner Peter Thatcher bedauerte im Herbst 1788 die „erraneous sentiments with respect to government which I formerly entertained and which I expressed in the convention for forming the constitution of government of this commonwealth ... I had formed my ideas of government from books and observations made in a period when imagination naturally too warm was incapable of judging cooly upon facts." 66 Allein schon diese Beispiele rücken die These von den „konservativen" Antifederalists und den Federalists als den dynamischen jungen Männern der Revolution in ein zweifelhaftes Licht. 65

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Diary, 5. 3., 7. 4., 25. 4.; 3. u. 5. 7. 1788 (Besuche bei Gerrys und Warrens). Vgl. Robert A. East, John Quincy Adams. The Critical Years, 1785 — 1794, New York 1962. Nelson to Short, Westover, Va., 4./9./13. 3. 1788, Short Papers, LC; Thatcher to Jonathan Jackson, 30. 10. 1788, James Jackson Papers, MHi. Ein anderer Fall ist Silas Lee, über den sein Bruder Jeremiah im Februar 1788 schrieb, er sei nun von der „Epidemie" genesen „and will I believe make a very good Federalist." Silas selbst erbat von George Thatcher weitere Belehrung, „untill I am convinced that my fears are groundless." J. and S. Lee to G. Thatcher, Biddeford, 7. 2. 1788, G. Thatcher Papers, Boston Public Library. Ganz ähnlich erging es dem jungen Juristen William Symmes. S. u. Kap. VIII.

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Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

Neue Vorstellungen vom Wesen und Nutzen der öffentlichen Meinung Die Ratifizierungsdebatte schärfte und erweiterte das Verständnis für die Bedeutung der öffentlicher Meinung im republikanischen Staat. Einige Amerikaner waren besonders von den instrumentellen Elementen und Lenkungsmöglichkeiten der Propaganda angetan. So riet Jonathan Jackson als „A Native of Boston" seinen Landsleuten, sie sollten sich mit einer Kunst vertraut machen, die bei den Regierenden Europas schon in hohem Ansehen stehe: „It is this — a previous preparation of the publick mind for publick measures, by convincing the people as much as possible, beforehand, of the expediency of them." 67 Andere, wie David Howell in Rhode Island, faszinierte mehr die Urgewalt der Volksmeinung, die sie im Ratifizierungsprozeß erlebt zu haben glaubten: „Under all governments where the people have any considerable influence ... there is a pervading influential principle superior to all constitutions and laws on paper — I mean, the spirit of the times ... There is a majesty in the people, and a sovereignty in their voices, that prostrate all other authority." 68 Eine Zwischenposition bezog George Washington, der nach seiner Wahl zum Präsidenten die Erfahrungen der Jahre 1787/88 nutzte, um das neue Regiment mit psychologischem Geschick auf die Zuneigung der Bürger zu gründen: „In a government which depends as much in its first stages on public opinion, much circumspection is still necessary for those who are engaged in its administration. Fortunately the current of public sentiment runs with us." 69 Madison ging weiter als Washington und suchte nach einer dauerhaften organischen Beziehung zwischen Regierung und Öffentlichkeit. Zur Zeit der Verfassungsdebatte hatte er all seine Energie auf die Zähmung des Mehrheitswillens gerichtet. Unter dieser Prämisse konnte er der öffentlichen Meinung keine übermäßig gewinnbringende Funktion zumessen, galt sie ihm doch als Abbild dessen, was die Mehrheit dachte, fühlte und wünschte. Kaum demonstrierte die neue Regierung jedoch ihre Macht, sah er das Wechselspiel von „public opinion" und „government" schon differenzierter: „Public opinion sets bounds to every Government, and is the real sovereign in every free one. As there are cases where the public opinion must be obeyed by the Government, so there are cases, where, not being fixed, 67

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„Thoughts Upon the Political Situation of the United States", Worcester, Mass., 1788, Pamphlet, Evans 21173. Providence Gazette, 9. 8. 1788. To Rochambeau, New York, 10. 8. 1790, Fitzpatrick XXXI, 82 ff.

Stimmungen,

Mentalitätswandel

und öffentliche

Meinung

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it may be influenced by the Government." Daraus sprach die Sorge, im Bemühen um die Kräftigung der Regierungsautorität zu weit gegangen zu sein. Der Mitautor der Publius-Briefe gab nun zu, daß die territoriale Ausdehnung der Union und die Fragmentierung der Gesellschaft in Interessengruppen auch Gefahren für die Freiheit barg. „Öffentlichkeit" konnte diese Weitläufigkeit und Zersplitterung teilweise kompensieren: „Whatever facilitates a general intercourse of sentiments, as good roads, domestic commerce, a free press, and particularly a circulation of newspapers through the entire body of the people, and Representatives going from, and returning among every part of them, is equivalent to a contraction of territorial limits, and is favourable to liberty, where these may be too extensive." Das Ziel war eine Regierung, „deriving its energy from the will of the society, and operating by the reason of its measures, on the understanding and interest of the society."70 Auf dieser philosophisch-ideologischen Grundlage begann die Zusammenarbeit mit Thomas Jefferson.

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„Notes for the National Gazette Essays", Influence of public opinion on Government, ca. 19. 12. 1791 - 3. 3. 1792, Rutland XIV, 161 ff. In England sprach Jeremy Bentham um diese Zeit vom „tribunal of public opinion." Speier, Historical Development, S. 377. Im Preußen Friedrichs II. war eine Privatperson dagegen „nicht berechtigt, über Handlungen, das Verfahren, die Gesetze, Maßregeln und Anordnungen der Souveräne und Höfe, ihrer Staatsbediensteten, Kollegien und Gerichtshöfe öffentliche, sogar tadelnde Urteile zu fallen oder davon Nachrichten, die ihr zukommen, bekanntzumachen oder durch den Druck zu verbreiten. Eine Privatperson ist auch zu deren Beurteilung gar nicht fähig, da es ihr an der vollständigen Kenntnis der Umstände und Motive fehlt." Rescript von 1784, zit. bei Habermas, Strukturwandel, S. 40. Zu diesem Themenkreis sind neuerdings eine Reihe ausgezeichneter Aufsätze erschienen in Johannes Schwartländer u. Dietmar Willoweit (Hrsg.), Meinungsfreiheit — Grundgedanken und Geschichte in Europa und USA. Tübinger Universitätsschriften. Forschungsprojekt Menschenrechte, Bd. 6, Kehl a. Rh.— Straßburg—Arlington 1986. Besonders hervorzuheben sind Benedikt Haller, Die auf Meinung gegründete Republik — zur Rehabilitierung der Meinung in der politischen Philosophie der Amerikanischen Revolution; Gerald Stourzh, Die Entwicklung der Rede- und Meinungsfreiheit im englischen und amerikanischen Rechtsraum; Winfried Brugger, Meinungsfreiheit im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika; Wolfram Siemann, Kampf um Meinungsfreiheit im deutschen Konstitutionalismus. Vgl. u. Kap. XXII.

VII. KAPITEL

Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften und Zeitungen

Bücher und Almanache Als einziges staatenübergreifendes Kommunikationsmittel hatte die Presse seit der Stamp Act-Krise der 1760er Jahre den nationalen Zusammenhalt gestärkt und die Ausformung einer amerikanischen Identität erleichtert. Dabei war den Druckern die erstaunlich hohe Lesefahigkeit zugute gekommen, durch die sich die koloniale Gesellschaft auszeichnete.71 Nun bildete die Presse erneut das Forum für eine die Staatengrenzen sprengende, wahrhaft nationale Debatte. Im Unterschied zur Revolution handelte es sich um einen rein internen, wohlgeordneten und in legalen Institutionen kanalisierten Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozeß. Das kompromißlose Freund-Feind-Schema mußte dem Wettbewerb um Wähler- und Abgeordnetenstimmen weichen, wobei die Minderheit die Rolle der erlaubten, systemkonformen Opposition übernahm. Der Kampf um die Verfassung steht deshalb ganz vorn in der Reihe der großen „campaigns of minds", die Präsident Woodrow Wilson für ebenso hart und schwer erachtete wie die „campaigns of arms."72 Gewisse Züge einer „Materialschlacht" waren in der Tat unverkennbar, und nicht zufällig flössen militärische Vokabeln in den Wortschatz der Parteien ein. Hamilton schickte den ersten .P*M«.r-Aufsatz mit der sorgenvollen Bemerkung nach Mount Vernon, die „artillery of the opponents" habe schon Wirkung erzielt. Sein Mit-Autor Madison kommentierte den Auftakt der antifederalistischen Brutus-Serie mit dem Satz: „A new Combatant ... with considerable address & plausibility, strikes at the foundation ..." Für die „Winter Campaign" der Verfassungsanhänger 71

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Vgl. Kenneth A. Lockridge, Literacy in Colonial New England, New York 1974; William J. Gilmore, Elementary Literacy on the Eve of the Industrial Revolution. Trends in Rural New England, 1 7 6 0 - 1 8 3 0 , Worcester, Mass., 1982. Zit. nach Philip G. Davidson, Propaganda and the American Revolution, 1763 — 1783, Chapel Hill, N. C., 1941, S. 345.

Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften und Zeitungen

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in Maryland erbat Thomas Hartley Rat und Propagandaschriften von Tench Coxe aus Philadelphia. 73 Alle bis dahin bekannten Arten von Druckerzeugnissen fanden Verwendung. Wie in der Revolution bereits erprobt, wurden sie austauschbar, ergänzten und unterstützten sich wechselseitig. Zusammengenommen bildet das in den Jahren 1787 bis 1789 veröffentlichte Material bis auf den heutigen Tag den „greatest body of political writing in American history." 74 Die intensive Teilnahme der Drucker blieb nicht ohne Folgen für das Pressewesen selbst. Die Verfassungsdebatte, die erstmals nationale amerikanische Parteien hervorbrachte, gab auch einen Vorgeschmack auf das künftige Gegeneinander von Regierungs- und Oppositionspresse. 75 Überschaut man die Entwicklung der amerikanischen Literatur, dann fallt der dramatische Wandel ins Auge, der um das Jahr 1774 einsetzte. Bis dahin trug sie einen entschieden religiösen Charakter und stand ganz im Zeichen bedeutender Einzelpersönlichkeiten. Die Revolution katapultierte dagegen das politische Schrifttum an die erste Stelle, und die Themen Regierung, Recht und Verfassung wurden zu Fixpunkten der intellektuellen Anstrengung. Der Kreis der Schreiber weitete sich aus, die Verfasser blieben zumeist anonym und tauchten nicht selten völlig im kollektiven Werk von Komitees und legislativen Körperschaften unter. Mengenmäßig erreichte diese Revolutionsliteratur im Jahr 1776 ihren Höhepunkt. Dauer und Härte des Krieges, verbunden mit ständiger Papierknappheit, setzten der Schaffenskraft danach enge Grenzen. Erst Mitte der achtziger Jahre nahm die Produktion wieder zu, um von 1787 an auf einen neuen Gipfel emporzuschnellen. 76 Bücher eigneten sich normalerweise am wenigsten, eine aktuelle politische Debatte zu beeinflussen. Niederschrift und Drucklegung nahmen 73

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Hamilton to Washington, New York, 30. 10. 1787, Syrett IV, 306; Madison to Randolph, N e w York, 21. 10. 1787, Rutland X, 199f.; Hartley to Coxe, York, 11. 1. 1788, Coxe Papers, PHi. Kaminski und Saladino in der Einleitung zu D H R C XIII, S. XVII. Das Interesse konzentrierte sich bislang auf die Revolutionsperiode und die 1790er Jahre. Herausragende Beiträge sind neben Davidson (s. o. Anm. 72) Donald H. Stewart, The Opposition Press of the Federalist Period, Albany, Ν. Υ., 1969; Culver Η. Smith, The Press, Politics, and Patronage. T h e American Government's Use of Newspapers 1 7 8 9 - 1 8 7 5 , Athens, Ga., 1977; Bernard Bailyn and J o h n B. Hench, eds., The Press and the American Revolution, Worcester, Mass., 1980. Die Gesamtdarstellungen zum Pressewesen streifen die Verfassungsdebatte nur am Rande. Siehe Frank L. Mott, American Journalism, 2nd ed., N e w York 1959; Sidney Kobre, Foundations of American Journalism, Westport, Conn., 1958. Evans, Einleitung zu vol. V, S. VII.

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Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

viel Zeit in Anspruch, und mindestens ebenso lange dauerte es, bis der Inhalt rezipiert und verarbeitet war. Wenn in der Verfassungsdebatte Buchautoren zitiert wurden, dann handelte es sich zumeist um (allerdings gar nicht so alte) „Klassiker" wie Locke, Blackstone, Montesquieu und Hume. Montesquieus De L'Esprit Des Lois galt sogar als „a Kind of Bible for Politicians." Mit dieser politischen Bibel gehe es aber wie mit dem Buch der Bücher, fügte Richard Peters augenzwinkernd hinzu: „Every one finds a Text to suit his own Purposes. If indeed the Text does not exactly fit, convenient Interpretation must do the Business." 77 Ein neues Buch aus der Feder eines Amerikaners sorgte ab Frühjahr 1787 aber für politischen Wirbel. Die Federalists betrachteten es als glückliche Fügung, daß der erste Band von John Adams' Defence noch rechtzeitig vor Beginn des Philadelphia-Konvents in Amerika eintraf. Dieser Versuch des Gesandten am Hofe Georges III., die 1784 posthum publizierten Ansichten des Barons Turgot über die Vereinigten Staaten richtigzustellen, fügte sich in die Krisenstimmung ein und gab dem Reformverlangen zusätzliche Nahrung. Adams' aus der Geschichte der Republiken abgeleitetes Plädoyer für „balanced governments" nach englischem Muster beflügelte die Kampagne zur Bildung einer „echten" nationalen Regierung und zur Stärkung der Exekutiven, Senate und Gerichte in den Einzelstaaten. Das breite Publikum erhielt durch Auszüge, Kommentare und Rezensionen in den Zeitungen Kenntnis von den Vorstellungen des angesehenen Staatsmannes und Diplomaten. Die Resonanz war allerdings nicht einhellig positiv. Etliche Leser stießen sich an Adams' Lobpreis der englischen Verfassung und mehr noch an seiner Überzeugung, auch im republikanischen Staatswesen sei eine „natürliche Aristokratie" unverzichtbar. Auf diese Weise trug das Buch zum Auseinandertreten von Meinungslagern und zur Klärung der Fronten bei. 78 Die Debatte erzeugte aber auch ihre eigenen Bücher. Von bleibendem Wert erwies sich der Federalist, die zweibändige Ausgabe der Publius77

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To John Adams, Belmont, Pa., 15. 6. 1789, Hull Coll. of Letters Relating to the Adams Family, Smithonian Institution. Vgl. Paul Spurlin, Montesquieu in America, 1 7 6 0 - 1 8 0 1 , Baton Rouge, La., 1940. John Adams, A Defence of the Constitutions of Government of the United States of America, 3 vols., London 1 7 8 7 - 8 8 , ND New York 1971. Turgot hatte 1778 in einem Brief an den englischen Geistlichen und Aufklärer Richard Price das Zweikammersystem der amerikanischen Staatenverfassungen als Verstoß gegen die demokratischen Prinzipien bezeichnet. Price machte den Brief 1784 zusammen mit seinen Observations on the Importance of the American Revolution in London publik. Vgl. DHRC XIII, 81 ff.

Das literarische

Medium: Bücher, Flugschriften

und Zeitungen

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Briefe, die Hamilton, Jay und Madison zwischen dem 27. Oktober 1787 und dem 2. April 1788 in vier verschiedenen New Yorker Zeitungen an „the People of the State of New-York" gerichtet hatten. Weil die Essays ungewöhnlich lang waren und — wie manche meinten — den normalen Leser überforderten, wurden nur wenige von ihnen außerhalb New Yorks nachgedruckt. Das gab offenbar den Anstoß zur Edition der FederalistBände, die John und Archibald M'Lean im März und Mai 1788 besorgten. Der zweite Band fügte zu den bis dahin publizierten 76 Briefen acht neue hinzu, schraubte die Gesamtzahl also auf die einsame Höhe von 84 Beiträgen. Durch die Teilung des 31. Briefes lief die Numerierung jetzt bis 85. Beide Bände zusammen umfaßten über 600 Seiten und wurden in einer Auflage von je 500 gedruckt. Ein federalistisches Parteikomitee zahlte die Hälfte der Herstellungskosten von etwa 550 Pfund Sterling an die M'Leans. Über den Buchhandel und durch das private Versand- und Tauschverfahren wurde der Federalist rasch in Umlauf gebracht, so daß bis zum Mai 1789 fast alle tausend Exemplare Abnehmer gefunden hatten. Überall in der Union kannte man jetzt die geschliffenen und pointierten Argumente des Publius und nutzte sie für die eigene Sache. Die Identität der Verfasser war zwar nur wenigen Eingeweihten bekannt, wurde aber von den politisch Unterrichteten meist zutreffend erahnt. 79 Ein Opportunist in federalistischen Diensten war Thomas Lloyd, der die Debatten des pennsylvanischen Ratifizierungskonvents in Kurzschrift festhielt. Anfang Februar 1788 publizierte er einen Band, der Debates of the Convention of the State of Pennsylvania betitelt war, auf 150 Seiten aber nur einige Reden der prominentesten Verfassungsbefürworter James Wilson und Thomas McKean wiedergab. Damit wollten die Parteigänger 79

The Federalist. A Collection of Essays, Written in Favour of the New Constitution, by a Citizen of New-York, 2 vols., New York 1788. Die beste kritische Ausgabe ist Jacob Ε. Cooke, ed., The Federalist, Middletown, Conn., 1961. Zur Verbreitung der Zeitungsartikel Elaine F. Crane, Publius in the Provinces. Where was The Federalist Reprinted Outside New York City? in: WMQ 21 (1964), S. 589 ff. Vgl. DHRC XIII, 486 ff. Ein Briefschreiber aus Charleston, der am 7. 7. 1788 im Ν. Υ. Daily Adv. zu Wort kam, lobte: „The FEDERALIST does honor to your city, and indeed to the United States. All our patriots and literati, in the year 1773, did not understand the principles of Government as well as that single writer." Knapp 40 Jahre später kennzeichnete Madison den Federalist als „an Authority to which appeal is habitually made by all & rarely declined or denied by any, as evidence of the general opinion of those who framed & those who accepted the Constitution of the U. States on questions as to its genuine meaning." To Jefferson, 8. 2. 1825, Hunt, Writings of Madison, IX, 218ff. Vgl. Donald O. Dewey, James Madison Helps Clio Interpret the Constitution, in: AJLH 15 (1971), S. 47.

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Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

der Verfassung den Eindruck verwischen, den die ausgewogene Berichterstattung des Pennsylvania Herald in der Öffentlichkeit hinterlassen hatte. Obgleich diese Methode selbst in den eigenen Reihen gerügt wurde, machten die Federalists weit über Pennsylvania hinaus ungeniert von dem Buch Gebrauch. Kurzfristige Propagandazwecke erfüllten die Pennsylvania Debates tatsächlich besser als der Federalist, der seine volle Wirkung erst sehr viel später entfaltete. 80 Im Frühjahr 1788 wurden außerdem noch die Debates, Resolutions, and Other Proceedings des Bostoner Konvents zum Kauf angeboten. Die Drucker Adams und Nourse hatten den Band, der Reden für und wider die Verfassung enthielt, aus Zeitungsberichten kompiliert. Von den Erfolgen der Redensammlungen aus Pennsylvania und Massachusetts ermuntert, brachten Verfassungsfreunde auch die Debatten des virginischen und des ersten North Carolina-Konvents in Buchform unters Volk. Beide Bände kamen reichlich spät, wurden aber Teil des beginnenden Parteienstreits zwischen Federalists und Republicans.81 Wie sehr die Politik inzwischen auch die beliebten Almanache einfärbte, mag eine Passage aus Fleets Pocket Almanack für 1790 veranschaulichen. Sie charakterisierte die Bewohner des „Nachzügler"-Staates North Carolina wenig schmeichelhaft: „From a depreciated paper medium (like Rhode Island) and a deficiency of political knowledge, they in general are anti-federal ... Temperance and industry are not reckoned among their virtues. The general topics among the men, when cards and the bottle do not intervene, are negroes, the price of indigo, rice, tobacco etc. The time they waste in drinking, idling, and gambling, leaves the most of them very little opportunity to improve their plantations or their minds." 82 80

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82

Thomas Lloyd, comp, and ed., Debates of the Convention, of the State of Pennsylvania on the Constitution, Proposed for the Government of the United States, Philadelphia 1788. Zur Reaktion DHRC II, 40 ff. Zu Lloyds zwielichtiger Rolle im Ratifizierungskonvent von Maryland s. u. Kap. XVII. Debates, Resolutions, and Other Proceedings, of the Convention of the Commonwealth of Massachusetts, Boston 1788, Evans 21242; David Robertson, ed., Debates and Other Proceedings of the Convention of Virginia, Petersburg, Va., 1788; 2nd ed. 1805. Die Antifederalists hatten sich im Richmond-Konvent einer Mitschrift von Reden aus Furcht vor Manipulation widersetzt, waren aber unterlegen. Fredericksburg Va. Herald, 5. 6. 1788. Die North CztoXim-Debates wurden in den Wahlkampf für den zweiten Ratifizierungskonvent geworfen, obgleich die Federalists selbst sie für „in many places defective" hielten. Davie to Iredell, Newbern, 1. 7. 1789, Iredell Papers, Duke Univ.; Maclaine to Iredell, Wilmington, 11.8.1789, McRee II, 262 f. Eine frühe Sammlung überlieferter Konvent- und Parlamentsdebatten über den Verfassungsentwurf sind Elliots Debates (2nd ed., 1836—45). Almanach, MaHi.

Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften

und Zeitungen

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Pamphlete und Flugblätter Pamphlete hatten die Revolution vorangetrieben und nach dem Friedensschluß den nationalen Gedanken am Leben gehalten. 8 3 Sie waren an die Allgemeinheit gerichtet und diskutierten Fragen v o n unmittelbarem politischen Interesse. Das gute Pamphlet lenkte die Aufmerksamkeit auf zentrale Probleme der Gesellschaft und vermittelte dem „public mind" Anregungen und geistige Führung. Der A u t o r sollte logisch argumentieren, Weitschweifigkeiten vermeiden, positive Leidenschaften wecken und — in Maßen — „die Nerven erregen." 8 4 Keines der für oder gegen die Verfassung geschriebenen Pamphlete erreichte die durchschlagende Wirkung, die Thomas Paine 1776 mit Common

Sense erzielt hatte. Paine

war es aber auch weniger darum gegangen, eine politische Diskussion zu führen, als die Amerikaner mit prophetischem Pathos zum Unabhängigkeitskampf aufzurütteln. In ihrer gediegen-nüchternen Beweisführung und juristischen Gelehrsamkeit waren die Pamphlete der Verfassungsdebatte wieder eher „typisch" amerikanisch. 8 5 Pamphlete fanden in der Regel nationale Verbreitung und gelangten auch ins Hinterland, das nicht

83

84

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Bernard Bailyn, ed., Pamphlets of the American Revolution, Cambridge, Mass., 1965 ff. Vgl. Homer L. Calkin, Pamphlets and Public Opinion During the American Revolution, in: PMHB 64 (1940), S. 22 ff. Nach Davidson, Propaganda, S. 209 f., war das Pamphlet in der vorrevolutionären Zeit „the accepted medium on both sides of the Atlantic for the dissemination of ideas ... The Pamphlet ... was vitally and particularly the medium through which was developed the solid framework of constitutional thought." Zu den wirkungsvollsten nationalen Flugschriften zwischen Friedensschluß und Verfassunggebung gehörten Pelatiah Websters A Dissertation on the Political Union von 1783 (Evans 18299) und Noah Websters 1785 in Hartford veröffentlichtes Pamphlet Sketches of American Policy (Evans 19366). Siehe dazu N. Webster to Madison, Hartford, 30. 6. 1792, Rutland XIV, 334 ff. Ein „Fellow Citizen" (Abraham Clark?) versuchte 1784, radikalen Republikanismus und zentralistische Regierungsform miteinander zu vereinbaren. Siehe Edmund S. Morgan, ed., The Political Establishments of the United States, 1784, in: WMQ 23 (1966), S. 286 ff. Alexander C. Hanson („Aristides") grenzte sich auf diese Weise vom Federalist ab. Der sei eher ein „treatise on government [and] from its prolixity tiresome." DHRC XV, 517 ff. Common Sense erreichte allein 1776 eine Auflage von ca. 150.000 Exemplaren. G. Thomas Tanselle, Some Statistics on American Printing, in: Bailyn and Hench, eds., Press and Revolution, S. 353. Zur Beurteilung Bailyn, The Most Uncommon Pamphlet of the Revolution: Common Sense, in: AH 55 (1973), S. 36 ff., 91 ff.; ders., Common Sense, in: LC Symposia on the American Revolution. Fundamental Testaments of the American Revolution, Washington, D. C., 1973, S. 7 ff.

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Öffentlichkeit, Presse und Korrespondenzen

regelmäßig mit Zeitungen versorgt wurde. Andererseits mußte der Autor die Druckkosten selbst tragen und häufig mit für den Absatz sorgen. 8 6 Auf Seiten der Verfassungsgegner zählt das Richard Henry Lee zugeschriebene vierzigseitige Pamphlet Federal Farmer.Letters to the Republican zu den literarisch anspruchsvollsten und politisch einflußreichsten Streitschriften. Es erschien im N o v e m b e r 1787 in N e w York, wurde viermal aufgelegt und in mehreren tausend Exemplaren über die Union verteilt. 87 Weithin bekannt und wirksam waren auch James Warrens Republican Federalist, William Findleys An Officer of the Late Continental Army, Mercy Otis Warrens Observations of a Columbian Patriot, Melancton Smiths Plebeian, der in Philadelphia gedruckte Federal Republican und die Pamphletfassung v o n Luther Martins Genuine Information. Auf Pennsylvania und angrenzende Gebiete beschränkt blieben dagegen die Satire des Schneiders William Petrikin aus Carlisle („Aristocrotis": The Government of Nature Delineated) und die v o m Rechnungsprüfer der Staatsregierung, John Nicholson, verfaßte View of the Proposed Constitution,88 Als federalistische Pamphletisten taten sich der philadelphische Kaufmann Pelatiah Webster und der N e w Yorker N o a h Webster hervor. Unter der Signatur „A Citizen of Philadelphia" widersprach Pelatiah Webster im Oktober 1787 der Kritik der pennsylvanischen Parlamentsminderheit und griff er im November den Verfasser der 5r»/»j-Briefe an. N o a h Websters 35-seitige Examination into the Constitution („A Citizen of Ame86

87

88

Aus Rockbridge, Va., schrieb William Graham an Zachariah Johnston: „Newspapers don't circulate in the back parts; perhaps a Pamphlet containing about 30 pages ... would be of most general use." William Fleming Papers, VStL. Die Situation in Maryland skizzierte aus antifederalistischer Perspektive „A Republican": „The Annapolis Paper every body knows has a very confined circulation ... The two Baltimore Papers do not circulate on the Eastern Shore ... Those Papers though they circulate through the different counties of the Western Shore, yet are read by, comparatively, few of the common class of the people." Baltimore Md. fournal, 16. 5. 1788. Die pennsylvanischen Verfassungsgegner mußten 15 Pfund Sterling (ca. $ 38) aufbringen, um William Petrikins Pamphlet The Government of Nature Delineated in einer Auflage von 1. 400 Stück drucken zu lassen. Insgesamt hofften sie, über 4.000 verkaufen zu können. DHRC II, 694 ff. Abgedr. in DHRC XIV, 14 ff. (mit ausführlicher Erörterung der Frage der Autorschaft) und in Storing II, 214 ff. Im Mai 1788 brachte Thomas Greenleaf vom Ν. Y. fournal die Briefe XI —XVIII als An Additional Number of Letters From the Federal Farmer to the Republican heraus. Evans 21197. Vgl. Gordon S. Wood, The Autorship of the Letters from the Federal Farmer, in: WMQ 31 (1974), S. 2 9 9 308. Abgedr. in Storing II, 19 ff.; Ill, 65 ff., 91 ff., 196 ff.; IV 162 ff., 270 ff.; VI, 128 ff.; vgl. DHRC XIII, 297 ff., 381, Anm. 2; 405 f., 564f.; XIV, 63 ff., 255 ff.; XV, 146 ff.

Das literarische Medium: Bücher, Flugschriften und Zeitungen

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rica") und Charles Pinckneys Observations on the Plan of Government waren die ersten ausführlichen Erläuterungen und Rechtfertigungen des Verfassungsentwurfs. Eine neue autoritative Interpretation lieferte dann James Wilson, dessen Rede im pennsylvanischen Ratifizierungskonvent vom 24. November wenige Tage später in Pamphletform vorlag und zum Stückpreis von einem Shilling zu tausenden unters Volk gebracht wurde. 89 Weitere bedeutende Beiträge leisteten John Stevens, Jr. („A Farmer, of New Jersey" Observations on Government), John Dickinson (Letters of Fabius), John Jay („A Citizen of New York": An Address to the People of the State of New-York), Alexander Contee Hanson („Aristides": Remarks on the Proposed Plan of Federal Government) und James Iredell („Marcus": An Answer to Mr. Mason's Objections).90 In Philadelphia, dem Hauptort des amerikanischen Buchdruck- und Pressewesens, erschienen bis zum April 1788 sechs Pamphlete in Erstausgabe. Es folgten New York und Boston, aber auch Maryland, Virginia und die Carolinas steuerten ihren Teil bei. Zu diesen politischen Traktaten gesellten sich Festreden und Predigten, die am Unabhängigkeitstag oder aus Anlaß der Ratifizierung gehalten und für wert befunden wurden, im Druck zu erscheinen. 91 Besonderer Beliebtheit als Informations- und Propagandaträger erfreuten sich Pamphlet-Anthologien, die keine Originalbeiträge brachten, sondern bereits als wirksam erkanntes Material zusammenfaßten. In diese Kategorie fallen die Various Extracts on the Federal Government, die der Drucker Augustine Davis am 15. Dezember 1787 in Richmond veröffentlichte, sowie die Observations on the Proposed Constitution, die New Yorker Antifederalists in Umlauf setzten, und die den höchst effektiven Dissent of the Minority mit den ersten neun Centinel-Briefen koppelten. 92 Für die Wahlkämpfe bestens geeignet waren Flugblätter (broadsides, breadsheets, hand-bills), die rascher, billiger und in größerer Zahl hergestellt werden konnten. Auf ein bis vier Seiten lieferten sie vornehmlich Nachdrucke von Zeitungsartikeln oder Auszüge aus Pamphleten. Häufig erschienen Beiträge kurz hintereinander in Zeitungen und auf einem 89

90 91

92

D H R C XIII, 297 ff.; XIV, 63 ff.; II, Microfiche Suppl. Pa. 142 (vgl. XIII, 405 f.); II, 340 ff. (vgl. XIV, 206 f.). Ford, Pamphlets, 70, 200; D H R C XIII, 558 ff.; XIV, 149; XV, 517 ff. Zum Beispiel William Hull, An Oration Delivered to the Society of the Cincinnati, Boston, 4. 7. 1788, Evans 21155; David Ramsay, An Oration, Prepared for Delivery before the Inhabitants of Charleston ... to Celebrate the Adoption of the New Constitution by South Carolina, 27. 5. 1788, Evans 45319. Siehe D H R C XIV, 447 f.

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Öffentlichkeit,

Presse und

Korrespondenzen

Flugblatt. Ein Beispiel sind Tench Coxes frühe „American Citizen"Essays. Die ersten drei Nummern standen im Philadelphia Independent Gazetteer vom 26., 28. und 29. September 1787; am 21. Oktober boten Hall und Seilers dann eine vierseitige „broadside anthology" an, die außer den — teilweise überarbeiteten — ersten drei einen neuen vierten Aufsatz enthielt. Hinzu kamen James Wilsons Speech at α Public Meeting in Philadelphia, 6 October (zuerst gedruckt als Extraausgabe des Pennsylvania Herald am 9. Oktober) und zwei weitere pro-Verfassungs-Stücke. Der gleichen Praxis bedienten sich die pennsylvanischen Antifederalists, die u. a. die Address of the Seceding Assemblymen, den Dissent of the Minority und die Nummern IV und V der Old Whig-Essays fast gleichzeitig in Zeitungen und als Flugblätter in englischer und deutscher Sprache herausbrachten. 93 Ein Flugblatt mit den beiden ersten Centinel-Briefen und James Tiltons Timoleon-Aufsatz wurde in New York gedruckt und zirkulierte auch in Pennsylvania und Connecticut. 94 Während des New Yorker Wahlkampfes brachten die republikanischen (d. h. antifederalistischen) Komitees den Bürgern auf Flugblättern ihre Einwände gegen den Verfassungsentwurf zur Kenntnis und hielten sie zur Stimmabgabe an. 95 Weil sich diese Schriften auf das Wesentliche konzentrierten und den „common man" ansprachen, entfalteten sie eine beachtliche Mobilisierungskraft. Auch in Boston erregte ein verfassungskritisches Flugblatt Aufsehen: „Last Wednesday morning [14. November], hand-bills were posted up in every part of this metropolis, dropped in the streets, and liberally distributed among our Political Fathers — They were read with avidity by all ranks of people." 96 Was die Verfassungsdebatte von der Revolutionsepoche abhebt, ist einmal die schiere Menge des gedruckten Materials und seine besser organisierte Verbreitung, zum anderen die noch weitergehende Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Druckformen. Zeitungsbeiträge erschienen als Flugblätter und wurden in Pamphlet-Sammlungen 93

94 95 96

DHRC II, 617; XIII, 247 ff., 293 f., 430 ff. Drucker Oswald vom Indep. Gazetteer teilte der Kundschaft am 29. 10. 1787 „respektvoll" mit, er habe „printed in a hand-bill the fourth number of the OLD WHIG, as many of his customers were disappointed in receiving that piece owing to the rapid sale of his paper of Saturday [27. 1 0 . ] - The hand-bill is now for sale in the printing office." DHRC XIII, 497. Zur Geschichte des Flugblatts Noble Ε. Cunningham, Early Political Handbills in the United States, in: WMQ 15 (1958), S. 70 ff. DHRC XIII, 326 ff, 534. Boyd, Politics of Opposition, S. 56 ff, 74 ff; s. u. Kap. XIV. American Herald, 19. 11. 1787.

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aufgenommen; Flugblattexte fanden sich in den Zeitungen wieder; Pamphletpassagen dienten als Vorlagen für Flugblätter und Zeitungsaufsätze; aus Essay-Serien und Redetexten wurden Bücher. Die wichtigsten und originellsten Stellungnahmen zur Verfassung kursierten gleichermaßen als Zeitungsartikel, Flugblätter und Pamphlete oder Teile von PamphletSammlungen in der ganzen Union. Am virtuosesten wußte sich der philadelphische Kaufmann Tench Coxe aller Möglichkeiten der Drukkerpresse zu bedienen. Er unterhielt enge Kontakte zu führenden Federalists in mehreren Staaten, war wissenschaftlich interessiert, wußte zu schreiben und verfügte über die finanziellen Mittel, seinen Enthusiasmus in die schriftstellerische Tat umzusetzen. In kaum mehr als einem Jahr verfaßte er etwa dreißig längere Beiträge zum Besten des Verfassungsentwurfs und des Federalismus. Hinzu kamen kleinere Gelegenheitsarbeiten für verschiedene Gazetten und eine umfangreiche Korrespondenz. Benjamin Rush lobte Coxe als „extremely active and useful in spreading federal knowledge and principles in Pennsylvania as well as in other parts of the United States." Diese Hyperaktivität blieb aber nicht ohne Folgen für Geschäft und Gesundheit: „My profession was too often postponed — and I am now suffering very seriously for it — and my health was nearly sacrificed by the sedentary habits I was led to." 97 Wie Coxe opferten viele Privatleute einen Großteil ihrer Zeit und Schaffenskraft dem Kampf um die Verfassung. Aus dieser gemeinsamen Anstrengung der Nachdenklichen, Engagierten und Schreibfreudigen erwuchs das, was wir heute die amerikanische Verfassungsdebatte nennen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal dieser Debatte ist das Überwiegen der Zeitungsliteratur und damit der Vorrang der periodischen Publikationen vor allen anderen Druckerzeugnissen. Die sechs Pamphlete, die zwischen September 1787 und April 1788 in Philadelphia erschienen, nehmen sich bescheiden aus, wenn man sie den acht philadelphischen Zeitungen gegenüberstellt, die ihre Leser mit insgesamt 22 Ausgaben pro Woche versorgten. 98 Den Zeitungen der dreizehn Staaten und ihren Druckern gebührt deshalb besondere Beachtung.

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98

Rush to John Adams, Philad., 22. 1. 1789, Adams Papers, MHi; Coxe to Madison, Philad., 9. 9. 1789, Rutland XII, 394 ff. In England waren die Zeitungen schon in den 1760er Jahren zu den wichtigsten „vehicles of political controversy" geworden. Geoffrey A. Cranfleld, The Press and Society. From Caxton to Northcliffe, London—New York 1978, S. 64 f., 90.

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Öffentlichkeit,

Presse und

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Korrespondenzen

und Pseudonyme

Auf den Zeitungsseiten ereignete sich die „collusion of opinions", und die Gazetten galten als das eigentliche „Political Barometer" der Gesellschaft. 99 Der Zugang zu den Zeitungen war in der Regel leicht und kostenlos. Der Drucker griff zwar häufig selbst zur Feder, sah sich aber traditionell in einer öffentlichen, dienenden und vermittelnden Funktion. Er stellte sein Blatt als eine Art Sprachrohr zur Verfügung, durch das die Bürger ihre Ansichten und Wünsche kundtun konnten. Diese Gelegenheit nutzten denn auch viele begabte und weniger begabte Zeitgenossen weidlich aus: „Those who cannot write and those who can, All rhyme, and scrawl, and scribble to a man!" rief „Philopoemen" im New York Daily Advertiser halb erstaunt, halb verächtlich aus. Im „NewsMongers' Song" wurden die Zeitungen selbst, ihre Drucker und deren zumeist anonyme „correspondents" zum Gegenstand volkstümlicher Dichtkunst. 100 Für die Verwendung von Pseudonymen sprach, daß sich ein klarer Gedanke und eine gute Idee aus eigener Kraft durchsetzen müßten. Name und Person des Autors sollten aus dem Spiel bleiben, um die Leser nicht zu blenden und voreinzunehmen. Gewiß gab es auch weniger respektable Gründe. So konnte ein Einzelner unter mehreren Phantasienamen schreiben und der Leserschaft Glauben machen, sie habe es mit einer Schar von Gleichgesinnten zu tun. Vor allem konnte er seine Gegner und die Regierenden unerhört scharf attackieren, ohne umgehend eine Beleidigungs- oder Verleumdungsklage gewärtigen zu müssen. Dagegen fiel die Angst vor einer politischen Zensur und vor der Verfolgung durch staatliche Organe, auf die diese Maskierung ursprünglich zurückgeht, nach der Revolution kaum ins Gewicht. Die aufklärerische Uberzeugung, daß die Pressefreiheit zu den kostbarsten Gütern zählt und ein unüberwindliches Bollwerk gegen jedwede Tyrannei bildet, hatte ihren Niederschlag in zehn Staatenverfassungen und in der Virginia Bill of Rights gefunden und gewährte normalerweise selbst dem härtesten Kritiker Schutz. Außerdem verfügten die amerikanischen Regierungen über keinerlei Instrumentarium zur Pressekontrolle und waren zumeist weder fähig noch willens, administrativ in die öffentliche Auseinandersetzung einzugreifen. 101 Vgl. DHRC XIII, 49; Farrand I, 274. Ν. Y. Daily Adv., 16. 11. 1787; Albany Gazette, 15. 11. 1787. ιοί £)je e i n z ig e Ausnahme bildete das Vorgehen des Obersten Gerichts von Pennsylvania gegen Drucker Oswald: siehe unten. Die Garantie der Pressefreiheit schloß 99

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und Zeitungen

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Die ernsthaften Essayisten wählten ihre „noms de plume" stets mit Bedacht. Sie sollten den Inhalt der zu vermittelnden Botschaft kennzeichnen und positive Assoziationen wecken. So schmückten sich die Verfassungsgegner gern mit klassischen Namen wie „Cato", „Brutus", „Cincinnatus", „Poplicola", „Timoleon" oder „A Plebeian", die sie als Tyrannenfeinde und Wahrer republikanischer Tugenden auswiesen. „Cato" stand in einem doppelten Bezug, denn er deutete auch auf die englische Oppositionsideologie des 17. und frühen 18. Jahrhunderts hin, die ganz wesentlich durch die Cato Letters von John Trenchard und Thomas Gordon nach Amerika übermittelt worden war. An diese Country-Tradition und an den neueren europäischen Republikanismus erinnerten ebenso „An Old Whig", „A Real Whig", „A True Whig", „Algernon Sidney", „Hampden", „John Wilkes" und „John De Witt". Um sich gegen die Etikettierung als Feinde der Union zu wehren, verwendeten die Kritiker nicht selten das Adjektiv „federal" und traten als „Federal Farmer" und „Federal Republican" auf. Überhaupt begannen — abgesehen von Pennsylvania — die Begriffe „Republic" und „Republican" die Frontstellung zur Partei der „Federalists" zu markieren. Gelegentlich traute sich ein Opponent, demokratische Neigungen durch Pseudonyme wie „A Democratic Federalist" oder „Democratic" zu bekennen. Der Deckname „Caesar", unter dem sich ein Verfassungsfreund, angeblich sogar Hamilton persönlich verbarg, wäre jedenfalls auf antifederalistischer Seite undenkbar gewesen. Gewöhnlich identifizierte sich Hamilton als Publizist mit Griechen und Römern, die laut Plutarch Großes für den Staat geleistet hatten, ohne unmittelbar die Anerkennung und Dankbarkeit der breiten Masse zu ernten. In ihrer Reihe stand auch Publius Valerius (Poplicola), den Plutarch in seinen Parallelviten mit Solon verglich. 102 Besonderer Beliebtheit erfreuten sich bei den Federalists die Namen klassischer Gesetzgeber („Solon", „Lycurgus"), und Bezeichnungen, die an das Nationalgefühl appellierten, wie „America", „Americanus", „An American", „An American Citizen", „A Citizen of

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eine Strafverfolgung wegen Beleidigung und staatsgefahrdender Verleumdung (seditious libet) nicht aus. Dazu neuerdings Leonard W. Levy, The Emergence of a Free Press, New York 1984. In Albany zwang Antifederalist Abraham Yates die Drucker Claxton und Babcock durch eine Klage dazu, den Namen eines „correspondent" herauszugeben, der ihn beleidigt hatte. Die Affare endete mit der Entschuldigung des Schreibers George Metealf. N. F. Daily Adv., 16. 4. 1788; Metcalf to Yates, 25. 4. 1788, Papers of Α. Yates, NN. Mackubin T. Owens, Jr., A Further Note on Certain of Hamilton's Pseudonyms. The ,Love of Fame' and the Use of Plutarch, in: JER 4 (1984), S. 275 ff.

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America" und „A Citizen of the United States." Die Leser achteten darauf, ob sich der Schreiber des gewählten Namens würdig erwies: „When the author takes a signature, he should behave accordingly. Cato should shew a grave, senatorial wisdom ... Caesar should imitate the magnanimity of his Roman namesake." 103 Als „Farmer", „Freeman", „Independent Freeholder", „Planter", „Countryman", „Mechanic" oder als „One of the People" und „One of the Middling Interest" machten Vertreter beider Seiten ihre Verbeugung vor der Volkssouveränität. Einzelne versuchten, sich als „A Man of No Party", „An Impartial Citizen", „Impartial Examiner" und „Conciliator" über das Parteiengetümmel zu erheben. Auf der unteren Ebene wetteiferten Witz-, Spott- und Phantasiegebilde wie „A Foe to Scribbling Dunces and Pseudo-Patriots", „A Pamphlet-Monger", „Crazy Jonathan", „Tar and Feathers", „Daniel Shays", „A Turk", „A Lunarian" und „Federalissimo" bis hin zu dem Buchstabenungeheuer „Flaccinancinehilipilification". Von zwei Seiten geriet die Pseudonympraxis allerdings unter Druck. Prominente Verfassungskritiker wie Lee, Mason, Gerry und Martin propagierten Amendment-Vorstellungen unter dem eigenen Namen. Benjamin Franklin und John Vaughan drängten deshalb führende Federalists, sich ebenfalls offen zu ihren Schriften zu bekennen, damit sie nicht von dem Schwall mittelmäßiger anonymer Artikel zugedeckt würden. Jays Antwort spiegelte jedoch die herkömmliche Einstellung wieder: „If the Reasoning ... is just, it will have its Effects on candid and discerning minds ... if weak and inconclusive my name cannot render it otherwise." Im gleichen Sinne hielt „Valerius" Richard Henry Lee vor, Irrlehren blieben auch dann Irrlehren, wenn „dignified names" darunterstünden. 104 Dennoch begann das Beispiel der bedeutenden Antifederalists Schule zu machen. Der Virginier Alexander White signierte absichtlich mit seinem Namen, damit sich die Angesprochenen nicht beschweren konnten, „of being attacked by an anonymous writer." 105 Andererseits erregte Aufsehen, daß einige Drucker Zuschriften abwiesen, weil sie Stil und Inhalt für zu polemisch hielten. Ihre Forderung, persönlich zu zeichnen oder 103 104

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„A Man of No Party", Ν. Y. Daily Adv., 19. 10. 1787. Vaughan to Jay, Philad., June 1788, Johnston, Correspondence, III, 353 f.; Vaughan to John Dickinson, 11. 6. 1788, J. Dickinson Papers, LibCPh; Jay to Vaughan, Poughkeepsie, 27. 6. 1788, Madeira-Vaughan Coll., PPAmP; Va. Indep. Chronicle, 23. 1. 1788. Auch James Iredell war der Ansicht: „A knowledge of the Author generally lessens the effect of any publication." To [S. Johnston?], Edenton, 10. 9. 1788, J. Iredell Papers, NCDAH. Winchester Va. Gazette, 22. 2. 1788.

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den Namen zu hinterlegen, wurde von Teilen des Publikums als unerlaubter Eingriff in die Pressefreiheit gewertet. 106 Dafür betrieb man die Suche nach der Person hinter dem Decknamen wie ein Gesellschaftsspiel. Häufig „verrieten" sich die Autoren nicht ganz unabsichtlich durch die Wahl des Pseudonyms und stilistische Eigenheiten. Schlimm erging es dagegen dem „Philadelphiensis"-Autor Benjamin Workman, der seine Tutorenstelle an der Universität von Pennsylvania verlor, nachdem ihn Federalists identifiziert und bloßgestellt hatten. In Boston freute sich der Reverend Jeremy Belknap: „Mr. Hopkinson has done admirably well in exposing the antifederal Writers in Philadelphia ... If ours were to be as publickly known they would turn out to be bankrupts and insolvents, or equally dirty characters." 107

Die Bedeutung der Zeitungen für Breite und Intensität der Debatte Die Ratifizierungsdebatte veranschaulicht den großen Zuwachs an Popularität und Durchschlagskraft, den das Zeitungswesen seit der Revolution verzeichnete. In der Auseinandersetzung mit dem Mutterland hatten die patriotischen Drucker die Wirksamkeit der Zeitung als einer „popular engine", eines Instruments zur Mobilisierung, Beeinflussung und Artikulierung des Volkswillens unter Beweis gestellt. Dieser Prestigegewinn kam nun einer neuen Generation von Druckern zugute, die von den großen Vorbildern Benjamin Franklin, Isaiah Thomas und John Holt in die „Art which preserves all other Arts" eingeweiht worden waren. Nach Kriegsende drängten sie energisch zur Selbständigkeit und finanziellen Unabhängigkeit. Ihre Dienste waren vor allem deshalb gefragt, weil die kommerziell interessierten Kreise seit der Loslösung von Großbritannien mehr denn je der exakten Übermittlung ökonomischer Daten und Erkenntnisse bedurften. Nicht zufällig reihten sich die neuen Zeitungen an den Handelswegen, die Küste und Hinterland miteinander verbanden. Aber auch das Interesse an Politik, das gegen Ende des Krieges erlahmt war, nahm Mitte der 1780er Jahre angesichts wachsender wirtschaftlicher Schwierigkeiten und verschärfter sozialer Spannungen wieder spürbar zu. Vom Klagelied über die schlechten Zeiten zeigte sich die Presselandschaft jedenfalls unberührt. Die Risikobereitschaft der Drucker und der 104 107

DHRC XIII, 312 ff. Siehe unten, S. 228 f. Belknap to Rush, 7. 4. 1788, Β. Rush Papers, LCPh; vgl. DHRC XIII, 573 ff.

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Informationshunger ihrer Kunden machten Herstellung und Verkauf von Zeitungen zu einem zwar nicht übermäßig profitablen, aber immerhin rasch expandierenden Geschäftszweig. Ablesen läßt sich diese Dynamik an der zahlenmäßigen Zunahme der Zeitungen, am Vordringen der Gazetten ins Landesinnere, sowie am Übergang vieler städtischer Blätter zu mehrwöchentlichen oder sogar täglichen Ausgaben. Im Unabhängigkeitskrieg hatten sich Neugründungen und Einstellungen von Zeitungen in etwa die Waage gehalten. 1774 gab es 37 Blätter in den dreizehn Staaten, 14 mehr als zehn Jahre zuvor. Zur Zeit des Friedensschlusses waren es noch 35, die fast ausnahmslos wöchentlich erschienen. Von Ende 1783 bis Anfang 1788 hingegen schnellte die Gesamtzahl (einschließlich der beiden Gazetten im Territorium des späteren Staates Vermont) auf 80 empor, darunter immerhin schon sechs Tageszeitungen. 108 Dieser Sprung nimmt sich auch dann eindrucksvoll aus, wenn man ihn in Relation zum Bevölkerungswachstum von ca. 2,6 auf 3,9 Millionen Einwohner setzt. Im Zeitraum von September 1787 bis zur Ratifizierung New Yorks Ende Juli 1788 erschienen insgesamt 89 Zeitungen und drei Monatsmagazine. 109 Die regionale Verteilung zeigt, daß die Neuengland- und Mittelstaaten mit 32 bzw. 31 Zeitungen besser versorgt waren als der bevölkerungsstarke Süden mit 26 Blättern. Die Schubwirkung der Verfassungsdebatte und der wirtschaftlichen Wiederbelebung läßt sich an der Tatsache ablesen, daß zwischen September 1788 und Dezember 1790 weitere 35 Gazetten hinzukamen, davon immerhin 108

109

Die statistischen Angaben basieren auf Clarence S. Brigham, History and Bibliography of American Newspapers, 1690 — 1820, 2 vols., Worcester, Mass., 1947; Roger P. Bristol, Index of Printers, Publishers and Booksellers Indicated by Charles Evans in his American Bibliography, Charlottesville, Va., 1961; G. Thomas Tanselle, ed., Guide to the Study of United States Imprints, 2 vols., Cambridge, Mass., 1971; Edward C. Lathem, comp., Chronological Tables of American Newspapers, 1690—1820, Barre, Mass., 1972. Bevölkerungszahlen nach dem ersten Zensus von 1790: U. S. Census Office, Return of the Whole Number of Persons Within the Several Districts of the United States, ND New York 1976. 76 Blätter und zwei Magazine deckten die gesamte Periode ab, während die übrigen Publikationen entweder erst im Verlauf der Debatte ins Leben gerufen oder aber vorzeitig eingestellt wurden. Unter den 89 Zeitungen befanden sich fünf deutschsprachige Blätter: das Maryland Chronicle in Fredericktown, die Germantowner Zeitung, die Neue Unparthejische Lancaster Zeitung und die Gemeinnützige Philadelphische Correspondent in Pennsylvania, sowie die (nicht erhaltene) Virginische Zeitung in Winchester. Vgl. Willi Paul Adams, The Colonial German-Language Press in the American Revolution, in: Bailyn and Hench, eds., Press and Revolution, S. 151 ff.; Christopher L. Dolmetsch, The German Press in the Shenandoah Valley, Columbia, S. C., 1984.

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13 in den Südstaaten. Um die Jahrhundertwende gab es bereits 242 Zeitungen; und im Jahr 1810 verfügten die Vereinigten Staaten, gemessen an der Bevölkerungszahl, über mehr Blätter als die am weitesten entwikkelten europäischen Länder. 110 Nur 14 der an der Verfassungsdebatte beteiligten Zeitungen und Magazine konnten ihre Geschichte in die Kolonialzeit zurückverfolgen. Weitere 14 stammten aus der Revolutionsepoche, aber die große Mehrzahl von 64 Blättern war erst nach dem Friedensschluß gegründet worden. Immer noch wurden weit mehr als die Hälfte der genannten 92 Organe an der Ostküste gedruckt. Von den 37 Gazetten des Landesinnern hatten sich jedoch 31 — also fast die Hälfte aller Neugründungen — erst nach 1783 in aufstrebenden Orten wie Litchfield, Exeter, Northampton, Keene, Albany, Trenton, Carlisle, Fredericktown und Winchester etabliert. Als erstes Blatt westlich der Alleghenies ging 1786 die Pittsburgh Gazette in Druck. Die Entstehungsgeschichte der Kentucke Gazette liefert ein instruktives Beispiel. Im Dezember 1784 beschlossen die Delegierten des Kentucky-Distrikts, „that the freedom of the press is highly subservient to Civil Liberty and therefore such measures ought to be taken as may be most likely to encourage the introduction of a Printer into the District." 1785 wurde ein Komitee beauftragt, nach einem Drucker Ausschau zu halten. Zwei Jahre später endlich fand sich der technisch unerfahrene John Bradford zu dem Abenteuer bereit, nachdem man ihm „public patronage" und ein Grundstück in Lexington versprochen hatte. 111 Nach wie vor bildeten die Küstenstädte von Boston bis Charleston die Zentren des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Steigende Bevölkerungszahlen, neue Bedürfnisse und der verfeinerte 110

111

Stewart, Opposition Press, S. 16, 651 f., Anm. 71. Zur Lage der Presse in Europa vgl. Cranfield, Press and Society (s. o. Anm. 98); C. Bellanger et al., L'Histoire generale de la presse frangaise, tome I: Des origines ä 1814, Paris 1969; J. Sgard, ed., La presse provinciale au XVIIIe siecle, Grenoble 1983; Eckhart Hellmuth, Zur Diskussion um Presse- und Meinungsfreiheit in England, Frankreich und Preußen im Zeitalter der Französischen Revolution, in: G. Birtsch (Hrsg.), Grundund Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, Göttingen 1981, S. 2 0 5 - 2 2 9 . Rollo G. Silver, The American Printer, 1787-1825, Charlottesville, Va., 1967, S. 115 ff. Um sich in Keene, Ν. H., über Wasser halten zu können, trieb Drucker Griffith vom Ν. H. Recorder wie viele seiner Kollegen nebenbei einen Handel „in writing paper, quill pens, blank deeds, justice writs, summonses and executions, ink, powder [and] books." David R. Proper, Printing in Keene, New Hampshire, in: HNH 19 (1964), S. 33 ff.

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Geschmack des Lesepublikums schufen einen wachsenden Markt, der Neugründungen erlaubte und zum Druck von mehreren Ausgaben pro Woche anregte. In den Metropolen ging dieses Wachstum mit einer Spezialisierung einher, das eigens auf die Geschäftswelt zugeschnittene „commercial newspapers" und literarisch-politische Monatsmagazine hervorbrachte. Die Konkurrenz um Subskribenten und Anzeigenaufträge trug zweifellos auch zur politischen Frontenbildung bei. In Philadelphia gebot jede der beiden Parteien, die Constitutionalists wie die Republicans, über „ihre" Zeitung. Ähnlich verhielt es sich in Boston, New York und Rhode Island. Außerdem wurden Zeitungen nun zu Handels- und Spekulationsobjekten, die für Geld den Besitzer und damit gelegentlich auch die politische Färbung wechselten. 112 Im Januar 1788 verfügte Philadelphia mit seinen 42.000 Einwohnern über drei Wochenzeitungen, zwei Halbwochenzeitungen, eine dreimal wöchentlich erscheinende Zeitung und zwei Tageszeitungen, den Independent Gazetteer und das Pennsylvania Packet. Dazu gab es zwei Monatsmagazine, Mathew Careys American Museum und William Spotswoods Columbian Magazine. In New York City (33.000) zirkulierten zwei Halbwochen- und drei Tageszeitungen (New York Journal, Daily Advertiser und Morning Post) und Noah Websters American Magazine. Im Verlauf des Jahres kamen noch ein Wochen- und ein Halbwochenblatt hinzu. Mit drei Wochen- und zwei Halbwochenzeitungen stand Boston (18.000) hiergegen etwas zurück, während Baltimore (13.500) zwei Halbwochenzeitungen, Portsmouth in New Hampshire (4.720) zwei Wochen- und ein Halbwochenblatt und Charleston (16.300) zwei Halbwochen- und eine Tageszeitung vorweisen konnten. Drei Wochenzeitungen hielten sich in Albany (3.500), Richmond (3.760) und Winchester (1.650) mit ihren großen ländlichen Einzugsbereichen. Leider liegen aus den Jahren 1787/88 nur wenige exakte Auflagenziffern vor. Die Albany Gazette, ein Wochenblatt, gab die Zahl ihrer Abonnenten im Dezember 1788 mit über 800 an. Der Wilmington Centinel und die Federal Gazette wurden mit je 400 Subskribenten begonnen. Antifederalists in Carlisle stellten im Mai 1788 1000 Abnehmer in Aussicht, falls eine zusätzliche, ihnen genehme Zeitung ins Leben gerufen

112

Vgl. Stephen Botein, ,Mere Mechanics' and an Open Press. The Business and Political Strategies of Colonial American Printers, in: PAH 9 (1975), S. 130 ff.; Peter J. Parker, The Philadelphia Printer. A Study of an 18th-Century Businessman, in: BHR 40 (1966), S. 44 ff.

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würde. 113 Für sein American Museum warb Carey bis Mai 1789 1.600 Kunden, darunter viel Prominenz, in allen dreizehn Staaten. 3.000 Kopien pro Ausgabe konnte er mühelos absetzen.114 Städtische Blätter wie das Independent Chronicle und der Massachusetts Centinel in Boston oder das Pennsylvania Packet und die Pennsylvania Gazette in Philadelphia, die sowohl qualitativ als auch auflagenmäßig eine Spitzenstellung einnahmen, hatten — ähnlich den Londoner Tageszeitungen — zwischen 2.000 und 4.000 Abonnenten. 115 Der Übergang zum „Daily" war wegen des im Vergleich zum Wochenblatt gut verdreifachten Subskriptionspreises gewöhnlich mit einem Auflagenrückgang verbunden. Das New York Journal führte deshalb eine separate wöchentliche country-Ausgabe fort, die einen großen Leserkreis im Hinterland erreichte. Die verfügbaren Informationen deuten darauf hin, daß die durchschnittliche Subskribentenzahl für alle Zeitungstypen zwischen 500 und 600 lag und die Grenze zur Rentabilität nur knapp überschritt. Daraus folgt, daß in den Neuenglandstaaten eine Zeitungsausgabe auf 26.500 Einwohner kam. Für den Süden fiel dieses Verhältnis mit 1:105.200 noch weit ungünstiger aus. 116 Sinnvollerweise sollte aber die Auflagenziffer, die immer etwas höher war als die Zahl der Abonnenten, mit der Zahl der wahlberechtigten Bürger korrelliert werden. Zur Zeit der Verfassungsdebatte erfüllten von den ca. 640.000 männlichen weißen Amerikanern über 21 Jahre regional unterschiedlich zwischen 50 und 80% (=320.000 bis 512.000) die Besitz113

114

115

116

Albany Gazette, 26. 12. 1788; Ν. Y. Journal, 17. 3. 1788; Subskriptionsliste der Federal Gazette in Coxe Papers, LC; Petriken to Nicholson, Carlisle, 8. 5. 1788, DHRC II, Microfiche Suppl. Pa. 675. John Fenno gründete die Gazette of the United States im September 1789 in New York mit 600 Abonnenten, „about one third only of the requisite number." To John Barrett, New York, Barrett Letters, Mass. Hist. Soc. Proceedings 47 (1914), S. 16 f. DHRC XIII, Einleitung S. XXXIIIf. Wenn Carey von seinen Subskribenten regelmäßig bezahlt worden wäre, hätte er komfortabel leben können: „But as they live in remote situations and are very careless and irregular in their payments, my circumstances are distressing and mortifying," To Christopher Carey, 23. 5. 1789, Carey Letterbook, PHi. Stewart, Opposition Press, S. 16 ff.; Mott, American Journalism, S. 75 ff., 122 f£, 158 ff. Die Gazette of the United States berichtete am 14. 10. 1789, eine Schätzung auf der Grundlage von „real accounts received from the several printers" habe ergeben, daß in den Vereinigten Staaten wöchentlich 76.438 und jährlich 3.974.716 Zeitungen gedruckt würden. Bei 147 wöchentlichen Ausgaben bedeutet dies eine Durchschnittsauflage von 520. Stewart, Opposition Press, S. 652 f., Anm. 73. Bei den Vergleichszahlen schneidet der Süden besser ab, wenn man die ca. 645.000 Sklaven nicht mitrechnet.

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qualifikationen, die den „legal voter" ausmachten. Nach übereinstimmenden Schätzungen gaben etwa 150.000 Bürger bei den Wahlen zu den Ratifizierungskonventen ihre Stimme ab. 117 Dagegen stünden 92 Publikationsorgane mit etwa 50.000 Abonnenten und möglicherweise weiteren 10.000 Käufern. Die Ratifizierungsdebatte scheint die Zeitungszirkulation deutlich belebt zu haben. Die zahlreichen Sonderausgaben (extraordinaries) und die Bereitschaft der Drucker, die Herausgabe von Halbwochen- und Tageszeitungen zu wagen, sprechen für einen Anstieg des Leserinteresses. Gelegentlich vermerkte eine Zeitung ausdrücklich den „increase of Circulation." 118 Vor allem gilt es zu bedenken, daß das einzelne Blatt durch viele Hände wanderte, daß Zeitungen in Tavernen, Kaffeehäusern und Poststationen auslagen und häufig einer größeren Zuhörerschaft vorgelesen wurden: „Our principal publick intelligence is through the medium of your paper; which since the promulgation of the Federal Constitution, is read with greatest avidity," erfuhr der Herausgeber der Cumberland Gazette, Thomas Β. Wait, aus dem Hinterland von Maine. 119 In den Wahlkämpfen setzten beide Seiten Zeitungen als Propagandamittel ein, wodurch Gazetten auch in normalerweise „zeitungslose" Landstriche gelangten. 120 Unter diesen Umständen dürfte die Zahl der Zeitungsleser derjenigen der Wahlberechtigten nahegekommen sein. Allerdings verteilten sich selbst in dem „belesensten" Staat Connecticut die neun Zeitungen geographisch ungleichmäßig. Die Kreise Windham und Tolland mußten ohne ein eigenes Blatt auskommen, während die 38.000 Einwohner von Hartford County die Wahl zwischen dem Connecticut Courant und dem American Mercury hatten. Beide Gazetten erreichten eine Auflage von über 1.000 und gingen wöchentlich in etwa 40% der Haushalte des Kreises. 121 Zahlreiche zeitgenössische Äußerungen verdeutlichen, welch hohen Rang die Amerikaner einer freien Presse zumaßen. Im Virginia Independent Chronicle pries ein Korrespondent die „usefulness of the press in a free state. It gives all the people an opportunity to learn and to be wise, to choose or refuse, in an important affair; indeed it is the noblest exhibition, 117

118 119 120 121

Vgl. McDonald, Ε Pluribus Unum, S. 197; Robert J. Dinkin, Voting in Revolutionary America, 1776-1789, Westport, Conn., 1982, S. 107 ff. Ν. Y. Daily Adv., 14. 1. 1788. „Oriental Junius", Cumberland Gazette, 13. 12. 1787. S. u. Kap. XIV. Judith M. Katz, Connecticut Newspapers and the Constitution, 1786 — 1788, in: Conn. Hist. Soc. Bull. 30 (1965), S. 33 ff.

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the new world has yet witnessed."122 Die Zeitung galt als „source of rational liberty" und „sacred vehicle of information", das häufiger zu Rate gezogen wurde als selbst die Bibel.123 Richard Henry Lee nannte sie „the happiest Organ of Communication ever yet devised — The quickest and surest means of conveying intelligence to the human mind." Samuel Adams wollte lieber in Kauf nehmen, von Skribenten verunglimpft zu werden, als daß die Pressefreiheit angetastet würde. Laut Benjamin Rush formten die Gazetten „the principles, and direct the conduct of the greatest part of mankind in all countries." „Newspapers will become more important to our friends in the country than they ever have been before," sagte das New York Journal voraus, „NEWSPAPERS are the GUARDIANS of FREEDOM." 124 Über die Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung half man sich zumindest teilweise durch das System des privaten oder halböffentlichen Nachrichtenaustausches hinweg. Voraussetzung und Grundlage war der portofreie Versand der Zeitungen von Drucker zu Drucker auf den Postlinien, die in der Kolonialzeit eingerichtet worden waren und die der Kongreß ausgebaut hatte. Dadurch konnte der einzelne Drucker aus der Fülle des Material schöpfen, das ihm seine Kollegen von nah und fern zukommen ließen. Knotenpunkte dieses Netzes waren wiederum die großen Hafenstädte, wo auch die überseeischen Zeitungen zuerst eintrafen. Von dort verbreiteten sich die Nachrichten wellenförmig entlang der Hauptpoststraße, die Wiscasset in Maine mit Savannah in Georgia verband. Von Massachusetts bis Virginia benötigte die Post gewöhnlich 13 Tage, während die Strecke Boston-New York City im schnellen „New York Packet" schon in 37 Stunden bewältigt wurde. 1788 beschränkte sich der Postdienst noch auf 69 Orte, und das gesamte Gebiet westlich von Pittsburgh mußte ohne Poststation auskommen.125 Im Landesinnern tätige Drucker ergänzten deshalb das staatliche Postwesen durch einen eigenen Informations- und Zustelldienst. Charles Webster von der Albany Gazette schickte seit 1785 jede Woche einen 122 123

124

125

„Sentiments of Many" (Alexander Campbell), 18. 6. 1788, Storing V, 275. Pa. Herald, 20. 10. 1787; Cumberland Gazette, 1. 11. 1787; „A Native of Boston" (Jonathan Jackson), Pamphlet, 1788 (Evans 21173) Lee to Edmund Pendleton, 22. 5. 1788, in: Original Letters, Va. Hist. Register 2 (1894), S. 99; S. Adams zit. in Belknap to Hazard, Boston, 14. 6. 1789, Correspondence III, 140 f.; Rush to Henry Muhlenberg, 15. 2. 1788, DHRC II, Microfiche Suppl. Pa. 432; Ν. Y. Journal, 29. 5. 1788. Liste der Postmeister für 1788 in PCC, Item 61, S. 587 ff., NA. Fünf der 69 Postmeister druckten auch Zeitungen.

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Reiter „from his office through Kings district and into New England, as far as Sheffield and Great Barrington, at which last mentioned place he will meet and exchange papers with the several post riders from Boston, Hartford, New London, Springfield, New Haven and Litchfield." 126 Matthias Bartgis, der in den von Deutschen besiedelten Gebieten zwischen York in Pennsylvania und Winchester in Virginia zu einer Art Zeitungskönig aufstieg, riet seinen Abonnenten zunächst, Gruppen zu bilden und die Blätter umschichtig in der Druckerei abzuholen. Dann organisierte er ein Vertriebssystem von Fredericktown zum Shenandoah Valley „for the purpose of conveying my English and German Newspapers to Funk's-Town, Hager's-Town, Sharpsburg, Sheperd's-Town, Martinsburgh, and Winchester."127 Effizienz und Grenzen dieser Methode sollen an zwei Beispielen demonstriert werden. James Wilsons „State House Yard"-Rede vom 6. Oktober 1787, die eine Reihe von Standardargumenten für die Verfassung prägte, erschien zuerst am 9./10. Oktober im Pennsylvania Herald. Von Portland, Maine, bis Augusta, Georgia, druckten den Text insgesamt 35 Blätter in 27 Orten vollständig oder auszugsweise nach. Die frühesten Reprints stammten aus Pennsylvania selbst; aber es dauerte immerhin bis zum 3. November, bevor die Pittsburgh Gazette den Lesern im Westen Wilsons Ausführungen präsentierte. Zuvor hatte die Rede schon acht andere Staaten erreicht: New York (erster Nachdruck im Daily Advertiser vom 13. 10.); Maryland {Baltimore Maryland Gazette, 16./19. 10.); Rhode Island (Newport Herald, 18. 10.); Connecticut (Connecticut Courant, 22. 10.); New Jersey (Trenton Mercury, 23. 10.); Massachusetts {Massachusetts Centinel, 24. 10.); Virginia {Independent Chronicle, 24. 10.) und South Carolina {Charleston Columbian Herald, 1. 11.). Die letzten Stationen waren New Hampshire und Vermont im Norden {New Hampshire Gazette, 9./ 16. 11.; Vermont Gazette, 12. 11.) und Georgia im Süden {Georgia State Gazette, Augusta, 22./29. 12.). Uberall wurden diese ersten Nachdrucke von anderen Zeitungen aufgegriffen und weiterverbreitet. Ein antifederalistisches Gegenstück ist Elbridge Gerrys Brief an das Parlament von Massachusetts. In ihm begründete der geachtete Revolutionsveteran, weshalb er den Verfassungsentwurf nicht signiert hatte, und unterbreitete Änderungsvorschläge. Nachdem das Schreiben am 3. 126 127

Zit. nach J. Munsell, The Typographical Miscellany, Albany, Ν. Υ., 1850, S. 226. Dieter Cunz, The Maryland Germans, Princeton, N. J., 1948, S. 170 f.; vgl. Matthias Bartgis' Newspapers in Virginia, in: German American Review 18 (1951), S. 16 ff.; Dolmetsch, German Press, S. 3ff., 31 ff., 110f., Anm. 23.

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November 1787 in Boston vom Massachusetts Centinel veröffentlicht worden war, übernahmen es innerhalb von zwei Monaten 42 Blätter in elf Staaten. Allein in Massachusetts erschienen bis zum 21. November zehn Nachdrucke. Die „Address to the General Court" erreichte New Hampshire am 6. 11. (New Hampshire Spy, Portsmouth), Rhode Island am 8. 11. (United States Chronicle, Providence), Connecticut am 12.11. (American Mercury, Connecticut Courant), New York am 13. 11. ( D a i l y Advertiser, New York Packet), Pennsylvania am 16. 11. (Pennsylvania Packet·, Pennsylvania Mercury), Maryland am 20. 11. (Baltimore Maryland Gazette), New Jersey am 28. 11. (New Jersey Journal, Elizabethtown), Virginia am 5. 12. (Independent Chronicle), Georgia am 6. 12. (Gazette o j the State o j Georgia, Savannah) und North Carolina am 17. 12. (North Carolina Gazette, New Bern). Die letzten Reprints stammen aus dem Hinterland von Pennsylvania und Maryland, wo Bartgis den Text am 26. Dezember in seine Chronicles in York und Fredericktown einrückte. 128 Dieses Austauschsystem funktionierte allerdings nicht reibungslos. Einige administrative Änderungen brachten es in den ersten Monaten des Jahres 1788 sogar an den Rand des Kollapses. Mit Jahresbeginn erhob Postmaster General Ebenezer Hazard Gebühren für den Zeitungsversand von Drucker zu Drucker. Dazu gab er aus Ersparnisgründen in den neuen Beförderungsverträgen Postreitern den Vorzug vor Postkutschen. Die Reiter lehnten im Winter aber vielfach die Beförderung der schweren Zeitungspakete ab, selbst wenn man ihnen Sonderbezahlung anbot. Die Folge waren Stockungen und Unterbrechungen der Zeitungszustellung, die vehemente Kritik hervorriefen. Fraglos trafen diese Unregelmäßigkeiten die Gegner der Verfassung härter als die Befürworter, die über ein dichtes Netz privater Korrespondenzen verfügten. Gesteigert wurde die Empörung noch dadurch, daß auffallend viele von Antifederalists geschriebene Briefe auf dem Postweg verschwanden oder erst nach Monaten beim Empfanger anlangten. Manipulationen ließen sich nicht völlig ausschließen, zumal Hazard als glühender Federalist bekannt war. Die Opposition wertete das Geschehen als Vorgeschmack auf das, was die Amerikaner nach Inkrafttreten der Verfassung erwartete. Ihre ständigen Warnungen vor Zensur und Abbau der Pressefreiheit riefen schließlich Washington persönlich auf den Plan. Hazards Unfähigkeit, beschwerte er sich bei Jay, habe dem politischen Gegner billige Vorwände geliefert, „for dealing out their scandals, & exciting jealousies by inducing a belief that the suppression of intelligence at that critical juncture, was 128

Die beiden Texte finden sich in DHRC XIII, 337 ff., 546 ff.

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a wicked trick of policy, contrived by an Aristocratic Junto." Nach diesem Machtwort war es nur noch eine Frage der Zeit, bis Hazard seinen Posten räumen mußte. 129 Berücksichtigt man diese Unzulänglichkeiten und Hemmnisse, dann verdient die Tatsache umso mehr Anerkennung, daß die Zeitungen die nationale Debatte am Leben hielten und im Sommer 1788 sogar noch intensivieren konnten. Die Presse sorgte dafür, daß die wichtigsten Argumente beider Seiten in einer Frist von ein bis zwei Monaten in der gesamte Union bekannt wurden. Einzelne Beiträge lassen sich über fünfzigmal, also in etwa zwei Dritteln aller Zeitungen nachweisen. Dabei illustriert die Zahl der Nachdrucke nicht einmal immer die tatsächliche Verbreitung eines Artikels. Die Brutus-Essays wurden beispielsweise von Schreibern in Exeter, Albany und New Haven angegriffen oder verteidigt, obgleich sie in den dortigen Blättern gar nicht zu lesen waren. Das ist darauf zurückzuführen, daß manche Leute Zeitungen verschiedener Provenienz hielten, und daß Artikel ausgeschnitten oder exzerpiert und in Briefen herumgeschickt wurden. Die Erforschung der Verteilung von Erstveröffentlichungen und Nachdrucken gibt Aufschluß über Reputa-

129

Washington to Jay, 18. 7. 1788, Washington Papers, LC. Der „Old Whig" hatte den Federalists schon im Oktober 1787 unterstellt, es sei ihr Prinzip, „that the common people need no information on the subject of politics. Newspapers, pamphlets and essays are calculated only to mislead and inflame them by holding forth to them doctrines which they have no business or right to meddle with, which they ought to leave to their superiors." DHRC XIII, 378. „Mentor" fragte Anfang April 1788, vor welcher Art von Tyrannei die Amerikaner wohl noch sicher seien, wenn ein einzelner „under the authority of office, shall dare ... to check or suppress an institution so highly necessary and beneficial as that established even in the bondage of monarchy, for the conveyance of letters, newspapers, etc." Peterburg Va. Gazette, 3. 4. 1788. Das Stehlen und Fälschen von Briefen beklagten u. a. Clinton, Gerry und Washington. Clinton to Randolph, 4. 10. 1788, Theodorus Bailey Myers Papers, NN; Boyd, Politics of Opposition, S. 69, Anm. 46; Washington to Carey, 27. 10. 1788, Ms. Frederick M. Dearborn Coll., Houghton Libr., HvU. Im Februar 1788 setzte der Kongreß ein Komitee zur Untersuchung der Vorwürfe ein (Rutland XI, 3, Anm. 3), und Anfang 1789 wurde Hazard abgelöst. Er selbst fühlte sich als Opfer einer Intrige. Teil des Planes sei gewesen, „to worry me, and distract my attention, by frequently calling for a variety of information, the giving whereof was particularly perplexing." To Belknap, New York, 13. 9. 1788, Correspondence II, S. 63 ff. Vgl. John P. Kaminski, Newspaper Suppression During the Debate over the Ratification of the Constitution, unveröffentl. Manuskript eines Vortrage auf der Midwest Journalism Conference, April 1982; Richard B. Kielbowicz, The Press, Post Office, and the Flow of News in the Early Republic, in: JER 3 (1983), S. 255 ff.

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The Pennfylvania Packet, and Daily Adverttjer. WEDNESDAY,

[Price Four-Pcnce.]

September 19, 1787.

[No. 2690.]

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r. T H O M A S G . H A Z A R D , Efq). »·. 9-Y'L V A N U S S A Y L E S , Efq; A R N O L D , Efq; 3. J A M E S C A L E B G A R B N E R , Efq, f. J A M E S C O N G D O N , Efqj. t . J O H N C O O K E , Efq, 7. T H O M A S H O X S I E , Efq!. 8. T H O M A S H O L D E N , Efqi ο. J O B W A T S O N , Efqi J O H N H A R R I S , Elqj H F . N R Y W A R D , Efq; Secretary. D A N I E L U P D I K E , F.fq; Attorney-General. J'O S Ε Ρ Η C L A R Κ Ε, E f q i Genctil^reafurer. Coalition, o r F e d e r a l P'rox. Hit Excellency A R T H U R F Ε Ν Ν Ε R , Efqi G O V E R N O R . The Honourable S A M U E L J. P O T T E R , Efq: D Ε Ρ U Τ Y-G O V E R N O K , A S S I S T A N T » ,

Ι . H E N R Y B L I S S , Efq, i . R U F U S S M I T H , Efqi (of Gloiiceder) J. J A M E S A R N O L D , Efq; (of Cranfton) J O H N D O R R A N C E , Efq; f . J A M E S C O N G D O N , Efq;(of N. King(io»n> 6. J Ο Hit C O O K E , Efq; 7. S A M U E L Β A B C Ο C Κ , Efq; (ofHopkinton) *. J O H N W A T E R M A N , Efqi (ofWarwick) J. J O B . W A T S O N , Efq; (of Jameflown) 10. E L I ' S H A Β A R T L E T , Efq; (of Smithfield) H E N R Y W A R D , Efqi Secretary. D A V I D H O W E L L , Bfq; Attorney-General. J » I S P # C i A S K - i . - E f q i General.Treafurer.

links:

K a n d i d a t e n l i s t e der Federalists v o n M a r y l a n d f ü r die erste B u n d e s w ä h l

rechts:

Kandidatenlisten für G o u v e r n e u r s - u n d Parlamentswahlen in R h o d e

Island

TAFEL XII

C O N G R E S S OF THE U N I T E D

K

STATES.

1



the H O U S E

^REPRESENTATIVES,

Monday, 24th Augvß, 1789, U

Ε SOLVED,

® r THE S E N A T E AND H O U S E o r

REPRESENTA-

t i r i i T I ! TBI U N I T E D S T A T E S or A M E R I C A IK C O N G R E S S ASSEMBLED, w o thirds of both Houfes deeming it neceflary, That the following Articles be propofcd to the Lciiliaturo of the feveral States, as Amendments to the Conftitution ofthe United States, ail or any of whic h Articles, when ratified by three fourths of the faid Leetrfaturcs, to be valid to all intents and purpofes as part ofthe &id Conftitution—Viz. A R T I C L E S in addition to, and amendment of, the Conlbtutioii of the United States of America, propofed by Congrefs, and ratified by the Legiflaturcs of the feveral States, purfuant to the fifth Article of the original Conftitution.

A R T I C L E

THE

FIRST.

After the firft enumeration, required by the firll Article of the Conftitution, there (hall be one Reprefemative for every thirty thoufand, until the number fhall amount to one hundred, after which the proportion {hall be fo regulated by Congrefs, that there (hall be not leb than one hundred Kcprefcntatives, nor Ids than one Reprdentative for every forty thouiand perfons, until the number of Representatives (hall amount to two hundreid, after which the proportion (ball- be fo regulated by Congrefs, that there [hall not be lefs than two hundred Reprefentatives, nor Ids than one Reprefentative for every fifty thoufiuia perfons. A R T I C L E

THE

SECOND.

No law varying the compenfation to the members of Congrefs, fhall take effect, until an eleition of Reprefentatives (hall have intervened. A R T I C L E

THE

THIRD.

Congrefs (hall make no law eftablifhing religion or prohibiting the free exercife thereof, nor fhall the rights of Confcience be infringed. JiA'TJX.]· Ε . tat

F O U R T H .

The Freedom of Speech, and of the Preis, and the right of the People peaceably to aflemble, and confult for their common good, and to apply to the Government for a redrefs of grievances, fhall not be infringed.

Die ersten vier der vom U. S.-Repräsentantenhaus verabschiedeten Amendments

487

Wahlkämpfe

bereich der Hauptstadt Philadelphia nicht sonderlich schwer, alle diese Gruppen für ihre Sache zu erwärmen. Der Kampf um das Wohlwollen der Deutschen, der Iro-Schotten, der Quäker, Presbyterianer und Baptisten war aber auch in Pennsylvania nicht ein für allemal entschieden, sondern fand schon bei den nächsten Parlaments- und Kongreßwahlen seine Fortsetzung. Kaum anders verhielt es sich, um nur einige weitere Beispiele zu nennen, mit den Quäkern in Rhode Island und den Baptisten in Massachusetts und Virginia. Um die Delegiertenstimmen ganzer Regionen ging es im Falle von Maine und Kentucky, die sich zu diese Zeit bereits in der Phase der Abnabelung von Massachusetts bzw. Virginia befanden. Dort wurde die Verfassung auch und gerade auf die Frage hin untersucht, inwieweit sie die ersehnte Staatswerdung fördern oder behindern würde. Die Wähler an der Peripherie standen vor der Entscheidung, ob sie der militärischen und wirtschaftlichen Protektion durch eine starke Zentralgewalt oder dem Verlangen nach Eigenstaatlichkeit Vorrang einräumen sollten. Versteckt und manchmal auch offen stellten Federalists wie Antifederalists den Einwohnern dieser Distrikte ihre Unterstützung bei der zukünftigen Verselbständigung in Aussicht. In Maine hoben sich solche Einflüsse offensichtlich gegenseitig auf oder wurden durch den Küste-HinterlandGegensatz überlagert. Dagegen schnitten die Verfassungsgegner in Kentucky besser ab, weil sie sich das von den Jay-Gardoqui-Verhandlungen herrührende Missisippi-Trauma der Bevölkerung zunutze zu machen wußten.

Nachrevolutionäre

Wahlpraktiken in den Vereinigten

Staaten

Mit der Revolution war das Wählen zum Teil des politischen Alltags der Amerikaner geworden. Gewählt wurden nicht nur die Parlamente, sondern auch Gouverneure, Vizegouverneure, Richter, Sheriffs und andere staatliche und lokale Amtsträger. Manch einem Angehörigen der politischen Elite bereiteten die häufigen Wahlen bereits Verdruß, weil sie unnötig hohe Anforderungen an die Kandidaten stellten und eine fortgesetzte Politisierung der Bevölkerung erzwangen. Der Widerwille gegen „annual elections", die das Land nie zur Ruhe kommen ließen und eine stetige Regierungsarbeit verhinderten, gehörte deshalb mit zu den Triebfedern der Reformbewegung. Schon 1785 hatte Mathew Carey beide pennsylvanischen Parteien aufgefordert, eine Koalition zu bilden, um den Staat von den „evils of annual elections" und dem daraus folgenden

488

Die Wahlen den Ratifi%ierungskonventen

„weathercock state of legislation and government" zu retten. „Eugenio" stellte ein Jahr später in der New Jersey Gazette einen Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsmisere und der Vielzahl der Wahltermine her: „The more frequent legislatures are changed, and the more easily law is altered, the more precarious does the credit of paper, founded on acts of the legislature become." 83 Jeremy Belknaps Seufzer über das „miserable business" der jährlichen Wahlen 84 setzte diese Kritik fort, bezeugte aber zugleich das eifersüchtige Mißtrauen, mit dem die Masse der Bürger ihr Stimmrecht und die seit der Revolution geübte Wahlpraxis verteidigte. Es überrascht deshalb nicht, daß die Abkehr vom Prinzip der jährlichen Wahlen, die der Verfassungsentwurf vollzog, heftige Kontroversen auslöste. Gemessen an den Verhältnissen der Kolonialzeit war das Wahlwesen nicht grundstürzend verändert, wohl aber in einer Reihe von Punkten modernisiert worden. Die Wahlen fanden nun regelmäßig statt, während die Termine zuvor im Belieben der vom Mutterland ernannten Exekutive gestanden hatten. Diskriminierungen auf Grund der Religionszugehörigkeit kamen nur noch selten vor und verschwanden mit der Zeit ganz. Verfassungen und Wahlstatute der Einzelstaaten hielten an gestuften Besitzqualifikationen für die aktive und passive Teilnahme an der Wahl fest, setzten sie aber in der Regel herab, und vergrößerten so den Kreis der Wahlberechtigten. Offiziell schlossen die geltenden Bestimmungen, die von Staat zu Staat differierten, immer noch etwa ein Drittel bis ein Fünftel der freien weißen Männer über 21 Jahre von den Parlamentswahlen aus. In der Praxis wurden sie jedoch nicht allzu streng gehandhabt, so daß vielerorts jeder freie erwachsene Weiße, der wählen wollte, seine Stimme auch abgeben konnte. New York trug dieser Entwicklung Rechnung, als es anläßlich der Wahlen zum Ratifizierungskonvent erstmals das allgemeine Männerwahlrecht einführte. Alle anderen Staaten richteten sich bei dieser Gelegenheit nach den relativ liberalen Zensusklauseln, die für ihre Unterhauswahlen galten. Demzufolge waren zwischen 60% (Connecticut) und 100% (New York) der freien weißen Männer bei den Konventswahlen teilnahmeberechtigt. Im Vergleich hierzu konnten in England nur etwa 10% der erwachsenen Männer für Parlamentsabgeordnete stimmen. 85

83 84 85

Zitiert nach Kaminski, Paper Politics, S. 65, 104. Siehe Motto zum Sechsten Teil. Vgl. Dinkin, Voting in Revolutionary America, S. 27 ff.; Pole, Political Representation, S. 205 ff., 385 ff.; Williamson, American Suffrage (1960); Marchette Chute,

Wahlkämpfe

489

Auch die Wahlbeteiligung hatte seit der Revolution zugenommen. Sie schwankte je nach der Bedeutung der anstehenden Entscheidung — Gouverneurswahlen fanden häufig mehr Aufmerksamkeit als Parlamentswahlen —, stieg aber am Ende der achtziger Jahre zuweilen über 40%, örtlich sogar über 60% der Wahlberechtigten hinaus an. 86 Dazu trugen die größere Regelmäßigkeit und die bessere Organisation der Wahlen bei. Die Zahl der Wahllokale nahm zu, die Urnen blieben länger zugänglich oder wurden von den Sheriffs in den Counties herumtransportiert. Verschärfte Sicherheitsbestimmungen und die allmähliche Ablösung der offenen durch die geheime Stimmabgabe erleichterten den Entschluß des Einzelnen, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Die entstehenden Parteien sorgten dafür, daß die Wahlkämpfe wesentlich intensiver und sachbezogener geführt wurden. Sie machten den Wahlvorgang überdies transparenter, indem sie die Bevölkerung an der Kandidatenauswahl beteiligten und gedruckte Listenvorschläge in Umlauf brachten. In einigen Staaten stiegen die Wählerzahlen kontinuierlich an, in anderen, etwa in Massachusetts und Virginia, trieben wachsender wirtschaftlicher Druck und vermehrte politische Propaganda die Beteiligung ab 1786 sprunghaft in die Höhe. Obgleich die Wirtschaftskrise zur Zeit der Konventswahlen bereits abflaute, hielt sich die Wahlbeteiligung fast überall auf dem erreichten Niveau. Ausnahmen bildeten lediglich Pennsylvania, Maryland und Rhode Island: Im ersten Staat lief die antifederalistische Kampagne zu langsam an, im zweiten fehlte der Wettbewerb, und im dritten boykottierten die Bürger von Providence und Newport die ihrer Ansicht nach illegale Volksabstimmung. Im Unterschied dazu verzeichnete Connecticut eine überdurchschnittliche Beteiligung, und New York erreichte mit 43,4% sogar einen historischen Rekord. Das ist umso erstaunlicher, als einige dieser „special elections" mitten im Winter unter ungünstigen Witterungsbedingungen stattfanden. Die reinen Zahlen sagen nicht einmal die ganze Wahrheit. Selbst in einem insgesamt gespaltenen Staat waren einzelne Regionen solide federalistisch bzw. antifederalistisch. In solchen Fällen bestand gar

86

The First Liberty. A History of the Right to Vote in America, 1619 — 1850, New York 1969; Adams, Republikanische Verfassung, S. 197 ff. Zu England Geoffrey Holmes, The Electorate and the National Will in the First Age of Party, London 1976; John A. Phillips, Electoral Behavior in Unreformed England. Plumpers, Splitters and Straights, Princeton 1982. Ein Beispiel aus Deutschland gibt Monika Wölk, Wahlbewußtsein und Wahlerfahrung zwischen Tradition und Moderne, in: HZ 238 (1984), S. 3 1 1 - 3 5 2 . Dinkin, Voting, S. 107 ff.

490

Die Wahlen

den

Ratifizierungskonventen

keine Notwendigkeit, alle Bürger zur Stimmabgabe zu veranlassen. Aus Maryland ist bekannt, daß sich zahlreiche verfassungsfreundliche Wähler in Bereitschaft hielten, angesichts des großen Vorsprungs ihrer Kandidaten aber nicht aktiv eingriffen. 87 Exakte Zahlenangaben lassen sich aus den fragmentarisch überlieferten Resultaten nicht gewinnen. Die Schätzung von 160.000 Teilnehmern an den Konventswahlen dürfte eher etwas zu hoch als zu niedrig liegen. 88 Eine solche Gesamtbeteiligung würde bedeuten, daß jeder vierte freie weiße Mann in den dreizehn Staaten seine Stimme abgab. Das sprengt zwar nicht den gewohnten Rahmen, gibt aber doch zu erkennen, daß die Bürger die Ratifizierung der Verfassung als eine wichtige, ihre vitalen Interessen berührende Frage empfanden. Die Wahlpraxis war eng mit der Entwicklung des Parteien- und des Pressewesens verbunden und befand sich wie diese in einem Durchgangsstadium zu modernen, demokratischen Formen. Das veranschaulichen der allmähliche Abbau der Besitzqualifikationen und der Streit um das imperative Mandat, mehr aber noch die Kritik, die in einigen Staaten an der unausgewogenen und ungerechten Repräsentation geübt wurde. Auf diesem Gebiet vollzog sich seit der Revolution ein konzeptioneller Wandel, der in zwei Richtungen zielte. Zum einen büßte die aus dem Ständestaat stammende Idee, der Besitz müsse separat in einer zweiten Parlamentskammer repräsentiert werden, an Überzeugungskraft ein. Die Notwendigkeit des Zweikammer-Systems wurde nicht überall und generell in Zweifel gezogen, doch man suchte nach einer neuen Begründung, die den praktischen Nutzen dieser zusätzlichen Gewaltentrennung in den Vordergrund rückte. Zweitens verbreitete sich die Auffassung, daß im Parlament die Bürger als Individuen vertreten sein sollten und nicht, wie es altem Herkommen entsprach, die korporativen Einheiten Town, County oder Parish ungeachtet ihrer unterschiedlichen Bevölkerungszahlen. Das Prinzip der „representation by numbers" hatte sich bis 1787 aber nur unvollkommen durchgesetzt. Ursprünglich lag seine Anwendung im Interesse der Hafenstädte und der dicht besiedelten Küstenregionen, die auf diese Weise zusätzliche Parlamentssitze erlangten. Als sich die Gewichte durch die raschere Zunahme der Einwohnerzahlen im Landesinnern jedoch verschoben, leisteten die von der Küstenbevölkerung kontrollierten Legislativen Widerstand gegen die eigentlich er87 88

A. a. O., S. 130; s. u. Kap. XV. Vgl. McDonald, We the People, S. 14; ders., Ε Pluribus Unum, S. 197; Dinkin, Voting, S. 129.

Wahlkämpfe

491

forderliche Korrektur der Sitzverteilung. Nun waren es die Abgeordneten der back- oder upcountries, die mit der Devise „one elector — one vote" gegen die Vorherrschaft der alten Siedlungsgebiete zu Felde zogen. 89 Die Bundesverfassung stand diesen beiden Demokratisierungstendenzen nicht im Wege, sondern war ihnen mindestens indirekt förderlich. Sie verlangte für die Senatoren keine speziellen Besitzqualifikationen und bemaß die Vertretung der Staaten im Repräsentantenhaus nach ihrer Einwohnerzahl. Das kam einem Bekenntnis zum Mehrheitsprinzip und zum politischen Individualismus gleich. Die Federalists konnten allerdings froh sein, daß der Grundsatz „one elector — one vote" noch nicht allgemein gültig war. Eine „gerechte" Repräsentation in den einzelnen Staaten hätte ihren Erfolg nämlich beträchtlich erschwert, wenn nicht gar verhindert. In einigen Fällen bewirkte die ungleichmäßige Zuteilung der Konventssitze eine Unterrepräsentation der antifederalistischen und eine Überrepräsentation der federalistischen Regionen. Am markantesten trifft das auf South Carolina zu, wo die 149 Delegierten, die mit Ja stimmten, nur 39% der weißen Bevölkerung vertraten, die 73 Verfassungsgegner dagegen für 52,2% sprechen konnten. Dem kommerziell orientierten Charleston-Distrikt allein standen 109 Delegierte zu, der gesamten Upcountry nicht mehr als 86. Auch in Georgia waren theoretisch 13% der Bevölkerung in der Lage, mit ihren Delegierten den Ratifizierungskonvent zu kontrollieren. Weniger kraß war das Mißverhältnis in Virginia, New York und New Hampshire. Eine gleiche Repräsentation hätte aber zumindest in den beiden letzten Staaten die knappen Abstimmungssiege der Federalists ins Gegenteil verkehren und den Ausschlag zuungunsten der Verfassung geben können. 90

89 90

Pole, Political Representation, S. 172 ff., 339 ff., 526 ff. Tench Coxe gab den Staatenverfassungen die Schuld: „The constitutions of a majority of the states establish ... an equality among their respective counties, though they differ in their number of freemen in the proportion of ten to one, and in their contributions to government much more. This is surely a violation of justice and the equal rights of man. Such constitutions are not the codes of liberty, nor can a just and safe administration take place under them." „An American Citizen", Federal Gazette , 24. 12. 1788. Siehe dazu v. a. Charles Roll, Jr., „We, Some of the People." Apportionment in the Thirteen State Conventions (1969), S. 21 ff.; Kenneth S. Greenberg, Representation and the Isolation of South Carolina, 1776-1860, in: J AH 64 (1977), S. 723-743.

492

Die Wahlen ^u den Ratifi^ierungskonventen Town Meeting-Demokratie, County-Politik und Gentry-Kultur: Die Wahlen in Massachusetts, New York und Virginia Massachusetts

Die Vielfalt, die das politische Leben der Vereinigten Staaten kennzeichnete, war auch ein bestimmendes Element des Wahlwesens. Wohlweislich hatten die Autoren des Verfassungsentwurfs davon abgesehen, den Staaten eine einheitliche Methode für die Bestimmung ihrer Konvent-Delegierten vor2uschreiben. Ein Blick auf Massachusetts, New York und Virginia soll die regionalen Besonderheiten veranschaulichen, die seit der Gründung der Kolonien gewachsen und von der Revolution nicht eingeebnet worden waren. Im Norden bildete die neuenglische Town, die „Polis Amerikas", 91 die ursprüngliche und primäre politische Einheit, auf der das Repräsentativsystem beruhte. 520 der etwa 700 inkorporierten Towns, die es um diese Zeit gab, lagen in Neuengland. Wie schon der offizielle Name „Commonwealth of Massachusetts" sagt, stellte man sich den Staat als einen Verbund von weitgehend autonomen und autarken Gemeinden vor. In der Kolonialzeit waren diese zumeist durch einen Covenant gegründeten Towns zur Schule der lokalen Selbstverwaltung und Selbstverantwortung geworden. Unter dem Einfluß des Puritanismus hatten sie einen eigentümlichen „communal elan" entwickelt, der den Einzelnen stützte, ihm aber auch allerhand Beschränkungen und Kontrollen zum Wohle der Gesamtheit auferlegte. Im 18. Jahrhundert blieben die einstigen „peaceable kingdoms" von der fortschreitenden gesellschaftlichen Differenzierung nicht verschont, sondern bekamen in wachsendem Maße den Konflikt zwischen traditionellem Gemeinschaftsdenken (communalism) und modernem Individualismus zu spüren. Da dieser Individualismus seinen Hauptimpuls aus dem Wirtschaftsleben erhielt, schritt die soziale und mentalitätsmäßige Umformung der Gemeinden in den Küstengebieten und entlang der Handelswege am schnellsten voran. Wahlverlauf und Wahlergebnis in den einzelnen Regionen von Massachusetts spiegeln diese ökonomischen und weltanschaulichen Unterschiede erkennbar wider.92 91 92

Pole, Political Representation, S. 39. Die Town ist in jüngerer Zeit zu einem wichtigen Forschungsgegenstand geworden. Siehe v. a. die Arbeiten von Bruce C. Daniels, The Connecticut Town. Growth and Development, 1635 — 1790; Middletown, Conn., 1981; ders., Dissent and Conformity on Narragansett Bay. The Colonial Rhode Island Town, Middletown, Conn., 1983; ders., ed., Town and Country. Essays on the Structure of Local Government in the American Colonies, Middletown, Conn., 1983; vgl.

Wahlkämpfe

493

Die Verfassung von 1780 kombinierte das Vertretungsrecht der Towns als korporative Einheiten mit dem der Individuen, und gewährte den „property rights" gesonderten Schutz. Ab 150 Wahlberechtigten stand jeder Town ein Abgeordneter im Bostoner Repräsentantenhaus zu. Stieg die Zahl der „ratable polls" über 300 an, erhielt sie einen weiteren oder mehrere Sitze hinzu. Am Ende des Jahrzehnts durften einige größere Gemeinden schon vier, die Bürger Bostons auf ihrem Town Meeting sogar elf Abgeordnete wählen. Das kam einer proportionalen Repräsentation schon recht nahe, und die Abweichung begünstigte — entgegen der üblichen Praxis — die inländischen Agrargebiete. Im Oberhaus, in das die einzelnen Counties entsprechend ihrer Steuerleistung bis zu sechs Senatoren delegierten, sollte dagegen der Besitz des Commonwealth eine angemessene Vertretung finden. Die Höchstzahl seiner Sitze war auf 40 festgelegt worden. Während man von der Anwesenheit aller Senatoren bei wichtigen Sitzungen ausgehen konnte, blieb eine „full representation" im Unterhaus je nach politischem Standpunkt Wunsch- oder Alptraum. Manche Gemeinden zeigten kein Interesse an den Beratungen im fernen Boston, und andere scheuten die Kosten, die mit der Entsendung von Abgeordneten verbunden waren. 93 Welch starke Resonanz die Verfassungsdebatte in Massachusetts fand, ist deshalb daran abzulesen, daß der Bostoner Ratifizierungskonvent mit über 350 Delegierten zur größten Repräsentationsversammlung wurde, die der Staat bislang erlebt hatte. Die Vertretung des Maine-Distrikts war fast dreimal so stark wie in der voraufgegangenen General Court-Sitzung. 94 Das Town Meeting-System, das auf der autonomen Beratungs- und Entscheidungsfahigkeit der Gemeinden gründete, wirkte der Herausbildung von Parteien entgegen und wurde von vielen sogar als Alternative

93

94

Michael Zuckerman, Peaceable Kingdoms. New England Towns in the Eighteenth Century, New York 1970; Robert Zemsky, Merchants, Farmers and River Gods. An Essay on Eighteenth Century American Politics, Boston 1971; Robert A. Gross, The Minutemen and their World, New York 1976. Siehe auch die älteren Arbeiten von John F. Sly, Town Government in Massachusetts, 1620—1930, Cambridge, Mass., 1930; Egon Körntgen, Die gemeindliche Selbstverwaltung in den Vereinigten Staaten von Amerika, Stuttgart 1962; David Syrett, Town Meeting Politics in Massachusetts, 1 7 7 6 - 1 7 8 6 , in: W M Q 21 (1964), S. 3 5 2 - 3 6 6 ; Kenneth A. Lockridge and Alan Kreider, The Evolution of Massachusetts Town Government, 1640 to 1740, a. a. Ο. 23 (1966), S. 549 ff.; Lockridge, Land, Population, and the Evolution of New England Society, 1 6 3 0 - 1 7 9 0 , in: PP 39 (1968), S. 62 ff. Pole, Political Representation, S. 190 ff.; vgl. ders., Suffrage and Representation in Massachusetts. Α Statistical Note, in: W M Q 14 (1957), S. 5 6 0 - 5 9 2 . Boyd, Politics of Opposition, S. 62, 71, Anm. 69.

494

Die Wahlen

den Ratifi^ierungskonventen

zum Parteiwesen verstanden. Im Wahlkampf für den Ratifizierungskonvent mehrten sich jedoch die Anzeichen, daß die Towns nicht mehr isoliert vorgingen, sondern in den Strom der Parteienpolitik hineingezogen wurden. Weder bei der Kandidatenauswahl noch beim persönlichen Werben um Wählerstimmen machten die Kontrahenten an den Grenzen der eigenen Town Halt. Eine Nominierung der Kandidaten durch caucuses sowie gedruckte Listenvorschläge gab es nur in Boston. Die führenden Verfassungsfreunde sorgten aber auch andernorts durch mündliche und schriftliche Absprachen dafür, daß „gute Männer" aufgestellt wurden. Henry Van Schaack mahnte schon früh zu „großer Vorsicht" und zur Berücksichtigung der Anti-Anwälte-Stimmung in weiten Teilen des Westens: „Cool, temperate but firm men ought to be held up." Sein Brieffreund Sedgwick pflichtete ihm bei, die Angelegenheit müsse mit „great care and caution" behandelt werden. 9 5 Beide sammelten ihre Anhänger in Pittsfield und Stockbridge und trafen sich mit Abgesandten anderer westlicher Gemeinden, um deren Town Meetings vorzubereiten. Im Osten dehnten die Federalists ihren Einfluß von den Hochburgen Boston, Cambridge und Newburyport auf das gesamte Umland aus. Sie schickten Redner in die Nachbarorte, die Flugschriften verteilten und besonders eifrigen Gebrauch von Franklins gedruckter Verfassungskonvent-Rede machten, „to inculcate moderation and a due respect to the opinion of others." Dabei konnten sie auf enthusiastische junge Leute wie James Bridge bauen, der seinen ehemaligen Schulkameraden John Quincy Adams anschließend fragte, ob er sich vorstellen könne, daß er 60 Meilen geritten sei, „to influence our late Elections in favour of federalists in this county? ... That I voted myself and sollicited the votes of others, that I publicly harangued the audience?" 96 Mit 95

96

Henry Van Schaack to Caleb Strong, Pittsfield, 10. 10. 1787, Van Schaack, Life of Henry Van Schaack, S. 155 f.; Sedgwick to [?], Boston, 28. 10. 1787, Sedgwick Papers, MHi. Samuel Henshaw schrieb am 7. 11. aus Northampton an Van Schaack: „For Heaven's sake, my dear Sir, I beseech you to be a Delegate if in your power — And if you have any influence with People in Stockbridge, exert it in favour of our Friend Sedgwick ... [Bacon] must not be in Convention. He would poison a Host of Insurgents and his Metaphysicks would give the Colic to all the friends of Government and of Common Sense." Henry Van Schaack Scrapbook, Newberry Library, Chicago. Nathaniel Gorham to Franklin, Charles Town, 15. 12. 1787, Franklin Papers, PPAmP; Bridge to J. Q. Adams, Pownalborough, 4. 5. 1788, Adams Papers, MHi. Rufus King nahm sich die Parlamentsabgeordneten aus Maine vor: „Last evening I spent in preaching on the Report of the Convention to the Representatives of Maine, they had received some ill impressions, I hope and believe that I removed some Difficulties." To Knox, 28. 10. 1787, Knox Papers, MHi.

Wahlkämpfe

495

Erfolgen in einem Teil des Staates fachten die Federalists Optimismus in anderen, weniger wohlgesonnenen an, und günstige Entscheidungen versuchten sie, modellartig auf möglichst viele Towns zu übertragen. Die Antifederalists blieben keineswegs untätig, auch wenn ihnen der Gedanke an eine staatsweite Zusammenarbeit, etwa durch Korrespondenzbüros, nach den Aufregungen von Shays' Rebellion gar nicht zu kommen schien. In Maine drängten Nasson, Widgery und Thompson die zögernden Towns zur Wahl von Delegierten, und der Drucker der Cumberland Gazette, Thomas B. Wait, verbreitete auf Reisen durch den ganzen Distrikt sein antifederalistisches Credo. 97 Zwischen den Nachbargemeinden in Massachusetts und Connecticut bestand offenbar ein grenzüberschreitendes Einvernehmen, daß die Verfassung in ihrer augenblicklichen Form unannehmbar sei. 98 In der Mitte und im Westen des Staates lebte bei einem Großteil der Bevölkerung die Solidarität der Unruhezeit fort. Hier arbeiteten die Opponenten im Stillen, aber mit beachtlichem Erfolg darauf hin, daß sich der angestaute Groll über die wirtschaftliche Benachteiligung und den Militäreinsatz gegen den Verfassungsentwurf entlud. Die aktive Mitwirkung an dem unterdrückten Aufstand galt weniger als Hinderungsgrund denn als Empfehlung für eine Konvent-Kandidatur. 99 Im Osten konnten sich die Antifederalists dagegen nur dort durchsetzen, wo sie mit offenem Visier kämpften und ihre Kritik am geplanten Regierungssystem überzeugend darzulegen verstanden. Trotz dieser Bestrebungen in Richtung einer parteipolitischen Koordinierung kam es in Massachusetts und in ganz Neuengland entscheidend auf das einzelne Town Meeting und die Haltung der vor Ort bekannten und geachteten Persönlichkeiten an. Übermäßigen Propagandaeinsatz oder zu starke Nachhilfe von außen assoziierten die selbstbewußten

97 98

99

Boyd, Politics of Opposition, S. 61. „Several towns have instructed their deligates to oppose the Federal Constitution. I am informed almost Every town on this river [Connecticut] disapproves the new mode of Government — its the General opinion of the most respectable part of this County [Northampton] that it will not go down here, that part of Connecticut most contiguous to this Part are of the Same opinion." Joseph Savage to Samuel P. Savage, 21. 11. 1787, Lemuel Shaw Papers, MHi. Siehe Cotton Tufts to Abigail Adams, Weymouth, 18. 12. 1787, Adams Papers, MHi. Nach der Wahl eines Verfassungsgegners in der Town Biddeford klagte Federalist Jeremiah Hill: „Shaysism appears to me to opperate in the Body politic, as epidemics do in the human body." To George Thatcher, 1. 1. 1788, in: Historical Magazine VI (1869), S. 260 f.

496

Die Wahlen \u den

Ratifi^ierungskonventen

Siedler sofort mit den korrupten englischen Wahlpraktiken, vor denen sich eine Republik sorgsam zu hüten hatte. Ein Artikel im American Herald verglich Rufus Kings Wahlkampfstil mit dem eines britischen Unterhausabgeordneten, der seine besten Argumente bekanntlich aus dem Geldbeutel zog. 100 Als die Gemeindeversammlung von Pittsfield herannahte, hielt es Henry Van Schaack für geraten, den eilfertigen Freund Sedgwick, den er selbst um Hilfe gebeten hatte, etwas zu bremsen: „... it would be best you should not give your attendance on Town Meeting days for fear the idea should go abroad that the sub[ject] wanted advocates from abroad." Sogar der Eifer des antifederalistischen Reverend Bacon, der vor seiner „Bekehrung" durch Sedgwick in Stockbridge von Haus zu Haus gegangen war, um sich für die Wahl zu empfehlen, mußte unter diesen Umständen suspekt erscheinen. 101 Die Town Meetings liefen nach dem tradierten Muster ab, das jedoch einen gewissen Raum für individuelle Vorgehensweisen ließ. Ort, Zeitpunkt und Zweck der Versammlung wurden von den Gemeinderäten (.Selectmen) durch einen Warrant rechtzeitig bekanntgegeben. Wenn die Bürger zusammenkamen, wählten sie zunächst einen Vorsitzenden (Moderator), der für den geordneten und rechtmäßigen Ablauf verantwortlich war. Dann hörten sie sich den Verfassungstext an und tauschten die Argumente pro und contra aus. Häufig taten sie ihre eigene Meinung anschließend durch ein offenes Votum für oder gegen die Ratifizierung kund. Im einfachsten Falle trafen sie danach sofort die Auswahl unter den Bewerbern, die ihre Kandidatur angemeldet hatten. Das konnte per Akklamation, aber auch durch geheime Wahl erfolgen. Die Stimmzettel landeten dabei gewöhnlich in einem in der Mitte des Raumes piazierten Hut und wurden vom Moderator und den Selectmen ausgezählt. Wer die meisten Stimmen auf sich vereinigte, war gewählt. Standen der Gemeinde zwei oder mehr Delegierte zu, ging man nach der Rangfolge der Stimmenzahl vor oder hielt weitere Wahlgänge ab. 102 Die Tagesordnung konnte auch so aufgestellt werden, daß die Abgeordnetenwahl vor dem 100

101

102

„Queries", 26. 11. 1787. King wurde in Newburyport gewählt, unterstützte aber auch in Ipswich die federalistischen Kandidaten. Dr. Samuel Adams verfolgte die Debatten in Ipswich, „upon which Mr. King took a very active part but not a very patriotic one I think nor a very sensible one ..." Diary, 20. 11. 1787, NN. Sedgwick to Van Schaack, Stockbridge, 28. 11. 1787; Van Schaack to Sedgwick, Pittsfield, 14. 12. 1787, Sedgwick Papers, MHi. Worcester benötigte drei Wahlgänge, bis die beiden Antifederalists Curtis und Bigelow mit 93 und 88 Stimmen als Delegierte feststanden. Worcester Magazine, 1st week of December.

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Votum über die Verfassung stattfand. Im Ermessen der Bürger lag es, ob sie ihre Delegierten am Ende auf die Mehrheitsmeinung verpflichten wollten oder nicht. Nicht selten jedoch nahmen sich die Towns für die schwerwiegende Verfassungsentscheidung mehr Zeit und versuchten, sie ausführlich zu begründen. Zu dem Zweck setzte das erste Treffen eine Kommission ein, die den Entwurf prüfte und ihren Bericht dann einer zweiten Versammlung vorlegte. Die Pause von ein bis zwei Wochen bot natürlich Gelegenheit zu verstärktem electioneering und taktischem Geplänkel. Hin und wieder erreichte eine Partei sogar noch ein drittes Meeting, um Ergänzungen durchzusetzen, unliebsame Beschlüsse umzustoßen oder die Wahl zu wiederholen. Die Kommissionsberichte wurden zumeist zur Grundlage von bindenden Instruktionen, die das Town Meeting den Delegierten mit auf den Weg nach Boston gab. Als repräsentativ für die oppositionelle Grundstimmung im Landesinnern kann der Kommissionsreport von Harvard in Worcester County gelten: „We are of opinion, that the proposed Constitution will, if adopted, effectually destroy the sovereignty of the States, and, in all probability, will soon bring the good people of the United States under Despotism." Die Weisungen, die dem Abgeordneten Josiah Witney in Übereinstimmung mit dem Bericht erteilt wurden, stellten die zentralen Kritikpunkte heraus: Dem Entwurf fehle eine Grundrechteerklärung; die Legislaturperiode des Senats sei zu lang und das Wahlverfahren für das Repräsentantenhaus unklar; das Besteuerungsrecht des Kongresses gehe zu weit; die Vollmachten des Präsidenten seien „dangerous to a free people"; die Judikative habe zu viel Einfluß; Amtsinhabern werde kein religiöses Bekenntnis abverlangt; die Supreme-Law-Klausel drohe die Eigenständigkeit der Staaten zu vernichten. Eine Reform der Articles of Confederation sei der Überarbeitung des neuen Verfassungsentwurfs in jedem Falle vorzuziehen. 103 Mit diesem Manifest ist aber bereits die Grenze der Radikalität erreicht, die nur wenige Antifederalists in Massachusetts öffentlich zu überschreiten wagten. Weiter gingen höchstens noch diejenigen Towns, die aus prinzipiellen Gründen die Wahl eines Delegierten verweigerten. 104 Der Tenor der meisten Berichte war mo-

103 104

Siehe Harvard Town Records und American Herald, 21. 1. 1788. Das Town Meeting von Gardner in Worcester County beschloß lakonisch „not to send a man to Convention; five Voted that they Did not Like the proposed Constitution." Gardner Town Records. Die meisten der etwa 50 fehlenden Towns dürften wohl die Kosten für die Entsendung eines Delegierten gescheut haben. Main, Antifederalists, S. 209.

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derater, und in vielen Fällen ließen die Weisungen den Abgeordneten einen Ermessens- und Kompromißspielraum. So gelangte das Komitee der Town Southborough nach einer Woche Bedenkzeit zwar auch zu dem Schluß, „that the Constitution by no means be Set up as it now stands, without Amendments." Art und Umfang der Veränderungen stellten die Komiteemitglieder jedoch dem Ratifizierungskonvent anheim, „fully confiding in the Wisdom and Integrity that they will, at the Same time Guard the Liberties of the people, and Secure to Congress all those powers which are necessary to Secure and maintain the federal Union." Bernardston in Franklin County instruierte Agrippa Wells, „not totally to reject the above-said Constitution, being of opinion that by proper amendments it may be adopted to secure our liberties and answer the design of the general union." Bei der Verbesserung des Entwurfs sollte Well? die Einwände im Auge behalten, die Elbridge Gerry und die Minderheit in Pennsylvania vorgebracht hätten. 105 Überhaupt wurde die Frage nach Sinn, Zweck und Inhalt der Instruktionen zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt der Massachusetts-Wahlen, die sich von November 1787 bis Anfang Januar 1788 hinzogen. Den Federalists wäre es lieb gewesen, wenn die Gemeinden ganz auf diese alte Praxis verzichtet hätten. Wo sie die eindeutige Mehrheit stellten und von der Zuverlässigkeit der Kandidaten überzeugt waren, verbanden sie die Wahl deshalb höchstens noch mit einer kurzen, allgemein gehaltenen verfassungsfreundlichen Stellungnahme. Gerieten sie in die Minderheit, dann konzentrierten sie sich darauf, eine strikte Festlegung der Delegierten gegen die Annahme des Philadelphia-Entwurfs zu vermeiden. Sie bestritten nicht generell die Weisungsbefugnis der Town Meetings, erinnerten aber daran, daß das Instruktionswesen auch in der Vergangenheit stets flexibel gehandhabt worden sei. Im Worcester Magazine bezweifelte „Propriety", ob man die Aufgabe des Konvent-Delegierten mit der eines normalen Parlamentariers gleichsetzen könne: „The design of the Convention ... is for the Members to Give all the Information they can, to each other, respecting the proposed federal government — to HEAR all that can be said for and against it — then to CONSIDER what is best; and los Vgl Southborough Town Records; Bernardston Town Records; Boyd, Politics of Opposition, S. 60. Das Town Meeting von Cranston in Rhode Island gab seinen Delegierten Grundsätzliches mit auf den Weg: „When there are no particular instructions ... you are to act the best of your Judgment for the good of the whole, but whenever there is any Instructions [on?] Particular Occasions from your Constituents you are strictly to adhere to the same, and use your Influence for the Obtain of it." Cranston Town Records.

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finally to determine according to the best information they shall have received from hearing this weighty and important business thoroughly debated." Der Schreiber hoffte, dieser Gedankengang werde die Towns bewegen, auf Instruktionen zu verzichten oder bereits erteilte wieder rückgängig zu machen. 106 Aus manchen Stellungnahmen war die Auffassung herauszuhören, daß bindende Weisungen eigentlich mit einem modernen Repräsentativsystem unvereinbar seien. Zu überregionaler Bekanntheit verhalfen die Federalists Thomas Bourn aus Sandwich, der sein Mandat niederlegte, als die Town ihn und seinen Kollegen Smith mit 73:3 Stimmen auf ein Nein zur Verfassung festlegen wollte. Die Begründung, die er für diesen Entschluß gab, war bald in allen federalistischen Zeitungen nachzulesen: „It is true my Sentiments, at present, are not in favour of the Constitution. Open to Conviction however they may be very different, when the Subject is fairly discussed by able and upright men ... Under the restrictions with which your delegates are fettered, the greatest Idiot might answer your purpose as well as the greatest man." 107 Ein Meisterwerk vollbrachten die Verfassungsanhänger in Northampton am Connecticut River, wo sie den Delegierten Caleb Strong und Benjamin Sheldon ausdrücklich keine Weisungen, sondern nur „Ratschläge" erteilten: „The Object of your Mission, Gentlemen, is of the highest Magnitude in human affairs ... Be not unduly influenced by any local consideration — Let your minds be impressed with the necessity of having an equal, energetic, federal Government — Tis the welfare & dignity of the Union, as well as of Massachusetts that you are to consult — and while you are tenacious of the rights & privileges of the PEOPLE, be not afraid to delegate to the federal Government such powers as are absolutely necessary for advancing & maintaining our national Honor & Happiness. But, Gentlemen, We mean not to give you positive

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107

13. 12. 1787. Ganz in diesem Sinne hatte Danvers in Essex County zwei Tage zuvor entschieden, „not to give their Delegates any Instructions — and left it with them to assent to, and Ratify the same or otherways, as they think most Advisable." Danvers Town Records. In Stoughton, Suffolk County, gelangte man am Neujahrstag 1788 „after a mature and deliberate consideration on the subject" zu der Auffassung, daß die Stimmabgabe im Konvent „be left discretionary with the delegates." Daniel Τ. V. Huntoon, History of the Town of Canton, Cambridge, Mass., 1893, S. 433. Erster Bericht im Mass. Centinel, 12. 1. 1788. Später behauptete ein „Lover of Truth", die Rede sei eine federalistische Fälschung und Bourn habe aus rein privaten Gründen auf sein Mandat verzichtet. Mass. Centinel, 22. 3. 1788.

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instructions relative to your voting for or against the reported Constitution — When assembled you will have the collected wisdom of the State before you — will hear all that can be said on the Subject and consequently be able to form a judicious opinion — And having the fullest confidence in your political wisdom, integrity & patriotism, We chearfully, on our part, submit the all important Question to your decision — And We beseech the All Wise Governor of the World to take the Convention under his holy Influence, that the Result may be, THE BEST GOOD OF THE PEOPLE, OF THE UNITED STATES OF AMERICA." 108 Diese eindrucksvolle „Address" wurde auf Betreiben der Federalists von mehreren Connecticut River-Towns übernommen, die damit eine Bresche in die westliche Oppositionsfront schlugen. Selbst Greenleafs New York Journal empfahl aber in Unkenntnis der Hintergründe „this cautious mode of proceeding" als nachahmenswertes Beispiel. 109 Weit über Neuengland hinaus bewegte das Instruktionsproblem die Gemüter der Menschen. Auf dem Höhepunkt der Papiergeld-Kontroverse in Maryland hatte Samuel Chase im Februar 1787 das imperative Mandat zu den historischen Rechten des englischen Volkes gezählt, die bis vor kurzem niemand ernsthaft angezweifelt habe. Von den bekannten Rechtslehrern vertrete lediglich Blackstone die fragwürdige These, „that after the person is elected, he becomes the representative of the whole kingdom, and not of a particular part." In Amerika sei aber das Recht der Wähler, ihre Abgeordneten zu instruieren, zu keiner Zeit ernsthaft bestritten worden: „If they are your representatives, they are bound by your instructions, or you destroy the very idea of election, and of delegated power. To represent, is to speak and act agreeably to the opinions and sentiments of the persons represented, in the same manner as they would do, if personally present." Vor den Parlamentswahlen im Herbst 1788 bekräftigte Chase nochmals, daß er sich als Repräsentant verpflichtet fühle, „to give up my private sentiments ... to those of my 108

109

Draft, 24. 11. 1787, Isaiah Thomas Folder, MWA. „Marcus" kritisierte im Mass. Centinel vom 9. 1. 1788 die (antifederalistischen) Instruktionen, die Sandwich seinen Delegierten gegeben hatte: „If a town decides upon the question, and their decision is binding upon their delegates, they can answer the purposes of carriers only, or be the mere mechanical echo of a party; and the design of the Convention ... is entirely frustrated." 6. 12. 1787. In Massachusetts reichte der Einfluß der Northampton-Instruktionen bis nach Becket in Berkshire County im Westen und nach Sherborn, Middlesex County, im Osten. Vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 58.

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constituents, and to execute their wishes, and not my o w n , o r to resign m y seat." 1 1 0 Dieser Country-Standpunkt, der seine Radikalität typischerweise aus der Berufung auf die „alten Rechte" gewann, blieb nicht unwidersprochen. In direkter Gegenrede versuchten James McHenry und Alexander C. Hanson die Marylander eines besseren zu belehren und v o n Instruktionen w e g zu „information, remonstrances, o r advice" hinzulenken. 1 1 1 Im März 1 7 8 8 nahm sich Noah Webster mit der ihm eigenen Vorliebe fürs Grundsätzliche dieser Frage an. Logisch zwingend wies er nach, daß sich der Wille der Gesamtheit, der die Grundlage v o n Gesetzen und Verfassungen bilde, nur durch eine Versammlung aller Staatsbürger, oder durch ein Treffen ihrer gewählten Repräsentanten ermitteln lasse. Demgegenüber könnten die Absichtsbekundungen v o n Town- oder County

110

„Address of Samuel Chase to his constituents, the voters of Anne Arundel County, on the right of constituents to instruct their representatives", 9. 2. 1787, abgedr. im American Museum, Oct. 1788 und neuerdings in Yazawa, ed., Representative Government and the Revolution (1975), S. 55 ff.; Chase in der Baltimore Md. Gazette vom 21. 9. 1788. Siehe dazu Haw, Politics in Revolutionary Maryland, 1753 - 1 7 8 8 , 1 9 7 2 , S. 443 ff.; O'Brian, Challenge to Consensus, S. 198. Eine ähnliche Bewegung für Instruktionen gab es auch in South Carolina. Hier bezeichnete Antifederalist Thomas Tudor Tucker „the explicit participation of the represented i s the essential ingredient of any system of representation." Im Kongreß setzte er sich später für das Recht auf Instruierung der U.S.-Senatoren ein. Kenneth S. Greenberg, Representation and the Isolation of South Carolina, in: JAH 64 (1977), S. 729 ff. Diese Doktrin ging auf die Überzeugung der Old Whigs und Commonwealthmen zurück, daß ursprünglich alle Bürger an einem Ort zur Beschlußfassung hatten zusammenkommen können, und daß die Praxis der Repräsentation nur als Behelfsmittel gewählt worden sei, um angesichts der wachsenden Bevölkerungszahlen Konfusion zu vermeiden. Dieses zentrale Argument für das Instruktionsrecht war in Amerika erstmals 1754 im Virginia House of Burgesses ausführlich diskutiert worden. Siehe „A Fallacy in the Theory of Instruction", Appendix I in Pole, Political Representation, S. 541 f. In North Carolina schlug „A Voter" im Juli 1787 vor, kurz nach jeder Wahl ein County Meeting abzuhalten, das ein Komitee mit der Ausarbeitung von Instruktionen beauftragen sollte. Einem zweiten Treffen bliebe es dann vorbehalten, diese Weisungen zu verabschieden und zu veröffentlichen. Diese „irische Methode" würde den Abgeordneten helfen, die „true sentiments of the people at large" kennenzulernen und sie befähigen, „to enact such laws, as would meet with the general approbation of their constituents. It would also render gentlemen in the house more cautious in their votes, and oblige them to stick closely to the intentions of their electors." Martin's North Carolina Gazette, 11. 7. 1787.

111

Rede McHenrys vom 20. 2. 1787, ebenfalls abgedr. im American Museum, Oct. 1788; Hanson zit. nach Haw, Politics in Revolutionary Maryland, S. 448 f.

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Meetings auch zusammengenommen nicht als der „collective sense" des Staates angesehen werden: „For not being possessed of the best general information, the people often form wrong opinions of their own interest." Aus den Protokollen der Staatenlegislativen gehe klar hervor, daß die schädlichsten Maßnahmen wie Papiergeldemissionen und Schuldnerschutz ihren Ausgang von lokalen Bürgerversammlungen genommen hätten. Die eigenen Abgeordneten mit Instruktionen zu fesseln, sei aber nicht nur praktisch falsch, sondern stehe auch im Widerspruch zur „very doctrine of representation in government ... The design of choosing Representativs is to collect the wisdom of the State·, the Deputies are to unite their Councils; to meet and consult for the public safety: But positive instructions prevent this effect; they are dictated by local interests, or opinions formed on an imperfect view of facts and arguments ... They make the opinions of a small part of the State a rule for the whole; they imply a decision of a question, before it is heard; they reduce a Representativ to a mere machine, by restraining the exercise of his reason; they subvert the very principle of republican government." 112 Während der Verfassungsdebatte machten sich die Federalists diese Argumentationslinie fast überall zu eigen. In Massachusetts, aber auch in New Hampshire, Rhode Island, Virginia und den Carolinas verwendeten sie einen Großteil ihrer Energie darauf, gegen die Ratifizierung gerichtete Instruktionen zu verhindern oder zu entkräften. Bei Gelegenheit förderten sie die „gute Sache" auch mit zweifelhaften Methoden. Sedgwick zog die Town Meetings durch schier endlose Reden in die Länge, bis seine Anhänger fast unter sich waren und zumindest eine Vertagung erreichen konnten. Bei der nächsten Sitzung sicherte er dem federalistischen Kandidaten dann notfalls mit Hilfe einer Schar unqualifizierter Wähler die Mehrheit. Auf diese Weise jagte er in Great Barrington Dr. William Whiting, einem wegen seditious libel verurteilten Shays'Aktivisten, das bereits zuerkannte Mandat wieder ab. Eine ungelenke antifederalistische Beschwerde sah die Gemeinderäte in das Intrigenspiel verwickelt: „It was aboundantly Evident that the Selectman & their pertizans ware determined to Imbarris the Meeting & if possible to nulify Every thing which had been done."113

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113

American Museum, March 1788. Washington fürchtete, die „insidious arts" der Verfassungsgegner könnten Instruktionen zur Folge haben, „that would shut the door against argument, and be a bar to reason." To Madison, 8. 6. 1788, Rutland XI, 100 f. Siehe „Remonstrance of the inhabitants of Great Barrington to the Massachusetts

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Andernorts sammelten federalistische Bewerber die Stimmzettel eigenhändig ein, wurden Instruktionen auf einer eilig einberufenen Sondersitzung wieder rückgängig gemacht, oder stellte man dem einen Verfassungsgegner, der zunächst gewählt worden war, nachträglich noch zwei Ratifizierungsbefürworter an die Seite. Mit solchen taktischen Finessen, vor allem aber mit ihrer Anti-Instruktionen-Kampagne wendeten die Federalists ein totales Wahldebakel im Westen von Massachusetts und damit eine Vorentscheidung zuungunsten der Verfassung ab. Die große Zahl der beteiligten Gemeinden und die vielfältig nuancierten Willensbekundungen der Town Meetings machten es schwer, einen zuverlässigen Gesamtüberblick zu gewinnen. Als der Konvent in Boston zusammentrat, wußten die Federalists aber, daß sie trotz aller Anstrengungen in der Minderheit waren. Unter den beinahe 200 Opponenten erkannten sie jedoch nicht nur verstockte „Insurgenten", sondern auch aufrichtige Männer, „who declare they come not decided, but are ready and desirous of being informed." 114 Wenn es ihnen gelang, etwa zwanzig dieser Delegierten zu sich herüberzuziehen, konnten sie das Schicksal des Verfassungsentwurfs noch zum Guten wenden. New York Gemessen am Town Meeting-Modell, dessen sich Neuengland bediente, muten die Wahlen in den Mittelstaaten und insbesondere in New York sehr modern an. Hier fielen County- und Wahlkreisgrenzen zusammen, und jede County durfte eine bestimmte Anzahl von Abgeordneten stellen. Das größte Manko bestand darin, daß die Parlamente die Mandatszuteilung entweder überhaupt nicht regelmäßig oder in zu großen zeitlichen Abständen dem veränderten Einwohnerstand anpaßten. Klage wurde gelegentlich auch darüber geführt, daß es zu wenig Wahllokale gab und die Stimmabgabe, speziell bei schlechtem Wetter, zu einer mehrtägigen Strapaze ausarten konnte. In diesem Punkt waren aber bereits Verbesserungen eingetreten, und einen gewissen Anreiseweg nahm man normalerweise gern in Kauf, da Wahlen stets auch ein gesellschaftliches Ereignis und ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten verhießen.

114

Convention, 1788"; „Affirmation and declaration regarding fraudulent voting ... signed by William Pattison and 5 others", Archives Div., Constitutional Convention, MHi. Vgl. Mass. Centinel, 15. 12. 1787; Rutland, Ordeal, S. 78 f.; Boyd, Politics of Opposition, S. 61. Theophilus Parsons to Michael Hodge, Boston, 14. 1. 1788, zitiert nach Ε. F. Stone, Parsons and the Constitutional Convention of 1788, in: Hist. Coll. of the Essex Institute 35 (1899), S. 92 f.

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Insgesamt gesehen entsprach der New Yorker Wahlstil wesentlich stärker als derjenige Neuenglands den Bedürfnissen und Mentalitäten einer wettbewerbsorientierten bürgerlichen Gesellschaft, die individualistische über korporative Werte stellte. Wie ihre pennsylvanischen Nachbarn, so waren die New Yorker daran gewöhnt, daß das Konkurrenzprinzip auch das öffentliche Leben beherrschte und daß nur die Partei Erfolge verbuchen und die republikanischen Institutionen kontrollieren konnte, die über festen Rückhalt bei den Wählern verfügte. Hamiltonians und Clintonians suchten deshalb gleichermaßen den Kontakt mit dem Bürger und förderten den politischen Dialog durch Versammlungen, Reden, Presseveröffentlichungen, Petitionskampagnen und anderes mehr. 115 Die kombinierten Parlaments- und Konventswahlen vom Frühjahr 1788, die übereinstimmend als die bislang wichtigste Entscheidung in der Geschichte des Staates angesehen wurden, führten diese Entwicklung auf einen vorläufigen Höhepunkt. Nirgends sonst rangen Federalists und Antifederalists so erbittert um Wählerstimmen wie in New York. Der gebürtige Neuengländer Samuel B. Webb, der 1776/77 Washingtons Adjutant gewesen war, erklärte seinem Bostoner Geschäftspartner den Unterschied: „With you 'tis all fair and quiet, but with us 'tis all confusion. Parties for different sides appear publicly and sometimes blows ensue." 116 Diese ungewöhnliche Härte und Intensität verdankte der Wahlkampf dem Zusammentreffen von hohem persönlichen Einsatz und fortgeschrittener politischer Organisation. Nachdem sich die Debatte lange Zeit vornehmlich in den Zeitungen abgespielt hatte, spornte die Verkündung des Konventstermins Anfang Februar 1788 beide Seiten zu äußerster Aktivität an. Der Wegfall der Besitzqualifikationen und das Ineinandergreifen von Konvents- und Parlamentswahlkampf steigerten das Gefühl, einem historischen Ereignis beizuwohnen. Die Gleichzeitigkeit der Entscheidung für Parlamentarier und Konvent-Delegierte wurde nicht nur mit praktischen Vorteilen begründet, sondern schien auch sachlich gerechtfertigt. Aus federalistischer Sicht symbolisierte sie die untrennbare Verknüpfung des eigenen Schicksals mit dem der Union; den Antifederalists bot sie Gelegenheit, Legislative und Konvent als zwei Bastionen in einer gestaffelten Abwehrfront gegen den Verfassungsentwurf darzustellen. Für den Richter und antifederalistischen Konvent115

1,6

Countryman, A People in Revolution, S. 251 ff., 283. Zur Entwicklung siehe Nicholas Varga, Election Procedures and Practices in Colonial New York, in: Ν. Y. History 41 (I960), S. 2 4 9 - 2 7 7 . Webb to Joseph Barrell, New York, 11. 5. 1788, Ford, Correspondence III, 101 ff.

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Kandidaten Henry Oothoud sprengte der Wahlkampf in Albany County alle bisherigen Maßstäbe: „I do believe since the settlement of America such exertions have not been made upon a business of any kind as the present upon the New Constitution. Those who advocate the measure are engaged from morning untill evening they travel both night and day to proselyte the unbelieving Antifederals." Am letzten Wochenende sei in der Stadt Albany kaum jemand von der „Better Kind of People" gewesen, weil sie den umliegenden Gemeinden die Vorzüge der Verfassung gepredigt hätten. 117 Beispiele aus anderen Counties bestätigen, daß Albany kein Einzelfall war. Einem Brief Peter Van Schaacks nach London ist zu entnehmen, welch Vergnügen ihm der energische Kampf bereitete, den er in Columbia County für die Verfassung führte: „A frame of government held out to the people at large for discussion, is a phenomenon in political annals. You cannot conceive what agitation it has occasioned; it was a war of tongues, but a few bloody noses have been the consequence. I have mounted the rostrum several times, and harangued the multitude on law, government and politics ... Public speaking is much in vogue, and were you here you would be reminded of the days of ancient Greece and Rome." 118 In Westchester County faßten die Federalists neuen Mut, als der Sohn des Vize-Gouverneurs, Philip Van Cortlandt, seine Zurückhaltung aufgab und sich „wie aus einem gotischen Kloster" mitten in die Schlacht warf: „The Air so strongly impregnated with federalism has infused into his nostrils the aromatic, his whole frame infected with the contagion has called him forth to Action and has transported him from extreme inaction to increasing exertion. He is making Interest to be returned a Delegate." 119 Abraham Bancker war sich zwar zu schade, die Wähler von Richmond County (Staten Island) direkt um ihre Stimmen anzugehen, achtete aber doch darauf, daß er täglich Umgang mit ihnen pflegte. 120 In der City schließlich profitierten die Federalists nicht nur von den großen Namen ihrer Kandidaten Hamilton, Jay, Duane und Robert R. Livingston, sondern auch von der rastlosen Tätigkeit eines

117 118

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To John McKesson, Albany, 3. 4. 1788, McKesson Papers, NHi. To Henry Walton, Kinderhook, 3. '6. 1788, Van Schaack, Life of Peter Van Schaack, S. 425 f. Leonard Gansevoort to Peter Gansevoort, New York, 18. 3. 1788, GansevoortLansing Papers, NN. Abraham Bancker to Evert Bancker, Staten Island, 4. 5. 1788, Bancker Family Papers, NHi.

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Samuel Β. Webb, der über den Wahlkampf seine geschäftlichen Pflichten vergaß. So beachtlich dieser Eifer war, wurde er in den meisten Counties doch noch von dem der Antifederalists übertroffen: „We are in close action from morning to night," rapportierte der Vorsitzende des „Federal Republican Committee" von Albany, Jeremiah Van Rensselaer, an John Lamb nach New York City. 121 Auf seinem Landsitz in Columbia County beobachtete Robert Livingston mißlaunig das Kommen und Gehen antifederalistischer Sendboten, die seine Pächter politisch „vergiften" wollten. In Ulster County reiste Peter Van Gaasbeek von Ort zu Ort, konferierte mit Vertrauten und schrieb Briefe an alle, die antifederalistischen Ideen zugänglich schienen.122 Im Süden des Staates, wo ihnen der Wind ins Gesicht blies, feuerten sich die Opponenten gegenseitig an: „For Shame — you must Stir yourself meet your Friends some where — agree upon a good list — hold them up — persevere — even to the end — Characters you know — go through the County — don't lie Idle." 123 Das hervorstechende Merkmal der New Yorker Wahlen war nicht das leidenschaftliche Engagement einzelner Persönlichkeiten, sondern der erstaunlich hohe Organisationsgrad der Parteien. Am deutlichsten wurde das bei der Kandidatennominierung, die ähnlich wie in Pennsylvania und damit wesentlich systematischer und geregelter als in Neuengland oder im Süden vonstatten ging. 124 In der Mehrzahl der Counties bildeten Federalists und Antifederalists Wahlkomitees, die sich mit den möglichen Bewerbern in Verbindung setzten und eine Vorauswahl trafen. Dann brachten sie den Listenvorschlag ihren Freunden in anderen Teilen des Wahlkreises zur Kenntnis und riefen Vertreter der einzelnen Distrikte (Prescints) zu einem öffentlichen Nominierungskonvent zusammen. Auf diesen Distrikt-Treffen wurde der Verfassungsentwurf diskutiert und häufig auch zur Abstimmung gestellt. Eigentlicher Zweck war jedoch, die endgültige Liste zu beschließen und mitsamt einem Wahlaufruf zu veröffentlichen, der den Kandidaten eine gute Ausgangsposition sicherte. Das federalistische Komitee von Albany präsentierte am 16. März sein gedrucktes „Ticket" und stellte die Wähler vor die Alternative: „Shall we 121 122

123 124

Zitiert nach Boyd, Politics of Opposition, S. 75. Robert Livingston to James Duane, Manor Livingston, 30. 4. 1788, Duane Papers, NHi; Peter Van Gaasbeek to Major Severyn Bryn, Kingston, 12. 3. 1788, P. Van Gaasbeek Papers, Senate House Museum, Kingston, Ν. Y. Zitiert nach Kaminski, Reluctant Pillar, S. 97. Zu Pennsylvania siehe DHRC II, 224 ff. Vgl. Joseph S. Walton, Nominating Conventions in Pennsylvania, in: AHR 2 (1897), S. 2 6 2 - 2 7 8 .

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continue to be UNITED with the other STATES? or, Shall we rashly oppose them? Therefore, we strongly advise, That you vote every Individual on the List." Das Flugblatt trug die Unterschrift von 13 Komiteemitgliedern und 24 weiteren Einwohnern der Stadt Albany. 125 Drei Wochen später standen auch die sieben antifederalistischen Kandidaten fest: „From an apprehension that the Constitution, if adopted in its present form, would deprive the people of their dearest rights and liberties, a Number of Gentlemen, from different parts of this county, met for the purpose of nominating and recommending Delegates for Convention, and unanimously resolved on the following Gentlemen ..." Um die gegnerischen Behauptungen zu widerlegen, führten die Antifederalists „in so wenig Worten wie möglich" ihre wichtigsten Kritikpunkte an. Die 26 Unterzeichner hielten es für wesentlich sinnvoller, den Verfassungsentwurf durch einen zweiten allgemeinen Konvent verbessern zu lassen, als ihn mit so vielen „material and radical defects" zu ratifizieren. 126 In Columbia County fiel die Entscheidung über die federalistische Liste am 11. März auf einem „Meeting of a number of very respectable citizens ... from each district, held at Claverack." Eine Woche später zog die Opposition am selben Ort gleich. Zur Nominierung versammelten sich laut Hudson Weekly Gazette diesmal „a number of very respectable citizens from a majority of the districts of this county, though perhaps not the first characters in point of property, yet as such in point of attachment to the liberty, independence and happiness of America." Nach demselben Muster erfolgte die Kandidatenaufstellung in den Kreisen Dutchess, Ulster und Montgomery, und auch die dortigen Treffen boten den Zeitungsschreibern hinreichend Anlaß zu verbalem Schlagabtausch. 127 Nicht immer und überall ging es allerdings so offen und reibungslos zu. Zuweilen brachte eine Partei mehrere Wahlvorschläge in 125 126

127

Printed Broadside, 26. 3. 1788, John C. Brown Library, Brown Univ. Printed Broadside, 10. 4. 1788, Masterson 9; Original in WHi; FDR Library photostat of original in Rome Hist. Soc., Rome, Ν. Y.; die Zeitungsversion (Ν. Y.Journal, 26. 4. 1788) in Storing VI, 122 ff. 1937 fand ein Mitarbeiter des „Federal Writers' Project" dieses Flugblatt in der Chamber of Commerce in Rome und schickte es mit folgendem Kommentar an Präsident Roosevelt: „As you will observe, the main contention, strangely enough, was that the proposed constitution would deprive the people of their rights and liberty ..." Roland P. Gray to F. D. Roosevelt, 14. 6. 1937. Hudson Weekly Gazette, 13./20. 3. 1788; Poughk. Country Journal, 4./18. 3. 1788; TV. Y. Journal, 29. 2. 1788; William Wilson to Robert R. Livingston, 13. 3. 1788, R. R. Livingston Papers, NHi; Christopher P. Yates to George Herkimer, Fry's Bush (Montgomery County), 9. 4. 1788, Herkimer Papers, Oneida Hist. Soc.

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Umlauf, um die Gegner zu spalten und die Wähler zu verwirren. Als Robert R. Livingston den Federalists von Ulster County Trägheit vorwarf, verteidigte sich Thomas Tillotson: „We prefered secret to open measures in order that the other party might divide before we came foreward with our nomination." Er gestand aber ein, daß es um die federalistische Sache in Clintons Hochburg „very gloomy" bestellt sei. 128 Mit einem ähnlichen Tricks versuchten die Verfassungsgegner in der City Stimmen zu ergattern. Kurz vor dem Urnengang verteilten sie Wahlscheine, die auf den ersten Blick wie die federalistischen aussahen. Nur wer sie auffaltete, konnte erkennen, daß über den federalistischen Kandidaten an oberster Stelle der Name Clintons prangte. Realistischerweise hatten die Antifederalists den Gouverneur aber bereits in Ulster abgesichert, wozu sie das Wahlgesetz von 1787 berechtigte. 129 Für Melancton Smith einen Platz auf dem „Ticket" von Dutchess County freizumachen, war erheblich schwerer gefallen, weil sich einige lokale Größen übergangen fühlten. Die Federalists gössen Ol ins Feuer, indem sie — als „Many Antifederalists" getarnt — die latenten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Kaufmanns aus der City schürten. 130 Diese Schwierigkeiten waren aber noch gering im Vergleich zu den Komplikationen, mit denen die Federalists an vielen Orten zu kämpfen hatten. In Columbia County beispielsweise litten ihre Vorbereitungen unter dem Familienzwist der Livingstons, den Philip Schuyler vergebens zu schlichten suchte. Wegen Unstimmigkeiten mit den Verfassungsfreunden in der Stadt Hudson zog John Livingston seine Kandidatur zurück und ließ sich auch von seinen Verwandten nicht mehr umstimmen. Das Bemühen, Henry Livingston durch den populäreren Peter R. Livingston, den Bruder Johns und Schwager des „Chancellors" Robert R., zu ersetzen, schlug ebenfalls fehl. Angesichts dieser Querelen drohte sogar Peter

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Poughkeepsie, 22. 3. 1788, R. R. Livingston Papers, NHi. „One of Yourselves" warnte die Bürger der City: „Beware of Counterfeits! Yesterday a very curious artifice was detected — Tickets were dealt out as Federal Tickets with the Governor at the head, but so folded down as not to be perceived." Broadside, 30. 4. 1788, Masterson 127; Ν. Y. Daily Adv., 1. 5. 1788. Zur Frage, ob Clinton in Kings oder Ulster nominiert werden sollte, siehe Cornelius C. Schoonmaker to Peter Van Gaasbeek, 4./6. 4. 1788, F. D. Roosevelt Coll., Roosevelt Library, Hyde Park, Ν. Y.; Joseph Gasherie et al., Circular to the Citizens of Kingston, 21. 4. 1788, Peter Van Gaasbeek Papers, Senate House Museum, Kingston. Vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 86 f. Poughk. Country Journal, 4. 3. 1788; vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 89f; oben Kap. XIII.

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Van Schaacks Enthusiasmus zu versiegen: „A Family that can so disjoin themselves upon so momentous an Occasion whilst they have shewn they will coalesce in any Point of County Politics must not be relied upon. Our Opponents forego all these partial Considerations and floate to one Standard." 131 Nicht minder großer Schaden entstand in der westlichsten County Montgomery, als Abraham Van Vechten drei Wochen vor der Wahl plötzlich bat, man möge ihn von der Kandidatur entbinden. Seine federalistischen Freunde, die bereits mächtig die Werbetrommel für ihn gerührt hatten, erzürnten sich: „We are apprehensive that the Consequence of his declining at this Crisis, will Create Confusion amongst the Election." 132 Noch schlechter stand es um die Federalists von Ulster County, die nicht einmal aus den Reibereien im gegnerischen Lager Kapital schlagen konnten. 133 Aufs Ganze gesehen überwog noch das „local electioneering", der Wahlkampf in den Grenzen des eigenen Distrikts oder der eigenen County. Es fehlte aber nicht an Bemühungen, das Vorgehen zwischen den Counties abzustimmen und die örtlichen Aktivitäten zu einer staatsweiten Kampagne zu vereinen. So kamen schon Anfang Februar Verfassungsgegner aus Orange und Ulster in der Gemeinde Montgomery zusammen, verliehen ihrer „unanimous disapprobation of the system" Ausdruck und übergaben den Entwurf feierlich den Flammen. Antifederalistische Delegierte aus Ulster und Kings beratschlagten gemeinsam, in welchem der beiden Kreise Clinton aufgestellt werden sollte. 134 Die stärksten Impulse gingen aber von den Wahlkomitees beider Parteien in New York City und in Albany aus, die weder Mühe noch Kosten scheuten, um ihren weniger gut organisierten Gesinnungsgenossen in den umliegenden Counties unter die Arme zu greifen. Den AlbanyKomitees fiel dabei die Aufgabe zu, das Informationsmaterial, das hauptsächlich aus der City geliefert wurde, über das ganze Hinterland zu verteilen. Die hierfür eingerichteten Kurierdienste trugen insgesamt zur Verbesserung des Kenntnisstandes und zur Koordinierung des Wahl131 p e t e r y a n Schaack to Philip Schuyler, 3. 4. 1788, Schuyler Papers, NN; vgl. Robert R. Livingston to Schuyler, New York, 20. 3. 1788, a. a. Ο.; Schuyler to R. R. Livingston, Albany, 29. 3. 1788, R. R. Livingston Papers, NHi; Kaminski, Reluctant Pillar, S. 82 ff. 132 Peter Schuyler to [?], Palatine, 8. 4. 1788, P. Schuyler Misc. Folder, NHi; vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 81 f. 133 John C. Wynkoop to Peter Van Gaasbeek, 3. 5. 1788, P. Van Gaasbeek Papers, Senate House Museum, Kingston. 134 Boyd, Politics of Opposition, S. 76; Kaminski, Reluctant Pillar, S. 86 f.

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kampfes bei. Abraham Yates kamen schon Zweifel, ob man nicht des guten zuviel tue. Die Federalists könnten den lebhaften Reiseverkehr zwischen den Counties womöglich zum Vorwand nehmen, um den Widerstand gegen den Verfassungentwurf als reine „party affair" abzutun. Er machte sich dann aber doch auf den Weg, um alte Bekanntschaften zu reaktivieren, zumal ja auch die Gegner Emissäre in alle Himmelsrichtungen entsandten. 135 Die antifederalistischen Komitees von Ulster und Albany gaben dann schließlich das Signal, in allen Counties Korrespondenzbüros einzurichten, die einen regelmäßigen Meinungsaustausch ermöglichen sollten. 136 Mit Herannahen des Wahltermins verdoppelte die Opposition ihre Anstrengungen, während der federalistische Schwung — ausgenommen in der City und Umgebung — zu erlahmen begann. Als die Wahllokale am 29. April geöffnet wurden, stellten die County-Komitees Beobachter ab, die den offiziellen Inspektoren auf die Finger schauten, um unzulässige Wählerbeeinflussungen und Manipulationen auszuschließen. Van Rensselaer hatte die antifederalistischen Vertrauensleute in den einzelnen Distrikten rechtzeitig ermahnt: „Pray attend the Poll constantly until it is closed to see that all Matters are properly conducted. We rely on your Exertions." Besondere Sorge sollten sie dafür tragen, daß die Grundherren ihre wirtschaftlich abhängigen Pächter nicht politisch mißbrauchten. Angeblich seien die Tenants aufgefordert worden, die Wahlzettel bei der Stimmabgabe in einer bestimmten Weise zu falten: „If they do, you will direct the anti Voters to do the same." 137 Übertriebene Wachsamkeit konnte allerdings gefahrlich werden. In Hudson kam ein Mann ins Gefängnis, weil er ein Mitglied des Wahlaufsichtsgremiums (Board of Supervisors) falschlich beschuldigt hatte, Stimmscheine zu vertauschen. 138 In der City machte der Daily Advertiser auf die Tücken des Wahlrechts 135

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Abraham Yates to Abraham G. Lansing, Poughkeepsie, 14. 3. 1788, Papers of Α. Yates, NN. Auf der Gegenseite riet auch Philip Schuyler zur Vorsicht: „Be prudent at the Election. If improper heat is shown, or too much precipitancy It will injure the cause." To John Schuyler, Albany, 1. 4. 1788, Schuyler Papers, NN. Cornelius C. Schoonmaker to Peter Van Gaasbeek, 4. 4. 1788, F. D. Roosevelt Coll., Roosevelt Library, Hyde Park, Ν. Y.; John Lansing to Abraham Yates, Albany, 1. 6. 1788, Gansevoort-Lansing Papers, NN. Vgl. ο. Kap. VIII. To Benjamin Egbertsen et al., Albany, 20. 4. 1788, Mss. and Hist. Section, No. 2135, NYStL. Mit Blick auf die antifederalistischen Beeinflussungsversuche sprachen aber auch die Verfassungsfreunde von „Compulsive Measures ... used to lead the Tenants." Peter Wynkoop, Jr., to Peter Van Gaasbeek, Kinderhook, 5. 5. 1788, F. D. Roosevelt Coll., Roosevelt Library, Hyde Park, Ν. Y. Alexander Coventry Diary, 30. 4. 1788, NHi.

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aufmerksam: Es genüge nicht, die gedruckte Wahlliste abzugeben, sondern die Kandidatennamen müßten schriftlich gekennzeichnet werden. Jeder Wähler habe soviele Stimmen, wie der County Delegierte zuständen. Gewählt seien die Kandidaten mit den höchsten Stimmenzahlen. 139 Unter den Augen des Konföderationskongresses erlebte New York City einen federalistischen Erdrutschsieg. Samuel B. Webb schilderte ihn seiner Verlobten in leuchtenden Farben: Die Bevölkerung „laid aside their usual business, and paid their whole attention to the important business before them, all was conducted with perfect order and regularity, it was not a contested Election, the Friends to an Energetic Foedral Government were so unanimous, that no danger was to be apprehended, — a small attempt was made by the Governors expiring party, in the first day, after which we heard no more of them, out of about 3,000 Votes, I much doubt if they have two Hundred." Von der hohen Wahlbeteiligung in der City profitierten ausschließlich die Verfassungsanhänger: „Never were so many Votes given in at any Election in this City and County, as for the State Convention; nor were the People ever so unanimous I may say, as on this Business," triumphierte Nathaniel Hazard. 140 Dank der rührigen Parteikomitees meldeten auch die übrigen zwölf Counties eine Rekordbeteiligung, die allerdings vornehmlich der Opposition zugutekam. Aus Kinderhook in Columbia County berichtete Peter Wynkoop, Federalists und Antifederalists hätten gleichermaßen „ernst" gemacht: „No pains has been spared in collecting the Votes upward of 700 have been taken for Delegates." 141 Auf die KonventDelegierten entfielen durchweg erheblich mehr Stimmen, als für die häufig mit ihnen identischen Parlamentskandidaten abgegeben wurden. Das lag teilweise an den fortgeltenden Besitzqualifikationen bei den Parlamentswahlen, bewies aber auch das stärkere Interesse der Bevölkerung an der Verfassungsfrage. In ihrer Tendenz stimmten die beiden Ergebnisse vollständig überein. 142 Der fünftägigen Wahl folgte eine neue Nervenprobe, denn das Gesetz sah vor, daß die Stimmzettel vier Wochen lang in den versiegelten Urnen 139 140

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28. 4. 1788. Webb to Hogeboom, New York, 4. 5. 1788, Ford, Correspondence III, 100f.; Nathaniel Hazard to Sedgwick, New York, 5. 6. 1788, Sedgwick Papers, MHi. To Peter Van Gaasbeek, 5. 5. 1788, F. D. Roosevelt Coll., Roosevelt Library, Hyde Park, Ν. Y. 35 der insgesamt 63 antifederalistischen Kandidaten bewarben sich gleichzeitig für ein Parlaments- und ein Konvent-Mandat. Boyd, Impact of the Constitution, S. 286 ff.

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aufbewahrt werden mußten. Erst am 27. Mai begann die Auszählung durch County Supervisors, die eigens für diese Aufgabe vereidigt worden waren. Sie verkündeten die Ergebnisse, stellten den Delegierten Wahlzertifikate aus und zerstörten anschließend die Stimmzettel und sonstigen Unterlagen. 143 Schon lange vor Bekanntwerden des offiziellen Resultats haderten die Federalists mit ihrem Schicksal: „In this state, as far as we can judge the elections have gone wrong," eröffnete Hamilton am 19. Mai Gouverneur Morris und Madison. Aus der Sicht des pennsylvanischen Kongreß-Delegierten William Bingham wäre Selbstkritik aber eher am Platze gewesen: „If the Friends of the foederal System had been more active in disseminating their opinions, and had taken an earlier period for impressing them, they would not have at present to lament their unsuccessful Efforts in procuring a Majority in the Convention of this State — they confided too much in the good sense of the People and in the Belief that their Interests were too intimately connected with the Adoption of the proposed Government to admit the possibility of their rejecting it." 144 Das tatsächliche Ausmaß der Niederlage übertraf die schlimmsten Befürchtungen. Die Verfassungsgegner hatten neun der dreizehn Counties erobert und stellten damit 46 von insgesamt 65 Konvent-Delegierten. Wie sehr die Bürger ihre Entscheidung unter Parteigesichtspunkten getroffen hatten, geht daraus hervor, daß es keine einzige „gespaltene" Delegation gab. Entweder lagen sämtliche federalistischen Kandidaten vor ihren Konkurrenten, oder die Bewerber auf der „republikanischen" Liste waren geschlossen und mit annähernd gleicher Stimmenzahl gewählt worden: „Our antagonists are much Crest fallen and have very little to say," triumphierte Abraham G. Lansing in Albany. Noch sahen die Federalists aber keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen, zumal ihre bedeutendsten Führer über die City-Liste in den Konvent einzogen. Hamilton baute darauf, daß Teile von Clintons Gefolgschaft vor den Konsequenzen einer Ablehnung zurückschrecken und den Bruch mit den anderen Staaten der Union nicht riskieren würden: „As Clinton is truly the leader of his party, and is inflexibly obstinate I count little on overcoming opposition by reason. Our only chances will be the previous

143

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Siehe ζ. Β. New York Election Certificates, City and County of Albany, 29. 5. 1788, McKesson Papers, NHi. Vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 79. Hamilton to Madison; to Gouverneur Morris, New York, 19. 5. 1788, Syrett IV, 649 ff. (Am 1 1 . 5 . hatte er noch geglaubt, alles hänge von Albany County ab. Α. a. Ο., S. 647); Bingham to Coxe, New York, 25. 5. 1788, Coxe Papers, PHi.

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ratification by nine states, which may shake the firmness of his followers; and a change in the sentiments of the people which have been for some time travelling towards the constitution, though the first impressions made by every species of influence and artifice were too strong to be eradicated in time to give a decisive turn to the elections." Auch Peter Van Schaack rechnete mit einem Wandel der öffentlichen Meinung. Diesmal sei die „popular tide" gegen sie gewesen, tröstete er seine Freunde, aber am Ende werde sich „das Richtige und Gute" schon noch durchsetzen. 145 Die Antifederalists verdankten ihren Wahlsieg nicht zuletzt der Tatsache, daß sie in New York als Regierungspartei, mit einem bei der bäuerlichen Bevölkerung populären Gouverneur an der Spitze, in den Kampf ziehen konnten. Entscheidend war aber die überlegene Organisation, und diesen Trumpf wollten sie nicht mehr aus der Hand geben. Die Korrespondenzkomitees in den Counties bildeten eine parteipolitische Infrastruktur, die auch für die Zukunft große Vorteile versprach. Von dieser starken Position aus mußten nun einheitliche Amendmentvorstellungen entwickelt und ein „Operationsplan" aufgestellt werden, „which would promote our object and systamize the Business." 146 Virginia Die Wahlen in Virginia beleuchten eine Gesellschaft, die das Gleichgewicht zwischen den Kräften der Tradition und des Wandels wiederzugewinnen suchte. Noch dominierte in der Vorstellungswelt vieler Amerikaner das Bild der aristokratischen Pflanzerelite, die ihre Herrschaft auf die Arbeitskraft der Sklaven und die politische Willfährigkeit der Klein145

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Abraham G. Lansing to Abraham Yates, Albany, 27. 5. 1788, Papers of A. Yates, NN. Hamilton to Madison, New York, 19. 5. 1788, Syrett IV, 649 £; Peter Van Schaack to Henry Walton, Kinderhook, 3. 6. 1788, Van Schaack, Life of Peter Van Schaack, S. 425 f. Ein Korrespondent des Poughk. Country Journal fand, die Wahl sei für die Federalists wesentlich günstiger abgelaufen, als man noch zu Jahresbeginn erwartet habe. Hätte John Jay sein Pamphlet früher verbreitet, wäre die „Revolution in the minds of the people" noch vollständiger ausgefallen. 3. 6. 1788. Zuversichtlich äußerten sich u. a. auch Knox to Washington, New York, 25. 5. 1788, Washington Papers, LC, und Philip Schuyler to Angelica Schuyler Church, New York, 28. 5. 1788, Church Family Papers, CtY. Abraham Yates gewann den Eindruck, die Federalists in der City hofften, „that the Anties will not dare Refuse adopting the Constitution. They may Indeed adjourn, and adjourn again but they will at Last adopt it." To Abraham G. Lansing, 1. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN. John Lansing to Abraham Yates, Albany, 1. 6. 1788, Gansevoort-Lansing Papers, NN.

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bauern stützte. Aus dem Süden selbst war zu hören, die Staaten von Maryland bis Georgia hätten in der Revolution nur eine neue republikanische Fassade erhalten: „For however democratic they may be in their Constitution, they are in their exercise and operation, almost, if not altogether, perfectly aristocratic." Der Antifederalist James Mercer hielt es für unmöglich, daß Virginias „High Toned Gentry" jemals „sound Republicans" abgeben könnte: „They but deceive themselves if they think so, like the Lady in the Fable they will catch Mice if ever one comes in their way." 147 Tatsächlich waren die Verhältnisse aber keineswegs so stabil und unwandelbar, wie es den Anschein haben mochte. Schon seit der Mitte des Jahrhunderts sah sich die Virginia-Gentry einer dreifachen Herausforderung gegenüber, die ihren patriarchalischen Führungsstil und ihre soziale Kontrolle in Frage stellte. Die Triebfedern der Veränderung waren ökonomischer, religiöser und politisch-ideologischer Natur. Der allmähliche Übergang vom reinen Tabakanbau zur Getreidewirtschaft und die voranschreitende Westsiedlung verschoben die Gewichte zugunsten der weißen Mittelschicht, deren Schicksal nicht mehr ausschließlich vom Sklavenbesitz abhing. Damit wurde Virginia aber ebenso anfällig für militante Formen kleinbäuerlichen Protests wie etwa Massachusetts und New Hampshire. In der weißen Mittel- und Unterschicht hatte seit den 1740er Jahren zudem eine religiöse Erweckungsbewegung Fuß gefaßt, die hauptsächlich von den Baptisten getragen wurde, und die nicht allein die Privilegien der Anglikanischen Kirche bedrohte, sondern der „höfischen" Gentry-Kultur insgesamt den Kampf ansagte. Die Prediger dieser „evangelical religion" rüttelten am Selbstverständnis und Wertebewußtsein der Elite, indem sie deren heiterer Lebensfreude und ritterlichem Wettbewerbsdenken einen unerbittlichen moralischen Ernst und das Ideal des brüderlichen Miteinanders entgegenstellten. Sie verbreiteten ihre Botschaft mündlich und schränkten damit die Geltungskraft des geschriebenen Wortes ein, auf der die Gentry-Kultur beruhte. Die dritte Herausforderung erwuchs aus der radikalen Whig-Ideologie, der sich die Gentry im Kampf gegen das Mutterland selbst verschrieben hatte, deren egalitäre Stoßkraft nun aber ihre innenpolitische Machtgrundlage gefährdete. Das Bekenntnis zum Gesellschaftsvertrag als eines freiwilligen Zusammenschlusses gleichberechtigter Individuen ermöglichte das re147

Amariah Jocelin to Jeremiah Wadsworth, Wilmington, Oct. 1789, J. Wadsworth Correspondence, CtHi; James Mercer to John Francis Mercer, Richmond, 12. 12. 1787, Mercer Papers, VHi.

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volutionäre Bündnis mit der evangelikalen Bewegung und sicherte der Gentry eine Führungsrolle im Unabhängigkeitskrieg. Implizit dehnte es aber das politische Mitbestimmungsrecht auf die gesamte freie Bürgerschaft aus und untergrub damit die Hegemonie der Pflanzerelite. Hinzu kam, daß der im Süden äußerst hart geführte Krieg die Bereitschaft des „common man" schwächte, eine allein auf Standeszugehörigkeit basierende Autorität zu achten. Dieses Ineinandergreifen verschiedener Faktoren bewirkte eine allmähliche Transformation der politischen Vorstellungen und Verhaltensweisen. 148 Wollte die Gentry diese Entwicklung weiter kontrollieren, dann durfte sie sich nicht mehr allein auf Gewohnheitsrechte und Privilegien verlassen, sondern mußte in einem bislang nicht gekannten Ausmaß die Stimmungen und Wünsche der Bürger berücksichtigen. Der paternalistische Umgangston und die herablassende Feundlichkeit, mit der die Oberschichtsangehörigen den einfachen Wähler zu behandeln gewohnt waren, mußten gegenseitigem Respekt und echter Konkurrenz um Stimmen und Mandate weichen. Der Hang zur Rivalität in den eigenen Reihen, der mit ihrem Wettbewerbsethos zusammenhing, gereichte der Gentry in der Verfassungsdebatte paradoxerweise zum Vorteil. Die fast gleichmäßige Aufspaltung in Federalists und Antifederalists stellte sicher, daß prominente Repräsentanten der Gentry auf beiden Seiten das Heft in die Hand bekamen. Eine soziale Konfrontation wurde so vermieden, und die Tür für spätere Übereinkünfte offengehalten. Die politische Vorreiterrolle, die das „Old Dominion" in der Revolution und bei der Entstehung der Verfassung gespielt hatte, gab manch einem Neuengländer Rätsel auf: „How happens it that the Southern States produce such gigantick politicians?" erkundigte sich Thomas Β. Wait bei George Thatcher. Das allgemeine Bildungsniveau des Südens liege doch deutlich unter dem des Nordens: „The great body of their people are certainly not so well informed as we yankees — not because they are inferior in point of understanding, but because their States are unfortunately divided into Counties, instead of towns — by which means they are deprived of the inestimable privileges of Town Schoolmasters

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Siehe hierzu v. a. Rhys Isaac, The Transformation of Virginia, 1740—1790, Chapel Hill, N. C., 1982 (Unter dem Titel „The Fall of the Gentry" veröffentlichte Edmund S. Morgan eine wichtige Besprechung dieses Werkes in der New York Review of Books vom 30. 1. 1983); vgl. Ronald Hoffman, The .Disaffected' in the Revolutionary South, in: Young, ed., American Revolution, S. 273 ff.; Daniel P. Jordan, Political Leadership in Jefferson's Virginia, Charlottesville, Va., 1983.

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for Boys and Girls, and Town Teachers of Morality and Religion." 149 Dieser Hinweis auf das größere Bildungsgefalle im Süden war sicher berechtigt. Das unzulängliche Unterrichtswesen in den ländlichen Gegenden und in den vergleichsweise wenigen größeren Gemeinden kontrastierte scharf mit der Eliteerziehung der Gentry, die ihren Söhnen Privatlehrer halten und Auslandsstudien ermöglichen konnte. Nicht wenige der maßgeblichen Politiker und Richter aus Maryland und Virginia hatten ihre juristischen Kenntnisse in den Londoner Inns of Court vervollkommnet. Diese Kombination von Besitz, Bildung und Muße bescherte den „Gentlemen" unvergleichlich gute Startchancen und ebnete ihnen den Weg in die öffentlichen Ämter. Zwischen Stimmbürgern und Repräsentanten existierte deshalb immer noch ein erheblicher sozialer Abstand, und stärker als anderswo waren die Wahlen auf die Persönlichkeit des Bewerbers ausgerichtet. Die politischen Zustände im Süden erstarrten aber nicht, sondern wurden denen des Nordens ähnlicher. Seit dem Ende der Revolution schenkten die Wähler Sachfragen wie dem Verhältnis von Kirche und Staat oder der Bekämpfung der Wirtschaftskrise wachsende Aufmerksamkeit. Sie verlangten nach mehr Information und artikulierten ihre Wünsche lautstärker und entschiedener als in der Vergangenheit. Dem trug die Gentry Rechnung, indem sie ihre Klientel durch Reden, Zeitungsartikel und Flugschriften besser auf dem laufenden hielt und sich ansatzweise mit Parteiorganisation befaßte. Dennoch konnte sie nicht verhindern, daß „unbekannte" Leute aus der bäuerlichen Mittelschicht in die Parlamente vordrangen und die Politik farbiger und unberechenbarer gestalteten. Männer wie Patrick Henry suchten die Zusammenarbeit mit den neuen Kräften, um ihre Machtposition im Staat zu festigen. Andere Repräsentanten der Gentry, zu denen Washington und Madison gehörten, wollten diese „störenden" Einflüsse zumindest aus der nationalen Politik heraushalten und setzten ihre Hoffnung deshalb auf die mäßigende Wirkung der künftigen Bundesverfassung. 150 149

150

Thomas B. Wait to George Thatcher, Portland, 9. 8. 1789, Th. B. Wait Papers, MHi. Vgl. A. O. Porter, County Government in Virginia. Α Legislative History, 1 6 0 7 - 1 9 0 4 , New York 1947; Sydnor, Gentlemen Freeholders (1952). Nach Thomas, Virginia Convention of 1788, S. 65, lebten 1790 von den 750.000 Einwohnern Virginias (ohne Kentucky) nur etwa 18.500 in den neun „principal towns". Vgl. Risjord and DenBoer, Evolution of Political Parties in Virginia (1973/74); Risjord, Chesapeake Politics, S. 276 ff., 301, 316 f. Zur Überbetonung der egalitären Tendenzen neigen Robert E. and B. Katherine Brown, Virginia, 1705 — 1786: Democracy or Aristocracy? East Lansing, Mich., 1964.

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Die politische Diskussion war und blieb eine der Lieblingsbeschäftigungen der Virginier. Der Wahlkampf im „Old Dominion" begann praktisch mit dem Parlamentsbeschluß vom 31. Oktober 1787 für einen Ratifizierungskonvent und hielt trotz des strengen Winterwetters bis zum Entscheidungsmonat März 1788 ungebrochen an. Propagandistisch hatte die Opposition durch die aufsehenerregenden und weit verbreiteten Erklärungen Masons und Richard Henry Lees einen Startvorsprung vor den Federalists, die ihre Flugschriftenliteratur zum großen Teil aus anderen Staaten bezogen. Auf dem Beobachtungsposten Mount Vernon gewann Tobias Lear den Eindruck, die Antifederalists gingen aktiver und energischer zur Sache: „Every exertion has been made by the enemies, while the friends of the Constitution seem to have rested the issue upon the goodness of their cause." 151 Den General selbst erbosten Stil und Inhalt der verfassungsfeindlichen Publikationen, weil sie augenscheinlich nicht an die Vernunft, sondern an die Leidenschaften und Vorurteile der Menschen appellierten. Empört war er auch über den aggressiven Wahlkampfstil seines Nachbarn George Mason, von dem David Stuart sagte, er hätte sich doch mit dem Abdruck seiner Objections begnügen können, „without taking the pains to lodge them at every house." 152 In Fredericksburg zürnte James Duncanson den „worthless antifederalists", die sich so viel Mühe gäben, „to poison & prejudice the lower order of People." 153 Mit besonders heftigem Unwillen verfolgten die Federalists Patrick Henrys pausenlose „Predigten" gegen die Verfassung im Süden des Staates, wo sich laut Carrington so viele Leute auf der „falschen" Seite zusammentaten, „that the people must be misled for want of the necessary information." Aus Henrys Heimatkreis Prince Edward erfuhr Madison vom Reverend John B. Smith, der Agitator sei „descended to lower artifice & management upon the occasion than I thought him capable of." Er habe seinen verhängnisvollen Einfluß bis zum Kentucky-Distrikt ausgedehnt und die Siedler alarmiert „with an apprehension of their interests being about to be sacrificed by the Northern States." 154 In Kentucky betrieben aber auch einige lokale Politiker kraftvolle Opposi151 152

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To John Langdon, 3. 4. 1788, Langdon-Elwyn Papers, NHHi. Vgl. Washington to Benjamin Lincoln, 10. 3. und 2. 4. 1788; to John Langdon, 2. 4. 1788; David Stuart to Washington, 17. 2. 1788, Washington Papers, LC. To James Maury, 11. 3. 1788, J. Maury Papers, ViU. Vgl. Carrington to Knox, 12. 1. u. 13. 3. 1788, Knox Papers, MHi; Joseph Jones to Madison, 17. 2. 1788; John Β. Smith to Madison, Hampden Sydney, 12. 6. 1788, Rutland X, 516 f.; XI, 119 ff.

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tionsarbeit. Harry Innes petitionierte die County-Gerichte, eine von ihm verfaßte Botschaft öffentlich bekanntzumachen und allen Wählern rechtzeitig zu Gehör zu bringen. Ihre Quintessenz war, daß es im Falle der Ratifizierung um das Glück und die Größe der Westgebiete ein für allemal geschehen sei. Der Norden habe vor, die Mississippi-Schiffahrt preiszugeben und das zur Entwicklung des Landes benötigte Kapital in die Steuerkasse der neuen Bundesregierung zu lenken. Darüber hinaus liefere die Zentralisierung des Milizwesens die Siedler wehrlos den Indianern aus. In Madisons Augen bedeutete diese Art Propaganda, „die Fackel der Zwietracht" unters Volk zu schleudern. 155 Widerstrebend und neidvoll mußten die Federalists anerkennen, daß ihren Opponenten in einigen Regionen des Staates Erfolg beschieden war. Sie seien „men high in popular estimation," stand im Pennsylvania Packet zu lesen, „some of them of first rate talents, indefatigable in spreading their objections, and artful in addressing them in such language, and in such a mode, as is most likely to captivate and delude the vulgar." 156 Damit war sicher auch der Führer der virginischen Baptisten, John Leland, gemeint, der in Madisons County Orange wohnte und 1788 mehr als 300 Konvertiten taufte. Die Zugkraft des Antifederalismus virginischer Prägung beruhte also offenbar auf der Mischung von Regionalstolz, revolutionärer Ideologie und evangelikalem Predigtstil. 157 155

156 157

Boyd, Politics of Opposition, S. 108 f.; Madison to Washington, Orange, 10. 4. 1788, Rutland XI, 20 f. In einem Brief an den Kongreß-Delegierten John Brown beklagte Innes „the little regard Congress paid to our repeated applications for protection ... The Foedral Troops are in small detached Posts on the Ohio at the distance of 2 or 300 Miles apart, incapable of giving protection, because too few to act Offensively and at too great a distance to cooperate upon an emergency ... The First principle of society is mutual protection, this we never have received from any quarter ... Add to this the attempt to Barter away the Navigation of the Mississippi ..." Auch die Virginia-Regierung sei trotz der ständigen Indianerüberfälle untätig geblieben. Danville, 4. 4. 1788, Η. Innes Papers, LC. Im Herbst 1788 hielt Innes den „Eastern" und den „Western Interest" immer noch für unvereinbar: „What can we expect from the New System — there may be a change of men, but their Ideas will be the same." To Arthur Campbell, Danville, 19. 9. 1788, Draper Coll., WHi. Innes wurde später von Washington mit einem Richteramt besänftigt. Risjord, Chesapeake Politics, S. 303 f. Über die Unabhängigkeitsbestrebungen im Kentucky-Distrikt siehe auch Calvin M. Fackler, Early Days in Danville, Louisville, Ky., 1941. Siehe dazu unten Anm. 182, 256. Pa. Packet, 10. 5. 1788, Letter from Rosegill, Va., 20. 4. 1788. Zu Leland siehe Lyman H. Butterfield, Eider John Leland, Jeffersonian Itinerant, in: Am. Antiquarian Soc. Proceed. 62 (1952), S. 155-242. Vgl. Rutland X, 516, Anm. 2; 540 ff. Die Verbindung von religiöser und politischer Rhetorik in der

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Die Verfassungsanhänger blieben aber keineswegs tatenlos, sondern wußten sich zu wehren und Gehör zu schaffen. Im Februar 1788 erschien Virginia dem Reisenden St. John de Crevecoeur als der einzige Staat, „in which the parties pro & con seem to run very high." 158 Auch John Dawson sah die Anstrengungen relativ gleichmäßig verteilt: „The approaching elections are the subject of general conversation in this state at this time, and uncommon exertions are made by all parties to have elected those persons whose sentiments agree with their own." 159 Um welche Parteien es sich handelte und was sie erreichen wollten, hatte Madison in einem Brief an Jefferson vom 9. Dezember 1787 schon recht sachlich und zutreffend erläutert. Die erste Partei, zu der Washington und Pendieton zählten, arbeite auf eine Ratifizierung ohne Amendments hin; an der Spitze der zweiten stünden Gouverneur Randolph und Mason, die einige zusätzliche Sicherheiten für die Rechte der Staaten und der Bürger forderten; die dritte, von Patrick Henry geführte, gehe vorerst noch mit den Amendment-Befürwortern konform, habe es in Wahrheit jedoch auf Veränderungen abgesehen, die das vorgeschlagene Regierungssystem in seinem Wesenskern träfen und nur die Wahl zwischen Rückkehr zur Konföderation oder Teilung der Union in Sonderbünde ließen. 160 Die Kandidatenauswahl wurde stärker als bislang gewohnt von Parteigesichtspunkten bestimmt. „A Planter" brach eine Lanze für die traditionellen Kriterien und Werte. Die Stimme der Natur und die Sprache der Vernunft forderten, in nationalen Angelegenheiten „die Würdigsten" zu delegieren, „men of acknowledged abilities, and of tried integrity; — men, who have, already, rendered important services to the state." 161 Persönliches Ansehen und bisherige Verdienste waren nun aber nicht mehr die einzigen Gesichtspunkte, die Berücksichtigung fanden. Vielmehr wollten die Wähler ganz konkret wissen, wie der Kandidat zum Verfassungsentwurf stand und ob er für oder gegen seine Annahme stimmen werde. Die informelle Art, in der sich die Nominierung vollzog,

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Revolution beschreibt Isaac, Preachers and Patriots, S. 125 ff. Siehe dazu u. S. 613 ff. Die ideologische Dimension des Virginia-Antifederalismus behandeln Harold E. Cox, Federalism and Anti-Federalism in Virginia, 1787. Α Study of Political and Economic Motivations, Ph. D. diss., Univ. of Virginia, 1958; Schick, Antifederalist Ideology in Virginia (1971). To Short, 20. 2. 1788, W. Short Papers, LC. To Madison, Fredericksburg, 18. 2. 1788, Rutland X, 517 f. Rutland X, 312. „To the Freeholders of Albemarle County", Va. Indep. Chronicle, 13. 2. 1788.

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begünstigte taktische Manöver und Intrigen. Vertrauliche Gespräche und Briefe boten die beste Möglichkeit, genehme Bewerber zu ermuntern und weniger aussichtsreiche oder unzuverlässig erscheinende von einer Kandidatur abzubringen. Gelegentlich wurden die Wahlchancen eines Politikers durch das Gerücht zunichtegemacht, er beabsichtige gar nicht ernsthaft, sein Mandat auszuüben. 162 Der innere Zusammenhang von nationaler und staatlicher Politik zwang zu Überlegungen, inwiefern eine offene Stellungnahme für oder gegen die Verfassung die Aussichten bei den kommenden Parlamentswahlen beeinflussen würde. 163 Hinter den Kulissen spielte sich deshalb ein gehöriges Gerangel ab, dem selbst prominente Virginier wie Arthur Lee zum Opfer fielen. 164 Hauptziel der Parteien waren attraktive County-Delegationen, die eine klare politische Linie verfolgten. Auf federalistischer Seite hielt man vor allem Ausschau nach Kriegshelden der Revolutionszeit. Die Bürger würden „military men" den Vorzug geben, spekulierte John Mark in einem Brief an General Gates, „being well assured if the New Plan of Government is not adopted we must Sink, therefore every exertion should be made to Send Gentn. that would use their Utmost and best endeavours to have the Government recommended." 165 Den Antifederalists bereitete die Aufstellung von George Mason Kopfzerbrechen, weil seine Anschauungen im Heimatkreis Fairfax wenig Gegenliebe fanden. Aus dieser Verlegenheit halfen die freeholders von Stafford County, als sie dem Oppositionsführer unaufgefordert die Kandidatur antrugen. James Mercer wollte ganz sicher gehen und Mason in beiden Counties nominieren lassen, „for such a Man shou'd not be risqued at so important a crisis." Der Hausherr von Gunston Hall wurde schließlich in Stafford County gewählt. 166 Auch für Richard Henry Lee 162

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Richard Henry Lee nannte es „a common art, in these times, to prevent elections by asserting that persons proposed will not serve if elected." To Theoderick Bland, Chantilly, 15. 10. 1788, Lee, Memoir of R. H. Lee, II, 95. So riet Archibald Stuart John Breckinridge von einer Konvent-Kandidatur ab, da zweifelhaft sei, „whether you would be elected in which case it would cheapen you by the Genl. Election in April ..." Breckinridge beherzigte diese Empfehlung und hielt sich aus dem Konvent-Wahlkampf heraus. Siehe Stuart to Breckinridge, 6. 11. 1787; John Breckinridge to James Breckinridge, Grove Hill, 25. 1. 1788, Breckinridge Family Papers, LC. Boyd, Politics of Opposition, S. 106. Shepherds Town, 25. 12. 1787, Gates Papers, NN. Unter den 89 gewählten Federalists befanden sich 46 Offiziere der Kontinentalarmee und 23 Milizoffiziere. McDonald, We the People, S. 262 f. James Mercer to John Francis Mercer, Richmond, 12. 12. 1787, Mercer Papers, VHi. Vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 106.

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hätte sich ein günstiger Listenplatz gefunden, doch sehr zum Leidwesen seiner Freunde winkte er schon früh ab. 167 Einen anderen Weg als Mason und Lee schlug George Nicholas ein. Sein Respekt vor den Wünschen der eigenen Wählerschaft war so groß, daß er sich auf ein Ja zur Ratifizierung verpflichtete, „however contrary it may be to his own opinions." 168 Richter Farewell wiederum leistete der Einladung der Antifederalists von Williamsburg zur Kandidatur keine Folge, obwohl er ihre Ansichten teilte. Die County schien ihm aber mehrheitlich der Ratifizierung zugeneigt, und er wollte „warm conflict with old friends" vermeiden. 169 Nach übereinstimmender Auffassung stellte der Kampf um die Konventmandate an Härte alles in den Schatten, was man bislang von den Assembly-Wahlen gewohnt war. In 55 der 84 virginischen Counties — die wie im Parlament jeweils zwei Delegierte stellen durften — kam es zu einer direkten Konfrontation von Verfassungsanhängern und -gegnern. 170 Entlang des Rappahannock River und im Northern Neck-Distrikt nominierte die Opposition nur dort Kandidaten, wo sie sich Erfolgschancen ausrechnete. Ahnlich verfuhren die Federalists in den von Patrick Henrys „Demagogen" beherrschten Kreisen südlich des James River. Daß die Wahlkampagne ungewöhnlich intensiv betrieben wurde, zeigt nicht nur der vermehrte Einsatz von Flugschriften und Zeitungen. Auch der einzelne Kandidat mußte systematischer vorgehen, wollte er seine Aussichten wahren. Ein Beispiel ist Robert Carter, der den Wählern von Westmoreland County schon Ende November 1787 in einer am Gerichtsgebäude angeschlagenen Grußbotschaft mitteilte, „that he offers himself a Candidate on this very interesting and important occasion — And he herein Solicites the favor of their Votes at this place on the Court day in the Month of March Next." Seinen Freund James Bland baf er um die Namen aller freeholders, die bei den letzten Parlamentswahlen abgestimmt hatten, um sich persönlich an jeden einzelnen wenden zu können. Im Februar 1788 ließ er eine Subskriptionsliste zirkulieren, die jeder zeichnen sollte, der „seine Anwesenheit bei den Wahlen im März wünsche." 171

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Zu Masons Kritik an dieser Haltung s. o. Kap. XIII. Zitiert nach Risjord, Chesapeake Politics, S. 301. Littleton Waller Tazewell, Sketches of His Own Family, 1823, VStL. Gemessen an früheren Wahlen, war das eine sehr hohe Zahl. Boyd, Politics of Opposition, S. 109. Siehe Robert Carter: „Address to the Electors of Westmoreland County", 27. 11.

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Madison empfand solches „canvassing" als würdelos und bekannte einen „extreme distaste to steps having an electioneering character." Am liebsten wäre er am Sitz des Kongresses geblieben und hätte dieses Geschäft seinen Freunden und Verwandten in Orange überlassen.172 Im Einzelfall kam es noch vor, daß auf einen abwesenden Prominenten genügend Stimmen entfielen, oder daß Bürger ihre Kandidaten spontan selbst auswählten. Letzteres geschah in York County, wo die freeholders am Wahltag sowohl die federalistischen als auch die antifederalistischen Bewerber stehen ließen und geschlossen nach Williamsburg zogen, um George Wythe und John Blair ihre Aufwartung zu machen, die als „still open to conviction" und „well qualified to determine wisely" galten. Die rhythmischen Rufe: „Will you serve? Will you serve?" beantwortete Richter Wythe aus dem Fenster seines Hauses mit den schlichten Worten: „Surely, how can I refuse?" Daraufhin eskortierte die Menge Wythe und Blair zurück zum Versammlungsplatz und wählte sie einstimmig zu Konvent-Delegierten.173 Diese Episode offenbart, welch kuriose Verbindung die althergebrachte Ehrerbietigkeit zuweilen mit dem neuen Selbstbewußtsein und Mitbestimmungswillen der freeholders eingehen konnte. Madison wäre allerdings höchstwahrscheinlich gescheitert, wenn er sich nicht rechtzeitig zur Wahl in Orange eingefunden hätte. Der Wahlakt selbst, der traditionell auf den Gerichtstag der County fiel, bildete den unbestrittenen Höhepunkt der Debatte. Öffentliche Wahlen beinhalteten in Virginia stets eine rituelle Bekräftigung des Zusammengehörigkeitsgefühls und Gemeinsinns und trugen deshalb Festcharakter.174 Das Geschehen auf den Wahlbühnen und um sie herum unterschied sich ebenso deutlich von einem neuenglischen Town Meeting wie vom Urnengang in einer New Yorker County. Beim Gespräch zwischen Kandidaten und Wählern und bei der mündlichen Stimmabgabe kam das Element des Persönlichen zu seinem Recht, das der virginischen

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1787; Carter to James Bland, 5. 12. 1787; to the Electors of Westmoreland County, 6. 2. 1788; to Fleet Cox, 25. 2. 1788, R. Carter Letterbooks, Duke Univ. Library. Über den Wandel der Wahlkampfpraktiken in Virginia informieren D. P. Jordan, Must I Cajole (1983); Risjord, How the .Common Man' Voted in Jefferson's Virginia, in: John B. Boles, ed., America. The Middle Period. Essays in Honor of Bernard Mayo, Charlottesville, Va., 1973, S. 3 6 - 6 4 . Madison to Washington, 2. 12. 1788, Rutland XI, 376 ff. Am 20. 2. 1788 hatte er geschrieben: „I sacrifice every private inclination to considerations not of a selfish nature." A. a. Ο. X, 526 f. Vgl. die Erinnerungen Tazewells (oben Anm. 169); Jordan, Must I Cajole, S. 80. Isaac, Preachers and Patriots, S. 147.

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Politik seit eh und je eine besondere Note verliehen hatte. So wirkungsvoll das gedruckte Wort auch war, eine schwungvolle Wahlrede konnte es hier nicht ersetzen. Die Beredsamkeit erlebte in der Revolutionszeit sogar einen Aufschwung, weil das Publikum zunahm und die Eloquenz der Juristen ihre Ergänzung in der ebenso einfachen wie eindringlichen Rhetorik der evangelikalen Erweckungsbewegung fand. Der Notwendigkeit dieser „stump oratory" konnte sich auch James Madison nicht entziehen, dessen Wahl bis zuletzt in Frage stand. Erst als er auf dringendes Anraten seiner Freunde persönlich nach Orange kam und bei kaltem Wind und Schneetreiben die Rednertribüne erklomm, begannen die „absurden und grundlosen Vorurteile gegen die Verfassung" zu weichen. 175 James Duncanson wurde Zeuge des Stimmungsumschwungs: „Your friend Maddison came in the day before the Election in Orange, and when the People assembled converted them in a speech of an hour and three quarters, delivered at the Court house door before the Pol opened, so that he and James Gordon were chosen by a large majority." Nach Madisons Verteidigungsrede habe sich große Zufriedenheit ausgebreitet, bestätigte auch Francis Taylor in seinem Tagebuch. 176 Umgekehrt erklärte Antifederalist John Dawson den Wählern von Spotsylvania County die Gefahren der Verfassung in „solch meisterhafter Weise", daß er allen Bemühungen seiner Gegner zum Trotz eine große Stimmenmehrheit auf sich vereinigen konnte. 177 David Thomas nahm an, sein Neffe in Philadelphia könne sich unter dem Begriff „to hold a pole" nichts rechtes vorstellen und gab ihm deshalb eine mit Ironie gewürzte Schilderung des für Virginia typischen Wahlvorgangs: „The Candidate stands upon an eminence close to the Avenue thro which the people pass to give in their votes, viva voce, or by outcry, there the Candidates stand ready to beg, pray, and solicit the peoples votes in opposition to their Competitors, and the poor wretched people are much difficulted by the prayers and threats of those Competitors, exactly similar to the Election of the corrupt and infamous House of Commons in England, at the last Election I was drag'd from my lodging when at dinner, and forced upon the eminence purely against 175

176

177

Madison to Eliza House Trist, 25. 3. 1788, Rutland XI, 5 f. Zuvor war gehöriger Druck auf ihn ausgeübt worden, nach Hause zu kommen. Siehe Rutland X, 328 f., 339f., 344f., 446f., 454f., 515f.; vgl. Brant, James Madison. Father of the Constitution, S. 185 ff. Duncanson to Maury, Fredericksburg, 8. 5. 1788, J. Maury Papers, ViU; Francis Tkylor Diary, 24. 3. 1788, VStL. „Extract of a Letter", 30. 3. 1788, Baltimore Md. Journal, 11. 4. 1788.

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Ratifiyierungskonventen

my will, but I soon disappeared and returned to my repast; and as soon as they lost sight of me they quit voting for me. Such is the pitiful and lowliv'd manner all the elected officers of Government come into posts of honour and profit in Virginia, by stooping into the dirt that they may ride the poor people; and would you have your Uncle to divest himself of every principle of honour to obtain a disagreeable office I hope not." 178 Diese unmittelbare Begegnung von Wählern und Kandidaten bei der Stimmabgabe war noch in anderer Hinsicht problematisch. Die Konventswahlen in Amherst County, so notierte Antifederalist William Cabell, „were more hotly contested on the hustings and at the polls than any previous thereto." Daß er sich zusammen mit seinem Sohn Samuel dennoch klar durchsetzen konnte, hatte nicht nur politische Gründe, sondern hing sicher auch mit der bekannten Generosität der reichen Pflanzerfamilie Cabell zusammen. Auf jeden Fall bewirteten Vater und Sohn Cabell die Anwesenden nach geschlagener Schlacht in Lucas Powells Taverne mit 98 Gallonen Grog und zehn Gallonen Rum. Bei einem federalistischen Sieg wäre die Feier wahrscheinlich wesentlich bescheidener ausgefallen. 179 Andererseits kam dem direkten Kontakt mit den Kandidaten gerade bei den Konventswahlen große Bedeutung bei. Vielfach wurde er nämlich dazu genutzt, den Delegierten ein politisches Bekenntnis abzuverlangen und sie auf ein Ja oder Nein zum Verfassungsplan festzulegen. Da man noch keine feste Parteizugehörigkeit kannte, war dies der einzige Weg, den Repräsentanten an den Wählerwillen zu binden. Detaillierte Instruktionen wie in Neuengland bildeten im Süden die Ausnahme. 180 Zumeist begnügten sich die Bürger mit pledges, feierlichen Zusagen der Kandidaten. Carrington fand wenig Gefallen an dieser Praxis: „Most of the elections in the upper & Middle parts of the south side of James River, have been made in Phrenzy, and terminated in deputations of weak & bad Men, who have bound themselves to vote in the negative, and will in all cases be the tools of Mr. H[enry]." 181 In Kentucky planten die Antifederalists eine spezielle Distriktversammlung, um der gesamten Delegation vor ihrer Abreise nach Richmond feierliche Weisungen zu 178

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181

David Thomas to Griffith Evans, 3. 3. 1789, in: Mass. Hist. Soc. Proceedings 46 (1913), S. 370 f. William Cabell Diary, 3. 3. u. 30. 5. 1788, VStL; vgl. Alexander Brown, The Cabells and Their Kin, B o s t o n - N e w York 1895, S. 128 f. In den Monroe Papers befinden sich „Instructions to Delegates to the State Ratifying Convention, Spotsylvania County, 1788", Swem Library, WM. To Madison, Richmond, 8. 4. 1788, Rutland XI, 15.

Wahlkämpfe

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erteilen. Als sich jedoch fast alle erfolgreichen Kandidaten schon bei der Wahl offen gegen die Ratifizierung aussprachen, ließ man diesen Gedanken wieder fallen. 182 Solche mündlichen Verpflichtungen gingen aber nicht nur Kritiker, sondern auch Befürworter der Verfassung ein. Carrington selbst unterlag in Powhatan County dem Assembly-Abgeordneten Thomas Turpin, der zunächst gegen den Entwurf polemisiert hatte, am Wahltag aber für seine Annahme zu votieren versprach. Daß er im Konvent dann doch eine Nein-Stimme abgab, nahmen ihm seine Mitbürger sehr übel. Bei den nächsten regulären Wahlen büßte er sein Parlamentsmandat ein und konnte es nie wieder zurückerobern. 183 Anfang April teilte Federalist Charles Lee seinem Bruder Richard Henry mit, die Namen der Gewählten seien nun in der Mehrzahl bekannt, „and the sentiments of almost all of them have been declared." Gut informierte Politiker führten bereits private Listen, auf denen sie die Delegierten in Federalists, Antifederalists und Neutrale (oder „doubtful") einteilten. 184 Diesen ersten Schätzungen zufolge hielten sich Anhänger und Kritiker der Verfassung östlich der Blue Ridge-Bergkette in etwa die Waage, wobei der Süden eindeutig gegen, der Norden mitsamt der Küstenregion ebenso klar für die Ratifizierung gestimmt hatte. Nur in wenigen Ausnahmen teilten die Counties ihre Sympathien zwischen einem Federalisten und einem Opponenten auf. 185 Das Shenandoah-Tal gab den Verfassungsfreunden einen Vorsprung, doch die Delegierten aus dem Westen, von denen man zu diesem Zeitpunkt noch nichts Genaues wußte, konnten den Ausgang des Konvents möglicherweise wieder offen gestalten. Beide Seiten hatten ihre Führer durchgebracht, was interessante Debatten versprach. Die Federalists gaben sich vor allem deshalb sieges182

183 184

185

Vgl. John Brown to Madison, New York, 12. 5. 1788; Madison to Brown, Orange, 27. 5. 1788, Rutland XI, 42 ff., 59 f.; „Humphrey Marshall on His Election to the Virginia Convention from Fayette County", in: A. C. Quisenberry, The Life and Times of Honorable Humphrey Marshall, Winchester, Ky., 1892, S. 24 ff. Marshall mußte sich nachträglich für sein federalistisches Votum im Konvent rechtfertigen. Angeblich gab er „no pledge to the people to vote against the ratification and had no instructions from them so to vote ... I stood in their place, and it was necessary only to understand the public interest, and to pursue it according to my best judgement." Risjord, Chesapeake Politics, S. 302. Vgl. Charles Lee to R. H. Lee, Richmond, 6. 4. 1788; Arthur Lee to Charles Lee, 31. 3. 1788, Lee-Ludwell Papers, VHi; Knox to Jeremiah Wadsworth, New York, 12. 4. 1788, J. Wadsworth Papers, CtHi; Annapolis Md. Gazette, 10. 4. 1788; Mass. Centinel, 7. 5. 1788; McDonald, We the People, S. 258, Anm. 5. Ein Beispiel ist Loudon County. Boyd, Politics of Opposition, S. 107.

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den

Ratifi^ierungskonventen

gewiß, weil ihre Gegner außer angesehenen Persönlichkeiten wie Mason und Henry auch „weak and desparate characters" ins Gefecht schickten. Carrington meinte sogar, die „Woge der Leidenschaft" habe eine große Zahl von „weak and obscure men" in den Konvent gespült. 186 Auch Madison ging davon aus, „that in point of characters the advantage will be on the federal side", und bescheinigte seiner Partei aufs Ganze gesehen eine „superiority of abilities." Aus Charlottesville vernahm er allerdings George Nicholas' Warnung, die federalistische Mehrheit werde wohl zu gering sein, um sämtliche Einwände der Opposition einfach beiseitezuschieben und die Entscheidung zu diktieren. Man müsse sich deshalb auf einen Kompromiß nach dem Muster von Massachusetts vorbereiten, der alle Wohlmeinenden und Reformwilligen unter dem Banner der Union vereine. Nicholas dachte noch weiter in die Zukunft: Nach glücklichem Ausgang des Konvents werde es von den Parlamenten abhängen, ob der Start des neuen Regierungssystems gelinge oder nicht. Madison sollte sich deshalb für die Virginia Assembly bereithalten und mit darauf achten, daß nur „federal men" gewählt würden. 187

Übergreifende Zusammenhänge und gemeinsame

Merkmale

Neben auffallenden regionalen Unterschieden offenbart die Betrachtung der Wahlen in den drei Schlüsselstaaten einige wesentliche Gemeinsamkeiten. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen dienten die Kampagnen für die Ratifizierungskonvente einem einzigen Zweck und stellten die Bürger vor eine klare Alternative. Sie lenkten die Aufmerksamkeit von den Personen weg auf die Sachfragen und regten zur politisch-ideologischen Parteinahme an. Der Verfassungsentwurf wirkte wie ein Grundsatzprogramm, mit dem man sich identifizieren oder das man ablehnen konnte, an dem sich jedenfalls die Geister schieden. Das förderte die Beteiligung der Wähler und verlangte den Kandidaten außergewöhnliche 186 Ygj Carrington to Knox, Richmond, 13. 3. 1788, Knox Papers, MHi; Washington to Lincoln, 2. 4. 1788, Washington Papers, LC; Carrington to Short, New York, 25. 4. 1788, W. Short Papers, LC. Cyrus Griffin meinte, „in point of virtues and real abilities" seien die Federalists weit überlegen: „Henry is weighty and powerful but too interested — Mason too passionate — the Governor by nature timid and undecided — and Grayson too blustering." To Madison, Rutland XI, 22 f. 187

Vgl. Madison to Washington, 10. 4. 1788; to Jefferson, 22. 4. 1788; Nicholas to Madison, 5. 4. 1788, Rutland XI, 8ff., 20 f., 27 ff.

Wahlkämpfe

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Anstrengungen ab. Fast überall erreichte das Wahlkampffieber, das schon seit Mitte der achtziger Jahre angestiegen war, einen neuen Höhepunkt. Die Verwendung von ausgefeilten und aufwendigen Propagandatechniken steigerte zwangsläufig das Bedürfnis nach Koordinierung und Parteiorganisation. Die generalstabsmäßige Planung, die der marylandische Federalist George Lux kurz nach der verlorenen Konventswahl für die kommende Auseinandersetzung um Parlamentssitze ins Auge faßte, ist symptomatisch für den Bewußtseinswandel, der sich in dieser Zeit vollzog: „Similar principles to those, governing a General in fighting regular troops, ought to govern us and Men selected, best calculated to fight their Opponents in their own way and on their own ground — In forming an arrangement we are not merely to consider any one Man's being popular in the County at large, as at a single election, but whether the several Candidates and their friends can bring aid to each other in the different neighbourhoods ... I have examined very minutely the polls of last October ... Let your Father, Uncle Tom, self, Cradock, Daye, Gough and other friends consider calmly, not determine rashly, examine our strong and weak parts, and then execute vigorously — We must call meetings, bring out our whole Artillery upon Uncle Charley [Ridgely] and then more in concert, each Officer in his Station, where he has influence ... I can also assist a little occasionally in scribbling ... then all our plans of operation will be ready, to put in motion." 188 Was Lux vorschwebte, wurde bereits im folgenden Jahrzehnt die übliche Parteienpraxis. Durchgängig auffallend ist weiterhin die Verschmelzung einzelstaatlicher oder sogar lokaler Interessenkonflikte mit nationalen Problemstellungen. Darin äußerte sich schon vor Inkrafttreten der Bundesverfassung die Interdependenz der unterschiedlichen politischen Ebenen, die ein föderatives System verwikkelt macht, aus der es aber gerade seine Lebenskraft schöpft. Aufmerksamkeit verdient auch der Umstand, daß die Wahlen trotz der starken Emotionalisierung im großen und ganzen ruhig, fair und geordnet abgewickelt wurden. Wer sie nach heutigen westlichen Standards beurteilt, wird an vielerlei Dingen Anstoß nehmen. Amerika war aber noch ein Pionierland, und seine Bevölkerung galt nicht umsonst als „a restless people." 189 Die häufigsten zeitgenössischen Beanstandungen be188

189

George Lux to Thomas Worthington, Chatsworth, 13. 6. 1788, Misc. Vertical File 1118, MdHi. Zu Lux siehe Boyd, Politics of Opposition, S. 100, 117, Anm. 23. Oscar and Lilian Handlin, Α Restless People. Americans in Rebellion, 1770—1787, Garden City, Ν. Y., 1982. Siehe auch John R. Howe, Jr., Republican Thought and Political Violence in the 1790's, in: AQ 19 (1967), S. 1 4 7 - 1 6 5 .

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Die Wahlen

den

Ratiji^ierungskonventen

trafen die Manipulation von Town Meetings, die Einschüchterung von Kandidaten und die Behinderung von Wählern bei der Stimmabgabe. Leidtragende dieser Unregelmäßigkeiten waren in erster Linie die Verfassungsgegner, doch hin und wieder hatten auch die Federalists Grund zur Klage. So tarnten sich einige Opponenten in Maryland bis zuletzt als Befürworter der Ratifizierung, um den nichtsahnenden Bürgern die nötigen Stimmen abzuluchsen. Chase, Martin und Paca verstießen gegen eine Bestimmung des marylandischen Wahlgesetzes, die besagte, daß ein Kandidat nur in der County antreten durfte, in der er seinen Wohnsitz hatte. Mit ihrem sicheren Wahlsieg im Rücken sahen die Federalists aber großzügig über diese Tatsache hinweg, zumal ein Einspruch die Kritiker unnötig gereizt und ihnen neue Propagandamunition geliefert hätte. 190 Ernste Zwischenfalle ereigneten sich in Philadelphia, Baltimore, North Carolina und Delaware. Am Tag der Pennsylvania-Wahlen griff ein von führenden Federalists angestifteter Mob zu später Stunde die Unterkünfte und Wohnhäuser oppositioneller Parlamentarier und Parteiführer an. Es flogen Steine, und Drohungen wurden laut, die „damned rascals" wegen ihres Widerstandes gegen die Ratifizierung zu lynchen. Drei Tage später verurteilte die Assembly diesen „empörenden Bruch des Parlamentsprivilegs" und setzte 300 Dollar Belohnung für die Ergreifung der Rädelsführer aus. Die Übeltat blieb jedoch ungesühnt, was den Skeptikern Anlaß zu der Frage bot, ob dies ein „Vorgeschmack auf die gepriesene Verfassung" sei. 191 In Baltimore-Stadt fochten die Antifederalists die Wahl mit der Begründung an, die Inspektoren hätten keinen Amtseid geleistet und Leute „without any property" abstimmen lassen. Auch in Baltimore County sei „apprentice boys, servants and slaves" Zutritt gewährt worden. Am dritten Wahltag habe schließlich eine große Menschenmenge, unter ihnen angetrunkene, mit Knüppeln bewaffnete ausländische Matrosen, Besitz von den Urnen ergriffen und vielen friedfertigen Bürgern die Stimmabgabe verwehrt. 192 Störungen bis hin zur Wahlsabotage meldeten die North CarolinaCounties Hertford und Dobbs. In Hertford sprengten Federalists eine Wahlveranstaltung des Baptistenpredigers Lemuel Burkitt, dessen prophetische Worte über die Sittenverwilderung in der künftigen Bundeshauptstadt sie über die Maßen erbost hatten. Tags darauf brachen sie vor 190

191 192

Tilghman to Coxe, Chester Town, 20. 4. 1788, Coxe Papers, PHi; vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 99 ff. DHRC II, 235 ff.; vgl. Kaminski, Violence, S. 17. Baltimore Md. Gazette, 15. 4. 1788.

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dem Gerichtsgebäude einen Tumult vom Zaun, konnten Burkitts Wahl zum Konvent-Delegierten aber nicht verhindern. 193 Drastischere Schritte, die einem organisierten Aufruhr nahekamen, ergriffen die Federalists in Dobbs County. Als alle ihre Bewerber einschließlich des oftmaligen Gouverneurs Richard Caswell bei der Stimmenauszählung klar hinter den schwächsten Antifederalisten, den Baptisten Abraham Baker, zurückfielen, unterbrachen sie gewaltsam die Prozedur, entkamen in dem Getümmel mit der Wahlurne und verbrannten die restlichen Stimmzettel. Ihr Anführer, ein wohlhabender und einflußreicher Landbesitzer, kommentierte den Krawall, bei dem einige gegnerische Kandidaten und selbst der Sheriff Blessuren davongetragen hatten, mit den Worten: „Well done Boys Now we'll have a new Election." Tatsächlich schenkte Gouverneur Samuel Johnston federalistischen Petitionen Gehör und ordnete eine Wiederholung der Wahl an. Da die Opposition zum Boykott aufrief, wurden die Federalists diesmal ohne Gegenstimme gewählt. Der Ratifizierungskonvent gab aber einem schriftlichen Protest von 248 Bürgern aus Dobbs County statt und erkannte den federalistischen Delegierten die Mandate wieder ab. Dobbs County war daraufhin im Konvent nicht vertreten. 194 Die unrechtmäßigen Aktionen in Hertford und Dobbs blieben Einzelerscheinungen, hinter denen keine subversive Gesamtstrategie sichtbar wurde. Der „Dobbs County Riot" mit seinem negativen Presseecho war den Federalists sogar peinlich, schädigte er doch ihr Image als gesetzestreue und ordnungsliebende Bürger: „Thank God, we have had nothing like it in any other county," stellte Archibald Maclaine erleichtert fest. 195 Die Streitigkeiten anläßlich der Delaware-Wahlen hatten weniger mit der Verfassung als mit der wechselseitigen Abneigung zu tun, die Whigs und Tories dort seit der Revolution füreinander empfanden. Unruhe kam auf, weil die Tories das „skandalöse Gerücht" ausstreuten, die Whigs wollten die Ratifizierung verhindern. Die Zusammenlegung der Konventsentscheidung mit den gewöhnlich heiß umkämpften Parlaments193

194

195

Siehe Lemuel Burkitt to Thomas Ustick, Hertford Co., 24. 3. 1789, Am. Baptist Hist. Society. Vgl. Thomas C. Parramore, A Year in Hertford County With Elkanah Watson, in: NCHR 41 (1964), S. 448-463; vgl. Kaminski, Violence, S. 26ff. Außer Burkitt wurden in Hertford ein weiterer Verfassungsgegner und drei Federalists gewählt. Siehe Benjamin Caswell, Affidavid on Dobbs County Riot, 23. 4. 1788, NCDAH; Governor Samuel Johnston to Joseph Martin, Edenton, 12. 4. 1788, Governors' Papers, NCDAH; TV. Y. Daily Adv., 30. 6. 1788; vgl. Kaminski, Violence, S. 28 ff. To Iredell, Wilmington, 29. 4. 1788, Pers. Misc. Papers, LC.

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wählen verschärfte die Situation. New Castle County fiel an die Whigs und Kent County an die Tories, da die jeweilige Konkurrenzpartei freiwillig das Feld räumte. Als in Sussex County das Bemühen fehlschlug, ein „Union Ticket" aufzustellen, verlegten die Tories den Wahlort handstreichartig an einen ihnen genehmen Platz und stationierten mehrere hundert Bewaffnete in der Nähe der Urnen. Um Blutvergießen zu vermeiden, blieben die Whigs daraufhin der Wahl fern. Statt wie üblich 1000 bis 1100, wurden diesmal weniger als 700 Stimmen gezählt. Anschließend baten die Whigs den Konvent und die Legislative in mehreren Petitionen ebenso eindringlich wie erfolglos um die Annullierung der beiden Wahlen. 196 Störungen und Zwischenfälle dieser Art waren von lokaler Bedeutung, hatten auf den Gesamtausgang der Konventswahlen aber keinen nennenswerten Einfluß. Stellt man sich die potentiellen Gefahren der Wahlsituation vor Augen, dann muß eher verwundern, daß nicht mehr Gewaltakte und Fälschungen vorkamen. Keine der beiden Parteien konnte sich mit unredlichen Mitteln wesentliche Vorteile verschaffen, und zumindest ein Teil der irregulären Entscheidungen wurde noch rechtzeitig korrigiert. Alle Konvente setzten Wahlprüfungskommissionen ein, die Beschwerden entgegennahmen, Zeugenprotokolle durchsahen und Untersuchungsberichte vorlegten. Wie in der Dobbs County-Affare und in einigen anderen umstrittenen Fällen geschehen, konnte der Konvent dann die von den örtlichen Inspektoren oder Sheriffs ausgestellten Wahlzertifikate für ungültig erklären und den betroffenen Delegierten die Mandate entziehen. Da die Kommissionen und Konvente ihre diesbezüglichen Beschlüsse mit Stimmenmehrheit faßten, war Mißbrauch immer noch möglich. Dennoch bot dieses formelle Prüfungsverfahren einen nicht geringzuachtenden Schutz gegen Manipulation und Wahlbetrug. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Endergebnisse in allen Staaten den freien Wählerwillen im Rahmen der geltenden Verfassungsbestimmungen und Wahlgesetze korrekt wiedergaben.

196

DHRC III, 92 ff. Thomas Rodney erläuterte in einem Brief an Caesar A. Rodney den Gegensatz zwischen der Whig Party, die den Staat während der Revolution beherrscht habe, und der Tory Party, die seit 1787 an der Macht sei. Seine Haltung zur Verfassung war ambivalent: „I verry much fear this New Scheme will Not be Suitable to the Tempers, habits and various Interests of America, and yet I wish it May, for of all National Misfortunes a fluctuating Government is productive of the Most Evils." Poplar Grove, 10. 1. 1789, Rodney Family Papers, LC.

XV. KAPITEL

Die Ergebnisse der Wahlen zu den Ratifizierungskonventen

Siege der Federalists Die in den Wahlergebnissen dokumentierte Spaltung in Befürworter und Gegner des neuen Regierungssystems ist nicht auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Monokausale Deutungsversuche, die abwechselnd den Gegensatz von Küste und Hinterland, kommerziell und agrarisch orientierten Bevölkerungsteilen, Gläubigern und Schuldnern, aristokratischen Konservativen und radikalen Demokraten oder Nationalisten und Partikularisten hervorhoben, werden der Komplexität der Verhältnisse durchweg nicht gerecht. Gewiß sind alle diese Elemente in der Debatte enthalten, doch keine der genannten Dichotomien, und mag man sie noch so verfeinern, kann die Stimmen- und Mandatsverteilung für sich allein vollständig erklären. Andererseits ist die historische Wirklichkeit aber nicht so struktur- und gestaltlos, daß der Historiker vor ihr kapitulieren müßte. Die in den letzten Jahren betriebene quantitative Forschung erleichtert es, zwischen statistisch relevanten und irrelevanten Faktoren zu unterscheiden. Vor allem dürfen aber die regionalen und lokalen Besonderheiten sowie die unterschiedliche wirtschaftliche und innenpolitische Lage der einzelnen Staaten nicht einer „monolithischen" Interpretation zuliebe vernachlässigt werden. Schließlich ist zu beachten, daß mit der Wahl noch nicht das letzte Wort gesprochen war. Die Entscheidung über Annahme, Ablehnung oder Änderung des Verfassungsentwurfs fiel erst in den Ratifizierungskonventen, in denen nicht alle Delegierten den Wünschen ihrer Wähler gemäß votierten. Am sinnvollsten erscheint es deshalb, zunächst die Wahlergebnisse in den einzelnen Staaten zu betrachten und dann Unterscheidungsmerkmale wie Besitz, Bildung, Beruf, Alter, Wohnort und ökonomische Interessen zu gewichten, die auf die Gesamtwählerschaft der Union zutreffen. Für das Inkraftsetzen der Verfassung wurde die Zustimmung von mindestens neun der dreizehn Staaten benötigt. Vom Wahlergebnis her waren aber nur sieben Staaten sichere Ratifizierungskandidaten: Pennsylvania, Delaware, Georgia, Connecticut, New Jersey, Maryland und

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South Carolina. Der knappe Ausgang in Massachusetts, New Hampshire und Virginia ließ dagegen keine eindeutige Prognose für den Konventsverlauf zu. Die Bürger von Rhode Island, New York und North Carolina wiederum hatten so klar gegen die Annahme der Verfassung gestimmt, daß mit einem ablehnenden Bescheid dieser drei Staaten gerechnet werden mußte. Für klare Verhältnisse sorgten die Wähler in Delaware, New Jersey und Georgia, indem sie rein federalistische Delegationen in ihre Ratifizierungskonvente entsandten. Die drei Counties New Castle, Kent und Sussex hatten sich erst 1776 unter dem Namen Delaware von Pennsylvania getrennt. Die ökonomische Zukunft dieses Kleinstaates blieb aber auch weiterhin eng mit derjenigen Pennsylvanias und Marylands verbunden. Philadelphia war der zentrale Ein- und Ausfuhrhafen am Delaware River, der gemeinsamen Lebensader von Delaware und Pennsylvania. Angelehnt an die beiden aufstrebenden Nachbarn, hatte Delaware die „kritische Periode" in finanzieller und wirtschaftlicher Hinsicht erstaunlich gut überstanden. Die Bevölkerung entwickelte ein Gefühl der Eigenstaatlichkeit und den Drang nach größerer Selbständigkeit, der sich in der Umwandlung von New Castle und Wilmington zu Freihäfen und in der Suche nach ausbaufähigen Wasserwegen zwischen der Delaware und der Chesapeake Bay manifestierte. 197 Man kann also nicht sagen, daß Delawares Einmütigkeit in der Verfassungsfrage aus dem Bewußtsein resultierte, das eigene Schicksal im Rahmen eines Staatenbundes nicht länger meistern zu können. Andererseits sprach alles für eine verstärkte wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit der Staaten und wirksamere Befugnisse der Unionsregierung. Das Delaware-Parlament hatte diesen Kurs trotz manch interner Reibereien seit 1781 konsequent verfolgt. Es unterstützte sämtliche Impost- und Reformvorschläge des Kongresses und setzte sich zusammen mit Maryland dafür ein, daß die „landlosen" Staaten über den Kongreß Einfluß auf die Verwendung der Westgebiete erhielten. Dabei beharrte es stets auf dem Prinzip der Stimmengleichheit von großen und kleinen Staaten in der Unionsregierung. Nachdem dieser Forderung durch die gleichmäßige Repräsentation aller Staaten im neuen Bundessenat wenigstens teilweise Rechnung getragen worden war, fanden die Bürger Delawares am Verfassungsentwurf kaum noch etwas auszusetzen. Zwar gab es vereinzelte kritische Stimmen, doch Richard Henry Lees Versuch, auf der Durchreise von New York nach Virginia in Wilmington den Op-

197

DHRC III, 37 ff.

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positionsgeist zu entfachen, scheiterte kläglich. 198 Aus der Sicht der Bewohner minderte die Verfassung den Status von Delaware nur unwesentlich und versprach dafür zahlreiche wirtschaftliche Vorteile. Besonders attraktiv erschien die abzusehende steuerliche Entlastung durch den vermehrten Rückgriff der Bundesregierung auf Einfuhrsteuern und -zölle, die weniger Delaware selbst als seine Nachbarn würden zahlen müssen. Die Delegiertenwahlen fanden zu einem Zeitpunkt statt, als der Erfolg der Federalists in Pennsylvania schon so gut wie feststand. Die Diskussionen drehten sich nicht etwa um die allseits befürwortete konstitutionelle Neuordnung, sondern um lokale Rivalitäten und Streitigkeiten. In ihrer Unionstreue standen Whigs und Tories einander nicht nach, und erwartungsgemäß fielen alle dreißig Mandate an Verfassungsfreunde. Schon elf Tage nach der Wahl vollzog der Konvent von Dover am 7. Dezember 1787 ohne Gegenstimme als erster die Ratifizierung. 199 Schmerzhafte wirtschaftliche Erfahrungen unter den Konföderationsartikeln ließen den Bürgern von New Jersey eine schleunige Annahme der Verfassung geraten erscheinen. Der Vorteil der zentralen geographischen Lage wurde durch den Mangel an guten Häfen und das Fehlen eines städtischen Zentrums zunichte gemacht. Eingeklemmt zwischen New York im Norden und Pennsylvania im Süden, ohne Ausdehnungsmöglichkeit nach Westen und gespalten in zwei ökonomisch, religiös und kulturell unterschiedliche Regionen, mußte der Staat schwer um seine Existenz ringen. East Jersey lag im Einflußbereich New Yorks, West Jersey mit seinem hohen Quäker-Anteil wurde von Philadelphia dominiert. Alle Fortschritte in der Landwirtschaft und im Manufakturwesen nutzten wenig, solange die bescheidenen Profite in die Zollkassen der Nachbarstaaten flössen, über die nahezu alle Ein- und Ausfuhren getätigt werden mußten. Um diesen jährlichen Verlust von etwa 40.000 Pfund Sterling an Importsteuern abzuwenden, hatten die New JerseyPolitiker in den 1780er Jahren kontinuierlich auf eine Stärkung des Kongresses und einheitliche Handelsregulierungen gedrängt. Wenn die Bundesregierung die Einfuhrsteuern erheben durfte, würde nicht nur New Jerseys finanzielle Abhängigkeit von New York und Pennsylvania

198 199

DHRC III, 94. Vgl. George H. Ryden, Delaware — the First State in the Union, Wilmington, Del., 1938; John A. Munroe, Federalist Delaware, 1775 — 1815, New Brunswick, N. J., 1954; ders., Colonial Delaware. A History, Millwood, Ν. Υ., 1978, S. 245 ff.; Leon De Valinger, How Delaware Became the First State, Dover, Del., 1970; McDonald, We the People, S. 116 ff.

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gelockert werden, sondern auch besser für die zahlreichen öffentlichen Gläubiger gesorgt sein, deren Zinsansprüche dann aus dem Bundesetat befriedigt werden konnten.200 In einem so exponierten und von Kriegsschäden heimgesuchten Staat wog zudem die Hoffnung auf einen wirkungsvolleren militärischen Schutz durch Unionsstreitkräfte schwer. Vereinzelte Skeptiker wie Abraham Clark bestritten diese handfesten materiellen Vorzüge nicht und schwammen deshalb lieber im Strom der öffentlichen Meinung mit. In der Verfassungsdebatte begruben die Regionalfraktionen, die noch 1786 wegen einer Papiergeldausgabe hart aneinandergeraten waren, vorübergehend das Kriegsbeil. Bei den Wahlen vom 27. November bis 1. Dezember 1787 kandidierte kein einziger Verfassungsgegner, und auch das agrarisch-radikale, Papiergeld favorisierende East Jersey stimmte geschlossen für die Ratifizierung. Acht Counties wählten ihre jeweils drei Delegierten viva voce, die restlichen fünf benutzten Stimmzettel. In einigen Kreisen brachte der Sheriff die Wahlurnen nacheinander zu verschiedenen Polling Places, um der Bevölkerung die Teilnahme zu erleichtern. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten achtete man in New Jersey auf eine Trennung von Parlaments- und Konventsmandat. Unter den Gewählten befanden sich deshalb nur ein Unterhausabgeordneter und ein Senator.201 38 der insgesamt 39 Delegierten traten am 11. Dezember in Trenton zusammen und tauschen ihre Meinung über die neue Verfassung aus. Obwohl auch Vorbehalte und Befürchtungen laut wurden, erfolgte die Ratifizierung eine Woche später einstimmig. Die internen Streitigkeiten waren damit aber keineswegs aus der Welt geschafft, sondern gewannen nach diesem harmonischen Zwischenspiel sehr bald ihre gewohnte Schärfe zurück. Während die Beteiligung an den Konventswahlen wegen des mangelnden Wettbewerbs wohl nicht besonders hoch gewesen sein dürfte, stieg sie bei den ersten Kongreßwahlen Anfang 1789 auf 44% der weißen erwachsenen Männer an.202

200

201

202

DHRC III, 122ff. Vgl. Main, Antifederalists, S. 194 f.; McDonald, We the People, S. 123 ff.; McCormick, Experiment in Independence (1950). DHRC III, 173 ff. Vgl. McCormick, The History of Voting in New Jersey, New Brunswick, N. J., 1953. Dinkin, Voting in Revolutionary America, S. 122 ff. „East and West Jersey were never more opposed than at the present moment ... I think the year 1789 the most alarming, both to America and Great Britain." James Parker to [?], Perth Amboy, N. J., [1789?], in: William A. Whitehead, Contributions to the Early History of Perth Amboy, New York 1850, S. 135.

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Währungsverfall und wirtschaftliche Stagnation, in erster Linie aber die akute Bedrohung durch die Creek-Indianer überzeugte die Georgier von der Notwendigkeit einer „efficient hand of a powerful government." 203 Der rasch wachsende Staat betrieb eine rücksichtslose territoriale Expansion, die Konflikte mit den Spaniern und den Indianern unvermeidlich machte. Die Ratifizierungsdebatte wurde im Schatten eines drohenden Großangriffs der verbündeten Creek-Stämme geführt, der die Georgia-Politiker erstmals zwang, ihr bislang betont lockeres und wenig kooperatives Verhältnis zur Union zu überdenken. Washington wußte, in welcher Zwickmühle sie sich befanden. Wenn ein schwacher Staat, so schrieb er im Januar 1788, „with powerful tribes of Indians in its rear and the Spaniards on its flank, do not incline to embrace a strong general government, there must, I should think, be either wickedness or insanity in their conduct." 204 In der Tat bedurfte Georgia nun dringend der Unterstützung durch die Unionsregierung und die übrigen Staaten und konnte sich ein langes Zögern oder gar Widerstand in der Verfassungsfrage kaum leisten. Umso bemerkenswerter ist, daß dennoch privat und öffentlich Kritik am Philadelphia· Entwurf geübt und vor seinen langfristigen Auswirkungen gewarnt wurde. Waffen, Munition und Unionstruppen waren erwünscht, nicht aber eine mächtige Zentralregierung, die ihre Steuern strikt eintrieb, sich in Georgias „innere Angelegenheiten" wie etwa den Sklavenhandel mischte, und den Drang nach Westen durch Verträge mit Spaniern und Indianern hemmte. Die Entscheidung für die Verfassung entsprang deshalb eher Zweckmäßigkeitserwägungen als politisch-ideologischer Überzeugung. Sie verdeckte nur mühsam die Zukunftssorgen der Sklavenhalter und die Ressentiments, die man in der stetig an Einfluß gewinnenden Upcountry gegen jede Form auswärtiger Regierungskontrolle hegte. 205 Trotz oder vielleicht gerade wegen der angespannten Lage scheinen erstaunlich viele Bürger bei den kombinierten Parlaments- und Konventswahlen vom 4. Dezember 1787 ihre Stimme abgegeben zu haben. In Camden County mit der Stadt Savannah erschienen 401 Wahlberechtigte und steigerten die Beteiligung auf die Rekordhöhe von 59,2%. Das

203

204 205

„A Georgia Backwoodsman", Gazette of the State of Georgia , 12. 6. 1788; vgl. Kaminski, Controversy Amid Consensus. The Adoption of the Constitution in Georgia, in: GHQ 58 (1974), S. 2 4 4 - 261. To Samuel Powel, 18. 1. 1788, DHRC III, 263. DHRC III, 201 ff., 219 ff.

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zweite bekannte Ergebnis stammt aus dem weiter nordwestlich gelegenen Kreis Burke, wo 270 Wähler (=18,7%) teilnahmen. Jede der elf Counties durfte drei Delegierte stellen. Knapp zwei Drittel der Gewählten waren Parlamentsabgeordnete, Kongreß- bzw. Verfassungskonvent-Delegierte oder Inhaber staatlicher Ämter. Sieben Delegierte fehlten, als der Konvent in Augusta am letzten Tag des Jahres 1787 die Verfassung mit 26:0 Stimmen ratifizierte. 206 Wer jedoch von diesem einhelligen Votum auf eine verbreitete federalistische Stimmung schloß, sah sich in der Folgezeit getäuscht. Die Mehrheit der Georgier fand wenig Gefallen am innenund außenpolitischen Kurs der Washington-Administration und schlug sich rasch auf die Seite der republikanischen Opposition. Anfang der neunziger Jahre wurde der Ausspruch des Präsidenten kolportiert, die Vereinigten Staaten seien „at peace with all the world except the state of Georgia." 207 Delaware, New Jersey und Georgia waren kleine bzw. bevölkerungsschwache Staaten und allein kaum lebensfähig. Für ihre Einigkeit in der Verfassungsfrage hatten sie aber jeweils ganz spezifische Gründe. Die einstimmige Ratifizierung gibt deshalb weder genauen Aufschluß über ihren inneren Zustand noch über ihren zukünftigen politischen Kurs. Das Beispiel dieser Staaten beweist zudem, daß es keinen automatischen Zusammenhang zwischen agrarischem Radikalismus, Papiergeldforderungen und Antifederalismus gab. Alle drei lebten vorwiegend von der Landwirtschaft und verfügten über starke Country-Fraktionen, die Opposition hätten leisten können. Jedesmal wurde die ideologische Affinität von Country und Antifederalismus jedoch durch wichtigere und aktuellere Faktoren aufgelöst oder überlagert. In Pennsylvania, Connecticut, Maryland und South Carolina endeten die Wahlen mit klaren federalistischen Erfolgen, die eine reibungslose Ratifizierung sicherstellten. Die Pennsylvanier wählten am 6. November 1787 in 18 Counties und in der Stadt Philadelphia, wobei die Counties je nach Bevölkerungszahl ein bis sechs Delegierte stellten und die City fünf weitere hinzufügte. Wie bei den voraufgegangenen Parlamentswahlen vom 9. Oktober kamen die unterschiedlichen politischen Präferenzen des Ostens und des Westens zur Geltung, doch das bisherige annähernde Gleichgewicht zwischen den Parteilagern verschob sich deutlich zugunsten der Republicans/Federalists. Durch ihre energische Wahlkampagne rissen die Verfassungsanhänger den gesamten Ostteil des Staates inklusive 206 207

Dinkin, Voting in Revolutionary America, S. 129; DHRC III, 265 ff. „Marius", Augusta Chronicle, 24. 12. 1791; DHRC III, 285 ff.

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der Gegenden mit, die in der Vergangenheit den Constitutionalists Unterstützung gewährt hatten. In Philadelphia und den sieben östlichen, an den Susquehanna und den Delaware River grenzenden Kreisen lautete das Mandatsverhältnis 39:1 für die Federalists. Als einzigem Oppositionellen gelang John Whitehill der Sprung in die sechsköpfige Abordnung von Lancaster County, einer Hochburg der deutschen Siedlung. 208 Die Vorentscheidung fiel in und um Philadelphia, wo die Verfassungsanhänger sämtliche zu vergebenden zehn Konventsitze eroberten. Zahlenmäßig ausschlaggebend war nicht die mit Robert Morris liierte Schicht der Kaufleute, Unternehmer, Anwälte und Bankiers, sondern die Masse der Tradesmen, Artisans und Mechanics, die lange Zeit den Rückhalt der radikal-demokratischen Partei gebildet hatten. Zusammen mit der Farmbevölkerung im Umkreis der City standen sie diesmal jedoch nahezu geschlossen hinter der Morris-Partei. Während die fünf erfolgreichen federalistischen Kandidaten in der Stadt Stimmenzahlen von 1157 bis 1215 verbuchten, mußten sich ihre Widersacher mit Ergebnissen zwischen 132 und 150 begnügen. 235 Wähler erwiesen Franklin ihre Reverenz, dessen Name ohne sein Zutun als „Lockmittel" auf die oppositionelle Liste gesetzt worden war. Der gute Informationsstand der Stadtbewohner verurteilte diese antifederalistische Finte jedoch zum Scheitern. 209 Philadelphias Bürger identifizierten sich in hohem Maße mit dem Verfassungsentwurf, der vor ihren Augen entstanden war. Zu diesem natürlichen Lokalpatriotismus gesellte sich die Hoffnung, der Sitz der Union werde wieder in den eigenen Staat, möglicherweise sogar in die eigene Stadt zurückkehren. Es gab aber auch andere politische und wirtschaftliche Gründe für den Federalismus der städtischen Mittelschicht. Die Handwerkerschaft trug es den Constitutionalists nach, daß sie 1786 versucht hatten, ihr Wahlrecht und damit ihre Vertretung im Parlament zu beschneiden. In materieller Hinsicht erwartete sie von der neuen Bundesregierung bessere Zolltarife, die europäische Konkurrenten abwehren und das Exportgeschäft beleben sollten. Auf verstärkte Ausfuhren setzten auch die Farmer, ohne deren Sympathien der durchschlagende Erfolg der Federalists im Osten nicht möglich gewesen wäre. 210

208 209 210

DHRC II, 234; vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 52 DHRC II, 211 ff. McDonald, We the People, S. 170; Ireland, The Ratification of the Constitution in Pennsylvania, Ph. D. diss., Univ. of Pittsburgh, 1966; ders., Partisanship and the Constitution. Pennsylvania 1787, in: Pa. History 45 (1978), S. 3 1 5 - 3 3 2 .

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Im Gegensatz zu der fast rein federalistischen Vertretung des Ostens entsandten die mittleren und westlichen Counties mehr als dreimal soviele Verfassungsgegner wie Befürworter (22:7) in den Konvent. Das Wahlverhalten der deutschstämmigen Bevölkerung zeigt an, daß die regionale Zugehörigkeit wichtiger war als ethnische und religiöse Faktoren. Je weiter westlich die „Germans" lebten, desto bereitwilliger nahmen sie gegen die Ratifizierung Stellung. Der Antifederalismus der Iro-Schotten war ebensowenig ethnisch begründet, sondern reflektierte vielmehr die Stimmung im Westen, wo ihr Hauptsiedlungsgebiet war. 211 Unangefochtene Sieger errang die Opposition in den Counties Berks, Dauphin, Cumberland, Bedford, Fayette und Westmoreland. Größere Orte wie Carlisle und Pittsburgh verzeichneten federalistische Mehrheiten, die jedoch im Gesamtergebnis ihrer Counties untergingen. In Cumberland trug Robert Whitehill, in Westmoreland William Findley und in Fayette John Smilie zum Erfolg der Opposition bei. Überhaupt fallt auf, daß die Constitutionalists ihre führenden Parlamentarier ins Rennen schickten und eine Reihe von ihnen auch durchbrachten. Demgegenüber schlossen die Republicans bewußt Amtsinhaber und Mandatsträger aus, um einen Konflikt zwischen dem Eid auf die Staatsverfassung und der Entscheidung für die neue Regierungsform zu vermeiden. 212 Dennoch schnitten sie auch in der Mitte und im Westen achtbar ab. Sie stellten die Delegationen von Luzerne, Northumberland und Huntingdon und gestalteten die Wahlen in Franklin und in der am Ohio gelegenen County Washington ausgeglichen. Die Antifederalists machten dafür den Informationsmangel ihrer Sympathisanten verantwortlich, die gebietsweise mit Wahlenthaltung gegen die überstürzte Anberaumung des Ratifizierungskonvents protestiert hatten. Tatsächlich konnte die Opposition bei den folgenden Parlamentswahlen einen Teil des verlorenen Terrains zurückgewinnen. 213 Die federalistische Zweidrittelmehrheit von 46:23 im Konvent war deshalb kein exakter Gradmesser für die Verfassungsfreundlichkeit der pennsylvanischen Bevölkerung. Nur 13.000 der insgesamt rund 70.000 Wahlberechtigten hatten teilgenommen — 6.400 weniger als bei der voraufgegangenen und 7.400 weniger als bei der nachfolgenden Assembly-Wahl. Mit 16,7% lag die Beteiligung um etwa 8% unter dem üblichen Schnitt. Angeblich entfielen auch nur wenig mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen, nämlich 211 212 213

Main, Antifederalists, S. 192. DHRC II, 224 f. Dissent of the Minority, DHRC II, 622; Main, Antifederalists, S. 188 ff.

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6.800, auf federalistische Kandidaten. 214 Trotz der überwältigenden Mehrheit im Konvent blieb die Lage für die Federalists deshalb prekär. Sie mußten damit rechnen, daß ihre Gegner die Konventsdebatten in die Länge ziehen und unterdessen die back country-Siedler zum Widerstand gegen die Verfassung anstacheln würden. Der Wahlausgang in Connecticut signalisierte eine politische Trendwende, die sich seit 1786 rapide vollzogen hatte. Bis dahin war die aus dem Streit um Offiziersbesoldung, Impost und Cincinnati hervorgegangene agrarische Opposition erstarkt und der etablierten, durch Tradition und Familienbande eng verknüpften Führungsschicht nahezu ebenbürtig geworden. Noch im Oktober 1786 hatte das Parlament die Finanzforderungen des Kongresses abschlägig beschieden und den Vorschlag für einen Reformkonvent in Annapolis ignoriert. Ein Jahr später nahm das Abgeordnetenhaus den Philadelphia-Entwurf jedoch überraschend positiv auf und setzte widerspruchslos die Ratifizierungsprozedur in Gang. Bei den Konventswahlen vom 12. November 1787 entschieden sich zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln der 98 Towns für die Verfassung. Einige der als Antifederalists gewählten Delegierten wechselten noch die Front, so daß die Ratifizierung schließlich mit 128 gegen 40 Stimmen erfolgte. 215 Zu diesem Sinneswandel trugen mehrere Umstände bei. Shays' Rebellion in Massachusetts schreckte nicht nur die Wohlhabenden auf, sondern beunruhigte auch viele kleine Farmer, die nach wie vor unter dem Einfluß ihrer ebenso strengen wie ordnungsliebenden Geistlichen standen. 216 Der ökonomische Einbruch der Jahre 1785/86 konnte zwar durch eine Reihe von Stützungsmaßnahmen abgemildert werden, zeigte aber die Grenzen 214 2,5

216

DHRC II, 622; Dinkin, Voting in Revolutionary America, S. 115. DHRC III, 325 ff., 331 ff., 364,405 ff. Siehe auch Philip H. Jordan, ed., Connecticut Anti-Federalism on the Eve of the Constitutional Convention. A Letter from Benjamin Gale to Erastus Wolcott, February 10, 1787, in: Conn. Hist. Soc. Bull. 28 (1963), S. 14—21; Christopher Collier, Connecticut in the Continental Congress, Chester, Conn., 1973. Der Anwalt David Daggett beschrieb das koloniale Connecticut 1787 als eine „perfekte Aristokratie": „The ministers, with two or three principal characters were supreme in each town. Hence the body of the clergy, with a few families of distinction, ... in effect, ruled the whole state." DHRC III, Microfilm Suppl. 14. In Morses American Geography hieß es über Connecticut: „The clergy, who are numerous, and as a body very respectable, have hitherto preserved a kind of aristocratical balance in the democratical government of the State, which has happily operated as a check to the overbearing spirit of republicanism." Zitiert nach Main, Antifederalists, S. 198, Anm. 28.

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der unabhängigen Leistungsfähigkeit des Staates auf. Ähnlich wie New Jersey bezog Connecticut einen Großteil seiner Einfuhren über New York und mußte dafür jährlich zwischen 20.000 und 40.000 Pfund Sterling bezahlen. Kleinere Summen wurden für denselben Zweck an Rhode Island und Massachusetts entrichtet. Diese „Tribute" fehlten für die notwendige Verbesserung der wirtschaftlichen Infrastruktur und die Befriedigung der öffentlichen Gläubiger, die in Connecticut besonders zahlreich waren und die einen überproportional hohen Anteil an den kontinentalen Schuldverschreibungen hielten. 217 Wenn die Bundesregierung den Handel regulierte, die Einfuhrbesteuerung übernahm und die Staatsschuld fundierte, würde sich die Steuerlast der Bevölkerung vermindern und Kapital zum Aufbau von Manufakturen und Industrien frei werden. Diese Argumente hämmerten die Federalists den Menschen in einer aufwendigen, zuweilen auch rücksichtslosen Propagandakampagne ein. 218 Wer um die staatliche Souveränität fürchtete, wurde auf das gleiche Stimmrecht im Senat und auf den gegenüber dem alten Kongreß konstanten Anteil Connecticuts an der Repräsentation verwiesen. Besänftigend wirkten auch Shermans Erklärungen, der Verfassungsentwurf sehe keinen fundamentalen Wandel des Regierungssystems vor und die neue Ordnung sei „partly national [and] partly federal." 219 Unter diesen Umständen schrumpften die Gebiete, aus denen die agrarische Opposition bisher Unterstützung bezogen hatten, auf einige verstreute Inseln zusammen. Sie lagen im Norden entlang der Grenze zu Massachusett, im südlichen Teil der Counties Tolland und Windham, und an der Küste in New Haven County. Der Antifederalismus dieses Handel und Gewerbe treibenden Kreises scheint auf den Einfluß von James Wadsworth zurückzugehen, der sich hier kraft seiner Persönlichkeit und seines Amtes als staatlicher Rechnungsprüfer eine „Hausmacht" geschaffen hatte. 220 Kennzeichnend für den generellen Vertrauensschwund, dem die Opposition ausgesetzt war, ist jedoch die Tatsache, daß die Mehrzahl der Towns, die 1784 den Impost-Plan des Kongresses abgelehnt hatten, nun die Verfassung akzeptierten. Nicht einmal die agrarisch-radikalen Gemeinden, die in der Wirtschaftskrise den Ruf nach 217

218 219 220

McDonald, We the People, S. 140 f. Zu den wirtschaftlichen Interessen siehe auch Margaret E. Martin, Merchants and Trade of the Connecticut River Valley, 1750— 1820, Ph. D. diss., Columbia Univ., 1942; Saladino, Economic Revolution in Connecticut (1964). Vgl. DHRC III, 393, 470 f., 514, 516, 544, 549. Vgl. Farrand I, 468 f.; DHRC III, 328 f., 351 ff. McDonald, We the People, S. 142.

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Papiergeld ertönen ließen, stellten sich geschlossen auf die Seite der Verfassungsgegner.221 Einige Towns schöpften ihr Delegiertenkontingent nicht voll aus, und zwei hielten sich ganz abseits, so daß statt der möglichen 175 Konventsmitglieder 168 gewählt wurden. Die wenigen bekannten Zahlen lassen darauf schließen, daß die Gemeindeversammlungen überdurchschnittlich gut besucht waren und die Beteiligung höher lag als bei regulären Wahlen. 24 der 79 Towns, deren Sitzungsprotokolle überliefert sind, tagten öfter als einmal, weil sie die Debatte fortführen oder Komiteeberichte anhören wollten. In 14 Gemeinden wurde die Verfassung offiziell zur Abstimmung gestellt, wobei sich sieben Towns für und sieben gegen eine Ratifizierung entschieden. Jeweils drei von ihnen schrieben den Delegierten genau vor, wie sie votieren sollten. Der weitgehende Verzicht auf Abstimmungen und Instruktionen bedeutete aber nicht, daß die Meinungsbildung zu kurz kam. Schon wenige Tage nach der Wahl war in großen Zügen bekannt, welche Gemeinden „federal" und welche „antifederal men" nach Hartford schicken würden. 222 Um ganz sicher zu gehen, daß sie im Konvent keine unliebsame Überraschung erlebten, boten die Federalists ihre gesamte Prominenz auf, an der Spitze die Philadelphia-Delegierten Sherman, Ellsworth und Johnson, gefolgt vom Gouverneur und Vize-Gouverneur, sowie von fünf Richtern des Obersten Staatsgerichts und sechs Angehörigen des einflußreichen, für seine elitäre Struktur und Gesinnung bekannten Gouverneursrates. In dem Ratsmitglied James Wadsworth verfügte die durch Desertionen zusätzlich geschwächte Gegenseite über den einzigen Mann dieses Kalibers. Den geschlagenen Antifederalists blieb deshalb wenig mehr, als den maßlosen Ehrgeiz der „Aristokraten" zu verdammen, das eigene organisatorisch-propagandistische Ungeschick zu beklagen und Trost in der grundlosen Annahme zu suchen, die Mehrheit der freemen wolle nach wie vor nichts von der Ratifizierung wissen.223 Ebenso populär wie in Connecticut war die Verfassung in Maryland, das seit der Gleichstellung von „landlosen" und „landbesitzenden" Staaten den Ruf eines treuen Gliedes der Union genoß. Im Unterhaus hielten sich die Parteien, die von 1785 an die Schlachten um Papiergeld und

221 222 223

Main, Antifederalists, S. 199 f. DHRC III, 405 ff.; Dinkin, Voting, S. 119 f. So Hugh Ledlie to Lamb, Hartford, 15. 1. 1788, DHRC III, 575 ff.

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Schuldnerschutz geschlagen hatten, Ende 1787 noch die Waage. 224 Kurz nach Bekanntwerden des Verfassungsentwurfs zeichnete sich aber ab, daß es der Chase-Ridgely-Fraktion nicht gelingen würde, ihre zur Bekämpfung der Pflanzer-Vormacht rekrutierte Anhängerschaft geschlossen gegen die Ratifizierung zu mobilisieren. Die traditionelle Führungsschicht setzte alle Hebel in Bewegung, um der Verfassung, die Entlastung vom innenpolitischen Druck zu bringen schien, den Weg zu ebnen. Diesmal wußte sie sich im Einklang mit dem kommerziellen Element des Staates — Kaufleuten, Handwerkern, Händlern, Arbeitern —, das durch den fortschreitenden Ausbau des Handels- und Manufakturwesens an Bedeutung gewonnen hatte. Demgegenüber war der Propagandafeldzug der Antifederalists nicht so zielstrebig und kraftvoll, wie es der Bekanntheitsgrad und die Erfahrung ihrer Führer Chase, Martin, Paca, John Francis Mercer, Thomas Johnson und Gouverneur Smallwood erwarten ließen. Die Hauptlast trug Luther Martin, der sich offenbar als einziger um einen koordinierten, landesweiten Wahlkampf bemühte. 225 Die Zurückhaltung der anderen prominenten Verfassungsgegner hatte taktische und persönliche Gründe. Um den Vorwurf der Obstruktion zu vermeiden, sprachen sie weniger von einer Ablehnung als von der notwendigen Verbesserung des Entwurfs und hofften insgeheim, die Entscheidung bis zum Virginia-Konvent hinauszögern zu können. Zweifellos legten ihnen auch ihre privaten finanziellen Schwierigkeiten nahe, im Hintergrund zu bleiben. Sie standen ohnehin unter heftigem Beschüß der Federalists, die ihre Verwicklungen in Spekulationsgeschäfte und Skandale weidlich ausschlachteten. Weil sie um die Sympathien der Bevölkerung für die Verfassung ebenso wußten wie um die eigene beschädigte Reputation, nahmen sie sogar Zuflucht zu Täuschungsmanövern. So wünschten sie nun im Unterschied zu früher auf Instruktionen und eine vorherige Festlegung der Kandidaten zu verzichten. 226 Unter diesen Umständen hätten sie möglicherweise den einen oder anderen ihrer Freunde in den Konvent „schmuggeln" können. Die Wachsamkeit des politischen Gegners machte solche Pläne aber zunichte. Schon Monate vor der Wahl bekundeten die Federalists — allerdings nur für den

224

225 226

Samuel Hughes hoffte, Maryland werde „continue to deserve the Characture which she has always merited of being warmly attached to the Union." To Thomas Clifford, Mount Pleasant, 11. 2. 1788, Pemberton Papers, PHi. Vgl. Risjord, Chesapeake Politics, S. 280 ff. Boyd, Politics of Opposition, S. 98 ff. Charles Pettit to General Irvine, Philad., 29. 12. 1787, Irvine Letters, PHi.

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„Sonderfall" des Ratifizierungskon vents — ein extrem demokratisches RepräsentationsVerständnis: Es sei Sache der Wähler, die unmißverständlich gestellte Ja-Nein-Frage zur Verfassung zu beantworten; die Delegierten hätten das Urteil des Volkes im Konvent lediglich zu verkünden und gewissermaßen notariell zu beglaubigen. Wer sich, wie George Lux in Baltimore County, gegen diese Theorie wandte, mußte selbst als Federalist damit rechnen, von der Kandidatenliste gestrichen zu werden. 227 Ein Fiasko besonderer Art erlebten die Verfassungsgegner in der Stadt Baltimore. Dort hatten Samuel Sterett und David McMechen den Wählern ihr Ehrenwort gegeben, daß sie sich für die Ratifizierung ohne vorherige Amendments einsetzen würden. Erst am Wahltag bekannte Sterett im Kreuzverhör einer Bürgerabordnung seine antifederalistischen Neigungen. Obgleich die Urnen schon geöffnet waren, nominierten die

227

„The Convention are not to think for the people, but merely to declare the will of the people ..." „A Watchman", Baltimore Aid. Gazette, 30. 10. 1787. „What freeman who has a sense of the value of liberty ... would delegate to any body of men a right to reject what he approved of?" A. a. O., 6. 11. 1787. Vgl. „Freeman", Baltimore Md. Journal, 19. 2. 1788. Dagegen verkündete George Lux den Wählern von Baltimore County: „It is my real opinion the members of convention should neither be shackled by instructions or promises; I would never have consented to stand, had I expected to be called on to declare my sentiments, for a child of five years old could lisp out yes or no, as well as the most sensible man in the state." A. a. O., 4. 4. 1788. Damit befand er sich in Gesellschaft des Antifederalisten „Mentor", der in derselben Ausgabe feststellte: „The application to the people is flattering to their vanity and pride, and complementary to their power and understanding; but, I fear, will lead them to their destruction. In my judgement, our legislature, or a convention, chosen after long deliberation and with full power to adopt, reject or amend, would be best qualified to decide a question, which, all agree, involves the future happiness of millions." Nach der Ratifizierung versuchte der Federalist Alexander C. Hanson die Unterscheidung aufrechtzuerhalten „between the convention acting in virtue of its delegated powers, and its members, as a body, acting agreably to the common rights of citizens." Jeder Delegierte sei „under a sacred obligation, to vote conformably to the sentiments of his constituents." Mit Hinweis auf diese „obligations" hätte die KonventMehrheit eine Diskussion über Amendments abgelehnt: „The sentiments of the people were binding on their delegates." Hanson schickte diese Darstellung Madison zu, der sie aber wohlweislich nicht veröffentlichen ließ, weil sie der federalistischen Argumentation in den anderen Staaten strikt zuwiderlief. Siehe Hanson to Madison, Annapolis, 2. 6. 1788, Rutland XI, 69 ff.; Anlage abgedr. in State Dept. Doc. Hist, of the Const. IV, 647 — 664. Zur Instruktionsproblematik nach Inkrafttreten der Bundesverfassung siehe Clement Eaton, Southern Senators and the Right of Instruction, 1789-1860, in: JSH 18 (1952).

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Federalists daraufhin McHenry und Dr. Coulter als neue Kandidaten und verhalfen ihnen — anscheinend nicht nur mit lauteren Mitteln — noch zum klaren Sieg über Sterett und McMechen. Samuel Chase wich erst im letzten Augenblick von Baltimore nach Anne Arundel County aus, wo er sich zusammen mit John Francis Mercer, Jeremiah Townley Chase und Benjamin Harrison in einer „Wirbelwind-Kampagne" gegen die starke Konkurrenz der Carrolls durchsetzen konnte. Großen Anteil daran hatte ein kurzfristig verteiltes Flugblatt, das ihr auf wenige Schlagwörter reduziertes Wahlprogramm enthielt: „BILL OF RIGHTS - LIBERTY OF CONSCIENCE - TRIAL BY JURY - NO EXCISE - NO POLL TAX - NO STANDING ARMY IN PEACE, WITHOUT LIMITATION - NO WHIPPING MILITIA, NOR MARCHING THEM OUT OF THE STATE, WITHOUT CONSENT OF THE GENERAL ASSEMBLY - NO DIRECT TAXATION, WITHOUT PREVIOUS REQUISITIONS." Die finstere Entschlossenheit, mit der viele Wähler an die Urnen kamen, zeigte nach Auffassung von Daniel Carroll an, „[that] they were really frightened by what they had just heard." 228 In Baltimore County sicherte die eingespielte Parteimaschine der Ridgely-Familie den Antifederalists vier weitere Mandate. Ohne Gegenwehr fiel schließlich noch Harford County, wohin sich Martin und Paca sicherheitshalber begeben hatten, an die Opposition. Damit sind die antifederalistischen Erfolge aber bereits aufgezählt. Von den 76 Konventssitzen, die in den 18 Kreisen und zwei Städten zu vergeben waren, holten sie lediglich 12. Die Federalists vermuteten sicher nicht ganz zu Unrecht, daß die Vorbehalte gegen die Verfassung größtenteils von der Furcht vor Insolvenz und Spekulationsverlusten herrührten. Hätten jedoch alle marylandischen Schuldner und Spekulanten antifederalistisch gestimmt, dann wäre das Wahlergebnis mit Sicherheit wesentlich knapper ausgefallen. Im Verlauf der Debatte schmolz der Anhang von Chase und Ridgely bis auf einen harten Kern in den Counties am oberen Ende der Chesapeake Bay zusammen, die zuvor schon stets Papiergeldbefürworter ins Parlament entsandt hatten. 229 Immerhin gehörten diese oppositionellen Hoch228

229

Carroll to Madison, 28. 5. 1788, Rutland XI, 62 ff.; Hanson to Coxe, Annapolis, 1 1 . 4 . 1788, Coxe Papers, PHi. Vgl. Papenfuse, ed., An Undelivered Defense of a Winning Cause (1976), S. 228; Boyd, Politics of Opposition, S. 99 ff.; Risjord, Chesapeake Politics, S. 628. Vgl. Crowl, Antifederalism in Maryland (1947); O'Brian, Challenge to Consensus (1979); Haw, Politics in Revolutionary Maryland (1972); Verstandig, Emergence of the Two-Party System in Maryland (1970).

Die Ergebnisse der Wahlen s>u den

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bürgen zu den bevölkerungsstärksten Counties des Staates. 230 Ein Korrespondent der Maryland Gazette gab an, daß insgesamt nur 6.000 Bürger gewählt hätten, und daß sich zwei Drittel aller abgegebenen Stimmen auf Baltimore und die umliegenden sieben Kreise konzentrierten. In den restlichen Counties seien im Schnitt nicht einmal 200 Stimmen erforderlich gewesen, um ein Mandat zu gewinnen. 231 Falls diese Angaben zutreffen, entsprächen sie einer Gesamtbeteiligung von etwa 15 — 20% der erwachsenen weißen Männer und nicht mehr als 25% der Wahlberechtigten. Die überlieferten Einzelergebnisse schwanken zwischen 20,9% der Wahlberechtigten in Baltimore County und 48,8% in Montgomery County. Baltimore Stadt lag mit 43% am oberen Ende dieser Skala. Falls es nötig gewesen wäre, hätten die Federalists in den meisten Kreisen wesentlich mehr Wähler an die Urnen bringen können. 232 Als Vergleich bieten sich die härter umkämpften Parlamentswahlen vom Herbst 1788 an, bei denen die Beteiligung auf 33% (=14.000 Wähler) anstieg und in einigen Distrikten fast 60% erreichte. Trotz der nach wie vor elitären Gesellschaftsstruktur und der relativ hohen Besitzqualifikationen gehörte Maryland damit am Ende des Jahrzehnts zu den Staaten mit der höchsten Wahlbeteiligung. 233 Den Konventswahlen mangelte es dagegen in weiten Teilen des Landes an Wettbewerb. Die Counties des Eastern Shore, in denen sich der mäßigend-konservative Einfluß der Methodisten bemerkbar machte, fielen ausnahmslos an die Federalists. Nur in Kent und Talbot rührte sich Opposition, der aber keine geeignete Führung zuteil wurde. In den meisten anderen Counties boten die Verfassungsgegner nicht einmal Gegenkandidaten auf. 234 Auch am unteren Ende des Western Shore Die Zahl der freien erwachsenen weißen Männer betrug 1790 in Baltimore County 4.214, in Anne Arundel 2.336 und in Harford 2.352. Ähnlich hohe Zahlen gab es sonst nur in Baltimore Town (3.072), Frederick (5.610), Washington (3.040) und Montgomery (2. 592). Pole, Politics of Representation, Appendix II, S. 554. 231 „A Republican", 16. 5. 1788; vgl. Verstandig, Emergence, S. 40. 232 In Washington County hielten sich angeblich ca. 1000 Wahlberechtigte „in Bereitschaft", um federalistisch abzustimmen, „but the Unanimity of the People in the more central parts, rendered such Assistance entirely unnecessary." Baltimore Md. Journal, 15. 4. 1788. 233 Ygi Dinkin, Voting, S. 114 ff.; Dorothy M. Brown, Politics of Crisis. The Maryland Elections of 1788-1789, in: MHM 57 (1962), S. 1 9 5 - 2 0 9 ; Pole, Political Representation, Appendix II, S. 554 f. 234 Ein „Republican" gab im Baltimore Md. Journal vom 16. 5. 1788 zu, daß in den meisten Counties, wenn überhaupt, dann erst kurz vor der Wahl Opposition laut geworden war. In einigen Counties seien die Verfassungsgegner nicht zur Wahl 230

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bezogen die Kritiker überall dort, wo sie anzutreten wagten, eine klare Abfuhr. Die endgültige Entscheidung fiel in der Region des Oberen Potomac, deren Abgeordnete lange Zeit den Schuldnerstandpunkt im Parlament vertreten hatten. Nachdem Frederick County schon 1786 ins Gläubigerlager übergewechselt war, folgten nun auch Montgomery und Washington nach. 235 In allen westlichen Kreisen redeten die Deutschen ein Wort mit, denen der Verfassungstext und die wichtigsten Argumente pro und contra in ihrer Muttersprache zugänglich waren. Sie wurden von beiden Parteien umworben, gaben federalistischen Kandidaten aber eindeutig den Vorzug. 236 Noch bedeutsamer dürfte jedoch ein langfristiger Trend gewesen sein, der den ökonomisch-politischen Charakter dieses Gebietes veränderte. Seit der Revolution erlebte der gesamte Einzugsbereich des Potomac mit seinem verlockenden Potential an landwirtschaftlicher Nutzfläche eine kräftige Zuwanderung aus dem Osten. Der Ausbau der Schiffahrtswege steigerte den Wert des Landes und erleichterte den inner- und zwischenstaatlichen Handelsverkehr. In dem Maße, wie sich die Farmer aus ihrer geographischen Isolierung befreiten und auf städtische Zentren hin orientierten, wurden sie für die kommerzielle Mentalität der Küstenbewohner empfanglich. Der gleiche Wandlungsprozeß vollzog sich in den benachbarten virginischen Potomac- und Shenandoah-Tälern. Zur federalistischen Gesinnung der Siedler trug sicher auch die Erwartung bei, die künftige Bundeshauptstadt werde ihren Platz am Potomac finden. Der deutliche Wahlsieg der Verfassungsanhänger ist deshalb sowohl der politisch-ideologisch begründeten Vorliebe der Pflanzeraristokratie für eine starke Regierung und eine feste Union als auch der wirtschaftlichen Entwicklung zu verdanken, die Maryland von einem reinen Agrar- in einen Handels- und Industriestaat umformte. 237 Trotz des überwältigenden 64:12-Vorsprungs fühlten sich die Federalists nicht völlig sicher. Sie hatten zwar etliche verdiente Politiker, insbesondere Senatoren und Mitglieder des Gouverneursrates in ihren Rei-

235

236 237

gegangen oder hätten auf die Stimmabgabe verzichtet, weil kein Antifederalist kandidiert habe. Vgl. Risjord, Chesapeake Politics, S. 284. Ausschlaggebend für den Umschwung in Montgomery war wohl, daß die „merchants and traders of George-Town exerted all their influence to persuade the farmers and planters of the county to agree to the new government ... without any alterations." „Mentor", Baltimore Md. Journal, 4. 4. 1788. Risjord, Chesapeake Politics, S. 287 ff. Vgl. a. a. O., S. 280 ff.; Main, Antifederalists, S. 213 ff.; McDonald, We the People, S. 148 ff.; Crowl, Anti-Federalism in Maryland, S. 447 ff.

Die Ergebnisse der Wahlen

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hen, mußten aber ohne den kenntnisreichen und angesehenen Charles Carroll auskommen. 238 In Bezug auf Erfahrung, Rednergabe und taktisches Geschick standen ihnen die gewählten Sprecher der Opposition kaum nach. Deshalb nahmen sie sich vor, langwierigen Diskussionen aus dem Weg zu gehen und jeden Verzögerungsversuch im Keim zu ersticken. South Carolina war der einzige Staat, dessen Repräsentativsystem den Wählerwillen entscheidend verfälschte. Alle Anläufe des bevölkerungsstärkeren Westens, auf konstitutionellem Wege eine gerechtere Vertretung im Parlament zu erlangen, waren am Widerstand der Ostküstenelite gescheitert. Die Niederlage der Antifederalists ist deshalb nicht in erster Linie auf mangelhafte Organisation, geringe Propagandamöglichkeiten oder fehlenden Einsatz zurückzuführen. Den Ausschlag gab die Tatsache, daß die Bürger von Charleston und Umgebung den Rest des Staates jederzeit majorisieren konnten. Zuweilen wurde der Ost-West-Gegensatz dadurch gemildert, daß die politischen Gruppierungen der Low Country — Plantagenbesitzer, Kaufleute und Handwerker — untereinander uneins waren, und etliche Pfarrbezirke (Parishes) der geographischen Zwischenzone mit den Farmern des Hinterlandes stimmten. In der Verfassungsfrage hielten die Küstenbewohner aber trotz ihrer unterschiedlichen, recht komplexen Interessenlage fest zusammen. Die bedeutendsten Faktoren scheinen die Hoffnung eine allgemeine Belebung des Handels und des Kreditwesens, auf eine für South Carolina gewinnbringende Fundierung der Staatsschulden und besseren militärischen Schutz durch die Union gewesen zu sein. Dafür nahmen die Pflanzer eine temporäre Verschlimmerung ihrer Schuldenprobleme und das potentiell kostspielige wirtschaftliche Übergewicht der Nordstaaten in Kauf. Die wenigen Angehörigen der Low Country-Elite, die den Verfassungsentwurf aus privaten oder weltanschaulichen Gründen ablehnten, stellten sich zumeist nicht in der Küstenregion zur Wahl, sondern kandidierten in westlichen Distrikten, in denen sie ebenfalls Land besaßen. Der prominenteste unter ihnen, Rawlins Lowndes, verzichtete angesichts der verfassungsfreundlichen Stimmung in Charleston freiwillig auf das Mandat, das ihm seine Heimatgemeinde Saint Bartholomew erteilt hatte. 239

238

239

Carroll war in Anne Arundel County unterlegen. Ende Januar 1788 hatte er bereits eine Rede konzipiert, die er im Ratifizierungskonvent zu halten gedachte. Papenfuse, ed., An Undelivered Defense of a Winning Cause (1976). Storing V, 149, Anm. 3. Lowndes eigene Darstellung war in diesem Punkt unklar. Siehe Lowndes to Lamb, Charleston, 21. 6. 1788, in: Leake, Memoir of Lamb, S. 308. Vgl. auch McDonald, We the People, S. 215 mit Anm. 137.

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Die Wahlen

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Ratifi^ierungskonveniert

Da gut die Hälfte der „mittleren" Gemeinden diesmal die Low Country unterstüt2ten, hatte die Masse der kleinen Tabakpflanzer, Farmer und Gewerbetreibenden des Hinterlandes wie so oft in entscheidenden politischen Fragen das Nachsehen. Ihr Protest richtete sich ebensosehr gegen das Prinzip einer zentralen Staatsgewalt, die ihre lokale Autonomie weiter einengte, wie gegen die generelle Bevormundung durch die Landsleute im Osten. Finanzpolitische Konflikte wirkten weniger polarisierend, denn die Eigentümer der großen Tidewaier-Phntagen waren in den meisten Fällen weit höher verschuldet als die Siedler des Westens. Sie hatten sich deshalb selbst zu Fürsprechern von Schutzmaßnahmen gemacht, die konservativen Kreisen andernorts im allgemeinen viel zu „radikal" erschienen. 240 Das einzige bekannte Zahlenergebnis stammt aus der Stadt Charleston. Dort gaben 424 Bürger und damit 22,3% der erwachsenen weißen Männer Stimmzettel ab, die ausnahmslos federalistischen Kandidaten zugutekamen. Abgesehen von der überdurchschnittlichen Beteiligung dürfte dieses Resultat symptomatisch für die Parishes der drei Küstendistrikte Charleston, Beaufort und Georgetown gewesen sein. Ihnen standen insgesamt 151 Delegierte zu, der Upcountry dagegen nur 86. Allein der Charleston-Distrikt mit 11,3% der weißen Bevölkerung South Carolinas durfte 109 Repräsentanten, also nahezu die Hälfte der Teilnehmer, in den Ratifizierungskonvent entsenden. 241 Um einen Gesamtüberblick zu erhalten, ist man auf Abstimmungsergebnisse im Konvent angewiesen, die allerdings schon ein durch Ubertritte ins federalistische Lager verzerrtes Bild geben. Bei der ersten Kraftprobe, die noch am ehesten das Wahlresultat widerspiegelt, sprachen sich 89 Delegierte für und 135 gegen einen oppositionellen Vertagungsantrag aus. 111 der 135 federalistischen Stimmen kamen aus Küstengemeinden, neun aus mittleren Pfarrbezirken und 15 aus der Upcountry. Einige dieser 15 Delegierten waren höchstwahrscheinlich als Antifederalists gewählt worden, die anderen hatten offenbar spezielle, in die Zeit des erbitterten Guerrillakampfes zwischen Whigs und Tories zurückrei-

240

241

Vgl. McDonald, a. a. O., S. 202 ff.; Main, Antifederalists, S. 21 ff., 215 ff.; Boyd, Politics of Opposition, S. 114 ff.; Ulrich B. Philips, The South Carolina Federalists, in: AHR 14 (1909), S. 529ff.; George C. Rogers, Jr., South Carolina Ratifies the Federal Constitution, in: Proceed, of the S. C. Hist. Assoc. 31 (1961), S. 41—62. Dinkin, Voting, S. 127 f. Siehe dazu William A. Schaper, Sectionalism and Representation in South Carolina, in: Am. Hist. Ass., Annual Report for 1900, vol. I, Washington, D. C., 1901, S. 354 ff.

Die Ergebnisse

der Wahlen

den Ratifi^ierungskonventen

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chende Gründe für ihr abweichendes Verhalten.242 Die übrigen 72 Upcountry-Repräsentanten befürworteten die Vertagung, und sie erhielten Beistand von 9 Abgeordneten der Küstenregion und 8 der Zwischenzone. Das Mißverhältnis zwischen Wählerzahl und Mandaten wird überdeutlich, wenn man sich klarmacht, daß die 135 Federalists ca. 20%, die 89 Antifederalists dagegen rund 80% der weißen Bevölkerung repräsentierten. Andere Indizien für das regionale Ungleichgewicht sind die Zahl der Sklaven und die Steuerleistung. Die knapp 30.000 weißen Einwohner der Low Country besaßen etwa 78.000 Sklaven, d. h. über 70% aller Schwarzen in South Carolina. In den meisten Parishes befanden sich die Weißen mit 1:4 in der Minderzahl. Dafür brachten die Küstendistrikte allerdings auch gut drei Viertel der staatlichen Steuereinnahmen auf. Man kann also sagen, daß Sklavenbesitz und Steuerleistung im Konvent besser repräsentiert waren als die weiße Bevölkerung. Bis zur Schlußabstimmung verschob sich das Stärkeverhältnis noch mehr zugunsten der Federalists. Dennoch sprachen die 149 Delegierten, die schließlich mit Ja votierten, auch weiterhin nicht für die Mehrheit, sondern nur für 39% der weißen Einwohnerschaft. Der sichere 149:73-Sieg täuscht also über die Tatsache hinweg, daß fast zwei Drittel der Bürger South Carolinas zum Zeitpunkt der Wahlen von einer bedingungslosen Annahme der Verfassung nichts wissen wollten. 243

Umstrittene

Staaten

In dieser Kategorie befanden sich neben New Hampshire die beiden Schlüsselstaaten Massachusetts und Virginia, die zusammen fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Union stellten. Sie konnten unter Umständen selbständig existieren oder den Kern separater Konföderationen bilden. Vergleichbar nur mit Pennsylvania und New York, waren sie gewohnt, zu führen und die Bedingungen, unter denen sie der Sache der Union dienten, selbst festzusetzen. Das für kleine und schwache Staaten geeignete Argument, es gebe keine Alternative zur Ratifizierung, verfing hier nicht. Dagegen berührte der Grundtenor der antifederalistischen Propaganda, daß die Verfassung vor der endgültigen Annahme noch 242

243

Libby, Geographical Distribution, S. 44; McDonald, We the People, S. 216, Anm. 139; Main, Antifederalists, S. 218 ff. Roll, We, Some of the People, S. 30 ff.; Beard, Economic Interpretation, S. 248 f.

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verbessert werden müsse, einen empfindlichen Nerv der Bürger und schmeichelte ihrem Selbstbewußtsein. Das Massachusetts-Ergebnis folgte in etwa den politisch-ideologischen Konfliktlinien der „kritischen Periode". Die Mehrzahl der Towns im Osten und im Tal des Connecticut River, die das konservative Finanzprogramm mitgetragen und eine entschlossene Unterdrückung der agrarischen Unruhen gefordert hatten, wählte federalistische Delegierte. Demgegenüber lehnten fast alle inländischen Gemeinden, die für Schuldnerschutz eingetreten waren und die zentralen Anliegen der Aufständischen teilten, den Verfassungsentwurf ab. Andererseits ist das Resultat in seiner geographischen Struktur zu buntscheckig, als daß es allein auf diesen Gegensatz zurückgeführt werden könnte. Am erfolgreichsten waren die Federalists in der Hauptstadt Boston und in den anderen Küstenorten. Die Kompromißliste, auf die sich der Nord- und der Süd-Caucus von Boston geeinigt hatten, enthielt mit Hancock, Samuel Adams und Charles Jarvis drei skeptisch bis kritisch eingestellte Politiker. Da jedoch die Bürgerschaft, die sie im Town Meeting nominierte und wählte, eindeutig federalistisch gesinnt war, konnte damit gerechnet werden, daß sie ebenso wie die übrigen neun Delegierten für die Annahme der Verfassung stimmen würden. 244 Andere zur Führung berufene Antifederalists blieben bei den Wahlen auf der Strecke. Weder James Warren aus Plymouth noch Elbridge Gerry und James Winthrop, die in Cambridge klar unterlagen, schafften den Sprung in den Ratifizierungskonvent. Dennoch schnitt die Opposition aufs Ganze gesehen im Osten relativ gut ab. Die Federalists räumten selbst ein, daß Gerrys Brief an den General Court beträchtliche Wirkung gezeitigt hatte. Sichtbar wurde das vor allem in den Counties Bristol und Middlesex, deren Gemeinden mehrheitlich Vorbehalte nach dem Muster von Gerrys Objections anmeldeten. In den sieben östlichen Counties errangen die Antifederalists immerhin gut 60 Mandate, d. h. etwa halb soviele wie ihre Gegner. Dieser Teilerfolg fiel umso mehr ins Gewicht, als die Waage im Westen weit deutlicher zugunsten der Opposition ausschlug. Die drei Counties Worcester, Hampshire und Berkshire schickten wenigstens dreimal soviele Verfassungsgegner wie Ratifizierungsbefürworter zum Konvent nach Boston. Unter den gewählten Antifederalists befanden sich über 30 Männer, die aktiv an Shays' Rebellion oder an Protestaktionen auf lokaler Ebene teilgenommen hatten. 245 Die meisten federalistischen 244 245

Boyd, Politics of Opposition, S. 55 ff. Main, Antifederalists, S. 207 mit Anm. 57.

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Stimmen wurden im Connecticut-Tal und im äußersten Westen abgegeben. Im einen Fall wirkte sich die Verbindung mit den Handelszentren am Unterlauf des Connecticut River aus, im anderen schlug Sedgwicks Prestige zu Buche. Insgesamt erreichten die Verfassungsanhänger im Westen mehr, als sie nach den Geschehnissen der letzten Jahre hatten erwarten dürfen. Osten und Westen zusammengenommen, verzeichneten die Gegner der bedingungslosen Ratifizierung einen Vorsprung von über 20 Mandaten. Der Wahlausgang in den drei Counties des Maine-Distrikts änderte hieran wenig, weil die Küstenorte den Verfassungsentwurf mit 22 gegen 5 Delegiertenstimmen guthießen, die Gemeinden des Landesinnern ihm dagegen eine 17:2-Absage erteilten. Aus den vorliegenden Einzelresultaten errechnet sich eine durchschnittliche Wahlbeteiligung von 27% der erwachsenen weißen Männer. Sie lag damit nur knapp hinter derjenigen bei den Gouverneurswahlen von 1787 zurück, als die Partizipation im Zeichen der agrarischen Unruhen von 10,3 auf 29,3% emporgeschnellt war. Größere Orte im Osten wie Boston, Charlestown und Marblehead brachten es lediglich auf etwa 25%, die kleineren westlichen Towns Sheffield, Great Barrington und Worcester dagegen auf respektable 43,2, 44,9 und 45,7%. Das Endergebnis gibt ziemlich genau den Wählerwillen wieder, denn keine der beiden Seiten geriet durch den Repräsentationsmodus entscheidend ins Hintertreffen. Im Blick auf den Konvent sprachen die Zahlen somit gegen die Federalists, die Qualität ihrer Spitzenkandidaten und die Ortswahl von Boston jedoch für sie. 246 Ebensowenig wie in Massachusetts resultierte die Wahlentscheidung in New Hampshire aus einer rein ökonomischen Interessenabwägung. Vielleicht noch stärker als beim südlichen Nachbarn verbanden sich hier wirtschaftliche, politische, ethnisch-religiöse, ideologische und persönlichkeitsbezogene Motive zu einem komplexen Ganzen. Von Desinteresse der Bürger an der Verfassungsfrage oder gar von Apathie kann nicht die Rede sein. 247 Bei Gouverneurswahlen verzeichnete New Hampshire nach 1784 die höchsten Beteiligungsraten aller dreizehn Staaten. Die im Januar abgehaltenen Town Meetings, auf denen die Konvent-Delegierten ge246

247

Dinkin, Voting, S. 117 ff.; Roll, We, Some of the People, S. 26; Pole, Political Representation, Appendix II, S. 544 ff. Zur Zeit der Konvent-Wahlen lebten etwa 89.000 freie erwachsene weiße Männer in Massachusetts. Dieser Vorwurf durchzieht die Darstellung von McDonald, We the People, S. 235 ff. Batchellor, Α Brief View of the Influences, S. 14, bezeichnet die New Hampshire-Towns dagegen als „active, alert, and intelligent organizations, intensely independent, intensely self-reliant, and intensely democratic."

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wählt wurden, waren verständlicherweise nicht so gut besucht wie die regulären März-Versammlungen. Dennoch nahm rund ein Drittel der ca. 25.000 weißen Männer über 21 Jahre teil, und in etlichen Orten kam es zu heftigen Debatten und Kampfabstimmungen. Schon die langwierigen Bemühungen um eine neue Staatsverfassung hatten gezeigt, wie tief gerade hier die antizentralistische Country-Mentalität verwurzelt war. Auch diesmal machten die Gemeinden ganz selbstverständlich von ihrerri Privileg Gebrauch, konstitutionelle Vorschläge kritisch unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls zu verwerfen. 248 Ab 150 Steuerzahlern stand den Towns ein Mandat zu, für weitere 300 „ratable polls" durften sie je einen zusätzlichen Vertreter bestimmen. Portsmouth stellte auf diese Weise drei, Londonderry zwei Delegierte, während sich die meisten anderen Gemeinden mit einem Repräsentanten begnügen mußten. Im Landesinnern taten sich mancherorts mehrere kleine Towns und „Places" zusammen, um einen gemeinsamen Abgeordneten wählen und finanzieren zu können. Die 106 im Ratifizierungskonvent von Exeter anwesenden Delegierten bildeten die größte politische Repräsentation, die New Hampshire bis dahin erlebt hatte. Aus den 77 erhaltenen Town Meeting-Protokollen geht hervor, daß die meisten Gemeinden den Verfassungsentwurf sorgfältig prüften und an den Kriterien eines auf Selbstbestimmung, Mitverantwortung und Bürgerrechte bedachten Republikanismus maßen. Zusätzlich zur Wahl der Delegierten ermittelten sie häufig ein Meinungsbild der Einwohnerschaft, beauftragten Komitees mit dem Studium des Verfassungstextes und erteilten Instruktionen. Mindestens neunzehn Town Meetings lehnten die Ratifizierung unmißverständlich ab. Einige votierten lediglich, „not to accept the Constitution", 249 andere wie Marlborough gaben ihrem Abgeordneten genauere Anweisungen mit auf den Weg: „Where as We have this Day Chosen You and Appointed You to Represent us in Convention to Accept or Reject the New Proposed Federal Constitution if you Can have our Bill of Rights Secured to us and a Firm Test of the Protestant Religion ... it Will be Satisfactory otherwise Reject the Whole." In Conway übte das Town Meeting-Komitee vor allem daran Kritik, daß

248

249

Vgl. Eiseman, Ratification by New Hampshire, S. 98; Dinkin, Voting, S. 108 ff.; Pole, Political Representation, S. 544; Oliver, Keystone of the Federal Arch, S. 44ff.; Lynn W. Turner, The Ninth State. New Hampshire's Formative Years, Chapel Hill, N. C., 1983. Ζ. B. Derryfield, Hillsborough, Hopkinton und Amherst.

Die Ergebnisse der Wahlen

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eine Überarbeitung und Verbesserung des Entwurfs nicht möglich sein sollte: „As we Repose full Confidence in you and as we find a great many good things in the Proposed Constitution Blended with what we cant approve of and as there is not any alterations to be made in said Constitution we Desire you to act all in your Power to hinder the Establishment thereof." 250 Towns mit federalistischer Mehrheit beließen es zumeist bei der Delegiertenwahl und einer allgemeinen Anerkennung des unterbreiteten Reformvorschlags. Gelegentlich wiesen sie ihre Vertreter aber auch explizit an, für die Ratifizierung Sorge zu tragen. 251 Die einzelnen durch Flußläufe und Bergzüge gegliederten Regionen gaben unterschiedliche politische Präferenzen zu erkennen. Der Mündungsbereich des Piscataqua River mit Portsmouth, Dover und Durham, der wirtschaftlich am weitesten fortgeschritten war, favorisierte klar die Verfassung. Kennzeichnend ist, daß die traditionellen Rivalen um den Gouverneursposten, John Langdon und General Sullivan, in Portsmouth bzw. Durham als Federalists kandidierten und gewählt wurden. Den Gegenpol bildeten das Tal des Merrimack River und die westlich anschließende County Hillsborough, in der Joshua Athertons Heimatort Amhurst lag. Die Merrimack-Gemeinden hatten schon im Parlament einen Kurs verfolgt, der den kommerziellen Interessen und Zukunftsvorstellungen des Piscataqua-Gebiets zuwiderlief. Nun stellten sie das Gros der antifederalistischen Konvent-Delegierten. Ethnisch-religiöse Eigenheiten spielten mit, denn die irisch-presbyterianischen Siedlungen links und rechts des Merrimack formten einen soliden Block gegen die Verfassung. Im agrarisch-abgeschiedenen Hillsborough-Kreis lag seit 1786 der Schwerpunkt der Papiergeldagitation. Eine Mehrheit der Gemeinden, die mit entsprechenden Petitionen beim Parlament vorstellig

250 251

Town Records, 15. 1. 1788, New Hampshire State Library. So Lyme/Orfold und Newmarket. A. a. Ο. Die Bürger von Sanbornton in Strafford County wollten ihren Abgeordneten William Harper auf die Annahme der Verfassung festlegen, doch der „liked his own opinion best, and finally voted against it." Als Gründe führte er an, „that the powers conferred upon the general government were too great; that the abundant patronage conferred upon some, ind the independent tenure of office upon other departments, would tend to consolidation, and lead to the exercise of tyranny and oppression." Sein eigenwilliges Verhalten scheint ihm nicht geschadet zu haben, denn von 1791 bis 1800 repräsentierte er seine Town ununterbrochen im New Hampshire-Parlament. Siehe J. Farmer and J. B. Moore, eds., Collections, Historical and Miscellaneous. Historical Sketch of Sanbornton, Ν. Η., Ill (1824), S. 355; Μ. T. Runnels, History of Sanbornton, Ν. H., 2 vols., Boston 1881/82, I, S. 135; II, S. 326.

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geworden waren, beauftragte ihre Konvent-Delegierten, die Ratifizierung zu verhindern. 252 Auch weiter westlich, in Cheshire County behielten die Antifederalists die Oberhand, obwohl etliche Gemeinden am Connecticut River den Entwurf akzeptierten. Das hing mit der Bedeutung des Flusses als Verkehrs- und Kommunikationsader zusammen, mehr aber wohl mit der Herkunft der Siedler aus dem verfassungsfreundlichen Staat Connecticut. Kommerzielle Interessen spielten bestenfalls eine nebengeordnete Rolle, da die Farmer kaum über den Eigenbedarf hinaus produzierten. Das gleiche gilt für Grafton County, die sich im Norden anschloß und bis an die kanadische Grenze erstreckte. Ihr Federalismus ist weniger dem Connecticut River als der Überzeugungskraft von Oberrichter Samuel Livermore zuzuschreiben. Diesem in Princeton erzogenen „frontier aristocrat" wagten offenbar nur wenige Landsleute zu widersprechen. Er kannte alle Delegierten der Grafton-Gemeinden persönlich und bekehrte selbst die zum rechten Glauben, deren Towns Einwände gegen die Verfassung vorgebracht hatten. Das Schreckgespenst britischer Invasionen aus Kanada und Neuschottland tat ein übriges, um die Unionstreue der Bevölkerung zu festigen. 253 Strafford County schließlich, die im Osten an den Maine-Distrikt grenzte, teilte sich fast gleichmäßig in Anhänger und Kritiker der Verfassung. Allem Anschein nach traf das auch auf die Gesamtbevölkerung von New Hampshire zu. Was aber zählte, waren die von den Gemeinden gewählten Delegierten. Nahmen sie ihre Instruktionen ernst, dann würden in Exeter mehr als zehn Stimmen an der für die Ratifizierung erforderlichen Mehrheit fehlen. 254 Eine Analyse der Virginia-Wahlen fördert die regionale Zugehörigkeit als den wichtigsten Einzelfaktor zutage. Mit geringen Abweichungen folgt das Ergebnis einem geographischen Muster, das sich im Zuge der parlamentarischen Auseinandersetzungen und der Parteienbildung in den achtziger Jahren herauskristallisiert hatte. 255 Während insgesamt gesehen ein ungefähres Gleichgewicht zwischen Federalists und Antifederalists bestand, stimmten die einzelnen Regionen recht unterschiedlich ab. Von den 64 Konventsmandaten, die in der Southside und im Piedmont auf dem Spiel standen, vereinnahmte die Opposition 49. Die Bevölkerung

252 253

254 255

Vgl. Eiseman, Ratification, S. 102 ff.; Batchellor, Α Brief View, S. 22. McDonald, We the People, S. 235 ff., 245 f. Zu Livermore siehe Oliver, Key Stone, Appendix: Short Biographies, S. 138 ff. Boyd, Politics of Opposition, S. 62 f. Risjord, Chesapeake Politics, S. 306 ff., v. a. S. 316 f.

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dieser Gebiete hatte schon bisher fest zu Patrick Henry und dessen schuldnerfreundlichen Politik gehalten. Im Küstenbereich der Flüsse James, York, Rappahannock und Potomac, sowie im Northern Neck dominierten dagegen die Verfassungsanhänger. Trotz aller Bemühungen eroberten die Antifederalists hier nicht einmal ein Drittel der zu vergebenden 54 Sitze. Faßte man das ganze Territorium östlich der Blue Ridge Mountains in einem Blick zusammen, dann führte die Opposition dennoch mit etwa 12 Mandaten Vorsprung. Das Zünglein an der Waage bildete also der Westen: das Shenandoah-Tal, die Alleghany-Counties (das heutige West Virginia) und der Kentucky-Distrikt. Die Siedler in Kentucky entschieden sich mit großer Mehrheit gegen die Verfassung, weil sie um den freien Zugang zum Mississippi fürchteten und annahmen, das neue Regierungssystem werde ihren Selbständigkeitsbestrebungen hinderlich sein. Eine Gruppe von Landspekulanten erkundete insgeheim sogar schon die Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Spanien. 256 Das Shenandoah Valley schickte demgegenüber eine rein federalistische Delegation in den Ratifizierungskonvent. Zentrale Bedeutung kam dabei dem ausgedehnten Handelsverkehr mit Maryland zu, der von einer bundeseinheitlichen Wirtschaftspolitik nur profitieren konnte. Außerdem hegte man die Erwartung, die künftige Unionsregierung werde sich energischer um den Ausbau der Wasserwege, insbesondere des Potomac kümmern, als es die Anliegerstaaten bislang getan hatten. Die sieben Alleghany-Counties waren in der Vergangenheit häufig mit der Southside konform gegangen, deren hervorstechendes soziales Merkmal, das Überwiegen von kleinen Farmern ohne Sklavenbesitz, sie teilten. Im Unterschied zum Süden drängten sie aber spätestens seit 1787 auf die Erfüllung des Friedensvertrags, von der Großbritannien die Räumung der westlichen Forts abhängig machte. Diese Befestigungen wurden zur Abwehr von Indianerangriffen benötigt und bildeten den Schlüssel für eine weitere Ausdehnung in Richtung Ohio-Tal. Die neue Verfassung kündigte nun das Ende der gegenseitigen Vertragsverletzungen an und schuf eine Regierung, die fähig war, den territorialen Expansionsprozeß tatkräftig zu fördern. Ein Teil der Alleghany-Delegierten verpflichtete sich deshalb von vornherein auf die Ratifizierung, ein anderer zögerte,

256

Der spanische Gesandte Gardoqui hatte dem Kongreß-Delegierten John Brown vertraulich einen Handelsvertrag mit Kentucky in Aussicht gestellt, falls sich der Distrikt von der Union lossagen würde. Siehe Madison to Jefferson, New York, 23. 8. 1788, Rutland XI, 238 ff.; Watlington, Partisan Spirit, S. 160 ff.; Main, Antifederalists, S. 225, 228.

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zeigte sich dann aber ebenfalls den Argumenten der Federalists zugänglich. Ergänzt durch den Gewinn einiger Tzdeivater-Counties, die bislang die Schuldner-Fraktion im Parlament verstärkt hatten, hob diese proVerfassungshaltung des Shenandoah-Tales und West Virginias den Antifederalismus Kentuckys auf und ließ das Pendel knapp zugunsten der Ratifizierungsbefürworter ausschlagen. Es half der Opposition also wenig, daß sie insgesamt fast 60% der abgegebenen Stimmen erobert hatte. 257 Die Wahlbeteiligung hielt sich in dem für Virginia üblichen Rahmen. Der Durchschnitt der sieben überlieferten Einzelresultate beträgt 26,5% der erwachsenen weißen Männer, wobei Frederick County mit 6,2% am unteren, Essex County mit 29,9% am oberen Ende der Skala liegen. Damit war die politische Anteilnahme der Bevölkerung größer als unmittelbar nach der Revolution, jedoch etwas geringer als bei den Parlamentswahlen von 1787 und 1788. Auch hier trifft aber zu, daß mehr Wettbewerb in den einzelnen Regionen die Gesamtstimmenzahl zweifellos in die Höhe getrieben hätte. Alle drei Staaten dieser Gruppe weisen eine recht günstige Relation zwischen Wählerwillen und Mandatsverteilung auf. Die ungleichmäßige Repräsentation brachte den Federalists in Virginia und New Hampshire geringe Vorteile, während sie in Massachusetts die Opposition leicht begünstigte. Nach Sitzen führten die Verfassungsanhänger in Virginia, die Opponenten in Massachusetts und New Hampshire. Überall war die endgültige Entscheidung aber bis zu den Konventen selbst vertagt. 258

Erfolge der

Antifederalists

Rhode Island setzte seinen Widerstand gegen die Neuordnung mit dem Beschluß fort, keine Konventswahlen, sondern ein Referendum auf Gemeindeebene abzuhalten. Das Parlament stellte den Bürgern die Frage, ob sie den Verfassungsentwurf billigten, oder ob sie ihn abgelehnt wissen wollten. Diese Methode diente den politischen Zwecken der CountryPartei, stand aber auch im Einklang mit der in Rhode Island besonders

257 258

Siehe die Berechnungen von Main, Antifederalists, S. 285 f. Vgl. Dinkin, Voting, S. 124ff.; Roll, We, Some of the People, S. 24 ff.

Die Ergebnisse der Wahlen ψ den

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eifrig gepflegten Town Meeting-Demokratie. 259 Da der Ausgang absehbar war, entschlossen sich die Federalists in ihren Hochburgen Providence und Newport zum Wahlboykott. Von den über 2000 Wahlberechtigten dieser beiden Städte, die zusammen zehn Abgeordnete ins Unterhaus entsenden durften (den anderen Towns standen je zwei zu), erschienen am 24. März 1788 ganze 13 Personen an den Urnen. In Newport zählte man zwei, in Providence keine einzige Stimme für die Verfassung. Das Town Meeting von Newport beauftragte dafür aber ein Komitee, „to draft Instructions for the deputies of this Town ... to Obtain a Resolution for Calling a Convention [and] to instruct the Deputies to use their influence for Obtaining a repeal of the tender and limitation Laws." 260 Offenbar blieben Ratifizierungsbefürworter auch in anderen Orten aus Protest den Gemeindeversammlungen fern. Neben Providence und Newport meldeten weitere 21 der insgesamt 30 Towns weniger als zehn JaStimmen. Federalistische Mehrheiten gab es nur in Bristol (26:23) und in Little Compton, das mit 63 gegen 57 Stimmen die Einberufung eines Konvents forderte. Im Vergleich zu den Gouverneurswahlen des Jahres 1787 bedeutete das Endergebnis von 2711:239 gegen die Verfassung einen Rückgang der Beteiligung um ca. 1.200 oder knapp 10% auf 24,4%. 261 Aber selbst ohne Boykott und Stimmenthaltungen hätten die Federalists kaum mehr als sechs Orte und ein Drittel der Wähler auf ihre Seite ziehen können. Die meisten Gemeinden waren sich in der Ablehnung des Verfassungsentwurfs so gut wie einig. In Richmond besuchten

259

260

261

Der Mass. Centinel ließ am 7. 10. 1789 einen Briefschreiber aus Providence zu Wort kommen, der ein gewisses Verständnis für seine antifederalistischen Landsleute aufbrachte: „The people of this State have been accustomed to a democratic government. They have viewed the new Constitution as an approach, though perhaps but a small one, to that form of government from which we have lately dissolved our connection." Vgl. Joel A. Cohen, Democracy in Revolutionary Rhode Island. A Statistical Analysis, in: R. I. History 29 (1970), S. 3 - 1 6 ; Daniels, Dissent and Conformity on Narragansett Bay (1983); ders., The .Particular Courts' of Local Government. Town Councils in Eighteenth-Century Rhode Island, in: R. I. History 41 (1982), S. 5 4 - 6 5 ; Kaminski, Democracy Run Rampant (1976); Ellis P. Oberholtzer, The Referendum in America, 2nd ed., New York 1911; Staples, Rhode Island (1870). Newport Town Records, R. I. State Archives, Papers Relating to the Adoption of the Constitution. Dinkin, Voting, S. I l l ff. Abweichend von den in den Town Records angegebenen Zahlen gelangte das Wahlprüfungskomitee des Parlaments zu einem Endresultat von 2708:237. Rhode Island Records, R. I. State Archives. Bei den Frühjahrswahlen 1787 waren 4287 Stimmen abgegeben worden.

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Die Wahlen

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beispielsweise 69 der 77 Wahlberechtigten das Town Meeting, und alle bis auf einen votierten — wie überall viva voce — gegen den Entwurf. 262 Es ist unschwer zu erkennen, weshalb die Verfassung der großen Mehrzahl der Rhode Island-Farmer mißfiel. Zunächst vertrugen sich die zentralistischen Tendenzen des Textes schlecht mit dem Demokratieverständnis der freemen und freeholders, das ganz auf direkte, unmittelbare Teilnahme am politischen Prozeß ausgerichtet war. Des weiteren erregte die Behandlung der Sklavenfrage den Unwillen der in diesem Staat außergewöhnlich regen, von den Quäkern getragenen Anti-Sklavereibewegung. 263 Überragende Bedeutung kam aber der Finanzpolitik zu, um die seit drei Jahren erbittert gestritten wurde. Der Beitritt zur neuen Union im augenblicklichen Zeitpunkt hätte das Programm der CountryPartei gefährdet, das die Kriegsschulden des Staates beseitigte und die Farmer von den hohen Steuern und teilweise sogar von ihren privaten Schulden entlastete. Wie Newport, aber im gegenteiligen Sinne, verbanden auch einige antifederalistische Towns das Referendum ausdrücklich mit der Papiergeldfrage. So lehnten in Foster sämtliche 177 Anwesenden die Verfassung ab und nutzten die Gelegenheit, um ihre Parlamentarier zu instruieren, „to use the[ir] Influence in the Hon. General assembly at their next Session that no alteration be made but that the Tender of the paper Currency Remain as it now stands." 264 Fast alle Gemeinden, die bisher dem finanzpolitischen Kurs der Country-Führer gefolgt waren, stimmten mit Nein. Die Verfassungsgegner kontrollierten sämtliche 16 inländische Towns und gut die Hälfte der 14 Küstenorte. Umgekehrt kam die Opposition gegen die Papiergeldpolitik hauptsächlich aus den Städten Newport und Providence, deren Bürger bei einer Loslösung von der Union um ihren Handel und den Wert ihrer kontinentalen Schuldverschreibungen fürchten mußten, mit denen sie sich reichlich versorgt hatten. 265 Wie überall sonst, ging es den meisten Antifederalists nicht um den Austritt aus der Konföderation, sondern um Zeitgewinn und Amendments. Der Country-Propaganda ist aber zu 262

263 264 265

James R. Irish, Historical Sketch of the Town of Richmond, Hope Valley, R. I., 1877, S. 36; vgl. Main, Antifederalists, S. 212 f. Kritik an der Praxis des voice vote wurde am 3. 4. 1788 im Newport Herald laut. Zu einem späteren Zeitpunkt führte die Gemeindeversammlung von East Greenwich auf Verlangen einiger anwesender Federalists ein paper vote durch. Town Meeting, 22. 12. 1788, East Greenwich Town Meeting Records. DHRC XIV, 503 ff. R. I. State Archives. McDonald, We the People, S. 321 ff.; vgl. ο. Kap. II.

Die Ergebnisse der Wahlen

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entnehmen, daß zumindest einige Politiker ihrem Staat ernsthaft die Rolle eines Freihafens und Umschlagplatzes für ausländische Waren zudachten. Unter solchen Voraussetzungen schien selbst ein kleiner unabhängiger Staat lebensfähig zu sein und — nicht zuletzt durch Schmuggel — Profite erwirtschaften zu können. 266 Nur wenige Tage nach dem Referendum in Rhode Island bestimmte North Carolina am 28. und 29. März seine Konvent-Delegierten. Hier wie in New York gelang es der Country-Gruppierung, ihren bisherigen Einfluß durch einen aggressiven Wahlkampf unter dem Banner des Republikanismus noch auszuweiten und den politischen Gegner in sein Kerngebiet zurückzudrängen. Obgleich die Quellen spärlich fließen, deutet nichts daraufhin, daß der Kenntnisstand der Bevölkerung in North Carolina schlechter war als in den anderen großräumigen Staaten. Was an eigenen Informationsmitteln fehlte, wurde in dem monatelangen Wahlkampf durch Flugschriften- und Zeitungssendungen aus New York, Pennsylvania und Virginia ersetzt. Der Hillsborough-Konvent fand umso mehr Aufmerksamkeit, als er neben der Ratifizierungsfrage noch das heiße Eisen des endgültigen Standorts der Staatshauptstadt anfassen sollte. 267 Wahlkampffieber herrschte vor allem in den Counties, in denen beide Seiten Kandidaten nominierten. Dort lag, wie das einzige überlieferte Zahlenbeispiel erahnen läßt, die Wahlbeteiligung auch recht hoch: In Dobbs County hatten 372 Bürger ihren Wahlschein abgegeben, bevor sich die unterlegenen Federalists mit der Urne davonmachten. Das entsprach ca. 40% der erwachsenen weißen Männer und über 50% der steuerzahlenden freemen. Wenn man Timothy Bloodworth glauben darf, wurde das öffentliche Bekenntnis zum Verfassungsentwurf fast durchweg von den Wählern bestraft: „Many of our Leading Characters have lost their Election by declaring their Sentiments in favor of the new System, while others shared the same fate through suspicion." 268

266

267 268

Jabez Bowen informierte John Adams im Dezember 1789, die Führer der CountryPartei hätten auf einem ihrer geheimen „Night Meetings" beratschlagt, „that the Duties on all Goods Imported should be put very low ... and that our Ports should be opened to all the World." Providence, 28. 12. 1789, Adams Papers, MHi. Federalistische Zeitungen verhöhnten 1790 die Idee einiger Verfassungsgegner, Rhode Island zu einem „St. Eustasius of America" zu machen. Pa. Packet, 5. 4. 1790; Ν. Y. Daily Adv., 2. 7. 1790; vgl. Kaminski, Paper Politics, S. 232. Risjord, Chesapeake Politics, S. 318. Bloodworth to Lamb, 23. 6. 1788, Lamb Papers, NHi. Vgl. Dinkin, Voting, S. 127; falsche Angabe bei Main, Antifederalists, S. 243. In London reagierte John Brown Cutting auf die Nachrichten aus North Carolina mit der Bemerkung, unter

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Die 58 Counties konnten jeweils fünf Delegierte bestimmen, denen sich die sechs Repräsentanten der Borough Towns Salisbury, Hillsborough, Halifax, Edenton, New Bern und Wilmington zugesellten. Ein Blick auf die Karte zeigt, daß der Gegensatz von Low Country und High Country konstitutiv für das Ergebnis war, und daß der Frontverlauf zwischen Country- und Küsten-Partei noch klarer zutagetrat, als dies normalerweise im Parlament geschah. Die Federalists sammelten nicht weniger als 63 ihrer insgesamt 83 Mandate in den 15 Counties und fünf Städten des nordöstlichen Küstenstreifens zwischen dem Albemarle- und dem Pamlico-Sund. Verloren gingen ihnen hingegen die westlich anschließenden Kreise und ein Teil der südöstlichen Cape Fear-Region, wohin ihr Einfluß bislang noch gereicht hatte. Sogar die Küstenkreise Onslow, New Hanover — Timothy Bloodworths Heimat — und Brunswick fielen an die Ratifizierungsgegner. Ebenso rar waren die Verfassungsfreunde im Piedmont und an der Tennessee-Frontier. Noch den größten Anklang fand der Entwurf dort bei den deutschstämmigen Siedlern, die dazu beitrugen, daß in den Counties Mecklenburg, Lincoln und Burke immerhin fünf Federalists gewählt wurden. 269 Der federalistische Geist wehte also fast nur in der Low Country, deren Farmer, Pflanzer, Anwälte, Kaufleute und Handwerker am frühesten kommerzielle Interessen entwickelt hatten und am leichtesten mit den Handelszentren des Südens und Nordens, Charleston und Philadelphia, in Verbindung treten konnten. Außerdem war die Low Country-Fraktion im Parlament stets den Papiergeldwünschen der High Country entgegengetreten. Dieser finanzpolitische Rigorismus hatte sie offenbar auch den wohlhabenden, aber mit Schulden belasteten Pflanzern des Südwestens entfremdet, denen sehr an Papiergeldkrediten gelegen war. 270 In der Mitte und im weitläufigen Westen des Staates, wo die kleinbäuerliche Bevölkerung den Ton angab, trugen innere und äußere Umstände zum Scheitern der Verfassungsanhänger bei. Entlang der Grenze zu Virginia mußten sie nicht nur gegen die Popularität der CountryFührer Willie Jones (Halifax), Thomas Person (Granville) und William

269 270

den dreizehn Staaten gebe es keinen zweiten, dessen „internal and ferocious disturbances" lauter nach der „interference of national authority and controul" riefen. To Jefferson, 11. 7. 1788, Boyd XIII, 331 f. Risjord, Chesapeake Politics, S. 337. Vgl. a. a. O., S. 88 ff., 317 ff., 337 ff.; Main, Antifederalists, S. 245 f.; McDonald, We the People, S. 310 ff.; Boyd, Politics of Opposition, S. llOff.; Pool, Economic Interpretation in North Carolina (1950).

Die Ergebnisse der Wahlen

den

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Lenoir (Wilkes) ankämpfen, sondern auch das Eindringen antifederalistischen Gedankenguts und Propagandamaterials aus Patrick Henrys virginischer Southside abwehren. Das Charisma dieser Persönlichkeiten und der von ihnen praktizierte volkstümliche Regierungsstil errichteten einen politisch-ideologischen Schutzwall, den die Federalists, ohnehin mit dem Negativimage der „Anwältepartei" behaftet, vorerst nicht durchbrechen konnten. Ähnlich wie im Norden die Einflüsse aus Virginia wirkten, übertrug sich auf die südlichen Counties die Oppositionsstimmung des South Carolina-Hinterlandes. An der Frontier schließlich teilte man die Ängste der Kentucky-Siedler, vom Mississippi abgesperrt zu werden. Die Großspekulanten, die für den Fall der Ratifizierung eine Wertsteigerung ihrer billig erworbenen Tennessee-Ländereien voraussahen, residierten überwiegend in der Low Country und wählten entsprechend. Nach Inkrafttreten der Verfassung scheint das Motiv der steigenden Bodenpreise aber auch der ortsansässigen, Spekulationsgeschäften keineswegs abgeneigten Bevölkerung mehr und mehr eingeleuchtet zu haben. Jedenfalls verließ der Westen am frühesten die antifederalistische Linie, um sich dem Wunsch nach einem zweiten Ratifizierungskonvent anzuschließen. Darauf scheinen vor allem die „Germans" gedrängt zu haben, die gerade in diesen Counties relativ zahlreich waren. 271 Die Wahlen zum Hillsborough-Konvent standen nicht unter dem Druck, den die Furcht vor einem Ausschluß aus der Union und totaler Isolation später erzeugte. Sie dürften deshalb die auf dem Höhepunkt der Verfassungsdebatte herrschende Volksmeinung wirklichkeitsgetreu abbgebildet haben. Die Antifederalists eroberten mehr als doppelt so viele Sitze wie der politische Gegner und konnten mit einem Vorsprung von etwa hundert Mandaten dem Ratifizierungskonvent in Ruhe entgegensehen. Ihren größten Triumph feierten die Verfassungsgegner im Staat New York, wo sie das direkte Duell mit einigen der bekanntesten Nationalisten wie Hamilton und Jay klar für sich entschieden. Auf Grund der Ergebnisse bei den letzten Parlamentswahlen hatten die Federalists gehofft, sie könnten die Kraftprobe bestehen, und Schuylers Heimatkreis Albany werde den Ausschlag zugunsten der Ratifizierung geben. Stattdessen mußten sie erleben, daß ihr Einflußbereich auf die City und die umliegenden Counties Westchester, Richmond und Kings zusammenschrumpfte. Das Wissen um die Bedeutung der Verfassung und das erstmals praktizierte allgemeine Männerwahlrecht sorgten für die höchste 271

Vgl. Main, Antifederalists, S. 245; McDonald, We the People, S. 313 f.; Risjord, Chesapeake Politics, S. 337 ff.

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Wahlbeteiligung, die während der Konföderationsperiode in New York gemessen wurde. Mehr als 24.000 Personen und damit 43,4% der erwachsenen weißen Männer fanden den Weg 2u den Polling Places und Wahlurnen. Den höchsten Anteil gültiger Stimmen registrierte Columbia County mit der Stadt Hudson (63,5%), gefolgt von Albany County (52%), New York City (48,4%) und Montgomery County (42,4%). Um einiges unter dem Durchschnitt, im Vergleich zu früher aber immer noch hoch, lag die Beteiligung in den Counties Dutchess (35,4%), Queens (34,7%), Ulster (27,9%) und Westchester (25,2%). Nur Orange County fiel mit 10,6% aus dem Rahmen. 272 Die Verfassungsanhänger konnten sich zugutehalten, daß sie in den antifederalistischen Counties Montgomery, Columbia, Albany und sogar in Dutchess, einer der Hochburgen der Clintonians, stattliche Stimmenzahlen erreicht hatten, die aber auf Grund des reinen MehrheitsWahlrechts unter den Tisch gefallen waren. Andererseits durften die federalistischen Counties und die City mehr Delegierte nach Poughkeepsie schicken, als ihnen, gemessen an der Bevölkerungszahl, eigentlich zustanden. 273 Egal welche Kriterien man heranzog: an dem überwältigenden Wahlsieg der Verfassungsgegner gab es nichts zu deuteln. Eine ganze Fülle von Faktoren — wirtschaftliche, soziale, ethnischreligiöse, regionale, ideologische — wirkten am Zustandekommen dieses Ergebnisses mit. Vor allem anderen waren die Wahlen im Staat New York jedoch eine Parteiauseinandersetzung gewesen, und die zielstrebigere und geschlossenere der beiden politischen Parteien hatte sich durchgesetzt. Die antifederalistische Mehrheit stellte ebensosehr einen Vertrauensbeweis für Clinton wie eine Absage an die Verfassung dar. Im wesentlichen handelte es sich um die Bestätigung all dessen, wofür die Clintonians standen: die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Staates, gegründet vor allem auf die reichlich sprudelnden Einfuhrzölle; eine den Bedürfnissen der landbesitzenden Mittelschicht angepaßte Finanz- und Steuerpolitik; die Verbundenheit mit dem Schicksal der einfachen Farmer und Pächter; das Mißtrauen gegenüber den ehemaligen Loyalisten; die 272 273

Dinkin, Voting, S. 122. So stellte der Western District (Albany, Columbia, Montgomery) mit 39,3% der Gesamtbevölkerung nur knapp 25% der Konvent-Delegierten, während der Southern District (Kings, New York, Queens, Richmond, Suffolk, Westchester) mit einem Bevölkerungsanteil von 28,6% auf über 43% der Sitze kam. Dieses regionale Ungleichgewicht wurde 1792 entsprechend dem Zensus von 1790 weitgehend ausgeglichen. Vgl. Schechter, ed., Reluctant Pillar, S. 161; Roll, We, Some of the People, S. 21 ff.

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Abwehr aristokratisch-oligarchischer Tendenzen; die Distanz zur Kaufmanns- und Anwaltselite der City; und schließlich das Ideal der überschaubaren Republik und des locker gefügten, dezentral organisierten Staatenbundes. Die Federalists waren überzeugt, daß Clinton die Fäden in der Hand hielt, und sie ahnten, wie schwer es werden würde, seine Opposition zu überwinden. Wenn man die Verfassung in Poughkeepsie nicht unter rein parteipolitischen Gesichtspunkten betrachtete, sondern ihr Eigenwert zuerkannte und sie fair diskutierte, dann ließen sich die Dinge wohl noch richten: „But if blind prejudice, predetermined opposition, and .silent negatives' are to be characteristic of our Convention, our reputation as a Sovereign State will be deservedly lost forever!" 274

Ursachen und Bedeutung der Wahlergebnisse Die Zusammenschau aller Resultate macht erneut sichtbar, wie geteilt die Meinung der Amerikaner über die Verfassung war. Klare federalistische Wählermehrheiten gab es nur in den fünf Staaten Delaware, New Jersey, Georgia, Connecticut und Maryland. Die pennsylvanischen Verfassungsfreunde hielten einen geringeren Vorsprung in der Wählergunst, als aus der Sitzverteilung hervorgeht. In South Carolina stand die federalistische Konventsmehrheit sogar im Widerspruch zum Bürgerwillen. Die restlichen sechs Staaten waren entweder gespalten oder sprachen sich klar gegen den Verfassungsentwurf aus. Rechnet man South Carolina hinzu, so repräsentierte diese Siebenergruppe 62,9% der weißen Bevölkerung der Union. Wäre es nach dem Wahlergebnis gegangen, dann hätten fünf Staaten, in denen 41,9% der Gesamtbevölkerung lebten, mit Sicherheit eine bedingungslose Ratifizierung abgelehnt: Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island, New York und North Carolina. In dem Fall hätte der Entwurf die erforderliche Zustimmung von neun Staaten verfehlt, und es wären neue Beratungen und möglicherweise neue Wahlen nötig geworden. Fragt man nach den wahlentscheidenden Faktoren, so schälen sich vier Motivkreise heraus, die in den einzelnen Staaten in unterschiedlicher Intensität und Zusammensetzung wirksam wurden: staatenspezifische Interessen; regionale und sektionale Interessen; schichten· und gruppenspezifische Interessen; politisch-ideologische Überzeugungen und Mentalitäten. Wenig deutet dagegen auf einen Generationenkonflikt hin. Die Behauptung, die Federalists hätten das junge, dy274

Ν. Y. Packet, 6. 6. 1788; vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 99.

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namische und kosmopolitische Element der amerikanischen Bevölkerung verkörpert, hält statistischer Nachprüfung nicht stand. 275 In einigen Fällen liegt klar auf der Hand, daß die Gesamtsituation eines Staates und die kollektive Interessenlage seiner Bürger, nicht aber individuelle oder parteimäßige Präferenzen bzw. Abneigungen den Ausgang der Verfassungsdebatte bestimmten. Das gilt in Sonderheit für die einstimmigen Staaten Delaware, New Jersey und Georgia, aus deren Perspektive die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Vorteile des geplanten Bundesstaates alle potentiellen Nachteile der Verfassung aufwogen. Dank der Senatsregelung würde sich ihr ohnehin begrenzter Einfluß in Unionsdingen kaum weiter vermindern, sondern vielleicht sogar erhöhen. Ähnliche Überlegungen wurden in Connecticut und Maryland angestellt und erklären bis zu einem gewissen Grade die Schwäche der dortigen Opposition. Den Weg in die entgegengesetzte Richtung schlug Rhode Island ein, das die Verfassung hauptsächlich deshalb ablehnte, weil sie ein von der überwältigenden Mehrheit der Gemeinden gewünschtes und gebilligtes staatliches Finanzprogramm zu blockieren drohte. Auch die New Yorker Antifederalists, an ihrer Spitze Gouverneur Clinton, Zollinspektor Lamb und andere Amtsinhaber, glaubten dem Interesse ihres Staates zu dienen. New York profitierte in wirtschaftlicher Hinsicht mehr als alle seine Nachbarn, zum Teil sogar auf ihre Kosten, von der bestehenden Ordnung. Die Masse der Bürger sah deshalb keinen zwingenden Grund, mit einem neuen Regierungssystem zu experimentieren. Sowohl die natürliche Gliederung der Union in Norden, Mitte und Süden als auch der Küste-Hinterland-Kontrast und die geographischverkehrsmäßige Struktur der einzelnen Staaten machen sich in den Wahlergebnissen bemerkbar. 276 Der Widerwille gegen die Sklaverei und gegen den 3/5-Kompromiß ließ im Norden die Reihen der Opposition anschwellen. Nicht jedem Neuengländer leuchtete ein, daß Virginia für seine ca. 170.000 Sklaven 5 1/2 Sitze im Repräsentantenhaus erhielt und dazu auch noch steuerlich begünstigt wurde. Andererseits rührten viele Vorbehalte in Virginia und den Carolinas von der Sorge her, der Süden werde in die wirtschaftliche Abhängigkeit des Nordens geraten und die

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Als Hypothese erstmals formuliert von Elkins and McKittrick, The Founding Fathers. Young Men of the Revolution (1961). Auf die Bedeutung dieses Faktors als erster hingewiesen zu haben, ist das Verdienst von Orin Grant Libby, Geographical Distribution of the Vote of the Thirteen States on the Federal Constitution (1894).

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Verfügungsgewalt über seine unfreien Arbeitskräfte verlieren — eine Sorge mithin, deren Berechtigung sich im 19. Jahrhundert erweisen sollte. 1787/88 hätte deshalb die paradoxe Situation eintreten können, daß die Verfassungsreform von den Sklavereigegnern des Nordens und den südlichen Sklavenhaltern gemeinsam zu Fall gebracht wurde. Differenzierte statistische Erhebungen zeigen außerdem, daß einzelne ökonomische Faktoren in den Unionsteilen unterschiedlich auf die Wahlentscheidung einwirkten. So waren der Besitz von Staatspapieren und die Beteiligung an Handels- und Bankgeschäften der Annahme der Verfasssung in den Neuenglandstaaten förderlicher als im Rest der Union. Die Spekulation mit Land kam der Ratifizierung in Neuengland und im Süden, nicht aber in den Mittelstaaten zugute. Bei der Stellungnahme gegen den Entwurf wiederum fielen hohe private Schulden in den Südstaaten stärker ins Gewicht als in der Mitte und im Norden. Dort spielten sie nur in den Staaten eine Rolle, die kein Papiergeld emittiert hatten. 277 Von außerordentlich großer Bedeutung war die geographische Feingliederung der Staaten. Einzelne Regionen, die zuweilen auch über politische Grenzen hinausreichten, führten schon seit der Kolonialzeit ein gewisses Eigenleben, das durch die mit der wirtschaftlichen Höherentwicklung einhergehende Spezialisierung noch betont wurde. Bei den Konventswahlen ergab sich ein auffälliges Muster: Bis auf wenige Ausnahmen, für die Sondereinflüsse verantwortlich sind, tendierten alle diejenigen Gebiete zum neuen Regierungssystem, die entweder selbst Schwerpunkte des Fernhandels und der beginnenden Industrialisierung waren, oder die über gut ausgebaute Straßen und Schiffahrtswege mit den kommerziellen Zentren der Ostküste in Verbindung standen. Besonders in den großen Flußtälern und Mündungsgebieten, in denen zunehmend für die Versorgung der Städte und für den Export angebaut und produziert wurde, fielen die wirtschaftspolitisch gefärbten Argumente der Federalists auf günstigen Boden. In New York reichte das zwar nicht aus, um die Kreise entlang des Hudson River zu erobern. Einige der wichtigsten Flußgemeinden wie Hudson und Albany zählten aber weit mehr Verfassungsanhänger als Kritiker. Auf der anderen Seite verbuchte die Opposition ihre Erfolge vor allem in abgelegeneren Gegenden des Landesinnern, deren Farmer noch überwiegend Subsistenzwirtschaft betrieben. Mit dem Antifederalismus von 277

Robert A. McGuire and Robert L. Ohsfeldt, Self-Interest, Voting Behavior, and the Ratification of the United States Constitution. Unpubl. Typescript, Ball State Univ., Muncie, Ind., 1985.

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Kentucky und Tennessee hatte es eine spezielle Bewandtnis. Hier wollten die Siedler durch ihr V o t u m gerade das Verlangen nach besseren Verkehrsbedingungen — und das hieß in diesem Falle nach freiem Zugang zum Mississippi — unterstreichen. Daß sich andere Frontier-Regionen wie die virginischen Alleghany-Counties und das Hinterland v o n Georgia trotz ihrer ungünstigen Verkehrslage den Federalists anschlossen, hatte mit dem Drang nach Westen und den Indianerkonflikten zu tun, die er heraufbeschwor. Im großen und ganzen trifft aber Jackson Turner Mains Feststellung zu, daß die v o m kommerziellen Geist des Ostens erfaßten Gebiete federalistische, die isolierten Gegenden des Landesinnern antifederalistische Kandidaten bevorzugten. Sie wird durch eine mit modernen quantitativen Methoden vorgenommene Überprüfung der Herkunft v o n 1648 Konventsmitgliedern noch erhärtet. Je weiter ein Delegierter v o n einem städtischen Zentrum oder einem schiffbaren Wasserlauf entfernt lebte, so das Ergebnis der Analyse, desto eher war er gewillt, gegen die Verfassung zu stimmen. Da sich gerade solche Abgeordneten an ihre Instruktionen zu halten pflegten, kann man davon ausgehen, daß ihr Votum und der Wählerwille übereinstimmten. 2 7 8 278

A. a. Ο. McGuire und Ohsfeldt haben sich vorgenommen, mit computergestützten Analysen auf der Grundlage der hauptsächlich von McDonald und Main gesammelten Daten die Beard-These neu zu überprüfen. Als theoretischen Bezugsrahmen wählten sie das Werk von James Buchanan and Gordon Tullock, The Calculus of Consent, Ann Arbor, MI, 1962. Die quantitativen Berechnungen werden nach der Methode der „Logit Analysis" durchgeführt. Siehe Eric Hanushek and John E. Jackson, Statistical Methods for Social Scientists, New York 1977; Daniel McFadden, Conditional Logit Analysis of Qualitative Variables, in: Paul Zarembka, ed., Frontiers in Econometrics, New York 1974. Sie erprobten dieses Verfahren zuerst an den 55 Delegierten des philadelphischen Verfassungskonvents und wendeten es dann auch auf die Mitglieder der Ratifizierungskonvente an. Siehe außer dem in Anm. 277 genannten Aufsatz McGuire and Ohsfeldt, Economic Interests and the American Constitution. Α Quantitative Rehabilitation of Charles A. Beard, in: JEH 44 (1984), S. 509-519; dies., A New Economic Interpretation of the Formation of the Constitution. Unpubl. Typescript, Ball State Univ. 1985; dies., An Economic Model of Voting Behavior over Specific Issues at the Constitutional Convention of 1787, in: JEH 46 (1986), S. 7 9 - 1 1 1 ; dies., Self-interest, Voting Behavior, and the Ratification of the United States Constitution. Unpubl. Typescript, Univ. of California, Santa Cruz, 1987; Robert McGuire, ConstitutionMaking: A Rational Choice Model of the Federal Convention of 1787. Unpubl. Typescript, Univ. of California, Santa Cruz, 1987 (erscheint 1988 in AJPS). Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen, haben aber bereits einige interessante Teilergebnisse geliefert. In methodischer Hinsicht scheint das Verfahren der von Risjord u. a. benutzten „multivariant analysis" überlegen zu sein. Ob das bislang vorliegende Datenmaterial allerdings ausreicht, um Beard zu „rehabilitieren", hängt weitgehend davon ab, welche Version der „Beard Thesis" man gelten läßt.

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Ein hervorstechendes Merkmal der Konventswahlen ist der nahezu einmütige Federalismus der städtischen Mittel- und Unterschichten. Sämtliche Küstenstädte und fast alle größeren Orte im Landesinnern optierten mehrheitlich, bisweilen sogar geschlossen für die neue Verfassungsordnung. Die Handwerker und Arbeiter präsentierten nur wenige eigene Kandidaten, unterstützten aber die Vertreter der City-Elite, mit denen sie während und nach der Revolution nicht immer auf bestem Fuße gestanden hatten. Sie handelten dabei keineswegs ehrerbietig oder gar willfährig und fielen wohl auch kaum politischer Manipulation zum Opfer, sondern ließen sich vielmehr vom Gefühl der Interessenidentität aller auf Handel und Wandel angewiesenen Bevölkerungskreise leiten. Beim Kampf um die Ratifizierung hatten sie sowohl den eigenen ökonomischen Nutzen als auch die zukünftige nationale Größe der Vereinigten Staaten im Auge. Gerade in den Städten, wo die sozialen Gegensätze innerhalb der weißen Bevölkerung die schärfsten Formen annahmen, herrschte bei dieser Gelegenheit die größte Einmütigkeit. Wenn es zu Mobaktionen kam, dann richteten sie sich kennzeichnenderweise nicht gegen die Besitzenden und das städtische Establishment, sondern galten den Anführern und Propagandisten der Country-Fraktionen. Die Mittelschicht war unionstreu und hatte einheitliche wirtschaftliche Zielvorstellungen, die sie konsequent in die politische Praxis umsetzte. Charakteristisch für diese Einstellung ist der Appell, den „Sydney" an die „Working People of Maryland" richtete: „We common people are more properly citizens of America than of any particular state. Very many of our sort die in different parts from where they were born." 279 Man könnte die städtischen Mittelschichten demzufolge als das eigentliche „dynamische Element" in der Ratifizierungsdebatte bezeichnen. Die Oberschicht agierte nicht ganz so einheitlich. Kaufleute, Unternehmer, Anwälte, Staatsbeamte und Intellektuelle fanden sich diesseits und jenseits der politischen Frontlinie, wenn ihre Zahl im Oppositionslager auch signifikant geringer war als in der federalistischen Partei. Diese internen Spannungen und Differenzen resultierten aus der komplexen Interessenstruktur und aus unterschiedlichen Berufserfahrungen. 279

Bait. Md. Journal, 29. 2. 1788. Was ein Autor im Ν. Y. Packet vom 13. 6. 1788 für New York beschrieb, traf mehr oder weniger auf alle anderen Staaten der Union zu: „The cities of New-York and Hudson ... ate very unanimous in favor of the New Foederal Government — and the city of Albany has a respectable majority. These cities ... having the best means of information, have not, like many of the counties in this State, formed premature judgments." Zur Situation in Pennsylvania Foner, Tom Paine, S. 205 ff.

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Beispielsweise herrschte zwischen den Exportkaufleuten und den Händlern und Manufakturbesitzern, die hauptsächlich auf dem Binnenmarkt tätig waren, selten Einvernehmen über die „richtige" Wirtschaftspolitik. Die einen erhofften sich unionsweite Regelungen, die anderen vertrauten — allerdings in abnehmendem Maße — der Weisheit der Staatenregierungen. Amtsinhaber sahen die Verfassung in hellen oder dunklen Farben, je nachdem wie ihr Staat mit den Konföderationsartikeln gefahren war. Unter den Angehörigen der „professions" — Anwälte, Ärzte, College-Lehrer, Geistliche — fanden sich stets auch einige Nonkonformisten, die gegen den Strom der öffentlichen Meinung anschwömmen. Die statistischen Rechenergebnisse bestätigen aber den durch viele zeitgenössische Äußerungen vermittelten Eindruck, daß der „commercial interest" insgesamt deutlich — im Norden und in der Mitte noch prononcierter als im Süden — zur Annahme der Verfassung tendierte. In der Gruppe der Kaufleute, Bankiers und Händler ergibt sich ein klares Übergewicht der Federalists. Wer einen großen Anteil seines Vermögens in staatlichen Schuldverschreibungen hielt und wer mit Land im Westen spekulierte, war ebenfalls in höherem Maße geneigt, für die Verfassung zu stimmen, als jemand, auf den dies nicht zutraf. Der exakte Einfluß all dieser ökonomischen Faktoren auf das Wahlverhalten variierte aber entsprechend den unterschiedlichen wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Rahmenbedingungen von Region zu Region. Uber die Zusammenhänge zwischen ökonomischen Interessen und politischer Entscheidung für oder gegen die Verfassung lassen sich deshalb keine absoluten, für jeden Einzelfall geltenden Aussagen machen, sondern es kann nur um den Grad der statistischen Wahrscheinlichkeit für eine Jabzw. eine Nein-Stimme gehen. 280 Rein zahlenmäßig lag die Entscheidung über Wohl und Wehe der Verfassungsreform natürlich bei der Masse der landbesitzenden und landbearbeitenden Bevölkerung. Die Farmer verstanden sich aber keineswegs als kohärente, staatenübergreifende Interessengruppe und zogen nicht am selben Strick. In einigen Staaten — Delaware, New Jersey, Georgia — stimmten sie geschlossen für die Ratifizierung; in anderen — 280

Baltimore Md. Journal, 29. 2. 1788. Das Nationalgefühl äußerte sich auch in konkreten Anregungen: „Abstinence from foreign manufactures, and the use of things made at home, seem to be the wish of all. It is therefore to be hoped, that the expansive article of foreign buttons will be omitted in making up our winter clothes ... The silver button, engraved with the Continental, or Federal Eagle, would render it a sort of national button by agreement." „Federal Manufacturers", Mass. Gazette, 26. 10. 1787. Siehe dazu auch u. Kap. XVIII.

Die Ergebnisse der Wahlen

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Rhode Island, North Carolina — gingen sie fast ebenso einhellig auf Distanz zum Verfassungsentwurf. Für die Mehrzahl der Staaten trifft zu, daß die Farmer im Einzugsbereich der Städte und in verkehrsgünstig gelegenen Gegenden mehrheitlich federalistisch, in abgelegenen, von der modernen Wirtschaftsentwicklung noch unberührten Räumen überwiegend antifederalistisch wählten. Mit Hilfe dieser Kleinbauern in den back countries von Massachusetts, New Hampshire, New York, Pennsylvania, North Carolina und Virginia wäre es der Opposition beinahe gelungen, die konstitutionelle Reform, die nicht nur in ihren Augen einer Revolution gleichkam, zu vereiteln. Die Last privater Schulden scheint für die Betroffenen eine wichtige Rolle gespielt zu haben. In den Neuenglandstaaten bewog sie offenbar viele kleine Farmer, im Süden zusätzlich noch eine Reihe von Plantagenbesitzern, die Verfassung mit ihren restriktiven Finanzbestimmungen und ihrem Papiergeldverbot abzulehnen. Überhaupt zeigten sich die Pflanzer des Südens von nationalen Ideen weit weniger beeindruckt als die Mittel- und Oberschichten im Norden. Diese Zurückhaltung war schon den Südstaaten-Repräsentanten auf dem Verfassungskonvent in Philadelphia anzumerken gewesen. Nimmt man die persönlichen Daten sämtlicher Staatenkonvent-Delegierter zur Grundlage, dann erweist sich Sklavenbesitz sogar als Ratifizierungshemmnis. Andererseits überwiegen aber in der obersten Kategorie derjenigen, die mehr als 100 Sklaven hielten, zumindest in Maryland und Virginia ganz deutlich die Verfassungsbefürworter. 281 Die Hervorhebung ökonomischer Motive bedeutet nicht, daß Eigennutz allein oder auch nur vorwiegend das Wahlverhalten gesteuert hätte. Gewiß ist anzunehmen, daß ein individueller Wähler, der aus anderen Gründen geneigt war, für die Ratifizierung zu stimmen, seine Meinung überprüfte, wenn er für den Fall des Inkrafttretens der Verfassung mit konkreten wirtschaftlichen Nachteilen rechnen mußte. Die Komplexität der statistischen Daten und die sonstigen schriftlichen Quellen bezeugen aber ein übers andere Mal, daß die Ablösung des alten Regierungssystems durch ein neues als exzeptioneller Vorgang empfunden wurde, für den die Gesetze des alltäglichen Interessengerangels nur begrenzt galten. 282 Der es-

281

282

Vgl. McGuire and Ohsfeldt, Self-interest, Voting Behavior, and the Ratification, S. 15 ff.; Risjord, Chesapeake Politics, S. 306 ff. McGuire and Ohsfeldt, Self-interest, S. 11. Die von den beiden Wirtschaftswissenschaftlern zitierten Buchanan und Tullock argumentieren im übrigen wohl zu Recht, „that the consequences of self-interest are quite different at the .constitutional' level of collective decision making than at the .operational' level."

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Die Wahlen

den

Ratiß^ierungskonventen

sentiell politische Charakter der Verfassungsdebatte kam dort am besten zum Ausdruck, wo bereits erkennbar strukturierte und organisierte Parteien um die Kontrolle der Staatsgeschäfte rangen. Sie bemächtigten sich des Verfassungsentwurfs und erhoben sein Schicksal in den Rang einer Machtfrage. Entsprechend stark waren die Motivation und der propagandistische Einsatz ihrer Anhänger. Wo die Entwicklung noch nachhinkte, wurde die Verfassung selbst zum Katalysator und Kristallisationspunkt der Parteienbildung. Die Wähler entschieden nicht mehr nur unter dem Gesichtspunkt des privaten oder auch kollektiven ökonomischen Vorteils, sondern berücksichtigten die inzwischen eingegangenen Bindungen an eine Partei und deren politisch-ideologische Grundsätze. Dieser Parteienwettstreit gab der Debatte eine zusätzliche Dimension. Das Ja oder Nein zur Ratifizierung war mehr als ein Urteil über die Zweckmäßigkeit des Verfassungsentwurfs. Es Schloß das Bekenntnis zu spezifischen Wert- und Ordnungsvorstellungen ein und verwies auf die Prinzipien, nach denen man das künftige gesellschaftliche Zusammenleben zu gestalten wünschte. Diese Werte und Prinzipien mußten nicht neu geschaffen, sondern allenfalls neu definiert werden. Im wesentlichen lagen sie dem Coast-CountryGegensatz zugrunde, der sich nach der Revolution zunehmend als Motor der politischen Entwicklung erwiesen hatte. Während die Coast-Ideologie zum Ausgangspunkt des Federalismus wurde, suchte die Opposition an den Grundsätzen und Tugenden der Country-Überlieferung Halt. Coast und Country, Federalismus und Antifederalismus traten noch kaum in der Form systematisch durchdachter, sorgfältig ausformulierter Ideologien auf. Die sie kennzeichnenden Inhalte und Denkweisen waren der Bevölkerung aber vertraut und im Laufe der Zeit Teil ihrer Mentalität geworden. Erziehung, Erfahrung und gesellschaftliche Umwelt bestimmten die Perpektive, unter der die Verfassung betrachtet wurde. Solide Bildung, überstaatliche Verbindungen und Interessen, Reisen, zivile und militärische Tätigkeiten im Dienste der Union und städtisches Leben ganz allgemein erhöhten die Aufgeschlossenheit für nationale Problemstellungen. Das Leben auf dem Lande, das sich im Rhythmus der Jahreszeiten um Familie und Hof, Aussaat und Ernte, Krankheit und Tod drehte, formte dagegen eine Mentalität, die dem Lokalen, Überschaubaren den höchsten Stellenwert einräumte und zur Wahrung der Autonomie und Eigenverantwortlichkeit drängte. Auch in diesem Zusammenhang wird wieder deutlich, welch große Bedeutung dem Kultur- und Lebensraum zukam, in den der einzelne gestellt war. 283 283

Die mentalitätsmäßige und ideologische Komponente des Entscheidungsprozesses

Die Ergebnisse der Wahlen

den

Ratifisyerungskonventen

571

Die Wahlergebnisse beweisen, daß die Federalists gut daran getan hatten, eine Volksabstimmung zu vermeiden. In den Delegiertenversammlungen konnten sie die auf den Town Meetings, an den Urnen und unter den Wahltribünen erlittenen Schlappen ausbügeln und das Scheitern der Verfassung mit all seinen unkalkulierbaren Folgen abwenden. Die Frage war, ob es den Konventen gelingen würde, die in den Wahlkämpfen betriebene Polarisierung abzubauen und Wege des Ausgleichs und der Zusammenarbeit zu finden.

findet bislang am meisten Beachtung bei Main, Political Parties, S. 321 ff.; Risjord, Virginians and the Constitution (1974); ders., Chesapeake Politics, S. 306 ff.; und Richard D. Brown, The Founding Fathers of 1776 and 1787 (1976).

SIEBENTER TEIL

Die Ratifizierungskonvente der dreizehn Staaten

The CONVENTION Massachusetts Centinel, 12. 1. 1788 „Concenter'd HERE th' united wisdom shines, Of learned JUDGES, and of sound DIVINES; PATRIOTS, whose virtues, searching times have try'd, HEROES, who fought, where BROTHER HEROES dy'd, LAWYERS, who speak, as TULLY spoke before, SAGES, deep read in philosophic lore; MERCHANTS, whose plans, are not to realms confin'd FARMERS — the noblest title of mankind, YEOMEN and TRADESMEN - pillars of the State: On whose decision hangs COLUMBIA'S fate. Thus, the various orders which constitute the great Family of the Commonwealth, concur to form the august, the honourable Convention now sitting in this metropolis; To this enlightened and respectable body, the eyes not only of their constituents, but of AMERICA, and the world are turned. — And from the rays of intelligence which beam from every quarter of the assembly, we fondly anticipate the most learned, candid and patriotick discussion of the great subject of the Constitution."

Die Ratifi^ierungskonvente der dreizehn Staaten

„Whatever veneration might be entertained for the body of men who formed our Constitution, the sense of that body could never be regarded as the oracular guide in expounding the Constitution. As the instrument came from them it was nothing more than the draft of a plan, nothing but a dead letter, until life and validity were breathed into it by the voice of the people, speaking through the several State Conventions. If we were to look, therefore, for the meaning of the instrument beyond the face of the instrument, we must look for it, not in the General Convention, which proposed, but in the State Conventions, which accepted and ratified the Constitution." James Madison. Rede im Kongreß, 1796. The Debates and Proceedings in the Congress of the United States, 4th Congress, 1st session, vol. 5, 776.

XVI. KAPITEL

Die „Zähmung" der Konvente Die Organisation der Konvente und die

Öffentlichkeit

Zwischen dem 20. November 1787 und dem 29. Mai 1790 fanden von Concord, New Hampshire, im Norden bis Augusta, Georgia, im Süden insgesamt sechzehn Ratifizierungkonvente statt. In ihnen gipfelte die Debatte auf der Ebene der Staaten, und zusammen bildeten sie das Kernstück der nationalen Auseinandersetzung über den Verfassungsplan. Nach Mitgliederzahl und Beratungsdauer wichen diese Veranstaltungen zum Teil erheblich voneinander ab. Am eiligsten hatte es das kleine Delaware, dessen dreißig Delegierte nur fünf Tage brauchten, um den Entwurf als erste abzusegnen und mit einer Ratifizierungsurkunde versehen an den Kongreß zurückzuschicken. Noch kürzer war der viertägige Juni-Konvent von New Hampshire, der aber lediglich die im Februar unterbrochene Diskussion zuendeführte. Weniger als zehn Tage dauerten außerdem die beiden Rhode Island-Konvente, die Konvente von Connecticut und Maryland, sowie der zweite North Carolina-Konvent im November 1789. Dagegen können die New Yorker für sich in Anspruch nehmen, den Entwurf am gründlichsten geprüft zu haben. Genau vierzig Tage ließen sich die Delegierten in Poughkeepsie Zeit, bevor sie den Text mit Verbesserungsempfehlungen billigten und die anderen Staaten per Rundschreiben zu einem zweiten allgemeinen Verfassungskonvent einluden. Fast einen Monat verwendeten Pennsylvania, Massachusetts und Virginia auf die Beratungen, die einen spannenden, in Boston sogar dramatischen Verlauf nahmen. In Delaware, New Jersey und Georgia kam man sozusagen „im kleinen Kreis" von 25 bis 40 Delegierten zusammen, und selbst die bevölkerungsstarken Staaten New York und Pennsylvania stellten nicht mehr als 65 bzw. 69 Abgeordnete. Demgegenüber trugen die Konvente von Virginia, North Carolina, South Carolina, Connecticut und Massachusetts mit Teilnehmerzahlen zwischen 170 und 360 den Charakter von Massenveranstaltungen. Durchschnittlich repräsentierte ein Delegierter etwa 180 freie Einwohner, doch im einzelnen reichte dieses Verhältnis von ca. 1:55 in South Carolina bis 1:620 in

576

Die Ratiji^ierungskonvente der dreizehn Staaten

Pennsylvania. Diese verschiedenartigen äußeren Rahmenbedingungen werden aber durch strukturelle und inhaltliche Gemeinsamkeiten aufgewogen, die es erlauben, die Serie der Konvente, in denen das Volk nach Madisons Worten der Verfassung „Leben einhauchte", als Einheit zu betrachten. Für die Delegierten bedeutete die aktive Mitwirkung am Ratifizierungsprozeß eine Ehre, aber kein reines Vergnügen. Nicht wenige mußten schwerkranke Familienangehörige oder schwangere Frauen auf unbestimmte Zeit zurücklassen, von der Vernachlässigung der Farmarbeit — was besonders in den Erntemonaten schmerzte — und anderer beruflicher Tätigkeiten ganz zu schweigen. Wer sich in das feucht-heiße Klima der südlichen Küstenniederungen begab, nahm das Risiko von Fieber- und Pockenepidemien in Kauf. 1 Schon die Anreise zu den Konventen, die zumeist im Pferdesattel bewältigt wurde, konnte Tage, in so ausgedehnten Staaten wie Virginia, North Carolina und Georgia gar bis zu vier Wochen dauern. Die Mühen und Gefahren des Weges und der Witterung ließen sich leichter ertragen, wenn man unterwegs Abgeordnete anderer Towns oder Counties traf und den Ritt gemeinsam fortsetzte. 2 Am Konventort angelangt, wurden die Volksvertreter häufig auf engstem Raum in Wirtschaften, Pensionen oder notdürftig umgebauten Scheunen einquartiert, und manch einer mußte sogar mit seinem Kollegen das Bett teilen. Wo Federalists und Antifederalists unter einem Dach wohnten, wie beispielsweise in verschiedenen Bostoner Unterkünften, da beeinträchtigte der politische Streit gewöhnlich auch die Geselligkeit und das Freizeitvergnügen. 3 Die Aufwandsentschädigungen waren in der

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3

In Charleston erließ die Regierung am 15. 5. 1788 eine Proklamation, in der es hieß, alle pockenkranken Personen „should be kept out of the streets, and removed from public view." Richard Henry Lee begründete sein Fernbleiben vom VirginiaKonvent mit dem ungesunden Klima in Richmond. Bei Wind, Schnee und Regen ritt der Maine-Delegierte Sewall vom 3. bis 9. Januar nach Boston. Auf dem Heimweg vom 8. bis 12. Februar zog er sich bei einem Sturz Verletzungen zu. D. Sewall Journal, 3. 1. —12. 2. 1788, Pejepscot Papers, MaHi. Einen Eindruck von den Verhältnissen in North Carolina vermittelt der Bericht des Kaufmanns Silas Cooke aus New Bern, der im Dezember 1787 als Abgeordneter an der Parlamentssession in Tarborough teilgenommen hatte: „The extreme cold weather and uncomfortable beds threw me into a violent Tenesmus ... there being twelve lodgers in the Chamber or rather barn where we lay." To Henry Marchant, 20. 4. 88, Marchant Papers, RHi. Benjamin Hoppin logierte in Boston in einem Haus, in dem 14 Konvent-Delegierte untergebracht waren. In ihren „cool moments" versuchte er herauszufinden, was die acht Antifederalists und sechs Fe-

Die „Zähmung' der Konvente

Sil

Regel knapp bemessen und reichten kaum hin, den Lebensunterhalt in den Küstenstädten zu bestreiten.4 Da das Geld ohnehin erst gegen Ende der Konvente ausgezahlt wurde, ergaben sich für weniger wohlhabende Delegierte nach einiger Zeit finanzielle Engpässe, die den Gedanken an einen baldigen Abschluß der Beratungen nahelegten. Nicht jedermann sah den Konventen mit Ruhe und Zuversicht entgegen. Manche Leute fühlten sich zu sehr an die zahlreichen conventions der Nachkriegszeit erinnert, die Parlamente und Regierungen durch Drohgebärden, lautstarke Proteste und radikale Forderungen beunruhigt hatten, und deren Legalität umstritten war. In einigen vorausblickenden Kommentaren schwang deshalb die Sorge mit, die Ratifizierungskonvente könnten der Kontrolle entgleiten und chaotische Formen annehmen. Mit fast 400 Delegierten bilde der Massachusetts-Konvent einen „unwieldy assembly", der für die leidenschaftslose, kühle Untersuchung der Verfassungsfrage denkbar ungeeignet sei, meinte der Jurist und Privatlehrer Nathaniel Freeman: „As the great subject of the federal Constitution is advancing to a decision the anxiety of suspense in both parties is brought to the highest pitch ... in the heat of animosity of party, arguments will not be able on either side to stem the torrent of prejudice. Passions will usurp controul over dethroned reason, and, perhaps, the deliberations of our Convention end in such a tumultuous rage as to disgrace the boasted intelligence of man." In Virginia hatte

4

deralists über die Verfassung dachten. To Nicholas Gilman, Boston, 11. 1. 1788, Brown Papers, John C. Brown Library, Brown Univ. David S. Bogart wurde in Poughkeepsie in ein Haus mit Antifederalists einquartiert, „where I can hardly speak without opposition." To Samuel B. Webb, 8. 7. 1788, Ford, Correspondence III, 103 f. Als Charles Tillinghast den Poughkeepsie-Konvent besuchte, offerierte ihm Gouverneur Clinton „part of his Bed — but Judge Smith procured me Lodgings." To Lamb, 21. 6. 1788, Lamb Papers, NHi. Die Massachusetts-Delegierten erhielten erst gegen Ende des Konvents rund ein Drittel des ihnen zustehenden Geldes. Der Reverend Isaac Backus zahlte von den 3 Pfund Sterling seine Schulden, „viz. L 2. 6. 6. for boarding at capt. Samuel Daggetts 23 days. 2/2 for washing linen, 9/4 to mr. Sherburn for keeping my horse, nights, and 2/4 to a Barber for shaving, and ct. 7 times; in all L 3. 0. 4." Minutes of my acting about the New Constitution, 17. 12. 1787 — 8. 2. 1788, Isaac Backus Papers, Florence Backus Coll., Brown Univ. Madisons „Account with the Commonwealth of Virginia" in Rutland XI, 183. In New York betrug die Aufwandsentschädigung für Parlamentsabgeordnete und Konvent-Delegierte gleichermaßen 12 Shilling pro Tag: „An Act for the Payment of the Salaries of the Officers of Government, 28. 2. 1789, in: Laws of the State of New-York. Passed by the Legislature ... at their Twelfth Session. Zur Kaufkraft siehe Jones, Wealth of a Nation To Be, S. 9ff.

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Die Ratifi^ierungskonvente

der dreizehn

Staaten

James Duncanson ernste Bedenken, ob der Konvent friedlich über die Bühne gehen werde, „for you never saw your Country Men so much agitated, not even at the time of Cornwallis's Invasion, every Man warm for and against the measure, & nothing but debate and altercation in all companies." Richmond sei „extremely crowded", und mit Ausschreitungen müsse gerechnet werden. Tench Coxe führte die Unberechenbarkeit der Conventions etwas später als Argument gegen die Einberufung einer zweiten verfassunggebenden Versammlung ins Feld: „Cool reason is best exercised, when the measures in discussion have the complexion of ordinary acts of legislation. Passion naturally rises high in extraordinary assemblies." 5 Diese Skepsis beschränkte sich aber nicht auf Federalists. Teilen der Opposition wäre es ohnehin lieber gewesen, wenn man ganz auf die Konvente verzichtet und die Entscheidung den Parlamenten oder den Town Meetings überlassen hätte. Zur Unsicherheit trug bei, daß die Vorstellungen über die tatsächlichen Befugnisse der Ratifizierungskonvente auch nach den gemeinsam verabschiedeten Einberufungsresolutionen noch weit auseinandergingen. Einig war man sich nur darin, daß die Konvente den Entwurf in toto annehmen bzw. ablehnen konnten. 6 Ob sie aber Änderungen vorschlagen, einen Vertagungsbeschluß fassen oder Bedingungen an die Ratifizierung knüpfen durften, blieb selbst innerhalb der politischen Lager umstritten und wurde mehr nach taktischen denn nach rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt. Als die Verfassungsgegner im pennsylvanischen Parlament am 9. November 1787 das Quorum des Konvents entsprechend den Assembly-Bestimmungen auf zwei Drittel der gewählten Delegierten festsetzen wollten, hielten ihnen die Federalists das „höhere Recht" der Ratifizierungsversammlung entgegen. Die Legislative sei nicht befugt, „to lay down rules and regulations for that convention, because that body stands on superior ground to what we occupy, inasmuch as they

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Freeman to J. Q. Adams, Medford, 5. 1. 1788, Adams Papers, MHi; Duncanson to Maury, Fredericksburg, 7.— 13. 6. 1788, J. Maury Papers, ViU; „An American Citizen" IV, Federal Gazette, 31. 12. 1788. Gegen zu große legislative Körperschaften sprach sich auch James Wilson im Ratifizierungskonvent von Pennsylvania aus. Auf die von einigen Schriftstellern genannte Höchstzahl von 100 Abgeordneten wollte er sich aber nicht festlegen. DHRC II, 442 f. Eine extreme Position vertrat der antifederalistische „Republican Federalist" in Boston. Er behauptete, der Konvent könne sich nur vertagen oder den Verfassungsentwurf über das Parlament an den Kongreß zur Revision zurückgeben: „For the system being improperly before the State Convention, and they being incompetent to a ratification of it, cannot thereby bind the citizens of Massachusetts."

Die „Zähmung' der Konvente

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are bound to no forms by a previous constitution." Die KonventDelegierten hätten ihr Mandat unmittelbar von der „supreme original authority of the people at large" erhalten und stünden damit über den Parlamentariern, die sich an die existierende Verfassung halten müßten. Während der Ratifizierungsberatungen legte die federalistische Mehrheit den Auftrag des Konvents dann aber so eng wie möglich aus, um Revisionswünschen der Opposition von vornherein den Boden zu entziehen. Wilson, McKean und Rush sprachen dem Konvent die Befugnis ab, Amendments auch nur zu diskutieren, geschweige denn in den offiziellen Akten niederzulegen und dem Kongreß und den anderen Staaten zu empfehlen. Der Entwurf stelle einen Gesamtvorschlag dar, den es als Ganzes zu akzeptieren oder zurückzuweisen gelte. Auf Findleys und Robert Whitehills Einwand, man müsse das Verfassungsgebäude doch in allen seinen Einzelteilen inspizieren und Schwachstellen beseitigen, entgegnete Rush metaphorisch, der Konvent habe nur die Wahl, in das neue Haus einzuziehen oder, falls er es unbequem finde, den Schlüssel wieder beim Bauherrn abzugeben. „We are come to stamp the system with the authority of the people, or to refuse it that stamp," pflichtete ihm Thomas Scott lakonisch bei. Nun waren es die Antifederalists, die sich von einer Aufwertung des Konvents Vorteile im Kampf um Vertagung und Amendments erhofften. Beispiele aus der englischen und amerikanischen Parlamentsgeschichte schob Robert Whitehill beiseite: „Precedent, sir, cannot be adduced on this occasion, for similar situation never has occurred before in the history of the world, nor do we know of any body of men assembled with similar powers to investigate so interesting a subject. The importance and singularity of the business must place it beyond any former rule." 7 Die Öffentlichkeit stellte sich aber — zumindest in Philadelphia — eindeutig hinter die Federalists. Für den Mann von der Straße sprach „One of the Gallery", der am Sinn der langen Debatten zweifelte und behauptete, die Wähler Pennsylvanias hätten die Frage längst entschieden. Wichtig sei nicht die Privatmeinung der Delegierten, sondern der Wille ihrer Counties: „The present Convention, therefore, is not a deliberative body. The members are to be considered only as tickets containing the votes of the counties for the adoption or rejection of the proposed Constitution." Daß solche Thesen nahezu allem widersprachen, was die Federalists sonst über die Gefahren von Instruktionen und die Vorteile

7

DHRC II, 269, 276 f., 364ff., 378.

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Die Ratiß^ierungskonvente der dreizehn Staaten

des Repräsentativsystems verbreiteten, schien die pennsylvanischen Verfassungsenthusiasten nicht zu stören. 8 Völlig anders verliefen die Fronten zwei Monate später im Ratifizierungskonvent von Massachusetts. Solange die Antifederalists mit einer Ablehnungsmehrheit rechneten, wollten sie ihre Gegner daran hindern, Verbesserungsempfehlungen einzubringen, die wankelmütigen Abgeordneten die Zustimmung erleichtern würden. „We have no right to make amendments", beschwor General Thompson noch am 2. Februar 1788 die Delegierten. Zwei Tage darauf legte Charles Jarvis die Position der Ratifizierungsbefürworter dar: „If we have a right, sir, to receive, or reject the Constitution, surely we have an equal authority to determine in what way this right shall be exercised ... we are convened in the right of the people, as their immediate representatives, to execute the most important trust which it is possible to receive, and we are accountable in its execution, to God only, and our own conscience." Schließlich setzte sich dieser Standpunkt durch. Die Natur der Debatte sei total verändert, konstatierte am 5. Februar Fisher Ames, „and the inquiry is now, not what the Constitution is, but what degree of probability there is that the amendments will hereafter be incorporated into it." 9 Die marylandischen Federalists folgten im April aber nicht ihren Gesinnungsfreunden in Massachusetts, die der Not gehorchend dem Prinzip der „recommendatory amendments" Geltung verschafft hatten, sondern gingen vielmehr noch über die restriktive Haltung der Pennsylvania-Mehrheit hinaus. Weil sie mit Rücksicht auf South Carolina und Virginia jeden Anschein von Schwäche vermeiden wollten, ließen sie sich weder zu einer inhaltlichen Diskussion noch zu Änderungsempfehlungen bewegen. Im Konvent, in der Presse und in ihren Briefen äußerten sie die Überzeugung, daß der Ratiflzierungskonvent nicht befugt sei, Amendments vorzuschlagen, und daß schon die Erörterung von Änderungen den Verpflichtungen widerspräche, die sie bei den Wahlen übernommen hätten. Zur Prüfung der Amendmentfrage waren sie äußerstenfalls n a c h erfolgter Annahme der Verfassung bereit, wobei der Konvent aber nicht als Institution in Erscheinung treten dürfe, sondern jeder Teilnehmer in seiner Eigenschaft als Staatsbürger handeln müsse. Doch selbst von dieser Konzession rückten sie wieder ab, sobald klar wurde,

8 9

DHRC II, 312 f.; vgl. 315 £. Debates of Mass. Convention, 2., 4., 5. 2. 1788.

Die „Zähmung'

der Konvente

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daß sich einige Änderungswünsche der Opposition nicht mit den eigenen Zielvorstellungen vereinbaren ließen. 10 Marylands Beispiel machte jedoch nicht mehr Schule, denn in der Folgezeit wurde des Recht der Konvente, Verbesserungen zu empfehlen, kaum noch angezweifelt. 11 Bis zuletzt umstritten blieb allerdings, ob ein Staat durch seinen Konvent Bedingungen für die Aufnahme in die neue Union stellen durfte. Hier kam die Kompetenz des Kongresses ins Spiel, der die Ratifizierungsurkunden entgegennehmen und anerkennen mußte. Hamilton behauptete in Poughkeepsie, die vorbehaltlose Ratifizierung durch neun Staaten habe eine neue Situation geschaffen. Nun sei die Verfassung bindend, und der Kongreß könne, selbst wenn er es wolle, von den restlichen Staaten keine Bedingungen mehr akzeptieren. Unsicherheit verriet der versierte Anwalt allerdings in der Frage, welche Forderung den Charakter einer Bedingung trug. Würde der Kongreß eine Ratifizierung als gültig werten, die dem Staat New York den Rückweg für den Fall offenhielt, daß seine Amendment-Wünsche nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes immer noch unerfüllt waren? Diese Zweifel wurden erst durch eine klare Auskunft Madisons beseitigt. 12 Kritik entzündete sich aber nicht nur an solchen komplizierten verfassungsrechtlichen Problemen, sondern auch an weniger bedeutenden, für den Bürger aber fühlbaren Begleitumständen der Konvente. Von Zeit zu Zeit wurde in den Gazetten Klage geführt, daß einige dieser Veranstaltungen zu lange dauerten und hohe Kosten verursachten, die den von der Wirtschaftskrise gebeutelten Steuerzahler unnötig belasteten. Dahinter stand nicht selten die Absicht, Druck auf die Delegierten auszuüben und eine schnellere Entscheidung zu erzwingen. Von extravaganten Aufwendungen kann wohl keine Rede sein, wenn Pennsylvania pro Tag zwischen 200 und 300 Dollar ausgab, und Massachusetts' gesamter Konvent etwa 4.500 Pfund Sterling ( = 11.250 Dollar) kostete. 13 Einige 10

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Vgl. James Earle to William Tilghman, Talbot Courthouse, 20. 1. 1788, Tilghman Papers, PHi; Alexander C. Hanson to Madison, Annapolis, 2. 6. 1788, Rutland XI, 69 ff.; Annapolis Md. Gazette, 8. 5. 1788; „Address of a Minority of the Maryland Ratifying Convention", Baltimore Md. Gazette, 6. 5. 1788, Storing V, 92 ff. Nach Abraham Yates' Informationen glaubten allerdings auch zwei prominente New Yorker Federalists, sie hätten „no other powers but to adopt or Reject." To George Clinton, New York, 27. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN. Siehe Syrett V, 159 ff. Vgl. Hamilton to Madison, 19. 7. 1788; Madison to Hamilton, 20. 7. 1788, Rutland XI, 188 f.; s. u. S. 680 f. DHRC II, 266 ff., 379; Mass. Convention Pay Roll, Mass. Archives Div., Constitutional Convention, 1788, 162.

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Die Ratifi^ierungskonvente

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Staaten

Staaten machten sich die Tatsache zunutze, daß Parlamentsabgeordnete und Konvent-Delegierte vielfach identisch waren, und ließen den Verfassungsberatungen Parlamentssitzungen folgen. Auf diese Weise blieben den Akteuren doppelte Reisewege und dem Schatzmeister zusätzliche Zahlungen erspart. Der Virginia-Konvent und eine Sondersitzung der Assembly belasteten die Staatskasse mit 5.500 Pfund Sterling, und in South Carolina fiel für den Konvent und die beiden Sitzungsperioden des Parlaments im Jahr 1788 eine Summe von 10.000 Pfund an. 14 Die North Carolina-Delegierten erhielten je nach Reisedauer zwischen 15 und 55 Dollar, was 6 bis 22 Pfund entspricht. Nimmt man die Ausgaben für die zwei Konvente sowie für den Druck der Verfassung und der Ratifikationsurkunde zusammen, dürften sich ebenfalls ungefähr 10.000 Pfund ergeben. Auch diese Zahlen muten bescheiden an, sind aber gemessen an den Gesamtkosten des Staats- und Verwaltungsapparats von North Carolina, die 1788 ganze 20.370 Pfund betrugen, doch beachtlich. 15 In Maryland spekulierte ein ökonomisch gesinnter Zeitungsschreiber, der Staat verdanke der kompromißlose Eile der Federalists gut und gerne 4000 Pfund Sterling. 16 Wenig Grund zur Beschwerde hatten die Geschäftsleute der Tagungsorte, denen das an die Delegierten ausbezahlte Geld größtenteils zufloß, und die überdies von den zahlreichen Besuchern profitierten. In der gastgebenden Bevölkerung und in der Presse überwogen bei weitem freudige Erwartung und Optimismus, und es herrschte eine festliche Stimmung der Einzigartigkeit und Größe des Augenblicks: „The fate of America is now suspended, as it were, in a balance, and awaits its final doom from you and the conventions of the different states; with whom it rests, either to entail misery on millions yet unborn or to transmit your dear-bought liberties, inviolate, to your latest posterity. That real patriotism may guide your councils is the sincere wish of A Plain Citizen." 17 Kaum anders als in Philadelphia klang es in Boston: 14

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Va. Treasury Office to Va. House of Delegates, 24. 10. 1788, Executive Communication, VStL; Pay and Travel Vouchers to the Members of the South Carolina Convention, 23./24. 5. 1788, Legislative Papers, S. C. Dept. of Archives; Charleston State Gazette, 25. 2. 1789. North Carolina Convention (Hillsborough). Estimates of Allowances made to the Members of the Convention, Aug. 1788, Papers of the Convention of 1788; N. C. Civil List for 1789, Legislative Papers, NCDAH. Maryland Convention: Journal of Accounts, 1788, Md. Hall of Records, Annapolis; Baltimore Md. Gazette, 9. 5. 1788. „To the Honorable the Convention of the State of Pennsylvania", Indep. Gazetteer, 22. 11. 1787.

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der Konvente

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„May the Great Idea fill the minds of every member of this honourable body, that Heaven on this auspicious occasion favours America, with an opportunity never before enjoyed by the son of men." Zurückhaltender, aber nicht minder ernst äußerten sich die Antifederalists: „Never had ,the good people of this Commonwealth' a matter before them which had involved in it questions of so high a nature as at present." 18 Mit solchen Grußadressen und mit Gedichten wurden die Delegierten fast überall empfangen: „Fathers and countrymen! On your debates depend th'impending fate Of all that freemen prize as good and great: Your wisdom, unborn millions must adore, Or curse your names as they each deed explore; For should the glorious plan, before you, fall, We must attend a tyrant's lordly call." 19 Nicht nur die Blicke ihrer eigenen Wähler, ermahnte der Massachusetts Centinel die Bostoner Konvent-Mitglieder am 12. Januar 1788, sondern die Augen ganz Amerikas und der Welt seien nun auf sie gerichtet. Mehr ums Detail kümmerte sich Tench Coxe, der jedem wichtigen Konvent einen längeren Zeitungsaufsatz widmete, in dem er die spezifischen Probleme und Zukunftsaussichten des betreffenden Staates darlegte. Den Beitrag, den die Delegierten pflichtgemäß zu erfüllen hatten, nannte er „the most dignified temporal act of human nature." 20 Die Langwierigkeit der Debatten wurde häufig als Ausdruck des redlichen Bemühens um eine dauerhafte Lösung der schwierigen Probleme gewertet und entschuldigt: „Their constituents and posterity will applaud the assiduity and attention they have shewn to this interesting subject," nahm die Virgina Gazette den Richmond-Konvent in Schutz, der an diesem 19. Juni 1788 bereits über zwei Wochen tagte.

18 19 20

Mass. Centinel, 9. 1. 1788; „To the Convention", American Herald, 14. 1. 1788. „Junius", Mass. Gazette, 22./25. 1. 1788. „A Pennsylvanian": „To the Honorable the CONVENTION of the STATE of NEW-YORK", Pa. Gazette, 11. 6. 1788; nachgedr. u. a. im Ν. Y. Daily Adv., 14./17. 6. 1788. Siehe auch „Denatus": „To the Members of the Virginia Federal Convention, collectively, and individually." Va. Indep. Chronicle, 11. 6. 1788, Storing V, 260 ff. „Denatus" empfahl bei dieser Gelegenheit die Errichtung von Akademien zur Unterweisung des Volkes auf den Gebieten Moral, Religion, Jurisprudenz und Kriegskunst. Er war für die Annahme der Verfassung mit Amendments und machte den ungewöhnlichen Vorschlag, die Verbesserungsempfehlungen der Konvente General Washington zur Entscheidung zu unterbreiten.

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Die bedeutungsvolle Stimmung teilte sich den Delegierten mit, die nicht selten schwer an ihrer Verantwortung trugen. Als der Wahlakt in Boston näherrückte, wurde die Spannung für Tristram Dalton fast unerträglich: „I tremble at the approach, and dread the feelings I shall have when the Names and Answers are called and marked!" 21 Der Hinweis auf die „ungeborenen Generationen", der auch eine Rede des Abgeordneten Tweed von South Carolina krönte, war keineswegs eine bloße Phrase: „We sir, as citizens and freemen, have an undoubted right of judging for ourselves; it therefore behoves us, most seriously to consider, before we determine a matter of such vast magnitude. We are not acting for ourselves alone, but to all appearance for generations yet unborn." 22 Etliche Delegierte ließen in ihren Debattenbeiträgen anklingen, daß sie sich nach Vorbildung und politischer Erfahrung der enormen Aufgabe, über die Verfassung eines künftigen Empire zu urteilen, kaum gewachsen fühlten. Bis auf ganz wenige wichen sie aber dennoch nicht aus, sondern trafen eine Entscheidung. Die Gedanken, die sie dabei bewegten, schilderte — sicher stellvertretend für viele seiner Kollegen — der New Yorker Abgeordnete Abraham Bancker in einem Brief aus Poughkeepsie vom 12. Juli 1788: „I am apprehensive you will find me among the Minority. Wherever I shall be I hope I shall so determine as that I shall be able to answer to my Constituents for my Conduct, and finally to the righteous Judge of all Mankind, at that Awful Tribunal before which I am Sure to appear, to answer for the deeds done in the Body." 23 Um diese Zeit trugen sich Ebenezer Hazard und Mathew Carey schon mit dem Gedanken, die Ratifizierungsbeschlüsse und Amendment-Vorschläge der Staaten zu sammeln und der Nachwelt zum Zwecke des verfassungsrechtlichen Studiums und einer gerechten Würdigung des epochalen Ereignisses zu überliefern. Die erste Textausgabe dieser Art besorgte dann aber im August 1788 der virginische Drucker Augustine Davis. 24

21

22 23 24

To Stephen Hooper, Boston, 31. 1. 1788, in: E. F. Stone, Parsons and the Constitutional Convention, Hist. Coll. of the Essex Inst. 35 (1899), S. 94. Charleston City Gazette, 20. 5. 1788. To Evert Bancker, Bancker Family Papers, NHi. Hazard to Carey, New York, 15. 7. 1788, Lea and Febiger Coll., PHi; The Ratification of the New Foederal Constitution, together with the Amendments, proposed by the Several States, Richmond, post 2. 8. 1788, Pamphlet, Evans 21529. Diese Zusammenstellung erfolgte auf Bitten einiger Gentlemen, „who supposed, that it would be useful and acceptable to the Public, to be able to compare at once the sentiments of the different States together."

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Gegen die von manchen befürchtete Unordnung wurden weltliche und geistliche Vorkehrungen getroffen, die im großen und ganzen ihren Zweck erfüllten. Jeder Konvent setzte nach der Wahl des Präsidenten, des Sekretärs und geringerer Bediensteter wie Boten und Türwächter eine Kommission ein, die Geschäftsordnungsregeln und einen Verhaltenskodex formulierte. Diese Committees on rules and regulations ließen sich von der parlamentarischen Praxis leiten, wie sie im Laufe des 18. Jahrhunderts nach dem Muster des britischen Unterhauses Gestalt angenommen hatte. Dem Konventspräsidenten oblag es, den regulären Ablauf der Beratungen sicherzustellen und „order and decorum" zu wahren. Er konnte undisziplinierte Abgeordnete zurechtweisen und gegebenenfalls ihren Ausschluß vorschlagen. Die Abgeordneten selbst wurden auf Pünktlichkeit und gesittetes Benehmen verpflichtet. Sie mußten den Präsidenten ums Wort bitten und durften nur von ihrem Platz aus stehend sprechen. Nicht erlaubt war es, einen Redner zu unterbrechen oder andere Delegierte beim Namen zu nennen. Anträge konnte nur einbringen, wer die Unterstützung mindestens eines weiteren Teilnehmers fand. Während diese „rules of order" in den einzelnen Staaten nur geringfügig voneinander abwichen, fiel die Regelung von Verfahrensfragen, denen die Parteien eine taktische Bedeutung zumaßen, je nach den Stärkeverhältnissen unterschiedlich aus. Wie groß beispielsweise das Quorum sein sollte, ob einem Vertagungsantrag Vorrang gebührte, und wann in welcher Form über was abgestimmt werden durfte, waren heikle Punkte, die den Ausgang des Konvents nachhaltig beeinflussen konnten. Ihre Lösung bildete deshalb häufig den Auftakt zum Kräftemessen zwischen Federalists und Antifederalists. 25 Geistige Erleuchtung und die Besänftigung streitbarer Gemüter versprach man sich in einigen Staaten von der Mitwirkung des Klerus. In Philadelphia stieß Benjamin Rushs Vorschlag, den Konvent mit gemeinsamen Gebeten unter der Leitung eines Pfarrers zu eröffnen, noch auf taube Ohren. Die Antifederalists erachteten das als eine unnötige Neuerung und bezweifelten auch, ob sich ein für die Angehörigen aller Konfessionen akzeptabler Geistlicher finden ließ. Von den Federalists erhielt Rush keine Unterstützung, weil sein Verlangen als indirekte Kritik

25

Siehe die „rules" der Konvente von Pennsylvania und New Jersey in DHRC II 329 ff.; III 180 f. 17 Regeln beinhaltete der „Committee Report on Rules" des ersten North Carolina-Konvents. Papers of the Convention of 1788, NCDAH. Ein Klassiker der anglo-amerikanischen Parlamentspraxis sind „Robert's Rules of Order", die seit 1876 immer wieder neu aufgelegt werden.

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am philadelphischen Verfassungskonvent interpretiert werden konnte, der ein ähnliches Ansinnen Franklins abgewiesen hatte. Zum Ausgleich nahm man wenigstens die Einladung der Universität zu einer Commencement-Veier und der Lutherischen Kirche zum Gottesdienstbesuch an. 26 Die Bostoner Delegierten leisteten dagegen Samuel Adams' Wunsch Folge, „that the Convention will attend morning prayers daily, and that the gentlemen of the clergy of every denomination, be requested to officiate in turn." Das war ganz im Sinne der Federalists, die hofften, mit Hilfe der Gebete werde es besser gelingen, den vorerst noch virulenten Parteigeist zu zügeln. 27 Die Feiertagsatmosphäre verstärkte sich noch, als der Konvent seiner großen Teilnehmerzahl wegen in Jeremy Belknaps Kirche, das kongregationalistische Meeting House in der Long Lane, umzog. Der New Jersey-Konvent bat den presbyterianischen Pastor James Francis Armstrong, jeden Verhandlungstag mit einem Gebet zu eröffnen. In Connecticut wurden die Beratungen ebenfalls aus Raumgründen in eine Kirche verlegt, deren Hausherr, Reverend Nathan Strong, den Segen Gottes auf die Versammelten herabflehte. 28 Auch für die annähernd 300 North Carolina-Delegierten fand sich nur in einem Gotteshaus genügend Platz. Ungeachtet der Trennung von Kirche und Staat in ihrer Verfassung beriefen die Virginier einen offiziellen „Chaplain to the Convention." 29 Einen ähnliche Beschluß scheint es in Poughkeepsie gegeben zu haben, denn der Konvent statteten am Ende zwei Geistlichen ausdrücklich seinen Dank ab. Wo man solche Dienste nicht offiziell in Anspruch nahm, verliehen die Kleriker den Konventen wenigstens durch ihre Gegenwart auf den Abgeordneten- und Zuschauerbänken eine besondere Würde. Verhaltensmaßregeln und geistlicher Zuspruch konnten einzelne unerfreuliche Szenen nicht verhindern. In Philadelphia bestätigten sich die Abgeordneten Findley und Chambers gegenseitig, daß sie „perfect contempt" füreinander empfänden, worauf im Plenum Unruhe entstand und Vertagungsrufe laut wurden. Überdies reagierten die Antifederalists mehrere Male gereizt auf Provokationen aus dem Publikum. Boston hatte seinen Skandal, als Elbridge Gerry und Richter Dana nach einem heftigen Wortwechsel beinahe handgreiflich wurden und die Sitzung im Tumult

26 27

28 29

DHRC II, 328, 382, 423. Mass. Convention Debates, 9. 1. 1788; William Lambert to Enos Hitchcock, Boston 12. 1. 1788, E. Hitchcock Papers, RHi. DHRC III, 177, 535. Va. Convention Proceedings, 2. 6. 1788.

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endete. Samuel Holden Parsons, der Präsident der Society of the Cincinnati in Connecticut, nutzte den Konvent zur Abrechnung mit seinem Intimfeind William Williams, den er zuvor schon in einem bitteren Zeitungsstreit der Anhängerschaft Daniel Shays' verdächtigt hatte. In Poughkeepsie setzte sich John Lansing vehement gegen Hamiltons Vorwurf zur Wehr, er gebe vertrauliche Informationen aus dem Verfassungskonvent von Philadelphia preis. Wegen Meinungsverschiedenheiten über den Wahlausgang in Hanover County fochten Colonel William Fontain und Mr. Macon am Rande des Richmond-Konvents ein Duell aus, bei dem Macon schwer verwundet wurde. 30 Im allgemeinen wahrten die Delegierten aber die Formen des Anstands und der Höflichkeit, und nahmen die Konvente einen ruhigen und störungsfreien Verlauf. Die Zeitungen hoben wiederholt hervor, daß die Volksvertreter ungewöhnlich pünktlich und vollzählig zu den Debatten und Kommissionssitzungen erschienen. Nach den hitzigen Wahlkämpfen schien sich überall ein wohltuender „spirit of moderation" auszubreiten, den es zu pflegen galt. Geradezu beschwörend rühmte John Jay in jedem seiner Briefe, welch hohes Maß an „temper and deliberation" den Poughkeepsie-Konvent auszeichnete, und mit welcher „assiduity and regularity" die Teilnehmer zu Werke gingen. 31 In Richmond war das Independent Chronicle voll des Lobes über die virginischen Delegierten: „The calm, cool, and deliberate manner in which this important subject has been investigated, will be a lasting monument of national gratitude to those venerable statesmen, who have so eminently distinguished themselves in forming this new plan of government." 32 Die Ratifizierungskonvente hatten also mit den leidenschaftlichen Protestversammlungen der Revolutions- und Nachkriegszeit nicht viel mehr als den Namen gemein. Sie ähnelten viel stärker den regulären Parlamentssitzungen der Staaten, ja übertrafen diese sogar noch an formaler Korrektheit, Ordnungssinn und Fleiß. Damit war es endgültig gelungen, die ungebärdigen conventions zu „domestizieren" und ihnen einen sinnvollen und rechtmäßigen Platz im republikanischen Repräsentativsystem zuzuweisen.

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31

32

Vgl. DHRC II, 529 ff., 547 f., 587 f. (Pennsylvania); Mass. Convention Debates, 19. 1. 1788; DHRC III, 325, 584 (Connecticut); Syrett V, 135 ff. (New York); Fredericksburg Va. Herald, 19. 6. 1788. To Sally Jay, 21. 6. 1788; to Washington, 30. 6. 1788; to John Adams, 4. 7. 1788, in: Johnston, Correspondence III, 340, 345 ff.; to John Vaughan, 27. 6. 1788, Madeira-Vaughan Coll., PPAmP. 25. 6. 1788.

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Wichtigkeit und Tragweite der Ratifizierungsdebatten wurden durch die außerordentlich rege Teilnahme der Bevölkerung unterstrichen. Die Konvente waren nicht nur politische, sondern auch gesellschaftliche Ereignisse, die Abwechslung und Glanz in das ansonsten eher gemächlich-eintönige Leben brachten. Der Kongreß hatte in seinem Aufruf an die Staaten die Öffentlichkeit der Ratifizierungsdebatten nicht explizit vorgeschrieben. Die Bürger gingen aber wie selbstverständlich davon aus, daß ihnen Zutritt gebührte. Seit das Unterhaus von Massachusetts 1766 mit einer Zuschauergalerie versehen worden war, hatte man sich daran gewöhnt, daß die normale Gesetzgebungsarbeit unter den Augen der Wählerschaft abgewickelt wurde. 33 Durch die Offenlegung der Parlamentsprotokolle und den Abdruck von Resolutionen und Reden in einzelnen Zeitungen drang dieses Prinzip während und nach der Revolution immer tiefer ins öffentliche Bewußtsein ein. Deshalb konnte es nicht überraschen, daß die strikte Vertraulichkeit der verfassunggebenden Versammlung des Jahres 1787 vielfach als Abkehr von republikanischen Normen empfunden wurde. Nur ganz am Anfang des Ratifizierungsprozesses kam — wiederum in Philadelphia — die Frage der Einbeziehung des Volkes kurz zur Sprache. Es habe Zweifel gegeben, hieß es mit vorwurfvollem Unterton im Pennsylvania Herald vom 21. November 1787, ob die Türen des Ratifizierungskonvents für Zuschauer geöffnet werden sollten; Wesen und Aufgabe dieser Körperschaft ließen aber gar nichts anderes zu, „for the plan of the federal government is to be submitted to the people, yet as it would be highly inconvenient, if not impracticable, to lay it before the citizens at large, it is agreed to submit it to a part of the whole. Whatever therefore is transacted by the Convention is, in fact, transacted by the people, and to exclude them from hearing what passes is in effect excluding them from a share in their own act." Den „secret proceedings" und der Volksferne des Verfassungskonvents sei es doch letztlich zuzuschreiben, daß der Reformplan jetzt auf so starken Widerstand stoße. Zwei Tage später beschlossen die Delegierten im State House einstimmig, „that the doors of the Convention be left open during the session." Von nun an folgte jeder Konvent stillschweigend diesem Beispiel. 34 Die Bevölkerung ließ sich nirgends lange bitten, sondern machte überall, insbesondere aber in den größeren Küstenstädten, eifrig von 33 34

Pole, Political Representation, S. 68. DHRC II, 330 f. mit Anm. 4. Der Herald-Artikel Pennsylvanias nachgedruckt.

wurde siebenmal außerhalb

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ihrem Recht auf unmittelbare Information Gebrauch. Häufig waren die State Houses und Gerichtsgebäude, die den Parlamenten als Tagungsstätten dienten, dem Zuschauerandrang nicht gewachsen, so daß Erweiterungen vorgenommen oder passendere Räumlichkeiten in Kirchen und Theatern gesucht werden mußten. Politisch Interessierte und Schaulustige kamen von weither und stellten die Gastgeber, die schon für die Bewirtung der Delegierten zu sorgen hatten, vor erhebliche Unterbringungsprobleme. „There is a great conflux of gentlemen from all parts of the state to attend and hear the deliberations," kommentierte Ezra Stiles das Geschehen in Hartford. 35 Der Bostoner Konvent wirkte über die Staatsgrenzen hinweg und zog etwa 4000 Besucher aus ganz Neuengland an. Die stets dichtbesetzte Empore der kongregationalistischen Kirche faßte 6 — 800 Zuschauer. Wer einen Platz ergattern wollte, mußte eine Stunde vor Öffnung der Türen Schlange stehen.36 Animiert durch die Berichte aus Boston, ritt John Quincy Adams im Februar mit Freunden ins benachbarte New Hampshire, um die Akteure der Exeter-Versammlung persönlich in Augenschein zu nehmen. Der Ort kam ihm überfüllt vor, und auf der Tribüne von Mr. Mansfields Meeting House war trotz des für seinen Geschmack enttäuschenden Niveaus der Reden kaum ein Platz zu haben. 37 Manch einen New Yorker hielt es nicht mehr in der City, und er reiste wie Noah Webster und Samuel B. Webb hudsonaufwärts nach Poughkeepsie, wo sich auch der Baron von Steuben umschaute. Das Court House bot allerdings nur etwa 200 Besuchern Platz, unter ihnen nicht selten, wie das New York Journal hervorhob, Damen der Gesellschaft. 38 Auch in Annapolis und Richmond fiel die Anwesenheit von Frauen bei den Sitzungen auf. Alexander White bereitete das Zuschauen darob doppeltes Vergnügen: „We have every day a gay circle of Ladies — to hear the debates — and have the pleasure of believing them all Federalists." 39 Im Süden wurde der Richmond-Konvent, desSen Debatten unter anderen Robert Morris beiwohnte, zum größten Besuchermagneten. In der New Academy, einer für Theateraufführungen errichteten weitläufi35 36 37 38

39

3. 1. 1788, DHRC III, 523. Henry Jackson to Knox, 20. 1. 1788, Knox Papers, MHi; Ν. Y. Journal, 7. 2. 1788. J. Q. Adams Diary, 21./22. 2. 1788. N. Webster Diary, 20. 6. 1788, NN; Webb to Hogeboom, Poughkeepsie, 24./25. 6. 1788, Webb Family Papers, CtY; David S. Bogart to Webb, Poughkeepsie, 8. 7. 1788, Ford, Correspondence III, 103 f.; Poughk, Country Journal, 1. 7. 1788; Ν. Y. Journal, 10. 7. 1788. To Mrs. Wood, 10./11. 6. 1788, Personal Papers Misc. (A. White), LC.

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gen Holzkonstruktion, fanden sich Tag für Tag hunderte von Menschen ein. Auf den Plätzen und in den Gasthäusern der Stadt fochten die Parteigänger ihre privaten Rededuelle aus, studierten und diskutierten die Zeitungsberichte und nahmen Wetten an, wie groß die Mehrheit der einen oder anderen Seite am Ende sein werde. Über 1000 Zuschauer wurden Zeugen der spektakulär inszenierten Schlußabstimmung: „Awful and solemn was the pause which preceded the question ... could the mind be otherwise than tremulously anxious? — to describe my feelings exceeds my power of description ... the dignified humility of the majority — the tempered patience, manly firmness and virtuous demeanor of the minority ... finished a scene, which thus stood completed the most grand and solemn I ever beheld." 40 Vom Publikum verlangte man allerdings zumindest ebensoviel Taktgefühl und Beherrschung wie von den Delegierten selbst. Parlamentarischem Brauch entsprechend sollten die Zuhörer absolutes Stillschweigen wahren und sich jeder billigenden oder ablehnenden Reaktion enthalten. Ein Leser der Massachusetts Gazette glaubte Grund zu haben, seine Landsleute an diese Selbstverständlichkeit zu erinnern, weil Vorgänge in Philadelphia Schlimmes ahnen ließen. 41 Dort hatte die federalistische Galerie am 10. Dezember dem Oberrichter McKean für eine dreistündige Rede lautstarken Beifall gespendet. Die Minderheit glaubte nicht an einen spontanen Temperamentsausbruch, sondern argwöhnte, dieser „gross insult and disrespect" sei Teil einer gezielten Einschüchterungskampagne. Die Stimme des pennsylvanischen Volkes klinge anders, rief Smilie in den überfüllten Saal; er werde sich aber durch solche „appearance of violence" nicht an der Ausübung seiner staatsbürgerlichen Pflichten hindern lassen, und wenn die Ränge mit Bayonetten gespickt wären. Zum Präsidenten gewandt, entgegnete McKean spöttisch: „The gentleman, sir, is angry — because other folks are pleased."42 Dieser für die gereizte Stimmung im Philadelphia-Konvent bezeichnende Zwischenfall wurde durch den Pennsylvania Herald publik gemacht und von den Antifederalists weidlich ausgeschlachtet. James Winthrop wetterte als „Agrippa" in der Massachusetts Gazette, die pennsylvanischen „heroes of aristocracy" hätten den Beifall des Pöbels bestellt und schämten

40

41 42

Siehe die Briefe aus Richmond vom 18. 6. und 25. 6., abgedt. im Ν. Y. Daily Adv. vom 27. 6. u. 3. 7. 1788. „An Auditor", Mass. Gazette 25. 1. 1788. DHRC II, 547 ff.

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sich dieser „violation of decency" nicht einmal. 43 Antifederalistische Redner, die auf dem Hartford-Konvent durch „shuffling and stamping of feet, coughing, talking, spitting, and whispering" aus dem Konzept gebracht wurden, bezweifelten ebenfalls den spontanen Charakter dieser Störungen. 44 Auch die Bostoner Zuschauer verletzten die Spielregeln, indem sie die Ablehnung eines oppositionellen Antrags beklatschten. Antifederalistische Proteste gegen diesen Affront schufen eine „momentary agitation", die sich jedoch bald wieder legte. In Charleston forderten die Verfassungsgegner bei gleicher Gelegenheit die Räumung des Saales, doch Richter Pendieton entschuldigte den „intemperate conduct of the spectators" geschickt als überschäumenden patriotischen Eifer. 45 Allerorts war jedenfalls zu spüren, daß die Städter ihr Temperament kaum noch zügeln konnten und sehnsüchtig der Annahme der Verfassung entgegenharrten. Diese Ungeduld kam auch im geselligen Leben zur Geltung, das die Konvente einrahmte. In Philadelphia präsentierten die Universität und die Lutherische Akademie den Delegierten glanzvolle Festvorführungen, die keinen direkten politischen Bezug hatten, deren federalistisch-nationale Botschaft aber unmißverständlich war. 4 6 Ebenso mahnend klangen die Reden und Predigten zum Unabhängigkeitstag 1788 denjenigen in den Ohren, deren Ja zur Ratifizierung immer noch ausstand. In PoughStoring IV, 93. DHRC III, 576. Bei der Schlußabstimmung für die Ratifizierung gab es Beifall von den Rängen, a. a. O., S. 575. 45 Mass. Convention Debates, 24. 1. 1788; Charleston City Gazette, 21. 5. 1788. 46 Ein Teilnehmer übermittelte seinen Eindruck nach New York, „that the present attention of the Germans, a very respectable part of the inhabitants of this commonwealth, to the advancement of useful learning, both in public and private seminaries; and the friendly manner in which they unite with their fellow citizens, for this important purpose, opens a most agreeable prospect. The exercises delivered in the large Lutheran church of this city, on the 29th ult. by a number of the youth of the University, Germans and English, who are studying the German language, gave rise to the above observation ... The state Convention was present on the occasion; the supreme executive council, the trustees and faculty of the University, and a great number of citizens. The vocal music performed by the singing school of Zion church, under the direction of Mr. Ott, was solemn, correct and beautiful. The rev. Mr. Smith, assistant Lutheran minister, introduced the business by prayer; Dr. Helmuth concluded with a short address to the audience, in the English language, and by a prayer in the German ... Mr. Henry Helmuth, student of law, commemorated the virtues and distinguished worth of the reverend and venerable father, Dr. Muhlenberg, late deceased." Ν. Y. Journal, 11. 12. 1787; vgl. Pa. Herald, 1. 12. 1787. 43

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keepsie luden die Verfassungsfreunde die bis dahin recht unnahbaren antifederalistischen Abgeordneten am 4. Juli demonstrativ zu einem gemeinsamen Festessen.47 Auch an privaten Feierlichkeiten, Empfangen und Vergnügungen fehlte es nicht. Den Volksvertretern aus dem Hinterland standen alle Türen offen, sobald sie über ihre restriktiven Weisungen mit sich reden ließen. Besonders großzügig waren in dieser Hinsicht offenbar die Bürger Charlestons, die ihren Gästen „lavish entertainments" gaben. 48 Wenig Unterhaltung hatte dagegen das kleine Hillsborough in North Carolina zu bieten. Bevölkerung und Konvent-Mitglieder dürften deshalb dankbar gewesen sein, daß sich rechtzeitig eine Theatergruppe einfand, um ihnen die Zeit zu vertreiben. An solche Attraktionen waren sonst nur Großstädter wie die New Yorker gewohnt, die schon im Frühjahr 1788 durch das Schäferspiel „The Convention or The Columbian Father" und Samuel Lows Komödie „The Politician Out-Witted" auf den bevorstehenden Konvent in Poughkeepsie eingestimmt wurden. 49 Teilnehmer, sociale Gruppierung und Gegensätze Die nahezu 2000 Konvent-Mitglieder repräsentierten zwar die Gesamtbevölkerung der Union, stellten jedoch — selbst wenn man die Frauen und unfreien Personen ausklammert — ebensowenig wie die 55 Abgeordneten der verfassunggebenden Versammlung ihr getreues Ebenbild dar. Etliche dieser 55 waren übrigens wieder mit von der Partie, weil jeder Staat zumindest einen seiner gut informierten Philadelphia-Delegierten in den Ratifizierungskonvent wählte. 50 Aber auch sonst gab sich 47

48 49

50

John Jay to Sally Jay, 5. 7. 1788, Johnston, Correspondence III, 347 f. Noch am 1. Juli hatte Isaac Roosevelt geschrieben, die Antifederalists hielten sich „much at a distance from us and we Cant Collect any of their Sentiments Either out or in Doors by any means whatever." To Richard Varick, in: Frank Hasbrouck, ed., The History of Dutchess County, New York, Poughkeepsie 1909, S. 177. F. L. Williams, The Pinckneys of South Carolina, S. 283. Thomas Iredell berichtete, eine Theatertruppe habe „wheeled about to take a view of Hillsborough ... to fix upon some spot to enliven and cheer the vacant hours of the Conventional Heroes." To James Iredell, Edenton, 27. 5. 1788, McRee II, 225. Sein New Yorker Theatererlebnis vermerkte William Heth im Tagebuch vom 8. 4. 1788, LC. Vgl. Ν. Y.Journal, 4. 4. 1788; Ν. Υ. Daily Adv., 11. 4. 1788; s. u. S. 759. Nach der einstimmigen Ratifizierung in New Jersey dankte „Unitas" ganz besonders David Brearley, „who served in the General Convention held at Philadelphia, and which cleared up the doubts in many minds to the entire satisfaction of those who heard him." DHRC III, 194 f.

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die politische, juristische und intellektuelle Prominenz ein Stelldichein und machte die meisten Konvente zu glanzvollen Veranstaltungen. Etwas hochtrabend nannte der Weekly Monitor den Hartford-Konvent einen „assembly of chosen philosophers and patriots", wie ihn Connecticut bislang noch nicht erlebt habe. Dem bedächtigen Ezra Stiles erschien er ebenfalls als „the grandest assemblage of sensible and worthy characters that ever met together in this state." Ein „Connecticut Farmer" ging die veröffentlichte Abstimmungsliste durch und stellte fest, daß unter anderen mit Ja votiert hatten: Zwei Gouverneure, ein Vize-Gouverneur, sechs Gouverneursräte, vier Richter des Superior Court, zwei Geistliche, acht Generäle, 18 Oberste, sieben Majore, 13 Hauptleute und zahlreiche County Court- und Friedensrichter. Unter den 40 Neinsagern befanden sich ein Gouverneursrat, zwei Generäle, vier Oberste, drei Hauptleute, ein Leutnant und ebenfalls eine Reihe lokaler Richter. 51 Nicht ganz so stattlich wirkte der zahlenmäßig größere Konvent von Massachusetts. Ezra Stiles Aufzeichnungen zufolge trugen aber immerhin 51 der 358 Mitglieder den Titel „Honorable", hatten also dem Gouverneursrat oder dem Senat angehört bzw. gehörten ihm noch an. Weiterhin zählte Stiles etwa 80 Offiziere, 18 Geistliche, ein gutes Dutzend Ärzte und einige Anwälte. Aus der Sicht der Boston Gazette war die Versammlung „undoubtedly composed of the first characters that Old Massachusetts could depute from among her sons." 52 Von den New HampshireDelegierten bekleideten 39 ein Richteramt, hatten sich 38 in Offiziersränge der Kontinentalarmee oder der Miliz hochgedient, und verfügten 56 über politische Erfahrung als Parlamentsabgeordnete bzw. Kongreßmitglieder. 53 Das Erscheinungsbild des pennsylvanischen Ratiflzierungskonvents prägten Juristen und Anwälte, Geschäftsleute verschiedenster Couleur und Parlamentarier, die Politik schon so gut wie berufsmäßig betrieben. 54 45 der 65 New Yorker Delegierten vertraten ihre Counties in den Jahren 1787/88 in der Assembly, im Senat oder im Kongreß. Neben dem Außenminister der Union, dem Gouverneur und dem Chancellor befanden sich in Poughkeepsie je drei Mitglieder des Verfassungskonvents, des Obersten Staatsgerichts und des Council of Revision sowie 51 52

53 54

DHRC III, 574 f., 523, 585 ff. Ezra Stiles Literary Diary, 25. 1. 1788, Stiles Papers, CtY; Boston Gazette, 14. 1. 1788. Oliver, Keystone, S. 113 ff. Siehe den „Biographical Gazetteer" in DHRC II, 727 ff.; vgl. William H. Egle, The Federal Constitution of 1787. Sketches of the Members of the Pennsylvania Convention, in: PMHB 10 (1887), S. 446ff.; 11 (1887-88), S. 69ff.

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vier County-Richter. Kein Wunder, daß ein Beteiligter meinte, nirgendwo sonst sei die Verfassung „fairer geprüft, tüchtiger verteidigt und kraftvoller kritisiert" worden als in New York. 55 Die Ratifizierungskonvente von Maryland und Virginia ähnelten allerdings noch mehr als diejenigen Neuenglands oder der Mittelstaaten in sozialer Hinsicht einem Querschnitt aus der gesellschaftlichen und politischen Führungsschicht. Nach Annapolis kamen drei Gouverneure, vier Gouverneursräte, zehn Senatoren und 35 weitere Parlamentsmitglieder und Senats-Wahlmänner. Die meisten Delegierten entstammten der relativ kleinen Gruppe der Juristen, Kaufleute und Pflanzer, die Marylands Geschicke seit 1776 bestimmte. 56 Von den 170 Virginia-Delegierten identifizierte Forrest McDonald fünf als Kaufleute, 29 als Anwälte, drei als Geistliche und sechs als Ärzte. Dazu gesellten sich eine Reihe wohlhabender Plantagenbesitzer und auffallend viele Offiziere, die im Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatten bzw. noch in der Miliz dienten. Wie in den meisten anderen Staaten nahmen der Gouverneur, hohe Richter, Mitglieder der verfassunggebenden Versammlung und Kongreß-Delegierte an den Beratungen teil. 46 Konvent-Teilnehmer zogen im Oktober 1788 in das neugewählte Parlament ein. 57 Natürlich gab es überall auch schlichte Farmer, politische Neulinge und unauffällige Hinterbänkler. In den großen Konventen von Massachusetts, South Carolina und North Carolina machten sie sogar einen erheblichen Teil der Anwesenden aus. Selbst diese „einfachen Leute" übten aber zumeist in ihren Heimatgemeinden und -kreisen wichtige Funktionen aus und genossen auf Grund besonderer Fähigkeiten und Leistungen das Vertrauen der Wähler. Der von Madison erhoffte nationale „Filterungsprozeß" hatte also schon bei der Auswahl der Konvent-Delegierten in Maßen seine Wirkung getan und ebenso respektable wie kompetente Repräsentativorgane hervorgebracht. Konfrontation

in Neuengland

Allerdings waren die Gewichte an Besitz und Bildung, Talent und Erfahrung nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr hatten die Federalists in dieser Hinsicht fast überall Vorteile. In einigen Konventen tat sich 55

56

57

Schechter, comp., Biographical Gazetteer, S. 157 ff.; vgl. Poughk. Country Journal, 1. 7. 1788, Letter from Poughkeepsie, 26. 6. 1788. Vgl. Verstandig, Emergence of Two-Party System, S. 40; Crowl, Anti-Federalism in Maryland, S. 452. McDonald, We the People, S. 255 ff.

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zwischen Befürwortern und Gegnern der Verfassung sogar eine regelrechte soziale Kluft auf. Den Mitwirkenden blieb diese Diskrepanz keineswegs verborgen, doch sie zogen daraus sehr unterschiedliche Schlüsse. Nach Meinung der Federalists sprach die verfassungsfreundliche Gesinnung so vieler kluger, verdienter und wohlhabender Männer besser als jedes theoretische Argument für die Güte des in Philadelphia vollbrachten Reformwerkes. Wenn ihr Urteil schon bei den gewöhnlichen politischen Entscheidungen besonders gefragt war, um wieviel schwerer mußte es dann in der komplizierten, juristische und historische Kenntnisse erfordernden Verfassungsfrage wiegen? Daß sich auf der anderen Seite relativ viele intellektuell unbedarfte und finanziell minderbemittelte oder verschuldete Delegierte sammelten, die noch dazu unter dem Einfluß ehrgeiziger Emporkömmlinge standen, schien der Sache der Opposition von vornherein ein denkbar schlechtes Zeugnis auszustellen. Ihren Sprechern mangelte es offensichtlich nicht nur an dem nötigen Wissen, sondern auch an der moralischen Integrität, um in Dingen, die das Gemeinwohl und die Zukunft betrafen, sine ira et studio entscheiden zu können. Dieses ungenierte Hervorkehren des höheren gesellschaftlichen Status nährte wiederum bei den Antifederalists den Verdacht, das neue Regierungssystem sei im Interesse einer dünnen Oberschicht konzipiert worden und dazu bestimmt, die soziale Rangordnung der Kolonialzeit wiederherzustellen. Die Verhältnisse lagen nicht überall gleich, sondern es gab eine Stufenfolge der Unterschiede mit den Neuenglandstaaten an der Spitze und Virginia am Ende. Im Massachusetts-Konvent war der soziale Gegensatz derart kraß, daß er von beiden Seiten zum Thema gemacht wurde. Schon bei Bekanntwerden des Wahlergebnisses hatte Federalist Christopher Gore prognostiziert, man werde es allenfalls mit einer Handvoll fähiger und vermutlich nur mit einem einzigen ersthaften Kontrahenten, nämlich Samuel Adams, zu tun haben. Nach den ersten Sitzungen notierte Belknap, die Opposition habe einige „noisy leaders", aber „die besten Männer und die besten Redner" seien für die Ratifizierung. Die antifederalistische Partei, so analysierte Nathaniel Gorham, vereinige die Freunde von Papiergeld und Schuldnerschutz, ehemalige Shays'-Rebellen, Separatisten aus Maine und eine Anzahl von „honest doubting people." Ihnen stehe eine „phalanx of sensible men and good Speakers" gegenüber, in die sich Gouverneur Hancock und sein Vorgänger Bowdoin, drei Supreme Court-Richter, 15 Senatoren, fast 20 Geistliche, zehn bis zwölf Anwälte, drei Generäle und andere bedeutende Persönlichkeiten mehr eingereiht hätten. Mit Fortgang der Beratungen verstärkte sich das

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Gefühl der sozialen Konfrontation noch, wie aus einem Brief Henry Jacksons an Knox hervorgeht: „It is astonishing to see the weight of respectability, integrity, property and ability on the side of the proposed constitution. And on the other side the — Characters that oppose it — my god the contrast — Harry, it is too much to think of." Bald wurde den Federalists dieser Kontrast aber lästig, weil er den „Vorurteilen" der Opposition entsprach und nur allzu gut in ihr Propagandakonzept paßte. Als größtes Hindernis erweise sich das Mißtrauen gegen die „men of property or Education," vertraute Rufus King Madison etwas ratlos an. Die Kritiker seien nicht davon abzubringen, „that some injury is plotted against them — that the system is the production of the rich and ambitious, that they discover its operations and that the consequence will be the establishment of two orders in the Society, one comprehending the opulent and great, the other the poor and illiterate. The extraordinary Union in favor of the Constitution in this State of the Wealth and sensible part of it, is in confirmation of these opinions and every exertion hitherto made to eradicate it, has been in vain." 58 Der antifederalistische Abgeordnete Amos Singletary, ein Mühlenbesitzer aus Sutton, artikulierte diese Deklassierungs- und Unterdrückungsängste im Konvent wohl am eindringlichsten: „These lawyers, and men of learning, and monied men, that talk so finely and gloss over matters so smoothly, to make us poor illiterate people swallow down the pill, expect to get into Congress themselves ... then they will swallow up all us little folks, like the great Leviathan, Mr. President, yes, just as the whale swallowed up Jonah." Ein Aufatmen ging durch die Reihen der Federalists, als unmittelbar im Anschluß daran erstmals ein einfacher Farmer seine Stimme für die Ratifizierung erhob. Er verdiene den Lebensunterhalt mit dem Pflug und sei nicht gewohnt, in der Öffentlichkeit zu reden, entschuldigte sich der Delegierte Smith aus Lanesborough in Berkshire County beim Präsidenten, aber er müsse seinen „brother plough-joggers" einige Worte zu bedenken geben: „They that are honest men themselves are not apt to suspect other people ... these lawyers, these monied men, these men of learning, are all embarked in the same

58

Christopher Gore to Rufus King, Boston, 23. 12. 1787, R. King Papers, NHi; Jeremy Belknap, Notes of Debates in Mass. Convention, 9. 1. —6. 2. 1788, in: Mass. Hist. Soc. Proceed. 3 ( 1 8 5 5 - 5 8 ) , S. 2 9 5 - 3 0 4 ; Nathaniel Gorham to Knox, Boston, 16. 1. 1788, Knox Papers, MHi; Gorham to Madison, Charlestown, 27. 1. 1788, Rutland X, 435 ff.; Henry Jackson to Knox, Boston, 20. 1. 1788, Knox Papers, MHi; Rufus King to Madison, Boston, 27. 1. 1788, Rutland X, 436 f.

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cause with us, and we must all swim or sink together ... now is the time to reap the fruit of our labour." 59 Dieser Appell trug sicher mit dazu bei, daß einige Zweifler Mut faßten und sich mit Verbesserungsempfehlungen zufriedengaben. Im Ergebnis der Schlußabstimmung ist die sozio-ökonomische Diskrepanz aber noch deutlich erkennbar: Kaufleute, Anwälte, Großgrundbesitzer, Ärzte und Geistliche machten rund 40% der federalistischen, aber nur 12% der oppositionellen Abgeordneten aus. Bei den Farmern und Männern unbekannter Herkunft überwogen dagegen die Antifederalists mit 58% zu 38%. Kennzeichnend ist, daß sich die genaue Tätigkeit von 89 der 168 Verfassungsgegner gar nicht mehr feststellen läßt. Delegierte in gehobener sozialer, militärischer oder wirtschaftlicher Position votierten im Verhältnis von 3:1 für die die Ratifizierung, Delegierte minderen Ranges lehnten sie 2:1 ab. Nahezu der gesamte Besitz an Staatspapieren war, auf 58 Abgeordnete verteilt, im federalistischen Lager konzentriert. 60 Hinter der Fassade von Freundlichkeit und Entgegenkommen, die man seitens der Federalists aus politischen Gründen errichtete, bestanden starke soziale Ressentiments fort. Jacksons Wort von den „poor devils", die aus eigener Tasche nicht einmal ihre Heimreise zahlen könnten, und Caleb Gibbs Meldung an General Washington, die „feeble speakers of the Rabble" seien aus dem Felde geschlagen worden, sind Belege dafür. Unvoreingenommene Beobachter hatten dagegen allen Grund, sich über die Zähigkeit einer Opposition zu wundern, „which was made against the Combined force of the whole body of the literati in the State." 61 Nicht viel anders verliefen die sozialen Fronten in den Ratifizierungskonventen von Connecticut, New Hampshire und Rhode Island. In Hartford rekrutierten sich die Federalists gut zur Hälfte, ihre Gegner aber nur zu einem Fünftel aus der Schicht der Gebildeten und Begüterten. Von 23 Delegierten, die ein College besucht hatten, stimmten 22 für die Annahme der Verfassung. Antifederalist Hugh Ledlie versuchte die Niederlage damit zu entschuldigen, daß die Leute „von höherem Rang, wie sie sich zu nennen belieben", zusammen mit den besseren Schreibern und Rednern auf der anderen Seite zu finden gewesen seien. 62 59

60 61

62

Mass. Convention Debates, 25. 1. 1788; vgl. Belknap to Hazard, Boston, 25. 1. 1788, in: Correspondence III, 9 ff. Vgl. McDonald, We the People, S. 199 f.; Main, Antifederalists, S. 208 f. Jackson to Knox, Boston, 3. 2. 1788, Knox Papers, MHi; Gibbs to Washington, Boston, 9. 2. 1788, Washington Papers, LC; Silas Lee to George Thatcher, Biddeford, 22. 2. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 340. Main, Antifederalists, S. 200, 289 f.; Ledlie to Lamb, Hartford, 15. 1. 1788, DHRC III, 575 ff.

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Präsident John Sullivan erlebte die Debatte in Exeter als den Zusammenprall der „men of property and of good Sense" mit einer bunten Mischung aus „arrant Toreys, friends to paper money, Tender Laws, Insurrections, persons in debt distress, and poverty, either real or Imaginary; men of blind piety, Hypocrites, and Bankrupts; together with many honest men cowed by Instructions to vote against the Constitution at all Events." Die Federalists zählten „all the Men of abilities, integrity and property and influence" zu den ihren, wohingegen sie die Widersacher „dumb & obstinate" fanden. Nach seinem Informationsbesuch beim zweiten New Hampshire-Konvent in Concord hielt es Tobias Lear für „pretty well ascertained that at least 3/4 of the property, and a larger proportion of the abilities in the State are friendly to the proposed system. The opposition here (as has generally been the case) was composed of men who were involved in debt." 63 Unter den 57 federalistischen Delegierten befanden sich prozentual mehr Kaufleute, Anwälte, reiche Landbesitzer, Ärzte und Geistliche, dafür aber weniger Farmer als unter den 47, die am Ende gegen die Ratifizierung stimmten. Noch gravierender sind jedoch die Abweichungen in puncto Bildungs- und Erfahrungshorizont. 19% der Federalists, aber nur 4% der Antifederalists waren College-Absolventen; 26% der Ratifizierungsbefürworter gegenüber 6% der Kritiker gehörten dem Staatenparlament länger als eine Legislaturperiode an; sämtliche sechs Kongreß-Delegierte und 27 der 38 Offiziere entschieden sich für die neue Verfassung. Qualifiziertes Führungspersonal konnten also nur die Federalists in hinreichender Zahl aufbieten. 64 In Rhode Island spiegelte sich der Stadt-Land-Gegensatz in der Zusammensetzung der beiden Konvente von South Kingston und Newport wider. Die federalistischen Abgeordneten repräsentierten fast ausnahmslos den „Mercantile Interest", der geradezu verzweifelt um den Anschluß an die Union kämpfte. „Our Federal Delegates are many of them men of abilities and good speakers; this circumstance justifies us in the hope that ignorance and obstinacy will give way to Eloquence and fair reasoning," vernahm Henry Knox nach den ersten Konvent-Wahlen im Februar 1790 aus Providence. In South Kingston behielt aber noch einmal

63

64

John Sullivan to [Knox?], Portsmouth, 11. 2. 1788, J. S. H. Fogg Autograph Coll., MaHi; Sullivan to Nicholas Gilman, Durham, 28. 2. 1788, Gratz Coll., PHi; Tobias Lear to Washington, Portsmouth, 22. 6. 1788, Washington Papers, LC; siehe auch Madison to Washington, New York, 3. 3. 1788, Rutland X, 555 f. In dieser Hinsicht übereinstimmend Main, Antifederalists, S. 290; Oliver, Keystone, S. 106 ff.; Eiseman, Ratification by New Hampshire, S. 89 ff.

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die Opposition die Oberhand, in deren Reihen sich laut Jabez Bowen „many of Desparate Circumstances and the principle heads of the Paper money faction" befanden. Den Erfolg von Newport führte Henry Marchant dann hauptsächlich auf den glücklichen Umstand zurück, daß dort der „largest foederal Interest, and little Influence of the Country Anties" zu finden seien. Die Ratifizierung, so berichtete William Vernon an Jeremiah Wadsworth, „gave inexpressible pleasure to the Persons of property, and a fatal stab, to Paper Money robbers and Legislators." 65 Forrest McDonalds Entdeckung, daß auch eine Reihe von antifederalistischen Delegierten Handels- und Spekulationsgeschäfte betrieb, scheint demnach in der aktuellen Auseinandersetzung entweder nicht wahrgenommen, oder, was wahrscheinlicher ist, für irrelevant erachtet worden zu sein. Das einzig wichtige Kriterium war offenbar, ob jemand der Cityoder der Country-Partei angehörte, ob er also die Interessen der Kaufmanns- und Handwerkerschicht oder diejenigen der Farmbevölkerung vertrat. 66

Sociale Homogenität und Statusdenken in der Mitte und im Süden Auch in den Konventen der Mittel- und Südstaaten sind sozio-ökonomische Schattierungen und Stufungen festzustellen. Andererseits ist unverkennbar, daß die Selbsteinschätzung der Konvent-Teilnehmer hier stärker als im Norden von den tatsächlichen Gegebenheiten abwich, wodurch die schichten- und klassenmäßigen Differenzen überbetont wurden. Selbst wenn sich Bildungsläufe, Berufsbilder und Einkommensverhältnisse nahekamen oder gar glichen, nahmen die Delegierten unterschiedliche soziale Merkmale wahr und klebten den Fraktionen entsprechende Etiketten auf. Die Antifederalists betonten ihre Verbundenheit mit der soliden bäuerlichen Mittelschicht, die es gegen die Arroganz der Elite und den Übermut des Pöbels zu schützen galt. Demgegenüber machten die Federalists keinen Hehl daraus, daß sie sich als Angehörige einer „natürlichen" Führungsschicht sahen, die Wissen, hohe moralische Grundsätze, Sorge um das Gemeinwohl und Respekt vor dem Eigentum 65

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William Peck to Knox, Providence, 15. 2. 1790, Knox Papers, Μ Hi; Jabez Bowen to John Adams, Providence, 9. 3. 1790; Henry Marchant to John Adams, Newport, 29. 5. 1790, Adams Papers, MHi; William Vernon to Jeremiah Wadsworth, Newport, 5. 6. 1790, J. Wadsworth Papers, CtHi. McDonald, We the People, S. 340 ff.

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vereinte. Wer ihnen in den Weg trat, mußte deshalb geradezu zwangsläufig Zweifel an seinen intellektuellen Fähigkeiten, seiner Ehrlichkeit und wirtschaftlichen Solidität wecken. Am ehesten wurde dieses „Elite contra Mittelschicht"-Schema noch den Verhältnissen in South Carolina gerecht. Federalists waren dort in den Augen von John Vaughan „all the men of Virtue, sense and property who have had the means of information", Antifederalists dagegen „the violent, ignorant, and those who have been deprived of the means of information." Fast alle „leading Characters" arbeiteten auf die Ratifizierung hin, bestätigte DeSaussure, während es dem Widerstand an Führung mangele. Aus anderer politischer Perspektive unterschied Arthur Bryan zwischen einer verfassungsfreundlichen „Aristocracy" und der oppositionellen, aber leider recht apathischen „second class of people". Nach Aedanus Burke engagierten sich für das neue System „all the rieh, leading men, along the Seacoast, and rice settlements; with few exceptions, Lawyers, Physicians and Divines, the merchants, mechanicks, the Populace, and mob of Charleston." Hinzu kämen alle ehemaligen Tories und Tory-Sympathisanten sowie die in Charleston ansässigen Briten vom Konsul über den Druckergesellen bis zum Straßenkehrer. 67 Im Konvent verzeichneten die Federalists ein Übergewicht bei den Abgeordneten mit merkantilen und handwerklichen Interessen (18:5), bei Anwälten, Ärzten und Geistlichen (23:4) und bei den Plantagenbesitzern (87:31), während die Antifederalists die Gruppe der kleinen Pflanzer und Farmer 27:15 anführten. 68 Weniger offensichtlich, wenngleich immer noch spürbar, waren die ungleichen sozialen Voraussetzungen im pennsylvanischen Konvent. Dort machten Kaufleute, Manufakturbesitzer, Eigentümer größerer Ländereien, Anwälte, Ärzte und Geistliche über die Hälfte der federalistischen, aber nur gut ein Fünftel der oppositionellen Delegierten aus. Der Anteil der Handwerker, Gastwirte und Kleingewerbetreibenden war in etwa ausgeglichen (33%:30%), und bei den Farmern lagen die Verfassungsgegner mit 48% zu 13% vorn. 69

67

68 69

John Vaughan to Langdon, Philadelphia, 6. 6. 1788, Langdon-Elwyn Papers, NHHi; Henry W. DeSaussure to Jedidiah Morse, Charleston, 2. 4. 1788, James T. Mitchell Autograph Coll., PHi; Arthur Bryan to George Bryan, Charleston, 9. 4. 1788, Bryan Papers, PHi; Aedanus Burke to Lamb, Charleston, 23. 6. 1788, Lamb Papers, NHi. McDonald, We the People, S. 217 ff. Main, Antifederalists, S. 289.

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Die Bewertung des Poughkeepsie-Konvent wird dadurch kompliziert, daß 19 der ursprünglich als Antifederalists gewählten Delegierten gegen Ende umschwenkten bzw. sich des Ratifizierungsvotums enthielten. Legt man das anfängliche Zahlenverhältnis von 19:46 zugrunde, dann nehmen sich die Abweichungen zwischen den Parteien nicht übermäßig groß aus. 15 der 19 Federalists und 23 der 46 Antifederalists waren Anwälte, Richter, Kaufleute und Großgrundbesitzer. Zwar gab es proportional gesehen unter den Federalists wesentlich mehr wohlhabende Männer, aber auch die meisten Antifederalists bezogen erkleckliche Einkünfte aus Ämtern und agrarischen oder kommerziellen Unternehmungen. 14 von ihnen hielten Schuldscheine der Union im Werte von über 100 Dollar. Die Schlußabstimmung verleiht dem Bild schärfere Konturen, weil die Wechsler vorwiegend aus den Reihen der reichen, gebildeten und kommerziell interessierten Abgeordneten stammten. Der gesellschaftlichen Oberschicht können nun insgesamt 20 Federalists und 12 Antifederalists zugerechnet werden. Nach dem Meinungswandel von zwei CollegeAbsolventen und dreizehn Staatspapier-Inhabern lautet das Verhältnis in den beiden Kategorien 8:1 und 22:8 für die Federalists. 70 Derartige Unterschiede lassen es kaum gerechtfertigt erscheinen, daß die antifederalistischen Delegierten ihre Gegner als Aristokraten angriffen, sie sogar im privaten Schriftverkehr mit Attributen wie „the mighty" und „the better sort" versahen, und insgeheim zu ihnen aufschauten. 71 Dieses Gefühl eines inferioren sozialen Status war jedoch ebenso real wie die rekonstruierbaren sozio-ökonomischen Fakten und darf deshalb bei der historischen Bewertung nicht vernachlässigt werden. Auch die Antifederalists im Annapolis-Konvent kamen sich — ganz abgesehen von ihrer numerischen Schwäche — unterlegen vor. Obwohl sie wichtige Ämter innehatten (Luther Martin, Paca), Anwaltspraxen betrieben (Samuel und Jeremiah Townlee Chase, John Francis Mercer, William Pinckney), über Ländereien und Sklaven verfügten (die Chases, Martin, Paca, Benjamin Harrison, Nathan Cromwell) und zu den größten Unternehmern des Landes gehörten (Charles Ridgely, Samuel Chase), haftete den meisten dieser Männer immer noch der Geruch des Emporkömmlings an. Dazu paßte voll und ganz, daß nicht wenige von ihnen durch spekulativen Machenschaften in Geldnot und in Verruf geraten waren.

70 71

A. a. O., S. 241 f. Siehe ζ. B. Melancton Smith to Abraham Yates, New York, 28. 1. 1788, Papers of Α. Yates, NN; James M. Hughes to Lamb, Poughkeepsie, 18. 6. 1788, Lamb Papers, NHi.

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Im Ratifizierungskonvent trafen sie auf die geschlossene Front der Pflanzer· und Kaufmannselite. Fast alle federalistischen Delegierten waren Plantagenbesitzer und Sklavenhalter, und viele bezogen zusätzliche Einkünfte aus Anwalts- oder Geschäftstätigkeiten. Es stand also außer Frage, welche der beiden Gruppen über das höhere Sozialprestige und moralische Ansehen verfügte. 72 Selbstbewußt gaben sich die Kritiker des Verfassungsentwurfs in North Carolina und Virginia. Einige Äußerungen von North CarolinaPolitikern lassen zwar vermuten, daß auch hier soziale Gegensätze und ein Bildungsgefalle existierten. So favorisierten Timothy Bloodworth zufolge die „Attorneys, Merchants, and Aristocratic Part of the community" fast ausnahmslos die Ratifizierung. Die Federalists wiederum hielten die Mehrzahl ihrer Opponenten für viel zu ungebildet, um die „true Nature of Government" zu begreifen. 73 In den Konventen von Hillsborough und Fayetteville hoben sich die Fraktionen aber nur wenig voneinander ab. Die beiden hauptsächlichen Besitzformen, Land und Sklaven, waren relativ gleichmäßig verteilt. In den Kategorien über 20 und über 50 Sklaven findet man proportional mehr Federalists als Antifederalists, doch die Farm- und Plantagengrößen weisen praktisch keine Differenzen auf. 74 Führende Antifederalists wie Jones und Person konnten sich in jeder Beziehung mit ihren wohlhabendsten Konkurrenten aus den Küstenorten messen. Kommerzielle Unternehmungen, denen die Verfassungsbefürworter stärker nachgingen, trugen in diesem fast rein agrarischen Staat erst allmählich dazu bei, das Ansehen eines Politikers zu heben und seinen Einfluß zu fördern. Wohl glaubten die Federalists auch in North Carolina, die Oppositionsvertreter von oben herab behandeln zu müssen. Die dachten jedoch nicht daran, zu ihnen aufzuschauen, sondern entschieden nach eigenem Gutdünken. Eine relative soziale Ausgewogenheit kennzeichnet auch die Verhältnisse im Richmond-Konvent. Das Gentry-Element — Eigentümer großer Plantagen, Landspekulanten, Akademiker und Offiziere — dominierte in den oberen und mittleren Rängen, und selbst die „unbekannten" Abgeordneten gehörten zur gesellschaftlichen Spitze ihrer Counties. Den Ton

72

73

74

Vgl. Crowl, Anti-Federalism in Maryland, S. 446 ff.; McDonald, We the People, S. 155 ff. Bloodworth to Lamb, 23. 6. 1788, Lamb Papers, NHi; Jesse Benton to Thomas Hart, Hartford, N. C„ 29. 6. 1788, Thomas J. Clay Papers, LC. Vgl. Main, Antifederalists, S. 244 f.; Pool, Economic Interpretation in North Carolina, S. 119 ff.

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gaben geschulte Juristen an, von denen die Federalists 17, die Antifederalists 12 ins Feld führten. Hinsichtlich des Reichtums der Delegierten, der sich vor allem nach der Größe des Landes und der Zahl der Sklaven bemaß, vermochten Robert E. Themas und Forrest McDonald keine Unterschiede zwischen den Fraktionen festzustellen. Mit Hilfe seiner „multivariant analysis", die außer den Konvent-Teilnehmern noch die Parlamentarier des Jahres 1788 erfaßt, entdeckte Norman Risjord dagegen einen Zusammenhang von steigendem Wohlstand und Federalismus, dessen Bedeutung jedoch hinter andere Faktoren wie Beruf und Militärdienst zurücktritt. Kommerziell engagierte Politiker, College-Absolventen und Offiziere der Kontinentalarmee neigten überdurchschnittlich einer federalistischen Einstellung zu. Aber auch hier sind die Differenzen eher gradueller als wirklich gravierender Art. Nicht von der Zugehörigkeit zu einer Schicht oder Klasse, sondern von regionalspezifischen und mentalitätsformenden Einflüssen hing es offenbar ab, wer für und wer gegen die neue Verfassung Partei ergriff. 75 Dieser Befund stimmt mit dem Urteil der Zeitgenossen überein, denen am Konvent eher das Gemeinsame als das Trennende auffiel. Federalists wie Madison und Carrington glaubten zwar, daß ihre Seite über mehr Talent, Erfahrung und Prestige verfügte, doch Unentschiedene und Außenstehende gewannen einen anderen Eindruck. Die zwei Fraktionen seien etwa gleich stark und nötigten „equal respect and deference" ab, schrieb Gouverneur Randolph nach Baltimore. Der prominente pennsylvanische Gast Robert Morris fand, die Debatten würden „supported with ability and pursuit with Ardour on both sides." Dementsprechend behandelte man sich mit ausgesuchter Höflichkeit, wahrte „the utmost moderation and temper", und ließ den Konvent „in friendship and Amity" ausklingen. 76 Zwei Erkenntnisse verdienen besonders festgehalten zu werden. Die soziale Zusammensetzung der Konvente folgte keinem einheitlichen Muster, sondern wies Abstufungen auf, die vom Gegeneinander der Schichten und Klassen in Massachusetts bis zu kaum erkennbaren Differenzen in Virginia reichten. Nur in Neuengland kam der Streit um den Verfassungsentwurf einer Konfrontation zwischen Arm und Reich, Gebildeten 75

76

Vgl. Thomas, Virginia Convention, S. 63 ff.; McDonald, We the People, S. 269ff.; Risjord, Chesapeake Politics, S. 306 ff. Vgl. Thomas Willing to William Bingham, [Juni 1788], Personal Papers Misc., LC; Brief Randolphs vom 10. 6., zitiert in Samuel Smith to Tench Coxe, Baltimore, 22. 6. 1788, Coxe Papers, PHi; Robert Morris to Horatio Gates, Richmond, 12. 6. 1788, Emmet Coll., NN; Archibald Stuart to John Breckinridge, Charlottesville, 30. 6. 1788, Breckinridge Family Papers, LC; Richmond Va. Gazette, 12. 6. 1788.

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und Ungebildeten, Mächtigen und Machtlosen nahe. Andererseits wirkten überall Kräfte, die Bewußtsein und Realität auseinandertrieben und die Gräben vertieften. Die Federalists reklamierten alle guten Eigenschaften für sich und hatten es gern, a4s Vertreter der Elite angesehen zu werden, solange der Kontakt zum „Volk" nicht darunter litt. Den Antifederalists wiederum gelang es auch dann nicht völlig, ihre Unsicherheit abzustreifen und ihre Ressentiments zu überwinden, wenn sie den Verfassungsanhängern in sozialer Hinsicht ebenbürtig waren. Häufig strichen sie die Unterschiede auch absichtlich hervor, weil sie dem Propagandakampf zu nützen schienen, den sie gegen eine zum Popanz aufgebaute „Aristokratie" führten. Damit soll nicht behauptet werden, die gesellschaftlichen Widersprüche hätten nur im Bewußtsein oder gar nur in der Einbildung der Beteiligten existiert. Es gab durchaus reale Gegensätze, die sich auch mehr oder weniger deutlich in den Konventen abbildeten. Aufs Ganze gesehen war der soziale Faktor aber nur einer unter mehreren und keineswegs der allein ausschlaggebende.

Die Wirkungen der Rhetorik Zu den Umständen, die den Ausgang der Debatte beeinflußten, ohne sie wirklich zu entscheiden, muß man auch die oratorischen Fähigkeiten der Volksvertreter rechnen. Trotz des Vordringens der Flugschriftenliteratur stand das gesprochene Wort auch weiterhin hoch im Kurs. Die verbale Kommunikation in Form von Reden, Predigten, Diskussionen und Streitgesprächen war ein elementarer Bestandteil der anglo-amerikanischen Kultur, und die Lust am Disput hatte im 18. Jahrhundert zunehmend von der theologischen auf die politische Sphäre übergegriffen. Während der Revolution wurde das öffentliche Reden geradezu zur Modeerscheinung und zum Massenphänomen. An Gelegenheiten, rednerisches Talent unter Beweis zu stellen, mangelte es auch nach dem Ende der revolutionären Mobilisierung nicht. Höhepunkte des College-Lebens waren die Commencement-Feiern, bei denen sich die Sprecher und Diskutanten in der Regel der lateinischen und griechischen Sprache bedienten. Praktischen Anschauungsunterricht lieferten die Kanzelreden und Festtagspredigten der Geistlichen, die patriotischen Vorträge aus Anlaß der Unabhängigkeits- und Friedensfeiern, die Darlegungen der Richter und die Plädoyers der Anwälte auf den Gerichtstagen und — nach der Öffnung

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der Parlamente — die Debattenbeiträge der Abgeordneten. 77 Verschiedenerorts taten sich Studenten und Bürger zu Gesprächskreisen und Diskussionszirkeln zusammen, wie sie ähnlich — allerdings mit exklusiverem Charakter — aus der Vorgeschichte der Französischen Revolution bekannt sind. 78 In Amerika war der politische Diskurs kein Privileg der Gebildeten. Bei Town Meetings, auf County Conventions, unter den Wahlkampftribünen und in den „publick Houses" ergriff auch der einfache Mann das Wort, um selbstbewußt seine Meinung kundzutun. 79 Ebensowenig wurden politische Themen von den baptistischen Erwekkungspredigern ausgespart, die sogar Sklaven zu ihren Versammlungen zuließen. Wie den sich häufenden Warnungen vor Aufrührern und Demagogen zu entnehmen ist, war allerdings nicht jedermann mit dieser Entwicklung einverstanden. Nach Ansicht vieler bot die systematische Redeerziehung die beste Voraussetzung für eine juristische und politische Karriere. Zur Zeit des Poughkeepsie-Konvent ermahnte ein fürsorglicher Vater seinen Sohn: „Be attentive ... to telling a Story in a graceful and Short and intelligible manner. Study Oratory and Eloquence which often is very useful in a republican Government especially." Der South Carolina-Delegierte Pierce Butler freute sich über die Latein-Fortschritte, die sein Sohn auf einer englischen Schule machte. Dem Lehrer legte er ans Herz, er solle speziell achten auf „his reading and repeating aloud, to enable him to suit his Voice to the Subject and the Audience — Among my many anxieties for him is that of His distinguishing himself as a publick Speaker ... If in the Senate of this little Republic he may take a lead, or, still more flattering, in the Senate of the United States, it will be some little reward 77

78 79

Vgl. David Potter, Debating in the Colonial Chartered Colleges. An Historical Survey, New York 1944; Russell R. Windes and Arthur Hastings, Argumentation and Advocacy, New York 1965; Waldo W. Braden and Earnest Brandenburg, Oral Decision-Making. Principles of Discussion and Debate, New York 1955; Austin J. Freeley, Argumentation and Debate. Rational Decision-Making, 2nd ed., Belmont, Cal., 1966. S. o. Kap. VI. Zur Zeit des Massachusetts-Konvents waren die Bostoner Gasthäuser Zentren der politischen Diskussion. Nach seiner Ankunft in der Stadt begab sich Dwight Foster „in a publick House, a publick Room, in the Midst of a large Circle of People zealous upon Politics", um seiner Frau Rebecca einen Brief zu schreiben. 16. 1. 1788, D. Foster Letters, MWA. In New York City wurden die Reden der Delegierten des Poughkeepsie-Konvents im Coffee House und in den Tavernen lebhaft diskutiert. Abraham Yates to Abraham G. Lansing, New York, 29. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN.

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to You." 80 Ganz offensichtlich machten die Verfassungsdebatte und die Aussicht auf ein großes Forum nationaler Politik manche Söhne gelehriger und stachelten ihren Ehrgeiz an. Edward Rutledge Jr. nahm LateinStunden und widmete sich verstärkt seinem Rechtsstudium, „as it is the only one, in this country, that leads to riches and honour." 81 Unmittelbar von den Debatten des New Yorker Ratifizierungskonvents inspiriert und an bisherige Versäumnisse erinnert wurde Robert C. Johnson, Sohn des bekannten Connecticut-Politikers und Unterzeichners der Verfassung, William Samuel Johnson. Sein emphatischer Bericht aus Poughkeepsie sollte dem Vater zeigen, daß er sich Besserung gelobt hatte und fortan „mit System" lernen wollte: „I scarcely ever experienced more perfect pleasure, than from attending to some of the Speakers in Convention; a pleasure that was only clouded by the reflexion, how little progress in the art of Speaking, have I yet made ... I esteem the Speaker as such an enviable character, so far exalted above evry other, that no study can be too intense, no labor, no self denial too great, if the object can but be obtained — My practice, I am conscious has been widely different from these sentiments, I have attended to the study of elocution only by fits, & starts. I have formed innumerable good resolutions, but have ever been a stranger to perseverance ... To be a good Speaker, is the great object of my wishes, Evry thing else is but secondary in my mind — & I wish to have evry Study subservient to that point — there is no labor no fatigue that I am not, at present, willing to undergo." 82 Wie genau man die Sprecher beobachtete, und welch hohe Maßstäbe angelegt wurden, zeigen William Pierces „Character Sketches of Delegates to the Federal Convention", in denen die Beredsamkeit breiten 80

81 82

Peter Sylvester to Francis Sylvester, Kinderhook, 2 5 . - 2 8 . 7. 1788, Sylvester Family Papers, NHi; Pierce Butler to Rev. Weeden Butler, Maryville, 2. 3. 1788, P. Butler Letters, Dept. of Manuscripts, British Museum. To John Rutledge, Jr., Charleston, 8. 4. 1788, J. Rutledge Papers, Univ. of N. C. 28. 6. 1788, R. C. Johnson Coll., Conn. State Library. Peter Van Schaack forderte seinen in Poughkeepsie weilenden Sohn Henry auf: „You should occasionally recur to the Specimens you have in your Reading met with of antient Oratory, ,the Thunder of Demosthenes & the Splendid Conflagration of Tully' — Human Nature is the same in all Ages — Habits & Manners vary — Which of our present Orators wod. have resembled those of Antiquity had they lived in those Days, or which of the antient Orators according to the Doctrine of the Transmigration of Souls are at present in the Convention at Poughkeepsie?" Kinderhook, 29. 6. 1788, Van Schaack, Life of Peter Van Schaack, S. 427 f. Über den Einfluß der klassischen Redekunst auf die französischen Revolutionäre siehe Parker, Cult of Antiquity, S. 33.

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Raum einnimmt. Dort heißt es etwa zu Hamilton, er verbinde „a clear and strong judgement" mit den „ornaments of fancy, and whilst he is able, convincing, and engaging in his eloquence the Heart and Head sympathize in approving him. Yet there is something too feeble in his voice to be equal to the strains of oratory; — it is my opinion that he is rather a convincing Speaker, than a blazing Orator ... His language is not always equal, sometimes didactic like Bolingbroke's at others light and trippling like Stern's. His eloquence is not so defusive as to trifle with the senses, but he rambles just enough to strike and keep up the attention." 83 Verlangt wurden also nicht nur eine kraftvolle und stichhaltige Argumentation, sondern auch Klarheit der Stimme, Sicherheit und Eleganz des Sprachstils, Gewandtheit, Witz und eine wirksame, aber unauffällige Gestik. Wer Männern wie Hamilton, Madison, King und Wilson, die schon an den Verfassungsberatungen in Philadelphia teilgenommen hatten, in den Ratifizierungskonventen beim Diskutieren beistehen oder Paroli bieten wollte, mußte über solide juristische, historische und literarische Grundkenntnisse verfügen. Für William Tilghman bedeutete die Wahl in den Konvent Verpflichtung, sich sorgfältig auf eine Thematik vorzubereiten, „to which I have not hitherto devoted much study." Er bat deshalb Tench Coxe, ihm die Prinzipien zu nennen, „which have struck you as being most forcible, either in support of the Government, or by way of answering the objections urged against it." 8 4 Es empfahl sich, in Büchern nachzuschlagen, Pamphlete und Essays zu lesen, die bereits gedruckten Debatten zu studieren und die eigenen Reden rechtzeitig schriftlich zu konzipieren. Männer mit College-Ausbildung, vor allem Anwälte und Richter, waren für die Auseinandersetzung natürlich besser gewappnet als Kaufleute, Unternehmer, Handwerker oder gar Farmer. Einerseits hatten sie Erfahrung im öffentlichen Reden, andererseits gehörten Fragen des Verfassungsrechts und des politischen Systems zu ihrem Studium und ihrer täglichen Praxis. Locke, Blackstone und Montesquieu kannten sie am besten, aber wie die Debatten beweisen, waren sie auch in der Lage, aus den Werken von Machiavelli, Sidney, Coke, Harrington, Hobbes, Pufen-

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Farrand III, 87 ff. Die besten Noten erteilte Pierce Rufus King und Gouverneur Morris. In Madison vereinigten sich seiner Meinung nach der profunde Politiker und der Gelehrte, „and tho' he cannot be called an Orator, he is a most agreable, eloquent, and convincing speaker." 1 1 . 4 . 1788. Coxe Papers, PHi.

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dorf, Grotius, De Lolme, Vattel, Burlamaqui, Beccaria, Hume und Adam Smith zu zitieren. Ebenso vertraut zeigten sie sich mit den klassischen Autoren, die in den Colleges gelesen wurde, mit den politischen Schriftstellern des 17. und 18. Jahrhunderts, und mit neueren Geschichtsschreibern wie Edward Gibbon. Sicher war das Wissen nicht immer gründlich, und zweifellos dienten die historischen Beispiele manchmal mehr der oratorischen Verzierung als der Beweisführung. Dennoch hielten sich die Debatten in den meisten Konventen auf einem Niveau, das es nur dem kleineren Teil der Teilnehmer erlaubte, aktiv in das Geschehen einzugreifen. Wer konnte schon gleichermaßen kompetent über die Delphische Amphiktyonie, die Römischen Decemvirn, die Entstehungsgeschichte von Magna Charta, das polnische Wahlkönigtum und die Stellung des niederländischen Statthalters Auskunft geben? Stets trugen deshalb einige wenige Erwählte die Hauptlast der Kritik und Verteidigung des Verfassungsentwurfs. Das Protokoll des pennsylvanischen Ratifizierungskonvents verzeichnet nur 12 von 69 Delegierten — neun Federalists und drei Antifederalists — auf der Rednerliste, der New Hampshire Spy zählte 14 „principal speakers" im über lOOköpfigen Exeter-Konvent, und in Richmond nahmen 20 der insgesamt 170 Anwesenden das Wort. 85 Während sich die Opposition in Pennsylvania, Virginia und New York recht gut hielt, schlug ihre soziale und bildungsmäßige Unterlegenheit andernorts gerade bei den Debatten sehr deutlich zu Buche. Wiederholt war sie gezwungen, der federalistischen Prominenz unerfahrene und ungeübte Redner entgegenzustellen. In Massachusetts, Connecticut und South Carolina beschränkten sich oppositionelle Abgeordnete häufig darauf, Zweifel anzumelden und Fragen zu stellen, womit sie den Federalists lediglich Stichwörter für lange Erwiderungen und Erläuterungen lieferten. Wenn sie ausführliche Kritik wagten, pflegten sie das Auditorium eingangs um Nachsicht zu bitten, da sie Parlamentsneulinge oder „einfache Männer" seien. Das erste traf auf den begabten Rechtsanwalt William Symmes aus Massachusetts zu, der sich mit folgender Demutsgeste einführte: „Mr. President, in such an assembly as this, and on a subject, that puzzles the oldest politicians, a young man, sir, will scarcely dare to think for himself; but if he venture to speak, the effort must certainly be greater. — This Convention is the first representative body in which I have been honoured with a seat, and men will not wonder that a scene at once so new, and so august, should confuse, 85

Ν. H. Spy, 22. 2. 1788; Roy B. Cook, Western Virginia's Contribution to the Adoption of the Federal Constitution, in: WVH 13 (1951-52), S. 106.

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oppress, and almost disqualify me to proceed." Nathaniel Barrell folgte seinem Beispiel: „Awed in the presence of this august assembly — conscious of my inability to express my mind fully on this important occasion — and sensible how little I must appear in the eyes of those giants in rhetorik, who have exhibited such a pompous display of declamation: — Without any of those talents calculated to draw attention — without the pleasing eloquence of Cicero, or the blaze of Demosthenian oratory, I rise, Sir, to discharge my duty to my constituents, who I know expect something more from me than a silent vote." 86 In Charleston entschuldigte sich der Abgeordnete Tweed, ein Mann von seiner „circumscribed scale of talents" könne es nicht mit Rednern aufnehmen, „whose profound oratory and elocution would, on the journals of a British house of commons, stand as lasting monuments of their great abilities." 87 Die Federalists beurteilten die rhetorischen Anstrengungen ungebildeter back ««»/^'-Delegierter in der Regel geringschätzig. Entdeckte aber einer dieser Männer sein Herz für die Verfassung, dann imponierte ihnen plötzlich sogar die schlichte Redeweise des Volkes. Freudig begrüßten sie die versöhnlichen Worte, die der Massachusetts-Abgeordnete Smith an seine „brother plough-joggers" gerichtet hatte: „It gives us great pleasure to hear some of the honest, sensible, independent yeomanry speak in favour of the Constitution. Their feelings, their natural language, their similies, are highly entertaining ... Is not this true natural eloquence and forcible reasoning?" 88 Zahlreiche Zeugnisse in Briefen und Tagebüchern belegen die außerordentliche Empfänglichkeit der Mitlebenden für die ästhetischen und emotionalen Reize der Redekunst. Vorsicht ist dagegen bei der Frage geboten, welchen tatsächlichen Anteil die rednerischen Leistungen an der Ratifizierungsentscheidung hatten. Es waren sicher nicht nur gedankenlose Redewendungen und stereotype Floskeln, wenn die Hauptakteure immer wieder in eine Reihe mit den gefeierten Rednern der Antike, vornehmlich Cicero und Demosthenes, gestellt wurden. Daraus sprachen ehrliche Bewunderung und der von manchem Europäer als kurios emp-

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Mass. Convention Debates, 22. 1., 5. 2. 1788. Federalist Winthrop Sargent urteilte über Samuel Nasson: „A little fellow who was a Quarter Master in our Army by Name of Nason is a great Speaker on their Side of the Question, but I think a good deal ignorant and much illiterate." To Knox, 3. 2. 1788, Knox Papers, MHi. S. C. Convention Debates, 20. 5. 1788. Belknap to Hazard, Boston, 25. 1. 1788, in: Correspondence III, 9ff.

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fundene Ehrgeiz, in die Fußstapfen der Erbauer von Weltreichen zu treten. 89 Laut Pennsylvania Packet fesselte James Wilson den Ratiflzierungskonvent mit einer Rede, „which the celebrated Roman orator would not have blushed to own." Über Ellsworths und William Samuel Johnsons Debattenbeiträge in Hartford hieß es im Connecticut Courant, sie seien „equal to any of the Roman senators and will deserve as famous a place in modern history as theirs did among the ancients." Der gedanklichen Schärfe und sprachlichen Eleganz Ciceros schien Hamilton am nächsten zu kommen, die Intensität und das hinreißende Pathos des Demosthenes sahen viele in Patrick Henry verkörpert. 90 Einzelne Redner wie Richter Dana konnten das begeisterte Publikum zu Tränen rühren und die Stenographen vom Mitschreiben ablenken. 91 Oft gerieten die Zuhörer noch nachträglich ins Schwelgen, wenn sie ihre Erlebnisse und Empfindungen zu schildern versuchten: „Rufus King shines among the Federalists with a superior lustre. His speeches are clear, cool, nervous, pointed, and conclusive. Parsons distinguishes accurately and reasons forcibly," hielt Belknap Ebenezer Hazard auf dem laufenden. Der Rhode Islander George Benson ließ sich in Boston keinen Auftritt seiner federalistischen Idole entgehen: „The soft and persuasive addresses, of a Strong, — the Cogent and nervous reasoning of a Parsons — the perspicuous and emphatical Arguments of a Sedgwick and the irresistable Eloquence of a King — a Torrent of good Sense, embellished with all the Charms of the most engaging and winning Manners — ... to hang upon their Lips is a Luxury which absorbs all my attention." Der Konvent sei ein einziges „feast of reason", dem beizuwohnen unaussprechliches Vergnügen bereite. 92 James Breckinridge verfolgte die Debatten in Richmond und fand, sie überträfen seine ohnehin schon hochgesteckten Erwartungen: „They have been elaborate, elegant, elo89 50

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S. u. Kap. XVIII. DHRC II, 334; III, 586; Bogart to Webb, Poughkeepsie, 14. 7. 1788, Ford, Correspondence III, 104f.; Ν. Y. Packet, 24. 6. 1788; Spencer Roane to Philip Aylett, 26. 6. 1788, in: Letters of S. Roane, 1788-1822, Ν. Y. Public Library Bulletin 10 (1906), S. 167. „Judge Dana spoke with a pathos which drew tears into the eyes of admiring auditors." Nathaniel Freeman to J. Q. Adams, Medford, 27. 1. 1788, Adams Papers, MHi. Der Mass. Centinel entschuldigte sich bei seinen Lesern für den „feeble sketch" der Debatte vom 18. Januar, denn „captivated by the fire — the pathos — and the superior eloquence of [Dana's] speech — we forgot we came to take minutes — and thought to hear alone was our duty." Belknap to Hazard, 25. 1. 1788, s. o. Anm. 88; George Benson to N. Brown, Boston, 29. 1. u. 30. 1. 1788, Brown Papers, John C. Brown Library, Brown Univ.

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quent, & consequently entertaining and constructive." Die Eröffnungsrede des Poughkeepsie-Konvents, in der sich Chancellor Robert R. Livingston über die „Phantom Aristocracy" lustig machte, glich einem „stream of delicate satire and truly Attic eloquence." Samuel B. Webb ließ sich trotz einer Beinverletzung, die ihn am Gehen hinderte, nichts von den Vorträgen Hamiltons, Livingstons und Jays entgehen. Die Diskussionen seien „truly interesting, and important," schrieb er Catherine Hogeboom, „and if an elegant display of oratory founded on truth and reason can have its due weight over Art and ill founded prejudice, this Convention will yet adopt the proposed Constitution." 93 Abgesehen von einiger Kritik am Niveau der New Hampshire- und North Carolina-Konvente und am beharrlichen Schweigen der Ratifizierungsbefürworter in Annapolis, wurden die Debatten fast durchweg als eindrucksvoll, elegant und lehrreich beschrieben. Ebenso allgemein war die Einschätzung, daß die Federalists bis auf wenige Ausnahmen über die besseren Redner verfügten. Unklar blieb hingegen, ob und inwieweit sie diesen Vorteil in Delegiertenstimmen ummünzen konnten. Die Hauptsprecher der pennsylvanischen Federalists, Wilson, McKean und Rush, gaben sich einige Blößen, die ihre Leistungen schmälerten und das ansonsten gute Erscheinungsbild der Mehrheitsfraktion trübten. Rushs religiöser Enthusiasmus wirkte kaum minder befremdlich wie McKeans Feststellung, ein „well administered despotism" sei die beste Regierungsform. 94 In der Auseinandersetzung über die Notwendigkeit einer Grundrechteerklärung bestritt Wilson, daß Virginia eine Bill of Rights habe und daß es in Schweden Geschworenengerichte gebe. Daraufhin zitierte Findley genüßlich Blackstones Kommentar zur schwedischen Praxis des „trial by jury" und fügte hinzu, falls sein Sohn nach sechsmonatigem Jurastudium einen solchen Mangel an Wissen offenbaren würde, wäre ihm eine Tracht Prügel sicher. Die Shippens dürften nicht die einzigen gewesen sein, die mit unverholener Schadenfreude auf diesen Rüffel für den „eminent lawyer" reagierten. Solche Zwischenfälle nahmen den glänzenden Reden Wilsons und McKeans viel von ihrer Wirkung und boten Findley, Smilie und Robert Whitehill Gelegenheit, sich als kenntnisreiche und schlagfertige Gegner zu profilieren. Nach Meinung von William Shippen machte die Minderheit das beste aus der Situation:

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James Breckinridge to John Breckinridge, Richmond, 13. 6. 1788, Breckinridge Family Papers, LC; Webb to Hogeboom, Poughkeepsie, 24./25. 6. 1788, Webb Family Papers, CtY; Miner, Ratification of New York, S. 104, 115. DHRC II, 418, 422.

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„Never was there a finer field for the display of eloquence and abilities, than the opposition to this system affords." Findley habe sich große Achtung erworben und Wilson wie dem gesamten Konvent überlegen gezeigt. 9 5 Das Ergebnis all dieser oratorischen Anstrengungen und Fehlleistungen war aber lediglich eine Festigung der beiden Lager und die Verhärtung der Fronten. Als die Stimmen ausgezählt wurden, stand fest, daß keinerlei Verschiebung gegenüber der Wahl eingetreten war, und die Federalists ihren anfanglichen Vorsprung ungeschmälert hatten wahren können. In Boston beherrschten verfassungsfreundliche Redner wie King, Strong, Gorham, Dana, Parsons, Sedgwick und Ames von Beginn an eindeutig die Szene. Gefahr drohte ihnen allein von Elbridge Gerry, der als Experte geladen war, dem Konvent aber nach kurzer Zeit wegen der heftigen persönlichen Angriffe Danas gekränkt den Rücken kehrte. Die Sprecher der Opposition mußten sich bei der Vorbereitung ihrer Reden anscheinend der Hilfe Außenstehender bedienen. Antifederalistische Essayisten gestanden den Qualitätsunterschied indirekt ein, wenn sie ihm eine Wendung ins Positive zu geben suchten. So hielt „Helvidius Priscus" der „aristocratick faction" vor, sie lasse nichts unversucht, „to depreciate the abilities of that part of the convention ... who are opposed to the arbitrary system ... On the other hand, there seems to be modesty of benevolence and the boldness of truth, in the short, unadmired speeches which, in the garb of simplicity, utter the native dictates of good sense, uncorrupted by the splendour of wealth." John Quincy Adams entnahm dagegen den Zeitungen, daß die wichtigsten Kritikpunkte wie Repräsentation, Ämterrotation, Gewaltentrennung und „the indefinite powers granted to the administration" von den Oppositionsrednern kaum berührt, geschweige denn tiefschürfend erörtert worden seien. 96 Die anfangliche Hoffnung der Federalists, sie könnten mit der Kraft ihrer Beredsamkeit viele der „moderate and silent members" für die Ratifizierung gewinnen, wich aber sehr bald einer nüchternen Einschätzung. Es stellte sich heraus, daß rhetorische Glanzleistungen eher geeignet waren, den Glauben derjenigen zu stärken, die ohnehin schon dem Federalismus zuneigten, als Konvertiten zu machen: „The honest, wise and judicious are steadfast in accepting; the Friends to anarchy and Confusion in nonacceptance," umriß Joseph Crocker nach über zwei95 96

Vgl. DHRC II, 384 ff., 391, 423 f., 528 ff., 532ff., 549 f., 571, Anm. 1, 592 fF. Storing IV, 159; J. Q. Adams to William Cranch, 16. 2. 1788, Adams Papers,

MHi.

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wöchiger Debatte die Lage im Konvent.97 Einige Anzeichen deuten darauf hin, daß die Reden ihr Ziel nicht völlig verfehlten, sondern diesen oder jenen Delegierten zum Umdenken bewogen. Die eigentliche Wende trat jedoch erst ein, als Gouverneur Hancock im Einvernehmen mit den Federalists Amendments präsentierte, die der Ratifizierungsurkunde als Empfehlungen beigegeben werden sollten. Wer durch den Diskussionsverlauf bereits schwankend geworden war, erhielt nun die Möglichkeit, seine Haltung auch öffentlich ohne Gewissensbisse und Gesichtsverlust zu korrigieren. Nicht nur in Massachusetts, sondern auch in Connecticut und New Hampshire schnitten die antifederalistischen Protagonisten im Vergleich zu ihren Gegenspielern schlecht ab. James Wadsworth und Joshua Atherton gaben sich zwar redlich Mühe, waren der doppelten Aufgabe von Fraktionsführern und Verfassungsexperten aber offensichtlich nicht gewachsen. Die New Haven Gazette zitierte einen Augen- und Ohrenzeugen aus Hartford mit den Worten, Wadsworths Argumente hätten „exceedingly injured the cause of the opposition — they have been weak and, in some instances, urged with great spleen."98 Ebenso negativ fielen die Urteile über Atherton aus, der an jedem einzelnen Paragraphen des Verfassungsentwurfs herummäkelte, ohne ein Gesamtkonzept erkennen zu lassen. Seinem Unvermögen verdankten es die Federalists möglicherweise in höherem Maße als der eigenen Überzeugungskraft, daß etlichen oppositionellen Abgeordneten Zweifel an ihren Instruktionen kamen, und die Verfassung in Exeter nicht rundweg abgelehnt wurde. 99 In Charleston scheint die Eloquenz der Rutledges und Pinckneys zum Abbröckeln des noch verbliebenen Widerstands beigetragen zu haben. Auf taube Ohren stießen die federalistischen Redner dagegen in den ersten Konventen von North Carolina und Rhode Island, wo sie mit einer erdrückenden und festgefügten Mehrheit konfrontiert waren. Hier konnten sie es sich höchstens als Verdienst anrechnen, daß eine endgültige, unwiderrufliche Festlegung unterblieb. Oratorische Glanzlichter setzten die Konvente von Richmond und Poughkeepsie, deren Ablauf zugleich am deutlichsten die Frage nach der Wirkung des gesprochenen Wortes aufwirft. Der virginische Ratifizie97

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Vgl. Belknap, Notes of Debates, 12. 1. 1788, s. ο. Anm. 58; Joseph Crocker to George Thatcher, Boston, 26. 1. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 268 f. DHRC III, 547. Vgl. J. Q. Adams Diary, 21./22. 2. 1788; Libby to Belknap, Portsmouth, 22. 2. 1788, in: Belknap Papers III, 389 f.

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rungskonvent entwickelte sich — zumindest seinem äußeren Anschein nach — zu einem Rededuell zwischen James Madison und Patrick Henry. Dabei stießen nicht nur zwei gegensätzliche Persönlichkeiten und Temperamente, sondern auch zwei sehr verschiedene Vorstellungen von Sprachstil und Redekunst zusammen. Madison bediente sich, ähnlich wie im Verfassungskonvent, einer äußerst sachlichen und nüchternen, streng gegliederten, wissenschaftlich anmutenden Vortragsweise. Allen grellen rhetorischen Effekten abgeneigt, baute er ganz und gar auf die Klarheit, Logik und Rationalität des Gedankens. Wenn Beredsamkeit als „the art of persuasion" das Überzeugen mit sachlichen Argumenten einbegreife, urteilte im Nachhinein John Marshall, dann sei Madison der eloquenteste Mensch gewesen, den er jemals kennengelernt habe. Dabei dachte der Oberste Bundesrichter gewiß zuallererst an den Ratifizierungskonvent von Richmond, bei dem er seinem großen Vorbild so gut es ging Hilfsdienste geleistet hatte. 100 Madison war durch die historischen Vorstudien zum Verfassungskonvent, die Mitschrift der Philadelphia-Debatten und die Ko-Autorschaft des Federalist natürlich bestens präpariert. Teils in der Manier eines Juristen, teils wie ein College-Lehrer vor seinen Schülern, suchte er die Geschichte nach Präzedenzfällen und instruktiven Beispielen ab, breitete leidenschaftslos und akribisch die Vorteile der neuen Verfassungsordnung aus und begutachtete, sezierte und widerlegte die Einwände der Opposition. Dabei sprach er, gesundheitlich angegriffen und unter enormem psychischen Druck, zeitweise mit so leiser Stimme, daß seine Worte in den hinteren Delegiertenreihen und auf den Zuschauerrängen kaum zu vernehmen waren. Ganz anders dagegen Patrick Henry, der als der größte Redner seiner Zeit galt, und den Edmund Randolph, nach Jahren zurückblickend, noch lebhaft vor sich sah: „In Henry's exordium there was a simplicity and even carelessness ... A formal division of his intended discourse he never made ... He transfused into the breast of others the earnestness depicted in his own features, which ever forbade a doubt of sincerity ... His was the only monotony which I ever heard reconcilable with true eloquence ... [the] chief note was melodious, but the sameness was diversified by a mixture of sensations which a dramatic versatility of countenance produced. His pauses, which for their length might sometimes be feared to dispell the attention, riveted it the more by raising the expectation ... His style ... was vehement, without transporting him beyond the power 100

Zit. nach Rutland XI, 75.

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of self-command ... His figures of speech ... were often borrowed from the Scriptures. The prototypes of others were the sublime scenes and objects of nature ... His lightning consisted in quick successive flashes, which rested only to alarm the more." 101 Aus dieser Vereinigung von Monotonie und Spannung, die Jefferson an die epische Sprache Homers erinnerte, 102 entstand eine Art liturgischer Sprechgesang, der hauptsächlich das Gefühl erregte. Es handelte sich um die Anverwandlung des populären Predigtstils der virginischen Erweckungsbewegung für politische Zwecke. Seinen Gegnern erschien Henry als gefährlicher Demagoge, der voller Berechnung mit den Gesten und Manieren des kleinen Mannes spielte. Wohlgesonnenere zeitgenössische Kritiker bemängelten, „that the mere intensity with which he regarded the ends of public liberty was likely to mislead his judgment as to the means by which it was to be secured and upheld." 103 Eine Versammlung von 170 Delegierten und mehreren hundert Zuhörern bot Henrys überragenden Fähigkeiten den idealen Resonanzboden. Seine Reden waren ein einziger leidenschaftlicher Appell, die in der Revolution errungenen Freiheiten nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Es ging ihm weniger um verfassungsrechtliche Details, als um die verfehlte Grundkonzeption eines Regierungssystems, das die Staaten, allen voran die des Südens, wie auch das Individuum erdrücken würde: „I conceive the republic to be in extreme danger. If our situation be thus uneasy, whence has arisen this fearful jeopardy? It arises from this fatal system — it arises from the proposal to change our government: — A proposal that goes to the utter annihilation of the most solemn engagements of the States. A proposal of establishing 9 States into a confederacy, to the eventual exclusion of 4 States ... If a wrong step be now made, the Republic may be lost forever. If this new Government will not come up to the expectation of the people, and if they should be disappointed — their liberty will be lost, and tyranny must and will arise." Dann lenkte er den Blick auf die Präambel des Entwurfs und ging mit den 101

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Zit. nach Isaac, Preachers and Patriots, S. 152 f. Zu einer der feurigen Revolutionsreden, die Henrys Ruhm als Orator begründeten, siehe Charles L. Cohen, The ,Liberty or Death' Speech. A Note on Religion and Revolutionary Rhetoric, in: W M Q 38 (1981), S. 7 0 2 - 7 1 7 . Vgl. Louis A. Mallory, Patrick Henry, Orator of the American Revolution, Ph. D. diss., Univ. of Wisconsin, Madison, 1939; Stephen Ε. Row, Patrick Henry. The Colonial Demosthenes, in: Daughters of the Am. Rev. Mag. 109 (1975), S. 212 fF. Storing V, 209, Anm. 1. Zit. nach Storing V, 207.

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Verfassungsvätern ins Gericht: „Sir, give me leave to demand, what right had they to say, We, the People, instead of We, the States? States are the characteristics, and the soul of the confederation. If the States be not the agents of this compact, it must be one great consolidated National Government of the people of all the States ... The people gave them no power to use their name. That they exceeded their power is perfectly clear."104 Der dramatische Höhepunkt kam, als Henry gegen Ende des Konvents noch einmal die „awful immensity of the dangers" ausmalte, während draußen ein Gewitter den Himmel verdunkelte und Blitze unmittelbar neben dem Akademiegebäude niedergingen. Gleichsam im Einklang mit den Naturgewalten erinnerte er die Delegierten daran, daß ihr Tun und Lassen von der unsichtbaren Macht beobachtet werde, die über den Geschicken der Menschen walte. Dann riß der Sturmwind die Fenster auf und richtete eine solche Unordnung an, daß die Sitzung abgebrochen werden mußte. Noch ganz im Banne dieses Erlebnisses traten die Teilnehmer und Besucher den Heimweg an.105 Beim verbalen Wettstreit mit den Federalists schien alles für Henry zu sprechen, der virtuos die Register seines Könnens zog und sämtliche Trümpfe ausspielte. Das Schauspiel dauerte fast vier Wochen lang und setzte die Zuhörer einem Wechselbad der Gefühle aus. An einem Tag meldete sich Henry nicht weniger als achtmal zu Wort, und seine längste Rede dauerte geschlagene sieben Stunden.106 Henrys Eloquenz und Oratorik sprengten jeden Maßstab, meinte James Breckinridge, der den Verfassungsfreunden zur Mitte des Konvents die Felle davonschwimmen sah. Niemand auf der Welt sei in einer solchen Versammlung besser geeignet als er, „to carry his point & lead the ignorant people astray ... Madison's plain, ingenious, & elegant reasoning is entirely thrown away

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Reden vom 4. und 9. 6. 1788, Storing V, 210 f., 235. Robertson, Debates of Virginia Convention, S. 445 f.; vgl. Rutland, Ordeal, S. 248 f. Archibald Stuart erinnerte sich 1816 in einem Brief an William Wirt: „I was with Mr. Hfenry] in the Convention, when a storm rose in the midst of his speech, I sat too far from him to hear distinctly, but it was said he seemed to rise on the wings of the Tempest to seize upon the Artillery of Heaven and direct it against his adversaries." Abgedr. in W M Q 2nd ser., 6 (1926), S. 3 4 0 - 343. Rutland XI, 73. Die meisten Redner sprachen zwischen zwei und drei Stunden. Auf Seiten der Antifederalists zeichnete sich noch James Monroe aus, wohingegen George Mason die Zuhörer offenbar enttäuschte. Siehe ζ. B. Alexander White to Mrs. Wood, 10./11. 6. 1788, oben Anm. 39.

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and lost among such men." 107 Madison sprach zumeist nur in Erwiderung auf Henrys Tiraden und schlug einen vermittelnden und respektvollen Ton an. So begegnete er der einleitenden Grundsatzkritik mit dem ruhigen, etwas umständlichen Hinweis, eine objektive Geschichtsbetrachtung zeige, „that turbulence, violence, and abuse of power, by the majority trampling on the rights of the minority, have produced factions and commotions, which, in republics, have, more frequently than any other cause, produced despotism." Gegen diese Gefahren seien die Vereinigten Staaten keineswegs immun: „Perhaps, in the progress of this discussion, it will appear that the only possible remedy for those evils, and means of preserving and protecting the principles of republicanism will be found in that very system which is now exclaimed against as the parent of oppression." 108 Die Antifederalists waren sich zwar im Klaren, daß Henry keine Wunderdinge bewirken konnte. Sie trauten seiner Redekunst aber dennoch zu, die Balance der Kräfte herzustellen und die Waagschale schließlich auf ihre Seite sinken zu lassen. William Grayson glaubte, seine Partei habe bei der Debatte über die präsidentiellen Machtbefugnisse eine Stimme erobert und werde zwei weitere hinzugewinnen, wenn es gelinge, die Probleme der Judikative in angemessener Weise zur Sprache zu bringen. 109 Die Federalists erachteten ebenfalls nur geringe Verschiebungen für möglich, die natürlich zu ihren Gunsten ausfallen sollten. Eigentlich müßten Madisons kühle Vernunft, sein mannhaftes Auftreten und seine tiefe Ernsthaftigkeit das Licht der Erkenntnis in allen Köpfen entzünden, befand Archibald Stuart. Wirklich zur Disposition stünde aber allenfalls noch ein Dutzend Delegierter, von denen man mindestens drei zur Mehrheitsbildung brauche. 110 Dem Endresultat läßt sich entnehmen, daß die Federalists sieben, die Antifederalists fünf dieser „doubtful delegates" auf ihre Seite, zogen. Alle anderen hielten unerschütterlich an der Überzeugung fest, die sie schon im Wahlkampf vertreten hatten.

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To John Breckinridge, 13. 6. 1788; vgl. Archibald Stuart to John Breckinridge, Richmond, 19. 6. 1788, Breckinridge Family Papers, LC. Elliot, Debates III, 87 f.; vgl. Storing V, 251 f., Anm. 5. Madisons Konvent-Reden finden sich neuerdings vollständig in Rutland XI, 72 ff. Auch im U. S. —Repräsentantenhaus konnte Madison in rhetorischer Hinsicht nicht voll überzeugen. Er spreche immer „in so low a tone of voice", kritisierte Tristram Lowther, „that I could not well distinguish what he said; his voice appears too defective for so large a man." To Iredell, New York, 9. 5. 1789, McRee II, S. 258 f. To Nathan Dane, 18. 6. 1788, in: Cook, Western Virginia's Contribution, S. 104 f. So James Breckinridge, s. o. Anm. 107.

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Dieser Ausgang bedeutete ebensowenig eine Niederlage Henrys wie einen Sieg Madisons, wenngleich die Federalists es so darzustellen trachteten. Das Ergebnis zeigt vielmehr, daß selbst hochklassige Beredsamkeit nur in Grenzen wirksam werden konnte. Ihr Einfluß auf die Meinungsbildung und Entscheidungsfindung darf nicht unterschätzt werden, aber sie teilte ihn mit einer Reihe anderer wichtiger Faktoren. 111 Die Ratifizierung New Yorks wurde umgehend zu einem Triumph Hamiltonscher Redekunst verklärt: „Little Hamilton shines like a Star of the First magnitude," beschrieb Richard Platt die Rückkehr der Delegierten aus Poughkeepsie. Schon während der Debatten glaubten Zuhörer den „Thunder of Demosthenes & the Splendid Conflagration of Tully" zu vernehmen, wenn Hamilton oft für Stunden das Rednerpult okkupierte. Die Zeitungen gaben ihm den Ehrennamen „the American Cicero", und so hieß er auch in manchem Privatbrief. Webb hielt ihn für „one of the most remarkable genius's of the Age, his Political knowledge exceeds I believe, any Man in our Country, and his Oratorical abilities has pleased his friends and surprised his Enemies." Auch Philip Schuyler rühmte Hamiltons Beredsamkeit in den höchsten Tönen: „His sentiments are so true, his judgment so correct, his elocution so pleasing, so smooth, and yet so forcible that he reaches the heart and carries conviction, where every avenue to conviction is shut up." 112 In der Tat ragt die Redeschlacht, die Hamilton gemeinsam mit Jay und Chancellor Livingston gegen die antifederalistische Mehrheit um Clinton und Melancton Smith schlug, gleich dem Henry-Madison-Duell aus dem ohnehin schon abwechslungsreichen Geschehen der Verfassungs111

112

Als John Dawson später einem Bekannten die gedruckten Debatten zuschickte, merkte er an, in ihnen könne er den großen Patrick Henry erleben, „nobly struggling against the storms of faction — the influence of names, and the obstinacy of predetermined opinions, and ably and eloquently supporting the rights of his countrymen amidst the applause of all who heard him." To Otho Holland Williams, Fredericksburg, 24. 9. 1790, Ο. H. Williams Papers, MdHi. Vgl. allgemein John Ε. Buckley, The Role of Rhetoric in the Ratification of the Federal Constitution, 1787-1788, Ph. D. diss., Northwestern Univ., 1972; John R. Breitlow, Rhetorical Fantasy in the Virginia Convention of 1788, Ph. D. diss., Univ. of Minnesota, 1972; J. Thomas Wren, The Ideology of Court and Country in the Virginia Ratifying Convention of 1788, in: VMHB 93 (1985), S. 389-408. Vgl. Richard Piatt to Winthrop Sargent, New York, 8. 8. 1788, Sargent Papers, MHi; Bogart to Webb, Poughkeepsie, 14. 7. 1788; Webb to Hogeboom, Poughkeepsie, 26./27. 6. 1788, Ford, Correspondence III, 104 f., 108; Philip Schuyler to John B. Schuyler, Poughkeepsie, 26. 6. 1788, Bancroft Papers, MHi; Ν. Y. Packet, 24. 6. 1788. Hamiltons Konvent-Reden in Syrett V, l l f f .

Die „Zähmung' der Konvente

619

debatte heraus. Ebenso sicher ist, daß die Federalists den stärkeren Eindruck hinterließen und die Oberhand behielten. Livingstons Charme und Jays staatsmännischer Weitblick kontrastierten mit Clintons doktrinärer Verbissenheit, und Hamiltons Brillianz und meisterhaft beherrschtes Ungestüm hoben sich vorteilhaft von Smiths schmucklosem, trockenen und syllogistischen Stil ab. Die „force of Argument and Elocution" spreche ganz entschieden gegen die Mehrheit, versicherte Abraham Bancker seinem Onkel Evert. 113 Wer aber wie Schuyler auf eine baldige „Bekehrung" der Antifederalists hoffte, hatte ihre Prinzipientreue und Standhaftigkeit unterschätzt. Je länger der Konvent dauerte, desto spürbarer wurde das Gefühl, daß Rhetorik und Redekunst wenig ausrichteten. Hamiltons Leistungen prallten an einem Wall von Mißtrauen ab, der über Jahre hinweg aufgehäuft worden war, und den er selbst mit den nachdrücklichsten Beteuerungen republikanischer Gesinnung nicht abbauen konnte. Was seine Freunde für die „force of Argument and Elocution" hielten, erschien den Gegnern als die „power of Oratory and Deception." 114 Warfen die Federalists Clinton vor, er stückele seine Reden aus Zeitungsessays zusammen, erwiderte die Opposition, Hamilton rezitiere stundenlang die Publius-Rrieie. Nach zehn Tagen Debatte beruhigte Antifederalist Christopher P. Yates den Kongreß-Delegierten Abraham Yates: „In point of Argument we stand firm we have as yet lost no ground." 115 Auf der Gegenseite räumte Abraham Bancker die Vergeblichkeit des bisherigen Bemühens ein: „With persuasive Arguments and the Exposition of Facts clear and perspicuous as the Sun in it's Meridian Altitude, we have not in my Humble Opinion, come a whit nearer embracing this Salutary Expedient, than we were a week ago. How unhappy it is for us that So much good reasoning Should be lost upon a stiffnecked and refractory Set of people ... the fact is simply this Most of the Members whom we term Antifederal, were elected by People of that Class or in other Words People, who from their Ignorance and Credulity were calculated to promote faction and oppose good Government ... as long as [Governor Clinton] Stands at the head of a formidable Opposition, 113

114

115

Poughkeepsie, 28. 6. 1788, Bancker Family Papers, NHi; vgl. Miner, Ratification of New York, S. 98 f. Cornelius Schoonmaker to William Smith, Poughkeepsie, 7. 7. 1788, Manor of St. George Museum. Charles Tillinghast to Lamb, Poughkeepsie, 21. 6. 1788, Lamb Papers, NHi; Christopher P. Yates to Abraham Yates, Poughkeepsie, 27. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN.

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Die Ratifi^ierungskonvente

der dreizehn

Staaten

No Arguments however rational, however founded in fact, will have any other tendency than to irritate and exasperate the determined Party." Es gebe bislang keinen Grund zu der Annahme, schrieb John Jay am 30. Juni, „that either Party has made much impression on the other." Nicht viel optimistischer äußerte sich einige Tage später Hamilton persönlich: „Our arguments confound, but do not convince." Die Morning Post druckte eine Zuschrift aus Poughkeepsie vom 11. Juli, in der es hieß, die Antifederalists seien beeindruckt, „but they are too proud to confess it." 116 Das von Hamilton angesprochene Element der Verwirrung gewann in der Schlußphase des Konvents immer größere Bedeutung. Der intellektuelle und oratorische Glanz, den die federalistischen Führer verbreiteten, trug also zweifellos mit dazu bei, das Selbstvertrauen der Mehrheit zu erschüttern und ihre Einheit allmählich zu unterminieren. Wichtiger noch scheint der Verzögerungseffekt der schier endlosen Reden gewesen zu sein, der den Parteifreunden Luft verschaffte und Gelegenheit zu stiller Beeinflussung bot. Am Ende waren es aber nicht Hamiltons Redekünste, sondern die Ratifizierungen New Hampshires und Virginias sowie Sezessionsdrohungen aus dem Süden des Staates, die Melancton Smith und seinen Kreis zu einer neuen Gesamteinschätzung der politischen Lage zwangen. Dem federalistischen Delegierten und Senator Isaac Roosevelt ist deshalb zuzustimmen, daß die Debatte „only Served to delay a Rash decision and give time to reflection, and finally Caused a Division of Sentiments." 117 Solche Überlegungen konnten die große Mehrzahl der Verfassungsanhänger aber nicht von dem Glauben abbringen, Hamilton habe allein durch die Kraft seiner Rede die federalistische 19:46-Minderheit in eine 30:27-Mehrheit verwandelt. 118

116

117

118

Abraham Bancker to Evert Bancker, 28. 6. 1788, s. o. Anm. 113; Jay to Washington, 30. 6. 1788, Johnston, Correspondence III, 345 f.; Hamilton to Madison, 2. 7. 1788, Syrett V, 140 f.; Ν. Y. Morning Post, 14. 7. 1788. To Richard Varick, Poughkeepsie, 22. 7. 1788, F. D. Roosevelt Library, Hyde Park, Ν. Y. Diese Auffassung hat sich hartnäckig gehalten. Siehe ζ. B. Bower Aly, The Rhetoric of Alexander Hamilton, New York 1941; ders., How Hamilton, Outvoted 2 to 1, Won New York for Federal Union, in: Freedom and Union 12 (1957), S. 15 — 22.

XVII. KAPITEL

Die Geschichte der Ratifizierungskonvente Der Auftakt:

Pennsylvania

Abgesehen von der frühen Ratifizierungsdebatte in Philadelphia, brachten die Konvente inhaltlich wenig Neues. Das lag hauptsächlich an den intensiven Pressekampagnen und der Schnelligkeit, mit der die Argumente für und gegen den Verfassungsentwurf über die ganze Union verbreitet worden waren. Häufig hatten die Wortführer auf den Konventen ihre Ansichten ja schon lange zuvor unter Pseudonymen oder offen in Presseartikeln, Pamphleten und Flugblättern dargelegt. Außerdem kamen die Zeitungsversion sowie Lloyds Buchausgabe der Philadelphia-Debatten bald in Umlauf und lieferten den Rednern Stichworte, wenn sie ihnen nicht gar als Vorlagen dienten. Etwas später gesellten sich noch die veröffentlichten Diskussionsbeiträge der Ratifizierungsversammlungen von Boston und Hartford hinzu. Daß dieses Material beispielgebend und vereinheitlichend wirkte, ist vielen teils lobenden, teils kritischen Kommentaren zu entnehmen. 119 Beim Zusammentritt der Konvente waren die Positionen der beiden Parteien also nicht nur in den Grundzügen, sondern bis in die Einzelheiten der juristischen und historischen Begründung hinein bekannt. Gelegentlich hieß es sogar, daß sich unter diesen Umständen eine langwierige Erörterung erübrige, und man doch besser gleich zur Abstimmung schreiten solle. Derart extreme Forderungen fanden aber nur in Maryland Gehör. Überall sonst, wo Federalists und Antifederalists vertreten waren, brachten die Sprecher in immer neuen Variationen und mit vielfaltigem rhetorischem Rankenwerk umkleidet die Standardargumente der Parteien vor. Klammert man die regionalen Unterschiede aus, dann sorgten allein die von Konvent zu Konvent verschiedene Schwerpunktund Akzentsetzung und die Fähigkeit oder Unfähigkeit der Redner, das Wesentliche vom Nebensächlichen zu trennen, für Abwechslung. Tatsächlich findet man bei der Lektüre der Debatten keinen einzigen wich119

Siehe u. a. DHRC II, 531, Anm. 4.

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Die Ratifi^ierungskonvente der dreizehn Staaten

tigen Punkt, der nicht vorher schon gründlich in der Presse behandelt worden wäre. Die inhaltliche Auseinandersetzung trat deshalb an Bedeutung hinter die strategische Planung der Konvente und die taktischen Maßnahmen der Fraktionen zurück, mit denen sie ihre Anhängerschaft zusammenhalten, Unentschlossene gewinnen und das gegnerische Lager sprengen wollten. Auf diesem Gebiet galten allerorts andere Voraussetzungen, und hier sahen sich die Parteien vor immer neue Herausforderungen gestellt. In Pennsylvania waren einige wichtige Entscheidungen bereits im Vorfeld des Ratifizierungsberatungen gefallen. Mit der eiligen Anberaumung des Konvents und der raschen Durchführung der Wahlen hatten sich die Verfassungsanhänger einen großen, kaum mehr einzuholenden Startvorsprung verschafft. Die federalistische Parlamentsmehrheit wehrte auch den Versuch der Opposition ab, dem Konvent ein Quorum von zwei Dritteln der Mitglieder vorzuschreiben. Nach den Erfahrungen vom September wußte man nur zu gut, daß eine derartige Regelung die ideale Handhabe geboten hätte, das Gremium durch Boykott oder Auszug lahmzulegen. Den Obstruktionswillen der Minderheit bezeugten überdies der gescheiterte Antrag, das State House nach der Wahl nicht zur Stimmenzählung zur Verfügung zu stellen, und die — ebenfalls erfolglose — Weigerung, das Parlament während des Konvents zu vertagen. 120 Als das Wahlergebnis feststand, galt die Ratifizierung weithin als ausgemachte Sache. Bis zum Beginn des Konvents hatten sich die politischen Fronten derart verhärtet, daß niemand mehr mit einer nennenswerten Anzahl von Übertritten rechnete. In dieser Situation setzten die Antifederalists ihre ganze Hoffnung auf das Hinauszögern und Verschleppen der Beratungen. Schon während der ersten Woche zogen sie jedoch in den entscheidenden Prozedurfragen den kürzeren. Die Federalists waren zwar bereit, den Entwurf Paragraph für Paragraph zu diskutieren, widersprachen aber dem Ansinnen der Minderheit, der Konvent möge sich nach dem Muster der Assembly zunächst als committee of the whole konstituieren, um eine „more free and candid discussion" zu ermöglichen. Das hätte es der Opposition gestattet, den gesamten Verfassungsplan zweimal — zuerst im Komitee und dann im Plenum — zu diskutieren und einzelne Punkte separat zur Abstimmung zu stellen. Wilson und Rush begründeten die Haltung ihrer Fraktion damit, daß der Entwurf ein geschlossenes Ganzes sei, über dessen Teile nicht gesondert votiert und zu dem keine Amendments vorgeschla120

DHRC II, 266 ff.

Die Geschichte der Ratiß^ierungskonvente

623

gen werden dürften. Der Konvent könne die Verfassung nur insgesamt annehmen oder ablehnen. Mit einem committee of the whole verschwende man also unnötig viel Zeit und Geld. Genauso verweigerte die Mehrheit den antifederalistischen Delegierten das Recht, die Gründe für ihr Abstimmungsverhalten in das Protokoll eintragen zu lassen. Auch in diesem Fall ließ sie das Verfahren des Parlaments nicht als Präzedenz gelten. Hier wie bei späterer Gelegenheit kam den Federalists außer ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit die Tatsache zustatten, daß sie mit Frederick A. Muhlenberg den Präsidenten und mit James Campbell den Sekretär des Konvents stellten. 121 Am 28. November trat der Konvent in die Diskussion des Verfassungsentwurfs ein, die gemäß McKeans ursprünglichem Vorschlag „article by article" erfolgen sollte. Auch diese Regel lag eher im Interesse der Federalists, denn sie erschwerte es den Kritikern, die jeweiligen Klauseln in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und Gefahren aufzuzeigen, die sich aus dem Ineinandergreifen mehrerer Faktoren ergaben. Wer zu ungestüm opponierte, dem drohte überdies die Verwicklung in Widersprüche. So bestätigte beispielsweise jemand, der nacheinander den Präsidenten, den Kongreß und die Judikative als „zu stark" angriff, ungewollt die Beachtung des Gewaltenteilungsprinzips auf der Ebene der Zentralregierung. In der Praxis hielten sich aber nur wenige Delegierte an die starre Vorschrift, so daß die Diskussion immer wieder zum Allgemeinen und Grundsätzlichen zurückführte und nur langsam von der Stelle kam. Um ein Ausufern zu verhindern und den Konvent abzukürzen, beraumte die Mehrheit ab 1. Dezember zusätzliche Nachmittagssitzungen an. 122 Die Schwerpunkte der antifederalistischen Kritik waren der Zentralismus und die „konsolidierende" Tendenz des Verfassungsentwurfs, die im Senat manifeste Verbindung der gesetzgebenden und ausführenden Gewalt, die Stärkung der gesellschaftlichen Oberschicht auf Kosten der „lower and middling classes of men", 123 und das Fehlen einer Bill of 121

122 123

DHRC II, 364 ff. Diese Edition rekonstruiert die Debatten aus sämtlichen erhaltenen Quellenüberlieferungen. Zum Ablauf des Pennsylvania-Konvents John B. McMaster and Frederick D. Stone, Pennsylvania and the Federal Constitution, 1 7 8 7 - 1 7 8 8 , Lancaster, Pa., 1888, ND New York 1970; Owen S. Ireland, The Ratification of the Federal Constitution in Pennsylvania, Ph. D. diss., Univ. of Pittsburgh, 1966; ders., Partisanship and the Constitution. Pennsylvania 1787, in: Pa. History 45 (1978), S. 3 1 5 - 3 2 3 . DHRC II, 444. So William Findley am 6. 12. 1787, DHRC II, 510.

624

Die Ratifi^ierungskonvente

der dreizehn Staaten

Rights. Das geplante System werde die Staaten zu Statisten degradieren und eine Besitzaristokratie schaffen, die ihre Herrschaft auf Dauer nur durch den Abbau der Freiheitsrechte des Volkes und gewaltsame Unterdrückung festigen könne: „Every door is shut against democracy," lautete Smilies Fazit am 8. Dezember. 124 Die Federalists hielten dagegen, daß die Souveränität des Volkes ungeschmälert bleibe und die Verfassung eine „ordinance and establishment of the people" darstelle. Das neue Regierungssystem gründe nicht auf einem Vertrag, sondern „upon the power of the people ... from their ratification, and their ratification alone, it is to take its constitutional authority." Wenn man Demokratie als die Regierungsform definiere, „in which the people retain the supreme power, and exercise it either collectively or by representation", dann sei die zukünftige Verfassungsordnung „in its principle ... purely democratical." Wilson wiederholte seine Theorie der „reserved powers", um zu beweisen, daß die Bundesverfassung weder die Existenz der Staaten noch die Rechte der Bürger gefährde. Die Zentralregierung habe mit solchen Dingen wie Rede-, Presse- und Religionsfreiheit gar nichts zu tun, weshalb eine Bill of Rights bestenfalls überflüssig und wahrscheinlich sogar schädlich sei. Aus der Sicht Wilsons markierte der Verfassungsentwurf einen bedeutenden Fortschritt in der Menschheitsgeschichte. Bisher habe man „revolutions in government" stets mit Krieg und Gewalt assoziiert, doch von nun an könnten sie betrachtet werden als „progressive steps in improving the knowledge of government, and increasing the happiness of society and mankind." Nicht nur auf politischem, sondern auch auf wirtschaftlichem, künstlerischem und wissenschaftlichem Gebiet sagten die Federalists Amerika eine große Zukunft voraus. Bedingung sei jedoch die Annahme der Verfassung: „By adopting this system, we become a NATION; at present we are not one." 125 Als Sprecher der Opposition deutete John Smilie Kompromißbereitschaft für den Fall an, daß die Mehrheit über eine Bill of Rights und Amendments mit sich reden ließe. Die Federalists glaubten aber, auf versöhnliche Gesten oder gar Zugeständnisse verzichten zu können. Vom 4. Dezember an wurden sie zunehmend ungeduldig und forderten ein Ende der Diskussion nach Paragraphen, um zur abschließenden, grundsätzlichen Würdigung des Entwurfs zu kommen. 126 Beide Seiten betrach124 125 126

DHRC II, 525. Vgl. DHRC II, 362, 434, 439 f., 555 f., 579 f., 581. DHRC II, 444, 465, 553.

Die Geschichte der Ratifi^ierungskonvente

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teten es mittlerweile als aussichtlos, Delegierte des gegnerischen Lagers abzuwerben. Im Grunde ging es ihnen nur noch darum, vor den eigenen Wählern, den anderen Staaten und der Nachwelt ein Zeichen zu setzen. Voller Stolz auf die Vorreiterrolle Pennsylvanias, wollten die Federalists mit einer schnellen Entscheidung für klare Verhältnisse sorgen und der Ratifizierungsbewegung Schwung geben. Amendments, selbst solche empfehlender Art, kamen nicht in Frage, weil sie das Eingeständnis der Verbesserungsbedürftigkeit des Textes bedeutet hätten. Die Antifederalists hingegen mühten sich, den bislang noch schwachen Widerstand durch den Nachweis anzufachen, daß sie bei der mannhaften Verteidigung der Freiheit einer tyrannischen Majorität unterlegen seien. Am 12. Dezember unternahmen sie einen letzten Versuch, die Abstimmung aufzuschieben. Zusammen mit Petitionen von 750 Bürgern aus seinem Heimatkreis Cumberland präsentierte Robert Whitehill dem Konvent fünfzehn Amendments und beantragte eine Vertagung, um der Bevölkerung Gelegenheit zur Prüfung dieser Vorschläge zu geben. Erwartungsgemäß verfiel der Antrag mit 46 zu 23 Stimmen der Ablehnung, und unmittelbar danach fand sich dieselbe Mehrheit zur Ratifizierung der Verfassung bereit. Tags darauf wurde die „Form of Ratification", die ein Komitee ausgearbeitet hatte, von den 46 federalistischen Delegierten unterzeichnet und vor dem Gerichtsgebäude der Bevölkerung feierlich verkündet: „In the Name of the PEOPLE of Pennsylvania. BE IT KNOWN UNTO ALL MEN, - That We, the Delegates of the PEOPLE of the Commonwealth of Pennsylvania, in General Convention assembled, have assented to and ratified, and by these Presents DO, in the Name and by the Authority of the same PEOPLE, and for ourselves, assent to and ratify the foregoing Constitution for the UNITED STATES of AMERICA." 1 2 7 An den beiden letzten Tagen beschäftigte sich der Konvent mit der Hauptstadtfrage und offerierte dem Kongreß ein 10 Quadratmeilen großes Stück Land sowie die Nutzung aller öffentlichen Gebäude des Staates, bis die neue Regierung ihren ständigen Sitz gefunden hätte. Nachdem diese Resolutionen am 15. Dezember zusammen mit der Ratifizierungsurkunde an den Kongreß abgeschickt worden waren, erlaubten die Delegierten den Druck von 5000 Kopien der Verfassung und der „Form of Ratification" — 3000 in englischer und 2000 in deutscher Sprache —, und beauftragten ein Komitee mit der Herausgabe des Convention Journal.

127

DHRC II, 603, 605.

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Die Ratiß^ierungskonvente

der dreizehn Staaten

Zum Schluß stattete der Konvent Präsident Muhlenberg seinen Dank ab und vertagte sich sine die.128 Die ungetrübte Freude der philadelphischen Verfassungsanhänger währte aber nur bis zum 18. Dezember, als im Pennsylvania Packet und auf einem Flugblatt aus Eleazer Oswalds Druckerei der Dissent of the Minority erschien, unterzeichnet von 21 der 23 antifederalistischen Konvent-Delegierten. Diese Schrift war nicht nur eine vehemente parteipolitische Polemik, sondern sie bot auch die erste zusammenhängende kritische Analyse des Verfassungsentwurfs vom Standpunkt der Verfechter der Staatensouveränität. Ihre eigentliche Brisanz lag jedoch im Abdruck der fünfzehn Amendment-Vorschläge, deren Aufnahme in das Konvent-Protokoll die Mehrheit strikt verweigert hatte. 129 Gefordert wurden eine Bestätigung der Habeas Corpus-Garantien und die Weiterverwendung von Geschworenengerichten; die Zusicherung der Gewissens-, Rede- und Pressefreiheit und des Rechts, Waffen für die Verteidigung sowie für Jagd und Fischfang zu tragen; der Vorrang der Staaten in Milizangelegenheiten und ein Verbot stehender Heere in Friedenszeiten; die Einschränkung des Besteuerungsrechts der Unionsregierung auf Import- und Exportsteuern und Zölle; jährliche Wahlen, eine verbesserte Repräsentation und die Nichteinmischung des Kongresses in Wahlmodalitäten; strengere Gewaltentrennung unter Hinzuziehung eines Exekutivrates; die Ungültigkeit von Verträgen, die sich im Widerspruch zur Verfassung der Union oder zu den Verfassungen der Staaten befanden; engere Kompetenzgrenzen für die Bundesgerichtsbarkeit; und schließlich die Einfügung der aus den Articles of Confederation übernommenen Klausel, „that the sovereignty, freedom, and independency of the several states shall be retained, and every power, jurisdiction, and right which is not by this constitution expressly delegated to the United States in Congress assembled." Anstatt die Gemüter zu beruhigen und für Annäherung und Ausgleich zu sorgen, putschte der Konvent die politischen Leidenschaften auf. Die Federalists hatten den Gegner im Parlament, bei den Wahlen und in der Ratifizierungsversammlung klar geschlagen, aber zum Schweigen bringen konnten sie ihn nicht. Ganz im Gegenteil: Der Dissent war ein Signal, das weit über die Grenzen Pennsylvanias hinaus vernommen wurde und die Kritiker der geplanten Neuordnung zu erhöhter Wachsamkeit und größerem Einsatz anspornte. Für die Verfassungsfreunde in den anderen 128 129

DHRC II, 610 ff. Abgedr. in DHRC II, 623ff.; XV, 18ff.; Storing III, 11 ff.

Die Geschichte der

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Ratifi^ierungskonvente

Staaten stellte sich das Vorpreschen der Pennsylvanier deshalb bald als ein Geschenk von zweifelhaftem Wert heraus. Es ist gut möglich, daß die Ratifizierung insgesamt wesentlich glatter und geräuschloser über die Bühne gegangen wäre, wenn die philadelphischen Federalists etwas mehr Fingerspitzengefühl, diplomatisches Geschick und Konzilianz bewiesen hätten. Die kritische Phase: Massachusetts

und New

Hampshire

Als der Konvent von Massachusetts am 9. Januar 1788 in Boston zusammentrat, hatten bereits drei weitere Staaten die Verfassung angenommen, und Connecticut setzte just an diesem Tage die Reihe der Ratifizierungen fort. Die Delegierten Delawares, New Jerseys und Georgias, die sämtlich mit der Absicht an die Konferenzorte gekommen waren, der Neuordnung zuzustimmen, verwendeten mehr Zeit auf die Konstituierung ihrer Konvente, das Ratifizierungszeremoniell und diverse Begleitresolutionen als auf die Verfassungsdebatte selbst. In Dover und Trenton dauerte die Aussprache jeweils drei Tage, und beide Konvente unterstrichen ihre einmütig federalistische Haltung durch den Beschluß, kostenlos Land für die zukünftige Bundeshauptstadt zur Verfügung zu stellen. In Augusta kam erst nach vier Tagen ein Quorum zustande, am fünften, einem Samstag, wurde der Entwurf „with a great deal of temper" diskutiert und am darauffolgenden Montag, dem 31. Dezember 1787, einstimmig gutgeheißen. Die restlichen Tage bis zum 5. Januar brachten die Delegierten damit zu, zwei verschiedene „Deeds of Ratification" fertigzustellen, einen Druckauftrag für 200 Kopien des Journal zu erteilen und Kostenfragen zu regeln. In Georgia und in New Jersey scheint es Zweifel, Sorgen und Meinungsverschiedenheiten gegeben zu haben. Zwei Zeitungsbeiträgen ist zu entnehmen, daß Richter David Brearley, der New Jersey im Verfassungskonvent vertreten hatte, vor den Trenton-Abgeordneten seine „persuasive eloquence" aufbieten mußte, um Bedenken zu zerstreuen und Einwände auszuräumen. Nirgends kamen jedoch konkrete Verbesserungsvorschläge zur Sprache, noch wurde gar gefordert, die Zustimmung zur Verfassung an Bedingungen zu knüpfen. 130 130

Sämtliches Quellenmaterial betreffend die Ratifizierungskonvente von Delaware, Georgia und New Jersey findet sich in DHRC III, 105 ff., 177 ff., 269 ff., sowie auf den Microfiche Supplements von Band III. Siehe dazu Leon De Valinger, How Delaware Became the First State, Dover, Del., 1970; George H. Ryden, Delaware — the First State in the Union, Wilmington, Del., 1938; Kaminski, Controvery Amid Consensus (1974).

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Die Ratifizierungskonvente

der dreizehn

Staaten

Im Hartford-Konvent, der vom 3. bis 9. Januar 1788 tagte, gab es eine antifederalistische Fraktion, aber sie war an Zahl und Fähigkeiten zu schwach, um organisierten Widerstand zu leisten. Nach dem Vorbild Pennsylvanias durfte der Verfassungsentwurf „by single articles, sections, paragraphs, or detached clauses and sentences" diskutiert, jedoch nur als Ganzes zur Abstimmung gestellt werden.131 Die Kritik richtete sich vornehmlich gegen die Eingriffsmöglichkeiten des Kongresses in Wahlmodalitäten, die Repräsentations- und Steuerregelungen, die angeblich den Norden benachteiligten, sowie die Kompetenzfülle der Bundesgerichtsbarkeit. Bemängelt wurde außerdem, daß Amtsinhaber keine religiösen Qualifikationen zu erfüllen brauchten, und daß eine Bill of Rights fehle. Vom vehementen Pressefeldzug der Federalists gegen die „Wrongheads" deutlich irritiert, ließen sich die Hauptsprecher der Opposition, James Wadsworth, Eliphalet Dyer und Joseph Hopkins, durch das Selbstbewußtsein ihrer Kontrahenten und das unfreundliche Verhalten der Zuschauer vollends aus dem Konzept bringen und machten eine schlechte Figur: „The objections and the objectors were weak; the strength lay on the other side," bemerkte Enoch Perkins, der für die Drucker von Hartford stenographische Notizen anfertigte. Der Connecticut Courant ersparte es seinen Lesern, die Einwände überhaupt kennenzulernen: „Suffice it to say that all the objections to the Constitution vanished before the learning and eloquence of a Johnson, the genuine good sense and discernment of a Sherman, and the Demosthenian energy of an Ellsworth." 132 Im Gegenzug stellten die federalistischen Redner die politischen und wirtschaftlichen Vorteile heraus, die der Norden und speziell Connecticut aus der Neuregelung ziehen würde. Kein Regierungsystem, am allerwenigsten ein föderatives, könne ohne Zwangsgewalt auskommen. Künftig beruhe diese „coercive power" in Amerika aber nicht mehr auf militärischer Macht, sondern auf dem Gesetz, und anstatt gegen Staaten, richte sie sich gegen den einzelnen Bürger. Um den Finanzbedarf der Union zu decken, genügten indirekte Steuern, und die Existenz der Staaten sei ungefährdet. Am besten versinnbildliche sich die neue Staatsordnung in einer „vast and magnificent bridge built upon thirteen strong and stately 131

132

Der Ratifizierungskonvent von Connecticut ist dokumentiert in DHRC III, 535 ff. Vgl. Bernard C. Steiner, Connecticut's Ratification of the Federal Constitution, in: Proceed, of the Am. Antiqu. Soc. 25 (1915), S. 7 0 - 1 2 7 . Perkins to Simeon Baldwin, Hartford, 15. 1. 1788; Conn. Courant, 9. 1. 1788, DHRC III, 554, 583 ff.

Die Geschichte der Ratifi^iermgskonvente

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pillars." 133 Was an Vorbehalten oder Änderungswünschen in den eigenen Reihen aufkeimte, wurde von der federalistischen Führung unterdrückt. Gouverneur Samuel Huntington räumte Monate später ein, auch die Mehrheit habe einige Verbesserungen für angebracht gehalten, „but deemed it too dangerous to hazard delays under a tottering constitution, until every difficulty should be removed so as to obtain a constitution which would meet the entire approbation of all the states in the Union." 134 Nach fünftägiger Debatte hatte die Opposition ihr Pulver verschossen und zeigte Auflösungserscheinungen. Die Warnung der Federalists, uneinsichtige Kritiker würden es schwerhaben, ihre Staatsämter zu behalten oder neue zu erlangen, tat ein Übriges. Zwei prominente Antifederalists, das Ratsmitglied William Williams und der Unterhausabgeordnete Joseph Hopkins, verließen das sinkende Schiff und nahmen etliche andere schwankende Delegierte mit. Auf diese Weise fiel das Endergebnis am 9. Januar mit 128:40 Stimmen noch deutlicher aus, als die Wahlen es hatten erwarten lassen. Die Ratifizierungsurkunde, die am folgenden Tag signiert wurde, ähnelte inhaltlich und formal der pennsylvanischen. Die Unterlegenen erklärten öffentlich ihre Bereitschaft, sich der Entscheidung des Konvents zu fügen, verließen aber „heavy-hearted and discouraged" den Schauplatz des Geschehens. Sie fürchteten um die Zukunft des Staates und sie ahnten wohl auch, daß die Federalists ihnen das ablehnende Votum nicht nachsehen würden, sondern auf politische Vergeltung sannen. 135 In Boston erregte die Nachricht von der Ratifizierung Connecticuts vorübergehend Aufsehen, trug aber nicht in dem Maße zur Klärung der Fronten bei, wie die Federalists gehofft hatten. 136 Angesichts der großen 133

134

135

136

Vgl. Olivet Ellsworth, 4. u. 7. 1.; Richard Law, 9. 1. 1788, DHRCIII, 541 ff., 559. Für Law war der „finger of Providence ... evidently to be seen in the political affairs of this country ... and now, if it be the design of Providence to make us a great and happy people, I believe, that He who turns the hearts of the children of men, as the rivers of water are turned, will induce the people of the United States to accept of a Constitution which is so well calculated to promote their national welfare." S. 559. To Governor Samuel Johnston of North Carolina, 23. 9. 1788, DHRC III, 560, Anm. 3. Vgl. DHRC III, 579, 594 ff. James Wadsworth wurde 1788 nicht mehr in den Gouverneursrat gewählt und verlor das Amt des Comptroller; das Bemühen der Federalists, auch William Williams und Eliphalet Dyer die Posten abzujagen, fruchtete allerdings nicht. Winthrop Sargent meinte am 12. 1. 1788, die Entscheidung in Hartford „will indisputably have good Effect by its Influence here." To Knox, Boston, Knox

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Zahl der Delegierten und der Bandbreite ihrer Instruktionen fiel es beiden Seiten schwer, sich ein Bild von den tatsächlichen Stärkeverhältnissen zu machen. Die ersten Tage dienten deshalb dem gegenseitigen Abtasten und dem Bemühen, das eigene Lager zu sammeln und zu organisieren. Überlegenes taktisches Geschick bewiesen die Federalists aber schon zu Beginn, als sie zwei Männer ihrer Wahl, Vizegouverneur William Cushing und George R. Minot, auf die wichtigen Posten des Konvent-Präsidenten und des Sekretärs hievten. Da niemand an einer frühzeitigen Kraftprobe interessiert war, traf man sich in dem Wunsch nach Zeitgewinn. Der Verfassungsentwurf sollte in aller Ruhe und Ausführlichkeit Punkt für Punkt diskutiert werden, ohne daß über Einzelfragen abgestimmt wurde. Es war ausdrücklich erlaubt, bei der Erörterung eines bestimmten Paragraphen auf andere Klauseln Bezug zu nehmen, um Zusammenhänge aufzeigen zu können. Vor der Schlußabstimmung stand es dann jedermann frei, den Entwurf als Ganzes zu kritisieren oder zu würdigen. Die Federalists kamen erstmals in Bedrängnis, als Samuel Adams am 14. Januar den Antrag stellte, der Konvent möge Elbridge Gerry zuziehen und ihm Gelegenheit geben, Sachfragen zu klären, die sich auf die Entstehung des Verfassungsplans bezögen. Um eine Abstimmungsniederlage zu vermeiden, erhoben sie keinen Widerspruch, trafen aber zugleich Vorkehrungen, ihren Hauptkritiker daran zu hindern, unter dem Deckmantel des Experten seine persönliche Meinung über die Nachteile der Neuregelung darzulegen. Gerry nahm die Einladung nur aus Pflichtgefühl an und saß drei Tage lang untätig im Konvent, weil den Verfassungsgegnern offenbar keine passende Frage einfiel. Als sich endlich am 18. Januar jemand bei ihm über die Repräsentation im künftigen Kongreß erkundigte, setzten die Federalists durch, daß die Frage schriftlich eingereicht und von Gerry auch schriftlich beantwortet werden mußte. Tags darauf versuchte Gerry, aus eigenen Stücken in die Debatte einzugreifen, zog sich aber prompt lautstarke Proteste seiner Gegner und einen Ordnungsruf des Präsidenten zu. Das anschließende Wortgefecht mit Richter Dana artete in wechselseitige Vorwürfe und Beschimpfungen aus und hätte zu Tätlichkeiten geführt, wenn die Streithähne nicht von beson-

Papers, MHi. Vgl. Christopher Gore to Jeremiah Wadsworth, 9. 1. 1788, Emmet Coll., NN. Zum Bostoner Konvent Samuel B. Harding, The Contest Over the Ratification of the Federal Constitution in the State of Massachusetts, New York 1896, ND 1970; Arthur N. Holcombe, Massachusetts and the Federal Convention of 1787, in: Α. Β. Hart, ed., Commonwealth History of Massachusetts, vol. 3, New York 1929, S. 3 6 6 - 4 0 6 .

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nenen Delegierten getrennt worden wären. Nach der abgebrochenen Sitzung sinnierte Rufus King über mögliche negative Folgen und eine Wiederholung des Zwischenfalls, doch Gerry faßte den Entschluß, nicht mehr zurückzukehren. Er schickte einen Brief an Cushing, in dem er sein bisheriges Verhalten rechtfertigte und die rüde Behandlung durch den Konvent beklagte. Wahrscheinlich kam ihm dieses abrupte Ende ganz gelegen, denn so viel er auch an der Verfassung auszusetzen hatte, so unwohl fühlte er sich in der Gemeinschaft ehemaliger Shays'-Rebellen. Die Federalists ihrerseits waren froh, einer potentiell gefahrlichen Störquelle ledig zu sein. 137 Da es niemand sonderlich eilig zu haben schien, schritt die Debatte nur sehr langsam voran. Ein Leser der Cumberland Gazette fürchtete schon, bei diesem Tempo würden die Beratungen wohl ein ganzes Jahr dauern. 138 Die Opposition rekurrierte ständig auf die vertrauten Grundsätze der Country-Ideologie und wies jede noch so geringe Abweichung nach, die sich der Verfassungskonvent erlaubt hatte. Im Bemühen, diese Einwände zu zerstreuen, rückten die Federalists immer weiter von den traditionellen Gedankengängen ab, weckten damit aber nur neues Mißtrauen. Selbst Minot ging diese Brüskierung alter Werte und Tugenden zu weit, wie er seinem Tagebuch anvertraute: „The most serious principles in government were argued away to nothing, by able casuists, & the mouths of the opponents being shut, they were ashamed to say that they were not convinced. Annual elections, rotation in office, qualification of officers, standing armies, & declarations of rights, were all shewn to be too trivial to be insisted upon. And it was demonstrated that to withhold any powers of taxation, or of any other kind from government, but they should abuse them, was an unreasonable principle of jealousy which would prevent any government at all." 139 Die Furcht der Antifederalists vor einer fernen Regierung, die mit der „power of the purse and the sword" ausgestattet war, fand ihre Ergänzung im Gefühl der Übervorteilung durch den Süden und in der Abwehrhaltung gegen das Sklavereiwesen. Darauf erwiderten die Federalists, ohne Besteuerungsrecht und Militärgewalt könne es gar keine Regierung geben, von einer starken 137

138 139

Die beste Darstellung von Gerrys kurzem Gastspiel im Konvent gibt Billias, Elbridge Gerry, S. 213 f. Siehe auch King to Madison, Boston, 20. 1. 1788, Rutland X, 440 f. Jackson schrieb an Knox, Gerrys Verhalten sei „extraordinary and unaccountable, his friends are at a loss what can be his motives." 23. 1. 1788, Knox Papers, MHi. 24. 1. 1788. George R. Minot, Journal, Jan./Febr. 1788, Sedgwick (Minot) Papers, MHi.

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Union profitiere der Norden wirtschaftlich mehr als der Süden, und mit der Verfassung sei der erste Schritt zur Abschaffung der Sklaverei getan. So redeten beide Seiten lange Zeit aneinander vorbei. Die wirklich wichtigen Dinge trugen sich aber vorerst ohnehin nicht i m Konvent zu, sondern um ihn herum und hinter seinen Kulissen. 140 Nach der Selbstausschaltung Gerrys war es den Federalists hauptsächlich darum zu tun, zwei andere mögliche Gegenspieler von Gewicht, Gouverneur Hancock und Samuel Adams, auf den richtigen Kurs zu bringen. Die Mittel und Methoden, die sie zur Beeinflussung anwendeten, waren differenziert und genau auf den Charakter der beiden Persönlichkeiten zugeschnitten. Schon am Vorabend des Konvents hatten die North EndHandwerker fast 400 Sympathisanten zu ihrem bislang größten caucus in den Green Dragon zusammengerufen. Dort beratschlagten sie, wie Samuel Adams von einer offenen Parteinahme gegen die Verfassung abgehalten werden könnte. Paul Revere, der Adams im April 1775 die Kunde vom bevorstehenden britischen Angriff auf Concord gebracht hatte, wurde ausersehen, ihm nun den schriftlichen Ratifizierungswunsch der Versammlung mitzuteilen. In Minots Augen kam das einer Beleidigung gleich, die es Adams nicht mehr erlaubte, über das Verfassungsproblem frei zu sprechen. Dieser Druck von der Basis wurde während des gesamten Konvents aufrechterhalten. Am 20. Januar schrieb Jackson an Knox, Adams werde sich wohl weiterhin still verhalten, „as the meeting of the mechanicks of the Town and their proceedings must and will have an influence over him." Vier Tage darauf erklärte Adams dann im Konvent, er habe zwar immer noch Schwierigkeiten mit der Verfassung, sei aber entschlossen, „rather to be an auditor, than an objector." 141 John Hancock, den Zweifel an der Verfassung mindestens so sehr plagten wie die Gicht, wurde durch Schmeicheleien und Versprechungen gewonnen. Führende Federalists, darunter Geistliche, die er besonders hochachtete, suchten ihn wiederholt am Krankenlager auf und redeten ihm ein, er halte die Entscheidung über Sein oder Nichtsein der Vereinigten Staaten in Händen. Falls er der Verfassung den Weg ebnen helfe, sei ihm die Unterstützung Bowdoins und dessen Anhänger für die 140

141

Gorham beleuchtete die Szene in einem Brief an Knox vom 20. 1.: „... every measure of contrivance possible is used by both sides to gain priorities — as the Antifederals are more mixed in the Lodging Houses with those Neutral characters they have the best chance by private Conversations — while the federalists have the best of it in public." Knox Papers, MHi. Vgl. Jackson to Knox, 20. 1. 1788, Knox Papers, MHi; Wells, Life of Samuel Adams III, 258 ff. Am 19. 1. fand die Beerdigung von Adams' Sohn statt.

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Wiederwahl zum Gouverneur sicher. Darüber hinaus könne er mit der Vizepräsidentschaft der Union rechnen und dürfe sich, vorausgesetzt Virginia ratifiziere nicht, sogar Hoffnungen auf das Präsidentenamt machen. 142 Dergestalt präpariert, willigte Hancock ein, im Konvent zu erscheinen und den von den Federalists insgeheim vorbereiteten Amendment-Plan als eigenes Kompromißangebot zu unterbreiten. Für dieses Eingreifen wurde es höchste Zeit, weil die Opposition plötzlich seit dem 23. Januar auf Beschleunigung und baldigen Abschluß der Debatte drängte. Da die Federalists trotz all ihrer Uberzeugungskraft und trotz des Eifers, mit dem sie einzelne Delegierten außerhalb des Konvents bearbeiteten, noch keine wesentlichen Fortschritte erzielt hatten, mußten sie sich nun wohl oder übel zu Zugeständnissen bequemen. Der Gedanke, die Annahme der Verfassung mit Amendment-Empfehlungen an den Kongreß und die anderen Staaten zu verbinden, war schon gelegentlich privat erwogen worden und konnte auch aus Gerrys Stellungnahmen herausgelesen werden. 143 Den ersten konkreten Hinweis enthielt ein Brief David Ramsays aus Charleston an Benjamin Rush vom 10. November 1787, in dem es hieß, die aufgetretenen Widerstände seien womöglich leichter beiseitezuräumen, „if the first state convention after accepting [the Constitution] in its present form would nevertheless express their approbation of some alterations being made on the condition that Congress & the other States concurred with them. I think this would cause no delay nor would it endanger the acceptance of the constitution ... I would not make these alterations conditions of acceptance: I would rather trust to the mode of alteration proposed in it than hazard or even delay the acceptance of the proposed plan." 144 Die pennsylvanischen Federalists griffen diese Idee nicht auf, weil ihre Ratifizierungsmehrheit stets außer Zweifel stand. In Boston hielt man dagegen das Instrument der „recommendatory amendments" von Anfang an für den Fall bereit, daß die Verfassung ernsthaft in Gefahr geraten sollte. Rufus King Schloß Madison gegenüber schon am 16. Januar 142

143 144

Vgl. King to Horatio Gates, 20. 1. 1788, Emmet Coll., NN; King to Knox, 3. 2. 1788, King, Life of Rufus King I, 319; King to Madison, 3. 2. 1788, Rutland X, 465 f.; Edmund Quincy, Life of Josiah Quincy of Massachusetts, Boston 1868, S. 38; George H. Haynes, The Conciliatory Proposition in the Massachusetts Convention of 1788, in: Am. Antiqu. Soc. Proceed. 29 (1919), S. 2 9 4 - 3 1 1 . Über den Einfluß des Rev. Samuel West auf Hancock William J. Potter, The First Congregational Society in New Bedford, Mass., New Bedford 1889, S. 1 1 7 f f . Billias, Elbridge Gerry, S. 208. DHRC XIV, 83 f.

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Verbesserungsvorschläge nicht völlig aus, und John Avery erachtete drei Tage später eine knappe Mehrheit nur dann für möglich, wenn sich die Verfassungsfreunde mit den Befürwortern von Amendments zusammentäten: „My Wishes are that they adopt it and propose Amendments which when agreed upon, to transmit to the several States for their Concurrence ... That Amendments should be made, seems to be the prevailing Opinion." Am 26. Januar sprach sich im Massachusetts Centinel auch ein Antifederalist, vermutlich James Sullivan, für Änderungsempfehlungen aus. 145 Zu dieser Zeit hatten die Federalists bereits ihren caucus gebildet, eine Art Fraktionsvorstand, der regelmäßig zwischen den Sitzungen zusammentrat und fieberhaft inhaltliche Fragen und taktische Maßnahmen beriet. Während hier der Amendment-Plan Gestalt annahm, bereiteten King, Jackson, Gorham und Lincoln ihre Briefpartner in New York und Virginia möglichst schonend darauf vor, daß die Ratifizierung nur um den Preis von Verbesserungsempfehlungen zu haben sein werde. Im Konvent vermieden sie zunächst noch jegliches Kräftemessen mit der Opposition: „From motives of Policy we have not taken any Question which has divided the House, or shown the strength of sides." Der Gegner sei bestrebt, so stellte Lincoln am 27. Januar die Lage dar, „to hurry over the business and bring on as soon as possible the main question — however this they are not permitted to do." 146 Ende Januar hatte man Hancock endlich so weit, die Amendments im Konvent einzubringen. Wären sie offiziell von den Federalists gekommen, hätten sie angesichts des vorherrschenden Mißtrauens womöglich ihre Wirkung verfehlt. Selbst beim Gelingen des Schachzugs rechneten die Federalists nur mit einer knappen Mehrheit von 12 bis 15 Stimmen. King sah den Höhepunkt herannahen: „Our Business approaches to a crisis and the result is still uncertain." Verschwiegenheit und Geheimhaltung waren oberstes Gebot: „All this is scarcely known out of our caucus, wherein we work as hard as in Convention." 147 Am 30. Januar 145

146

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Vgl. King to Madison, 16. 1. 1788, Rutland X, 376; John Avery to George Thatcher, 19. 1. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 265 f.; Main, Antifederalists, S. 205. Vgl. King to Knox, 27. 1. 1788, Knox Papers, Μ Hi; Lincoln to Washington, 27. 1. 1788, in: State Dept. Doc. Hist, of the Const. IV, 460 f. Am Ende schrieb Belknap: „The Antis would have had the question called much sooner, but the Feds, protracted the debates on paragraphs till they were sure of a majority." To Hazard, 10. 2. 1788, Correspondence III, 17 ff. King to George Thatcher, 30. 1. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 269; Tristram Dalton to Michael Hodge, 30. 1. 1788, in: Stone, Parsons and the Convention, S. 81 ff.

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fühlte sich Hancock gesund genug, den Präsidentensitz im Konvent einzunehmen. Sein großer Auftritt vom 31. Januar wurde durch einen überraschenden federalistischen Abstimmungsantrag und eine betont versöhnliche Rede von General William Heath effektvoll vorbereitet. In Frageform gekleidet, wiesen Heaths Ausführungen die Richtung: „If we should ratify the Constitution, and instruct our first members to Congress, to exert their utmost endeavours to have such checks, and guards provided as appears to be necessary in some of the paragraphs of the Constitution ... is there not the highest probability that every thing which we wish may be effectually secured?" Damit gab er Hancock das Stichwort, seine Intervention für den Nachmittag anzukündigen. Die Zuschauer harrten auf den Tribünen aus und ließen sich das Essen bringen, um ja nichts zu versäumen. 148 Zu Beginn der Nachmittagssitzung stellte Hancock die Amendments im einzelnen vor und legte den Delegierten ihre sorgfaltige Prüfung ans Herz. Umgehend sprachen sich nicht nur Bowdoin, sondern auch Samuel Adams, den man rechtzeitig ins Vertrauen gezogen hatte, mit warmen Worten für die Annahme des „Hancock-Vorschlags" aus. Er habe bemerkt, daß die Einwände gegen die Verfassung bis nach Virginia hinunter ähnlich seien. Die Amerikaner dürften sich nun auf keinen Fall entzweihen lassen. Wenn Massachusetts durch die Annahme von Verbesserungsempfehlungen ein Beispiel gebe, würden die übrigen Staaten gewiß ohne Zögern Folge leisten. Der Coup schien gelungen, doch der Widerstand der Verfassungsgegner brach noch keineswegs zusammen. Auch sie hatten sich inzwischen organisiert, hielten vertrauliche Teffen ab und wurden von erfahrenen Politikern und fähigen Essayisten wie James Warren und James Winthrop mit Rat und Tat unterstützt. 149 Ihrer Meinung nach war der Konvent nicht befugt, Amendments zu empfehlen, und selbst wenn er es täte, sei eine spätere Übernahme dieser Klauseln in die Verfassung äußerst unwahrscheinlich. Die Federalists wollten die Hancock-Initiative nur als Ausgleichsangebot und nicht als Eingeständnis notwendiger Änderungen verstanden wissen. Trotzdem machte General Thompson keinen Hehl 148

Mass. Convention Debates, 31. 1. 1788; Jackson to Knox, 3. 2. 1788, Knox Papers,

MHi. 149

Siehe George Benson to Nicholas Brown, 3. 2. 1788, Brown Papers, John C. Brown Library, Brown Univ.; David Sewall to George Thatcher, 4. 3. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 343; „A Federalist", Mass. Centinel, 26. 1. 1788. In der Mass. Gazette vom 8. 2. 1788 hielt ein Autor dem antifederalistischen Essayisten „Helvidius Priscus" die Teilnahme an „nocturnal scenes of conspiracy" in den Herbergen der Stadt vor.

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daraus, welche Genugtuung es ihm und seinen Anhängern bereitete, daß sich die „gentlemen" nun offenbar selbst von den Mängeln des Verfassungsentwurfs überzeugt hätten. Erneut stand alles auf des Messers Schneide, und die Kräfteverhältnisse im Konvent schienen zu schwanken wie die Quecksilbersäule im Thermometer. 150 Nachdem die Antifederalists gegen Ende Januar noch über 200 Delegierte auf ihrer Seite geglaubt hatten, sagte Gorham am 3. Februar eine federalistische 185:160-Mehrheit voraus, fügte aber hinzu, die Opposition rechne sich weiterhin zehn Stimmen Vorsprung aus. 151 Nun war den Federalists beinahe jedes Mittel recht, die notwendige Zahl von „Proselyten" zu machen: „We are not idle by Night and Day — and sacrifice everything but moral Honesty to carry our point," verriet Tristram Dalton einem Brieffreund. 152 Familienangehörige, Geschäftspartner und Gläubiger wurden veranlaßt, moralischen und wohl auch finanziellen Druck auf „verstockte" Delegierte auszuüben. Den „armen Teufeln" unter den Antifederalists jagte man mit der Nachricht Angst ein, die Staatskasse sei leer, und nur im Falle der Ratifizierung werde genügend Geld zusammenkommen, um die Aufwandsentschädigungen auszahlen zu können. 153 Die meisten derjenigen Abgeordneten, die sich in letzter Minute umbesannen, übertrafen aber — wie Nathaniel Barrell, Charles Jarvis, John Winthrop, Charles Turner und William Symmes — an Wohlstand und Prestige den antifederalistischen Durchschnitt und kamen aus Küstenorten. 154 Als der Konvent am 2. Februar eine Amendment-Kommission einsetzte, der pro County zwei Delegierte angehörten, glaubten die Antifederalists, die Sitze seien gleichmäßig verteilt. In Wirklichkeit hatten die Federalists Überläufer eingeschmuggelt, die ihnen eine Mehrheit sicherten. 155 15 von 24 Kommissionsmitgliedern rieten am 4. Februar zur Annahme des leicht modifizierten Hancock-Plans. Tags darauf wollten die Antifederalists der drohenden Niederlage durch einen

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So Dalton to [?], 3. 2. 1788, in: Stone, Parsons and the Convention, S. 87 f. Vgl. Matthew Cobb to George Thatcher, 24. 1. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 268; Gorham to Knox, 3. 2. 1788, Knox Papers, MHi. Das Führen von Listen, auf denen die Delegiertennamen mit den Zusätzen Fed, Anti und Neutral gekennzeichnet waren, wurde geradezu zum Sport. Verlassen konnte man sich jedoch auf keine einzige von ihnen. To Stephen Hooper, 31. 1. 1788, in: Stone, Parsons, S. 94. Jackson to Knox, 3. 2. 1788, Knox Papers, MHi. Main, Antifederalists, S. 206. Vgl. King to Madison, 3. 2. 1788, Rutland X, 465 f.; Benson to Brown, 3. 2. 1788, s. o. Anm. 149.

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Vertagungsbeschluß zuvorzukommen, fanden jedoch nur bei 115 der 329 anwesenden Delegierten Rückhalt. Am Mittwoch, den 6. Februar, unternahm Samuel Adams einen letzten Vermittlungsversuch, mußte aber seine eilends niedergeschriebene Amendment-Version mangels Interesses sofort wieder zurückziehen. 156 Danach schritten die Delegierten zur Wahl und billigten den Kommissionsbericht und den Verfassungsentwurf mit 187 gegen 168 Stimmen. Die neun Verbesserungsvorschläge wurden in die Ratifizierungsurkunde aufgenommen und mit folgendem Passus eingeleitet: „And, as it is the opinion of this Convention, that certain amendments and alterations in the said Constitution, would remove the fears, and quiet the apprehensions of many of the good people of this Commonwealth, and more effectually guard against an undue administration of the federal government, the Convention do therefore recommend, that the following alterations and provisions be introduced into the said Constitution." Das erste Amendment forderte die Zusage, daß den Staaten alle Rechte, die der Verfassungstext nicht ausdrücklich an die Bundesregierung delegiere, erhalten blieben. Ein solcher Satz kam nach allgemeiner Auffassung einer Bill of Rights gleich. Die weiteren Vorschläge waren dazu gedacht, den Repräsentationsmodus und das Eingriffsrecht des Kongresses in Wahlangelegenheiten genauer zu definieren, die Erhebung direkter Steuern durch den Kongreß auf Notfälle zu beschränken, Handelsmonopole zu verbieten, sowie die Befugnisse der Judikative einzuschränken und die Geschworenengerichtsbarkeit zu sichern. Ferner sollte dem Kongreß untersagt werden, die Verleihung von Adelstiteln und ähnlichen Würden durch fremde Potentaten und Staaten an Amtsträger der Union zu erlauben. Endlich trug die „Form of Ratification" den künftigen Kongreß-Abgeordneten aus Massachusetts auf, ihren ganzen Einfluß dahingehend geltend zu machen, daß diese Ergänzungen und Schutzvorkehrungen gemäß Artikel V des Entwurfs geltendes Verfassungsrecht würden. 157

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„S. Adams had almost overset the apple-cart by introducing an amendment of his own fabrication ... A. has made himself unpopular." Belknap to Hazard, 10. 2. 1788, Correspondence III, 17 ff. 6. 2. 1788: Mass. Convention, 1788. Resolutions ratifying Constitution and proposing amendments. Commonwealth of Massachusetts. Copy in MHi, Livingston Papers. Kopien wurden an alle anderen Staaten der Union und an den Kongreß geschickt. Den genauen Wortlaut der Massachusetts-Amendments gibt Edward Dumbauld, The Bill of Rights and What It Means Today, Norman, Okl., 1957, S. 175 ff.

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Trotz des fortbestehenden untergründigen Mißtrauens klang der Konvent mit einer versöhnlichen Note aus. Eine Reihe von Abgeordneten, die gegen die Ratifizierung gestimmt hatten, erklärten feierlich ihre Bereitschaft, die Mehrheitsentscheidung zu respektieren und dafür zu sorgen, daß Friede, Eintracht und Respekt vor Gesetz und Verfassung gewahrt blieben. Widgery sagte zu, „to sow the seeds of union and peace among the people he represented", und dankte den Bostonern, daß sie den Konvent nicht unfair beeinflußt hätten. Ungeachtet seines Widerstands gegen die Verfassung wollte White nun alles tun, „to induce his constituents to live in peace under, and chearfully submit to it." Auch Cooly versprach, um Verständnis für die Ratifizierung zu werben, und Dr. Taylor „found himself fairly beaten — and expressed his determination to go home, and endeavour to infuse a spirit of harmony and love among the people." Am Schlußtag deutete selbst Nasson an, daß er die Verfassung unterstützen werde, und Major Sawin gab zu, „that the Constitution had had a fair trial." Von den führenden Antifederalists verzichteten nur Singletary und General Thompson auf derartige Beteuerungen. Wer als Kritiker gekommen war und im Laufe des Konvents die Meinung geändert hatte, brauchte sich keine Vorwürfe zu machen, sondern konnte den Anspruch erheben, mit dem erfolgreichen Kampf für Amendments seinen Instruktionen Genüge getan zu haben. Die Federalists versagten ihren politischen Gegnern zumindest nach außen hin nicht den Respekt und bezogen sie in die Feierlichkeiten ein, die der Sheriff von Suffolk County mit der Proklamation des Ratifizierungsbeschlusses vom Balkon des State House eröffnete. 158 Sie folgten dem Rat Washingtons, der unter dem Eindruck der pennsylvanischen Ereignisse geschrieben hatte, die Freunde des neuen Systems könnten die Opposition wohl überwinden, „yet they would never be able, by precipitate or violent measures, to sooth and reconcile their minds to the exercise of the Government; which is a matter that ought as much as possible to be kept in view." 159 158

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William Heath vermerkte am 7. 2. 1788 in sein Tagebuch: „... the candid and conciliating disposition of the minority is such as to afford the most pleasing hopes, of harmony and good agreement among the people." Diary, MHi. „No example was ever mote worthy of imitation than that of the minority of the Massachusetts Convention," lobte Short in Paris: To W. Smith, 27. 5. 1788, Gilpin Papers, PHi. Positiv auch Gore to Thatcher, 6. 2. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 269; King to Madison, 6. 2. 1788, Rutland X, 475; Lincoln to Washington, 6. 2. 1788, State Dept. Doc. Hist, of Const. IV, 480 f. Washington to Lincoln, 31. 1. 1788, in: Fitzpatrick XXIX,395 ff.

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Am Verhalten der Federalists in Boston ist immer wieder Kritik geübt worden. Den Anfang machte Sekretär Minot persönlich, der seine Tagebuchaufzeichnungen vom Konvent „Bad measures in a good cause" überschrieb und mit dem ominösen Satz einleitete: „Never was there a political system introduced by less worthy means, than the new constitution for the United States." John Quincy Adams verübelte es seinem Lehrherrn Theophilus Parsons, daß er sich nach der Rückkehr aus Boston mit den Manövern und Finten brüstete, denen die Federalists ihren Sieg verdankten: „Mr. Parsons makes of the science of politics the science of little, insignificant intrigue and chicanery — these principles may possibly meet with success sometimes; but it is in my opinion that fair, open and candid proceedings add an influence as well as a lustre to the most brilliant capacity." Den New Yorker Opponenten galt der Bostoner Konvent später als warnendes Beispiel dafür, was „Federal Chicanery" alles vermochte.160 Auch historische Darstellungen erwecken zuweilen den Eindruck, bei der Ratifizierungsentscheidung sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Man sollte sich aber hüten, von der moralischen Fragwürdigkeit mancher der angewendeten Methoden vorschnell darauf zu schließen, daß die Grenzen legitimer politischer Einflußnahme überschritten worden sind. Aus den Parlamenten war man taktische Finessen und Tricks, Fallstricke und Fußangeln, Täuschungsmanöver und Ränkespiele, kurz: den Kampf mit harten Bandagen durchaus gewöhnt. Abgesehen davon, daß es bei der Verfassungsdiskussion um weit mehr ging, fiel der Konvent also keineswegs aus dem üblichen Rahmen der politischen Tagespraxis. Neu waren höchstens der Grad der Organisation, symbolisiert im caucus, 161 und die Zielstrebigkeit, mit der die Parteien zu Werke gingen. Der einzige schwerwiegende Vorwurf, der in Boston erhoben wurde, lautete auf Bestechung antifederalistischer Delegierter. Er hielt aber einer Untersuchung nicht stand, sondern erwies sich als Gerücht, dessen Urheber identifiziert werden konnte und Abbitte leistete.162 160

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Vgl. Minot Journal, Jan./Febr. 1788, s. o. Anm. 139; J. Q. Adams Diary, 11. 2. 1788; Abraham G. Lansing to Abraham Yates, Albany, 22. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN. Zur Geschichte dieser Institution in Boston siehe Alan and Katherine Day, Another Look at the Boston .Caucus', in: JAS 5 (1971), S. 1 9 - 4 2 . Nachdem der Konvent am 21. 1. eine Kommission zur Untersuchung der von „Centinel" in der Boston Gazette erhobenen Vorwürfe eingesetzt hatte, gab der Autor zu, daß seine Informationen nur auf Hörensagen beruhten. Die Boston Gazette identifizierte ihn daraufhin mit seinem Einverständnis als Col. William Dennison, „known by his fellow-townsmen as a man of honor and veracity." 28. 1. 1788. Siehe Elliot, Debates II, S. 51.

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Die zweifelhaften Begleitumstände des Bostoner Konvents dürfen nicht von seiner enormen Bedeutung und seinen positiven Aspekten ablenken. Erstmals waren Kritiker und Anhänger des Verfassungsentwurfs einen Schritt aufeinander zugegangen. Die Antifederalists unterlagen nur sehr knapp, und die Federalists mußten Zugeständnisse machen, von denen sie, wie sich bald zeigen sollte, nicht mehr ohne weiteres abrücken konnten. Nach Boston stand die Ratifizierungsdebatte unter einem gewandelten Vorzeichen. Bislang war es allein um Billigung oder Ablehnung des Verfassungstextes gegangen; nun konzentrierte sich das Interesse immer stärker auf die Art und Weise der Annahme einschließlich möglicher Bedingungen für die Ratifizierung. Was Fisher Ames über die Schlußphase der Bostoner Beratungen gesagt hatte, traf im Grunde für die gesamte Union zu: Fortan würden sich alle Ratifizierungskonvente vor die Frage gestellt sehen, welche Amendments sie für unabdingbar erachteten und welche Garantien sie für ihre Übernahme in die Verfassung fordern sollten. 163 Auch wenn die einen gern klarer gewonnen und die anderen lieber zuverlässigere Garantien gehabt hätten, bestand gleichwohl für beide Seiten Grund zum Optimismus. Natürlich waren die Federalists besser davongekommen, hatten sie doch aus der Minderheit eine Mehrheit gemacht und die Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses sichergestellt. Mit der Vorlage von Verbesserungsempfehlungen war ihnen ein Schachzug gelungen, der die gegnerische Kritik abfederte, ohne die Substanz der Verfassung aufs Spiel zu setzen. Madison hielt die Amendments zwar für einen „Makel" (blemish), glaubte aber, sie seien auf die „am wenigsten anstößige Weise" mit dem Ratifizierungsakt verbunden worden. 163a Andere Federalists machten ihrer Erleichterung vernehmbarer Luft und priesen die glückliche Wendung in Boston als „the most important event that ever took place in America", oder dankten der „oberruling Providence", daß sie die Vereinigten Staaten vor dem Untergang bewahrt habe. Andererseits hatte die Opposition nicht nur ihre numerische Stärke, sondern auch vorbildliche republikanische Gesinnung demonstriert. Sie verfügte nun über die schriftliche Zusage der Federalists, sich „mit allen vernünftigen und zulässigen Mitteln" für die Erfüllung der Änderungs-

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S. o. S. 580. Madison to Washington, New York, 15. 2. 1788, Rutland X, 510; John Avery to George Thatcher, Boston, 13. 2. 1788, Historical Magazine 6, S. 337 f.; Ebenezer Hazard to Belknap, New York, 13. 2. 1788, Belknap Papers V, S. 19; Carrington to Knox, Richmond, 13. 3. 1788, Knox Papers, MHi.

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und Ergänzungswünsche einzusetzen. Niemand begriff besser, was das bedeutete, als Jefferson im fernen Paris. Sobald er die Bostoner Entscheidung kannte, riet er unablässig zur Nachahmung der „Massachusetts mode of ratification" und des „glorious example of Massachusetts". Er bete inständig, heißt es in einem Brief an Thomas Lee Shippen vom Juni, die restlichen Staaten möchten die Verfassung annehmen, „as Massachusetts has done, with standing instructions to their delegates to press for amendments till they are obtained. They cannot fail of being obtained when the delegates of 8 states shall be under such perpetual instructions." 164 Das Beispiel von Massachusetts fand auf dem Konvent des nördlichen Nachbarn New Hampshire in Exeter Beachtung, ohne allerdings dort schon seine volle Wirkung zu entfalten. Die Federalists mußten zunächst die verblüffende Erfahrung machen, daß von den über einhundert Delegierten nur etwa 30 voll auf ihrer Seite standen, der Rest hingegen entweder zögerte oder Weisung erhalten hatte, eine bedingungslose Ratifizierung zu verhindern. Wie heterogen diese antifederalistische Mehrheit war, wurde allerdings schon deutlich, als die Verfassungsanhänger das Präsidentenamt, den Sekretärsposten sowie die Wahlprüfungs- und Regelkommission mit Männern ihrer Wahl besetzen konnten. Die verabschiedeten rules erlaubten denn auch erste Rückschlüsse auf die federalistische Taktik. Bedeutung kam vor allem den Regeln 7 und 10 zu, die festlegten, daß nur über die Frage der Annahme der Verfassung namentlich abgestimmt werden durfte, und daß ein Vertagungsantrag vorrangig zu behandeln sei. Dahinter stand der Wunsch, eine negative Entscheidung durch Unterbrechung und Verschiebung des Konvents zu umgehen. 165 In der Debatte nach Artikeln und Paragraphen operierten die Federalists aus der Defensive heraus. Der Hauptsprecher der Opposition, Joshua Atherton, fuhr schweres Geschütz gegen den Entwurf auf und 164 165

Boyd XIII, 276 f.; vgl. 208 ff., 315 f. Journal of the Proceedings of the Convention in Exeter, 1788, S. 17 f. Vgl. William F. Whitcher, New Hampshire and the Federal Constitution, in: Granite Monthly 11 (1888), S. 2 0 3 - 2 0 9 ; Joseph B. Walker, Birth of the Federal Constitution. A History of the New Hampshire Convention for the Investigation, Discussion, and Decision of the Federal Constitution, Boston, Mass., 1888; John B. Archer, The First New Hampshire Convention to Ratify the Constitution, February 1788, and the Toscan Report, in: HNH 36 (1981), S. 3 8 - 5 7 ; Batchellor, Adoption of the Federal Constitution by New Hampshire (1899), S. 24 ff.; Eiseman, Ratification by New Hampshire (1938), S. 36 ff.; Oliver, Keystone, S. 49 ff.

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„picked all the holes in it he possibly could." 166 Ins Zentrum der Kritik gerieten die zwei- bzw. sechsjährigen Wahlperioden für Repräsentanten und Senatoren, die zahlreichen, in Sektion 8 von Artikel I aufgelisteten Befugnisse des Kongresses, die Bundesgerichtsbarkeit, der Sklavereikompromiß sowie der Verzicht auf religiöse Ämterqualifikationen und Eidesleistungen. Bei ihren Verteidigungsreden profitierten Langdon, Sullivan, Livermore und John Pickering von den brieflichen Vorwarnungen und Zeitungsreportagen aus Boston. Sie mußten aber auch auf skurril anmutende Vorwürfe wie den gefaßt sein, daß nach der Verfassung ein Türke, Jude, Katholik oder, was noch schlimmer sei, ein Universalist Präsident der Vereinigten Staaten werden könne. Die Antifederalists erhielten ebenfalls Schützenhilfe aus Massachusetts. Zusammen mit John Quincy Adams erschien Dr. Kilham in Exeter, der sich einige Monate zuvor im Bostoner Parlament vergeblich gegen die Einberufung eines Ratifizierungskonvents gewehrt hatte. Beide nahmen Quartier bei dem New Hampshire-Politiker Nathaniel Peabody, der dem Konvent nicht angehörte, sehr zum Leidwesen der Federalists aber keine Gelegenheit ausließ, um einzelne Delegierte in ihrem Widerstand gegen die Verfassung zu bestärken. 167 Nach einer Woche war es den Federalists durch Überredung und handfestere Beeinflussung gelungen, die Kräfte ungefähr in die Waage zu bringen. Als der Konvent am 21. Februar zur allgemeinen Aussprache überging, rechneten sie mit 45 Ratifizierungsbefürwortern und 11 Delegierten, die sich eventuell von ihren Instruktionen lösen und mit Ja stimmen wollten. Einige weitere deuteten an, daß sie eine Beratungspause dazu nutzen könnten, ihre Wähler um positive Weisungen zu bitten. 168 Da der Gedanke einer kurzen Unterbrechung jedoch aus praktischen Gründen fallengelassen werden mußte, erschien die Gesamtlage zu un-

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Samuel Lane to Paine Wingate, Stratham, 17. 3. 1788, Lane Family Papers, NHHi. J. Q. Adams Diary, 21. 2. 1788; Libby to Belknap, Portsmouth, 19. u. 22. 2. 1788, Belknap Papers III, S. 388 ff. Federalist William Plumer bezeichnete Peabody als einen „infidel" und „Blasphemer", der hoch verschuldet sei und sein Haus zum Treffpunkt der „vilest of men" gemacht habe. Beim Volk sei er wegen seines Eintretens für Schuldnerschutz und Papiergeld beliebt: „As his popularity depended on the lowest classes of the people, he pursued measures to please them." To John Hale, Londonderry, 14. 10. 1786, in: Letters of William Plumer, 1 7 8 6 - 1 7 8 7 . Publications of the Colonial Society of Mass., vol. XI, Boston 1910, S. 383 ff. Libby to Belknap, 22. 2. 1788; John Sullivan to Belknap, Durham, 26. 2. 1788, Belknap Papers III, 389 ff.; to Nicholas Gilman, Durham, 28. 2. 1788, Gratz Coll., PHi.

Die Geschichte der

Ratiß^ierungskonvente

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gewiß, um das Schlußvotum zu riskieren. Als einzige Alternative bot sich die längerfristige Vertagung des Konvents an, die es allen verständigungswilligen Abgeordneten gestattete, daheim für eine Ratifizierung nach dem Vorbild von Massachusetts zu werben. Das entsprach auch dem privat geäußerten Wunsch etlicher Delegierter, die kommenden Assembly-Wahlen abzuwarten. Sie fürchteten nämlich, ihr Parlamentsmandat zu verlieren, falls sie die Verfassung entgegen den Weisungen der Town Meetings guthießen. Außerdem erlaubte ein mehrmonatiger Aufschub, die Handlungsweise der anderen Staaten zu beobachten und sich ein besseres Bild vom voraussichtlichen Schicksal des Entwurfs zu machen. 169 John Quincy Adams beurteilte den Vertagungsvorschlag als „the offspring of the fears of the federal party." Die oppositionelle Fraktion habe sich aber nur schwach widersetzt, da ihr ebenfalls Angst vor einer unwiderruflichen Entscheidung geworden sei.170 Dennoch fiel das Abstimmungsergebnis am 22. Februar recht knapp aus. Nur 56 der 107 anwesenden Delegierten unterstützten den Antrag, die Debatte ohne Beschluß abzubrechen und den Konvent auf den dritten Mittwoch im Juni nach Concord neu einzuberufen. Privat und öffentlich wurden die negativen Instruktionen als das eigentliche Hindernis namhaft gemacht. Der Grund für den Vertagungswunsch zahlreicher Abgeordneter war laut New Hampshire Gazette, „their being tied up to instructions, to vote against the constitution, of which they could not divest themselves without incurring the displeasure of their constituents." In Anbetracht der Weisungen, die so viele Delegierte wider ihren Willen banden, sei es das beste gewesen, schrieb Präsident Sullivan, „to have an adjournment that they might go home & obtain liberty to act their own judgement." Mit den anderen Federalists war er sich einig, daß im Juni wesentlich bessere Voraussetzungen herrschen dürften, und die Verfassung dann wohl problemlos angenommen werden würde. 171 Außerhalb New Hampshires überwogen zunächst Enttäuschung und Skepsis. Sie wurden noch durch die Falschmeldung genährt, der Konvent

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John Vaughan to John Dickinson, Philadelphia, 9. 3. 1788, Dickinson Papers, LibCPh; Lane to Wingate, 17. 3. 1788, s. ο. Anm. 166. J. Q. Adams Diary, 22. 2. 1788; vgl. William Heath Diary, 24. 2. 1788, MHi; Jackson to Knox, Boston, 24. 2. 1788, Knox Papers, MHi. Ν. Η. Gazette, 27. 2. 1788; Sullivan to Belknap, 26. 2. 1788, s. o. Anm. 168; Gorham to Knox, Boston, 27. 2. 1788, Knox Papers, MHi; Langdon to Washington, Portsmouth, 28. 2. 1788, Washington Papers, LC.

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Die Ratifi^ierungskonvente der dreizehn Staaten

habe 54:51 gegen die Ratifizierung votiert und sich dann erst vertagt. 172 Allmählich gewann aber die Einsicht an Boden, daß die Federalists gut daran getan hatten, den befristeten Aufschub einer ungewissen Schlußabstimmung vorzuziehen. Wenn die Opponenten wie gute Politiker agiert hätte, wäre es um die Verfassung in New Hampshire definitiv geschehen gewesen, berichtete Tobias Lear nach Mount Vernon. 173 Nahm man Neuengland als Ganzes, dann hätte es in der Tat schlimmer kommen können. Sowohl in Massachusetts als auch in New Hampshire hatte bei Konventbeginn die Ablehnung der Verfassung gedroht, und mit Rhode Islands Zustimmung war ohnehin nicht zu rechnen. Niederlagen in drei der vier Neuenglandstaaten wären aber aller Wahrscheinlichkeit nach das vorzeitige Aus für die „revolution in government" gewesen. Daß die Krise überwunden werden konnte, lag gleichermaßen am taktischen Geschick der Federalists, wie am politischen Unvermögen und mangelnden Zusammenhalt ihrer Gegner. Boston und Exeter hatten aber auch gezeigt, daß vielen Kritikern im entscheidenden Moment der Mut fehlte, den Verfassungsplan schlichtweg zu verwerfen, und daß sie sehnsüchtig nach Behelfslösungen, Kompromissen und Brückenschlägen Ausschau hielten.

Neuer Schwung: Maryland

und South

Carolina

Nach den Erfahrungen von New Hampshire und Rhode Island lautete die federalistische Parole, jede weitere Verzögerung unbedingt zu vermeiden. Das bekamen als erste die wenigen Ratifizierungsgegner zu spüren, die den Sprung in den Maryland-Konvent geschafft hatten. Ihnen eilte bereits das Gerücht voraus, sie wollten auf Zeitgewinn spielen und eine Vertagung oder Amendments erreichen, was wiederum die Diskussionen in Virginia und den Carolinas ungünstig zu beeinflussen drohte. Das auffällige Fernbleiben ihrer Führer von der Eröffnung und den ersten Sitzungen des Konvents war geeignet, diesen Verdacht zu erhärten. Die Federalists organisierten sich deshalb sofort in der Form eines caucus 172

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Siehe ζ. B. Ezra Stiles Diary, 28. 2. u. 4. 3. 1788; Thaddeus Leavitt Diary, 29. 2. 1788, Suffield, Conn., Kent Memorial Library. In New York fürchtete Madsion, „the influence of this check will be considerable in this State and in several others." To Pendleton, 3. 3. 1788, Rutland X, 554. Pessimistisch äußerte sich auch der Kongreß-Delegierte Nicholas Gilman in einem Brief an Präsident Sullivan vom 23. 3. 1788, Ν. H. Mise. (Peter Force), 1782-1809, LC. Lear to Washington, 2. 6. 1788, Washington Papers, LC.

Die Geschichte der

Ratifi^ierungskonvente

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(den man bis dahin in Maryland gar nicht kannte) und beschlossen, die Verfassung auf dem schnellsten Wege ohne Abstriche zu ratifizieren. 174 Bevor Chase, Paca und Martin am vierten Tag in Annapolis erschienen, hatte die Mehrheit bereits durch Regeln und Resolutionen festgelegt, daß nur über die Annahme der Verfassung abgestimmt werden durfte, und daß eine Debatte nach Paragraphen unterbleiben sollte. Zur Begründung verwiesen die federalistischen Delegierten auf die ausführliche öffentliche Diskussion und die unzweideutigen Instruktionen, die sie von ihren Wählern erhalten hatten. Nach der zweiten Lesung des Entwurfs meldete sich Chase am 24. April endlich zu Wort und trug in einer zweieinhalbstündigen Rede 27 Einwände gegen den Entwurf vor. Als er Schloß, trat „tiefes Schweigen" ein: Die Federalists zogen es vor, die Argumente der Opposition nicht zu beantworten, sondern ins Leere gehen zu lassen. Luther Martin war außerstande, Chase beizuspringen, da er auf Grund einer Erkältung seine Stimme verloren hatte. Präsident Thomas Johnson blieb nur noch die Wahl, die Sitzung für geschlossen zu erklären. Ein gehässiger Federalist konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen, Martins Behinderung spare „a great deal of time and money to the state." 175 Den nächsten Vorstoß unternahm William Paca, der in der Nachmittagssitzung Verbesserungsempfehlungen anregte und den Präsidenten um Aufschub ersuchte, bis eine Amendment-Liste zusammengestellt sei. Den meisten Federalists war das ebenfalls nicht geheuer, doch Johnson gab der Bitte statt, weil er Paca schätzte und am politischen Nutzen der federalistischen Taktik, jede Debatte zu ersticken, zu zweifeln begann. 174

175

Vgl. Daniel Carroll to Madison, Rock Creek, 10. 2. 1788, Rutland Χ, 495 f.; James McHenry to Washington, Baltimore, 20. 4. 1788, in: State Dept. Doc. Hist, of the Const. IV; Tilghman to Coxe, Chester Town, 20. 4. 1788, Coxe Papers, PHi. Zum Konventverlauf Bernard C. Steiner, Maryland's Adoption of the Federal Constitution, in: AHR 5 (1899/1900), S. 22 - 44; 2 0 7 - 2 2 4 ; Risjord, Chesapeake Politics, S. 289 ff.; Renzulli, Federalist Years, S. 50 ff.; O'Brian, Challenge to Consensus, S. 311 ff. William Smith to Otho H. Williams, Baltimore, 28. 4. 1788, Williams Papers, MdHi; vgl. Baltimore Md. Journal, 29. 4. 1788. Die Notizen, nach denen Chase seine Rede hielt, sind abgedr. in Storing V, 79 ff. Ein „Private Citizen" veröffentlichte später eine Rede im Baltimore Md. Journal, die er im Konvent nicht hatte halten können, „because it was agreed among the members of the majority not to waste time or protract the decision." 25. 7. u. 1./8. 8. 1788. Zur Konventtaktik aus der Sicht beider Parteien John Vaughan to Langdon, 2. 5. 1788, Langdon/ Elwyn Papers, NHHi; Chase to Lamb, 13. 6. 1788, in: Leake, Memoir of Lamb, S. 310 f.

646

Die Ratifi^ierungskonvente der dreizehn Staaten

Als Paca dann aber tags darauf seine Vorschläge unterbreiten wollte, machten ihm die Federalists klar, daß sie nicht befugt seien, Amendments zu erörtern, solange die Hauptfrage noch im Raum stehe. Nachdem sie allen Einwänden und Protesten der Opposition unbeweglich schweigend zugehört hatten, riefen sie am 26. April zur Abstimmung auf und ratifizierten die Verfassung mit 63 gegen 11 Stimmen. Paca schloß sich der Mehrheit an, um seine Kompromißbereitschaft zu dokumentieren und die Amendment-Idee am Leben zu erhalten. Die Federalists honorierten dies Entgegenkommen, indem sie in die Ernennung eines 13erKomitees einwilligten, das Pacas Plan und eventuelle weitere Änderungswünsche prüfen sollte. Das Komitee, dem neun Federalists und drei Antifederalists angehörten, verständigte sich am 27. April zunächst auf dreizehn Amendments, die zusammen eine Art Grundrechtekatalog bildeten. Dann brachten die Oppositionsvertreter aber fünfzehn weitere Verbesserungsvorschläge ein, von denen einige die Kompetenzen des Präsidenten und des Kongresses erheblich beschnitten hätten. Angesichts des Widerstands der Federalists reduzierte Chase diese fünfzehn schließlich auf drei, die er für essentiell wichtig hielt: Der Einsatz der Miliz jenseits der Grenzen eines Nachbarstaates durfte nur mit Zustimmung der Staatenlegislative erfolgen; dem Kongreß war untersagt, Wahltermine zu ändern; die Eintreibung direkter Bundessteuern sollte suspendiert werden, falls der Staat die angeforderte Summe von sich aus aufbrachte und ablieferte. Als eine 8:5-Mehrheit auch diesen Zusatzantrag verwarf, kündigte Chase an, er werde dem Plenum alle ihm geeignet erscheinenden Amendments unterbreiten. Das wiederum lieferte den Federalists einen Vorwand, sich von den dreizehn gemeinsam getragenen Verbesserungsempfehlungen loszusagen und die Mitarbeit im Komitee einzustellen. Am 28. April trat der Konvent wieder zusammen und lehnte es nach kurzer Diskussion ab, die dreizehn ursprünglichen Amendments in Verbindung mit den drei von Chase vorgeschlagenen zu erörtern. Paca und etliche Federalists unter Führung von Gouverneur Johnson wollten ihre Einigungsbemühungen fortsetzen, doch der Antrag, den Konvent sine die zu vertagen, wurde mit 47 gegen 26 Stimmen angenommen. Darauf blieb nur noch, die Ratifizierungsurkunde zu unterzeichnen und der Öffentlichkeit das Ergebnis bekanntzugeben. Nach dem Vorbild der „Pennsylvania Minority" publizierten die Antifederalists einschließlich Paca am 1. Mai in der Annapolis Maryland Gazette eine abweichende Stellungnahme, die harsche Kritik am Verhalten der Mehrheit übte und alle 28 vom Komitee behandelten Amendments

Die Geschichte der

Ratiji^ierungskxmvente

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aufführte. Der Bevölkerung, so hieß es, solle Gelegenheit gegeben werden, sich selbst ein Bild zu machen: „We consider the proposed form of national government as very defective, and that the liberty and happiness of the people will be endangered if the system be not greatly changed and altered." Fünf Tage später wurde diese „Address of the Minority" von den beiden Baltimorer Gazetten nachgedruckt, und bis Anfang Juni erschien sie in sieben Zeitungen außerhalb Marylands. Weiter verbreitet waren die Amendments selbst, allerdings in einer Fassung, aus der nicht hervorging, ob der Konvent sie akzeptiert oder verworfen hatte. 176 Das öffentliche Echo blieb hinter den Erwartungen oder Befürchtungen der Parteien zurück, so daß die Federalists davon absahen, eine bereits formulierte Entgegnung an die Presse zu geben. 177 Antifederalist John Francis Mercer entwarf eine Botschaft „To the Members of the Conventions of New York and Virginia", in der er davor warnte, falsche Schlüsse aus dem klaren Endergebnis und dem Verzicht auf Amendments zu ziehen. Nach wie vor seien vier Fünftel der Bürger Marylands für „considerable Alterations and Amendments, and will insist on them." Dieser Text wurde aber genausowenig gedruckt, und gelangte allenfalls über Mercers Bruder James privat in die Hände von George Mason und Patrick Henry. 178 Der Annapolis-Konvent war sicher kein Ruhmesblatt in der Entstehungsgeschichte der Verfassung. Die Opposition und die -Öffentlichkeit hatten ein Anrecht, mehr als nur formale Argumente von den federalistischen Delegierten zu hören. Unter Berufung auf den Wählerwillen

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Abgedr. in Storing V, 92 ff. Die am 29. 4. 1788 im Pa. Packet veröffentlichten Amendments wurden von über 40 Zeitungen nachgedruckt. Alle im Komitee behandelten Amendments sind abgedr. in Dumbauld, Bill of Rights, S. 177 ff. Nach den Neuwahlen im Oktober sprach sich das House of Delegates am 5. 11. 1788 mit 28:23 Stimmen für Amendments aus. Vgl. Daniel Carroll to Madison, 28. 5. 1788 (zwei Briefe); Alexander C. Hanson to Madison, Annapolis, 2. 6. 1788, Rutland XI, 62 ff., 69 ff. McHenry unterrichtete Washington, die Amendments seien in der Absicht eingebracht worden, „to injure the cause of federalism in your State [Virginia], and had we agreed to them they were well calculated to effect it." Baltimore, 18. 5. 1788, Washington Papers, LC. Cyrus Griffin stellte allerdings fest, die Opposition habe „with decency" gehandelt. To Madison, New York, 5. 5. 1788, Rutland XI, 38. Abgedr. in Storing V, 101 ff.; vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 122f. In Philadelphia nannte der Indep. Gazetteer das Verhalten der Federalists „a striking display of the nature of power, and a sample of what the freemen of America would experience from the great Congress if established." „A Freeman", 13. 5. 1788; vgl. 5. 5. 1788.

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jegliche Diskussion zu verweigern, sprach dem Repräsentationsprinzip Hohn, das die Federalists sonst stets hochhielten. Chase und seine Anhänger wiederum weckten Zweifel, ob es ihnen mit den Amendments wirklich ernst war, zogen sie doch offenbar einen Eklat nach der Art Pennsylvanias dem durchaus möglichen Teilerfolg vor. Die radikalen Verfassungsgegner betrachteten „recommendatory amendments" eben bestenfalls als Notlösung, eher noch als eine List, die das Oppositionslager schwächen und spalten sollte. Die Hauptschuld am enttäuschenden Verlauf des Konvents trifft jedoch die Federalists, die trotz ihrer überwältigenden Mehrheit eine denkbar schlechte Figur machten. Ihre Handlungsweise wird nur vor dem Hintergrund der federalistischen Gesamtstrategie verständlich. Nachdem der Ratifizierungsprozeß in Neuengland ins Stocken geraten war, glaubten sich die Verfassungsanhänger im Süden keinen weiteren Rückschlag mehr leisten zu dürfen. Andererseits konnte, wie Washington voraussah, die Ratifizierung Marylands den Durchbruch zur endgültigen Annahme der Verfassung bringen: „If they are decisive and favourable, it will most assuredly raise the edifice." 179 Die Maryland-Federalists mußten also die politischen Anstandsformen dem übergeordneten Ziel der Etablierung des neuen Regierungssystems opfern und die Ratifizierung durchpeitschen. Wie die Bestellung von Thomas Lloyd zum Konvent-Stenographen und die Ankündigung einer Buchversion der Debatten zeigen, war das nicht von vornherein geplant. Es scheint hinterher einige Mühe und Geld gekostet zu haben, Lloyd von seinem Vorhaben abzubringen, das Manuskript, das praktisch nur aus antifederalistischen Redetexten bestand, drucken zu lassen. 180 Die Masse der Bevölkerung übersah die unschönen Begleitumständen des Konvents und gab sich ganz den Ratifizierungsfeierlichkeiten hin. Daß aber auch Männer wie Washington und Madison keinen Anstoß am

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To Daniel of St. Thomas Jenifer, 27. 4. 1788; vgl. Washington to Governor Thomas Johnson, 20. 4. 1788, Washington Papers, LC. Washington mußte sich nach dem Konvent gegen den Vorwurf verteidigen, er habe Druck auf Gouverneur Johnson ausgeübt. Johnson selbst stritt das ab, erklärte aber: „I was not well pleased at the manner of our breaking up. I thought it to our discredit and should be better pleased with the Constitution with some Alterations ..." Vgl. Dr. Brooke to David Stuart, Fredericksburg, 10. 7. 1788, in: State Dept. Doc. Hist, of the Const. IV; Washington to David Stuart, 23. 6. 1788; Washington to Thomas Johnson, 31. 8. 1788, Thomas Johnson to Washington, 10. 10. 1788, Washington Papers, LC. Zur „Lloyd-Affäre" siehe Tilghman to Coxe, Elk, 11. 6. 1788, Coxe Papers, PHi; Baltimore Md. Journal, 20. 5. 1788; Annapolis Md. Gazette, 19. 6. 1788.

Die Geschichte der

Ratifi^ierungskonvente

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Verhalten der federalistischen Mehrheit nahmen, sondern es uneingeschränkt billigten, läßt erkennen, wie besorgt sie seit dem Rückschlag von New Hampshire um das Schicksal der Verfassung waren. Genauso erging es David Ramsay in South Carolina, der Benjamin Lincoln Ende März gestanden hatte, er sei „more anxious since the adjournment of New Hampshire convention ... I counted on the support of New Hampshire & am since doubly anxious for the vote of our State to be in favor of it." 181 Als die über 200 gewählten Delegierten in der zweiten Maiwoche nach und nach in Charleston eintrafen, zeichnete sich nur eine knappe Ratifizierungsmehrheit von etwa 20 bis 30 Stimmen ab. Tagungsort war nach dem Brand des State House die Börse, die kaum hinreichend Platz bot, die man aber dennoch der ebenfalls angebotenen baptistischen Kirche vorzog. Gouverneur Thomas Pinckney wurde zum Präsidenten gewählt, und das committee of rules and order setzte das Quorum auf 80 Delegierte plus den Präsidenten fest. Am 14. Mai begann der Konvent die Debatte nach Paragraphen, die mit der Frage „for the acceptance and ratification of the whole" abgeschlossen werden sollte. 182 Wie in Massachusetts, ähnelte die nun folgende sechstägige Auseinandersetzung über weite Strecken mehr einem Frage- und Antwortspiel, bei dem sich die Skeptiker und die Gegner des Entwurfs von den Federalists, insbesondere von den Teilnehmern am Verfassungskonvent, belehren lassen mußten. Hauptsprecher der Opposition waren Richter Aedanus Burke, der Arzt Peter Fayssoux und der Pflanzer und Sklavenhändler John Bowman. Als Schwerpunkte ihrer Kritik wählten sie die Abkehr vom Rotationsprinzip, die Allmacht des Präsidenten, den Burke einen „prince under a republican cloak" nannte, das zu erwartende wirtschaftliche Übergewicht der Nordstaaten, das Fehlen einer Bill of Rights, sowie den Verzicht auf religiöse Tests und Eidesleistungen. Dagegen stellten die Federalists die Notwendigkeit eines stabilen Verfassungs- und Regierungssystems in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Chancellor Rutledge meinte, die „doctrine of rotation" habe sich einem Buschfeuer gleich über Amerika ausgebreitet, unnötiges Mißtrauen gesät, und den eigenen Abgeordneten das Leben schwer gemacht. Als positive 181 182

Charleston, 31. 3. 1788, Lincoln Papers, MHi. South Carolina. Convention 1788. Journal of the Convention of South Carolina which Ratified the Constitution, Atlanta, Ga., 1928. Vgl. Augustus W. Clason, The South Carolina Convention, 1788, in: Magazine of Am. History 15 (1886), S. 153 — 161; George C. Rogers, Jr., South Carolina Ratifies the Federal Constitution, in: Proceed, of the S. C. Hist. Assoc. 31 (1961), S. 41 - 6 2 ; Williams, The Pinckney's of South Carolina, S. 282 ff.; Main, Antifederalists, S. 217 ff.

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Gegenbeispiele, die den Philadelphia-Konvent inspiriert hätten, führten Charles Pinckney und Ramsay die starke Stellung des New Yorker Gouverneurs und des Senats von Maryland an. Die „Seele der Verfassung" sah Pinckney in Sektion 10 des ersten Artikels, die den Staaten unter anderem verbot, Papiergeld auszugeben, private Verträge anzutasten und eigenmächtig Einfuhr- und Ausfuhrsteuern zu erheben. Das Produktivvermögen einer Gesellschaft lasse sich am besten an den Exportzahlen ablesen, und da sei der Süden dem Norden weit voraus. Unter dem Gesichtspunkt des „productive wealth" entsprächen 100.000 Sklaven gut und gern 400.000 Bürgern Pennsylvanias. Außerdem, so setzte Rutledge hinzu, verfügten die Südstaaten über das größere Wachstumspotential in den Westgebieten. Grundrechte nach Art der Magna Charta seien in einem „popular government" fehl am Platze, und religiöse Ämterqualifikationen und Eidesformeln stellten eine unzulässige Einengung der Gewissensfreiheit dar. Immer wieder wurde den Antifederalists auch vorgehalten, daß die Einwände und Amendment-Ideen in den einzelnen Staaten weit voneinander abwichen und sich zum Teil gegenseitig ausschlössen. 183 Die Federalists kontrollierten die Debatte, zumal die Führer der Opposition, wie sie selbst zugaben, keinerlei vorherige Absprachen getroffen, geschweige denn eine taktische Marschroute festgelegt hatten. 184 Äußere Einflüsse trugen aber nicht minder dazu bei, die Reihen der Verfassungsgegner zu lichten. Burke räsonnierte rückblickend, der größte Vorteil der Federalists habe darin bestanden, daß der Konvent in Charleston ausgerichtet wurde, „where there are not fifty Inhabitants who are not friendly to [the Constitution]." Die Kaufleute und wohlhabenden Politiker hielten während der gesamten Tagungszeit offenes Haus für die Teilnehmer und verwöhnten die einfachen back «»«/^-Delegierten mit eleganter Unterhaltung. Es sei kein Geheimnis, meinte ein Zeitungsschreiber, daß sich die „town gentlemen" die Bekehrung antifederalistischer Abgeordneter allerhand Wein und einige Festessen hätten kosten lassen.185 Ausschlaggebend war aber wohl die Nachricht von der Ratifizierung Marylands, die um den 18. Mai in Charleston eintraf. Sie veranlaßte einen der aktivsten und gescheitesten Opponenten, Doktor Fayssoux, seinen Widerstand vor aller Öffentlichkeit aufzugeben. In der 183

184 185

Siehe v. a. die Debattenbeiträge vom 14. u. 17. 5. 1788; vgl. Lowndes to Lamb, Charleston, 21. 6. 1788, Leake, Memoir of Lamb, S. 308. Burke to Lamb, Charleston, 23. 6. 1788, Lamb Papers, Ν Hi. „A Planter", Charleston City Gazette, 21. 7. 1788.

Die Geschichte der Ratifiv^ierungskonvente

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State Gazette rechtfertigte er sich damit, daß Marylands Stimme entscheidend gewesen sei, und die Annahme der Verfassung durch diesen Staat eine völlig neue Lage geschaffen habe. Seine eigenen prinzipiellen Vorbehalte opfere er bereitwillig dem Frieden und der Ruhe des Landes, „and as I consider this as the constitution under which we must live, I shall desist from a line of conduct in opposition, which as it will tend only to irritate and inflame mens minds, would in my opinion be criminal." 186 Fayssoux war sicher nicht der einzige, der die antifederalistische Sache nun für hoffnungslos ansah. Die Ratifizierungsbefürworter förderten die allmähliche Erosion des gegnerischen Lagers durch ein Entgegenkommen in der AmendmentFrage. Präsident Thomas Pinckney hatte bereits eingangs der Beratungen Gouverneur Hancocks Rundschreiben über das Ergebnis des Massachusetts-Konvents vorgelegt und damit angedeutet, daß man sich auf dieser Basis verständigen könnte. Als dann am 21. Mai der oppositionelle Antrag, den Konvent bis nach dem Zusammentritt des neuen Parlaments im Oktober zu vertagen, mit 89 gegen 135 Stimmen scheiterte, schlugen die Federalists von sich aus vor, ein Komitee zu beauftragen, „to draw up such amendments to the Federal Constitution as they think ought to be recommended to Congress for adoption." 187 Den antifederalistischen Führern blieb angesichts des Drängens ihrer verbliebenen Gefolgschaft, zu den Erntearbeiten nach Hause zurückzukehren, gar keine andere Wahl, als auf diese Offerte einzugehen. Das 9er-Komitee, von dem sich die prominenten Verfassungsgegner offenbar freiwillig fernhielten, unterbreitete seinen Bericht am 23. Mai dem Plenum. In einem Zusatzantrag wollte Burke die Amtszeit des Präsidenten auf vier Jahre beschränkt wissen, da die Wiederwahlmöglichkeit geeignet sei, „to perpetuate in one person during life the high authority and influence of that magistracy [and] in a short time to terminate in what the good people of this state highly disapprove of, an hereditary monarchy." Diese Ergänzung wurde aber ebenso abgeschmettert wie das Verlangen nach einer ausführlichen Bill of Rights, nach alleiniger Befehlsgewalt der Staaten über die Miliz und nach einem grundsätzlichen Verbot, Geschenke, Ämter, Ehrungen und Titel von ausländischen Regierungen anzunehmen. Was blieb, ähnelte mit Einschränkungen den Massachusetts-Amendments. Wahlmodalitäten gingen den Kongreß nur etwas an, wenn ein Staat seinen entsprechenden Pflichten nicht nachkam; es war sicherzu186 187

26. 5. 1788. S. C. Convention Proceedings, 22. 5. 1788.

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Die Ratifi^ierungskonvente

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Staaten

stellen, daß die Staaten alle Befugnisse behielten, die sie nicht ausdrücklich an die Zentralregierung delegiert hatten; direkte Steuern durfte der Kongreß nur dann erheben, wenn die Einkünfte aus Zöllen und anderen indirekten Abgaben nicht ausreichten und Requisitionsforderungen erfolglos blieben; eine Einfügung in Artikel VI sollte schließlich der Besänftigung derer dienen, die religiöse Eide für unverzichtbar hielten. Nachdem diese Änderungsempfehlungen angenommen worden waren, ratifizierte der Konvent die Verfassung mit 149 gegen 73 Stimmen. Noch in letzter Minute rang sich der Reverend Cummins zu einem Ja durch, weil die neue Verfassung in jedem Fall den Konföderationsartikeln vorzuziehen sei und Amendments im Bereich des Möglichen lägen. Im Anschluß an die namentliche Abstimmung, der 14 Delegierte fernblieben, trugen eine Reihe von Antifederalists, dem Beispiel der MassachusettsMinderheit folgend, Loyalitätserklärungen für die Verfassung vor.' 8 8 Am 24. Mai trat der Konvent noch einmal zur Unterzeichnungszeremonie zusammen, beschloß den Druck und die Verteilung von 1200 Kopien der Verfassung samt der von South Carolina vorgeschlagenen Amendments, und ging dann im Zeichen allgemeiner Versöhnlichkeit auseinander. Manch ein Antifederalist hegte zwar leisen Groll gegen die „Überläufer", und aus dem Hinterland wurden Drohungen laut, doch insgesamt blieb es ruhig. 189 Anders als in Pennsylvania und Maryland nahmen die Federalists durch ihre Jovialität und ihr kluges Entgegenkommen den hartnäckigen Kritikern viel Wind aus den Segeln. Man habe in einigen kleinen Punkten nachgegeben, informierte Edward Rutledge seine Freunde in New York und New Hampshire: „We had prejudices to contend with and sacrifices to make. Yet they were worth making for the good old cause." 190 Am Sitz des Kongresses wurde sorgfaltig registriert, daß sich South Carolina in Maßen die Vorstellungen des Bostoner Konvents über künftige Änderungen zu eigen gemacht hatte. 191 Die „Massachusetts mode of ratification", darauf deutete das Verhalten der Mehrheit wie der Minderheit hin, begann Schule zu machen. 188

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190 191

„Most of the members who opposed [the Constitution], have declared they will exert themselves in its support; and some districts that were adverse to it, are altogether reconciled to its adoption." Charles C. Pinckney to King, Charleston, 21. 6. 1788, King, Life of Rufus King, S. 336. Vgl. Spotswood to Carey, Charleston, 5. 7. 1788, Lea and Febiger Coll., PHi; „A Spectator", Charleston Columbian Herald, 12. 6. 1788. To Jay, 20. 6. 1788, Jay Papers, LC; to Langdon, 20. 6., in: Elwyn, Letters, S. 107. „You will perceive that state [South Carolina] has in measure adopted Massachusetts

Die Geschichte der

Zwischenstaatliche

Ratifizierungskonvente

Zusammenarbeit

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und Koordination

Von der überlegenen Gesamtstrategie und der unionsweiten Zusammenarbeit der Federalists ist zu Recht viel die Rede. Es wäre aber falsch, wollte man annehmen, daß auf ihrer Seite alles durch einen einheitlichen Willen gelenkt und von einem politischen Kraftzentrum aus gesteuert worden sei. Ihre Stärke bestand ja gerade in der eigenständigen Initiative, der Unabhängigkeit des Urteils und dem feinen Gespür, die sie befähigten, für den jeweiligen Staat das Richtige zur rechten Zeit zu tun. Natürlich waren das dichte Netz privater Korrespondenzen, die Kontakte im und über den Kongreß, die „clearing houses" in einigen Staaten und die Vermittlerfunktion Washingtons außerordentlich wichtig. Hin und wieder wurden auch Anstrengungen unternommen, den Nachrichtenfluß zu verbreitern und zu beschleunigen. Trotz aller Informationen und guten Ratschläge mußten sich die Ratifizierungsbefürworter in den einzelnen Staaten aber letztlich selbst zu helfen wissen und den eigenen Weg zum Erfolg finden. Seit dem Verfassungskonvent von Philadelphia gab es kein Treffen der federalistischen Führungsspitze mehr, das Strategien hätte beraten und Handlungsanweisungen erteilen können. Ebensowenig existierten Korrespondenzbüros für einen regelmäßigen Meinungsaustausch zwischen den Staaten. Erleichtert wurde die Aufgabe allerdings dadurch, daß die Federalists stets ein klares Ziel vor Augen hatten. Es hieß einzig und allein, mit möglichst wenig Zugeständnissen an die Opposition Ratifizierungsmehrheiten zu beschaffen, um auf diese Weise Staat für Staat unter das Dach der neuen Verfassung zu bringen. Jeder gewonnene Konvent trug zur Klärung der Situation bei und spornte die Freunde in den restlichen Staaten weiter an. Je näher das Ziel rückte, desto druckvoller konnten die Federalists agieren, und desto leichter fiel ihnen die Auswahl der geeigneten taktischen Mittel und Maßnahmen. Die Opposition hingegen war sich über ihre eigentliche Absicht nie recht einig, und zwangsläufig führten die Wege, die sie beschritt, in die Irre. Gerade die Tatsache, daß sie nicht nur eine, sondern mehrere Optionen hatte, wurde ihr zum Verhängnis. Sie konnte die Reform radikal ablehnen und den Ratifizierungsprozeß blockieren; sie konnte einen zweiten Verfassungskonvent fordern, der den Philadelphia-Plan gründideas about some future alterations ..." Nathan Dane to Moses Brown, New York, 7. 6. 1788, M. Brown Papers, Berverley Hist. Soc. Die South Carolina-Amendments finden sich in Dumbauld, Bill of Rights, S. 180.

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Die Ratifi^ierungskonvente der dreizehn Staaten

lieh überarbeitete; sie konnte ihre Zustimmung an Bedingungen knüpfen, die der neue Kongreß erfüllen mußte; und sie konnte sich schließlich mit Verbesserungsempfehlungen zufriedengeben, die irgendwann gemäß den im Entwurf aufgestellten Amendierungsregeln behandelt werden würden. Nach der Annahme der Verfassung durch Massachusetts schied die erste Alternative praktisch aus. Die drei anderem standen aber noch zur Wahl, als der Ratifizierungskampf im Sommer 1788 in die entscheidende Phase trat. Politisch erfahrene Antifederalists wie Richard Henry Lee, Elbridge Gerry, George Mason und Georg Bryan waren das strategische Defizit durchaus gewahr geworden und hatten eine rechtzeitige Koordinierung versucht. Ihre Bemühungen um einen abgestimmten Terminfahrplan für die Konvente und ein gemeinsames Amendment-Programm wurden aber von den Ereignissen in Pennsylvania, Connecticut und Massachusetts überrollt. Wenn überhaupt noch eine Zusammenarbeit gelingen sollte, dann mußte die Atempause genutzt werden, die nach der Vertagung des New Hampshire-Konvents eintrat. Am besten erkannten das die New Yorker Antifederalists, die schon seit dem Winter unionsweit Propagandamaterial verteilt hatten, und die sich nun auch zu einer politischen Initiative entschlossen. Den Auftakt bildete Anfang Mai ein Brief Clintons an Gouverneur Randolph, in dem er den Wunsch des virginischen Parlaments vom Dezember nach überstaatlicher Kommunikation und Kooperation begrüßte und seine Mitarbeit zusagte. 192 Schien Clinton noch eine Führungsrolle Virginias akzeptieren zu wollen, so zog wenig später das New Yorker „Federal Republican Committee" unter General John Lamb, das inzwischen den Wahlkampf für den Poughkeepsie-Konvent lenkte, energisch die Leitung der nationalen Amendment-Bewegung an sich. Am 192

Abgedr. in Moncure D. Conway, Omitted Chapters in the Life and Papers of Edmund Randolph, New York 1889, S. 110 f. Es handelte sich um die Antwort auf das von Randolph signierte Rundschreiben der Virginia-Legislative vom 27. 12. 1787, das Clinton erst am 7. 3. 1788 erhalten hatte: S. o. Kap. V. Randolph, der inzwischen die bedingungslose Annahme der Verfassung befürwortete, leitete den Clinton-Brief nicht an den virginischen Ratifizierungskonvent weiter, sondern legte ihn zunächst nur seinem Exekutivrat vor. Erst als die Ratifizierung vollzogen war, wurde der Wortlaut den zu einer Sondersitzung versammelten Parlamentariern offiziell zur Kenntnis gebracht. Es ist allerdings fraglich, ob eine Unterrichtung der Konvent-Delegierten dem Geschehen in Richmond eine andere Wendung gegeben hätte. Vgl. Edward P. Smith, The Movement Towards a Second Convention in 1788, in: Jameson, ed., Essays in the Constitutional History of the United States, S. 60 f., 88 ff.; Boyd, Politics of Opposition, S. 124 ff.; ders., Impact of the Constitution on N e w York, S. 291.

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18./19. Mai verschickte Lamb im Namen des Komitees ein Rundschreiben an prominente Verfassungsgegner in sieben Staaten. Darin erklärte er das Streben nach „previous amendments", also nach einer Änderung der Verfassung vor ihrer Annahme, zum gemeinsamen Ziel der Opposition. Um dies zu erreichen, sei es notwendig, „that those States who have not yet acceeded to the Plan should open a Correspondence, and Maintain a Communication — That they should understand one another on the Subject and unite in the Amendments they propose." Besondere Bedeutung komme der Zusammenarbeit von Virginia, New Hampshire und New York zu, deren Konvente ungefähr zur selben Zeit tagen würden. Lamb unterbreitete keine detaillierten Amendment-Vorschläge, sondern verwies auf die Forderungen, die im beigefügten Federal Farmer-Vamphlet enthalten waren. Dem Kontinent und der Welt müsse gezeigt werden, „that our Opposition to this Constitution does not arise from an Impatience under the Restraint of good Government, from local or State Attachments, from interested Motives or Party Prejudice — but from the purer Sentiments of the Love of Liberty, an Attachment to Republican Principles and an Adherence to those Ideas which prevailed at the Commencement of the late Revolution." Im ersten Schritt solle man sich auf spezifische Änderungen und Ergänzungen einigen, im zweiten einen „rational plan" zu ihrer Verwirklichung fassen.193 Die Reaktion auf diesen systematischen Vorstoß beweist, daß nicht mehr alle Antifederalists in den engen Kategorien einer absoluten Staatensouveränität dachten. Zumindest ein Teil war offensichtlich darum bemüht, das Image der kleinkarierten Provinzpolitiker abzustreifen. Von überall her liefen zustimmende Antworten und Erklärungen des guten Willens ein. Zwischen New York und Richmond wurden sogar regelmäßige Kontakte verabredet und ein Kurierdienst eingerichtet. In Pennsylvania schöpfte die Opposition nach -der vergeblichen Petitionskampagne vom Frühjahr neuen Mut und überlegte, welchen Beitrag sie zu einem allgemeinen Feldzug für Amendments leisten könnte. 194 Andererseits kam die Initiative des „Federal Republican Committee" zu spät und war nicht konkret und präzise genug, um den Dingen noch eine ent-

193

194

Siehe Lamb to Nathaniel Peabody, 18. 5. 1788, in: Historical Magazine 22 (1873), S. 280 f. Genaue Quellenangaben zu den anderen Briefen und den Antwortschreiben in Boyd, Politics of Opposition, S. 136 f., Anm. 21 u. 22. Edward Pole to Lamb, Philadelphia, 20. 6. 1788, Lamb Papers, NHi; Charles Pettit to Robert Whitehill, Philadelphia, 5. 6. 1788, R. Whitehill Papers, Hamilton Libr., Cumberland County Hist. Soc. Zur Petitionskampagne s. o. S. 457.

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scheidende Wendung zu geben. South Carolina hatte bereits ratifiziert, als Lambs Briefe nach vierwöchiger Beförderungsdauer an Rawlins Lowndes, Aedanus Burke und Thomas Sumter ausgehändigt wurden. Wäre der Plan früher unterbreitet worden, schrieb Lowndes am 21. Juni zurück, „I doubt not it might have produced very good effect in this country. A strong systematic opposition, wherein the opinions and sentiments of the different States were concentrated, and directed to the same specific objects, would have had a weight, which the advocates for the Constitution must have submitted to." 195 Joshua Atherton und Nathaniel Peabody erhielten das Schreiben des Lamb-Komitees noch rechtzeitig vor Beginn des zweiten Ratifizierungskonvents von New Hampshire. Hoch erfreut über das lange herbeigesehnte Kooperationsangebot, versprach Atherton alles zu tun, um Einvernehmen in der Amendment-Frage herzustellen: „Permit me to hope you will lead the way, and delineate the method of a correspondence between the states, who have not yet resigned their lives, liberties, and properties, into the hands of this new and unlimited sovereignty. Your central situation, and your great importance as a state, gives us a right to expect it of you; While nothing shall be wanting here, to second such a desirable event." Lambs Antwort vom 6. Juni enthielt aber nicht die von Atherton erhoffte Amendment-Liste, und sie traf auch erst unmittelbar vor der Schlußabstimmung des New Hampshire-Konvents in Concord ein. 196

Die Entscheidung: New Hampshire,

Virginia und New York

Atherton war bis zuletzt zuversichtlich gewesen, da sich der von den Federalists vorausgesagte und mit großem Propagandaaufwand betriebene Stimmungsumschwung in Grenzen hielt. Einige Gemeinden hatten in dem Interim neue Town Meetings, zuweilen auch Neuwahlen abgehalten und die Weisungen an ihre Delegierten bestätigt, revidiert oder aufgehoben. Dabei blieben fünf Teilnehmer des Exeter-Konvents auf der Strecke, unter ihnen mindestens zwei, die zu den Antifederalists zählten. Vier Orte schickten neue Repräsentanten, und zwei waren in Concord 195 196

Abgedr. in Leake, Memoir of Lamb, S. 308. Vgl. Atherton to Lamb, 11./14. 6. 1788; Lamb to [New Hampshire], 6. 6. 1788; Atherton to Federal Republican Committee, Amherst, 23. 6. 1788, Lamb Papers NHi.

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erstmals vertreten. Diese geringe Fluktuation erlaubte keine sichere Aussage über das Schicksal des Verfassungsentwurfs. Der Konvent trat am 18. Juni zusammen und ging zunächst einigen Wahlanfechtungen nach. Im Wahlprüfungskomitee bezogen die Verfassungsgegner ihre erste Niederlage, als alle drei umstrittenen Fälle zugunsten der federalistischen Kandidaten entschieden wurden. 197 Am folgenden Tag nahmen die Delegierten die im Februar unterbrochene Diskussion wieder auf. Es gab nichts Neues zu hören, sondern nur „the same hard worn out, dry arguments ... until both sides were quite tired out." 198 Am 20. Juni erreichten die Federalists die Einsetzung eines Amendment-Komitees. In ihrer gewohnten Rafinesse trugen sie Sorge dafür, daß sie in diesem 15erGremium eine Stimme Mehrheit hatten und den Präsidenten stellten. Das Komitee übernahm mit geringen, nur in einem Fall erheblicheren, Abweichungen die neun Massachusetts-Amendments und fügte drei weitere hinzu. Sie ließen ein stehendes Heer in Friedenszeiten nur unter der Voraussetzung einer Dreiviertel-Mehrheit in Repräsentantenhaus und Senat zu, garantierten die Religions- und Gewissensfreiheit gegen Eingriffe der Bundeslegislative und verboten dem Kongreß, Bürger zu entwaffnen, es sei denn, sie befänden sich in offener Rebellion. 199

197

198

199

Es ging um die Vertreter der Gemeinden Boscawen, Newington und Walpole. Atherton versuchte, den Abgeordneten von Walpole, Allen, der schon in Exeter dabeigewesen war, unbedingt zu halten. Die Federalists reklamierten jedoch, er sei erst auf einem zusätzlichen, illegalen Town Meeting anstelle des rechtmäßigen Delegierten General Bellows gewählt worden. Atherton beschwor das Recht der Bürger jeder Gemeinde, „to choose their members in what way and manner they saw fit." Richter Livermore bezeichnete solche Ideen als „subversive of all order and tending in their operation to introduce anarchy and confusion." Ν. H. Spy, 21. 6. 1788. Die Town Hopkinton hatte ihren Delegierten Morse am 14. 1. 1788 beauftragt, gegen die Annahme der Verfassung zu stimmen. Am 14. 6. 1788 gestand sie ihm formell das Recht zu, „to act as he thought best for the public good." Hopkinton Town Records, Ν. H. State Library; D. H. Hurd, History of Merrimack and Belknap Counties, Ν. H., Philadelphia 1885, S. 398. Vgl. Eiseman, Ratification by New Hampshire, S. 73 ff.; Oliver, Keystone, S. 89 ff. Pierse Long to Wingate, Portsmouth, 4. 7. 1788, P. Wingate Papers, NHHi. Zu Ablauf und Teilnehmern siehe Journal of the Proceedings of the Convention of the State of New Hampshire, which Adopted the Federal Constitution, 1788, in: Nathaniel Bouton, ed., Provincial and State Papers. Miscellaneous Documents and Records Relating to New Hampshire, vol. X, Concord, Ν. H., 1877. Im siebten Amendment wurden der Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes noch engere Grenzen gezogen als in der entsprechenden Massachusetts-Empfehlung. Dumbauld, Bill of Rights, S. 181 f.

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Der von John Langdon vorgetragene Komitee-Bericht wurde widerspruchslos akzeptiert. Die Antifederalists erklärten sich nun zur Ratifizierung bereit, forderten jedoch, daß die Verfassung in New Hampshire erst dann Geltungskraft erhalten sollte, wenn sie den Wünschen des Konvents gemäß abgeändert worden sei. Aus der Sicht der Federalists machte eine solche Bedingung die Ratifizierung hinfallig und war deshalb gänzlich unerfüllbar. Livermore stellte den Gegenantrag, die Verfassung zu ratifizieren und die Amendments in Form einer Empfehlung an den Kongreß weiterzureichen. Nach kontroverser Debatte wurden beide Anträge vorerst zurückgestellt. Am Samstag, den 21. Juni, plädierte Atherton erfolglos für die Vertagung des Konvents auf einen späteren Zeitpunkt. Danach kam der Livermore-Antrag zum Zuge und fand eine Mehrheit von zehn Stimmen. Vier Abgeordnete blieben der Abstimmung fern, um nicht offen gegen ihre antifederalistischen Instruktionen verstoßen zu müssen. 200 Sorgfaltige taktische Vorbereitung und das „management" hinter den Kulissen, in dem die Federalists Meister waren, hatten sich einmal mehr bewährt. Atherton hielt es für erwiesen, „that they did not carry their Point by Force of Argument and Discussion; but by other Means, which were it not for the Depravity of the human Heart, would be viewed with the warmest Sentiments of Disapprobation." Uber seine Niederlage tröstete ihn die Hoffnung hinweg, daß sich nun der New Yorker Konvent das Verdienst erwerben könne, „of chaining and reducing within proper Bounds this young Lion, fostered by so many States, and permitted to run rampant trampling under Foot all our Bulworks of Liberty." Falls die Verfassung in Kraft treten sollte, müsse man dafür sorgen, daß eine antifederalistische Kongreßmehrheit das neue Regierungssystem so lange blockiere, bis die Verbesserungen erreicht seien. Er schlug einige weitere Amendments vor und kündigte an, das Parlament von New Hampshire werde in gleicher Richtung aktiv werden.

200

Long to Wingate, 4. 7. 1788, s. o. Anm. 198; vgl. Eiseman, Ratification by New Hampshire, S. 78. „The amendments recommended [are] nearly the same as in your state," teilte Sullivan am 21. 6. 1788 Gouverneur Hancock mit. Abgedr. in Hammond, Letters of Sullivan III, S. 588. Ebenso Jackson to Knox, Boston, 22. 6. 1788, Knox Papers, MHi. Die Ratifizierungsurkunde schloß die Amendments ein und enthielt die Aufforderung an New Hampshires Kongreß-Delegierte, „to exert all their influence and use all reasonable and legal methods to obtain a Ratification of the said alterations and provisions." State of New Hampshire. Ratification of Constitution, 21. 6. 1788, vol. „Ratification of the Constitution",

NA.

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A u f jeden Fall wünsche er, die Korrespondenz mit dem „Federal Republican Committee" fortzusetzen. 2 0 1 Die New Hampshire-Federalists beeilten sich, die Kunde v o n der Ratifizierung nach Poughkeepsie und Richmond zu bringen. 2 0 2 Ihnen gebührte die Ehre, den neunten Staat in die neue Union eingebracht und damit die Bedingung für das Inkrafttreten der Verfassung erfüllt zu haben. Der Blick über die Grenzen gen Süden dämpfte aber den Jubel. New Hampshire mochte der Schlußstein sein, doch ohne New York und Virginia würde der Bundestempel ein Torso bleiben. Nun hieß es abzuwarten, ob das 57:47-Ergebnis v o n Concord die Gegner in den restlichen Staaten im selben Maße entmutigen konnte, wie es die Freunde beflügelte. 2 0 3 Ein weiterer Wehrmutstropfen f ü r die entschiedenen Federalists war die Erkenntnis, daß sich Verbesserungsempfehlungen nun 201 202

203

Atherton to Federal Republican Committee, 23. 6. 1788, s. ο. Anm. 196. „Two expresses were immediately dispatched to New-York Convention at Poughkeepsie ..." Langdon to Gilman, Portsmouth, 28. 6. 1788, in: Cooper, History of the Navy, vol. I, part II, S. 84. Langdons Brief an Hamilton vom 21. 6. ging über Springfield nach Poughkeepsie (24. 6.), von dort nach New York City (25. 6.) und dann weiter über Alexandria nach Richmond (27. 6.). Siehe Knox to Jeremiah Wadsworth, New York, 2. 7. 1788, J. Wadsworth Papers, CtHi; Edward Carrington et al. to Madison, New York, 25. 6. 1788, Rutland XI, 180. Die Idee stammte von Hamilton, der auch die Kosten trug. Syrett V, 2, 148 f. Ein Augenzeuge berichtete über die Ankunft des Eilboten in Poughkeepsie: „It was about noon, on a very hot day ... when I saw an express rider, on a powerful bay horse flecked with foam, dismount at the Court House door ... The courier was Col. William Smith Livingston ... The reading of that despatch gave great joy to the Federalists in the Convention, and they cheered loudly ... [some people] formed a little procession, and led by the music of a fife and drum, marched around the Court House several times. In the evening they lighted a small bonfire. Before sunset Power had printed an ,Extra' on a sheet of paper seven by ten inches in size." Edmund Piatt, The Eagle's History of Poughkeepsie ... 1683 to 1905, Poughkeepsie, N. Y., S. 59. Carrington hatte schon vor der Ratifizierung New Hampshires erleichtert festgestellt, die restlichen Staaten lägen geographisch so verstreut, „that there cannot be a possible effort, to Unite in an attempt to dismember the union." To Jefferson, New York, 9. 6. 1788, Boyd XIII, 244 f. Ezra Stiles machte sich in seinem Tagebuch vom 23. 6. Gedanken über den Fortgang des Ratifizierungsgeschehens: „So now the new Constitution is ratified i. e. literally — but if Ν York, Virga. and No Caro. should not accede, it will yet be some time before the Ratification may be considered as completely established. The Swiss Cantons, and the Belgian Provinces were several years in accedg one after another to their respective federal Systems, but at length they came in. So I hope and expect that Virga. etc. will. If Virga. does No Caro will. Ν York will at present be most probably negative. Rh. Isld will come to her Senses again after recovery from the Frenzy of Paper Money."

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endgültig eingebürgert hatten. Durch die Aufnahme in mehrere Ratifizierungsurkunden gewannen sie eine Würde und Legitimität, die es schwer vorstellbar machten, wie man später wieder von ihnen loskommen konnte. So sehr sie sich für taktische Zwecke eigneten, so problematisch erschien doch die tatsächliche Einverleibung einiger dieser „recommendatory amendments" in die Verfassung. Man mußte nun damit rechnen, daß auch New York, Virginia und North Carolina zu dieser Methode greifen und das Beispiel von Massachusetts nachahmen würden. Auf unfreiwillige Weise hatten die Bostoner Federalists also der nationalen Opposition zu einem Amendment-Programm verholfen, das zu entwikkeln sie selbst nicht imstande gewesen war. Als die Nachricht aus New Hampshire am 27. Juni in Richmond eintraf, waren die Würfel schon gefallen, und die Delegierten schickten sich gerade an, die Stadt wieder zu verlassen. Die Federalists trauerten der verpaßten Chance nach, das „Old Dominion" zum wichtigen neunten Staat zu machen, freuten sich aber darüber, daß es der Kenntnis über die Vorgänge in Concord nicht bedurft hatte, um Virginia unter die Fittiche des Bundesstaates zu bringen. Der Konvent war am 2. Juni zusammengetreten und hatte Edmund Pendieton einstimmig zum Präsidenten gewählt. Nach der Ernennung der anderen Beamten einschließlich Kaplan und Drucker und der Erledigung der üblichen Kommissionsformalitäten begann am 4. Juni die Debatte im committee of the whole. Masons Wunsch, sie solle ohne ungebührliche Hast Artikel für Artikel und Paragraph für Paragraph geführt werden, stieß überraschend auf keinerlei Widerstand. Anders als in Maryland, waren sich die Federalists der Delegiertenmehrheit nicht von vornherein sicher und bevorzugten deshalb eine Abwarteund Hinhaltetaktik.204 Die Zuversicht der „federal party" stieg allerdings beträchtlich, als Gouverneur Randolph überraschend seine mit dem Brief an die Legis204

Siehe Robertson, Virgina Debates (1805); Elliot, Debates III, 1 ff. Mason handelte gemäß Richard Henry Lees Empfehlung, daß eine „thorough, particular, and careful examination be first made into all its parts as a previous requisite to the formation of any question upon it." Lee to Mason, 7. 5. 1788, in: Rutland, Mason Papers III, 1042; vgl. Rutland XI, 77 f. Speziell zum Richmond-Konvent außer den oben in Anm. 111 genannten Beiträgen siehe Hugh Β. Grigsby, The History of the Virginia Federal Convention of 1788, ed. R. Α. Brock, 2 vols., Richmond 1891, ND New York 1969; Worthington C. Ford, comp., The Federal Constitution in Virginia, 1 7 8 7 - 1 7 8 8 , in: Mass. Hist. Soc. Proceed. 17 (1903), S. 4 5 0 - 5 1 0 ; R. E. Thomas, Virginia Convention of 1788 (1953); Risjord, Chesapeake Politics, S. 304 ff.

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lative eingeleitete Hinwendung zur bedingungslosen Ratifizierung öffentlich vollzog. Schon in der ersten Stellungnahme am 4. Juni erklärte er das Verlangen nach „previous amendments" für überholt, und im Anschluß daran entpuppte er sich zum allgemeinen Erstaunen als einer der eifrigsten federalistischen Redner. 205 Mason und Henry hatten wohl nicht mehr mit Randolphs Unterstützung gerechnet, waren aber davon ausgegangen, daß er Zurückhaltung üben würde. Der Eindruck seiner Erklärungen wurde noch durch die Nachricht verstärkt, South Carolina habe bedingungslos ratifiziert. Diese zwei „unglücklichen Umstände" hätten die Gegner des Entwurfs alarmiert, doch sie seien unverzagt, schrieb Grayson an den Kongreß-Delegierten Nathan Dane, über den er Kontakt zu Elbridge Gerry in Massachusetts hielt. 206 Die „Bekehrung" Randolphs und ihre Wirkung auf die Opposition sprachen sich schnell herum: „The Governor has expressed himself in Favour of the general Union, which hath occasioned a Pensiveness, not to say Gloominess, in a part of the House, whose sentiments do not accord with his," erfuhr Peter Singleton in Princess Anne County. „The Governor's declaration we here consider as the clinching nail," hieß es in einem vom Pennsylvania Mercury abgedruckten Brief aus Richmond; von „Randolph's treachery and dissimulation" sprach hingegen das New York Journal. Washington war hoch erfreut: „The beginning has been as auspicious as could possibly have been expected," richtete er John Jay in New York aus. 207 Trotz dieses einseitigen Auftakts glich das Konventsgeschehen zunächst dem gegenseitigen Abtasten und Belauern zweier Boxer im Ring. Die langen Reden, darüber war man sich im Klaren, dienten mindestens ebensosehr dem Zeitgewinn wie der Klärung der Standpunkte. 208 Die meisten Sprecher, allen voran Patrick Henry, mißachteten auch die Regel, ihre Darlegungen auf den einen, von der Tagesordnung diktierten Paragraphen zu beschränken. Vielmehr glitten sie immer wieder in Nebenbereiche ab oder kehrten zu generellen Fagestellungen und Grundsatz205 206

207

208

Vgl. Rutland XI, 76 ff.; DHRC XV 121. Grayson to Dane, Richmond, 4. 6. 1788, in: Cook, Western Virginia's Contribution, S. 104; Dane to Gerry, New York, 12. 6. 1788, Coll. of Elsie Ο. and Philip D. Sang, Southern 111. Univ., Carbondale, 111. Singleton to Charles Pettigrew, Kempsville, 10. 6. 1788, in: Sarah M. Lemmon, ed., The Pettigrew Papers, vol. I, Raleigh, N. C., 1971, S. 57 f.; Letter from Richmond, 18. 6., in Pa. Mercury, 26. 6. 1788; Ν. Y. Journal, 20. 6. 1788; Washington to Jay, 8. 6. 1788, Washington Papers, LC. Den Eindruck gewann ein Beobachter, dessen Brief aus Richmond vom 13. 6. am 21. 6. 1788 im Pa. Packet erschien.

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Problemen zurück. Einen wichtigen, von den Antifederalists durchaus beabsichtigten Nebeneffekt dieses unsystematischen Vorgehens bildete die Einsicht, daß sich der Sinn vieler Klauseln nur im Gesamtzusammenhang des Verfassungstextes erschloß, und daß der Entwurf mehr war als die Summe seiner Artikel und Paragraphen. Madison unterstellte der Opposition die Absicht, den Konvent zu verzögern und ein „postponement of the final decision to a future day" anzustreben. Die extreme Hitze, das Herannahen der Ernte und die geplante Sondersitzung der Legislative über die Gerichtsreform am Ende des Monats schienen einen Vertagungsantrag zu begünstigen. Am meisten Sorge bereitete Madison das Werben der Antifederalists um die Gunst der noch nicht festgelegten Delegierten, das am Rande der Diskussionen und außerhalb des Konventsaales besonders intensiv betrieben wurde. Den größten Schaden richteten die Kritiker nicht in der Debatte, sondern „out of doors" an, teilte er Rufus King am 13. Juni mit. Andere Adressaten seiner leicht zweckpessimistisch eingefarbten Berichte waren Hamilton in Poughkeepsie und Washington in Mount Vernon, dem er ebenfalls am 13. Juni zu verstehen gab, die gesamte Angelegenheit sei „in the most ticklish state that can be imagined." 209 Für den gemäßigten Antifederalist Theoderick Bland reduzierte sich der Streit zu diesem Zeitpunkt schon auf die Frage nach „anterior" oder „posterior amendments". Augenblicklich brüste sich jede Partei mit einem Vorsprung von drei bis acht Stimmen. Wie stets, wenn die Kräfte annähernd gleich seien, hänge der Ausgang auch diesmal im hohen Maße vom „management" beider Seiten und von einigen „fortuitous events" ab. 210 Unterdessen hatten die New Yorker und die virginischen Verfassungsgegner ihre Verbindungen enger geknüpft und neuen Anlauf in Richtung auf eine nationale Oppositionsstrategie genommen. Am 7. Juni war Eleazer Oswald mit Lambs Brief vom 18. Mai in Richmond eingetroffen und zu den Beratungen der antifederalistischen „Republican Society" zugezogen worden. Dieses nach New Yorker Muster konstituierte Lenkungsgremium hatte unter seinem Vorsitzenden George Mason parallel zur Konvent-Debatte damit begonnen, Grundrechte und „substantielle" Amendments niederzuschreiben. Oswalds Botschaft von der voraussicht-

209

210

Vgl. Madison to Coxe, 11. 6. 1788; to Rufus King, 13. 6. 1788; to Washington, 13. 6. 1788, Rutland XI, 102 f., 133 f. An Hamilton schrieb er im Laufe des Konvents sieben Briefe, a. a. O., 101 f., 139, 144, 157, 166, 177 f., 181 f. To Arthur Lee, Richmond, 13. 6. 1788, in: Rowland, Life of George Mason, II, 242 ff.

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lieh sicheren Mehrheit der „Republicans" im Poughkeepsie-Konvent wog die entmutigenden Ereignisse der ersten Konventtage zumindest teilweise auf. In den viertägigen Gesprächen, die der Emissär mit Mason, Henry und Grayson führte, herrschte Einvernehmen über die Notwendigkeit, klare Bedingungen für die Ratifizierung zu stellen. Anklang fand auch Lambs Vorschlag, die Opposition in beiden Staaten solle ständigen Kontakt halten und ihre Zusammenarbeit verstetigen. Die Briefe, die Oswald mit nach New York nahm, verrieten allerdings die Sorge, daß die Befürworter von „previous amendments" in Richmond in der Minderheit bleiben würden. Grayson beurteilte die Kooperationsmöglichkeiten im Falle einer Niederlage skeptisch, und er wollte dem Meinungsaustausch auch nur einen inoffiziellen und strikt vertraulichen Charakter geben. Demgegenüber glaubte Henry, ein Scheitern der Amendment-Bemühungen in Virginia werde es umso notwendiger machen, „to form the Society you mention. Indeed it appears the only remaining Chance for securing a remnant of those invaluable Rights which are yielded by the new Plan." Man müsse North Carolina mit einbeziehen und das System so organisieren, „as to include lesser Associations dispersed throughout the State. This will remedy in some Degree the Inconveniences arising from our dispersed Situation." Auf diesen Gedanken hatte ihn offenbar Oswalds Bericht über die New Yorker Korrespondenzkomitees und die pennsylvanischen County Societies gebracht. Mason schließlich fügte seinem Schreiben an Lamb die vorläufige Amendment-Liste des antifederalistischen Komitees bei. Oswald verließ Richmond am 11. Juni, informierte unterwegs George Bryan und James Hutchinson in Philadelphia, und händigte seine Post am 16. Juni an das „Federal Republican Committee" aus. Lambs Mitarbeiter Charles Tillinghast beförderte sie tags darauf nach Poughkeepsie weiter, wo gerade der New Yorker Konvent eröffnet wurde. 211 Im Auftrag Clintons verfaßte Robert Yates als Vorsitzender des sofort gebildeten Korrespondenzkomitees am 21. Juni einen Antwortbrief an Mason. Er dankte ihm für die Zeichen des Kooperationswillens und gab seiner Genugtuung Ausdruck, „that your Sentiments with respect to the Amendments correspond so nearly with ours, and that they stood on the Broad Basis of securing the Rights and equally promoting the Happiness of every Citizen in the Union." Gleichzeitig bedeutete er ihm 211

Siehe Grayson to Lamb, 9. 6. 1788; Henry to Lamb, 9. 6. 1788, in: Leake, Memoir of Lamb, S. 307 f., 311 f.; Mason to Lamb, 9. 6. 1788, Rutland, Mason Papers III, 1057 f.; vgl. Boyd, Politics of Opposition, S. 127 ff. Zu Oswald s. o. Kap. VII.

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aber, daß man vorerst auf einen offiziellen Schriftwechsel zwischen den beiden Konventen verzichten wolle. Für die Beibehaltung der informellen Methode spreche „the doubtful chance of your obtaining a majority — and the possibility that we will complete our determination before we could avail ourselves of your advice." Yates unterstrich noch einmal die Entschlossenheit seiner Fraktion, „previous amendments" durchzusetzen, ließ aber die Frage offen, auf welchem Wege solche Änderungen Teil der Verfassung werden sollten. 212 Das kam dem Eingeständnis gleich, die notwendige Koordinierung zu spät in Angriff genommen zu haben. Die Kommunikation funktionierte zwar, aber sie verschlang auf Grund der großen Entfernungen so viel Zeit, daß sie stets hinter den rasch fortschreitenden Ereignissen herhinkte. Wirkliche Abhilfe hätte wohl nur ein frühzeitiges Treffen der Oppositionsführer aus den wichtigsten Staaten und die Verabredung eines gemeinsamen Amendment-Programms mitsamt konkreten Schritten zu dessen Verwirklichung leisten können. Die lockere Organisation der Parteien und das Fehlen eines Konsultationsmechanismus auf nationaler Ebene machten das jedoch illusorisch. Ob ein solcher Versuch, wie die Federalists voraussetzten, schon an internen Widersprüchen im oppositionellen Lager gescheitert wäre, muß dahingestellt bleiben. Die Zusammenarbeit der Verfassungsgegner gelangte jedenfalls trotz verheißungsvoller Ansätze nicht über das Stadium des Informationsaustausches hinaus. So war man wohl in groben Zügen mit der Lage in den anderen Staaten vertraut, blieb aber letztlich beim Kampf für Ratifizierungsbedingungen völlig isoliert. Nicht zu übersehen ist auch eine gewisse Unsicherheit, ob denn die zwischenstaatliche Kooperation von Parteien zum Zwecke der Abwehr des Verfassungsplanes rechtens sei. Viele Antifederalists hielten die Hervorhebung derartiger Kontakte zumindest für inopportun, weil sie als Beleg für eine Verschwörungsabsicht mißdeutet werden konnten. Kaum minder wie die zahlreichen praktischen Schwierigkeiten, wirkte diese Vorsicht der Formierung einer effektiven nationalen Opposition entgegen. In Richmond neigte sich die Debatte derweil dem Ende zu. Die Antifederalists unternahmen alle Anstrengungen, um das Blatt noch zu wenden. Zielscheibe ihrer Kritik war, wie anderswo auch, das Fehlen einer Bill of Rights, das mangelhafte Repräsentativsystem und die Befugnis des Kongresses, direkte Steuern zu erheben, womit der Staatensouveränität der Todesstoß versetzt werde. Zum Dreh- und Angelpunkt 212

Robert Yates to Mason, Poughkeepsie, 21. 6. 1788, Emmet Coll., NN.

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seiner brillianten, ungestümen und repetitiven Ausführungen machte Henry den „wahren Föderalismus", wie er ihn in den Articles of Confederation verkörpert fand. Im Unterschied dazu mangele es dem geplanten Regierungssystem sowohl an Kontrollen und Gegengewichten als auch an klaren Zuständigkeiten. Wenn das Volk sich aber auf die Tugend seiner Herrscher verlassen müsse, dann sei es um die Freiheit geschehen. Die Konsolidierung der Staaten bedeute ein Abweichen vom „American spirit", vom Geist republikanischer Einfachheit und Freiheitsliebe, zugunsten des Strebens nach Macht, Ruhm und Reichtum. Ein zweiter Argumentationsstrang verband virginischen Patriotismus und die spezifischen Interessen der Südstaaten, um Widerstandskräfte gegen die drohende Vorherrschaft des Nordens zu wecken. Welch große Gefahr von dem Recht des Kongresses ausging, mit einfacher Mehrheit wirtschaftsregulierende Maßnahmen zu beschließen, wurde immer wieder an den Jay-Gardoqui-Verhandlungen illustriert, die den Südstaaten angeblich beinahe den Zugang zum Mississippi gekostet hätten. Das geschah mit besonderem Blick auf die Kentucky-Delegierten, von deren Haltung lange Zeit das Wohl und Wehe der Parteien abzuhängen schien. 213 Als der Konvent am 19. Juni in die Debatte über die Judikative eintrat, sammelten die Antifederalists noch einmal ihre Kräfte zum vermeintlich entscheidenden politischen Gefecht. Der Vorwurf lautete, die neue Bundesgerichtsbarkeit werde tausenden von Virginiern zum materiellen Nachteil gereichen und das Rechtssystem des Staates unterminieren. Ganz konkret spielten Mason und Henry damit auf die Furcht vieler Bürger an, nach Inkraftreten der Verfassung und Wirksamwerden des Friedensvertrags von ihren britischen Gläubigern vor ein bundesstaatliches Ge-

213

Auf Veranlassung der Federalists drängte der Kongreß-Delegierte John Brown, der selbst aus Kentucky kam, seine Landsleute im Richmond-Konvent zur Annahme der Verfassung. Zugleich arbeitete er auf die Staatswerdung Kentuckys hin. Siehe John Brown to [Mathew Walton], New York, 5. 6. 1788, Filson Club; to Madison, 7. 6. 1788, Rutland XI, 88 ff.; to James Breckinridge, New York, 21. 6. 1788, Breckinridge Family Papers, ViU; to Col. Steele, 22. 6. 1788, enclosure in J. Speed to John Brown, Natchez, 31. 12. 1808, Orlando Brown Papers, Filson Club; to John Smith, New York, 9. 7. 1788, J. Brown Papers, CtY; Carrington to Madison, New York, 25. 6. 1788, Rutland XI, 179. Ein Konvent-Mitglied sagte aber schon am 13. 6. voraus, daß die Federalists auch ohne die KentuckyDelegierten eine Mehrheit von 9 bis 10 Stimmen haben würden. Letter from Richmond, Pa. Packet, 20. 6. 1788.

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rieht, möglicherweise sogar vor den Supreme Court zitiert zu werden. 2 , 4 Die Antifederalists prophezeihten auch, die Indiana Company werde ihre 1768 von den Irokesen erworbenen und 1779 vom virginischen Parlament für ungültig erklärten Besitzansprüche auf Land im Westen des Staates wiederbeleben und Schadensersatzforderungen stellen. Diese Gefahr sollte vor allem die Delegierten aus den westvirginischen Counties schrekken, die mit zunehmender Dauer des Konvents tatsächlich in eine Schlüsselrolle gelangt waren. 215 Anders als die Opposition verteilten die Federalists die Last der Debatte auf mehrere Schultern und führten neben Madison so versierte Redner wie Randolph, George Nicholas, Pendleton, Marshall und Henry Lee ins Feld. Die eindringlichsten Beiträge lieferte dennoch Madison, ungeachtet seiner von Nervenanspannung, Gallenleiden und feuchtheißem Klima bewirkten körperlichen Schwäche. Schon am 6. Juni setzte er sich im Rahmen einer grundsätzlichen Verteidigungsrede Punkt für Punkt mit Henrys Anklagen auseinander und wies ihm Mißdeutungen, fehlerhafte Logik und mangelnde Geschichtskenntnisse nach. Tags darauf analysierte er die Defekte staatenbündischer Systeme im allgemeinen und der amerikanischen Konföderation im besonderen und hielt Henry entgegen, daß es nicht um „national splendor and glory" gehe, sondern um innere Sicherheit und Wohlstand, mit denen allein sich die Vereinigten Staaten den Respekt der Welt erwerben könnten. Am 11. Juni rechtfertigte er, provoziert durch Monroes Darlegungen vom Vortag, die Befugnis des Kongresses, direkte Steuern zu erheben, als notwendig, praktikabel, sicher und wirtschaftlich. Das neue Steuersystem sei dem bisherigen Requisitionswesen, das die finanziellen Leistungen ins Belieben der einzelnen Staatenlegislativen gestellt habe, weit überlegen: „In the general council, on the contrary, the sense of all America would be drawn to a single point. The collective interest of the union at large, will be known and pursued. No local views will be permitted to operate against the general welfare." So wie die Bürger bereits jetzt Steuern 214

215

Masons Attacke vom 19. Juni wurde tags darauf von Madison beantwortet. Rutland XI, 158 ff. Es ging v. a. um die acht Delegierten der vier westvirginischen Counties Ohio, Monangalia, Harrison und Randolph. Die Hoffnungen der Antifederalists erhielten einen Dämpfet, als der im Westen hochangesehene Zephaniah Jackson sich im Konvent für die Ratifizierung aussprach. Vgl. Vaughan to Langdon, Philad. 16. 6. 1788, Langdon-Elwyn Papers, NHHi; Pa. Mercury, 17. 6. 1788; Ν. Y. Daily Adv., 19. 6. 1788; Cook, Western Virginia's Contribution S. 9 0 - 1 1 0 ; Main, Antifederalists, S. 229, Anm. 31.

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gleichermaßen an lokale und staatliche Instanzen entrichteten, stehe es ihnen frei, künftig eine „concurrent collection of taxes" von Staat und Union zu erlauben: „The people at large are the common superior of the state governments, and the general government." Von einem „uniform and steady course of legislation" würden gerade die arbeitsamen Farmer und Handwerker profitieren, die bislang in steter Gefahr der Übervorteilung durch gerissene Geschäftemacher lebten. Auf den Wunsch nach einer Bill of Rights eingehend, bekräftigte Madison am 12. Juni seinen Standpunkt, daß die Vielfalt der Kirchen und Glaubensgemeinschaften in Amerika eine bessere Gewähr für die Religionsfreiheit böte als papierne Grundrechtsgarantien. In einer langen Rede widmete er sich am folgenden Tag der Mississippi-Problematik, wobei er die Delegierten aus Kentucky mit dem Hinweis zu beruhigen suchte, die Freiheit der Schiffahrt auf dem Strom liege auch und gerade im Interesse der Nordstaaten: „For, if the carrying trade be their natural province, how can it be so much extended and advanced, as by giving the encouragement to agriculture in the western country, and having the emolument of carrying their produce to market?" Die anhaltende Emigration aus den Küstenstaaten werde im übrigen das Gewicht des Westens in den Institutionen der Zentralregierung sehr bald erheblich stärken. Letzten Endes komme es aber nicht so sehr darauf an, das Recht des freien Zugangs zum Misissippi zu proklamieren, als es praktisch auszuüben. Die Voraussetzungen hierfür, die unter der schwachen Konföderation gefehlt hätten, seien nunmehr mit der Bundesverfassung gegeben. In der Folge berührte Madison Fragen wie die Festsetzung der Abgeordnetendiäten und die Gefahr der Ämterhäufung, Eingriffsmöglichkeiten des Kongresses in Wahlangelegenheiten, das Verhältnis von Miliz und Unionstruppen, die ausschließliche Gesetzgebung des Kongresses für die Bundeshauptstadt sowie den Sklavenhandel und die Rechte der Sklavenhalter. In Virginia sei die Einfuhr von Sklaven bereits gesetzlich verboten, und der Kongreß könne das in zwanzig Jahren für die gesamte Union nachvollziehen. Bis dahin dürfe er aber keine Sondersteuer erheben, die einer Zwangsemanzipation gleichkomme. Das Eigentum, das sich jemand in Form von Sklaven erworben habe, stehe vielmehr ausdrücklich unter dem Schutz der Verfassung. Ohne das Zugeständnis des temporären Fortbestehen der Sklaverei hätte es in Philadelphia keine Einigung gegeben: „Great as the evil is, a dismemberment of the union would be worse." Das große Finale dieser Serie von Stellungnahmen und Erläuterungen bildete am 20. Juni eine Rede über die judikativen Vollmachten der

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nationalen Regierung, mit der die Schlußoffensive der Opposition abgewehrt werden sollte. Madisons Leitmotiv war das Vertrauen in die Fähigkeit der Bürger, geeignete Männer für die wichtige Aufgabe der Rechtsprechung auszuwählen: „Were I to select a power which might be given with confidence, it would be the judicial power. This power cannot be abused, without raising the indignation of all the people of the states ... I go on this great republican principle, that the people will have virtue and intelligence to select men of virtue and wisdom." Gewiß seien die unmittelbaren und die appellativen Zuständigkeiten der Bundesgerichtsbarkeit nicht völlig exakt definiert, doch der Kongreß werde sie eher eingrenzen als ausweiten und dafür Sorge tragen, daß 99% aller Fälle im Bereich der Staatengerichte blieben. Für die Schuldner hielt Madison keinen raschen Trost, wohl aber Hoffnung auf langfristige Besserung parat: „Industry and oeconomy is their only resource. It is in vain to wait for money, or temporise. The great desiderata are public and private confidence ... The circulation of confidence is better than the circulation of money ... The establishment of confidence will raise the value of property, and relieve those who are so unhappy as to be involved in debts." 216 Im Bestreben, die — nicht nur von geschworenen Gegnern des Verfassungsentwurfs gehegten — Ängste vor einer endlosen Prozeßflut, vor dem Niedergang der Geschworenengerichtsbarkeit und der Degradierung der Staatengerichte zu beschwichtigen, unterliefen Madison auch Fehler. So Schloß er — ebenso wie John Marshall, Hamilton und eine Reihe anderer Federalists — die Möglichkeit aus, daß ein Staat von einem Bürger eines anderen Staates oder einem Ausländer verklagt und durch alle Instanzen zur Rechenschaft gezogen werden konnte. Hier hatte er wohl den Fall der Indiana-Landgesellschaft vor Augen, dessen Wiedereröffnung die Antifederalists an die Wand malten. Madisons Optimismus sollte bald Lügen gestraft werden, während Henrys Mißtrauen seine Bestätigung fand. Über Jahre hinweg mußte sich Virginia der Schadensersatzforderungen erwehren, die Mitglieder der Indiana Company bis vor den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten trugen. Erst das 1798 angenommene Elfte Amendment, das dem Supreme Court die Zuständigkeit in Fällen nahm „commenced or prosecuted against one of the United States by Citizens of another State, or by Citizens or Subjects

216

Siehe v. a. Rutland XI, 110, 114, 118 f., 130 f., 135, 150 f., 162 ff.

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of any Foreign State", zog einen Schlußstrich unter dieses leidige Kapitel. 217 Die Antifederalists seien überwältigt worden „by the deep reasoning of our glorious little Madison," rühmte ein Briefschreiber im Pennsylvania Mercury.2™ Auf die westvirginischen Delegierten scheinen Madisons beruhigende Äußerungen und die Verheißung einer baldigen Räumung der britischen Sperrforts offenbar Eindruck gemacht zu haben. Um ihre Stimmen und um die ihrer Kollegen aus Kentucky sowie um einige wenige „doubtful delegates" aus anderen Counties wurde bis zuletzt heftig gerungen. Gouverneur Morris beoachtete auf Seiten der Antifederalists „dark modes of operating on the Minds of Members." Wenn aber wirklich unlautere Methoden zur Anwendung kamen, was nicht erwiesen ist, dann standen die Federalists ihren Gegnern darin wohl kaum nach. 219 Die Stärkeschätzungen pendelten sich schließlich bei einer knappen Mehrheit für die bedingungslose Ratifizierung ein, doch es gab auch noch Leute in Richmond, die ihr Geld auf einen antifederalistischen Sieg verwetteten. 220 Madison rechnete damit, daß die Opposition „previous amendments" fordern und im Falle der Ablehnung einen Vertagungsantrag stellen werde. Um diesen Stoß zu parieren und den Skeptikern im eigenen Lager entgegenzukommen, bereiteten die Federalists einen Ratifizierungstext vor, der mit einer „conciliatory declaration of certain fundamental principles in favor of liberty" eröffnet und mit wenigen Änderungsempfehlungen abgeschlossen werden sollte.221 Daß die Gegner den Mut sinken ließen, folgerte Madison aus Masons Worten vom 23. Juni, die Annahme der Verfassung „could not but be productive of the most alarming consequences. He dreaded popular resistance to its operation." 222 Weil am selben Tag das Parlament zusammentrat, dem ein Drittel der Konvent217 218 219

220 221

222

Rutland X, 543 f., Anm. 6. 26. 6. 1788, Letter from Richmond, 18. 6. 1788. Gouv. Morris to Hamilton, Richmond, 13. 6. 1788, Syrett V, 7 f. Laut John Vaughan beklagte sich Mason bei einem Freund, die Federalists gewönnen die Oberhand „by Means of arts the most despicable." S. o. Anm. 215. Vermutlich operierten die Verfassungsanhänger auch hier mit dem Gespenst des Separatismus. Tench Coxe („An American") hatte schon im Mai für den Fall der Nichtratifizierung eine Loslösung der östlichen Counties von Virginia vorhergesagt. Pa. Gazette, 28. 5. 1788. Ν. Y. Daily Adv., 27. 6. 1788, Letter from Richmond, 18. 6. 1788. Siehe Madison to Hamilton, 22. 6. 1788; to King, 22. 6. 1788; to Washington, 23. 6. 1788, Rutland XI, 166ff. Robertson, Virginia Debates, S. 418.

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Delegierten ebenfalls angehörten, wurde die Diskussion der letzten drei Verfassungsartikel im Eilverfahren durchgezogen. Am 24. Juni beantragte Henry dann namens seiner Fraktion, der Konvent möge die notwendigen Amendments beschließen und den übrigen Staaten zusenden, damit sie vor der endgültigen Ratifizierung geprüft werden könnten. Dahinter stand der Wunsch, den Ratifizierungsprozeß zu stoppen und einen zweiten allgemeinen Verfassungskonvent herbeizuführen, der den Philadelphia-Entwurf drastisch revidieren und um eine Bill of Rights erweitern würde. In seiner letzten Entgegnung legte Madison die bisherige zurückhaltende Dozierweise ab und schwang sich zu einem leidenschaftlichen Appell auf, das in der Revolution begonnene und von aller Welt bestaunte Werk der Errichtung freier Regierungssysteme nicht kurz vor der Vollendung zu zerstören: „It is a most awful thing that depends on our decision — no less than whether the thirteen states shall unite freely, peaceably, and unanimously, for the security of their common happiness and liberty, or whether every thing is to be put in confusion and disorder!" Niemand könne verlangen, daß sich die acht Staaten, die bereits ratifiziert hätten, dieser Aufgabe ein zweites Mal unterzögen. Wenn der Konvent von Virginia dagegen feierlich erkläre, daß die Staaten sämtliche nicht ausdrücklich an die Bundesregierung abgetretenen Rechte behielten, und wenn er darüber hinaus einige Amendments empfehle, die auf regulärem Wege im Kongreß zu behandeln seien, dann werde man ihm bereitwillig Gehör schenken. Diese Amendments dürften aber nicht an den Grundlagen des Verfassungssystems rütteln, und ebensowenig könnten sie zur Bedingung der Ratifizierung gemacht werden. 223 Einen Tag nach diesem Plädoyer lehnte der Konvent den antifederalistischen Resolutionsentwurf mit 88 zu 80 Stimmen ab. Da der erwartete Vertagungsantrag unterblieb, wurde unmittelbar anschließend die entscheidende Frage gestellt, bei der sich 89 Delegierte für und 79 gegen die Ratifizierung der Verfassung aussprachen. Das Endergebnis sah nur drei der vierzehn Kentucky-Delegierten, dafür aber 15 der 16 Repräsentanten aus den „Allegheny Counties" im federalistischen Lager. Ihre Einmütigkeit, die nicht von vornherein feststand, hatte der bedingungslosen Ratifizierung den Weg geebnet. Kaum mehr als eine Handvoll Abgeordneter votierte den Wünschen ihrer Wähler zuwider — alle bis auf einen für die Annahme der Verfassung. Zwei Delegierte, ein Federalist

223

Rutland XI, 172 ff.

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und ein Antifederalist, fehlten bei der Abstimmung. 224 Als gute Republikaner währten die Antifederalists trotz ihrer Enttäuschung Haltung und trugen mit dazu bei, daß die Sitzung „with due decorum and solemnity" geschlossen werden konnte. Henry erklärte, als „quiet citizen" respektiere er die Mehrheitsentscheidung, werde aber „in a constitutional way" für die Rückgewinnung der verlorenen Freiheiten kämpfen. Auf einem nachfolgenden caucus beruhigte er die erregten Gemüter und riet von offenem Widerstand und Gewaltmaßnahmen ab. 225 Die Verfassungsfreunde unterließen ihrerseits alles, was die Minderheit hätte provozieren können: „The federalists behave with moderation and do not exult in their success," konstatierte einer von Henrys Anhängern halb erstaunt, halb befriedigt. 226 Der federalistischen Resolution folgend, setzte der Konvent ein 17köpfiges Amendment-Komitee ein, in dem sämtliche prominenten Federalists und Antifederalists Platz fanden. Es stellte bis zum 27. Juni den ausführlichsten Katalog von Verbesserungs- und Ergänzungsempfehlungen zusammen, der einem Konvent bis dahin vorgelegen hatte. Die insgesamt 40 Amendments gliederten sich in zwei Gruppen zu je 20, von denen die erste eine Bill of Rights formte, die zweite Abstriche an den Machtbefugnissen der Bundesregierung vornahm und ambivalente Verfassungsklauseln klarzustellen suchte. Damit war die Unterscheidung zwischen formalen und strukturellen Amendments erstmals aktenkundig geworden. Die federalistischen Komiteemitglieder fügten sich bereitwillig den Wünschen Henrys und Masons, um das Erreichte nicht zu gefährden und den versöhnlichen Geist am Leben zu erhalten. Eine wichtige Rolle spielte sicher auch die Rücksichtnahme auf das Parlament, in dem die Verfassungsgegner in der Überzahl waren. 227 Das Plenum des Konvents akzeptierte am 27. Juni ohne Diskussion die 20 Grundrechte-Amendments, fand sich aber nur mühsam mit einigen der strukturellen Änderungsvorschlägen ab. Problematisch waren aus federalistischer Sicht die Bestimmungen, die für Handelsverträge eine 224

225

226

227

Main, Antifederalists, S. 285 f. In Europa kursierte im August das Gerücht, der Virginia-Konvent habe sich ohne Beschluß vertagt. Boyd XIII, 481 f., 511. Vgl. Madison to King, 25. 6. 1788; to Washington, 25. u. 27. 6. 1788; to Hamilton, 27. 6. u. 30. 6. 1788, Rutland XI, 178, 181 ff.; Va. Indep. Chronicle, 9. 7. 1788; Rowland, Life of Mason, II, 273 f. Spencer Roane to Philip Aylett, 26. 6. 1788, in: Letters of S. Roane, 1788-1822, Ν. Y. Public Libr. Bull. 10 (1906), S. 167. Roane, der Schwiegersohn Patrick Henrys, fügte allerdings an, die Mehrzahl der Antifederalists sei deprimiert. Madison to Hamilton, 22. 6. u. 27. 6. 1788, Rutland XI, 166, 181 f.

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Zweidrittelmehrheit des Senats, für Wirtschaftsgesetze und den Unterhalt eines stehendes Heeres gar Zweidrittelmehrheiten in beiden Häusern des Kongresses forderten. Auch die Beschränkung der Amtszeit des Präsidenten auf acht Jahre in einem Gesamtzeitraum von 16 Jahren lief den Überzeugungen der Verfassungsanhänger zuwider. Am meisten stießen sie sich aber an zwei weiteren Amendments: Das eine entzog den Bundesgerichten die Rechtsprechung in allen denjenigen Fällen, die aus der Zeit vor der Ratifizierung herrührten. Damit wäre eine Barriere gegen die Eintreibung des den Briten oder den Loyalisten geschuldeten Geldes errichtet worden und der Friedensvertrag erneut ins Zwielicht geraten. Das andere entsprach dem vierten Massachusetts-Amendment und sah vor, daß der Kongreß direkte Steuern nur dann eintreiben durfte, wenn der Staat die ihm zugemessene Quote nicht aus eigener Kraft aufbrachte. Hiergegen regte sich ernsthafter Protest, erinnerte eine solche Regelung doch fatal an das bisherige Requisitionssystem. Der Antrag einer Gruppe von Federalists, unter ihnen Randolph, Madison und Marshall, dieses dritte (bzw. 23.) Amendment zu streichen, wurde jedoch mit 85 gegen 65 Stimmen abgelehnt. Für die Beibehaltung votierten neben den Antifederalists unter anderem Präsident Pendieton, zwei seiner Kollegen vom Obersten Staatsgericht und Henry Lee. 228 Während einige von ihnen prinzipielle Gründe hatten, war das Verhalten der meisten eher taktisch motiviert. Ihr Entgegenkommen wurde vom politischen Gegner prompt mit dem Verzicht honoriert, eine schon entworfene „Address of the Minority" an die Öffentlichkeit zu geben. So war die Solidarität der Gentry zumindest vordergründig wiederhergestellt, und Pendieton konnte die Delegierten „in friendship and Amity" entlassen. 229 Virginias Ratifizierungsurkunde bestand aus einer Präambel mit der Garantieerklärung für die Rechte der Staaten, dem eigentlichen Ratifizierungsakt und 40 an den Kongreß gerichteten Amendment-Empfehlungen. Eine Reihe von Änderungswünschen sei „highly objectionable," räumte Ma-

228 229

Robertson, Virginia Debates, S. 473; vgl. Risjord, Chesapeake Politics, S. 305 f. A. Stuart to John Breckinridge, Charlottesville, 30. 6. 1788, Breckinridge FamilyPapers, LC. Wie schon in einigen anderen Konventen, versprachen die meisten Antifederalists, die Mehrheitsentscheidung zu respektieren und ihre Wähler mit dem Resultat zu versöhnen. Mason nahm an, es werde der „most prudent exertions" bedürfen, „to keep the People quiet in some parts of the Country." To John Mason, 21. 7. 1788, Rutland, Mason Papers III, S. 1126 f. Randolph bestätigte, daß führende Verfassungsgegner wie William und Samuel J. Cabell die Unruhe unter der Bevölkerung südlich des James River zu dämpfen versuchten. To Madison, Richmond, 27. 7. 1788, Rutland XI, 208 f.

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dison in einem Brief an Washington ein, doch man habe sie passieren lassen müssen.230 „Hot federalists" vom Schlage Francis Corbins ließen kein gutes Haar an dieser Prozedur und verschonten intern auch Madison nicht mit Kritik: „This whole business was ludicrous and is absurd in the Extreme ... I myself scouted Every Idea of proposing any amendments — trusting alone to those which Experience might Suggest. I wish our friend Madison had not been of the Committee — I am sure he blushes when it is talked of." 231 Für die meisten seiner Parteifreunde zählte aber vor allem, daß mit der Ratifizierung Virginias die letzten Zweifel am Inkrafttreten der Verfassung beseitigt waren. 232 Profitiert hatten die Federalists vom Beispiel der anderen Staaten, die Amendment-Empfehlungen für zulässig und unbedenklich erachteten, vom überraschenden Engagement, das Gouverneur Randolph an den Tag legte, und von der Kompetenz, Geduld und Zähigkeit, mit denen Madison den Verfassungsentwurf in Schutz nahm. Ungemein wertvoll war aber auch, daß sie das Ansehen Washingtons in die Waagschale werfen konnten. Obgleich der General vorgezogen hatte, auf Mount Vernon zu bleiben, kannte inzwischen jedermann seinen politischen Standpunkt, und war er in allen Diskussionen und Gesprächen gegenwärtig. Die sichere Aussicht, daß der erste Präsident der Vereinigten Staaten aus Virginia kommen und George Washington heißen würde, erleichterte es manch einem Delegierten, eigene Bedenken hintanzustellen und für die bedingungslose Ratifizierung zu stimmen. Der Opposition war es nicht gelungen, hinreichende Voraussetzungen für die Generalrevision des Verfassungsentwurf durch eine Second Convention zu schaffen. Andererseits hatte sie die Federalists zu einer Debatte über Strukturänderungen gezwungen und dabei sogar — zumindest verbale — Unterstützung aus deren Reihen erhalten. Diese Unstimmigkeiten im gegnerischen Lager und die nach wie vor starke Position der Verfassungskritiker im Parlament ließen hoffen, daß ein beträchtlicher Teil des AmendmentProgramms, das nun endlich klar formuliert vorlag, gemeinsam mit 230

231 232

27. 6. 1788, Rutland XI, 182 f. Die Virginia-Amendments sind abgedruckt in Dumbauld, Bill of Rights, S. 182 ff. To Benjamin Rush, Richmond, 2. 7. 1788, Alexander Biddle Coll., PHi. Für Pierse Long war die Nachricht aus Richmond „an important point of intelligence. Though 9 States are sufficient to set the government agoing — yet that State being large and commercial, expecting the carrying business, has and must have great weight in the federal Scale." To Wingate, 7. 7. 1788, P. Wingate Papers, NHHi.

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Massachusetts, New York und einigen anderen Staaten verwirklicht werden konnte. Die Antifederalists traten die Heimreise jedenfalls im Bewußtsein an, sich wacker geschlagen zu haben und einer totalen Niederlage entgangen zu sein. Die Entscheidung Virginias wurde in der Nacht zum 2. Juli in New York City und zehn Stunden später in Poughkeepsie bekannt. 233 Nach der Ankunft des Expreßreiters aus Concord am 24. Juni war das der zweite gehörige Dämpfer, den die Siegeszuversicht der Republicans erhielt. Äußerlich nahmen die Verfassungsgegner diese beiden Geschehnisse noch auf die leichte Schulter und erweckten den Eindruck, als sei ihre Solidarität durch nichts zu erschüttern. In Wahrheit hatte aber schon die Kunde von der Ratifizierung des neunten Staates an ihrem Selbstvertrauen und an der Geschlossenheit der antifederalistischen Fraktion gezehrt. Die Botschaft aus Richmond leitete nun vollends die von Hamilton herbeigesehnte Wende ein, auch wenn es weitere drei Wochen dauern sollte, bis New York dem „Old Dominion" in die neue Union folgte. 234 Stärker noch als alle anderen Ratifizierungsversammlungen hatte der Poughkeepsie-Konvent seit seinem Beginn am 17. Juni im Zeichen der Parteientaktik gestanden. Nirgendwo sonst verfügten die Kritiker des geplanten Bundesstaates über eine bessere Ausgangsposition und größere Siegeschancen. Da sie gut zwei Drittel der Delegierten stellten, konnten sie Gouverneur Clinton und Richter Henry Oothoudt ungehindert zum Konvent-Präsidenten bzw. Vorsitzenden des committee of the whole wählen und Abraham Β. Bancker und John McKesson als Sekretäre berufen. 233

234

Das Independent Journal brachte am 2. 7. eine Sonderausgabe mit dem Wortlaut der Virginia-Ratifizierung heraus. In Poughkeepsie verbreitete ein Flugblatt die Nachricht. Eine ausgewogene Darstellung des Poughkeepsie-Konvents gibt Kaminski, New York. The Reluctant Pillar, in: Schechter, ed., Reluctant Pillar, S. 48 ff. Vgl. Miner, Ratification by the State of New York (1921); Ernest W. Spaulding, New York and the Federal Constitution, in: Ν. Y. History 20 (1939), S. 125 ff.; Baltus B. Van Kleeck, The Ratification of the Constitution by the State of New York at Poughkeepsie, 1788, in: Dutchess County Hist. Soc. Year Book 48 (1963), S. 3 0 - 4 1 ; Philip R. Schmidt, Virginia, Secession, and Alexander Hamilton. New York Ratifies the Constitution, Μ. A. Thesis, Ottawa Univ., 1965; Edwin G. Burrows, The Meaning of Federalism and Antifederalism. New York and the Constitution, M. A. Thesis, Columbia Univ., 1966; De Pauw, The Eleventh Pillar (1966); Robin Brooks, Alexander Hamilton, Melancton Smith, and the Ratification of the Constitution in New York, in: WMQ 24 (1967), S. 339-358; Countryman, A People in Revolution (1981), S. 273 ff.

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Unter diesen Umständen sahen die 19 Federalists die schlimmste Gefahr darin, daß die Debatte schon im Anfangsstadium abgewürgt und mit einer schnellen Entscheidung gegen die Verfassung beendet werden könnte. Tatsächlich wäre dies für die Antifederalists das sicherste, wenn nicht das einzig mögliche Erfolgsrezept gewesen. Zum einen glaubten sie aber, der Öffentlichkeit und dem politischen Gegner eine faire Diskussion schuldig zu sein, und zum anderen mangelte es ihnen immer noch an klaren Zielvorstellungen. Nur wenige Abgeordnete waren bereit, den Entwurf rundweg abzulehnen und damit die Trennung New Yorks von der Union zu riskieren. Die Mehrzahl hatte schon im Wahlkampf zu verstehen gegeben, daß ein derart radikaler Schritt nicht in Frage kam. Aufschluß darüber, wie die angekündigte gründliche Verbesserung des Textes bewerkstelligt werden konnte, und welche Voraussetzungen für die Zustimmung erfüllt sein mußten, hofften die Antifederalists augenscheinlich erst aus der Debatte zu gewinnen. Sie wehrten sich deshalb auch nicht gegen eine Diskussion nach Paragraphen, sondern bestanden lediglich darauf, zu jedem einzelnen Punkt Änderungsvorschläge einbringen und erläutern zu dürfen. 235 Diese Verabredung befreite Hamilton und seine Freunde vom ärgsten Druck. Der Kelch einer sofortigen Ablehnung oder Vertagung war an ihnen vorübergegangen, und sie hatten mindestens zwei Wochen Zeit gewonnen, in denen sie Überzeugungsarbeit leisten und die Wirkung von „external circumstances" abwarten konnten. 236 Einige hellsichtige Verfassungsgegner innerhalb und außerhalb des Konvents ahnten, daß man sich auf eine abschüssige Bahn begeben hatte, an deren Ende der Zerfall der Fraktionsgemeinschaft stand: „I apprehend some Injury from a long delay by diminishing our Numbers and perhaps from Operations on the Hopes or Fears of a few," bekannte John Lansing gegenüber Abraham Yates. Sein jüngerer Bruder Abraham G. Lansing pflichtete ihm bei: „We will eventually be injured by delays, notwithstanding the decided majority." Er dachte dabei nicht nur an die „Federal Chicanery" und an Einflüsse aus anderen Staaten, sondern rechnete auch mit der wachsenden Ungeduld vieler antifederalistischer Delegierter, die in der

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236

Siehe The Debates and Proceedings of the Constitutional Convention of the State of New York Assembled at Poughkeepsie on the 17th June, 1788, Poughkeepsie 1905 (ursprünglich veröffentlicht von Francis Childs, 1788); Journal of the Proceedings of the Convention of the State of New York, 1788, NYStL; Elliot, Debates, vol. II; Syrett V, 10 ff. Hamilton to John Sullivan, New York, 6. 6. 1788, Syrett V, 2.

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Erntesaison von ihren Farmen ferngehalten wurden. David Gelston in New York City wäre es ebenfalls lieber gewesen, wenn sich der Konvent vertagt hätte, „immediately after reading the Constitution." Vor Ort überwog aber noch die Meinung, die Einigkeit und Harmonie unter den Clintonians werde alle Hoffnungen der Federalists im Keim ersticken, und „neither Sophistry Fear or Influence" könnten irgendeinen Wandel bewirken. 237 Die Diskussion lief sehr schleppend an und gelangte in zwei Wochen gerade bis zur achten Sektion des ersten Artikels. Dafür zeichnete sie sich ganz im Unterschied zu dem harten Wahlkampf durch betonte Zuvorkommenheit und Höflichkeit auf beiden Seiten aus. Melancton Smith versicherte, er sei bereit, „to make every reasonable concession, and indeed to sacrifice every thing for a Union, except the liberties of his country." Sein Fraktionskollege John Williams hatte nichts gegen eine gründliche Prüfung der Verfassung einzuwenden, um herauszufinden, ob sie die Bürgerfreiheiten und Grundrechte sichere: „If it be so, let us adopt it. — But if it be found to contain principles, that will lead to the subversion of liberty — If it tends to establish a despotism, or what is worse, a tyrannical aristocracy, let us insist upon the necessary alterations and amendments." Als Hamilton dem Gouverneur vorhielt, die amerikanischen Staaten seien nicht verschiedenartiger als die europäischen Nationen und eigneten sich deshalb durchaus für ein einheitliches Regierungssystem, erklärte Clinton, „that the dissolution of the Union is, of all events, the remotest from my wishes." Hamilton befürworte eine konsolidierte, er dagegen eine föderative Republik: „The object of both of us is a firm energetic government: and we may both have the good of our country in view; though we disagree as to the means of procuring it." 238 Am Rande der Debatten begannen Hamilton, Livingston und Jay, die gegnerische Front nach Schwachstellen abzutasten, indem sie einzelne Kritiker beiseitenahmen und ins Gespräch zogen. Mit seiner Freundlichkeit und umgänglichen Art fand Jay noch am ehesten Zugang zu den verschlossenen, aus Angst vor Spaltungsversuchen meist nur gruppen-

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238

Vgl. John Lansing to Abraham Yates, Poughkeepsie, 19. 6. 1788, GansevoortLansing Papers, NN; Abraham G. Lansing to Abraham Yates, Albany, 22. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN; David Gelston to John Smith, New York, 21. 6. 1788, J. Smith Misc. Mss., NHi; Robert Yates to Mason, Poughkeepsie, 21. 6. 1788, Emmet Coll., NN. Ν. Y. Convention Debates, 20. u. 21. 6. 1788.

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weise auftretenden Antifederalists. 239 Jede Meinungsschattierung und jede Unstimmigkeit, die sie entdeckten, nährte die Hoffnung der Verfassungsfreunde, zumindest ein Teil der Opponenten werde rechtzeitig zur Besinnung kommen und klein beigeben. Auch nach der Ratifizierung New Hampshires waren sich beide Parteien aber noch bemerkenswert einig, daß der Konvent auf der Stelle trat und eine wie auch immer geartete Entscheidung in weiter Ferne lag. Hamilton wartete gespannt auf Nachricht von Madison, den er wiederholt daran erinnert hatte, daß nur bei einem glücklichen Ausgang des Virginia-Konvents Erfolgschancen in Poughkeepsie bestünden. Sein letzter derartiger Hilferuf vom 2. Juli enthielt den dringlichen Hinweis, es gebe nun mehr denn je Grund zu der Annahme, „that our conduct will be influenced by yours ... Some of the leaders appear to me to be convinced by circumstances and to be desirous of a retreat." Das treffe allerdings nicht auf den Gouverneur zu, „who wishes to establish Clintonism on the basis of Λntifoederalism."240 Kaum war das erlösende Wort aus Richmond eingetroffen, stellten die Federalists ihre Taktik vollkommen um. Bis dahin hatten sie in der Diskussion jeden Fußbreit Boden verteidigt und gegen jedes einzelne der vornehmlich von Melancton Smith und John Lansing eingebrachten Amendments hartnäckig Widerstand geleistet. Von nun an nahmen sie die meisten Änderungsvorschläge kommentarlos zur Kenntnis, so daß der Konvent bis zum 7. Juli die restlichen sechs Artikel des Verfassungsentwurfs zügig erledigen konnte. Die Früchte der Verzögerung waren geerntet, und das Hauptinteresse wandte sich jetzt der Frage zu, ob die Gegner mit Verbesserungsempfehlungen zufrieden sein würden, oder ob sie das Ja zur Ratifizierung an Bedingungen knüpfen wollten. 241 Damit gerieten die Antifederalists, deren Meinungen über Inhalt und Methode der Amendierung immer weiter auseinandergingen, in einen unangenehmen Zugzwang. Nur unter großen Anstrengungen konnten sie diese erste Krise meistern und sich in ihrem caucus auf ein dreigeteiltes Amendment-Programm verständigen. 242 Das von Lansing am 10. Juli präsen-

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240

241

242

Siehe R. B. Morris, John Jay and the Adoption of the Federal Constitution in New York (1982). Syrett V, 140 f. Die anderen sechs Briefe, die Hamilton während des Konvents an Madison schrieb, finden sich a. a. O., S. 35, 80, 91, 147 f., 177 f., 187. Vgl. Nathaniel Lawrence to Lamb, Poughkeepsie, 3. 7. 1788, Lamb Papers, NHi; Jay to Washington, 4./8. 7. 1788, State Dept. Doc. Hist, of the Constitution, vol. IV; Abraham Bancker to Evert Bancker, 5. 7. 1788, Bancker Family Papers, NHi. DeWitt Clinton to Tillinghast, Poughkeepsie, 12. 7. 1788, DeWitt Clinton Papers, Columbia Univ.

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tierte Papier unterschied zwischen „explanatory", „conditional" und „recommendatory amendments." Die erste Kategorie beinhaltete eine Bill of Rights sowie Klarstellungen und Interpretationen von Verfassungsklauseln. Die Bedingungen in Gruppe zwei untersagten dem Kongreß bis zum Zusammentritt eines zweiten allgemeinen Verfassungskonvents (a) die New Yorker Miliz außerhalb der Staatsgrenzen länger als sechs Wochen ohne Zustimmung des Parlaments einzusetzen (b) Bundeswahlen im Staat New York zu regulieren und (c) den New Yorkern direkte Steuern aufzuerlegen, ohne zuvor ihre Staatsregierung um Requisitionen ersucht zu haben. Die zahlreichen Verbesserungsempfehlungen im dritten Teil sollten dann vom ersten Bundeskongreß gemäß den Richtlinien der neuen Verfassung behandelt werden. 243 Der Konvent setzte ein 15-köpfiges Amendment-Komitee ein, das sich aber sofort wieder auflöste, als die acht antifederalistischen Mitglieder den Lansing-Plan zu ihrem „letzten Wort" erklärten. Die Federalists konterten am 11. Juli mit einem eigenen Antrag, der die bedingungslose Ratifizierung, begleitet von einigen Erläuterungen und Änderungsempfehlungen, vorsah. Er gelangte jedoch nicht zur Abstimmung, sondern wurde ebenso wie der Lansing-Vorschlag zugunsten weiterer Kompromißbemühungen zurückgestellt. Derweil brachen die mühsam gekitteten Risse im antifederalistischen Lager wieder auf, ohne allerdings das gesamte Bollwerk schon zum Einsturz zu bringen. Am 16. Juli ergriffen die Federalists eine Maßnahme, die sie zur Abwendung drohenden Unheils stets in Reserve gehalten hatten. John Sloss Hobart aus New York City beantragte eine Unterbrechung der Beratungen bis zum 2. September, um den Delegierten Gelegenheit zu geben, „of going home to Consult their Constituents." 244 Antifederalists wie Abraham Yates rechneten seit langem mit einem solchen Schachzug, weil er den Hamiltonians die Möglichkeit eröffnete, „to shew their dexterity at Management." Bis zum Wiederbeginn des Konvents würden sie die Abgeordneten einzeln ins Gebet nehmen und den Staat in „Continual Convulsion" stürzen. 245 243 244

245

Syrett V, 149, 156; vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 108. Abraham Bancker to Evert Bancker, 18. 7. 1788, Bancker Family Papers, NHi. Philip Schuyler schilderte am 14. 7. Symptome des beginnenden Zerfalls der antifederalistischen Fraktion: „[Samuel] Jones ... kept out of the way — he was sick. — but we well know his motive ... I dare not mention names but several of the Anties have engaged not to vote for the conditional proposition." To Stephen Van Rensselaer, Poughkeepsie, 14. 7. 1788, Personal Papers Misc., Ph. Schuyler, LC. To George Clinton, New York, 27. 6. 1788, Papers of A. Yates, NN.

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Aus derartigen Befürchtungen sprach das sinkende Vertrauen in die Standfestigkeit der Bürger und die Stabilität der öffentlichen Meinung. Abraham G. Lansing war nun schon so weit, daß er die „Virginia Form [of Ratification]" einer Vertagung vorzog. 246 Hobarts Antrag verriet auf jeden Fall zu viele Hintergedanken, als daß sich die Mehrheit für ihn hätte erwärmen können. Nach seiner Ablehnung am 17. Juli war der Konvent aber vollends in der Sackgasse und guter Rat teuer. Nun drängte es den antifederalistischen Fraktionsführer Melancton Smith zum Handeln. Schon seit der Ratifizierung New Hampshires sann er im Stillen nach einem Ausweg, der die Interessen des Staates und der Union berücksichtigte und der Opposition half, das Gesicht zu wahren. Am 28. Juni hatte er dem Kongreß-Delegierten Nathan Dane anvertraut, im Zweifelsfall halte er es für besser, wirklich bedeutende Amendments zu empfehlen, als zweitrangige zur Bedingung der Ratifizierung zu mache, „leaving our critical situation out of the question." Dane antwortete am 3. Juli mit einer ebenso einfühlsamen wie dringlichen Situationsanalyse. Die Ablehnung der Verfassung durch New York bedeute Bürgerkrieg oder Krieg mit den Staaten der neuen Union und werde zu einem autoritäreren Regierungssystem führen, als man es je in Betracht gezogen habe. Das Ziel könne deshalb nur sein, „to improve the plan proposed: to strengthen and secure its democratic features; to add checks and guards to it; to secure equal liberty by proper Stipulations to prevent any undue exercise of power, and to establish beyond the power of faction to alter, a genuine federal republic." Das setze Friedfertigkeit und den aufrichtigen Willen voraus, die Tür zu Kompromissen stets offenzuhalten. Jeder Staat, der weiterhin beiseitestehe und Widerstand leiste, begehe einen schweren Fehler. Allein die vorbehaltlose Ratifizierung gewährleiste im jetzigen Stadium noch eine Einflußnahme auf die endgültige Gestalt der Verfassung und damit auf das Schicksal des künftigen Bundesstaates. Der ersten Kongreß sei der geeignete Ort, an dem Männer aus allen Staaten, die eine freie, gleiche und effektive Regierungform wünschten, ihre Kräfte vereinigen könnten, „in making the best of the Constitution now established." 247 Danes Kollege Samuel Osgood, der dem Finanzausschuß der Konföderation angehörte, schlug mit Briefen an Smith und Samuel Jones in dieselbe Kerbe. Die Opposition habe

246 247

To Abraham Yates, Albany, 20. 7. 1788, a. a. Ο. Smith to Dane, 28. 6. 1788, Ν. Dane Papers, Beverly Hist. Soc.; Dane to Smith, New York, 3. 7. 1788, J. Wingate Thornton Coll., New England Historic Genealogical Society; vgl. Kaminski, Reluctant Pillar, S. 115 ff.

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bereits „a great deal of good" getan, und die Federalists seien moralisch verpflichtet, für Amendments zu sorgen: „There is so little danger in assenting to the plan now, that it has become a matter of no small expediency. Indeed the danger of not obtaining Amendments such as we would wish for, will in my opinion be greatly enhanced by the absence of New York." In seiner um den 15. Juli verfaßten Erwiderung kündigte Smith an, er wolle sich im Konvent zu dieser Haltung bekennen, selbst wenn ihn das die Sympathien seiner Parteifreunde kosten werde. 248 Sekundiert von Richter Zephaniah Platt, enthüllte Melancton Smith am 17. Juli seine Vorstellungen. Sie liefen darauf hinaus, daß New York bedingungslos ratifizieren, sich aber das Recht vorbehalten sollte, die Union wieder zu verlassen, falls der Kongreß nicht innerhalb von vier Jahren einen Konvent zur Erörterung der Amendment-Wünsche einberief. Damit stürzte Smith nicht nur seine Fraktionskollegen, denen das Entgegenkommen zu weit ging, sondern auch die Federalists in neue Verlegenheit. Hamilton erkundigte sich umgehend bei Madison, der inzwischen wieder am Sitz des Kongresses angelangt war, ob diese „Rücktrittsklausel" einer Bedingung gleichkomme oder nicht. Wichtiger als die Konvent-Sitzungen wurden nun die „secret conclaves", auf denen jede Partei für sich um Geschlossenheit und eine einheitliche Linie rang. Die Debatte nahm konfuse Formen an, und der Konvent zerfiel in vier Gruppen, „one of which was for an Adoption with Conditions, one for a given time in order to withdraw if a General convention is not obtained in that time; one for an adjournment and one for an absolute Ratification." 249 Am 23. Juli stand eine von Lansing verfaßte Ratifizierungsformel zur Diskussion, derzufolge New York den Verfassungsentwurf „unter der Bedingung" annahm, daß einige wichtige Amendments vom Kongreß akzeptiert würden. Samuel Jones und Melancton Smith schlugen daraufhin vor, die Worte „upon condition" durch „in full confidence" zu ersetzen. Die Verfassung sei zwar unzulänglich, doch nach dem Beitritt Virginias müsse man den Gedanken an Bedingungen fahren lassen. Ihn 248

249

Osgood to Smith and to Jones, New York, 11. 7. 1788, National Park Service, Collections of Federal Hall National Memorial, New York City; Smith to Dane, Poughkeepsie, [ca. 15. 7. 1788], J. Wingate Thornton Coll. Ein am 12. 7. im Indep. Journal abgedruckter Brief aus Poughkeepsie vom 9. 7. nahm das Ergebnis vorweg: „They will adopt the Constitution without any previous amendments; but a bill of rights, alterations etc. will accompany the ratification." Isaac Roosevelt to Richard Varick, Poughkeepsie, 22. [23.?] 7. 1788, F. D. Roosevelt Coll., Roosevelt Libr., Hyde Park, Ν. Y.

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weiter zu verfolgen, „would certainly prove in the event, only a dreadful deception to those who were serious for joining the Union." Ein Teil der antifederalistischen Delegierten folgte Smith, ein anderer um Gouverneur Clinton blieb hart. Das Ergebnis war die Spaltung der Opposition und eine 31:29-Mehrheit für die von Smith und Jones gewünschte Fassung. Tags darauf versuchten die radikalen Verfassungsgegner unter Führung von Clinton und Lansing das Ruder noch einmal herumzuwerfen, indem sie Smiths Rücktrittsklausel wieder ins Gespräch brachten. Nun spielte Hamilton seinen letzten Trumpf aus und verlas Madisons Antwortschreiben vom 20. Juli, das klipp und klar besagte, „that a reservation of a right to withdraw ... is a conditional ratification, that it does not make N. York a member of the New Union, and consequently that she could not be received on that plan. Compacts must be reciprocal, this principle would not in such a case be preserved. The Constitution requires an adoption in to to, and for ever."250 Am 25. Juli wurde Lansings Antrag 31:28 abgelehnt, und am 26. Juli billigte der Konvent mit 30 gegen 27 Stimmen den Bericht des committee of the whole, die Verfassung zu ratifizieren und Amendments zu empfehlen. Die Ratifizierungsurkunde begann mit einer 24 Artikel umfassenden „Declaration of Rights", an die sich der eigentliche Ratifizierungsakt anschloß. Er sei, stand hier zu lesen, im vollen Vertrauen darauf vollzogen worden, daß der Kongreß bis zum Zusammentritt eines Revisionskonvents gewisse konstitutionelle Rechte — es folgten Lansings ehemalige „conditional amendments" — dem Staat New York gegenüber ruhen lassen werde. Den Abschluß bildete eine Liste von nicht weniger als 32 Amendments, die dem Kongreß empfohlen wurden, und deren Verwirklichung die New Yorker Abgeordneten all ihre Kraft widmen sollten. 251 Nach der Unterzeichnung der Urkunde durch den Konvent-Präsidenten Clinton legten Jay, Smith und Lansing ein Rundschreiben an die Exekutiven der anderen Staaten vor, das sie im Auftrag des committee of the whole entworfen hatten. In einer Geste des guten Willens ließen die Federalists den Text passieren, obgleich er der ebenso alten wie ungeliebten Idee der „Second Convention" erstmals konkrete Form verlieh.

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Syrett V, 184 ff., 193 ff. Abgedr. in Dumbauld, Bill of Rights, S. 189 ff. Neu war u. a. das Recht der Staatenlegislativen, die Senatoren während der Legislaturperiode abzuberufen und zu ersetzen. Diese „recall"-Klausel fand auch in anderen Staaten Anhänger. Siehe ζ. B. „Amicus", Charleston Columbian Herald, 28. 8. 1788.

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Einer Mehrheit des Konvents seien etliche Artikel so anfechtbar erschienen, hieß es einleitend, „that nothing but the fullest Confidence of obtaining a revision of them by a General Convention, and an invincible reluctance to separating from our Sister States, could have prevailed upon a sufficient number to ratify it, without stipulating for previous Amendments." Da ein solcher Verfassungskonvent der Zustimmung von zwei Dritteln der Staaten bedürfe, sollten die Parlamente rasch handeln und den entsprechenden Antrag beim Kongreß stellen. New York selbst werde diesen Schritt demnächst tun. Bevor die Delegierten auseinandergingen, erteilten sie Gouverneur Clinton noch einstimmig Weisung, die Legislative auf ihrer nächsten Sitzung dringend zu ersuchen, „to cooperate with our sister states in measures for obtaining a general convention to consider the amendments and alterations proposed by them and us, as proper to be made in the Constitution of the United States." 252 Melancton Smith und seine Freunde hatten der Macht der Ereignisse Tribut gezollt. Die Kriegsgefahr war keine bloße Erfindung, die zur Einschüchterung der Antifederalists diente. Der Mobangriff auf Greenleafs Druckerei in der City und die blutige Straßenschlacht zwischen Befürwortern und Gegnern der Verfassung am 4. Juli in Albany machten deutlich, daß die Stimmung am Siedepunkt war und beim Scheitern des Konvents schlimmere Gewaltausbrüche zu befürchten standen. 253 Seit Ende Juni verdichteten sich auch die Anzeichen für eine mögliche Sezession der südlichen Counties. Je näher die Entscheidung rückte, desto unverholener gaben die Federalists von New York City zu verstehen, sie wollten sich notfalls unter den Schutz des Kongresses stellen und um separate Aufnahme in die neue Union bitten. Das Echo dieser Drohungen war aus Hamiltons Reden in Poughkeepsie deutlich herauszuhören. 254 Da sämtliche Nachbarstaaten ratifiziert hatten, konnte die

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253 254

Ν. Y. Convention Journal, 26. 7. 1788. Das vom 26. 7. 1788 datierende Zirkularschreiben an die Staatenexekutiven wurde zuerst am 5. 8. 1788 im Poughk. Country Journal veröffentlicht und bis Ende September von ca. 42 Zeitungen in zwölf Staaten und Vermont nachgedruckt. Zum Greenleaf Riot s. o. Kap. VII; zum Albany Riot u. Kap. XIX. Hamilton hatte Madison schon am 8. 6. 1788 eröffnet, die New Yorker Federalists gedächten die Ablehnung der Verfassung mit einer „separation of the Southern district from the other part of the state" zu beantworten. Rutland XI, 99 f. Ende des Monats warnte er Abraham Yates vor Sezessionsbestrebungen und einer Teilung der Union. Jay unterrichtete Washington um die gleiche Zeit, eine Idee habe sich festgesetzt, „that the Southern Part of the State will at all Events adhere to the Union, and if necessary to that End seek a Separation from the northern.

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Regierung mit keinerlei Hilfe 2ur Bekämpfung solcher Loslösungsbestrebungen rechnen. Selbst wenn die Integrität des Staates erhalten bleiben sollte, mußten handfeste Nachteile in Kauf genommen werden. Eine erste Konsequenz wäre der Auszug des Kongresses und der Verlust der lukrativen Hauptstadtfunktionen gewesen. Die Philadelphier beobachteten das lange Hin und Her in Poughkeepsie schon mit einer gewissen Schadenfreude, stiegen damit doch die Chancen ihrer Stadt, wieder Sitz der Unionsregierung zu werden. 255 Unter bundespolitischen Gesichts-

This Idea has Influence on the Fears of the [antifederal] Party." Abraham Yates to Abraham G. Lansing, New York, 28. 5. 1788, Papers of A. Yates,NN; Jay to Washington, New York, 29. 5. 1788, in: State Dept. Doc. Hist, of the Constitution, vol. IV. Diese Drohung verdichtete sich zum Konventende hin immer mehr und tauchte ständig in Briefen und Zeitungsbeiträgen auf: „If they do not adopt it, 'tis more than probable there will be a separation of the State," kündigte Samuel B. Webb seiner Verlobten an. New York, 6. 7. 1788, Ford, Correspondence III, llOf. „The south part of the state ... threaten a dereliction of the government," teilte der Kongreß-Delegierte Gilman am 15. 7. 1788 Langdon mit, „and if they should be unable to bring over the Country party I am inclined to think that a secession of this City and the Islands will absolutely take place." John G. M. Stone Coll., Annapolis. In Massachusetts, Connecticut, Rhode Island, South Carolina, Georgia und Pennsylvania war schon vom bevorstehenden Zerfall des Staates New York die Rede. Siehe Charleston City Gazette, 30. 6. 1788; Mass. Centinel, 12. 7. 1788; New Haven Gazette, 24. 7. 1788. In Litchfield, Conn., spekulierte Oliver Wolcott Sr., in Newport William Ellery über ein „dismemberment" von Rhode Island und New York. Wolcott to Oliver Wolcott, Jr., 23. 7. 1788, Wolcott Papers, CtHi; Ellery to Huntington, 28. 7. 1788, Thomas C. Bright Autograph Coll., Jervis Libr., Rome, Ν. Y. Einen Bürgerkrieg sahen u. a. Silas Talbot und Richard Penn Hicks voraus. Talbot to John Duncan, 29. 6. 1788, S. Talbot Papers, Mystic Seaport Ass. Libr., Mystic, Conn.; Hicks to John Dickinson, New York, 15. 7. 1788, Logan Papers, PHi. 255

Als „A Pennsylvanian" klärte Coxe die Poughkeepsie-Delegierten über die ökonomischen Nachteile eines negativen Votums auf: „In your capital are many foreign merchants, whose object is the trade of the United States, and not that of New-York only ... In such a state of matters, what would be the depreciation of your public securities, what the depreciation of your paper medium?" Äußerstenfalls könne der Kongreß sogar einen Handelsboykott über den Staat verhängen. Pa. Gazette, 11.6. 1788. Wenn New York nicht bald ratifiziere, schrieb der Pa. Mercury am 19. 7. 1788, werde Philadelphia mit Sicherheit zur Bundeshauptstadt bestimmt werden. Die Annahme, der Kongreß werde im Falle der Nichtratifizierung nach Philadelphia abwandern, war weit verbreitet: vgl. Webb to Hogeboom, New York, 13. 7. 1788, Ford, Correspondence III, S. I l l ; Hazard to Carey, New York, 15. 7. 1788, Lea and Febiger Coll., PHi; Caleb S. Riggs to John Fitch, New York, 15. 7. 1788, J. Fitch Papers, LC; Wingate to John Pickering, New York, 17. 7. 1788, Burnett, LMCC VIII, 762f.; Madison to Randolph, New York, 22. 7. 1788, Rutland XI,

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punkten leuchtete schließlich das Argument ein, New York könne außerhalb der Union wenig, im Verein mit gleichgesinnten Staaten dagegen sehr viel für die Realisierung der Amendment-Vorschläge tun. Die Reaktion auf den Ratifizierungsbeschluß fiel recht zwiespältig aus. Es gab Federalists, die ihn als großen Sieg feierten, und Antifederalists, die unumwunden ihre Niederlage eingestanden. Zu den ersteren gehörten Samuel B. Webb und seine Freunde, die eine ganze Nacht „in loud acclamation of Joy" verbrachten, Philip Schuyler, aus dessen Sicht „perseverance, patience and abilities" über „numbers and prejudice" triumphiert hatten, und Carrington, der meinte, die „Antis" hätten ablehnen wollen, aber nicht gewußt, wie sie es tun sollten. 256 Sieht man von der Häme ab, die in diesen Kommentaren mitschwingt, dann entsprechen sie durchaus dem Urteil des antifederalistischen Delegierten Cornelius C. Schoonmaker, der die Debatte Revue passieren ließ und feststellte, „that the Federalists have fought and beat us from our own ground with our own weapons." 257 Interessant sind aber die vielen Zwischentöne, die den Worten Sieg und Niederlage einen differenzierten Klang gaben. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, daß Melancton Smiths Ja zur Ratifizierung keineswegs ein prinzipielles Einverständnis mit der Verfassung bedeutete. Auch Zephaniah Platt, der sich ihm anschloß, empfand sein Schlußvotum als „a Choice of evils." Nach Virginia sei klar gewesen, daß die neue Regierung auf jeden Fall Zustandekommen würde und die einzige verbleibende Chance darin lag, „to get a Convention as Soon as possible to take up our Amendments ... while the Spirit of Liberty is yet alive ... be assured that we have endeavoured to consider all Sides of the question and their probable consequences and on the whole decided on what we supposed was for the Interest and peace of our State under present Circumstances." 258 In einem Brief an Abraham Yates zog Abra-

191; Arthur Lee to Anne Hume Livingston, New York, 28. 7. 1788, Shippen Family Papers, LC. William Shippen sagte Ende Juni voraus, die Konsequenz einer Ablehnung in New York werde sein, „that Congress will come here — and the new Government will be fixed here also." Im August glaubte er immer noch, Philadelphia „must finally be the place." To Thomas L. Shippen, Philad., 29. 6. u. 21. 8. 1788, a. a. O. 256 Webb to Hogeboom, New York, 27. 7. 1788, Ford, Correspondence III, 112 f.; Schuyler to Peter Van Schaack, Poughkeepsie, 25. 7. 1788, Mss. and Hist. Sect., NYStL; Carrington to Short, New York, 26. 7. 1788, W. Short Papers, LC. 257 To Peter Van Gaasbeek, Poughkeepsie, 25. 7. 1788, in: Marius Schoonmaker, The History of Kingston, New York 1888, S. 394 ff. 258 To William Smith, Poughkeepsie, 28. 7. 1788, Manor of St. George, Museum.

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ham G. Lansing ebenfalls eine positive Bilanz. Die Ratifizierung sei zwar trotz der eingeflochtenen Bill of Rights in jedem Sinne des Wortes bedingungslos erfolgt, doch „upon the whole I believe or endeavour to believe that it is best to both in a political and private light — for had the Constitution been so adopted as that Congress would not accept it — yourself and our Friends would have incurred blame & Censure if any serious commotions had ensued — as we stand our Friends in this quarter are firmly united — and I trust we shall be able to send such Members [to Congress] as will assist in bringing about the reformation we wish."259 Bedeutende Antifederalists außerhalb New Yorks, unter ihnen George Mason und Elbridge Gerry, waren derselben Meinung und fanden den Beitritt zur Union vernünftig oder begrüßten ihn sogar ausdrücklich.260 Auf der anderen Seite gaben realistische Verfassungsanhänger zu, daß sie ihren Erfolg in hohem Maße Melancton Smith dankten, und daß sich die politischen Kräfteverhältnisse im Staat noch nicht grundsätzlich geändert hatten.261 Überdies mißfiel etlichen Federalists die Art und Weise, in der die Ratifizierung erfolgt war. Auf Unverständnis stieß vor

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3. 8. 1788, Papers of A. Yates, NN. Aaron Burr, der den Antifederalists zumindest nahestand, hielt die Ratifizierung für „a fortunate event and the only one which could have preserved peace; after the adoption by ten states, I think it became both politic and necessary that we should also adopt it. It is highly probable that New York will be for some time the seat of the federal government." To Richard Oliver, New York, 29. 7. 1788, Mss. and Hist. Sect., NYStL; Abraham Yates begründete, warum er trotz seiner Unzufriedenheit mit dem Entwurf im Kongreß für den Übergang zum neuen Regierungssystem gestimmt habe: 1. weil die Gefahr bestand, daß der Kongreß New York verließ; 2. weil ohne ihn New York nicht mehr ausreichend im Kongreß vertreten wäre; 3. weil im Falle der Umsiedlung des Kongresses die Chancen auf Amendments sänken. Statement by A. Yates, 8. 8. 1788, Papers of A. Yates, NN. Gerry begrüßte New Yorks Ratifizierung, „because it is the wisest policy under all circumstances and will enable her to cooperate with the other States to make amendments." To Ann Gerry, Newport, 28. 7. 1788, Gerry Papers, MHi. Auch Mason sah die Chancen für „proper & safe Amendments" steigen: To John Mason, Gunston Hall, 2. 9. 1788, Rutland, Mason Papers III, 1128ff. Seth Johnson to Andrew Craigie, 27. 7. 1788, A. Craigie Papers, MWA; Knox to Washington, New York, 28. 7. 1788, in: State Dept. Doc. Hist, of the Constitution, vol. IV. Ein Brief aus Albany bestätigt das loyale Verhalten der Antifederalists: „His Honor Judge [Abraham] Yates charged the Grand Jury in this city that the new Constitution was now adopted by this state, and become a part of the laws of this state, and it became their duty, and the duty of every good citizen to support it." Ν. Y. Daily Adv., 16. 9. 1788.

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allem das Rundschreiben des Konvents an die anderen Staaten, das eine zweite allgemeine Verfassungskonferenz forderte. Madison nannte den von Clinton unterzeichneten Brief ein extrem gefahrliches „signal of concord & hope to the enemies of the Constitution every where." Eine vorübergehende Ablehnung der Verfassung durch New York wäre weniger tragisch gewesen als der Entschluß, „to purchase an immediate ratification in any form and at any price." Diese Taktik sei wohl in erster Linie von dem Wunsch diktiert worden, den Kongreß weiterhin in New York City zu behalten und die Aussichten auf die künftige Bundeshauptstadt zu wahren.262 Der Konvent von Poughkeepsie hatte nach längerem Sträuben „die elfte Säule" in den Bundestempel eingefügt, doch was die Ratifizierung wirklich wert war, mußte sich im Kampf um die Revision und Amendierung der Verfassung erst noch erweisen.

Nachzügler: North Carolina und Rhode Island Für die meisten Beobachter des Ratifizierungsgeschehens stand fest, daß sich North Carolina „in den Fußstapfen Virginias" der Union anschließen würde. 263 Wie der Konvent von Hillsborough zeigen sollte, trauten sie der antifederalistischen Mehrheit zu viel Selbstverleugnung und staatsmännische Klugheit zu und unterschätzten ihre Bindung an den Wählerwillen. Die Delegierten um Willie Jones, Person und Bloodworth zogen am 21. Juli mit dem festen Willen in die als Tagungsstätte ausgewählte presbyterianische Kirche ein, sich durch nichts trennen oder ausmanövrieren zu lassen. Am liebsten hätten sie es den Federalists von Maryland gleichgetan und unter Hinweis auf ihre Instruktionen jede weitere Diskussion für unnötig erklärt. James Iredell mußte seine ganze Überredungskunst aufbieten, um das Verlangen nach einem sofortigen Votum abzuwehren. In einer beherzten Rede stellte er den Versammelten die „extreme impropriety of such precipitancy in so important a business" vor Augen und rang ihnen die Zusage ab, den Entwurf im committee of 262

263

Madison to Randolph, New York, 22. 8. 1788; to Washington, 24. 8. 1788, Rutland XI, 237 f., 240 ff. Vgl. Richard Dobbs Spaight to Levi Hollingsworth, New Bern, 3. 7. 1788, Hollingsworth Papers, PHi; Hugh Williamson to Iredell, New York, 11. 6. 1788; William R. Davie to Iredell, Halifax, 9. 7. 1788, McRee II, 226, 230 f.; Charles Pettigrew to Peter Singleton, Perquimans Co., N. C., 14. 7. 1788, in: Lemmon, ed., Pettigrew Papers I, 58 ff.

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the whole zu behandeln. 264 Die nachfolgende sechstägige Debatte verlief allerdings sehr einseitig, da die Kritiker passiv blieben und mit ihren Argumenten hinterm Berg hielten. Die Federalists sahen sich deshalb sogar gezwungen, selbst Einwände gegen die Verfassung vorzubringen, um sie anschließend widerlegen zu können. Zusätzlich entzweit wurde der Konvent durch die heikle Frage nach dem endgültigen Standort der Staatshauptstadt, die ihm das Parlament mit aufgebürdet hatte. 265 Bis zum 1. August nahm im committee of the whole ein Bericht Gestalt an, der nach dem virginischen Vorbild eine 20 Artikel umfassende Declaration of Rights sowie 26 weitere Amendments vorsah. Neu war unter anderem eine Bestimmung, die den Kongreß daran gehindert hätte, sich um das zirkulierende Papiergeld und die Schuldverschreibungen der Staaten zu kümmern. Der entscheidende Unterschied zu Virginia bestand jedoch darin, daß North Carolinas Ratifizierung erst nach der Erfüllung dieser Änderungswünsche rechtskräftig werden sollte. Jones beabsichtigte damit nach eigener Aussage, den bisherigen Amendment-Empfehlungen der Staaten mehr Gewicht zu verleihen und den Druck auf den Kongreß zu erhöhen. Zu diesem Zeitpunkt gingen die Antifederalists noch davon aus, daß die Republicans in New York, mit denen sie korrespondierten, den gleichen Weg beschreiten würden. Möglicherweise war ihnen diese Methode auch von Patrick Henry angeraten worden, nachdem er sie in Virginia nicht hatte durchsetzen können. 266 Umsonst warnten die Federalists, dies bedeute den freiwilligen Ausschluß aus der Union und werde unabsehbare Folgen für die Wirtschaft, die Sicherheit und die innere Stabilität des Staates nach sich ziehen. Der Konvent verwarf einen Alternativantrag Iredells auf Ratifizierung mit „recom264 265

266

Fa. Indep. Chronicle, 20. 8. 1788 (from Petersburg, 14. 8.). Einen guten Bericht erstattete John Wilson seinem Bruder, dem Rev. Samuel Wilson, am 18. 8. 1788, L. C. Glenn Papers, Southern Historical Coll., Univ. of Ν. C. Die Namen der Delegierten, die Beschlüsse und Abstimmungsergebnisse, sowie einen knappen Überblick über den Verlauf des Konvents gibt das Journal of the Convention, held at Hillsborough, July/Aug. 1788, NCDAH. Siehe dazu Henry G. Connor, The Conventions of 1788 — 89 and the Federal Constitution. Hillsborough and Fayetteville, in: N. C. Booklet IV, No. 4 (Aug. 1904); Charles L. Raper, Why North Carolina at First Refused to Ratify the Federal Constitution, in: AHR Annual Report 1 (1895), S. 9 9 - 1 0 8 ; Trenholme, Ratification in North Carolina (1932). Vgl. Davie to Iredell, Halifax, 9. 7. 1788, McRee II, 230 f.; Madison to Jefferson, New York, 23. 8. 1788, Rutland XI, 238f.; Wingate to Langdon, New York, 11. 9. 1788, in: Batchellor, ed., Early State Papers of New Hampshire, XXI, 859 ff.; Hudson Weekly Gazette, 23. 9. 1788.

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mendatory amendments" und stimmte am 2. August 184 zu 83 für die Annahme des Kommissionsberichts. Unter Anleitung von Jones demonstrierte die Mehrheit dann aber föderalistische Gesinnung, um nicht alle Brücken zur Union abzubrechen. In einer Zusatzresolution forderte der Konvent das Parlament auf, die Zentralregierung auch künftig finanziell zu unterstützen. Für den Fall, daß der neue Kongreß eine allgemeine Importsteuer erhob, sollte North Carolina im eigenen Souveränitätsbereich dem Beispiel folgen und die entsprechenden Einkünfte an die Bundeskasse abführen. Außerdem wies der Konvent die Legislative an, das restliche Papiergeld schnellstmöglich aus dem Verkehr zu ziehen. Diese Desavouierung der Papiergeldpolitik wurde wenig später noch durch einen Parlamentsbeschluß ergänzt, der den Friedensvertrag mit England als geltendes Recht anerkannte. Damit waren eine Reihe von Hindernissen, die der Rückkehr North Carolinas in die Union im Wege standen, vorsorglich beiseitegeräumt. 267 Bei der Formulierung der Schlußerklärung legten die Antifederalists Wert auf die Feststellung, der Konvent habe es für richtig befunden, die Verfassung weder zu ratifizieren noch abzulehnen. Ihren Äußerungen war zu entnehmen, daß sie sich die künftige Entwicklung folgendermaßen vorstellten: Der Kongreß würde einen zweiten allgemeinen Verfassungskonvent einberufen, der die vorgeschlagenen Amendments auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen hätte. Sein Bericht müßte dann erneut den Staaten unterbreitet und von ihnen in speziell gewählten Konventen abgesegnet werden. Erst dann wäre die Verfassung für alle gültig und verbindlich. Um die Bevölkerung auf diesen langwierigen Prozeß einzustimmen, verbreiteten die Antifederalists zunächst einmal ihre wohlklingende Declaration of Rights in Form von Flugblättern und Zeitungsnachdrukken. 268 267

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N. C. Convention Journal, 2. 8. 1788; Governor Samuel Johnston to Ν. C. Delegates in Congress, 25. 8. 1788, Governors' Letterbooks and Papers, NCDAH; James Gordon to Madison, Germanna, Va., 31. 8. 1788, Rutland XI, 245 f. Va. Indep. Chronicle, 20. 8. 1788; N. C. Convention. North Carolina Declaration of Rights, 1. 8. 1788, Broadside, Executive Papers, Del. Hall of Records, Dover. Erster Zeitungabdruck im Wilmington Centinel vom 20. 8. 1788; Nachdrucke in 23 Zeitungen aus 10 Staaten. Innerhalb und außerhalb North Carolinas herrschte eine Zeitlang Unklarheit darüber, ob der Hillsborough-Konvent die Verfassung abgelehnt oder sich nur ohne Beschluß vertagt hatte. Schließlich stellte man erleichtert fest, daß eine totale Ablehnung vermieden worden war. Vgl. Iredell to Hannah Iredell, Hillsborough, 3. 8. 1788, Iredell Papers, Duke Univ. Libr.; Gilman to Langdon, New York, 14. 8. 1788, John G. M. Stone Coll., Annapolis; William Heath Diary, 3. 9. 1788, MHi; John Brown Cutting to Jefferson, London, 30. 9., 5. u. 6. 10. 1788, Boyd XIII, 643 ff., 658 ff.

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North Carolinas unerwartete Entscheidung erregte großes Aufsehen, zumal ihr genauer Inhalt anfangs gar nicht oder nur gerüchteweise bekannt war. Bis hinauf nach New Hampshire wurden die HillsboroughDelegierten mit Vorwürfen, Verwünschungen und Hohn überschüttet und der Dummheit oder niederer Beweggründe geziehen. Daß sie sich „in this stage of the business" noch weigerten zu ratifizieren, war vielen Amerikanern schier unbegreiflich. 269 Selbst Antifederalists bedauerten diesen „kühnen Schritt", mußte er doch dazu führen, daß weniger Amendment-Verfechter in Senat und Repräsentantenhaus einziehen würden. 270 Die Erregung wich aber bald einer nüchternen Betrachtungsweise, die Vor- und Nachteile sorgfaltig gegeneinander abwog. Als die Resolutionen im Wortlaut vorlagen und Hugh Williamson in der Presse um Verständnis für seine Landsleute warb, sah man North Carolinas Verhalten in einem „much less censorial light", und begann sich die öffentliche Meinung unter dem Eindruck der gezeigten „federal disposition" zu wandeln. 271 Daß North Carolina und Rhode Island den Lauf der Dinge nach der Ratifizierung durch elf Staaten noch aufhalten konnten, glaubte ohnehin niemand. 272 Wenn sie ihre Ansprüche auf Teilhabe an 269

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Langdon to Gilman, Portsmouth, 25. 8. 1788, Personal Papers Misc., LC. Hazard glaubte, „it cannot be true." To Belknap, New York, 21. 8. 1788, Correspondence III, 58 f. Daniel Cony aus Maine nannte die North Carolina-Antifederalists „bold fellows". To George Thatcher, Hallowell, 10. 9. 1788, Thatcher Papers, MHi. Biblische Verwünschungen schleuderte Jeremiah Hill aus Massachusetts dem „abtrünnigen" Staat entgegen: „She hath lost her first Love, She hath gone a whoring after strange Gods, She hath polluted herself by her abominations, She hath lapsed from her original, primitive purety, let her alone, let her wallow in her filth, let her eat her swine husks till her poverty and Starvation cause her to look back to her federal Fathers, and sing the prodigal Song ..." To Thatcher, Biddeford, 29. 8. 1788, a. a. O. „I do not like [the constitution] altogether as it stands but I presume amendments are attainable — and a rejection is very dangerous at home and abroad." Joseph Clay to J. Wright Stanley, 20. 8. 1788, Clay Letterbook, GHi. Vgl. William Widgery to George Thatcher, New Glocester, Maine, 14. 9. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 352 f. Vgl. George Thatcher to William Thatcher, New York, 16. 9. 1788, Thatcher Papers, MHi; John Swann to Iredell, New York, 21. 9. 1788; Williamson to Iredell, 22. 9. 1788, McRee II, 240 ff. Williamson verfaßte unter dem Pseudonym „A Republican" am 17. 9. 1788 im Ν. Y. Daily Adv. „the best apology I could make for it." Privat blieb er aber überzeugt, „that a want of honesty is at the bottom with many of our oppositionists." „It will be hard indeed," schrieb Madison am 18. 8. 1788 mit Blick auf Rhode Island und North Carolina, „if those two States should endanger a system which has been ratified by the eleven others." To James Madison, Sr., Rutland XI, 235 f.

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den Ämtern und Würden der Bundesregierung vorerst freiwillig preisgaben, konnte das den anderen Staaten bei der Vielzahl der Bewerber eigentlich nur recht sein. Das erbitterte Tauziehen um die künftige Bundeshauptstadt legte überdies die Frage nahe, ob North Carolinas Zögern im Interesse des fein austarierten politischen Gleichgewichts zwischen Nord und Süd nicht sogar begrüßt werden mußte. Solange Rhode Island der Union fernblieb, würde die Beteiligung North Carolinas den Südstaaten in der wichtigen Anlaufphase des neuen Regierungssystems womöglich unangemessene Vorteile bescheren. Später mochten sie im Tandem dazustoßen, und die zu erwartende Aufnahme von Kentucky und Tennessee konnte durch die Staatswerdung Maines und den Beitritt Vermonts ausgeglichen werden. 273 Die Federalists von North Carolina vermochten in solchen Überlegungen natürlich keinen Trost zu finden. Sie fühlten sich vom politischen Leben der Union abgeschnitten und einer unberechenbaren Mehrheit ausgeliefert, die Ansehen, Wohlstand und innere Ordnung des Staates leichtfertig aufs Spiel setzte.274 Willie Jones' „doctrine of opposition" lautete angeblich, man müsse verhindern, daß die Bundesgerichte in den nächsten fünf bis sechs Jahren gegen die Bürger North Carolinas los-

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„Query, is it not best that one of the Southern States should reject the Constitution, in order that the Ballance of power might be kept in a proper Equilibrium?" Hill to Thatcher, 29. 8. 1788, s. o. Anm. 269. Noch prononcierter am 6. 9. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 351. Vgl. Cutting to Jefferson, London, 30. 9. 1788, Boyd XIII, 643 ff. Thomas B. Wait, der die Verfassung lange abgelehnt hatte, sah nach der Ratifizierung von Massachusetts plötzlich günstigere Chancen für eine Staatswerdung des Maine-Distrikts als zuvor: „The acquisition of two Senators in the northern interest, will be considered as an object of magnitude." To Thatcher, Portland, 29. 2. 1788, in: Historical Magazine 6 (1869), S. 342 f. Als „A Citizen of North Carolina" klagte Iredell auf einem Flugblatt vom 18. 8. 1788, die Weigerung des Konvents, die Verfassung zu ratifizieren, habe den Süden insgesamt geschwächt. Hugh Lefler, ed., A Plea for Union (1947). Die Bedeutung von North Carolinas Stimmen für die Entscheidung in der Hauptstadtfrage wurde im Vorfeld des zweiten Konvents gebührend hervorgehoben. „You are for the first time separated from your sister states," hielt Iredell seinen Landsleuten vor (s. ο. Anm. 273). „ANTIFED. Senior" meinte sarkastisch: „We are now independent of all nations and states, our own not excepted." State Ga of N. C., 3. 11. 1788. John Vaughan hatte im Juni schon vorhergesagt, nach der Ratifizierung durch neun Staaten werde die Frage für die restlichen nicht mehr lauten, „whether they will adopt the Government, but whether they will join the Union." To John Dickinson, 9. 6. 1788, J. Dickinson Papers, LibCPh. „Those who vote against the New Constitution, vote themselves out of the New Federal Union," hieß es in der Providence Gazette („Solon, Jr.", 5. 7. 1788).

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gelassen würden: „He is continually haranguing the people on the terrors of the Judicial power, and the certainty of their ruin, if they are obliged now to pay their debts." Aus der Gegend von Tennessee war zu hören, kein Volk könne gezwungen werden, „to enter into Compact without their own Consent." Es fehlte auch nicht an Stimmen, die eine dauerhafte Selbständigkeit als vorteilhaft für den Handel und das Bevölkerungswachstum des Staates bezeichneten. 275 Anstatt aber zu resignieren, boten die Federalists all ihre Kräfte auf, um die Scharte so schnell wie möglich auszuwetzen. Sie wollten den seit Inkrafttreten der Verfassung spürbaren Stimmungswandel beschleunigen, bis der öffentliche Druck das Parlament zur Neuansetzung des Ratifizierungskonvents zwang. Noch vor den Herbstwahlen 1788 initiierten Gouverneur Johnston, Iredell, Maclaine und Davie eine Welle von Townund County-Versammlungen, auf denen ähnlichlautende Petitionen an die Legislative verabschiedet wurden. Oft von mehreren hundert Bürgern signiert, beklagten diese Texte die allgemeine Staatskrise, rügten das unverantwortliche Handeln der Hillsborough-Delegierten, gaben der Furcht vor wirtschaftlichen Nachteilen, Anarchie und Bürgerkrieg Ausdruck und baten inständig um eine Widerholung des Konvents. Auf diese Weise kam der „public mind", den Davie im September als „strangely unsettled and wavering" schilderte, nicht zur Ruhe. Maclaine zufolge konnten die meisten Menschen den Gedanken, außerhalb der Union leben zu müssen, einfach nicht ertragen. 276 Das Wahlergebnis bestätigte diesen Eindruck zumindest teilweise, und das neue Parlament willigte, von Petitionen geradezu überschwemmt, nach zähen Verhandlungen zwischen Senat und Unterhaus in einen zweiten Ratifizierungskonvent ein. Es scheint, als habe die heraufziehende 275

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Davie to Iredell, Halifax, 8. 9. 1788, McRee II, 239; [Member of Tipton Party] to „Dear Sir", 20. 8. 1788, Draper Papers, WHi. Amariah Jocelin to Jeremiah Wadsworth, Wilmington, Oct. 1788, J. Wadsworth Correspondence, CtHi. Davie to Iredell, Halifax, 8. 9. 1788 u. Nov. 1788, McRee II, 239; Iredell Papers, Duke Univ. Libr.; Maclaine to Iredell, Wilmington, 13. 9. 1788, McRee II, 239 f. Gouverneur Johnstons Idee war es gewesen, den Petitionen einen möglichst identischen Wortlaut zu geben. In den N. C. State Papers der Duke Univ. Library befinden sich gleich- oder ähnlichlautende County Petitions aus den Kreisen Hartford, Tyrell, Dobbs, Camden (über 200 Unterschriften) Randolph und Halifax, Chatham, Duplin, Edgecombe, Hyde (über 300), Johnston, Lincoln, Martin, Mecklenburg, Onslow, Richmond, Rowan, Sampson und Surrey (über 100). Siehe auch den „Letter from Citizens of Tarborough to Gov. Johnston" vom 28. 8. 1788 (abgedr. im Pa. Journal, 6. 9. 1788) und Johnstons Antwort vom 20. 10. 1788 in der State Gaof N. C. Vgl. Risjord, Chesapeake Politics, S. 337 ff.

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Gefahr eines Indianerkrieges den Entschluß nicht unwesentlich erleichtert, denn gerade die Abgeordneten aus dem äußersten Westen des Staates zeigten sich überraschend zugänglich. Noch waren die Antifederalists aber stark genug, den Termin um mehrere Monate bis in den November 1789 hinauszuschieben. Der praktische Vorteil dieser Regelung bestand darin, daß die Konventswahlen an die regulären Parlamentswahlen vom Herbst 1789 gekoppelt werden konnten. Da die Abgeordneten in vielen Fällen mit den Konvent-Delegierten identisch sein würden, hätten sie dann unmittelbar im Anschluß an die Ratifizierung Gelegenheit, auf einer Sondersitzung die Weichen für den Beitritt zur Union zu stellen. 277 In der Folgezeit trugen die Federalists mit Zuckerbrot und Peitsche das ihre dazu bei, daß der Widerstand gegen die Verfassung immer mehr dahinschwand. Einerseits hoben sie in ihrer Propaganda auf die Fortschritte der Bundesregierung und das Ansehen des Präsidenten Washington ab und malten den Bürgern die Vorteile aus, die sie im Schoß der neuen Union erwarteten. Andererseits sorgten sie dafür, daß der psychologische Druck zunahm und den Gegnern Daumenschrauben angelegt wurden. So tauchte, wie zuvor schon in Rhode Island, Virginia und New York, das Gespenst der Sezession auf, nun in Form von Loslösungsdrohungen des Edenton-Distrikts. Diesen neun Counties würde sich, so konnte man seit dem Frühjahr 1789 hören, notgedrungen wohl die ganze Küstenregion anschließen, um ihr wirtschaftliches Überleben zu sichern. 278 Auftrieb erhielten diese Gerüchte im Sommer, als der

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Das House of Commons entschied nach einem vergeblichen Anlauf mit 56:36 für den neuen Konvent, mußte sich dann aber mit dem Senat auf einen Termin verständigen. Siehe N. C. Resolve Calling New Convention, 21. 11. 1788, N. C. State Papers, Ratification of the Constitution, Duke Univ. Libr. Zum Hintergrund Silas Cooke to Henry Marchant, New Bern, Nov. 1788, H. Marchant Papers, RHi; Gov. Samuel Johnston to Iredell, Fayetteville, 8. u. 20. 11. 1788; Charles Johnson to Iredell, Fayetteville, 14. 11. 1788, McRee II, 244ff., 600f.; William Blount to John G. Blount, Fayetteville, 6. 11. 1788, Keith, ed., Blount Papers I, 433f.; Richard Caswell to Francis Childs, Fayetteville, 16. 11. 1788, Members of the First Cont. Congress, Pierpont Morgan Libr.; Henry W. Harrington to J. F. Grimke, 28. 11. 1788, Gratz Coll. PHi; Letter from Edenton, 28. 1. 1789, in Ν. Y. Daily Adv., 6. 3. 1789. Siehe Williamson to Madison, Edenton, 24. 5.1789, Rutland XII, 183 f.; to Gilman, Edenton, 28. 5. 1789, Chamberlain Coll., BPL; Mass. Centinel, 3. 9. 1789. Ein kaum verhüllter Aufruf zum Widerstand und zur Sezession war auch das Pamphlet eines „Citizen and Soldier": To the people of the District of Edenton, [Aug. 1788?], printed by Hodge and Wills, Newbern; reprint in State Gaof N. C., 22. 9. 1788; abgedr. in Lefler, s. o. Anm. 273.

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Kongreß ein Zollgesetz beschloß, das nach Tonnage gestaffelte Sonderabgaben für ausländische Schiffe vorsah. So sehr die federalistischen Kaufleute die Anwendung dieser Maßnahme auf North Carolina fürchteten, so gelegen kam ihnen doch die Möglichkeit, den Landsleuten klarzumachen, daß die Lage wirklich ernst war und die Geduld des Kongresses Grenzen hatte. 279 Nach den Erfahrungen von Hillsborough wollten die Verfassungsbefürworter diesmal nichts dem Zufall überlassen. Pünktlich zu den Konventswahlen im August gaben Iredell und Davie die HillsboroughDebatten als Buch heraus und verteilten sie in den Counties. Auf ähnliche Weise benutzten sie die Grußbotschaft des Staatsrats von North Carolina an Washington vom Mai 1789 mitsamt der wohlwollenden Antwort des Präsidenten für Propagandazwecke. 280 Als bei weitem wirkungsvollste Waffe erwiesen sich aber die Amendment-Vorschläge, die Madison im Mai im Repräsentantenhaus eingebracht hatte. Mit ihnen konnte das Standardargument der Opposition pariert werden, die Federalists dächten im Ernst gar nicht mehr daran, die Zusagen des Jahres 1788 wahrzumachen und die Verfassung noch zu ändern. Davie dankte Madison am 10. Juni für seine Initiative, die in North Carolina freudig begrüßt worden sei: „We hold it up as a refutation of the gloomy profecies of the leaders of the opposition, and the honest part of our Antifederalists have publickly expressed great satisfaction." 281 Außer in der zentralen Piedmont-Region, traten die Gegner der Verfassung bei den Wahlen überall den Rückzug an. Im Unterschied zu Thomas Person, der fest blieb, ließ sich Willie Jones gar nicht mehr aufstellen. Am markantesten war der Stimmungsumschwung im Tennessee-Distrikt, dessen Bewohner ein Jahr zuvor 19 Antifederalists und zwei 279

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Der Kongreß verabschiedete am 1. 9. 1789 einen „Act to regulate the Collection of the Duties imposed by law on the tonnage of ships or vessels, and on goods, wares and merchandises imported into the U. S.", Syrett V, 410, 414, 435 f., 475, 575. In der State Gaof N. C. war schon am 4. 6. zu lesen gewesen: „We are doubtless to be considered as foreigners with whom there is not any commercial treaty, and in this case our vessels must pay the duty of half a dollar the ton in every port of the United States; but the small profits of our coasting trade are not equal to this charge ... and many valuable citizens [must be] ruined." Hugh Williamson kämpfte in New York mit Denkschriften und in Verhandlungen erfolgreich um eine befristete Ausnahmeregelung für North Carolina. Siehe Williamson to U. S. Congress, 31. 8. 1789, Ν. C. State Papers, Duke Univ. Libr.; vgl. Risjord, Chesapeake Politics, S. 339. Abgedr. u. a. in State GaZ. of N. C., 9. 7. 1789. Rutland XII, 210 ff.

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Federalists zu Delegierten bestimmt hatten. Nun schickten sie 21 Ratifizierungsbefürworter und nur noch zwei Widersacher nach Fayetteville. 282 Daß die Federalists dennoch gut daran taten, bis zuletzt auf der Hut zu bleiben, zeigte sich, als der Konvent am 17. November ihren Antrag ablehnte, die Verfassung umgehend zu ratifizieren. So mußten sie noch einmal drei Tage lang durch dieselbe Prozedur wie in Hillsborough gehen, ehe die Delegierten am 21. November mit 194 gegen 77 Stimmen beschlossen, „that this Convention in behalf of the free men Citizens and Inhabitants of the State of North Carolina do adopt and ratify the said Constitution and form of Government." Während der Versuch der Opposition, wiederum Bedingungen an die Ratifizierung zu knüpfen, erwartungsgemäß scheiterte, wurde ihrem Wunsch nach Änderungsempfehlungen stattgegeben. Es kennzeichnet aber das gewandelte Kräfteverhältnis, daß von den 26 Hillsborough-Amendments nur acht weniger bedeutende übrigblieben. Das seit Monaten umstrittene SteuerAmendment, von einem Siebenerkomitee noch zugestanden, wurde am 23. November bei der Schlußberatung im Plenum endgültig gestrichen. 283 Ein Blick auf die Namensliste zeigt, daß die Entscheidung von Fayetteville weniger der Bekehrung ehemaliger Antifederalists, als dem Zustrom vieler neuer Delegierter zu verdanken ist. Uber die Hälfte der Teilnehmer am Fayetteville-Konvent waren in Hillsborough nicht dabeigewesen. Von den 57 Abgeordneten, die 1788 gegen die Ratifizierung gestimmt hatten und die ein Jahr später wiedererschienen, schwenkten nur 22 zu den Federalists um. Die meisten Kritiker waren vorzeitig verstummt oder bei den Wahlen unterlegen. 284 North Carolinas Bereitschaft, die Verfassung zu akzeptieren und sich den Vereinigten Staaten wieder anzuschließen, wurde allenthalben mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Diese Ratifizierung bringe die „wonderful revolution" beinahe an ihr glückliches Ende, frohlockte

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Offenbar war man im Tennessee-Gebiet ebenso wie zuvor schon in Kentucky und Maine zu der Überzeugung gelangt, daß die neue Verfassung die Aussichten auf einen eigenen Staat im Rahmen der Union eher verbesserte als verschlechterte. Siehe Risjord, Chesapeake Politics, S. 341, 641, Anm. 73. Die Resignation Willie Jones' meldete ein Brief aus Edenton vom 12. 8. 1789, abgedr. im Ν. Y. Daily Adv., 14. 9. 1789. Siehe Journal of the Convention held at Fayette-Ville, November 1789, NCDAH; vgl. Albert R. Newsome, Noth Carolina's Ratification of the Federal Constitution, in: NCHR 17 (1940), S. 2 8 7 - 3 0 1 . Die Amendments in Dumbauld, Bill of Rights, S. 198 ff. Risjord, Chesapeake Politics, S. 340, 641, Anm. 72.

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Tench Coxe in Philadelphia. 285 Die Starrköpfigkeit, mit der die Bürger gut zwei Jahre lang den Lockungen und Drohungen widerstanden hatten, war aber vielleicht nicht ganz zwecklos gewesen. Indirekt gab Madison zu, daß sie ihm den Entschluß erleichterte, Amendments vorzuschlagen. Sein Plan verfolge das doppelte Ziel, ließ er Gouverneur Samuel Johnston wissen, „of removing the fears of the discontented and of avoiding all such alterations as would either displease the adverse side or endanger the success of the measure." 286 In North Carolina war diese Rechnung zweifellos aufgegangen. Einer vollständigen Integration des Staates in das politische und wirtschaftliche Gefüge der Union stand nun nichts mehr entgegen, und das Parlament konnte die Wahl von Senatoren und Repräsentanten in die Wege leiten. Die Kongreßkollegen aus den Südstaaten warteten bereits sehnsüchtig auf sie, um mit ihrer Hilfe den Anmaßungen des Nordens besser begegnen zu können. 287 Für die Vertreter des „eastern interest" wiederum, die Hamiltons Politik unterstützten, wurde es jetzt höchste Zeit, Rhode Island als Gegengewicht in die Union zu bringen. Der heiße Wunsch, dem finanziellen Würgegriff ihrer innenpolitischen Gegner zu entkommen und an den Segnungen des Bundesstaates teilzuhaben, ließ die Federalists von Newport und Providence nicht rasten noch ruhen. Auch jenseits der Grenzen dämmerte allmählich die Einsicht, daß man es nicht dabei bewenden lassen durfte, immer neue Spottnamen für Rhode Island zu ersinnen, seine Bürger als Partner der algerischen Piraten abzustempeln oder einfach mit Verachtung zu strafen. 288 Der

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To Hamilton, 16. 12. 1789, Syrett VI, 11 ff. New York, 21. 6. 1789, Rutland XII, 249 ff. Madisons Kollege Fisher Ames, der Amendments ansonsten sehr skeptisch gegenüberstand, schrieb an George R. Minot in Boston: „Should we propose them, North Carolina would accede. It is doubtful, in case we should not." (23. 7. 1789). Seth Ames, ed., Works of Fisher Ames, 2 vols., New York 1854, I, 65 f. „The Southern interest calls aloud for some such men as Mr. Iredell to represent it — to do itjustice ..." lockte der South Carolina-Senator Pierce Butler Iredell in einem Brief vom 11. 8. 1789, McRee II, 263 ff. Beziehungen zwischen den Rhode Islandern und den „Algerine pirates" wurden u. a. hergestellt von Adam Stephen in einem Brief an Madison, Berkeley Co., Va., 12. 9. 1789, Rutland XII, 398 f., sowie im Newport Herald vom 3. 1. 1788 und im Mass. Centinel vom 29. 10. 1788. Ellery sprach von der „little W-h-r-." To Huntington, Newport, 25. 8. 1788, Thomas C. Bright Autograph Coll., Jervis Libr. Rome, Ν. Y. Im Gebrauch waren auch Ausdrücke wie „the wandering sister", „our stray sister" und „our little perverse sister." Sedgwick to Theodore Foster, New York, 26. 4. 1790, Foster Papers, RHi; Federal Gazette, 13. 2. 1790;

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widerspenstige kleine Staat erinnerte fortwährend daran, daß die Union noch nicht perfekt war, und störte allein schon dadurch die Harmonie. Pessimisten fürchteten sogar, er werde eine offene Wunde bilden, von der aus sich das Gift der Zwietracht und die „principles of wild Democracy" über den ganzen Organismus verbreiten könnten. John Adams meinte im September 1789, die Amerikaner müßten angesichts des „turbulent state of Europe" schleunigst ihr eigenes Haus in Ordnung bringen. Etwas später griff Tench Coxe noch einmal zur Feder, um die letzte seiner anonymen Grußbotschaften an die Staatenkonvente zu verfassen. Er hielt die „reformation" der Rhode Islander, wie er Madison erklärte, für ein „object of the first magnitude to the United states, and interesting in a high degree to every lover of Mankind." 289 In den Schriften, Reden, Petitionen und Protesten, mit denen die Federalists das Meinungsklima im Staat zu verändern suchten, nannten sie immer wieder drei Gründe, die eine Ratifizierung zwingend erforderlich machten. Ohne den Schutz, den die Handelsgesetze des Kongresses gewährten, sei Rhode Islands wirtschaftliche Existenz gefährdet; als Mitglied der Union könne man denjenigen Kräften den Rücken stärken, die sich die spezifischen Interessen Neuenglands angelegen sein ließen; und schließlich böten Kongreßsitze die einzige Möglichkeit, etwas Konkretes für die Änderung der Verfassung zu tun. Schärfere Kontraste als die von der federalistischen Propaganda gebrauchten waren kaum vorstellbar. Auf der einen Seite standen Isolierung, Massenelend und Verödung durch Emigration nach Westen, auf der anderen die Integration in ein entstehendes Weltreich, der Aufstieg von Providence zu einem kommerziellen Zentrum Neuenglands und der Ausbau Newports zur Flottenbasis der Union. All dies käme fraglos nicht nur den Kaufleuten,

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Mass. Centinel, 15. 3. 1788. Washington empörte sich privat über die „infamy of the conduct of Rhode Island" und über die „Paper-Money Junto of that Anarchy." To Jonathan Trumbull, 20. 7. 1788, Washington Papers, LC. John Adams wollte Rhode Island zunächst links liegen lassen. Der Staat sei „too small a part of America to dictate to all the rest." Dann riet er, die Bürger durch „mildness and condescention" zu gewinnen. To Jabez Bowen, New York, 18. 5. 1789; to Henry Marchant, New York, 17. 9. 1789, Adams Papers, MHi. Vgl. Jabez Bowen to John Adams, Providence, 19. 5. 1789; Adams to Bowen, New York, 18. 9. 1789, Adams Papers, MHi; Coxe to Madison, Philadelphia, 21. u. 31. 3. und 6. 4. 1790, Rutland, XIII, 111, 130ff., 141. Bei den Gouverneursund Parlamentswahlen im April und August 1789 hatte sich die Country-Partei erneut klar durchgesetzt. Kaminski, Paper Politics, S. 236 ff. Siehe dazu auch die gedruckten Kandidatenlisten (Election Praxes) aus Kaminski, Political Sacrifice' and Demise, S. 90.

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Handwerkern und Arbeitern der beiden Städte, sondern der Gesamtbevölkerung zugute. 290 Weniger offen sprachen die Verfassungsanhänger dagegen über ihre Hoffnung, Bundesregierung und Bundesgerichte würden den finanziellen Schaden wiedergutmachen, den die Staatspapierbesitzer und privaten Gläubiger durch die Währungsmanipulationen des Rhode Island-Parlaments erlitten hatten. Weder die lautstarke Agitation noch diese hintergründigen Motive waren dazu angetan, das Mißtrauen der Antifederalists abzubauen. Dennoch gelangten die Führer der Country-Partei im Laufe der Zeit zu der Einsicht, daß sich die Ratifizierung auf Dauer nicht vermeiden ließe. Ihr Kritiker William Ellery hatte stets behauptet, daß sie sich eines besseren besinnen würden, sobald die öffentlichen und privaten Schulden ausgelöscht seien. Obgleich dieses Ziel im Sommer 1789 nahe vor ihnen lag, taten sie sich ungemein schwer, das Staatsschiff auf neuen Kurs zu bringen. Zum einen waren sie die Gefangenen ihrer eigenen Rhetorik, mit der sie die Ressentiments und die demokratischen Instinkte der freemen gegen den Verfassungsentwurfs mobilisiert hatten. Ebenso laut klangen die Worte in den Ohren, Rhode Island sei ohne weiteres allein lebensfähig und könne den Zeitpunkt für seinen Beitritt zur Union selbst wählen. Ein plötzlicher Widerruf solcher Äußerungen konnte der Parteispitze schnell die Sympathien der überrumpelten und enttäuschten Anhängerschaft kosten. Die Kunst bestand darin, das Wendemanöver so vorsichtig zu vollziehen, daß die politische Kontrolle nicht verlorenging und der Schaden möglichst gering gehalten wurde. Zum anderen schürten einige Maßnahmen der Washington-Administration den Widerstand eher als daß sie ihn reduzierten. Der Unmut, den die Hauptstadt-Diskussion und Hamiltons Fundierungspläne nicht nur im Süden hervorriefen, bestärkte manch einen Antifederalist in seiner Skepsis. Die Zeitungen druckten sogar Zuschriften aus anderen Staaten ab, die den Rhode Islandern prophetischen Weitblick bescheinigten und sie zum Durchhalten aufforderten, da das Verfassungsexperiment ohnehin bald fehlschlagen werde. 291 Unter diesen Umständen ging die Annäherung an die Union mit einer Langsamkeit vonstatten, die ungeduldige Federalists schier zur Verzweiflung brachte.

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291

Vgl. „Phocion" [Theodore Foster], U.S. Chronicle, 17. 7. 1788; Royal Flint to Gov. John Collins, New York, 30. 5. 1789, L. W. Smith Coll., Morristown National Historical Park, Morristown, N. J. Vgl. Jabez Bowen to John Adams, Providence, 22. 7. 1789 u. 15. 2. 1790, Adams Papers, MHi; Indep. Gazetteer, 1. u. 5. 5. 1788; Federal Gazette, 26. 5. 1790.

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Da die Wähler in den Town Meetings ihren Überzeugungen unerschütterlich treu blieben, änderte sich an den Mehrheitsverhältnissen kaum etwas. Nicht weniger als siebenmal stand die Einberufung eines Ratifizierungskonvents bis Ende 1789 in der General Assembly zur Debatte, und ebensooft scheiterte sie am Votum der Parlamentarier. Durch eine behutsame Abkehr von der Papiergeldpraxis gaben die Country-Politiker allerdings zu erkennen, daß sie die Zeit für gekommen hielten, die Yerfassungsfrage ernsthaft anzugehen. North Carolinas überraschend klare Ratifizierungsmehrheit wirkte wie ein Paukenschlag und beschleunigte die Suche nach Auswegen aus dem Dilemma. 292 Am 17. Januar 1790 verständigten sich die beiden Kammern des Parlaments endlich darauf, die Towns zu bitten, Anfang März Delegierte zu einem Konvent nach South Kingstown zu schicken. Bei Stimmengleichheit im Oberhaus gab das Votum von Gouverneur Collins den Ausschlag, dessen Herz im Grunde schon immer für eine starke Unionsregierung geschlagen hatte. Die Antifederalists schienen erleichtert, daß das „unangenehme Geschäft" vom Tisch war, und sagten ihren Kontrahenten vertraulich Duldung zu. 293 Da sie öffentlich aber keinerlei positive Empfehlung abgaben, endeten die Wahlen vom 8. Februar wieder mit einem klaren Sieg der Verfassungsgegner, die über 40 der gut 70 Delegierten stellten. Der South Kingstown-Konvent tat deshalb in der ersten Märzwoche trotz heftiger Proteste der Federalists nicht viel mehr, als von den Ratifizierungsurkunden New Yorks und North Carolinas eine Bill of Rights und Amendments abzuschreiben, sie den Gemeinden zur Prüfung zu übersenden, und sich auf den 24. Mai nach Newport zu vertagen. In ihren gewohnten nächtlichen Geheimkonferenzen waren die Antifederalists zu der Überzeugung gelangt, daß sie es nicht riskieren konnten, die Verfassung vor den regulären Aprilwahlen anzunehmen. Erst wollten sie ihren Wahlvorschlag für die wichtigsten Staatsämter durchbringen und die Parlamentsmehrheit verteidigen, die ihnen später erlauben würde, die beiden U.S.-Senatoren zu bestimmen. Als Opfer für die immer noch ratifizierungsfeindliche Öffentlichkeit erkoren sie Gouverneur Collins aus, der sich durch sein pro-Konvent-Votum unbeliebt gemacht hatte und nun Arthur Fenner weichen mußte. Der Plan, mit antifederalistischen Aussagen die Wahlen zu gewinnen, ging am 15. April auf. Gleichzeitig 292 293

Jabez Bowen to John Adams, Providence, 28. 12. 1789, Adams Papers, MHi. Henry Marchant to John Adams, East Greenwich, 18. 1. 1790, Adams Papers, MHi; to William Marchant, Newport, 25. 1. 1790, Marchant Papers, RHi; vgl. Kaminski, Political Sacrifice, S. 93.

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lehnte die Mehrzahl der Towns aber auch die vorgeschlagenen Amendments als ungenügend ab und instruierte ihre Delegierten, in Newport zusätzliche schwerwiegende Ergänzungen wie etwa ein baldiges Verbot der Sklaverei und das Recht auf Rückberufung der Senatoren zu fordern. Die Gefahr war nicht mehr von der Hand zu weisen, daß sich der Newport-Konvent ebenfalls ohne konkrete Entscheidung vertagen würde und das Schicksal des Staates weiter in der Schwebe blieb. 294 Nun riß der Kongreßmehrheit der Geduldsfaden, und sie erhörte das Flehen der Federalists, endlich massiven Druck auf die für dieses Trauerspiel Verantwortlichen auszuüben. An Ideen, welcher Art die Pressionen sein könnten, mangelte es nicht. Kaufleute und Politiker wie Jabez Bowen, Henry Marchant, John Brown, George Benson und William Ellery hatten in ihrer Korrespondenz mit Abgeordneten, Senatoren und Vizepräsident John Adams ganze Maßnahmenkataloge zusammengestellt. Sie reichten von der Drohung, Antifederalists künftig keinerlei Patronage und keine privaten Kredite zu gewähren, über einen Importstopp für Erzeugnisse aus Rhode Island bis hin zu der Forderung, der Kongreß solle die Regierung absetzen, die Richter ihrer Ämter entheben, alle Verfassungsgegner des Landes verweisen und den Staat zwischen Connecticut und Massachusetts aufteilen. Seit langem im Gespräch war auch der Abfall der Küstenstädte, den man aber nur riskieren wollte, wenn die Bundesregierung den Sezessionisten Schutz zusagte. Einige dieser Vorschläge wurden in die Presse lanciert, um den Verfassungsgegnern Angst zu machen. 295 Dasselbe Ziel verfolgten Berichte über die Bildung von Bürgerkomitees in Pennsylvania, die — in Anlehnung an die Boykottmaßnahmen gegen Großbritannien — keine Erzeugnisse aus Rhode Island mehr kaufen wollten. 296 294

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Siehe Daniel Updike's R. I. Convention Journal, 4 — 6 March 1790, Plus Proposed Amendments to the Constitution, South Kingstown, in: Staples, Rhode Island in the Continental Congress, S. 640—654; Theodore Foster, Minutes of the Rhode Island Convention, 1 — 6 March 1790, ed. Robert C. Cotner and Verner V. Crane, Providence, R. I., 1929, ND New York 1970. Vgl. Bishop, Why Rhode Island Opposed the Constitution (1949); Conley, Rhode Island in Disunion (1972); Kaminski, Political Sacrifice, S. 93 ff. Am radikalsten Bowen to Adams, Providence, 15. 2. 1790, Adams Papers, MHi; Ellery to Huntington, Newport, 8. 3. 1790, Ellery Letters, RHi. Bei dem „letter from a Very Distinguished Member of Congress", der am 3. 10. 1789 in der Providence Gazette erschien, handelte es sich um John Adams Schreiben an John Brown vom 15. 9. 1789, in dem „serious measures" angekündigt wurden. Adams Papers, MHi. Providence Gazette, 13. 6. 1789; Federal Gazette, 5. u. 6. 4. 1790. Die Gazette of the

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Der Kongreß wartete jedoch zunächst ab, und als er im Sommer 1789 verschiedene Bestimmungen der Zoll- und Handelsgesetze gegen North Carolina und Rhode Island anwendete, paßte das den Kaufleuten von Providence und Newport ganz und gar nicht. Fortan sollten ihre Schiffe nämlich den ausländischen gleichgestellt sein und Tonnageabgaben und Hafengebühren entrichten müssen. Das kam einer Unterbindung des Küstenhandels gleich, in dem sie stark engagiert waren, und dessen Verlust sie mit „inevitable ruin" bedrohte. Agrarische Produkte, von deren Erlös die Anhänger der Country-Partei in der Hauptsache lebten, durften demgegenüber bis auf wenige Ausnahmen weiterhin zollfrei in die Vereinigten Staaten eingeführt werden. Das profitable Transportgeschäft ging nun aber an die Reeder der Nachbarstaaten verloren, die keine Sonderabgaben zu entrichten brauchten. 297 Als eine Delegation aus den Küstenorten Rhode Islands in New York vorstellig wurde, hatte der Kongreß im September ein Einsehen und befreite Rhode Island und North Carolina vorläufig von den „tonnage duties", die offenkundig die Falschen trafen. 298 Nach der Ratifizierung North Carolinas und der Vertagung des South Kingstown-Konvents setzte sich aber die Auffassung durch, daß weitere Milde fehl am Platze sei. Federalists wie Sedgwick, Strong, Fisher Ames und John Sullivan lehnten es ohnehin ab, Rhode Island als „Ausland" zu betrachten. Für sie war die Union „indissoluble and integral", und wer ihr nicht angehören wollte, beging Verrat und revoltierte gegen die Vereinigten Staaten. Demnach stand dem Kongreß das Recht zu, in Notwehr Zwangsmaßnahmen über Rhode

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U.S. bezeichnete Rhode Island und North Carolina am 15. 4. 1789 als „foreign states". Vgl. John Brown to John Adams, Providence, 24. 8. 1789; Jabez Bowen to John Adams, Providence, 31. 8. 1789, Adams Papers, MHi; Rev. James Manning to Madison, Providence, 29. 8. 1789, Rutland XII, 365 ff.; Ellery to Huntington, Newport, 24. 8. 1789, Huntington Autograph Books, Jervis Libr., Rome, Ν. Y.; Amasa Learned to Jeremiah Wadsworth, New London, 29. 8. 1789, J. Wadsworth Papers, CtHi. Ähnliche Probleme schufen die „tonnage duties" für die Kaufleute von North Carolina. S. o. Anm. 279. Petition des Providence Town Meeting, in: Staples, Rhode Island in the Continental Congress, S. 626 f. Am 16. 9. 1789 suspendierte der Kongreß die „tonnage duties" für North Carolina und Rhode Island bis zum 15. 1. 1790. Vgl. Ellery to Huntington, Newport, 31. 8. 1789, Myers Coll., NN; Manning to Nicholas Brown, New York, 16. 9. 1789, Brown Papers, J. C. Brown Libr., Brown Univ.; John Adams to Jabez Bowen, New York, 18. 9. 1789, Adams Papers, MHi.

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Island zu verhängen. 299 Der besondere Eifer der Abgeordneten aus dem Norden bis hinunter nach New York rührte natürlich von dem Wunsch her, ihre Machtposition im Senat mit Hilfe der beiden Rhode IslandStimmen zu festigen. Delaware-Senator Richard Bassett hatte das Gefühl, die Nordstaatler schlössen sich immer mehr zusammen, und „Eastern politics" würde zum Maßstab des Regierens werden: „The Eastern men here are exerting all possible influence to bring [Rhode Island] in, from this motive principally alone, I fear, to give [them] a clearer decided majority." 300 Am 28. April 1790 beauftragte der Senat ein Komitee mit der Prüfung der Rhode Island-Frage. Binnen kurzem arbeitete es einen scharf formulierten Gesetzesentwurf aus, der eine vollständige Wirtschaftsblockade vorsah. Sie sollte durch die Forderung ergänzt werden, bis Ende 1790 25.000 Dollar Schulden an die Union zurückzuzahlen. Zu den wenigen Kritikern dieses Textes, der wie eine Kriegserklärung wirken mußte, gehörte neben Richard Henry Lee der Pennsylvania-Senator William Maclay. Wer solche Maßnahmen androhe, hielt er seinen Kollegen bei den Beratungen entgegen, der „spiele den Tyrannen." In seinem Tagebuch vermerkte er, das Gesetz sei nicht zu rechtfertigen „on the principles of freedom, law, the Constitution, or any mode whatever." Man habe vor, es zu benutzen, „in the same way that a robber does a dagger or a highwayman a pistol, and to obtain the end desired by putting the party 299

Vgl. Fisher Ames to George R. Minot, N e w York, 23. 7. 1789, s. o. Anm. 286; Caleb Strong to [?], [pre 29. 2. 90], Goodspeed's Auction Sale Catalogue, March 1941, No. 51; abgedr. in Providence Gazette, 22. 5. 1790; Sedgwick to Theodore Foster, N e w York, 26. 4. 1790, Foster Papers, RHi; John Sullivan to John Adams, Boston, 10. 6. 1789, Adams Papers, MHi. Federalist George Lux meinte, „we can easily dragoon the State of Rhode Island into proper measure, as we shall have the Towns of Newport and Providence to back us." To George Read, Baltimore, 28. 7. 1789, Richard S. Rodney Coll., D H i . Der Kongreßabgeordnete Abraham Baldwin schrieb am 24. 5. 1790 über die Rhode Islander: „If their place of existence was more remote from ours, we might let them have their own way in safety, but in our present situation, self preservation requires us to modify them." To Joel Barlow, N e w York, A. Baldwin Coll., CtY.

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To George Read, N e w York, 1. 3. 1790, Richard S. Rodney Coll. of Read Papers, DHi. Tatsächlich drängte Hamilton schon seit August 1788 auf eine Repräsentation Rhode Islands im Kongreß, um die Position des Nordens zu stärken. Siehe Hamilton to Jeremiah Olney, N e w York, 12. 8. u. 6. 10. 1788; Olney to Hamilton, Providence, 3. 11. 1788, Syrett V, 199f., 224, 229f. Für John Adams stand fest, daß die Abgeordneten aus der Mitte und dem Süden „will not be unanimously Zealous at this moment to give N. England t w o additional senators." To James Sullivan, N e w York, 18. 6. 1789, Adams Papers, MHi.

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in fear." 301 Die Initiatoren des Gesetzes waren sich der fragwürdigen Rechtsgrundlage bewußt und sprachen privat von einer „pretty bold measure." 302 Sie glaubten aber nach dem Grundsatz handeln zu dürfen, der Zweck heiligt die Mittel. Der „Act to prevent bringing Goods, Wares and Merchandizes, from the State of Rhode Island and Providence Plantations, into the United States; and to authorize a demand of Money from the said State", passierte am 18. Mai mühelos den Senat. Noch bevor sich das Repräsentantenhaus seiner annahm, wurde der Wortlaut in Rhode Islands Zeitungen publik gemacht: „I assure you that the Contents have made a very alarming impression on the antifederal minds," versicherte George Benson Senator Sedgwick. Kein Ereignis habe bisher so günstige Folgen im Sinne der Federalists gezeitigt: „We rather enjoy than regret the expected operation of the Prohibitory Bill, as the inveterate Enemies of the Federal Government will then Suffer in the Common Calamity." Ein übriges taten ohne Namensnennung abgedruckte Briefe vom Sitz des Kongresses, aus denen hervorging, daß sich die unionstreuen Bürger im Falle einer Sezession auf den Schutz der Bundesregierung würden verlassen können. 303 Den Country-Politikern kam die Aufregung um die „Prohibitory Bill" in Wahrheit gar nicht ungelegen, erleichterte sie es ihnen doch, den eigenen Anhängern die ohnehin geplante Ratifizierung plausibel zu machen. Richter William Channing schrieb am 18. Mai an Theodore Foster, den Schwager des neuen Gouverneurs Fenner, die gegenwärtige Rhode Island-Administration werde niemals eine günstigere Gelegenheit erhal301

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Siehe William Maclay Journal, 11.,14. u. 18. 5. 1789, The Journal of William Maclay, U. S. Senator from Pennsylvania, 1 7 8 9 - 1 7 9 1 , ND New York 1965. (Eine neue Edition dieses Tagebuches erscheint 1988). Aus Paris hatte Jefferson schon zwei Jahre zuvor gewarnt: „Force, in whatever form, would be a dangerous precedent." To Carrington, 27. 5. 1788, Boyd XIII, 208 f. John Steele aus North Carolina bezeichnete das geplante Rhode Island-Gesetz in einem Brief an Gouverneur Alexander Martin als „tyrannical and arbitrary in the highest degree." Der kleine Staat habe in der Revolution große Opfer gebracht und verdiene daher eine respektvolle Behandlung. New York, 17. 5. 1790, J. Steele Papers, Southern Historical Coll., Univ. of Ν. C. Sein Kollege John Page erklärte in der Debatte vom 26. 5., die Maßnahme wirke „like declaring war against that state." Federal Gazette, 28. 5. 1789. Zum Inhalt des Gesetzentwurfs Kaminski, Paper Politics, S. 250 f. Ellsworth to Mrs. Oliver Ellsworth, New York, 7. 6. 1790, O. Ellsworth Folder, CtHi. Providence, 21. 5. 1790, Sedgwick Papers, MHi.

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ten, „of effecting their various purposes than by an immediate accession." Foster, der bereits für einen der beiden Senatorenposten ausersehen war, antwortete am Eröffnungstag des Newport-Konvents: „Many of the Antifederalists wish the Business done but do not love to do it themselves." 304 Einen Teil der Arbeit nahmen ihnen die Federalists ab, die in letzter Minute die beiden Gemeinden Middletown und Portsmouth für sich gewinnen konnten und auf diese Weise der Stimmengleichheit im Konvent näherkamen. 305 Den Rest ließen sie durch ihren bis dahin unangefochtenen Parteiführer Jonathan J. Hazard besorgen. In der Hoffnung, die Federalists würden seine Kandidatur zum Senator unterstützen, warb er hinter den Kulissen für die Ratifizierung und lieferte die nötigen „Überläufer." Dennoch fiel die Annahme der Verfassung nach einer Woche hinhaltenden Taktierens am 29. Mai mit 34 gegen 32 Delegiertenstimmen denkbar knapp aus. Begleitet war sie wiederum von einer Bill of Rights und 21 Amendments, die aber nicht zur Voraussetzung für die Rückkehr der „verlorenen Schwester" in die Union gemacht wurden. Fünfzehn Monate nach Arbeitsbeginn der Bundesregierung trat Rhode Island als letzter der dreizehn Staaten dem neuen Verfassungssystem bei. 306 Die Federalists hatten bis zuletzt gebangt und konnten ihr Glück kaum fassen. Nach William Vernons Worten gab die Ratifizierung „inexpressible pleasure to the Persons of property, and a fatal stab to Paper-Money robbers and Legislators." 307 Weit davon entfernt, Trauer zu tragen, widmeten sich die Antifederalists sofort den Parlamentsgeschäften und der Senatorenwahl. In Hazard hatten sie einen zweiten Sündenbock gefunden, den sie für den Ausgang des Konvents verantwortlich machen konnten. Nicht er, sondern Joseph Stanton, der nie von der Parteilinie 304

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