256 83 7MB
German Pages 248 [252] Year 2001
Linguistische Arbeiten
438
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Hans Jürgen Heringer, Ingo Plag, Heinz Vater und Richard Wiese
Susanne
Beckmann
Die Grammatik der Metapher Eine gebrauchstheoretische Untersuchung des metaphorischen Sprechens
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2001
Meinen
Eltern
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Beckmann, Susanne: Die Grammatik der Metapher : eine gebrauchstheoretische Untersuchung des metaphorischen Sprechens / Susanne Beckmann. - Tübingen : Niemeyer, 2001 (Linguistische Arbeiten ; 438) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1997 ISBN 3-484-30438-3
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag G m b H , Tübingen 2001 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: Weihert-Druck G m b H , Darmstadt Einband: Industriebuchbinderei Nadele, Nehren
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1. Einleitung 2. Der erweiterte Begriff .Grammatik' im Rahmen einer pragmatischen Sprachbetrachtung 2.1. Die Erweiterung des Begriffs .Grammatik' in der Philosophie des Wiener Kreises 2.1.1. Der Begriff der .Grammatik' in Josef Schächters „Prolegomena zu einer kritischen Grammatik" 2.1.2. Die Verwendung des Wortes Grammatik bei Ludwig Wittgenstein . 2.2. Der Begriff .Grammatik' in der Tradition einer pragmatisch orientierten Sprachwissenschaft 2.3. Ein Präzisierungsversuch: Regeln und ihr Status in gebrauchstheoretisch orientierten Ansätzen 2.3.1. Abgrenzung des Regelbegriffs zu Nachbarbegriffen 2.3.1.1. Regel und Naturgesetz 2.3.1.2. Regel und Norm 2.3.1.3. Regel und Konvention 2.3.1.4. Regel und Regularität 2.3.2. Zum Problem der Erfassung von Regeln 2.3.3. Regeln in komplexeren Zusammenhängen: Handlungsmuster . . . .
IX 1
7 7 8 10 15 18 19 20 21 22 24 25 27
3. Überlegungen zum systematischen Ort der Metapher 3.1. Eine grammatische Betrachtung der Metapher 3.2. Eine kritische Sichtung traditioneller Begriffe 3.2.1. Das .Abweichungstheorem' 3.2.2. Das .Uneigentlichkeitstheorem' 3.2.2.1. Sagen und Meinen 3.2.3. Das .Falschheitstheorem' 3.2.4. Das Theorem der .übertragenen Bedeutung' 3.3. Die Metapher im Rahmen einer gebrauchstheoretischen Bedeutungstheorie
33 33 36 37 50 51 54 63
4. Sinnverdacht und Musterwissen 4.1. Metaphorisches Sprechen als Sprechen nach einem Verfahrensmuster . . . . 4.2. Exkurs: Die Herausbildung konventioneller Formen am Beispiel des Textmusters .Heiratsgesuch' 4.3. .Kommunikative Settings'im Bereich des metaphorischen Sprechens . . . .
71 72
66
76 79
VI 5. Das metaphorische Verfahren: Das kommunikative Setting in Phase 3 5.1. Zur Identifikation des metaphorischen Verfahrens 5.1.1. Sprachliche Indikatoren des Verfahrens 5.1.2. Vom Sprecher gesetzte Indikatoren 5.1.2.1. Redecharakterisierungen 5.1.2.1.1. Redecharakterisierende Adverbiale 5.1.2.1.2. Markierung durch Anführungszeichen 5.1.3. Verfahrensunterstützende Mittel 5.1.4. Zusammenfassung 5.2. Der Kern des Verfahrens 5.2.1. Exkurs: Einwände gegen verschiedene Fassungen der Vergleichstheorie 5.2.2. Sprachliche Bezugnahme 5.2.2.1. Ein Beispiel: Walter Benjamin „Die Speisekammer" 5.2.2.2. Explizitheit und Komplexität 5.2.2.3. Die Bezugsebene 5.2.3. Anspielung und Analogie 5.2.3.1. Ein graphisches Darstellungsmodell 5.2.3.2. Ein Beispiel: „Oldtimer, Baujahr 45 ..." (Partneranzeige) 5.3. Zur Funktion des metaphorischen Sprechens 5.3.1. Nochmals: Die .Partneranzeige' 5.4. Zusammenfasssung 6. Habitualisierung und Typisierung von Metaphern 6.1. Das kommunikative Setting in Phase 4 und 5 6.1.1. Sprachliche Indikatoren für die Konventionalisierung einer metaphorischen Verwendungsweise 6.1.2. Verankerung im Gebrauchssystem 6.2. Die Etablierung und Konventionalisierung sprachlicher Bezugsbereiche: Das kommunikative Setting in Phase 6 und 7 7. Eine Metapher von der Entstehung bis zu ihrer Konventionalisierung: Datenautobahn - eine Metapher in einem komplexen Handlungsfeld 7.1. Die Materialsammlung 7.2. Entstehung der Metapher 7.2.1. Das Kompositum .Datenautobahn' 7.3. Vergleichstheorien auf dem Prüfstand 7.3.1. Schnelligkeit 7.3.2. Der Straßentyp .Autobahn' 7.3.3. Von ... nach 7.3.4. Das Fahren auf der Autobahn 7.3.5. Kritik an dem Vergleich
83 83 84 88 89 90 91 92 93 94
...
95 104 104 106 109 112 119 121 125 129 134 137 137 140 143 144
147 147 148 150 153 153 153 153 154 155
VII 7.4. Motivationsstruktur 7.4.1. Neu entstehende Handlungs-und Kommunikationsfelder 7.4.2. Komplizierte Sachverhalte 7.5. Sprachliche Bezugnahme 7.5.1. Der Autobahndiskurs als Bezugsdiskurs 7.5.2. Anknüpfen an Bewertungshandlungen 7.5.3. Sprachliche Analogien 7.5.4. Anknüpfen an lexikalisierteBewegungsmetaphern 7.5.5. Explizitheit und Komplexität 7.5.5.1. Struktur und Ausbau von Datennetzen 7.5.5.2. Juristische Aspekte 7.5.5.3. Neue Arbeitsstrukturen 7.5.5.4. Belastung des Systems 7.6. Kommunikative Etablierung 7.6.1. Habitualisierung 7.6.2. Konventionalisierung 7.6.2.1. Indikatoren der Konventionalisierung 7.6.2.1.1. Vorkommen in Redeberichten 7.6.2.1.2. Allgemeine Erklärbarkeit 7.6.2.1.3. Metasprachliche Verwendbarkeit 7.6.2.1.4. Metaphernfähigkeit 7.6.2.1.4.1. .Spezifische'Metaphernfähigkeit 7.6.2.1.4.2. .Erweiterte'Metaphernfähigkeit 7.6.2.2. Sprachsystematische Verankerung 7.6.2.2.1. Kontextspezifik 7.6.2.2.2. Synonymie 7.6.2.2.3. Perspektivierungen 7.6.2.2.4. Verlust an Explizitheit - Öffnung für neue Kollokationen 7.7. Zusammenfassung
156 156 158 158 158 159 161 162 164 164 165 166 167 169 171 173 173 173 175 176 176 176 177 178 178 178 184 186 187
8. Resümee
191
Anhang: Materialsammlung Datenautobahn
195
Literatur
229
Vorwort
Diese Arbeit wurde 1997 als Dissertation an der Philosophischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster angenommen. Für die Druckfassung wurde das Manuskript gekürzt und formal angepaßt, neuere Erscheinungen zur Metapherntheorie konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Danken möchte ich Prof. Dr. Franz Hundsnurscher für die wissenschaftliche Begleitung der Arbeit und Prof. Dr. Jochen Splett, der als Zweitgutachter fungierte. Für anregende Diskussionen und produktive Kritik danke ich Dr. Ulrich Breuer, Dr. Götz Hindelang und Peter-Paul König. Mein Dank gilt vor allem meinen Eltern, die mich in meinem Vorhaben stets ermutigt und unterstützt haben. Münster, im Oktober 2000
Susanne Beckmann
1. Einleitung
Der Begriff .Grammatik' wird i m Titel dieser Arbeit programmatisch gebraucht. Anknüpfend an die Tradition der sprachanalytischen Philosophie und entsprechende Ansätze der pragmatischen Linguistik ist damit ein Programm mit weitgehenden inhaltlichen und methodologischen Konsequenzen umschrieben. In dieser Arbeit soll auf d e m Hintergrund dieser Tradition eine gebrauchstheoretisch orientierte Analyse des metaphorischen Sprechens vorg e n o m m e n werden. Gegenstand der Arbeit sind Äußerungen w i e ( l ) - ( 6 ) , Beispiele für den metaphorischen Gebrauch v o n Sprache: (1)
Auf der «Datenautobahn» ins Paradies? [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65]
(2)
Zwei Wochen war der ,Hai' schon abgetaucht. [Frankfurter Rundschau Nr. 46, 23.2.1996, S. 3]
(3)
Allerdings waren die Lymphknoten dieser Patienten bereits befallen - ein Zeichen dafür, daß die gefährlichen Vagabunden bereits Ausbruchversuche in den Körper unternommen haben. [DIE ZEIT Nr. 21, 20.5.1994, S. 47]
(4)
So heben wir denn ein letztes Mal warnend die Pfote und sagen den sieben Geißlein im Auswärtigen Amt: Laßt den Wolf aus Teheran nicht herein, auch wenn er Kreide gefressen hat und euch ein Menschenrechtsseminar am Ort des Menschenunrechts gestattet, auch wenn er, voller Milch der frommen Denkungsart, sich bereit zeigt, über die Zulassung von Kindern aus deutsch-iranischen Familien zur deutschen Schule nachzudenken. [DIE ZEIT Nr. 10, 4.3.1994, S. 57]
(5)
Dankbar und wild wie eine, die man aus dem Elternhaus sich geraubt hat, gab hier die Erdbeermarmelade ohne Semmel und gleichsam unter Gottes freiem Himmel sich zu schmecken, und selbst die Butter erwiderte mit Zärtlichkeit die Kühnheit eines Werbers, der in ihre Mägdekammer vorstieß. [Walter Benjamin: Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, S. 42]
(6)
Wir sehen, wir reden, wir wissen, wir erinnern, wir arbeiten und rechnen in Wolken und Nebeln. [Botho Strauss: Beginnlosigkeit, S. 11]
Max Black hat in seinem 1954 erschienenen Aufsatz „Metaphor" folgende Fragen zur Lösung des Metaphernproblems vorgeschlagen: „How do we recognize a case of metaphor?" „Are there any criteria for the detection of metaphors?" „Can metaphors be translated into literal expressions?" „Is metaphor properly regarded as a decoration upon .plain sense'?" „What are the relations between metaphor and simile?" „In what sense, if any, is a metaphor .creative'?" „What is the point of using a metaphor?" [...] Or more briefly, „What do we m e a n by .metaphor'?" 1
1
Black (1954/1962: 25).
2 Betrachtet man diesen Fragenkatalog heute, muß man rückblickend feststellen, daß auch eine intensive und inhaltsreiche Forschung noch nicht zur Beantwortung der Fragen geführt hat. Die Bemerkung, die Haverkamp seiner 1983 erstmals erschienenen Anthologie von Metapherntheorien vorangestellt hat, daß eine Theorie der Metapher „nur als Sammelname konkurrierender Ansätze" existiere, daß sich die verschiedenen Theorien nicht zu einer übergreifenden Theorie zusammenfassen ließen, sondern als Teile alternativer Ansätze unvereinbar blieben, hat noch heute ihre Gültigkeit.2 Ein neuer Ansatz zur Metapher hat diese Lage zum Ausgangspunkt zu nehmen und die Frage zu stellen, ob die Disparatheit der Ansätze lediglich auf die Unvereinbarkeit der verschiedenen Forschungsparadigmen zurückzuführen ist oder ob es hierfür tieferliegende Gründe gibt. Es deutet einiges darauf hin, daß die Unvereinbarkeit der Ansätze eng mit dem Sonderstatus zusammenhängt, der der Metapher traditionell zugeschrieben wird und den sie bei vielen Autoren bis heute einnimmt. Eine Sprachtheorie kann auch danach beurteilt werden, welchen Ort sie dem metaphorischen Sprechen3 zuweist bzw. ob sie das metaphorische Sprechen überhaupt systematisch berücksichtigt. Betrachtet man die Geschichte der Metapherntheorie, so ist eine Entwicklung augenfällig: Die Betonung des kreativen Aspekts bei der Bildung von Metaphern und des Aspekts der Abweichung haben weitgehend zu einer Abkopplung des Metaphernproblems von systematischen Aspekten der Sprachbeschreibung geführt. Das metaphorische Sprechen erhält dadurch einen Sonderstatus, die Metapher wird häufig als isoliertes Sprachphänomen beschrieben, das jenseits des .normalen' Sprachvollzugs eine eigene Lösung für sich beansprucht. Diese Entwicklung ist tief in der Tradition verwurzelt. Sie beginnt mit einer einseitigen Lektüre der aristotelischen Metapherndefinition: „Eine Metapher ist die Übertragung eines Wortes (das somit in uneigentlicher Bedeutung verwendet wird)", heißt die vieldiskutierte Definition in der Poetik, „und zwar entweder von der Gattung auf die Art oder von der Art auf die Gattung, oder von einer Art auf eine andere, oder nach den Regeln der Analogie." 4 Aristoteles hatte die Metapher neben der „Glosse", dem „Schmuckwort", der „Neubildung", der „Erweiterung" und der „Verkürzung" dem „üblichen Ausdruck" gegenübergestellt,5 er kennzeichnet damit die Metaphernbildung als ein sprachliches Verfahren, das dem usuellen Gebrauch von Wörtern widerspricht. Aus der aristotelischen Metaphernbeschreibung wurden vor allem Momente herausgelesen, die zur Isolierung des Metaphernproblems aus systematischen Zusammenhängen geführt haben. Ricoeur hat in seiner Lektüre der aristotelischen Metapherntheorie treffend einige Merkmale der aristotelischen Theorie und ihre Folgen für die Rhetorik beschrieben: Die Tatsache, daß Aristoteles die Metapher als etwas beschreibt, das dem Nomen oder dem Wort widerfährt, habe die rhetorische Theorie der Tropen vorbereitet. Sie sei in nuce bereits in der Definition des Aristoteles enthalten. Dafür habe man jedoch einen hohen Preis zu zahlen gehabt: die Unmöglichkeit, die Einheit einer bestimmten Funktionsweise
2 3
4 5
Vgl. Haverkamp (1983/1996: 2). Mündliche wie schriftliche Formen metaphorischer Sprachverwendung werden im folgenden abkürzend als .metaphorisches Sprechen', deren Produzenten und Rezipienten als .Sprecher' bezeichnet. Aristoteles Poetik, 1457b, 21. Vgl. ebd.
3
zu erkennen. 6 Hieraus entsteht ein zentrales Problem: Die Beschränkung auf das Wort und später auf den Satz verdeckt die dialogischen bzw. textuellen Bezüge der Metaphorik, eine Entwicklung, die einer funktionalen Betrachtungsweise im Wege steht. Eine weitere Entwicklung, die von Aristoteles ausgeht, ist in der Charakterisierung der Metapher als etwas Fremdartigem zu sehen. Auch diesen Aspekt hat Ricoeur treffend beschrieben: ,,[D]ie Metapher ist die Übertragung eines Nomens, das Aristoteles fremd (allotrion) nennt, das also »eine andere Sache bezeichnet« (1457b 7), das »einer anderen Sache zugehört« (1457b 31)". 7 Der Abweichungscharakter werde durch Synonyme hervorgehoben, die Aristoteles an die Stelle von allotrion setzt: »Die beste Sprachform ist diejenige, die klar und nicht gewöhnlich ist. Am klarsten ist sie mit den gebräuchlichen Nomina, aber dann ist sie gewöhnlich. (...) Erhaben und das Gewöhnliche meidend ist die Dichtung, die fremdartige (xenikon) Worte gebraucht. Fremdartig nenne ich die Glosse, die Metapher, die Erweiterung und alles außerhalb des Gebräuchlichen {para to kyriori)* [1458a 18-23]. 8
Im gleichen Sinne von Abweichung werde auch »das Gewöhnliche meidend« (exallatousa to idiötikon, 1458a 21) gebraucht.9 In Anlehnung an diese Vorstellungen zeichnen sich zwei Entwicklungen ab: Es entstehen zum einen Theorien der Metapher, die das Andersartige, das Ungewöhnliche in den Mittelpunkt stellen. Schon allein die Metaphorisierungen, die innerhalb der Modellbildungen Zustandekommen, spiegeln eine solche Auffassung: „Ich schlage vor", resümiert Schöffel in seinem 1987 erschienenen Buch „Denken in Metaphern", „nachdem die Metapher als kleine Abweichung, als kleiner Mythos, als kleines Gedicht, als kleines Kunstwerk und als kleiner Text untersucht wurde, sie als ein k l e i n e s A p r io ri zu untersuchen". 10 Die zweite Entwicklung, die von dem genannten aristotelischen Theorem ihren Ausgang nimmt, ist geprägt durch die Vorstellung, daß die Abweichung ein zentraler Aspekt bei der Beschreibung des metaphorischen Sprechens sei. Während die oben beschriebene Tendenz sich eher darin ausdrückt, das Metaphernproblem aus einer systematischen Sprachbetrachtung herauszulösen und Metaphern als völlig eigenständig erscheinen zu lassen, zeichnet sich diese Tendenz durch die Konzentration auf ein einzelnes Moment des metaphorischen Sprechens aus. Sie findet ihren Ausdruck in Theorien, die vom .Kategorienfehler', von .kategorialerFalschheit',,semantischer Anomalie', .kalkulierter Absurdität' oder ähnlichen an der Anomalie orientierten Begriffen ausgehen.11 Auch die lange Tradition der kritischen Auseinandersetzung mit dem metaphorischen Sprechen sowie die seit dem 18. Jahrhundert einsetzende Gegenbewegung, die emphatisch vorgebrachte Hochschätzung der Metapher als originärer Denkform, 12 als ursprünglicher
6 7
8 9 10 11 12
Vgl. Ricoeur (1975/1986: 21). Ricoeur (1975/1986: 23); Ricoeur zitiert hier folgende Ausgabe: Aristoteles: Poetik. von Olof Gigon. - Stuttgart 1964, Zürich 1961. Ricoeur (1975/1986: 23f.). Vgl. ebd. 24. Schöffel (1987: 216). Vgl. hierzu Kapitel 3.2.1. Vgl. z. B. Vico (1744/1992: 188ff.); zur Position Vicos vgl. Debatin 1995: 32ff.
Übersetzt
4 Ausdrucksform der Sprache,13 als eines Instruments geistiger Erkenntnis, haben nicht dazu beigetragen, der Metapher einen angemessenen Ort im Rahmen der kommunikativen Praxis zuzuweisen.14 So wurde einerseits die Skepsis wachgehalten, daß die Metapher kein adäquates Ausdrucksmittel für bestimmte Inhalte bzw. Textsorten sei, und andererseits der Gebrauch von Metaphern in eine Sphäre entrückt, die ebenfalls weit entfernt von jeder normalen kommunikativen Praxis ist. „Der gemeine Mann", heißt es bei Johann Martin Chladenius, „pflegt nicht leichte sinnreich zu reden, und daher braucht er die Wörter in eigentlichem Verstände".15 Daß Philosophen und Theoretiker des 18. Jahrhunderts die Metaphorik systematisch in die Nähe von Begriffen wie .Ingenium' und ,Witz' rücken, entspricht einer solchen Vorstellung.16 Aristoteles hatte durch seine Bemerkung in der „Poetik", die Metapher sei ein Zeichen von Begabung, das einzige, das man nicht von einem anderen erlernen könne, eine solche Auffassung vorbereitet.17 Richards hat dagegen zu Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die zentrale Fähigkeit, auf denen Metaphern basieren, nämlich die Fähigkeit zur Analogie, eine grundlegende sprachliche Fähigkeit sei: One assumption is that ,an eye for resemblances' is a gift that some men have but others have not. But we all live, and speak, only through our eye for resemblances. Without it we should perish early.18 Die beschriebene Tendenz der Isolierung und Absonderung der Metapher von den normalen sprachlichen Vollzügen setzt sich bis in die Moderae fort. Daneben finden sich allerdings auch eine Reihe von Arbeiten, die in der Metapher eine konstitutive Form sprachlichen Ausdrucks sehen, Arbeiten, die sich mit dem Handlungsaspekt der Metapher beschäftigen,19 oder Ansätze, die den Metapherngebrauch in bestimmten konkreten Anwendungsfeldern beschreiben.20
13
14 15 16 17 18 19
20
Bei Jean Paul (1813/1987: 184, § 50) heißt es: „Wie im Schreiben Bilderschrift früher war als Buchstabenschrift, so war im Sprechen die Metapher, insofern sie Verhältnisse und nicht Gegenstände bezeichnet, das frühere Wort, welches sich erst allmählich zum eigentlichen Ausdruck entfärben mußte. Das tropische Beseelen und Beleiben fiel noch in eins zusammen, weil noch Ich und Welt verschmolz. Daher ist jede Sprache in Rücksicht geistiger Beziehungen ein Wörterbuch erblasseter Metaphern." Vgl. zu diesen Entwicklungen auch Weinrich (1980: 1180f.); Bertau (1996: 61-81). Chladenius (1742/1969: 41). Vgl. ζ. B. Gottsched (1742/1973: 324); vgl. zu diesem Themenkomplex Scholz (1995: 40ff.). Vgl. Aristoteles Poetik, 1459a, 5-10. Richards (1936/1965: 89); vgl. auch Ricoeur (1975/1986: 138f.). Vgl. z. B. die Arbeiten von Keller (1975; 1995; 1995b); Nieraad (1977); Berg (1978); Huttar (1980); Kügler (1984); Keller-Bauer (1984); Hundsnurscher (1985; 1993); Mac Cormac (1988); Cooper (1986); Michel (1987); Way (1991); Pielenz (1993); vgl. hierzu auch die Aufsätze in den Sammelbänden von Ortony (1979/1993); Arntzen/Hundsnurscher (1993) und entsprechende Einträge in den Bibliographien von van Noppen/de Knop/Jongen (1985) und van Noppen/Holms (1990). Vgl. z. B. Küster (1983); Jakob (1991); Gordon (1986; 1992); Ankersmit (1993); Pen (1993); Hesse (1993); Sticht (1993); Liebert (1995); Baldauf (1997); vgl. hierzu auch entsprechende Einträge in den Bibliographien von van Noppen/de Knop (1985) und van Noppen/Holms (1990).
5 Jeder Diskurs über die Metapher - bemerkt Eco - habe seinen Ursprung in einer radikalen Wahl: Entweder sei die Sprache von Natur aus ursprünglich metaphorisch, und der Mechanismus der Metapher begründe sprachliche Aktivität, oder die Sprache sei ein regelgeleiteter Mechanismus, eine Vorschriften auferlegende Maschine, eine Maschine, die sagt, welche Sätze erzeugt werden können und welche nicht, eine Maschine, bezüglich derer die Metapher ein Zusammenbruch, eine Funktionsstörung, ein unerklärliches Ereignis ist.21 Diese Dichotomie soll hier in Frage gestellt werden. Es soll gezeigt werden, daß Kreativität und Regelwissen nicht als Antinomie aufzufassen sind, sondern in mehrfacher Hinsicht aufeinander bezogen werden können. Diese Auffassung ist grundlegend für das methodologische Konzept, das hier unter dem programmatischen Titel „Die Grammatik der Metapher" vorgestellt werden soll. Es stellt den Versuch dar, den metaphorischen Gebrauch sprachlicher Mittel im Rahmen eines gebrauchstheoretisch orientierten Ansatzes zu beschreiben. Der programmatisch verwendete Terminus .Grammatik' bedarf, das zeigen lebhafte Auseinandersetzungen in der Forschungsliteratur,22einer theoretischen Fundierung. Diese soll im zweiten Kapitel - bezugnehmend auf die Tradition der sprachanalytischen Philosophie - geleistet werden. Daraus ergibt sich auf der einen Seite die methodologische Grundlage für die Analyse des metaphorischen Sprechens, auf der anderen Seite eine bestimmte Positionierung zu klassischen Theoremen der Metaphernliteratur. Die Entscheidung für einen pragmatisch orientierten Grammatikbegriff zieht die Präferenz einer bestimmten Analyseebene nach sich. Die traditionelle Wahl der Wort- oder Satzebene wird verlassen zugunsten größerer kommunikativer Einheiten wie Sequenz, Handlungsmuster, Sprachspiel etc. Das Sprechen wird dabei mit Wittgenstein als Teil einer Lebensform aufgefaßt, in die das einzelne Sprachspiel eingebettet ist. Aus dieser Perspektive stellt sich das metaphorische Sprechen nicht als .Fehler', als .Anomalie', als .Absurdität' oder als eine Form des uneigentlichen Sprechens dar, sondern als eine grundlegende Form menschlicher Kommunikation (vgl. Kapitel 3), die von den .organisierenden Prinzipien' des Sprachspiels und der Lebensform ihre Kontur erhält. Erst von hier aus lassen sich auch die Funktionen des metaphorischen Sprechens adäquat beschreiben. (Vgl. Kapitel 5.3) Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit gilt der Klärung der Frage, welchen Anteil Regeln bei der Bildung und beim Verstehen von Metaphern haben. Zur Klärung dieser Frage ist es erforderlich, den Terminus .Metapher' zu präzisieren, d.h. die Fülle der sprachlichen Erscheinungen, die unter dem Terminus .Metapher' gefaßt werden, hinsichtlich ihrer Regelhaftigkeit zu differenzieren. In Kapitel 4 werden verschiedene .kommunikative Settings' unterschieden, die den unterschiedlichen Graden der Konventionalisiertheit einer metaphorischen Verwendung Rechnung tragen. Kapitel 5 und 6 sind der Frage gewidmet, welche Gebrauchsbedingungen in den jeweiligen Settings gegeben sind: Welche Gebrauchsbedingungen liegen vor, wenn eine originäre Metapher gebildet und verstanden wird, wenn sie sich zu habitualisierenbeginnt, und schließlich: Von was für Bedingungen können Sprecher ausgehen, wenn sich eine metaphorische Verwendungsweise konventionalisiert hat? Das vorgestellte Modell wird in Kapitel 7 exemplarisch angewandt und konkretisiert. Auf
21 22
Vgl. Eco (1985: 134). Vgl. Weigand (1992; 1993); Rehbock (1993).
6 der Grundlage einer umfangreichen Materialsammlung werden Entstehung, Gebrauch, Habitualisierung und Konventionalisierung einer Metapher nachgezeichnet. Im Anhang sind alle Belegstellen aus dem Zeitungskorpus chronologisch aufgelistet.
2. Der erweiterte Begriff .Grammatik' im Rahmen einer pragmatischen Sprachbetrachtung
In der linguistischen Pragmatik wird der Begriff .Grammatik' zunehmend auch für die Beschreibung von Phänomenen des Sprachgebrauchs in Anspruch genommen und damit abweichend von den in der Linguistik etablierten .klassischen' Lesarten verwendet. Wendungen wie .Grammatik des Dialogs' 1 oder „Grammatik des Sprachgebrauchs"2 waren in der Linguistik jedoch von Anfang an umstritten, und es geht - wie die Diskussion in der „Zeitschrift für germanistische Linguistik" aus dem Jahr 1993 zeigt - dabei um weit mehr als um die Verwendungsweise eines Terminus. 3 Mit der Verwendung des Wortes Grammatik im Bereich der pragmatischen Sprachbeschreibung verbindet sich ein Forschungsprogramm, dessen Berechtigung diejenigen anzweifeln, die diese Begriffserweiterung für ungeeignet halten.4 Im weitesten Sinne handelt es sich um eine Methodendiskussion. Es geht um die Frage, auf welche Phänomene der Regelbegriff angewendet werden darf. Da der um eine pragmatische Komponente erweiterte Grammatikbegriff auch für diese Arbeit zentral ist, möchte ich zunächst einige Ausführungen zu dem hier verwendeten Terminus machen. Gegen die Kritik von Rehbock, daß dieser Terminus völlig unreflektiert auf die Pragmatik übertragen worden sei,5 soll hier an seine Geschichte erinnert werden. Anschließend folgt eine kurze Auseinandersetzung mit den zentralen Kritikpunkten an diesem Konzept. Die Kritik an dem Grammatikkonzept macht eine Präzisierung des Regelbegriffs notwendig, mit der das Kapitel schließt.
2.1. Die Erweiterung des Begriffs .Grammatik' in der Philosophie des Wiener Kreises
Einen pragmatisch erweiterten Begriff von .Grammatik', wie er in dieser Arbeit entwickelt werden soll, findet man bereits in der Philosophie des Wiener Kreises. Die spezielle Arbeits- und Organisationsform des Wiener Kreises, die unter anderem durch einen regen informellen Gedankenaustausch gekennzeichnet war, macht es jedoch schwierig, den Ursprung bestimmter Theoreme und Begriffe genau auszumachen. So findet man den Begriff .Grammatik' in seiner pragmatischen Lesart bei Ludwig Wittgenstein, aber zeitgleich auch bei Friedrich Waismann6 und Josef Schächter7. Während Waismann eindeutig als Kom1 2 3 4 5 6 7
Vgl. ζ. B. Hundsnurscher (1980: 91 ff.; 1986: 42). Vgl. z. B. Weigand (1992: 182). Vgl. Weigand (1992; 1993); Rehbock (1993). Vgl. ζ. B. Kohrt (1986); Rehbock (1993). Vgl. Rehbock (1993: 205ff.). Waismann (1965/1985). Schächter (1935/1978).
δ mentator Wittgensteins einzustufen ist,8 geht die Begriffsbildung bei seinem Schüler Josef Schächter nur zum Teil auf Wittgenstein zurück. Josef Schächters Schrift „Prolegomena zu einer kritischen Grammatik" ist zeitlich zwischen der „Philosophischen Grammatik" und den „Philosophischen Untersuchungen" anzusiedeln. Schächter war vor allem über seinen Lehrer Waismann mit dem Denken Wittgensteins vertraut und hatte auch Wittgensteins „Philosophische Grammatik" rezipiert, in der der Begriff einer erweiterten Grammatik wie schon der Titel signalisiert - bereits eine Rolle spielt. Insgesamt tragen Schächters Ausführungen aber deutlich eigenständige Züge. Aus heuristischen Gründen möchte ich zunächst die Ausführungen Schächters zur Erweiterung des Grammatikbegriffs darlegen.
2.1.1. Der Begriff der .Grammatik' in Josef Schächters „Prolegomena zu einer kritischen Grammatik" Mit diesem 1935 erstmals erschienenen Buch will Schächter eine „leicht faßliche Darlegung" seiner Ideen „zur Begründung einer kritischen Grammatik bieten" 9 . Die Aufgabe einer kritischen Grammatik sei eine logische Ergänzung und Verbesserung der traditionellen Grammatik: überall dort, wo die übliche Sprachlehre es versäumt habe, die in der Sprache geltenden Regeln aus dem Gebrauch abzulesen bzw. r i c h t i g abzulesen, solle die kritische Grammatik vervollständigen und korrigieren.10 Schächter bezieht sich zwar auf den Begriff des Zeichens, gibt ihm aber eine pragmatische Dimension: Alles das, was wir ein Zeichen nennen, wird in einer bestimmten Art v e r w e n d e t . Wir sagen dann, ein Zeichen bedeutet etwas. [...] Die Zeichen sind Mittel zu bestimmten Handlungen. Wir bedienen uns ihrer, um Befehle zu erteilen, Wünsche zu äußern, zu fluchen, zu streiten, uns zu versöhnen, Philosophie zu treiben usf."
Unter Verwendung versteht Schächter, daß man einen bestimmten Gegenstand in einer Handlung als Mittel zu einem bestimmten Zweck gebraucht.12 Der um eine pragmatische Komponente erweiterte Begriff von .Grammatik' nimmt Gestalt an, wenn Schächter zwischen einer „Grammatik des Materials" und einer „Grammatik der Bedeutung" unterscheidet: Man könne große Teile der üblichen Sprachlehre mit Recht als .Grammatik des Materials' bezeichnen, da man sich dort lediglich mit dem Material des Zeichens beschäftige. Dies geschehe beispielsweise in der Lautlehre und der Formenlehre.13 Für Schächter leistet die Formenlehre nichts anderes, als eine gewisse Ordnung in ein vorgegebenes Material zu bringen: [...] sie trifft aufgrund materieller Unterschiede Unterscheidungen und schafft dadurch Schemata. Es unterscheiden sich ζ. B. die beiden Genitivformen »der Löwe, des Löwen«; »der Tisch, des
8 9 10 11 12 13
Vgl. Baker/McGuinness (1985: 661). Schächter (1935/1978: 5). Vgl. ebd. Ebd. 12. Vgl. ebd. Vgl. ebd. 35f.
9 Tisches«, einzig und allein dadurch, daß im ersten Falle das Wort auf en ausgeht und im zweiten auf es.u
Gebrauche man den Genitiv dieser beiden Wörter, so liege trotz des Unterschiedes im Material kein weiterer Unterschied in der Bedeutung vor. Dasselbe gelte ζ. B. auch für die Einteilung der Verben in starke und schwache.15 Eine .Grammatik des Materials' liege überall dort vor, wo einem Unterschied des Materials, der sich in der Sprache bemerkbar macht, kein Unterschied in der Bedeutung entspreche.16 Schächter veranschaulicht den Gebrauch des Terminus durch den Vergleich mit einem Buch über das Schachspiel, das nicht wie die üblichen Lehrbücher des Schachspiels abgefaßt sei, sondern das sich mehr von der äußeren Seite mit dem Schachspiel beschäftige, „d. h., es beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Aussehen der Figuren und deren Einteilung darnach, allerdings kommen hier und da auch Hinweise über Züge und Stellungen vor". 17 Der .Grammatik des Materials' wird die .Grammatik der Bedeutung' gegenübergestellt, die einem Lehrbuch des Schachspiels gleiche, in dem hauptsächlich von Zügen und Stellungen die Rede sei und das Material nur insofern berücksichtigt werde, als es für diese von Belang ist.18 Mit der Einführung des Begriffs einer .kritischen Grammatik', worunter Schächter die .Grammatik der Bedeutung' versteht, will er - wie er hervorhebt - weder die Unterschiede des Materials abschaffen (so ein Eingriff läge etwa beim Esperanto vor) noch die übliche Sprachlehre antasten: Mit dem Worte »kritische Grammatik« meinen wir keinerlei wie immer geartete Reform der Sprache, sondern eine Betrachtung der Sprache nach Gesichtspunkten der Bedeutungsverschiedenheit ihrer Zeichen. Für die Grammatik der Bedeutung sind alle Materialien gleich geeignet und gleichwertig."
In der praktischen Umsetzung, die Schächter im folgenden vornimmt, bleibt er weit hinter seinen theoretischen Ausführungen zurück. Sie ist geprägt durch das Schwanken zwischen einer gebrauchstheoretischen Orientierung einerseits und einer logischen Betrachtungsweise andererseits. Die „Prolegomena zu einer kritischen Grammatik" markieren - wie die Schriften Wittgensteins zu dieser Zeit auch - den Übergang von einer logisch-formalen zu einer verwendungsorientierten Betrachtung der Sprache. Für den hier fokussierten Zusammenhang bleibt aber festzuhalten, daß Schächter eine Erweiterung des Grammatikbegriffs vornimmt, und zwar in dem Sinne, daß er unter dem Begriff .Grammatik' auch jene Phänomene faßt, die etwas mit dem Sprachgebrauch zu tun haben. Das Wort .Grammatik' will er nicht nur bereithalten für die traditionelle Sprachlehre; von Grammatik könne immer dann gesprochen werden, wenn es um „das Sichrichten nach gewissen Regeln und die
14 15 16 17 18 19
Ebd. Vgl. Vgl. Ebd. Vgl. Ebd.
36. ebd. ebd. 37. ebd. 36f.
10 Festsetzung von Regeln" geht.20 In diesem Sinne „liegt Grammatik überall dort vor, wo es Sprache überhaupt gibt." 21
2.1.2. Die Verwendung des Wortes Grammatik bei Ludwig Wittgenstein Man könnte geneigt sein, Wittgensteins Gebrauch des Wortes .Grammatik', der sich sowohl vom allgemeinen Sprachgebrauch wie auch von der Verwendung in der klassischen Sprachwissenschaft unterscheidet, auf seinen laxen Umgang mit traditionellen Begriffen und ihren Inhalten zurückzuführen. Die provokative Äußerung „Wir machen Kleinholz aus der gewöhnlichen Grammatik"22 mag eine solche Auffassung vielleicht bestärken. Der Titel seiner 1969 erstmals erschienenen Schrift „Philosophische Grammatik" zeigt jedoch, daß hinter der Begrifflichkeit sehr wohl ein Programm steht: Er habe, was man im allgemeinen Grammatik nennt, verlassen, um bestimmte Verwirrungen aus dem Weg zu räumen, für die sich der Grammatiker nicht interessiere, leitet Wittgenstein die angeführte Bemerkung ein.23 Es geht ihm dabei aber weniger darum, die Erkenntnisse und Leistungen, die de facto im Rahmen der traditionellen Grammatik gewonnen wurden, in Frage zu stellen; die Stoßrichtung ist vielmehr eine philosophisch orientierte Erweiterung des Sprachbegriffs. Dabei geht Wittgenstein in seiner Erweiterung des Grammatikbegriffs wesentlich weiter als Schächter. Grammatik meint nach Wittgenstein nicht nur Funktions- und Bedeutungsunterschiede, die Grammatik gibt uns auch Aufschluß über unser Erkenntnisvermögen. Mit Bemerkungen wie: „Das W e s e n ist in der Grammatik ausgesprochen"24 oder „Welche Art von Gegenstand etwas ist, sagt die Grammatik"25 will Wittgenstein darauf aufmerksam machen, daß unser Zugang zur Wirklichkeit über die Sprache führt. Unsere Sprache ist nicht unabhängig von der Realität, sie gestaltet den Zugang zu ihr und ist somit zugleich Erkenntnismittel. In diesem Sinne gehören zur Grammatik „alle Bedingungen des Vergleichs des Satzes mit der Wirklichkeit; d. h., alle Bedingungen des Sinnes"26. Der enge Zusammenhang von Sprache und Wirklichkeit kulminiert in Wittgensteins Konzeption des Sprachspiels, welches als Teil der Lebensform die beiden Größen aufs engste miteinander verbindet: „eine Sprache vorstellen heißt, sich eine Lebensform vorstellen" 27 . Dies darf allerdings nicht im Sinne einer Entsprechung von Grammatik und Tatsachen mißverstanden werden: Man sei versucht, schreibt Wittgenstein in § 331 der Sammlung „Zettel", die Regeln der Grammatik durch Sätze der Art „Aber es gibt doch wirklich vier primäre Farben" zu rechtfertigen. Gegen eine solche Rechtfertigung, die nach dem Modell der Rechtfertigung eines Satzes durch den Hinweis auf seine Verifikation gebaut ist, wen-
20 21 22 23 24 25 26 27
Vgl. ebd. 59. Ebd. Wittgenstein L I Vgl. ebd. Wittgenstein PU Wittgenstein PU Wittgenstein PG Wittgenstein PU
§ 27, S. 186. § § § §
371, S. 398. 373, S. 398. 45, S. 13. 19, S. 246.
11 det Wittgenstein ein, daß die Regeln der Grammatik willkürlich seien.28 „Glaub doch nicht, daß du den Begriff der Farbe in dir hältst, weil du auf ein farbiges Objekt schaust"29, provoziert Wittgenstein den Leser, und auf die Frage, wie man die Farbe Rot erkenne, antwortet er lakonisch: „»Ich habe Deutsch gelernt«".30 14. Von einer grammatischen Regel können wir nicht sagen, daß sie einer Tatsache entspricht oder ihr widerspricht. Die Regeln der Grammatik sind unabhängig von den Tatsachen, die wir in unserer Sprache beschreiben. [...] 31
Die Hinwendung zur Sprache als dem zentralen Medium unserer Erkenntnis führt zu einer Fokussierung des Sprachgebrauchs. Hieraus ergibt sich die deskriptive Perspektive des Grammatikbegriffs : 122. Es ist eine Hauptquelle unseres Unverständnisses, daß wir den Gebrauch unserer Wörter nicht ü b e r s e h e n . - Unserer Grammatik fehlt es an Übersichtlichkeit. - Die übersichtliche Darstellung vermittelt das Verständnis, welches eben darin besteht, daß wir die .Zusammenhänge sehen'. [...] Der Begriff der übersichtlichen Darstellung ist für uns von grundlegender Bedeutung. [...]*
Wittgenstein wird nicht müde, den Leser anzuweisen, sich den Sprachgebrauch genau anzuschauen: „Wie ein Wort funktioniert, kann man nicht erraten. Man muß seine Anwendung a n s e h e n und daraus lernen." 33 Das Wort Grammatik taucht systematisch dort auf, wo es um die Beschreibung des tatsächlichen Sprachgebrauchs geht; Wittgenstein spricht in diesem Zusammenhang von der „Grammatik des Wortes »Schmerz«"34, der „Grammatik des Wortes »denken«"35, der „Grammatik von »passen«, »können« und »verstehen«"36 usw. Diese deskriptive Perspektive nimmt er auch ein, wenn er von der Grammatik als den „Geschäftsbüchern der Sprache" spricht, in denen die „tatsächlichen Transaktionen der Sprache" verzeichnet sind.37 Denkt man an Wittgensteins Bemerkungen zur Gebrauchstheorie der Bedeutung - an den vielzitierten Paragraphen 43 der „Philosophischen Untersuchungen"38 - , dann geht es bei der grammatischen Analyse einzelner Verwendungen immer auch um deren Gebrauch, um die Rolle, die sie im konkreten Sprachspiel, in der Lebensform spielen. Unter Gebrauch versteht er die Art und Weise, wie wir die Wörter verwenden, welche Handlungen wir damit vollziehen: Das Sprechen ist eingebunden in den Vollzug von Tätigkeiten („Unsre Rede erhält durch unsre übrigen Handlungen ihren Sinn"39) und selbst eine Form
28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39
Vgl. Wittgenstein Ζ § 331, S. 350. Vgl. ebd. § 332, S. 350. Wittgenstein PU § 381, S. 400. Wittgenstein L II § 14, S. 229. Wittgenstein PU § 122, S. 302. Ebd. § 340, S. 387. Ebd. § 257, S. 361. Ebd. § 339, S. 387. Ebd. § 182, S. 334. Vgl. Wittgenstein PG § 44, S. 87. Vgl. Wittgenstein PU § 43, S. 262f. Wittgenstein ÜG § 229, S. 164.
12 des Handelns: Die Sprache „ist durch die S p r a c h h a n d l u n g e n charakterisiert" 40 , formuliert Wittgenstein programmatisch. Hier liegt der zentrale Anknüpfungspunkt für die gebrauchstheoretisch orientierte Semantik, die sich von der Wortsemantik als einer kompositioneil verfahrenden Semantik abwandte und das Wort systematisch in den Äußerungs- und Handlungszusammenhang stellte.41 Wittgensteins Interesse gilt nicht nur einzelnen Verwendungsweisen, sondern dem ganzen Sprachspiel, der Lebensform, in die es eingebettet ist: Mit den zentralen Begriffen ,Sprachspiel' und .Lebensform' hat Wittgenstein den Fokus von den kleinen Einheiten auf komplexere sprachliche Formen gelenkt: „Das Wort »Sprachspiel« soll [...] hervorheben, daß das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform." 4 2 Die Lebensform als Bindeglied zwischen Sprache und Wirklichkeit ist grundlegend für unser Sprechen, sie konstituiert im Sinne einer gesellschaftlichen Praxis sprachliche Regeln auf den verschiedensten Ebenen: „Lebensformen bilden als historisch-kulturelle Formen gesellschaftlichen Handelns das pragmatische Fundament von Sprache." 43 Wittgenstein hat Diskurszusammenhänge zwar nicht systematisch untersucht, er macht aber immer wieder darauf aufmerksam, daß eine grammatische Analyse nur unter Einbeziehung des Sprachspiels und der Lebensform möglich ist, so auch im folgenden Beispiel, durch das er zu zeigen versucht, daß die Verifikation von konstativen Äußerungen sich immer vor einem bestimmten Hintergrund vollzieht: 4 4 1 . Im Gerichtssaal würde die bloße Versicherung des Zeugen »Ich weiß...« niemand überzeugen. E s muß gezeigt werden, daß der Zeuge in der L a g e war zu wissen. [.. ,] 44
Was Wittgenstein unter Grammatik versteht, realisiert sich in dem, was er .einer Regel folgen' nennt.45 Die Grammatik ist der Ort der Regeln. 46 Wenn Wittgenstein im Rahmen seines erweiterten Sprachkonzepts von .Grammatik' spricht, dann akzentuiert er, daß nahezu der gesamte Bereich sprachlicher Praxis über Regeln zu erschließen ist. In diesem Sinne will Wittgenstein selbst das Sprechen über Gott als regelgeleitet analysieren: Luther hat einmal gesagt, die Theologie sei die Grammatik des Wortes »Gott«. Dies fasse ich so auf, daß eine Untersuchung dieses Wortes eine grammatische wäre. E s könnte ζ. B . sein, daß sich die Leute darüber streiten, wie viele Arme Gott hat, und dann würde sich womöglich einer in die Debatte einmischen, indem er bestreitet, daß von den Armen Gottes überhaupt gesprochen werden kann. Dies würde Licht werfen auf den Gebrauch des Wortes. Auch was als lächerlich oder ketzerisch gilt, läßt die Grammatik des Wortes erkennen. 4 7
41
Wittgenstein PG § 140, S. 193. Vgl. hierzu ζ. B . Hundsnurscher/Splett (1982); Thiele (1990); Hundsnurscher (1991; 1993b; 1995); Beckmann (1994); Gloning (1996).
42
Wittgenstein PU § 23, S. 250.
43
Fischer (1987: 43). Wittgenstein Ü G § 441, S. 207. Vgl. Fischer (1987: 81). Vgl. Wittgenstein PU § 497, S. 432. Wittgenstein L II § 28, S . 187.
40
44 45 46 47
13 Wie die obigen Beispiele zeigen, kann das soweit gehen, daß das Handlungsmuster eines Sprachspiels nicht nur die thematische Struktur prägt (ζ. B. durch ritualisierte Diskurse), sondern auch bestimmte thematische Zugänge und Fragen ausschließt, wobei eine Besonderheit des religiösen Diskurses sicherlich darin besteht, daß die Kirchen in ihren institutionellen Aufgliederungen verschiedenste Techniken und Praktiken der Sanktionierung entwickelt haben, um Einfluß auf die Struktur von Sprachspielen, die in dem durch sie kontrollierten Rahmen geführt werden, zu nehmen. Für Wittgenstein gehören solche Prozesse zur Lebensform. Sie gehen in die Regeln ein, die die Sprachspiele im religiösen Bereich konstituieren. Der ,Witz' des Wittgensteinschen Grammatikbegriffs liegt in dem Anspruch, die Gesamtheit sprachlicher Interaktionen in ihrer Einbettung in soziale Kontexte über Regeln zu erschließen, wobei er betont, daß die Form solcher Regeln sehr verschieden sein kann. Mit der Erweiterung des Grammatikbegriffs beansprucht Wittgenstein nicht nur, den Begriff der Regel auf Phänomene des Sprachgebrauchs auszudehnen; die Erweiterung betrifft vielmehr auch die Auffassung von sprachlichen Regeln als solchen, was für die Pragmatik als linguistische Disziplin von großer Bedeutung war: Auch hier gilt, was Wittgenstein im Zusammenhang der grammatischen Analyse immer wieder fordert, daß man der Vielfalt der sprachlichen Regeln nur gerecht werden kann, wenn man den sprachlichen Gebrauch von Fall zu Fall analysiert: 54. Denken wir doch daran, in was für Fällen wir sagen, ein Spiel werde nach einer bestimmten Regel gespielt! Die Regel kann ein Befehl des Unterrichts im Spiel sein. Sie wird dem Lernenden mitgeteilt und ihre Anwendung eingeübt. - Oder sie ist ein Werkzeug des Spieles selbst. - Oder: Eine Regel findet weder im Unterricht noch im Spiel selbst Verwendung; noch ist sie in einem Regelverzeichnis niedergelegt. Man lernt das Spiel, indem man zusieht, wie Andere es spielen. Aber wir sagen, es werde nach den und den Regeln gespielt, weil ein Beobachter diese Regeln aus der Praxis des Spiels ablesen kann, - wie ein Naturgesetz, dem die Spielhandlungen folgen. - Wie aber unterscheidet der Beobachter in diesem Fall zwischen einem Fehler der Spielenden und einer richtigen Spielhandlung? - Es gibt dafür Merkmale im Benehmen der Spieler. [...] 4 8
Die Ausführungen haben gezeigt, wie vielschichtig Wittgensteins Verwendung des Wortes Grammatik ist. Die aufgezeigten Verwendungsweisen stellen gleichwohl verschiedene Perspektivierungen eines geschlossenen, in sich kohärenten Sprachentwurfs dar. Von sprachwissenschaftlichen Zielsetzungen unterscheidet sich Wittgensteins Entwurf zum einen durch die fehlende Systematik, zum andern durch die Reichweite seines Vorhabens, durch die Einbindung seiner Analyse in primär philosophische Zielsetzungen. Die grammatische Analyse ist eingebunden in sein Gesamtvorhaben, die Begriffe des Geistes einer sprachtherapeutischen Analyse zu unterziehen: Wittgenstein geht es darum, „bestimmte Verwirrungen aus dem Weg zu räumen"49, Verwirrungen, die durch - wie er schreibt - .falsche', d. h. metaphysische Fragen zustande kommen: 116. Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen - »Wissen«, »Sein«, »Gegenstand«, »Ich«, »Satz«, »Name« - und das W e s e n des Dings zu erfassen trachten, muß man sich immer fragen:
48
Wittgenstein PU § 54, S. 270f.
49
Wittgenstein L II § 27, S. 186.
14 Wird denn dieses Wort in der Sprache, in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? W i r führen die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.50
Die grammatische Analyse greift da, wo der Philosoph Fragen „wie eine Krankheit"51 behandelt, das ist die therapeutische Perspektivierung des Grammatikbegriffs: „Wir kämpfen mit der Sprache. Wir stehen im Kampf mit der Sprache."52 Dennoch will Wittgenstein nicht einen generellen Unterschied zwischen einer sprachwissenschaftlich orientierten und seiner eigenen philosophischen Grammatik machen: Freilich gibt es nicht eine philosophische Grammatik einerseits und die gewöhnliche Grammatik andererseits in dem Sinne, daß die erstere vollständiger ist, da sie hinweisende Definitionen (etwa die Verknüpfung des Wortes »weiß« mit mehreren seiner Anwendungen) umfaßt sowie Russells Theorie der Kennzeichnungen usw. In gewöhnlichen Grammatikbüchern findet man diese Dinge zwar nicht, doch das ist nicht der entscheidende Unterschied. Der entscheidende Unterschied liegt in den Zielen, deretwegen der Sprachwissenschaftler und der Philosoph dem Studium der Grammatik nachgehen. [...] Uns geht es darum, bestimmte Verwirrungen aus dem Weg zu räumen. Für diese Verwirrungen interessiert sich der Grammatiker nicht; er hat andere Ziele als der Philosoph. 53
Trotz der unterschiedlichen Zielsetzungen hat das, was Wittgenstein unter einer grammatischen Analyse versteht, großen Einfluß auf die linguistische Methodologie und Theoriebildung ausgeübt: Wittgensteins Hinwendung zum Sprachgebrauch, sein konsequenter Versuch, den Begriff .Grammatik' auf Phänomene des Sprachgebrauchs auszudehnen und somit auf die Regelgeleitetheit von Sprachspielen hinzuweisen, seine scharfsinnigen Bemerkungen zur Regel, aber auch sein methodologisches Vorgehen, nicht das Wort oder den Satz, sondern die ganze Äußerung in ihrem Handlungszusammenhang, in ihrer Eingebundenheit in Sprachspiel und Lebensform zu analysieren, haben Sprachwissenschaftler inspiriert, traditionelle Einteilungen in Frage zu stellen, den Fokus vom Wort auf den Satz und auf größere Zusammenhänge zu richten und damit auch die Frage zu stellen, ob Regeln, die bislang ausschließlich für die traditionellen Gebiete der Sprachwissenschaft postuliert wurden, nicht auch für den Sprachgebrauch zu veranschlagen sind.
50 51 52 53
Wittgenstein Ebd. § 255, Wittgenstein Wittgenstein
PU § 116, S. 300. S. 360. VB, S. 466. L II § 27, S. 185f.
15 2.2. Der Begriff .Grammatik' in der Tradition einer pragmatisch orientierten Sprachwissenschaft
Es liegen inzwischen verschiedene Entwürfe zum Programm einer pragmatisch orientierten Grammatik vor.54 Insbesondere Wittgensteins Regelbegriff hatte großen Einfluß auf pragmatische Richtungen, die ihren Gegenstand nicht nur als reines Performanzphänomen an der .linguistischen Peripherie' verorten wollten. Sie wandten sich damit gegen einen Pragmatikbegriff, wie ihn Katz und andere55 vertreten haben: Grammatiken seien Theorien über die Struktur von Satztypen, pragmatische Theorien hingegen trügen nichts zur Erklärung der Struktur linguistischer Konstruktionen oder grammatischer Eigenschaften und Relationen bei. Nach Katz kommt ihnen daher nur die Aufgabe zu, die Denkweise von Hörern und Sprechern darzulegen, indem sie in einem Kontext die Korrelation zwischen einem Satzexemplar und einer Proposition herausarbeiten.56 Aus einer solchen Denkweise ergibt sich folgerichtig die strenge Trennung zwischen den verschiedenen linguistischen Disziplinen, denn nur jene Disziplinen, die etwas über die Struktur von Satztypen aussagen, können überhaupt grammatische Beschreibungen vornehmen. Das Programm einer „kommunikativen Grammatik" - wie die pragmatisch orientierte Grammatik auch genannt wird - wendet sich gegen genau diese Trennung. Fritz/Muckenhaupt gründen ihr Arbeitsbuch „Kommunikation und Grammatik" auf ein bestimmtes Verständnis des Zusammenhangs von Kommunikation und Grammatik; grammatische Fragen würden in ihrem kommunikativen Zusammenhang behandelt, Fragen des sprachlichen Handelns und Verstehens würden grammatisch betrachtet:57 Dieser integrativen Betrachtungsweise liegt die Einsicht zugrunde, daß die Form sprachlicher Ausdrücke letztlich nicht losgelöst von ihrer Verwendung untersucht werden kann und daß das sprachliche Handeln und das Verstehen durch die Regeln einer Sprache bestimmt sind. Die Regeln für die Verwendung sprachlicher Ausdrücke sind nach diesem Verständnis ebenso Teil der Grammatik wie die Regeln für die Form der sprachlichen Ausdrücke. 58
Katz hatte mit der oben angeführten Eingrenzung auch eine Zuordnung der Pragmatik zur Performanz vorgenommen. Gegen eine solche Reduktion richtet sich das Programm einer Pragmatik, das im Sinne einer „Grammatik des Sprachgebrauchs" beansprucht, nicht „den
54
55
56 57 58
Vgl. ζ. B. Leech/Svartvik (1975); Hundsnurscher (1980; 1984; 1986); Fritz/Muckenhaupt (1981); Strecker (1987); Weigand (1989; 1992; 1993); Engel/Tertel (1993); Zifonun/Hoffmann/Strecker (1997); Michel (1987) nennt seine Metaphernuntersuchung im Untertitel „Elemente einer Grammatik der Bildrede". Sie versteht sich als eine Anwendung sprechakttheoretisch orientierter Ansätze auf Literatur aus dem mediävistischen Bereich. „Die Kennzeichnung der Untersuchung als .Grammatik' der Bildrede unterstreicht den technischen Aspekt der .Machart' und Funktionsweise der Bildrede [...]." (Spitz 1990: 142f.) Vgl. Kempson (1975/1977); Smith/Wilson (1979); ausführlich wird dieses Problem bei Levinson (1983/1995: 7ff.) diskutiert. Vgl. Katz (1977: 19). Vgl. Fritz/Muckenhaupt (1981: 10). Ebd.
16 realen Sprachgebrauch (im Sinne der Performanz)" zu beschreiben, „sondern die zugrundeliegenden Strukturen unserer kommunikativen Kompetenz [...]" ,59 In diesem Sinne hatte Hundsnurscher für die Strukturiertheit und Regelgeleitetheit des Dialogs den Begriff .Dialoggrammatik' geprägt60 und damit auch terminologisch eine Erweiterung des Grammatikbegriffs eingefordert. Anknüpfend an Chomsky faßt Hundsnurscher Dialoge als „regelhafte Verknüpfungen von Sprechakten" auf: Danach bestehen wohlgeformte Dialoge aus Zug- und Gegenzug-Mustern von Sprechakten, zwischen denen ein bestimmter Zusammenhang besteht.61 „Dieser Zusammenhang ist durch den dialogeröffnenden (initiativen) Sprechakt festgelegt und wird durch eine Dialoggrammatik für einen bestimmten Dialogtyp beschrieben." 62 Ziel der Dialoggrammatik ist es nach Hundsnurscher, auf dem Hintergrund einer Reihe von Dialoggrammatiken, die die Regeln einzelner zielorientierter Dialogtypen beschreiben, eine Gesprächsgrammatik zu entwickeln.63 Der Begriff .Grammatik' ergibt sich aus dem Anspruch, auch für Dialoge Regeln zu formulieren und Dialoge im Rahmen eines Kompetenzmodells zu beschreiben: Diese Regeln müssen, ähnlich wie die Syntaxregeln generativ, weil sie dem Faktum sprachlicher Kreativität gerecht werden müssen und sie müssen als abstrakte, generelle Regeln in Form einer Grammatik formulierbar sein, weil nur auf diese Weise ein Zusammenhang mit einer integrierten Sprachbeschreibung aller sprachlichen Ebenen gewährleistet ist und aufgezeigt werden kann. Auch für eine Dialoggrammatik dürfte Chomskys Unterscheidung von Kompetenz und Performanz fundamental sein. 64
Das Programm einer regelhaften Beschreibung von Dialogen hat die Kritik herausgefordert, wobei sich die Kritik vor allem an dem weiten Regelbegriff entzündete: So wendet Rehbock - bezugnehmend auf kritische Bemerkungen von Kohrt65 und Taylor/Cameron 66 - ein, daß Dialogregeln nicht - wie die Regeln der Morphologie oder Syntax - blind und automatisch befolgt würden. Wenn man eine Dialogregel verletze, ζ. B. eine Frage übergehe, so sei dies vielleicht unerwartet oder unhöflich, es sei jedoch nicht .fehlerhaft' oder .ungrammatisch' zu nennen.67 Nun handelt es sich allerdings bei dem Wort .Dialoggrammatik' um einen Terminus der pragmatischen Sprachwissenschaft, der - wie oben gezeigt wurde - in einer bestimmten Tradition steht. Dieser Terminus gehört aber nicht zum allgemeinen Sprachgebrauch, eine Reaktion wie (1) kann deshalb auf einen nicht-wohlgeformten Zug auch kaum erwartet werden: (1)
59 60 61 62 63 64 65 66 67
Vgl. Vgl. Vgl. Ebd. Vgl. Ebd. Vgl. Vgl. Vgl.
Das ist ja ungrammatisch.
Weigand (1993: 215). ζ. B. Hundsnurscher (1980: 91f.; 1984: 88; 1986: 41f.). Hundsnurscher (1980: 92). ebd. 91 Kohrt (1986). Taylor/Cameron (1987). Rehbock (1993: 206f.).
17 Mit einem Fehler ist ein nicht-wohlgeformter Zug aber dennoch vergleichbar, und vielleicht begeht jemand, der die Dialogregeln verletzt, sogar einen schwereren Fehler als jemand, der die Regeln der grammatischen Struktur nicht beachtet, was ja, vorausgesetzt der Hörer versteht die Äußerung, oft stillschweigend ignoriert wird. Jemandem, der häufig gegen die Wohlgeformtheit des Dialogs verstößt, würde man sicherlich sagen, daß er etwas falsch macht; dies gilt ζ. B. für den Fall, daß jemand wiederholt auf Fragen nicht reagiert, es sei denn, die Fragen sind unangemessen, indiskret etc. Aber dann macht der Fragende selbst etwas falsch, und das stellt eben auch eine Verletzung der Regeln des Spiels dar. Es ist sicherlich vernünftig, das Vorhandensein einer Regel an der Möglichkeit des Verstoßes gegen sie zu messen. Solche Verstöße müssen aber nicht unbedingt mit Äußerungsformen beantwortet werden, die Wörter wi e fehlerhaft oder ungrammatisch enthalten. Wenn ein Sprecher das Ignorieren seiner Fragen mit einer Äußerung wie Das ist sehr unhöflich, daß Sie meine Fragen immer ignorieren kritisiert, dann stellt dies bereits einen Hinweis auf einen Regelverstoß dar. Die Äußerung, die einen Regelverstoß moniert, signalisiert, daß dem Handeln Regeln zugrunde liegen. Auch an der in einer solchen Situation möglicherweise sich anschließenden Entschuldigung läßt sich - wie Austin gezeigt hat68 einiges über die geltenden Regeln eruieren. Daß ein Regelverstoß aber nicht immer schon beim ersten Mal geahndet wird, hängt einfach damit zusammen, daß es auch für Regelverstöße einen gewissen Toleranzbereich gibt - und dies gilt auch für Regeln der Morphologie oder Syntax. Kohrt geht ebenso wie viele andere in seiner Kritik von einem sehr engen Regelbegriff aus. Im Rahmen von Dialogen von Regeln zu sprechen heißt jedoch nicht, dieselben Typen von Regeln für Dialoge zu veranschlagen, die im Rahmen der Syntax Anwendung finden. In programmatischem Sinn verwendet auch Strecker den Begriff .Grammatik'. In seiner Konzeption einer Grammatik der Kommunikation distanziert er sich von einem vornehmlich syntaktisch orientierten Grammatikbegriff und entwirft das Programm einer kommunikativen Grammatik, die das Handeln als das Ergebnis einer Evolution von Problemlösungen betrachtet: Die GRAMMATIK DER KOMMUNIKATION soll [...] eine pragmatisch orientierte Grammatik werden: Sie löst sich von der überwiegend syntaktischen Perspektive der meisten Grammatiken, einer Perspektive, die man mit einigem Recht als eine der Hauptursachen des Problemverlusts in der Grammatikforschung betrachten kann. Für die GRAMMATIK DER KOMMUNIKATION konstituiert sich ihr Gegenstand Sprache [...] als eine Tradition von Formen kommunikativen Handelns. Sie betrachtet dieses Handeln, in der erreichten Form, als ein Ergebnis einer Evolution von Problemlösungen, die als eine Art Musterlösungen bewahrt und von Generation zu Generation weiter ausgearbeitet worden sind. Diese Betrachtungsweise bestimmt das Programm der GRAMMATIK DER KOMMUNIKATION: Sie soll die Sprache nicht nur beschreibend erfassen, sondern nach Möglichkeit nachvollziehen, welcher Sinn darin liegt, daß die vorgefundenen Ausdrucks- und Handlungsmuster sind, wie sie sind.69
Mit seinem Versuch, die Evolution von Handlungsmustern zu rekonstruieren und dabei den kommunikativen Sinn in den Mittelpunkt zu rücken, zeigt Strecker, daß auch Proble-
68 69
Vgl. Austin (1956/1970: 185ff.). Strecker (1987: 12).
18
me des Sprachwandels sinnvoll im Rahmen einer kommunikativen Grammatik beschrieben werden können. Den verschiedenen Ansätzen einer pragmatisch orientierten Grammatik ist trotz unterschiedlicher theoretischer Konzeption und divergierender Forschungsinteressen gemeinsam, - daß sie die Beschränkung des Grammatikbegriffs auf die traditionellen Gebiete ablehnen und den Grammatikbegriff für Phänomene des Sprachgebrauchs in Anspruch nehmen, - daß sie das kommunikative Handeln ins Zentrum ihrer Betrachtung rücken, - daß sie Makrostrukturen in den Blick nehmen, - daß sie sich gegen eine modulare Trennung der einzelnen linguistischen Disziplinen wenden. Trotz der Bemühungen um eine deutliche Abgrenzung gegenüber syntaktisch orientierten Ansätzen gibt es hinsichtlich des Regelbegriffs keine einheitliche Betrachtungsweise. Da der Begriff der Regel von Kritikern immer wieder zum Anlaß genommen wird, das Programm einer pragmatisch orientierten Grammatik in Frage zu stellen, soll im folgenden Kapitel eine Präzisierung des hier zugrunde gelegten Regelbegriffs vorgenommen werden.
2.3. Ein Präzisierungsversuch: Regeln und ihr Status in gebrauchstheoretisch orientierten Ansätzen
Wenn es auch in der Linguistik selbstverständlich geworden ist, von sprachlichen Regeln zu sprechen, so scheint doch im einzelnen keineswegs geklärt zu sein, was man darunter zu verstehen hat. Der folgende Versuch einer Präzisierung des Terminus soll vor allem dazu dienen, die Verwendung des Regelbegriffs im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu klären. Im Zentrum steht deshalb die Frage, wie der Regelbegriff für einen gebrauchstheoretischen Ansatz operationalisiert werden kann. Die vorgelegte Konzeption baut auf Überlegungen vor allem aus dem Umkreis der linguistischen Pragmatik auf und gelangt von hier aus zu eigenen Konkretisierungen und Gewichtungen. Konsens besteht in der Forschungsliteratur darüber, daß das Befolgen einer Regel von der Fähigkeit zur Regelformulierung zu unterscheiden ist.70 Regeln sind demnach keine Sätze, man kann aber sprachlich auf sie Bezug nehmen, indem man auf sie referiert, indem man sie expliziert, kritisiert, rechtfertigt etc. Die Tatsache, daß ein Sprecher die Regeln seiner Sprache beherrscht, bedeutet nicht, daß er sie auch explizieren kann, man folgt einer Regel zumeist „blind" ;71 und umgekehrt kann man sagen, daß das Wissen um eine Regel nicht zugleich bedeutet, daß man sie auch befolgen kann. Das implizite Regelbefolgen kann nicht aus der Beobachtung allein erschlossen werden. Wenn wir ein Sprachspiel beobachten und als solches beschreiben, unterstellen wir
70 71
Vgl. z. B. Keller (1974: 15); Öhlschläger (1974: 95). Vgl. Wittgenstein PU § 219, S. 351; vgl. auch Keller (1974: 15).
19 bereits eine regelhafte Struktur, wir machen intuitiv einen Unterschied zwischen wesentlichen und unwesentlichen Erscheinungen der Sprache. Dies ist im Grunde auch bei den meisten empirischen Untersuchungen der Fall; die auf empirischer Beobachtung basierenden Regelbeschreibungen setzen bereits die Kompetenz des Sprechers, der teilhat an der sozialen Praxis, voraus.72 Das Regelbefolgen selbst stellt keine Handlung dar,73 Regeln liegen kommunikativen Handlungen vielmehr zugrunde. Es gibt aber Sprechhandlungen, mit denen wir auf das implizite Regelbefolgen bzw. das Übertreten einer Regel sprachlich Bezug nehmen, so ζ. B. bei Verständnisklärungen (2), bei Zurechtweisungen (3), bei Handlungsanweisungen (4), in Rechtfertigungssituationen(5), bei Definitionen (6) etc.: (2)
Das Wort Katzengold
bedeutet ...
(3)
Nach χ steht ein Dativ.
(4)
Eine Bewerbung schreibt man ...
(5)
Ich habe nicht mit Absicht ge-x-t.
(6)
Dieses Phänomen werde ich im folgenden χ nennen.
Solche Handlungen, mit denen direkt oder indirekt auf Regeln bzw. Regelverstöße Bezug genommen wird, sind für die Regelbeschreibung in linguistischen Zusammenhängen von großer Bedeutung, sie sind - wie noch zu zeigen sein wird - auch für die Untersuchung des metaphorischen Sprechens sehr hilfreich. Mißverständnisse und Unklarheiten in der Diskussion um den Regelbegriff gibt es vor allem - hinsichtlich der Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie .Gesetz', ,Regularität\ .Konvention', .Norm', .Handlungsmuster', - hinsichtlich der Frage, welche sprachlichen Erscheinungen unter den Regelbegriff fallen, - hinsichtlich der Frage, auf welchen Ebenen der Sprachbeschreibung Regeln anzusetzen sind, - hinsichtlich des ontologischen Status von Regeln.
2.3.1. Abgrenzung des Regelbegriffs zu Nachbarbegriffen Ein Großteil der Unklarheiten hinsichtlich des Regelbegriffs kommt dadurch zustande, daß der Begriff .Regel' eine Reihe schwer zu fassender .Verwandtschaftsverhältnisse' zu einigen anderen Begriffen aufweist. Hier gilt, was von Wright im Hinblick auf das verwandte Wort ,norm' schreibt:
72 73
Vgl. Öhlschläger (1974: 101). Vgl. Keller (1974: 17).
20 THE word .norm' in English, and the corresponding word in other languages, is used in many senses and often with an unclear meaning. [...] .Norm' has several partial synonyms which are good English. [...] So are .regulation', .rule', and ,law'. 74 Im normalen Sprachgebrauch stören derartige Überschneidungen nicht, wir können in vielen Verwendungszusammenhängen Regel durch Gesetz oder Norm ersetzen: (7)
Er hat gegen die Regeln verstoßen.
(8)
Er hat gegen die Normen verstoßen.
(9)
Er hat die geltenden Gesetze nicht beachtet.
In linguistischen Zusammenhängen ist eine terminologische Klärung jedoch unerläßlich. Im folgenden soll eine Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie .Naturgesetz', ,Norm', .Konvention' und .Regularität' vorgenommen werden, um den hier zugrunde gelegten Begriff von .Regel' zu präzisieren.
2.3.1.1. Regel und Naturgesetz Öhlschläger hat in einer Untersuchung zum Unterschied zwischen Naturgesetzen und sozialen Regeln darauf aufmerksam gemacht, daß das Wort Naturgesetz ambig gebraucht wird: Wie das Wort Regel einerseits für die Regel selbst, andererseits für deren Formulierung stehe, so bezeichne das Wort Naturgesetz sowohl das Gesetz als solches als auch Sätze, mit denen man die Regel- bzw. Gesetzmäßigkeiten der Natur beschreibt. 75 Öhlschläger veranschaulicht den Unterschied zwischen Regel und Naturgesetz anhand des folgenden Beispiels: Wenn wir eine Beschreibung oder Teilbeschreibung etwa der Sprachkompetenz eines Sprachteilhabers als Beschreibung der sprachlichen Regeln, über die dieser Sprachteilhaber verfügt, gemacht haben, und sein sprachliches Handeln nicht mit dieser Beschreibung übereinstimmt, kann diese Diskrepanz darauf zurückgeführt werden, daß die Beschreibung falsch oder schlecht war, daß wir die Regeln nicht richtig beschrieben haben, daß wir falsche Regeln unterstellt haben, Regeln, über die der Sprachteilnehmer gar nicht verfügt, aber auch darauf, daß der Handelnde einen Fehler gemacht hat, daß er sich abweichend verhalten hat, die Beschreibung aber trotz der Diskrepanz zutreffend ist, wobei es von den jeweiligen Umständen abhängt, worauf die Diskrepanz im konkreten Fall zurückgeführt werden muß. Wenn aber die Bewegungen ζ. B. eines Planeten im Widerspruch zu den Gesetzen der Planetenbewegungen stehen, wird man auf keinen Fall annehmen, daß der Planet einen Fehler gemacht hat, abgewichen ist oder daß sich die Gesetzmäßigkeiten geändert haben, sondern vielmehr, daß diese Gesetze falsch sind und revidiert werden müssen.76 Während man ein Gesetz ändere, wenn bestimmte erwartbare Erscheinungen nicht eintreten, ist es nach Öhlschläger für Regeln konstitutiv, daß man sie auch übertreten kann.77
74 75 76 77
von Wright (1963: 1). Vgl. Öhlschläger (1974: 94f.). Ebd. 94. Vgl. ebd. 97.
21 Regeln entstehen im Rahmen einer sozialen Praxis; sie sind vom Menschen gemacht und verändern sich mit der sozialen Praxis. Auch zwischen Regel und Regelbefolgung und Gesetz und Gesetzesbeschreibung bestehen wesentliche Unterschiede. Während die Redeweise, daß eine Regel gilt, besage, daß diese Regel in einer bestimmten Praxis intersubjektiv gültig ist und man sich, wenn man von der Praxis nicht abweichen will, an diese Regel halten muß, bedeute die Redeweise, daß ein Naturgesetz gelte, nicht, daß sich die betreffenden Naturobjekte danach verhalten müßten.78 In der traditionellen Sprachwissenschaft ist das, was hier als sprachliche Regel bezeichnet wird, oft als Gesetz beschrieben worden.
2.3.1.2. Regel und Norm Der Begriff ,Norm' wird in der Linguistik sehr unterschiedlich verwendet: Zum einen wird er fast synonym zu .Regel' und .Konvention' gebraucht. Dem entspricht die in der Alltagssprache übliche Lesart der Norm entsprechend. Andererseits wird .Norm' im Sinne von Vorbild, Richtschnur oder Standard verwendet, insbesondere wenn von sprachlichen Normen die Rede ist. In diesem Sinne soll der Begriff ,Norm' hier verwendet werden, Normen stellen dann einen Spezialfall von Regeln dar.79 Wenn wir von sprachlichen Normen sprechen, fokussieren wir einen bestimmten Umgang mit Regeln, wir betrachten sprachliche Regeln unter dem Aspekt ihrer Festlegung, Kodifizierung und Bewahrung. Wimmer macht darauf aufmerksam, daß Normen mit Geboten verwandt seien, sie hätten Befehlscharakter, und wie bei Geboten, Befehlen oder Vorschriften gebe es eine Quelle, von denen sie ausgehen.80 So wie es auf der einen Seite Personengruppen und Institutionen gebe, die an Prozessen wie Erhaltung, Kodifizierung, Durchsetzung etc. beteiligt sind, so lassen sich auf der anderen Seite - wenn auch schwerer zu umgrenzen - Personengruppen ausmachen, die in besonderer Weise in Normierungsprozesse involviert sind: „Normalerweise sind die Adressaten von Normen ähnlich wie die Adressaten von Befehlen und Vorschriften von Sanktionen bedroht, die die Einhaltung von Normen stützen [...]". 81 Als weiteres Kennzeichen von Normen führt Wimmer ihre .relative' Einfachheit an, sie seien gegenüber anderen Regeln häufig leichter zu identifizieren. Um Normen propagieren und durchsetzen zu können, müsse man auf sie verweisen können, was eine verständliche Formulierung und einen gewissen Grad an Einfachheit notwendig mache.82 Normen nehmen bestimmte Aufgaben bei der Kodifizierung und Bewahrung des Sprachsystems wahr, sie werden daher vordringlich dort ausgesprochen, wo es Handlungsbedarf gibt, wo die richtige Befolgung einer Regel nicht ohne weiteres gewährleistet ist. Ein
78 79
Vgl. ebd. 101. Vgl. Wimmer (1974: 149); von Wright betrachtet umgekehrt Regeln als Spezialfälle von Normen. (Vgl. von Wright 1963: 6)
80
Vgl. Wimmer (1974: 149).
81
Ebd. Vgl. ebd.
82
22 Beispiel stellt die folgende Angabe zur Verwendung des Konjunktivs in der indirekten Rede dar, die das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle der Dudenredaktion gibt: Die indirekte Rede sollte im Konjunktiv I stehen, wenn dessen Formen eindeutig sind. Sie sollte im Konjunktiv II stehen, wenn durch eine nicht eindeutige Konjunktiv-I-Form unklar bleibt, daß indirekte Rede vorliegt. 83
2.3.1.3. Regel und Konvention Am schwierigsten ist wohl die Unterscheidung des Regelbegriffs vom Begriff der .Konvention' . Wittgenstein weist darauf hin, daß die Verwendung des Wortes Regel mit der Verwendung des Wortes gleich und der Verwendung des Wortes Übereinstimmung verwoben ist.84 Ähnliches könnte man über die Verwendung des Wortes Konvention sagen. Es gibt nicht nur im allgemeinen Sprachgebrauch, sondern auch in der linguistischen Sprachbeschreibung viele Zusammenhänge, in denen man sowohl von Regel als auch von Konvention sprechen kann. Aus gebrauchstheoretischer Sicht können Regeln nur auf der Basis von geltenden Konventionen explizit gemacht werden. Es spricht daher einiges dafür, .Regel' und .Konvention' nicht systematisch zu unterscheiden, wie dies ja auch von einigen Autoren vertreten worden ist.85 .Regel' und .Konvention' können unter Zuhilfenahme des jeweils anderen Begriffs erläutert werden. So erklärt Wittgenstein die Gültigkeit von Regeln durch die Bezugnahme auf das Phänomen der Wiederholung und benennt damit einen Aspekt, der bei der Beschreibung von Konventionen eine wichtige Rolle spielt: 199. Ist, was wir »einer Regel folgen« nennen, etwas, was nur e i n Mensch, nur e i n m a l im Leben, tun könnte? - Und das ist natürlich eine Anmerkung zur G r a m m a t i k des Ausdrucks »der Regel folgen«. Es kann nicht ein einziges Mal nur ein Mensch einer Regel gefolgt sein. Es kann nicht ein einziges Mal nur eine Mitteilung gemacht, ein Befehl gegeben, oder verstanden worden sein, etc. - Einer Regel folgen, eine Mitteilung machen, einen Befehl geben, eine Schachpartie spielen sind G e p f l o g e n h e i t e n (Gebräuche, Institutionen). [...] 86
Umgekehrt geht Aiston vor, wenn er den Begriff .Konvention' durch .Regel' erklärt: Like the social contract theory in political science, the idea that words get their meaning by convention is a myth if taken literally. But like the social contract theory, it may be an embodiment, in mythical form, of important truths that could be stated in more sober terms. It is our position that this truth is best stated in terms of the notions of rules. That is, what really demarcates symbols is the fact that they have what meaning they have by virtue of the fact that for each there are rules in force, in some community, that govern their use. It is the existence of such rules that is behind the fact that they are „used in a certain way", in the sense of this phrase
83 84 85 86
D U D E N (1985: 355). Vgl. Wittgenstein PU § 224 und § 225, S. 352. Vgl. ζ. Β. Keller (1974: 14). Wittgenstein PU § 199, S. 344.
23 that is relevant here. [...] Henceforth, we shall feel free to use the term .conventional' purged of misleading associations, as shorthand for „on the basis of rules".87 Regeln existieren per Konvention, und Konventionen können nur unter Zuhilfenahme von Regeln explizit gemacht werden. Auch Lewis setzt in seinem Buch „Convention" 8 8 Konventionen mit Regeln gleich, aber er hält nicht alle Regeln für Konventionen. Lewis' Definition ist aus der Reflexion nicht-sprachlicher Koordinierungsprobleme entstanden, wobei er vor allem dichotome Entscheidungsprozesse vor Augen hatte: A regularity R in the bahavior of members of a population Ρ when they are agents in a recurrent situation S is a convention if and only if it is true that, and it is common knowledge in Ρ that, in almost any instance of S among members of P, (1) almost everyone conforms to R; (2) almost everyone expects almost everyone else to conform to R; (3) almost everyone has approximately the same preferences regarding all possible combinations of actions; (4) almost everyone prefers that any more conform to R, on condition that almost everyone conform to R; (5) almost everyone would prefer that any one more conform to R', on condition that almost everyone conform to R ', where R ' is some possible regularity in the behavior of members of Ρ in S, such that almost no one in almost any instance of S among members of Ρ could conform both to R' and to R.m Daß nahezu jeder von jedem erwartet, daß er in einer bestimmten Situation eine bestimmte Verhaltensregularität R zeigt, und daß nahezu jeder hinsichtlich aller möglichen Handlungskombinationen die gleichen Präferenzen hat, mag vielleicht auf manche Aspekte sprachlicher Kommunikation zutreffen, auf der Ebene der sprachlichen Handlungen haben wir es jedoch mit sprachlichen Entscheidungsprozessen zu tun, bei denen Möglichkeiten der Wahl bleiben: „Wir folgen Regeln in der Weise, wie es den jeweiligen Erfordernissen entspricht und wenden sie damit auf angemessene Weise an, unter Umständen im Sinne der Auswahl aus verschiedenen Möglichkeiten [...]." 9 0 Normalerweise stehen dem Sprecher verschiedene Handlungsmöglichkeiten und verschiedene sprachliche Mittel zum Vollzug von Handlungen zur Verfügung; den Regelbegriff an gemeinsame Präferenzen oder eine gemeinsame Hierarchie von Präferenzen zu binden, kommt einer schematischen Sicht von Sprache gleich. Weder der Begriff der .Konvention' noch der Begriff der .Regel' darf im Sinne einer starren Voraussagbarkeit mißverstanden werden. Der hier verwendete Begriff von .Konvention' ist wesentlich weiter und schwächer gefaßt als bei Lewis, das zentrale Kriterium zur Bestimmung der Begriffe .Konvention' und .Regel' ist nicht das der vollkommenen Übereinstimmung, sondern das der begründeten Erwartung. Begründete Erwartung heißt aber nicht unbedingt, daß etwas Bestimmtes in einer bestimmten Situation mit Sicherheit eintritt, sondern häufig nur, daß es ein Spektrum von erwartbaren sprachlichen Handlungen gibt, die in einer Situation als regelhaft empfunden werden. Der Begriff der Regel umgrenzt eher einen bestimmten Rahmen von
87 88 89 90
Aiston (1964: 57f.). Lewis (1969). Ebd. 78. Göttert (1979: 164).
24 Möglichkeiten, als daß er sie im einzelnen festlegt. Dieser Rahmen kann ζ. B. im Zusammenhang von sprachlichen Handlungen durch Sequenzierüngsregeln abgesteckt werden. Komplizierter - aber im Prinzip ähnlich - ist es mit den sprachlichen Mitteln, die zum Vollzug von Handlungen zur Verfügung stehen. Hier ergeben sich Listen mit möglichen Äußerungsformen, die zwar offen sind, aber sicherlich auch nicht unendlich viele Möglichkeiten zulassen. Konventionen und sprachliche Regeln führen zu begründeten Erwartungen, indem sie den Raum möglicher sprachlicher Züge begrenzen und somit für die Sprecher kalkulierbar machen. Wir haben es dabei mit Formen der Typisierung zu tun, die einerseits genug Spielraum lassen, um sich den verschiedenen kommunikativen Erfordernissen und individuellen Ausdrucksbedürfnissen anzupassen, andererseits im Sinne der Ökonomie des kommunikativen Aufwands einen bestimmten Rahmen des Erwartbaren abstecken. Die hier vollzogene weitgehende Gleichsetzung der Termini ,Regel' und .Konvention' setzt bestimmte Grundannahmen voraus, die von manchen Sprachtheoretikern nicht geteilt werden: Insbesondere Vertreter universalistischer Theorien unterscheiden systematisch zwischen ,Regel' und .Konvention'. Dieser Unterschied ergibt sich folgerichtig, wenn Regeln den Status universell gültiger Strukturen annehmen, was häufig einhergeht mit bestimmten neurobiologischen Annahmen. In dieser Hinsicht ist auch Searle Vertreter des Universalismus, wenn er für die konstitutiven Regeln universelle Gültigkeit annimmt. Searle unterscheidet kategorial zwischen konstitutiven Regeln und Konventionen, eine Unterscheidung, die er ansetzen muß, weil er davon ausgeht, daß Sprechakte in den verschiedenen Sprachen Realisierungen ein und desselben Regelsystems sind.91 Die Zuordnung der Äußerungsformen zu den illokutionären Akten muß dann natürlich in Abhängigkeit von der Einzelsprache beschrieben werden. Nur in diesem Zusammenhang will Searle den Begriff .Konvention' gebrauchen. Bremerich-Vos hat zu Recht darauf hingewiesen, daß eine solche Unterscheidung fragwürdig ist.92 Aus gebrauchstheoretischer Sicht ergibt sich keine Trennung zwischen diesen Begriffen, denn Sprachregeln lassen sich nur durch Übereinstimmung im Gebrauch beschreiben, und diese Übereinstimmung kann nur in Rückgriff auf Konventionen beschrieben werden. ,Regel' und .Konvention' sind zwei Termini, die das gleiche Phänomen in unterschiedlicher Perspektivierung beleuchten.
2.3.1.4. Regel und Regularität Als , Regularität' wird eine bestimmte Regelmäßigkeit des Vorkommens bestimmter Ereignisse bezogen auf bestimmte beobachtbare Situationsfaktoren bezeichnet. Der Begriff überschneidet sich in einigen Punkten mit dem der Regel, umfaßt aber wesentlich mehr
91
„When I say that speaking a language is engaging in a rule-governed form of behavior, I am not especially concerned with the particular conventions one invokes in speaking this language or that (and it is primarily for this reason that my investigation differs fundamentally from linguistics, construed as an examination of the actual structure of natural human languages) but the underlying rules which the conventions manifest or realize, in the sense of the chess example." (Searle 1969: 41)
92
Vgl. Bremerich-Vos (1981: 63ff.).
25 Erscheinungen. Im Gegensatz zu .Regel' bezieht sich der Begriff ,Regularität' auf wiederkehrende beobachtbare Erscheinungen, wahrgenommen aus der Außenperspektive des Beobachters. Nicht alle Regularitäten sind auf Regeln zurückzuführen, aber Regeln führen zu Regularitäten. Searle illustriert den Unterschied zwischen (konstitutiven) Regeln und Regularitäten anhand des folgenden Beispiels: Let us imagine a group of highly trained observers describing an American football game in statements only of brute facts. What could they say by way of description? Well, within certain areas a good deal could be said, and using statistical techniques certain .laws' could even be formulated. For example, we can imagine that after a time our observer would discover the law of periodical clustering: at statistically regular intervals organisms in like colored shirts cluster together in a roughly circular fashion (the huddle). Furthermore, at equally regular intervals, circular clustering is followed by linear clustering (the teams line up for the play), and linear clustering is followed by the phenomenon of linear interpénétration. 93
Solche Gesetze, führt Searle sein Beispiel aus, seien statistischer Art. Aber gleichgültig, wie viele Daten dieser Art die Beobachter sammelten und wie viele induktive Verallgemeinerungen sie auf Grund der Daten aufstellten, sie hätten nicht das amerikanische Spiel .football' beschrieben. An ihrer Beschreibung fehlten alle Begriffe, die von konstitutiven Regeln abhängen, Begriffe wie z. B. .touchdown', .offside', ,game', .points', .first down', .time out' etc., und damit fehlten alle wahren Aussagen, die man unter Verwendung solcher Begriffe über .football' machen kann.94 Die fehlenden Begriffe seien aber gerade die, durch die die Phänomene auf dem Feld als ein Football-Spiel beschrieben würden. Während Beschreibungen natürlicher Tatsachen mit Hilfe institutioneller Tatsachen erklärt werden könnten, könnten institutionelle Tatsachen allein mit Hilfe der ihnen zugrunde liegenden konstitutiven Regeln erklärt werden.93 Resümierend hält Searle fest: The obvious explanation for the brute regularities of language (certain human made noises tend to occur in certain states of affairs or in the presence of certain stimuli) is that the speakers of a language are engaging in a rule-governed form of intentional behavior. The rules account for the regularities in exactly the same way that the rules of football account for the regularities in a game of football, and without the rules there seems no accounting for the regularities. 96
2.3.2. Zum Problem der Erfassung von Regeln Die meisten Mißverständnisse im Zusammenhang mit dem Regelbegriff kommen dadurch zustande, daß eine bestimmte Form von Regeln als die Form von Regeln schlechthin ausgegeben wird. Hier ist zum einen an die Verabsolutierung des Regelbegriffs durch die Transformationsgrammatiker zu denken, die Regeln in die Nähe von Kalkülen rücken, zum andern an die verengte Auffassung von Regel im Sinne von Handlungsanweisung. Ein wichtiger Faktor bei der Beschreibung von Regeln ist, daß Regeln für die unterschiedlichen Ebenen verschieden beschrieben werden müssen, das heißt, daß auf den
93 94 95 96
Searle (1969: 52). Vgl. ebd. Vgl. ebd. Ebd. 53.
26 einzelnen Ebenen der Sprachbeschreibung jeweils neu geklärt werden muß, was es heißt, einer Regel zu folgen. Der Begriff der .Regel' ist wie der der .Einheit' auf jeder Sprachstufe neu zu definieren.97 Hundsnurscher hat darauf hingewiesen, daß Prinzipien der Konstitution von Einheiten ζ. B. auf der Lautebene andere sein müssen als auf der Bedeutungsebene, und entsprechend sei das Regelkonzept nicht einfach durchgängig übertragbar.98 Dies gilt bezüglich der Methode der Regelbeschreibung, dies gilt aber vor allem bezogen auf den Grad der Striktheit der Regelbefolgung und die Möglichkeiten ihrer Übertretung. Während man etwa auf der Ebene der Syntax eine Regel wie (10) formulieren kann, lassen sich Regeln der Semantik oft nur durch Angabe von alternativen Möglichkeiten formulieren. (10)
Nach χ steht immer der Dativ.
Wenn man ζ. B. explizieren möchte, mit welchen Äußerungsformen man konventionell jemanden warnen kann, das Eis zu betreten, hat man eine ganze Reihe von funktionsäquivalenten Äußerungsformen zur Verfügung. Wir können hier keine Regel im Sinne eines Kalküls formulieren, sondern können nur auf mögliche Zuordnungen verweisen. Zum Vollzug der Handlung .Warnen vor dem Betreten des Eises' existieren - wie Hundsnurscher99 gezeigt hat - eine ganze Reihe von Äußerungsformen, die sich wiederum den verschiedenen Handlungsaspekten zuordnen lassen: Nach Hundsnurscher kann man jemanden warnen, indem man 1. ihn zu erhöhter Wachsamkeit aufruft, 2. ihn von seinem Vorhaben abzubringen bzw. ihn zu einer Verhaltensänderung zu bewegen versucht, 3. etwas als gefahrlich bewertet, 4. auf die negativen Folgen für Spi hinweist, 5. kontingente HandlungsVoraussetzungen des als folgenschwer eingeschätzten Handelns von Sp2 thematisiert, 6. die Warn-Illokution der Äußerung explizit macht.100
Zu jedem dieser Handlungsaspekte läßt sich wiederum eine Liste von funktionsäquivalenten Äußerungsformen erstellen, so kann man durch Äußerungsformen wie die folgenden jemanden zu erhöhter Wachsamkeit aufrufen: Achtung! Vorsicht! Obacht! 101
Die verschiedenen Äußerungen können als konventionelle Realisierungen einer sprachlichen Handlung betrachtet werden, die Wahlfreiheit setzt die Regelhaftigkeit, die zwischen
97 98 99 100 101
Vgl. Vgl. Vgl. Ebd. Ebd.
Hundsnurscher (1994: 224). ebd. Hundsnurscher (1990). 21 lf. 212.
27 den einzelnen Äußerungsformen und der Handlung bzw. den einzelnen Aspekten der Handlung besteht, nicht außer Kraft. Heringer hält es sogar für eine besondere Eigenschaft von Regeln, daß sie individuelle Spielräume lassen. 102 Die Beschreibung sprachlicher Regeln muß auf den verschiedenen Ebenen und in den verschiedenen Bereichen der Sprachbeschreibung unterschiedlich sein, insbesondere muß berücksichtigt werden, daß für die Regelbefolgung unterschiedliche Grade von Freiheiten gelten. Was Regeln und Regelüberschreitungen sind, kann nicht a priori festgestellt werden, sondern nur hinsichtlich tatsächlicher Verwendungszusammenhänge. In diesem Sinne bemerkt auch Wittgenstein, daß das Üben im Gebrauch der Regel zeige, was ein Fehler in der Verwendung ist. 103 Trotz der angesprochenen Unschärfen spricht vieles dafür, die verschiedenen Regeltypen unter einen Begriff zu fassen: Alle Regeltypen stützen sich auf das Moment der Gebrauchserwartung, das es dem Sprecher ermöglicht, seine kommunikativen Schritte zu planen, und das für den Hörer ein zentrales Mittel zur Herstellung von Kohärenz darstellt.
2.3.3. Regeln in komplexeren Zusammenhängen: Handlungsmuster Wenn hier postuliert wird, daß die Regeln auf den unterschiedlichen Ebenen verschieden sind, soll das natürlich nicht bedeuten, daß die Regeln der einzelnen Ebenen unabhängig voneinander wären. Erst durch die Gesamtheit der Regeln bestimmt sich die Verwendung eines Ausdrucks, ergibt sich das, was hier die .Grammatik eines Ausdrucks' genannt werden soll. Der Tatsache, daß Regeln nie isoliert vorkommen, sondern immer nur im Verbund wirksam werden, wird mit dem Konzept des Handlungsmusters Rechnung getragen. 104 Der zentrale Aspekt eines Handlungsmusters besteht darin, daß es als ordnungsbildende Ganzheit verstanden und sinnstiftend wirksam wird. Mit dem Terminus .Muster' soll darauf hingewiesen werden, daß jede Regel in einen komplexen Zusammenhang eingebettet ist, in deren Mittelpunkt der Sprecher mit seinen kommunikativen Bedürfnissen und den hierfür zur Verfügung stehenden Mitteln steht. Der Sprecher ist mit seinen individuellen Zielen auf bestimmte kommunikative Muster und die in ihnen angelegten kommunikativen Zwecke verwiesen. „Die Muster bestimmen als Organisationsformen gesellschaftlichen Handelns, als Resultat gesellschaftlicher Prozesse, durch ihre Struktur das individuelle Handeln." 105 Dabei sind die Zwecke, wie Ehlich/Rehbein ausführen, nicht beliebig, son-
102
Vgl. Heringer (1974: 84); vgl. auch von Wright (1963: 7): „But the rules of grammar have a much greater flexibility and mutability than the rules of a game. They are in a constant process of growth. What the rules a r e at any given moment in the history of a language may not be possible to tell with absolute completeness and precision."
103
Vgl. Wittgenstein Ü G § 29, S . 125.
104
Zum B e g r i f f des Handlungsmusters vgl. auch Sandig (1983: 91 ff.); Heinemann/Viehweger (1991: 194f.). Der Begriff des .Handlungsmusters' ist allerdings ebenso vieldeutig wie der der Regel; vgl. hierzu Adamzik (1994) und König (1994). Ehlich/Rehbein (1979: 250).
105
28 dem „verbunden mit dem System der Bedürfnisse [...] der Handelnden." 106 Die Zwecke beziehen sich „auf die spezifischen Relationenzwischen Bedürfnissen und Konstellationen. Im Zweck werden Bedürfnis und Konstellation miteinander verbunden, so daß die Konstellation in Richtung auf das Bedürfnis hin verändert werden kann. Die Handelnden organisieren die Wirklichkeit also nach ihren Bedürfnissen, indem sie Zwecke ausbilden, die sie wissen und die ihre Handlungen im Vollzug determinieren."107 Über den ontologischen Status von Mustern herrscht - wie König108 dargestellt hat keineswegs Einigkeit: Einige Autoren gehen davon aus, daß dem Muster lediglich der Status eines Konstrukts zukommt. So faßt etwa Kohl handlungsbezogene Einheiten wie Sprechakttypen, Sequenzmuster oder Dialogtypen als „beschreibungstheoretische Konstrukte" auf, „die von einem Analytiker lediglich zum Zwecke wissenschaftlicher Beschreibung k o n s t r u i e r t worden sind."109 Zu Recht wendet König ein, daß nicht einzusehen sei, „wieso derartige Konzepte einer Analyse authentischen Materials zugrunde gelegt werden sollten, gleichsam als ein letztlich beliebiger Maßstab von außen, der weder mit der Ausführung von Handlungen noch mit der Interpretation menschlichen Verhaltens als Handlung etwas zu tun hat." 110 Demgegenüber heben Ehlich/Rehbein die soziale Dimension des Handlungsmusters hervor, wenn sie betonen, daß Muster keine analytisch-theoretischen Fiktionen seien. Muster würden als Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit aufgefunden und in der Analyse bewußt gemacht. Die Identifikation und theoretische Rekonstruktion der Muster bringe die gesellschaftlichen Erscheinungen des sprachlichen Handelns lediglich auf den Begriff. Muster seien o b j e k t i v , obwohl sie im allgemeinen nicht selbst an der Oberfläche des Handelns manifest würden.111 Im Zusammenhang der hier vorliegenden Untersuchungen sind noch einige andere Momente des Musterbegriffs hervorzuheben, die für die nachfolgende Analyse des metaphorischen Sprechens zentral sind: a. Muster funktionieren nach dem Prinzip, daß das Einzelne aus dem Gesamtzusammenhang erklärbar wird und nicht umgekehrt. Der Musterbegriff fungiert in diesem Sinne als Gegenbegriff zum Begriff der Kompositionalität. Kompositioneil arbeitende Theorien und Erklärungsmodelle verfahren additiv und geben dabei einzelne Strukturen als sinnhaft aus. Die meisten Metapherntheorien sind methodisch eher dem Kompositionalitätsprinzip zuzuordnen, d. h. sie isolieren bestimmte Momente aus dem metaphorischen Verfahren und versuchen daraus eine sinnhafte Erklärung von Metaphern zu gewinnen. Auf die Problematik so fundierter theoretischer Begriffe (wie ,Kategorienfehler', ,kategoriale Falsch-
106 107 108 109
110 111
Ebd. 244. Ebd. 245. Vgl. König (1994: 109f.); vgl. hierzu auch Adamzik (1994: 3f.). Vgl. Kohl (1989: 93); eine ähnliche Auffassung findet sich auch bei Hindelang, der Dialogmuster nicht als Teile der dialogischen Handlungskompetenz empirischer Sprecher begreift, sondern lediglich als Maßstab oder Folie für die Beschreibung aktueller Gesprächsverläufe. (Vgl. Hindelang 1994: 147f.) König (1994: 110). Vgl. Ehlich/Rehbein (1979: 250f.).
29 heit', .semantische Anomalie', .kalkulierte Absurdität' etc.) wird in Kapitel 3.2 ausführlich einzugehen sein. Die sich daraus ergebenden Probleme haben eine gewisse Verwandtschaft zum vieldiskutierten Ambiguitätsproblem in der Semantik, das ebenfalls nur lösbar ist, wenn man eine höhere Beschreibungsebene wählt. Wittgenstein hat dieses Problem im Zusammenhang eines Vexierbildes, des sog. H-E-Kopfes, diskutiert. Es handelt sich dabei um die Darstellung eines Kopfes, den man als Hasen- oder als Entenkopf wahrnehmen kann. Wittgenstein weist darauf hin, daß das .Sehen als ...' nicht zur Wahrnehmung gehört:112 Ich hätte auf die Frage »Was siehst du da?« nicht geantwortet: »Ich sehe das jetzt als Bildhasen«. Ich hätte einfach die Wahrnehmung beschrieben; nicht anders, als wären meine Worte gewesen »Ich sehe dort einen roten Kreis«. - [...] Zu sagen »Ich sehe das jetzt als ...«, hätte für mich so wenig Sinn gehabt, als beim Anblick von Messer und Gabel zu sagen: »Ich sehe das jetzt als Messer und Gabel.« Man würde diese Äußerung nicht verstehen. - Ebensowenig wie diese: »Das ist jetzt für mich eine Gabel«, oder »Das kann auch eine Gabel sein«." 3
„Der Kopf, so gesehen, hat mit dem Kopf, so gesehen, auch nicht die leiseste Ähnlichkeit - obwohl sie kongruent sind. "114 Während Wittgenstein vor allem darauf hinweist, daß Wahrnehmung nicht bedeutet, etwas ,als etwas' wahrzunehmen, sondern dieses .als' schon dem Wahrnehmungsvorgang vorausgeht, ist im Zusammenhang des Verstehens von kommunikativen Handlungen darauf aufmerksam zu machen, daß erst durch die Fokussierung der komplexeren Ebene das einzelne Element seinen Ort erhält und verstanden werden kann. Mehrdeutigkeit entsteht häufig dann, wenn das einzelne sprachliche Element , a l s ' e t w a s wahrgenommen wird, und nicht - oder in wesentlich geringerem Maße - , wenn es in H i n s i c h t auf e t w a s wahrgenommen wird. Dabei gilt entgegen dem sog. Kompositionalitätsprinzip, daß Regeln von komplexeren Ebenen Regeln modifizieren können, die auf niedrigeren Ebenen formuliert werden. So können beispielsweise institutionelle Einbindungen von Sprachspielen Auswirkungen auf Sprechakt- und Sprechaktsequenzierungsregeln sowie auf die Auswahl von Äußerungsformen haben. Wunderlich hat auf diesen Zusammenhang schon recht früh hingewiesen: In den einzelnen Institutionen werden zum Teil neue Sprechakte und Sprechaktsequenzierungen hervorgebracht, zum anderen Teil werden vorhandene Sprechakte weiter ausdifferenziert und modifiziert. Bestimmte sprachliche Formen, die in informellen Gesprächen beliebig verwendbar und variierbar sind, werden innerhalb von Institutionen zu idiomatischen Formeln. Aber auch nicht-idiomatisierte sprachliche Formen und Bedeutungen werden innerhalb verschiedener Institutionen noch ganz unterschiedlich interpretiert, Äußerungen fuhren zu ganz unterschiedlichen Konsequenzen. U m dies theoretisch erfassen zu können, will ich annehmen, daß jede Institution durch ein für sie charakteristisches Handlungssystem gekennzeichnet werden kann und daß alle Äußerungen relativ zu einem bestimmten Handlungsgssystem Ν zu interpretieren sind." 5
112 113 114 115
Vgl. Wittgenstein PU, S. 524. Ebd. 521. Ebd. 522. Wunderlich (1976: 86f.).
30 Eine solche Betrachtung schließt nicht aus, daß Ordnungen auch auf niederen Ebenen beschrieben werden können: Muster können sich aus .Ausschnittmustern' zusammensetzen. Diese werden als strukturbildend vor allem dann erkannt, wenn einzelne Ausschnittmuster ihren Ort in verschiedensten komplexeren Zusammenhängen haben. Dies kann am Beispiel semantischer Beschreibungen erläutert werden: Es gibt Äußerungsformen, die in den verschiedensten sprachlichen Zusammenhängen vorkommen. Sie wirken daher, was den Äußerungszusammenhang betrifft, relativ unspezifisch, was nahelegt, sie als isolierte Phänomene zu betrachten. Diese Beobachtung begründet letztlich die Berechtigung der Wortsemantik. Die Tatsache, daß sie nicht eindeutig einem oder einer begrenzten Anzahl von Äußerungszusammenhängen zugeordnet werden können, darf aber nicht so verstanden werden, daß sie nicht Teil dieser Zusammenhänge sind. Jede Äußerung - und gleiches gilt auch für das Wort - steht in einem komplexeren Handlungszusammenhang, und nur in diesem kann sie sinnvoll wirken. Wenn man einzelne Wörter oder komplexere Äußerungsformen ohne Rückgriff auf globalere Zusammenhänge erklären kann, so ist das kein Argument für eine atomistische Bedeutungstheorie. Es wird dann lediglich von Äußerungszusammenhängen und gewissen Hintergrundbedingungen abstrahiert. Es wird noch zu zeigen sein, daß dieser Aspekt des Musters für die Analyse von Metaphern eine große Rolle spielt. b. Muster müssen nicht vollständig identisch reproduziert werden, sie lassen Vagheiten und Unschärfen zu. Das wichtigste an einer sprachlichen Handlung nach einem Muster ist, daß sie als solche identifizierbar ist, denn nur so kann sie sinnstiftend wirken. Die Rekonstruktion des Musters für den Rezipienten ist in der Regel Voraussetzung für den Erfolg einer sprachlichen Handlung.116 Hierin besteht der wesentliche Unterschied zwischen nicht-sprachlichen und sprachlichen Mustern. Das Wiedererkennen erfordert aber weder Selbstidentifikation durch explizite Benennung noch identische Reproduktion, sondern lediglich, daß gewisse Strukturen von den Sprechern als musterhaft identifiziert werden können.117 Auf die Bedeutung der Unschärfe hat Wittgenstein immer wieder aufmerksam gemacht, indem er darauf hinweist, daß die Existenz einer Grenze nicht von sich aus bedeutsam ist, sondern von der Funktion her betrachtet werden muß, die sie übernimmt: Wenn man [...] eine Grenze zieht, so kann das verschiedenerlei Gründe haben. Wenn ich einen Platz mit einem Zaun, einem Strich, oder sonst irgendwie umziehe, so kann das den Zweck haben, jemand nicht hinaus, oder nicht hinein zu lassen; es kann aber auch zu einem Spiel gehören, und die Grenze soll etwa von den Spielern übersprungen werden; oder es kann andeuten, wo der Besitz eines Menschen aufhört und der andere anfängt; etc. Ziehe ich also eine Grenze, so ist damit noch nicht gesagt, weshalb ich sie ziehe. 118
Wenn man die Grenze selbst als eine Funktion betrachtet, ist es wichtig festzustellen, daß eine scharfe Grenzziehung oft nicht nötig ist:
116
117 118
In diesem Sinne kann Habermas (1981/1988: 384ff.) zugestimmt werden, wenn er kommunikatives Handeln als .verständigungsorientiert' bezeichnet; vgl. hierzu König (1994: 113). Vgl. hierzu auch Heringer (1974b: 43). Wittgenstein PU § 499, S. 432.
31 Dagegen ziehen wir dort meist keine Grenzen, wo wir sie nicht brauchen. (Es ist, wie wenn man für gewisse Spiele nur einen Strich mittendurchs Spielfeld zieht um die Parteien zu trennen, das Feld aber im übrigen nicht begrenzt, weil es nicht nötig ist.) Wir können das Wort »Pflanze« in unmißverständlicher Weise gebrauchen, aber es lassen sich unzählige Grenzfälle konstruieren, für welche die Entscheidung, ob etwas noch unter den Begriff .Pflanze' fällt, erst zu treffen wäre. Ist aber deshalb die Bedeutung des Wortes »Pflanze« in allen andern Fällen mit einer Unsicherheit behaftet, so daß man sagen könnte, wir gebrauchen das Wort, ohne es zu verstehen? Ja, würde uns eine Definition, die diesen Begriff nach mehreren Seiten hin begrenzte, die Bedeutung des Wortes in allen Sätzen klarer machen, wir also alle Sätze, in denen er vorkommt, besser verstehn?" 9
Grenzziehungen innerhalb der Sprache sind von ihrer Funktion her zu beschreiben. Damit sprachlich Handelnde kommunikative Ziele realisieren können, müssen sie die dafür zur Verfügung stehenden Handlungsmuster kennen und erkennen, das bedeutet aber nicht unbedingt, daß Muster nicht Unscharfen und Vagheiten zulassen können. Offensichtlich kommen wir häufig mit einer gewissen Vagheit zurecht, dies gilt vor allem im Bereich der Bedeutungen. In § 100 der „Philosophischen Untersuchungen" setzt sich Wittgenstein in der für ihn charakteristischen dialogischen Form mit einigen Gegenargumenten auseinander: 100. »Es ist doch kein Spiel, wenn es eine Vagheit in d e n R e g e l n gibt.« - Aber ist es dann kein Spiel? - »Ja, vielleicht wirst du es Spiel nennen, aber es ist doch jedenfalls kein vollkommenes Spiel.« D. h.: es ist doch dann verunreinigt, und ich interessiere mich nun für dasjenige, was hier verunreinigt wurde. - Aber ich will sagen: Wir mißverstehen die Rolle, die das Ideal in unsrer Ausdrucksweise spielt. D. h.: auch wir würden es ein Spiel nennen, nur sind wir vom Ideal geblendet und sehen daher nicht deutlich die wirkliche Anwendung des Wortes »Spiel«.120
c. Handlungsmuster sind häufig nicht vollständig bestimmt. Sie lassen potentiell Freiräume für .sprachliche Einschübe' verschiedenster Art. Man denke ζ. B. an den sog. small-talk, der im Rahmen von Dialogen der verschiedensten Dialogtypen vorkommen kann. Er ist nicht konstitutiv für die Muster, gefährdet aber häufig auch nicht deren Identität. Natürlich gelten auch für solche Einschübe gewisse Kohärenzregeln, und sie lassen sich darüber hinaus häufig auch nur an bestimmten funktionalen Stellen einschieben. Handlungsmuster sind zwar als ganzes konventionell, sie müssen es aber nicht in allen ihren Einzelbestandteilen sein. In diesem Zusammenhang ist nicht nur an die verschiedenen Möglichkeiten zu denken, ein Muster anzufüllen, sondern auch an die Wahl der sprachlichen Mittel, mit denen einzelne sprachliche Handlungen des Musters realisiert werden. d. Regelhaft zu beschreibende Prozesse können zugleich aus regelgeleiteten wie nichtregelgeleiteten Teilen bestehen. Konventioneller und kreativer Einsatz von sprachlichen Mitteln müssen keinen Gegensatz darstellen. Ein wichtiges Ziel dieser Arbeit besteht darin, aufzuzeigen, daß die Dichotomisierung .konventionell - kreativ' ein zu einfaches Bild sowohl vom kreativen wie auch vom regelgeleiteten, konventionellen Sprechen gibt. In die-
119 120
Wittgenstein PG § 73, S. 117. Wittgenstein PU § 100, S. 295f.
32 sem Sinne weist Göttert im Anschluß an Labov der Variante als „wesentlichefm] Moment der Sprachfähigkeit" eine wichtige Funktion auch im Hinblick auf Konventionalisierungen zu: Sprachwandel und allgemein Heterogenität in der Sprache sind keine Zufallsprodukte oder gar Abartigkeiten der Sprache, sondern sie haben selber eine entscheidende Funktion, ohne die Verständigung auf Dauer gar nicht möglich wäre: Homogenität wäre nicht einmal das Ideal einer Sprache, sondern sie wäre geradezu „dysfiinktional". 121
In welcher Weise Momente der Regelbefolgung und -variation im Prozeß der Bildung und Etablierung einer Metapher ineinandergreifen, das wird im folgenden zu zeigen sein.
121
Göttert (1979: 153); vgl. auch Labov (1972: 129).
3. Überlegungen zum systematischen Ort der Metapher
3.1. Eine grammatische Betrachtung der Metapher
In den folgenden Kapiteln soll dargestellt werden, inwiefern sich das Programm einer pragmatisch orientierten Grammatik zur Beschreibung des metaphorischen Sprechens fruchtbar machen läßt. Der Begriff .Grammatik' wird hier vor allem in methodologischem Sinn verwendet. Basierend auf der allgemeinen Vorstellung, daß Sprechen eine Form des menschlichen Handelns ist, soll nach den spezifischen Bedingungen gefragt werden, denen metaphorische Kommunikation unterliegt. Folgende Aspekte spielen dabei in inhaltlichmethodologischer Hinsicht eine wichtige Rolle. a. F o k u s s i e r u n g des S p r a c h g e b r a u c h s : Diese Arbeit fühlt sich der linguistischen Pragmatik verpflichtet, insofern als sie zur Beschreibung von Metaphern auf deren konkretes Vorkommen in Sprachspielen zurückgreift und die Metapher somit in ihren Äußerungsund Sprachspielzusammenhängen beläßt. Eine gebrauchstheoretisch orientierte Analyse des metaphorischen Sprechens fragt n i c h t nach dem W e s e n der Metapher, sondern nach Verwendungs- und Vorkommensweisen von Metaphern, nach den Spielarten metaphorischen Sprechens in unterschiedlichen Diskursen, nach der Funktion metaphorischen Sprechens in konkreten Äußerungszusammenhängen. Die Arbeit distanziert sich damit von Ansätzen, die explizit oder implizit das Wort oder den Satz in den Mittelpunkt ihrer Analyse stellen. Zur Veranschaulichung dient eine umfangreiche Materialsammlung, die es erlaubt, das Funktionieren von Metaphern in konkreten Äußerungszusammenhängen zu analysieren.1 Orientierung am Sprachgebrauch heißt auch, danach zu fragen, wie Kommunizierende metaphorisches Sprechen auffassen, wie sie damit in konkreten Kommunikationssituationen umgehen. Austin hat in seinem Aufsatz „A plea for excuses"2 gezeigt, in welcher Weise Entschuldigungen ein Licht auf die Struktur der vorhergehenden Handlungen werfen. In ähnlicher Weise lassen auch Reaktionshandlungen, mit denen sich Sprecher auf metaphorische Äußerungen beziehen, Rückschlüsse auf die Struktur des metaphorischen Sprechens zu, insbesondere läßt sich ersehen, inwiefern sich die Verwendung von Metaphern auf das Gelingen und Akzeptieren von Äußerungen auswirkt. b. F o k u s s i e r u n g d e r S i n n e b e n e als d e r z e n t r a l e n A n a l y s e e b e n e : Der kommunikative Sinn stellt in einer pragmatischen Grammatik den zentralen Bezugspunkt dar. Ausgehend von Schächters Unterscheidung .material' vs. ,formal', soll gefragt werden, was es bedeutet, den kommunikativen Sinn zum Ausgangspunkt für die Analyse metaphorischer Äußerungen zu machen. Insbesondere soll gezeigt werden, wie die , Sinnorientierung' zur Infragestellung zentraler tradierter Begriffe wie .Eigentlichkeit', .übertragene
1
Vgl. die Materialsammlung im Anhang sowie die Analyse in Kapitel 7.
2
Austin (1956/1970).
34 Bedeutung', .Kategorienfehler', .kategoriale Falschheit', .semantische Anomalie', .kalkulierte Absurdität' etc. führt. 3 Den Sinn einer Äußerung zu erfassen heißt nach Habermas, zu wissen, was sie akzeptabel macht,4 das heißt, alle Bedingungen zu kennen, die sich auf die kommunikationsrelevante Bewertung einer Äußerung auswirken.5 Wittgenstein hat in seinen späten philosophischen Entwürfen aufgezeigt, daß die Teilhabe an der Lebensform und am Sprachspiel ein zentrales Moment der Sinnkonstitution darstellt. Die Lebensform und das in sie integrierte Sprachspiel liefern uns das Wissen, das nötig ist, um Sinn zu konstituieren. Erst auf dem Hintergrund der Lebensform lassen sich die Handlungsmuster und die einzelnen Sprechhandlungen verstehen. Aus der Orientierung am kommunikativen Sinn ergibt sich ein holistisches Analyseverfahren, von der komplexen zur kleinsten Analyseeinheit fortschreitend, von der Lebensform zur Äußerungseinheit hin. Für jede Metaphernanalyse stellt die Wahl der Analyseebene eine zentrale methodologische Entscheidung dar, viele Aussagen der Forschungsliteratur zur Verständlichkeit und Wahrheitsfähigkeit von metaphorischen Äußerungen hängen eng mit der Privilegierung einer bestimmten Analyseebene zusammen. Hier soll von einer relativ komplexen Analyseebene ausgegangen werden, die Arbeit befindet sich damit in einem bewußten Gegensatz zu kompositioneilen Verfahrensweisen. Vor allem im Untersuchungsteil soll gezeigt werden, daß zentrale Funktionen des metaphorischen Sprechens nur in den Blick kommen, wenn man die Funktion des figürlichen Sprechens im Rahmen der kommunikativen Probleme betrachtet, die die Sprecher in dem jeweiligen Spiel zu lösen haben. 6 c. R e g e l h a f t i g k e i t m e t a p h o r i s c h e r K o m m u n i k a t i o n : Mit dem Begriff .Grammatik' verbindet sich auch die Frage nach der Regelhaftigkeit metaphorischer Kommunikation. In dieser Arbeit soll ausgelotet werden, inwiefern der Begriff der Konventionalität auf die Beschreibung des metaphorischen Sprechens in seinen verschiedenen Ausprägungen angewendet werden kann. Dabei werden verschiedene Stufen der Konventionalisierung von Metaphern beschrieben, die gleichzeitig die Folie zur Beschreibung bestimmter .kommunikativer Settings' darstellen. Sprachliche Formen können im Sinne Streckers als Ergebnis einer Evolution von Problemlösungen betrachtet werden, die eine Art Musterlösung be-
3 4 5
6
Vgl. hierzu Kapitel 3.2. Vgl. Habermas (1981: 400f.). „Wir v e r s t e h e n e i n e n S p r e c h a k t , w e n n wir w i s s e n , w a s ihn a k z e p t a b e l m a c h t . Aus der Perspektive des Sprechers sind die Akzeptabilitätsbedingungen mit den Bedingungen seines illokutionären Erfolgs identisch. Akzeptabilität wird nicht im objektivistischen Sinne aus der Perspektive eines Beobachters definiert, sondern aus der performativen Einstellung des Kommunikationsteilnehmers. Ein Sprechakt soll dann »akzeptabel« heißen dürfen, wenn er die Bedingungen erfüllt, die notwendig sind, damit ein Hörer zu dem vom Sprecher erhobenen Anspruch mit >Ja< Stellung nehmen kann. Diese Bedingungen können nicht einseitig, weder Sprecher- noch hörerrelativ erfüllt sein; es sind vielmehr Bedingungen für die i n t e r s u b j e k t i v e A n e r k e n n u n g eines sprachlichen Anspruchs, der sprechakttypisch ein inhaltlich spezifiziertes Einverständnis über interaktionsfolgenrelevante Verbindlichkeiten begründet." (Habermas 1981/1988: 400f.) Vgl. hierzu vor allem Kapitel 5.3 und 7.4.
35 wahrt haben. 7 Ein kommunikatives Setting bildet dann die spezifische Konstellation von Kommunikationsbedingungen ab, die für Kommunizierende vorliegen, wenn sie Metaphern bilden bzw. verstehen. In diesem Sinne kann jede Beschreibung des Ist-Zustands als das Ergebnis eines Sprachwandels betrachtet werden. Bei der Beschreibung der Metapher wird nur allzu deutlich, daß Sprecher bei metaphorischen Verwendungen mit sehr verschiedenen Formen von Konventionalisierungen konfrontiert sind. Die gängige Unterscheidung von ,toter' und .lebender' Metapher erfaßt dabei nur die Extrempunkte eines Kontinuums. Auch bei der Bildung originärer Metaphern liegt ein spezifisches Setting von Kommunikationsbedingungen vor, dessen Beschreibung für eine pragmatische Sprachanalyse eine gewisse Herausforderung darstellt. Das offensichtliche Funktionieren von metaphorischen Äußerungen steht in einem krassen Widerspruch zur Schwierigkeit, diese manifest werdenden Kompetenzen zu beschreiben. Die Metapher fügt sich nicht ohne weiteres in pragmatische oder gebrauchstheoretische Konzepte, weil von Verwendung hier nur in eingeschränktem Maße gesprochen werden kann. Die Metapher ist ganz offensichtlich eines der Sprachmittel, in denen menschliche Kreativität ihren Ausdruck findet. Für viele stellt sie das kreative Sprachmittel par excellence dar. Mit bewertenden Sprechakten wie (1) referieren wir auf diesen Aspekt von metaphorischen Äußerungen:
(1)
Das ist aber eine
originelle interessante gelungene schöne gute
Metapher.
Der kreative Aspekt der Metaphorik soll auch in dieser Arbeit nicht in Frage gestellt werden. Ihm soll aber ein anderes Moment, nämlich das der Regelgeleitetheit, zur Seite gestellt werden. d. U n t e r s u c h u n g im R a h m e n e i n e s K o m p e t e n z m o d e l l s : Eng verbunden mit der Frage nach der Regelgeleitetheit ist die Frage, ob metaphorisches Sprechen eine reine Performanzerscheinung darstellt oder ob es so etwas wie eine metaphorische Kompetenz gibt.8 Damit ist im weitesten Sinne die Frage nach der Verortung des metaphorischen Verfahrens im Rahmen des Sprachsystems angesprochen. Hinsichtlich des Problems der Regelgeleitetheit von metaphorischen Äußerungen stellt sich die Frage, ob die Bildung von originären Metaphern im Rahmen einer einfachen Dichotomie .konventionell - kreativ' beschrieben werden kann. Die Metapher wird in einer solchen Dichotomie in der Regel der kreativen Seite zugeschlagen. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, daß sprachliche Kreativität erst auf der Basis bestimmter Konventionalisierungen möglich ist und daß das metaphorische Verfahren als ein spezifisches Zusammenwirken von kreativen und konventionellen Momenten zu beschreiben ist. e. M e t a p h e r n t h e o r i e als T e i l e i n e r p r a g m a t i s c h o r i e n t i e r t e n G r a m m a t i k : Aus der integrativen Sicht einer pragmatisch orientierten Grammatik ergibt sich der Anspruch, sprachliche Phänomene nicht im Rahmen von Einzeltheorien zu beschreiben. Die
7 8
Vgl. Strecker (1987: 12). Vgl. Kapitel 4., insbesondere 4.1, und 5.2.
36 immer wieder beklagte Disparität in der Metaphernliteratur ist u. a. darauf zurückzuführen, daß viele Ansätze bestimmte Aspekte isoliert und zur Grundlage einer eigenen Theorie gemacht haben. Eine grammatische Metapherntheorie in dem hier konzipierten Sinn ist Teil einer kommunikativen Grammatik, d. h. sie beansprucht Kompatibilität zu anderen Bereichen der Sprachbeschreibung des gleichen Forschungsparadigmas. Aussagen einer Metapherntheorie müssen also vereinbar sein mit Beschreibungen, die sich im Rahmen der Pragmatik oder Semantik ergeben. Der hier vorgelegte Versuch einer Beschreibung des metaphorischen Sprechens sieht deshalb vor, Ergebnisse der pragmatischen Linguistik, vor allem aber der gebrauchstheoretischen Semantik in eine Metapherntheorie einzubeziehen.
3.2. Eine kritische Sichtung traditioneller Begriffe
Aus der .grammatischen' Perspektive ergibt sich nicht nur ein methodologisches Programm zur Analyse von metaphorischen Äußerungen, sondern auch eine Opposition zu bestimmten Metaphernkonzepten. Im folgenden Kapitel soll es um traditionelle Begriffe wie den der .Anomalie', der .übertragenen Bedeutung', der .Uneigentlichkeit' und das damit verwandte Konzept von .Sagen und Meinen' gehen. Mit der Idee, den Grammatikbegriff auf die Pragmatik auszudehnen, verbindet sich der Anspruch, die traditionell starren Einteilungen in verschiedene Untersuchungsebenen zugunsten eines integrativen Modells zu überwinden. Daraus erwächst eine Beschreibungsform, in der die sprachlichen Erscheinungen auf den einzelnen Ebenen nicht für sich, sondern in ihrer Bezogenheit auf den kommunikativen Sinn betrachtet werden. Diese Sicht führt zugleich zu einer Abgrenzung gegenüber den oben genannten Begriffen und Theoremen. Schächter hatte etwas ganz ähnliches im Sinn, als er - wie oben aufgezeigt - die Unterscheidung zwischen der .Grammatik des Materials' und der .Grammatik der Bedeutung' vornahm und damit auf den Unterschied zwischen einer eher deskriptiv-ordnend verfahrenden Grammatik und einer .Grammatik der Bedeutung', die die Verwendung sprachlicher Mittel ins Zentrum rückt, aufmerksam machte. Den Unterschied der beiden Denkweisen hatte Schächter - wie Wittgenstein auch - an der Beschreibung des Schachspiels aufzuzeigen versucht: Die Grammatik des Materials sei mit einem Buch über das Schachspiel vergleichbar, das aber nicht wie die üblichen Lehrbücher des Schachspiels abgefaßt sei, sondern sich mehr von der äußeren Seite mit dem Schachspiel beschäftige, ζ. B. mit dem Aussehen und der Einteilung der Figuren danach. Für Schächter besteht der zentrale Unterschied zwischen beiden Grammatiktypen darin, daß die .Grammatik des Materials' Unterschiede erfaßt und klassifiziert, die hinsichtlich der Bedeutung keine Funktion besitzen.9 An die Unterscheidung Schächters anknüpfend, könnte man sagen: Auch in der Metaphernliteratur finden sich eine ganze Reihe von Begriffen, die nicht von der Verwendungsseite her, sondern nach rein formalen Kriterien gewonnen wurden. Es handelt sich hier um
9
Vgl. Kapitel 2.1.1.
37 Begriffe wie .Kategorienfehler', .kategoriale Falschheit', .semantische Anomalie', .kalkulierte Absurdität' 10 oder so zentrale Begriffe wie .Übertragung' und .Uneigentlichkeit'. Diese Begriffe sind keine Fossilien einer antiquierten Beschreibung, sondern bilden auch heute noch die Basis vieler theoretischer Zugänge. .Materialorientiertheit' im Sinne Schächters weisen diese Begriffe auf, weil sie aus einer äußerlichen, oft rein formalen Betrachtung der Sprache gewonnen worden sind. Sie sind - wie im folgenden gezeigt werden soll - aus der Isolierung und Verabsolutierung einzelner Sprachebenen entstanden.
3.2.1. Das .Abweichungstheorem' Die Darstellung des metaphorischen Sprechens unter dem Gesichtspunkt der Abweichung steht im Gegensatz zu dem in dieser Arbeit unternommenen Versuch, das metaphorische Sprechen im Rahmen einer pragmatischen Grammatik darzustellen. Während es in einer pragmatischen Grammatik um die Frage geht, inwieweit auch das metaphorische Sprechen auf Muster- und Regelkenntnissen beruht, fokussieren die Theorien, um die es hier gehen soll, den Aspekt des Fehlers oder der Anomalie. Sie gehen davon aus, daß in einer Metapher semantisch bzw. inhaltlich miteinander unverträgliche Wörter oder Ausdrücke zusammenkommen. Die semantischen Unverträglichkeiten werden je nach theoretischem Hintergrund verschieden erfaßt und bewertet, gemeinsam ist den Ansätzen jedoch, daß die semantische Anomalie unter Ausblendung von Kontextfaktoren beschrieben wird. Im folgenden sollen vor allem Ansätze besprochen werden, die sich auf unterschiedliche Weise auf den .Kategorienfehler' beziehen.11 Von dem Vorhandensein eines Kategorienfehlers gehen nicht nur so prominente Vertreter wie Grice12, Goodman13 und Ricoeur14 aus, der Kategorienfehler bleibt bis heute - wie neuere Theorien von Brülisauer15 und die elaborierteste Fassung von Strub16 zeigen - ein zentraler Aspekt der Metaphernbeschrei-
10 11
12 13 14 15
16
Vgl. Strub (1991). Als ein anderes wichtiges methodisches Paradigma, das die .semantische Anomalie' in den Mittelpunkt der Metaphernbeschreibung rückt, wäre z. B. die Transformationsgrammatik zu nennen. Vgl. z. B. Chomsky (1965/1976); Katz (1964: 410ff.); Ziff (1964); Matthews (1971); Abraham (1975); vgl. hierzu auch die Diskussion bei Levin (1977: 14ff.) und die ausführliche Kritik von Hörmann (1971). Zur Idee der Abweichung in der Tradition des französischen Strukturalismus vgl. Ricoeur (1975/1986: 82ff.); allgemein zu den Anomalietheorien Frieling (1996: 29f.). Vgl. Grice (1975/1991: 312). Vgl. Goodman (1968: 73). Vgl. Ricoeur (1975/1986: 188f., 28). Vgl. Brülisauer (1982: 186ff.); für Brülisauer stellt die Metapher durch Kategorienverwechslung allerdings nur einen von drei Metapherntypen dar. Vgl. Strub (1991: 79-135; 1995: 123, Fußnote 44).
38 bung. In einem weiteren Sinn sind diesem Konzept auch Ansätze zuzuordnen, die von Klassifikations- bzw. Kategorisierungsfehlern ausgehen wie Strauß17, Keller-Bauer18 und Keller19. Turbayne hatte in „The myth of metaphor"20 bemerkt, daß das, was beim metaphorischen Sprechen vor sich gehe, mit dem vergleichbar sei, was Gilbert Ryle in the „The concept of mind" einen „category mistake" nennt.21 Eines der Beispiele, die Ryle im Zusammenhang des Kategorienfehlers anführt, ist das folgende: Ryle erzählt von einem Ausländer, der zum ersten Mal nach Oxford kommt und sich eine Reihe von Colleges, Bibliotheken, Sportplätzen, Museen, Laboratorien und Verwaltungsgebäuden anschaut.22 Nach einiger Zeit stellt er die Frage: ,But where is the University? I have seen where the members of the Colleges live, where the Registrar works, where the scientists experiment and the rest. But I have not yet seen the University in which reside and work the members of your University.' 23
Der Irrtum des Ausländers liege - so illustriert Ryle - „in his innocent assumption that it was correct to speak of Christ Church, the Bodleian Library, the Ashmolean Museum and the University, to speak, that is, as if ,the University' stood for an extra member of the class of which these other units are members."24 Nach Ryle begeht der Ausländer einen Kategorienfehler, er erkennt nicht, daß die einzelnen Institutionen zur Universität gehören. Unter Kategorie („logical type or category") versteht Ryle „the set of ways in which it is logically legitimate to operate with it". 25 Für das Vorliegen eines Kategorienfehlers bietet Ryle in „The concept of mind" folgendes Testverfahren an: When two terms belong to the same category, it is proper to construct conjunctive propositions embodying them. Thus a purchaser may say that he bought a left-hand glove and a right-hand glove, but not that he bought a left-hand glove, a right-hand glove and a pair of gloves. ,She came home in a flood of tears and a sedan-chair' is a well-known joke based on the absurdity of conjoining terms of different types. It would have been equally ridiculous to construct the disjunction ,She came home either in a flood of tears or else in a sedan-chair'. 26
In seinem Aufsatz „Categories" schreibt Ryle, daß zwei Begriffe A und Β zu verschiedenen Kategorien gehören, wenn es einen Satzrahmen gebe, in dessen Leerstelle nur der sprachliche Ausdruck für A oder nur der sprachliche Ausdruck für Β eingesetzt werden
17 18 19
20 21
22 23 24 25 26
Strauß (1991: 131). Vgl. Keller-Bauer (1984: 26f.). „Das metaphorische Verfahren besteht naturgemäß darin, etwas im Lichte einer Kategorie zu sehen, unter die der zu betreffende Gegenstand gemeinhin nicht subsumiert wird." (Keller 1995: 190) Vgl. Turbayne (1962: 12). Allerdings spricht Turbayne selbst nicht von einem Kategorienfehler, sondern von „sort-crossing" oder „type-crossing", was er als sprachliches Verfahren verstanden wissen will. (Vgl. ebd.) Vgl. Ryle (1949/1975: 16). Ebd. Ebd. Ebd. 8. Ebd. 22.
39 könne, ohne daß dabei ein sinnloser Satz entsteht.27 Ein Satzrahmen werde dadurch erzeugt, daß man in einem Satz eine Leerstelle schafft, in die bestimmte Ausdrücke eingesetzt werden können oder nicht.28 Wenn der Kategorienfehler als methodologische Grundlage zur Beschreibung von Metaphern verwendet wird, stellt sich zum einen die Frage nach der Qualität der übernommenen Analysekriterien, zum anderen nach der Leistungsfähigkeit der angegebenen Kategorien zur Analyse und Beschreibung des metaphorischen Verfahrens bzw. einzelner metaphorischer Verwendungen. Kemmerling beurteilt die Qualität der Analysekriterien äußerst kritisch: - Die notwendige Bedingung dafür, daß zwei Begriffe derselben Kategorie angehören, sei so stark formuliert, daß kaum zwei Begriffe unter eine Kategorie fallen. Nicht einmal die beiden zweistelligen Junktoren ,und' und ,oder* gehörten so derselben Kategorie an. - Da kein Verfahren zur Feststellung lexikalischer Ambiguität bereitgestellt werde, gewährleiste Ryles Kriterium nicht, daß synonyme Begriffe derselben Kategorie angehörten. - Mit Hilfe der angegebenen Kriterien könne nicht festgestellt werden, ob die Bedeutung der Ausdrücke, die in einem Satzrahmen vorkommen, bei verschiedenen Einsetzungen konstant bleibt. Dies führe bei der Anwendung des Verfahrens zu kontraintuitiven Ergebnissen. Der Satzrahmen Hans gab ... ««/reiche nicht aus, um zu zeigen, daß das Paket und die Hoffnung verschiedenen Kategorien angehören.29 Diese Befunde werden durch Ryles eigene Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Kategorienbegriffs durchaus bestätigt. Es lohne sich, auf den Ausdruck .category' näher einzugehen, leitet Ryle seine Ausführungen zum Kategorienbegriff in „Dilemmas" ein,30 but not for usual reason, namely that there exists an exact, professional way of using it, in which, like a skeletonkey, it will turn all our locks for us; but rather for the unusual reason that there is an inexact, amateurish way of using it in which, like a coal-hammer, it will make a saticfactory knocking noise on doors which we want opened to us. It gives the answers to none of our questions but it can be made to arouse people to the questions in a properly brusque way. 31
Ryle will den Kategorienbegriff wie einen „Vorschlaghammer" verwenden, den er gegen bestimmte philosophische Denkweisen richtet. Ahnlich wie Wittgenstein geht es ihm mit seiner Sprachkritik vorrangig darum, auf bestimmte Begriffsmißstände, auf Paradoxien aufmerksam zu machen. So versucht er in „The concept of mind" nachzuweisen, daß die traditionelle Theorie der Dichotomie von Körper und Geist nichts anderes als einen eklatanten Kategorienfehler darstellt.32 Ryles Begriffsinstrumentarium ist also nicht als ein strenges Analyseinstrumentarium angelegt.
27 28 29 30 31 32
Vgl. Ryle (1938: 193f.). Vgl. ebd. 193. Vgl. Kemmerling (1976: 781). Vgl. Ryle (1954/1966: 9). Ebd. Vgl. Kemmerling (1976: 782).
40 Mit der Konzeption des Kategorienbegriffs wendet sich Ryle auch gegen die Vorstellung, daß es eine bestimmte Anzahl festumrissener Kategorien gibt. A m Beispiel des Vokabulars des Bridgespiels versucht er zu zeigen, daß dem Sprachgebrauch beliebig viele Kategorien zugrunde liegen, die untereinander keinen systematischen Zusammenhang aufwiesen. 33 In Auseinandersetzung mit den aristotelischen Kategorien schreibt Ryle: ,In which of your two or ten pigeon-holes will you lodge the following six terms, drawn pretty randomly from the glossary of Contract Bridge alone, namely „singleton", „trump", „vulnerable", „slam", „finesse" and „revoke"?' The vocabularies of the law, of physics, of theology and of musical criticism are not poorer than that of Bridge. The truth is that there are not just two or just ten different logical métiers open to the terms or concepts we employ in ordinary and technical discourse, there are indefinitely many such different métiers and indefinitely many dimensions of these differences.34
Wenn man sich die Verwendung des Kategorienbegriffs bei Ryle genauer anschaut, stellt sich die Frage, warum man überhaupt im Zusammenhang der genannten Beispiele von Kategorienfehlern sprechen sollte. Die an Ryle geübte Kritik, daß die Bedingungen für das Vorhandensein einer Kategorie so stark seien, daß kaum zwei Begriffe unter eine Kategorie fallen, könnte auch so aufgefaßt werden, daß die von Ryle angebotenen Testverfahren derartig gebrauchsorientiert sind, daß von Kategorien gar nicht mehr gesprochen werden muß. Identität ergibt sich nicht durch Subsumtion unter eine logische Kategorie, sondern nur durch eine einheitliche Verwendungsweise. Die folgenden von Kemmerling diskutierten Beispiele (2)-(5) könnten auch einfach als Formen von Regelverstößen aufgefaßt werden, als Verletzung von Distributions-bzw. Kollokationsregeln: (2)
Hans traf gestern den D u r c h s c h n i t t s s t e u e r z a h l e r . [...]
(3)
Hans sah das Buch gründlich. [...]
(4)
Hans w e i ß irrtümlich, daß heute frei ist. [...]
(5)
Hans e n t d e c k t e das Buch erfolglos. [...] 35
Die Ausführungen zeigen, daß die Kriterien, die Ryle zur Feststellung des Kategorienfehlers bereitstellt, zum einen für die linguistische Analyse unzureichend sind und daß zum anderen unklar bleibt, worin sich Kategorienfehler von gewöhnlichen Verwendungsfehlern unterscheiden. Wie wird nun - vor diesem Hintergrund - der Kategorienbegriff in der Metaphernliteratur verwendet? Kategorial nicht zusammenpassende Ausdrücke können - wenn man in der Terminologie verbleibt - in einer Metapher durchaus zusammengebracht werden. Der von Ryle angeführte Test zum Vorhandensein eines Kategorienfehlers, nämlich die Unmöglichkeit, zwei inkompatible Ausdrücke in Sätzen mit und zu verbinden, schlägt bei der Metapher nicht an. Bei einer gelungenen Metaphernbildung können sortenmäßig inkorrekte Ausdrücke entsprechend verbunden werden, ohne daß ein Verwendungsfehler entsteht. Deshalb sprechen die Vertreter des Kategorienfehlers im Fall der Metaphorik von „cal-
33 34 35
Vgl. Ryle (1954/1966: 10). Ebd. Kemmerling (1976: 782).
41 culated category-mistake"36, von ,,sprachliche[r] Anomalie mit kommunikativer Funktion" 37 oder von „kalkulierter Absurdität"38, wobei die verschiedenen Ausdrücke unterschiedlich ausdifferenzierte Varianten eines Theorems darstellen. Durch die contradictio in adjecto soll offensichtlich zum Ausdruck gebracht werden, daß es sich hier um keinen .wirklichen Fehler' handelt. Wenn die Autoren von Kategorienfehlern sprechen, obwohl kein Verwendungsfehler vorliegt, dann stellt sich die Frage, wie die Übertragung des Begriffs motiviert ist. In der Behandlung des Kategorienfehlers sind die Theorien danach zu unterscheiden, welcher Stellenwert dem Kategorienfehler im Rahmen des theoretischen Modells beigemessen wird: Erfüllt er vorrangig eine deskriptive Funktion,39 oder hat das Vorhandensein eines Kategorienfehlers weitgehende inhaltliche oder methodologische Implikationen? Für Strauß beispielsweise dient der Kategorienfehler in erster Linie zur Identifikation einer metaphorischen Verwendungsweise: Einen Ausdruck Ρ in einer Verwendung oder in einem Kontext Κ kann man dann als Metapher identifizieren, wenn man annimmt, daß erstens Ρ in Κ wörtlich kategorial falsch bzw. wörtlich abweichend ist und daß zweitens Ρ in Κ nicht-wörtlich Sinn ergibt.40
Da das Analyseinventar nicht hinreichend ausgearbeitet ist, fehlt bei solchen Anwendungen ein operationalisierbares Instrumentarium. Ähnliches gilt für Brülisauer, der im Zusammenhang des folgenden Beispiels von einer ,Kategorienvertauschung' spricht, ohne sich dabei auf Ryle zu beziehen.41 Die Metapher durch Kategorienvertauschung stellt bei ihm einen von drei Metapherntypen dar: (6)
Für eigene Fehler sind die Menschen Maulwürfe, für fremde Luchse. 42
Die Metapher bringe eine aufgrund der bestehenden Sprache errichtete Ordnung in Verwirrung, indem sie eine geläufige zoologische Klassierung durchkreuze, oder allgemeiner, indem sie eine „Kategorienvertauschung" begehe:43
37
38
39 40
41
42 43
„What occurs is a transfer of a schema, a migration of concepts, an alienation of categories. Indeed, a metaphor might be regarded as a calculated category-mistake [...]." (Goodman 1968: 73) Koller bezieht sich in seinem Buch „Semiotik und Metapher" zwar nicht direkt auf Ryle, argumentiert aber ganz ähnlich wie Goodman und Strub. Er spricht in diesem Zusammenhang von „sprachliche[r] Anomalie mit kommunikativer Funktion" (Koller 1975: 10) oder von „kalkulierte[n] Verstöße[n] gegen das usuelle Sprachsystem" (ebd. 98). „Kalkulierte Absurdität" ist für Strub das zentrale Stichwort, nach dem er sein Buch benannt hat; Strub faßt den Begriff der „kalkulierten Absurdität" als zweifache Erweiterung der Goodmanschen Hypothese auf. (Vgl. hierzu insbesondere Strub 1991: 134) Vgl. ζ. B. Keller-Bauer (1984: 26f.); Strauß (1991: 131). Strauß (1991: 131); Strauß bezieht sich hier auf Keller-Bauer (1983: 50, 57) und Koller (1975: 178). Vgl. Brülisauer (1982: 186f.). In der deutschen Übersetzung von „The concept of mind" wird der Ausdruck „Kategorienverwechslung" verwendet. (Vgl. Ryle 1969: 14) Brülisauer (1982: 187). Vgl. ebd.
42 Metaphorische Sätze - wie auch die Vergleichssätze - stehen in Opposition zur klassifikatorischen Aussage. Während die letztere darauf abzielt, die artspezifischen Unterschiede zwischen den Dingen hervorzuheben, ziehen die ersteren über die Abgrenzungen hinweg wieder eine Verbindung (und zwar handelt es sich um eine solche zwischen einem Sachverhalt in der Natur zu einem anderen in der menschlichen Erlebniswelt).44
Das Irritierende an dem angeführten Beispiel liege „darin, dass die Menschen mit Maulwürfen nicht bloss verglichen werden, sondern die Klasse der Menschen derjenigen der Maulwürfe - in einer gewissen Hinsicht - subsumiert wird: Menschen sind Maulwürfe bzw. Luchse." 45 Offensichtlich traut Brülisauer der Argumentation in Hinblick auf die Kategorienvertauschung nicht viel zu, jedenfalls greift er in der weiteren Analyse auf das Interpretationsverfahren Max Blacks zurück.46 Dies ist nicht verwunderlich, trägt doch der behauptete Sachverhalt der Durchkreuzung einer zoologischen Klassifikation kaum etwas zum Verständnis der metaphorischen Verwendung bei. Das Funktionieren des metaphorischen Verfahrens kann m. E. nur unter Rückgriff auf die spezifisch sprachliche Struktur des metaphorischen Verfahrens erhellt werden. Das Funktionieren des oben angeführten Metaphernbeispiels beruht nicht einfach darauf, daß Maulwürfe blind sind und Luchse gut sehen können und den Menschen durch die Durchbrechung einer zoologischen Klassifikation diese Attribute zugeschrieben werden. Der Metapherngebrauch knüpft an entsprechende Attribuierungen im Rahmen von phraseologischen Einheiten an, die typischerweise in bestimmten Bewertungsspielen vorkommen: an das Vorkommen des Wortes Maulwurf in einem Gemeinplatz wie blind wie ein Maulwurf sein und an das Vorkommen des Wortes Luchs in einem phraseologischen Vergleich wie Augen wie ein Luchs haben. Für das Funktionieren der Metapher spielt außerdem eine wichtige Rolle, daß Wörter der Wahrnehmung - wie das Verb sehen oder das Adjektiv blind - im Deutschen auch in Äußerungszusammenhängen vorkommen können, in denen es um das Erkennen bzw. Wahrnehmen von abstrakten Sachverhalten geht: (7)
Jmd. erkennt das Problem nicht.
-
Jmd. sieht das Problem nicht.
(8)
Jmd. erkennt den Point nicht.
-
Jmd. sieht den Point nicht.
(9)
Jmd. erkennt den Fehler nicht.
-
Jmd. sieht den Fehler nicht.
Eine in diesem Zusammenhang wichtige Verwendungsweise von blind ist die Verwendung in einer Äußerung wie der folgenden: (10)
Jmd. ist blind gegenüber seinen eigenen Fehlern.
Die metaphorische Verwendung des Wortes Maulwurf in Beispiel (6) hat also eine sehr starke sprachsystematische Verankerung, sie knüpft unmittelbar an bestimmte lexikalisierte Metaphern an. In einer Sprache, in der diese semantischen Möglichkeiten nicht gegeben sind, würde die Metapher vermutlich nicht funktionieren.
44 45 46
Ebd. Vgl. ebd. 187f. Vgl. ebd. 191ff.
43 Bei der Metapheraverwendung geht es also nicht abstrakt um Eigenschaften von Tieren oder um eine wie auch immer geartete Klassifikation, sondern um die spezifische Ausnutzung bestimmter sprachlicher Attribute wie blind im Rahmen des metaphorischen Verfahrens.47 Da der Satz bei Brülisauer nicht in seinem Kontext dargeboten wird, können weitergehende Analysen, die die Funktion betreffen, nicht durchgeführt werden. Auf diesen grundlegenden Mangel der Theorien, die vom Kategorienfehler sprechen, wird noch näher einzugehen sein. Sehr viel weitreichendere Folgerungen aus dem Vorhandensein eines Kategorienfehlers zieht Strub in seiner 1991 erschienenen Arbeit „Kalkulierte Absurditäten" 48 . Zunächst ist hervorzuheben, daß Strub sich im Gegensatz zu den meisten anderen Theoretikern um eine Präzisierung des Begriffs bemüht. Es wurde bereits festgestellt, daß Ryles Analysekriterien nicht ausreichen, um den Kategorienfehler überhaupt zu identifizieren. Strub versucht daher im Vorfeld eine Abgrenzung gegenüber anderen Fehlertypen vorzunehmen. Zentrale Kapitel seiner Arbeit sind dem Problem gewidmet, wie eine operationalisierbare Definition des Kategorienfehlers aussehen müßte. Nach einer ausführlichen und äußerst expliziten Diskussion verschiedener Fehlertypen gelangt Strub zu einer Weiterentwicklung der Definition des Kategorienfehlers. Er unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen faktisch absurden49 und notwendig absurden Sätzen, wobei der Kategorienfehler, wie er von Ryle und seinen Nachfolgern beschrieben wird, nur für notwendig absurde Sätze der folgenden Form gelte: Ein Satz ist dann notwendig indirekt selbstwidersprüchlich, wenn durch ihn begriffliche Implikationen seiner Termini verletzt sind und wenn die (interne) Negation eines der beiden Termini seine notwendige indirekte Selbstwiderspriichlichkeit nicht aufhebt.50
Strub bezeichnet den von ihm identifizierten Fehlertypus als .kalkulierte Absurdität'. Seine Ergebnisse und Folgerungen lassen sich nur unter zwei Prämissen aufrechterhalten: dem Wörtlichkeitsprinzipund der Wahl des Satzes als Untersuchungsebene. Strub bemerkt dazu etwas lapidar, daß eine Metapherntheorie immer von der wörtlichen Ebene auszugehen habe, und diese müsse so beschrieben werden, daß sie ohne vorhergehende Interpretationsannahmen auskomme.51 Den mit dieser Methode einhergehenden Verzicht auf sprachliche Kontexte begründet Strub durch einen Verweis auf die traditionelle Unterscheidung von Semantik und Pragmatik: Nach allgemeiner Auffassung behandelt die Semantik die Aspekte der Bedeutung von sprachlichen Gebilden, die kontextunabhängig erfaßbar sind; die Pragmatik diejenigen, die nur kontext-
47 48 49
50 51
Das Prinzip der sprachlichen Bezugnahme wird in Kapitel 5.2.2 noch eingehend beschrieben. Strub (1991). „Ein Satz ist dann offensichtlich falsch, wenn durch ihn begriffliche Präsuppositionen verletzt sind, die keine begrifflichen Implikate sind, und die (interne) Negation eines der beiden Termini seine offensichtliche Falschheit nicht aufhebt." (Strub 1991: 119) Die faktisch absurden Sätze stellten keine Verletzung von Typenregeln dar, sondern seien lediglich situationsbezogene Abweichungen. (Vgl. ebd. 131) Ebd. 119. Vgl. ebd. 172f.
44 abhängig erfaßbar sind. Dies ist sicher keine befriedigende Trennung; für das hier behandelte Problem reicht sie aber aus.52
Wie folgenreich eine solche Beschränkung ist, zeigt der Mustersatz, den Strub zur Veranschaulichung der von ihm bereitgestellten Kriterien zur Feststellung eines notwendig absurden Satzes anführt. Satz (11) sei „a priori, d. h. unkorrigierbar, und metaphysisch notwendig, also in allen möglichen Welten, falsch": 53 (11)
Die Zahl 5 ist grün.
Man braucht nicht viel Phantasie, um sich einen Kontext vorzustellen, in dem ein solcher Satz sinnvoll gebraucht werden kann. Man stelle sich nur ein Kind vor, das Zahlen mit Buntstiften ausmalt, nach der Farbe der Zahl 5 gefragt wird und antwortet: Die Zahl 5 ist grün.54 Das Einlassen auf den Satz als Analyseebene führt nicht nur - wie das Beispiel zeigt zu Ergebnissen, die dem Sprachgebrauch widersprechen, es führt auch zu einer Beschränkung der Analysemöglichkeiten. Satzwertige Metaphern lassen sich mit Hilfe des Kategorienfehlers nicht analysieren: Eine Äußerung wie (12), die sich am Anfang eines Artikels über den .Immobilienhai' Jürgen Schneider findet, enthält keinen Kategorienfehler: (12)
Zwei Wochen war der ,Hai' schon abgetaucht. [Frankfurter Rundschau Nr. 46, 23.2.1996, S. 3]
Levinson und Kiinne lehnen aus solchen Gründen den Kategorienfehler als diagnostisches Kriterium ab.55 Zur Bewertung der einzelnen Ansätze ist - wie oben angesprochen - wichtig, welcher Stellenwert dem Kategorienfehler jeweils beigemessen wird. Wird ihm lediglich eine Funktion bei der Identifikation von Metaphern zugeschrieben, oder werden darüber hinaus auch wichtige Aussagen über das Funktionieren des Verfahrens an das Vorhandensein des Fehlers geknüpft? Am problematischsten sind Theorien, die aus dem Kategorienfehler weitreichende Schlußfolgerungen ziehen: Was auf der Satzebene als Anomalie erscheint, wird „ontologisch" dem Wesen der Metapher zugeschrieben:56 „Daß Metaphern auf ihrer wörtlichen Ebene absurd sind, ist [...] nicht kontingent und höchstens einmal zu ihrer Identifizierung hilfreich, sondern das »Geheimnis der Metapher«."57 Es soll hier nicht bezweifelt werden, daß die Nicht-Konventionalität auf der semantischen Ebene zur Identifizierung von Metaphern beiträgt, aber diese Nicht-Konventionalität sollte theoretisch nicht überbewertet und zu einem „Geheimnis", .Skandal'58 etc. stilisiert werden.
52 53 54 55 56 57 58
Ebd. 55. Ebd. 123; vgl. auch ebd. 103ff. Zur Kritik an Strubs methodologischer Beschränkung vgl. auch Debatin (1995: 6). Vgl. Levinson (1983/1995: 157); Künne (1983: 187). Vgl. Strub (1991: 503f.). Ebd. 415. Diese Kennzeichnung findet sich nicht nur bei Strub, sondern auch bei Eco (1983: 218).
45 Für einige Autoren ist der Regelverstoß nicht nur ein notwendiges diagnostisches Kriterium für das Vorliegen einer Metapher, sondern auch k o n s t i t u t i v für die Angabe eines Interpretationsverfahrens. 59 Ricoeur interpretiert die Kategorienverwechslung heuristisch als ,,dekonstruktive[s] Zwischenspiel zwischen Beschreibung und
Neubeschrei-
b u n g " . 6 0 Koller sieht in der semantischen Anomalie eine Normverletzung, aus der sich in einem dialektischen Sinn die kommunikativen Funktionen ergeben: Wenn Metaphern hier unter dem Begriff der sprachlichen Anomalie subsumiert werden, so steckt dahinter die provokative Absicht, die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Problemstellungen zu richten. [...] Der provokative Sinn der Verwendung des Anomaliebegriffs zu[r] Qualifizierung der sprachlichen Eigentümlichkeit von Metaphern liegt [...] darin, die Aufmerksamkeit auf die Frage zu konzentrieren, welche sprachlichen Normen Metaphern verletzen und ob womöglich die besonderen kognitiven und kommunikativen Funktionen von Metaphern in einem dialektischen Sinne aus eben diesen Normverletzungen resultieren.61 Strub geht mit seiner Unersetzbarkeitstheorie der emphatischen Metapher 62 schließlich noch ein Stück weiter. Die „Skizze einer Unersetzbarkeitstheorie" legt „Wert darauf, daß die Metapher keine Ähnlichkeiten, sondern Unähnlichkeiten schafft." 6 3 Diese Forderung entwickelt Strub „aus der Reflexion auf die grammatische F o r m der Metapher, nämlich der Beschreibung der Metapher als »kalkulierte Absurdität«": 6 4 Es wurde behauptet, daß, wenn der Ansatz, die Metapher auf ihrer wörtlichen Ebene ernst zu nehmen, konsequent verfolgt wird, man eine Theorie der Interpretation der Metapher behaupten muß, in der die Metapher Unähnlichkeiten und keine Ähnlichkeiten schafft. 65 Als den Kernpunkt der Unähnlichkeitstheorie bezeichnet er den Sachverhalt, daß emphatische Metaphern nicht p r o g n o s t i s c h
seien, in dem Sinn, daß sie neue Eigenschaften
eines Dinges oder dessen Relationen zu einem anderen Ding vermuten lassen, sondern diagnostisch,
womit er meint, daß sie bestimmte alte
Eigenschaftszuschreibungen
problematisieren. 6 6 Die Nicht-Wohlgeformtheit der metaphorischen Äußerungsform hat daher bei Strub auch immer einen sprachkritischen Impetus: Die Metapher schafft etwas Neues in der Welt dadurch, daß sie aufgrund einer vorgegebenen Ähnlichkeit etwas Altes durch Verunähnlichung zerstört. Indem Metaphern Beliebiges zusammenzwingen, zerstören sie die in unserem sprachlich verfaßten Weltbild festgelegten Ähnlichkeitsrelationen.67
59 60 61 62
63 64 65 66 67
Vgl. Strub (1991: 70). Vgl. Ricoeur (1975/1986: 28). Koller (1975: 6). Unter einer .emphatischen Metapher' versteht Max Black eine Metapher, die weder eine Variation, noch einen Austausch der gebrauchten Wörter zuläßt. (Vgl. Black 1977/1993: 25f.) „Plausible opposites to .emphatic' might include: .expendable', .optional', .decorative' and .ornamental'." (Vgl. ebd. 26) Strub (1991: 502). Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. 444. Strub (1995: 123).
46 Erst unter diesem Zerstörungsaspekt könne man sein Augenmerk auf die genuin sprachliche Form der metaphorischen Sätze richten. Sie seien „Störungen der sprachlichen Regularität, oft Kategorienfehler". 68 Dem Kategorienfehler kommt in den genannten Ansätzen also nicht nur eine metaphernindizierende Funktion zu, er wird funktional-pragmatisch - oder wie bei Strub - ontologisch ausgedeutet. Strub spricht in diesem Zusammenhang von einer ,,ontologische[n] Interpretation eines semantischen Befunds" 69 . Die Metapher wird - und darin besteht die historische Dimension des Ansatzes - betrachtet „als sprachlicher Kern einer nachanalogischen Ontologie der Moderne". 70 Die Konzentration auf den nicht-wohlgeformten Satz verdeckt jedoch die Sicht auf die funktionalen Eigenschaften metaphorischer Äußerungen, indem sie Daten, die auf einer rein wort- bzw. satzsemantischen Analyseebene gewonnen werden, im Sinne der kommunikativen Funktion ausdeutet. Metaphorische Äußerungen verletzen keine sprachlichen Regeln oder Normen, eine Norm kann nur derjenige verletzen, der ein bestimmtes Spiel überhaupt spielt. Im Fall der Metapher greift der Sprecher aber nicht zu einer konventionellen Äußerungsform, sondern zu einem kommunikativen Verfahren, in dem die Wörter und Ausdrücke nicht konventionell, sondern im Sinne eben dieses Verfahrens angeordnet werden. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der Wohlgeformtheit. Leisi hatte mit Recht darauf hingewiesen, daß eine Metapher zwar unter dem Gesichtspunkt der semantischen Kongruenz .falsch' sei, sich aber auf einer höheren Ebene als richtig erweise.71 Der Fehler, der der Metapher attestiert wird, kommt dadurch zustande, daß die Sprache in ihrem Funktionieren modular gedacht wird. Hier stellt sich die grundlegende Frage, warum sich die Theorien bei der Analyse von Metaphern auf den Satz beschränken und damit auf grundlegende Informationen des Ko- und Kontextes verzichten. Hörmann, der sich in einem Aufsatz ausführlich mit der semantischen Anomalie und entsprechenden Positionen des transformationsgrammatischen Paradigmas auseinandergesetzt hat, sieht die theoretische Grundlage der Theorien in einer grundsätzlichen Trennung von Pragmatik und Semantik. Die Tendenz, die Semantik-Theorie rein intra-sprachlich zu konzipieren, werde von den Autoren klar gesehen und eindeutig bejaht. Hörmann führt in diesem Zusammenhang Katz/Fodor an, die schreiben:72 Since a complete theory of setting selection must represent as part of the setting of an utterance any and every feature of the world which speakers need in order to determine the preferred reading of that utterance, [...] such a theory cannot in principle distinguish between the speaker's knowledge of his language and his knowledge of the world [...]. 73
Da keine wirkliche Möglichkeit zur Systematisierung des gesamten Umweltwissens bestehe, eine Theorie dieser Art eine derartige Systematisierung aber erfordere, könne sie
68 69 70 71 72 73
Vgl. ebd. Fußnote 44. Strub (1991: 503). Ebd. 18; vgl. hierzu auch 47Iff. Vgl. Leisi (1953: 70); Hörmann (1971: 323). Vgl. Hörmann (1971: 314). Katz/Fodor (1963: 179).
47 nicht als Strukturmodell für die Semantik gewählt werden.74 Vor diesem Hintergrund sei auch die Überbetonung der Logik beim Aufbau semantischer Systeme zu verstehen.75 Die Privilegierung eines kontextlosen Modells in seinen verschiedenen theoretischen Ausgestaltungen hat ihren Ursprung in dem prinzipiellen Zweifel an der Möglichkeit, eine Semantik zu begründen, die von der Äußerungsbedeutung ausgeht. Man sieht an dieser Diskussion, wie tief jede Metapherntheorie in der Semantik verwurzelt ist. Auch manche pragmatisch orientierten Autoren zweifeln, ob es möglich ist, eine Semantik zu konzipieren, die das Kontextwissen einbezieht. Heringer votiert aus ähnlichen Gründen für die grundsätzliche Opposition von ,Bedeutung' und .Meinung': Nehmen wir an, die Bedeutung einer sprachlichen Einheit Y sei B1 im Kontext K l , B2 im Kontext K2 usw., dann folgt daraus, daß jede sprachliche Einheit unendlich viele Bedeutungen haben kann, da die Anzahl ihrer Kontexte unendlich ist. Unter diesen Bedeutungen können auch entgegengesetzte sein, wenn Ironie im Spiel ist. Darum kann die Linguistik einen solchen Bedeutungsbegriff nicht gebrauchen. 76
Dieser Argumentation liegt meines Erachtens ein zu rigider Musterbegriff zugrunde. In der Konsequenz dürfte es auch nicht möglich, Muster zu identifizieren, die Handlungen, Texten oder Dialogen zugrunde liegen. In allen Fällen haben wir es mit Musterbildungen zu tun, die von bestimmten sich verändernden Größen absehen. Natürlich geht nicht jedes Umweltfaktum in die Bedeutungstheorie ein; das gebrauchstheoretische Diktum ,Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch' wäre so interpretiert aber auch falsch verstanden. Es ist eine der grundlegenden menschlichen Fähigkeiten, daß wir Muster und Gestalten erkennen und dabei von bestimmten akzidentiellen Faktoren absehen können. Dies gilt nicht nur für die oben angeführten Einheiten, die bei einer pragmatischen Analyse eine wichtige Rolle spielen. Auch bei lautlichen Einheiten zeigt sich eine derartige Varianz, daß eine automatische Reproduktion im Rahmen der Simulationsversuche noch nicht befriedigend geglückt ist. Wir sehen das Gemeinsame der Gebrauchsweisen in bestimmten Verwendungssituationen, wir erkennen Muster, die sich wiederholen, und können gleichzeitig von akzidentiellen Gegebenheiten abstrahieren. Darin besteht sozusagen der ,Witz' eines Musters. Die Ausschaltung von Kontextfaktoren, die bei den Theorien zu erkennen ist, die von .semantischer Anomalie', .Kategorienfehler', .Absurdität' etc. ausgehen, ist jedenfalls durch den Hinweis auf die Unmöglichkeit einer semantischen Analyse, die von der Äußerungsbedeutung ausgeht, schlecht begründet. Die genannten Ausdeutungen des Kategorienfehlers ergeben sich durch einen falsch verstandenen Begriff von Wohlgeformtheit. Der Begriff der Wohlgeformtheit muß - wie der Regelbegriff auch - auf jeder Ebene neu bestimmt werden. Wohlgeformtheit soll hier nicht als abstrakte systemimmanente Größe betrachtet werden, sondern als eine Funktion gelingender Kommunikation. In der sprachanalytischen Philosophie ist verschiedentlich herausgestellt worden, daß sich Regeln und Regelverstöße aus den Sprechererwartungen rekonstruieren lassen. Dabei kommt - wie Austin gezeigt hat - den problematisierenden
74 75 76
Vgl. ebd. Vgl. Hörmann (1971: 315). Heringer (1974b: 126).
48 Sprechhandlungen eine besondere Bedeutung zu, denn an ihnen läßt sich ablesen, was Sprecher erwarten bzw. was sie als Regelverstoß monieren.77 Es ist daher eine wichtige Feststellung, daß metaphorische Äußerungen von Sprechern in der Regel nicht als Regelverstöße wahrgenommen werden. In den meisten Fällen .stören' sie den sequentiellen Ablauf von Sprechhandlungen nicht, das heißt, die Sequenz nimmt ganz ungeachtet der Metapher ihren normalen Verlauf, sie zeigt hinsichtlich der reaktiven Züge keine .metaphernspezifischen' Besonderheiten auf. Nimmt der Sprecher dennoch Anstoß an einer verwendeten Metapher, so bezieht sich die problematisierende Sprechhandlung in der Regel nicht auf das Verfahren, sondern - auf die Angemessenheit des metaphorischen Sprechens in bestimmten Situationen, - auf die Qualität der gebildeten Metapher, - auf das Verständnis einer bestimmten metaphorischen Äußerung. Das Kriterium der Wohlgeformtheit sollte daher nicht auf konventionelle Äußerungsformen beschränkt, sondern auf alle Verfahren ausgedehnt werden, die von Sprechern als wohlgeformt akzeptiert werden. Zutreffend konstatiert Seel: Es ist davon auszugehen, daß die gesprächskooperative und verständigungsorientierte figürliche Rede überhaupt keine Verletzung der Bedingungen gelungener Rede darstellt. Man muß diese Bedingungen nur richtig verstehen - nicht als Regeln der Bedeutung von Worten und Sätzen, sondern als Prinzipien der Verständigung in K e n n t n i s der Regeln, die Bildung und Bedeutung sprachlicher Ausdrücke und Einheiten bestimmen. 78
Der Irrtum, dem die oben genannten Ansätze unterliegen, besteht darin, daß sie, wenn sie vom Regelverstoß sprechen, die Ebene des Wortes bzw. Satzes als Analyseeinheit privilegieren.79 Von der Wort- bzw. Satzebene aus läßt sich über die kommunikative Qualität von Äußerungen gar nichts aussagen. Es läßt sich weder bestimmen, ob ein Satz sinnvoll ist, noch ob er kategorial falsch oder absurd ist, was ja die Voraussetzung für den metaphorischen Gebrauch sein soll. Es ist schon verschiedentlich darauf hingewiesen worden, daß jeder isolierte Satz in falscher Umgebung zur Absurdität führen kann, und für viele zunächst merkwürdig anmutende Sätze lassen sich Kontexte finden, in denen der Satz sinnvoll gebraucht werden kann.80 Dies mußte bereits Chomsky feststellen, als er mit dem Satz (13)
Colorless green ideas sleep furiously.
ein Beispiel für einen sinnlosen Satz gefunden zu haben glaubte, ein Kollege ihm kurze Zeit darauf aber nachwies, daß sich auch ein solcher Satz sinnvoll verwenden läßt.81
77 78 79 80 81
Vgl. Austin (1956/1970). Seel (1990: 266). Vgl. hierzu auch Hesse (1988: 130). Vgl. Berg (1978: 110); Loewenberg (1975: 322); Matthews (1971: 418f.). Vgl. Chomsky (1962: 15). Der Satz stammt aus einem Gedicht von Dell Hymes; vgl. hierzu auch Abraham (1975: 134) und Künne (1983: 186).
49 Wer eine Metapher gebraucht, verletzt nicht - sozusagen in einem ersten Schritt - eine Regel und kommt dann auf einer anderen Stufe zum kommunikativen Sinn; er entscheidet sich von vornherein für ein Verfahren, dessen Sinnhaftigkeit gar nicht in Zweifel steht, weil es als kommunikatives Verfahren eingeführt ist. Man könnte denken, daß die oben besprochenen Ansätze ja auch zum kommunikativen Sinn gelangen, nur auf anderem Wege. Dagegen ist jedoch einzuwenden, daß die Reihenfolge der Analyse keineswegs beliebig ist. Mit der aufsteigenden Analyse ergeben sich nämlich nicht nur die bereits erwähnten falschen Funktionszuordnungen, sondern auch eine ganze Reihe anderer Probleme: - Sie führt häufig zu einer einseitigen Bewertung des metaphorischen Sprechens, weil sie das metaphorische Verfahren an den Regeln der konventionellen Bedeutungskonstituierung mißt und den Sinn des Verfahrens lediglich durch eine Negativabgrenzung nämlich über die Regelverletzung - beschreiben kann. Allzu leicht gerät das metaphorische Sprechen dadurch ins ,Abseits', fällt aus den natürlichen Sinnkonstituierungsprozessen heraus. - Häufig werden dabei auch rein sprachliche Daten auf kognitive Prozesse übertragen. Die immer wieder geäußerte Auffassung, daß Metaphern so etwas wie eine .Störung der Normalstimmigkeit' 82 oder eine ,Dissonanz'83 im kognitiven Sinne bewirken, entspringt einem solchen Denken. Rolf weist in seinem Aufsatz „Semantische Dissonanz" darauf hin, daß der durch die Begriffe .Störung' oder .Dissonanz' suggerierte negative Beigeschmack - etwa im Sinne von seelischen .Qualen' oder seelischer Verstimmung nicht dem natürlichen Empfinden von Metaphorik entspreche.84 So wie ein Witz Freud zufolge - einen psychischen Aufwand erübrige und infolgedessen erheitere, so gelte auch - zumindest für ,gute' - Metaphern, daß sie eher als Entlastung und Bereicherung denn als psychische Belastung empfunden würden.85 - Gewichtiger noch als die Fehleinschätzung des psychischen Geschehens ist die Beurteilung des Verstehensvorgangs, die aus dem kompositioneilen Verfahren folgt. Der Satz als Analyseeinheit ergibt nämlich keine hinreichenden Informationen über die kommunikative Qualität einer Äußerung. Die metaphorische Äußerung erscheint aus einer solchen Perspektive hinsichtlich ihres Verstehensvorgangs viel komplexer, als sie in ihrem kommunikativen Zusammenhang tatsächlich ist.
82
83 84 85
In „Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit" schreibt Blumenberg (1979: 77f.): „Das Rätsel der Metapher kann nicht allein aus der Verlegenheit um den Begriff verstanden werden. Rätselhaft nämlich ist, weshalb Metaphern überhaupt .ertragen' werden. Daß sie in der Rhetorik als .Schmuck der Rede' auftreten, mag in ihrer Gewähltheit begreiflich werden; daß sie aber auch in gegenständlichen Kontexten hingenommen werden, ist nicht selbstverständlich. Denn in jedem solchen Kontext ist die Metapher zunächst eine Störung. Betrachtet man das Bewußtsein, sofern es von Texten .affiziert' wird, mit der Phänomenologie als eine intentionale Leistungsstruktur, so gefährdet jede Metapher deren .Normalstimmigkeit'." Vgl. Strietz (1991: 118). Vgl. Rolf (1993: 67). Vgl. ebd.
50 - Am fragwürdigsten ist aber die Ausbeutung der ,semantischen Anomalie' oder ,kategorialen Falschheit' im Sinne eines Interpretationsschemas für die Beschreibung der Funktion metaphorischen Sprechens. Hier wechseln die Vertreter entsprechender Ansätze die Beschreibungsebenen: Begriffe wie .Fehler', ,Sinn', .Funktion' etc. sind alltagssprachlich wie fachsprachlich ambig. In den oben genannten Theorien wird der Begriff des .Fehlers' zunächst auf der Satzebene unter Ausschaltung von Kontextfaktoren in einem sprachsystematischen Sinn gewonnen, dann aber mit einem Funktionsbegriff konfundiert, der auf der Handlungsebene liegt. Der kritische Sprachgebrauch, den Strub, Koller u. a. der Metapher attestieren, kann nicht durch die Verwendung eines kommunikativen Verfahrens allein zustande kommen, sondern ist immer das Ergebnis der Verwendung einer Metapher im Rahmen einer bestimmten kommunikativen Handlung. Wenn man die Normverletzung im Rahmen des Metapherngebrauchs schon an das metaphorische Verfahren knüpft, wie Strub und Koller dies tun, nimmt man sich die Möglichkeit, auf der Handlungsebene entsprechende Differenzierungen vorzunehmen. Man müßte dann die emphatische Metapher in der Dichtung mit der emphatischen Metapher in der Werbung von ihrer Funktion her gleichsetzen. Die hier vertretene gebrauchstheoretische Richtung unterscheidet sich von den besprochenen Ansätzen dadurch, daß sie nicht vom Wort zum Satz, vom Satz zur Äußerung und von der Äußerung zum Sinn fortschreitet, sondern die Ebene des kommunikativen Sinns als die Ebene wählt, von der aus kommunikative Verfahrensweisen beschrieben werden. Erst durch die Einbindung in ein Sprachspiel erhält die Metapher ihren systematischen Ort, von dem aus sie sinnstiftend wirksam und verstehbar wird. Die systematische Verortung im komplexen Regelzusammenhang ist bedeutsam für - das .Identifizieren' des metaphorischen Verfahrens, - die Integration der metaphorisch verwendeten Ausdrücke in den Äußerungskontext, - die Beurteilung der metaphorischen Äußerung hinsichtlich ihrer Gültigkeit. Die auf diesem Wege gewonnen Einsichten sind keineswegs nur linguistische Konstrukte, sie gehören vielmehr zur Kompetenz des Sprechers, von der er Gebrauch macht, wenn er -
eine metaphorische Äußerung versteht, eine metaphorische Äußerung akzeptiert oder ablehnt, metaphorisches Sprechen kritisiert, metaphorisches Sprechen metakommunikativ zur Sprache bringt. 86
3.2.2. Das .Uneigentlichkeitstheorem' Mit dem .Uneigentlichkeitstheorem' ist die bereits aus der Antike überlieferte Vorstellung angesprochen, ein metaphorisch gebrauchtes Wort ersetze ein sogenanntes .verbum proprium' , das eigentlich an seiner Stelle steht. Was hier als Uneigentlichkeitstheorem bezeichnet wird, bezieht sich auf die Vorstellung, daß der metaphorisch verwendete Aus-
86
Was hier hörerseitig formuliert worden ist, gilt natürlich auch entsprechend für die Sprecherseite.
51 druck einen Platz einnimmt, der eigentlich einem anderen Wort zukommt. Die Definition des Tropus, wie sie in der rhetorischen Tradition vorgenommen wird, legt diese Auffassung nahe: „Ein Tropus", heißt es bei Quintilian, „ist die kunstvolle Vertauschung der eigentlichen Bedeutung eines Wortes oder Ausdruckes mit einer anderen." 87 Cicero spricht davon, daß das übertragene Wort „gleichsam an fremder Stelle stehe" („aut eis, quae transferuntur et quasi alieno in loco conlocantur")88; an anderer Stelle gibt er die Empfehlung, daß dieses Wort nicht enger sein solle, als das eigentliche, richtige gewesen wäre. 89 Diese Vorstellung, die in der Literatur auch unter dem Namen .Substitutionstheorie' diskutiert wird, ist bereits ausführlich und hinreichend kritisiert worden. 90 Die Metapher hat im sprachsystematischen Denken der Rhetoriker keinen rechten Ort. Sie ,stößt' auf ein System, das bereits in sich geordnet und abgeschlossen ist. Was als Sprachsystem gedacht wird, gilt als abgeschlossen, bevor die Metapher überhaupt ins Spiel kommt. Die Metapher ist daher eine Art Ausnahmeerscheinung. Cicero empfiehlt äußerste Vorsicht beim Gebrauch von Metaphern, eine Übertragung müsse behutsam vorgenommen werden, „damit es scheint, als sei das Wort an seinem fremden Platz nicht eingedrungen, sondern eingeführt, und mit Verlaub nicht mit Gewalt erschienen".91
3.2.2.1. Sagen und Meinen Eine Fortsetzung erfährt die Dichotomie .eigentlich - uneigentlich' in Theorien, die mit dem Begriffspaar .Sagen - Meinen' arbeiten. Die Opposition von Sagen und Meinen wird schon in der Antike formuliert, so bemerkt etwa Cicero im Zusammenhang der Tropen (Synekdoche), daß man auf jeden Fall nicht das verstehe, „was gesagt ist, sondern was gemeint ist". 92 In den vergangenen Jahrzehnten war es vor allem Grice, der dieser Opposition Geltung verliehen hat, und sie findet unter den pragmatisch ausgerichteten Autoren nach wie vor großen Anklang.93 Nach Rolf ist Grices Theorie der Konversations-Implikaturen konzipiert worden, um Dissoziationen des Gesagten und des Gemeinten zu erfassen: Fälle, in denen der Sprecher etwas anderes .meine', als er .wortwörtlich' sage.94
87 88 89
90
91
92
93
94
Vgl. Quintiiianus Institutionis Oratoriae Libri XII, VIE 6, 1. Cicero De oratore, ΠΙ, 149. Vgl. ebd. DI, 164: „nolo esse verbum angustius id, quod translatum sit, quam fuisset illud proprium ac suum". Zur Kritik an der Substitutionstheorie vgl. z. B. Ricoeur (1975/1986: 25, 58-60, 91, 99); Black (1977/1993: 21f.; 1954/1962: 31ff.); Koller (1986: 382f.). Vgl. Cicero De oratore, ΠΙ, 165: „etenim verecunda debet esse translatio, ut deducta esse in alienum locum, non inrupisse, atque ut precario, non vi, venisse videatur". (Ebd. 164) Vgl. ebd. ΠΙ, 168: „aut quocumque modo, non ut dictum est, in eo genere intellegitur, sed ut sensum est". Vgl. ζ. Β. Berg (1978: 61ff.); Keller (1975: 49, 52; 1975b: 184; 1995b: 203); Searle (1979/1993: 83f.). Vgl. Rolf (1994: 110).
52 Dem Uneigentlichkeitsparadigmakann die Theorie Grices zugerechnet werden, weil das metaphorische Sprechen vornehmlich auf dem Hintergrund einer aufzulösenden Mehrdeutigkeit bzw. Ambiguität auf der Ebene des Sagens beschrieben wird. Zielrichtung ist die Vereindeutigung auf der Ebene des Meinens, auf der die Metapher aber als metaphorische Äußerungsform nicht mehr vorkommt, weil das metaphernspezifische der Ausdrucksform bei der .Übersetzung' in das Meinen verschwunden ist. Grice hatte aufbauend auf dem Kooperationsprinzip Konversationsmaximen formuliert, die er in Anlehnung an Kants Urteils- bzw. Kategorientafel den Kategorien der Quantität, Qualität, Relation und Modalität zuordnet.95 Die Metapher stelle - wie ζ. B. Ironie, Litotes und Hyperbel auch — einen Verstoß gegen die Maxime der Qualität („Try to make your contribution one that is true"96) dar. Grice betont jedoch, daß im Fall der Redefiguren zwar eine Maxime auf der Ebene des Gesagten verletzt sei, die Maxime oder das umfassende Kooperationsprinzip auf der Ebene des Implizierten jedoch beachtet werde.97 Es ergibt sich also eine Differenz zwischen der Ebene des Gesagten und des Gemeinten. Grices Bemerkungen zur Metapher sind wenig explizit, allerdings handelt es sich hier auch nicht um eine Metapherntheorie. Die Theorie der Konversations-Implikaturen ist nach Rolf vornehmlich konzipiert worden, „um die n i c h t vorgeprägten Fälle des Auseinandertretens von Sagen und Meinen erfassen zu können." 98 Den Beispielsatz You are the cream in my coffee analysiert Grice über den Kategorienfehler99. Der Sprecher schreibe seiner Zuhörerin mit dieser Äußerung eine oder mehrere Eigenschaften zu, in denen die Zuhörerin der erwähnten Substanz (bei mehr oder weniger strapazierter Phantasie) ähnlich sei. Die Äußerung wird als ein kombiniertes Verfahren von Metapher und Ironie beschrieben: I say You are the cream in my coffee, intending the hearer to reach first the metaphor interprétant ,You are my pride and joy' and then the irony interprétant ,You are my bane'. 100
Die große Wirkung, die Grices Konzeption auch auf die Metapherntheorie ausgeübt hat, ist weniger auf seine spärlichen Bemerkungen zur Metaphorik zurückzuführen, sondern auf seine Konzeption von Sagen und Meinen, in die das Metaphernbeispiel als eine Form der konversationalen Implikatur eingebunden ist. Damit verbindet sich jedoch zugleich auch die Problematik dieses Ansatzes. Im Rahmen des Griceschen Programms stellt die Metapher nur einen Fall des Verstoßes gegen die Qualitäts-Maxime dar, sie steht damit gleichberechtigt neben anderen sprachlichen Erscheinungen wie Ironie, Litotes und Hyperbel. Levinson bemerkt dazu kritisch, daß die von Grice gelieferte Charakterisierung wenig Einblick in die Beschaffenheit der Metapher vermittle. Sie biete uns lediglich ein Teilkriterium für das Erkennen einer Metapher, weil alle anderen Implikaturtypen aufgrund
95 96
97 98 99 100
Vgl. Grice (1975/1991: 308ff.); vgl. hierzu auch Rolf (1994: 104f.). Grice (1975/1991: 308). Unter diese Kategorie fallen wiederum zwei speziellere Maximen: „1. Do not say what you believe to be false. 2. Do not say that for which you lack adequate evidence." (Ebd.) Vgl. ebd. 311. Vgl. Rolf (1994: 113). Vgl. hierzu Kapitel 3.2.1. Grice (1975/1991: 312).
53 der Ausschöpfung von Maximen dieselben Eigenschaften hätten, nämlich daß sie durch eine offene Mißachtung einer Konversationsmaxime generiert würden. 101 Levinson kritisiert auch, daß die Metapher nicht grundsätzlich als Verletzung bzw. Ausschöpfung der Qualitätsmaxime angesehen werden könnte. Satzmetaphern der Art (14)
Your defence is an impregnable castle. 102
seien keine kategorischen Falschheiten, denn ein solcher Satz könne wahr und zugleich metaphorisch sein. Man müsse vielmehr sagen, wörtlich genommene Metaphern verletzten entweder die Qualitätsmaxime oder seien anderweitig konversationeil inadäquat, besonders bezüglich der Relevanzmaxime. 103 Wenn man sich die von Grice am Ende von „Logic and conversation" angeführten Eigenschaften konversationaler Implikaturen anschaut (Stornierbarkeit, Nichtabtrennbarkeit, Nichtkonventionalität, Verbalisiertheit, Unbestimmtheit) 104 , so kann bezweifelt werden, ob sie auf die Metaphorik überhaupt immer zutreffen. So scheint ζ. B. das Merkmal der Nichtabtrennbarkeit nicht bei allen Metaphern vorzuliegen: Nichtabtrennbarkeit besagt, „that the implicature is attached to the semantic content of what is said, not to linguistic form [...]". 1 0 5 Für die Ironie ergeben sich damit - zumindest für viele Fälle - keine Probleme. Wenn ich jemandem auf ironische Weise zu verstehen gebe, daß ein Gegenstand häßlich ist, indem ich sage Das ist aber wirklich schön, so könnte ich auch sagen Das ist aber wirklich hübsch, ohne daß sich die Implikatur verändert. Anders verhält es sich jedoch bei der Metapher: Es soll im Rahmen dieser Arbeit gezeigt werden, daß die spezifische Leistung von Metaphern gerade darin besteht, daß die metaphorisch verwendeten Wörter und Ausdrücke kraft ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Sprachspielen bestimmte Sinnhorizonte eröffnen oder bestimmte Sprechweisen ermöglichen. Genau diese Fähigkeit ist aber aufs engste mit den metaphorisch verwendeten Wörtern und Ausdrücken verbunden. Darin liegt sozusagen der , Witz' vieler Metaphern. 106 Insbesondere bei komplexen Metaphern ist das .Gemeinte' daher unmittelbar an das Gesagte gebunden. 107 Auch das Kriterium der Unbestimmtheit trifft auf viele metaphorische Äußerungen nicht zu: Nach Grice ist es kennzeichnend für konversationale Implikaturen, daß die Äußerung prinzipiell offen ist, d. h. daß sie unbestimmt viele Implikate haben kann: [...] there may be various possible specific explanations, a list of which may be open, the conversational implicatum in such cases will be disjunction of such specific explanations; and if the list of these is open, the implicatum will have just the kind of indeterminacy that many actual implicata do in fact seem to possess. 1 0 8
101 102 103 104 105 106 107 108
Vgl. Levinson (1983/1995: 157f.). Ebd. 151. Vgl. ebd. 157f.; vgl. hierzu auch Debatin (1995: 289ff.). Vgl. Grice (1975/1991: 314f.); vgl. auch Rolf (1994: 116). Vgl. Levinson (1983/1995: 116). Vgl. hierzu Kapitel 5.2. Vgl. hierzu insbesondere Kapitel 5 . 2 . 2 . 2 und 7 . 5 . 5 . Grice (1975/1991: 315).
54 Da auch nach Grice Kontext und Hintergrundwissen nötig sind, um die Implikatur auszurechnen, ist zu fragen, warum für die Implikate generell eine offene Liste angenommen werden soll. Beschränkt man die prinzipiellen Möglichkeiten durch die kontextuellen Gegebenheiten, so ist das Gemeinte häufig nicht vieldeutig. Wie wollte man etwa die folgende metaphorische Äußerung anders lesen, als daß die Bevölkerung mit dem Virus noch nicht in Kontakt gekommen ist: (15)
Doch jetzt gehört das Surren der Moskitos in den Städten, wo die Abfälle der Slums üppige Brutstätten bieten, wieder zu den vertrauten Geräuschen. Noch tragen die Mücken den Erreger nicht in sich. Für das Virus ist der Tisch gedeckt: Es würde eine immunologisch weitgehend „jungfräuliche" Bevölkerung vorfinden. [DIE ZEIT Nr. 42, 15.10.1993, S. 54]
Gewichtiger ist aber Levinsons Kritik, daß Grice keinerlei Angaben mache, wie man vom Erkennen zur Interpretation der Metapher komme.109 Das heißt, selbst wenn man der Griceschen Theorie in allen Punkten zustimmen würde, ist damit für eine Metapherntheorie noch wenig geleistet. Die Überführung der Ebene des Sagens in eine Ebene des Meinens liefert noch keine Angaben zur Interpretation einer Metapher. Ein weiterer Mangel der Theorie von Grice stellt der Verzicht auf eine funktionale Betrachtungsweise dar. Wenn man versucht, die Ebene des Sagens in eine Ebene des Meinens durch eine Äußerung zu überführen, die der auf der Ebene des Sagens entstehenden Unklarheit oder Falschheit entgeht, wird die Frage, warum wir Metaphern verwenden, überhaupt nicht gestellt. Grices Theorie ist eine Theorie der Uneigentlichkeit, weil die Metapher hier nur ein Zwischenstadium auf dem Weg zu ihrer Vereindeutigung darstellt. Diese Vereindeutigung durch einen wörtlich richtigen Satz kommt aber eben ohne die Metapher aus. Max Black hat die Theorien dieses Paradigmas deshalb zu Recht scharf kritisiert: The danger of an approach that treats literal utterance as an unproblematic standard, while regarding metaphorical utterance as problematic or mysterious by contrast, is that it tends to encourage reductionist theories: As the plain man might say, „If the metaphor producer didn't mean what he said, why didn't he say something else?" We are headed for the blind alley taken by those innumerable followers of Aristotle who have supposed metaphors to be replaceable by literal translations.110
3.2.3. Das ,Falschheitstheorem' „Metaphors, as I have analyzed them, are statements without truth-value", schreibt Ina Loewenberg111, und bei Davidson heißt es: The most obvious semantic difference between simile and metaphor is that all similes are true and most metaphors are false. The earth is like a floor, the Assyrian did come down like a wolf on the fold, because everything is like everything. But turn these sentences into metaphors, and you
109 110 111
Vgl. Levinson (1983/1995: 157f.). Black (1977/1993: 22). Loewenberg (1975: 338).
55 turn them false; the earth is like a floor, but it is not a floor; Tolstoy, grown up, was like an infant, but he wasn't one. We use a simile ordinarily only when we know the corresponding metaphor to be false." 2
Die Skepsis gegenüber der Wahrheitsfähigkeit von metaphorischen Äußerungen zieht sich durch die gesamte Geschichte der Beschreibung von Metaphern. Sie führt zur Zensur der Metapher, wie sie konsequent bei Locke ausgedrückt wird, der schreibt: that all the art of rhetoric, besides order and clearness, all the artificial and figurative applications eloquence hath invented, are for nothing else but to insinuate wrong ideas, move the passions, and thereby mislead the judgement, and so indeed are perfect cheats, and therefore [...] they are certainly, in all discourses that pretend to inform or instruct, wholly to be avoided." 3
Die Frage nach der Wahrheitsfähigkeit metaphorischer Äußerungen ist grundlegend für jede Auseinandersetzung mit dem metaphorische Sprechen. Sie hat Konsequenzen für die Einschätzung der Handlungsqualität und ist essentiell für die Beurteilung der Funktionen metaphorischer Äußerungen. Hält man metaphorische Äußerungen für nicht-wahrheitsfáhig, so sind Metaphern - wie auch das Resümee Brülisauers verdeutlicht - für bestimmte Sprachspiele ungeeignet: Als Ergebnis der Untersuchung können wir das Folgende festhalten. Die Metaphysik-Kritik des Positivismus, soweit sie sich gegen die metaphysischen Metaphern wendet, ist im wesentlichen berechtigt. Weder vermitteln Aussagen, die Metaphern dieser Art enthalten, Erkenntnisse - weil es sich um implizite Regelvorschläge handelt - , noch gibt es gute Gründe, sie als Regelvorschläge zu akzeptieren, weil entweder die Anwendungskriterien ungeklärt sind (Beispiel »Aussenwelt«) oder weil die Bedeutungsdehnung die Sprache nicht bereichert (Beispiel »Wille«)."4
Die Skepsis gegenüber der Wahrheitsfähigkeit von Metaphern ist bei Vertretern der verschiedensten methodischen Paradigmen anzutreffen. Daß sie von Vertretern des .begrifflich-logischen' Paradigmas geäußert wird, ist nicht verwunderlich, erstaunlich ist aber, daß diese Auffassung auch von pragmatisch orientierten Autoren geteilt wird, daß sie im Rahmen von Ansätzen vertreten wird, die die Äußerung als grundlegende Untersuchungseinheit privilegieren. Ich möchte mich im folgenden vor allem mit der Position Searles auseinandersetzen und die Frage stellen, wie die Sonderbehandlung metaphorischer Äußerungen im Rahmen von sprechakttheoretischen Ansätzen motiviert ist, wieso die Wahrheitsfähigkeit von metaphorischen Äußerungen überhaupt ein Problem darstellt.115 Nach Searle übermittelt die metaphorische Äußerung ihre Wahrheitsbedingungen über einen anderen semantischen Gehalt, dessen Wahrheitsbedingungen nicht zu denen der Äußerung gehören.116 Das Grundprinzip, nach dem die Metapher funktioniere, bestehe darin,
112 113 114 115
116
Davidson (1979: 39). Locke (1823/1963: 288). Brülisauer (1982: 199). Eine ausführliche Diskussion der Wahrheitsproblematik findet sich bei Debatin, der anhand verschiedener Ansätze die Wahrheitsfähigkeit von Metaphern im wissenschaftlichen Diskurs untersucht. (Vgl. Debatin 1995: 138ff.) Vgl. Searle (1979/1993: 111).
56 daß die Äußerung eines Ausdrucks mit seiner wörtlichen Bedeutung und den zugehörigen Wahrheitsbedingungen auf verschiedene, Metaphern kennzeichnende Weise an eine andere Bedeutung mit den zugehörigen Wahrheitsbedingungen erinnere. Eine Theorie der Metapher hätte danach zu klären, nach welchen Prinzipien die Äußerung eines Ausdrucks auf metaphorischem Weg an andere Wahrheitsbedingungen als die erinnern kann, die durch seine wörtliche Bedeutung festgelegt sind. 117 Für Searle stellt das Problem der Funktionsweise von Metaphern einen Spezialfall des allgemeinen Problems des Auseinanderklaffens von Äußerungsbedeutung und Satz- bzw. Wortbedeutung dar: It is a special case, that is, of the problem of how it is possible to say one thing and mean something else, where one succeeds in communicating what one means even though both the speaker and the hearer know that the meanings of the words uttered by the speaker do not exactly and literally express what the speaker meant."8 Searle bekennt sich damit explizit zum Paradigma von Sagen und Meinen. Der Dissoziation von Gesagtem und Gemeintem sucht Searle gerecht zu werden, indem er metaphorische Äußerungen durch zwei Typen von Sätzen beschreibt: „first the sentence uttered metaphorically, and second a sentence that expresses literally what the speaker means when he utters the first sentence and means it metaphorically". 119 Die Notwendigkeit einer Paraphrase ergibt sich für Searle aus der Überlegung, daß metaphorische Äußerungen nicht in dem Sinne wahrheitsfähig sind wie wörtliche Äußerungen. So sei bei einer metaphorischen Äußerung, die als Feststellung gebraucht werde, die Wahrheitsbedingung der Feststellung nicht durch die Wahrheitsbedingungen des Satzes und des Allgemeinbegriffs festgelegt: „in the case of the metaphorical utterance, the truth conditions of the assertion are not determined by the truth conditions of the sentence and its general term. " 120 Bei einer wörtlichen Äußerung hingegen meine der Sprecher, was er sage, wörtliche Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung seien hier identisch. 121 Eine metaphorische Äußerung ist demnach nicht als solche wahrheitsfähig, sondern sie ist es über die Paraphrase. Wenn eine solche nicht gegeben werden kann - und das ist nach Auffassung vieler Autoren für die emphatische Metapher der Fall - , dürfte der Äußerung kein Wahrheitswert zugeschrieben werden. Searles theoretische Vorgaben ziehen weitere Konsequenzen nach sich: Da man nach Searle die Bedeutung eines Satzes nur kennen kann, wenn man weiß, unter welchen Bedingungen er wahr oder falsch ist,122 muß eine Äußerung, um überhaupt verstanden werden zu können, in einer Form vorliegen, die es erlaubt, ihre Wahrheitsfähigkeit zu überprüfen. Eine metaphorische Äußerung durchkreuzt jedoch - wie noch zu zeigen sein wird - das Schema von Referenz und Prädikation.
117
Ebd. 89. Ebd. 84. 119 Ebd. 87. 120 Ebd. 89. 121 Vgl. ebd. 88f. 122 „The older philosophers were not wrong when they said: to know the meaning of a proposition is to know under what conditions it is true or false." (Searle 1969: 125) 118
57 Die erfolgreiche und vollständige Prädikation hat Searle an das Erfülltsein von 8 Bedingungen geknüpft, wobei in diesem Zusammenhang vor allem Bedingung 5 von Interesse ist: Given that S utters an expression Ρ in the presence of H, then in the literal utterance of P, S successfully and non-defectively predicates Ρ of an object X if and only if the following conditions 1-8 obtain: [...] 5. X is of a type or category such that it is logically possible for Ρ to be true or false of X.123
Entsprechend lautet eine der Regeln „für den Gebrauch eines jeden Prädikationsmittels Ρ (um Ρ von einem Gegenstand X zu prädizieren)"124: Rule 3. Ρ is to be uttered only if X is of a type or category such that is logically possible for Ρ to be true or false of X. 125
Die Metapher durchbricht genau dieses Schema. Das meinte Searle mit der bereits angeführten Bemerkung, daß bei metaphorischen Äußerungen die Wahrheitsbedingung einer Behauptung durch die Wahrheitsbedingungen des Satzes und des Allgemeinbegriffs nicht determiniert sei.126 Eine metaphorische Äußerung kann nicht auf die dargestellte Art und Weise auf ihre Wahrheitsfähigkeit überprüft werden. Searle zufolge wird beim metaphorischen Sprechen gegen eine Bedingung verstoßen, die für die erfolgreiche Prädikation erfüllt sein muß. In diesem Punkt erweist sich Searle als ein Vertreter des Kategorienfehlers: The defects which cue the hearer may be obvious falsehood, semantic nonsense, violations of the rules of speech acts, or violations of conversational principles of communication. 127
Warum ist für Searle die Wahrheitsfähigkeit so eng mit dem Vollzug des propositionalen Akts verbunden? Searle folgt mit seinem Propositionsbegriff Frege, seine Auffassung von Propositionen basiert im wesentlichen auf der Fregeschen Konzeption von Gedanken, wie sie in dessen Schriften „Der Gedanke"128 und „Gedankengefüge"129 niedergelegt ist. Folgende Passage aus „Der Gedanke" enthält bereits die zentrale Unterscheidung zwischen Proposition und Illokution, die Searle später anhand seiner berühmt gewordenen ,SamBeispiele"30 veranschaulicht: Fragesatz und Behauptungssatz enthalten denselben Gedanken; aber der Behauptungssatz enthält noch etwas mehr, nämlich eben die Behauptung. Auch der Fragesatz enthält etwas mehr, nämlich eine Aufforderung. In einem Behauptungssatz ist also zweierlei zu unterscheiden: der Inhalt, den er mit der entsprechenden Satzfrage gemein hat [,] und die Behauptung. Jener ist der Gedanke oder enthält wenigstens den Gedanken.131
123 124 125 126 127 128 129 130 131
Ebd. 126. Searle (1969/1971: 194). Searle (1969: 127). Vgl. Searle (1979/1993: 89). Ebd. 103; vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.1. Frege (1918-1919/1986). Frege (1923-1926/1986). Vgl. Searle (1969: 22). Frege (1918-1919/1986: 35).
58 Ein Gedanke ist nach Frege „zeitlos wahr" und „unabhängig davon wahr, ob irgend jemand ihn für wahr hält". 132 Ein Gedanke bedarf „keines Trägers". Er ist nicht erst wahr, „seitdem er entdeckt worden ist, wie ein Planet, schon bevor jemand ihn gesehen hat, mit anderen Planeten in Wechselwirkung gewesen ist"133. Dadurch, daß man einen Gedanken faßt, tritt man nach Frege zu ihm in eine Beziehung, und dieses In-Beziehung-Treten kann natürlich auch so aussehen, daß ich ihn mitteile: Wenn ich nach Frege eine Behauptung ausspreche, so beanspruche ich, daß der Gedanke wahr ist, ,,[i]n der Form des Behauptungssatzes sprechen wir die Anerkennung der Wahrheit aus".134 Erstaunlich ist es, was die Sprache leistet, indem sie mit wenigen Silben unübersehbar viele Gedanken ausdrückt, daß sie sogar für einen Gedanken, den nun zum ersten Male ein Erdbürger gefaßt hat, eine Einkleidung findet, in der ihn ein anderer erkennen kann, dem er ganz neu ist.135
Die hier verwendete Bekleidungsmetaphorik, die das Bild von Kern und Hülle evoziert, macht überaus deutlich, daß die Sprache für Frege etwas ist, das zu dem Gedanken hinzukommt, das ihn einkleidet. Deutlich wird dies auch an der Beschreibung der Funktion des Behauptungssatzes im wissenschaftlichen Kontext: Ein Fortschritt in der Wissenschaft geschieht gewöhnlich so, daß zuerst ein Gedanke gefaßt wird, wie er etwa in einer Satzfrage ausgedrückt werden kann, worauf dann nach angestellten Untersuchungen dieser Gedanke zuletzt als wahr erkannt wird. In der Form des Behauptungssatzes sprechen wir die Anerkennung der Wahrheit aus. 136
Ein wahrer Gedanke läßt sich an den Tatsachen überprüfen, womit der Kreis von Behauptung und Verifikation geschlossen ist: Zum Wahrsein eines Gedankens gehört nicht, daß er gedacht werde. „Tatsachen! Tatsachen! Tatsachen!" ruft der Naturforscher aus, wenn er die Notwendigkeit einer sicheren Grundlegung der Wissenschaft einschärfen will. Was ist eine Tatsache? Eine Tatsache ist ein Gedanke, der wahr ist.137
Betrachten wir nun am Beispiel des Assertive, was Searle aus diesen Vorgaben Freges macht: Searle folgt in seiner Charakterisierung des Assertive Frege, wenn er schreibt, daß es der Witz oder Zweck der Elemente dieser Klasse sei, den Sprecher darauf festzulegen, daß etwas der Fall ist, daß die zum Ausdruck gebrachte Proposition wahr ist. Alle assertiven Äußerungen ließen sich in der Dimension, die wahr und f a l s c h umfaßt, beurteilen.138 Die Verifikation von Aussagen denkt Searle sich ähnlich wie Frege; die Ausrichtung des Assertivs ,Wort-auf-Welt' gibt nicht nur die Richtung des Wirksamwerdens an, sie gibt auch die Richtung an, in der Searle sich eine Überprüfung des Assertivs denkt: Das Wort wird an der Welt gemessen.
132 133 134 135 136 137 138
Vgl. ebd. 43f. Ebd. 44. Ebd. 35. Frege (1923-1926/1986: 72). Frege (1918-1919/1986: 35). Ebd. 50. Vgl. Searle (1979/1990: 31).
59 Eine Konstruktion, die die Wahrheit von Gedanken und von Aussagen, die einen solchen Gedanken aussprechen, in der Form an die Welt der Tatsachen bindet, daß der Prozeß der sprachlichen Formulierung lediglich als eine Einkleidung, als ein Ausdrücken von Propositionen, erscheint, kann nur als konsequent referenztheoretisches Konzept funktionieren. Es ist daher nur folgerichtig, wenn Searle die sprachliche Bezugnahme im Sinne des propositionalen Akts als einen Akt von Referenz und Prädikation beschreibt. Koller hat die Schwierigkeiten, die sich auf der Basis eines referenztheoretischen Modells hinsichtlich der Proposition ergeben, treffend dargestellt, wobei er unter dem propositionalen Gehalt einer Äußerung den Sinnanteil versteht, der bei der Frage nach der Wahrheit der Äußerung thematisiert werden kann, also jenen Teil, der sich auf ihren realitätsbildenden Gehalt bezieht:139 Bei Metaphern ist dieser propositionale Gehalt sehr schwer zu identifizieren, weil sich bei ihnen die Wahrheitsfrage direkt gar nicht beantworten läßt. Metaphern wollen uns zwar irgendwie auch eine sachhaltige Aussage machen, aber sie tun das auf eine Weise, daß ihr propositionaler Gehalt sich zumindest bei neugeprägten Metaphern nicht abstrakt von der Art und Weise ablösen läßt, wie er konstituiert und vermittelt wird. 140
Daß die Paraphrase keine befriedigende Lösung darstellt, um derartige Probleme zu lösen, darauf hat Cooper hingewiesen. Cooper stellt fest, daß die Paraphrase nicht unbedingt wahrheitsfähiger sein muß als die entsprechende metaphorische Äußerung. Bei einem Satz wie: (16)
Mrs Thatcher is a bulldozer.
verändert sich das Problem der Wahrheitsfähigkeit nicht, wenn man ihn in einen Vergleich wie (17) verwandelt: (17)
Mrs Thatcher is like a bulldozer.
Probleme ergeben sich jedoch nicht nur aufgrund der Schwierigkeit der Identifikation der Proposition metaphorischer Äußerungen, sondern vor allem auch aufgrund der Ausblendung größerer sprachlicher Zusammenhänge. Ist das Bewertungskriterium für Assertive die Bezugnahme auf die Welt der Tatsachen, die nach Searle mit dem propositionalen Akt realisiert wird, dann bedarf es keiner übergeordneten Einheit für die Bewertung von sprachlichen Äußerungen, und dies müßte natürlich nicht nur für die linguistische Beschreibung, sondern auch für die Sprecher gelten, die ja, wenn sie eine assertive Äußerung akzeptieren, ablehnen usw., über Kriterien für deren Akzeptanz verfügen müssen. In diesem Sinne kann eine so verfahrende Sprechhandlungstheorie bei der Analyse einzelner sprachlicher Handlungen größere sprachliche Zusammenhänge weitgehend unberücksichtigt
139
Vgl. Koller (1986: 402); vgl. hierzu auch Waßner (1992: 44ff.).
140
Ebd. 4 0 2 .
60 lassen. Es ist deshalb auch folgerichtig, daß Searle die Berücksichtigung größerer Einheiten - wenn auch mit anderen Argumenten - explizit ablehnt.141 Zur Analyse des metaphorischen Sprechens erweist sich das Konzept als unbrauchbar, weil es bei der Beschreibung der Akzeptanz einer Äußerung das Sprachspiel, an das der Sprecher gebunden ist, weitgehend unberücksichtigt läßt. Bei der Beurteilung der Akzeptabilität metaphorischer (und nicht-metaphorischer) Äußerungen stellt dieses jedoch - wie noch zu zeigen sein wird - ein wesentliches Kriterium dar. Obwohl auch Austin von .directions of fit' spricht, äußert er sich hinsichtlich der Frage der Wahrheitskriterien wesentlich vorsichtiger. In seinem Aufsatz „Truth" schließt Austin die Diskussion über die Beziehung zwischen den Wörtern und der Welt mit der Bemerkung ab, die Wendung ist wahr solle in dem Sinne verstanden werden, daß sie unsere Art und Weise sei, diese Beziehung zu beschreiben.142 Ausführlicher diskutiert Austin dieses Problem in der elften Vorlesung von „How to do things with words". In seinem Bemühen, die zunächst postulierte Unterscheidung zwischen konstativen und performativen Äußerungen zu relativieren, spricht Austin davon, daß man sich klar machen müsse, daß ,wahr' und .falsch' - ähnlich wie ,frei' und .unfrei' - gar nicht für irgend etwas Einfaches stünden. but only for a general dimension of being a right or proper thing to say as opposed to a wrong thing, in these circumstances, to this audience, for these purposes and with these intentions.143
Austin betont in diesem Zusammenhang, daß die Frage, ob eine Feststellung zutreffe oder nicht, nicht nur von dem abhänge, was die Wörter bedeuten, sondern auch davon, welche Handlung man mit der Äußerung unter w e l c h e n Umständen 1 4 4 vollzogen habe. Dabei spielen die Umstände eine wichtige Rolle, das zeigen die Beispiele, die Austin anführt. Austin fragt, ob eine Äußerung wie France is hexagonal, stellte man sie den Tatsachen gegenüber, wahr oder falsch sei. Suppose that we confront .France is hexagonal' with the facts, in this case, I suppose, with France, is it true or false? Well, if you like, up to a point; of course I can see what you mean by saying that it is true for certain intents and purposes. It is good enough for a top-ranking general, perhaps, but not for a geographer. .Naturally it is pretty rough', we should say, ,and pretty good as a pretty rough statement'. But then someone says: ,But is it true or is it false? I don't mind whether it is rough or not; of course it's rough, but it has to be true or false - it's a statement, isn't it?' How can one answer this question, whether it is true or false that France is hexagonal? It is just rough, and that is the right and final answer to the question of the relation of .France is hexagonal' to France. It is a rough description; it is not a true or false one. 145
141
142 143 144 145
Vgl. Searle (1992). Daß eine solche Lösung unbefriedigend ist, wurde im Rahmen der Erweiterung des Sprechaktkonzepts durch die Dialoggrammatik überzeugend dargelegt. (Vgl. Hundsnurscher 1980) Austin (1950/1970: 133). Austin (1962/1976: 145). Vgl. ebd. Ebd. 143.
61 Was das Zutreffen von Feststellungen angehe, seien Ziel und Zweck und der ganze Zusammenhang der Äußerung von Bedeutung. Sätze, die man in einem Schulbuch für wahr erachte, würde man in einer historischen Untersuchung nicht unbedingt ebenso beurteilen: Consider the constative, ,Lord Raglan won the battle of Alma', remembering that Alma was a soldier's battle if ever there was one and that Lord Raglan's orders were never transmitted to some of his subordinates. Did Lord Raglan then win the battle of Alma or did he not? 144
Austin macht darauf aufmerksam, daß das Kriterium für Wahrheit und Falschheit im Rahmen unserer Beurteilung der Wirklichkeit gesucht werden muß, und diese Beurteilung ist abhängig von übergeordneten Zusammenhängen, in die eine sprachliche Handlung eingebunden ist. Der Sachverhalt, daß wir es hier mit einer Feststellung zu tun haben, reicht also für die Beschreibung des Spielraums, den ein Sprecher hat, u m adäquat zu reagieren, nicht aus. Insbesondere die Dichotomie wahr/falsch sei zu dürftig. Damit ist das entscheidende Moment für die Assertiva gleichfalls das Kriterium der Gültigkeit; man könnte im Sinne von Austin auch von Adäquatheit sprechen. Die sprachliche Handlung selbst ist eingepaßt in einen größeren Rahmen, der uns Bedingungen für ihre Bewertung an die Hand gibt. Auch Wittgenstein hat sich mit diesem Problem ständig auseinandergesetzt, und man könnte sagen, daß seine Konzeption der Lebensform eine Antwort auf solche Fragen darstellt: Im Jahr 1949 setzte sich Wittgenstein intensiv mit Moores Schrift „Defence of common Sense" auseinander, vor allem mit dessen Behauptung, er wisse von einer Anzahl von Sätzen mit Sicherheit, daß sie wahr seien; es handelte sich dabei um Sätze wie „Hier ist eine Hand - und hier eine zweite", „Die Erde bestand lange Zeit vor meiner Geburt" und „Ich habe mich niemals weit von der Erdoberfläche entfernt". 1 4 7 Moore Schloß von seinem Wissen auf die tatsächliche Existenz der Außenwelt und glaubte damit ein zentrales Problem der Erkenntnistheorie gelöst zu haben. 148 Darüber hinaus behauptete er, daß unser Wissen bezüglich der meisten dieser Common-sense-Sätze auf Belegen für ihre Wahrheit beruhe, auch wenn wir nicht sagen könnten, was das für Belege seien. 149 Wittgenstein fand diese Gedanken durchaus interessant, aber er nahm einige sehr zentrale Modifikationen vor. Wittgenstein betont, daß jedes Bekräftigen oder Entkräften einer Annahme immer schon auf der Basis anderer Annahmen geschehe, auf ein System von Sätzen bezogen sei: 105. Alle Prüfung, alles Bekräften und Entkräften einer Annahme geschieht schon innerhalb eines Systems. Und zwar ist dieses System nicht ein mehr oder weniger willkürlicher und zweifelhafter Anfangspunkt aller unsrer Argumente, sondern es gehört zum Wesen dessen, was wir ein Argument nennen. Das System ist nicht so sehr der Ausgangspunkt, als das Lebenselement der Argumente. 1 5 0
146 147
148 149 150
Ebd. Vgl. das Vorwort zu „Über Gewißheit" von G. E. M. Anscombe und G. H. von Wright in Wittgenstein ÜG, S. 115. Vgl. Moore (1959: 44). Vgl. von Wright (1982/1990: 171). Wittgenstein ÜG § 105, S. 141; vgl. hierzu auch von Wright (1982/1990: 177).
62 Der Begriff des Wissens läßt sich - wie von Wright richtig bemerkt - „nicht anwenden auf das, was bei seinem Gebrauch vorausgesetzt ist, d. h. auf die Sätze, die in jeder gegebenen Wissenssituation »feststehen«"151. Wenn wir eine Äußerung bejahen, verneinen, als absurd zurückweisen, beziehen wir uns nach Wittgenstein immer auf unser Vorwissen, auf eine ganze Reihe nicht ohne weiteres rekonstruierbarer Sätze. In diesem Sinne sagt Wittgenstein: 225. Das, woran ich festhalte, ist nicht e i n Satz, sondern ein Nest von Sätzen. 152
Für Wittgenstein ist das zentrale Moment der Wahrheit also eine Form der Kohärenz, die Übereinstimmung eines behaupteten Satzes mit einer Reihe von anderen Sätzen, die wir in einer bestimmten Kommunikationssituation bereits als wahr voraussetzen. Der tiefere Sinn dessen, was Wittgenstein als Lebensform bezeichnet, ist der, daß die verschiedenen Lebensformen unterschiedliche Grundlagen für unsere Bewertungen darstellen; oder anders ausgedrückt: „Die Art der Sicherheit ist die Art des Sprachspiels."153 Eine Feststellung in einem Sprachspiel, das einer religiösen Lebensform zuzurechnen ist, ist also nicht unbedingt vergleichbar mit einem Assertiv im wissenschaftlichen Kontext oder mit einem Assertiv in einem Alltagsdiskurs: „Die W a h r h e i t gewisser Erfahrungssätze gehört zu unserem Bezugssystem."154 Wittgenstein macht gelegentlich auf solche Zusammenhänge aufmerksam, indem er aufgrund des Sprachspielkontextes ungewöhnliche bzw. unmögliche Züge anführt.155 Nach einem gebrauchstheoretischen Verfahren taucht der krasse Unterschied zwischen metaphorischer und nicht-metaphorischer Äußerung bei der Beurteilung der Wahrheitsfähigkeit - wie ihn die Sprechakttheoretiker ziehen - nicht auf, denn auch die Akzeptanz der nicht-metaphorischen Äußerung bleibt an das Sprachspiel zurückgebunden. Es gibt in diesem Sinne nicht eine Äußerung, deren Wahrheit durch extensionale Bezugnahme verbürgt ist, und eine andere - in diesem Fall metaphorische - , die aus diesem Rahmen derart herausfällt, daß eine wahre Aussage mit ihr nicht gemacht werden könnte. Schaut man sich die sprachlichen Reaktionen auf eine Behauptung an, die eine Metapher enthält, so ist, wie Berg156 richtig bemerkt hat, festzustellen, daß sich die Reaktionen auf eine metaphorische Äußerung von den Reaktionen auf eine nicht-metaphorische Äußerung prinzipiell nicht unterscheiden, wie die folgenden Beispiele zeigen: (18)
Zwei Wochen war der ,Hai' schon abgetaucht. [Frankfurter Rundschau Nr. 46, 2 3 . 2 . 1 9 9 6 , S. 3] 157
151 152 153 154 155
156 157
(19)
Das ist nicht wahr, er hat sich den Behörden gestellt.
(20)
Davon habe ich auch gehört.
Vgl. von Wright (1982/1990: 177). Wittgenstein Ü G § 225, S. 164. Wittgenstein PU, S. 569. Wittgenstein ÜG § 83, S. 136. Vgl. ζ. B. Wittgensteins Bemerkungen über das Assertiv im religiösen Diskurs in Wittgenstein L II § 28, S. 187. Vgl. Berg (1978: 115). Das Beispiel ist in 3.2.1 unter (12) eingeführt.
63 (21)
Über Datenautobahnen kann in nicht allzu ferner Zukunft jeder Programme abrufen, einkaufen, Bankgeschäfte erledigen und möglicherweise auch von zu Hause aus arbeiten. [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99]
(22)
Das ist ja völlig übertrieben.
(23)
Ja stimmt, die Vernetzung wird wirklich alles verändern.
3.2.4. Das Theorem der .übertragenen Bedeutung' Die klassische Rhetorik hat im Zusammenhang der Metapher den Begriff der .übertragenen Bedeutung' geprägt. So wird der Tropus bei Quintilian definiert als eine „Redeweise, die von ihrer natürlichen und ursprünglichen Bedeutung auf eine andere übertragen ist, um der Rede zum Schmuck zu dienen, oder, wie die Grammatiklehrer meist definieren, ein Ausdruck, der von der Stelle, bei der er eigentlich gilt, auf eine Stelle übertragen ist, wo er nicht eigentlich gilt."158 Das griechische Wort μεταφορά übersetzt Quintilian entsprechend mit translatio, d. h. mit Übertragung.159 Solche Wendungen werden in modernen Sprachbeschreibungen so ausgelegt, daß den metaphorisch gebrauchten Wörtern im Rahmen einer Bedeutungsbeschreibung eine eigene Bedeutung zukomme. Ob Quintilian dies mit seiner Wendung im Sinn hatte oder mit dem Wort translatio lediglich ein Bewegungsphänomen bezeichnet, geht aus seiner Beschreibung der Tropen nicht ganz eindeutig hervor. Etymologisierende Interpretationen des Wortes Tropus - wie sie etwa Dumarsais vornimmt - haben eine solche Sicht nachhaltig verstärkt. Dumarsais veranschaulicht das Phänomen der Bedeutungsveränderung, indem er ein durch die etymologische Wurzel des Wortes tropos (τρότο%) nahegelegtes Bild entsprechend ausdeutet: Les Tropes sont des figures par lesquelles on fait prendre à un mot une signification qui n'est pas précisément la signification propre de ce mot: ainsi, pour entendre ce que c'est qu'un Trope, il faut commencer par bien comprendre ce que c'est que la signification propre d'un mot; nous l'expliquerons bientôt. Ces figures sont appelées Tropes, du grec tropos (τρόπο? [...]), conversio, dont la racine est trepo (τρέπω), verto, je tourne. Elles sont ainsi appelées, parce que, quand on prend un mot, dans le sens figuré, on le tourne, pour ainsi dire, afin de lui faire signifier ce qu'il ne signifie point dans le sens propre: voiles, dans le sens propre, ne signifie point vaisseaux; les voiles ne sont qu'une partie du vaisseau, cependant, voiles se dit quelquefois pour vaisseaux, comme nous l'avons déjà remarqué.160
Die Vorstellung, daß Metaphern zu Bedeutungsveränderungen führen, hat sich bis ins 20. Jahrhundert gehalten. So spricht Max Black im Zusammenhang des .fokalen Wortes'
158
159
160
Vgl. Quintiiianus Institutionis Oratoriae Libri XII, IX 1 , 4 : „est igitur τρόπος sermo a naturali et principali significatione translatus ad aliam ornandae orationis gratia, vel, ut plerique grammatici finiunt, dictio ab eo loco, in quo propria est, translata in eum, in quo propria non est". „Incipiamus igitur ab eo, qui cum frequentissimus est tum longe pulcherrimus, translatione dico, quae μεταφορά Graece vocatur." (Quintilianus Institutionis Oratoriae Libri XII, Vili 6, 4) Dumarsais (1730/1988: 69).
64 („focal word")161 von Bedeutungserweiterung. In Satz (24) gewinne das fokale Wort negroes eine neue Bedeutung, die weder genau seiner Bedeutung im wörtlichen Gebrauch noch genau der Bedeutung eines wörtlichen Substituts entspreche.162 „The new context (the .frame' of the metaphor, in my terminology) imposes extension of meaning upon the focal word."163 (24)
The poor are the negroes of Europe. 164
Auch einige strukturalistisch verfahrende Autoren beschreiben die Metapher im Rahmen der von ihnen vertretenen semantischen Theorie als eine Art Bedeutungsübertragung.165 Weinrich will seine Metapherntheorie als einen Beitrag zu einer strukturalistischen Semantik verstanden wissen. 166 Er unterscheidet zwischen der Bedeutung, die ein Wort im Rahmen einer systematischen Beschreibung einnimmt, und der sogenannten „Meinung", worunter er so etwas wie die aktuell realisierte Bedeutung versteht. Diese Unterscheidung ist nicht metaphernspezifisch, ihr Geltungsbereich erstreckt sich auf die Semantik im allgemeinen. Der „Meinungswert" metaphorisch gebrauchter Wörter und Ausdrücke weicht lediglich in „überraschender Weise" vom Bedeutungswert ab.167 Gegen solche und ähnliche Vorstellungen hat Davidson eingewendet, daß das, was die Metapher dem Gewöhnlichen hinzufüge, eine Leistung sei, die keine semantischen Mittel verwende, die über diejenigen hinausgingen, auf die das Gewöhnliche angewiesen sei,168 daß also - wie auch von zahlreichen anderen Autoren hervorgehoben wird - die Wörter im metaphorischen Gebrauch ihre Bedeutung beibehalten. 169 Für Searle beispielsweise
161
162 163
164 165
166 167 168 169
Als ,Fokus' („focus") bezeichnet Black das Wort bzw. den Ausdruck, dessen Vorkommen innerhalb des wörtlichen .Rahmens' die Äußerung mit metaphorischer Kraft („metaphorical force") versieht. (Vgl. Black 1977/1993: 26) Vgl. Black (1954/1962: 38f.). Ebd. 39; in seinem Aufsatz „More about metaphor" revidiert Black diese Auffassung dahingehend, daß er von Sprecher- und Hörerbedeutungen spricht, was den Sachverhalt nicht unbedingt klarer macht: „In Metaphor, I said [...] that the imputed interaction involves .shifts in meaning of words belonging to the same family or system as the metaphorical expression' (p 45). I meant, of course, a shift in the speaker's meaning - and the corresponding hearer's meaning - what both of them understand by words, as used on the particular occasion." (Black 1977/1993: 28) Black (1954/1962: 38). Vgl. Sojcher (1969/1996: 227). Auch Henle (1958/1996: 82) spricht von „figurative sense", er weist jedoch gleichzeitig auf die Rolle der konventionellen Bedeutung beim Verstehen von Metaphern hin: „Jedes dieser Worte erscheint in einer doppelten Rolle - erstens in seiner konventionellen Bedeutung, die es in anderen Zusammenhängen haben könnte, und zweitens in einer Bedeutung, die für diese Metapher charakteristisch ist. [...] Diese Dualität der Bedeutung ist für die Metapher charakteristisch [...]." (Ebd. 81) Vgl. Weinrich (1967: 3f.). Vgl. ebd. 9f. Davidson (1979: 29). Vgl. z. B. Ingendahl (1972: 383); Searle (1979/1993: 84, 90); Keller-Bauer (1984: 16); Hundsnurscher (1985: 313); Strauß (1991: 143); Keller (1995b: 187); Röska-Hardy (1995: 150); Zymner (1995: 162).
65 realisiert sich die Metapher im Rahmen der Äußerungsbedeutung („speaker's utterance meaning"), die er von dem, was Wörter, Sätze und Ausdrücke bedeuten, also von der Wort- bzw. Satzbedeutung, unterschieden wissen will.170 Die metaphorische Äußerung habe zwar eine andere Bedeutung als die Wörter oder Sätze, aber nicht wegen einer Bedeutungsveränderung bei den lexikalischen Elementen, sondern weil der Sprecher mit ihnen etwas anderes meine.171 Der Eindruck, daß beim metaphorischen Sprechen Bedeutungsveränderungen vorliegen, entsteht nach Hundsnurscher vor allem bei reduzierten Äußerungsformen, da die Wörter hier in Äußerungsformen eingebettet sind, in denen sie in .ungewohnt direkten' syntaktischen Kontakt mit anderen Wörtern (Das Schiff durchpflügt das Meer, Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn) geraten. Dieser Eindruck entspringe aber nur einer das Wort künstlich isolierenden Sicht, bei der die Funktionen des Wortes in der Äußerungsform und der Zusammenhang der Äußerungsform mit dem übergeordneten Sprachspiel außer acht gelassen würden.172 Die unterschiedlichen Stellungnahmen hinsichtlich der Frage, ob die metaphorisch gebrauchten Wörter oder Ausdrücke ihre Bedeutung verändern, sind auf differierende Bedeutungsbegriffe oder - noch grundsätzlicher - auf völlig verschiedene Sprachkonzeptionen zurückzuführen. In der strukturalistischen Bedeutungstheorie erhalten die metaphorisch gebrauchten Ausdrücke eine eigene Bedeutung, weil sich das Bedeutungsproblem grundsätzlich in seiner Doppelheit stellt: als Bedeutung im Sinne einer systemimmanenten invarianten Bedeutung und als Bedeutungswert, der sich im Rahmen der Rede ergibt. Weinrich spricht in diesem Zusammenhang vom „Meinungswert": Die Meinung eines Wortes im Text ist ja immer von seiner Bedeutung verschieden, und da es unzählbar viele Texte gibt, gibt es auch neben der Bedeutung eines Wortes unzählbar viele Meinungen, die alle, je nach dem Kontext, einen verschiedenen Platz auf der semantischen Skala einnehmen. Die semantische Skala ist also, wenn wir nicht die Fiktion des isolierten Wortes, sondern die Realität gesprochener Rede zugrunde legen, eine gleitende Skala, auf der wir den semantischen Umfang (Extension) und den semantischen Inhalt (Intension) in der gewünschten Präzision einstellen können. Für jedes Wort erhalten wir auf ihr zwei Werte, den invariablen Bedeutungswert und den variablen Meinungswert. Im ersten sind wir Knechte, im zweiten sind wir frei.173
Bedeutungsveränderungen werden hier also nicht nur für metaphorisch verwendete Wörter angenommen, sondern für Wörter in ihren textuellen Einbindungen schlechthin. Die Klärung der Frage, ob Metaphern Bedeutungen verändern und somit ein Problem der Bedeutungsbeschreibung darstellen, kann - wie im folgenden gezeigt werden soll - nur im Rahmen einer Gesamttheorie erfolgen.
170 171 172 173
Searle (1979/1993: 84); vgl. auch 3.2.3. Vgl. ebd. 90. Vgl. Hundsnurscher (1985: 313). Weinrich (1967: 9f.).
66 3.3. Die Metapher im Rahmen einer gebrauchstheoretischen Bedeutungstheorie
Eine grammatische Theorie der Metapher in dem hier angestrebten Sinne ist keine isolierte Theorie, sondern stellt einen Teil einer pragmatischen Grammatik dar. Wenn metaphorisch verwendete Ausdrücke ihre Bedeutung beibehalten, muß eine Metapherntheorie auf einer Bedeutungstheorie aufbauen. Die hier konzipierte Metapherntheorie knüpft an die Ergebnisse der gebrauchstheoretisch orientierten Semantik an.174 Aus einer gebrauchstheoretischen Perspektive stellt sich die Frage nach der Bedeutung von Wörtern oder komplexeren Ausdrücken als die Frage nach ihrer Verwendung. Dieser Grundsatz fand in Wittgensteins vielzitiertem § 43 der ,,Philosophische[n] Untersuchungen" seinen exponiertesten Ausdruck: 43. Man kann für eine g r o ß e Klasse von Fällen der Benützung des Wortes »Bedeutung« - wenn auch nicht für a l l e Fälle seiner Benützung - dieses Wort so erklären: Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache. Und die B e d e u t u n g eines Namens erklärt man manchmal dadurch, daß man auf seinen T r ä g e r zeigt. 175
Es hat im Rahmen der Linguistik einige Bemühungen gegeben, dieses Diktum Wittgensteins zu verstehen und in linguistisch relevante Untersuchungen umzusetzen.176 Es lassen sich zahlreiche Belege anführen, die es nahelegen, diesen Paragraphen so zu lesen, daß unter Gebrauch .Verwendung' verstanden werden kann: „Eine Bedeutung eines Wortes ist eine Art seiner Verwendung". 177 Wittgenstein hat allerdings noch einen anderen Zusammenhang hergestellt, der für das hier fokussierte Thema von Bedeutung ist. Dieser Zusammenhang steht keineswegs im Widerspruch zu den oben beschriebenen Umsetzungen, er schafft aber inhaltlich weitere Bezüge. Wittgenstein hat an verschiedenen Stellen seines Werkes den Bedeutungsbegriff mit dem Handlungsspiel des Erklärens in Verbindung gebracht:178
174
175 176
177 178
Auch Hesse (1988) knüpft in ihrer Metapherntheorie an die Bedeutungstheorie Wittgensteins an, verfolgt aber andere Erkenntnisziele. Sie versucht zu zeigen, daß „jegliche Sprache metaphorisch ist". Anknüpfend an die Philosophie Wittgensteins und Quines „entwirft sie eine ,Netzwerktheorie der Bedeutung', derzufolge die Bedeutungen der Wörter einer Sprache netzartig nach Kriterien der Familienähnlichkeit miteinander verwoben sind, wobei Bedeutung und Bedeutungsveränderungen als Resultat der Interaktionen innerhalb dieses Netzes durch den Gebrauch der Sprache begriffen werden". (Vgl. Debatin 1995: 107) „Die Bedeutungserweiterungen, die durch Ähnlichkeiten und Unterschiede in Metaphern auftreten", sind für sie dann nur „besonders augenfällige Beispiele dessen, was in dem sich verändernden, ganzheitlichen Netzwerk, das die Sprache ausmacht, unablässig vor sich geht." (Vgl. Hesse 1988: 130) Wittgenstein PU § 43, S. 262f. Vgl. hierzu z. B. Heringer (1974b); Hundsnurscher/Splett (1982); Thiele (1990); Hundsnurscher (1995); Gloning (1996). Wittgenstein ÜG § 61, S. 132. Zu dieser Lesart des Paragraphen 43 vgl. Beckmann (1994).
67 23 Ich will erklären: der Ort eines Worts in der Grammatik ist seine Bedeutung. Ich kann aber auch sagen: Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt. [...] Die Erklärung der Bedeutung erklärt den Gebrauch des Wortes. Der Gebrauch des Wortes in der Sprache ist seine Bedeutung. [...] 179
Wittgenstein geht hier von einem engen Zusammenhang zwischen der Bedeutung eines Wortes, seinem Gebrauch und der Erklärung des Gebrauchs des Wortes aus. Indem Wittgenstein die Frage nach der Bedeutung als eine Frage nach der Erklärung ausweist, situiert er das Bedeutungsproblem in einem lebensweltlichen Kontext. Der Kampf Wittgensteins gegen referentielle oder kognitive Bedeutungstheorien mündet in den konsequenten Versuch ein, den Bedeutungsbegriff sprachlich zu fundieren.180 Wenn man die Frage nach der Bedeutung mit dem Handlungsspiel des Erklärens verbindet, nehmen Bedeutungserklärungen die Form natürlich vorkommender Erklärungen an. Für den Bedeutungsbegriff heißt das aber auch, daß die Bedeutung nicht als die Summe der Verwendungen einer Wortform aufgefaßt wird, sondern nur jeweils eine Verwendungsweise umfaßt: „Eine Bedeutung eines Wortes ist eine Art seiner Verwendung." 181 Die Aufgabe der Linguistik besteht dann darin, nach den verschiedenen Formen zu fragen, die solche Erklärungen annehmen können. Im Rahmen der .Gebrauchstheorie der Bedeutung' liegen für die Paraphrase, die eine der zentralsten Erklärungsformen darstellt, bereits einschlägige Untersuchungen vor.182 Zur Klärung der eingangs gestellten Frage nach dem Verhältnis von Metapher und Bedeutung sind bestimmte Eigenschaften von Erklärungen relevant: Erklärungen in natürlichen Kommunikationssituationen haben die Eigenschaften, daß sie einerseits Bezug nehmen auf die Äußerung und die Äußerungssituation, andererseits aber auf den allgemeinen Sprachgebrauch rekurrieren. Das heißt: Der Erklärende fokussiert mit seiner Bedeutungserklärung diejenige Lesart, die in die entsprechende Äußerung paßt, greift aber andererseits mit seiner Erklärung auf konventionelle Sprachgebräuche zurück.183 So verstanden ergänzen sich die beiden oben genannten .Lesarten' des Paragraphen 43: Der Sprecher greift in seiner Erklärung auf konventionelle Verwendungsweisen zurück. Mit Bedeutungserklärungen bezieht man sich stets auf einen allgemeinen Sprachgebrauch; der Bedeutungsbegriff hat - das ist eine der gebrauchstheoretischen Grund annahmen - nur dort seine Berechtigung, wo es um Konventionen geht. Darum besteht nach Wittgenstein eine unmittelbare Entsprechung zwischen den Begriffen .Bedeutung' und .Regel'. 184
179 180 181 182 183
184
Wittgenstein PG § 23, S. 59f. Vgl. ebd. § 75, S. 118f. Wittgenstein ÜG § 61, S. 132. Zur Bedeutung der Paraphrase vgl. ζ. B. Hundsnurscher/Splett (1982); Hundsnurscher (1990). Dies könnte Wittgenstein gemeint haben, als er bemerkte, daß die Worterklärung sich auf keinen Zeitpunkt beziehe. (Vgl. Wittgenstein LSPP § 111, S. 367; vgl. auch Wittgenstein PU, S. 559) Vgl. Wittgenstein ÜG § 62, S. 132.
68 Wie erklärt man nun die Bedeutung metaphorisch verwendeter Wörter oder Ausdrücke? Wittgenstein hat dies an einem etwas ungewöhnlichen Beispiel dargelegt: Gegeben die beiden Begriffe ,fett' und .mager', würdest du eher geneigt sein, zu sagen, Mittwoch sei fett und Dienstag mager, oder das Umgekehrte? (Ich neige entschieden zum ersteren.) Haben nun hier »fett« und »mager« eine andere als ihre gewöhnliche Bedeutung? - Sie haben eine andere Verwendung. - Hätte ich also eigentlich andere Wörter gebrauchen sollen? Doch gewiß nicht. - Ich will d i e s e Wörter (mit den mir geläufigen Bedeutungen) hier gebrauchen. [...]185 Die Frage nach der Bedeutung metaphorisch gebrauchter Wörter und Ausdrücke wird nicht unter Bezugnahme auf den aktuellen Gebrauch, sondern unter Verweis auf den konventionellen Gebrauch beantwortet. In diesem Sinn heißt es weiter: Gefragt, „Was meinst du hier eigentlich mit ,fett' und ,mager'?" - könnte ich die Bedeutungen nur auf die ganz gewöhnliche Weise erklären. Ich könnte sie nicht an den Beispielen von Dienstag und Mittwoch zeigen.186 An einem etwas verständlicheren Beispiel illustriert, wird deutlich, was Wittgenstein hier meint. In einer Anleitung zur Benutzung von Datennetzen findet sich folgende metaphorische Äußerung: (25) Um auf Datenreise zu gehen, brauchen Sie keines der herkömmlichen Verkehrsmittel: Ihr Autobahnzubringer ist das Telefonnetz oder noch besser das digitale ISDN - die Infrastruktur fur die Datenreise ist in Ihrer Wohnung, Ihrem Büro also vorhanden. [Goldmann/Herwig/Hooffacker: Internet, S. 48] Das metaphorisch verwendete Wort Autobahnzubringer in Beispiel (25) kann man nur erklären, indem man auf die konventionelle Gebrauchsweise von Autobahnzubringer hinweist, eine Erklärung könnte ζ. B. lauten: (26) Ein Autobahnzubringer ist eine spezielle Straße, die auf eine Autobahn fuhrt. Ein Sprecher könnte aber auch fragen: (27) Ja, was bedeutet denn das Wort hier? Dann wird das Wort bedeuten allerdings in der Lesart von Sinn gebraucht, etwa (28) Welchen Sinn hat das Wort hier?
185 186
Wittgenstein PU, S. 556. Ebd. Wittgensteins Vorschlag, hier von „sekundärer Bedeutung" zu sprechen, ist nicht sehr geschickt, weil die Formulierung zu sehr an den Begriff der .übertragenen' Bedeutung erinnert, von der er sich explizit distanziert: „Die sekundäre Bedeutung ist nicht eine >übertragene< Bedeutung. Wenn ich sage »Der Vokal e ist für mich gelb«, so meine ich nicht: >gelb< in übertragener Bedeutung - denn ich könnte, was ich sagen will, gar nicht anders als mittels des Begriffs >gelb< ausdrücken." (Vgl. Wittgenstein PU, S. 557)
69 Die Antwort könnte dann ζ. Β. unter Rückgriff auf das kommunikative Verfahren lauten: (29)
Das Wort Autobahnzubringer
wird hier metaphorisch verwendet.
oder unter Rückgriff auf den Sinn der Äußerung: (30)
Mit dem Wort Autobahnzubringer ist hier die Hardware gemeint, die man braucht, um einen Zugang zum Datennetz zu erhalten.
Das deiktische Wort hier macht dann darauf aufmerksam, daß wir es eben n i c h t mit einer konventionellen Lesart, sondern mit einer aktuellen Verwendungsweise zu tun haben. In metaphorischen Äußerungen wird mit sprachlichem Material gearbeitet, das uns aus anderen Sprachspielen bekannt ist. Das setzt die Kenntnis konventioneller Äußerungsformen voraus, man bedient sich ihrer aber nicht im konventionellen Sinne. Die Tatsache, daß die Wörter und komplexeren Ausdrücke in ihrem neuen Kontext ihre Bedeutung beibehalten, ohne jedoch als Ganze konventionelle Äußerungsformen zu bilden, läßt die Frage aufkommen, wie sich Sinn hier konstituiert. Wenn wir bei der Produktion und beim Verstehen von Metaphern nicht oder jedenfalls nicht nur auf den Aspekt der Konventionalität der Äußerung zurückgreifen können, wie läßt sich dann das Bilden bzw. das Verstehen von Metaphern erklären? Wie läßt sich die Fähigkeit beschreiben, die es einem Sprecher ermöglicht, eine metaphorische Äußerung zu bilden, bzw. wie ist es möglich, daß ein Hörer eine metaphorische Äußerung versteht? Gibt es so etwas wie eine .metaphorische Kompetenz', oder ist die Fähigkeit, Metaphern zu bilden und zu verstehen, wie Aristoteles vermutet, eine Sache des Genies und muß dem Ingenium überantwortet werden?
4. Sinnverdacht und Musterwissen
Aus der semantischen Betrachtung der Metapher ergab sich die Frage, wie es möglich ist, eine nicht-konventionalisierte Äußerung zu verstehen? Damit ist ein Teilaspekt des Problems angesprochen, wie kreative Sprachäußerungen überhaupt verstanden werden können. Eine sprachliche Äußerung zu verstehen setzt immer so etwas wie einen .Sinnverdacht' voraus.1 Der Hörer muß vermuten, daß die Äußerung, die der Sprecher vollzieht, sinnkonstituierend ist. Dies gilt nicht nur - wie Strecker ausführt - für das Verstehen von kreativen Äußerungen, sondern auch für das Verstehen von konventionellen Äußerungsformen: Selbst wenn man annimmt, daß dem Gebrauch sprachlicher Ausdrücke von Anfang an Regeln zugrunde liegen, ergibt sich das Problem, wie jemand, der diese Regeln nicht schon kennt, den Gebrauch als bestimmt und sinnhaft verstehen kann. Die Regel, die er erst herausfinden soll, würde ihm in keiner Weise dabei helfen, den Gebrauch als geregelt zu erkennen.2 Er kann den Sinn nicht verstehen, ohne zu vermuten, daß die Äußerung sinnhaft ist, und dazu bedarf es eines .Sinnverdachts': In regelgeleiteten Spielen ist dieser Sinnverdacht gewissermaßen institutionalisiert. Man kann als Handelnder davon ausgehen, daß dem, was man nach den Regeln tut, ein Sinn unterstellt werden wird, sofern man mit jemand spielt, der diese Regeln kennt.3
Ohne Sinnverdacht kommt es nicht zum Verstehen und nicht zur Verständigung, 4 dies gilt auch und gerade für nicht-konventionalisierte Äußerungen. Wieso sind wir bereit, nichtkonventionellen Äußerungen Sinn zuzuschreiben? Wieso ignorieren wir solche Äußerungen nicht einfach? Ein entscheidender Unterschied zwischen tierischer und menschlicher Kommunikation scheint etwas mit dieser Bereitschaft zu tun zu haben. Grice hatte diese Bereitschaft, bezogen auf Formen des indirekten Sprechens, zu denen er auch das metaphorische Sprechen zählt, durch das Kooperationsprinzip zu erklären versucht.5 Dabei basiert Grices Theoriekonstruktion auf einer Art Konversationsethik.6
1
2 3 4
5
6
Der Begriff .Sinnverdacht' findet sich bei Strecker (1987: 56f.); er wird hier jedoch in modifizierter Form verwendet. Vgl. Strecker (1987: 56). Strecker (1987: 56f.). Die in der Hermeneutik gängige Unterscheidung zwischen Verstehen und Verständigung hebt darauf ab, daß die Erfassung und Beschreibung des Verstehens Vorgangs wesentlich komplexer und umfassender ist als die Beschreibung dessen, was vorgeht, wenn man von Verständigung spricht. Bei dem Begriff .Verständigung' fokussiert man den gelingenden Kommunikationsakt eher aus einer Außenperspektive. „Make your conversational contribution such as is required, at the stage at which it occurs, by the accepted purpose or direction of the talk exchange in which you are engaged". (Grice 1975/ 1991: 307) Zur ethischen Fundierung von Grices Theorie vgl. Rolf (1994: 12): Auch wenn Grice nicht explizit von Konversationsethik spreche, so lasse die von ihm vorgestellte Theoriekonstruktion - ein allgemeines Prinzip, das Kooperationsprinzip, mitsamt einer Reihe von Maximen, den Konversationsmaximen - ein Muster erkennen, das charakteristisch sei für bestimmte Ethikkonzeptionen.
72 Die Gründe für die Kooperativität der Sprecher müssen aber nicht unbedingt ethischer Natur sein, sie können auch in der Kommunikationsgeschichte einer Sprachgemeinschaft verankert sein: Wir sind bereit, nicht-konventionellen Äußerungen Sinn zuzuschreiben, weil wir bereits Erfahrungen mit solchen Äußerungen haben, weil wir wissen, daß man auch mit Äußerungen, in denen Regelüberschreitungen stattfinden, sinnvoll kommunizieren kann. Diese These könnte man wie folgt erweitern: Wir haben auch bestimmte sprachliche Verfahren kennengelernt, die in solchen Zusammenhängen eine Rolle spielen. Wenn wir mit nicht-konventionellen Äußerungen konfrontiert werden, richtet sich unsere Aufmerksamkeit zunächst einmal auf ganz bestimmte kommunikative Verfahren. Der Sinnverdacht besteht dabei nicht einfach in einer unbestimmten Sinnvermutung, er verknüpft sich mit der Erwartung bestimmter sprachlicher Verfahren, die wir als sinnkonstituierende Verfahren kennen und beherrschen. Dieser Sachverhalt soll im folgenden als , g e r i c h t e t e S i n n e r w a r t u n g ' bezeichnet werden. Bezogen auf kommunikative Verfahren wie Metapher, Metonymie, Ironie, Synekdoche, Litotes etc. ist es sinnvoll, verschiedene Phasen der Einführung und Anwendung eines Verfahrens zu unterscheiden: Die erste metaphorische Verwendung sprachlicher Ausdrücke wird den Sprecher vor ganz andere kommunikative Probleme gestellt haben, als dies beim metaphorischen Sprechen in Sprachgemeinschaften der Fall ist, in denen das Verfahren bereits etabliert ist. Von der ersten Verwendung bis zur Etablierung des Verfahrens sind ganz ähnlich wie bei der Etablierung konventioneller sprachlicher Mittel auch - verschiedene Übergangsstadien anzunehmen. Ist ein Verfahren in einer Sprachgemeinschaft einmal etabliert, kann der Sprecher sich darauf verlassen, daß der Hörer dieses beherrscht: Wenn jemand ironisch spricht, müssen wir nicht darüber reflektieren, wie Ironie funktioniert. Die Äußerung ist zwar nicht eingeführt, aber das Verfahren selbst wird vom Sprecher als bekannt vorausgesetzt. Ähnliches gilt für Metaphern: Ein Sprecher kann, wenn er eine Metapher gebraucht, bei einem kompetenten Sprechern des Deutschen voraussetzen, daß dieser über die Fähigkeit verfügt, metaphorische Kommunikation zu verstehen.
4.1. Metaphorisches Sprechen als Sprechen nach einem Verfahrensmuster
Im Zusammenhang mit der Regeldiskussion wurde darauf hingewiesen, daß Phänomene wie .soziale Erwartung' und .Wiederholung' unmittelbar mit dem Prozeß der Konventionalisierung zu tun haben.7 Soziale Erwartungen führen - wie Lewis dargelegt hat8 - dazu, daß sich bestimmte Gebräuche verfestigen, daß Regeln entstehen, und umgekehrt lassen Regeln ihrerseits begründete Erwartung entstehen. Dieser Prozeß ist grundlegend für das gesellschaftliche Zusammenleben und für jede Form menschlicher Kommunikation. Ob man bereit ist, die Kenntnis kommunikativer Verfahren dem Bereich der Konventionalität
7 8
Vgl. hierzu Kapitel 2.3, insbesondere 2.3.1.3. Vgl. Lewis (1969: 41).
73 zuzuordnen, hängt von dem jeweiligen Regelbegriff ab. Ein kommunikatives Verfahren ist nicht in dem Sinne konventionell, daß es zur Wiederholung von Äußerungseinheiten und Verfestigung von Äußerungsformen kommt, sondern nur in dem Sinn, daß es zur Wiederholung der Anwendung eines kommunikativen Verfahrens kommt. Ich möchte deshalb in diesem Zusammenhang von einem . V e r f a h r e n s m u s t e r ' sprechen. Der Terminus .Verfahrensmuster' bezeichnet so etwas wie eine Musterbildung auf der Ebene eines Verfahrens. Kennzeichnend für ein solches Verfahrensmuster ist nicht die Wiederholung als ein ,Was', sondern die Wiederholung als ein ,Wie'. Folgende Indizien sprechen dafür, im Zusammenhang des metaphorischen Sprechens von .Verfahrenswissen' auszugehen: - Ein wichtiges Indiz ist der Sachverhalt, daß metaphorisches Sprechen in der Regel nicht zu Verständigungsproblemen führt: 9 Wer eine metaphorische Äußerung verwendet, wird normalerweise nicht weniger verstanden als jemand, der sich konventioneller Äußerungen bedient, oder schwächer ausgedrückt:10 der Gebrauch von Metaphern führt in der Regel nicht zu größeren Verständigungsschwierigkeiten als das nicht-metaphorische Sprechen. Die diesbezüglichen Ergebnisse mancher linguistischen Untersuchungen stehen häufig im Gegensatz zur Rolle, die die Metapher in konkreten Kommunikationsprozessen spielt.11 Auch wenn sich der metaphorische Gebrauch von Sprache in vielerlei Hinsicht vom konventionellen Gebrauch sprachlicher Mittel unterscheidet, so ist er doch - wie Goodman zu Recht herausstellt - nicht weniger verständlich, nicht abstruser, nicht weniger praktisch (und nicht unabhängiger von Wahrheit und Falschheit) als der konventionelle Gebrauch sprachlicher Mittel.12 Davon sollte man zumindest ausgehen, wenn man bedenkt, daß die Metapher auch in der Massenkommunikation eine wichtige Rolle spielt, ja gerade dort zum Einsatz kommt, wo es darum geht, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Man denke an die Bedeutung des metaphorischen Sprechens in der Werbung oder in der politischen Sprache13. - Ein zweites Indiz, das für ein gewisses Verfahrenswissen spricht, ist der Sachverhalt, daß metakommunikative Äußerungen in Mißverstehenssituationen sich in der Regel nicht auf die Unkenntnis des Verfahrens beziehen, sondern auf bestimmte kommunika-
9 10
11
12 13
Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.1. Die Hypothese stellt eine schwächere Variante dar, weil gelingende Verständigung nicht unbedingt Verstehen voraussetzt. (Vgl. Fußnote 4 in diesem Kapitel) Hülzer-Vogt kommt in ihrem Aufsatz „Probleme mit .gelungener' Metaphernkommunikation" zu dem Ergebnis, daß selbst lexikalisierte Metaphern Verstehensschwierigkeiten bereiten. (Vgl. Hülzer-Vogt 1989) Die Anlage des empirischen Experiments ist aber in mancher Hinsicht fragwürdig. Die Stichprobe (n= 14 Sprecher) ist zu klein, um tragfähige Ergebnisse daraus abzuleiten. Die Studie ist - wie die Autorin auch selber eingesteht - nicht repräsentativ. (Vgl. ebd. 55) Außerdem führt Hülzer-Vogt das Experiment unter erschwerten Bedingungen durch. Die Metaphernbeispiele sind „extrakommunikativ, weil sie für das Experiment aus dem übergreifenden Kommunikationsprozeß herausgelöst wurden" und „die Versuchspersonen des Experiments nicht mit den Hörern der originären Redebeiträge identisch" sind. (Vgl. ebd. 52) Vgl. Goodman (1984/1987: 108). Vgl. zur Bedeutung des metaphorischen Sprechens in der politischen Sprache die Arbeiten von Münkler (1994) und Küster (1983).
74 tive Fehler des Sprechers bei der Anwendung eines Verfahrens oder in der Einschätzung des Gesprächspartners; sie sind häufig darauf zurückzuführen, daß ein Sprecher ein Verfahren nicht gut beherrscht, nicht richtig anwendet oder aber falsche Annahmen über seinen Hörer gemacht hat. -
A l s drittes Indiz kann der Sachverhalt herangezogen werden, daß das metaphorische Verfahren in manchen Sprechsituationen explizit benannt wird, was voraussetzt, daß bei den Sprechern ein Wissen u m das Verfahren vorliegt. Dies wird an den verschiedenen F o r m e n der Redecharakterisierung deutlich, die im Z u s a m m e n h a n g des metaphorischen Sprechens verwendet werden. E s kann angebracht sein, i m Vor- oder Nachfeld der metaphorischen Äußerung explizite Verweise auf die Verwendung einer Metapher zu geben. ( V g l . ( l ) - ( 4 ) ) 1 4 S o gibt ζ. B . Darwin nach der Verwendung v o n „ K a m p f u m ' s D a s e i n " in der Überschrift d e m Leser folgenden Hinweis: (1)
Ich will vorausschicken, dass ich diesen Ausdruck in einem weiten und metaphorischen Sinne gebrauche, unter dem sowohl die Abhängigkeit der Wesen von einander, als auch, was wichtiger ist, nicht allein das Leben des Individuums, sondern auch Erfolg in Bezug auf das Hinterlassen von Nachkommenschaft einbegriffen wird. [Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein, S. 82]
(2)
Man kann figürlich sagen, die natürliche Zuchtwahl sei täglich und stündlich durch die ganze Welt beschäftigt, eine jede, auch die geringste Abänderung zu prüfen, sie zu verwerfen, wenn sie schlecht, und sie zu erhalten und zu vermehren, wenn sie gut ist. [Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein, S. 102]
In (3) erfolgt ebenfalls eine Redecharakterisierung im V o r f e l d : (3)
Zwar steigt die Transparenz - notabene die Hauptstossrichtung der laufenden Gesetzesrevision - im Fondsgeschäft. Bildlich gesprochen, wird das Dickicht lichter. Doch werden die Produktepaletten laufend um neue Angebote erweitert; die Landschaft öffnet sich, und gleichzeitig scheint der Horizont immer ferner zu liegen. [NZZ Nr. 20, 25.1.1994, S.61]
E i n Beispiel für eine Redecharakterisierung im Nachfeld findet sich in (4): (4)
Auf der anderen Seite hegen wir immer noch - vor allem mit Blick auf Japan - die Hoffnung, die Strukturen der Industriegesellschaft hätten sich nur leicht, wie probehalber, auf die Oberfläche der asiatischen Gesellschaften gelegt und würden bei einer ernsthaften inneren Erschütterung abfallen. Die Metapher ist bewußt gewählt: Manche westlichen Kommentare nach dem Erdbeben in Kobe haben die Hoffnung auf den Zusammenbruch des japanischen Selbstwertgefühls und den daraus notwendigerweise folgenden Einbruch der japanischen Wirtschaft bis zur Schamlosigkeit deutlich gemacht. [Die Zeit Nr. 48, 24.11.1995, S. 62]
W a r u m es in bestimmten Situationen nötig b z w . sinnvoll ist, den Gebrauch v o n Metaphern zu indizieren, wird in Kapitel 5 . 1 ausgeführt. Hier gilt es festzuhalten, daß Sprecher das kommunikative Verfahren der Metaphorisierung benennen können.
14
Hervorhebungen nicht im Original.
75 - Ein weiteres Indiz kann darin gesehen werden, daß Sprecher nicht nur das metaphorische Verfahren benennen können, sondern eine ganze Reihe sprachlicher Mittel zur Indizierung des metaphorischen Verfahrens auch konventionalisiert sind. Hierzu zählen neben den in (l)-(3) angeführten auch Redecharakterisierungen wie bildlich gesprochen, figürlich gesprochen, metaphorisch gesprochen etc. oder Indikatoren wie Anführungszeichen.15 Die angeführten sprachlichen Indizien lassen darauf schließen, daß bei den Sprechern des Deutschen bezogen auf das metaphorische Verfahren ein Verfahrenswissen vorliegt. Die häufig geäußerte Auffassung, daß die Bildung einer Metapher ein immer wieder neu einsetzender, kreativer Akt sei, muß dahingehend korrigiert werden, daß - bezogen auf den Stand der hier fokussierten Sprachgemeinschaft - zwischen der Anwendung eines Verfahrens und der Bildung einer neuen Metapher im Rahmen des Verfahrens unterschieden werden muß. Die Besonderheit des metaphorischen Verfahrens besteht darin, daß es musterhafte Züge mit kreativen Momenten verbindet.16 Die Frage, welche Strukturen sich anführen lassen, die es erlauben, hier von einem Verfahrensmuster zu sprechen, und um was für eine Art von Muster es sich dabei handelt, werden in Kapitel 5 nochmals aufzugreifen sein. Im Zusammenhang der Frage nach der Regelgeleitetheit müssen darüber hinaus weitere Differenzierungen vorgenommen werden: Die Metapher ist bekanntlich eines der sprachlichen Mittel, die zur Veränderung und Erweiterung des Wortschatzes beitragen. Metaphern tauchen also nicht nur als singuläre Wortschöpfungen eines einzelnen Sprechers auf, mit Hilfe von Metaphern passen die Sprecher auch die vorhandenen Möglichkeiten des Sprachsystems an neu aufkommende kommunikative Bedürfnisse an. Diese Erweiterung des Sprachsystems geschieht nicht intentional, sie ergibt sich durch die Wiederholung von Metaphern durch verschiedene Sprecher im Rahmen bestimmter Gebrauchssituationen. Es liegt ein „Invisible-hand"-Phänomenim Sinne Kellers vor.17 Bei synchroner Betrachtung zeigen sich daher bezogen auf verschiedene Metaphern unterschiedliche Konventionalisierungsstufen. Wenn man davon ausgeht, daß der jeweilige Konventionalisierungsgrad die kommunikativen Bedingungen verändert, die für Sprecher bei der Bildung einer Metapher vorliegen, so ist es sinnvoll, bei der Beschreibung von Metaphern von verschiedenen .kommunikativen Settings' auszugehen. Die kommunikativen Settings sind keineswegs unabhängig voneinander, sie integrieren bestimmte Problemlösungen des jeweils vorhergehenden Settings. Aufbauend auf diesem Gedanken läßt sich ein Phasenmodell entwickeln, das die Abfolge im Sinne der Reduzierung bestimmter kommunikativer Probleme erfaßt. Dieser Unterscheidung liegt die Überlegung zugrunde, daß die Ausprägung von konventionellen Formen den Sinn hat, die Lösung wiederholt auftretender kommunikativer Probleme zu vereinfachen. Die sprachlichen Formen, über die wir verfügen, sind im Sinne
15
16
17
Die verschiedenen Formen von Indizierungen werden in Kapitel 5 . 1 . 2 behandelt; zur allgemeinen Funktion von Redecharakterisierungen vgl. auch Niehiiser (1987). Einen engen Zusammenhang zwischen Kreativität und Musterhaftigkeit stellt Sandig auch im Bereich der Stilistik fest. (Vgl. Sandig 1978: 88ff.) Vgl. Keller (1990: 92ff.); ausführlich hierzu Kapitel 6.1.
76 Streckers bereits das „Ergebnis einer Evolution von Problemlösungen, die als eine Art Musterlösungen bewahrt und von Generation zu Generation weiter ausgearbeitet worden sind." 18 Aufgrund einer kommunikationsinternen .Logik' können diese Problemlösungen nur in einer bestimmten Abfolge ablaufen. Bevor dieser Gedanke am Beispiel des metaphorischen Sprechens ausgeführt wird, soll seine Berechtigung an einem historisch besser belegten Prozeß, der Entstehung des Textmusters ,Heiratsgesuch', gezeigt werden. Beckmann/König19 haben in ihrer Rekonstruktion der Entstehung des Heiratsgesuchs dargelegt, wie sich das kommunikative Muster unter spezifischen und sich verändernden Handlungsbedingungen entwickelt hat. Dabei wird deutlich, - welche spezifischen kommunikativen Probleme sich Sprechern im Bereich nicht-konventionellen Sprechens stellen und welche Möglichkeiten der Verständnissicherung sich ihnen bieten, - wie sich die Gebrauchsbedingungen mit der Habitualisierung und Konventionalisierung im Sinne einer Problemreduzierung verändern, - um welche Art von Problemen die Einführung von Mustern kommunikatives Handeln entlastet.
4.2. Exkurs: Die Herausbildung konventioneller Formen am Beispiel des Textmusters ,Heiratsgesuch'
Luhmann hat in seiner Schrift „Liebe als Passion"20 aufzuzeigen versucht, wie evolutionäre Veränderungen der Gesellschaftsstruktur Veränderungen in den Vorstellungen über Liebe und in den Formen ihrer Kodierung auslösen. Die zunehmende Ausdifferenzierung der Arbeitswelt und die sich allmählich herausbildenden Vorstellungen von Autonomie, Individualität, Freiheit etc. haben auch die Konzeptualisierung von Ehe erheblich verändert. So wird zur Zeit der Entstehung der ersten Heiratsanzeigen die Ehe - wie der unten angeführte Ausschnitt (5) aus einer Heiratsanzeige aus dem Jahre 1792 zeigt - nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft aufgefaßt, sondern als Liebesheirat gedacht, die auf freien Entscheidungen beruht. Mit den erhöhten Ansprüchen an den richtigen Lebenspartner wird es unter Umständen erforderlich, den Kreis derer, die für eine solche Wahl in Frage kommen, zu erweitern. Die Eheschließung hat sich also gegenüber den Zeiten davor erheblich kompliziert, sie stellt die Menschen vor ganz neue Probleme (nicht-sprachlicherund sprachlicher Art). Genau zu dieser Zeit entsteht das Textmuster .Heiratsgesuch'. Es stellt für die Textverfasser einen Versuch dar, den erhöhten Anforderungen an die Partnerwahl gerecht zu werden.
18 19 20
Strecker (1987: 12). Vgl. Beckmann/König (1995). Luhmann (1982/1990).
77 An der Textgestalt früher Heiratsgesuche lassen sich ganz deutlich verschiedene Phasen der Herausbildung und Konsolidierung eines Musters ablesen, wobei für die folgenden Überlegungen vor allem die erste Phase von Interesse ist. Die ersten Heiratsanzeigen belegen, daß die Sprecher bei der Entwicklung dieser Textsorte vor dem Problem standen, daß die entsprechende kommunikative Handlung als solche noch nicht bekannt war. In einem Text von 1792 wird dieses Problem explizit thematisiert: (5)
E i n j u n g e r M a n n v o n V e r m ö g e n s u c h t e i n e G a t t i n n . Bey Erblickung dieser Ueberschrift werden viele Leser ohne Zweifel in nicht geringe Verwunderung gerathen, da eine solche öffentliche Bekanntmachung in Deutschland bisher, so viel ich weiß, gar nicht üblich gewesen ist; obgleich solche öffentliche Einladungen zur Ehe in England längst eingeführt sind, wie diejenigen, die mit den Sitten der Britten genauer bekannt sind, wissen. Auch hat man Beyspiele genug, daß hiedurch viele glückliche Ehen dorten entstanden sind. Ungewöhnlich sind aber, wie gesagt, Bekanntmachungen dieser Art bey uns bisher gewesen, und es wird daher mancher diese Ankündigung sonderbar finden, ja wohl gar nachtheilige Urtheile darüber fállen. Mein Trost hiebey ist nun dieser, daß dies doch nur von einem sehr kleinen Theil des Publikums geschehen dürfte, und daß alles Neue und Ungewöhnliche einem solchen Schicksale unterworfen ist. Mit einer guten und allgemein nützlichen Sache (und dafür halte ich Bekanntmachungen dieser Art) muß ja nothwendig einer zuerst den Anfang machen. Wer wagte es wol z. B. vor wenigen Jahren in den dänischen Staaten, den Anverwandten einen Sterbefall durch die Zeitung bekannt zu machen? Eine bekannte würdige Frau that dies zuerst, und itzt folgen Personen des ersten Ranges wie der kleinste Bürger ihrem Beyspiel. [Hamburgischer Correspondent Nr. 47, 1792; zit. nach Buchner 1914: 38f.]
In Text (5) werden Handlungsziel und Handlungsbedingungen explizit genannt. Dies ist erforderlich, da die Akzeptanz des Textes in keiner Weise gesichert ist. Dem begegnet der Sprecher dadurch, daß er viel Aufwand darauf verwendet, die komplexe sprachliche Handlung in einen Sinnhorizont einzubetten: (6)
Ist die Ehe als die wichtigste Verbindung des Menschen anzusehen, so folgt unstreitig erstlich, daß die Wahl von beyden Geschlechtern mit größter Ueberlegung und Prüfung geschehen müsse; zweytens, daß es von Wichtigkeit seyn müßte, wenn das weibliche Geschlecht nicht weniger als das männliche frey wählen könnte, und drittens, daß die Mehrheit der Kandidaten und Kandidatinnen bey jeder Wahl von größter Erheblichkeit seyn müsse. Daß diese Endzwecke bey öffentlichen Einladungen zur Ehe durchaus befördert werden, liegt hell am Tage. [Hamburgischer Correspondent Nr. 47, 1792; zit. nach Buchner 1914: 39]
Während das eingeführte Handlungsmuster diesen Sinn als Muster .transportiert', muß der „junge[ ] Mann von Vermögen" den Sinn seines Textes herausstellen. Er tut dies, indem er den kommunikativen Sinn der sprachlichen Handlung in der Überschrift nennt, metakommunikativ erläutert und vor eventuellen Angriffen antizipativ rechtfertigt. In Ermangelung eines Musters, das es den Sprechern ermöglicht, ihrer Intention auf konventionellem Wege Ausdruck zu verleihen, können Sprecher unterschiedliche Strategien verfolgen: - Sie lassen durch einen funktionalen Aufbau und explizite Formulierungen die Handlungsstruktur an der Textoberfläche erkennbar werden (dies ist die dominierende Strategie in Beispiel (5) und (6)). - Sie greifen auf (nicht-konventionalisierte) Vorbilder zurück (so beruft sich der Sprecher in (5) auf englische Vorbilder).
78 - Sie orientieren sich an verwandten Mustern (ζ. B. am Muster der Stellenanzeige, die gewisse Funktionsanalogien aufweist und im beworbenen Publikumsorgan bereits eingeführt ist). Im letzten Fall, der Anwendung eines analogen Verfahrens, stellt sich dem Sprecher das Problem, seinen Text dem Bezugsmuster hinreichend ähnlich zu gestalten, so daß dieses identifizierbar ist; der Text muß sich von diesem aber auch hinreichend unterscheiden, damit deutlich wird, daß er sich zwar auf das Muster bezieht, aber nicht als Realisierung des Musters verstanden werden soll. Eine Möglichkeit der Problemlösung besteht darin, das Muster formal zu erfüllen, die Abweichung aber ζ. B. in der Überschrift zu deklarieren, in frühen Heiratsgesuchen etwa durch Bezeichnungen wie Heirathsbegehr und Heiraths-Anzeige, die neben allgemeinen Textsortenbezeichnungen wie Brief, Vorschlag oder Ankündigung stehen.21 In heutigen Heiratsanzeigen sind derartige Deklarationen ebenso überflüssig wie die oben angeführten metakommunikativen Kommentierungen. Die Einführung des Musters entlastet von der kommunikativen Aufgabe der Zieldeklaration. Das Beispiel des Heiratsgesuchs zeigt, daß die Einführung von Mustern Sprecher kommunikativ entlasten und daß Muster - zumindest auf bestimmten Ebenen der Sprachbeschreibung - als das Ergebnis kommunikativer Problemlösungen aufgefaßt werden können. Die Einführung eines Textmusters läßt sich natürlich nicht in jeder Hinsicht mit der Einführung eines Verfahrensmusters vergleichen. Dennoch kann aus der Tatsache, daß beim metaphorischen Sprechen metakommunikative Handlungen der beschriebenen Art nicht nötig sind, abgeleitet werden, daß bei den Sprechern des Deutschen ein entsprechendes Verfahrenswissen vorliegt. Bei der Verwendung einer Metapher setzen die Sprecher voraus, daß das Verfahren den anderen Sprechern bekannt ist. Die Sprecher haben hinsichtlich des Verfahrens Gebrauchserwartungen entwickelt. Das Wissen um das Verfahren ist also Teil der Kompetenz. Wenn Sprecher dennoch Indikatoren verwenden, so indizieren sie damit, d a ß das Verfahren vorliegt, n i c h t aber, wie es f u n k t i o n i e r t . Redecharakterisierungen wie bildlich gesprochen oder metaphorisch gesprochen erfüllen - wie im nächsten Kapitel dargestellt werden soll - vor allem die Funktion, metaphorische Äußerungen hinsichtlich ihrer Nicht-Konventionalitätzu markieren. Der Gedanke, daß Muster das Ergebnis kommunikativer Problemlösungen sind, kann auch auf die kommunikative Etablierung einzelner Metaphern oder ganzer Metaphernbereiche angewendet werden. Aus diesen Überlegungen ergibt sich ein gestuftes Modell von kommunikativen Settings, das die jeweiligen Gebrauchsbedingungen an geleistete Konventionalisierungsschrittebindet, wie im folgenden zu zeigen sein wird.
21
Vgl. Beckmann/König (1995: 6, Fußnote 15).
79 4.3. .Kommunikative Settings' im Bereich des metaphorischen Sprechens
Im folgenden sollen die verschiedenen Formen der Konsolidierung von Metaphern anhand eines Phasenmodells dargestellt werden. Die Abfolge beruht auf einer Art .Kommunikationslogik': Jede Phase setzt Problemlösungen der vorangegangenen Phasen voraus. Mit jeder Phase ist für die Sprecher ein spezifisches kommunikatives Setting gegeben, das definiert ist durch die unterschiedlichen Gebrauchsbedingungen, die bei der Bildung und Rezeption einer Metapher vorliegen. Die Entwicklung und Etablierung des Verfahrens und die anschließende Konventionalisierung einzelner Metaphern bzw. ganzer Bezugsbereiche von Metaphern22 läßt sich in sieben Phasen unterteilen. Phase 1 und 2 beziehen sich auf die Etablierung eines kommunikativen Verfahrens (I), Phase 3 bis 5 auf die Konventionalisierung einzelner Metaphern (II), Phase 6 und 7 auf die kommunikative Etablierung metaphorischer Bezugsbereiche23 (III): I.
Etablierung des kommunikativen Verfahrens
1. 2.
Einführung des kommunikativen Verfahrens Habitualisierungund Konventionalisierung des kommunikativen Verfahrens
II.
Kommunikative Etablierung einzelner Metaphern
3.
Anwendung des kommunikativen Verfahrens einzelner Metaphern - die sogenannte .lebende Metapher' Habitualisierung einzelner Metaphern Konventionalisierung einzelner Metaphern die sogenannte ,tote' oder lexikalisierte Metapher (Lexikalisierung)
4. 5.
III.
6. Kommunikative Etablierung metaphorischer Bezugsbereiche 7.
Die kommunikative Etablierung metaphorischer Bezugsbereiche Lexikalisierung sprachlicher Bezüge
Die Untersuchung der Einführung und Etablierung des kommunikativen Verfahrens ( P h a s e n 1 und 2) fällt - bezogen auf die Metapher und bezogen auf die Sprachgemeinschaft des Deutschen - in das Gebiet der Sprachgeschichte, sie muß auf dem heutigen Stand des Wissens relativ spekulativ bleiben. Aus heuristischen Gründen muß sie jedoch schon aufgrund der oben angestellten Überlegungen angesetzt werden. Das Sprechen von der Metapher als einem immer wieder neu einsetzenden kreativen Akt muß dahingehend relativiert werden, daß die Bildung einer Metapher als kreativer Akt zugleich immer auch die Anwendung eines eingeführten kommunikativen Verfahrens darstellt.
22 23
Vgl. hierzu Kapitel 6 und 7, insbesondere 7 . 6 . Dieser Ausdruck ist Teil der Darstellung des metaphorischen Verfahrens, er wird in Kapitel 5 . 2 . 2 und 6 . 2 ausführlich erläutert.
80 Das metaphorische Verfahren weist jedoch Strukturähnlichkeiten zu analogen Verfahrensweisen auf, die für das Sprechen grundlegend sind und deren Beherrschung vorausgesetzt werden muß, wenn Prozesse wie der der Sprachentstehung24 oder der des Sprachwandels25 erklärt werden sollen. Keller geht so weit, metaphorisches und .ikonisches' Sprechen einer Verfahrensweise zuzuordnen, er spricht in bezug auf Metaphern von „Ikonen zweiter Ordnung" 26 : „Der Benutzer des Ikons [•••] bedient sich derselben Verfahrensweise wie der Benutzer der Metapher." 27 Wenn im folgenden das metaphorische nicht als Variante des analogen Verfahrens, sondern als eigenes Verfahrensmuster beschrieben wird, so vor allem aufgrund der Tatsache, daß metaphorisches Sprechen die Einführung konventioneller Gebrauchsweisen voraussetzt. Wer eine nicht eingeführte - ζ. B. eine metaphorische - Verfahrensweise gebraucht, muß sich (ähnlich wie der Sprecher, der sich eines neuen Textmusters bedient) , sinnverdächtig' verhalten. Er bedient sich sprachlicher Mittel, die bereits konventionalisiert sind, setzt diese jedoch nicht-konventionell ein. Bedingung für den Erfolg derartiger Äußerungen ist neben der Kenntnis der eingesetzten Sprachmittel beim Adressaten die .Rekonstruktion' der noch nicht eingeführten Verfahrensweise, ζ. B. über Strukturähnlichkeiten zu bereits bekannten .verwandten' Verfahren. P h a s e 2 muß angenommen werden, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Mehrheit der Sprecher über ein neu eingeführtes Verfahren sofort verfügt. Die Phase der Habitualisierung und Konventionalisierung des Verfahrens ist durch eine gewisse kommunikative Unsicherheit gekennzeichnet. Die Sprecher müssen die Bekanntheit des Verfahrens beim Hörer abschätzen und bei Nicht-Bekanntheit einen entsprechenden Aufwand an metakommunikativen Sprechhandlungen leisten. Während sich der Sprecher in den Phasen 1 und 2 bezogen auf das kommunikative Verfahren ,sinnverdächtig' verhalten muß, kann er in P h a s e 3 schon von einem .institutionalisierten Sinnverdacht' ausgehen. In Phase 3 haben die Sprecher bezogen auf bereits eingeführte kommunikative Verfahren .gerichtete Sinnerwartungen'. Unter einer .gerichteten Sinnerwartung' - das wurde bereits erläutert - wird hier die Fokussierung der Sprecher auf ein bestimmtes kommunikatives Verfahren verstanden. Phase 3 ist die Phase der Anwendung des Verfahrens. Das Verfahren als solches ist bereits dem Bereich der Kompetenz zuzuordnen; die auf dieser Stufe angenommenen Schritte werden realisiert, wenn in einer Sprachgemeinschaft, in der das Verfahren bekannt ist, von einem Sprecher eine neue
24
25 26 27
Vgl. Keller (1990: 46f.). In diesem Sinn schreibt auch Weydt (1986: 93) mit Bezug auf Bernhardi: „Am Beginn der Sprachgenese entstehen zunächst nachahmende Zeichen. Jedes nachahmende Zeichen kann seinen Gegenstand jedoch nur in Hinsicht auf eine beschränkte Menge von Merkmalen nachahmen. In Hinblick auf die anderen Eigenschaften des Gegenstandes ist es notwendigerweise willkürlich. [...] Strukturell ähnlich funktioniert die Metapher. Sie ist ja nicht ganz willkürlich, nicht ganz losgelöst von dem darzustellenden Gegenstand, sondern sie beruht auf einer Ähnlichkeitsrelation [...], welche sich progressiv von der darzustellenden Realität entfernen kann [...]." Vgl. Paul (1880/1968: 106ff.). Keller (1992: 363). Ebd. 358.
81 Metapher gebildet wird. Die Rekonstruktion der Kommunikationsbedingungen und Konstellationen dieser Phase stellt den Kernbereich der meisten Metapherntheorien dar. P h a s e 4 ist - ähnlich wie Phase 2 - eine Übergangsphase, es handelt sich aber nicht um ein Übergangsstadium zur Herausbildung eines kommunikativen Verfahrens, sondern um ein Übergangsstadium auf dem Weg zur Konventionalisierung einzelner Elemente. In Phase 4 kommt es zur Habitualisierung einzelner Metaphernverwendungen. In dieser Phase wird die Herauslösung einzelner Elemente aus dem Verfahren, die in Phase 5 geschieht, vorbereitet. In P h a s e 5 verändert sich das Setting von kommunikativen Problemen entscheidend. Bestimmte metaphorische Verwendungen haben sich durch den wiederholten Gebrauch in einer Sprachgemeinschaft derart etabliert, daß sie zu festen Gebrauchsweisen werden. Die jeweilige Metapher wird nun nicht mehr im Rahmen eines Verfahrens verwendet und verstanden, sondern erhält den Status einer konventionellen Gebrauchsweise, sie wird zur metaphorischen Lesart. Die Bezeichnung ,tote Metapher' ist insofern sprechend, als es hier zur Ablösung der Metapher aus dem eigentlichen Verfahren kommt: Eine ursprünglich metaphorische Verwendungsweise wird nun nicht mehr verstanden, indem ein Verfahren durchlaufen wird, sondern weil ihr Gebrauch konventionalisiert ist.28 Der Sprecher kann erwarten, daß der Hörer die Lesart durch den Gebrauch kennt. Damit verändert sich das kommunikative Setting entscheidend.29 P h a s e 6 stellt wiederum eine Übergangsphase dar, die kommunikative Etablierung metaphorischer Bezüge. In einzelnen kommunikativen Bereichen erweisen sich in ganz bestimmten thematischen Zusammenhängen sprachliche Bezugsbereiche als besonders produktiv. In Phase 6 kommt es immer wieder zu neuen Metaphernbildungen auf der Basis des gleichen Bezugsbereichs. Der Beginn einer Konventionalisierung - der Übergang zu Phase 7 - macht sich häufig dadurch bemerkbar, daß mehrere Metaphern aus einem bestimmten metaphorischen Bezugsbereich in das Regelwerk einer Sprachgemeinschaft oder einer Teilgemeinschaft Eingang finden, also konventionalisiert sind. In P h a s e 7 hat sich die sprachliche Bezugnahme in bestimmten Diskursbereichen stark verfestigt. Verschiedene Metaphern aus dem Bereich sind bereits lexikalisiert, so daß Neubildungen in dem gleichen Bereich für den Sprecher erwartbar werden. In Phase 7 ist eine Konventionalisierung des metaphorischen Bezugsbereichs erfolgt. Eine solche Verfestigung findet man ζ. B. in vielen Sprachspielen aus dem medizinischen Bereich im Zusammenhang mit der Beschreibung von Krankheiten und ihren Bekämpfungen. Neu entstehende Metaphern sind deshalb in einem hohen Grad erwartbar. Das kommunikative Setting gegenüber Phase 3 hat sich dahingehend verändert, daß Sprecher neu entstehende Metaphern nicht mehr oder nicht in dem Maße vorbereiten oder indizieren müssen. Die vorgenommene Einteilung in Phasen bzw. kommunikative Settings hat den Sinn, den Terminus Metapher zu präzisieren:
28
29
Ob die Metapher noch motiviert ist oder nicht, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Sie wird verstanden, weil ihr Gebrauch eingeführt ist. Die Frage nach der Bedeutung der entsprechenden Lesart kann nun beantwortet werden mit einem Verweis auf den Gebrauch: Als Ampelkoalition bezeichnet man die Koalition zwischen der SPD, FDP und den Grünen.
82 - sie ergibt ein differenziertes Bild von verschiedenen Typen des metaphorischen Gebrauchs sprachlicher Mittel, - sie berücksichtigt die unterschiedlichen Kommunikationskonstellationen und setzt damit beim Sprecher, Hörer und der konkreten Sprechsituation an, - sie schafft die Voraussetzungen für eine differenzierte Analyse der Regelhaftigkeit von metaphorischem Sprechen, - sie versucht, Aspekte der Dynamik des Sprachwandels in eine synchrone Sprachbeschreibung zu integrieren, indem sie die kommunikativen Konstellationen als das unmittelbare Ergebnis diachroner Prozesse begreift. Die folgende Untersuchung beschäftigt sich mit den kommunikativen Settings der Phasen 3 bis 7, also mit den Gebrauchsbedingungen, die für Sprecher vorliegen, wenn sie eine neue Metapher bilden, wenn sie Metaphern wiederholen oder durch die Wiederholung sprachliche Bezugnahmen etablieren.
5. Das metaphorische Verfahren: Das kommunikative Setting in Phase 3
5.1. Zur Identifikation des metaphorischen Verfahrens
Für das Verstehen metaphorischer Äußerungen bedarf es nicht nur eines allgemeinen Sinnverdachts, der Hörer muß auch den spezifischen Verdacht haben, daß es sich um eine Metapher handelt. Eine metaphorische Äußerung kann nur verstanden werden, wenn der Sinn der Äußerung über das metaphorische Verfahren ermittelt wird. Um einer metaphorischen Äußerung Sinn zuzuschreiben, muß der Hörer verstehen, daß es sich um eine Anwendung des metaphorischen Verfahrens handelt. Er darf die Äußerung also nicht verwechseln mit einer konventionellen Äußerung oder einer Äußerung nach einem anderen kommunikativen Verfahren. Geschieht dies dennoch, kommt es zu Verständigungsschwierigkeiten oder zu Mißverständnissen. Von einem solchen Mißverständnis berichtet Charles Darwin in der überarbeiteten Fassung von „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl": (1)
Mehrere Schriftsteller haben den Ausdruck natürliche Zuchtwahl missverstanden oder unpassend gefunden. [...] Andere haben eingewendet, dass der Ausdruck Wahl ein bewusstes Wählen in den Thieren voraussetze, welche verändert werden; ja man hat selbst eingeworfen, da doch die Pflanzen keinen Willen hätten, sei auch der Ausdruck auf sie nicht anwendbar! Es unterliegt allerdings keinem Zweifel, dass buchstäblich genommen, natürliche Zuchtwahl ein falscher Ausdruck ist; wer hat aber je den Chemiker getadelt, wenn er von den Wahlverwandtschaften der verschiedenen Elemente spricht? Und doch kann man nicht sagen, dass eine Säure sich die Basis auswähle, mit der sie sich vorzugsweise verbinden wolle. Man hat gesagt, ich spreche von der natürlichen Zuchtwahl wie von einer thätigen Macht oder Gottheit; wer wirft aber einem Schriftsteller vor, wenn er von der Anziehung redet, welche die Bewegung der Planeten regelt? Jedermann weiss, was damit gemeint und was unter solchen bildlichen Ausdrücken verstanden wird; sie sind ihrer Kürze wegen fast nothwendig. Eben so schwer ist es, eine Personificierung des Wortes Natur zu vermeiden; und doch verstehe ich unter Natur bloss die vereinte Thätigkeit und Leistung der mancherlei Naturgesetze, und unter Gesetzen die nachgewiesene Aufeinanderfolge der Erscheinungen. Bei ein wenig Bekanntschaft mit der Sache sind solche oberflächlichen Einwände bald vergessen. [Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein, S. 99]
Das Mißverständnis wurde dadurch befördert, daß auch die konventionelle Lesart sinnstiftend ist. Das Beispiel macht deutlich, daß Metaphern hinreichend von konventionellen Gebrauchsweisen unterschieden sein müssen. Eine besondere Rolle kommt in diesem Zusammenhang den sprachlichen Indikatoren zu, gemeint sind Merkmale, an denen Sprecher erkennen, daß hier ein metaphorisches Verfahren Anwendung findet. Dabei kann unterschieden werden zwischen sprachlichen Merkmalen, die die Anwendung des Verfahrens mit sich bringt (vgl. Kapitel 5.1.1), und vom Sprecher zusätzlich gesetzten Indikatoren (vgl. Kapitel 5.1.2). Des weiteren ist zu unterscheiden zwischen Merkmalen, die das Verfahren kenntlich machen, und solchen, die lediglich die Unterscheidbarkeit von konventionellen Äußerungen markieren.
84 5.1.1. Sprachliche Indikatorendes Verfahrens Die Konventionalität von Äußerungen und Äußerungsteilen stützt sich u. a. auf die Eigenschaft von Wörtern oder komplexeren Einheiten, mehr oder weniger feste Bindungen auf syntagmatischer Ebene einzugehen. Zur Regelbeschreibung bestimmter Wortarten gehören ζ. B. Angaben zur Kollokation, Distribution oder Valenz. So lassen sich die Regeln zum Gebrauch eines Adjektivs beispielsweise durch die Angabe spezifischer Kollokationen bzw. Kollokationsklassen angeben. 1 Metaphorische Äußerungen zeichnen sich häufig - a b e r n i c h t n o t w e n d i g - dadurch aus, daß Kollokations-, Distributions-und/oder Valenzregeln außer Kraft gesetzt werden: (2)
Verächtlich blicken sie denn auch auf die „digitalen Analphabeten" oder die „Obdachlosen im Cyberspace", wie Negroponte die Generation der 25-50jährigen nennt. [Spiegel special Nr. 3, 1996, S. 22]
(3)
Wir sehen, wir reden, wir wissen, wir erinnern, wir arbeiten und rechnen in Wolken und Nebeln. [Botho Strauss: Beginnlosigkeit, S. 11]
(4)
An Anna Blume [...] Anna Blume! Anna, a-n-n-a, ich träufle deinen Namen. Dein Name tropft wie weiches Rindertalg. [...] [Kurt Schwitters: Anna Blume. Märzgedicht 1. In: Gedichte des Expressionismus, S. 197f.]
Die oben beschriebenen Befunde sind, wenn auch theoretisch anders verortet, in vielen Theorien zur Identifikation und Definition metaphorischen Sprechens herangezogen worden. 2 Sie stellen aber w e d e r n o t w e n d i g e n o c h h i n r e i c h e n d e K r i t e r i e n dar:
1 2
Vgl. Hundsnurscher/Splett (1982: 59). Im Rahmen des tranformationsgrammatischen Paradigmas werden solche Phänomene als Verstoß gegen eine Selektionsregel beschrieben: „Sentences that break selectional rules can often be interpreted metaphorically [...] or allusively in one way or another, if an appropriate context of greater or less complexity is supplied", hatte Chomsky (1965/1976: 149) in „Aspects of the theory of syntax" bemerkt. Chomsky bezieht sich mit seiner Bemerkung auf Sätze wie: (i) colorless green ideas sleep furiously (ii) golf plays John (iii) the boy may frighten sincerity (iv) misery loves company (v) they perform their leisure with diligence. (Vgl. ebd.) Während Chomsky den Zusammenhang sehr vorsichtig formuliert - er behauptet nur, daß es sich um eine Metapher handeln kann, und zieht auch die Möglichkeit des Vorhandenseins anderer Verfahren in Betracht - haben Linguisten in Nachfolge Chomskys dieses Kriterium genutzt, um eine Definition von Metaphorik daraus abzuleiten: „The presence of a selectional restriction violation is thus a necessary and sufficient condition for the distinguishing of metaphor from nonmetaphor, excepting of course those cases where the utterances are not intended to be meaningful". (Matthews 1971: 424) Vgl. hierzu auch die Metaphernkonzeptionen von Abraham (1975: 144f. u. 156) und Levin (1977: 33f.).
85 - Nicht jede Regelverletzung der oben beschriebenen Art stellt eine Metapher dar. Levinson erinnert in diesem Zusammenhang daran, daß die Semantik natürlicher Sprachen eine gewisse Elastizität aufweise, die es ermögliche, so etwas wie Bedeutungsdehnungen vorzunehmen. So lasse sich etwa bei den folgenden Beispielen nicht klar sagen, wo die konventionelle Bedeutung aufhört und die metaphorische Bedeutung anfängt: (5)
Hans kam eilig die Treppe herunter. Hans rannte die Treppe herunter. Hans eilte die Treppe herunter. Hans hetzte die Treppe herunter. Hans schoß die Treppe herunter. Hans stürzte die Treppe herunter.3
Levinson will mit diesen Beispielen zeigen, daß nicht jede syntagmatische Irregularität das metaphorische Verfahren indiziert. Aus gebrauchstheoretischer Sicht läßt sich die Unmöglichkeit der Grenzziehung in den in (5) angeführten Beispielen dadurch erklären, daß die genannten Bewegungsverben mit manchen Kollokationen durchaus synonym gebraucht werden können (6), in syntagmatischer Verbindung mit die Treppe aber nicht: (6)
Hans eilte an uns vorbei. Hans schoß an uns vorbei.
Ein Satz wie Hans schoß die Treppe herunter stellt demnach zwar keine konventionalisierte Variante dar, die Sprecher sind aber dennoch imstande, die nicht regelhafte Variante einer entsprechenden Lesart zuzuordnen. Damit eine Äußerung als metaphorische Äußerung verstanden wird, muß die Lesart hinreichend verschieden von konventionellen Lesarten sein. Die Verletzung einer Regel auf syntagmatischer Ebene allein gibt noch keinen Aufschluß darüber, daß eine Metapher vorliegt. Der Hörer muß darüber hinaus einen gerichteten Sinnverdacht aufbauen, d. h. er muß nicht nur ex negativo die konventionelle Lesart ausschließen, sondern auch erkennen, daß die nicht-konventionell gebrauchten Worte im Rahmen des metaphorischen Verfahrens sinnkonstituierend sind. Dies ermöglicht, wie in Kapitel 5.2.2 ausgeführt werden soll, die erfolgreiche Bezugnahme auf einen anderen Diskurs. - Die diskutierten Identifikationsmerkmale versagen ganz bei komplexeren metaphorischen Ausdrücken wie in (7).4 Metaphorische Äußerungen wie in (7) weisen hinsichtlich der Valenz-, Distributions- und Kollokationsregeln keinerlei Besonderheiten auf. Der
3
4
Levinson (1983/1990: 151); Im Englischen lauten die Sätze: „John came hurriedly down the stairs John ran down the stairs John rushed down the stairs John hustled down the stairs John shot down the stairs John whistled down the stairs". (Levinson 1983/1995: 150) Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.1.
86 Satz steht am Anfang eines Artikels über den sogenannten „Immobilienhai" Jürgen Schneider: (7)
Zwei Wochen war der ,Hai' schon abgetaucht. [Frankfurter Rundschau Nr. 46, 23.2.1996, S. 3]
Ein anderes Beispiel für eine solche komplexere Metapher führt Künne an: „Jemand kommt verspätet in eine für seine Zukunft entscheidende Sitzung, die seit einigen Minuten eine für ihn ungünstige Entwicklung zu nehmen droht; er blickt mich fragend an, und ich sage nichts weiter als: ,Es ziehen gerade einige dunkle Wolken auf'." 5 Diesen Metapherntyp systematisch von den anderen Metaphern zu unterscheiden und ihn beispielsweise der Allegorie zuzuschlagen ist ebenfalls nicht sinnvoll, denn eine komplexere Metapher wie in (5) unterscheidet sich in ihrer kommunikativen Funktion nicht von anderen Metapherntypen, sie unterscheidet sich aber sehr wohl von dem, was in der Forschung gemeinhin als Allegorie bezeichnet wird. 6 Übernimmt man hier den in der Rhetorik geprägten Begriff der Allegorie als einer durchgeführten Metapher' 7 , so wäre der Unterschied zur .normalen' Metapher hinsichtlich der Funktion aufzuzeigen. Es liegt nahe, wenn der Satzrahmen zur Identifikation von Metaphern nicht ausreicht, den Äußerungsrahmen mit in die Identifikation einzubeziehen. Metaphorische Äußerungen unterscheiden sich in vielen Fällen dadurch von konventionellen Äußerungen, daß das konventionelle Verständnis der Äußerung zu Inkohärenzen führen würde. Jede Äußerung eröffnet einen spezifischen Rahmen von kohärenten Anknüpfungsmöglichkeiten. Dieser Rahmen wird einerseits durch die spezifische Sequenzposition geschaffen, andererseits durch das kommunikative Vorfeld und Vorgaben des Text- bzw. Dialogmusters. In Beispiel (8) scheinen Regeln thematischer Progression verletzt, wenn man die metaphorische Äußerung im konventionellen Sinne versteht:
5 6
7
Künne (1983: 194). Zu den verschiedenen Allegoriekonzeptionen vgl. Meier (1976). Für das Mittelalter lassen sich nach Ohly (vgl. 1958/1977: 13) drei Stufen des geistigen Sinns des Wortes unterscheiden, wobei die erste dieser drei Stufen in der Regel als Allegorie bezeichnet wird. „Über dem Fundament des historischen oder Buchstabensinns des Wortes erhebt sich ein vom Mittelalter selbst so genannter Überbau der drei Stufen des geistigen Schriftsinns, des allegorischen, des tropologischen und des anagogischen Sinns. Entsprechend dem Aspekt, unter dem das Wort nach seinem Sinn befragt wird, erschließt es sich dem Ausleger nach der historischen, der allegorischen, der tropologischen oder der anagogischen Dimension des Wortsinnes. [...] Stellt man die Frage nach der heilsgeschichtlichen Bedeutung des Textes, so antwortet er auf der Stufe des allegorischen Sinnes. Allegorie meint hier dasselbe wie der moderne Begriff der Typologie, also den Bedeutungsbezug zwischen Präfiguration und Erfüllung wie zwischen dem Alten und Neuen Testament." (Ebd. 13f.) Vgl. Quintiiianus Institutionis Oratoriae Libri XII, VIII 6, 44. Als Beispiel für eine .durchgeführte Metapher' führt Quintilian das folgende Beispiel an: „.Schiff, dich treibt die Flut wieder ins Meer zurück! / Weh, was tust du nur jetzt! Tapfer dem Hafen zu'." („O navis, referent in mare te novi / fluctus: o quid agis? fortiter aciipe portum"; vgl. ebd.) Die Stelle finde sich bei Horaz, „an der er Schiff für das Gemeinwesen, Fluten und Stürme fiir Bürgerkriege, Hafen fur Frieden und Eintracht sagt". (Vgl. ebd.)
87 (8)
Das Sozialprotokoll im Maastrichter Vertrag weist - bei allen institutionellen Unklarheiten, die es mit sich bringt - den Weg. Es ist vor einer Woche erstmals politisch eingesetzt worden. Bildlich gesprochen: Wenn der alte Karren zeitweise blockiert ist, wollen diejenigen, die es eilig haben, umsteigen können. Ein Vehikel dazu müsste geschaffen werden. Kein Maastricht II wäre die Folge, sondern eine zweite, neue Gemeinschaft. [NZZ Nr. 227, 29.9.1994, S. 3]
Aber auch hier handelt es sich im strengen Sinne nicht um ein notwendiges Merkmal und einen zuverlässigen Indikator.8 Es gibt Äußerungsteile oder ganze Sätze, die sowohl metaphorisch wie nicht-metaphorisch verwendet sinnkonstituierend sein können. 9 Die von Darwin erwähnten Mißverständnisse waren von dieser Art. (Vgl. (1)) In der folgenden Äußerung ist der Ausdruck Übereinstimmung mit dem Erblinden und dem Sterben sowohl metaphorisch wie nicht-metaphorisch sinnkonstituierend, der Sprecher weist deshalb durch ein redecharakterisierendes Adverbial auf die metaphorische Verwendung hin: 10 (9)
Der Tod und später Aids sind bei Derek Jarman längst ein zentrales Thema gewesen. In «Blue» hat er sich nun ganz geweigert, sich ein Bildnis zu machen, nicht programmatisch, aber in metaphorischer Übereinstimmung mit dem Erblinden und dem Sterben. Der politische Kampf gegen die victimization klingt hier nur noch als Echo herüber: «I shall not win the battle against the virus - in spite of slogans like < Living with Aids>» - wie die amerikanische Bewegung für Lesbian and Gay Rights sie vor Jahren proklamiert hatte. [NZZ Nr. 130, 7.6.1994, S.45]
Umgekehrt kann es nötig sein, auf die Nicht-Metaphorizität einer Verwendung aufmerksam zu machen: (10) Marsha Norman, eine der fuhrenden amerikanischen Dramatikerinnen, präsentiert mit «Nacht, Mutter» ein beklemmendes Stück: buchstäblich zwischen Leben und Tod angesiedelt. Die beiden Frauen, Mutter und Tochter, scheinen miteinander einen Abend wie immer verbringen zu wollen - mit Fernsehen, Maniküre und Gebäck - , aber unversehens eröffnet Jessie ihrer Mutter, dass sie sich noch in dieser Nacht umbringen wird. [NZZ Nr. 82, 7.4.1995, S.46] (11) In «La vie et demie» (1979) wird Martial, der Führer der illegalen Opposition, vom Guide buchstäblich durchsiebt und zersäbelt, trotzdem existiert er als Schatten weiter, weil er diesen Tod nicht sterben will. Die Folge von komischen und grotesken Szenen in «La vie et demie» (dt. «Verschlungenes Leben», Eco-Verlag) und «L'Etat honteux» (1981) inszeniert den Staat und seine Soldateska als pathologische Mordmaschinerie. [NZZ Nr. 191, 19.8.1995, S. 62] In der folgenden Äußerung wird der Ausdruck Tschador - wie die Redekommentierungen deutlich machen - gleichzeitig metaphorisch wie nicht metaphorisch gebraucht: (12) Paraden werden abgehalten. In jeder Zeitung, in jeder Kinochronik bedanken sich Melkerinnen, Weberinnen, Ärztinnen usw. bei Genösse Stalin, der die Frauen von einem rea-
8 9 10
Deshalb werden derartige metaphorische Äußerungen häufig zusätzlich indiziert. Vgl. hierzu auch Way (1991: 44). Hervorhebungen durch Fettdruck in den folgenden Beispielen nicht im Original.
88 len oder metaphorischen «Tschador» befreit hat. Die Städte sind geschmückt mit Losungen, wie «Ruhm den sowjetischen Frauen - der Avantgarde des Aufbaus des Kommunismus». [NZZ Nr. 42, 19.2.1994, S. 25]
Solche Verwendungen kommen nicht häufig vor, sie verdeutlichen aber, daß eine metaphorische Äußerung nicht notwendigerweise eine Regelverletzung darstellt, und dies gilt selbst dann, wenn man - wie in der Literatur gefordert wird11 - den Kontext entsprechend erweitert. Diese und ähnliche Beobachtungen haben viele Autoren dazu geführt, resignative Schlußfolgerungen hinsichtlich der Identifizierbarkeitvon Metaphern zu ziehen: Jedes noch so einleuchtende Kriterium für das Vorliegen einer Metapher - stellt Max Black fest - sei unter besonderen Umständen anfechtbar,12 und Schöffel bemerkt, daß wir zwar wüßten, was eine Metapher sei, diese Definition uns aber nicht in den Stand versetze, aus einer gegebenen Menge die Metaphern herauszusortieren: „Gewiss eine verwirrende und neuartige Situation!"13 Der gelingenden Kommunikation muß das nicht abträglich sein, denn Sprecher verfügen - wie die angeführten Beispiele bereits zeigen und im folgenden weiter ausgeführt werden soll - über vielfältige Möglichkeiten, Metaphern kenntlich zu machen.
5.1.2. Vom Sprecher gesetzte Indikatoren Kommunikation funktioniert in der Regel nur, wenn Sprecher die Verantwortung für das Gelingen ihrer Äußerungen übernehmen. Im Fall des metaphorischen Sprechens bedeutet dies, daß der Sprecher antizipiert14, ob der Hörer genügend Informationen hat, um eine entsprechende Äußerung als metaphorische Äußerung zu verstehen. Daß die Metaphernindizierung in die Verantwortung des Sprechers fällt, wird noch deutlicher, wenn man sich vor Augen führt, daß Konventionalität und Nicht-Konventionalität nicht sprachlichen Einheiten als solchen zugeschrieben werden können, sondern sprachlichen Einheiten in ihrer Verankerung in der Lebensform bestimmter Sprachgemeinschaften. Was konventionell und nicht-konventionell ist, wissen die Sprecher, die die kommunikativen Gewohnheiten der entsprechenden Lebensformen teilen, aber durchaus nicht unbedingt alle Sprecher einer Sprachgemeinschaft. Kommt es zu Überschneidungen verschiedener Lebensformen, kann es durchaus sein, daß einem Sprecher konventionelle Gebrauchsweisen der Lebensform, an der er nicht partizipiert, unbekannt sind. Auch wenn sich aus der Innenperspektive der Lebensform metaphorische Sprechweisen deutlich von konventionellen Gebrauchsweisen unterscheiden, kann es deshalb nötig sein, sie zu indizieren. Solche Indizierungen finden sich häufig im Bereich des Wissenstransfers, d. h. in
11 12 13 14
Vgl. ζ. B. Zhu (1994: 428ff.). Vgl. Black (1977/1993: 35). Vgl. Schöffel (1987: 168). Zur Antizipation als „Prinzip der Kommunikation" vgl. Zimmermann (1984).
89 Sprachspielen, in denen Sprecher Wissen aus einem relativ spezifischen Fachzusammenhang einem nicht-fachlichen Adressatenkreis vermitteln:13 (13)
Das in diesem engen Raum wandernde Licht kann mit herkömmlicher Wellentheorie nicht mehr zureichend beschrieben werden. Es hat, bildlich gesprochen, nicht genug Platz, sich auszubreiten, um so grob und plump zu werden wie im Normalfall, in dem die Auflösungsgrenze zwischen ein- bis zweihundert Nanometern liegt. [DIE Z E I T Nr. 19, 6 . 5 . 1 9 9 4 , S. 41] 1 6
In dem folgenden Text werden aus dem gleichen Grund konventionelle und metaphorische Gebrauchsweisen indiziert: (14)
Die Daten erreichen das 14 Kilometer entfernte Schlieren über eine 8-Megabit-Glasfaserleitung der P T T «on line» - also praktisch zur gleichen Zeit. Dort werden sie von zwei Recordern empfangen und anschliessend auf einen seitengrossen Negativfilm belichtet. Der ganze Vorgang dauert nicht mehr als eine Minute und ist auch ein Kampf gegen Staub und Erschütterungen: Eine aufwendige Luftkissen-sowie-Überdruck-Technik stabilisiert Sender wie Recorder und verhindert dadurch fehlerhafte Übermittlungen auf Grund von Vibrationen oder Schmutzpartikeln weitgehend. Nachrechnen lohnt sich übrigens, denn das journalistische Informationsgut hat in diesem Stadium im wörtlichen Sinne Elektroschock-Qualitäten: Bei einer Leitungskapazität von 8 MBit besteht nämlich eine Zeitungsseite, die in Schlieren ankommt, aus rund 500 Millionen digitalen Informationen. Dies entspricht - bildlich gesprochen - dem 500millionenmaligen Kippen eines Schalters. [NZZ Nr. 125, 1.6.1994, S. 15] 17
Die Beispiele zeigen, daß die Frage der Identifizierbarkeit von Metaphern nicht unabhängig von Situation und angesprochenem Adressaten entschieden werden kann, ein Gesichtspunkt, der in zahlreichen Untersuchungen gänzlich außer acht gelassen wird. Ob eine Äußerung hinreichend von konventionellen Äußerungen unterscheidbar ist, muß vom Sprecher unter Berücksichtigung aller situativen Faktoren entschieden werden. Auch hier zeigt sich wieder, daß eine adäquate Beschreibung des metaphorischen Sprechens nur unter Berücksichtigung der Einbindung der sprachlichen Handlungen in die Lebensform möglich ist. Sprecher verfügen über eine ganze Reihe von sprachlichen Möglichkeiten, den Verstehensvorgang zu erleichtern. Viele Probleme, mit denen sich die Metaphernliteratur auseinandersetzt, haben ihren Ursprung in der Nicht-Beachtung dieses einfachen Sachverhalts.
5 . 1 . 2 . 1 . Redecharakterisierungen Nach Niehüser besteht „die kommunikative Funktion expliziter Redecharakterisierungen zumeist darin, Mißverständnissen oder Einwänden des Hörers, die durch die Äußerung des Sprechers hervorgerufen werden könnten, von vornherein durch eine zusätzliche Informa-
15
16 17
Wichter spricht in diesem Zusammenhang von „vertikaler Variation": „Die vertikale Variation gründet [...] auf dem Gegensatz zwischen einem Expertenwissen und einem Laienwissen in einem Fach oder einem Sachbereich." (Wichter 1991: 104) Hervorhebungen nicht im Original. Hervorhebungen nicht im Original.
90 tion über den spezifischen Charakter der Äußerung zu begegnen. Explizite Redecharakterisierungen erfolgen immer dann, wenn der Sprecher antizipiert, daß seine Äußerung ohne zusätzlichen Kommentar eine Belastung oder Störung des Gesprächs hervorrufen könnte. Die Verwendung dieser Redecharakterisierungen steht dabei durchgängig im Dienst der Vermeidung oder Verminderung kommunikativer Risiken. "18 Betrachtet man Redecharakterisierungen im Zusammenhang mit der Möglichkeit des Verstehens von metaphorischen Äußerungen, ist natürlich relevant, ob die redecharakterisierenden sprachlichen Mittel eindeutig ein Verfahren indizieren oder verschiedene Funktionen übernehmen können.
5.1.2.1.1. Redecharakterisierende Adverbiale Bei den redecharakterisierenden Adverbialen kann im gegebenen Fall unterschieden werden zwischen relativ unspezifischen sprachlichen Mitteln, die sehr unterschiedliche redecharakterisierende Funktionen erfüllen können, wie sozusagen, sogenannt, gewissermaßen, gleichsam und solchen, die das metaphorische Verfahren eindeutiger benennen, wie bildlich gesprochen, figürlich gesprochen, metaphorisch gesprochen oder einfach metaphorisch und komplexeren Ausdrücken mit gleicher Funktion. Auch die letzteren indizieren allerdings nicht immer das metaphorische Verfahren. Redecharakterisierende Adverbiale wie bildlich gesprochen oder figürlich gesprochen können z. B. auch dazu dienen, sich vom Gesagten zu distanzieren etc. Im folgenden sind Beispiele angeführt, in denen Metaphern durch redecharakterisierende Adverbiale kenntlich gemacht werden:19 (15) Die Abwehrstrategien der Pflanzen sind vielfaltig. Im Gegensatz zum gezielt wirkenden Immunsystem höherer Tiere empfangen Pflanzen Eindringlinge gewissermaßen mit einem breit gestreuten Schrotschuß. [FAZ Nr. 63, 16.3.1994, S. Ν 3] (16) In den Tiefen der Weltmeere hat er sogenannte schwarze Raucher untersucht. Lava steigt dort bis in die Nähe des Grundes auf und erhitzt durch Spalten eingedrungenes Wasser auf über hundert Grad Celsius. [DIE ZEIT Nr. 43, 22.10.1993, S. 45] (17) Was auf den ersten Blick aberwitzig anmutet, offenbart im submikroskopischen Bereich durchaus raffinierten Hintersinn: Durch die Explosion wird das Molekül gleichsam von atomaren auf makroskopische Dimensionen aufgebläht, so daß sich seine Bestandteile leicht vermessen lassen. [Spektrum der Wissenschaft Nr. 7, 1989, S. 30] (18) Eine Leibnizsche Monade ist - bildlich gesprochen - ein „lebendiger, der inneren Tätigkeit fähiger Spiegel, der das Universum aus seinem Gesichtspunkte darstellt und ebenso eingerichtet ist wie das Universum selbst." Und da nur das vernichtet werden kann, was räumlich und also teilbar ist, „dauern Monaden so lange wie die Welt" und sterben nicht. [DIE ZEIT Nr. 49, 1.12.1995, S. 32]
18 19
Niehüser (1987: 194f.). Hervorhebungen nicht im Original.
91 (19)
Auf dem Höhepunkt seiner Verliebtheit feuert der inzwischen Einundzwanzigjährige metaphorische Breitseiten auf die ferne Mileva: «mein Alles, mein Lüderchen, mein Gassenbub, mein Frätzchen». Unversehens wird er zu einem firühexpressionistischen Poeten: «Meine kleine Veranda», balzt er. [NZZ Nr. 104, 5.5.1994, S. 27]
(20)
Diese Tatsache hat Konsequenzen. Gerät nämlich eine Schallwelle in diese Schicht, bleibt sie darin gleichsam gefangen. Die Schicht wirkt wie ein Kanal, in dem Schallwellen ähnlich wie Licht in einem Glasfaserkabel - ohne großen Energieverlust „geführt" werden. [FAZ Nr. 63, 16.3.1994, S. Ν 1]
5.1.2.1.2. Markierung durch Anführungszeichen Wie Beispiel (20) zeigt, können metaphorisch gebrauchte Wörter und Ausdrücke vom Sprecher nicht nur durch redecharakterisierende Adverbiale, sondern auch durch Anführungsstriche markiert werden. Diese können als graphische Zeichen oder aber gestisch ausgeführt werden. Anführungszeichen sind keine spezifischen Indikatoren für metaphorisch verwendete Ausdrücke und Wörter. Neben den bekannten Funktionen der Markierung von direkter Rede, des Zitierens und der Hervorhebung einzelner Wortteile,20 Wörter und Textteile erfüllen sie eine ähnliche Funktion wie eine Teilgruppe der „qualitativen Adverbiale", mit denen der Sprecher zum Ausdruck bringt, daß er eine teilweise unpräzise Formulierung eines Sachverhalts äußern will,21 oder der „problematisierenden Adverbiale", mit denen der Sprecher die Verbindlichkeit der eigenen Äußerung in Frage stellt.22 Daneben führt die Fachliteratur noch zahlreiche andere Funktionen der Anführungszeichen an.23 Anführungszeichen sind also, was ihre Fähigkeit zu indizieren anbetrifft, relativ unspezifisch. Dennoch werden sie häufig und in der Regel erfolgreich eingesetzt, um den Verstehensvorgang bei Metaphern zu unterstützen. In ihrer Funktion als Metaphernindikatoren sind Anführungszeichen normalerweise von Verwendungen in der Funktion als Indikatoren von Zitat, direkter Rede und Hervorhebung eindeutig zu unterscheiden. Schwieriger ist mitunter die Unterscheidung zwischen der Funktion als Metaphernindikator und der Funktion der Distanzierung vom Geäußerten: (21)
20
21
22
23
Überdies lassen sich sehr schnelle Elemente bauen, die den sogenannten Tunneleffekt ausnutzen. Für dieses Phänomen gibt es kein anschauliches Beispiel aus unserer Erlebniswelt - es sei denn das durch Mauern hindurchwandelnde Schloßgespenst. Auf vergleichbar
Die 1996 erschienene Ausgabe des DUDEN-Rechtschreibwörterbuchs erwähnt nur diese drei Funktionen. (Vgl. DUDEN 1996: 22f.) Die häufige Verwendung der Anführungszeichen im Zusammenhang mit dem metaphorischen Sprechen läßt aber m. E. darauf schließen, daß die Anführungszeichen auch hier konventionellerweise redecharakterisierende Funktion besitzen. Vgl. hierzu Niehüser (1987: 103ff.). Als Beispiele fuhrt Niehüser Wendungen wie die folgenden an grob gesagt, um es (etwas) oberflächlich auszudrücken, ich kann im großen und ganzen sagen etc. (Vgl. ebd. 104) Vgl. Niehüser (1987: 158ff.). Beispiele hierfür sind Wendungen wie mit Vorbehalt gesagt, um es einmal ad hoc zu formulieren, ich kann nur mit Einschränkung sagen, wenn ich das einmal so vorläufig ausdrücken darf etc. (Vgl. ebd. 159) Vgl. hierzu Grabski (1988) und Klockow (1980).
92 geisterhafte Art kann ein Elektron aus einer Energiefalle entwischen, indem es die eingrenzenden Barrieren „durchtunnelt". [DIE ΖΕΓΓ Nr. 40, 1.10.1993, S. 54] Die verschiedenen Funktionen können auch zusammenwirken, wenn der Sprecher eine Metapher markiert und sich zugleich von den gewählten sprachlichen Mitteln distanziert.
5.1.3. Verfahrensunterstützende Mittel Die beschriebenen Indikatoren erfüllen die Aufgabe, Metaphern als solche kenntlich zu machen. Darüber hinaus können Sprecher auch Mittel einsetzen, die das Verstehen des Verfahrens direkt unterstützen. Eine metaphorische Äußerung kann ζ. B. dadurch eingeführt werden, daß eine Verfahrenskomponente vorbereitet wird. Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang der Vergleich, der das Bilden von Analogien als zentrales Moment des metaphorischen Verfahrens24 unterstützt:25 (22) Diese Tatsache hat Konsequenzen. Gerät nämlich eine Schallwelle in diese Schicht, bleibt sie darin gleichsam gefangen. Die Schicht wirkt wie ein Kanal, in dem Schallwellen ähnlich wie Licht in einem Glasfaserkabel - ohne großen Energieverlust „geführt" werden. [...] Seine Arbeitsgruppe hatte in den Jahren 1987/88 von Kaneohe auf der Hawaii-Insel Oahu eine Schallwelle in dem „Kanal" versenkt. [FAZ Nr. 63, 16.3.1994, S. Ν 1] (23) Ein Quantenfilm ähnelt einem weniger als hauchdünn belegten Sandwich: »Schichtdicken von etwa zehn Nanometern sind möglich und auf wenige Atomlagen genau kontrollierbar«, beschreibt Günter Weimann vom Walter-Schottky-Institut in München den Stand der Technik. Ob mit dem klassischen Paar Aluminiumarsenid/Galliumarsenid oder mit anderen Halbleitmaterialien - das Sandwich wird so aufgebaut, daß frei bewegliche, für die elektrische Leitung verantwortliche Elektronen in der mittleren Schicht den von ihnen bevorzugten Zustand geringster Energie einnehmen können. Ähnlich wie Sandkörner am Boden einer Wellblechrinne lassen sich deshalb Elektronen in dieser „Energiefalle" fangen. [DIE ZEIT Nr. 40, 1.10.1993, S. 54] Wie bei jeder anderen Äußerung können sich Sprecher metakommunikativer Züge bedienen. Emonds spricht in diesem Zusammenhang von Vorbereitungs- und Erläuterungszügen. 26 In dem folgenden Beispiel wird das metaphorisch gebrauchte Wort im Nachfeld erläutert. Es handelt sich um die Äußerung eines Priesters, der als Sprecher einer Gruppe von Traditionalisten die Weihe von weiblichen Priesterinnen in der anglikanischen Kirche von England kritisiert: (24) Transvestiten neuer Art: Frauen, die sich als Priester verkleiden. [Münstersche Zeitung Nr. 61, 14.3.1994, m7]
24 25 26
Vgl. zur Rolle der Analogiebildung Kapitel 5.2.3 und 7.5.3. Die Hervorhebungen in den folgenden Beispielen finden sich nicht im Original. Vgl. Emonds (1986: 125).
93
Eine Erläuterung im Vorfeld liegt bei der folgenden Äußerung vor. Durch das Wort deshalb gibt der Sprecher einen anaphorischen Verweis auf zuvor gemachte Erläuterungszüge: (25) Es wäre nicht das erste Mal, daß ein Verfahren zur refraktären Hornhautchirurgie zunächst euphorisch gefeiert, dann aber wieder verworfen wurde. So erwies sich die von dem russischen Augenarzt Swajatoslaw Fjodorow propagierte Methode der radiären Keratotomie als gefährlich. Fjodorow schneidet mit einem Diamantmesser oder mit einem Laserstrahl strahlenförmig in die Augenhornhaut. Die tiefen Einschnitte können schwerwiegende Folgen haben: Sie bilden als vernarbte Sollbruchstellen eine ständige Gefahr. Wird das Auge durch einen Stoß verletzt, der normalerweise einen Bluterguß hervorrufen würde, kann der Augapfel platzen. Von einem »Operationspoker« sprach deshalb die Stiftung Warentest und nannte viele Patienten, die nach der Schnitt-Behandlung unter Blendungserscheinungen und einer Verringerung der Sehschärfe litten. [DIE ZEIT Nr. 4, 29.10.1993, S. 55]
Auch das Attribut kann entsprechende erläuternde und kommentierende Funktionen übernehmen. In dem folgenden Beispiel konkretisiert das Attribut immunologisch die metaphorische Verwendung von jungfräulich: (26) Für das Virus ist der Tisch gedeckt: Es würde eine immunologisch weitgehend „jungfräuliche" Bevölkerung vorfinden. [DIE ZEIT Nr. 42, 15.10.1993. S. 54]
Ein Attribut im Nachfeld des metaphorisch gebrauchten Wortes liegt in Beispiel (27) vor. Es dient zugleich dazu, den nicht mehr indizierten Metapherngebrauch der Folgeäußerung vorzubereiten: (27) Vor allem ein banal klingender Aspekt wirkt sich am Ende fatal für den Menschen aus: Die Aids-Viren haben einen schludrigen „Übersetzer" an Bord, der ihre Erbinformationen (RNA) überträgt in die „Sprache" der humanen Erbinformation (DNA). Nur dann können die Viren den menschlichen Zellen ihre Botschaft aufzwingen und sich vermehren. Der virale Übersetzer verhaut sich durchschnittlich einmal pro zehntausend Buchstaben. [DIE ZEIT Nr. 12, 17.3.1995, S. 49]
5.1.4. Zusammenfassung Die Ausführungen haben gezeigt, daß das metaphorische Verfahren nicht e i n d e u t i g durch ausdrucksseitige Kriterien identifiziert werden kann. Daß Äußerungen gleichzeitig metaphorisch wie konventionell fungieren können, zeigt deutlich, daß Regelverletzungen kein notwendiges Kriterium für metaphorische Äußerungen sein müssen. Dennoch stellt die Identifikation von Metaphern in der Regel kein kommunikatives Problem dar. Ist eine metaphorische Äußerung nicht hinreichend von konventionellen Äußerungen oder Äußerungen nach anderen Verfahren unterschieden, stehen dem Sprecher eine Reihe konventioneller (Redecharakterisierungen, Anführungszeichen) und nicht-konventioneller Mittel zur Verfügung, das metaphorische Verfahren zu indizieren. Daneben kann eine metaphorische Äußerung durch verfahrensunterstützende Mittel transparent gemacht werden. Der Einführung durch einen Vergleich kommt hier eine besondere Rolle zu.
94 Die Frage der Notwendigkeit zur Indizierung hängt nicht allein von der Metaphorizität einer Äußerung, sondern auch von der kommunikativen Situation, vom Adressaten und insbesondere von den auf diese bezogenen Einschätzungen und Absichten des Sprechers ab. Indizierungen fallen in den Bereich der Sprechersteuerung. Hierauf muß schon deshalb hingewiesen werden, weil nicht in allen Fällen Eindeutigkeit der sprachlichen Mittel intendiert ist. Der Sprecher kann auch eine gewisse Offenheit seiner Äußerung beabsichtigen. Hierbei ist nicht nur an Metaphern in bestimmten poetischen Kontexten zu denken, auch in anderen sprachlichen Zusammenhängen finden sich Fälle intendierter Offenheit; man kann sogar sagen, daß diese ein typisches Merkmal bestimmter Textsorten darstellt. So finden sich beispielsweise in der Wochenzeitschrift DIE ZEIT zahlreiche Überschriften, die eine solche intendierte Offenheit zeigen.27 Sie haben nicht die Funktion, zentrale Aussagen des Textes zusammenzufassen, sondern sollen beim Leser die Neugierde auf den Text wecken. Sie sind nicht auf Verständlichkeit, sondern auf Werbewirksamkeit hin angelegt. Die intendierte Verstehenstiefe muß daher als Faktor mitbedacht werden, wenn es um die Frage der Verständlichkeit von metaphorischen Äußerungen und der Notwendigkeit entsprechender Indizierungen geht.
5.2. Der Kern des Verfahrens
Die Unterscheidung verschiedener kommunikativer Settings in Kapitel 4.3 basierte auf der Überlegung, daß die Anwendung eines Verfahrens bereits bestimmte Verfahrenskenntnisse voraussetzt. Es wurden verschiedene Indikatoren beschrieben, die daraufhindeuten, daß in bezug auf das metaphorische Sprechen ein Verfahrensmuster vorliegt, ein Wissen über das Funktionieren des metaphorischen Verfahrens. Mit dem Begriff .Verfahrensmuster' soll zur Geltung gebracht werden, daß die Fähigkeit, Metaphern zu bilden und zu verstehen, in der Kompetenz verankert ist. Im Gegensatz zu anderen Mustern regelt ein solches Verfahrensmuster nicht das ,Was', sondern das ,Wie' einer Äußerung. Es stellt eine Art funktionales Raster dar, auf dessen Grundlage der kreative Prozeß operiert. Dadurch ist die Kreativität an das Sprachsystem angebunden. Bei der Rezeption von Metaphern läßt das prozedurale Verfahrenswissen gerichtete Sinnerwartungen entstehen und unterstützt so den Verstehensvorgang. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die metaphorisch verwendeten Wörter als solche bekannt sind. Dennoch bleibt die Nicht-Konventionalitätder Äußerung als Erklärungsproblem bestehen. Wenn der nicht-konventionelle Gebrauch der Wörter nicht als Regelverstoß gelten soll, muß dieser integrativ als Bestandteil des Verfahrens aufgefaßt werden.
27
Entsprechende Beispiele sind: „Die Erzählerkreissäge sägt ihr Lied" [DIE ZEIT Nr. 4, 17.1.1997, S. 48], „Von der Sonne tätowiert" [DIE ZEIT Nr. 4, 17.1.1997, S. 51], „Biblische Gene" [DIE ZEIT Nr. 4, 17.1.1997, S. 35] oder „Farbentanz" [DIE ZEIT Nr. 4, 17.1.1997, S. 50],
95 Daß die Wörter ihre Bedeutung im metaphorischen Verfahren beibehalten, ist nicht ein akzidentieller Aspekt, sondern grundlegend für das Verständnis des metaphorischen Verfahrens. Das metaphorische Verfahren - das soll im folgenden aufgezeigt werden - läßt sich als eine Form der sprachlichen Bezugnahme beschreiben, bei der der Sprecher vergleichend auf einen sprachlichen Zusammenhang anspielt. Als wesentliche Komponenten, die im metaphorischen Verfahren zusammenwirken, im folgenden allerdings aus heuristischen Gründen getrennt behandelt werden, lassen sich ausmachen: - sprachliche Bezugnahme (vgl. Kap. 5.2.2) - Anspielung (vgl. Kap. 5.2.3) - Vergleich (vgl. Kap. 5.2.3). Insofern weist die hier vorgelegte Arbeit eine gewisse Nähe zu vergleichstheoretischen Ansätzen auf. Im Unterschied zu den verschiedenen Versionen der Vergleichstheorie besteht ein wesentliches Anliegen der vorliegenden Arbeit jedoch darin, aufzuzeigen, daß das metaphorische Verfahren vor allem als ein sprachliches Verfahren aufgefaßt werden muß. (Vgl. Kap. 5.2.1) Damit nimmt der Ansatz Kritikpunkte auf, die zu Recht gegenüber der Vergleichstheorie geäußert worden sind.
5.2.1. Exkurs: Einwände gegen verschiedene Fassungen der Vergleichstheorie Die verschiedenen Formen der Vergleichstheorie sind in der Forschungsliteratur wiederholt scharf kritisiert worden. Akzeptiert wird an der Vergleichstheorie häufig, daß sie ein Kriterium für die Verstehbarkeit von Metaphern angebe. An der traditionellen Auffassung der Metapher als eines verkürzten Vergleichs sei immerhin soviel richtig, gesteht Seel den Vergleichstheoretikern zu, daß es zum Erfinden und Verstehen einer Metapher einer tatsächlichen oder vermeintlichen Ähnlichkeitsbeziehung zwischen dem Gegenstand der metaphorischen Aussage und der von ihr eingespielten sachfernen Bildwelt (oder Bildwelten) bedarf, einer Ähnlichkeit, wie sie in einem ausgeführten Vergleich dargelegt und erörtert werden könne. Jedoch gebe - fügt Seel einschränkend hinzu - die Metapher keinen Vergleich, auch keinen noch so verkürzten, so wenig wie sie irgendwelche Ähnlichkeiten behaupte.28 Ganz ähnlich schreibt Searle: „Similarity, I shall argue, has to do with the production and understanding of metaphor, not with its meaning." 29 Wenn man mit Black30 unter die Vergleichstheorie („comparison view") Theorien subsumiert, die davon ausgehen, daß für eine Metapher die Darstellung der zugrundeliegenden Analogie oder Ähnlichkeit wesentlich sei, dann lassen sich grob skizziert folgende Varianten der Vergleichstheorie unterscheiden:
28 29 30
Vgl. Seel (1990: 248). Searle (1979/1993: 92); vgl. auch ebd. 94. Vgl. Black (1954/1962: 35).
96 -
die klassische Vergleichstheorie, die behauptet, daß die Metapher ein verkürzter Vergleich sei, 31 - die umgekehrte Vorstellung, daß der Vergleich eine erweiterte Metapher sei, 32 - die handlungstheoretische Version, die das Vergleichen als einen illokutionären Akt begreift. 33 Sieht man einmal ab von eher polemisch formulierten Einwänden wie dem von Max Black, daß die Vergleichstheorie an einer an Leere grenzenden Unbestimmtheit leide, 34 so ergeben sich doch eine ganze Reihe ernstzunehmender Kritikpunkte, die im folgenden diskutiert werden sollen. Einige sehr generelle Einwände hat M. C. Beardsley bereits 1962 in seinem Aufsatz „The metaphorical twist" 35 angeführt. Die „Metapherntheorie des Objektvergleichs" führe zu unrichtigen und unvollständigen Erklärungen von Metaphern. Probleme ergeben sich nach Beardsley vor allem dann, wenn der Modifikator 36 („modifier") Konnotationen besitzt, „die zwar in dem betreffenden Kontext anwendbar sind, die jedoch keine der ge-
31
32
33 34 35 36
Vertreter dieser Richtung sind z. B. Cicero De oratore, ΙΠ, 157: „Es handelt sich dabei um die Kurzform eines Gleichnisses, das sich in einem einzigen Wort konzentriert; denn wenn ein Wort an einer anderen Stelle steht, als stünde es an seiner eigentlichen, so wirkt es reizvoll, falls man die Analogie erkennt, doch man verschmäht es, wenn es keinerlei Entsprechung zeigt." („Similitudinis est ad verbum unum contrada brevitas, quod verbum in alieno loco tamquam in suo positum, si agnoscitur, delectat, si simile nihil habet, repudiatur".) Quintiiianus Institutionis Oratoriae Libri XII, VIII 6, 8 : „Im ganzen aber ist die Metapher ein kürzeres Gleichnis und unterscheidet sich dadurch, daß das Gleichnis einen Vergleich mit dem Sachverhalt bietet, den wir darstellen wollen, während die Metapher für die Sache selbst steht." („in totum autem metaphora brevior est similitudo eoque distat, quod illa comparatur rei, quam volumus exprimere, haec pro ipsa re dicitur.") Hegel (1832-45/1970: 517): „Der Umfang, die verschiedenartige Form der Metapher ist unendlich, ihre Bestimmung jedoch einfach. Sie ist eine ganz ins Kurze gezogene Vergleichung [...]." Gottsched (1742/1973: 326): „Die Metaphore ist also eine verbluemte Redensart, wo man anstatt eines Wortes, das sich in eigentlichem Verstände zu der Sache schicket, ein anderes nimmt, welches eine gewisse Ähnlichkeit damit hat, und also ein kurzes Gleichniß in sich schließt." (Vgl. auch ebd. 324, 329f.) Auch Hermann Pauls Ausführungen zur Metapher lassen sich dem vergleichstheoretischen Modell zuordnen. (Vgl. Paul 1880/1968: 83, 94f.) In einem weiteren Sinn lassen sich zu dieser Gruppe auch Theorien zählen, die nicht von Vergleich aber von Analogie sprechen, vgl. z. B. Bliesener (1981: 260f.) und Hülzer-Vogt (1989b: 359). Eine Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Formen von Vergleichsbeziehungen findet sich bei Kubczak (1994: 36ff.). Diese Auffassung geht auf Aristoteles zurück, vgl. Aristoteles Rhetorik, III 4, 1 = 1406b; ΠΙ 11,11 = 1412b. Vgl. Hundsnurscher (1985: 309); Mac Cormac (1985/1988: 175). Vgl. Black (1954/1962: 37). Beardsley (1962/1996). Beardsley erklärt den Terminus .modifier' anhand des metaphorischen Ausdrucks the spiteful sun; das Wort spiteful stelle im Rahmen des metaphorischen Ausdrucks den Modifikator dar. (Vgl. Beardsley 1962/1996: 120)
97 wohnlichen akzidentiellen Merkmale des denotierten Objektes sind." 37 So stamme ζ. B. die wichtige Nebenbedeutung von briars in den folgenden Zeilen aus T. S. Eliots Gedicht „Four Quartets" nicht nur aus dem, was wir über Dornenbüsche wissen, sondern auch von der Bedeutung der Dornenkrone in der Lebensgeschichte Jesus her: (28) frigid purgatorial fires of which the flame is roses, and the smoke is briars.38
Das zweite Argument gegen die Theorie des Objekt-Vergleichs betrifft die Beliebigkeit der Eigenschaftszuschreibungen. Lasse man sich einmal darauf ein, ein Objekt aufzufinden oder zu ergänzen, das mit dem Subjekt der Metapher in einen Vergleich gesetzt wird, sei der Flut rein idiosynkratischer Bildlichkeit Tür und Tor geöffnet. 39 In beiden Punkten ist Beardsley Recht zu geben. Die metaphorische Bezugnahme läßt sich häufig nicht durch den Rekurs auf das Objekt allein erschließen, eine Theorie des Objektvergleichs kann nicht erklären, welche Eigenschaften beim metaphorischen Sprechen bedeutsam werden. Der dritte Einwand, den Beardsley vorbringt, bezieht sich auf den Aspekt der Angemessenheit. Wenn die Metapher ein Vergleich sei, dann könne man auch fragen, ob der Vergleich »angemessen« oder »weit hergeholt« sei. Die richtige Frage sei jedoch, was mit den Worten gemeint sei.40 Dieser Einwand scheint mir unberechtigt bzw. zu generell formuliert zu sein. Abgesehen davon, daß das Kriterium der Angemessenheit auch bei Vergleichen in der Regel nur eingeschränkt gilt und sich allein auf den Vergleichspunkt bezieht, kann die Angemessenheit von Metaphern zumindest in bestimmten Sprachspielen wie im wissenschaftlichen Diskurs durchaus zum Thema gemacht werden. Beardsleys Einwände beziehen sich im großen und ganzen auf eine Vergleichstheorie, die auf relativ früher Entwicklungsstufe angesiedelt ist. Seine Überlegungen lassen deutlich werden, daß sich sprachliche Verfahrensweisen wie das metaphorische Sprechen nicht erklären lassen, wenn man referenztheoretisch auf die Strukturiertheit einer sprachunabhängigen Dingwelt zurückgreift. Mit der starken These, „daß sich Metaphern niemals auf Vergleiche zurückführen lassen"41, geht Tschauder gegen die Vergleichstheorie vor. Metaphern könnten allenfalls zu Vergleichen führen, die den Status von PseudoVergleichen haben. Ein echter Vergleich, worunter Tschauder einen Satz wie (29) versteht, könne nicht in eine Metapher wie (30) überführt werden:42
37 38 39 40 41 42
(29)
Otto läuft [eben] so schnell wie Heinz.
(30)
Otto ist Heinz.
Ebd. 122. Vgl. ebd. Vgl. ebd. 122f. Vgl. ebd. 123f. Tschauder (1994: 143). Vgl. ebd. 143; ob dies tatsächlich (unter allen Gebrauchsbedingungen) unmöglich ist, kann bezweifelt werden.
98 Tschauder zeigt mit seinem Beispiel auf, daß nicht jeder Vergleich in eine Metapher überführt werden kann. Interessanter wäre allerdings der in der Literatur häufig vertretene umgekehrte Fall, nämlich die Überführung einer Metapher in einen Vergleich. Als weiteres Beispiel diskutiert Tschauder den Satz: (31)
Otto ist flink wie ein Wiesel. 43
Tschauder will diese Form nicht zu den Vergleichen zählen, sie zählen für ihn zur Gruppe der PseudoVergleiche. Es sei „unwichtig, ob Otto diese Geschwindigkeit erreicht oder als Mensch überhaupt erreichen kann." 44 Der Vergleich, wäre es denn einer, stimme nicht. Dasselbe gelte für Sätze wie: (32)
Otto ist groß wie ein Riese. 45
Die Unterscheidung von Vergleich und Pseudovergleich, die Tschauder damit begründet, daß nur ein echter Vergleich eine „ebenso-wie" bzw. „genauso-wie-Struktur" aufweise, führt schließlich zu dem Fazit, daß sich die Metapher weder aus einem Vergleich via Kondensation ableiten noch zu einem Vergleich erweitern lasse.46 Tschauders Argumentation ist streng referenztheoretisch und weist alle Tücken auf, die diese Sichtweise mit sich bringt. Nimmt man das von Tschauder angegebene Kriterium der absoluten Gleichheit ernst, so trifft dies auch auf viele Sätze nicht zu, denen eine ,ebenso-wie' bzw. ,genausowie'-Struktur zugrunde liegt. Ein Beispiel wie (33) zeigt, daß auch eine ,genauso-wie'Struktur nicht auf eine absolute Identität im Sinne einer faktischen Gleichheit hinauslaufen muß: (33)
Paul baut sein Zelt genauso auf wie Peter.
Auf dem Hintergrund einer referenztheoretischen Sichtweise, wie sie hier vorgeführt wird, kommt das Sprachspiel .Vergleichen' überhaupt nicht in den Blick. Tschauders Fazit von der Ungleichheit von Metapher und Vergleich fußt auf einer Unterscheidung zwischen Pseudovergleich und Vergleich, die auf der Verwechslung des Sprachspiels .Vergleichen' mit einer mathematischen Gleichung beruht, eine Verwechslung, die schon bei Hermann Paul kritisiert wird: Sagen wir von einem Menschen, er ist einem Schweine gleich oder er ist einem Schweine zu vergleichen, so ist das keine Identifizierung wie bei einer mathematischen Vergleichung, sondern es soll damit nur gesagt sein, dass eine von den charakteristischen Eigenschaften, aus denen sich der Begriff Schwein zusammensetzt, auch in der Vorstellung Inbegriffen ist, die wir uns von diesem Menschen machen, d. h. in der Regel die Unflätigkeit.47
Daß die Metapher nicht eine vorher existierende Ähnlichkeit beschreibe, sondern diese im Akt des Sprechens erst schaffe, ist ein vor allem aus philosophischer Sicht häufig formulierter Einwand: 43 44 45 46 47
Ebd. Ebd. Vgl. Vgl. Paul
143f. ebd. 144. ebd. 144f. (1880/1968: 83).
99 It is often at this point that philosophers have raised the .similarity' theory of metaphor which sees metaphor as based upon a similarity relation [...]. More correctly, one might say that the metaphor „creates" the similarities [...]. 48
Diese von Matthews geäußerte Kritik, die auch von Autoren wie Black49, Haverkamp50 und Weinrich51 formuliert worden ist, bezieht sich ebenfalls auf Vergleichstheorien, die auf außersprachlichen Analogien basieren, wie dies ζ. B. bei Gottsched in ,klassischer Form' zum Ausdruck gebracht wird: „Es muß aber eine gute Métaphore oder Allegorie eine wahre Aehnlichkeit in sich haben, die in den Sachen und nicht in bloßen Worten anzutreffen ist [...]."= Um die Herkunft solcher Vorstellungen zu analysieren, ist es sinnvoll, einen kurzen Rekurs auf die aristotelische Theorie zu machen. Für Aristoteles kann das metaphorische Sprechen nur Ähnlichkeiten hervorrufen, die in der Seinsstruktur eingebettet sind, seine Metapherntheorie wird ontologisch durch eine kosmologische Weltauffassung gestützt. Das „Vor-Augen-Führen", das Aristoteles in der Rhetorik im Zusammenhang des metaphorischen Sprechens erwähnt, muß als ein zentrales Moment seiner Metaphemtheorie betrachtet werden. Es fußt auf dem in der Metaphysik explizierten Gedanken der Seins Verwirklichung (hosa energounta sêmainei).53 „Vor-Augen-Führen", darunter versteht Aristoteles in der Rhetorik „das, was Wirksamkeit zum Ausdruck bringt" 54 , was die Dinge in ihrer aktuellen Verwirklichung bezeichnen.55 Lebendiges und Totes in der Metapher zusammenzubringen, wie dies bei vielen anthropomorphisierenden Metaphern der Fall ist, hieße demnach nicht, zwei Gegensätze in der Metapher zusammenzuzwingen, sondern etwas im Sein Begründetes in actu zu zeigen. Wir haben es hier also mit einer ontologisch begründeten Verweisstruktur zu tun.56 Auf diesem Hintergrund kommen dem Subjekt keine Erkenntnisse zu, die das Sein nicht aus sich hervorbringen könnte, das Subjekt kann nur finden, was im Sein präfiguriert ist. Dem entspricht bei Aristoteles eine Konzeption der Metapher, die das Analoge aufdeckt, aber nicht selbst hervorbringt oder entwirft, wobei dennoch das Entdecken der Analogien den Begabten auszeichnet. Während die aristotelische und nach-aristotelische Metapherntheorie durch die sie stützende Ontologie getragen wird und somit nur als gesamter Entwurf in Frage zu stellen ist, muß die Übernahme solcher Theoreme in der Moderne tatsächlich fragwürdig erscheinen.57 In modernen Theorien erweist sich die Idealisierung der Sprache im Sinne eines die Wirklichkeit abbildenden Systems als Folge mangelnder Differenzierung zwischen sprachlicher Wirklichkeitskonstitution und der Ordnungsstruktur der Dinge.
48 49 50 51 52 53 54 55 56 57
Matthews (1971: 420). Vgl. Black (1954/1962: 37). Vgl. Haverkamp (1983/1996: 19); Dubois/Edeline/Klinkenberg u. a. (1970: 116). Vgl. Weinrich (1963: 338). Gottsched (1742/1973: 329). Vgl. Ricoeur (1975/1986: 43f.). Aristoteles Rhetorik ΠΙ 11,1 = 1411b. Vgl. auch Ricoeur (1975/1986: 291ff.). Vgl. zu diesem Themenkomplex Ricoeur (1975/1986: 292ff.). Vgl. hierzu auch Wessel (1984: 62).
100 Die angeführte Kritik trifft nur auf vergleichstheoretische Konzepte zu, die im Vergleich ein ,In-Beziehung-Setzen' tatsächlich vorhandener Ähnlichkeiten sehen, den Vergleichsaspekt bei Metaphern also nicht auf der Grundlage sprachlicher Konzeptualisierungen, sondern auf der Grundlage der Ordnungsstruktur der Dinge betrachten. Dies gilt auch für eine Reihe von Argumenten, die Searle gegen die Vergleichstheorie anführt. 58 Die Kritik Searles, der sich mit unterschiedlichen Versionen der Vergleichstheorie auseinandersetzt, muß hier nicht im Detail wiedergegeben werden, da einige Kritikpunkte bereits erwähnt wurden.59 Anhand der Metapherntheorie Millers, die Searle und Levinson60 für eine relativ hochentwickelte Version der Vergleichstheorie halten, faßt Searle noch einmal alle Einwände zusammen, die er gegen die Vergleichstheorie vorzubringen hat. Searle wendet Millers Theorie auf den Satz Man is a wolf an und liefert folgende Formalisierung: (34) ( 3F) ( aG) {SIM [F(S), G(P)]}
61
Nach Searle ließe sich das Beispiel dann folgendermaßen verstehen: „There is some property F and some property G such that man's being F is similar to a wolf's being G. "62 Bei Metaphern, bei denen ein Verb oder prädikativ verwendetes Adjektiv F in einem Satz der Form „x is F" oder „ x F s " gebraucht wird, gelte dann: (35)
(3G) (3y) {SIM [G (χ), F (y)]} «
Ein Satz wie (36)
The problem is thorny.
wäre demnach folgendermaßen zu analysieren: (37)
There is some property G and some objekt y such that the problem's being G is similar to y's being thorny.64
Searle führt resümierend folgende Kritikpunkte an diesem Verfahren an:
58
59
60 61 62 63 64
Vgl. Searle (1979/1993: 95ff.); vgl. auch Keller-Bauer (1984: 12f.); Levinson (1983/1995: 155f.). Ähnlich wie Beardsley, aber mit anderen Argumenten, geht auch Searle gegen die Vorstellung vor, bei einer Metapher würden zwei Gegenstände verglichen. Im Falle von Sally is a block of ice, liege eine Beschreibung völlig schief, die davon ausgehe, daß hier über Eisklötze quantifiziert werde, die Äußerung impliziere nicht wörtlich: (3t) (x is a block of ice), so daß man Sally mit χ vergleichen würde. (Vgl. Searle 1979/1993: 91) Vgl. Searle (1979/1993: 99); Levinson (1983/1995: 151 f.). Vgl. Searle (1979/1993: 99) und Miller (1979/1993: 383). Searle (1979/1993: 99). Ebd. Ebd.
101 1. Es werde fälschlicherweise unterstellt, daß der Gebrauch eines metaphorischen Prädikats den Sprecher auf die Existenz dieser Gegenstände festlege, auf die das Prädikat im wörtlichen Sinne zutreffe. 65 2.
Die Wahrheitsbedingungen der metaphorischen Feststellung würden mit den Prinzipien durcheinandergebracht, mit deren Hilfe die Feststellung verstanden wird. 66 Searle hatte diesen Kritikpunkt bereits anhand der Äußerung Richard is a gorilla dargelegt.67 Er führt in diesem Zusammenhang gegen die Vergleichstheorie an, daß die metaphorische Aussage wahr bleiben könne, auch wenn sich herausstelle, daß die Feststellung über die Ähnlichkeit falsch sei. Die Bedeutung des oben genannten Beispielsatzes gibt Searle durch folgende Paraphrase an: (38)
(PAR) Richard is fierce, nasty, prone to violence, and so forth [...J. 68
Hieraus ergibt sich für Searle nach der Vergleichstheorie folgendes Ahnlichkeitsverhältnis: (39)
Richard and gorillas are similar in several respects; viz., they are fierce, nasty, prone to violence, and so forth.69
Searle wendet nun ein, daß ein Satz wie Richard is a gorilla auch dann richtig bleibe, wenn die Verhaltenstheorie zeige, daß Gorillas überhaupt nicht jähzornig sind. Egal, was mit Gorillas los sei, die Wahrheit der Paraphrase (39) bleibe erhalten: „To put it crudely, .Richard is a gorilla' is just about Richard; it is not literally about gorillas at all." 70 3. Eine Theorie der Metapher müsse erklären, wie man „S is Ρ" äußern und „S is R" meinen könne. Es bleibe in der Vergleichstheorie offen, wie man hinter die Werte der Variablen komme: „it does not explain that process to tell us that they go from ,5 is Pl to ,S is R' by first going through the stage ,5 is like Ρ with respect to Rl because we are not told how we are supposed to figure out which values to assign to Ä."71 4.
Der semantische Gehalt der meisten metaphorischen Äußerungen enthalte zu viele Prädikate. Eine Äußerung wie Man is a wolf bedeute in der plausibelsten Fassung soviel wie (40)
65 66 67 68 69 70 71 72
Man is like a wolf in certain respects, R.12
Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. 92. Ebd. Ebd. 92. Ebd. Ebd. 96. Vgl. ebd. 100.
102 Ähnlichkeit sei für sich genommen ein leeres Prädikat, deshalb müßte angegeben werden, in welcher Hinsicht zwei Dinge einander ähnelten, damit die Feststellung, sie ähnelten einander, überhaupt irgendwelchen Informationsgehalt habe.73 5. Metaphorische Behauptungen seien nicht mit wörtlichen Feststellungen über eine Ähnlichkeit bedeutungsäquivalent, da sich die Wahrheitsbedingungen dieser beiden Arten von Feststellungen häufig voneinander unterscheiden.74 Searles Argumentation muß auf zwei Fragestellungen hin überprüft werden: Ist die Kritik berechtigt hinsichtlich der Theorien, die fokussiert werden, und ist sie verallgemeinerbar, also als Kritik an jeder Theorie aufzufassen, die das Vergleichen als einen konstitutiven Zug des metaphorischen Sprechens begreift, wie dies ζ. B. auch bei pragmatisch orientierten Vergleichstheorien der Fall ist? Eine Reihe der Argumente Searles gegen die Vergleichstheorie treffen nur Modelle, die davon ausgehen, daß durch Metaphern faktische Eigenschaften von Menschen, Dingen etc. verglichen werden. Ansätze, die sich auf den Vergleich natürlichsprachlicher Konzeptualisierungen beziehen, bleiben von einer Kritik, wie sie unter 1. und 2. vorgestellt wurde, weitgehend unberührt. Dies gilt - wie eine genauere Lektüre zeigt - letztlich auch für Millers Ansatz, der sich in seiner Vergleichstheorie nicht auf faktische, sondern auf zugeschriebene Eigenschaften bezieht, wie in seinen Erläuterungen zum Satz Man is a wolf deutlich wird: Note also that assigning man to the category of wolves endows him with wolflike properties drawn from either lexical knowledge of wolf or general knowledge, factual or symbolic, of wolves. 75
Searle übersieht derartige Differenzierungen und kommt so zu einer Kritik an der Vergleichstheorie, die nur in Teilen schlüssig ist. Ausgehend von einem Verständnis des Vergleichs als eines ,In-Beziehung-Setzens' auf der Objektebene gelangt er zu einer Kritik, die als Kritik an eben diesem unhinterfragten Ausgangspunkt zurückgegeben werden kann: Wenn Searle im Hinblick auf den Satz (41)
(MET)
Sally is a block of ice. 76
die Vergleichstheorie mit dem Argument ablehnt, daß von den vielfältigen kennzeichnenden Eigenschaften von Eisklötzen keine auf Sally zutreffe, 77 und diesen Satz im Rahmen seines eigenen Ansatzes analysiert, gerät er selbst in die Nähe eines Objektvergleichs: The question, ,How do metaphors work?' is a bit like the question, ,How does one thing remind us of another thing?'78
73 74 75 76 77 78
Vgl. ebd. Vgl. ebd. 95. Miller (1979/1993: 382). Searle (1979/1993: 91). Vgl. ebd. Ebd. 102.
103
Für Searle stellt das Problem der Funktionsweise von Metaphern einen Spezialfall des allgemeinen Problems des Auseinanderklaffens von Äußerungsbedeutung und Satz- bzw. Wortbedeutung dar: It is a special case, that is, of the problem of how it is possible to say one thing and mean something else, where one succeeds in communicating what one means even though both the speaker and the hearer know that the meanings of the words uttered by the speaker do not exactly and literally express what the speaker meant.79
Im Rahmen seiner Ausgangsfrage, wie jemand „S ist P" äußern und „S ist R" meinen kann, kommt Searle für Sätze wie (41) zu folgendem Interpretationsprinzip: P-Dinge seien nicht R, sie würden auch nicht für R-Dinge gehalten, und sie glichen ihnen auch nicht, „nonetheless it is a fact about our sensibility, whether culturally or naturally determined, that we just do perceive a connection, so that utterance of Ρ is associated in our minds with R properties." 80 Die Unterscheidung zwischen den ersten fünf Prinzipien beruht erstaunlicherweise selbst auf einer nicht weiter hinterfragten Objektklassifikation81, und das vorgeschlagene Interpretationsprinzip erinnert an assoziationspsychologische Ansätze, die nicht weit entfernt von den Theorien sind, die Searle kritisiert.82 Auch wenn die von den genannten Kritikern gezogenen Schlußfolgerungen nicht in jeder Hinsicht schlüssig sind, müssen einige der gegen die Vergleichstheorie vorgebrachten Kritikpunkte ernst genommen werden. Eine Theorie der Metapher, die den Vergleichsaspekt als einen konstitutiven Zug begreift, muß dementsprechend folgenden Anforderungen gerecht werden: 1. Sie darf den Vergleichsaspekt nicht auf der Basis eines Ahnlichkeitsverhältnisses einer vorsprachlichen Tatsachenstruktur beschreiben, sondern muß das Vergleichen als konstitutiven Zug sprachlichen Handelns erfassen. 2.
79
Sie muß imstande sein, auch die Vergleichsrelationen solcher Metaphernkonstruktionen zu erklären, bei der die Vergleichsrelation als ein Akt individueller sprachlicher Setzung erscheint, wie es bei vielen metaphorischen Bildungen in künstlerischen Texten zu beobachten ist.
Searle (1979/1993: 84). Vgl. ebd. 105. „Principle 1 Things which are Ρ are by definition R. [...]" (Ebd. 104) „Principle 2 Things which are Ρ are contingently R. [...]" (Ebd.) „Principle 3 Things which are Ρ are often said ore believed to be R, even though both speaker and hearer may know that R is false of P. [...]" (Ebd. 105) „Principle 4 Things which are Ρ are not R, nor are they like R things, nor are they believed to be R, nonetheless it is a fact about or sensibility, whether culturally or naturally determined, that we just do perceive a connection, so that utterance of Ρ is associated in our minds with R properties. [...]" (Ebd.) „Principle 5
Ρ things are not like R things, and are not believed to be like R things, nonetheless the condition of being Ρ is like the condition of being R. [...]" (Ebd. 106) 82 Zur Kritik an Searles Vorgehen vgl. auch Debatin (1995: 282ff.).
104 3. Sie muß sich mit der Frage auseinandersetzen, auf welchem Wege der Hörer Ähnlichkeiten versteht bzw. mit welchen Mitteln der Sprecher, wenn er Metaphern bildet, Ähnlichkeiten verstehbar werden läßt. 4.
Sie muß die Frage klären, wie die idiosynkratische Fülle möglicher Ähnlichkeiten auf dem Weg einer sprachlichen Markierung reduziert wird.
5. Sie muß klären, wie die von vielen Autoren behauptete prinzipielle Offenheit der metaphorischen Äußerung im Rahmen konkreter Kommunikationssituationen .kanalisiert' werden kann.
5.2.2. Sprachliche Bezugnahme Mit den Kritikern der Vergleichstheorie gehe ich davon aus, daß beim metaphorischen Sprechen nicht unmittelbar auf Objekte Bezug genommen wird. Dies bedeutet jedoch nicht, daß keine Form der Bezugnahme stattfindet. Mit einer metaphorischen Äußerung wird auf einen sprachlichen Zusammenhang angespielt, den der Hörer identifizieren muß, wenn er die Metapher verstehen will. Diese Verweisstruktur ist kennzeichnend für das metaphorische Verfahren. Um auf etwas anderes zu verweisen, müssen die metaphorisch gebrauchten Wörter und Syntagmen Bedeutungen, die sie in anderen Sprachspielen gewonnen haben, bewahren, und dies ist kein akzidentieller Aspekt, sondern der Kern des metaphorischen Verfahrens. Die metaphorisch gebrauchten Wörter entfalten ihre kommunikative Wirksamkeit, indem sie auf andere Sprachspiele verweisen. Der Prozeß der Sinnkonstituierung erfolgt also unter Einbeziehung von Sprachspielwissen. Auch Searles Kritik an der Vergleichstheorie kann aufgelöst werden, wenn man den Aspekt der Sprachspielbezogenheit berücksichtigt. Searle hatte gegen die Vergleichstheorie angeführt, daß eine metaphorische Äußerung auch dann wahr bleibe, wenn sich ein in ihr geäußerter Sachverhalt als falsch erweise. Eine Äußerung wie (42)
Der Mensch ist ein Wolf.
bliebe demnach wahr, wenn sich herausstellte, daß der Wolf kein bösartiges und gefährliches Tier ist. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß das Wort Wolf seine Bedeutung erst in sprachlichen Zusammenhängen erhalten hat. Man denke etwa an die zahlreichen - aber in ihrer Struktur ähnlichen - Darstellungen von Wölfen in literarischen Zusammenhängen wie Märchen und Sage, wo der Wolf als ein bösartiges und gefährliches Tier erscheint. Das metaphorische Verfahren ist ein Verfahren, das nicht mit Eigenschaften von Dingen operiert, sondern durch seine Bezugnahme auf sprachliche Zusammenhänge sinnstiftend wirkt.
5.2.2.1. Ein Beispiel: Walter Benjamin „Die Speisekammer" Der Aspekt der Sprachspielbezogenheit soll an einem komplexeren Beispiel verdeutlicht werden, einem Text aus Walter Benjamins „Berliner Kindheit um Neunzehnhundert", der den Titel „Die Speisekammer" trägt. Gerade artifizielle Beispiele - wie Metaphern in
105 poetischen Texten - sind auf der Grundlage vergleichstheoretischer Ansätze nur schwer zu erklären. Das Beispiel soll auf den sprachlichen Charakter des Verweiszusammenhangs aufmerksam machen: (43)
Im Spalt des kaum geöffneten Speiseschranks drang meine Hand wie ein Liebender durch die Nacht vor. War sie dann in der Finsternis zu Hause, tastete sie nach Zucker oder Mandeln, nach Sultaninen oder Eingemachtem. Und wie ein Liebender, ehe er's küßt, sein Mädchen umarmt, hatte der Tastsinn mit ihnen ein Stelldichein, ehe der Mund ihre Süßigkeit kostete. Wie gab der Honig, gaben Haufen von Korinthen, gab sogar Reis sich schmeichelnd die Hand. Wie leidenschaftlich dies Begegnen beider, die endlich nun dem Löffel entronnen waren. Dankbar und wild wie eine, die man aus dem Elternhaus sich geraubt hat, gab hier die Erdbeermarmelade ohne Semmel und gleichsam unter Gottes freiem Himmel sich zu schmecken, und selbst die Butter erwiderte mit Zärtlichkeit die Kühnheit eines Werbers, der in ihre Mägdekammer vorstieß. Die Hand, der jugendliche Don Juan, war bald in alle Zellen und Gelasse eingedrungen, hinter sich rinnende Schichten und strömende Mengen: Jungfräulichkeit, die ohne Klagen sich erneuerte. [Walter Benjamin: Die Speisekammer, S. 42]
Die Darstellung des kindlichen Erlebens des Naschens ist aufs engste mit Beschreibungen verschränkt, die man normalerweise in Sprachspielen des Liebes-Diskurses findet. Einzelne Wörter und Syntagmen wie Jungfräulichkeit, ein Stelldichein haben, sich schmeichelnd die Hand geben, [w]ie leidenschaftlich dies Begegnen beider, dankbar und wild wie eine, die man aus dem Elternhaus sich geraubt hat, mit Zärtlichkeit die Kühnheit eines Werbers erwidern usw.83 haben ihren Ort in Sprachspielen, die thematisch um die Darstellung der leidenschaftlichen Begegnung zweier Liebender kreisen. Die ,Engführung' der Sprachspiele erfolgt nicht allein über das metaphorische Verfahren, die sprachliche Bezugnahme wird zunächst durch explizite Vergleiche vorbereitet, die jeweils durch die Vergleichspartikel wie eingeleitet werden. Das Aufeinandertreffen zweier so verschiedener thematischer Bereiche wird dadurch vorbereitet. Als ein weiteres sprachliches Verfahren nutzt Benjamin die bewußt eingesetzte Ambiguität: konventionelle Äußerungsteile, die zu dem ,primären Sprachspiel' gehören, spielen zugleich auch auf die sprachliche Bezugsebene an. Als .primäres Sprachspiel' wird hier dasjenige Sprachspiel bezeichnet, das den kontextuellen Rahmen für die metaphorische Äußerung liefert. Das Syntagma ehe der Mund ihre Süßigkeit kostete dient der Beschreibung des Naschens, kann aber gleichzeitig als Allusion auf die erotische Sphäre gelesen werden. Eine weitere Form der ,Engführung' der verschiedenen Sprachspiele geschieht dadurch, daß Syntagmen leicht abgewandelt werden und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit zu Syntagmen der sprachlichen Bezugsebene aufweisen. Das Syntagma gab hier die Erdbeermarmelade ohne Semmel und gleichsam unter Gottes freiem Himmel sich zu schmecken stellt eine Abwandlung einer konventionellen Verwendungsweise dar, sie kann im Sinne von sich hingeben gelesen werden. Schließlich werden in den letzten beiden Sätzen traditionelle metaphorische Verfahren eingesetzt: Die beiden Sprachspielebenen werden miteinander verbunden, indem ein Wort des Primärsprachspiels (das Nomen Butter) mit einer komplexeren syntaktischen Konstruktion der Bezugsebene (erwiderte mit Zärtlichkeit die Kühnheit eines Werbers, der in ihre Mägdekammer vorstieß) syntaktisch verschmolzen
83
Die Wörter und Ausdrücke sind ζ. T. in anderen syntaktischen Konstruktionen wiedergegeben.
106 wird. Das Bezugssprachspiel wird hier in äußerst expliziter Form aufgerufen. Der letzte Satz läßt ein ähnliches Verfahren erkennen, wobei das Verständnis der Metapher durch die Attribuierung unterstützt wird: Die Hand, der jugendliche Don Juan, war bald in alle Zellen und Gelasse eingedrungen, hinter sich rinnende Schichten und strömende Mengen: Jungfräulichkeit, die ohne Klagen sich erneuerte. Das explizite Anführen der Bezugsebene ist nicht nur in ästhetischer Hinsicht konzipiert, es ist auch erforderlich, um die beiden Erlebnisebenen, die aus der Perspektive des Rezipienten nicht ohne weiteres zusammengehören, miteinander zu verbinden.
5.2.2.2. Explizitheit und Komplexität Unter Explizitheit soll der Grad der Ausführlichkeit verstanden werden, mit dem Wörter oder komplexere Syntagmen der metaphorischen Bezugsebene angeführt werden. Das explizite .Zitieren' kann unterschiedliche Funktionen erfüllen: in dem angeführten Textbeispiel von Benjamin wird die Verbindung der sich überschneidenden Erlebnissphären durch die explizite Darstellung der Bezugsebene überhaupt erst geschaffen. Häufig wird Explizitheit auch dazu verwendet, den Vergleichsaspekt zu unterstützen. Dies ist immer dann nötig, wenn der Sprecher nicht davon ausgehen kann, daß der Hörer die mit der Metapher vollzogene vergleichende Anspielung nachvollziehen kann, sei es, weil der Vergleich nicht vorbereitet wurde oder in hohem Maße subjektiv motiviert ist. In dem folgenden Beispiel (44) wird die Ausgestaltung des Metaphernkomplexes dazu verwendet, Aussagen- und Bedeutungsdifferenzierungen im Primärtext vorzunehmen. Jedes Textelement der Bezugsebene wird sinnstiftend mit einem Aspekt des Primärtextes in Verbindung gebracht. In dem Textausschnitt aus „DIE ZEIT" geht es um den Umgang des Auswärtigen Amtes mit den politischen .Machenschaften' Teherans: (44)
So heben wir denn ein letztes Mal warnend die Pfote und sagen den sieben Geißlein im Auswärtigen Amt: Laßt den Wolf aus Teheran nicht herein, auch wenn er Kreide gefressen hat und euch ein Menschenrechtsseminar am Ort des Menschenunrechts gestattet, auch wenn er, voller Milch der frommen Denkungsart, sich bereit zeigt, über die Zulassung von Kindern aus deutsch-iranischen Familien zur deutschen Schule nachzudenken. Glaubt ihr Geißlein denn im Ernst, der Wolf hätte anderes vor, als sich im Lichte deutschiranischer Kulturgespräche ein sanftes Äußeres zu geben, damit er desto brutaler seine Jagd auf Salman Rushdie und auf alle, die die „Satanischen Verse" verbreiten, fortsetzen kann? [DIE ZEIT Nr. 10, 4.3.1994, S. 57]
Man könnte fast sagen, hier wird ein politischer Sachverhalt durch ein Märchen erzählt. Dieser Eindruck kommt dadurch zustande, daß die sprachlichen Mittel der metaphorischen Bezugsebene fast durchgehend wichtige Funktionsträger des Satzes sind, während die nicht-metaphorisch verwendeten Wörter ζ. B. adverbial bzw. attributiv gebraucht werden oder durch eine nebenordnende Konjunktion syntaktisch eingefügt sind. Dabei sind die syntaktischen Strukturen - wie ζ. B. die grammatische Engführung durch das Attribut geeignet, eine größtmögliche Nähe von metaphorischen und nicht-metaphorisch gebrauchten Ausdrücken herzustellen, so daß die beiden Ebenen aufs engste miteinander ,verwoben' sind.
107 Das angeführte Beispiel weist nicht nur einen hohen Grad an Explizitheit, sondern auch einen hohen Grad an Komplexität auf. Von einer komplexen Metapher soll gesprochen werden, wenn die Bezugsebene - bezogen auf die jeweilige Metaphernbildung - reich an sprachlichen Anknüpfungsmöglichkeiten ist. Wenn ζ. B. im Rahmen der linguistischen Theoriebildung der Sprecher als Sender bezeichnet wird, liegt es nahe, den Hörer entsprechend als Empfänger und das Kommunizieren als ein Codieren und Encodieren von Informationen aufzufassen, das bestimmten Störanfälligkeiten unterliegt.84 Das heißt: mit dem Metapherngebrauch wird ein Zusammenhang aufgerufen, der durch den Sprachspielzusammenhang, auf den die Metapher anspielt, nahegelegt wird. Durch den metaphorischen Gebrauch eines Wortes oder Syntagmas wird ein im Bezugsdiskurs sprachlich etablierter Zusammenhang aufgerufen und die Metapher dadurch in ihrer Komplexität entfaltet. Die metaphorische Äußerung profitiert dann mitunter in ihrer Evidenz von der Kohärenz eines anderen Diskurszusammenhangs. Die Komplexität der Metapher muß nicht unbedingt sprachlich zum Ausdruck gebracht werden. Sie ergibt sich schon dadurch, daß der metaphorische Bezugsbereich potentiell eine Fülle von sprachlichen Anknüpfungspunkten liefert. Eine komplexe Metapher kann daher eine .katalytische Kraft' besitzen. Diese ,katalytische Kraft' kann sich allerdings auch gegen den vom Sprecher intendierten Sinn richten. Über solche Folgen berichtet Freud, dessen Verwendung des Wortes Analyse von einigen Wissenschaftlern falsch verstanden worden ist. Freud legt zunächst dar, warum er in der Erklärung psychischer Prozesse auf den Terminus .Analyse', den er aus der Chemie entlehnt hat, zurückgreift: Die Arbeit, durch welche wir dem Kranken das verdrängte Seelische in ihm zum Bewußtsein bringen, haben wir Psychoanalyse genannt. Warum »Analyse«, was Zerlegung, Zersetzung bedeutet und an eine Analogie mit der Arbeit des Chemikers an den Stoffen denken läßt, die er in der Natur vorfindet und in sein Laboratorium bringt? Weil eine solche Analogie in einem wichtigen Punkte wirklich besteht. Die Symptome und krankhaften Äußerungen des Patienten sind wie alle seine seelischen Tätigkeiten hochzusammengesetzter Natur; die Elemente dieser Zusammensetzung sind im letzten Grunde Motive, Triebregungen. Aber der Kranke weiß von diesen elementaren Motiven nichts oder nur sehr Ungenügendes. Wir lehren ihn nun die Zusammensetzung dieser hochkomplizierten seelischen Bildungen verstehen, führen die Symptome auf die sie motivierenden Triebregungen zurück, weisen diese dem Kranken bisher unbekannten Triebmotive in den Symptomen nach, wie der Chemiker den Grundstoff, das chemische Element, aus dem Salz ausscheidet, in dem es in Verbindung mit anderen Elementen unkenntlich geworden war.85
Mit dem Wort Analyse hat Freud eine äußerst komplexe Metapher eingeführt, die sich inzwischen als Lesart derart etabliert hat, daß ihre metaphorische Entstehung kaum noch wahrgenommen wird. Die Komplexität ergibt sich dadurch, daß mit der metaphorischen Verwendung eine Reihe von anderen Sprachgebräuchen nahegelegt werden, die sich in Freuds theoretisches Konzept einfügen. Freud hat - wie zahlreiche Verwendungen des Wortes und entsprechende Anschlußmetaphern zeigen - die Komplexität der Metapher hinreichend .ausgebeutet'. Er berichtet aber auch davon, daß der metaphorische Gebrauch des
84
85
Zur Kritik an der Sender-Empfänger-Metaphorik in der Linguistik vgl. ζ. B. Brinker/Sager (1989: 126). Freud (1919/1994: 241f.)
108 Wortes von einigen Wissenschaftlern falsch verstanden worden sei, daß sie die Metapher überdehnt hätten: Wir haben den Kranken analysiert, das heißt seine Seelentätigkeit in ihre elementaren Bestandteile zerlegt, diese Triebelemente einzeln und isoliert in ihm aufgezeigt; was läge nun näher als zu fordern, daß wir ihm auch bei einer neuen und besseren Zusammensetzung derselben behilflich sein müssen? Sie wissen, diese Forderung ist auch wirklich erhoben worden. Wir haben gehört: Nach der Analyse des kranken Seelenlebens muß die Synthese desselben folgen! Und bald hat sich daran auch die Besorgnis geknüpft, man könne zuviel Analyse und zuwenig Synthese geben, und das Bestreben, das Hauptgewicht der psychotherapeutischen Einwirkung auf diese Synthese, eine Art Wiederherstellung des gleichsam durch die Vivisektion Zerstörten, zu verlegen. Ich kann aber nicht glauben, meine Herren, daß uns in dieser Psychosynthese eine neue Aufgabe zuwächst. Wollte ich mir gestatten, aufrichtig und unhöflich zu sein, so würde ich sagen, es handelt sich da um eine gedankenlose Phrase. Ich bescheide mich zu bemerken, daß nur eine inhaltsleere Überdehnung eines Vergleichs oder, wenn Sie wollen, eine unberechtigte Ausbeutung einer Namengebung vorliegt. 86
Was hier als Komplexität bezeichnet wird, wird in der Forschungsliteratur auch unter dem Begriff,Modell' diskutiert. Mit dem Modellbegriff wird häufig eine Strukturanalogie nahegelegt, die hier jedoch nicht unbedingt unterstellt wird. Black unterscheidet in „Models and archetypes" zwei Typen von Modellen: „scale models" und „analogue models" 87 . Während scale models den Gegenstand maßstabsgetreu, in der Regel verkleinert wiedergeben (ζ. B. Modelleisenbahn), liegt bei dem Analogiemodell (analogue model) ein abstrakteres Verhältnis von Ikonizität vor. Black vergleicht es mit dem, was die Mathematiker ,Isomorphic' nennen:88 The analogue model shares with its original not a set of features or an identical proportionality of magnitudes but, more abstractly, the same structure or pattern of relationships. Now identity of structure is compatible with the widest variety of content - hence the possibilities for construction of analogue models are endless. 89
Solche Eigenschaftsbeziehungen können bei dem, was hier als komplexe Metapher bezeichnet wird, durchaus eine Rolle spielen, sie müssen es aber nicht. Mit den Begriffen .sprachliche Bezugnahme' und .Komplexität' soll vor allem auf die sprachliche Struktur der metaphorischen Bezugnahme hingewiesen werden. Bei der Komplexität einer Metapher spielt eine Rolle, ob der Bezugsdiskurs genügend sprachliche Anknüpfungsmöglichkeiten bietet. Diese können von Sprechern auch genutzt werden, wenn kaum Struktur-Analogien vorliegen. So ist die Verwendung des Wortes Maschine in der folgenden Äußerung nicht durch eine Strukturähnlichkeit motiviert, sondern lediglich eine Ausschöpfung der metaphorischen Verwendung von Datenautobahn, die sich sprachlich kohärent in den Primärkontext einfügt. Im Vorfeld der Äußerung geht es um die Diskussion der Anwendergeräte, um die Frage, ob der traditionelle Fernseher oder der sogenannte .Teleputer' (ein Per-
86 87 88 89
Freud (1919/1994: 242f.) Vgl. Black (1962: 220ff.). Ebd. 222. Ebd. 223.
109 sonalcomputer, an dem man auch fernsehen kann) das Gerät sein wird, mit dem man in Zukunft an das Datennetz angeschlossen ist:90 (45) Und vielleicht noch heisser umstritten ist, welche «Maschine» einmal das Massenverkehrsmittel auf der «Datenautobahn» sein wird. [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65]
5.2.2.3. Die Bezugsebene Durch die metaphorisch gebrauchten Wörter verweist der Sprecher auf eine andere Sprachspielebene. In einigen Fällen entsteht die metaphorische Sinnkonstituierung durch Bezugnahme auf einen singulären Text. Ernst Mach berichtet von zahlreichen Metaphorisierungen, die sich auf Darwins Schrift „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl"91 beziehen: (46) Noch sind keine drei Decennien verflossen, seit DARWIN die Grundzüge seiner Entwicklungslehre ausgesprochen hat, und schon sehen wir diesen Gedanken auf allen, selbst fern liegenden Gebieten Wurzel fassen. Überall, in den historischen, in den Sprachwissenschaf ten, selbst in den physikalischen Wissenschaften hören wir die Schlagworte: Vererbung, Anpassung, Auslese. Man spricht vom Kampf ums Dasein unter den Himmelskörpern, vom Kampf ums Dasein unter den Molekülen. [Ernst Mach: Über Umbildung und Anpassung im naturwissenschaftlichen Denken, 245f.] Auch Mach selbst definiert metaphorisch die Beobachtung als „Anpassung der Gedanken an die Tatsachen", die Theorie als „Anpassung der Gedanken aneinander": (47) Die Anpassung der Gedanken an die Tatsachen, wie wir jetzt besser sagen wollen, bezeichnen wir als Beobachtung, die Anpassung der Gedanken aneinander als Theorie. Auch Beobachtung und Theorie sind nicht scharf zu trennen, denn fast jede Beobachtung ist schon durch die Theorie beeinflußt und äußert bei genügender Wichtigkeit anderseits ihre Rückwirkung auf die Theorie. [Ernst Mach: Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und aneinander, S. 164f.] (48) Die Vorstellungen passen sich den Tatsachen allmählich so an, daß sie ein den biologischen Bedürfnissen entsprechendes, hinreichend genaues Abbild der ersteren darstellen. Natürlich reicht die Genauigkeit der Anpassung nicht weiter, als die augenblicklichen Interessen und Umstände es forderten, unter welchen dieselbe stattfand. [Ernst Mach: Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und aneinander, S. 164] In der Regel bezieht sich die Metaphernbildung jedoch nicht auf singuläre Texte, sondern auf Sprachspiele oder ähnliche Sequenzen in verschiedenen Sprachspielen, die im Sinne Wittgensteins familienähnlich sind. In den „Philosophischen Untersuchungen" hatte Wittgenstein mit dem Terminus „Familienähnlichkeit"den Sachverhalt bezeichnet, daß Sprachspiele miteinander verwandt sein können, ohne jedoch in jedem einzelnen Merkmal übereinzustimmen. Das „kompliziertet ] Netz von Ähnlichkeiten" 92 vergleicht er - wie der
90 91 92
Hervorhebungen nicht im Original. Darwin (1859/1988). Wittgenstein PU § 66, S. 278.
110 Begriff schon andeutet - mit den Ähnlichkeiten zwischen Familienmitgliedern. Die einzelnen Familienmitglieder weisen zwar hinsichtlich Wuchs, Gesichtszügen, Augenfarbe etc. Ähnlichkeiten auf, aber die Übereinstimmung muß sich nicht auf jede Eigenschaft erstrecken. Bezogen auf die Sprache heißt das: ein Sprachspiel S1 ähnelt einem anderen S2 in einer Reihe von Eigenschaften, S2 ähnelt S3 wieder in anderer Hinsicht, auch S1 hat gemeinsame Merkmale mit S3, aber es müssen nicht dieselben gemeinsamen Merkmale wie zwischen S1 und S2 sein. Wittgenstein veranschaulicht die Art der Verwandtschaft am Beispiel eines Fadens, dessen Stärke sich nicht daraus ergibt, daß eine Faser durch die ganze Länge durchläuft, sondern daraus, „daß viele Fasern einander übergreifen", man könnte sagen, „es läuft ein Etwas durch den ganzen Faden, - nämlich das lückenlose Übergreifen dieser Fasern". 93 Bei der Verwendung von Metaphern wird häufig auf ein ganzes Bündel von Sprachspielen Bezug genommen, die im Sinne der Familienähnlichkeit in bestimmten Merkmalen übereinstimmen. In den meisten Fällen - so auch in dem beschriebenen Text von Benjamin - ist die Verwandtschaft zwischen den Bezugssprachspielen als Diskurszusammenhang zu beschreiben: die Bezugssprachspiele sind in denselben Diskurszusammenhang eingebunden. Seine prägnanteste Ausprägung hat der Diskursbegriff bei Foucault erfahren. 94 Diskurs kann danach - wie Link/Link-Heer95 erläutern - verstanden werden als „die sprachlichschriftliche Seite einer ,diskursiven Praxis'", worunter „das gesamte Ensemble einer speziellen Wissensproduktion" gefaßt wird, „bestehend aus Institutionen, Verfahren der Wissenssammlung und -Verarbeitung, autoritativen Sprechern bzw. Autoren, Regelungen der Versprachlichung, Medialisierung. Beispiele wären der .medizinische' oder der Juristische Diskurs'. 96 Abweichend von Begriffen wie ,Text', ,Textkorpus' (oder ,Werk') betone Diskurs bei Foucault zum einen den Gesichtspunkt der engen Ankopplung an Praktiken, zum anderen aber auch die Priorität der Diskurse als Streuungen von Aussagen gegenüber der relativen Geschlossenheit von Texten.97 In der germanistischen Linguistik hat der Begriff .Diskurs' bislang weniger Beachtung gefunden. Neuere Versuche einer terminologischen Klärung finden sich bei Busse/Teubert: Unter Diskursen verstehen wir im forschungspraktischen Sinn virtuelle Textkorpora, deren Zusammensetzung durch im weitesten Sinne inhaltliche (bzw. semantische) Kriterien bestimmt wird. 98
Nach Busse/Teubert wird die Einheit eines Diskurses vorrangig vom Untersuchungsziel, Interesse oder Blickwinkel des Wissenschaftlers bestimmt.99 Demgegenüber muß aber be-
93 94 95 96 97 98 99
Vgl. Wittgenstein PU § 67, S. 278. Foucault (1969/1997). Link/Link-Heer (1990). Vgl. Link/Link-Heer (1990: 90). Vgl. ebd. 90. Busse/Teubert (1994: 14). Vgl. ebd. 16. Zu einem Diskurs gehören nach Busse/Teubert „alle Texte, die - sich mit einem als Forschungsgegenstand gewählten Gegenstand, Thema, Wissenskomplex oder Konzept befassen, untereinander semantische Beziehungen aufweisen und/oder in einem
Ill tont werden, daß der Diskurs nicht nur eine künstliche Einheit der wissenschaftlichen Forschung darstellt, sondern auch einen kommunikativen Zusammenhang, der v o n Sprechern als solcher wahrgenommen wird. Auch Busse/Teubert w e i s e n darauf hin, daß umgangssprachliche Ausdrücke w i e „Historikerstreit" oder „die neue Debatte über die (deutsche) Nation" zeigen, daß es ein gewisses Bewußtsein v o n diskursiven Einheiten i m Alltagsw i s s e n gibt. 1 0 0 Sprecher beteiligen sich an Diskursen, setzen Diskurse fort und übernehmen bestimmte Haltungen aus Diskursen, die sich wiederum in ihrem Kommunikationsverhalten niederschlagen. 1 0 1 W e n n hier v o n Diskurs gesprochen wird, so wird damit vor allem die Verwandtschaft bestimmter Sprachspiele in inhaltlich-thematischer Hinsicht fokussiert. 1 0 2 Diskursive Zusammenhänge können als eine spezifische Form der Familienverwandtschaft aufgefaßt werden. 1 0 3 Eine Metapher zu verstehen setzt in der Regel Diskurswissen voraus. Metaphorische Kompetenz - verstanden als Fähigkeit, Metaphern zu bilden und zu verstehen - ist daher in besonderer W e i s e an die Kenntnis v o n Lebensformen mit ihren spezifischen Kommunikationsstrukturen zurückgebunden.
100 101
102
103
gemeinsamen Aussage-, Kommunikations-, Funktions- oder Zweckzusammenhang stehen, - den als Forschungsprogramm vorgegebenen Eingrenzungen in Hinblick auf Zeitraum/Zeitschnitte, Areal, Gesellschaftsausschnitt, Kommunikationsbereich, Texttypik und andere Parameter genügen, - und durch explizite oder implizite (text- oder kontextsemantisch erschließbare) Verweisungen aufeinander Bezug nehmen bzw. einen intertextuellen Zusammenhang bilden." (Ebd. 14) Vgl. ebd. 16f. Dies wird besonders deutlich, wenn auf Diskurse referiert wird, wie in dem folgenden Beispiel, das sich auf die kontroverse Diskussion um den sog. .Standort Deutschland' bezieht: „Die Diskussion um den .Standort' Deutschland und über die Möglichkeiten zur Überwindung der anhaltenden wirtschaftlichen Rezession hat eine Vielzahl von Zukunftskonzepten hervorgebracht oder besser: von Vergangenheitsbeschwörungen. [...] Ob Karenztage für kranke Arbeitnehmer, untarifliche betriebliche Bezahlung und Forcierung eines ,2. Arbeitsmarkts', Streichung von Weihnachtsgeld oder Urlaubstagen, Verlängerung der Wochen- und Lebensarbeitszeit, Kürzung der Höhe des Arbeitslosengeldes und der Dauer der Arbeitslosenhilfe, Verpflichtung von Sozialhilfeempfangern zu .gemeinnütziger' Arbeit - welche Vorschläge auch immer die Schlagzeilen beherrschten, die historische Perspektive war stets das .gestern'." [Frankfurter Rundschau Nr. 26, 1.2.1994, S. 10] Bestimmte Implikationen des Foucaultschen Diskursbegriffs können in einer handlungstheoretisch orientierten Metapherntheorie keine Rolle spielen; dies gilt insbesondere für die Einschränkung des Subjektbegriffs. Zur Kritik an der Zurückdrängung des Subjektbegriffs bei Foucault vgl. auch Busse (1987: 246ff.). Auf den engen Zusammenhang zwischen Diskurs- und Sprachspielkonzept hat Busse (1987: 25Iff.) hingewiesen.
112 5.2.3. Anspielung und Analogie Beim metaphorischen Sprechen wird auf sprachliche Zusammenhänge Bezug genommen: Es kann sich hierbei um einzelne Texte handeln, in der Regel spielt die Metapher jedoch auf sprachliche Strukturen an, die über Familienähnlichkeiten miteinander verwandt sind. Dabei wird jedoch nie der ganze Bezugsrahmen aktualisiert, es werden lediglich einzelne Wörter oder Segmente angeführt. Dieser Sachverhalt soll hier als .Anspielung' bezeichnet werden. Der Terminus .Anspielung' wird in der Fachliteratur für verschiedene Phänomene in Anspruch genommen: Zum einen bezeichnet er bestimmte Formen des Zu-Verstehen-Gebens: Jemand kann oder will nicht offen sagen, was er meint, und bedient sich einer Äußerungsform, mit der er dem Hörer das Gemeinte zwar deutlich zu erkennen gibt, es aber nicht explizit ausspricht. Hindelang führt in diesem Zusammenhang folgendes Äußerungsbeispiel an, in dem ein Arbeitgeber seinem Angestellten zu verstehen gibt, daß dieser nicht unersetzlich sei und daß er die Spesenrechnungen als zu hoch ansehe: (49)
Erinnern Sie sich eigentlich noch an Ihren Vorgänger, Herr Hübelkötter? Ein Mann, der zu leben wußte. In ganz Europa gab es kein Schlemmerlokal, das er nicht kannte. Leider mußten wir uns von ihm trennen, obwohl seine Verkaufserfolge gar nicht so schlecht waren. 104
Im Rahmen dieser Arbeit wird in einem anderen Sinn von .Anspielungen' gesprochen. Der Terminus .Anspielung' wird hier in Anlehnung an Wills gebraucht: „Das Charakteristikum von Anspielungen" ist nach Wilss, „daß sie sich immer auf etwas textuell schon Vorhandenes beziehen."105 Eine solche Bezugsstruktur weisen auch Metaphern auf, allerdings beziehen sich Metaphern nur in seltenen Fällen auf einzelne identifizierbare Texte. Der Terminus .Anspielung' bezeichnet im Zusammenhang des metaphorischen Sprechens eine spezifische Form des sprachlichen Verweisens: Der Sprecher spielt mit seiner metaphorischen Äußerung, insbesondere mit den metaphorisch verwendeten Wörtern, auf einen sprachlichen Zusammenhang an und stellt so eine Beziehung zu anderen Sprachspielen her. Die metaphorisch verwendeten Wörter verweisen auf spezifische Gebrauchszusammenhänge, die nicht expliziert werden, aber für das Verstehen der metaphorischen Äußerung relevant sind. Für die Erklärung des metaphorischen Verfahrens ergeben sich aus diesem Sachverhalt einige Probleme: Wenn die metaphorisch gebrauchten Wörter und Syntagmen auf sprachliche Zusammenhänge verweisen, die nicht explizit angeführt werden müssen, zum Verstehen aber nötig sind, muß erklärt werden, wie der Hörer diese Bezugnahme leisten kann, über welche Fähigkeiten er verfügen muß, um die entsprechenden sprachlichen Zusammenhänge zu erkennen. Hier basiert das metaphorische Verfahren auf einer Reihe von Kompetenzen, die auch in anderen sprachlichen Vollzügen eine Rolle spielen, beim metaphorischen Verfahren aber in einer spezifischen Form genutzt werden. Zu diesen Kompetenzen gehören:
104
Hindelang (1983/1994: 97).
105
Wilss (1991: 5); vgl. hierzu auch Wilss (1989).
113 1. das Wissen um sprachliche Muster und ihre Realisierungen, 2.
die Fähigkeit, Muster zu identifizieren, auch wenn sie nicht als ganze dargeboten werden,
3. die Fähigkeit, sprachliche Analogien aufzubauen bzw. zu erkennen. Die einzelnen Punkte sollen im folgenden näher erläutert werden. 1. Daß das Wissen um sprachliche Muster und ihre Realisierungen ein Basiswissen für jede Form der Kommunikation darstellt, gehört zu den grundlegenden Erkenntnissen der pragmatischen Linguistik. Das metaphorische Verfahren setzt lediglich eine freiere Verfügbarkeit dieses Wissens voraus, denn dem Hörer wird ein Muster .explizit' präsentiert, der Diskurs als eine Art .Cluster' von Mustern bzw. Musterzusammenhängen wird nur anspielend .zitiert'. 2. Die zweite wichtige Kompetenz, die beim metaphorischen Sprechen zum Einsatz kommt, ist die Fähigkeit, Muster aufgrund der Wahrnehmung bestimmter Teilstrukturen zu erkennen. Auf diese grundlegende Fähigkeit hat die Gestaltpsychologie in ihren Untersuchungen von Denkprozessen immer wieder aufmerksam gemacht. Schon Kinder verfügen über die Kompetenz, gestörte oder lückenhafte Muster in ein stimmiges Ganzes zu überführen. 106 Für die Kommunikation ist diese Fähigkeit von zentraler Bedeutung: Ohne sie wäre es nicht möglich, jene lückenhaften Muster, mit denen wir täglich aufgrund von Performanzerscheinungen konfrontiert sind, zu korrigieren. Aber die Bedeutung dieser Kompetenz für die Kommunikation ist nicht auf Formen des defizitären Sprechens beschränkt. Im Sinne der Ökonomie des Sprachgebrauchs können unvollständige Muster an den verschiedensten Stellen des kommunikativen Geschehens vorkommen, ohne daß die Wohlgeformtheit gefährdet wäre. Goffman hat anhand einer Reihe von Sequenzbeispielen Formen von pragmatischen Ellipsen vorgestellt und deren regelhafte Struktur aufgezeigt.107 Bei der Metapher wird von der Fähigkeit, Muster aufgrund der Kenntnis bestimmter Teilstrukturen zu erkennen, allerdings in besonderer Weise Gebrauch gemacht. Dem Hörer stehen als Muster-Indikatoren Diskurs-Segmente zur Verfügung, die in die metaphorische Äußerung eingepaßt sind. Das Erkennen globalerer Muster hängt unter anderem von der Fähigkeit des Hörers ab, aufgrund solcher Teilsegmente komplexere Muster zu erschließen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob und wie man von der Ausdrucksseite her Strukturen übergeordneter Muster erkennen kann. Diese Frage spielt nicht nur bei der Erklärung des metaphorischen Sprechens eine große Rolle, sie ist auch grundlegend für die gebrauchstheoretische Methodologie. Searle hat sich eingehend mit dem Problem beschäftigt, ob man von einzelnen Wörtern auf bestimmte Sprechakte schließen kann. Der Versuch birgt - wie frühe Arbeiten im Rahmen der sprachanalytischen Philosophie gezeigt haben - einige Gefahren. Der einfache Rückschluß vom Wort zur Handlung, wie er sich beispielsweise in Arbeiten von Ryle108 oder Hare109 zeigt, ergibt das, was Searle den
106 107 108 109
Vgl. Wertheimer (1945/1964: 125). Vgl. Goffman (1974/1978: 121ff.). Vgl. Ryle (1949/1975: 69ff.). Vgl. Hare (1952/1970: 79ff.).
114 Sprechakt- und Behauptungsfehlschluß nennt. Als Sprechakt-Fehlschluß bezeichnet Searle die Annahme, man könne über den Gebrauch eines Wortes auf die Handlung schließen.110 Searle kritisiert in „Speech acts" Schlußfolgerungen der folgenden Art:111 The word „good" is used to commend (Hare). The word „true" is used to endorse or concede statements (Strawson). The word „know" is used to give guarantees (Austin). The word „probably" is used to qualify commitments (Toulmin).112
Die oben genannten Sprachphilosophen unterstellten die Identität der Frage: „What does good or know mean?" und der Frage „How is good or know used?" Searle bemängelt, daß sie ihre Diskussion auf einige einfache Sätze beschränken, in denen diese Worte vorkommen. 113 Den Sprechaktfehlschluß charakterisiert Searle wie folgt: C a l l i n g something good is characteristically praising or commending or recommending it, etc. But it is a fallacy to infer from this that the meaning of „good" is explained by saying it is used to perform the act of commendation. 114
Daß es sich hier um einen Fehlschluß handelt, begründet er unter anderem mit einer Reihe von Gegenbeispielen, Sätzen „where .good' has a literal occurrence yet where the literal utterances of the sentences are not performances of the speech act of commendation; nore are the utterances explicable in terms of the way the rest of the sentence relates the utterance to the performance of the speech act of commendation." 115 Das Schlagwort „Meaning Is Use" enthalte keinen Hinweis auf die Unterscheidung zwischen solchen Merkmalen der Äußerung, die allein der Verwendung des zu analysierenden Wortes zuzuschreiben sind, und solchen, die auf anderen Eigenschaften der Sätze oder ganz äußerlichen Faktoren beruhen. Searle und andere haben mit diesen Einwänden die Anwendbarkeit der Gebrauchstheorie in Frage zu stellen versucht. 116 Für die Erklärung des metaphorischen Sprechens stellt sich die Frage, ob sich aufgrund von Searles Kritik zwingend jeder Rückschluß von der Ausdrucks- auf die Handlungsseite verbietet. Der Fehler, den die oben genannten Sprachphilosophen begehen, liegt nicht einfach darin, daß sie vom Wort auf entsprechende Sprechaktqualitäten schließen, sondern in der Qualität der Regelangabe. Wenn man im Rahmen der Bedeutungsbeschreibung graduell abgestufte Regelangaben akzeptiert, lassen sich durchaus vom Wort ausgehend Angaben zur Handlung, zum Text oder zum Diskurs machen. Solche Regelangaben dürfen
110 111 112
113 114 115 116
Vgl. Searle (1969: 136ff.); vgl. hierzu auch Rolf (1992: 54ff.). Searle (1969: 137). Searle (1969: 137) bezieht sich hier auf die Arbeiten von Hare (1952/1970); Strawson (1949); Austin (1946/1970) und Toulmin (1950). Vgl. Searle (1969: 147). Ebd. 139. Searle (1969: 139). Vgl. Searle (1969: 147) und Rolf (1992: 58f.). Neuere Fassungen der Gebrauchstheorie verfahren jedoch vorsichtiger, sie schließen in der Regel nicht einfach von der Ausdrucks- auf die Handlungsebene, sondern nehmen Beschreibungen von der Handlungsseite her vor, indem sie die Bindungen zwischen Äußerungsform und Sprechhandlung im Rahmen einer offenen Liste beschreiben. (Vgl. z. B. Hundsnurscher 1981: 39f.; 1990: 21 Iff.; 1993b: 245)
115 aber nicht im Sinne von Gesetzesaussagen formuliert sein, sie geben lediglich prägnante Verwendungssituationen an. Derartige Regelbeschreibungen werden neuerdings auch zur Bedeutungsbeschreibung in der Lexikographie herangezogen. Im Wörterbuch der brisanten Wörter („Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist"117) findet sich beispielsweise unter dem Lemma „kulinarisch" folgende verwendungsspezifische Angabe:118 Häufig wird kulinarisch positiv wertend verwendet, um Kochkünste als besonders ausgeklügelt und raffiniert, Gerichte und Genüsse als besonders ausgesucht und erlesen zu charakterisieren, vor allem, wenn von der feinen französischen Küche, der haute cuisine, und deren Nachahmern die Rede ist." 9
Strauß/Haß/Harras gehen offensichtlich davon aus, daß man - zumindest bei manchen Wörtern - verwendungsspezifische Angaben hinsichtlich der Zugehörigkeit zu übergeordneten Mustern machen kann. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Hindelang in seiner Untersuchung des Wortes Sekte. Für den Gebrauch des Wortes lassen sich prägnante Gebrauchssituationen im Sinne von typischen Sprechakten angeben: Das Wort Sekte werde häufig „in Äußerungen und Texten gebraucht, deren kommunikative Funktionen die der Warnung, des Vorwurfs, der Kritik oder der Anklage sind".120 Die von Searle genannten Beispiele stellen nur dann wirkliche Gegenbeispiele dar, wenn mit der genannten Regelangabe andere Gebrauchsweisen ausgeschlossen werden. Searle diskutiert das Problem der ausdrucksseitigen Bindungskräfte von seiner Fragestellung her im Rahmen einer einfachen Wort-Handlungs-Dichotomie. Dabei werden jedoch die Bindungskräfte komplexerer Syntagmen unterhalb der Satzebene nicht berücksichtigt. Komplexere Syntagmen weisen aber einen höheren Grad an Idiomatizität auf als einzelne Wörter, d. h. die Bindung einzelner Wörter an übergeordnete Muster geschieht nicht oder nicht nur durch die Bindungskräfte der Einzelwörter, sondern durch die Bindungskräfte komplexerer Einheiten unterhalb der Satz- oder Äußerungsebene. Feilke hat sich in seinem Buch „Common sense-Kompetenz" mit solchen Formen der Idiomatizität beschäftigt.121 Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die Beobachtung, daß Sprecher, mit bestimmten Ausdrücken konfrontiert, imstande sind, entsprechende kommunikative Muster zu rekonstruieren. So sei es einer Reihe von Studenten ohne weiteres gelungen, aufgrund der unten angeführten Ausdrücke, die aus einer Rede entnommen sind, übereinstimmend einen kohärenten Inhalts- und Handlungszusammenhang zu konstruieren:
117 118
119 120 121
Strauß/Haß/Harras (1989). Die Autoren erläutern die Funktion dieser Beschreibungsposition im Wörterbuch wie folgt: „In dieser Position werden Kommentare zur Wertung, zu Bedeutungsschattierungen, Verwendungsnuancen, zu Gruppen- und Fachsprachenzugehörigkeit oder zur Verwendung in bestimmten Kommunikationsbereichen gegeben." (Ebd. 3) Das Beispiel, das der Einleitung entnommen ist, dient dazu, eine bestimmte Position im Rahmen eines Wörterbuchartikels zu erläutern. Ebd. 3. Vgl. Hindelang (1996: 3). Feilke (1994).
116 .. .. .. .. .. .. .. ..
auf den Trümmern errichtet ... sich einen guten Namen erworben ... Sorgen und Mühen ... am Markt bestehen ... mit Dankbarkeit gedenken ... Die Konkurrenz schläft nicht ... das Tanzbein schwingen ... erhebe mein Glas . . . m
Feilke stellt sich die Frage, wie erklärt werden kann, daß in diesem Beispiel, obwohl von den aktuellen situativen Rahmenbedingungen der Befragung her nichts auf den später konstruierten Kontext hinweist, ja man sogar sagen kann, daß dieser Kontext den Studenten sachlich und emotional ausgesprochen fernliegt, diese gleichwohl zu ähnlichen Verstehensresultaten kommen.123 Seine Hypothese lautet, daß der Grund dafür nicht vorrangig im Weltwissen gesucht werden dürfe, sondern primär in einem empirischen Datum der Situation liege, das die Prozesse der Interpretation kanalisiert und auf diese Weise geordnete Kontexte des Verstehens erzeugt.124 „Dieses Datum wird [...] durch die konkret vorliegenden sprachlichen Ausdrücke gebildet, die im Common sense ein umfangreiches Inventar sozialen Wissens indizieren. "125 Die Fähigkeiten zum Gebrauch und zur Interpretation solcher Ausdrücke sei eine sowohl vom Weltwissen wie vom .konstitutiven' Sprachwissen i. e. S. abzuhebende .idiomatische Kompetenz'.126 Die idiomatische Kompetenz wird bei Feilke als Teil einer .Common sense-Kompetenz' verstanden: Die Common sense-Kompetenz ist kommunikationstheoretisch eine „.Kontextualisierungs'-Kompetenz, d. h. sie ist eine wichtige Grundlage unserer Fähigkeit, gemeinsame Kontexte für Meinen und Verstehen zu erzeugen". 127 Der Gebrauchswert eines Elements wird weit mehr als vom jeweiligen kategorial strukturierten Paradigma v o n s e i n e n k o n v e n t i o n a l e n s y n t a g m a t i s c h e n K o n t e x t e n bestimmt, die mit ihm zusammen jeweils Ausdrucks-,Muster' bilden. Die Gestalt des sozial verbindlichen Ausdrucksmusters (Habitus) vermittelt Gebrauch und System der Sprache als eine eigenständige Strukturebene der Kompetenz. 128
Anhand seines Ausgangsbeispiels diskutiert Feilke bestimmte Typen idiomatischer Prägung. Von dem Ausdruck ich erhebe mein Glas könne man ζ. B. sofort auf einen festlichen Anlaß als Kotext und eine Rede als Kontext schließen, obwohl die Ausdruckskomponenten mit ihrer denotativen Bedeutung keinen unmittelbaren Anhaltspunkt dafür bieten. Den Studenten sei der Ausdruck als Form der linguistischen Realisierung einer typisierten
122 123 124 125 126 127 128
Ebd. 213. Vgl. ebd. 219. Vgl. ebd. 119f. Ebd. 220. Vgl. ebd. Ebd. 366. Feilke (1996: 48).
117 und institutionalisierten Handlung bekannt.129 Nur auf der Grundlage dieses sprachlichen Wissens über die konventionelle Beziehung zwischen dem Ausdruck und einem konventionellen Text- und Handlungsrahmen könne die konstruktive Verstehensleistung erklärt werden.130 So wie sich der Zusammenhang von Ausdruck und situativem Kotext in diesem Falle verfestigt zu haben scheint, ist zugleich der Ausdruck selbst auf der Ebene seiner linguistischen Organisation idiomatisch geprägt und verfestigt. 131
Dazu gehöre in dem zitierten Beispiel, daß es eine konventionelle Kopplung zwischen der Verwendung der 1. Person Singular oder Plural und einem entsprechenden Possessivpronomen beim direkten Objekt gibt: ich-mein, wir-unser. Die Verwendung des bestimmten Artikels statt des Possessivpronomens wirke bereits ungewöhnlich. Desgleichen sei die Kollokation von erheben und Glas durch den konventionellen Bezug auf das Handlungsschema festgelegt.132 Feilke weist zu Recht darauf hin, daß es theoretisch außerordentlich problematisch ist, sprachliches Wissen und Weltwissen voneinander abzugrenzen133: Das Kennen des Ausdrucks als eines Elementes einer kommunikativen P r a x i s ist beides zugleich (!), nämlich ein Verstehen ermöglichendes s p r a c h l i c h e s Wissen und - als Kennen eines Handlungsschemas oder Ablaufschemas - ein spezifischer Typ von W e l t w i s s e n . ' 3 4
Auch für das metaphorische Sprechen spielt so etwas wie idiomatische Kompetenz eine wichtige Rolle. Anhand des Textbeispiels von Walter Benjamin wurde deutlich, wie im Rahmen der Metaphernbildung Diskurssegmente derart entfaltet werden, daß sie einen hörerseitigen Rückschluß auf komplexere Einheiten zulassen, ζ. B. auf bestimmte Sprachspielgattungen. Dabei obliegt es dem Sprecher zu entscheiden, wie explizit er Teile anderer Muster im Rahmen der metaphorischen Äußerung anführt. Die Explizitheit der Metapher dient der Verständlichkeit, sie erleichtert das Erkennen sprachlicher Muster im Rahmen der sprachlichen Bezugnahme.135 Die Präsentation von Sprachspielsegmenten allein reicht aber noch nicht aus, um die sprachliche Bezugnahme zu gewährleisten. Der Hörer muß nicht nur ein Muster erkennen, er muß auch entscheiden, welche Aspekte dieses Musters für die metaphorische Sinnkonstituierung relevant werden. Denn wirksam werden bei der Metapher nicht nur die explizit zitierten Sprachspielsegmente, der Point des Verfahrens besteht ja gerade darin, daß die Metapher auf komplexere Sprachspielstrukturen anspielt. 136 Hierbei spielt die Analogie eine zentrale Rolle. 129 130 131 132 133 134 135 136
Vgl. Feilke (1994: 225f.). Vgl. ebd. Ebd. Vgl. ebd. 226f. Vgl. ebd. 2 2 6 . Ebd. Vgl. hierzu Kapitel 5 . 2 . 2 . 2 . Die Unterdeterminiertheit der metaphorischen Äußerung wird in der Literatur auch unter dem Stichwort .Ambiguität' und .Vagheit' diskutiert. Viele Autoren schließen daraus, daß die Metapher prinzipiell offen sei für viele, wenn nicht sogar gegensätzliche Interpretationen: „The v e r y s a m e metaphorical statement, as I wish to use that expression, may appropriately receive a number of different and even partially conflicting readings." (Black 1977/1993: 25)
118 3. Die dritte zentrale Fähigkeit, auf der das metaphorische Verfahren gründet, ist die Fähigkeit, Analogien aufzubauen: Die mangelnde Einsicht in das Verfahren der Analogiebildung bietet - wie gezeigt wurde - vielen Kritikern Anlaß, die Vergleichstheorie gänzlich zu verwerfen. Diese Kritik rührt zum Teil aus einer Überfrachtung der Linguistik mit Fragestellungen, die sie kaum zu lösen vermag, her. Levinson weist zu Recht darauf hin, daß man von einer Pragmatiktheorie zu viel verlangt, wenn man erwartet, daß sie die psychologische Kapazität erklärt, vermöge der wir metaphorisch sprechen, nämlich die Fähigkeit, analog zu denken: In any event it could be claimed that linguistic pragmatics alone should not be expected to provide such a general theory of analogy, without considerable help from psychological theory. If there is to be a division of labour the psychologists' task might be to provide the general theory of analogy, while the pragmaticists' job should be to locate the kinds of utterances that are subject to such interpretation, provide an account of how they are recognized and constructed, and of the conditions under which they are used.137
Der Verstehensprozeß ist gekennzeichnet durch einen sukzessiv verlaufenden Prozeß der Kohärenzherstellung, bei dem sprachliche Analogien eine tragende Rolle spielen. Auch hinsichtlich der Analogiebildung muß betont werden, daß es sich um eine Kompetenz handelt, die nicht nur beim metaphorischen Sprechen zum Tragen kommt. Wie bereits gezeigt wurde, spielt die Analogie auch bei der Entstehung neuer Textmuster eine wichtige Rolle. Hermann Paul hat der Analogie ein ganzes Kapitel seiner Sprachgeschichte' gewidmet. Er weist in diesem Zusammenhang z. B. auf die Bedeutung der Analogie für die Wortbildung, für die Aneignung von Flexionsformen oder für den Lautwechsel hin.138 Jedes Erkennen sprachlicher Einheiten setzt die Fähigkeit zur Analogie voraus, die Fähigkeit, Gleichbleibendes von sich Veränderndem zu unterscheiden und damit als Einheit zu identifizieren. Richards kritisiert daher zu Recht Aristoteles, der diese Fähigkeit dem Genie vorbehält.139 Bei der Metaphernbildung wird die Fähigkeit zur Analogiebildung auf spezifische Weise genutzt, hier werden nicht nur Einheiten auf der Basis von Mustern verglichen, hier muß auf der Basis der Analogie Kohärenz hergestellt werden. Deshalb ist es wichtig, das Analogisieren nicht als isolierten Prozeß zu begreifen, sondern in seiner Verzahnung mit dem sukzessiv verlaufenden Prozeß der Herstellung von Kohärenz. Durch eine solche Betrachtung kann die Zahl der möglichen Interpretationen einer Metapher erheblich eingeschränkt werden. Dieser komplizierte Prozeß soll zunächst an einem graphischen Modell und dann am Beispiel von metaphorisch konzipierten Partnerschaftsanzeigen erläutert werden.
137 138 139
„Viele, wenn nicht alle Metaphern - auch etablierte [...] - weisen diese kreative Offenheit des Meinens und Verstehens auf. Es scheint dies eine Essenz metaphorischer Kommunikation." (Keller-Bauer 1984: 33) Levinson (1983/1995: 161). Vgl. Paul (1880/1968: 112ff.). Vgl. Richards (1936/1965: 90).
119 5.2.3.1. Ein graphisches Darstellungsmodell Von Savigny hat in einem anderen thematischen Zusammenhang Eigenschaften von Mustern anhand graphischer Darstellungen zu verdeutlichen versucht.140 Die dort verwendete Terminologie ist geeignet, bestimmte Vorgänge, die beim metaphorischen Verfahren eine Rolle spielen, zu veranschaulichen. Das Material, aus dem ein Muster besteht, bezeichnet von Savigny als „Ensemble", dessen Teile als „Ensemblestücke".141 Des weiteren spielt die Unterscheidung zwischen „Ensemble-" und „Mustersachverhalten" eine Rolle: Angenommen wir haben eine Figur der folgenden Art, dann läßt sich der Zusammenhang der einzelnen Teile als eine spezifische Struktur aus Muster- und Ensemblesachverhalten beschreiben: a b f g c h i d e Aussagen wie ,a steht über b', ,c steht zwischen g und h' stellen Ensemblesachverhalte dar, bei Aussagen wie , a - i bilden ein Kreuz' handelt es sich um Mustersachverhalte.142 Solche Repräsentationen stellen eine geeignete Folie dar, um wichtige Eigenschaften von Mustern darzustellen. Der Musterbegriff hat auf verschiedenen sprachlichen Ebenen seinen Ort, wobei das Verhältnis von Ensemblesachverhalten zu Mustersachverhalten jeweils spezifisch beschrieben werden muß. Das Wort „METAPHER", als graphisches Muster aufgefaßt, stellt z. B. ein Ensemble aus Graphemen dar, es besteht aus den Ensemblestücken M, E, T, A, P, H, E, R, die bei der graphischen Präsentation immer in dieser Weise angeordnet werden müssen. Im Bereich der Graphemik lassen sich also sehr klare Regeln für das Verhältnis zwischen Ensemblesachverhalten und Muster angeben, wobei die Groß- und Kleinschreibung noch mit in die Beschreibung aufgenommen werden müßte. Komplizierter sind die Verhältnisse jedoch bei komplexeren Mustern wie Äußerungsformen, Handlungen, Dialogen oder Texten. Bei komplexen Mustern greifen Muster- und Ensemblesachverhalte auf spezifische Weise ineinander, es entsteht ein geschachteltes System derart, daß ein Mustersachverhalt immer zugleich auch einen Ensemblesach verhalt in einem übergeordneten Muster darstellt. So kann beispielsweise ein Sprechakt für sich als ein Muster betrachtet werden, er stellt aber zugleich auch einen Ensemblesachverhalt dar, d. h. er ist Teil einer Sequenz, die wiederum Teil (Ensemblesachverhalt) eines komplexeren Musters ist. Für das Verhältnis zwischen Muster- und Ensemblesachverhalten müssen dabei jeweils verschiedene Typen von Regeln angesetzt werden, d. h. beispielsweise, daß der regelhafte
140 141 142
Vgl. von Savigny (1988: 15ff.). Vgl. ebd. 15. Vgl. ebd.
120 Zusammenhang zwischen den einzelnen funktionalen Bestandteilen von Dialogen anders beschrieben werden muß als der syntagmatische Zusammenhang zwischen einem Satz und seinen Teilen. In beiden Fällen kann man abstrakt von Ensemblestücken und Mustersachverhalten sprechen, aber es gibt unterschiedliche Regel typen.143 Auch Äußerungsformen lassen sich als Muster auffassen. Für ihre Beschreibung müssen Regeln aus unterschiedlichen Bereichen herangezogen werden, Regeln der Syntax, Regeln der Semantik etc. Auch hier gilt, daß die Äußerungsform zwar ein Muster darstellt, aber gleichzeitig auch als Ensemblestück in übergeordneten Mustern wie Handlungs-, Textoder Dialogmustern zu verorten ist. In einer metaphorischen Äußerung werden nun Ensemblestücke aus verschiedenen Äußerungsmustern zusammengebracht. Auf der Ebene der einzelnen Äußerung kommt es bei manchen Metaphern144 so zu einem unkonventionellen Ensemblesachverhalt. In der graphischen Darstellung ließe sich das etwa folgendermaßen darstellen: In der obigen Darstellung stellt die horizontale Folge ,g c h' einen unkonventionellen Ensemblesachverhalt dar, das ,c' erscheint zunächst als ungewöhnliches Element im horizontalen Muster (,f g c h i'). Trotzdem bildet das ,c' ein Ensemblestück, das sich in ein übergeordnetes Muster integriert. Es paßt sich über die vertikale Folge ,a b c d e' in die Gestaltbildung , a - i bilden ein Kreuz' ein. Bezogen auf das metaphorische Verfahren bedeutet dies, daß metaphorisch verwendete Wörter und Einheiten zwar .ungewöhnliche' Ensemblestücke darstellen können, mit anderen Ensemblestücken aber Mustersachverhalte ausbilden. Denkt man noch einmal an die in Kapitel 3.2.1 diskutierten Probleme, so stellen die Theorien, die vom Kategorienfehler ausgehen, Ensemblesachverhalte in den Mittelpunkt, während der hier vertretene grammatische Ansatz sich dadurch auszeichnet, daß er den komplexeren Mustersachverhalten eine höhere Priorität einräumt. Ensemblesachverhalte sind nur insofern relevant, als sie auf höheren Ebenen in Mustersachverhalte eingebunden sind. Das ,c' in der oben angeführten Graphik ist ein ungewöhnliches Ensemblestück, es handelt sich hier aber nicht um einen ungewöhnlichen Mustersachverhalt bezogen auf das übergeordnete Muster. Das übergeordnete Muster wird durch das ,c' nicht gestört. Für das ,c' können zwar ungewöhnliche Ensemblesachverhalte nachgewiesen werden, gleichzeitig weist es aber auch strukturelle Eigenschaften auf, die sich in das übergeordnete Gesamtmuster integrieren lassen. Es wurde herausgestellt, daß das Charakteristische des metaphorischen Verfahrens darin besteht, daß es einen Primärtext mit einem Sprachspiel in Verbindung bringt. Dem Hörer werden mit dem metaphorischen Verfahren nur einzelne , Segmente' der Bezugsebene präsentiert: in der graphischen Darstellung das ,c'. Für das Erkennen und das kohärente Integrieren des ,c' ist es wichtig, daß der Hörer dieses Element in anderen (hier vertikalen) Mustern verorten kann. Dem Hörer müssen deshalb Muster bekannt sein, in denen dieses Ensemblestück vorkommt.
143
Vgl. hierzu auch Kapitel 2 . 3 . 2 .
144
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 5.1.
121 Der Hörer muß also Gebrauchskontexte kennen, in denen die metaphorisch gebrauchten Einzelworte oder Syntagmen auftreten. Nun kommen aber Ensemblestücke in der Regel nicht nur in einem, sondern in verschiedensten Mustern vor. Nur einige dieser Muster sind aber relevant für die sinnvolle Integration des Ensemblestücks in das primäre Muster. In diesem Zusammenhang spielen zum einen Mustersachverhalte des Primärtextes, zum anderen analoge Schlußverfahren eine wichtige Rolle. Es kommen nur Ensemblestücke in Frage, die geeignet sind, sich in die Musterstruktur des Primärtextes zu integrieren, dort einen Mustersachverhalt aufzubauen. An dieser Stelle stößt die Erklärungskraft der graphischen Veranschaulichung an ihre Grenzen. Zur Illustration soll im folgenden deshalb auf sprachliche Beispiele zurückgegriffen werden.
5.2.3.2. Ein Beispiel: „Oldtimer, Baujahr 45 ..." (Partneranzeige)145 In der Wochenzeitschrift „DIE ZEIT" vom 18.8.1989 findet sich folgende Anzeige: (50)
Oldtimer, Baujahr 45, Sportmodell, solide gelaufen, jedoch einige kleine Kratzer im Lack, zweifelsfrei Liebhaberstück fur humorvollen Fahrer (ab 176 cm - Raum 4). (Chiffreangabe) [DIE ZEIT Nr. 34, 18.8.1989, S. 52]
Die Anzeige ist unter der Rubrik „Heiraten: Frau sucht Mann" abgedruckt. Durch die textuelle Einbindung ist die Rezeption und Musterzuordnung bereits vorbereitet: Der Leser erwartet eine Partneranzeige. Die überwiegend ,textmusterfremden' Segmente werden so in Richtung auf dieses Muster gelesen. In seiner Rezeption bestätigt wird der Leser durch zwei Bausteine, die eindeutig dem erwarteten Textmuster zuzuordnen sind: die Angabe der Größe („176") und die Angabe des Großraums („Raum 4") sind typische Bestandteile von Partneranzeigen. Die angeführte Partneranzeige weist nur diese beiden textmustertypischen Angaben auf. Das vollständige Textmuster einer Partneranzeige enthält folgende .Bausteine': -
Begründung der Verfahrenswahl Selbstdarstellung, Partnerbeschreibung, Beschreibung der angestrebten Verbindung, Aufforderung zu einem ersten Kontakttreffen.146
Die Lücken im Textmuster schaffen Erwartungen hinsichtlich der anderen Elemente: metaphorisch gebrauchten Wörter und Ausdrücke werden so auf dem Hintergrund Musterwissen und entsprechenden Sinnerwartungen gelesen. Bei der Bezugnahme auf ein anderes Sprachspiel stehen dem Hörer also nicht Sprachspielsegmente unterschiedlicher Komplexität zur Verfügung (Oldtimer, Baujahr
145
146
Die von nur 45,
Im folgenden wird zur Textmusterbezeichnung statt des Ausdrucks .Heiratsgesuch' zumeist der umfassendere Ausdruck .Partneranzeige' verwendet. Vgl. König/van Lengen (1991: 12); vgl. hierzu auch das Textmuster von Stolt/Trost (1976).
122 Sportmodell etc.), eine wesentliche Orientierung erhält der Hörer auch durch das Muster des Primärsprachspiels, das im Sinne einer möglichen Sinnkonstituierung geschlossen werden soll. Primärmuster und Ensemblestücke des Bezugsmusters wirken bei der sprachlichen Bezugnahme so zusammen. Das Bezugsmuster des angeführten Textbeispiels (49) ist die Gebrauchtwagenanzeige. Darauf deutet zum einen die semantische Struktur der metaphorisch gebrauchten Wörter, zum anderen die stilistische Prägung des Textes hin. Im Sinne einer Funktionscharakteristik stellt ζ. B. die unkommentierte Aneinanderreihung von Produktmerkmalen ein stilistisches Merkmal von Verkaufsanzeigen dar. Um die metaphorische Äußerung zu verstehen, muß der Hörer nun den Äußerungsrahmen und die metaphorisch gebrauchten Elemente zu einem kohärenten Ganzen formen. Ko- und Kontext der Äußerung stellen dabei den Ausgangspunkt der Verstehensleistung dar. Die angeführten Textbausteine werden daraufhin gelesen, ob sie Elemente liefern, die geeignet sind, bezogen auf das Primärmuster einen Mustersachverhalt auszubilden. Das heißt: die metaphorisch gebrauchten Elemente, die dem Textmuster Verkaufsanzeige zuzuordnen sind, werden nun auf das Primärmuster, in diesem Fall die Partneranzeige, bezogen. Die Segmente werden daraufhin überprüft, ob sie im gegebenen Äußerungsrahmen eine kohärente Partneranzeige bilden. Wenn man an die oben eingeführte graphische Darstellung denkt, hat man es hier also mit Ensemblestücken zu tun, die einem anderen Textmuster zuzuordnen sind. Sowohl beim Erkennen dieses Musters wie auch bei der kohärenten Einpassung der metaphorisch gebrauchten Elemente spielen sprachliche Analogien eine wichtige Rolle, in diesem Fall ζ. B. die funktionale Analogie zwischen der Produktpräsentation in der Verkaufsanzeige und der Selbstdarstellung im Partnergesuch. Das Textmuster .Gebrauchtwagenanzeige' hat grob skizziert folgende Struktur: - Produktbeschreibung (Typ, Baujahr, Zustandsangabe: gefahrene km, Sonderausstattung etc.), - Preisangabe, - Telefonnummer oder Chiffre. Die Produktbeschreibung ist von ihrer Handlungscharakteristik her vergleichbar mit der Selbstdarstellung in einer Heiratsanzeige. Von dieser Funktionsanalogie wird - wie die folgenden Beispiele illustrieren - in Partneranzeigen häufig Gebrauch gemacht: (51 )
Sonderangebot! Seit 22 Jahren abgelaufen Ich warte auf die Frau, die ein Einsehen mit mir hat und mich 189cm/120 kg leicht in den Einkaufswagen hievt und an der Kasse nichts bezahlt. Du solltest die Frau sein, die 18-26 Jahre jung ist und mit mir zusammen nicht mehr als 185 kg auf die Waage bringt. Ps: Ich bin nicht im Kühlregal zu finden. Raum H. Durch welchen Supermarkt schiebst Du d. Einkaufswagen. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 44]
(52)
Second hand trotzdem erste Wahl! Sympathische Sie, 41/173, schlank, blond, angenehmes Äußeres, geschieden, unabhängig, Kfm. Angestellte, sucht Partner bis Anfang 50, der allen Seiten des Lebens aufgeschlossen gegenüber steht. Ich wünsche mir als Grundlage für eine Partnerbeziehung Offenheit, Ehrlichkeit und harmonisches, liebevolles Miteinander. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 30]
123 (53)
U n t e r n e h m e r h a u s h a l t o h n e Frau und K i n d e r l a c h e n ? Garantiepaket im Doppelpack, 1,74 lang, 52/91 geschnürt, postlagernd Norddeutschland, anzufordern unter [...]. [DIE ZEIT Nr. 35, 2 3 . 8 . 1 9 9 6 , S. 64]
Die partielle Funktionsanalogie zwischen Verkaufsanzeige und Heiratsanzeige spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die metaphorisch gebrauchten Segmente kohärent einzupassen: Eine Selbstdarstellung im Rahmen einer Partneranzeige enthält in der Regel bestimmte für das Zustandekommen von Beziehungen wichtige Informationen. Wir haben es hier mit einem Mustersachverhalt zu tun, der wiederum im Sinne eines Mustersachverhalts charakteristische Ensemblestücke aufweist. Zu solchen charakteristischen Ensemblestücken gehören: -
Angabe Angabe Angabe Angabe
des Alters, des Geschlechts, bestimmter (vor allem positiver) Charaktereigenschaften, des Berufs etc.147
Auf dem Hintergrund der Kenntnis des Mustersegments sucht der Rezipient der Anzeige (49) in den musterfremden Bausteinen nach Ensemblestücken, die im Rahmen der Partneranzeige einen entsprechenden Mustersachverhalt ausbilden können. Die einzelnen Textbausteine werden auf das Primärmuster bezogen und auf mögliche Kohärenz hin überprüft. Dabei unterstützt die Funktionsanalogie die Einordnung der einzelnen Elemente: So haben etwa die Angabe von Baujahr und Alter in den aufeinander bezogenen Mustern eine ähnliche Funktion. Der Prozeß des Analogisierens kann, wie die folgenden Beispiele aus (49) zeigen, sehr unterschiedlich verlaufen. Die Analogien funktionieren nach unterschiedlichen Modellen. Welche Form der Analogie jeweils realisiert ist, erkennt der Sprecher aufgrund von Mustererwartungen und konventionellen sprachlichen Realisierungen. Die Kenntnis konventioneller Selbstbeschreibungen im Rahmen von Partneranzeigen befördert so die Adaption der metaphorisch verwendeten Wörter auf den Handlungszusammenhang des Primärsprachspiels. Das Kompositum Sportmodell kann unter Übergehung der Wortartencharakteristik und bestimmter für das Bezugsmuster charakteristischer Elemente im Sinne von .sportlich' verstanden werden, die Ähnlichkeit ist über die gemeinsame Wortfamilie herstellbar. Solide gelaufen kann im Sinne von solider Lebenslauf kohärent eingepaßt werden, auch hier funktioniert die Analogie über die Wortfamilie. Das Interaktionspaar .Käufer - Verkäufer' wird als Partnerschablone auf das Primärmuster bezogen. Solche Paarkonstellationen werden - wie die folgenden Beispiele zeigen - relativ häufig metaphorisch als Partnerschablonen in Heiratsanzeigen verwendet: (54)
147
Weißer Riese, 32, 184, sucht Klementine für 30, 60 und 90°C für aprilfrische Zweisamkeit und zur Beseitigung des Grauschleiers. [...] Kw: Megaperls [tip Nr. 4, 1996, S. 260]
Es handelt sich hier allerdings nicht um obligatorische Bestandteile einer Partneranzeige.
124 (55)
Einsamer Wolf sucht schlankes Reh zum Durchstreifen der Disco-Wälder. Jagdrevier [...] Bild wäre nett. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1 1996, S. 45]
(56)
Adam (33/189/78) sucht Eva zum Apfelessen, Schlangen beschwören und fiir andere paradiesische Dinge. [...] [tip Nr. 4, 1996, S. 263]
(57)
Weibl. Brillant mit kleinen Einschlüssen möchte sich wieder verlieben und wünscht sich unabhäng. männl. Goldfassung zwi. 50 + 60 für eine liebevolle harmonische Beziehung, geprägt von Zärtlichkeit, Erotik, Geborgenheit + Vertrauen. Sie mag Geist + Witz, Nähe + Distanz, Reisen + Kultur u. v. m. Bitte nur Großraum Hamburg. [...] [DIE ZEIT Nr. 35, 23.8.1996, S. 64]
Dabei kommt es - wie bereits in der Analyse des Benjamin-Textes deutlich wurde - zu engen Verschmelzungen zwischen Bezugssprachspielen und den primären Sprachspielen: Sprachspielsegmente der Bezugssprachspiele werden ζ. B. mit Attributen des Primärsprachspiels verbunden oder umgekehrt: humorvoller Fahrer (49), einsamer Wolf (55), schlankes Reh (55), aprilfrische Zweisamkeit (54) etc. Die Beispiele verdeutlichen noch einen weiteren Typ von Analogie, die Analogie über die gemeinsame Kollokation: Die Attribute einsam und schlank sind - bezogen auf die entsprechenden Nomen der Bezugssprachspiele - mögliche Kollokationen, können aber ebenso als Attribute im Rahmen der Selbstdarstellung bzw. Fremdbeschreibung von Partneranzeigen fungieren. Auf diese Weise sind auch die metaphorischen Partnerschablonen kohärent zu interpretieren. Lexikalisierte Metaphern fungieren oft als Bindeglieder zwischen Bezugsebene und Primärtext. Sie eignen sich als verknüpfende Elemente, weil sie auf konventionellem Wege, also ohne Anwendung eines Verfahrens, eine Verkettung von Primärtext und Bezugsebene leisten und damit insgesamt die sprachliche Bezugnahme im metaphorischen Verfahren unterstützen. In den angeführten Beispielen können die Wörter bzw. Syntagmen Kratzer im Lack, durchstreifen und paradiesisch in beiden Sprachspielebenen konventionell gelesen werden, wie am Beispiel von durchstreifen deutlich wird: den Wald durchstreifen, die Disco durchstreifen etc.
Es wurde gezeigt, in welcher Weise sich die Struktur des Primärtextes auf die Möglichkeiten der sprachlichen Bezugnahme auswirkt; sie schafft bereits spezifische Sinnerwartungen, die die Einpassung textmusterfremder Teile vorbereitet und ,kanalisiert'. Der Prozeß des Analogisierens läuft in dem oben dargestellten Beispiel im Rahmen dieser Musterverschränkungen und der dadurch gesteuerten Sinnerwartungen ab. Die Einpassung der Textteile in den Primärtext erfolgt dabei über -
Muster- und Funktionsanalogien, Paarkonstellationen (vgl. Äußerungsbeispiele (54) bis (57)), Analogien im Bereich der Wortfamilienzugehörigkeit, Kollokationsanalogien, konventionalisierte Metaphern.
125
5.3. Zur Funktion des metaphorischen Sprechens
In der sprechakttheoretisch orientierten Literatur ist wiederholt die Frage nach der Zuordnung metaphorischen Sprechens zu den Klassen illokutionärer Akte gestellt worden. So fragt Huttar: Are there any illocutionary acts which are unique to, or at least characteristic of, metaphorical speech acts? 148
Zuordnungen zu einer der Klassen illokutionärer Akte sind von einigen Autoren explizit vorgenommen worden,149 in anderen Arbeiten, in welchen Formen des Metapherngebrauchs im Rahmen nicht-assertiver Äußerungen gänzlich unthematisiert bleiben, scheinen derartige Zuordnungen implizit vorzuliegen.150 Auch Huttar nimmt in seinem Aufsatz „Metaphorical speech acts" Metaphern im Rahmen assertiver Sprechakte zum Ausgangspunkt, überträgt die Ergebnisse seiner Analyse dann aber auf andere Metaphern Verwendungen: So far we have dealt with metaphors occuring as (parts of) assertions. [...] But I think that what I have said so far about metaphors in assertions can be applied to questions, commands, etc. as well. 151
Daß eine Zuordnung metaphorischen Sprechens zu einer der Sprechaktklassen Searles eine wenig sinnvolle Einschränkung darstellt152 und daß durch eine solche Zuordnung über die Funktion metaphorischen Sprechens überdies wenig ausgesagt ist, zeigen Beispiele wie (58) bis (61). Grundsätzlich ist Keller-Bauer zuzustimmen, der darauf hinweist, daß nahezu jede sprachliche Handlung mit Metaphern vollzogen werden kann:153 (58) (59)
148 149
150
151 152
153
154 155
Ein mathematischer Beweis ist eine Mausefalle. 154 Lassen Sie ihre Seele baumeln!
155
(REPRÄSENTATIVA) (DIREKTIVA)
Huttar (1980: 389). Loewenberg hält die Metapher für einen Vorschlag, beschränkt sich allerdings ausdrücklich auf Assertive: „[...] I suggest the introduction of a new speech-act which we can call proposalm(ior metaphorical proposal)." (Vgl. Loewenberg 1975: 336; vgl. auch ebd. 335 und 1979: 233). Hundsnurscher (1985: 309) setzt einen Sprechakt des VERGLEICHENS an, den er bei den Repräsentativa ansiedelt. Vgl. ζ. B. Black (1977/1993); Searle (1979/1993); vgl. hierzu auch Keller-Bauer (1984: 44); Hülzer (1987: 208). Huttar (1980: 397). Vgl. hierzu auch Künne (1983: 193); Puster (1989: 98f.); Hülzer (1987: 208); Hülzer-Vogt (1989b: 358). Vgl. Keller-Bauer (1984: 44); aufgrund der starken institutionellen Verankerung findet man allerdings kaum metaphorische Äußerungen, die zum Handlungstyp der DEKLARATIVE gehören. Diese Äußerung wird auf Schopenhauer zurückgeführt. Es handelt sich bei dieser Äußerung um einen Werbeslogan für eine Reisegesellschaft. Die Äußerung kann nach Hindelang (1983/1994: 61) dem Untermuster RATSCHLAG zugeordnet werden.
126 (60)
Wir machen den Weg frei.156
(KOMMISSIVA)
(61)
Sie sind eine Karikatur!157
(EXPRESSIVA)
Auch Künne weist darauf hin, daß metaphorisches Sprechen „kein Sprechakt sui generis" sein könne, allein schon deshalb, „weil Metaphern in j e d e n Sprechakt eingehen können" .158 Alles in allem erweist sich der Versuch, die Funktion metaphorischen Sprechens über die Zuordnung zu Sprechakttypen zu bestimmen, als wenig fruchtbar. Dies gilt auch für den Vorschlag Mac Cormacs, der einen spezifischen Sprechakt des Metaphorisierens ansetzt: Whenever one creates a new metaphor, one is engaging in the speech act of metaphorizing. [...] The actions of suggesting, producing emotion, creating puzzlement, and forming intimacy are all necessary but not sufficient features of metaphor as a speech act. To be a genuine metaphor, an utterance must also generate meaning out of semantic anomaly.159
Gegen diesen Vorschlag kann - über die Argumente gegen das Anomaliekonzept160 hinaus - geltend gemacht werden, daß Mac Cormac mit seinem Ansatz den Rahmen traditioneller Sprechaktkonzepte verläßt, indem er Äußerungen wie (58) bis (61) zusätzliche, metaphernspezifische .illokutionäre Kräfte' zuschreibt: Metaphor does not just express previously undiscovered analogies and suggest new possible relationships; metaphor as a speech act performs certain functions; it has illocutionary forces. 161 Metaphors suggest, convey, and generate emotions; puzzle; and often form an intimate bond between speaker and hearer.162
Mit dem traditionellen Begriff .illocutionary force" 63 sind derartige Vorstellungen unvereinbar. Bei den von Mac Cormac genannten „illocutionary forces of metaphor"164 handelt es sich um Wirkungen, die mit dem Gebrauch von Metaphern kontingent verbunden sind, also um Wirkungen, wie diese im Rahmen der Sprechakttheorie als „perlokutionäre Effekte" beschrieben werden. Mac Cormac nennt damit weder metaphernspezifische Funktionen noch notwendige oder gar hinreichende Eigenschaften metaphorischen Sprechens. Ähnliches gilt für einige Versuche der Beschreibung von Funktionen metaphorischen Sprechens außerhalb des sprechakttheoretischen Paradigmas. So nennt Tossavainen in ihrer Untersuchung zur „Kompositmetapher in der deutschen Gegenwartssprache" neben der
156
157 158
159 160 161 162 163 164
Es handelt sich bei dieser Äußerung um einen Werbeslogan der Volksbanken. Die Äußerung kann nach Graffe (1990: 138) dem Untermuster ANBIETEN zugeordnet werden. Es handelt sich hier um eine Äußerung Herbert Wehners während einer Parlamentsdebatte. Vgl. Künne (1983: 193); Künne fuhrt in diesem Zusammenhang folgende Beispielsätze an: „Pack den Tiger in den Tank!", „Hast du den Tiger schon in den Tank gepackt?", „Der Tiger ist schon im Tank" (ebd.); vgl. hierzu auch Debatin (1995: 313). Mac Cormac (1985/1988: 175). Vgl. Kapitel 3.2.1. Mac Cormac (1985/1988: 177). Ebd. 179. Vgl. Rolf (1997: 7-12). Mac Cormac (1985/1988: 162).
127 „Informationsfunktion" die „expressive", „appellative", „metasprachliche und heuristische" und „ästhetische" Funktion.163 Auch Bertau bleibt in ihrer Arbeit zum „Sprachspiel Metapher" bei relativ allgemeinen und heterogenen Funktionszuschreibungen, wenn sie in bezug auf Metaphern von „phatischer", „katachretischer", „epistemischer", „illustrativer", „argumentativer" und „sozial-regulativer" Funktion spricht.166 Tossavainen und Bertau benennen eine Reihe m ö g l i c h e r Funktionen metaphorischen Sprechens, die Zusammenstellung von Funktionslisten aus heterogenen Elementen trägt jedoch wenig zur Klärung der Frage bei, welche der genannten Funktionen bei einer metaphorischen Verwendung auf welche Weise zur Entfaltung kommt. Einen Ansatz zur Klärung dieser Frage bietet Sandigs Modell einer pragmatisch orientierten Funktionsstilistik: Die generelle Funktion der Typen stilistischen Sinns ist es, die Handlung, die mit dem Text (nach einem Textmuster für einen Situationstyp) durchgeführt wird, auf die konkreten Bedürfnisse in der konkreten Situation zuzuschneiden, sie zu adaptieren. 167
Sandig geht davon aus, daß jede Äußerung, jeder Text Stil hat, gleichgültig ob auffällig stilisiert oder stilistisch .neutral'. 168 Strukturell gesehen sei Stil „prinzipiell mehrstufig", d . h . daß sich Stil über die verschiedenen Stufen der Beschreibung von Texten erstreckt. Stil entsteht strukturell in der Regel durch das Zusammentreffen mehrerer Elemente, und zwar sowohl gleicher Stufe der Sprachbeschreibung wie auch über verschiedene Stufen hinweg. 1 6 5
Relevant seien aber nicht sämtliche analysierbaren Eigenschaften eines Textes, sondern nur solche, die stilistische Funktionen erkennen lassen.170 Hinsichtlich der Funktion geht Sandig von verschiedenen Funktionstypen aus, die in einer Sprachgemeinschaft intersubjektiv bekannt sind:171 Ein Verhalten kann grundsätzlich nur aufgrund der Zuordnung zu einem intersubjektiv vorhandenen Muster oder Typ als Handlung verstanden werden. Ebenso gilt dies für Stil: Stilistische Funktionen von Texteigenschaften können nur aufgrund der Zuordnung zu intersubjektiv vorhandenen Funktionstypen erkannt werden. 172
Sprachlicher Stil wird bei Sandig definiert als „die sozial relevante Art der Durchführung einer Handlung mittels Text oder interaktiv als Gespräch. Diese Art der Handlungsdurchführung wird durch Eigenschaften des Textes oder des Gesprächs im Kontext ausgedrückt und ist bezogen auf Komponenten der Interaktion; in Bezug auf diese wird die Handlung mit stilistischem Sinn angereichert."173 Stilistischer Sinn entsteht in der Relation des Textes
165 166 167 168 169 170 171 172 173
Vgl. Tossavainen (1992: 33ff.). Vgl. Bertau (1996: 231ff.). Sandig (1986: 26f.). Vgl. Sandig (1995: 28). Sandig (1986: 26); vgl. auch Sandig (1995: 38). Vgl. Sandig (1986: 26). Ebd. Ebd. Sandig (1995: 28).
128 bzw. des Gesprächs zum jeweiligen Muster.174 Bezogen auf Textmuster konkretisiert Sandig, was sie unter .stilistischem Sinn' versteht: Das Textmuster, nach dem ein konkreter Text hergestellt wird, wird in einer spezifischen Weise realisiert: dem Muster angepaßt oder in irgendeiner Hinsicht abweichend, es wird eine MusterVariante realisiert usw. Die konkrete Handlung wird also in spezifischer Relation zu den Vorgaben des Textmusters durchgeführt, und das Thema wird in einer Relation zum Textmuster entfaltet. ,Art und Handlungsdurchführung' und ,Art der Themenentfaltung' sind Typen stilistischen Sinns [...]. 1 7 5
Sandigs Stilbegriff ist pragmatisch orientiert und erweist sich - ganz im Sinne des hier formulierten Grammatikansatzes - als ein ganzheitlicher Ansatz, der die Spezifik sprachlicher Mittel im Rahmen komplexerer funktionaler Einheiten betrachtet.176 Die konkrete Sprachanalyse hat damit von komplexen Ganzheiten auszugehen und die Funktion der einzelnen Mittel auf den verschiedenen Ebenen in die übergeordneten kommunikativen Zusammenhänge zu integrieren. Für die Analyse des metaphorischen Sprechens bedeutet dies, nicht isoliert von den Funktionen d e r M e t a p h e r zu sprechen, sondern von den Funktionendes metaphorischen Sprechens im Rahmen bestimmter Sprachspiele. Die Funktionen des metaphorischen Sprechens sind also nicht allgemein von der Metapher aus, sondern von dem jeweiligen Handlungsmuster, seinen spezifischen Zwecken und den darin zu lösenden kommunikativen Problemen her zu analysieren. Allerdings bleiben die Funktionen metaphorischen Sprechens an die Spezifika des Verfahrens rückgebunden: „Fragen nach der Arbeitsweise einer Metapher, ihrer Identifikation und Funktion können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden." 177 Die Metapher spielt vor allem dort eine Rolle, wo die Strukturen des Verfahrens in besonderer Weise genutzt werden können, wo die Bezugnahme auf andere Diskurse zur Lösung bestimmter kommunikativer Probleme beiträgt. Einen solchen Versuch, die Funktion von Metaphern in einem spezifischen Handlungszusammenhang zu beschreiben, unternimmt Gordon in „Therapeutische Metaphern". 178 Gordon beschreibt Metaphern von der Funktion her, die sie in der therapeutischen Kommunikation einnehmen. Metaphern sind für ihn „Möglichkeiten, über Erfahrung zu reden"179. Die Möglichkeiten, die das metaphorische Verfahren bietet, können in der therapeutischen Situation unterschiedlich genutzt werden, eine Möglichkeit stellt ζ. B. das sogenannte „Refraiming" dar: „Beim ,Refraiming' nimmt man eine bisher ungewollte oder schmerzhafte Erfahrung oder Verhaltensweise und formuliert sie als wertvoll und potentiell nützlich um." 180 Mit Hilfe von Metaphern wird dann eine „isomorphe Repräsentation"181 des Problems geschaffen. Sprachliche Elemente einer Geschichte, eines Märchens, einer
174 Vgl. Sandig (1986: 31). 175 Ebd. 26. 176 Vgl. hierzu Sandig (1995: 177 Strietz (1991: 117). 178 Vgl. Gordon (1986/1992). 179 Ebd. 18. 180 181
Ebd. 46. Ebd. 55.
41).
129 Anekdote etc. werden so umgedeutet, daß sie das Problem des Patienten auf einer anderen Ebene repräsentieren. „Die Tatsache, daß eine Metapher mit der aktuellen Situation des Klienten isomorph ist, ermöglicht ihren Einfluß." 182 Für Gordon ist eine Metapher dadurch charakterisiert, daß sie eine Sache in den Begriffen einer anderen ausdrückt.183 So wird beispielsweise in einer Therapiesitzung, die Erickson durchgeführt hat, über das Bettnässen gesprochen, indem das Problem der Muskelkoordination und des .Schließens' anhand des Bogenschießens besprochen wird: (62)
Ich sagte: „Hast du dich schon einmal gefragt, was die Pupille deines Auges macht, wenn du den Pfeil am Bogen anlegst und ihn spannst? Sie s c h l i e ß t sich nämlich." 184
Die Behandlungen laufen aber in der Regel nicht über solche einzelnen Metaphorisierungen, sondern über komplexe Repräsentationssysteme, über die Metaphorisierung verschiedener Elemente in komplexen Texten. Gordon glaubt, daß die Bildung und Anwendung therapeutischer Metaphern genauso erlerat werden könne, wie man beispielsweise die Mathematik erlernt, und versteht sein Buch als eine Anleitung dazu. Was Gordons Versuch in dem hier fokussierten Zusammenhang so interessant macht, ist die Tatsache, daß Gordon die Metaphorisierung in unmittelbarer Verzahnung mit den therapeutischen Zielen und den damit verbundenen kommunikativen Problemen beschreibt.185 Erst auf dem Hintergrund des Handlungsmusters lassen sich, wie die folgenden Analysen zeigen, die Funktionen des metaphorischen Sprechens beschreiben. Ich möchte dazu nochmals auf das Textmuster ,Partneranzeige' zurückgreifen.
5.3.1. Nochmals: Die ,Partneranzeige' Für die .Partneranzeige' liegen bereits einige Textmusterbeschreibungen vor.186 Von seiner Handlungsstruktur her kann das Partnergesuch als .Aufforderung' beschrieben werden. Es kann im Sinne Hindelangs als „Anregung"187, und zwar als .Anregung' zu einer Kontaktaufnahme gesehen werden, die bei Erfolg ζ. B. auf Heirat abzielt. Die Handlungsstruktur einer Partneranzeige skizzieren König/van Lengen wie folgt: Ihrer Handlungsstruktur nach kann eine Partneranzeige als Aufforderung zu einer Handlung betrachtet werden, deren Ausführung in beidseitigem Interesse liegt und die nur gemeinsam verwirklicht werden kann, und zwar als Aufforderung zu einem ersten Kontaktgespräch, das letztlich auf Heirat (bei der Heiratsanzeige), dauerhafte Partnerschaft (bei der Partneranzeige) etc. abzielt. Voraussetzung für den Erfolg solcher »Anregungen« [...] ist, daß sie verständlich formuliert, akzeptabel und erfüllbar sind. 188
182 183 184 185 186
187 188
Ebd. 48. Vgl. ebd. 17. Ebd. 134. Ähnliches gilt auch für Hücker (1998). Vgl. ζ. B. Stolt/Trost (1976); Sandig (1986); König/van Lengen (1991); Kusenbach (1992); vgl. auch Beckmann/König (1995). Vgl. Hindelang (1978: 468ff.). König/van Lengen (1991: 11).
130 Von den in Kapitel 5.2.3.2 genannten Komponenten der .vollständigen Standardform' des Textmusters sind heute einige in der Regel problemlos realisierbar. So spielt die Begründung der Verfahrenswahl in Partnergesuchen nur noch eine untergeordnete Rolle, sie ist durch die Etablierung des Musters weitgehend geleistet. In den Anzeigentexten finden sich allenfalls noch Hinweise wie: (63)
Suche auf diesem Wege Partner fürs Leben, um das Alleinsein zu beenden. [...] [Westfälische Nachrichten Nr. 74, 28.3.1997, o. S.]
Für den Verfasser einer Partneranzeige ergeben sich heute andere Probleme, Probleme, die einerseits mit der enormen Verbreitung dieses Anzeigentyps, vor allem aber mit der hohen Komplexität moderner Partnerbeziehungen zu tun haben. Seit dem 18. Jahrhundert hat sich das Wesen von Partnerbeziehungen entscheidend gewandelt. Die moderne Liebesbeziehung hat sich, was die Partnerwahl betrifft, zunehmend von Fremdeinflüssen wie Elternbestimmungsrecht, Steuerung durch familiäre oder soziale Zugehörigkeit etc. freigemacht. Die Stimmigkeit der Beziehung nach außen wurde ersetzt durch eine hypertrophe Vorstellung von der ,Stimmigkeit' nach innen. Es gibt immer weniger nennbare, objektive Qualitätsmerkmale, die das Gelingen einer Beziehung garantieren, und so wird die Ausstattung der Person mit individuellen Merkmalen zum Garanten einer funktionierenden Beziehung. Persönlichkeitsmerkmale scheinen das Gelingen zu garantieren oder werden umgekehrt für das Scheitern einer Beziehung verantwortlich gemacht. „Die persönlichen Beziehungen", bemerkt Luhmann, „werden mit Erwartungen eines auf die Person Abgestimmtseins überlastet, woran sie oft zerbrechen, was aber die Suche danach nur verstärkt [...]." 189 Werden die Möglichkeiten der Partnerwahl nicht mehr - oder nicht mehr in dem Maße - durch soziale oder familiäre Vorgaben gesteuert, so kommt dem Moment der individuellen Wahl eine besondere Bedeutung zu. In einer solchen Ausgangssituation beschreiten Partnersuchende neue Wege, unter anderem über die Partneranzeige. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die ersten Heiratsgesuche in Deutschland im 18. Jahrhundert entstanden sind.190 Das Abfassen einer Partneranzeige, das als Verfahren ohnehin schon als problematisch angesehen werden muß, stellt die Verfasser vor verschiedene kommunikative und nichtkommunikative Probleme. So klar das Handlungsmuster auf der einen Seite strukturiert ist, so offen ist auf der anderen Seite seine inhaltliche Füllung und sprachliche Realisierung. Es bildet sich hier keine vollständig konventionalisierte Form heraus, weil die erfolgreiche Durchführung des Musters keine einfache Reproduktion der sprachlichen Mittel zuläßt. Individualität als hochgeschätztes Persönlichkeitsmerkmal äußert sich im individuellen Sprechen, in dem Versuch der originellen Abfassung einer Anzeige, und so wird die Form von Partneranzeigen immer auch dazu genutzt, kreative Kompetenz unter Beweis zu stellen. Die Gestaltung der Anzeige gibt dem Adressaten einen ersten Hinweis auf den Stand-
189 190
Luhmann (1982/1990: 205). Vgl. Kapitel 4.2, insbesondere Textbeispiel (6); zur Geschichte der .Partneranzeige' vgl. Kaupp (1968: 7-19); Beckmann/König (1995).
131 ort des Inserenten „im Spektrum zwischen Normalität und Originalität"191. Daß der Metapher als kreativem Sprachmittel hier eine besondere Funktion zukommt, braucht nicht weiter betont zu werden. Die Metapher spielt aber in der Partneranzeige nicht nur in diesem allgemeinen Sinn eine Rolle, Momente des Verfahrens können auch in besonderer Weise genutzt werden, bestimmte kommunikative Probleme zu lösen, die bei der Abfassung der konstitutiven Komponenten der .Selbst- und Partnerbeschreibung' entstehen.192 Der Selbstdarstellung kommt in einer modernen Partner- oder Heiratsanzeige eine besondere Bedeutung zu. Sie hat die Aufgabe, das Interesse an der Person zu wecken, die Anzeige unter der Flut der anderen herauszustellen und die Interessenten richtig zu .kanalisieren'. Wenn der Verfasser auf eine explizite Partnerbeschreibung verzichtet, gibt sie darüber hinaus .spiegelbildlich' auch die Folie für die Partnerbeschreibung ab. Ein Grundproblem bei der Abfassung von Anzeigen ist der Umgang mit Eigenschaften, die die Verfasser für defizitär halten, von denen sie aber annehmen, daß sie nicht verschwiegen werden können. Bei der Abfassung von Anzeigen sind dabei unterschiedliche Vorgehensweisen zu erkennen: manche Sprecher greifen solche Merkmale in ironischdistanzierter oder witzig-pointierter Weise auf. Eine andere Möglichkeit, die sich dem Verfasser einer Partneranzeige bietet, ist die Metaphorisierung. Das intertextuelle Moment, das das metaphorische Verfahren durch die Bezugnahme auf andere Diskurse auszeichnet, wird genutzt, um Persönlichkeitsmerkmale und negativ eingeschätzte Sachverhalte in einen anderen Bewertungszusammenhang zu stellen. Zu solchen häufig als problematisch eingestuften Persönlichkeitsmerkmalen gehören insbesondere Alter, Gewicht, Aussehen oder soziale Umstände wie Scheidung und Kinder (2 reichlich stubenreine Söhne müssen akzeptiert werden (67)). Relativ häufig greifen die Verfasser von Partneranzeigen auf das Muster der Verkaufsanzeige zurück, das, wie bereits in 5.2.3.2 erläutert wurde, einige Funktionsanalogien aufweist: Der Satz Second hand trotzdem erste Wahl! in Beispiel (64) könnte wörtlich einer Werbung für gebrauchte Waren entstammen. Das Ausdrucksrepertoire des Bezugsdiskurses ermöglicht es, bestimmte Eigenschaften in einen anderen Bewertungszusammenhang zu .transponieren'. 193 (64) Second hand trotzdem erste Wahl! Sympathische Sie, 41/173, schlank, blond, angenehmes Äußeres, geschieden, unabhängig, Kftn. Angestellte, sucht Partner bis Anfang 50, der allen Seiten des Lebens aufgeschlossen gegenüber steht. Ich wünsche mir als Grundlage für eine Partnerbeziehung Offenheit, Ehrlichkeit und harmonisches, liebevolles Miteinander. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 30] (65) Gebraucht, aber noch gut erhalten, M, 46, 1,70. Jeder Zentimeter Zärtlichkeit, Kreativität und Poesie. Sucht F mit Spaß an Rockmusik, Kunst, Kultur und Zweisamkeit. [...] Kw: Nur mit dir. [tip Nr. 4, 1996, S. 255)
191 192
193
König/van Lengen (1991: 12). Nach Kusenbach (1992: 126ff., 154ff.) zeichnen sich zwischen 6% und 8% der von ihr untersuchten Anzeigen durch einen stark metaphorisch geprägten Stil aus. Hervorhebungen nicht im Original.
132 (66) Oldtimer, Baujahr 45, Sportmodell, solide gelaufen, jedoch einige kleine Kratzer im Lack, zweifelsfrei Liebhaberstück für humorvollen Fahrer (ab 176cm [...]) [DIE ZEIT Nr. 34, 18.8.1989, S. 52] (67) Zweibeiniger Drachen sucht Knuddelmonster, das es mit ihr aufnimmt. In guten wie in schlechten Zeiten. Habe schon etl. Km runter, bin trotzdem jederzeit fahrbereit. Mit mir gegen den Rest der Welt. 2 reichlich stubenreine Söhne müssen akzeptiert werden. Du darfst auch gerne Kinder haben [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 12]
Der Verfasser der folgenden Anzeige kompensiert ebenfalls ein als problematisch empfundenes Eigenschaftsmerkmal durch Metaphorisierung. Auch er greift auf Strukturen des Textmusters Verkaufsanzeige zurück, allerdings findet eine Umwertung hier durch die Verbindung zweier verschiedener kommunikativer Verfahren - Metaphorisierung und Ironisierung - statt: (68)
Sonderangebot! Seit 22 Jahren abgelaufen Ich warte auf die Frau, die ein Einsehen mit mir hat und mich 189cm/120 kg leicht in den Einkaufswagen hievt und an der Kasse nichts bezahlt. Du solltest die Frau sein, die 18-26 Jahre jung ist und mit mir zusammen nicht mehr als 185 kg auf die Waage bringt. Ps: Ich bin nicht im Kühlregal zu finden. Raum H. Durch welchen Supermarkt schiebst Du d. Einkaufswagen. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 44]
Metaphern dienen aber nicht nur dazu, als problematisch eingestufte Persönlichkeitsmerkmale zu beschreiben, Metaphern dienen auch dazu, das Konzept des Zueinanderpassens zu modellieren. Die Schwierigkeiten bei der Abfassung der Selbst- und Partnerbeschreibung liegen auch darin begründet, daß die Partner zwar hochindividualisierte Erwartungshaltungen haben, daß sich diese Vorstellungen aber kaum im Sinne eines Konzepts fassen lassen. Die Schwierigkeiten beim Formulieren dieser Textkomponenten werden mitunter direkt angesprochen: (69) Wie soll ich bloß eine Anzeige formulieren, zu der ich stehen kann, wenn sie erscheint? Wie läßt sich im Telegrammstil beschreiben, wer man ist? Was will ich? Die Suche nach Versatzstücken in Texten von anderen macht mich noch ratloser. Schreiben ist Teil meines Jobs, aber das hier überfordert mich. Ich suche einen Partner und möchte Dich kennenlernen, vielleicht mögen wir uns. 9,45/1,68/56 [...] [DIE ZEIT Nr. 35, 23.8.1996, S. 64]
Hinzu kommt, daß das Sprechen über Intimität dem Bereich des .Privaten' angehört, eine veröffentlichte Anzeige also mitunter als peinliche Entäußerung empfunden wird. Die Wahrung der Anonymität stellt in diesem Zusammenhang den letzten Rest von Privatheit dar, der den Verfassern garantiert wird. Metaphorisches Sprechen - darauf macht Sandig bei der Analyse einer Heiratsanzeige aufmerksam - diene dazu, .Distanz' zu schaffen. Die Bildlichkeit erlaube es, „sich .offen' selbstdarzustellen und entsprechend zu wirken und doch die .Peinlichkeit' einer zu offenen Selbstbeschreibung zu vermeiden; die bildliche Darstellung wirkt .distanziert'". 194
194
Sandig (1986: 30).
133 Die enorme Beliebtheit von Partnerschablonen zeigt sich darin, daß diese von den verschiedensten Varietäten zur Formulierung von Selbst- und Partnerbeschreibung genutzt werden. Bei solchen Partnerschablonen wird meistens unter Exponierung einer oder mehrerer Eigenschaften ein zueinandergehöriges Paar aus einem anderen Diskurszusammenhang genommen und in die Heiratsanzeige .exportiert'. Dabei können sowohl die Beziehung wie auch bestimmte Persönlichkeitsmerkmale der Paaraktanten eine Rolle spielen: (70)
Einsamer Wolf sucht schlankes Reh zum Durchstreifen der Disco-Wälder. Jagdrevier [...] Bild wäre nett. [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigen Nr. 1, 1996, S. 45]
(71)
Müder Stier (21/190/76) sucht die Torera, die ihn wieder auf Touren bringt. Notfalls mit dem roten Tuch. Bild wäre (s)tierisch gut! [...] [privat - Bekanntschafts-Anzeigenprivat Nr. 1, 1996, S. 45.]
(72)
Weißer Riese, 32, 184, sucht Klementine für 30, 60 und 90°C für aprilfrische Zweisamkeit und zur Beseitigung des Grauschleiers. [...] Kw: Megaperls [tip Nr. 4, 1996, S. 260]
(73)
Kuschelbär (31/180/88) sucht Schmusekatze für alle tierischen Freuden des Lebens. Bitte mit Bild. Danke. [...] Kw: Kuschelbär [tip Nr. 4, 1996, S. 263]
(74)
D r a c h i n s u c h t H e l d e n , der auch mal verlieren kann. Bin 21 (1.73/60). Bitte mit Foto. [...] Kw: Drachenfutter [tip Nr. 25, 1996. S. 269]
(75)
J u n g e v e r s p i e l t e T i g e r e n t e (20) su. kleinen wilden Tiger (max 25, ca 1,75), der mit ihr zu Konzerten rollt, gemeinsam Nachos ißt u. anschl. im Duett Karaoke trällert (Bitte mit Foto od. Zeichnung) oh, wie schön wär Panama. [...] Kw: Tigerente [tip Nr. 25, 1996, S. 268]
(76)
Flugkapitän in HH (170/40) bietet junger vorzeigbarer „Co-Pilotin" lustvolle Turbulenzen im Himmel und auf Erden. [...] Kw: Höhenflug [tip Nr. 4, 1996, S. 264]
(77)
W i r s i n d a l l e E n g e l m i t e i n e m F l ü g e l . Wenn wir fliegen wollen, müssen wir uns umarmen. Ich möchte wieder fliegen. Wollen Sie mein Flügel sein? Ich bin seit 11 Jahren Witwe, 1,73 cm, schlank, 52 Jahre, blond. Habe einen Sohn, studiert. Spiele Golf, bin lebenslustig, aber viel allein. Verspüren Sie Lust abzuheben, dem Alltag zu entrinnen? Dann lassen Sie uns umarmen. [...] [DIE ZEIT Nr. 51, 13.12.1996, S. 74]
Mit solchen Partnerschablonen werden offenbar verschiedene kommunikative Probleme gelöst: - Sie exponieren bestimmte Persönlichkeitsmerkmale, ohne sie direkt zu benennen. - Sie modellieren das schwer faßbare Konzept des Zueinanderpassens. - Sie können mit individuellen Persönlichkeitsmerkmalen kombiniert werden und erlauben eine individuelle Ausgestaltung. - Sie werden zwar individuell gebildet und entsprechen damit dem Sprachideal eines kreativen Sprechers, sind andererseits aber nach einem sehr einfachen Schema geformt, das leicht nachgeahmt werden kann.
134 - Durch Partnerschablonen werden auf sehr indirekte Weise varietätenspezifische Aussagen gemacht, sie dienen damit auch der sozialen Steuerung hinsichtlich der Beziehungsgestaltung .
5.4. Zusammenfassung
In diesem Kapitel sollte das kommunikative Setting rekonstruiert werden, das vorliegt, wenn eine originäre Metapher gebildet und verstanden wird. Es sollte ferner nach den Bedingungen gefragt werden, die dem Gebrauch neu gebildeter Metaphern zugrunde liegen. Die Bildung einer originären Metapher kann als kreativer Akt begriffen werden, Metaphernproduktion wie -rezeption sind jedoch in zentralen Punkten auch auf Kompetenzen angewiesen, die zum Teil .metaphernspezifisch' sind, zum Teil aber auch in anderen sprachlichen Vollzügen eine wichtige Rolle spielen. Voraussetzung für das Gelingen metaphorischen Sprechens ist, daß über den allgemeinen Sinnverdacht hinaus gerichtete Sinnerwartungen gesetzt und aufgebaut werden. Es konnten eine Reihe von Indizien dafür angeführt werden, daß die Sinnkonstitution beim metaphorischen Sprechen über ein sprachliches Verfahren läuft, das als Verfahrensmuster dem Bereich sprachlicher Kompetenz zuzuordnen ist. Das metaphorische Verfahren stellt eine Form sprachlicher Bezugnahme dar, bei dem der Sprecher vergleichend auf einen sprachlichen Zusammenhang Bezug nimmt. Mit einer metaphorischen Äußerung wird auf ein bzw. mehrere Sprachspiele Bezug genommen, die Familienähnlichkeiten aufweisen. Die metaphorisch gebrauchten Wörter tragen nicht nur zur Identifikation der Metapher bei, ihre Hauptaufgabe im Rahmen des metaphorischen Verfahrens besteht außerdem im Aufbau einer sprachlichen Verweisstruktur. Das metaphorische Sprechen kann in diesem Sinne als ein In-Beziehung-Setzen von Sprachspielen und deren Strukturen verstanden werden. Dieser Verweis kann - durch das Anführen von mehr oder weniger komplexen sprachlichen Segmenten eines anderen Diskurses im Rahmen der metaphorischen Äußerung - in verschiedenen Explizitheitsgraden gestaltet werden. Das Herstellen von Kohärenz zwischen den metaphorisch gebrauchten Wörtern und dem Äußerungsrahmen kann als ein komplexer Homogenisierungsprozeß betrachtet werden. Die für das metaphorische Verfahren zentrale Bezugnahme auf andere Diskurse operiert über Regelwissen, sie setzt die Kenntnis von Sprachspielen und ihren Gebrauchsregeln voraus. Allgemeine sprachliche Fähigkeiten, die im Rahmen der metaphorischen Bezugnahme von Bedeutung sind, sind - Musterkenntnis; - idiomatische Kompetenz, verstanden als Fähigkeit, komplexere Einheiten aufgrund der Bindungskräfte kleinerer syntagmatischer Einheiten zu erkennen; - die Fähigkeit, sprachliche Analogien zu bilden und zu verstehen.
135 Hinsichtlich der Bildung von Analogien konnte gezeigt werden, daß sie nicht als isolierte Fähigkeit verstanden werden darf, sondern in der Regel in den Rahmen von Musterkenntnis und Mustererwartung eingebunden ist. Analogiebildungen werden in weit stärkerem Maße durch Regelwissen unterstützt, als dies gemeinhin angenommen wird. Anhand einer Reihe von Beispielen konnte demonstriert werden, inwieweit das Bilden und Verstehen von Metaphern durch Regelwissen auf verschiedenen Ebenen - insbesondere durch Musterwissen und entsprechende Gebrauchserwartungen - unterstützt wird. Die unterschiedlichen Typen sprachlicher Analogien, die bei der Analyse von Partneranzeigen erkennbar wurden, sind nur aufgrund der kommunikativen Einbindung der Anzeigentexte und entsprechender Mustererwartungen zu verstehen. Fallen solche regelbasierten Unterstützungen weg, so muß - das zeigte die Analyse des Textes von Walter Benjamin - das Verständnis einer Analogie auch durch andere verstehensunterstützende Maßnahmen gesichert werden. Auch die Frage nach der Funktion von Metaphern kann nur unter Rückgriff auf komplexere Einheiten adäquat beantwortet werden. Die Metapher kann weder einem bestimmten Sprechakt zugeordnet werden (weil nahezu jeder Sprechakt metaphorisch realisiert werden kann), noch stellt sie einen eigenen Sprechakt dar. Die Funktionen des metaphorischen Sprechens wurden hier in Anlehnung an Sandigs Funktionsstilistik vom spezifischen Handlungsmuster und seinem kommunikativen Zweck her beschrieben. Dabei konnte gezeigt werden, daß die dem Verfahren innewohnende Intertextualität in den verschiedenen kommunikativen Bereichen ganz spezifisch genutzt werden kann.
6. Habitualisierung und Typisierung von Metaphern
6.1. Das kommunikative Setting in Phase 4 und 5
Wenn eine Metapher wiederholt verwendet wird, ist sie noch nicht unbedingt etabliert. Im Rahmen der Konventionalisierung einer metaphorischen Lesart ereignen sich bestimmte Prozesse, die als .Habitualisierung* und ,Typisierung' bezeichnet werden können. Unter .Habitualisierung' verstehen Berger/Luckmann den Prozeß von der wiederholten Handlung bis zur Typisierung: Jede Handlung, die man häufig wiederholt, verfestigt sich zu einem Modell, welches unter Einsparung von Kraft reproduziert werden kann und dabei vom Handelnden a l s Modell aufgefaßt wird. Habitualisierung in diesem Sinn bedeutet, daß die betreffende Handlung auch in Zukunft ebenso und mit eben der Einsparung von Kraft ausgeführt werden kann. Das gilt fur nichtgesellschaftliche wie fur gesellschaftliche Aktivitäten.1
Habitualisierungen behalten den sinnhaften Charakter, auch wenn ihr jeweiliger Sinn als Routine zum allgemeinen Wissensvorrat gehört. Gewöhnung bringe den psychologisch wichtigen Gewinn der begrenzten Auswahl.2 Zu einer Typisierung kommt es nach Berger/Luckmann, wenn eine dauerhafte gesellschaftliche Situation vorhanden ist, in die sich die habitualisierten Tätigkeiten von zwei oder mehr Einzelpersonen einfügen können. Dabei typisieren sich jene Handlungen, die für A und Β in ihrer gemeinsamen Situation relevant sind, wobei die Bereiche möglicher Relevanz für verschiedene Situationen verschieden sein können. 3 Die Begriffe .Habitualisierung' und .Typisierung' können auch auf den Prozeß der Konventionalisierung von Metaphern angewandt werden.4 Dabei ist jedoch zunächst an den Unterschied zwischen sprachlichen und nicht-sprachlichen Handlungen zu erinnern. Sprachliche Handlungen unterscheiden sich von anderen Handlungen dadurch, daß sie auf Verstehen hin angelegt sind und ihr Erfolg daran geknüpft ist, daß der kommunikative Sinn über sprachliche Mittel zugänglich gemacht wird. 5 Die Verwendung sprachlicher Mittel setzt Typisierungsprozesse bereits voraus, denn Typisierung auf sprachlicher Ebene bedeutet nichts anderes als Konventionalisierung.6
1 2 3 4
5 6
Berger/Luckmann (1966/1982: 56). Vgl. ebd. 57. Vgl. ebd. 61. Der Begriff .Habitualisierung' findet sich auch in der strukturalistisch orientierten Metaphernliteratur, wird dort aber entsprechend der strukturalistischen Auffächerung in verschiedene Ebenen sprachlicher Regularitäten anders verwendet. (Vgl. Koch ζ. B. 1994: 204ff.) Vgl. hierzu Habermas (1988: 113). Auf lexikalischer Ebene werden Konventionalisierungsprozesse in der Linguistik auch unter den Begriffen .Lexikalisierung' und .Grammatikalisierung' erfaßt.
138 Berger/Luckmann gehen davon aus, daß „wechselseitigen Typisierung auch dann stattfinden könnte, wenn nur zwei Menschen wiederholt zusammen dasselbe tun". 7 Die Wiederholung einer Metapher im Rahmen bestimmter Gebrauchssituationen kann als der Beginn einer Habitualisierung angesehen werden, sie stellt aber nicht automatisch schon eine Typisierung dar. Wenn etwas als Vorbild dient, ist damit noch keine Konvention entstanden - und schon gar keine Regel - , aber ein Anfang zur Entwicklung einer Konvention ist gemacht. Die Konvention wird sich entwickeln, weil sich die wechselseitigen Erwartungen der Kommunikationspartner zunehmend stabilisieren, wenn immer wieder nach demselben Muster gehandelt wird, und weil die Stabilisierung dieser Erwartungen die Erfolgsaussichten entsprechender Handlungen optimiert. Der ursprüngliche Erfolg war trotz des funktionalen Charakters der Handlung noch instabil, weil die funktionale Lösung natürlich nicht zwingend war und stark von der Interpretationsleistung der Partner abhing. Sie mußten dabei ihre volle Verstehensleistung bringen, gewissermaßen am Rand ihrer Kompetenz operieren. [...] Die Ausbildung von Konventionen schafft hier dann eine entscheidende Entlastung der Phantasie, die schließlich an anderen Orten weiter gefordert wird.8
In diesem Sinn ist auch das, was Keller-Bauer „metaphorische Präzedenzen" nennt, noch keine Typisierung. 9 Nach Berger/Luckmann tritt eine Typisierung erst dann ein, wenn eine dauerhafte gesellschaftliche Situation vorliegt, denn Typisierungen haben den ,Sinn', Lösungen für wiederkehrende Problemsituationen herbeizuführen. Bezogen auf Kommunikationssituationen bedeutet das, daß die Wiederholung bestimmter Metaphern dadurch begünstigt wird, daß es Gebrauchssituationen gibt, die sich wiederholen und einen entsprechenden Gebrauch sprachlicher Mitteln nahelegen. Der Fall des Benennungsbedarfs stellt eine typische Situation für die Etablierung metaphorischer Verwendungsweisen dar. Wenn entsprechende Gebrauchssituationen fehlen, können Metaphern, die sich schon in der Phase der Habitualisierung befinden, auch wieder .untergehen'. Das kommunikative Setting bei der Wiederholung einer Metapher ist ähnlich wie im Falle der Anwendung des Verfahrens: der Sprecher rekurriert mit seiner Äußerung zwar auf eine Metaphernverwendung und kreiert somit die Metapher nicht selbst, aber er kann noch nicht voraussetzen, daß dem Angesprochenen diese Metaphernverwendung bekannt ist. Er geht davon aus, daß der Rezipient die Metapher nur verstehen kann, indem er das metaphorische Verfahren durchläuft. Der Sprecher muß - ganz ähnlich wie beim Setting in Phase 3 - das Gelingen kommunikativ absichern, wozu ihm verschiedene Mittel zur Verfügung stehen.10 In manchen Fällen beziehen sich Sprecher auch auf die Erstverwendung einer Metapher, indem sie diese .zitieren'. Auch wenn die Kommunikationskonstellation beim wiederholten Metapherngebrauch ähnlich wie bei der Erstverwendung ist, treiben die Sprecher doch, ohne es zu intendieren, die Habitualisierung in Richtung auf eine Typisierung voran, indem sie Gebrauchssituatio-
7 8 9
10
Berger/Luckmann (1966/1982: 59); vgl. auch Lewis (1969: 43). Strecker (1987: 43f.). Unter .metaphorischen Präzedenzen' versteht Keller-Bauer einen bestimmten Typus der Metaphernwiederholung. (Vgl. Keller-Bauer 1984: 28f.) Als Beispiel fuhrt er den metaphorischen Gebrauch von Ratten und Schmeißfliegen bei den Nationalsozialisten (vgl. ebd. 29) und die Wiederaufnahme der Metapher durch Franz Josef Strauß an. (Vgl. ebd. 22f., 30) Vgl. Kapitel 5.1.
139 nen, in denen eine bestimmte Metapher zur Anwendung kommt, wiederholt herbeiführen. Natürlich kann dies auch ohne Orientierung an einem Vorbild geschehen, wenn Sprecher unabhängig voneinander zu identischen Metaphernbildungen kommen. Solche nicht-intendierten Sprachentwicklungsprozesse hat Keller mit Hilfe der Metapher der .unsichtbaren Hand' zu erklären versucht. „Eine Invisible-hand-Theorie will Strukturen erklären und Prozesse sichtbar machen [...], die Menschen, ohne daß sie dies beabsichtigen oder auch nur merken, wie ,νοη unsichtbarer Hand geleitet', erzeugen." 11 Idealtypisch enthält ein solches Modell drei Stufen: 1.
die Darstellung bzw. Benennung der Motive, Intentionen, Ziele, Überzeugungen (und dergleichen), die den Handlungen der Individuen, die an der Erzeugung des betreffenden Phänomens beteiligt sind, zugrunde liegen, einschließlich der Rahmenbedingungen ihres Handelns;
2.
die Darstellung des Prozesses, wie aus der Vielzahl der individuellen Handlungen die zu erklärende Struktur entsteht; und
3.
die Darstellung bzw. Benennung der durch diese Handlungen hervorgebrachten Struktur. 12
Keller erläutert diesen Vorgang am Beispiel der Entstehung eines Trampelpfades. Imaginiert wird ein Netz von Trampelpfaden, das sich über die Rasenfläche der Universität zieht. Dieses Netz sei „denkbar klug, ökonomisch und durchdacht .angelegt'." 13 Seine Struktur sei sinnreicher als die Struktur der von den Architekten geplanten Pflasterwege, ,,[m]ehr noch, auf einer Karte, auf der die Gebäude und sonstigen Einrichtungen samt ihrer Funktionen eingetragen wären, nicht aber die Wege, [...] ließe sich antizipieren, wo Trampelpfade entstehen". 14 Woran liegt es, fragt Keller, daß die Struktur von Trampelpfaden eine .rationalere' Struktur hat und .intelligenter' ist als das System der von Architekten geplanten Pflasterwege: 15 Die „Intelligenz" des Systems der Trampelpfade ist nicht der Intelligenz seiner Erzeuger zu verdanken, sondern deren Faulheit. Meine Invisible-hand-Theorie dieses Systems ist also folgende: Ich habe die Hypothese, daß die meisten Menschen sich darin ähnlich sind, daß sie es vorziehen, kürzere Wege zu gehen statt längere. Ich beobachte, daß die gepflasterten Wege dieser Tendenz nicht entsprechen, da sie vielleicht nicht die kürzesten Verbindungen zwischen denjenigen Punkten sind, die Universitätsangehörige gehäuft aufsuchen. Ich weiß, daß Rasen an Stellen, über die häufig gegangen wird, verkümmert. Ich nehme also an, daß das System der Trampelpfade die nicht-intendierte kausale Konsequenz derjenigen (intentionalen, finalen) Handlungen ist, die darin bestehen, bestimmte Ziele zu Fuß zu erreichen unter der Maxime der Energieersparnis. Diese Theorie enthält drei Stufen des idealtypischen Modells: E s werden die erzeugenden Handlungsmotive genannt (die Strecke nach Maßgabe der Maxime der Energieersparnis wählen); der
11
Vgl. Keller (1990: 92). Keller knüpft dabei an eine Metapher von A d a m Smith an. (Vgl. Smith 1812/1920: 235)
12
Keller (1990: 95). Vgl. ebd. Vgl. ebd. 95f.
13 14 15
Vgl. ebd. 96.
140 Invisible-hand-Prozeß besteht im allmählichen Zerstören des Rasens an der häufig begangenen Strecke; die dritte Stufe stellt die dadurch mit der Zeit verfestigte Struktur dar [...]. 1 6
Dieses Bild erfaßt natürlich nicht alle relevanten Aspekte. Habitualisierungsprozesse sind wesentlich komplexer, als es der Vergleich nahelegt. Da Sprecher das Nebeneinander von Sprachspielen immer nur partiell - gemäß ihrer eigenen Teilhabe an den Sprachspielen wahrnehmen, verlaufen Habitualisierungsprozesse nicht linear, sondern gestreut. Der Prozeß der Habitualisierung ist nicht zuletzt dadurch gekennzeichnet, daß verschiedene Sprecher unabhängig voneinander Metaphern wiederholen, ohne deren Bekanntheit beim Kommunikationspartner voraussetzen zu können. Entscheidend für den Prozeß der Konventionalisierung ist die Entstehung von wechselseitigem Wissen. Gebrauchserwartungen können Sprecher erst dann haben, wenn sie die Kenntnis einer Gebrauchsweise beim Gesprächspartner voraussetzen können. Sie entwickeln in dem Maße Gebrauchserwartungen, wie sie unterstellen können, daß andere Sprecher eine bestimmte Gebrauchsweise verstehen und verwenden können. Während ein Trampelpfad mit jedem Schritt an Gestalt gewinnt, bleibt das Wissen um die spezifische Kompetenz des anderen relativ lange eine ungestützte Hypothese. Der einzelne Sprecher schaut nicht aus der Vogelperspektive auf die verschiedenen parallel verlaufenden Kommunikationsereignisse, sondern hat immer nur partiell - gemäß seinen eigenen kommunikativen Aktivitäten - teil an Habitualisierungsund Konventionalisierungsprozessen.
6.1.1. Sprachliche Indikatoren für die Konventionalisierung einer metaphorischen Verwendungsweise Der zentrale Schritt von der Habitualisierung zur Typisierung einer Metapher wird eingeleitet, wenn Sprecher die Wiederholung einer Metapher bei anderen Sprechern wahrnehmen, wenn sich wechselseitiges Wissen über die Bekanntheit einer Metapher herausbildet. Den Massenmedien17 kommt dabei eine besondere Rolle zu: Sie repräsentieren Öffentlichkeit, wobei vor allem drei Aspekte für die hier fokussierten Sprachentwicklungsprozesse von Bedeutung sind: - Die Medien repräsentieren in der ihnen eigenen Weise verschiedene Lebensformen. Der Rezipient hat daher die Möglichkeit, an dem Wissen und bis zu einem gewissen Grad auch an den kommunikativen Strukturen anderer Lebensformen zu partizipieren. - Durch die Mehrfachadressierung entsteht eine Beschleunigung von Sprachentwicklungsprozessen. - Das Wissen um die Mehrfachadressierung steigert die Gewißheit hinsichtlich der Bekanntheit bestimmter Gebrauchsformen.
16 17
Ebd. 96. Unter Massenmedien werden hier mit Luhmann alle Einrichtungen der Gesellschaft bezeichnet, „die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen." (Vgl. Luhmann 1995/1996: 10)
141 Bei der Entstehung wechselseitigen Wissens spielen sprachliche Indikatoren eine wichtige Rolle. Die im folgenden dargestellten Merkmale - durchweg Merkmale des Gebrauchs indizieren auf verschiedene Weise den Konventionalisierungsprozeß einer metaphorischen Gebrauchsweise. - Konventionalisierungsprozesse kündigen sich dadurch an, daß verschiedene Sprecher eine metaphorische Verwendungsweise in bestimmten Gebrauchssituationen verwenden. Konventionalisierungen gehen also mit einer gesteigerten V o r k o m m e n s h ä u f i g k e i t einher. Die absolute Vorkommenshäufigkeit gibt jedoch keinen sicheren Aufschluß über die Sprachkompetenz einzelner Sprecher. Der Stand eines Konventionalisierungsprozesses ist daher auf empirischem Weg allein nicht zu ermitteln, sondern muß durch weitere, gebrauchsorientierte Indikatoren gestützt werden. - Der weitgehende V e r z i c h t auf m e t a p h e r n i n d i z i e r e n d e M i t t e l oder andere verständnissichernde Maßnahmen im Vor- oder Nachfeld einer Metapher kann ebenfalls als Indikator gelten. Mit der gehäuften Wiederholung bauen die Sprecher Gebrauchserwartungen auf. Die Kenntnis des Gebrauchs macht die Anwendung eines Verfahrens überflüssig. Damit entfällt die Notwendigkeit, die metaphorische Gebrauchsweise zu indizieren. Allerdings muß nicht jede Metapher bei ihrer Bildung indiziert werden, es handelt sich daher um einen relativ schwachen Indikator. - Auch die E r w ä h n u n g i m R e d e b e r i c h t signalisiert dem Sprecher, daß eine Verwendung in Gebrauch ist. Dieser Indikator erfüllt eine wichtige Funktion für die Orientierung der Sprecher hinsichtlich des Konventionalisierungsprozesses. Dabei spielt die Erwähnung durch ein direktes oder indirektes Zitat eine untergeordnete Rolle. Ein Zitat referiert zwar auf eine entsprechende Verwendung, gibt dem Sprecher in der Regel aber noch keinen Hinweis auf den Grad der Etablierung. Für den Sprecher signifikanter sind dagegen Formen von Redeberichten, die ihm signalisieren, daß eine metaphorische Verwendung von verschiedenen Sprechern gebraucht wird. Aus redekommentierenden Formeln wie (alles spricht von der Ampelkoalition ..., das Gerede um die Ampelkoalition ..., die Diskussion über die Ampelkoalition ... etc.) erhalten die Sprecher wichtige Informationen über den Grad der Konventionalisierung einer metaphorischen Gebrauchsweise. 18 - Die metaphorische Verwendung eines Wortes kann nur unter Bezugnahme auf die spezifische metaphorische Äußerung erklärt werden. In solchen Erklärungen finden sich daher typischerweise deiktische Elemente, die auf die jeweilige metaphorische Äußerung hinweisen. (Das Wort χ bedeutet hier ..., das Wort χ wird hier so gebraucht etc.) Die Erklärung der spezifischen Verwendung ist also keine Gebrauchserklärung. 19 Hat sich eine metaphorische Gebrauchsweise konventionalisiert, so muß die entsprechende Lesart nicht mehr im Rahmen einer bestimmten metaphorischen Äußerung erklärt werden, sondern kann mit Hinweis auf den ( a l l g e m e i n e n ) Gebrauch erklärt werden: Das Wort Ampelkoalition gebraucht man ..., das Wort Ampelkoalition bedeutet . . . ( = a l l g e m e i -
18 19
Vgl. Kapitel 7 . 6 . 2 . 1 . 1 . Vgl. zu den verschiedenen Formen der Erklärung Kapitel 3.3.
142 ne E r k l ä r b a r k e i t ) . Eine solche Form der Gebrauchserklärung signalisiert Bedeutungskonstanz und indiziert damit eine erfolgte Konventionalisierung.20 - Wenn Sprecher mit einer metaphorischen Lesart eine andere nicht-bekannte Verwendungsweise erklären, setzen sie offensichtlich die Bekanntheit der metaphorischen Lesart voraus. Das Unbekannte wird mit dem Bekannten erklärt, das ist ein wichtiger Grundsatz für natürlichsprachliche Erklärungen. Die Verwendung im Rahmen einer solchen Bedeutungserklärung ( = m e t a s p r a c h l i c h e V e r w e n d b a r k e i t ) ist daher ein starker Indikator für die erfolgte Konventionalisierung einer metaphorischen Gebrauchsweise.21 - Von . s p e z i f i s c h e r ' M e t a p h e r n f ä h i g k e i t soll gesprochen werden, wenn die Komplexität einer Metapher sprachlich ausgebeutet wird, ohne daß die metaphorische Verwendungsweise, auf der sie basiert, selbst noch erscheinen muß. Die Sprecher setzen beim Ausbau der Metapher also die Kenntnis der ,Basismetapher' voraus. Solche Verwendungen signalisieren ebenfalls eine erfolgte Konventionalisierung.22 - Ein noch stärkerer Indikator liegt vor, wenn eine metaphorische Gebrauchsweise selbst metaphorisch verwendet wird ( = . e r w e i t e r t e ' M e t a p h e r n f ä h i g k e i t ) . Da man metaphorische Äußerungen nur verstehen kann, wenn man auf die konventionelle Bedeutung der metaphorisch gebrauchten Wörter zurückgreift, setzt der metaphorische Gebrauch die Lexikalisierung der entsprechenden metaphorischen Lesart voraus. Wir haben es hier also mit einem sehr starken Indikator zu tun.23 Als Indikatoren für eine Konventionalisierung können zusammenfassend angeführt werden: 1. daß verschiedene Sprecher in bestimmten Gebrauchssituationen die entsprechende metaphorische Lesart verwenden ( = V o r k o m m e n s h ä u f i g k e i t ) , 2. daß Sprecher bei der Verwendung der metaphorischen Lesart auf entsprechende verständnissichernde Mittel oder Züge im Vor- oder Nachfeld der Metapher bzw. der metaphorischen Äußerung verzichten ( = V e r z i c h t auf I n d i z i e r u n g u n d E r k l ä rung), 3. daß die Verwendung zunehmend in Redeberichten auftaucht ( = V o r k o m m e n in Redeberichten), 4. daß Sprecher die Verwendung des Wortes erklären können, ohne das Wort als Metapher zu erklären: Unter χ versteht man ... ( = a l l g e m e i n e E r k l ä r b a r k e i t ) , 5. daß die metaphorische Lesart zur Bedeutungserklärung anderer Lesarten dient ( = metasprachliche Verwendbarkeit), 6. daß auf der Basis der metaphorischen Lesart neue Metaphern gebildet werden, ohne daß das Wort selber erscheint ( = . s p e z i f i s c h e ' M e t a p h e r n f ä h i g k e i t ) , 7. daß das metaphorisch verwendete Wort selbst zur Basis einer Metapher wird ( = . e r weiterte' Metaphernfähigkeit).
20 21 22 23
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
Kapitel Kapitel Kapitel Kapitel
7.6.2.1.2. 7.6.2.1.3. 7.6.2.1.4.1. 7.6.2.1.4.2.
143 In Kapitel 7 wird die Bedeutung der einzelnen Indikatoren für den Habitualisierungs- und Konventionalisierungsprozeß am Beispiel der kommunikativen Etablierung des Wortes Datenautobahn anhand zahlreicher objektsprachlicher Belege vorgeführt.
6.1.2. Verankerung im Gebrauchssystem Mit der Herausbildung fester Gebrauchserwartungen wird die Anwendung des kommunikativen Verfahrens entbehrlich, denn der Gebrauch wird nicht mehr über die sprachliche Bezugnahme und entsprechende Analogieschlüsse gesichert, sondern über die Wiederholung einer Verwendungsweise durch verschiedene Sprecher im Rahmen bestimmter kommunikativer Bedingungen. Der Konventionalisierungsprozeß ist damit noch nicht abgeschlossen. Die metaphorische Gebrauchsweise integriert sich nun in das System, die metaphorische Lesart erhält ihren ,Ort* im System des Gebrauchs. Der Vorgang ist eng verbunden mit dem Verlust an Explizitheit. Explizitheit erfüllt unter anderem die kommunikative Aufgabe, die Verständlichkeit einer metaphorischen Lesart zu gewährleisten. Mit der eingeleiteten Konventionalisierung entfällt diese Notwendigkeit. Die Sprecher müssen den Bezugsdiskurs nicht mehr so explizit anführen, die syntagmatische Umgebung wird frei für andere Verbindungen. Lexikalisierte Metaphern werden - wie Keller zu Recht bemerkt - informationsärmer: Je strikter der Gebrauch eines sprachlichen Mittels verregelt ist, desto geringer ist seine Informativität. Am deutlichsten wird dies, wenn eine ehemalige Metapher nicht nur lexikalisiert, sondern auch noch grammatikalisiert wird.24
Dieser Verlust an Informativität ermöglicht aber auf der anderen Seite erst die sprachsystematische Verankerung des Wortes. Die Sprecher kreieren neue syntagmatische Verbindungen, die aufgrund des Informationsverlustes nicht als Unstimmigkeiten erfahren werden. Der Bezug auf die Herkunft des metaphorisch gebrauchten Wortes kann dabei völlig verblassen. Wir nehmen normalerweise nicht mehr wahr, daß Kotflügel einst einen Flügel im metaphorischen Sinne bezeichnete, der den Lenker des Fahrzeugs vor Verunreinigung durch Kot schützen sollte, oder daß Angst etymologisch mit Enge verwandt ist und ehedem eine Raummetapher war. 25
Bei einer originären Metapher ist die sprachliche Bezugnahme auf einen anderen Diskurs stets präsent. Das Durchbrechen dieser Beziehung durch das Anführen anderer Kollokationen wird eher als inkohärent erlebt als bei einer lexikalisierten Metapher.
24
25
Keller (1995: 227); Als Beispiel für eine Grammatikalisierung einer Metapher führt Keller die Entwicklung des katalanischen Substantivs cap ,Kopf' zu einem Bestandteil einer zusammengesetzten Präposition cap a ,nach' (Vés cap a casa! ,Geh nach Hause!') an. (Vgl. ebd.) „Die katalanische Präposition cap a ,nach' wurde ehedem wohl im Sinne von ,mit dem Kopf in Richtung' gebraucht." (Ebd.) Keller (1995b: 221).
144 6.2. Die Etablierung und Konventionalisierung sprachlicher Bezugsbereiche: Das kommunikative Setting in Phase 6 und 7
Es kann nicht nur zur Konventionalisierung einzelner metaphorischer Verwendungen kommen, auch ganze Bezugsbereiche können sich kommunikativ etablieren. Dabei erweisen sich einige Formen der sprachlichen Bezugnahme als besonders produktiv. In bestimmten kommunikativen Zusammenhängen werden Metaphern immer wieder auf der Grundlage des gleichen Bezugsbereich gebildet. Was hier als sprachliches Phänomen beschrieben werden soll, ist vor einem anderen theoretischen Hintergrund zum Teil gut dokumentiert. Insbesondere in der Tradition der Bildfeldanalyse wurde - sowohl in Form von synchronen wie diachronen Analysen - gezeigt, daß etablierte Bildfelder eine Vielzahl von Metaphern generieren können.26 Solche sprachlichen Verfestigungen findet man ζ. B. in vielen Sprachspielen aus dem medizinischen Bereich im Zusammenhang mit der Beschreibung von Krankheiten und ihrer Bekämpfung. Susan Sontag hat - allerdings mit einem anderen theoretischen Interesse auf metaphorische Bildungen aus diesem Bereich hingewiesen. Die kontrollierenden Metaphern in den Beschreibungen von Krebs seien der Sprache der Kriegsführung entlehnt:27 every physician and every attentive patient is familiar with, if perhaps inured to, this military terminology. Thus, cancer cells do not simply multiply; they are „invasive". („Malignant tumors invade even when they grow very slowly," as one textbook puts it.) Cancer cells „colonize" from the original tumor to far sites in the body, first setting up tiny outposts („micrometastases") whose presence is assumed, though they cannot be detected. Rarely are the body's „defenses" vigorous enough to obliterate a tumor that has established its own blood supply and consists of billions of destructive cells. However „radical" the surgical intervention, however many „scans" are taken of the body landscape, most remissions are temporary; the prospects are that „tumor invasion" will continue, or that rogue cells will eventually regroup and mount a new assault on the organism. 28
Was Susan Sontag für das Amerikanische beschreibt - das zeigen eine Reihe von Anschlußuntersuchungen29 - läßt sich auch für das Deutsche belegen. Die zahlreichen bereits lexikalisierten Metaphern erleichtern das Verständnis neu gebildeter Metaphern. Der Titel des folgenden Zeitschriftenartikels „Attacke mit Antikörpern" signalisiert bereits die metaphorische Bezugnahme. Beschreibungen im Bereich medizinischer Themen werden unter Bezugnahme auf Sprachspiele aus dem militärischen Bereich bzw. der Verbrechensbekämpfung vorgenommen:30
26 27 28 29
30
Vgl. ζ. B. Rastier (1974); Weinrich (1976); Demandt (1978); Schlobach (1980); Peil (1983). Vgl. Sontag (1978/1990: 64). Ebd. 64f. Vgl. ζ. B. Varela (1991) und Moser (1992). Liebert hat die Ergebnisse dieser Untersuchungen allerdings dahingehend relativiert, daß in der Aidsforschung neben diesem Metaphernbereich noch eine Reihe anderer Metaphernbereiche existieren, und darauf hingewiesen, daß gesicherte Ergebnisse nur über eine genaue fachtextliche Differenzierung zu erzielen sind. (Vgl. Liebert 1995: 178f.) Hervorhebungen nicht im Original.
145 (1)
Die Immunzellen sind quasi gelähmt und können nicht mehr reagieren. [...] Allerdings waren die Lymphknoten dieser Patienten bereits befallen - ein Zeichen dafür, daß die gefährlichen Vagabunden bereits Ausbruchsversuche in den Körper unternommen haben. [...] Da die 17-1 A-Antikörper nicht nur Tumorzellen „erkennen", besteht prinzipiell die Gefahr, daß sie sich auch an gesundes Epithelgewebe anlagern und daß auch dieses anschließend vom eigenen Immunsystem angegriffen wird. [...] In Zukunft werden die Antikörper, die von Mäusen stammen, „humanisiert". Mit gentechnischen Methoden ist es den Münchnern inzwischen möglich, jenen Teil des Antikörpers, der fremde Strukturen „erkennt" und in Mäusezellen produziert wird, mit Abschnitten menschlicher Antikörper zu kombinieren. [...] Ferner wollen die Forscher „Cocktails" aus verschiedenen Antikörpern einsetzen. So könnte den trickreichen Versuchen von Krebszellen, sich vor dem Immunsystem zu „tarnen", eine umfangreiche Spähertruppe entgegengesetzt werden. „Auch da haben wir etliche Pfeile im Köcher", sagt Riethmüller. [...] Doch bei allem berechtigten Optimismus der Forscher sollten die Patienten vorerst skeptisch bleiben. Die Antikörper sind keine Wunderwaffen, das betont auch Riethmüller. [DIE ZEIT Nr. 21, 20.5.1994, S. 47]
Der Text enthält metaphorisch gebrauchte Wörter und Syntagmen wie gefährlichen Vagabunden, Ausbruchversuche, angegriffen, tarnen, umfangreiche Spähertruppe, etliche Pfeile im Köcher. Die metaphorisch verwendeten Wörter und Syntagmen beziehen sich auf Sprachspiele aus dem Diskursbereich der Verbrechensbekämpfung bzw. des militärischen Bereichs. Das kommunikative Setting, das ein Sprecher vorfindet, wenn er eine solche Metapher bildet, ist ein anderes als bei herkömmlichen Metaphern. Da eine Reihe von metaphorischen Lesarten aus dem medizinischen Bereich mit dem gleichen sprachlichen Bezugsbereich lexikalisiert sind, werden entsprechende neue Metaphernbildungen erwartbar.31 Solche lexikalisierten Metaphern sind ζ. B. Immunabwehr, abwehren, bekämpfen, beschießen etc. oder - aus dem oben abgedruckten Textausschnitt - entsprechende Lesarten von Attacke, angreifen und Wunderwaffe. Die Etablierung und Konventionalisierung metaphorischer Bezugsbereiche fügt zwei Sprachspielbereiche über eine Reihe von lexikalisierten Metaphern ,nah zusammen'. Eine neue Metaphernbildung nach diesem Muster ist zwar nicht konventionalisiert, aber die Bezugnahme ist bereits eingeführt. Sie muß deshalb in der Regel nicht - oder in geringerem Maße - indiziert, eingeführt oder anderweitig kommunikativ gestützt werden. Es entsteht eine Art metaphorischer Intertextualität, die nicht
31
Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt Baldauf (1997) in ihrer empirischen Untersuchung „Metapher und Kognition", wenn sie von einem Typus der „adhoc Metapher" spricht, der nach traditionellem Verständnis zwar als Metapher identifiziert wird, jedoch einem bestimmten konventionalisierten Metaphernkonzept folgt. Dieser Metapherntypus passe sich „mühelos in ein Metaphernsystem ein, das einer Sprachgemeinschaft geläufig ist", und verlange aufgrund seiner Erwartbarkeit eine relativ geringe Interpretationsanstrengung. (Vgl. Baldauf 1997: 87f.)
146
nur auf mögliches neues Ausdruckspotential vorausweist, sondern auch Rückwirkungen auf Handlungsschemata und Denkgewohnheiten haben kann.32
32
Dieser Aspekt des Interagierens von Diskursen ist auch zentral in Links System der Kollektivsymbole. Aufbauend auf dem Foucaultschen Diskursbegriff entwickelt Link ein überaus komplexes Modell „synchroner Systeme von Kollektivsymbolen", das in der Tradition der Bildfeldanalyse steht und methodisch dem Strukturalismus verpflichtet ist; vgl. hierzu ζ. B. die Arbeiten von Link (1984b; 1984c) und Wülfing/Link (1984). Unter einem Symbol wird dabei die Verbindung zweier Wortfelder verstanden, wobei der Symbolbegriff sowohl Metonymien (als Ersetzungen innerhalb eines Diskursbereiches) als auch Metaphern (als Ersetzungen zwischen zwei Diskursen aufgrund von Diskursinterferenzen) umfaßt. (Vgl. Debatin 1995: 198) Als Kollektivsymbol bezeichnet Link (1984c: 151 f.) „ein Symbol mit kollektivem Produzenten und Träger. Die Bedingung der Möglichkeit solcher Kollektivsymbole liegt in der Isomorphiestruktur: Sie bildet ein relativ festes semantisches Raster (Weinrich hat von Bildfeld gesprochen), an dem kollektiv und weitgehend anonym-spontan weitergedichtet werden kann." Kulturtypologisch spezifische Systeme von Kollektivsymbolen siedelt Link auf der Ebene des Interdiskurses an. Eine ausfiihrliche Besprechung des Ansatzes findet sich bei Debatin (1995: 198ff.).
7. Eine Metapher von der Entstehung bis zu ihrer Konventionalisierung: Datenautobahn - eine Metapher in einem komplexen Handlungsfeld
Im folgenden soll die Entstehung und Etablierung einer metaphorischen Wortschöpfung am Beispiel des metaphorischen Kompositums Datenautobahn vorgeführt werden. Das Beispiel wurde ausgewählt, weil an ihm auch die Prozesse der Habitualisierung und der beginnenden Konventionalisierung gezeigt werden können.
7.1. Die Materialsammlung
Die Materialsammlung umfaßt mehrere Jahrgänge verschiedener Zeitungen bzw. Zeitschriften aus dem deutschsprachigen Raum. Gesucht wurde nach Belegen des Wortes Datenautobahn in der überregionalen Tageszeitung „Neue Zürcher Zeitung", der Wochenzeitschrift „DER SPIEGEL" und einer Ausgabe „SPIEGEL special" mit dem Thema „Die Multimedia-Zukunft". Ausgewertet wurden: DER SPIEGEL, Nr. 1 - 5 2 , Jahrgang 1993 DER SPIEGEL, Nr. 1 - 5 2 , Jahrgang 1994 DER SPIEGEL, Nr. 1 - 5 2 , Jahrgang 1995 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1 - 3 0 5 , Jahrgang 1993 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1 - 3 0 3 , Jahrgang 1994 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1 - 3 0 3 , Jahrgang 1995 SPIEGEL special: Schicksal Computer. Die Multimedia-Zukunft, Nr. 3, 1996
Die ausgewerteten Zeitschriften und Zeitungen richten sich an einen Leserkreis mit relativ hohem Bildungsniveau. Von der Textsorte her repräsentiert die Materialsammlung den gesamten .Textkosmos" der jeweiligen Zeitschriften und Zeitungen, ausgenommen die Texte der Werbanzeigen. Damit ist eine relativ große Vielfalt an Textsorten gewährleistet. Mit DER SPIEGEL wurde ein typisches Nachrichtenmagazin mit entsprechendem Textkorpus gewählt, das sprachlich eher .salopp' gehalten ist. Bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) handelt es sich um eine klassische Tageszeitung mit eher konservativem Sprachhabitus. SPIEGEL special ist ein thematisches Sonderheft, das zwar an Computerinteressierte adressiert ist, aber nicht unbedingt nur ein Fachpublikum anspricht. Die Entscheidung für Beispiele aus den Printmedien ist durch die Annahme motiviert, daß Sprachentwicklungsprozesse ganz entscheidend durch den öffentlichen Sprachgebrauch beeinflußt und beschleunigt werden. Die Materialsammlung dient nicht der empirischen Verifizierung, sondern der Veranschaulichung und Überprüfung der in Kapitel 5 und 6 beschriebenen kommunikativen
1
Zum Terminus .Textkosmos' vgl. Frilling (1994: 68ff.).
148 Settings. Insbesondere sollen die auf gebrauchstheoretischem Hintergrund ermittelten Ergebnisse zur Habitualisierungund Konventionalisierung von Metaphern anhand von objektsprachlichen Beispielen belegt werden.
7.2. Entstehung der Metapher
Das metaphorische Kompositum Datenautobahn wurde durch die metaphorische Verwendungsweise Information-Highway motiviert, deren Entstehung von vielen Autoren auf eine Rede von Al Gore vor dem Presseclub zurückgeführt wird. 2 Über den Ursprung einer Metapher lassen sich in der Regel nur schwer gesicherte Aussagen machen, denn es läßt sich kein Überblick über alle Gebrauchssituationen gewinnen. In der Regel spielt die Erstverwendung für die anschließende Habitualisierung und Konventionalisierung aber auch keine so entscheidende Rolle wie die Tatsache, daß die Habitualisierung durch einen Multiplikator eingeleitet wird. So ist auch die metaphorische Verwendung Information-Highway - entgegen vieler Behauptungen - offensichtlich schon vor der Pressemitteilung Al Gores geprägt worden. In der Wochenzeitschrift DER SPIEGEL erschien bereits im Mai 1993 ein Interview mit Bill Gates,3 in dem sowohl das Wort Information-Highway wie auch die deutsche Verwendungsweise Datenautobahn vorkommen. Bill Gates berichtet in diesem Interview von einem Gespräch mit Al Gore, in dem über den Information-Highway gesprochen worden sei. Erst die Rede Al Gores vor dem Presseclub hat diese metaphorische Wortschöpfung jedoch wirklich bekannt gemacht. Der US-amerikanische Vizepräsident Al Gore kündigte im September 1993 zusammen mit dem Handelsminister Ron Brown eine Initiative zum Ausbau einer nationalen Informationsinfrastruktur (Nil) an und legte einen Aktionsplan vor. 4 In einer Mitteilung vor dem Presseclub vom 21. Dezember 1993 heißt es dann: One helpful way to think of the National Information Infrastructure as a network of highways much like the Interstates begun in the '50s. These are highways carrying information rather than people or goods. And I'm not talking about just one eight-lane turnpike. I mean a collection of Interstates and feeder roads made up of different materials in the same way that roads can be concrete or macadam - or gravel. Some highways will be made up of fiber optics. Others will be built out of coaxial or wireless. But - a key point - they must be and will be two way roads. These highways will be wider than today's technology permits. This is important because a television program contains more information than a telephone conversation; and because new uses of
2
3
4
Vgl. Canzler/Helmers/Hoffmann (1995: 5); Bühl (1996: 13); Kleinsteuber (1996: 19) erwähnt, daß in Amerika schon zwanzig Jahre früher das Kabelfernsehen .Electronic Communications Highway' genannt wurde. DER SPIEGEL Nr. 20, 17.5.1993, S. 272-284. Nicht sicher ist, ob der Ausdruck Datenautobahn von Bill Gates verwendet oder durch den Übersetzer eingesetzt wurde. An anderer Stelle gibt Gates allerdings eine Stellungnahme zu dem deutschen Wort Datenautobahn ab. Vgl. Fußnote 8 in diesem Kapitel. Vgl. Bühl (1996: 43, Anmerkung 2).
149 video and voice and computers will consist of even more information moving at even faster speeds. These are the computer equivalent of wide loads. They need wide roads. And these roads must go in both directions. 5
Die deutschen Sprecher verwenden zwar auch den amerikanischen Ausdruck, bevor es zur Etablierung der amerikanischen Verwendungsweise kommt, wird aber zudem das KompositumDatenautobahn gebildet, das als Lehnübertragung6 bezeichnet werden kann. Es handelt sich hier im strengen Sinne nicht um eine Übersetzung, weil das amerikanische Wort Highway wie auch das deutsche Wort Autobahn ganz spezifische Gebrauchszusammenhänge aufweisen. Al Gore konnte mit der Metapher öffentlichkeitswirksam an eine Familientradition anknüpfen, die für die Amerikaner von besonderer Bedeutung ist. Bühl kommentiert die Bedeutung dieser Tradition wie folgt: In einer Highway-orientierten Gesellschaft, in der gar Straßen wie die „Route 66" zu nationalen Legenden werden, versucht der Vizepräsident Al Gore an den Mythos seines Vaters, des HighwayGores, des allseits geachteten Schöpfers eines Schnellstraßennetzes, anzuknüpfen. Dabei bedienen sich auch die Demokraten des nationalen Pathos; ähnlich wie die Highways im US-amerikanischen Selbstverständnis Amerika zur Nation formten, wird auch der national information highway zu einer nationalen Angelegenheit erklärt. 7
Der deutschen Metapher fehlen diese spezifischen Bezüge, weshalb Bill Gates auch davon spricht, daß die Bedeutung des amerikanischen Wortes umfassender sei als die des deutschen Wortes Datenautobahn .8 Neben dieser Einbettung in eine spezifisch amerikanische Tradition akzentuiert das Wort Highway im Rahmen der amerikanischen Metaphernbildung andere Qualitätenvon Datennetzen als das deutsche Wort Autobahn.9 Aus Gores Erläuterungen geht hervor, daß er mit dieser Metapher vor allem die Breite und den Materialmix von Netzen ansprechen wollte. Die deutsche Metapher hingegen gewichtet - wie noch ausgeführt werden soll - andere Aspekte von Netzen: Sie akzentuiert z. B. viel stärker das Moment der Geschwindigkeit, weshalb die Amerikaner ihrerseits in Anlehnung an das deutsche Wort Autobahn auch das Wort Infobahn eingeführt haben, das - wie DER SPIEGEL berichtet - die Geschwindigkeit und den internationalen Charakter des Datennetzes betonen soll.10 Gangloff weist in der NZZ daraufhin, daß im amerikanischen Fachjargon der Ausdruck Superhighway durch das deutsche Wort Autobahn ersetzt werde." Vor allem bietet die deutsche Verwendungsweise Datenautobahn aufgrund der Komplexität der Metapher eine Reihe von sprachlichen Anknüpfungspunkten, die die Sprecher - wie an zahlreichen Äußerungsbeispielen deutlich
5 6 7 8 9 10
11
Gore (1993: o. S.). Vgl. zum Terminus ,Lehnübertragung' Polenz (1991: 44). Bühl (1996: 14); vgl. auch Gates (1995: 21). Vgl. Gates (1995: 423). Vgl. hierzu auch Kleinsteuber (1996: 24f.). Die entsprechende SPIEGEL-Meldung lautet: „Um Geschwindigkeit und internationalen Charakter des geplanten Datennetzes zu betonen, wird der .Information Super Highway' in den U S A (in Anlehnung an das deutsche Wort .Autobahn') neuerdings ,Infobahn' genannt." [DER SPIEGEL Nr. 10, 7 . 3 . 1 9 9 4 , S. 213] Vgl. Gangloff (1994).
150 wird - in Form von expliziten Ausgestaltungen der Metapher oder in Form eigener Anschlußmetaphern aufs Vielfältigste nutzen.12 Die Übernahme einer Metapher aus einer anderen Sprache erlaubt eine solche .Ausbeutung' sprachlicher Strukturen nicht in gleichem Maße. Aufgrund der nahezu parallelen Einführung und der großen Wortformenvarianz, die die anglo-amerikanische Metapher im deutschen Sprachraum aufweist (Information Highway, Info-Highway, Information Superhighway, info-superhighway, Superinformationhighway, Super-Highway, Data-Highway, Daten-Highway, Data-Superhighway, Daten-Superhighway, Computer-Highway, Internet-Highway, Communication Highway, Communication Superhighway, Superhypeway)n, kann davon ausgegangen werden, daß sich das Wort Datenautobahn nicht über die amerikanische Verwendung, sondern parallel dazu etabliert hat, wobei die anglo-amerikanischen Varianten in der NZZ zunächst stärker vertreten sind als im SPIEGEL.
7.2.1. Das Kompositum .Datenautobahn' Bei dem Wort Datenautobahn handelt es sich - der von Ortner u. a. vertretenen Terminologie folgend - um ein dreigliedriges Determinativkompositum14 mit dem Determinans Daten und dem metaphorischen Determinatum Autobahn nach dem morphologischen Subtyp: Subst. - (Subst. + Subst.).15 Es hat verschiedene Versuche gegeben, die zwischen den morphematischen Konstituenten komplexer Lexeme bestehenden semantischen Relationen zu systematisieren.16 Einen sehr umfangreichen und belegreichen Versuch einer solchen Systematisierung haben Ortner u. a. vorgelegt. Nach diesem Vorschlag kann die Konstituente Autobahn als instrumentale Variante der „Komposita zur Kennzeichnung von Modalverhältnissen" nach dem Muster Fahrradweg klassifiziert werden.17 Datenautobahn ist demnach am ehesten als ein referentielles „Bezugskompositum" zu beschreiben, dessen Elemente zueinander in der Relation ,,[e]inschränkender Bereich - dadurch charakterisierte Größe" stehen.18 Ortner u. a. weisen auf den Sonderstatus dieser Gruppe als „exozentrischeDeterminativkomposita" hin und nennen in diesem Zusammenhang ausdrücklich metaphorische Wortbildungen: Die vorliegenden Komposita unterscheiden sich von anderen grundsätzlich dadurch, daß sie meist Besonderheiten in der Bezeichnungsleistung aufweisen. Obligatorisch als exozentrisch - und zwar
12 13 14 15
16 17 18
Vgl. Kapitel 7.5.5. Diese Wortformen treten zusätzlich noch in etlichen orthographischen Varianten auf. Vgl. Ortner/Müller-Bollhagen u. a. (1991: 18f.). Eine Kritik der Termini .Determinans' und ,Determinatum' findet sich in Herbermann (1981: 338f.). Vgl. hierzu Herbermann (1981: 342f.). Vgl. Ortner/Müller-Bollhagen u. a. (1991: 550f.). Vgl. ebd. 428f.
151 als komparativ-exozentrisch - aufgefaßt werden müssen Metaphern, ζ. B. Bewußtseinspolizist ( = Psychiater [...]) -» ,jmd., der wie ein Polizist in bezug auf das Bewußtsein (von X) ist'. Für sie gilt: ,Ein [AB] * ein [B]'. 19
Die Autoren folgen einem einfachen vergleichstheoretischen Konzept, wenn sie in bezug auf komparativ-exozentrische Komposita darauf hinweisen, daß das „Kompositum [...] mit der gemeinten Bezugsgröße durch eine Vergleichsbeziehung verbunden" sei.20 Für diese gelte nicht „(Ein) [AB] ist (ein) [B]"21, vielmehr liege eine „,sein wie'-Relation" 22 vor. Unter den in der Literatur angeführten Typen der Kompositionsmetapher ist Datenautobahn nicht der Gruppe zuzuordnen, deren Mitglieder sich nach Fleischer/Barz in erster Linie dadurch auszeichnen, daß sie „als Ganzes metaphorisiert"23 sind. Es liegt auch keine „Gleichsetzung von A und B" im Sinne eines Simile24 vor. Vielmehr wäre Datenautobahn dem Subtyp der Komposita zuzuordnen, „bei denen A den für Metaphern typischen konterdeterminierenden Kontext darstellt"25. Als Relativsatzparaphrase für die genannte Relation geben Ortner u. a. was ... betrifft/anbelangt an, darüber hinaus könne die semantische Struktur derartiger Wortbildungen durch Ausdrücke wie in bezug auf, hinsichtlich, bezüglich und auf dem Gebiet von wiedergegeben werden.26 Eine Datenautobahn wäre demnach etwas, was in bezug auf Daten wie eine Autobahn ist. Daß mit einer solchen Angabe noch keinesfalls eine Angabe der Bedeutungskonstituierung geleistet wird, darauf hat Herbermann zu Recht insistiert: [...] und entsprechend glauben sie, mit der Klassifikation dieser Relationen den jeweiligen Zusammenhang zwischen der Bedeutung und der Ausdrucksform dieser sprachlichen Größen hergestellt zu haben: Doch es ist [...] keineswegs so, daß die semantische Relation, mit der diese Autoren die jeweiligen Lexemkonstituenten verbinden, zusammen mit den Bedeutungen dieser Konstituenten zwangsläufig oder auch nur in der Mehrheit der Fälle die Bedeutung des Lexems stiftet, sondern vielmehr so, daß die den Autoren auf Grund ihres Status als .participants'/,native speakers' vertraute Bedeutung des jeweiligen komplexen Lexems ihnen diese Relation an die Hand gibt, mit der sie dann in Wirklichkeit die Bedeutungsindizierung beschreiben. 27
Zudem ist durch eine solche Bestimmung der morphematischen Konstituenten und ihrer Beziehungen zueinander noch wenig ausgesagt. Der Gebrauch des Wortes Datenautobahn ist - wie die folgende Untersuchung zeigen wird - weit facettenreicher, als es die angeführte Analyse erwarten ließe. Auf der Grundlage der Erklärung .Eine Datenautobahn ist etwas, was in bezug auf Daten wie eine Autobahn ist' erscheinen zwar Äußerungen wie (1) motiviert, nicht aber Verwendungen wie in (2) und (3):
19 20 21 22 23
24 25 26 27
Ebd. 433f. Vgl. ebd. 116. Ebd. 115. Ebd. 116. Vgl. Fleischer/Barz (1992: 99), die zwischen fiinf Typender „Komposit(ions)metapher" unterscheiden. (Vgl. ebd. 99f.) Vgl. Knop (1983: 3f.). Ortner/Müller-Bollhagen u. a. (1991: 116). Vgl. ebd. 428. Herbermann (1981: 343).
152 (1 )
Informationen werden heutzutage immer häufiger nicht mehr per Papier vermittelt - sie wandern als digitale Botschaft mit Lichtgeschwindigkeit auf Datenautobahnen. Vor allem die Wissenschafter haben schon früh damit begonnen, ihre Resultate und Probleme weltweit über Internet zu diskutieren. [NZZ Nr. 209, 9.9.1995, S. 15]
(2)
Telependler kommen über die Datenautobahn zur Arbeit; alle sind vernetzt, aber jeder bleibt für sich allein [...]. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 5]
(3)
Und schon gibt es den Typus des anspruchlosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinuntertrampt: Im Cyberspace ist immer Saison fur eine wachsende Schar von Online-Wanderarbeitern, die sich für Gelegenheitsarbeiten im Datennetz verdingen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243]
Die hohe kommunikative .Potenz' der Metapher Datenautobahn wird auf dem Hintergrund einer solchen Analyse nicht greifbar. Dies ist zum einen darauf zurückzuführen, daß nach der angeführten Deutung allein die B-Konstituente Autobahn als metaphorisch begriffen wird, nicht aber der Gesamtausdruck. Auf der Wortebene offenbaren sich hier erneut die Schwächen kompositioneller Modelle, wie diese oben im Zusammenhang komplexerer Ausdrücke aufgezeigt wurden.28 In diesem Sinne hat auch Splett darauf hingewiesen, „daß - von Ausnahmen einmal abgesehen - die Wortbedeutung den Wortgebrauch bestimmt und nicht die auf dem Verhältnis der Wortkonstituenten zueinander beruhende Bedeutungsindizierung"29. Trotz der Erwähnung von Aspekten der Textverflechtung und der Thematisierung der Textsortenproblematik erfolgen die Konstituentenanalysen bei Ortner u. a. weitgehend kontextfrei. Auf die Gefahren eines solchen Vorgehens hat Heringer am Beispiel des Kompositums Fischfrau hingewiesen: Die Deutung .Fischverkäuferin' fällt einem vielleicht kontextlos zuerst ein, sie mag auch häufig sein. Aber beim Gebrauch in unterschiedlichen Situationen und Kontexten sind viele andere Deutungen möglich. Die Wortbildungslehre muß erklären, wieso ein Sprecher-Schreiber ein solches Kompositum jeweils unterschiedlich verwenden kann, und vor allem, wie es kommt, daß der Hörer-Leser das Kompositum jeweils unterschiedlich und meistens richtig verstehen kann. 30
Alles in allem bleiben die angeführten Autoren bei einem relativ undifferenzierten vergleichstheoretischen Konzept, wie dieses in Kapitel 5.2.1 kritisiert worden ist. Welche Probleme sich für derartige vergleichstheoretische Konzeptionen ergeben, soll im folgenden am Beispiel des hier untersuchten Kompositums Datenautobahn nochmals aufgezeigt werden.
28
29 30
Vgl. Kapitel 5.3. Mit dem Blick auf kompositioneile Konzepte im Bereich der Wortbildung weist auch Herbermann (1981: 323) darauf hin, daß Komposita als ganze gelernt werden. Obgleich Autoren wie Fleischer/Barz (1992) und Ortner u. a. (1991) das kompositionelle Verfahren zu erweitern bzw. zu überwinden versuchen, bleiben sie ihm m. E. de facto verhaftet. Splett (1993: XIII). Heringer (1984: 46).
153 7.3. Vergleichstheorien auf dem Prüfstand
Es soll zunächst am Beispiel der metaphorischen Verwendung Datenautobahn geklärt werden, ob und inwieweit die Metapher auf der Basis eines vergleichstheoretischen Modells zu erklären ist. Daher werden zunächst einige Aspekte angeführt, die auf einem reinen Objektvergleich beruhen. Wenn von der Datenautobahn gesprochen wird, dann geht es im weitesten Sinne um weltweite digitale Informationsnetze. Inwiefern diese als Objekte mit Autobahnen zu vergleichen sind, soll im folgenden geklärt werden.
7.3.1. Schnelligkeit Autobahnen und Datennetze haben offensichtlich etwas mit Geschwindigkeiten zu tun. Vom Information Superhighway sprechen die Experten bei Verbindungsmöglichkeiten, deren Übertragungsrate deutlich über 64 kBit/s liegt;31 das Wort Datenautobahn wird, wie die Materialsammlung zeigt, jedoch sehr bald ganz allgemein im Zusammenhang mit Datennetzen gebraucht. Geschwindigkeiten in der Größenordnung von Übertragungsgeschwindigkeiten werden natürlich auf Autobahnen nicht erreicht, aber der Vergleich stimmt insofern, als die Autobahn einen Straßentyp darstellt, auf dem relativ schnell gefahren werden kann. Dies gilt in besonderer Weise für die deutschen Autobahnen, für die keine allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzungen festgelegt sind.
7.3.2. Der Straßentyp .Autobahn' Die Bezeichnung Autobahn legt nahe, daß es sich um ein spezifisches Übertragungsmedium handelt, wie es sich bei der Autobahn um einen bestimmten Straßentyp von relativ homogener Qualität handelt. Dies ist aber nicht der Fall. Übertragungsmedien können aus den verschiedensten Materialien gebaut sein (ζ. B. Koaxialkabel, Glasfaser, parallele Kabel, abgeschirmte Kabel), die hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit ganz unterschiedlich sind.32 Wie schon erwähnt wurde, trifft die amerikanische Wortschöpfung dieses Merkmal viel besser, Materialmix stellt ein typisches Merkmal ζ. B. der bekannten „route 66" dar.
7.3.3. Von ... nach ... Auf einer Autobahn wählt der Fahrer nach Möglichkeit die direkteste Autobahnverbindung, das heißt, er fährt gezielt und unter Vermeidung unnötiger Umwege von A nach B. Ganz
31 32
Vgl. Canzler/Helmers/Hoffmann (1995: 14). Vgl. hierzu Kriickeberg/Spaniol (1990: 634); vgl. hierzu auch bezogen auf die Metapher Information Superhighway Kleinsteuber (1996: 29).
154
anders geartet ist der ,Weg', den die Daten zurücklegen. Dies ist unter anderem in der Entstehung des Netzes begründet. Das Internet als eines der größten Netze wurde in seiner Ursprungsform (ARPANET) 3 3 für militärische Zwecke eingerichtet und ist als solches dezentral angelegt: Anfang der 60er Jahre sollte die Rand Corporation - eine Institution, der während des Kalten Krieges wichtige Planungsaufgaben übertragen wurden - ein Kommunikationskonzept für das postnukleare Amerika entwerfen. „Es sollte ein Vorschlag entwickelt werden, wie US-Regierungsstellen nach einem Atomkrieg weiterhin effektiv miteinander kommunizieren könnten." 34 Es folgte im Jahr 1962 ein Entwurf, der davon ausging, daß eine zentrale Behörde oder eine Netzwerk-Leitstelle mit Sicherheit Ziel eines Raketenangriffs sein würde, das Zentrum eines Netzes somit als erstes getroffen würde. Der Report schlug dementsprechend ein System vor, welches über keine zentrale Leitung vertilgen sollte. Die dezentrale Anlage eines solchen Netzes sollte gewährleisten, daß die überlebenden Knoten in der Lage wären, trotz Ausfall anderer Punkte die Verbindung zwischen Städten, Regierungsstellen und Militärbasen aufrechtzuerhalten. „Es war so konzipiert, daß die einzelnen Teile unabhängig voneinander operieren konnten. Alle Knoten bekamen den gleichen Status, hatten ihre eigene Autorität, um Nachrichten zu senden, weiterzuleiten oder zu empfangen [...]." 3 5
Eine Datenübertragung von Deutschland in die USA kann daher über viele Zwischenstationen laufen. Absender oder Empfänger können dies nicht ohne weiteres feststellen und vor allem nicht beeinflussen.36 Hinzu kommt, daß eine Mitteilung nicht als ganze verschickt, sondern in einzelne .Datenpakete' zerlegt wird. Diese können - ganz unabhängig voneinander - auf verschiedenen Wegen ihr Ziel erreichen. Durch eine Seriennummer sowie die Angabe von Adressat und Empfänger ist gewährleistet, daß die einzelnen Datenpakete beim Empfänger wieder zusammengefügt werden können.37 Die Strecken, die die einzelnen aufgespalteten Datenpakete zurücklegen, sind also kaum mit dem zielgerichteten Fahren von A nach Β vergleichbar.
7 . 3 . 4 . D a s F a h r e n auf der Autobahn D a s F a h r e n auf der Autobahn ist - ausgehend von e i n e m einfachen O b j e k t v e r g l e i c h - noch weniger mit der Benutzung eines Netzes zu vergleichen: Die Nutzerin oder der Nutzer sitzt unbewegt an einem vernetzten Rechner, während die ausgelösten Impulse durch das Netz flitzen. Diese Impulse [...] sind für die Netzbenutzer ziemlich unwichtig. Für die schätzungsweise 2 5 - 3 0 Millionen Internetuser etwa bleibt es im Normalbetrieb unsichtbar, in welche Datenpäckchen die Kommandos oder zu versendenden Dateien zerlegt werden und über welche Route mit welchen Zwischenstationen sie an ihren Zielort gelangen. 38
33
34 35 36 37 38
Die Abkürzung „ A R P A N E T " steht fiir „Advanced Research Project Agency", eine Bezeichnung der für das Projekt zuständigen Stelle im Pentagon. (Vgl. Gates 1995: 4 2 6 ) Bühl (1996: 50). Ebd. Vgl. Goldmann/Herwig/Hooffacker (1995: 75). Vgl. Henger (1995: 43). Canzler/Helmers/Hoffmann (1995: 16).
155 V o n Fachleuten werden deshalb häufig auch andere Metaphern vorgeschlagen: So halten etwa Canzler/Helmers/Hoffmann einen Vergleich mit der Post für wesentlich treffender: Im Falle des Internet handelt es sich um Datenpäckchen unterschiedlicher Größe. Autofahrer wissen, wohin die Fahrt gehen soll und steuern ihre Fahrzeuge selbst. Datenpäckchen im Internet hingegen reisen führerlos, und Sender und Empfanger müssen sich auf das korrekte Bearbeiten der dem Päckchen beiliegenden Zieladresse an den Verlade- und Weitertransportstationen verlassen. Bei den Empfängern werden die Datenpäckchen wieder zu vollständigen Dateien zusammengefügt. Apropos Päckchen - das Transportprinzip ließe sich vielleicht besser mit der Arbeitsweise der Post vergleichen. Da aber die „Schneckenpost" die ihr anvertrauten Briefe und Pakete nicht unbedingt mit Lichtgeschwindigkeit transportiert, werden hierzu nicht einmal der Anschaulichkeit halber Parallelen gezogen. 39
7 . 3 . 5 . Kritik an dem Vergleich A u s der Perspektive der Vergleichstheorie müßte die Metapher wohl als .schlechte Metapher' eingestuft werden. D i e metaphorischen Verwendungen Datenautobahn tion-Highway
und
Informa-
sind w e g e n der mangelnden Vergleichbarkeit deshalb oft kritisiert worden.
„ Trifft die Metapher
die Realität
der weltweiten
Computervernetzung
[...]
wirklich ?", wird
in einer Programmankündigung der N Z Z gefragt. [Vgl. N Z Z Nr. 2 7 7 , 2 8 . 1 1 . 1 9 9 5 , S. 51] D a s Bild v o m Highway
stimme - so schreibt Microsoft-Chef Bill Gates - nur bedingt:
Man denkt dabei an Landschaft und Geographie, an eine Entfernung zwischen zwei Punkten, und dahinter steckt die Vorstellung, daß man reisen muß, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Einer der bemerkenswertesten Aspekte dieser neuen Kommunikationstechnik ist aber, daß sie die Entfernung aufhebt. Es spielt keine Rolle, ob derjenige, mit dem Sie kommunizieren, sich im Zimmer nebenan oder auf einem anderen Kontinent befindet, weil Meilen oder Kilometer für dieses hochgradig vermittelte Netzwerk belanglos sind. 40 Eine harte Kritik kommt auch von den Wirtschaftstheoretikern Gilder, Keyworth und dem Futurologen A l v i n Toffler. In einem in der N e w York Times veröffentlichten Manifest halten die Autoren das Bild für wenig hilfreich, den epochalen Wandel zu vermitteln. 4 1 Der Vergleich mit den Autobahnen ist für Gilder, Keyworth und Toffler vor allem aus ökonomischen Gründen falsch. Feste Dinge unterliegen unwandelbaren Erhaltungsgesetzen - was auf der Autobahn nach Süden fährt, muß nach Norden zurückkehren, sonst haben wir am Ende eine Autohaide in Miami. Ebenso müssen Produktion und Konsum ausgeglichen sein. [...] Bei der Information verhält es sich anders. Sie kann fast ohne Kosten repliziert werden - so daß (theoretisch) jedes Individuum den gesamten Output einer Gesellschaft konsumieren kann. 42
39
40 41 42
Ebd. 15; vgl. hierzu auch bezogen auf die Metapher Information Superhighway (1996: 30f.). Gates (1995: 21). Vgl. hierzu auch Bühl (1996: 17). Gilder/Keyworth/Toffler u. a. (1995: 30); vgl. auch Bühl (1996: 17).
Kleinsteuber
156 Trotz der häufig geäußerten Kritik an der Metapher hat diese - wie Helmers/Hoffmann/Hofmann zu Recht herausstellen - offensichtlich die Kommunikation über Datennetze enorm befördert: Auch Kritiker [...] müssen zugeben, daß es erst der .Information Superhighway' war, der weit über die Grenzen der USA hinaus der Diskussion über die Informationsgesellschaft neuen Auftrieb verliehen und bis dato eher esoterische und dem Diskurs von Spezialisten und Insidern überlassene Sujets wie Telekommunikationssysteme und Datennetze ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Politik und Öffentlichkeit gerückt hat.43
Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich bei dem Kompositum Datenautobahn um eine kommunikativ äußerst,potente' Metapher; motiviert durch sozio-kulturelle Veränderungen - insbesondere durch das Entstehen neuer Handlungsfelder - haben die Sprecher eine metaphorische Verwendung geprägt und etabliert,44 die aufgrund günstiger sprachsystematischer Voraussetzungen und vor allem aufgrund ihrer Komplexität den neu aufkommenden kommunikativen Bedarf .sättigen' kann.
7.4. Motivationsstruktur
Die Gebrauchstheorie begreift Sprechen als soziales Handeln. Sprechhandlungen sind keine isolierten Einheiten, sondern Teile von Sprachspielen, die mit Wittgenstein wiederum als Teile von Lebensformen aufgefaßt werden können. Lebensformen verändern sich - und mit ihnen auch die kommunikativen Bedürfnisse der Sprecher. Das metaphorische Kompositum Datenautobahn ist ein typisches Beispiel für eine Wortschöpfung, deren Entstehung und Etablierung durch sozio-kulturelle Veränderungen motiviert ist.
7.4.1. Neu entstehende Handlungs- und Kommunikationsfelder Während das Internet 1988 etwa 20000 sogenannte User verband, wird die Zahl der Nutzer im Jahr 1995 bereits auf 35 Millionen geschätzt,45 und monatlich werden es hunderttausend mehr, wobei das Internet ja nur eines von vielen Netzen bzw. Netzverbünden darstellt. Parallel dazu gibt es eine ganze Reihe von technischen Innovationen, die Art und Struktur von Kommunikationsprozessen entschieden verändert haben. Der folgende Zeitungsausschnitt aus der NZZ gibt ein gutes Bild von den umgreifenden Veränderungen, die sich im Bereich .Multimedia' in den letzten Jahren vollzogen haben: Heute ist das Schlagwort «Multimedia» en vogue. Und was das auf der Elementarstufe heisst, weiss fast schon jedes Kind. Man interagiert via Telefon und Computerstimme, um Auskünfte über Verkehrsmittel zu erhalten, etwa über Landezeiten von Flugzeugen. Man kann via Kabelnetz und
43 44 45
Helmers/Hoffinann/Hofmann (1994: o. S.). Dies geschieht natürlich nicht intentional, vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 6.1. Vgl. Henger (1995: 43).
157 PC ein bisschen shopping gehen und dank Glasfaser und Satelliten Geldziffern auf eine sogenannte Datenautobahn schicken. Längst ist es möglich, Bibliotheken per Modem anzuwählen, Zeitungsartikel von morgen abzufragen, wissenschaftliche Daten aus der Ferne auf den heimischen PC zu holen oder elektronische Bilderbücher durchzublättern. Selbst der operative Eingriff ist mit Hilfe von Videokameras und Rechner heute für Mediziner über grosse Distanzen hinweg machbar. [NZZ Nr. 62, 15.3.1995, S. 52]
Die innovativen Techniken greifen tief in die Strukturen unserer Kommunikation ein. Durch die internationale Vernetzung und die nahezu unbegrenzte Möglichkeit der Simulation von Kommunikationssituationen verändern sich so zentrale Kommunikationskategorien wie .Situation', .Kontext', ,Kotext' etc. Mit den neuen technischen Entwicklungen sind auch neue Handlungsfelder entstanden, die ihrerseits vielfältige kommunikative Bedürfnisse erzeugen. Die Veränderungen betreffen ζ. B.: - den Ausbau von Netzen und den damit verbundenen juristischen und politischen Entscheidungsbedarf: Wegerechte, Datenschutz, Urheberrecht etc.; - die Regulierung der wirtschaftlichen Aktivitäten im Zusammenhang des Ausbaus von Netzen; - die Benutzung der Netze und den daraus entstehenden konkreten Benennungsbedarf für die einzelnen Arbeitsschritte; - das Entstehen neuer Anwendungsfelder und die in diesem Zusammenhang notwendig werdenden Vermittlungsprozesse: ,E-Mail' (elektronische Post), ,Teleshopping', ,Video on Demand' (der unmittelbare Zugang zu Filmen und anderen Programmen, eine Art digitale Videothek), .interaktive Spielfilme' (Spielfilme, in denen der Konsument in den Handlungsverlauf eingreifen kann), .Video Conferencing' (die Möglichkeit für kommerzielle Nutzer, unterstützt durch Bewegtbilder zu kommunizieren), .Interactive Voice Services' (interaktive sprachbasierende Dienste, Telefonbanking-Service etc.), .Distance Learning' (interaktive Ausbildungsprogramme, bei denen die Teilnehmer über Fernsehverbindungen mit anderen Standorten verbunden sind), .Interactive Games' (Videospiele, die auf zentralen Servern bereitgestellt werden und die es ermöglichen, mit anderen Teilnehmern zu spielen), .Cybercafé' 46 oder .Online-Kneipe' (gastronomische Einrichtungen, in denen man gegen Bezahlung einen Computer mit Netzanschluß für eine bestimmte Zeit benutzen kann) etc.; 47 - die neu entstehenden beruflichen Möglichkeiten und die damit verbundenen sozialen Veränderungen: Telearbeitetc.; - die Veränderungen von Lerninhalten und Ausbildungsvorgaben; - die Auswirkungen im gesellschaftspolitischenBereich: Strukturwandel der Öffentlichkeit, medienethische Fragen etc. In Kapitel 7.5.5 wird aufgezeigt, wie die Sprecher das metaphorische Kompositum Datenautobahn und entsprechende Anschlußmetaphera nutzen, um den neu entstandenen kommunikativen Bedürfnissen gerecht zu werden.
46 47
Andere Bezeichnungen sind ,Internet-Café', .Cyberbar' und ,Cyberthek' Vgl. Brenner (1995: 85).
158 7.4.2. Komplizierte Sachverhalte Begünstigt wird die Entstehung und Verbreitung der Metapher auch durch die Tatsache, daß fast alle Prozesse im Multimedia-Bereich äußerst komplex und schwer verständlich sind.48 Das gilt zum einen für den gesamten technischen Bereich, für komplexe Netze jedoch in besonderem Maße: Ist der Personal Computer materiell vorhanden und in seiner Technik bis zu einem gewissen Grad einsehbar, so liegt das Funktionieren der Netze für den Benutzer völlig im Verborgenen. Die Struktur der Übertragungsmedien, der Unterschied zwischen den verschiedenen Netztypen, die verschlungenen Wege, die die Informationen durchlaufen, erschließen sich den Anwendern in der Regel nicht. Dazu kommt, daß die Anwendungen fast nur noch über graphische Benutzeroberflächen gesteuert werden, so daß auch das Verständnis für die Programmabläufe zunehmend schwindet. Eine rasante Marktentwicklung führt schließlich dazu, daß Innovationen im Bereich der Technik und Software kaum noch zu überschauen sind. Selbst der Interessierte hat es schwer, die neuesten Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen und praktisch umzusetzen. Nicht weniger kompliziertsind die wirtschaftlichen,politischenund rechtlichen Verhältnisse. Experten fühlen sich überfordert, die neue Lage einzuschätzen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Man denke hier an Stichworte wie Regulation der neu entstehenden Märkte, Gebührenpolitik, Diskussion der Sicherheitsrisiken, Computerkriminalität, Urheberrechte etc. Die dargestellten innovativen Entwicklungen stellen für die Sprecher eine Herausforderung dar. Relativ unvorbereitet werden sie mit einer Reihe von Entwicklungen konfrontiert, für die sie weder Handlungskompetenz besitzen noch über ein Repertoire an konventionalisierten Ausdrucksmitteln verfügen. In einer solchen Situation greifen die Sprecher sei es im Rahmen eigener Metaphernbildungen oder im Rahmen von Metaphernwiederholungen - auf ein Vokabular aus einem anderen, vertrauten Diskurs zurück.
7.5. Sprachliche Bezugnahme
7.5.1. Der Autobahn-Diskurs als Bezugsdiskurs Autobahnen sind allseits bekannt und vielgenutzt. An den Sprachspielen, in denen das Wort eine wichtige Rolle spielt (ζ. B. Sprachspiele während des Autofahrens, Verkehrsnachrichten, Sprachspiele, die etwas mit Verkehrsplanung und -lenkung zu tun haben etc.), partizipiert nahezu jeder, der ein Auto fährt oder gefahren hat. Diskursspezifische Nomen (wie Auffahrt, Abfahrt, Überholspur, Stau, Verkehrsregeln etc.) und typische Nominalgruppen (wie Bau der Autobahn, Ausbau der Autobahn, Stau auf der Autobahn, Geisterfahrer auf der Autobahn etc.) gehören zum festen lexikalischen Bestand. Die Sprecher knüpfen an den Autobahn-Diskurs an,
48
Zur Rolle der Metaphorik bei der Thematisierung vager und abstrakter Vorstellungen vgl. ζ. B. Baldauf (1995: 269f.) und Kleinsteuber (1996: 18).
159 - indem sie ein Kompositum bilden und etablieren und im Rahmen der Verwendung, mehr oder weniger explizit, Worte und Syntagmen des Autobahn-Diskurses in den Diskurs über Datennetze einbringen („ Verkehrsstau auf der Datenautobahn" [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 5 und DER SPIEGEL 7, 14.2.1994, S. 165], „Schlaglöcher auf Amerikas «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 251, 27.10.1994, S. 21; vgl. auch NZZ Nr. 131, 9.6.1995, S. 65], „Geisterfahrer auf der Datenautobahnl" [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 73]; „ Verkehrsregelnßr die «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11], „Auffahrt zur Datenautobahn" [NZZ Nr. 217, 19.9.1995, S. 95], „Fahrt auf der «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 237, 12.10.1995, S. 15]); - indem sie an bestimmte Bewertungshandlungen des Bezugsdiskurses anknüpfen („In diesen Wochen werden in den USA die Weichen für eine Medienrevolution gestellt, die in ihrer Wirkung bereits jetzt verglichen wird mit der industriellen Revolution oder der Einführung des Automobils" [NZZ Nr. 84, 12.4.1994, S. 32], vgl. Kapitel 7.5.2); - indem sie die Komplexität der Metapher für neue Metaphernbildungen ausschöpfen und somit den aufkommenden kommunikativen Bedarf .sättigen' („Stau auf der Datenautobahn. Zur Rushhour nach Beginn des Telecom-Niedertarifs ist gelegentlich kein Durchkommen mehr" [NZZ Nr. 210, 11.9.1995, S. 20], Ju]nd schon gibt es den Typus des anspruchlosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinuntertrampt" [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243], vgl. Kapitel 7.5.5) 49 .
7.5.2. Anknüpfen an Bewertungshandlungen Mit der Bezugnahme auf den Autobahn-Diskurs beziehen sich die Sprecher auch auf bestimmte Bewertungshandlungen. Bewertungsaspekte - das zeigt nicht nur das hier untersuchte Beispiel - können für die sprachliche Bezugnahme eine wichtige Rolle spielen. Einzelne Texte oder Diskurse können von einer Sprachgemeinschaft oder von einzelnen Varietäten derart bewertet werden, daß sich dies auf die metaphorische Bezugnahme auswirkt. Die zahlreichen Metaphorisierungen, die sich auf Darwins „Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl" 50 beziehen, sind auf diesem Hintergrund zu verstehen.51 An der .metaphorischen Intertextualität' lassen sich mitunter Wertmaßstäbe und Leitlinien einer Gesellschaft oder einzelner Varietäten ablesen. Auch die sprachliche Bezugnahme auf den Autobahn-Diskurs zur Bildung von Metaphern im Multimedia-Bereich ist keineswegs zufällig. Die Einführung des Automobils und der Bau von Autobahnen wurde ähnlich begeistert gefeiert wie die innovativen Entwicklungen im Bereich Multimedia: „Die Religion ist tot, [...] jetzt aber wird eine neue Gottheit geboren. Sie heißt Multimedia [...]." [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 45] So oder ähnlich klingen die fulminant formulierten Erwartungen, die sich mit den technischen Errun-
49
50 51
Hervorhebungen durch Fettdruck hier und im folgenden - soweit nicht anders vermerkt - nicht im Original. Darwin (1859/1988). Vgl. hierzu Kapitel 5.1.
160 genschaften von Multimedia verbinden. „Auf der «Datenautobahn» ins Paradies? Sirenenklänge der Fernmelderevolution" [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65], überschreibt die NZZ einen Artikel über Multimedia, und in der Sonderausgabe des SPIEGEL wird die neue Medienentwicklung gar als der „Wendepunkt in der Geschichte des Menschen" gefeiert: (4)
Es gibt nicht viele solcher Wendepunkte in der Geschichte des Menschen: Mit dem aufrechten Gang erhob sich der Mensch aus dem Tierreich. Die Entdeckung des Feuers illuminierte den Beginn seiner Zivilisation. Mit dem Rad machte er sich die Erde Untertan. Der Buchdruck gab ihm die Verantwortung für den Inhalt seiner Gedanken. Die Industrialisierung gebar den Massenmenschen. Und jetzt katapultiert ihn der Urknall des digitalen Universums in ein neues Zeitalter. Noch aber weiß er nicht, wohin ihn die Explosion schleudern wird. Bedeutet sie eine neue Definition von Wirklichkeit? Bringt sie das Ende des linearen Denkens? Entwickeln sich neue Formen der Kommunikation? Vielleicht sogar der sozialen Struktur? [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 42]
Daß die Erfindung des Automobils und der Bau von Autobahnen ähnliche Begeisterungsstürme erweckt haben, ist bedeutsam für die Übernahme des Vokabulars in den Multimedia-Diskurs: Die Autobahn ist ein überaus erfolgreiches Beispiel einer verkehrsinfrastrukturellen Innovation, die das Verkehrswesen insgesamt tiefgreifend verändert hat. Die Autobahn ist d i e Erfolgsstory in der Infrastruktur-Entwicklung des 20. Jahrhunderts [...]. 52
Sie war das Propagandaprojekt Hitlers, das die Kriegszeit überlebt hat, und wurde zum Prototyp für den Autobahnbau in England und Amerika:53 Die englischen Motorways und die amerikanischen Highways fußen auf den deutschen Autobahnerfahrungen und haben die wesentlichen funktionalen Komponenten, die Kreuzungsfreiheit, die Mehrspurigkeit und die getrennten Richtungsfahrbahnen, übernommen. 5 4
Noch heute ist die Automobilindustrie eine der wichtigsten wirtschaftlichen Stützen der deutschen Wirtschaft, und Autobahnen stellen ein besonderes Prestigeobjekt der Deutschen dar. Nur so konnte der Spruch Freie Fahrt fär freie Bürger zum Werbeslogan der Parteipolitik avancieren. Die besondere Bedeutung des Automobils und der Autobahnen machen das Vokabular äußerst geeignet zur Darstellung einer anderen .technischen Revolution'; es ist daher nicht verwunderlich, daß in manchen Artikeln über Multimedia diese Verbindung explizit hergestellt wird. So heißt es in einer Programmankündigung der NZZ: (5)
52 53 54
In diesen Wochen werden in den USA die Weichen für eine Medienrevolution gestellt, die in ihrer Wirkung bereits jetzt verglichen wird mit der industriellen Revolution oder der Einführung des Automobils. «Full Service Networks», Fernsehstationen mit Hunderten von Kanälen gehen auf Test, und alles spricht von der «elektronischen Datenautobahn», die Amerika und die Welt ins nächste Jahrtausend führen soll. [NZZ Nr. 84, 12.4.1994, S. 32]
Canzler/Helmers/Hoffmann (1995: 9). Vgl. ebd. 9ff. Ebd. 11.
161 Bewertungshandlungen spielen für die Auswahl der metaphorischen Bezugsdiskurse mitunter eine wichtigere Rolle als die durch die Metaphorik ins Spiel gebrachte Vergleichbarkeit der Objekte. Dies könnte auch der Grund dafür sein, daß bestimmte Metaphern, die - wie ζ. B. der von Canzler/Helmers/Hoffmann vorgeschlagene Vergleich mit der Post - 55 von der sachlichen Vergleichbarkeit näher liegen, nicht gewählt werden.
7.5.3. Sprachliche Analogien In Kapitel 5.2.3 wurde darauf hingewiesen, daß die Analogiebildung für die Metaphernbildung eine zentrale Rolle spielt, wobei die Analogien unterschiedlicher Art sein können. Bei der Verwendung des metaphorischen Kompositums Datenautobahn und zur Bildung entsprechender Anschlußmetaphern (im Rahmen der Komplexität der Metapher) werden sprachliche Analogien zwischen den beiden Diskursen wirksam. Wie die unten angeführten Belege zeigen, gibt es in den Sprachspielen, die mit dem Multimedia-Bereich zu tun haben, im Zusammenhang der Datennetze bereits viele Gebrauchsweisen, die die Metaphernbildung befördert haben könnten:56 Die Daten suchen sich den schnellsten Weg [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 166], Datennetze kennen keine Grenzen [vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243], sind grenzüberschreitend [vgl. DER SPIEGEL Nr. 12, 21.3.1994, S. 242], man braucht einen Zugang zum Datendienst [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167], es gibt ein weltweites Datengewebe [vgl. DER SPIEGEL Nr. 12, 21.3.1994, S. 240], superschnelle Informationsnetze [vgl. DER SPIEGEL Nr. 20, 17.5.1993, S. 283], die Onliner sind geschwindigkeitsversessen [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167], es ist von einem schnellen Modem die Rede [vgl. SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 249], das System ist belastet [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167], es gibt Staus in den Computernetzen [vgl. Goldmann/Herwig/Hooffacker: Internet, S. 223], Stoßverkehr im Datennetz [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167],
Die Verwendungsweisen, die im Zusammenhang der Netzbenutzung - und der Kommunikation darüber - gebräuchlich sind, weisen hinsichtlich bestimmter Attribute {schnell, grenzüberschreitend, belastet etc.) Analogien zum Autobahn-Diskurs auf, die von den Sprechern für entsprechende Metaphernbildungen genutzt werden. Die Analogien lassen sich vereinfachend folgendermaßen darstellen: geschwindigkeitsversessene Onliner - Autofahrer grenzüberschreitende Netze - Autobahnen das System ist belastetet - Autobahnen sind belastet Staus in den Computernetzen - Staus auf den Autobahnen Stoßverkehr im Datennetz - Stoßverkehr auf der Autobahn Datenfluß - Verkehrsfluß
55 56
Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 7.3.4. Die angeführten Verwendungen sind syntaktisch angepaßt.
162 Nominalgruppen wie Stau in den Computernetzen, Stoßverkehr im Datennetz können allerdings als Folge der Etablierung der metaphorischen Verwendung angesehen werden.
7.5.4. Anknüpfen an lexikalisierte Bewegungsmetaphern Zu den günstigen sprachsystematischen Voraussetzungen gehört auch, daß es bereits eine Reihe von 1 e χ i k a 1 i s i e r t e η Β e w e g u η g s me t a ρ h e r η zur Darstellung geistiger Tätigkeiten und deren Übermittlung gibt. Zu denken ist hier an lexikalisierte Bewegungsmetaphern wie: geistig beweglich sein Nachrichten, Informationen verbreiten sich Ideen gelangen von a nach b ein Gedanke, ein Einfall kommt ein Gedanke, ein Einfall ist plötzlich wieder weg Gedanken, Inhalte werden transportiert Gedankenflug Ideenfluß
Diese Bewegungsmetaphern hängen sehr eng mit einem metaphorischen Konzept von Sprache zusammen, das Reddy als sogenannte .Conduit-Metapher' beschrieben hat: (1) language functions like a conduit, transferring thoughts bodily from one person to another; (2) in writing and speaking, people insert their thoughts or feelings in the words; (3) words accomplish the transfer by containing the thoughts or feelings and conveying them to others; and (4) in listening or reading, people extract the thoughts and feelings once again from the words. 57
Etwa 70% des gesamten metasprachlichen Apparates der englischen Sprache seien dem Konzept der Conduit-Metapher zuzuordnen.58 Auch für das Deutsche sind - wie Brünner gezeigt hat - entsprechende Verwendungen belegt.59 Kommunikation werde - so bemerkt Fiehler - in der Conduit-Metapher in Analogie zum Transport von Gegenständen und Gütern konzeptualisiert.60 Dies wird deutlich, wenn man sich beispielsweise entsprechende Verwendungen des Nomens Information anschaut: Informationsmangel Informationsbeschaffung Informationen besitzen verfügbare Informationen
57 58 59 60
Reddy (1979/1993: 170). Vgl. ebd. 177. Vgl. Brünner (1987: 105f.). Vgl. Fiehler (1990: 104).
163 Informationen sammeln jmdm. Informationen geben jmdm. Informationen zukommen lassen eine geballte Ladung von Informationen Informationen werden geliefert Informationen gehen verloren Informationen erhalten Informationen sind in Umlauf Informationen austauschen/Austausch von Informationen Informationsvermittlung Informationskanäle Informationsnetze
Mit dem Kompositum Datenautobahn und entsprechenden Anschlußmetaphern können die Sprecher, wie das folgende Beispiel zeigt, nahtlos an solche sprachsystematisch verankerten Strukturen anschließen: (6)
Weil das [Datennetz] ein offenes Kommunikationsmedium ist, in dem viele unterschiedliche Stimmen gehört werden. Eine nützliche Folge davon könnte sein, daß wichtige Ideen schneller von den Randbereichen ins Zentrum des öffentlichen Bewußtseins dringen. Es kommt darauf an, den freien Fluß von Ideen in diesem Medium zu garantieren, besonders im politischen Bereich. [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 213]
Solche Verbindungen von lexikalisiertenund nicht-lexikalisierten Metaphern sorgen für eine kohärente Einpassung metaphorisch verwendeter Ausdrücke in den sprachlichen Kontext. Besonders deutlich wird dies auch in dem folgenden Beispiel, in dem das Verb transportieren diese ,Brückenftinktion' übernimmt: (7)
Denn nur Lehrpersonen, die in der Lage sind, die auf den Datenautobahnen transportierten Inhalte kritisch zu filtern, ergänzen in ihrem Unterricht glaubhaft die virtuellen Lebenswelten der Jugend. [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 80]
Die Beispiele machen deutlich, daß sich auch hier ein Bereich von sprachlichen Analogien eröffnen kann: der freie Fluß von Ideen - der Verkehr fließt Inhalte werden transportiert - Lasten werden transportiert
Solche Analogien wären natürlich bedeutungslos, wenn sie nicht zur Thematisierung entsprechender Aspekte genutzt werden könnten. Das metaphorische Kompositum Datenautobahn zeigt eine derartige Produktivität, weil die im Gebrauchssystem vorhandenen Analogien die Thematisierung verschiedener Aspekte des Multimedia-Diskurses ermöglichen. Ausschlaggebend für die Entfaltung der Metapher ist also nicht die sprachliche Analogie als solche, sondern die Eignung entsprechender sprachlicher Analogien für bestimmte kommunikative Zwecke.
164 7.5.5. Explizitheit und Komplexität Bei dem metaphorischen Kompositum Datenautobahn handelt es sich um eine äußerst komplexe Metapher. Von einer komplexen Metapher wird hier gesprochen, wenn der Bezugsdiskurs sehr viele sprachliche Anknüpfungsmöglichkeiten bietet.61 In thematisch ähnlichen Sprachspielzusammenhängen, in diesem Fall Sprachspielzusammenhängen, in denen es um Multimedia geht, lassen sich unterschiedliche thematische Aspekte immer wieder unter Rückgriff auf den gleichen diskursiven Zusammenhang - hier auf den Autobahn-Diskurs - zum Ausdruck bringen. Die Komplexität kann nicht nur im Zusammenhang einer einzigen Metaphernverwendung entfaltet werden, etwa im Aufbau eines geschlossenen thematischen Rahmens oder einer Argumentation, der Ausbau einer komplexen Metapher kann natürlich auch von verschiedenen Sprechern unabhängig voneinander geleistet werden. In der Materialsammlung zeigt sich die Komplexität in der Ausnutzung der metaphorischen Bezugnahme durch die Bildung verschiedener Anschlußmetaphern. Diese können im syntagmatischen Umfeld des Wortes Datenautobahn im Rahmen expliziter Zitationen auftauchen, sie können aber auch im Rahmen der zunehmenden Etablierung des Wortes Datenautobahn relativ unabhängig davon auftreten. Im folgenden soll gezeigt werden, wie der in den verschiedenen Handlungsfeldern entstandene Kommunikationsbedarf durch Ausschöpfung der Komplexität der Metapher gedeckt wird. Die Darstellung ist angelehnt an die in Kapitel 7.4.1 thematisierten Handlungsfelder.
7.5.5.1. Struktur und Ausbau von Datennetzen Die rasche Zunahme an Netzbenutzern überlastet die vorhandenen Netzkapazitäten. Der sich rasch entwickelnde Markt und dessen enorme wirtschaftliche Potenz (Gebühren für die Nutzung der Netze, Steuerung des Marktes etc.) lassen Planung und Ausbau zur vordringlichen Aufgabe von Politik und Wirtschaft werden. Die Komplexität der Metapher wird dabei auf verschiedene Weise genutzt: Im Zusammenhang des Ausbaus von Netzen werden ähnlich wie bei den Autobahnen Attribute verwendet, die das Verbreitungsgebiet kennzeichnen: Norddeutsche[] Datenautobahn P E R SPIEGEL Nr. 32, 8.8.1994, S. 154; vgl. auch Nr. 49, 5.12.1994, S. 112], Schweizer «Daten-Autobahn» [NZZ Nr. 228, 30.9.1994, S. 23], US-Datenautobahn [NZZ Nr. 82, 9.4.1994, S. 34], Die Datenautobahnen Europas [NZZ Nr. 83, 8.4.1995, S. 49],
Der Ausbau der Netze bringt vielfältige Probleme mit sich, Probleme der Finanzierung, der Infrastruktur etc.: „Noch gleicht die Datenautobahn vielen großen Baustellen", heißt es im SPIEGEL, „[wjie daraus einmal einefunktionierende Rennstrecke für Informationen werden soll, ist äußerst ungewiß". [DER SPIEGEL Nr. 50, 12.12.1994, S. 111].
61
Vgl. hierzu Kapitel 5.2.2.2.
165 Im Zusammenhang mit rechtlichen und wirtschaftlichen Problemen wird von „Bauarbeiten" [NZZ Nr. 82, 9.4.1994, S. 34 und NZZ Nr. 251, 27.10.1994, S. 21], von „SchlaglöchernΓ [NZZ Nr. 251, 27.10.1994, S. 21; NZZ Nr. 72, 27.3.1995, S. 1 und S. 13] auf der Datenautobahn gesprochen. Es wird die Frage aufgeworfen, ob Datennetze einseitig oder wechselseitig benutzbar sein sollen. Zur Diskussion stehen ζ. B. interaktive Fernsehtechnologien, die es dem Zuschauer ermöglichen, das Fernsehprogramm zu beeinflussen: (8)
Aus der Daten-Einbahnstrasse, auf der die Fernsehanstalten ihre Programme zu den Zuschauern senden, sollen Datenautobahnen werden, auf denen Zuschauer und Fernsehanstalten kommunizierend hin und her pendeln. [NZZ Nr. 93, 22.4.1995, S. 51]
Auch im SPIEGEL wird unter Rückgriff auf die Struktur der Autobahn ein „Einbahnstraßen-Medium" abgelehnt: (9)
Wenn wir nicht mehr hinbekommen als ein Einbahnstraßen-Medium, das von Teleshopping Angeboten und von alten Hollywood-Streifen beherrscht wird, haben wir eine einmalige Chance verspielt. Wenn wir die Möglichkeit verschenken, eine dezentrale und offene Datennetz-Infrastruktur zu gestalten, wäre das eine Tragödie. [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 213]
Im Rahmen der Diskussion um den Ausbau der Datenautobahn wird die Frage diskutiert, welches die Anwendergeräte der Zukunft sein werden, der traditionelle Fernseher oder der sogenannte .Teleputer', ein Personal Computer, an dem man auch fernsehen kann. Die einleitende Frage zu diesem Aspekt lautet: (10) Und vielleicht noch heisser umstritten ist, welche «Maschine» einmal das Massenverkehrsmittel auf der «Datenautobahn» sein wird. [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65]
7.5.5.2. Juristische Aspekte Die Digitalisierung schafft spezifische Rechtsprobleme hinsichtlich des Urheberrechts, „[einerseits soll es die Anwendung der neuen Medien nicht lahmen, andererseits die Autorenrechte wirksam schützen. Problembereiche bilden der aufwendige Erwerb von Rechten bei der Herstellung von Multimediaprodukten und die Entschädigung des Urhebers. " [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11] Die Autoren sprechen von „Sicherheitsbetrachtungen auf der Datenautobahn" [NZZ Nr. 217, 19.9.1995, S. 102], Im Zusammenhang mit den Gefahren, die von „Hacker[n], Computerbetrüger und RaubkopiererfnJ" ausgehen, wird von „frfiskante[n] Autobahnfahrten" [NZZ Nr. 232, 6.10.1995, S. 77] gesprochen, in Anlehnung an Handlungsschemata der Verkehrsregulation werden „ Verkehrsregeln für die «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11] gefordert, in einem anderen Artikel heißt es dazu: „[ajuf den von der Technik zur Verfügung gestellten Datenautobahnen" habe „der Gesetzgeber einige Verkehrsschilder aufgestellt, die jedoch von den Benutzern selten respektiert" würden [vgl. NZZ Nr. 228, 2.10.1995, S. 81],
166 7.5.5.3. Neue Arbeitsstrukturen Mit den neuen Möglichkeiten von Multimedia entstehen nicht nur neue Arbeitsfelder, sondern auch völlig neue Arbeitsstrukturen. In diesem Zusammenhang ist davon die Rede, daß „Telependler" über die Datenautobahn zur Arbeit kommen [vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 5], es herrscht „Berufsverkehr auf der Datenautobahn" [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 240]: (11) Angestellte kommen, statt sich über verstopfte Autobahnen zu quälen, vom heimischen PC aus als „Telependler" ins Büro, „virtuelle Unternehmen" haben als ihren Firmensitz nur noch das globale Computernetz, Wanderarbeiter verdingen sich „online" zu Niedriglöhnen: neue Formen der Teleheimarbeit setzen sich durch. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 240]
DER SPIEGEL berichtet von erdbebengeschädigten Firmen: „»fajus Notwehr«, klagt der Erdbebengeschädigte Saenger, sei er auf den Status eines Telependlers (, Telecommuter ') umgestiegen; statt bisher eine Stunde hätte er auf dem ramponierten Highway-Netz nunmehr zweieinhalb Stunden täglich für die Autofahrt zur Arbeit und zurück aufwenden müssen. " [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 240] Zahlreiche Firmen öffneten „ihre Bürocomputer für Mitarbeiter, die lieber mit dem Modem statt mit dem Auto zur Arbeit kommen wollten." [Vgl. ebd.] (12) Durch die Katastrophe an der US-Westküste rückte eine Art von Berufsausübung ins Rampenlicht, die sich bisher eher im Verborgenen entwickelt hat: In den USA pendeln, wie Marktforscher der Firma Link Resources in New York ermittelten, bereits 7,6 Millionen „Telecommuter" - zumindest zeitweilig - über die Datenautobahn zur Arbeit. Der wachsende Berufsverkehr im Netz wird begünstigt durch raschen technischen Fortschritt bei der Hard- und Software für elektronische Kommunikation, die auch im Mittelpunkt der Computermesse Cebit diese Woche in Hannover steht. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 240]
Die Netzbetreiber sehen das wirtschaftliche Potential, das in der Telearbeit steckt, der Kunde wird mit verlockenden Versprechungen umworben: So verspricht die „ Werbung der amerikanischen Fernmeldeuntemehmen" „dem «modernen Nomaden» den Arbeitsplatz unter Palmen" ,[...] „[d]ank der «Datenautobahn» wird man ja vermehrt von zu Hause aus und erst noch mit der im Äther oder in Glasfaserkabeln zulässigen Lichtgeschwindigkeit arbeiten, Videokonferenzen durchführen, Bankgeschäfte abwickeln, einkaufen oder Videos anfordern können." [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65] Mit der neuen Arbeitsform ergeben sich aber auch eine Reihe von Problemen, die DER SPIEGEL pointiert formuliert: „Telependler kommen über die Datenautobahn zur Arbeit; alle sind vernetzt, aber jeder bleibt ßr sich allein". [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 5] Es wird darüber diskutiert, welche rechtlichen, arbeitsmarktpolitischen und sozialen Konsequenzen Arbeitsplätze im Netz haben: (13) Die Schattenseiten des neuen Trends lernten Angestellte der Nürnberger Allgemeinen Versicherung kennen, die sich anfänglich begeistert zu einem Modellversuch für Computerheimarbeit bereit erklärt hatten. Schmerzhaft verspürten sie die Einsamkeit des Telependlers. Das Projekt scheiterte, wie die Versicherung erklärte, weil sich die Mitarbeiter zu Hause „total isoliert" gefühlt hätten; einigen sei es überdies peinlich gewesen, von ihren fränkischen Nachbarn der Arbeitslosigkeit verdächtigt zu werden. „Elektronische Einsiedelei" hatten
167 schon 1983 Sozialwissenschaftler der IG Metall befürchtet und ein völliges Verbot der Teleheimarbeit gefordert. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243]
„Bis zu 300 000 [...] im Verborgenen wirkende Teleheimwerker soll es, wie Experten schätzen, auch in Deutschland bereits geben"; Mitch Kapor, der Chef der Electronic Frontier Foundation in Cambridge (US-Staat Massachusetts) spricht davon, daß sich in den USA eine ganze „Mittelschicht von Telependlern" herausgebildet habe. [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243] Der rechtlose Arbeiter, der sich ohne Versicherungsschutz im Netz verdingen muß, taucht im Multimedia-Sprachspiel als Tramper auf: (14) Und schon gibt es den Typus des anspruchslosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinunter trampt: Im Cyberspace ist immer Saison für eine wachsende Schar von Online-Wanderarbeitern, die sich für Gelegenheitsarbeiten im Datennetz verdingen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243]
Der US-DatendienstanbieterCompuserve „stellte sich auf den neuen Arbeitsmarkt ein, indem er ein »Working from Home«-Forum einrichtete, als elektronischen Treffpunkt und Nachrichtenbörseßr PC-Heimarbeiter". [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243] Das hierzu auf den Monitor eingeblendete Arbeitsmotto spielt mit der metaphorischen Verknüpfung von Primär- und Bezugsdiskurs: „Unser Zweitwagen ist ein Modem" [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243]. Probleme mit den Tele-Arbeitsplätzen gibt es auch in wirtschaftlicher Hinsicht: So werde „das Telependeln in Deutschland einstweilen weniger durch das Betriebsverfassungsgesetz als vielmehr durch die Gebührenpolitik der Telekom gebremst." [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243] (15) Vorreiter IBM gab im vergangenen Jahr bekannt, es würden vorerst keine weiteren Teleheimarbeitsplätze eingerichtet, der Grund: zu hohe Kommunikationsgebühren. Die ,TeleFahrtkosten' hatten bis zu 6000 Mark pro Monat betragen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243]
7.5.5.4. Belastung des Systems Die Benutzung von Computernetzen - insbesondere des Internets - war ursprünglich für spezifische Anwendungen in bestimmten eingeschränkten Benutzerkreisen konzipiert. „Derzeit", heißt es in der Spiegelausgabe vom 14.2.1994, „drängen monatlich Hunderttausende private Computerfans neu auf die bislang vorwiegend von Militärs, Wissenschaftlern und EDV-Unternehmen benutzte Datenschnellstraße" ·, täglich entstünden „neue »Auffahrten«", die Folge sei: „Nun ist das System überlastet - »Verkehrsstau auf der Datenautobahn«". [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 166] Für die Darstellung der Überlastung der Computernetze eignet sich der spezifische Wortschatz des Bezugsdiskurses in besonderer Weise. Wörter wie Rushhour, Stoßverkehr, Staumeldung, Stau, Verkehrschaos, Überlastung vermitteln einen lebendigen Eindruck von den .Leiden' der Netzbenutzer: „Nach zwei Minuten Warten vor leerem Bildschirm kam die
168
Staumeldung von der Internet-Datenautobahn: «Server is refusing connections now. Sorry.»" [NZZ Nr. 266, 15.11.1995, S. 52] Von Seiten der Anwender wird immer wieder die Überlastung des Systems beklagt, die rasche Zunahme der Benutzerzahlen führe zu Systemproblemen: „Stau auf der Datenautobahn. Zur Rushhour nach Beginn des Telecom-Niedertarifs ist gelegentlich kein Durchkommen mehr." [NZZ Nr. 210, 11.9.1995, S. 20] Das Warten auf die nächste Meldung löst ähnliche Ungeduld aus wie der Stau auf der Autobahn: „Datenstau: kritischer Punkt in Sicht", heißt es in einem Bericht, überschrieben mit „ World Wide Wait" : (16) Alles rast auf der Datenautobahn. Rast? Mit kurzen »a«. Am besten legte man sich etwas zu lesen neben den Rechner. Das Netz war dicht. Man konnte den Daten beim Stehen zusehen. [SPIEGEL special Nr, 3, 1996, S. 12]
Der Rückgriff auf die Autobahnerfahrungen kann auch im expliziten Vergleich geschehen. So heißt es in DER SPIEGEL: (17) Der amerikanische Computerwissenschaftler David Farber, ein Internet-Veteran, verglich den Ansturm der Datentouristen mit einem sonnigen „Sonntag, wenn alle unterwegs zum Strand sind". Der Effekt sei derselbe, ob im Auto- oder im Datenstau: „Sie sitzen da und warten und warten und warten." [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 166]
Zurückgeführt wird das „Verkehrschaos auf der weltumspannenden Datentrasse, an der mittlerweile rund 20 Millionen Benutzer hängen", auf „das Weihnachtsgeschäft im Computerhandel. Damals stürzte der Preis für sogenannte Modems, mit denen der PC ans Telefonnetz gehängt wird, in den USA unter 30 Dollar und in Deutschland unter die 100-Mark Grenze, Anschluß an den Telekom-Datendienst ,Datex-J' Inbegriffen. Durch den Andrang der Datenreisenden wird inzwischen der wissenschaftliche Betrieb der ans Internet angeschlossenen Computer schon spürbar beeinträchtigt." [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 166f.] Von dem Andrang im Datennetz sind nicht nur die Benutzer betroffen, „[djer überbordende Verkehr auf den Datenschnellstraßen brachte auch die Betreiber des ,Ραηίχ Public Access Network' in New York in Bedrängnis." [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167] Als „ein Hacker in die Rechner der Firma eingebrochen war und dort nach Paßwörtern eingetragener Benutzer stöberte, geriet der „Panix"-Betrieb an den Rand des Zusammenbruchs." [Vgl. ebd.] Die .schaulustigen' Netzbetreiber loggen sich ein und führen damit eine Situation herbei, die der Autor des SPIEGEL-Artikels mit der Situation bei einem Verkehrsunfall vergleicht: (18) Tausende von Neugierigen, die sich über das Internet eingewählt hatten, tummelten sich plötzlich auf den „Panix"-Computern - vergleichbar Schaulustigen bei einem Verkehrsunfall, die sich an der Stelle des Unglücks drängen. [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167]
Auch der kommerzielle Kommunikationsdienst „America Online" (AOL) leide unter der „Datenreisewelle" [vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167]: „Per Bildschirmbotschaft entschuldigte sich AOL-Chef Steve Case bei den Benutzern daflr, daß der Zugang zum Datendienst während der »Rushhour« vorübergehend gesperrt werden mußte." [Ebd.] Case
169 bat um Nachsicht, die immens gewachsene Nachfrage habe das „System ganz schön belastet." [Vgl. ebd.] In Deutschland führe „der Stoßverkehr im Datennetz dazu, daß sich ein Informationsweg " belebe, „der bei geschwindigkeits versessenen Onlinern bislang im Ruf einer »Datensackgasse« stand". [Vgl. DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167] (19) Trotz schwacher Anbieterstatistik (1993 sank die Zahl der Informations-Dienstleister von 3000 auf 2600) meldete Datex-J, Nachfolger des vielgeschmähten Bildschirmtext-Systems, einen Benutzerzuwachs auf mehr als 500 000 Anschlüsse. [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 167]
Aus der Fülle solcher Belege ist die Gewichtigkeit des angesprochenen Problems erschließbar. Für derartige Aspekte negativer Bewertung bietet der Bezug auf den Autobahn-Diskurs ebenso Möglichkeiten der Anknüpfung, wie dies hinsichtlich der Struktur und des Ausbaus der Datennetze, hinsichtlich juristischer Aspekte der neuen Technologie sowie in bezug auf neue Arbeitsformen gezeigt werden konnte. Alles in allem erweist sich die Metapher als äußerst komplex.
7.6. Kommunikative Etablierung
Abb. 1 zeigt die Vorkommenshäufigkeit des Wortes Datenautobahn für die einzelnen Jahrgänge der NZZ, Abb. 2 für DER SPIEGEL, Abb. 3 für SPIEGEL speziai. Die zeitliche Abfolge der untersuchten Jahrgänge läßt eine deutliche Steigerung der Verwendungshäufigkeit des Wortes Datenautobahn erkennen. Außerdem sind die Vorkommen entsprechender anglo-amerikanischer Wörter und einige ,Mischformen' aufgeführt. Einzelvorkommen sind in den Schaubildern nicht erfaßt.
Abb. 1 zeigt die absolute Vorkommenshäufigkeit des Wortes Datenautobahn und stärker vertretener anglo-amerikanischer Ausdrücke mit ihren Varianten und Wortformen in der NZZ aus den Jahren 1993, 1994 und 1995.
170 Die große Wortformenvarianz, die die anglo-amerikanische Metapher im deutschen Sprachraum aufweist {Information Highway, Info-Highway, Information Superhighway, infosuperhighway, Superinformationhighway, Super-Highway, Data-Highway, Daten-Highway, Data-Superhighway, Daten-Superhighway, Computer-Highway, Internet-Highway, Communication Highway, Communication Superhighway, Superhypeway), die noch begleitet wird von etlichen Schreibvarianten, deutet auf eine relativ große Unsicherheit im kommunikativen Umgang mit diesen Wörtern hin.
Abb. 2 zeigt die absolute Vorkommenshäufigkeit des Wortes Datenautobahn und stärker vertretener anglo-amerikanischer Ausdrücke mit ihren Varianten und Wortformen in DER SPIEGEL aus den Jahren 1993, 1994 und 1995.
SPIEGEL
Highway laferatauo·
»ptzul
lu»»r-H .jhw » ,
IJ,tt H
* »,
ivptt 1 · Tjf·« » I w » H i f k a i »
tnfaWfc« D «U n H
>> » ι >
Abb. 3 zeigt die absolute Vorkommenshäufigkeit des Wortes Datenautobahn und stärker vertretener anglo-amerikanischer Ausdrücke mit ihren Varianten und Wortformen in der Zeitschrift SPIEGEL special vom März 1996.
Eine weltweite Recherche im Datennetz im Oktober 1996 hat ergeben, daß auch für das Jahr 1996 eine hohe Vorkommensrate festzustellen ist. Die durchgeführte Wortrecherche über
171 den Suchmodus .altavista'62 ergab eine absolute Häufigkeit von 4119 Vorkommen für die Wortform Datenautobahn. Natürlich läßt sich von der Vorkommenshäufigkeit allein nicht auf die Kenntnis einer Metapher bei Sprechern schließen. Mit der Unterscheidung zwischen Habitualisierung (Phase 4) und Konventionalisierung (Phase 5) soll diesem Sachverhalt Rechnung getragen werden.
7.6.1. Habitualisierung In Kapitel 6.1 wurde festgestellt, daß der Beginn der Habitualisierung noch keine Typisierung bzw. Konventionalisierung darstellt. Der Sprecher wiederholt zwar eine Metapher, aber er kann noch nicht davon ausgehen, daß auch andere Sprecher diese Verwendung kennen. Die Phase der Habitualisierung erfordert daher eine gewisse kommunikative Sensibilität. Nach Keller ist jedes Sprechen verbunden mit einer Hypothese über die Individualkompetenz des Angesprochenen.63 Für die Phase der Habitualisierung einer metaphorischen Verwendung gilt dies in besonderem Maße. Einen eindrucksvollen Hinweis auf diesen Sachverhalt gibt ein Interview mit dem Bundeskanzler Helmut Kohl, in dem Kohl nach dem Ausbau der Datenautobahn gefragt wird. Der Bericht über das Interview erscheint am 30.5.1994, das Interview hat in der Woche davor stattgefunden, also zu einem Zeitpunkt, für den die Materialsammlung schon etliche Belege anführt: (20) Als Kanzler Helmut Kohl in einer RTL-Sendung gefragt wurde, wie er den Ausbau der Datenautobahn fördern wolle, wußte er mit dem Begriff nichts anzufangen. In seiner Antwort sprach Kohl vom schlechten Zustand auf Deutschlands Straßen, „dergestalt, daß wir wissen, wann wir überhaupt nur noch von ,go' und ,stop' auf Autobahnen reden können". [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99] M
Mißverständnisse sind kommunikations- und - wie die Pressereaktionen zeigen - mitunter auch imagegefährdend.63 Zur Vermeidung solcher Mißverständnisse stehen Sprechern - wie in 5.1.2 bereits gezeigt wurde - verschiedenste verständnissichernde Mittel zur Verfügung. Der Gebrauch von indizierenden und verständnissichernden Mitteln im Vor- oder Nachfeld einer Metapher ist deshalb charakteristisch für die Phase der Habitualisierung. (Natürlich hängt es auch immer von dem jeweiligen Schwierigkeitsgrad der einzelnen metaphorischen Verwendung bzw. von dessen Einschätzung durch den Sprecher ab, ob ein Sprecher überhaupt verständnissichernde Mittel einsetzt.) In der untersuchten Materialsammlung finden sich folgende Formen von Erklärungen: Erklärung durch Attribuierung: (21) Als Modell für die von der US-Regierung angekündigte „Datenautobahn", die eines Tages die Computer und Telekom-Geräte von privaten Haushalten, Industrie, Ämtern und Bildungs-
62 63 64 65
Die Recherche wurde am 14.10.1996 durchgeführt über das Suchtool ,altavista'. Vgl. hierzu Keller (1990: 186f.). Vgl. hierzu auch DER SPIEGEL Nr. 12, 20.3.1995, S. 108. Vgl. zur Reaktion auf das Interview entsprechende Belege im Korpus. [DER SPIEGEL Nr. 52, 26.12.1994, S. 21 und DER SPIEGEL Nr. 12, 20.3.1995, S. 108]
172 einrichtungen miteinander vernetzen soll, dient den Planern das akademische „Internet". [DER SPIEGEL Nr. 45, 8.11.1993, S. 262] (22) US-Vizepräsident Al Gore hätte den Multimillionär gern in seinen Planungsstab für die „Datenautobahn" geholt, die fernsehtaugliche Multimedia-PC in Millionen amerikanischer Haushalte vernetzen soll. [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 212] Erklärung i m Nachfeld der Äußerung: (23) Ganz schön belastet. Verkehrsstau auf der Datenautobahn: Millionen von Computerfans drängen ins weltumspannende Rechnernetz „Internet". [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 165] Einführung durch nicht-metaphorisches S y n o n y m b z w . Quasisynonym i m Vorfeld der Metapher: (24) Wir leben schließlich im Informationszeitalter, unsere Vision läßt sich ohne superschnelle Informationsnetze nicht umsetzen: Wenn wir Computer in jeder Wohnung wollen, brauchen wir auch die Datenautobahn. [DER SPIEGEL Nr. 20, 17.5.1993, S. 283] (25) Rexrodts Versuch, die Aufhebung des Netzmonopols zeitlich festzulegen, dürfte zudem der Schaffung von Kommunikationsnetzen und Fernmeldeeinrichtungen weit mehr nützen als all die Plädoyers und Phrasen, die man in jüngerer Zeit zugunsten der sogenannten transeuropäischen Netze oder «Datenautobahnen» immer wieder vernimmt. [NZZ Nr. 199, 27.8.1994, S. 23] Erklärung durch Benennung der Funktion: (26) Über Datenautobahnen kann in nicht allzu ferner Zukunft jeder Programme abrufen, einkaufen, Bankgeschäfte erledigen und möglicherweise auch von zu Hause aus arbeiten. [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99] D i e Verwendung derartiger verständnissichernder Mittel ist typisch für die Phase der Habitualisierung einer metaphorischen Gebrauchsweise. Mit zunehmender Konventionalisierung verzichten Sprecher mehr und mehr auf entsprechende Erklärungen. Dasselbe gilt auch für die Verwendung von Anführungsstrichen als Metaphernindikatoren, w i e Abb. 4 zeigt:
Zeitung/Zeitschrifi
1993
1994
1995
ja
nein
ja
nein
ja
nein
D E R SPIEGEL
2
2
5
45
0
37
NZZ
2
1
17
6
18
61
Abb. 4: Absolute Häufigkeit der Indizierung des Wortes Datenautobahn
durch Anführungszeichen
Während beispielsweise in der N Z Z i m Jahr 1994 noch 17 v o n 23 Verwendungen des Wortes Datenautobahn indiziert werden, sind es i m Jahr 1995 nur noch 18 v o n 7 9 Verwendungen. Im SPIEGEL zeigt sich ein ähnliches Bild, allerdings zeitlich früher
173 einsetzend. Die zeitliche Verschiebung mag auf regionale Unterschiede zurückzuführen sein, sie könnte aber auch mit dem Anspruchsniveau der NZZ zu tun haben, mit einer insgesamt distanzierten Haltung gegenüber neuen Wortprägungen und deren vorschneller Integration in das Sprachsystem.
7.6.2. Konventionalisierung 7.6.2.1. Indikatoren der Konventionalisierung G e s t e i g e r t e V o r k o m m e n s h ä u f i g k e i t (vgl. Abb. 1-3) und V e r z i c h t auf I n d i z i e r u n g e n und zusätzliche V e r s t ä n d n i s s i c h e r n d e M i t t e l (vgl. Abb. 4) wurden in Kapitel 6.1.1 als Indikatoren für einen Konventionalisierungsprozeßbeschrieben. Daneben wurden noch eine Reihe anderer Indikatoren erwähnt, die auf eine zunehmende Konventionalisierung schließen lassen.
7.6.2.1.1. Vorkommen in Redeberichten Ein weiterer Indikator für eine eingesetzte Konventionalisierung ist die E r w ä h n u n g d e r m e t a p h o r i s c h e n V e r w e n d u n g im R e d e b e r i c h t . Es wurde schon darauf hingewiesen, daß dieser Indikator eine wichtige Funktion bei der Orientierung der Sprecher erfüllt, weil er dem Angesprochenen signalisiert, daß eine Verwendung in Gebrauch ist. In der Materialsammlung finden sich viele Beispiele, die nicht nur den wiederholten Gebrauch, sondern auch eine fortgeschrittene Konventionalisierung indizieren: (27) In diesen Wochen werden in den USA die Weichen fiir eine Medienrevolution gestellt, die in ihrer Wirkung bereits jetzt verglichen wird mit der industriellen Revolution oder der Einführung des Automobils. «Full Service Networks», Fernsehstationen mit Hunderten von Kanälen gehen auf Test, und alles spricht von der «elektronischen Datenautobahn», die Amerika und die Welt ins nächste Jahrhundert fuhren soll. [NZZ Nr. 84, 12.4.1994, S. 32 (Programmankündigung)] (28) Gerede um die «Datenautobahnen» Rexrodts Versuch, die Aufhebung des Netzmonopols zeitlich festzulegen, dürfte zudem der Schaffung von Kommunikationsnetzen und Fernmeldeeinrichtungen weit mehr nützen als all die Plädoyers und Phrasen, die man in jüngerer Zeit zugunsten der sogenannten transeuropäischen Netze oder «Datenautobahnen» immer wieder vernimmt. [NZZ Nr. 199, 27.8.1994, S. 23] (29) Mit der weltumspannenden „Datenautobahn", von der allenthalben die Rede ist, wird es noch eine Weile dauern. [DER SPIEGEL Nr. 43, 24.10.1994, S. 3 (Hausmitteilung)] (30) Die Diskussionen über die neuesten Datenautobahnen, Virtual Reality, CD-ROM oder Video-on-demand begeistern die Computerfreaks, hinterlassen aber bei Normalverbrauchern oftmals Verwirrung. Die Reportage versucht, die neuesten technischen Errungenschaften verständlich zu machen. [NZZ Nr. 60, 13.3.1995, S. 26 (Programmankündigung)]
174 (31) Wenn von Datenautobahnen und vom Internet die Rede ist, stehen meist die enormen Möglichkeiten und Zukunftschancen im Vordergrund. [NZZ Nr. 232, 6.10.1995, S. 77] (32) Galt damals die ganze Aufmerksamkeit dem neu aufgekommenen Kabelfernsehen (Pay-TV) oder den auf der Bildplattentechnologie basierenden Bildschirmtexten, spreche man zwar heute von den revolutionären Auswirkungen von Datenautobahnen oder der CD-ROM. [NZZ Nr. 13, 17.1.1995, S. 25] (33) Als der Kanzler im vergangenen November seinen bis dahin Parlamentarischen Geschäftsführer in ein schwieriges Amt berief, dachte Rüttgers allem voran über Berufsbildungsprogramme und Meister-Bafög nach. Statt dessen inspirieren ihn nun „Zauberworte wie Datenautobahn oder Telekommunikation". [DER SPIEGEL Nr. 13, 27.3.1995, S. 25] (34) Die Zauberformeln der künftigen Mediengesellschaft lauten: Multi- bzw. Hypermedia, Interaktivität, Datennetze bzw. Datenautobahnen und Virtualität. Schon sagen die Technikvisionäre eine Aufrüstung des guten alten Fernsehgerätes zur Workstation voraus, die traditionelle TV-Vollprogramme, Pay-TV, Video on demand, Teleshopping und -banking, Datenbankdienste, Service-Kanäle, Telespiele u. a. m. integriert und soziale Aussenkontakte weitgehend erübrigt. [NZZ Nr. 200, 30.8.1995, S. 63] (35) DRS 2, 11.00/22.10 Reflexe Internet 3: Das Projekt «Kulturraum» Datenautobahn - kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so Furore gemacht wie diese Wortschöpfung. Nur, trifft die Metapher die Realität der weltweiten Computervernetzung wie zum Beispiel des Internet wirklich? Dazu äussert sich die Soziologin Ute Hoffmann vom Wissenschaftszentrum Berlin. [NZZ Nr. 277, 28.11.1995, S. 51 (Programmankündigung)] Auch die folgenden Äußerungen, in denen die Bedeutsamkeit der neuen Entwicklungen herausgestellt wird, lassen Rückschlüsse auf die kommunikative Etabliertheit zu: (36) Diese Beschwörungsformel muss um so eindringlicher heruntergebetet werden, je weniger Bedeutung dem Ort im Zeitalter elektronischer Medien, Datenautobahnen und Faxgeräte für die künstlerische Produktion zukommt. [NZZ Nr. 90, 19.4.1995, S. 46] (37) Wenn dies schon im Zeitalter der Datenautobahnen nicht über Internet und Compuserve erledigt werden kann, wozu hat dann die Bundesrepublik vor einem Jahr in Jericho ein „Vertretungsbüro" eingerichtet, dessen Leiter Martin Kobler unter anderem auch damit beschäftigt ist, deutsche Sponsoren und Investoren mit palästinensischen Partnern zusammenzubringen? [DER SPIEGEL Nr. 24, 12.6.1995, S. 22] (38) Die Beteiligung, die sich durch zusätzliche Käufe am offenen Markt noch auf 20% treiben liesse, soll eine strategische Kooperation auf der bereits vielgefeierten «Datenautobahn» (Information Superhighway) untermauern; die zwei Konzerne Hessen sich dabei von der «Vision» leiten, dass sich in der Herstellung und im möglichst interaktiven Vertrieb von Informationen und Unterhaltungsinhalten ein erhebliches Synergiepotential ausschöpfen lässt. [NZZ Nr. 109, 12.5.1995, S. 27]
175
7.6.2.1.2. Allgemeine Erklärbarkeit Die Bedeutung des metaphorisch gebrauchten Wortes wird durch Rückgriff auf die konventionelle Lesart erklärt, wodurch ein Unterschied zwischen der Erklärung der konventionellen Bedeutung und der Erklärung des spezifisch metaphorischen Gebrauchs entsteht. Während das konventionell gebrauchte Wort eine gewisse Bedeutungskonstanz aufweist, gibt es keine festen Grenzen für den metaphorischen Gebrauch. Ein Wort kann auf ganz unterschiedliche Weise für metaphorische Äußerungen nutzbar gemacht werden. Selbst in ähnlichen thematischen Zusammenhängen kann ein und dasselbe metaphorisch gebrauchte Wort sehr unterschiedlich verwendet werden. So referiert das metaphorisch gebrauchte Wort Auffahrt in Beispiel (39) auf einen leistungsstarken Computer, in Beispiel (40) ganz allgemein auf den Netzzugang und in Beispiel (41) auf ISDN-Leitungen66: (39) Die Auffahrt zur Datenautobahn führt mitten durch ein Jugendzimmer. Gegen eine monatliche Gebühr räumt Scott Drassinower, 15, anderen PC-Benutzern das Recht ein, seinen leistungsstarken Personalcomputer als Rampe zum internationalen Datennetz zu nutzen. P E R SPIEGEL 7, 14.2.1994, S. 165] (40) Die Popularität des Internets ist nur ein Indiz dafür, welche Position den Netzwerken in der Zukunft beizumessen ist. Jenes Unternehmen, dessen Netzwerksoftware am weitesten verbreitet ist, kontrolliert die Auffahrt zur Datenautobahn. Entsprechend umkämpft wird der Netzwerkmarkt sein. Dabei ist Novell als Marktführer gut positioniert. [NZZ Nr. 217,19.9.1995, S. 95] (41) Als ISDN vor rund zehn Jahren in Betrieb ging, stellte es einen gewaltigen Fortschritt dar. Statt der damals üblichen [...] Akkustikkoppler und der noch sehr teuren Modems gab es in Deutschland schon eine technische Auffahrt auf eine Daten-Autobahn, die zu der Zeit noch gar nicht existierte. Inzwischen ist die technische Entwicklung weit fortgeschritten und die Leistung beim ISDN-Anschluß nimmt sich eher bescheiden aus. [ComputerBILD Nr. 18, 1996, S. 92]
Das metaphorische Kompositum Datenautobahn hat sich in dem Sinne konventionalisiert, daß sich ein relativ konstanter Gebrauch herausgebildet hat. Das Wort Datenautobahn kann nun unabhängig von einer spezifischen metaphorischen Verwendung erklärt werden. Eine solche Bedeutungserklärung findet sich zwar nicht in der Materialsammlung, wohl aber in der ersten Ausgabe von ComputerBILD aus dem Jahr 1996.67 Zum Stichwort Datenautobahn gibt ComputerBILD folgende Erklärung: (42) Den Begriff Daten-Autobahn für das weltweite Computernetz Internet prägte die Regierung der Vereinigten Staaten. [ComputerBILD Nr. 18, 2.9.1996, S. 94]
Die Bedeutungserklärung ist unter der Rubrik „ Was ist eigentlich... " angeordnet, in der Termini aus dem Computer- und Multimedia-Bereich (.Modem', ,E-Mail', ,Dos' etc.) allge-
66
67
ISDN ist die Abkürzung für „Integrated Digital Services Network". Das Datennetz überträgt alle Daten in digitaler Form, so daß bei der Anwendung kein Modem mehr benötigt wird. Vgl. hierzu auch die Bedeutungserklärungen in den Rechtschreibwörterbüchern in Kapitel 7.6.2.2.
176 meinverständlich erklärt werden. Das Wort Datenautobahn wird hier also nicht als Metapher erklärt, sondern wie ein Terminus behandelt.
7.6.2.1.3. Metasprachliche Verwendbarkeit Auch die Verwendung des Wortes Datenautobahn für bestimmte metasprachliche Operationen ist ein Indiz für den eingetretenen Konventionalisierungsprozeß. In dem folgenden Beispiel wird die Bedeutung des Wortes Internet mit dem Wort Datenautobahn erklärt: (43) Beim Internet handelt es sich um eine der derzeit wichtigsten «Daten-Autobahnen» für Kommunikation von Computer zu Computer. [NZZ Nr. 139, 17.6.1994, S. 65]
Ein solches Vorkommnis stellt einen starken Konventionalisierungsindikatordar, denn das Unbekannte kann nur mit dem Bekannten erklärt werden. Die Bekanntheit des Wortes Datenautobahn wird vorausgesetzt, wenn es erfolgreich für solche metasprachlichen Sprechhandlungen benutzt werden soll. Ähnlich verhält es sich mit der folgenden Äußerung, in der das Wort Datenautobahn für einen Vergleich genutzt wird. Der Sprecher erklärt, was er unter .komplexer Kommunikation' versteht, anhand der Kommunikation auf der Datenautobahn: (44) SPIEGEL: Ein verblüffendes Maß an Ordnung. Wilson: Eigentlich auch wieder nicht, denn die Ameisen laufen wild durcheinander, jede mit ihrem spezialisierten Programm. Es ist kein Fließband, eher eine große Fabrikhalle, wo die Leute hier ein paar Teile aufheben, sie zusammensetzen und woanders wieder fallen lassen. Dann kommt der nächste, findet die beiden Teile und verschraubt sie mit einem dritten. SPIEGEL: Das alles gesteuert von einer komplexen Kommunikation, wie auf der Datenautobahn. Wilson: Eher wie auf der Dada-Autobahn. Wenn man an einen einzelnen Punkt kommt, sieht es aus, als bewegten sich die Ameisen in völligem Chaos. [DER SPIEGEL Nr. 48, 27.11.1995, S. 199]
7.6.2.1.4. Metaphernfähigkeit Mit der Etablierung einer bestimmten Verwendungsweise geht einher, daß dieses Wort auch für andere sprachliche Operationen und Verfahren genutzt werden kann. Der stärkste Indikator für eine stattgefundene Lexikalisierung ist die Metaphernfähigkeit einer metaphorischen Gebrauchsweise. In diesem Zusammenhang sind zwei Fälle zu unterscheiden, die oben als .spezifische' und .erweiterte' Metaphernfähigkeit bezeichnet worden sind.
7.6.2.1.4.1. ,Spezifische' Metaphernfähigkeit In dem folgenden Beispiel wird das Wort Autobahnzubringer verwendet, ohne daß das Wort Datenautobahn angeführt wird. Das Auftreten von . Anschlußmetaphern' ohne Nennung der .Basismetapher' oder einer entsprechenden kontextuellen Einführung ist ebenfalls ein Hin-
177 w e i s darauf, daß eine metaphorische Gebrauchsweise konventionalisiertist. Mit seiner Äußerung setzt der Sprecher die Bekanntheit des Wortes Datenautobahn
voraus:
(45) Um auf Datenreise zu gehen, brauchen Sie keines der herkömmlichen Verkehrsmittel: Ihr Autobahnzubringer ist das Telefonnetz oder noch besser das digitale ISDN - die Infrastruktur für die Datenreise ist in Ihrer Wohnung, Ihrem Büro also vorhanden. [Goldmann/Herwig/Hooffacker: Internet, S. 48]
7 . 6 . 2 . 1 . 4 . 2 . ,Erweiterte' Metaphernfähigkeit Starke Indikatoren für die Konventionalisierung einer Metapher sind Metaphernverwendungen, die auf d e m Wort Datenautobahn
basieren. D i e Materialsammlung enthält drei Beispie-
le metaphorischer Verwendungen des Wortes Datenautobahn,
alle finden sich i m Feuilleton
der N Z Z , also in einem völlig anderen thematischen Kontext als die anderen Verwendungen des Wortes: (46) Leskows «einfaches», in Wirklichkeit jedoch hochkompliziertes Erzählen ist keine Heimkehr zum Geraune unvordenklicher Zeiten, wie unbeirrbare Romantiker es auch im 20. Jahrhundert der Literatur immer wieder anempfahlen. Vielmehr leistet es spürbaren Widerstand gegen den unabschaltbar gewordenen Strom des öffentlichen Geredes. So gesehen ist Leskow schon im 19. Jahrhundert ein Geisterfahrer auf jener Datenautobahn, für die wir alle demnächst unsere Plaketten erstehen sollen. [NZZ Nr. 53, 4.3.1995, S. 67] (47) Als Toter feiert der allwissende Erzähler seine postmoderne Auferstehung. Nun Gott und den Dingen gleich, ist der Dichter Krösus auf der Überholspur der Datenautobahnen; sie münden nämlich direkt in seinen «offenen» Kopf: «Ich wusste, an den Aktienmärkten war es zu einer deutlichen Erholung gekommen. Diskont- und Lombardsatz weiterhin unverändert. Im Ostteil der Stadt berief die SED zum viertenmal in ihrer Geschichte eine Parteikonferenz ein, und weit im Süden, an der Germaniastrasse, erlitt ein Mädchen schwere innere Verletzungen, als es von einem Lastwagen erfasst wurde.» [NZZ Nr. 69, 23.3.1995, S. 45] (48) Die deutsche Vereinigung als mythische Heilung und heilige Nacht voll dunkler Bedeutung: das ist, wie «die im Schosse der Jungfrau geronnenen Gedanken Gottes» und manches andere in diesem Buch, höherer Blödsinn - grundiert vom Rauschen der Datenautobahnen. Gespickt mit erlesenen Referenzen, literarischen Topoi und Überlebensgrossen Kastrationsund Kopulationsallegorien, avanciert die historische Stunde so zu einem Megagleichnis des Schmerzes. «Nach dieser Nacht wird nichts mehr so sein wie zuvor.» [NZZ Nr. 69, 23.3.1995, S. 45] D i e metaphorischen Verwendungsweisen in (46) bis (48) setzen die Bekanntheit des Wortes Datenautobahn voraus: D i e metaphorische Verwendung des Wortes Datenautobahn kann hier nur unter Rückgriff auf das Bedeutungswissen verstanden werden. Derartige Metaphorisierungen stellen den stärksten Indikator für eine erfolgte Konventionalisierung dar.
178 7.6.2.2. Sprachsystematische Verankerung Das Vorkommen der beschriebenen Indikatoren zeugt davon, daß den Sprechern die Gebrauchsweise Datenautobahn bekannt ist und daß sie davon ausgehen, daß diese auch für die jeweils Angesprochenen verfügbar ist. Dieses Ergebnis der gebrauchstheoretisch angelegten Untersuchung wird durch neu erschienene Wörterbücher bestätigt. Die 1996 erschienene Ausgabe des DUDEN-Rechtschreibwörterbuchs und das entsprechende Pendant der Bertelsmann-Redaktion führen das Lemma .Datenautobahn' an. Im Rechtschreibwörterbuch der Dudenredaktion findet sich dazu folgender Eintrag: „EDV Einrichtung zur schnellen Übertragung von Datenmengen [ζ. B. über das Telefonnetz]"68; der entsprechende Eintrag im Rechtschreibwörterbuch von Bertelsmann lautet: „Leitungen, die in kurzer Zeit große Datenmengen übertragen können." 69
7.6.2.2.1. Kontextspezifik In Kapitel 2.3 wurden Regeln als Gebrauchserwartungen beschrieben. Entsprechend kann der Prozeß der Regelbildung als das allmähliche Entstehen und die Verfestigung von Gebrauchserwartungen betrachtet werden. Im Fall des Wortes Datenautobahn zeigen sich diese auch in der Einbettung des Wortes in den Rahmen eines bestimmten Diskurses. Das Wort Datenautobahn ist, wie die Äußerungsbeispiele der Materialsammlung zeigen, nicht an einen bestimmten Sprechakttyp gebunden, auch nicht an eine bestimmte Textsorte, wohl aber an einen bestimmten Diskurs. Bis auf drei Belege stammen alle angeführten Äußerungsbeispiele aus dem .Multimedia-Diskurs', das heißt, das Wort wird im Zusammenhang mit dem Thema .Multimedia' verwendet. Die drei Beispiele, die nicht aus diesem Diskurs stammen, sind metaphorische Verwendungen des Wortes Datenautobahn und finden sich im Feuilletonteil der NZZ.
7.6.2.2.2. Synonymie Die Verankerung im Rahmen des Sprachsystems zeigt sich auch an der Ausbildung synonymischer Beziehungen. Der Synonymie kommt unter den Bedeutungsrelationen eine besondere Bedeutung zu. Für das Sprachhandeln spielt sie ζ. B. eine wichtige Rolle im Rahmen der Sprachvariation und bei natürlichsprachlichen Bedeutungserklärungen. S t a b i l e synonymische und partiell-synonymische Beziehungen können sich erst entwickeln, nachdem sich eine metaphorische Verwendung konventionalisiert hat. Natürlich lassen sich auch Synonyme zu metaphorisch gebrauchten Wörtern bilden, aber diese variieren mit dem jeweiligen metaphorischen Gebrauch. Stabile synonymische Verhältnisse setzen - ähnlich wie allgemeine Worterklärungen - 70 Bedeutungskonstanz voraus.
68 69 70
D U D E N (1996: 201, Eintrag: Datenautobahn). BERTELSMANN (1996: o. S., Eintrag: Datenautobahn). Vgl. hierzu Kapitel 7.6.2.1.2.
179 In einem relativ engen synonymischen Verhältnis steht das Wort Datenautobahn natürlich zu entsprechenden amerikanischen Wortformen wie Datenhighway und Daten-Highway, Data-Highway, Information-Highway, Superhighway, Information-Superhighway, info-superhighway, communication highway. Dieses Synonymieverhältnis ist aber nicht auf eine sprachsystematische Verankerung zurückzuführen, sondern Ergebnis der parallelen Einführung des Wortes ins Deutsche. Funktional genutzt wird die Synonymie lediglich in (49), (50) und (55), in den anderen Äußerungsformen liegt eine Art Doppelnennung vor: (49) Regulatorische Hürden auf der US-Datenautobahn Zur Übernahme von McCaw durch AT&T Tz. New York, 7. April Die Bauarbeiten am amerikanischen «Information superhighway», über den einmal vielfältige interaktive Fernmeldedienste angeboten werden sollen, haben sich im allgemeinen Urteil von Branchenexperten markant verlangsamt. Ein Abbruch der ambitiösen Anstrengungen zu einer Datenautobahn wird zwar von niemandem ernsthaft befürchtet. [NZZ Nr. 82, 9.4.1994, S. 34] (50) Die bessere Ausnutzung der teuren Glasfaserkabel wird für Telefongesellschaften immer wichtiger. Denn mit der zunehmenden Verbreitung von Multimedia-Techniken wächst der Bedarf an Übertragungskapazität auf den Datenautobahnen ins Gigantische. Mit der neuen Technik glaubt Siemens, eine Führungsposition auf dem Information-Highway zu haben. [DER SPIEGEL Nr. 1, 2.1.1995, S. 65] (51)
Datennetze Boulevard der Einfalt Was vor allem wird wohl transportiert werden auf den Datenautobahnen, den Super-Highways des Informationszeitalters, die von Wirtschaftspolitikern und Managern gern als Allheilmittel gegen Rezession und Arbeitslosigkeit angepriesen werden? [DER SPIEGEL Nr. 9, 27.2.1995, S.168]
(52) Der Information Highway oder die «Datenautobahn» ist ein Hauptbestandteil der Out-ofhome-Netzwerke. In Zukunft wird der private Haushalt an ein Netzwerk - wie im Versuch in Orlando - angeschlossen sein, das die Übertragung von Daten wie Sprache, Bilder und Videos ermöglicht. [NZZ Nr. 79, 4.4.1995, S. 85] (53) Die Beteiligung, die sich durch zusätzliche Käufe am offenen Markt noch auf 20% treiben liesse, soll eine strategische Kooperation auf der bereits vielgefeierten «Datenautobahn» (Information Superhighway) untermauern; die zwei Konzerne Hessen sich dabei von der «Vision» leiten, dass sich in der Herstellung und im möglichst interaktiven Vertrieb von Informationen und Unterhaltungsinhalten ein erhebliches Synergiepotential ausschöpfen lässt [NZZ Nr. 109, 12.5.1995, S. 27] (54) Die «Information-Highways», die Datenautobahnen, werden unser Leben schneller und tiefgreifender verändern als die Erfindung der Eisenbahn oder der Elektrizität. [NZZ Nr. 228, 2.10.1995, S. 79] (55) Dann kommt es zum Zusammenprall auf der Datenautobahn - der Highway wird für Stunden gesperrt. Und Michael muß zurück in die Steinzeit: Mit dem Bleistift notiert er die Wünsche der Kunden, auf Papier, wie ein ganz normaler Baaker. [DER SPIEGEL Nr. 44, 30.10.1995, S. 135] (56) Die Kosten für die Datenübertragung werden ebenso drastisch sinken, wie wir es im Bereich der Datenverarbeitung bereits erlebt haben. Wenn sie niedrig genug sind und sich mit ande-
180 ren technischen Fortschritten verbinden, wird der Information Highway, die Datenautobahn, mehr als nur ein Schlagwort für übereifrige Manager und aufgeregte Politiker werden. Er wird so real und so allgegenwärtig sein wie Elektrizität. [DER SPIEGEL Nr. 47, 20.11.1995, S. 152] (57) Ein kostspieliges System, das nur ein paar Großunternehmen und wohlhabende Leute miteinander verbindet, wäre ganz einfach nicht der Highway, die Datenautobahn, sondern allenfalls eine private Datenstraße. Das Netz wird nicht genügend interessante Inhalte transportieren, wenn sich nur die einkommensstärksten zehn Prozent der Gesellschaft seiner bedienen können. [DER SPIEGEL Nr. 48, 27.11.1995, S. 126] Obwohl es - wie die Beispiele zeigen - einige Belege für den synonymen Gebrauch der Wörter Datenautobahn und entsprechender amerikanischer Varianten gibt, können diese aufgrund der mangelnden kommunikativen Etabliertheit und der fehlenden Integration im Sprachsystem des Deutschen kaum zur Verankerung des Wortes Datenautobahn beitragen. Anders verhält es sich mit dem Wort Datennetz. Mit der zunehmenden Etablierung des Wortes Datenautobahn im Rahmen des Mulitmedia-Diskurses entwickeln sich auch stabile synonymische Beziehungen zu Datennetz und .verwandten' Ausdrücken. Diese drücken sich nicht nur im synonymen Gebrauch der beiden Wörter in (58) bis (61) aus, sondern auch in der Entwicklung ähnlicher syntagmatischer Verhältnisse. Folgende Belege für einen synonymen Gebrauch der Wörter weist die Materialsammlung auf: (58) Die Zauberformeln der künftigen Mediengesellschaft lauten: Multi- bzw. Hypermedia, Interaktivität, Datennetze bzw. Datenautobahnen und Virtualität. [NZZ Nr. 200, 30.8.1995, S. 63] (59) Und schon gibt es den Typus des anspruchlosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinuntertrampt: Im Cyberspace ist immer Saison für eine wachsende Schar von Online-Wanderarbeitern, die sich für Gelegenheitsarbeiten im Datennetz verdingen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243] (60) Ziel der Totalrevision ist laut Bakom-Chef Marc Furrer nicht nur die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der Anschluss der Schweiz an die globalen Netze, die sogenannten Datenautobahnen. Durch das Zusammenwachsen von Telekomund Informatikbereichen verspricht man sich auch mehr Promotion für Anwendungen wie Interaktives TV, Teleshopping oder Telearbeit. [NZZ Nr. 201, 31.8.1995, S. 14] (61) Gerede um die «Datenautobahnen» Rexrodts Versuch, die Aufhebung des Netzmonopols zeitlich festzulegen, dürfte zudem der Schaffung von Kommunikationsnetzen und Fernmeldeeinrichtungen weit mehr nützen als all die Plädoyers und Phrasen, die man in jüngerer Zeit zugunsten der sogenannten transeuropäischen Netze oder «Datenautobahnen» immer wieder vernimmt. [NZZ Nr. 199, 27.8.1994, S. 23] Die Synonymie der beiden Wörter ergibt sich aber vor allem durch ähnliche Attribuierungen und durch Überschneidungen in der Verankerung der Valenzpläne bestimmter Verben. Die Kenntnis des Gebrauchs des Wortes Datenetz treibt so die sprachsystematische Verankerung des Wortes Datenautobahn voran. Analogien spielen bei diesem Prozeß eine wichtige Rolle:
181 „elektronische Datenautobahn" [NZZ Nr. 212, 13.9.1995, S. 16] [NZZ Nr. 229, 3.10.1995, S. 52]
„in einem elektronischen Datennetz" [NZZ Nr. 129, 6.6.1994, S. 11] „elektronischen Datennetzes" [NZZ Nr. 149, 30.6.1995, S. 78]
„digitalen Datenautobahnen" [DER SPIEGEL Nr. 27, 3.7.1995, S. 182]
„digitale Netze" [NZZ Nr. 200, 30.8.1995, S. 63]
„Nutzung der «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 10, 13.1.1994, S. 33]
„Nutzung bestehender Telekommunikationsnetze" [NZZ Nr. 79, 4.4.1995, S. 75]
„Ausbau der Datenautobahn" [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 212; DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99; DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99; DER SPIEGEL Nr. 18, 1.5.1995, S. 82]
„Ausbau und Verzahnung der nationalen Datennetze" [NZZ Nr. 166, 19.7.1994, S. 19] „Ausbau der Netze" [NZZ Nr. 133, 12.6.1995, S. 13]
„die sich im Aufbau befindenden «Datenautobahnen»" [NZZ Nr. 137, 16.6.1995, S. 46]
„Aufbau leistungsfähiger Datennetze" [NZZ Nr. 155, 7.7.1995, S. 69]
„Anschluss der Schweiz an die globalen Netze, die sogenannten Datenautobahnen" [NZZ Nr. 201, 31.8.1995, S. 14]
„für den Anschluss ans Datennetz" [NZZ Nr. 217, 19.9.1995, S. 95]
„ internationalen «Datenautobahnen» " [NZZ Nr. 178, 4.8.1995, S. 19] „über «Datenautobahnen» international vernetzt sein" [NZZ Nr. 233, 7.10.1995, S. 80]
„international gewordenen Netz" [NZZ Nr. 233, 7.10.1995, S. 80]
„weltweiten Datenautobahnen" [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99]
„Weltweites Datennetz" [NZZ Nr. 79, 4.4.1995, S. 96] „weltweites firmeninternes Datennetz" [NZZ Nr. 79, 4.4.1995, S. 96] „weltweiten Verknüpfungen der Datennetze" [NZZ Nr. 214, 15.9.1995, S. 15]
„Internet-Datenautobahn" [NZZ Nr. 266, 15.11.1995, S. 52] „«Datenautobahn» bzw. das Internet «Microsoft Network»" [NZZ Nr. 113, 17.5.1995, S. 29]
„Datennetz Internet" [DER SPIEGEL Nr. 43, 24.10.1994, S. 3 (Hausmitteilung)]
182 „Beim Internet handelt es sich um eine der derzeit wichtigsten «Daten-Autobahnen» für Kommunikation von Computer zu Computer. " [NZZ Nr. 139, 17.6.1994, S. 65] Dennoch lassen sich auch deutliche Unterschiede im Gebrauch erkennen. Charakteristisch für das Wort Datennetz ist sein fachsprachlicher Gebrauch. Aus dem Fachwortschatz kommend wird es in viel stärkerem Maße in thematisch spezialisierten Zusammenhängen gebraucht. Das Wort Datenautobahn hingegen hat sich dort etabliert, wo die Sprecher - aufgrund mangelnder Kenntnisse oder einfach aufgrund der Irrelevanz technischer Details bestimmte Differenzierungen nicht vornehmen wollen oder können. Der kommunikative Erfolg des Wortes Datenautobahn ist darauf zurückzuführen, daß es eine Fülle von Ausdrucksmöglichkeiten liefert und gleichzeitig Komplexität reduziert. Die Überschneidung im Gebrauch der beiden Wörter ergibt sich daher vor allem in fachlich nicht sehr stark ausdifferenzierten Zusammenhängen. Auch die Worte Global Village, Telepolis und Cyberspace weisen in einigen Gebrauchsweisen eine gewisse Ähnlichkeit zum Gebrauch des Wortes Datenautobahn auf. Global Village, das von Marshall McLuhan eingeführt wurde, konnte sich jedoch im deutschen Sprachraum kaum durchsetzen und spielt deshalb eine untergeordnete Rolle. Ähnliches gilt für die die Wortschöpfung Telepolis, die der Medientheoretiker Florian Rötzer schuf. Kommunikativ sehr erfolgreich ist aber das Wort Cyberspace.71 Es handelt sich hier um ein Kunstwort72 des Science-Fiction-Autors William Gibson, das eine prominente Rolle in der Erzählung „Chrom brennt" spielt, in der die Geschichte zweier Hacker erzählt wird.73 Cyberspace ist bei Gibson ein Synonym für den Raum hinter dem Bildschirm, fiir ein weltumspannendes Netzwerk, die Matrix, an der sich Menschen direkt mit ihrem Nervensystem anschließen können. [...] Mit dem Begriff Cyberspace wird der Zustand des Eintauchens in eine virtuelle Umgebung bezeichnet, Cyberspace wird verstanden als „a place, a mode of being; a place, where one is, when accessing the world computer net."74
In einigen Fällen wird das Wort Cyberspace synonym zu Datennetz und Datenautobahn verwendet, so in (62), wo das Synonym der Äußerungsvariation dient. In (63), (64) und (66) wird das Wort Cyberspace ganz ähnlich verwendet wie in Äußerungsbeispielen der Materialsammlung, die inhaltlich von den juristischen Problemen handeln („Urheberrecht auf «Datenautobahn»" [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11], vgl. auch 7.5.5.2):
71 72
73 74
Vgl. auch DUDEN (1996: 197, Eintrag: Cyberspace). Bei Bühl (1996: 19) findet sich folgende Erklärung des Wortes: „Cyber stammt aus dem Griechischen und bedeutet dort soviel wie navigieren, steuern (kybernetike = Steuermannskunst), folglich auch der Begriff Kybernetik oder im Englischen cybernetics bzw. cyberneticism. Der zweite Teil space bedeutet auf englisch Raum und leitet sich vom lateinischen spatium (Raum, Weite) ab." Vgl. Bühl (1996: 19). Ebd. 20.
183 (62) Und schon gibt es den Typus des anspruchlosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinuntertrampt: Im Cyberspace ist immer Saison für eine wachsende Schar von Online-Wanderarbeitern, die sich für Gelegenheitsarbeiten im Datennetz verdingen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 243] (63) Seit Jahresbeginn erfasst das revidierte Vermögensstrafrecht auch Computerdelikte. Und ein Schutz des geistigen Eigentums besteht im Grunde schon seit langem, obwohl so mancher bis anhin nicht wahrhaben wollte, dass Urheberrechte eben auch im Cyberspace gelten (vgl. NZZ Nr. 164). [NZZ Nr. 232, 6.10.1995, S. 77] (64) Eines der grössten juristischen Probleme bleibt aber die Strafverfolgung selbst. Sie scheitert im Cyberspace oft an der fehlenden Gerichtsbarkeit. Landesgrenzen und Distanzen sind in den internationalen Datennetzen ohne Bedeutung. [NZZ Nr. 232, 6.10.1995, S. 77] (65) Desgleichen kann sich eine Suche im Internet leicht zu einer stundenlangen Reise im Cyberspace ausweiten. Informationssuche hat immer auch mit Prioritätensetzung und Selektion zu tun. Es wäre ein Trugschluss, anzunehmen, dass ζ. B. wissenschaftliches Arbeiten mit dem Zugriff auf alle benötigten Informationen einfacher würde. Im Gegenteil. Unorganisierte Fakten allein machen noch keine Wissenschaft aus. [NZZ Nr. 286, 8.12.1995, S. 65] (66) Oft hört man, dass es sich beim Internet um einen rechtsfreien Raum handle. Der regellose Cyberspace ist jedoch eine Illusion. Die Einspeisung von Werbebotschaften ins Internet führt im Gegenteil zu erheblichen rechtlichen Problemen. Denn was am Orte der Einspeisung als rechtlich zulässig oder ethisch verantwortbar betrachtet wird, kann am Empfangsort den dort herrschenden Regeln und Gebräuchen völlig widersprechen. Auch in der Schweiz gibt es keinen rechtsfireien Cyberspace. Allerdings untersteht das Internet auch hierzulande keinem eigentlichen Aufsichtsorgan. [NZZ Nr. 289, 12.12.1995, S. 26] Die Wahl einer Metapher und die Bezugnahme auf einen bestimmten Diskurs bringt immer auch eine gewisse Perspektivierung mit sich. Im Zusammenhang des Wortes Cyberspace wird viel stärker als beim Gebrauch der metaphorischen Wendung Datenautobahn die Simulation von Wirklichkeit thematisiert. Typisch für den Gebrauch des Wortes Cyberspace ist zum Beispiel ein Zeitungsausschnitt wie der folgende: (67) Atemlos an der Schwelle zum Cyberspace Telepolis - die (virtuelle) Stadt der Zukunft Die zukunftsgerichtete Kommunikationstechnologie verändert bereits die Gegenwart: Vom heimischen Computer aus erschliesst das Internet den sogenannten Cyberspace, einen nach kybernetischen Regeln organisierten «bioelektronischen Raum» voller Wissen, Bilder, Informationen. Utopisten siedeln darin schon die neue Stadt von morgen an und verheissen, die Architekten würden dereinst, statt Gebäude zu bauen, dreidimensionale virtuelle Welten errichten. [NZZ Nr. 266, 15.11.1995, S. 45] Mit Wörtern wie Cyberspace - und gleiches gelte für Global village und Telepolis - werde kein realer Raum, kein Dorf oder keine Stadt bezeichnet, sondern vorgestellte, mögliche virtuelle Räume: angesiedelt in der imaginären Sphäre, in die Menschen sich dann begeben, wenn sie räumlich voneinander getrennt sind und mittels technischer Medien wie Telefon
184 oder Computer miteinander kommunizieren.75 Im Unterschied zur Datenautobahn-Metapher, schreibt Bühl, erfasse die Metapher vom Cyberspace die Virtualisierung gesellschaftlicher Verhältnisse, die Dopplung der Realität in die reale Realität und eine virtuelle Realität sowie die sich aus der Dopplungsstruktur ergebenden sozialen, kulturellen und subjektbezogenen Konsequenzen.76 Das Wort Cyberspace ist daher ebenfalls nur partiell synonym zu Datenautobahn.
7.6.2.2.3. Perspektivierungen Jede Metapher schafft nicht nur eine Reihe von Ausdrucksmöglichkeiten. Sie führt auch, das zeigt der Vergleich mit synonymen und partiell-synonymen metaphorischen Verwendungen, zu einer inhaltlich-thematischen Fokussierung. Der Bezugsdiskurs steuert zwar nicht die Metaphernbildung - die einzelne Metapher wird immer durch den einzelnen Sprecher geprägt oder wiederholt - , dennoch ergibt sich mit der Bezugnahme auf einen Diskurs eine gewisse materialgesteuerte Perspektivierung. Diese Selektivität des metaphorischen Sprechens ist immer wieder hervorgehoben worden, vor allem von Forschungsrichtungen, die sich anlehnend an die Untersuchung von Lakoff/Johnson77 mit metaphorischen Konzepten beschäftigen. Ein metaphorisches Konzept, schreibt Brünner, sei notwendig selektiv, bestimmte Eigenschaften eines Objekts der Erfahrung würden hervorgehoben, andere wiederum verdeckt, weil sie mit dem Konzept nicht konsistent sind.78 Diesen Aspekt betonen auch Helmers/Hoffmann/Hofmann, wenn sie den metaphorischen Gebrauch von Datenautobahn und globales Dorf miteinander vergleichen. Die beiden Metaphern entfalteten gegensätzliche Visionen: Je nach Standort und Interessenlage leuchten sie einzelne Eigenschaften von Datennetzen aus und reduzieren diese auf die durch das Bild herausgehobenen Merkmale. Dies gilt fur die Idylle des gemächlichen Lebens in einer überschaubaren, nachbarschaftlichen Gemeinschaft ebenso wie für die kapital- und bürokratieintensive Unternehmung einer Informationsinfrastruktur, für die die Datenautobahn im Kern steht, auch wenn diese Metapher für vielfaltige Anspielungen verfügbar ist
Der Kern der Datenautobahn-Metapher sei ein „ A k t i o n s p r o g r a m m , das an den Aufund Ausbau von großen technischen Systemen, wie in der sozialwissenschaftlichen Technikforschung die großen Infrastruktursysteme im Energie-, Verkehrs- und Telekommunikationsbereich genannt werden, anschließt [...]". 80
75
76 77 78 79 80
Vgl. Wetzel (1995: 42). Damit weist Wetzel auf eine zweite Lesart von Cyberspace die der Aspekt der Virtualität akzentuiert wird. Vgl. Bühl (1996: 21). Lakoff/Johnson (1980); vgl. hierzu auch Lakoff (1987); Pielenz (1993). Vgl. Brünner (1987: lOlf.). Helmers/Hoffmann/Hofmann (1994: o. S.). Ebd.
hin, durch
185 Auch Bühl bringt gegen die Verwendung des metaphorischen Kompositums Datenautobahn vor, daß sie zu stark auf die Infra-Struktur abhebe. Bühl spricht in diesem Zusammenhang von „[technischemReduktionismus". 81 Tatsächlich haben viele - wenn auch bei weitem nicht alle - Verwendungen des Kompositums Datenautobahn etwas mit den Möglichkeiten der Infra-Struktur zu tun. Die Verwendungen, die die Geschwindigkeit bzw. mangelnde Geschwindigkeit thematisieren, fügen sich kohärent in die Forderung nach Schaffung und Ausbau von Datennetzen. Das Material des Bezugsdiskurses bietet sich für solche thematischen Fokussierungen geradezu an: So eigenen sich z. B. - wie oben dargestellt - Wörter wie Rushhour, Stoßverkehr, Staumeldung, Stau, Verkehrschaos, Überlastung etc. in besonderer Weise, Probleme darzustellen, die mit der Überlastung von Datennetzen zusammenhängen. Allerdings, das zeigen die Äußerungsbeispiele der Materialsammlung ebenso, ist damit bei weitem nicht das ganze Spektrum der Gebrauchsweisen erfaßt. Kaum thematisiert oder problematisiert wird in der Forschungsliteratur die Art und Weise, wie Kommunikation durch die Datenautobahn-Metapher gefaßt wird. Wenn man die Datenautobahn-Metapher und die damit einhergehende Selektivität hinsichtlich des Kommunikationsprozesses betrachtet, so ist augenscheinlich, daß der Aspekt der Dialogizität kaum in den Blick kommt. Im Zusammenhang der Multimedia-Entwicklung wird zwar immer wieder die Erwartung ausgesprochen, daß die technischen Innovationen ganz neue kommunikative Möglichkeiten schafften, daß ein weltweites Kommunikationsnetz entstehe, daß die Menschen über weite Entfernungen miteinander in den Dialog treten könnten. Die verschiedenen in diesem Zusammenhang entstandenen Metaphorisierungen, insbesondere die hier untersuchte Datenautobahn-Metapher, sparen diesen Aspekt jedoch eher aus. Die Metapher Datenautobahn und sich auf diese beziehende Gebrauchsweisen knüpfen, wie unter 7.5.3 ausgeführt, an die sogenannte Conduit-Metapher an. Die metaphorischen Verwendungen dieses Konzepts implizieren, wie Brünner es ausdrückt, „daß sich Gedanken, Gefühle und Bedeutungen fertig v o r f a b r i z i e r t in unserem Personen-Behälter befinden, die wir nur noch in Worte fassen und absenden müssen." 82 Die mit der Verwendungsweise Datenautobahn ins Spiel gebrachte Transportmetaphorik baut auf diesen Vorstellungen auf. Das Konzept der Conduit-Metapher verdeckt jedoch zentrale Aspekte der kommunikativen Interaktivität, vor allem das Aufeinanderbezogensein von Äußerungen, das Eingebundensein der Äußerung in einen Äußerungskontext und den Sachverhalt, daß Verstehen sich nicht selbstverständlich ergibt.83 Die Spezifik kommunikativer Vorgänge im Datennetz, die Art und Weise, wie ζ. B. Benutzer über E-Mail oder synchron über Video Conferencing etc. miteinander kommunizieren, wird im Rahmen der Datenautobahn-Metapher kaum thematisiert. Eine der wenigen Ausnahmen stellt das folgende Äußerungsbeispiel aus der NZZ dar: (68) Aus der Daten-Einbahnstrasse, auf der die Fernsehanstalten ihre Programme zu den Zuschauern senden, sollen Datenautobahnen werden, auf denen Zuschauer und Fernsehanstalten kommunizierend hin und her pendeln. Die Radikalversion von interaktivem Fernsehen heisst «Video on Demand» (VOD), was zu Deutsch etwa «Film auf Wunsch» heisst und nichts anderes ist als eine riesige digitale Videothek. Der Fernsehzuschauer sieht nicht
81 82 83
Vgl. Bühl (1996: 41). Brünner (1987: 108); vgl. auch Lakoff/Johnson (1982). Vgl. hierzu auch Brinker/Sager (1989: 126f.).
186 mehr ein bestimmtes Programm, sondern wählt am Bildschirm in einer grossen Datenbank den Film aus, den er gerade sehen will. [NZZ Nr. 93, 22.4.1995, S. 51] Der dialogische Aspekt ist hier allerdings äußerst marginal, die Interaktivität beschränkt sich auf das Auswählen von Möglichkeiten aus einem Programmpaket. Fast alle Aspekte der Dialogizitätvon Kommunikation befinden sich im „toten Winkel" der Metapher. So nennt Brünner jene Aspekte, die durch eine Metapher nicht erfaßt werden. 84 Die Datenautobahn-Metapher schafft zwar eine Reihe von Ausdrucksmöglichkeiten, sie läßt aber, wie die meisten alltagssprachlichen Konzeptualisierungen von Sprache, eine Reihe der Aspekte unberücksichtigt, die für die Struktur dialogischer Kommunikationsprozesse charakteristisch sind.
7.6.2.2.4. Verlust an Explizitheit - Öffnung für neue Kollokationen Mit der Konventionalisierung einer metaphorischen Gebrauchsweise ist Explizitheit als metaphernindizierendes und verständnissicherndes Mittel nicht mehr nötig. Es gibt keine kommunikative Notwendigkeit mehr, im Rahmen der Verwendung des Wortes andere Wörter des entsprechenden Bezugsdiskurses mit anzuführen, es sei denn, die Komplexität der Metapher wird kommunikativ genutzt. Das Nomen Datenautobahn wird damit frei für andere Kollokationen, für Kollokationen, die nicht dem metaphorischen Bezugsdiskurs entstammen:85 (69) Zu bedenken gilt es zudem, dass der informationstechnologische Kulturkampf der Schule in Freizeit und Beruf - und darauf hätte die Schule ja vorzubereiten - schon längst zugunsten einer beachtlichen Informationskultur entschieden worden ist. Umgekehrt ist das Szenario der Datenautobahn als Lernhilfe durchaus realistisch: An vielen Universitäten weltweit ist der Internet-Anschluss Usanz, und Datennetze für Schüler wie «National Geographie Kids Network» in den USA, «Campus 2000» in Grossbritannien oder «Transatlantisches Klassenzimmer» in Deutschland finden immer mehr Nachahmer. [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 80] (70) Denn nur Lehrpersonen, die in der Lage sind, die auf den Datenautobahnen transportierten Inhalte kritisch zu fìltern, ergänzen in ihrem Unterricht glaubhaft die virtuellen Lebenswelten der Jugend. [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 80] (71) Marcus Brunswick, Sportstudent mit Knopf im Ohr, fährt seit dem 11. September auf der Datenautobahn der Bank 24. Vorher war er Taxifahrer. Neben ihm sitzt eine Supervisorin, die seine Gesprächsführung kontrolliert. [DER SPIEGEL Nr. 44, 30.10.1995, S. 135] (72) Doch für die Lehranstalten bahnen sich Änderungen an, die den Computerunterricht von heute bald so veraltet erscheinen lassen werden wie ein Autoquartett neben einem Gameboy. Lehrer, Schüler und Eltern drängen seit langem massiv darauf, die Klassenzimmer an die Datenbahnen anzuschließen; nun hoffen auch Verlage, mit verkabelter Bildung ihr Ge-
84 85
Vgl. Brünner (1987: 107). Vgl. hierzu auch die Beispiele (46) bis (48) in Kapitel 7.6.2.1.4.2.
187 schäft zu machen. Berauscht von der neuen Technik sind sie alle; über die Inhalte denkt kaum einer nach. [DER SPIEGEL Nr. 51, 18.12.1995, S. 54]
Solche Kollokationen würden bei originären Metaphern als .Störung' oder als Unstimmigkeit empfunden. Erst durch die Ablösung aus dem Verfahren .verblaßt' die Beziehung zum Bezugsdiskurs. Die Bedeutungskonstanz erlaubt es den Sprechern, das Wort Datenautobahn nun auch mit Wörtern zu verbinden, die einen sehr unspezifischen Kollokationsbereich aufweisen. Dies wird besonders deutlich bei nominalen Verbindungen wie Dank der ..., im Zeitalter von ... etc.: (73) Um die an Multimedia, Datenautobahn und Cyber-Technologie geknüpften Hoffnungen zu beurteilen, erscheint es notwendig, sich deren Möglichkeiten knapp zu vergegenwärtigen. [NZZ Nr. 101, 3.5.1995, S. 44] (74) Den neuen Techniken wird auch eine wesentliche Linderung der ökologischen Probleme zugetraut. Dank der «Datenautobahn» wird man ja vermehrt von zu Hause aus und erst noch mit der im Äther oder in Glasfaserkabeln zulässigen Lichtgeschwindigkeit arbeiten, Videokonferenzen durchführen, Bankgeschäfte abwickeln, einkaufen oder Videos anfordern können. [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65] (75) Diese Beschwörungsformel muss um so eindringlicher heruntergebetet werden, j e weniger Bedeutung dem Ort im Zeitalter elektronischer Medien, Datenautobahnen und Faxgeräte für die künstlerische Produktion zukommt. [NZZ Nr. 90, 19.4.1995, S. 46]
Auch wenn sich für das Wort Datenautobahn inzwischen relativ stabile Gebrauchserwartungen entwickelt haben, ist der Prozeß der sprachsystematischen Verankerung noch im Fluß. Erst eine spätere Untersuchung wird zeigen können, welche Kollokationen und welche synonymischen Beziehungen sich herausgebildet haben und welchen Ort das Wort in den Valenzplänen der Verben einnimmt.
7.7. Zusammenfassung
Anhand der Äußerungsbeispiele der Materialsammlung wurden Entstehung, Habitualisierung und Konventionalisierung einer metaphorischen Lesart nachgezeichnet. Dabei wurde der in der Forschungsliteratur immer wieder erhobenen Forderung, Sprachentwicklungsprozesse nicht isoliert auf der Systemebene zu beschreiben, sondern „als Erscheinungsformen sozialen Handelns, d. h. als sinnorientiertes menschliches Verhalten in historischen Zusammenhängen" zu begreifen, Rechnung getragen.86 Entsprechend dem hier skizzierten Projekt einer kommunikativen Grammatik wurde das metaphorische Sprechen nicht isoliert, sondern auf dem Hintergrund komplexer Hand-
86
Vgl. Cherubim (1984: 804); vgl. ζ. B. auch Hartig (1983: 192), Schänk (1984: 761f.) und Mattheier (1984: 723).
188 lungsstrukturen dargestellt. Die Etablierung der metaphorischen Verwendung Datenautobahn nimmt - wie gezeigt werden konnte - ihren Anfang in einer Situation des soziokulturellen Wandels, der eng mit der Entstehung neuer Technologien und den dadurch notwendig werdenden Strukturveränderungen verbunden ist. Die mangelnde Wissens- und Handlungskompetenz vieler Sprecher begünstigt die Verbreitung einer metaphorischen Verwendungsweise, die in ihrer Bezugnahme auf ein bekanntes Wortrepertoire zurückgreift. Der Autobahn-Diskurs erweist sich dabei in mehrfacher Hinsicht als geeigneter Bezugsdiskurs: - Er ist hinreichend bekannt und einfach strukturiert. - Er liefert zahlreiche sprachliche Anknüpfungspunkte für den Ausbau der Metapher, so daß die Sprecher verschiedenste inhaltliche Aspekte unter .Ausbeutung* der Komplexität der Metapher zum Ausdruck bringen können. - Die Gebrauchsweisen des Autobahn-Diskurses eignen sich durch die positive Bewertung, die das Autofahren im Bewußtsein vieler erfährt, in besonderem Maße zur Darstellung technischer Innovationen. - Die Metapher schließt nahtlos an zahlreiche lexikalisierte Metaphern an, die der Conduit-Metapher zuzuordnen sind. Sie integriert sich damit in ein metaphorisches Konzept, das aufgrund der großen Verbreitung der Lesarten für viele Sprecher eine hohe Plausibilitätbesitzt. Die Art und Weise, wie in verschiedenen Metaphernbildungen immer wieder Bestandteile eines anderen Diskurses .eingebaut' werden (vgl. insbesondere Kap. 7.5.5.1), bestätigt den in Kapitel 5.2.2 beschriebenen Prozeß der metaphorischen Bezugnahme. Das hier gewählte Analysemodell, das auf Wittgensteins Sprachspielbegriff basiert, läßt solche Prozesse transparent werden, weil es die Metapher nicht auf bildliche oder konzeptuelle Aspekte reduziert, sondern die sprachliche Seite der Metapher sehr ernst nimmt. Die Ausgangsüberlegung, daß Sprachentwicklungsprozesse über das sprachliche Handeln der Mitglieder einer Sprachgemeinschaft verlaufen, erforderte ein methodologisches Vorgehen, das den Zusammenhang zwischen Regelveränderungen und Sprachkompetenz darzustellen imstande ist. In diesem Zusammenhang wurden verschiedene Indikatoren beschrieben, an denen erkennbar ist, daß sich eine metaphorische Lesart habitualisiertbzw. konventionalisiert hat. Die Plausibilität der auf gebrauchstheoretischer Basis entwickelten Indikatoren konnte anhand zahlreicher Äußerungsbelege aus der Materialsammlung gezeigt werden. Die sprachsystematische Verankerung einer metaphorischen Lesart zeigt sich auch an der Ausbildung synonymer Strukturen. In diesem Zusammenhang wurde zum einen das Verhältnis des Wortes Datenautobahn zu entsprechenden Wörtern anglo-amerikanischen Ursprungs wie Datenhighway, Daten-Highway, Data-Highway, Information-Highway, Superhighway, Information-Superhighway, info-superhighway, communication highway angesprochen, zum anderen das Synonymieverhältnis zu Datennetz und metaphorischen Schöpfungen wie Cyberspace, Global Village und Telepolis untersucht. Ein enges Synonymieverhältnis besteht zu den anglo-amerikanischen Varianten. Allerdings können diese aufgrund der eingeschränkten kommunikativen Bedeutung im Sprachgebrauch des Deutschen kaum zur systematischen Verankerung des Wortes Datenautobahn beitragen.
189 Anders verhält es sich dagegen mit dem lexikalisierten Wort Datennetz: Die Synonymie zu Datennetz fördert den Ausbau syntagmatischer Strukturen. Die Äußerungsbeispiele der Materialsammlung lassen erkennen, daß der Ausbau typischer Nominalgruppen für Datenautobahn weitgehend parallel verläuft, obgleich das Wort Datennetz eine viel stärkere Verankerung in fachsprachlichen kommunikativen Zusammenhängen aufweist als das Wort Datenautobahn. Partiell synonym sind auch die Verwendungen Cyberspace, Global Village und Telepolis. Kommunikativ etabliert hat sich im Deutschen allerdings nur die Verwendungsweise Cyberspace. Im Vergleich wurden auch hier deutliche Gebrauchsunterschiede erkennbar, die auf die jeder Metapher eigene Perspektivität zurückgeführt werden können. Die Tatsache, daß Sprecher Gebrauchserwartungen hinsichtlich einer eingeführten metaphorischen Verwendungsweise haben, ist die Voraussetzung für deren weitere sprachsystematische Verankerung, ein Prozeß, der für das Wort Datenautobahn noch nicht abgeschlossen ist. Die Kenntnis der Lesart macht das metaphorische Verfahren überflüssig. Damit entfällt die Notwendigkeit, im Rahmen der metaphorischen Verwendung den Bezugsdiskurs mit anzuführen. Die Lesart kann nun .freier' gebraucht werden, es können sich in viel stärkerem Ausmaß neue syntagmatische Bezüge herausbilden. Die Gebrauchsweise kann sich dadurch so weit .verselbständigen', daß der Bezugsdiskurs kaum noch oder gar nicht mehr spürbar ist. Insgesamt zeigt sich an den hier verfolgten Beispielen der Prozeß der Konventionalisierung als ein Zusammenwirken sogenannter .externer' und .interner' Faktoren. Die rasche Habitualisierung und Konventionalisierung der metaphorischen Verwendungsweise Datenautobahn hängt auf der einen Seite eng zusammen mit Veränderungen der Lebensform und der damit verbundenen Kommunikationsstrukturen. Daß sich aber unter den verschiedenen möglichen Ausdrucksformen die Gebrauchsweise Datenautobahn kommunikativ durchgesetzt hat, ist auch auf die günstigen sprachsystematischen Voraussetzungen (vgl. Kap. 7.5.3 und 7.5.4) und auf die Komplexität (vgl. Kap. 7.5.5) der hier untersuchten Metapher zurückzuführen.
8. Resümee
Die vorliegende Untersuchung nahm ihren Ausgangspunkt in der Feststellung, daß das metaphorische Sprechen zwar eine Erscheinungsform des kreativen Sprachgebrauchs darstellt, daß eine einseitige Fokussierung des kreativen Moments aber zu einer Vernachlässigung grundlegender Aspekte metaphorischen Sprechens führt. Die Untersuchung sollte zeigen, daß Regelbefolgung und kreativer Umgang mit Sprache nicht unvereinbare Gegensätze, sondern im metaphorischen Sprechen eng miteinander verwoben sind. In der Anwendung des metaphorischen Verfahrens verhalten sich Sprecher zugleich regelhaft und nicht-konventionell. Das spezifische Zusammenwirken von Regelbefolgung und kreativem Umgang mit Regeln kann nur greifbar werden, wenn die in der Forschungsliteratur vorherrschende Privilegierung der Wort- und Satzebene zugunsten einer holistischen Sicht aufgegeben wird. In der Auseinandersetzung mit dem in der Literatur vertretenen .Abweichungstheorem', dem ,Uneigentlichkeitstheorem',dem , Falschheitstheorem' und dem .Theorem der übertragenen Bedeutung' konnte gezeigt werden, daß eine Reihe von Erklärungsproblemen entsprechender Ansätze auf die Verengung der Perspektive zurückzuführen ist, die mit der Beschränkung auf die Wort- und Satzebene einhergeht. (Vgl. Kap. 3.2) Dieser Arbeit wurde daher ein methodologisches Konzept zugrunde gelegt, das es erlaubt, das metaphorische Sprechen in konkreten Äußerungs- und Handlungszusammenhängen, in Sprachspiel und Lebensform zu verorten. Einen geeigneten Rahmen hierfür bietet das Konzept einer kommunikativen Grammatik, das im Anschluß an die sprachanalytische Philosophie Eingang in die Linguistik gefunden hat. Zu den Grundannahmen dieses Ansatzes gehört, daß Sprechen eine Form des kommunikativen Handelns darstellt, das - wie vor allem Wittgenstein mit seiner Spielanalogie herausgestellt hat - Regeln folgt. In Abgrenzung zu .verwandten' Begriffen und in Absetzung von Konzepten, die Regeln vornehmlich im Bereich der Syntax ansiedeln, kam ein Begriff der .Regel' zur Anwendung, der sich auch für die Beschreibung von Regelstrukturen auf der Ebene der Sequenz-, Dialog- und Verfahrensmuster eignet und demzufolge Regeln als Gebrauchserwartungen aufzufassen sind. (Vgl. Kap. 2.3) Auf der Grundlage dieser Überlegungen konnte den kompositioneil verfahrenden Theorien ein Modell gegenübergestellt werden, das metaphorische Äußerungen in ihrer Einbindung in größere Zusammenhänge auch als regelbasiert betrachtet. Nicht der Regelverstoß steht dabei im Vordergrund, sondern das Zusammenspiel von kreativen Sprachprozessen und Mustern. Erst unter dem Blickwinkel einer kommunikativen Grammatik wird sichtbar, daß Sprechen als ein den kommunikativen Bedürfnissen angepaßtes Verhalten der Veränderung und Innovation bedarf, daß sich dieses Sprechen ,am Rande der Kompetenz' angesichts seiner Vagheit und Offenheit aber immer wieder rückversichern muß. Durch die verschiedenen Einbindungen in Musterkontexte und die damit einhergehenden Sinnerwartungen werden die traditionell als vage und unsicher eingeschätzten Prozesse beim metaphorischen Sprechen kanalisiert.
192 Die von komplexen Mustern ausgehenden kommunikativen Erwartungen nehmen bei der Bildung und beim Verstehen von Metaphern eine wichtige Steuerungsfunktion wahr. Dabei wirken drei allgemeine, nicht-metaphernspezifische Kompetenzen zusammen: Die Kenntnis von Mustern auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen, idiomatische Kompetenz (verstanden als die Fähigkeit, aufgrund der Bildungskräfte kleinerer syntagmatischer Einheiten komplexere Einheiten zu erkennen) sowie die Fähigkeit zur Bildung und Wahrnehmung von Analogien. Wie die verschiedenen Spielarten der Analogie auf der Basis von Mustererwartung und Mustererfüllung funktionieren, wurde in Kap. 5.2.3 demonstriert. Es konnte gezeigt werden, daß das metaphorische Verfahren nicht nur auf einer Reihe von Kompetenzen basiert, die auch in anderen sprachlichen Vollzügen von Bedeutung sind, sondern als Teil der Kompetenz selbst musterhafte Züge aufweist. In diesem Zusammenhang wurde der Terminus .Verfahrensmuster' eingeführt. Ein Verfahrensmuster stellt eine Art funktionales Raster dar, das den kreativen Prozeß an das Sprachsystem bindet. In diesem Sinne kommen in einer Metapher immer schon kreatives Potential und regelbasiertes Wissen zusammen. (Vgl. Kap. 5.2) Eine zentrale Komponente des Verfahrensmusters ist das Zurückgreifen auf Sprachspielwissen. Die metaphorisch gebrauchten Wörter und Syntagmen tragen nicht nur zur Identifikation der Metapher bei, ihre Hauptaufgabe im Rahmen des Verfahrens besteht im Aufbau einer sprachlichen Verweisstruktur. Die spezifische Leistung der Metapher besteht gerade darin, daß die metaphorisch verwendeten Wörter kraft ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Sprachspielen und Diskursen bestimmte Sinnhorizonte eröffnen. (Vgl. Kap. 5.2) Wenn die Metapher auch keine Funktion im sprechakttheoretischen Sinn hat, so ließ sich doch zeigen, daß diese Verweisstruktur der Metapher ein ganz eigenes kommunikatives Potential hat, das von Sprechern auf unterschiedliche Weise funktional genutzt werden kann. (Vgl. Kap. 5.3) Auch für die Beschreibung von Konventionalisierungsprozessen erweist sich das Konzept einer kommunikativen Grammatik als äußerst fruchtbar, weil es Veränderungen der Sprache stets als Veränderungen der Gebrauchsbedingungen von Sprache begreift. Mit der Habitualisierung und Konventionalisierung einer metaphorischen Lesart ändern sich die Gebrauchsbedingungen für die Sprecher in spezifischer Weise; die gängige Unterscheidung zwischen .lebender' und ,toter' Metapher reicht nicht aus, um die Dynamik dieser Veränderungsprozesse zu erfassen. Es wurde deshalb ein Stufenmodell vorgestellt, welches die verschiedenen Prozesse - von der Etablierung und Anwendung des Verfahrens und der Konventionalisierung metaphorischer Verwendungsweisen bis hin zur Etablierung metaphorischer Bezugsbereiche - erfaßt. In diesem Zusammenhang wurden auf gebrauchstheoretischem Hintergrund Indikatoren herausgearbeitet, die Rückschlüsse auf den Stand der Habitualisierung bzw. Konventionalisierung einer Metapher erlauben. Die vorgenommene Einteilung in Phasen berücksichtigt die unterschiedlichen Kommunikationskonstellationen und die spezifischen Bedingungen, die sich für die Sprecher daraus ergeben; anhand der so beschriebenen kommunikativen Settings läßt sich ein angemessenes Bild von der Differenziertheit des metaphorischen Sprachgebrauchs zeichnen. (Vgl. Kap. 6) Am Beispiel der Metapher Datenautobahn wurde dieses Modell exemplarisch angewandt und konkretisiert. Auf der Grundlage eines umfangreichen Zeitungskorpus wurde aufgezeigt, wie die Metapher in den Sprachgebrauch eingeführt wurde und unter welchen Bedingungen es von der wiederholten Verwendung zur Habitualisierung und schließlich zur Konventionalisierung der metaphorischen Lesart kam. (Vgl. Kap. 7)
193 Dabei wurde erkennbar, daß handlungsrelevante Veränderungen im Umfeld (in diesem Fall soziokulturelle Wandlungen im Zusammenhang technologischer Entwicklungen) und günstige sprachsystematische Voraussetzungen (Vorhandensein von Diskursanalogien, Anschluß an lexikalisierteMetaphern, Einfachheit des Bezugsdiskurses etc.) bei der Habitualisierung und Konventionalisierungder metaphorischen Lesart ineinandergreifen. Verschiedene sprachliche Indikatoren deuten darauf hin, daß sich hier ein Sprachwandelprozess auf der Mikroebene ereignet hat, dass sich die Datenautobahn-Metapher von einer zunächst okkasionell gebildeten Metapher zu einer relativ stabilen Gebrauchsweise entwickelt und kommunikativ etabliert hat. Die Ergebnisse der Untersuchung - insbesondere die Beschäftigung mit dem konkreten Gebrauch einer Metapher, wie sie im 7. Kapitel anhand der Datenautobahn-Metapher durchgeführt wurde - ermutigen dazu, die genannten Beobachtungen auf der Grundlage einer breiteren Materialbasis abzusichern und die skizzierten Entwicklungen - vor allem im Hinblick auf die kommunikative Etablierung metaphorischer Bezugsbereiche und die weitere sprachsystematische Verankerung - weiterzuverfolgen.
Anhang: Materialsammlung Datenautobahn
Die Materialsammlung enthält alle Belege des Wortes Datenautobahn mit seinen verschiedenen Wortformen aus den unten angeführten Zeitungen und Zeitschriften. Die Beispiele wurden in ihren Kontexten belassen, soweit es für die Analyse relevant ist. Ausgewertet wurden: DER SPIEGEL, Nr. 1-52, Jahrgang 1993 DER SPIEGEL, Nr. 1-52, Jahrgang 1994 DER SPIEGEL, Nr. 1-52, Jahrgang 1995 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1-305, Jahrgang 1993 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1-303, Jahrgang 1994 Neue Zürcher Zeitung, Nr. 1-303, Jahrgang 1995 SPIEGEL special: Schicksal Computer. Die Multimedia-Zukunft, Nr. 3, 1996
[a]
[b]
[a]
[b]
•
Errichtung von «Daten-Autobahnen» in Amerika. Das amerikanische Kabelfernsehunternehmen TCI Tele-Communications Inc. hat angekündigt, noch in diesem Jahr mehrere Millionen Haushalte an ein leistungsstarkes GlasfaserÜbertragungsnetz anzuschliessen. Diese Haushalte werden damit in absehbarer Zeit rund 500 Fernsehkanäle empfangen können, wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» schreibt. Daneben wird diese «Daten-Autobahn» aber auch eine Vielzahl neuartiger Dienste ermöglichen, die die volkswirtschaftliche Produktivität steigern, beispielsweise raffinierte TV "Kaufhäuser, interaktive Erziehungsprogramme oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus dem Büro in die Privatwohnung. [NZZ Nr. 99, 30.4.1993] „Wir bauen die Datenautobahn " SPIEGEL-Gespräch mit Microsoft-Chef Bill Gates über seine Firma und die Zukunft der Computerindustrie [...] Was bedeutet die Entscheidung von US-Präsident Bill Clinton, den Aufbau eines US-weiten Superdatennetzes zu fördern, den „Information-Highway" für die Zukunft der amerikanischen Gesellschaft? Computerexperten sagen ähnliche Auswirkungen wie beim Bau des nationalen Autobahnnetzes in den dreißiger Jahren voraus. GATES: Es ist ein großartiges Gefühl endlich mit Politikern zu tun zu haben, die von der Bedeutung dieser Technologie überzeugt sind. Wir leben schließlich im Informationszeitalter, unsere Vision läßt sich ohne superschnelle Informationsnetze nicht umsetzen: Wenn wir Computer in jeder Wohnung wollen, brauchen wir auch die Datenautobahn. [DER SPIEGEL Nr. 20, 17.5.1993, S. 282f.] Simnet, das von der Militärforschungsbehörde Darpa entwickelt und später von der U. S. Army übernommen wurde, ist erst der Anfang des Pentagon-Engagements im Cyberspace. Zu Tausenden sollen simultane Spähwagen und Panzer auch über die „Datenautobahnen" rollen, die von der Clinton-Regierung geplanten Hochgeschwindigkeitsdatennetze.
196 Geschaffen wird, nach dem Vorbild des weltumspannenden „Internet", ein globales SuperNetzwerk namens „Distributed Simulation Internet" (DSI). [DER SPIEGEL Nr. 33, 16.8.1993, S. 165] •
Eine besondere Art von DRTV stellen die sogenannten Infomercials dar, über deren Boom an dieser Stelle bereits berichtet worden ist. Auch solche halbstündigen Werbespots können nur in einer überdimensionierten Fernsehlandschaft gedeihen. Sie dürften in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen, sobald - wie angekündigt - sogenannte digitale Datenautobahnen («Data Highways») in die Haushalte führen, dank welchen bis zu 500 verschiedenen Fernsehkanäle empfangen werden können. [NZZ Nr. 222, 24.9.1993]
•
Reiseführer durchs Internet Als Modell für die von der US-Regierung angekündigte „Datenautobahn", die eines Tages die Computer und Telekom-Geräte von privaten Haushalten, Industrie, Ämtern und Bildungseinrichtungen miteinander vernetzen soll, dient den Planern das akademische „Internet". Der ursprünglich militärische Rechnerverbund hat sich zu einem globalen Kommunikationssystem ausgewachsen, an das insgesamt rund eine Million Computer angeschlossen sind. [DER SPIEGEL Nr. 45, 8.11.1993, S. 262]
[a]
„Alles im Bett erledigen" Springer-Planer entwerfen das elektronische Kaufhaus der Zukunft In vier dicken Aktenbänden, auf mehreren tausend Seiten, hat Jan Henrik Buettner, 29, festgehalten, was die Deutschen erwartet. Da ist zum Beispiel beschrieben, wie der Kunde im Superkaufhaus der Zukunft den Kasten Bier oder die frische Milch zu Hause am Computer bestellt. Über das Telefonnetz gelangen die Shopping-Wünsche zum Händler, der sofort liefert. [··.] Springer-Manager Buettner Daten-Autobahn für Singles [Bildunterschrift] [...] In Deutschland soll die Daten-Autobahn Via 1999 Gewinn abwerfen. Das Projekt zielt auf gutverdienende Singles, die, so der Plan, für rund 60 Mark jeden Monat eine spezielle Compact Disc bekommen, auf der allerlei Grafiken abgespeichert sind.
[b]
[...] [c]
In Deutschland soll die Daten-Autobahn Via 1999 Gewinn abwerfen. Das Projekt zielt auf gutverdienende Singles, die, so der Plan, für rund 60 Mark jeden Monat eine spezielle Compact Disc bekommen, auf der allerlei Grafiken abgespeichert sind. [DER SPIEGEL Nr. 1, 3.1.1994, S. 50f.]
•
Der amerikanische Vizepräsident Al Gore hat in Los Angeles an einer Telekommunikationstagung, an der sich hochkarätige Vertreter der Fernmelde-, Film- und Medienbranche beteiligten, erste Leitplanken für den sogenannten «information superhighway» gesetzt, der einmal eine breite Palette interaktiver Multimediadienste transportieren und im Urteil seiner Promotoren die Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts tief prägen wird. In seinen trotz den bereits weit fortgeschrittenen Plänen in der Privatwirtschaft eher noch vage gehaltenen, heiklen Interessenkonflikten ausweichenden Erläuterungen beteuerte Gore, dass sich die Administration fiir eine Liberalisierung des Fernmeldesektors einsetzen werde. Dabei sei jedoch sicherzustellen, dass die neuen Freiheiten nicht zu monopolistischen Machtmissbräuchen führ-
197 ten. Zudem erklärte Gore, dass sich die Bundesregierung für einen «offenen Zugang» sowie ein «universelles» Dienstleistungsangebot einsetzen werde. Das heisst konkret, dass den potentiellen Informationsanbietern und -abnehmern die Nutzung der «Datenautobahn» zu «fairen und angemessenen» Bedingungen ermöglicht werden soll, was erfahrungsgemäss auf ein problematisches Unterfangen hinauslaufen könnte. [NZZ Nr. 10, 13.1.1994, S. 33] •
Tatsächlich umspannt das Time-Warner-Imperium nicht nur einen grossen Zeitschriften- und Buchverlag, eines der bedeutendsten Hollywood- Studios und die international fuhrende Musikunternehmung. Vielmehr verfügt das Unternehmen auch über das zweitgrösste amerikanische Kabelfernsehnetz und betreibt die zwei Kabelfernsehprogramme HBO und Cinemax. Hinzu kommen Vergnügungsparks und bedeutende Beteiligungen an KabelfernsehprogrammFirmen wie etwa der 20,6%ige Anteil an der CNN-Betreiberin Turner Broadcasting System. Allgemein als positiver strategischer Schachzug bewertet wurde sodann die letztjährige 25,5%ige Beteiligung der grossen amerikanischen Fernmeldefirma US West an der Time Warner Entertainment Company L. P. (TWE) für 2,55 Mrd. $. Damit wurde nicht nur die Kapitalbasis verstärkt, sondern auch das technische Fundament fiir die «Datenautobahn» der TWE zementiert und verbreitert, die das Film- und Kabelfernsehgeschäft kontrolliert. [NZZ Nr. 32, 8.2.1994, S. 37]
•
Computer: „Verkehrsstau auf der Datenautobahn" [DER SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 5] [Inhaltsverzeichnis]
[a]
Ganz schön belastet. Verkehrsstau auf der Datenautobahn: Millionen von Computerfans drängen ins weltumspannende Rechnernetz „Internet". Die Auffahrt zur Datenautobahn führt mitten durch ein Jugendzimmer. Gegen eine monatliche Gebühr räumt Scott Drassinower, 15, anderen PC-Benutzern das Recht ein, seinen leistungsstarken Personalcomputer als Rampe zum internationalen Datennetz zu nutzen. Wenn der Schüler aus White Plains bei New York nachmittags nach Hause kommt,widmet er sich seiner Karriere als Computerunternehmer. Er schaut die am Bildschirm aufgelaufene elektronische Post („E-Mail") durch, „ob irgendwelche dringenden Probleme anliegen". Sein PC dient den Kunden, die sich übers Telefon einwählen, als Vermittlungsrechner und speicherstarker Datenpuffer, in dem sich Dateien und Programme postlagern lassen.
[b]
[...] [c]
[d]
Das Internet, Ende der sechziger Jahre als militärisches Kommunikationsnetz konzipiert, dient heute als Modell für die von der US-Regierung geplante Datenautobahn. Derzeit drängen monatlich Hunderttausende private Computerfans neu auf die bislang vorwiegend von Militärs, Wissenschaftlern und EDV-Unternehmen benutzte Datenschnellstraße; täglich entstehen neue „Auffahrten" wie bei dem halbwüchsigen Drassinower. Die Folge: Nun ist das System überlastet - „Verkehrsstau auf der Datenautobahn", meldet die New York Times. Der amerikanische Computerwissenschaftler David Farber, ein InternetVeteran, verglich den Ansturm der Datentouristen mit einem sonnigen „Sonntag, wenn alle unterwegs zum Strand sind". Der Effekt sei derselbe, ob im Auto- oder im Datenstau: „Sie sitzen da und warten und warten und warten." Das Problem macht deutlich, wie weit die USA, aber auch Deutschland bereits von dem Datenverbund abhängig sind. [...]
198 Dabei suchen sie [die Daten] sich von Fall zu Fall jeweils den schnellsten Weg - etwa übers Telefonnetz in Deutschland zu einem Hochschulrechner, von dort per Datenstandleitung zu einer anderen Universität und dann über Satellit zu einem Computerunternehmen in den USA. [•••] Mitverursacht wurde das Verkehrschaos auf der weltumspannenden Datentrasse, an der mittlerweile rund 20 Millionen Benutzer hängen, durch das Weihnachtsgeschäft im Computerhandel. Damals stürzte der Preis für sogenannte Modems, mit denen der PC ans Telefonnetz gehängt wird, inden USA unter 30 Dollar und in Deutschland unter die 100-Mark-Grenze, Anschluß an den Telekom-Datendienst „Datex-J" Inbegriffen. Durch den Andrang der Datenreisenden wird inzwischen der wissenschaftliche Betrieb der ans Internet angeschlossenen Computer schon spürbar beeinträchtigt. Ein Beispiel: Allein in der zweiten Jahreshälfte 1993 ist die Zahlder elektronischen Anfragen an Computer des „National Center for Supercomputer Applications" in Champagne (US-Staat Illinois) von täglich 100 000 auf fast 400 000 angewachsen. Bald könnte es nötig sein, meinen die EDV-Manager des Forschungszentrums, einen ihrer Supercomputer (Wert: 15 Millionen Dollar) ganz aus der wissenschaftlichen Datenverarbeitung auszuklinken und rund um die Uhr als „elektronischen Bibliothekar" zu beschäftigen. [...] Der überbordende Verkehr auf den Datenschnellstraßen brachte auch die Betreiber des „Panix Public Access Network" in New York in Bedrängnis. Das kleine Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, privaten Computerbenutzern den unkomplizierten Zugang zum Internet zu ermöglichen. Als sich kürzlich auf dem Netz die Botschaft verbreitete, daß ein Hacker in die Rechner der Firma eingebrochen war und dort nach Paßwörtern eingetragener Benutzer stöberte, geriet der „Panix"-Betrieb an den Rand des Zusammenbruchs. Tausende von Neugierigen, die sich über das Internet eingewählt hatten, tummelten sich plötzlich auf den „Panix"Computern - vergleichbar Schaulustigen bei einem Verkehrsunfall, die sich an der Stelle des Unglücks drängen. Am schlimmsten hat der kommerzielle Kommunikationsdienst „America Online" (AOL) unter der Datenreisewelle zu leiden. Das Unternehmen hat mehr als 600 000 eingetragene Kunden. Per Bildschirmbotschaft entschuldigte sich AOL-Chef Steve Case bei den Benutzern dafür, daß der Zugang zum Datendienst während der „Rushhour" vorübergehend gesperrt werden mußte. Case bat um Nachsicht: „Die immens gewachsene Nachfrage hat unser System ganz schön belastet." „Da geht niemand mehr hin, es ist zu überfüllt", spottete Raymond Boggs, Computermarktbeobachter in Norwell (US-Staat Massachusetts). Verärgerte Benutzer pflasterten die elektronischen Schwarzen Bretter bei AOL mit flammender ProtestMail zu und drohten sogar einen Boykott an. Case mußte seinen Kunden versprechen, keine neuen Benutzer zu werben, um das Online-Chaos nicht noch weiter zu vergrößern. In Deutschland führte der Stoßverkehr im Datennetz dazu, daß sich ein Informationsweg belebte, der bei geschwindigkeitsversessenen Onlinern bislang im Ruf einer „Datensackgasse" tand. Trotz schwacher Anbieterstatistik (1993 sank die Zahl der Informations- Dienstleister von 3000 auf 2600) meldete Datex-J, Nachfolger des viel-geschmähten Bildschirmtext-Systems, einen Benutzerzuwachs auf mehr als 500 000 Anschlüsse. Datex-J erlaubt zwar nur vergleichsweise langsame Datenübertragung mit 2400 Baud (Informationseinheiten pro Sekunde), dafür ist das Netz aber über die Nummer 01910 in ganz Deutschland zum Ortstarif zu erreichen und bietet, als Service-Angebot verschiedener On-line-Dienste, fünf Übergänge („Gateways") in die Internet-Welt. P E R SPIEGEL Nr. 7, 14.2.1994, S. 165ff.] •
Der Bau des «Datenautobahnnetzes» dürfte sich aber auch nach dem Platzen der ambitiösen Fusionspläne fortsetzen, da der Multimedia-Markt tatsächlich keine Erfindung von Bell Atlantic und TCI war, sondern schon seit einiger Zeit von vielen grossen, mittelgrossen und kleinen
199 Telefon-, Kabelfernseh- und Medienunternehmen aktiv exploriertund aufgebaut wird; die Eheankündigung von Bell Atlantic und TCI war nur der bisher heftigste Paukenschlag in diesem Entwicklungsprozess gewesen. [NZZ Nr. 47, 25.2.1994, S. 33] •
Große Beliebtheit (Nr.7/1994, Computer: Verkehrsstau auf der Datenautobahn) [DER SPIEGEL Nr. 9, 28.2.1994, S. 10]
[a] [b]
Demokratie auf der Datenautobahn S. 212 Die in den USA geplante „Datenautobahn" soll zukünftig Millionen von Haushalten vernetzen. Der amerikanische Computerpionier Mitch Kapor warnt vor einer „Einbahnstraße" für Kabelfernsehanbieter und fordert ein „demokratisches Informationssystem". [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 5]
•
Computer: SPIEGEL-Gespräch mit Lotus-Gründer Mitchell Kapor über Chancen und Risiken der Datenautobahn 212 [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 5]
•
Was dem Durchbruch nach 150 Jahren noch folgen wird, ist ungewiß. In Hamburg, Berlin und Köln laufen schon Pilotprojekte mit Breitbandleistungen. Digitale Datenautobahnen sollen die Zentren miteinander verknüpfen. [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994, S. 75]
[a]
„WIE IM WILDEN WESTEN". Computerpionier Mitchell Kapor über Chancen und Risiken der Datenautobahn SPIEGEL: Mr. Kapor, wie würden Sie sich selbst charakterisieren: als altersweise gewordenen Hacker, als Jungmillionär im Ruhestand, oder lieber als politischen Lobbyisten und Pionier im Cyberspace der globalen Datennetze? Kapor: In gewisser Weise trifft das alles auf mich zu. „Pionier im Cyberspace" gefallt mir am besten. SPIEGEL: Läßt sich der Eintritt in die Datenwelt der Computerkommunikation mit der Eroberung des Wilden Westens vergleichen? Kapor: Vergleiche hinken zuweilen, keine Metapher sollte überstrapaziert werden. Trotzdem: Die meisten Computerbenutzer, wenn sie anfangen, regelmäßig elektronische Post, Datendienste oder das weltumspannende Rechnernetz Internet zu benutzen, kommen sich dabei vor wie Entdecker in einem unbekannten Land. Sie fühlen sich wie in einer neuen Welt. Es ist eine ungemein aufregende und intensive Erfahrung, als Pionier diese neue Welt mit zu gestalten. [···]
[b]
Kapor: Es gibt gute Gründe, warum solche Unternehmen dieses neue Territorium für sich entdeckt haben. Wie im Wilden Westen, als die Eisenbahngesellschaften kamen, Land aufgekauft und dadurch ihre Macht ausgebaut haben, erleben wir beim Ausbau der Datenautobahn heute eine ähnliche Dynamik. SPIEGEL: Haben Sie keine Angst, daß Cyberspace zu einem unkontrollierbaren Schreckensreich entartet? Kapor: Doch, sicher. Vorstellbar sind echte AlptraumSzenarios, was alles wirklich schiefgehen könnte. Etwa, daß uns die massiven Investitionen von Telekom-Unternehmen beim Bau von hochleistungsfähigen Datennetzen am Ende nur eine weitere Form des Fernsehens bescheren.
[c]
US-Vizepräsident Al Gore hätte den Multimillionär gern in seinen Planungsstab für die „Datenautobahn" geholt, die fernsehtaugliche Multimedia-PC in Millionen amerikanischer
[...]
200
[d]
[e]
Haushalte vernetzen soll. 1990 gründete Kapor die Electronic Frontier Foundation (EFF), eine Stiftung, die als Rechtshilfefonds für Computerhacker eingerichtet worden war und nunmehr für den Schutz der Bürgerrechte in der Welt der Computernetze eintritt. Als Mitstreiter gewann Kapor den Computerpionier Steve Wozniak (Apple) sowie den Autor John Perry Barlow, vormals Texter der Kult-Rock-band „The Grateful Dead". Mit der EFF dringt Kapor, 43, nun in Washington darauf, daß der geplante „Information Super Highway" nicht als „Einbahnstraße" für Kabelfernsehanbieter angelegt wird, sondern als Kommunikationsnetz nach dem Vorbild des weltumspannenden „Internet", das bereits Millionen von großen und kleinen Computern verbindet. [...] Datenautobahn [Nennung im Schaubild] [...] SPIEGEL: Wo soll denn überhaupt der Nutzen der Datenautobahn liegen? Kapor: Das zeichnet sich bereits deutlich ab, etwa bei den Online-Diensten und im akademischen Rechnernetz Internet, an das inzwischen mehr als 20 Millionen Computerbenutzer angeschlossen sind. Menschen haben ein ungeheures Bedürfnis nach Kommunikation. Sie brauchen den Kontakt zu anderen, beruflich, gesellschaftlich - auf allen Ebenen. Elektronische Post wird das nächste große, universelle Kommunikationsmedium sein. Eine ganze Generation von Studenten in den USA bewegt sich schon mit größter Selbstverständlichkeit im Internet. [DER SPIEGEL Nr. 10, 7.3.1994,^S. 212f.]
•
Mittels eines Modems, das den PC mit der Telefonleitung verbindet, können SPIEGEL-Leser die Redaktion dann direkt über die Datenautobahn ansteuern, elektronische Leserbriefe (EMail) schicken oder schon am Samstag die wichtigsten Artikel der erst am Montag erscheinenden Ausgabe lesen. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 3 - Hausmitteilung]
•
Die Computermesse Cebit, auf der IBM und Apple ihren „Power PC"-Chip vorstellen (Seite 114), gibt einen Vorgeschmack auf neue Berufs- und Alltagswelten: Telependler kommen über die Datenautobahn zur Arbeit; alle sind vernetzt, aber jeder bleibt für sich allein (Seite 240). Am PC-Bildschirm leiden viele unter „Featuritis", der überbordenden Funktionsfülle, mit der Software-Hersteller ihre Programme befrachten (Seite 246). Willkürlich zugeteilte „Versionsnummern" für PC-Programme stiften Verwirrung (Seite 254). Frust kommt auf, wenn der Drucker den PC blockiert (Software-Spiegel, Seite 250). Zur Entspannung erhebt sich der Telependler in die Lüfte - am Steuerknüppel seines PC-Flugsimulators (Seite 255). [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 5]
[a]
PC-Pendler INSELN DER SELIGEN Angestellte kommen, statt sich über verstopfte Autobahnen zu quälen, vom heimischen PC aus als „Telependler" ins Büro, „virtuelle Unternehmen" haben als ihren Firmensitz nur noch das globale Computernetz, Wanderarbeiter verdingen sich „online" zu Niedriglöhnen: neue Formen der Teleheimarbeit setzen sich durch. Als die Erde aufriß und die Autobahnen barsten, blieb Gary Saenger, A 49, aus Newhall bei Los Angeles einfach zu Hause. Drei Jahre würde es dauern, erfuhr er aus den Fernsehnachrichten, bis der „Interstate 5", sein bisheriger Arbeitsweg, wieder uneingeschränkt befahrbar wäre. Seitdem läßt Saenger seine japanische Familienkutsche morgens meist in der Garage. Der Kalifornier, von Beruf Karriere- und Managementberater, erledigt den größten
201 Teil seiner Arbeiten vom heimischen Personalcomputer aus. Über ein schnelles „Modem" und das Telefonnetz mit dem Bürocomputer in Pasadena verbunden, beantwortet er Geschäftspost und korrigiert Vertragsentwürfe, ohne den Fuß vors Eigenheim zu setzen. „Aus Notwehr", klagt der Erdbebengeschädigte Saenger, sei er auf den Status eines Telependlers („Telecommuter") umgestiegen; statt bisher eine Stunde hätte er auf dem ramponierten Highway-Netz nunmehr zweieinhalb Stunden täglich für die Autofahrt zur Arbeit und zurück aufwenden müssen. Wie Saenger griffen nach dem Erdbeben zahlreiche Firmen in der Region zur HighTech-Selbsthilfe: Sie öffneten, wie beispielsweise die Musikproduktion Hollywood Records in Burbank oder die Werbeagentur Chiat/Day in Venice, ihre Bürocomputer für Mitarbeiter, die lieber mit dem Modem statt mit dem Auto zur Arbeit kommen wollten. „Wenige Stunden nach dem Erdbeben", erzählt Laurie Coots von Chiat/Day, „waren fast alle Mitarbeiter wieder im Einsatz." Durch die Katastrophe an der US-Westküste rückte eine Art von Berufsausübung ins Rampenlicht, die sich bisher eher imVerborgenen entwickelt hat: In den USA pendeln, wie Marktforscher der Firma Link Resources in New York ermittelten, bereits 7,6 Millionen „Telecommuter" - zumindest zeitweilig - über die Datenautobahn zur Arbeit. Der wachsende Berufsverkehr im Netz wird begünstigt durch raschen technischen Fortschritt bei der Hard- und Software für elektronische Kommunikation, die auch im Mittelpunkt der Computermesse Cebit diese Woche in Hannover steht. [...] Berufsverkehr auf der Datenautobahn Die Zukunft der dezentralisierten Büroarbeit [Überschrift über Schaubild] [...] Die Schattenseiten des neuen Trends lernten Angestellte der Nürnberger Allgemeinen Versicherung kennen, die sich anfänglich begeistert zu einem Modellversuch für Computerheimarbeit bereit erklärt hatten. Schmerzhaft verspürten sie die Einsamkeit des Telependlers. Das Projekt scheiterte, wie die Versicherung erklärte, weil sich die Mitarbeiter zu Hause „total isoliert" gefühlt hätten; einigen sei es überdies peinlich gewesen, von ihren fränkischen Nachbarn der Arbeitslosigkeit verdächtigt zu werden. „Elektronische Einsiedelei" hatten schon 1983 Sozialwissenschaftler der IG Metall befürchtet und ein völliges Verbot der Teleheimarbeit gefordert. [...] So wird das Telependeln in Deutschland einstweilen weniger durch das Betriebsverfassungsgesetz als vielmehr durch die Gebührenpolitik der Telekom gebremst. Vorreiter IBM gab im vergangenen Jahr bekannt, es würden vorerst keine weiteren Teleheimarbeitsplätze eingerichtet, der Grund: zu hohe Kommunikationsgebühren. Die „Tele-Fahrtkosten" hatten bis zu 6000 Mark pro Monat betragen. Bislang schätzt der Deutsche Industrie- und Handelstag die Zahl der vollberuflichen Telearbeiter auf nur rund 2000. Dabei sind jedoch all jene Angestellten, Freiberufler und Subunternehmer nicht mitgezählt, die ohne speziellen Rahmenvertrag nur gelegentlich oder auch als selbständige Auftragnehmer telependeln. [...] Bis zu 300 000 solcher im Verborgenen wirkenden Teleheimwerker soll es, wie Experten schätzen, auch in Deutschland bereits geben; sie verdingen sich, erzählt Hans Neisen, Chef der Kölner Unternehmensberatung Telmark, „zumeist als Subunternehmer für ihre alte Firma". Eine ganze „Mittelschicht von Telependlern" habe sich in den USA herausgebildet, konstatiert Mitch Kapor, Chef der Electronic Frontier Foundation in Cambridge (US-Staat Massachusetts). [...]
202 [c]
Der US-Datendienstanbieter Compuserve (weltweit mehr als 1,7 Millionen angeschlossene Benutzer) stellte sich auf den neuen Arbeitsmarkt ein, indem er ein „Working from Home"Forum einrichtete, als elektronischen Treffpunkt und Nachrichtenbörse für PC-Heimarbeiter; Bildschirmbefehl, um ins Forum zu gelangen: „GO WORK". Die Belange der Telependler auf dem Monitor eingeblendetes Arbeitsmotto: „Unser Zweitwagen ist ein Modem" - werden auch im Telecommunication-Forum bei Compuserve erörtert. Und schon gibt es den Typus des anspruchslosen EDV-Jobbers, der auf der Suche nach Auftraggebern die Datenautobahn hinuntertrampt: Im Cyberspace ist immer Saison für eine wachsende Schar von Online-Wanderarbeitern, die sich für Gelegenheitsarbeiten im Datennetz verdingen. In globalen Kommunikationssystemen wie Internet oder Compuserve bieten sie über „E-Mail" ihre Dienste an. „Datatypist sucht Beschäftigung", annoncierte etwa Terry King aus Washington. „Fax/Modem. Wenn interessiert, bitte antworten !!!" Die „enorme Mobilität" der Telependler, beobachtet Link-Forschungsleiter Thomas Miller, führe dazu, „daß sich immer häufiger spontane und zufallige Arbeitsverhältnisse entwickeln". In kalifornischen Fachbuchhandlungen finden sich inzwischen ganze Regale mit Ratgebern für Telecommuter. „The Telecommuter's Handbook" beispielsweise warnt vor einem Berufsrisiko: Für manche PC-Heimarbeiter sei „die ständige Versuchung durch Kühlschrank und Wohnzimmerbar einfach zu groß". Weil die Datennetze keine Grenzen kennen, wird Arbeit in die jeweils billigsten Regionen exportiert. Große Fluggesellschaften wie American Airlines lassen ihre Buchungen von Telearbeiterinnen in Mittelamerika bearbeiten. [DER SPIEGEL Nr. 11, 14.3.1994, S. 240ff.]
•
Lehrreiche Gedankennahrung (Nr. 10/1994, Computer: SPIEGEL-Gespräch mit Lotus-Gründer Mitchell Kapor über Chancen und Risiken der Datenautobahn) [DER SPIEGEL Nr. 12, 21.3.1994, S. 13]
[a]
Immer mehr Onliner erkunden inzwischen auf diese Weise das Internet, das als Modell der von der US-Regierung geplanten „Datenautobahn" gilt.
[b]
Auch bei der zukünftigen Datenautobahn soll die Computertechnik gewissermaßen unter der Straßendecke versteckt werden. [DER SPIEGEL Nr. 12, 21.3.1994, S. 240]
•
„Zak" mit Friedrich Küppersbusch, die allwöchentliche satirische Nachbereitung aktueller Themen im Ersten, läßt den Kanzler als fuchtelnde Puppe herumpfalzern - aber was ist die Show gegen die Wirklichkeit, wenn der leibhaftige Helmut bei Hans Meiser nach Datenautobahnen von einem Experten gefragt wird und so antwortet: „Da sind wir ja mitten in der Diskussion, das weiß kaum einer besser als Sie. Und Sie wissen auch, wie heftig umstritten das ist. Die Zukunft läuft in diese Richtung, aber wir brauchen dafür Mehrheiten, und wir sind ein föderal gegliedertes Land, und Autobahnen sind elementar auch in der Oberhoheit der Länder." [DER SPIEGEL Nr. 13, 28.3.1994, S. 250f.]
[...]
203 [a]
[b]
[c]
Regulatorische Hürden auf der US-Datenautobahn Zur Übernahme von McCaw durch AT&T Tz. New York, 7. April Die Bauarbeiten am amerikanischen «Information superhighway», über den einmal vielfältige interaktive Fernmeldedienste angeboten werden sollen, haben sich im allgemeinen Urteil von Branchenexperten markant verlangsamt. Ein Abbruch der ambitiösen Anstrengungen zu einer Datenautobahn wird zwar von niemandem ernsthaft befürchtet. Doch zweifellos ist die anfangliche Euphorie der Ernüchterung gewichen, wie das im Februar schon der Kollaps der Pläne von Bell Atlantic und Tele-Communications zu einer 30 Mrd. $ teuren Fusion und nun diese Woche auch noch die Aufgabe der von Southwestern Bell und Cox Enterprises ursprünglich anvisierten und auf 4,9 Mrd. $ bewerteten Gemeinschaftsunternehmung fiir ein interaktives Kabelfernsehen unterstrichen haben. [...] Die zitierten Schwierigkeiten sind zu einem guten Teil einem unwirtlichen regulatorischen Umfeld oder zumindest dem Umstand anzulasten, dass die Administration Clinton, der Kongress und die Federal Communications Commission (FCC) die Leitplanken für die Datenautobahn und für das Fernmeldewesen der Zukunft noch immer nicht verbindlich gesetzt und für die regulierten Fernmeldesektoren - und dabei insbesondere etwa für die Aufhebung der Grenzen zwischen dem Kabelfernseh- und dem Telefongeschäft - erst vage Liberalisierungsziele gesteckt haben. [NZZ Nr. 82, 9.4.1994, S. 34]
•
aspekte - extra: Die Medienrevolution In diesen Wochen werden in den USA die Weichen für eine Medienrevolution gestellt, die in ihrer Wirkung bereits jetzt verglichen wird mit der industriellen Revolution oder der Einführung des Automobils. «Full Service Networks», Fernsehstationen mit Hunderten von Kanälen gehen auf Test, und alles spricht von der «elektronischen Datenautobahn», die Amerika und die Welt ins nächste Jahrtausend führen soll. [NZZ Nr. 84, 12. 4.1994, S. 32 [Programmhinweise]]
•
Im April, so verkündete die Hausmitteilung des SPIEGEL am 14. März, gehe das Blatt „online" und werde ein eigenes Datenangebot beim Kommunikationsdienst Compuserve präsentieren, weltweit verfügbar für mehr als 1,7 Millionen Computerbenutzer. Täglich gut hundert Interessenten suchten schon von da an über die Datenautobahn den elektronischen Kontakt zur SPIEGEL-Redaktion - und seit Samstag letzter Woche ist die Bahn denn auch frei, das SPIEGEL-Forum bei Compuserve geöffnet. [DER SPIEGEL Nr. 18, 2.5.1994, S. 3]
[a]
Auf der «Datenautobahn» ins Paradies ? Sirenenklänge der Fernmelderevolution Die Traumwelt der amerikanischen High-Tech-Pioniere Keine Revolution ohne Träume. Das gilt selbstverständlich auch für den tiefgreifenden Umbruch im Fernmeldewesen, der einmal mehr von amerikanischen Pionierunternehmern inszeniert zu werden scheint. Inwieweit und wie rasch sich die Traumwelt der High-Tech-Unternehmer verwirklichen lässt oder Science-fiction bleibt, ist erst schwer abschätzbar. [.··] Den neuen Techniken wird auch eine wesentliche Linderung der ökologischen Probleme zugetraut. Dank der «Datenautobahn» wird man ja vermehrt von zu Hause aus und erst noch mit
[b]
204
[c]
der im Äther oder in Glasfaserkabeln zulässigen Lichtgeschwindigkeit arbeiten, Videokonferenzen durchführen, Bankgeschäfte abwickeln, einkaufen oder Videos anfordern können. Und ein Segen soll die Revolution auch für die Entwicklungsländer sein, da sie dank der drahtlosen Fernmeldetechnik weit schneller und billiger ein modernes Kommunikationsnetz erstellen können. [...] Gehört die Zukunft dem Teleputer? Eine grosse Unbekannte der Fernmelderevolution ist etwa, inwieweit die interaktiven Multimedia-Dienste einmal durch Glasfaserleitungen, durch die dank modernen Kompressionstechniken leicht umrüstbaren Koaxialkabel der Kabelfernsehgesellschaften oder drahtlos übertragen und abgerufen werden. Und vielleicht noch heisser umstritten ist, welche «Maschine» einmal das Massenverkehrsmittel auf der «Datenautobahn» sein wird. [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65]
•
Ob der neue amerikanische «Information superhighway» mit dieser Kultur kompatibel ist, ob er Konsumentenwünsche, die es erst noch zu wecken gilt, zu befriedigen vermag, muss sich erst noch weisen. - Fürs erste wird sich der Verbraucher mit Vorteil an eine andere Neuerung halten, deren Nutzen von etwas handfesterer Art ist als jener der neuen «Datenautobahn»: die Deregulierung der Telefonmärkte. [NZZ Nr. 119, 25.5.1994, S. 65]
[a]
Go und stop Verpaßt die deutsche Wirtschaft den Anschluß an die Datenautobahnen der Zukunft? In den zwölf Monaten seiner Amtszeit ist Forschungsminister Paul Krüger, 44, bisher noch nicht aufgefallen. Außerhalb Bonns kennt ihn kaum einer. Vergangene Woche jedoch zeigte der Ingenieur aus Ostdeutschland erstmals Profil. „Gravierende Mängel" in der Telekommunikation hatte der Minister ausgemacht. Deutschland laufe Gefahr, warnte er, beim Ausbau der weltweiten Datenautobahnen „in einer passiven Betrachterrolle" zu verharren. Über Datenautobahnen kann in nicht allzu ferner Zukunft jeder Programme abrufen, einkaufen, Bankgeschäfte erledigen und möglicherweise auch von zu Hause arbeiten.
[b] [c]
[...] [d]
[e]
Als Kanzler Helmut Kohl in einer RTL-Sendung gefragt wurde, wie er den Ausbau der Datenautobahn fordern wolle, wußte er mit dem Begriff nichts anzufangen. In seiner Antwort sprach Kohl vom schlechten Zustand auf Deutschlands Straßen, „dergestalt, daß wir wissen, wann wir überhaupt nur noch von ,go' und ,stop' auf Autobahnen reden können". Doch Krüger hatte mit seiner Schelte nicht den Kanzler im Sinn und auch nicht das eigene Ministerium, aus dem bislang Wegweisendes zum Thema Datenautobahnen noch nicht gedrungen ist. Der Minister meinte die Telekom. [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 99]
•
Für den riesigen Speicherbedarf des Zeitalters der Datenautobahnen und Multimeda-Anwendungen kommt das neue Verfahren, wie Bill Lenth, Leiter des Forschungslabors für optische Speicher bei IBM, betont, gerade rechtzeitig. [DER SPIEGEL Nr. 22, 30.5.1994, S. 209]
•
Denn via Weltraum - über sogenannte LEOS (Low earth orbit satellites) - soll in Zukunft eine bunte Palette von interaktiven Daten (darunter natürlich auch der telefonische Sprachdienst) übermittelt werden können, und zwar unabhängig vom Standort des Senders oder Empfängers
205 (vgl. NZZ Nr. 118). Sowohl die USA als auch die EU zielen letztlich auf den Telekommunikationsmarkt der dritten Generation, der mit dem Bau von Datenautobahnen erschlossen werden soll. [NZZ Nr. 124, 31.5.1994, S. 33] •
Beim Internet handelt es sich um eine der derzeit wichtigsten «Daten-Autobahnen» fijr Kommunikation von Computer zu Computer. [NZZ Nr. 139, 17.6.1994, S. 65]
[a]
Japan startet Grossversuch zur «Daten-Autobahn» Tokio, im Juli. (Reuter) Eine Gruppe von 180 japanischen Unternehmen und Organisationen, unter ihnen der Telekommunikationskonzern NTT, wird am Freitag einen grossangelegten Feldversuch für interaktive Multimedia-Dienste beginnen. Wie das Unternehmen weiter mitteilt, ist das 7,5 Mrd. Yen teure Experiment auf 2 Jahre angelegt und soll bei der Entwicklung von Anwendungen für die bis zum Jahr 2010 geplante landesweite «Daten-Autobahn»helfen. [NZZ Nr. 162, 14.7.1994, S. 23]
[b]
•
Im Nürnberger Stadtteil Muggenhof läßt Mangold deshalb seine Computerfachleute nach Wegen suchen, dem konsumfreudigen Bürger das Leben noch leichter zu machen. Er soll nicht mehr zum Kaufhaus in die überfüllte City fahren, er braucht nicht mehr die kiloschweren Kataloge zu wälzen. Er wird in der schönen neuen Welt, über Datenautobahnen ins Warenreich vorstoßen und sich bedienen. [DER SPIEGEL Nr. 31, 1.8.1994, S. 79]
•
Während Forschungsminister Paul Krüger (CDU) und die Telekom noch über den Ausbau der deutschen Trasse im Datenverkehrssystem streiten, werden wöchentlich von Privatinitiativen neue Streckenabschnitte freigegeben. Beispiel: die „Norddeutsche D a t e n a u t o b a h n e i n Computerverbund von Internet-Rechnern in Kiel, Hamburg, Hannover, Bremen und Odenburg. [DER SPIEGEL Nr. 32, 8.8.1994, S. 154]
•
Baden-Würtembergs Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) ruft zum „gezielten Marsch auf die Datenautobahn 4000 verkabelte Haushalte im Land machen vom nächsten Frühsommer an bei einem Großversuch (Branchenspott:„Spätzle-Kanal") zum Interaktiven Fernsehen mit, Gesamtinvestition: 100 Millionen Mark. [DER SPIEGEL Nr. 34, 22.8.1994, S. 80]
[a] [b]
Gerede um die «Datenautobahnen» Rexrodts Versuch, die Aufhebung des Netzmonopols zeitlich festzulegen, dürfte zudem der Schaffung von Kommunikationsnetzen und Fernmeldeeinrichtungen weit mehr nützen als all die Plädoyers und Phrasen, die man in jüngerer Zeit zugunsten der sogenannten transeuropäischen Netze oder «Datenautobahnen» immer wieder vernimmt. Ganz abgesehen davon, dass der Begriff Datenautobahn eine unsinnige Übersetzung darstellt, beschränken sich solche Appelle aus Politik und Wirtschaft oft auf abstrakte Visionen, oder aber sie zielen auf irgendwelche staatlichen Unterstützungsmassnahmen ab. [NZZ Nr. 199, 27.8.1994, S.23]
[c]
206 •
Die Telekom will in die neue Medienwelt einsteigen: In sechs Städten sollen Testhaushalte an eine besondere Datenautobahn angeschlossen werden und schon bald per TV-Fernbedienung ihr eigenes Fernsehprogramm gestalten oder Waren bestellen können. [DER SPIEGEL Nr. 37, 12.9.1994, S. 4]
•
Auch in der neuen Kommunikationswelt will Ricke mitmischen: Im SPIEGEL-Gespräch erläutert der Manager die Rolle der Telekom als Wegweiser auf der Datenautobahn. [DER SPIEGEL Nr. 37, 12.9.1994, S. 41]
[a] [b]
Pilotnetz fur Schweizer «Daten-Autobahn» (ap) Die Telcom PTT startet im kommenden Oktober ein Schweizer Pilotnetz für eine sogenannte Daten-Autobahn. [NZZ Nr. 228, 30.9.1994, S. 23]
•
Was soll die Jugend von den Politikern denn erwarten, wenn deren geistiger Horizont maximal bis zu „Wat mut, dat mut" und „Freie Fahrt für Autofahrer auf der Datenautobahn" reicht. [DER SPIEGEL Nr. 40, 3.10.1994, S. 7]
•
Mit der weltumspannenden „Datenautobahn", von der allenthalben die Rede ist, wird es noch eine Weile dauern. Zur Verfügung steht indessen das globale Datennetz Internet, das inzwischen 30 Millionen Computerbenutzer verbindet - und dort ist der SPIEGEL nun in die Spur gegangen. [DER SPIEGEL Nr. 43, 24.10.1994, S. 3 - Hausmitteilung]
[a]
Schlaglöcher auf Amerikas «Datenautobahn» Hohe Rechtsunsicherheit im Fernmeldesektor Der amerikanische Fernmeldekonzern Sprint hat, wie berichtet, die Schaffung eines Gemeinschaftsunternehmens mit führenden Kabelfernsehfirmen angekündigt, um neben lokalen und überregionalen Telefondiensten mit und ohne Draht auch interaktive Multimediadienste anbieten zu können. Tatsächlich werden jedoch die Bauarbeiten zum vielgepriesenen «Information Superhighway» von einer schwerwiegenden Rechtsunsicherheit überschattet. Tz. New York, 26. Oktober Anspruch und Wirklichkeit klaffen in der amerikanischen Fernmeldepolitik noch immer weit auseinander. Zum einen versuchen sich die Unternehmer der Telefon-, Kabel-, Medien- und Elektronikkonzerne mit kühnen Visionen zur Architektur der «Datenautobahn» zu übertrumpfen und prophezeien ihren Kunden ein Schlaraffenland der Telekommunikation; erst gerade kündigte etwa der Fernmeldekonzern Sprint zusammen mit drei der grössten Kabelfernsehfirmen ein «revolutionäres» Gemeinschaftsunternehmen für ein alle Bereiche umfassendes Telefonserviceangebot und für interaktive Multimediadienste an (vgl. NZZ Nr. 250). Zum andern muss jedoch nüchtern festgestellt werden, dass die freie Fahrt auf dem «Information Superhighway» weiterhin durch hohe regulatorische Hürden behindert wird, die auch schon etwa zum Scheitern der Grossfusion zwischen Bell Atlantic und Tele-Communications im letzten Frühjahr beigetragen haben. [NZZ Nr. 251, 27.10.1994, S. 21]
[b]
•
Auf besonderes Interesse stiessen Programme, in denen europäische Zusammenhänge und die Beziehungen Deutschlands und Europas zur übrigen Welt behandelt würden. Nach Ansicht von Hoffmann wäre es auch falsch, den USA allzu ausschliesslich den Zugriff zu den neuen
207 Distributionssystemen und den Möglichkeiten von Datenautobahnen zu überlassen. Denn dadurch würden einseitige Standortvorteile gebildet. Kulturpolitik müsse wieder ein wichtiger Teil der Aussenpolitik werden. [NZZ Nr. 277, 26.11.1994, S.47] [a]
In Berlin plant die Firma Pixelpark einen Online-Dienst mit Musikdatenbanken und elektronischen Pinnwänden, auf denen die Datenreisenden ihre digitalen Botschaften hinterlassen können - und nicht nur sie: Sponsoren, darunter Musikverlage, Getränkebrauer und Sportschuhhersteller, wollen dort ihre Logos piazieren und sich so einer jungen Käuferschicht empfehlen. Auch auf der Deutschen Datenautobahn (DDA), einem Internet-Service der Frankfurter Software-Firma FSAG, ist Werbung präsent. Dort können Netznutzer den VW Polo einer virtuellen Inspektion unterziehen. Das Internet, schwärmt DDA-Chefin Michaela Merz, sei „das ideale Werbemedium". Studios wie Nads gehören zu einer neuen Generation kleiner Agenturen, die sich Pionierarbeit vorgenommen haben.
[b]
Anbietergemeinschaften haben sich gebildet, in denen sich Versandhändler, Verlage, Dienstleister und Werbestudios unter einer gemeinsamen elektronischen Adresse zusammenschließen. Beispiele: ein Dienst der kultigen amerikanischen High-Tech-Zeitschrift Wired mit Serviceangeboten von Volvo und Club Mediterranée, das amerikanische Internet Shopping Network mit über 600 angeschlossenen Firmen oder der Computerverbund Norddeutsche Datenautobahn, wo sich Infos der Zeitschrift Geo, die Computer Zeitung oder der SPIEGEL anwählen lassen.
[c]
Frank Simon von der Hamburger Firma Pop, die an der Norddeutschen Datenautobahn baut: „Der gläserne Kunde ist technisch bereits Realität." [DER SPIEGEL Nr. 49, 5.12.1994, S. l l l f . ]
•
Noch gleicht die Datenautobahn vielen großen Baustellen. Wie daraus einmal eine funktionierende Rennstrecke fur Informationen werden soll, ist äußerst ungewiß. P E R SPIEGEL Nr. 50, 12.12.1994, S. 111]
•
Elektronik Blitzschalter für Datenautobahnen Einen superschnellen Schalter, der bei der Übertragung großer Datenmengen auf den Glasfaser-Übertragungsstrecken gebraucht wird, hat ein sechsköpfiges Projektteam am HeinrichHertz-Institut für Nachrichtentechnik in Berlin entwickelt. [DER SPIEGEL Nr. 51, 19.12.1994, S. 175]
•
Als erster Spitzenpolitiker in Europa begab sich am Dienstag letzter Woche der sächsische Ministerpräsident Professor Kurt Biedenkopf auf diese Datenautobahn - via Compu-Serve-Forum des SPIEGEL. [DER SPIEGEL Nr. 52, 26.12.1994, S. 3 - Hausmitteilung]
[a]
Der CDU-Regierungschef hat dazugelernt. Vor einem Dreivierteljahr noch geriet er bei der Frage in einer Fernseh-Talkshow, wann denn endlich in Deutschland die Entscheidungen für den Bau der Datenautobahnen fallen würden, ins Schwimmen: „Der Zustand, den wir jetzt auf den Autobahnen haben, ist dergestalt, daß wir wissen, wann wir überhaupt nur noch von go und stop auf Autobahnen reden können."
[...]
[...]
208 [b]
Irgendwer hat ihm dann wohl den Unterschied zwischen Bundesautobahnen und Datenautobahnen erklärt. Jedenfalls will Kohl die neuen Datennetze politisch nutzen. [DER SPIEGEL Nr. 52, 26.12.1994, S. 21]
•
Doch die schönsten Datenautobahnen, das weiß auch Technikchef Tenzer, „nützen nichts, wenn sie an den Abfahrten auf einen Feldweg münden". Da liegt - außer in den international viel zu hohen Preisen - das große Handikap der Telekom: die veralterte Vermittlungstechnik in den Ortsnetzen. P E R SPIEGEL Nr. 52, 26.12.1994, S. 64f.]
[a]
Datenautobahn Schneller mit Siemens Mit einem technischen Kniff will der Münchner Elektronikkonzern Siemens dafür sorgen, daß die Telefongesellschaften ihre Glasfaserkabel besser ausnutzen können. Durch spezielle elektronische Schaltungen, die entlang den Datenautobahnen im Abstand von 50 bis 80 Kilometern montiert werden, kann auf den bereits verbuddelten Glasfasern etwa die vierfache Menge an Daten auch über weite Entfernungen transportiert werden. So gelang es den Siemens-Technikern in Zusammenarbeit mit der Telekom, die Datenmenge auf einer 600 Kilometer langen Glasfaserstrecke von bisher 2,5 auf 10 Gigabit pro Sekunde zu steigern. Dies entspricht etwa 480 000 gleichzeitig geführten Telefongesprächen oder zwei Millionen übertragenen Fax-Seiten pro Sekunde. Die bessere Ausnutzung der teuren Glasfaserkabel wird für Telefongesellschaften immer wichtiger. Denn mit der zunehmenden Verbreitung von Multimedia-Techniken wächst der Bedarf an Übertragungskapazität auf den Datenautobahnen ins Gigantische. Mit der neuen Technik glaubt Siemens, eine Führungsposition auf dem Information-Highway zu haben. [DER SPIEGEL Nr. 1, 2.1.1995, S. 65]
[b]
[c]
•
Dabei erinnert im Urteil des Referenten die heutige Diskussion um die künftigen «InformationHighways» in vielem an diejenige Debatte, welche in der Handelsbranche Ende der siebziger Jahre unter dem Stichwort «Neue Medien« geführt worden war. Galt damals die ganze Aufmerksamkeit dem neu aufgekommenen Kabelfernsehen (Pay-TV) oder den auf der Bildplattentechnologie basierenden Bildschirmtexten, spreche man zwar heute von den revolutionären Auswirkungen von Datenautobahnen oder der CD-ROM. Unverändert geblieben sei aber die zentrale Frage, ob denn allenfalls diesmal dem klassischen ortsgebundenen Handel die Totenglocken zu läuten drohten. [NZZ Nr. 13, 17.1.1995, S. 25]
•
Welchen städtebaulichen Reiz haben Regierungsneubauten, die wie Daimler- oder Sony-Zentralen aussehen? Was - außer mehr Verkehr - bringen Beamte, die aus den neuen Meckenheims am Rande Berlins zur Arbeit einpendeln? Welche Funktion haben Hauptstädte, die zunehmend von Brüsseler Entscheidungen abhängig sind? Die nur noch beliebige Stationen an Datenautobahnen sind? Und vor allem - was das alles kostet. „Spreebogen"-Regisseur Konrad Sabrautzky hat das Ende des Hauptstadttraums richtig erspürt. [DER SPIEGEL Nr. 4, 23.1.1995, S. 168f.]
•
Die Probleme der Welt können nur noch bewältigt werden, wenn sich im «globalen Dorf» endlich ein politisch-sozialer Konsens durchsetzt, eine gemeinsame Sprache mit verbindlichen Inhalten. Die Emigration ist nicht nur das Drama vom Verlust eigener Wurzeln, sie erschliesst auch neue Horizonte, schafft Begegnungen und Entwicklungen, wie sie sonst kaum gefordert
209 waren. Diese Annäherung des sich Fremden ist für mich die einzige Utopie, die geblieben ist. Sie ist gewachsen aus der Erfahrung: jener der Auswanderung meines Vaters nach Argentinien, meiner Verwandten nach Australien, der Emigrantenströme in den sechziger Jahren nach Deutschland, auch innerhalb unseres Landes vom Süden nach Norden. Ich glaube an eine Vermischung der Kulturen zur gegenseitigen Toleranz. Aber es gibt doch genug Anzeichen, dass die multikulturellen Spannungen im Alltag eher zunehmen. Sie erwähnten vorhin das Global Village: die technisch-mediale Vernetzung verkleinert zwar die Welt zum Dorf, aber verpflichtet noch lange nicht auf eine gemeinsame Humanität. Schaffen die Datenautobahnen wirklich mehr Verständigung? Verflacht nicht im Zeitalter ihrer exzessiven Mittel die Kommunikation selbst immer mehr zur Fiktion ? [NZZ Nr. 26, 1.2.1995, S. 44] [a]
[b]
Datennetze Boulevard der Einfalt Was vor allem wird wohl transportiert werden auf den Datenautobahnen, den Super-Highways des Informationszeitalters, die von Wirtschaftspolitikern und Managern gern als Allheilmittel gegen Rezession und Arbeitslosigkeit angepriesen werden? Erste Hinweise liefert eine Statistik über die Nutzung des Bulletin Board Systems von Internet, dem größten derzeit in Betrieb befindlichen internationalen Datennetz. Wie der britische New Scientist meldet, stand der Wunsch nach digitalisierten Bildern „von meist spärlich bekleideten Frauen, aus pornographischen Magazinen in das System eingelesen", an erster Stelle, dicht gefolgt von der Nachfrage nach Bildern der „Supermodels". Eindeutig Pornographisches erreichte Platz vier. So schnell kann aus der versprochenen Vielfalt einer Datenautobahn die Einbahnstraße zur Einfalt werden. [DER SPIEGEL Nr. 9, 27.2.1995, S.168]
•
Leskows «einfaches», in Wirklichkeit jedoch hochkompliziertes Erzählen ist keine Heimkehr zum Geraune unvordenklicher Zeiten, wie unbeirrbare Romantiker es auch im 20. Jahrhundert der Literatur immer wieder anempfahlen. Vielmehr leistet es spürbaren Widerstand gegen den unabschaltbar gewordenen Strom des öffentlichen Geredes. So gesehen ist Leskow schon im 19. Jahrhundert ein Geisterfahrer auf jener Datenautobahn, für die wir alle demnächst unsere Plaketten erstehen sollen. [NZZ Nr. 53, 4.3.1995, S. 67]
•
Virtueller Knockout Ein vollelektronischer Boxring in der Hauptbahnhof-Halle ese. «Virtual reality», mehr oder minder kunstvoll als «virtuelle Realität» ins Deutsche übersetzt, ist momentan das Schlagwort all derjenigen, die sich mit «Cyberspace», «Datenautobahnen» und überhaupt mit elektronischer Datenverarbeitung befassen. Die elektronisch erzeugten Welten, durch die sich mit «Datenhelm» und «Datenhandschuh» bequem reisen lässt, sind ja auch tatsächlich faszinierend und üben gerade auf jene Computerbegeisterten eine grosse Anziehungskraft aus, die «Pac-Man», «Tetris» und den PC-Flugsimulatoren inzwischen entwachsen sind. Als Lockmittel fur die Eröffnung eines neuen Sportshops hat Jelmoli in der grossen Halle des Hauptbahnhofs einen computerkünstlichen Boxring aufgestellt. Dort konnte sich jedermann als virtueller Boxer versuchen. [NZZ Nr. 54, 6.3.1995, S. 28]
210 •
[Programmhinweis} Bayern 3, 20.15 Reportage am Montag: Multimedia Die Diskussionen über die neuesten Datenautobahnen, Virtual Reality, CD-ROM oder Video-on-demand begeistern die Computerfreaks, hinterlassen aber bei Normalverbrauchern oftmals Verwirrung. Die Reportage versucht, die neuesten technischen Errungenschaften verständlich zu machen. [NZZ Nr. 60, 13.3.1995, S. 26]
•
Die Zeiten haben sich leicht geändert. Heute ist das Schlagwort «Multimedia» en vogue. Und was das auf der Elementarstufe heisst, weiss fast schon jedes Kind. Man interagiert via Telefon und Computerstimme, um Auskünfte über Verkehrsmittel zu erhalten, etwa über Landezeiten von Flugzeugen. Man kann via Kabelnetz und PC ein bisschen shopping gehen und dank Glasfaser und Satelliten Geldziffern auf eine sogenannte Datenautobahn schicken. Längst ist es möglich, Bibliotheken per Modem anzuwählen, Zeitungsartikel von morgen abzufragen, wissenschaftliche Daten aus der Ferne auf den heimischen PC zu holen oder elektronische Bilderbücher durchzublättern. Selbst der operative Eingriff ist mit Hilfe von Videokameras und Rechner heute für Mediziner über grosse Distanzen hinweg machbar. [NZZ Nr. 62, 15.3.1995, S. 52]
•
Zwei Stunden lang traf der Chef der weltgrößten Softwarefirma Microsoft (MS-Dos, Windows, Word) am Mittwoch vergangener Woche auf Politiker, Verbandsvertreter sowie HighTech-Manager und ließ Fragen („Was tun Sie mit 50?") nebst Nettigkeiten über sich ergehen. Einen Technik-Pionier, populär wie ein Rockstar - so etwas hätte Bundeskanzler Helmut Kohl auch gern im Beraterstab oder in der Regierung. Vor Jahresfrist stotterte der Kanzler noch auf Fragen des deutschen Gates-Statthalters Christian Wedeil zur sogenannten Datenautobahn: „Autobahnen sind elementar, auch mit Recht, in der Oberhoheit der Länder." Nun hat er seinem Kabinett mit dem Christdemokraten Rüttgers einen wahren Zukunftsminister verpaßt. Der soll diese Woche beweisen, daß er seinen Titel wert ist. [DER SPIEGEL Nr. 12, 20.3.1995, S. 108]
[a]
Als Toter feiert der allwissende Erzähler seine postmoderne Auferstehung. Nun Gott und den Dingen gleich, ist der Dichter Krösus auf der Überholspur der Datenautobahnen; sie münden nämlich direkt in seinen «offenen» Kopf: «Ich wusste, an den Aktienmärkten war es zu einer deutlichen Erholung gekommen. Diskont- und Lombardsatz weiterhin unverändert. Im Ostteil der Stadt berief die SED zum viertenmal in ihrer Geschichte eine Parteikonferenz ein, und weit im Süden, an der Germaniastrasse, erlitt ein Mädchen schwere innere Verletzungen, als es von einem Lastwagen erfasst wurde.»
[b]
Die deutsche Vereinigung als mythische Heilung und heilige Nacht voll dunkler Bedeutung: das ist, wie «die im Schosse der Jungfrau geronnenen Gedanken Gottes» und manches andere in diesem Buch, höherer Blödsinn - grundiert vom Rauschen der Datenautobahnen. Gespickt mit erlesenen Referenzen, literarischen Topoi und überlebensgrossen Kastrations- und Kopulationsallegorien, avanciert die historische Stunde so zu einem Megagleichnis des Schmerzes. «Nach dieser Nacht wird nichts mehr so sein wie zuvor.» [NZZ Nr. 69, 23.3.1995, S. 45]
[...]
211 •
Heute in der NZZ [...] Schlaglöcher auf den Daten-Autobahnen Das 6. Forum Engelberg zeigte auf, dass trotz einer Aufbruchstimmung in der Telekommunikation bis zur Demokratisierung der Information noch ein langer Weg zu gehen ist. [NZZ Nr. 72, 27.3.1995, S. 1]
•
Inland [...] Schlaglöcher auf den Daten-Autobahnen Das 6. Forum Engelberg zeigte auf, dass trotz einer Aufbruchstimmung in der Telekommunikation bis zur Demokratisierung der Information noch ein langer Weg zu gehen ist. [NZZ Nr.72, 27.3.1995, S. 13]
[a] [b]
Die Daten-Autobahnen führten ins Kloster [...] Erst die Synthese des öffentlichen Schlussabends brachte auf den Punkt, unter welchen (un)heimlichen Visionen sich die agilen Händler und Unterhändler der Daten-Autobahnen und deren Dienste und Endgeräte im engen Schweizer Bergtal getroffen hatten: im Raum steht die digital-interaktive Vernetzung über breitbandige Glasfasertechnologie und die totale telekommunikative Erreichbarkeit des Individuums für multimediale Botschaften - unabhängig von Raum und Zeit via 15stellige Identifikationsnummer. [NZZ Nr. 72, 27.3.1995, S. 15]
•
Als der Kanzler im vergangenen November seinen bis dahin Parlamentarischen Geschäftsführer in ein schwieriges Amt berief, dachte Rüttgers allem voran über Berufsbildungsprogramme und Meister-Bafög nach. Statt dessen inspirieren ihn nun „Zauberworte wie Datenautobahn oder Telekommunikation". Der in den letzten Wochen vielzitierte Multimedia-Boom zwingt den CDU-Jungstar zum Umlernen. Lange gefiel es dem 43jährigen Dr. jur. aus dem rheinischen Pulheim, den ungebremsten Zuwachs an Informationen als „eine Art Müll" zu verdammen - aber was sagt das noch? Ein Erfolgspolitiker, in dessen Fachbereich der große Durchbrach erwartet wird, hat sich den Realitäten zu stellen. Und das tut er geschickt. „Gerade weil wir dafür sind", lehrt der Redner auf einer Wahlkampfveranstaltung in Münster, müsse man die sich ausbreitende „Informationsgesellschaft" auch gebührend hinterfragen. [DER SPIEGEL Nr. 13, 27.3.1995, S. 25]
•
Sie hämmern fleißig in den ICE auf ihren Laptops - Deutschlands Manager. Doch im Hotel angelangt führt kein Weg auf die Datenautobahn. P E R SPIEGEL Nr. 13, 27.3.1995, S. 267]
[a]
«Datenautobahn» als Voraussetzung Die Out-of-home-Infrastruktur umfasst Hardware, Software und Netzwerke, die ausserhalb des privaten Haushaltes in Unternehmen oder öffentlichen Verwaltungen installiert sind, auf die der private Haushalt aber über Netzwerke zugreifen kann. Der Information Highway oder die «Datenautobahn» ist ein Hauptbestandteil der Out-ofhome-Netzwerke. In Zukunft wird der private Haushalt an ein Netzwerk - wie im Versuch in Orlando - angeschlossen sein, das die Übertragung von Daten wie Sprache, Bilder und Videos ermöglicht. Aus Sicht des privaten Haushaltes wird der Information Highway zur Black box,
[b]
212 wie heute das Telefonnetz. Er schliesst sich an, ohne sich um die dahinterliegende Technik zu kümmern. Der Aufbau globaler Netzwerke setzt jedoch Standards voraus. Der Zugang zu den Netzwerken sowie der Datenschutz sind zu regeln. Die Out-of-home-Hardware kann in Rechenzentren mit sehr grosser Kapazität installiert werden, die Out-of-home-Soflware ist notwendig, um die Dienstleistungen anbieten zu können. Elektronische Dienste für den Transport von Sprache, Bild und Video gehören ebenso dazu wie multimediale Datenbanksysteme. [NZZ Nr. 79, 4.4.1995, S. 85] •
19.30 Metropolis. Die Datenautobahnen Europas und das Ende des Fernsehens. [NZZ Nr. 83, 8.4.1995, S. 49] [Programmvorschau]
•
SPIEGEL: Im Zeitalter der Datenautobahnen sind Menschen aller Kontinente täglich miteinander verbunden. Ist eine Weltausstellung, bei der 40 Millionen Menschen in eine Stadt kommen sollen, noch zeitgemäß? Werner: Man kann das Thema der Weltausstellung nicht angehen, indem man ein nettes Fernsehprogramm zusammenstellt und es mit intelligenten Multimediasystemen überall verfügbar macht. [DER SPIEGEL Nr. 15, 10.4.1995, S. 114]
•
An die sieben Monate, vom Fest der Kreuzerhöhung im September bis Ostern, wird er so leben: kein Fleisch, keine Milchprodukte. Allein sitzt er in seiner Zelle, Tag und Nacht, seit 36 Jahren. Einmal hat er neun Jahre lang keinen Besucher empfangen. Da verläuft das Leben des deutschen Benediktinermönchs Anselm Grün, 50, weitaus geschäftiger. Kurz nachdem Prior Bruno zu nachtschlafender Zeit sein Chorgebet beendet hat, kreuzt Pater Anselm im fränkischen Kloster Münsterschwarzach schon auf der Datenautobahn. Er hat den Computer angeschaltet und verschafft sich einen Überblick über die internationalen Devisenmärkte. Danach erst wird er die Bibel lesen; zum Frühstück studiert er das Handelsblatt. Am Mittag hat der Benediktiner noch ein Arbeitsessen mit dem Vermögensberater des Klosters. [DER SPIEGEL Nr. 16, 17.4.1995, S. 122f.]
•
Statt dessen ist Jochen Poetter nostalgiesüchtig einer Urbanen Legende aufgesessen, die in Grossstädten zum Zwecke der Selbstbestätigung nur allzu gerne verbreitet wird: Die Rede ist von der inspirierenden Kraft der Metropolen. Diese Beschwörungsformel muss um so eindringlicher heruntergebetet werden, je weniger Bedeutung dem Ort im Zeitalter elektronischer Medien, Datenautobahnen und Faxgeräte für die künstlerische Produktion zukommt. [NZZ Nr. 90, 19.4.1995, S. 46]
•
In der schönen neuen Kulturwelt braucht sich kein Gelehrter mehr staubig zu machen; ein Computer genügt, und in Megabytes kommt das Kulturmaterial in die Stube des Dichters, um ihn zu rüsten mit Daten und Stoffen für seine Kunst. Die Legionen des Wissens aus den Bibliotheken des Vatikans, von Harvard und Paris reisen an auf Datenautobahnen, mit einem Entsatzungsheer von hunderttausend ketzerischen Franzosen (samt biographischen Angaben, Bibliographie und zeitgenössischen Illustrationen) - in diesem Fall, um anzutreten gegen die spanische Belagerung der Stadt Casale im oberitalienischen Montferrat im Sommer 1630. Da beginnt der Roman «Die Insel des vorigen Tages» von Umberto Eco, ein Produkt der aus-
213 schweifenden Fabulierlust und der Kunstfertigkeit im Anordnen von Fakten, im Simulieren von Authentizität. [NZZ Nr. 91, 20.4.1995, S. 47] •
Vom Zappen zum Shoppen - interaktives Fernsehen Zwei Betriebsversuche in der Schweiz ab Sommer 1995 (mid) «Fernsehen zum Mitmachen» - so könnte interaktives Fernsehen übersetzt werden. Gemeint sind damit Fernsehtechnologien, die es dem Zuschauer ermöglichen, das Fernsehprogramm zu beeinflussen. Aus der Daten-Einbahnstrasse, auf der die Fernsehanstalten ihre Programme zu den Zuschauern senden, sollen Datenautobahnen werden, auf denen Zuschauer und Fernsehanstalten kommunizierend hin und her pendeln. Die Radikalversion von interaktivem Fernsehen heisst «Video on Demand» (VOD), was zu Deutsch etwa «Film auf Wunsch» heisst und nichts anderes ist als eine riesige digitale Videothek. Der Fernsehzuschauer sieht nicht mehr ein bestimmtes Programm, sondern wählt am Bildschirm in einer grossen Datenbank den Film aus, den er gerade sehen will. [NZZ Nr. 93, 22.4.1995, S. 51]
•
Bötsch: Eines stimmt: Bei den Ortstarifen sind im Moment die Kosten höher als die Einnahmen, bei den Ferngesprächen ist es umgekehrt. Da wird es sicher zu einer Korrektur kommen. Allerdings fuhrt der Privatkunde ja nicht nur Ortsgespräche und der Geschäftskunde nicht nur Ferngespräche. Und was den Nutzen neuer Dienste betrifft: Da vertraue ich auf den Markt. SPIEGEL: Die neuen Wettbewerber haben die Privatkunden gar nicht im Visier. Sie wollen die großen Firmen bedienen, sie wollen Rennstrecken mit Datenautobahnen anlegen - nach dem Privat-Telefonierer fragt keiner. Bötsch: Das steht nicht im Vordergrund, zunächst geht es um die Marktöffnung für neue Anbieter. Ich prophezeie aber, daß die neuen Techniken viel Platz lassen für Wettbewerb auch um den Privatkunden. [DER SPIEGEL Nr. 17, 24.4.1995, S. 111 und 114]
•
Für den weiteren Ausbau der Datenautobahn wurde eine gemeinsame Tochtergesellschaft mit Mannesmann und RWE gegründet. [DER SPIEGEL Nr. 17, 24.4.1995, S. 125]
•
Das bedeutet auch, neben der Förderung der Kleinproduzenten die Interessen der Nutzer zu berücksichtigen. So gilt bei der Multimedia-Planung das amerikanische Beispiel als Vorbild, das den Betreibern von Informationsnetzen auferlegt, öffentliche Einrichtungen (Schulen, Bibliotheken, Universitäten) kostenlos an solche Datenautobahnen anzuschliessen. Überhaupt möchte man bei der Lizenzierung neuer Medienprojekte die Möglichkeiten gesellschaftsverträglicher «Erpressungen» der Betreiber stärker ausnutzen. Auch wollen die Grünen ihren Kommunalpolitikern ein neues Handlungsfeld eröffnen. Denn da der Aufbau von Multimedia immer auch in die Kommunikationsstruktur von 6 Regionen und Städten eingreift, kann Medienpolitik nicht mehr von Stadtentwicklungspolitik getrennt werden. Freilich stellt sich auf dieser Entscheidungsebene das Qualifikationsproblem der Akteure noch schärfer. [NZZ Nr.98, 28.4.1995, S. 65]
•
Im World Wide Web (WWW), einem multimedialen Informationssystem des Internet, präsentieren sich über 1000 Hochschulen aus knapp 60 Ländern in Text und Bild, von der Universität Jyväskylä in Finnland bis zur Ateneo de Manila Hochschule auf den Philippinen. Auch die deutschen Hochschulen sind im WWW vertreten - von der Freien Universität Berlin bis zur Katholischen Universität Eichstätt. Der amerikanische Vizepräsident Al Gore wie der deutsche
214 Bildungs- und Wissenschaftsminister Jürgen Rüttgers fordern den zügigen Ausbau der sogenannten Datenautobahn, immer dichter umspannt ein Netz aus Info-Leitungen die Erde. Bereits heute sind in mehreren tausend wissenschaftlichen Datenbanken unzählige Informationen gespeichert. „In Zukunft wird der Student am Computer wie ein Pilot am Flugsimulator durch unendliche Datenmassen steuern", sagt Norbert Bolz, Professor für Kommunikationstheorie an der Universität Essen. [DER SPIEGEL Nr. 18, 1.5.1995, S. 82] [a]
Die elektronische Vernetzung der Welt erlaubt nicht nur die weltweit simultane Beobachtung des Wetters. An die Verschaltung von Räumen und Kontinenten über Kabel und Satelliten knüpfen sich erstaunliche Prophetien und Hoffnungen. Die Vereinigung der drei grossen Netzwerktechniken des 20. Jahrhunderts, nämlich von Telefon, Fernsehen und Computer, soll auch die Menschen kurzschliessen. Eine dem «Information Super Highway» gewidmete Konferenz in Brüssel und die Sonderbeilagen der Managementzeitschriften über Multimedia und Datenautobahnen haben die Erwartungen unterdessen ins Schwindelerregende gesteigert. Der von den Medien selbstveranstaltete Rummel und die dabei verwendeten metallisch schimmernden Neudefinitionen aus dem 21. Jahrhundert haben eine euphorisierende, ja toxische Wirkung. Das entstehende weltumspannende Netzwerk, das Video auf Abruf, On-line-Spiele, virtuelle Begehungen von Einkaufszentren und Ferienorten und - selbstverständlich kindersicher vercodet - Freundschaften und Lustbarkeiten im Cyberspace ermöglicht, will und soll die Weltkulturen verschmelzen und die Individuen aus ihrer schmerzhaften Isolation befreien. Ist das Cyberweb eine neue Quelle der Erlösung, bereitet es die Bühne für einen weltumspannenden Ball der in der Moderne einsam gewordenen Herzen?
[b]
Um die an Multimedia, Datenautobahn und Cyber-Technologie geknüpften Hoffnungen zu beurteilen, erscheint es notwendig, sich deren Möglichkeiten knapp zu vergegenwärtigen. Dass die mit der Industrialisierung beginnende Arbeitsteilung und Spezialisierung wie auch die zunehmende Mobilität den Ausbau von Transportsystemen für Güter, Menschen und auch Informationen notwendig machte, wissen wir noch aus der Geschichte. Schrift, Buch und Papier als Träger von Informationen sind über die gleichen Vertriebssysteme wie Güter und Menschen transportiert worden. Das moderne Leitmedium ist die elektronische Übermittlung. Vor 130 Jahren wurde das Telefon erfunden und das erste Telefonnetz installiert. 1920 gingen Detroit und Pittsburg über Rundfunk auf Sendung. 1954 startete das Fernsehen auf breiter Front, seit 1971 wird es über Satellit ausgestrahlt. 1978 kam das Kabelfernsehen auf, 1980 Bildschirmtext, und 1981 wurden die ersten Personalcomputer installiert. Das vorderhand letzte Stadium sind die von Medienkonzernen und Softwareunternehmen vorangetriebenen, weltumspannenden Kommunikationsnetze, die alle Einzelsysteme verknüpfen und deren Infrastruktur aus in der Erde verlegten Datenautobahnen und am Himmel zirkulierenden Satelliten besteht: das Worldwide Web. Mit seiner Hilfe lassen sich alle denkbaren elektronischen Medien vom Bildtelefon bis zum interaktiven Fernsehen, von der Zeitung auf dem Bildschirm bis zu Videospielen, von Bahnfahrplänen bis zu Business-Infos erschliessen. [...] Mit einem Wort: das herkömmliche Fernsehgerät mutiert zum Multimedia-Computer mit Schnittstellen zum Cyberspace, zur räumlichen Erfahrung. Sind alle Welthaushalte an die Superdatenautobahnen angeschlossen, lassen sich nun Postleitzahlen, Kochrezepte, Börsenkurse und Öffnungszeiten abrufen. Man kann sich darüber informieren, wie ein gebuchtes Hotel in Los Angeles, das Wetter auf Gran Canaria, die Oberfläche des Mars aussieht. Es lassen
[...]
[c]
[d]
215 sich mit andern Usern, sofern diese dazu bereit sind, Kontakte knüpfen. Und wenn man über das entsprechende Gerät verfügt, lassen sich bald die Dschungel Borneos samt Eingeborenen sensomotorisch ersurfen. [...] [e]
Aus der multimedial aufgeblendeten Differenzminderung resultieren aber auch neue Fragen. Den riesigen Geschäftsfeldern folgen auf dem Fuss ebenso riesige Problemfelder. Die unterschiedlichen Realisierungszustände der freiheitlichen Gesellschaft werden verschärft und offenbart. Nicht nur, dass die westlichen Industriestaaten ihre eigene Vernetzung prioritr vorantreiben werden und ganze Kontinente im Schatten der Datenautobahnen verbleiben. Statt dass Differenzen gemindert werden, wachsen sie. Das Summen der Computer und das feine Geräusch der über Modem transportierten Datenmengen bleiben einstweilen den High-Tech«Cheminées» der Multioptionsgesellschaften vorbehalten. [NZZ Nr. 101, 3.5.1995, S. 45]
•
Zur Moderne gehört das Tempo; und die Postmoderne sieht in der Hochgeschwindigkeit, mit der unsere Züge bereits fahren, und in der Lichtgeschwindigkeit, mit der unsere evolutionären Antikörper, die Computer, aber auch die Fernsehapparate arbeiten, ihr ästhetisches, lehrendes Vorbild. Die medialen Fassaden von Rem Koolhaas und Jean Nouvel verarbeiten bereits die Nodalisierung der Welt. Der öffentliche Raum, das waren einst die Plätze, engen Gassen, Boulevards, Cafés, Restaurants, Theater, Parks, und das sind in unserem elektronischen Zeitalter, in welchem der öffentliche Raum in Fernsehstudios abbröckelt, die Highspeed-Verkehrswege und die Datenautobahnen. Paul Virilio hat in einem kleinen siebzigseitigen Band die «Revolutionen der Geschwindigkeiten» beschrieben, und er zeigt mit seiner klaren, anschaulichen Sprache, wie diese den öffentlichen Raum veränderten und heute dabei sind, ihn zu einem Tempodrom umzuformen. Virilio ist denn auch der Überzeugung, dass die «Verheerungen gewiss nicht auf sich warten lassen». [NZZ Nr. 103, 5.5.1995, S. 69]
[a]
Beteiligung von MCI an Murdochs News Corp. Umstrittene Kooperation auf der «Datenautobahn» Die amerikanische Fernmeldegesellschaft MCI Communications Corp. hat sich zu einer bedeutenden Beteiligung an Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp. bereit erklärt. Mit der nicht ganz unumstrittenen Kapitalinfusion durch MCI, die einmal 2 Mrd. $ erreichen könnte, sollen Synergien zwischen der Erzeugung und der Verteilung von Information und Unterhaltung geschaffen werden. [...] Die Beteiligung, die sich durch zusätzliche Käufe am offenen Markt noch auf 20% treiben Hesse, soll eine strategische Kooperation auf der bereits vielgefeierten «Datenautobahn» (Information Superhighway) untermauern; die zwei Konzerne Hessen sich dabei von der «Vision» leiten, dass sich in der Herstellung und im möglichst interaktiven Vertrieb von Informationen und Unterhaltungsinhalten ein erhebliches Synergiepotential ausschöpfen lässt.
[b]
[...] [c]
An der Wall Street, wo die MCI-Aktien schon am Mittwoch nachmittag um annähernd 2 $ auf 209/16 $ zurückgestuft worden waren, wurde die Kooperation insbesondere deshalb skeptisch beurteilt, weil die kommerziellen Meriten der von MCI und der News Corp. anvisierten Vision noch keineswegs erwiesen sind. Zweifel an einer raschen kommerziellen Nutzbarkeit der «Datenautobahn» wurden insbesondere laut, nachdem die einstmals mit lauten Fanfaren-
216 klängen angekündigte «Jahrhundertfusion« zwischen dem regionalen US-Fernmelderiesen Bell Atlantic und der grössten US-Kabelfernsehgesellschaft Tele- Communications Anfang 1994 kläglich gescheitert war. [NZZ Nr. 109, 12.5.1995, S. 27] •
Die grosse Reichweite von NBC und deren Erfahrung bei der Produktion und Verbreitung von Informationsinhalten sollen mit der starken Stellung von Microsoft im Software-Sektor kombiniert werden. NBC soll dabei etwa auch Online-Dienste für das von Microsoft mit Blick auf die kommerzielle Ausschöpfung und Entwicklung der «Datenautobahn» bzw. das Internet «Microsoft Network» kreieren. [NZZ Nr. 113, 17.5.1995, S. 29]
•
In der Nacht vor der Polizeiaktion haben Aum-Mitglieder über Faxgeräte, Telefone, Computer und über den sekteneigenen Rundfunksender im russischen Hafen Wladiwostok ein Feuerwerk von Warnungen und Brandrufen gezündet. Kurz nach Mitternacht jagt eine Eilmeldung über „ Nifty Serve", die Computer-Datenautobahn, an die die Aum angeschlossen ist: „Tausend Mann sammeln sich vor unserer Kommune . . . Schaltet unser Radio auf 1476 Kilohertz ein!" Das Letzte, was Asaharas Anhänger von dem „verehrungswürdigen Meister" hören, ist eine Botschaft, in der er offen zum Massenselbstmord aufruft. [DER SPIEGEL Nr. 21, 22.5.1995, S. 135]
•
Investitionen Südkoreas im Telekommunikationsbereich Seoul, Ende Mai. (Reuter) Südkorea will in den kommenden beiden Jahrzehnten 60 Mrd. $ in eine Datenautobahn investieren. Der Ausbau der Infrastruktur im Telekommunikationsbereich werde eine engere Zusammenarbeit im asiatisch-pazifischen Wirtschaftsraum ermöglichen, sagte Präsident Kim Young Sam. [NZZ Nr. 128, 6.6.1995, S. 25]
•
Schlaglöcher auf der Datenautobahn Europas Kabelnetzbetreiber vor einem «Pakt mit dem Teufel» ? Die in der European Cable Communications Association (ECCA) zusammengeschlossenen Kabelnetzbetreiber trafen sich vergangene Woche in Zürich zu ihrer jährlichen Konferenz. Dabei drehten sich Referate und Diskussionen in erster Linie um die Chancen und Gefahren, welche Multimedia und die Liberalisierung auf dem Gebiet der Telekommunikation mit sich bringen. [NZZ Nr. 131, 9.6.1995, S. 65]
•
Südwest 3, 21.00 Wissenschaftsreport: Sonde Bürger im Computernetz 500 Fernsehprogramme, Einkaufen per Computer, interaktives TV, Datenautobahnen - das Kommunikationszeitalter ist angebrochen. Ist der Mensch überhaupt noch fähig, bei all den tausend Möglichkeiten elektronischer Betätigung, bei all dem aktiven und passiven ProgrammBombardement zu registrieren, dass er lebt, dass er in erster Linie Mensch ist und als solcher einen eigenen, freien Willen hat? [NZZ Nr. 132, 10.6.1995, S. 52]
217 •
Es muß doch einen praktischen Grund geben, warum Kanzler Helmut Kohl mitten in einer Hitze, die jeden Eingeborenen in die Apathie treibt, nach Jericho fáhrt, um dort mit Chairman Jassir Arafat darüber zu reden, wie die reiche Bundesrepublik den armen Palästinensern unter die Arme greifen könnte. Wenn dies schon im Zeitalter der Datenautobahnen nicht über Internet und Compuserve erledigt werden kann, wozu hat dann die Bundesrepublik vor einem Jahr in Jericho ein „Vertretungsbüro" eingerichtet, dessen Leiter Martin Kobler unter anderem auch damit beschäftigt ist, deutsche Sponsoren und Investoren mit palästinensischen Partnern zusammenzubringen? [DER SPIEGEL Nr. 24, 12.6.1995, S. 22]
•
Die Frage jedoch bleibt offen, wie Bibliotheken in die sich im Aufbau befindenden «Datenautobahnen» - Vorbehalte gegen diesen unpräzis geprägten, verwirrenden Begriff seien angemeldet - einschwenken wollen. Als erfreuliche Perspektive für die wissenschaftliche und öffentliche Kommunikation wird der noch schnellere Austausch direkt bearbeitbarer Information versprochen, doch bleibt abzuwarten, wieweit sich mit Internet international auch besseres Verstehen verknüpft. [NZZ Nr. 137, 16.6.1995, S. 46]
•
Aus dem Inhalt [...] Geisterfahrer auf der Datenautobahn? Der Einsatz neuer Informationstechnologien im Unterricht kann die traditionellen Lernformen sinnvoll ergänzen, allerdings kann die virtuelle Denkweise zum Verlust authentischer Lehrund Lernerlebnisse führen. 80 [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 73]
[a]
Geisterfahrten auf den Datenautobahnen? Die Informationstechnologien als pädagogische Provokation Der Einsatz moderner Informationstechnologien im Unterricht kann traditionelle Lernformen sinnstiftend ergänzen und dabei wichtige Schlüsselqualifikationen ßrdie Berufswelt vermitteln. Allerdings besteht die Gefahr, dass die virtuelle Weltsicht zum Verlust authentischer Lehr- und Lernerlebnisse ßhrt und die stofflichen Inhalte durch die technologischen Maschen fallen.
[b]
Dass Datenautobahnen vor den Schulzimmern nicht enden würden, musste eigentlich allen klar sein, die den wachsenden Hunger der Jugend für die neuen Technologien der Informationsverarbeitung kennen. In den USA, wo Multimedia und Datenbanken aus dem Netz bereits zum Alltag des elektronischen Klassenzimmers gehören, ist die sicherlich bedenkenswerte Frage nach dem gültigen Führerausweis für die Fahrt auf dem Information-Highway kein Thema mehr.
[c]
Zu bedenken gilt es zudem, dass der informationstechnologische Kulturkampf der Schule in Freizeit und Beruf - und darauf hätte die Schule ja vorzubereiten - schon längst zugunsten einer beachtlichen Informationskultur entschieden worden ist. Umgekehrt ist das Szenario der Datenautobahn als Lernhilfe durchaus realistisch: An vielen Universitäten weltweit ist der Internet-Anschluss Usanz, und Datennetze fiir Schüler wie «National Geographie Kids Network» in den USA, «Campus 2000» in Grossbritannien oder «Transatlantisches Klassenzimmer» in Deutschland finden immer mehr Nachahmer.
[...]
[...]
[...]
218 [d]
Allerdings gilt es zu bedenken, dass Medienkompetenz eine Fertigkeit ist, die gerade in der Lehrerbildung noch viel curricularen Zusatzaufwand erfordert und sich nicht im blossen Beherrschen der Technik erschöpft. Denn nur Lehrpersonen, die in der Lage sind, die auf den Datenautobahnen transportierten Inhalte kritisch zu filtern, ergänzen in ihrem Unterricht glaubhaft die virtuellen Lebenswelten der Jugend. [NZZ Nr. 142, 22.6.1995, S. 80]
•
Zweitens: Die unkritische Begeisterung für die Medienrevolution nimmt ab. Sie weicht der Frage, ob die Datenautobahnen tatsächlich paradiesische Erfindungen sind oder nicht doch auch so problematisch und ambivalent wie die Autobahnen. Es entwickelt sich ein Gefahrenbewusstsein ohne moralisierenden Kulturpessimismus, rational aus der Vermutung heraus, dass die Kommunikationsquantitäten verhindern, was sie zu fördern vorgeben: Kreativität und Qualität. [NZZ Nr. 149, 30.6.1995, S. 77]
•
Den „Mythos Information" hat Peter Weibel, künstlerischer Leiter des Festivals, dieses Jahr zum Thema gewählt. Die „Netzprojekte" der Künstler sollten, so Weibel, „weltweit zum ersten Mal den Vorhang heben fiir einen Blick auf den Horizont der digitalen Datenautobahu
nen . Doch zu sehen war dann etwa Weibels Cyber-Oper „Wagners Wahn oder Das heilige Land des Kapitals". Angekündigt als Stück über Werk und Wirkung des Komponisten, entpuppte sich die 60-Minuten-Inszenierung als Produktshow: Auf einem gigantischen Projektionsschirm zeigte Weibel Sequenzen seiner gerade fertiggestellten Wagner-CD-Rom, ein paar Wesendonck-Lieder gab es als künstlerische Sättigungsbeilage - Egomedia statt Multimedia. Während der Oper beantwortete Weibel per Tastatur wichtige Fragen der Netzgemeinschaft: „Wie alt bist Du?" Weibel tippte zurück: „50." [DER SPIEGEL Nr. 27, 3.7.1995, S. 182] [a] [b]
Verfassungspanne auf der Datenautobahn. Mit einer Panne auf der Datenautobahn hat die Vernehmlassung zum Entwurf für die neue Bundesverfassung begonnen. Die vom EJPD veröffentlichte Internet-Adresse, wo die Unterlagen für die Verfassungsreform per Computer zugänglich sind, war falsch. Die richtige Adresse lautet: http://www.unil.ch/isdc/const/. (ap) [NZZ Nr. 155, 7.7.1995, S. 14]
[a]
Verkehrsregeln für die «Datenautobahn» Das digitale Zeitalter fordert das Urheberrecht heraus Die Digitalisierung von Text, Ton und Bild versetzt das Urheberrecht in ein Dilemma: Einerseits soll es die Anwendung der neuen Medien nicht lähmen, andererseits die Autorenrechte wirksam schützen. Problembereiche bilden der aufwendige Erwerb von Rechten bei der Herstellung von Multimediaprodukten und die Entschädigung des Urhebers. Noch weitgehend ungeklärt ist, ob das traditionelle Urheberrecht den neuen Anforderungen gerecht werden kann. bst. Bereits die sprachlichen Neuschöpfungen wie Multimedia, interaktive Kommunikation, Datenautobahn (abgeleitet von «Information Highway») signalisieren Neuland: Der technologische Quantensprung, den die Digitalisierung von Text, Bild und Ton ausgelöst hat, führt auch im Urheberrecht zur «neuen Unübersichtlichkeit». [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11]
[b]
219 •
INLAND Urheberrecht auf «Datenautobahn» Die digitalen Medien versetzen das Urheberrecht in ein Spannungsfeld. Einerseits sollen die Urheber wirksam geschützt, andererseits der Anwendung neuer Technologien keine Hemmschuhe verpasst werden. [NZZ Nr. 164, 18.7.1995, S. 11]
•
Krieg der Systeme Vorprogrammierte Verzögerungen bei der Einfiihrung von Digital-TV Die «Revolution» findet nicht statt. 500 Fernsehkanäle, unbegrenzte Kommunikationsmöglichkeiten und der total vernetzte Zuschauer auf der Datenautobahn - diese Schlagworte werden so schnell nicht umgesetzt. Der Integrated Receiver Decoder, die sogenannte Set-Top-Box, die die Digitalisierung der Fernsehsignale bzw. deren Entschlüsselung durch den Zuschauer ermöglicht, steht noch im Labor. [NZZ Nr. 167, 21.7.1995, S. 41]
•
Die Konkurrenz läuft Sturm. Online-Dienste wie Compuserve, America Online und Prodigy protestierten bei den US-Kartellwächtern. Das Verfahren gegen Gates ist noch nicht abgeschlossen. Das deutsche Branchenblatt text intern erwartet einen „heißen Herbst auf der Datenautobahn Längst ist Gates zum heimlichen Herrscher der Informationsgesellschaft geworden. Der Einstieg ins Multimedia-Geschäft würde den Vorsprung weiter ausbauen. „Schon heute ist die gesamte Computerindustrie betroffen, wenn Bill Gates eine Entscheidung trifft", sagt Michael Dertouzos, Professor am Massachusetts Institute of Technology. Möglich war dieser Aufstieg nur durch die ungewöhnliche Energie des Firmengründers. [DER SPIEGEL Nr. 30, 24.7.1995, S. 65f.]
•
Jürgen Rüttgers, 44, Bundesminister fiir Bildung und Forschung, muß auf die Datenautobahn im eigenen Haus noch warten. Weil die Computersysteme des neuen Doppelressorts nicht kompatibel sind, läuft der Informationstransfer zwischen den Dependancen des Ministeriums wie zu Zeitender Postkutsche. Akten und Papiere werden körbeweise vor die Tür gestellt und von einem Kleinbus nach festem Fahrplan täglich neunmal abgeholt und weiterverteilt. P E R SPIEGEL Nr. 30, 24.7.1995, S. 173]
•
Dafür stellt Roger Graf Maloney (wie bereits in seinem ersten Roman) eine Detektivin zur Seite, die ihm nicht nur an Energie und Ausdauer überlegen ist, sondern welche auch als Computerspezialistin, Motorradfahrerin und Biertrinkerin eine Reihe sogenannt typisch männlicher Eigenschaften auf sich vereinigt. In ihrer Gegensätzlichkeit ergänzen sich die beiden prächtig. Jasmin Weber, so der Name der Kollegin, recherchiert per Datenautobahn und wirkt seriös genug, dass auch verängstigte und skeptische Menschen ihr vertrauen, Maloney wiederum kann mit guten Beziehungen zur Polizei aufwarten und schreckt auch vor illegalen Aktionen nicht zurück. [NZZ Nr. 171, 26.7.1995, S. 50]
•
Doch Batman schwebt längst in die andere Richtung. Er hat sich die Gestalt des blassen Val Kilmer geliehen, das war ein erster Schritt, und als nächstes wird er sich völlig lösen von den schwitzenden, stinkenden Körpern. „Batman Forever": Das klingt wie ein Abschied vom Kino für immer. Das nächste Batmobil startet per Fledermausklick auf der Datenautobahn. P E R SPIEGEL Nr. 31, 31.7.1995. S. 160]
220 [a]
Der amerikanische Computerkonzern IBM plant im Rahmen eines Abkommens eine enge Zusammenarbeit mit der staatlichen italienischen Telekommunikationsholding Stet. Ziel dieser Kooperation ist die Entwicklung von internationalen «Datenautobahnen» und anderen Dienstleistungsprodukten. Eine finanzielle Beteiligung am italienischen Partner wird von IBM ausgeschlossen.
[b] [c]
«Datenautobahnen» zusammengelegt Der gerade abgeschlossenen vorläufigen Vereinbarung gemäss wollen IBM und Stet ein Gemeinschaftsunternehmen mit paritätischer Beteiligung gründen, in das beide Konzerne ihre internationalen Telekommunikationsverbindungen einbringen sollen. So verfugt IBM mit seinem «Global Network» (IGN) bereits jetzt über «Datenautobahnen» zwischen 850 Städten in 100 verschiedenen Ländern. Dabei ermöglicht dieses Netz den Zugang zu «Internet» mit hoher Geschwindigkeit in 200 Städten aus 26 Ländern. Ähnliche Datenverbindungen, wenn auch in etwas kleinerem Umfang, betreibt auch die Stet ausserhalb Italiens. [NZZ Nr. 178, 4.8.1995, S. 19]
•
Denn die SPD, welche im Bundesrat die Mehrheit hat, hat bereits früher dargelegt, dass sie unter Universaldiensten nicht nur ein Minimalangebot, sondern ein umfassendes Menu versteht; die Forderung nach Multimedien und «Datenautobahnen» für sämtliche Bürger dürfte rasch auftauchen. Leicht entstünde ein neues Instrument zur politischen Umverteilung von Vorteilen. Unter den Regeln, wie Bötsch sie vorsieht, könnte die Universaldienstauflage für die regulierten Anbieter somit zu einer schweren Bürde werden. [NZZ Nr. 182, 9.8.1995, S. 19]
•
Zukunftsmusik auf der Datenautobahn Werbung fiir Musik via Internet «Eine Gesellschaft, in der Tradition zum Kult wird, verurteilt sich zur Stagnation.» Mit diesem Aphorismus des polnischen Intellektuellen Lezek Kolakowski eröffnete Thomas M. Stein, Geschäftsführer der Bertelsmann Music Group-Ariola (BMG-Ariola), die diesjährige Musikmesse Popkomm in Köln. Um nicht der Stagnation zu verfallen, richtete Stein im August ein eigenes Forum im weltweit zugänglichen Internet ein. Mit mehr als 35 Millionen Nutzern ist das Kommunikationsnetz ein idealer Werberaum für Musikprodukte. Infotexte, Photos, Musikausschnitte bis hin zu Videoclips kann der Internet-Nutzer jetzt im BMG-Netzwerk abrufen. [NZZ Nr. 196, 25.8.1995, S. 61]
•
Die Hamburger Datentechnologie gilt unter Experten nur als Vorreiter einer technologischen Revolution, die derzeit auf Krankenhäuser, Arztpraxen, Versicherte und Versicherungen zurollt. „Das wird kommen", versichert Schulte am Esch; ohnedies sei „eigentlich kaum vorstellbar", klagt der Intensivmediziner, daß die Medizin in der Informationstechnik „so weit hintendran ist". Spät, doch jetzt mit Macht und zudem befördert durch die Vorgaben des Gesundheitsministers Seehofer drängt das deutsche Gesundheitssystem auf die Datenautobahn. Von „galoppierenden Großversuchen" spricht Datenschützer Schräder; in diesen Pilotprojekten läuft die Telemedizin der Zukunft bereits auf Hochtouren. Seit Juli hat die Kölner Gesellschaft für medizinische Datenverarbeitung im Auftrag der Telekom Praxen von rund 400 niedergelassenen Ärzten in Nordwürttemberg mit der Praxissoftware Spirit vernetzt. Die Elektronik erlaubt den angeschlossenen Medizinern den Austausch von Texten, Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen per ISDN-Leitung. [DER SPIEGEL Nr. 35, 28.8.1995, S. 163]
[...]
221 •
Die Zauberformeln der künftigen Mediengesellschaft lauten: Multi- bzw. Hypermedia, Interaktivität, Datennetze bzw. Datenautobahnen und Virtualität. Schon sagen die Technikvisionäre eine Aufrüstung des guten alten Fernsehgerätes zur Workstation voraus, die traditionelle TV-Vollprogramme, Pay-TV, Video on demand, Teleshopping und -banking, Datenbankdienste, Service-Kanäle, Telespiele u. a. m. integriert und soziale Aussenkontakte weitgehend erübrigt. [NZZ Nr. 200, 30.8.1995, S. 63]
•
Ziel der Totalrevision ist laut Bakom-Chef Marc Furrer nicht nur die Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, sondern auch der Anschluss der Schweiz an die globalen Netze, die sogenannten Datenautobahnen. Durch das Zusammenwachsen von Telekom- und Informatikbereichen verspricht man sich auch mehr Promotion für Anwendungen wie Interaktives TV, Teleshopping oder Telearbeit. [NZZ Nr. 201, 31.8.1995, S. 14]
•
Copyright für elektronische Datenübertragung? Vorschläge einer US-Expertenkommission Washington, 5. Sept. (ap) Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung, besonders bei den sogenannten Datenautobahnen, will die US-Regierung den Schutz des geistigen Eigentums verbessern. In einem am Dienstag vorgestellten Bericht schlug eine von Präsident Bill Clinton eingesetzte Projektgruppe vor, die elektronische Übertragung von Daten unter den Schutz des Copyrights zu stellen, wie dies schon bei mechanischen Kopien der Fall ist. [NZZ Nr. 206, 6.9.1995, S. 23]
•
Ungewiss ist allerdings noch die finanzielle Seite, denn mit den budgetierten zwei Millionen Franken pro Jahr lassen sich die fur einen Zeitraum von zehn Jahren projektierten 3000 Tonnen Dokumente und Bücher wohl kaum sanieren. Informationen werden heutzutage immer häufiger nicht mehr per Papier vermittelt - sie wandern als digitale Botschaft mit Lichtgeschwindigkeit auf Datenautobahnen. Vor allem die Wissenschafter haben schon früh damit begonnen, ihre Resultate und Probleme weltweit über Internet zu diskutieren. [NZZ Nr. 209, 9.9.1995, S. 15]
•
So geht es ihm häufiger. Rüttgers schreibt über die Zukunft des Parteienstaats und über Frauenquoten, über schwarz-grüne Bündnisse und über Datenautobahnen. Das liest sich manchmal so, als wäre der Autor kein Mitglied der Bundesregierung. [DER SPIEGEL Nr. 42, 16.10.1995, S. 41]
[a]
Fenster zur Welt Cybercafés in der Schweiz Von Martin Sauter Man mag der Schweiz Isolationismus vorwerfen - technologisch ist sie jedenfalls voll in das «globale Dorf» des Internet integriert. Die Zubringer zur weltumspannenden Datenautobahn sind hierzulande bestens ausgebaut. Entsprechend häufig trifft man auf E-Mail-Adressen, deren Endung *.ch» die Datenreisenden als in der Confoederatio Helvetica beheimatet ausweist: Mehr als 100 000 sollen es laut Schätzungen der Fachpresse inzwischen sein. Darunter finden sich nicht nur Angehörige von Lehr- und Forschungsanstalten, auch viele Geschäftsleute und Privatpersonen sind innert kürzester Zeit zu virtuellen Kosmopoliten
[b]
222 geworden. Der gegenwärtige Boom fuhrt sogar zu höchst realen Problemen: Stau auf der Datenautobahn. Zur Rushhour nach Beginn des Telecom-Niedertarifs ist gelegentlich kein Durchkommen mehr. [NZZ Nr. 210, 11.9.1995, S. 20] •
Die Printmedien halten die Stellung Wemf-Analyse 1995 dokumentiert Leselust rz. Alle elektronischen Datenautobahnen und Regionalfernsehen, die neuerdings auch die Deutschschweiz durchqueren bzw. berieseln, bugsieren die hiesigen Printmedien nicht ins Abseits. Das belegen die neuesten Erhebungen der AG für Werbemedienforschung (Wemf), die den Lesegewohnheiten der Bevölkerung alljährlich nachspürt. [NZZ Nr. 212, 13.9.1995, S. 16]
•
Die Popularität des Internets ist nur ein Indiz dafür, welche Position den Netzwerken in der Zukunft beizumessen ist. Jenes Unternehmen, dessen Netzwerksoftware am weitesten verbreitet ist, kontrolliert die Auffahrt zur Datenautobahn. Entsprechend umkämpft wird der Netzwerkmarkt sein. Dabei ist Novell als Marktführer gut positioniert. [NZZ Nr. 217, 19.9.1995, S. 95]
•
Wo bleibt das Auffangnetz? Sicherheitsbetrachtungen auf der Datenautobahn Von Pierre Brun * Das Internet stellt den Unternehmen heute ein weltumspannendes Medium zur Verbreitung von Informationen über Produkte und Dienstleistungen zur Verfugung. Die Sicherheit einer am Internet angeschlossenen Organisation kann dabei mit einem sogenannten Firewall gewährleistet werden unter der Voraussetzung, dass die technische Lösung von einer entsprechenden Sicherheitspolitik des Unternehmens gestützt wird. [NZZ Nr. 217, 19.9.1995, S. 102]
•
Ganz ähnlich verhält es sich heute. Kaum hatte die Unterhaltungsindustrie davon gehört, dass man dereinst via Datenautobahnen in eine neue Welt brausen kann, wo eine multimedial und interaktiv verdrahtete Multioptionsgesellschaft aufblühen soll, beschloss sie, zumindest virtuell möglichst schnell ein Stück Neuland für sich abzustecken. [NZZ Nr. 220, 22.9.1995, S. 65]
•
DRS 1, 8.30 Trend Telekommunikation - Markt der Zukunft? Gegen 300 Millionen Natel sollen im Jahr 2000 rund um die Welt piepsen, die Datenautobahnen sollen immer weiter ausgebaut, die Computer immer besser vernetzt werden. Goldene Zeiten also für die Branche der Telekommunikation, doch die grosse Goldgräberstimmung ist längst nicht überall angebracht. [NZZ Nr. 227, 30.9.1995, S. 114 Programmhinweis]
•
Vieles deutet darauf hin, dass die medienhistorische Erkenntnis, dass neue Medien die bisherigen in der Regel nicht substituieren, sich auch bei der digitalen Revolution bewahrheitet. Attraktive Vollprogramme, die dem Zuschauer die Auswahl abnehmen, die aktuell sind und gelegentlich auch Überraschendes, Ungewohntes bieten sowie ein kollektives Fernseherlebnis
223 vermitteln, werden sich auch auf den Datenautobahnen neben einer Vielzahl von interaktiven und multimedialen Diensten durchaus behaupten können. [NZZ Nr. 228, 2.10.1995, S. 73] •
Die «Information-Highways», die Datenautobahnen, werden unser Leben schneller und tiefgreifender verändern als die Erfindung der Eisenbahn oder der Elektrizität. Die neuen Anwendungsmöglichkeiten eröffnen grosse Chancen: Sie bewirken einen «Quantensprung» für Lebensqualität, für kreative Talente, für kulturelle Vielfalt. Die Verbindung der Medien, der Telekommunikations- und Computerindustrie sowie der Unterhaltungselektronik verspricht grosses wirtschaftliches Wachstum. Nicht umsonst tobt ein entschlossener Kampf um die Kommunikationsmärkte. [NZZ Nr. 228, 2.10.1995, S. 79]
•
Die Voraussetzungen und das Verfahren sind in Art. 6 DSG und in Art. 5ff. VDSG näher geregelt. Auf den von der Technik zur Verfügung gestellten Datenautobahnen hat der Gesetzgeber einige Verkehrsschilder aufgestellt, die jedoch von den Benützern selten respektiert werden, sofern sie diese überhaupt wahrnehmen. Wo und wie weit man die moderne Kommunikationstechnologie nutzen kann, ist in jedem Fall einige Überlegungen wert, einerseits, weil nicht alles, was technisch möglich, rechtlich auch zulässig ist, und anderseits, weil man als Benützer selbst netzspezifischen Datenschutzrisiken ausgesetzt ist, denn es ist sogar nach dem Entwurf für die EU-ISDN-Richtlinien zulässig, von den Benützern Kommunikationsprofile zu erstellen und diese zu vermarkten. [NZZ Nr. 228, 2.10.1995, S.81]
•
Allein der Seitenblick auf IBM zeigt, dass auch sogenannten Schlüsselprodukten (siehe das Schicksal der Grosscomputer) der Atem rascher als erwartet ausgehen kann. Entlarvend für den ideologischen Hintergrund der Reportage denn auch die gegen den Schluss gefallene Bemerkung, wonach elektronische Datenautobahnen wohl zu wichtig seien, um deren Aufbau privaten Unternehmen zu überlassen. [NZZ Nr. 229, 3.10.1995, S. 52]
•
Riskante Autobahnfahrten Juristisches Neuland in den neuen Datennetzen Wenn von Datenautobahnen und vom Internet die Rede ist, stehen meist die enormen Möglichkeiten undZukunfischancen im Vordergrund. Die Berichte über Hacker, Computerbetrügerund Raubkopierer zeigen allerdings an, dass sich durch die neuen Transportwege flir Daten etliche juristische Probleme ergeben. Defizite bestehen insbesondere im Bereich der Strafverfolgung. [NZZ Nr. 232, 6.10.1995, S. 77]
•
Die Hochschule für Film und Fernsehen errichtet auf dem Areal ein Gebäude. Die Ufa, heute eine Tochtergesellschaft des Bertelsmann-Konzerns mit Engagements vor allem im Bereich des Werbefilms, errichtet eine Niederlassung. Ein High-Tech-Center ist im Bau, das jeden Service in modernsten Post-Production-Verfahren anbieten und über «Datenautobahnen» international vernetzt sein wird. [NZZ Nr. 233, 7.10.1995, S. 80]
•
Ein weiteres zentrales Problem bei Internet ist in der Sicht des Datenschutzbeauftragten, dass es keine international einheitliche datenschutzrechtliche Regelungen gibt. Die Fahrt auf der «Datenautobahn» bezeichnet Guntern daher als «Fahrt ohne Sicherheitsschranken».
224 Den Nutzern von Internet empfiehlt der Datenschutzbeauftragte, technische und organisatorische Massnahmen zur Beschränkung des Risikos zu ergreifen. [NZZ Nr. 237, 12.10.1995, S. 15] •
20.15 MuM - Menschen und Märkte. Multi-Media-Zukunft auf der Datenautobahn. 21.00 Nachrichten. [NZZ Nr. 238, 13.10.1995, S. 52] [Programmübersicht]
•
Diese Berlin-Beihilfen werden sich kaum auf den vorgesehenen Kreis der umziehenden Beamten beschränken lassen. Auch in Berlin längst ansässige Bedienstete, die ähnliche Belastungen haben, können mit guter Erfolgsaussicht auf Gleichbehandlung klagen. Solche Folgekosten des Umzugsbeschlusses sind in der Plan-Summe natürlich nicht enthalten. Schon gar nicht mögen die Umzugsplaner eingestehen, daß die doppelte Haushaltsführung der Ministerien die Masse der Beamten schließlich weiter anwachsen läßt - und damit die Folgekosten des Umzugs weiter nach oben treibt. Der Minister will seine Referenten wohl kaum am Bildschirm der Datenautobahn Bonn-Berlin angucken, wenn er in einer halben Stunde vor einem Bundestagsausschuß auftreten muß. Die Berlin-Freunde hoffen, daß dann der „Rutschbahn-Effekt" eintritt: Der Minister in der Hauptstadt Berlin wünscht immer mehr Beamte aus Bonn in seiner Nähe; die karrierebewußten Aufsteiger suchen ihrerseits die Nähe des Ministers. So dünnt Bonn langsam aus. [DER SPIEGEL Nr. 43, 23.10.1995, S. 59]
[a]
[b]
Statt Terminnot flotte Urteile über die Datenautobahn [Überschrift] [...] Da könnte es durchaus Sinn machen, wenn ein Sachverständiger sein Gutachten per Videoschaltung vorträgt oder der Richter sein Urteil über die Datenautobahn an die Parteien verschickt. „Wenn die Beteiligten einverstanden sind, habe ich gegen eine Videokonferenz zumindest im Zivilprozeß keine Einwände", sagt deshalb Peter Marqua, Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes. Anderswo gehören Video und Computer längst zum Prozeßalltag. [DER SPIEGEL Nr. 43, 23.10.1995, S. 93]
[a]
Zwei neue Zeilen erscheinen auf dem Computerbildschirm. „Ist jemand online, der bei der Operation Wüstensturm dabei war?" will ein „JT" von irgendwo wissen. Alexander Sinclair, 30, grinst siegessicher seinen Nebenmann an, bevor er die Antwort in die Tasten klickert: „Nein, aber ich war schon in einer stürmischen Wüste." Seit einer halben Stunde steht der Jungunternehmer vor einem der drei roten Computerkästen im Bistro eines Jeansherstellers in Köln und beglückt via Datenautobahn die Nutzer wechselnder Quasselforen aus aller Welt mit seiner Art von Humor.
[b]
Der typische Gast der Internet-Cafe's ist zwischen 20 und 35 Jahre alt und verzehrt wenig. Die meisten haben anfangs allenfalls eine Ahnung von dem, was sie im Datennetz erwartet. „So spannend ist es noch nicht", urteilt Ingenieur Alistair Cussen, 25, nach seiner ersten Fahrstunde auf der Datenautobahn. „Ich habe eine Menge nutzloser Informationen gefunden." „Für Fakten gibt es Bibliotheken", findet Alexander Sinclair. „Das einzig Wahre sind
[...]
225 die Chat-Lines, vor allem die Sex-Lines." In diesen elektronischen Gesprächsrunden landen über kurz oder lang die meisten der kichernden Kneipen-Computer-Fans. P E R SPIEGEL Nr. 44, 30.10.1995, S. 110] [a]
Das klingt verführerisch, und so haben bereits 70 000 Neugierige bei der schrägen TechnoTochter der steifen Deutschen Bank angerufen. Doch die Kundenzahl ist erst drei-bis vierstellig, viele trauen dem Frieden noch nicht. Dir Geld abgeben an eine Bank, die es laut Eigenwerbung eigentlich nicht gibt? An Leute, die man nicht sieht? In ein Haus, das man nicht kennt und zu dem man nur via Datenautobahn gelangen kann? Das denkmalgeschützte Backsteingebäude, eine alte Getreidemühle im Norden Bonns, liegt abseits der Stadt, gleich neben dem Hafen. [.··]
[b]
Marcus Brunswick, Sportstudent mit Knopf im Ohr, fahrt seit dem 11. September auf der Datenautobahn der Bank 24. Vorher war er Taxifahrer. Neben ihm sitzt eine Supervisorin, die seine Gesprächsführung kontrolliert. „Die Schutzeinrichtungen hättest du besser erklären sollen, sonst war es gut, sehr freundlich", lobt sie. Supervisoren sind eine feste Institution in der Bank 24. Ihre Aufgabe: die Gleichschaltung der Kundenansprache. Nach dem sechswöchigen Ausbildungsprogramm soll jeder Telefonist die gleichen Sätze sprechen, damit sich der Kunde nicht an einen bestimmten Ansprechpartner gewöhnt.
[c]
Das einzige, was für Aufregung sorgt, ist der Computer. „Nachts stürzt immer die Bank ab", verteidigt sich Michael, als ein Mitarbeiter einen Testanruf startet. Tatsächlich arbeiten die EDVler der Deutschen Bank aus Eschborn jede Nacht fieberhaft an der Verbesserung der offenbar überforderten Software, dem Herz der Bank 24. Schneller, besser, leistungsstärker soll es werden, und manchmal passen die verschiedenen Programme in der Eile nicht zueinander. Dann kommt es zum Zusammenprall auf der Datenautobahn - der Highway wird für Stunden gesperrt. Und Michael muß zurück in die Steinzeit: Mit dem Bleistift notiert er die Wünsche der Kunden, auf Papier, wie ein ganz normaler Banker. [DER SPIEGEL Nr. 44, 30.10.1995, S. 134f.]
•
Auf die pikante Frage, warum denn Regierungen wie in den USA sich derart gegen die ganz sicheren Verschlüsselungstechniken wehren würden, wo doch jeder über die mangelnde Sicherheit des Internet klage, gab es keine Antwort. Doch die meisten, die sich einzuschalten versuchten, konnten die Realität des Internet gleich selbst erleben. Nach zwei Minuten Warten vor leerem Bildschirm kam die Staumeldung von der Internet-Datenautobahn: «Server is refusing connections now. Sorry.» (3sat, 13. Nov.) [NZZ Nr. 266, 15.11.1995, S. 52]
•
Der Papst künftig im Internet Rom, 15. Nov. (ap) Johannes Paul predigt bereits auf CD und über Satellit. Nun will er auch ins Internet. Derzeit bereitet der Vatikan sich darauf vor, Predigten und Nachrichten aus der katholischen Welt über die sogenannte Datenautobahn zu verbreiten. Das Projekt soll schon in wenigen Monaten umgesetzt werden. [NZZ Nr. 268, 17.11.1995, S. 19]
•
Die Kosten für die Datenübertragung werden ebenso drastisch sinken, wie wir es im Bereich der Datenverarbeitung bereits erlebt haben. Wenn sie niedrig genug sind und sich mit anderen technischen Fortschritten verbinden, wird der Information Highway, die Datenautobahn,
[...]
226 mehr als nur ein Schlagwort für übereifrige Manager und aufgeregte Politiker werden. Er wird so real und so allgegenwärtig sein wie Elektrizität. [DER SPIEGEL Nr. 47, 20.11.1995, S. 152] •
Gegen diese Vorstellung und Begriffsbestimmung von Stadt, die sich von einem Ort, wo Stadt sich gebildet hat, und von umbautem Raum, in welchem sich der Mensch bisher in seiner Leiblichkeit zu erfahren pflegte, abgelöst hat, und gegen die Verkündigung demnach auch, dass als Folge eines umfassenden Informationssystems das Land virtuell gleicherweise städtischen Charakter gewinne, wandten sich allerdings die drei anderen Teilnehmer am Gespräch. Sie waren keineswegs bereit, von der Höhe des «abstrakten Urbanismus» herab alles Gebaute nur noch als mögliche Kultur- und Kunstgeschichte zu betrachten. Stadt ist mehr und etwas substantiell anderes als eine Schnittstelle an der Datenautobahn, wie Schilling das mit seinem Beispiel der Grossökonomie, die zwischen New York und Hongkong, Paris und Frankfurt (und wohl auch Zürich) sich abspielt, suggerieren wollte: darin waren sich die anderen einig. [NZZ Nr. 271, 21.11.1995, S. 52]
•
(epd) Mit Hilfe von 170 Versuchsprojekten soll in den nächsten fünf Jahren in Frankreich herausgefunden werden, welche kommerziellen, sozialen und technischen Eigenschaften und Begleiterscheinungen die sogenannten Datenautobahnen haben. [NZZ Nr. 274, 24.11.1995, S. 66]
•
Ein kostspieliges System, das nur ein paar Großunternehmen und wohlhabende Leute miteinander verbindet, wäre ganz einfach nicht der Highway, die Datenautobahn, sondern allenfalls eine private Datenstraße. Das Netz wird nicht genügend interessante Inhalte transportieren, wenn sich nur die einkommensstärksten zehn Prozent der Gesellschaft seiner bedienen können. [DER SPIEGEL Nr. 48, 27.11.1995, S. 126]
•
SPIEGEL: Ein verblüffendes Maß an Ordnung. Wilson: Eigentlich auch wieder nicht, denn die Ameisen laufen wild durcheinander, jede mit ihrem spezialisierten Programm. Es ist kein Fließband, eher eine große Fabrikhalle, wo die Leute hier ein paar Teile aufheben, sie zusammensetzen und woanders wieder fallen lassen. Dann kommt der nächste, findet die beiden Teile und verschraubt sie mit einem dritten. SPIEGEL: Das alles gesteuert von einer komplexen Kommunikation, wie auf der Datenautobahn. Wilson: Eher wie auf der Dada-Autobahn. Wenn man an einen einzelnen Punkt kommt, sieht es aus, als bewegten sich die Ameisen in völligem Chaos. [DER SPIEGEL Nr. 48, 27.11.1995, S. 199]
•
DRS 2, 11.00/22.10 Reflexe Internet 3: Das Projekt «Kulturraum» Datenautobahn - kaum ein Begriff hat in den letzten Jahren so Furore gemacht wie diese Wortschöpfung. Nur, trifft die Metapher die Realität der weltweiten Computervernetzung wie zum Beispiel des Internet wirklich? Dazu äussert sich die Soziologin Ute Hoffmann vom Wissenschaftszentrum Berlin. [NZZ Nr. 277, 28.11.1995, S. 51]
227 •
22.15 Verfolgungsjagd auf der Datenautobahn. Die Zukunft der Telekommunikation. 23.15 G Derrick. Ein merkwürdiger Privatdetektiv. [NZZ Nr. 284, 6.12.1995, S. 52] [Programmübersicht]
•
Mit dem digitalen Leitungsnetz ISDN ist das höhere Tempo bereits für eine wachsende Zahl von Benutzern in der Wirtschaft und im Privatbereich möglich. Breitband-Kabelnetze, zum Beispiel die von der Telekom geplanten Glasfaser-Ringleitungen in deutschen Großstädten, oder die Funkanbindung über Leo-Satelliten verheißen fiir die Zukunft noch weit höhere Geschwindigkeiten auf der Datenautobahn. [DER SPIEGEL Nr. 50, 11.12.1995, S. 222]
•
Die angestrebte Marktöfftiung im Fernmeldewesen müsse allerdings durch eine konsequente Wettbewerbsüberwachung ergänzt werden, um den Missbrauch allfälliger marktbeherrschender Stellungen einzelner Anbieter zu verhindern. Eine wirkliche Marktöfftiung im Kommunikationsbereich setze ferner dit Abschaffung des SRG-Fernsehmonopols voraus, womit der Privatwirtschaft endlich dringend notwendiger Entfaltungsspielraum zur Nutzung von «Datenautobahnen» geboten werden könne. [NZZ Nr. 291, 14.12.1995, S. 29]
[a]
Schulen Das Internet als Internat Deutsche Pädagogen suchen nach einer Auffahrt zur Datenautobahn. Schulbuchverlage und Online-Dienste wittern ihr Geschäft. Solange sie Lehrerin ist, hat sich Dagmar Odenthal über ein Englischbuch geärgert, das die Schüler mit walisischen Jugendherbergen und den Abenteuern eines Hundes namens Bonzo quälte. „Das hatte mit dem Leben überhaupt nichts zu tun", schimpft Odenthal, 47, „langweiliger ging es fast nicht." Neuerdings ist ihr Unterricht an der Berliner Fritz-Karsen-Gesamtschule so lebensnah, wie es ein Schulbuch nie sein könnte. P E R SPIEGEL Nr. 51, 18.12.1995, S. 54]
•
Denn darauf beruht der teuflische Plan: Mit der Hilfe eines Internet-Virtuosen und begnadet freakigen PC-Hackers, des Programmierers Boris Grishenko (Alan Cumming), soll in London sämtliches Geld per Computer-Order auf das Konto der Weltverschwörer transferiert werden. So könnte der Westen, den es im Unterschied zum Osten immer noch gibt, ebenfalls zum Kollaps gebracht werden - wenn Bond, James Bond, nicht das Schlimmste zu verhüten wüßte. Das frei vagabundierende Militärpotential in schurkischen, wenn auch ideologiefreien Händen; Computertechnik, die sich in böser Perfektion am Internet, an Datenautobahnen und dem Tele-Banking schadlos hält, um Europa auch ohne Währungsunion in eine gräßliche Krise zu stürzen: Man sieht, „Goldeneye" ist auf der Höhe der Zeit. [DER SPIEGEL Nr. 51, 18.12.1995, S. 176]
•
Die für die Multimediakommunikation notwendige Leitungskapazität («Datenautobahn») muss erst noch geschaffen werden, und auch die Anbieter scheuen noch die notwendigen grossen Investitionen. Insofern kann man getrost davon ausgehen, dass Interactive Voice Services in den nächsten 10 Jahren weiter boomen werden. [NZZ Nr. 296, 20.12.1995, S. 59]
228 •
Wenn Politiker in scheinbar visionärer Weise skizzieren, wie man über Datenautobahnen zur weltweiten Vernetzung gelange oder wie man dank Multimedia die Informationsgesellschaft verwirklichen könne, entpuppen sich solch wortreiche Wendungen bei genauerem Zuhören oft genug als inhaltsarme Floskeln. Und wenn Politiker vom Internet schwärmen, hat man selten den Eindruck, dass ihnen das Warten und Suchen am Bildschirm vertraut ist. [NZZ Nr. 302, 29.12.1995, S. 23]
•
M. ist der „Wunderwürfel und die „Datenautobahn", M. ist das, was das Leben leichter und bunter macht. Und deshalb ist „Multimedia" das Wort des Jahres ,95', das hat die Gesellschaft für deutsche Sprache nicht ausgedacht, sie hat es einfach registriert. [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 6]
•
Alles rast auf die Datenautobahn. Rast? Mit kurzem „a". Am besten legte man sich etwas zu lesen neben den Rechner. Das Netz war dicht. Man konnte den Daten beim Stehen zusehen. [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 12]
•
Für Politiker, Wirtschaftsweise und Trendforscher ist es in Verbindung mit Begriffen wie „Informationsgesellschaft", „Datenautobahn" und „digitales Zeitalter" die Zauberformel schlechthin, die eine Lösung für die großen Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts verspricht: Weltfrieden, Wachstum und Arbeitsplätze. [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 18]
•
Bundeskanzler Helmut Kohl 1994 auf die Frage, was er denn von den Datenautobahnen halte: „Autobahnen sind mit Recht in der Oberhoheit der Länder." [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 87]
•
Heute sind es die sogenannten Datenautobahnen, auf denen die Völkerverständigung in eine goldene Zukunft rollen soll. [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 113]
•
Für Journalisten in Deutschland ist Sex auf der Datenautobahn die heißeste Nummer des Jahres. Denn erstens bündelt das Thema die Komplexe „Hochtechnologie" und „niedere Instinkte". Zweitens muß man dafür kaum Recherche betreiben. Und drittens reißt einem jeder Chefredakteur den Text aus der Hand. [SPIEGEL special Nr. 3, 1996, S. 148]
Literatur1
Abraham, Werner (1975): Zur Linguistik der Metapher. - In: Poetics 4, 133-172. - /Braunmüller, Kurt (1971): Stil, Metapher und Pragmatik. - In: Lingua 28, 1-47. Adamzik, Kirsten (1994): Zum Begriff der Mustermischung. - In: D. W. Haiwachs, I. Stütz (Hgg.): Sprache - Sprechen - Handeln. Akten des 28. Linguistischen Kolloquiums, Graz 1993, 3-8. Tübingen. Aiston, William P. (1964): Philosophy of language. - Englewood Cliffs, Ν. J. Ankersmit, Frank R. (1993): Metaphor in political theory. - In: F. R. Ankersmit, J. J. A. Mooij (Hgg.): Knowledge and language. Bd. 3: Metaphor and knowledge, 155-202. Dordrecht, Boston, London. - /Mooij, Jan J. A. (Hgg.) (1993): Knowledge and language. Bd. 3: Metaphor and knowledge. Dordrecht, Boston, London. Aristoteles (1980/1993): Rhetorik. Übersetzt, mit einer Bibliographie, Erläuterungen und einem Nachwort von F. G. Sieveke. 4. Auflage. - München. [= Aristoteles Rhetorik] Aristoteles (1982): Poetik. Griechisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von M. Fuhrmann. Stuttgart. [= Aristoteles Poetik] Arntzen, Helmut/Hundsnurscher, Franz (Hgg.) (1993): Metapherngebrauch. Linguistische undhermeneutische Analysen literarischer und diskursiver Texte. - Münster, New York. Austin, John L. (1946/1970): Other minds. - In: Ders.: Philosophical papers. Herausgegeben von J. 0 . UrmsonundG. J. Warnock. 2. Auflage, 76-117. Oxford. (Erstabdruck: Proceedings of the Aristotelian Society. Ergänzungsband 20, 1946) - (1950/1970): Truth. - In: Ders.: Philosophical papers. Herausgegeben von J. O. Urmson und G. J. Warnock. 2. Auflage, 117-133. Oxford. (Erstabdruck: Proceedings of the Aristotelian Society. Ergänzungsband 24, 1950) - (1956/1970): A plea for excuses. - In: Ders.: Philosophical papers. Herausgegeben von J. O. Urmson und G. J. Warnock. 2. Auflage, 175-204. Oxford. (Erstabdruck: Proceedings of the Aristotelian Society 7, 1956-1957) - (1962/1976): How to do things with words. Herausgegeben von J. O. Urmson und M. Sbisà. 2. Auflage. - Oxford, New York. Baker, Gordon P./McGuinness, Brian (1985): Nachwort. - In: F. Waismann: Logik, Sprache, Philosophie. Herausgegeben von G. P. Baker und B. McGuinness, 647-662. Stuttgart. Baldauf, Christa (1997): Metapher und Kognition. Grundlagen einer neuen Theorie der Alltagsmetapher. Frankfurt a. M. u. a. Beardsley, Monroe C. (1962/1996): Die metaphorische Verdrehung. Aus dem Englischen übersetzt von E. Karge. - In: A. Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. 2., um ein Nachwort zur Neuausgabe und einen bibliographischen Nachtrag ergänzte Auflage, 120-141. Darmstadt. (Original: The metaphorical twist. - In: Philosophy and Phenomenological Research 22, 1962, 293-307) Beckmann, Susanne (1994): „Die Bedeutung eines Wortes ist das, was die Erklärung der Bedeutung erklärt". Wittgenstein und die Gebrauchstheorie der Bedeutung. - In: S. Beckmann, S. Frilling (Hgg.): Satz - Text - Diskurs. Akten des 27. Linguistischen Kolloquiums, Münster 1992. Bd. 1, 115-122. Tübingen.
1
Die im Rahmen der Arbeit verwendeteten Siglen finden sich hinter dem jeweiligen Titel in eckigen Klammern [= ]. Werden hinter dem Autorennamen zwei Jahreszahlen angegeben, so bezieht sich die zweite Zahl auf das Erscheinungsjahr der zitierten Ausgabe. Die erste Jahreszahl weist auf die erste Auflage bzw. auf eine vorhergehende Ausgabe an einem anderen Ort hin, diese wird gegebenenfalls am Ende der bibliographischen Angabe angeführt.
230 - /König, Peter-Paul (1995): Wie ein Textmuster entsteht... - In: Grazer Linguistische Studien 44, 1-13. Berg, Wolfgang (1978): Uneigentliches Sprechen. Zur Pragmatik und Semantik von Metapher, Metonymie, Ironie, Litotes und rhetorischer Frage. - Tübingen. Berger, Peter L./Luckmann, Thomas (1966/1982): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie. Übersetzt von M. Plessner. Reprint der 5. Auflage. Frankfurt a. M. (Original: The social construction of reality. New York 1966) Bertau, Marie-Cécile (1996): Sprachspiel Metapher. Denkweisen und kommunikative Funktion einer rhetorischen Figur. - Opladen. BERTELSMANN (1996): Die neue deutsche Rechtschreibung. CD-ROM. - München. Black, Max (1954/1962): Metaphor. - In: Ders.: Models and metaphors. Studies in language and philosophy, 25-47. Ithaca, New York. (Erstabdruck: Proceedings of the aristotelian society 55, 1954, 273-294) - (1962): Models and archetypes. - In: Ders.: Models and metaphors. Studies in language and philosophy, 219-243. Ithaca, New York. - (1977/1993): More about metaphor. - In: A. Ortony (Hg.): Metaphor and thought. 2. Auflage, 19-41. Cambridge. (Erstabdruck: Dialéctica 31, 1977, 31-57) Bliesener, Thomas (1981): Können Analogien Konflikte im Gespräch überbrücken? - In: G. Hindelang, W. Zillig (Hgg.): Sprache: Verstehen und Handeln. Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums. Münster 1980. Bd. 2, 259-268. Tübingen. Blumenberg, Hans (1979): Ausblick auf eine Theorie der Unbegrifflichkeit. - In: Ders.: Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher, 75-93. Frankfurt a. M. Bremerich-Vos, Albert (1981): Zur Kritik der Sprechakttheorie - Austin und Searle. - Weinheim, Basel. Brenner, Walter (1995): Einzug der Informatik in den privaten Haushalt. - In: Neue Zürcher Zeitung vom 4.4.1995, 79, 85. Brinker, Klaus/Sager, Sven F. (1989): Linguistische Gesprächsanalyse. Eine Einflihrung. - Berlin. Brülisauer, Bruno (1982): Der Erkenntniswert von metaphorischen Aussagen. - In: Studia Philosophie 41, 177-199. Brünner, Gisela (1987): Metaphern für Sprache und Kommunikation in Alltag und Wissenschaft. - In: Diskussion Deutsch 18, 100-119. Bühl, Achim (1996): CyberSociety. Mythos und Realität der Informationsgesellschaft. - Köln. Busse, Dietrich (1987): Historische Semantik. Analyse eines Programms. - Stuttgart. - /Teubert, Wolfgang (1994): Ist Diskurs ein sprachwissenschaftliches Objekt? Zur Methodenfrage der historischen Semantik. - In: D. Busse, F. Hermanns, W. Teubert (Hgg.): Begriffsgeschichte und Diskursgeschichte. Methodenfragen und Forschungsergebnisse der historischen Semantik, 10-28. Opladen. Caillieux, Michel (1974): Bemerkungen zum Gebrauch von Regel. - In: H. J. Heringer (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik, 25-47. Frankfurt a. M. Canzler, Weert/Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute (1995): Die Datenautobahn-Sinn und Unsinn einer populären Metapher. - In: FS II 95-101, 4-30. Cherubim, Dieter (1984): Sprachgeschichte im Zeichen der linguistischen Pragmatik. - In: W. Besch, O. Reichmann, S. Sonderegger (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Erster Halbband, 802-815. Berlin, New York. Chladenius, Johann Martin (1742/1969): Einleitung zurrichtigen Auslegung vernünftiger Reden und Schriften. Mit einer Einleitung von L. Geldsetzer. - Düsseldorf. (Erstabdruck: Leipzig 1742) Chomsky, Noam (1962): Syntactic structures. - The Hague. - (1965/1976): Aspects of the theory of syntax. 11. Auflage. - Cambridge, Massachusetts. Cicero, Marcus Tullius (1976/1986): De oratore. Über den Redner. Lateinisch/Deutsch. Übersetzt und herausgegeben von H. Merklin. 2., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage. - Stuttgart. [ = Cicero De oratore] Cooper, David (1986): Metaphor. - Oxford. Davidson, Donald (1979): What metaphors mean. - In: S. Sacks (Hg.): On metaphor, 29-45. Chicago, London. (Erstabdruck: Critical Inquiry 5, 1978, 31-47)
231 Debatin, Bernhard (1995): Die Rationalität der Metapher. Eine sprachphilosophische und kommunikationstheoretische Untersuchung. - Berlin, New York. Demandt, Alexander (1978): Metaphern flir Geschichte. Sprachbilder und Gleichnisse im historischpolitischen Denken. - München. Dubois, Jacques/Edeline, Francis/Klinkenberg, Jean-Marie u. a. (1970): Rhétorique générale. - Paris. DUDEN (1985): Richtiges und gutes Deutsch. Herausgegeben vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. 3., neu bearbeitete und erweiterte Auflage. - Mannheim. DUDEN (1996) : Die deutsche Rechtschreibung. Herausgegeben vom Wissenschaftlichen Rat der Dudenredaktion. 21., völlig neu bearbeitete Auflage. - Mannheim. Dumarsais, César Chesneau (1730/1988): Des Tropes ou des différents sens. Dans lesquels on peut prendre un même mot dans une même langue. - In: Ders.: Des Tropes ou des différents sens. Herausgegeben von F. Douay-Soublin, 53-237. Paris. (Original: Des Tropes ou des différents sens dans lesquels on peut prendre un même mot dans une même langue. Ouvrage utile pour l'intelligence des auteurs, & qui peut servir d'introduction à la Rhétorique et à la Logique. Paris 1730) Eco, Umberto (1983): The scandal of metaphor. Metaphorology and semiotics. - In: Poetics Today 4, 217-257. - (1985): Semiotik und Philosophie der Sprache. Übersetzt von C. Trabant-Rommel und J. Trabant. - München. (Original: Semiotica e filosofia del linguaggio. Turin 1984) Ehlich, Konrad/Rehbein, Jochen (1979): Sprachliche Handlungsmuster. - In: H.-G. Soeffner (Hg.): Interpretative Verfahren in den Sozial- und Textwissenschaften, 243-274. Stuttgart. Emonds, Heiner (1986): Metaphernkommunikation. Zur Theorie des Verstehens von metaphorisch verwendeten Ausdrücken der Sprache. - Göppingen. Engel, Ulrich/Tertel, Rozemaria K. (1993): Kommunikative Grammatik. Deutsch als Fremdsprache. - München. Feilke, Helmuth (1994): Common sense-Kompetenz. Überlegungen zu einer Theorie .sympathischen' und ,natürlichen' Meinens und Verstehens. - Frankfurt a. M. - (1996): Sprache als soziale Gestalt. Ausdruck, Prägung und die Ordnung der sprachlichen Typik. - Frankfurt a. M. Fiehler, Reinhard (1990): Kommunikation, Information und Sprache. Alltagsweltliche und wissenschaftliche Konzeptualisierungen und der Kampf um die Begriffe. - In: R. Weingarten (Hg.): Information ohne Kommunikation? Die Loslösung der Sprache vom Sprecher, 99-128. Frankfurt a. M. Fischer, Hans Rudi (1987): Sprache und Lebensform. Wittgenstein über Freud und die Geisteskrankheit. - Frankfurt a. M. Fleischer, Wolfgang/Barz, Irmhild (1992): Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Unter Mitarbeit von M. Schröder. - Tübingen. Foucault, Michel (1997): Archäologie des Wissens. Übersetzt von U. Koppen. - Frankfurt a. M. (Original: L'archéologie du savoir. Paris 1969) Frege, Friedrich Ludwig Gottlob (1918-1919/1986): Der Gedanke. Eine logische Untersuchung. In: Ders.: Logische Untersuchungen. Herausgegeben und eingeleitet von G. Patzig. 3., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, 30-53. Göttingen. (Erstabdruck: Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus 2, 1918-1919, 58-77) - (1923-1926/1986): Logische Untersuchungen. Dritter Teil: Gedankengefuge. - In: Ders.: Logische Untersuchungen. Herausgegeben und eingeleitet von G. Patzig. 3., durchgesehene und bibliographisch ergänzte Auflage, 72-112. Göttingen. (Erstabdruck: Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus 3, Heft 1, 1923-1926, 36-51) Freud, Sigmund (1919/1994): Wege der psychoanalytischen Therapie. - I n : Ders.: Studienausgabe. Ergänzungsband: Schriften zur Behandlungstechnik. Herausgegeben von A. Mitscherlich, A. Richards, J. Strachey, I. Grubrich-Simitis (Mitherausgeber des Ergänzungsbandes). 4., korrigierte Auflage, 239-249. Frankfurt. (Kongreßvortrag aus dem Jahr 1919) Frieling, Gudrun (1996): Untersuchungen zur Theorie der Metapher. Das Metaphern-Verstehen als sprachlich-kognitiver Verarbeitungsprozeß. - Osnabrück. Frilling, Sabine (1994): Textsorten in juristischen Fachzeitschriften. - Münster, New York.
232 Fritz, Gerd/Muckenhaupt, Manfred (1981): Kommunikation und Grammatik. Texte - Aufgaben Analysen. - Tübingen. Gangloff, Tilmann P. (1994): Abklingende Euphorie in Sachen Interaktivität. - In: Neue Zürcher Zeitung 116, 20.5.1994, 68. Gates, Bill (1995): Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft. Aus dem Amerikanischen von F. Griese und H. Kober. 2. Auflage. Hamburg. (Original: The road ahead. New York 1995) Gilder, George/Keyworth George A./Toffler, Alvinu. a. (1995): Cyberspace und der amerikanische Traum. Auf dem Weg zur elektronischen Nachbarschaft: Eine Magna Charta für das Zeitalter des Wissens. Übersetzt von R. Kaiser. - In: Frankfurter Allgemeine Zeitung 198, 26.8.1995, 30. Gloning, Thomas (1996): Bedeutung, Gebrauch und sprachliche Handlung. Ansätze und Probleme einer handlungstheoretischen Semantik aus linguistischer Sicht. - Tübingen. Göttert, Karl-Heinz (1979): Regelbefolgung, Regeldurchbrechung, Regelerneuerung. - In: Zeitschrift fir germanistische Linguistik 7, 151-166. Goffman, Erving (1974/1978): Erwiderungen und Reaktionen. Aus dem Amerikanischen übersetzt v o n H . Höhlein. - In: K. Hammerich, M. Klein (Hgg.): Materialien zur Soziologie des Alltags, 120-176. Opladen. (Original: 1974) Goldmann, Martin/Herwig, Claus/Hooffacker, Gabriele (1995): Internet. Per Anhalter durch das globale Datennetz. - Reinbek bei Hamburg. Goodman, Nelson (1968): Languages of art. An approach to a theory of symbols. 2. Auflage. - Indianapolis, New York, Kansas City. - (1984/1987): Vom Denken und anderen Dingen. Übersetzt von B. Philippi. - Frankfurt a. M. (Original: Of mind and other matters. Cambridge, Massachusetts, London 1984) Gordon, David (1986/1992): Therapeutische Metaphern. 4. Auflage. - Paderborn. Gottsched, Johann Christoph (1742/1973): Versuch einer Critischen Dichtkunst. - In: Ders.: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von J. Birke und B. Birke. Bd. 6.1. Nach der dritten Auflage. Berlin, New York. Grabski, Michael (1988): Gebrauchsanfihrungen. Ein Ausdrucksmittel fir die Störung semantischer Struktur. - Tübingen. Graffe, Jürgen (1990): Sich festlegen und verpflichten. Die Untermuster kommissiver Sprechakte und ihre sprachlichen Realisierungsformen. - Münster, New York. Grice, H. Paul (1975/1991): Logic and conversation. - In: Davis, Steven (Hg.): Pragmatics. A reader, 305-315. New York, Oxford. Habermas, Jürgen (1981/1988): Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 1: Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. - Frankfurt a. M. - (1988): Nachmetaphysisches Denken. - Frankfurt a. M. Hare, Richard M. (1952/1970): The language of morals. Reprint. - Oxford. Hartig, Matthias (1983): Sprachwandel und sozialer Wandel. - In: T. Cramer (Hg.): Literatur und Sprache im historischen Prozeß. Vorträge des Deutschen Germanistentages, Aachen 1982. Bd. 2: Sprache, 189-200. Tübingen. Haverkamp, Anselm (Hg.) (1983/1996): Theorie der Metapher. 2., ergänzte Auflage. - Darmstadt. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1932-45/1970): Vorlesungen über die Ästhetik. Werke. Bd. 13. Auf der Grundlage der Werke von 1832-45 neu edierte Ausgabe. Redaktion E. Moldenhauer und K. M. Michel. - Frankfurt a. M. Heinemann, Wolfgang/Viehweger, Dieter (1991): Textlinguistik. Eine Einführung. - Tübingen. Helmers, Sabine/Hoffmann, Ute/Hofmann, Jeanette (1994): Alles Datenautobahn - oder was? Entwicklungspfade in eine vernetzte Zukunft, o. S. [http://duplox.wz-berlin.de/docs/ausblick.html] (Original: Kommunikationsnetze der Zukunft - Leibilder und Praxis. Dokumentation einer Konferenz am 3. Juni 1994 im WZB, F II, 94-103) Henger, Gregor (1995): Stürmische Entwicklung des Internet. Internationale Kooperative der Kommunikation. - I n : Neue Zürcher Zeitung 161, 14.7.1995, 43. Henle, Paul (1958/1996): Die Metapher. - In: A. Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. 2., um ein Nachwort zur Neuausgabe und einen bibliographischen Nachtrag ergänzte Auflage, 80-105.
233 Darmstadt. (Original: Metaphor. - In: Language, Thought, and Culture. Ann Arbor 1958, 173-195) Herbermann, Clemens-Peter (1981): Wort, Basis, Lexem und die Grenze zwischen Lexikon und Grammatik. Eine Untersuchung am Beispiel der Bildung komplexer Substantive. - München. Heringer, Hans Jürgen (1974): Eine Regel beschreiben. - In: Ders. (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik, 48-87. Frankfürt a. M. - (1974b): Praktische Semantik. - Stuttgart. - (1984): Gebt endlich die Wortbildung frei! - In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 53, 43-53. Hesse, Mary (1988): Die kognitiven Ansprüche der Metapher. - In: J.-P. van Noppen (Hg.): Erinnern, um Neues zu sagen, 128-148. Frankfürt a. M. - (1993): Models, metaphors and truth. - In: F. R. Ankersmit, J. J. A. Mooij (Hgg.): Knowledge and language. Bd. 3: Metaphor and knowledge, 49-66. Dordrecht, Boston, London. Hindelang, Götz (1978): Auffordern. Die Untertypen des Aufforderns und ihre sprachlichen Realisierungsformen. - Göppingen. - (1983/1994): Einführung in die Sprechakttheorie. 2., durchgesehene Auflage. - Tübingen. - (1994): Dialogmuster und Dialogverlauf. Verlaufsanalyse eines gestalttherapeutischen Gesprächs. - In: P.-P. König, H. Wiegers (Hgg.): Satz - Text - Diskurs. Akten des 27. Linguistischen Kolloquiums, Münster 1992. Bd. 2, 147-154. Tübingen. - (1996): Sekte, ein brisantes Wort? Lexikographische und sprachkritische Bemerkungen. - In: Sprachreport 2, 3-5. Hörmann, Hans (1971): Semantische Anomalie, Metapher und Witz oder .Schlafen farblose grüne Ideen wirklich wütend?' - In: Folia Linguistica 5, 310-330. Hücker, Franz-Josef (1998): Metaphern - die Zauberkraft des NLP. Ein Leitfaden für Berufspraxis und Training. - Paderborn. Hülzer, Heike (1987): Die Metapher. Kommunikationssemantische Überlegungen zu einer rhetorischen Kategorie. - Münster. Hülzer-Vogt, Heike (1989): Probleme mit .gelungener' Metaphernkommunikation. - In: Grazer Linguistische Studien 31, 49-65. - (1989b): „Du machst Dir Sorgen". Eine Studie zu Kommunikationskonflikten durch Metaphern am Beispiel eines Unterrichtsdiskurses. - In: E. Weigand, F. Hundsnurscher (Hgg.): Dialoganalyse II. Referate der 2. Arbeitstagung, Bochum 1988. Bd. 2, 357-376. Tübingen. Hundsnurscher, Franz (1980): Konversationsanalyse versus Dialoggrammatik. - In: H. Rupp, H.-G. Roloff (Hgg.): Akten des VI. Internationalen Germanisten-Kongresses, Basel 1980. Teil 2, 89-95. Bern, Frankfurt a. M. - (1981): Semantische Kompetenz. - In: G. Hindelang, W. Zillig (Hgg.): Sprache: Verstehen und Handeln. Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums, Münster 1980. Bd. 2, 35-46. Tübingen. - (1984): Theorie und Praxis der Textklassifikation. - In: I. Rosengren (Hg.): Sprache und Pragmatik. Lunder Symposium 1984, 75-97. Stockholm. - (1985): Neues zur Metapher. - In: G. Heintz, P. Schmitter (Hgg.): Collectanea Philologica. Festschrift fir Helmut Gipper zum 65. Geburtstag. Bd. 1, 305-318. Baden-Baden. - (1986): Dialogmuster und authentischer Text. - In: F. Hundsnurscher, E. Weigand (Hgg.): Dialoganalyse. Referate der 1. Arbeitstagung, Münster 1986, 35-49. Tübingen. - (1990): »Seien Sie gewarnt, das Eis ist dünn!« - In: A. Hilmi, U. Müller-Speiser (Hgg.): Al Harafisch. Beiträge zur arabischen und deutschen Literatur und Sprache, 209-225. Stuttgart. - (1991): Über den Zusammenhang von Wortsemantik, Satzsemantik und Textsemantik. - In: E. Czucka (Hg.): »Die in dem alten Haus der Sprache wohnen«. Beiträge zum Sprachdenken in der Literaturgeschichte. Helmut Arntzen zum 60. Geburtstag, 33-44. Münster. - (1993): Das Metaphernproblem aus sprachwissenschaftlicher Sicht. - In: H. Arntzen, F. Hundsnurscher (Hgg.): Metapherngebrauch. Linguistische und hermeneutische Analysen literarischer und diskursiver Texte, 7-12. Münster. - (1993b): Die .Lesart' als Element der semantischen Beschreibung. - In: P. R. Lutzeier (Hg.): Studien zur Wortfeldtheorie. Studies in lexical field theory, 239-250. Tübingen.
234 -
(1994): Dialog-Typologie. - In: G. Fritz, F. Hundsnurscher (Hgg.): Handbuch der Dialoganalyse, 2 0 3 - 2 3 8 . Tübingen. - (1995): Das Gebrauchsprofil der Wörter. Überlegungen zur Methodologie der wortsemantischen Beschreibung. - In: U . Hoinkes (Hg.): Panorama der lexikalischen Semantik. Thematische Festschrift aus Anlaß des 60. Geburtstags von Horst Geckeier, 3 4 7 - 3 6 0 . Tübingen. - /Splett, Jochen (1982): Semantik der Adjektive des Deutschen. Analyse der semantischen Relationen. - Opladen. Huttar, George L. (1980): Metaphorical speech acts. - In: Poetics 9, 3 8 3 - 4 0 1 . Ingendahl, Werner (1972): Komplexe Sprachgebilde als Erzeugnisse metaphorischen Verfahrens. In: Muttersprache 82, 3 8 0 - 3 8 7 . Jakob, Karlheinz (1991): Maschine, mentales Modell, Metapher. Studien zur Semantik und Geschichte der Techniksprache. Tübingen. Katz, Jerrold J. (1964): Semi-Sentences. - In: J. J. Katz, J. A. Fodor (Hgg.): The structure of language, 4 0 0 - 4 1 6 . Englewood Cliffs, Ν. J. - (1977): Prepositional structure and illocutionary force. A study of the contribution of sentence meaning to speech acts. - Hassocks, Sussex. - /Fodor, Jerry A. (1963): The structure of semantic theory. - In: Language 39, 170-210. Kaupp, Peter (1968): Das Heiratsinserat im sozialen Wandel. - Stuttgart. Keller, Rudi (1974): Zum Begriff der Regel. - In: H . J. Heringer (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik, 10-24. Frankfurt a. M . - (1975): Zur theorie metaphorischen Sprachgebrauchs. Ein beitrag zur Semantik v o n p r a g m a t i k . In: Zeitschrift fir germanistische Linguistik 3, 4 9 - 6 2 . - (1975b): Meinen und Bedeuten. - In: Zeitschrift für germanistische Linguistik 3, 182-185. - (1990): Sprachwandel. Von der unsichtbaren Hand in der Sprache. - Tübingen. - (1992): Zeichenbedeutung und Bedeutungswandel. - In: Zeitschrift für Semiotik 14, H. 4, 327-366. - (1995): Zeichenbegriff und Metaphern. - In: G. Harras (Hg.): Die Ordnung der Wörter. Kognitive und lexikalische Strukturen, 179-192. Berlin, New York. - (1995b): Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens. - Tübingen, Basel. Keller-Bauer, Friedrich (1983): Metaphorische Präzedenzen. - In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 51, 4 6 - 6 0 . - (1984): Metaphorisches Verstehen. Eine linguistische Rekonstruktion metaphorischer Kommunikation. - Tübingen. Kemmerling, Andreas (1976): Kategorienfehler. - In: J. Ritter, K. Gründer (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 4: I - K , 7 8 1 - 7 8 3 . Basel, Stuttgart. Kempson, Ruth M . (1975): Presupposition and the delimitation of semantics. - Cambridge. - (1977): Semantic theory. - Cambridge. Kleinsteuber, Hans J. (1996): Der Information Superhighway: Analyse einer Metapher. - In: Ders. (Hg.): Der „Information Superhighway". Amerikanische Visionen und Erfahrungen, 17-47. Opladen. Klockow, Reinhard (1980): Linguistik der Gänsefußchen. Untersuchungen zum Gebrauch der Anführungszeichen im gegenwärtigen Deutsch. - Frankfurt a. M . Knop, Sabine de (1983): Nominale Vergleichsbildungen oder metaphorische zusammengesetzte Nomen? - In: Linguistische Berichte 87, 1 - 1 2 . Koch, Peter (1994): Gedanken zur Metapher - und zu ihrer Alltäglichkeit. - In: A. Sabban, C . Schmitt (Hgg.): Sprachlicher Alltag. Linguistik - Rhetorik - Literaturwissenschaft. Festschrift fir Wolf-Dieter Stempel, 7. Juli 1994, 2 0 1 - 2 2 2 . Tübingen. Koller, Wilhelm (1975): Semiotik und Metapher. Untersuchungen zur grammatischen Struktur und kommunikativen Funktion von Metaphern. - Stuttgart. - (1986): Dimensionen des Metaphernproblems. - In: Zeitschrift fir Semiotik 8, H . 4 , 3 7 9 - 4 1 0 . König, Peter-Paul (1994): H a n d l u n g s m u s t e r - T e x t m u s t e r - D i a l o g m u s t e r . Überlegungen zum Status kommunikativer Muster. - In: D. W . Haiwachs, I. Stütz (Hgg.): Sprache - Sprechen - Handeln. Akten des 28. Linguistischen Kolloquiums, Graz 1993, 109-115. Tübingen.
235 -
/van Lengen, Catrín (1991): .Salmiakpastillensüchtiger (26/187) sucht einfühlsame Therapeutin'. Die Partneranzeige - Ein Textmuster und seine Varianten. - In: Sprachreport 3, 11-12. Kohl, Mathias (1989): Regeln und Diskurseinheiten. - In: E. Weigand, F. Hundsnurscher (Hgg.): Dialoganalyse II. Referate der 2. Arbeitstagung, Bochum 1988, 8 7 - 1 0 3 . Tübingen. Kohrt, Manfred (1986): Dialoggrammatik und/oder Konversationsanalyse? - In: F. Hundsnurscher, E . Weigand (Hgg.): Dialoganalyse. Referate der 1. Arbeitstagung, Münster 1986, 6 9 - 8 2 . Tübingen. Krückeberg, Fritz/Spaniol, Otto (Hgg.) (1990): Lexikon, Informatik und Kommunikationstechnik. Düsseldorf. Kubczak, Hartmut (1978): Die Metapher. Beiträge zur Interpretation und semantischen Struktur der Metapher auf der Basis einer referentialen Bedeutungsdefinition. - Heidelberg. Kügler, W e r n e r (1984): Zur Pragmatik der Metapher. Metaphemmodelle und historische Paradigmen. - Frankfurt a. M . Künne, Wolfgang (1983): ,1m übertragenen Sinne'. Zur Theorie der Metapher. - In: Conceptus 17, 181-200. Küster, Rainer (1983): Politische Metaphorik. - In: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 14, 3 0 - 4 5 . Kusenbach, Margarethe (1992): Steckbriefe auf dem Markt der Intimität. Eine empirische Untersuchung von Kontaktanzeigen in Stadtmagazinen. - [Magisterarbeit Universität Konstanz] Labov, William (1972): Das Studium der Sprache im sozialen Kontext. - In: W . Klein, D. Wunderlich (Hgg.): Aspekte der Soziolinguistik, 123-206. Frankfurt a. M . Lakoff, George (1987): Woman, fire and dangerous things. - Chicago. - /Johnson, Mark (1980): Metaphors we live by. - Chicago, London. - /Johnson, M a r k (1982): Metaphor and communication. - Trier. Leech, Geoffrey/Svartvik, Jan (1975): A communicative grammar of English. - London. Leisi, Ernst (1953): Der Wortinhalt. Seine Struktur im Deutschen und Englischen. - Heidelberg. Levin, Samuel R. (1977): The semantics of metaphor. - London. Levinson, Stephen C. (1983/1990): Pragmatik. Ins Deutsche übersetzt von U. Fries. - Tübingen. (Original: Pragmatics. Cambridge 1983) - (1983/1995): Pragmatics. Reprint. - Cambridge. Lewis, David K. (1969): Convention. A philosophical study. - Cambridge, Massachusetts. Liebert, Wolf-Andreas (1995): Metaphernbereiche der virologischen Aidsforschung. - In: Lexicology 1, 142-182. Link, Jürgen (1984b): Über ein Modell synchroner Systeme von Kollektivsymbolen sowie seine Rolle bei der Diskurs-Konstitution. - In: J. Link, W . Wülfing (Hgg.): Bewegung und Stillstand in Metaphern und Mythen. Fallstudien zum Verhältnis von elementarem Wissen und Literatur im 19. Jahrhundert, 6 3 - 9 2 . Stuttgart. (1984c): „Einfluß des Fliegens! - Auf den Stil selbst!" Diskursanalyse des Ballonsymbols. - In: J. Link, W . Wülfing (Hgg.): Bewegung und Stillstand in Metaphern und Mythen. Fallstudien zum Verhältnis von elementarem Wissen und Literatur im 19. Jahrhundert, 149-164. Stuttgart. - /Link-Heer, Ursula (1990): Diskurs/Interdiskurs und Literaturanalyse. - In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 20, H. 77, 8 8 - 9 9 . - /Wülfing, Wulf (1984): Einleitung. - In: J. Link, W . Wülfing (Hgg.): Bewegung und Stillstand in Metaphern und Mythen. Fallstudien zum Verhältnis von elementarem Wissen und Literatur im 19. Jahrhundert, 7 - 1 4 . Stuttgart. Locke, John (1823/1963): The works of John Locke. In ten volumes. Vol. II. - Aalen. (Nachdruck der Ausgabe: London 1823) Loewenberg, Ina (1975): Identifying metaphors. - In: Foundations of Language 12, 3 1 5 - 3 3 8 . - (1979): Reply to H a m m e r . - In: Studies in Language 3.2, 2 2 9 - 2 3 5 . Luhmann, Niklas (1982/1990): Liebe als Passion. Zur Codierung von Intimität. 5. Auflage. - Frankfurt a. M . - (1995/1996): Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. - Opladen. M a c Cormac, Earl R. (1985/1988): A cognitive theory of metaphor. 2. Auflage. - Cambridge, London.
236 Mattheier, Klaus J. (1984): Allgemeine Aspekte einer Theorie des Sprachwandels. - In: W. Besch, 0 . Reichmann, S. Sonderegger (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Erster Halbband, 720-730. Berlin, New York. Matthews, Robert, J. (1971): Concerning a .linguistic theory' of metaphor. - In: Foundations of Language 7, 413-425. Meier, Christel (1976): Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Allegorie-Forschung. Mit besonderer Berücksichtigung der Mischformen. - In: Frühmittelalterliche Studien 10, 1-69. Michel, Paul (1987): Alieniloquium. Elemente einer Grammatik der Bildrede. - Bern, Frankfurt a. M., New York, Paris. Miller, George A. (1979/1993): Images and models, similes and metaphors. - In: A. Ortony (Hg.): Metaphor and thought. 2. Auflage, 357-400. Cambridge. Moore, Georg Edward (1959): Philosophical Papers. - London. Moser, Walter (1992): Der Varela-Effekt der Biologie auf den gesellschaftlichen Körper. - In: kultuRRevolution 27, 18-25. Münkler, Herfried (1994): Politische Bilder, Politik der Metaphern. - Frankfurt a. M. Niehüser, Wolfgang (1987): Redecharakterisierende Adverbiale. - Göppingen. Nieraad, Jürgen (1977): ,Bildgesegnet und bildverflucht'. Forschungen zur sprachlichen Metaphorik. - Darmstadt. Noppen, Jean Pierre van/Knop, Sabine de/Jongen, René (1985): Metaphor. A bibliography of post1970 publications. - Amsterdam, Philadelphia. - /Holms, Edith (1990): Metaphor II. A classified bibliography of publications 1985-1990. Amsterdam, Philadelphia. Öhlschläger, Günther (1974): Einige Unterschiede zwischen Naturgesetzen und sozialen Regeln. In: H. J. Heringer (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik, 88-110. Frankfurt a. M. Ohly, Friedrich (1958/1977): Vom geistigen Sinn des Wortes im Mittelalter. - In: Schriften zur mittelalterlichen Bedeutungsforschung, 1-31. Darmstadt. (Leicht erweiterte Antrittsvorlesung aus dem Jahr 1958) Ortner, Lorelies/Müller-Bollhagen, Elgin u. a. (1991): Deutsche Wortbildung: Typen und Tendenzen in der Gegenwartssprache. Eine Bestandsaufnahme des Institutsßr deutsche Sprache, Forschungsstelle Innsbruck. Hauptteil 4: Substantivkomposita (Komposita und kompositionsähnliche Strukturen 1). - Berlin, New York. Ortony, Andrew (Hg.) (1979/1993): Metaphor and thought. 2. Auflage. - Cambridge. Paul, Hermann (1880/1968): Prinzipien der Sprachgeschichte. 8., unveränderte Auflage. -Tübingen. Peil, Dietmar (1983): Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart. - München. Pen, Jan (1993): Economics and language. - In: F. R. Ankersmit, J. J. A. Mooij (Hgg.): Knowledge and language. Bd. 3: Metaphor and knowledge, 137-142. Dordrecht, Boston, London. Pielenz, Michael (1993): Argumentation und Metapher. - Tübingen. Polenz, Peter von (1991): Deutsche Sprachgeschichte vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart. Bd. 1: Einführung - Grundbegriffe - Deutsch in der frühbürgerlichen Zeit. - Berlin, New York. Puster, Edith (1989): Zur Wahrheit der Metapher. - In: J. Mittelstraß (Hg.): Wohin geht die Sprache? Wirklichkeit - Kommunikation - Kompetenz. Kongreß Junge Wissenschaft und Kultur, 90-99. Essen. Quintiiianus, Marcus Fabius (1975): Ausbildung des Redners. Zwölf Bücher. Herausgegeben und übersetzt von H. Rahn. Zweiter Teil: Buch VII-XII. - Darmstadt 1975. [= Quintiiianus Institutionis Oratoriae Libri XII] Rastier, François (1974): Systematik der Isotopien. - In: W. Kallmeyer u. a. (Hgg): Lektürekolleg zur Textlinguistik. Bd. 2, 153-190. Frankftirt. Reddy, Michael J. (1979/1993): The conduit metaphor: A case of frame conflict in our language about language. - In: A. Ortony (Hg.): Metaphor and thought. 2. Auflage, 164-201. Cambridge. Rehbock, Helmut (1993): .Grammatik' als tollkühne Metapher. Zu Edda Weigand: „Grammatik des Sprachgebrauchs" inZGL20.1992, S. 182-192. - I n : Zeitschrift ßr germanistische Linguistik 21, 205-214.
237 Richards, Ivor Armstrong (1936/1965): The philosophy of rhetoric. - New York. (Als Vorlesung konzipiert 1936) Richter, Jean Paul Friedrich (1813/1987): Vorschule der Ästhetik. - In: Jean Paul: Werke. Herausgegeben von N. Miller. Bd. 5. 5. Auflage, 7-456. München, Wien. (Nach der Fassung der 2. Auflage 1813) Ricoeur, Paul (1975/1986): Die lebendige Metapher. Aus dem Französischen von Rainer Rochlitz. - München. (Original: La métaphore vive. Paris 1975) Röska-Hardy, Louise (1995): Metapher, Bedeutung und Verstehen. - In: L. Danneberg, A. Graeser, K. Petrus (Hgg.): Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft, 138-150. Bern, Stuttgart, Wien. Rolf, Eckard (1992): Gibt es so etwas wie eine ,Gebrauchstheorie der Bedeutung'? - In: S. Beckmann (Hg.): Münstersches Logbuch zur Linguistik 1: Semantik. Schriftenreihe, herausgegeben vom Vorstand des Zentrums für Sprachforschung und Sprachlehre i. G, 49-64. Münster. - (1993): Semantische Dissonanz. - In: H. Arntzen, F. Hundsnurscher (Hgg.): Metapherngebrauch. Linguistische und hermeneutische Analysen literarischer und diskursiver Texte, 61-77. Münster. - (1994): Sagen und Meinen. Paul Grices Theorie der Konversations-Implikaturen. - Opladen. - (1995): Notizen zu .Familienähnlichkeiten'. - In: G. Hindelang, E. Rolf, W. Zillig (Hgg.): Der Gebrauch der Sprache. Festschrift für Franz Hundsnurscher zum 60. Geburtstag, 324-339. Münster. - (1997): Illokutionäre Kräfte. Grundbegriffe der Illokutionslogik. - Opladen. Ryle, Gilbert (1938): Categories. - In: Proceedings of the Aristotelian Society 38, 189-206. - (1949/1975): The concept of mind. 13. Auflage. - London u. a. - (1954/1966): Dilemmas. The tarner lectures 1953. Reprint. - Cambridge. - (1969): Der Begriff des Geistes. Aus dem Englischen übersetzt von K. Baier. - Stuttgart. Sandig, Barbara (1978): Stilistik. Sprachpragmatische Grundlegung der Stilbeschreibung. - Berlin, New York. - (1983): Textsortenbeschreibung unter dem Gesichtspunkt einer linguistischen Pragmatik. - In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg vom 1. bis 4. April 1979. Herausgegeben vom Vorstand der Vereinigung der deutschen Hochschulgermanisten, 91-102. Berlin. - (1986): Vom Nutzen der Textlinguistik fur die Stilistik. - In: W. Weiss, H. E. Wiegand, M. Reis (Hgg.): Textlinguistik contra Stilistik? - Wortschatz und Wörterbuch - Grammatische oder pragmatische Organisation von Rede? Akten des VII. Internationalen Germanisten-Kongresses, Göttingen 1985. Bd. 3, 24-31. Tübingen. - (1995): Tendenzen der linguistischen Stilforschung. - In: G. Stickel (Hg.): Stilfragen, 27-61. Berlin, New York. Savigny, Eike von (1988): Wittgensteins „Philosophische Untersuchungen". Ein Kommentar für Leser. Bd. 1: Abschnitt 1 bis 315. - Frankfurt a. M. Schächter, Josef (1935/1978): Prolegomena zu einer kritischen Grammatik. - Stuttgart. (Erstausgabe: Wien 1935) Schänk, Gerd (1984): Ansätze zu einer Theorie des Sprachwandels auf der Grundlage von Textsorten. - In: W. Besch, O. Reichmann, S. Sonderegger (Hgg.): Sprachgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Erster Halbband, 761-768. Berlin, New York. Schlobach, Jochen (1980): Zyklentheorie und Epochenmetaphorik. - München. Schöffel, Georg (1987): Denken in Metaphern. Zur Logik sprachlicher Bilder. - Opladen. Scholz, Oliver (1995): Witz und Regeln. Metaphern und ihre Auslegung in der Philosophie der Aufklärung. - I n : L. Danneberg, A. Graeser, K. Petrus (Hgg.): Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft, 39-52. Bern, Stuttgart, Wien. Searle, John R. (1969): Speech acts. An essay in the philosophy of language. - Cambridge. - (1969/1971): Sprechakte. - Frankfurt a. M. (Original: Speech acts. Cambridge 1969) - (1979/1990): Ausdruck und Bedeutung. Untersuchungen zur Sprechakttheorie. Übersetzt von A. Kemmerling. 2. Auflage. - Frankfurt a. M. (Original: Expression and Meaning. Studies in the theory of speech acts. Cambridge 1979)
238 -
(1979/1993): Metaphor. - In: A. Ortony (Hg.): Metaphor and thought. 2. Auflage, 83-111. Cambridge. - (1992): Conversation. - In: Ders. u. a. (Hgg.): (On) Searle on conversation, 7 - 2 9 . Amsterdam, Philadelphia. Seel, Martin (1990): Am Beispiel der Metapher. Zum Verhältnis von buchstäblicher und figürlicher Rede. - In: Forum für Philosophie Bad Homburg (Hg.): Intentionalität und Verstehen, 237-272. Frankfurt a. M. Shibles, W a r r e n A. (1971): Metaphor - an annoted bibliography and history. - Whitewater, Wisconsin. Smith, Adam (1812/1920): Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes. Bd. 2. - In: H. Waentig (Hg.): Sammlung sozialwissenschaftlicher Meister. Bd. 12. Jena. (Original: Inquiry into the nature and causes of the wealth of nations. Reprint. London 1812) Smith Neilson/Wilson, Deirdre (1979): Modern linguistics. The results of Chomsky's revolution. Harmondsworth u. a. Sojcher, Jacques (1969/1996): Die generalisierte Metapher. Übersetzt aus dem Französischen von B. Schalow. - In: A. Haverkamp (Hg.): Theorie der Metapher. 2., ergänzte Auflage, 216-228. Darmstadt. (Original: La métaphore généralisée. - In: Revue Internationale de Philosophie 23, 1969, 58-68) Sontag, Susan (1978/1990): Illness as metaphor. - In: Dies.: Illness as metaphor and aids and its metaphors, 3 - 8 7 . New York u. a. (Erstabdruck: New York 1978) Spitz, Hans-Jörg (1990): Rezension „Paul Michel, Alieniloquium. Elemente einer Grammatik der Bildrede. Bern 1987". - In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 112.1, 141-150. Splett, Jochen(1993): Althochdeutsches Wörterbuch. Analyse der Wortfamilienstrukturen des Althochdeutschen, zugleich Grundlegung einer zukünftigen Strukturgeschichte des deutschen Wortschatzes. Bd. 1.1: Wortfamilien A - L . - Berlin, New York. Sticht, Thomas G. (1979/1993): Educational uses of metaphor. - In: A. Ortony (Hg.): Metaphor and thought. 2. Auflage, 621-632. Cambridge. Stolt, Birgit/Trost, Jan (1976): ,Hier bin ich! Wo bist Du?' Heiratsanzeigen und ihr Echo. - Kronberg i. Ts. Strauß, Gerhard (1991): Metaphern - Vorüberlegungen zu ihrer lexikographischen Darstellung. - In: G. Harras, U. Haß, G. Strauß (Hgg.): Wortbedeutungen und ihre Darstellung im Wörterbuch, 125-211. Berlin, New York. - /Haß, Ulrike/Harras, Gisela (1989): Brisante Wörter von Agitation bis Zeitgeist. Ein Lexikon zum öffentlichen Sprachgebrauch. - Berlin, New York. Strawson, Peter F. (1949): Truth. - In: Analysis 9, 83-97. Strecker, Bruno (1987): Strategien des kommunikativen Handelns. Zur Grundlegung einer Grammatik der Kommunikation. - Düsseldorf. Strietz, Monika (1991): Lexikoneintrag und Metaphorisierung. - In: Zeitschrift für Germanistik. Neue Folge 1, 117-123. Strub, Christian (1991): Kalkulierte Absurditäten. Versuch einer historisch reflektierten sprachanalytischen Metaphorologie. - Freiburg, München. - (1995): Abbilden und Schaffen von Ähnlichkeiten. Systematische und historische Thesen zum Zusammenhang von Metaphorik und Ontologie. - In: L. Danneberg, A. Graeser, K. Petrus (Hgg.): Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft, 105-125. Bern, Stuttgart, Wien. Taylor, Talbot J ./Cameron, Deborah (1987): Analysing conversation. Rules and units in the structure of talk. - Oxford u. a. Thiele, Susanne (1990): Wandlungen in Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung. - In: Zeitschrift fir germanistische Linguistik 18, 127-149. Tossavainen, Lena (1992): Zu einigen Aspekten der Kompositmetapher in der deutschen Gegenwartssprache. - In: Der Ginkgo Baum 11, 31-41. Toulmin, Stephen (1950): Probability. - In: Proceedings of the Aristotelian Society, Ergänzungsband 24.
239 Tschauder, Gerhard (1994): Ist die Metapher ein .kürzeres Gleichnis' oder das Gleichnis eine .erweiterte Metapher'? Tertium datur. - In: S. Beckmann, S. Frilling (Hgg.): Satz - Text - Diskurs. Akten des 27. Linguistischen Kolloquiums, Münster 1992. Bd. 1, 139-146. Tübingen. Turbayne, Colin Murray (1962): The myth of metaphor. - New Haven-London. Varela, Francisco (1991): Der Körper denkt. Das Immunsystem und der Prozeß der Körper-Individuierung. - In: H. U. Gumbrecht, K. L. Pfeiffer (Hgg.): Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie, 727-743. Frankfurt a. M. Vico, Giovanni Battista (1744/1990): Prinzipien einerneuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker. Teilband 2. Übersetzt von V. Hösle und C. Jermann. - Hamburg. (Original: Principi di una scienza nuova d'intorno alla communa natura delle nazioni. 3. Auflage. Neapel 1744) Waismann, Friedrich (1965/1985): Logik, Sprache, Philosophie. Herausgegeben von G. P. Baker und B. McGuinness. - Stuttgart. (Erstausgabe: Principles of linguistic philosophy. Herausgegeben von H. R. Harré. London 1965) Waßner, Ulrich Hermann (1992): „Proposition" als Grundbegriff der Linguistik oder Linguistische Apophantik. - Münster, Hamburg. Way, Eileen Cornell (1991): Knowledge representation and metaphor. - Dordrecht, Boston, London. Weigand, Edda (1989): Sprache als Dialog. Sprechakttaxonomie und kommunikative Grammatik. Tübingen. - (1992): Grammatik des Sprachgebrauchs. - In: Zeitschrift fir germanistische Linguistik 20, 182-192. - (1993): Weder Metapher noch tollkühn. Eine Erwiderung auf Helmut Rehbocks Diskussionsbeitrag. - In: Zeitschrift fir germanistische Linguistik 21, 215-230. Weinrich, Harald (1963): Semantik der kühnen Metapher. - In: Deutsche Vierteljahrsschrift fir Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 37, 325-344. - (1967): Semantik der Metapher. - In: Folia Linguistica 1, 3-17. - (1976): Münze und Wort. Untersuchungen an einem Bildfeld. - In: Ders.: Sprache in Texten, 276-290. Stuttgart. - (1980): Metapher. - In: J. Ritter, K. Gründer (Hgg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Bd. 5: L-Mn, 1179-1186. Basel, Stuttgart. Wertheimer, Max (1940/1964): Produktives Denken. Übersetzt von W. Metzger. 2. Auflage. Frankftirt a. M. (Original: Productive Thinking. New York, London 1945) Wessel, Franziska (1984): Probleme der Metaphorik und die Minnemetaphorik in Gottfrieds von Strassburg ,Tristan und Isolde'. - München. Wetzel, Kraft (1995): Sprach-Design als Politik-Ersatz. .Telepolis' - ein neues Stichwort für die Computergeneration. - In: Neue Zürcher Zeitung 302, 29.12.1995, 42. Weydt, Harald (1986): Wissen - Sprechen - Metaphern. - In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 16, H. 64, 87-97. Wichter, Sigurd (1991): Zur Computerwortschatz-Ausbreitung in die Gemeinsprache. Elemente der vertikalen Sprachgeschichte einer Sache. - Frankfurt a. M. u. a. Wilss, Wolfram (1989): Anspielungen. Zur Manifestation von Kreativität und Routine in der Sprachverwendung. - Tübingen. - (1991): Anspielungen. Zwischen Kreativität und Routine. - In: Sprachreport 3, 5. Wimmer, Rainer (1974): Die Bedeutung des Regelbegriffs der praktischen Semantik für den kommunikativen Sprachunterricht. - In: H. J. Heringer (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik, 133-157. Frankfurt a. M. Wittgenstein, Ludwig (1953/1989): Philosophische Untersuchungen. - In: Ders.: Werkausgabe. Bd. 1 : Tractatus logico-philosophicus - Tagebücher 1914-1916 - Philosophische Untersuchungen. 6. Auflage, 225-580. Frankfurt a. M. (Erstabdruck: Oxford 1953) [= Wittgenstein PU] - (1969/1989): Philosophische Grammatik. Herausgegeben von R. Rhees. - In: Werkausgabe. Bd. 4. 3. Auflage. Frankftirt a. M. (Erstabdruck: Oxford 1969) [= Wittgenstein PG] - (1979/1989): Vorlesungen. Cambridge 1932-1935. Aus den Aufzeichnungen von A. Ambrose und M. Macdonald. Herausgegeben von A. Ambrose. - In: Ders.: Vorlesungen 1930-1935. Übersetzt von J. Schulte, 143-442. Frankfurt a. M. (Original: Wittgenstein's Lectures. Cambridge 1932-1935. Oxford 1979) [= Wittgenstein L II]
240 -
(1980/1989): Vorlesungen. Cambridge 1930-1932. Aus den Aufzeichnungen von J. King und D. Lee. Herausgegeben von D. Lee. - I n : Ders.: Vorlesungen 1930-1935. Übersetzt von J. Schulte, 9-128. Frankfurt a. M. (Original: Wittgenstein's Lectures. Cambridge 1930-1932. Oxford 1980) [= Wittgenstein L I] - (1982/1991): Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie. Vorstudien zum zweiten Teil der philosophischen Untersuchungen. Herausgegeben von G. H. von Wright und H. Nyman. In: Ders.: Werkausgabe. Bd. 7: Bemerkungen über die Philosophie der Psychologie - Letzte Schriften über die Philosophie der Psychologie. 5. Auflage, 347-477. Frankfurt a. M. (Erstabdruck: Oxford 1982) [=Wittgenstein LSPP] - (1984): Über Gewißheit. Herausgegeben von G. Ε. M. Anscombe und G. H. von Wright. - In: Ders.: Werkausgabe. Bd. 8: Bemerkungen über die Farben - Über Gewißheit - Zettel - Vermischte Bemerkungen, 113-257. Frankfurt a. M. [= Wittgenstein ÜG] - (1984b): Zettel. Herausgegeben von G. Ε. M. Anscombe und G. H. von Wright. - In: Ders.: Werkausgabe. Bd. 8: Bemerkungen über die Farben - Über Gewißheit - Zettel - Vermischte Bemerkungen, 259-443. Frankfurt a. M. [= Wittgenstein Z] - (1984c): Vermischte Bemerkungen. Eine Auswahl aus dem Nachlaß. Herausgegeben von G. H. von Wright unter Mitarbeit von H. Nyman. - In: Ders.: Werkausgabe. Bd. 8: Bemerkungen über die Farben - Über Gewißheit - Zettel - Vermischte Bemerkungen, 445-573. Frankfurt a. M. [= Wittgenstein VB] Wright, Georg Henrik von (1963): Norm and action. A logical enquiry. - London. - (1982/1990): Wittgenstein. Übersetzt von J. Schulte. - Frankfurt a. M. (Original: Wittgenstein. Oxford 1982) Wunderlich, Dieter (1976): Studien zur Sprechakttheorie. - Frankfurt a. M. Zhu, Xiao-an (1994): Kontexttheorie der Metapher. Ein Modell zur Erklärung der Metapher. - In: Sprachwissenschaft 19, 423-454. Ziff, Paul (1964): On understanding .understanding utterances'. - In: J. J. Katz, J. A. Fodor (Hgg.): The structure of language, 390-399. Englewood Cliffs, N. J. Zifonun, Gisela/Hoffmann, Ludger/Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. 3 Bde. - Berlin, New York. Zimmermann, Klaus (1984): Die Antizipation möglicher Rezipientenreaktionen als Prinzip der Kommunikation. - In: I. Rosengren (Hg.): Sprache und Pragmatik. Lunder Symposium 1984, 131-158. Stockholm. Zymner, Rüdiger (1995): Metaphorische Erotik. Zur konzisen Unscharfe uneigentlichen Sprechens. - In: L. Danneberg, A. Graeser, K. Petrus (Hgg.): Metapher und Innovation. Die Rolle der Metapher im Wandel von Sprache und Wissenschaft, 158-171. Bern, Stuttgart, Wien.
Quellen2 Benjamin, Walter (1950/1983): Die Speisekammer. - In: Berliner Kindheit um Neunzehnhundert, 42. Frankfurt a. M. - Erstabdruck: Frankfurt a. M 1950. Buchner, Eberhard (1914): Liebe. Kulturhistorisch interessante Dokumente aus alten deutschen Zeitungen. - München. Darwin, Charles (1859/1988): Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. Herausgegeben, eingeleitet und mit einer Auswahlbibliographie versehen von G. H. Müller. 9., unveränderte Auflage, reprographi-
2
Die Quellen sind im Text unmittelbar unter dem objektsprachlichen Beleg durch Kurztitel oder Siglen nachgewiesen.
241 scher Nachdruck der Ausgabe Stuttgart 1920. - Darmstadt. (Original: On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life. 1859) Goldmann, Martin/Herwig, Claus/Hooffacker, Gabriele (1995): Internet. Per Anhalter durch das globale Datennetz. - Reinbek bei Hamburg. Gore, Al (1993): Remarks by Vice President Al Gore at National Press Club, December 21, 1993, o. S. [http://www.hpcc.gov/white-house/gore.nii.html] Mach, Ernst (1895/1903): Über Umbildung und Anpassung im naturwissenschaftlichen Denken. In: Populär-wissenschaftliche Vorlesungen. 3., vermehrte und durchgesehene Auflage, 243-262. Leipzig. (Original: Popular scientific lectures. Cicago 1895) - (1926/1991): Anpassung der Gedanken an die Tatsachen und aneinander. - In: Ders.: Erkenntnis und Irrtum. Skizzen zur Psychologie der Forschung, 164-182. Darmstadt. (Unveränderter Nachdruck der 5. Auflage. Leipzig 1926) Schwitters, Kurt (1923/1966): Anna Blume. Märzgedicht 1. - In: Gedichte des Expressionismus. Herausgegeben von D. Bode, 197f. Stuttgart. (Erstabdruck: Berlin 1923) Strauß, Botho (1992): Beginnlosigkeit. Reflexionen über Fleck und Linie. - München, Wien.
Zeitungen und Zeitschriften
ComputerBILD. - Hamburg. [= ComputerBild] DER SPIEGEL. Das deutsche Nachrichtenmagazin. - Hamburg. [= DER SPIEGEL] DIE ΖΕΓΓ. Wochenzeitung ßr Politik, Wirtschaft, Handel und Kultur. - Hamburg. [= DIE ZEIT] Frankfurter Rundschau. Unabhängige Tageszeitung. - Frankfurt a. M. [= Frankfurter Rundschau] Miinstersche Zeitung. - Münster. [= Münstersche Zeitung] Neue Zürcher Zeitung. - Zürich. [= NZZ] Privat. Bekanntschafts-Anzeigen. Hannover. [= privat - Bekanntschafts-Anzeigen] Spektrum der Wissenschaft. Internationale Ausgabe in deutscher Sprache von Scientific American. Heidelberg. [ = Spektrum der Wissenschaft] SPIEGEL special: Schicksal Computer. Die Multimedia-Zukunft 3, 1996. - Hamburg. [= SPIEGEL special] tip. Berlin-Magazin. - Berlin. [= tip] Westfälische Nachrichten. - Münster. [= Westfälische Nachrichten]