Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren [1 ed.] 9783428463145, 9783428063147


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German Pages 329 Year 1987

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Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren [1 ed.]
 9783428463145, 9783428063147

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MICHAEL A. WAGNER

Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Mich a e I K I o e p f er, Tri er

Band 6

Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren

Von Dr. Michael A. Wagner

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Wagner, Michael A.:

Die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben in parallelen und konzentrierten Verfahren: organisations- u. verfahrensrechtl. Probleme von Umweltverträglichkeitsprüfungen I von Michael A. Wagner. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1987. (Schriften zum Umweltrecht; Bd. 6) ISBN 3-428-06314-7 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Satz: Hermann Hagedorn GmbH & Co, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06314-7

Vorwort Rechtliche und administrative Probleme paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren haben Verwaltung und Gerichte bereits im Zuge des Verkehrswegebaus und der Industrialisierung im 19. Jahrhundert beschäftigt. In den letzten Jahren ist dieser Problemkreis verstärkt in den Blickpunkt gerückt. Dies ist nicht nur auf neue und komplexe Großprojekte (wie z.B. Kraftwerke) zurückzuführen, sondern auch auf das gestiegene Umweltbewußtsein. Die meisten umweltrelevanten Vorhaben berühren verschiedene Rechtsbereiche und unterliegen dementsprechend auch mehreren Genehmigungsvorbehalten. Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte müssen sich immer häufiger mit Fragen auseinandersetzen, die sich aus dem Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren ergeben. So hat sich im Frühjahr 1986 ein Arbeitskreis des Deutschen Verwaltungsrichtertages mit der "Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungen" befaßt, 1 und auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Wyhl-Urteil2 Fragen paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren angeschnitten. Im Herbst 1986 sorgte die vorläufige Stillegung des Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich durch das OVG Koblenz wegen Fehlens einer immissionsschutzrechtlichen Parallelgenehmigung für Aufsehen in der öffentlichkeit. 3 Trotz der grundlegenden Durchdringung der Problematik durch ]arass 4 können die Rechtsfragen paralleler und konzentrierter Verfahren für umweltrelevante Vorhaben noch längst nicht als geklärt angesehen werden. Auch rechtspolitisch ist die Frage offen, ob umweltschutzrechtliche Genehmigungsverfahren parallel oder konzentriert ausgestaltet werden sollen. Diese Frage stellt sich insbesondere bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaften ins deutsche Recht. 5 Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um die aktualisierte und leicht veränderte Fassung meiner Dissertation, die der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. im Wintersemester 1985/86 vor-

I Vgl. die Tagungsberichtein FAZ v. 26.4.1986 S. 4 und in DVB11986, S. 607 f. sowie das in NJW 1986, S. 2787 ff. veröffentlichte Referat von Gaentzsch. 2 Urt. v. 19.12.1985, E 72,300 = NVwZ 1986,208. 3 Beschl. v. 6.10.1986, NVwZ 1987,73. 4 Vgl. insbes. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, 1984. s ABI. EG Nr. L 175/40 (im Anhang abgedruckt).

Vorwort

6

gelegen hat. Sie wurde ursprünglich nach dem Stand von Mitte 1985 abgeschlossen; spätere Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur wurde aber nach Möglichkeit noch bis Anfang 1987 berücksichtigt. Dies gilt auch für das zum 1.7.1987 in Kraft tretende neue Baugesetzbuch. Dieneuesten Monographien zur Umweltverträglichkeitsprüfung6 konnten dagegen nicht mehr eingearbeitet werden. Neben dem Bundesrecht ist in erster Linie das bad.-württ. Landesrecht zugrunde gelegt worden. Da die rechtliche und tatsächliche Problematik komplexer Genehmigungsverfahren in allen Bundesländern prinzipiell gleichgelagert ist, war nur selten ein Hinweis auf abweichende gesetzliche Regelungen in anderen Ländern erforderlich. Mein aufrichtiger Dank gilt Herrn Prof. Dr. Rainer Wahl, der diese Arbeit angeregt und betreut hat. Er hat mir jede Freiheit bei der Bearbeitung des Themas gewährt und die Entstehung der Arbeit immer wieder mit wissenschaftlichem Rat, menschlicher Ermutigung und freundlicher Kritik unterstützt. Aus der Teilnahme an seinen Seminaren habe ich vielfältige Anregungen gewonnen. Herrn Prof. Dr. Martin Bullinger danke ich für das Zweitgutachten. Die Bearbeitung des Themas wäre kaum möglich gewesen ohne die Offenheit und bereitwillige Unterstützung von seiten zahlreicher Gesprächspartner in Verwaltung und Wirtschaft. Ihnen verdanke ich wertvolle Informationen zum tatsächlichen Ablauf von Genehmigungsverfahren. Ganz besonderen Dank schulde ich Herrn Ministerialrat Dr. Reiner Belz für seinen fachkundigen Rat und sein Interesse an meiner Arbeit. Auch Herrn Prof. Dr. Dietrich Rauschning und der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen möchte ich für ihre Unterstützung und Kritik danken. Die Studienstiftung des deutschen Volkes ermöglichte mir die Promotion durch ein zweijähriges Stipendium. Ihr bin ich - auch wegen ihrer ideellen Förderung- sehr verbunden. Dem Bundesminister des Innem danke ich für die Unterstützung der Drucklegung. Nicht zuletzt danke ich Herausgeber und Verlag für die Aufnahme in die Reihe "Schriften zum Umweltrecht". Ich widme diese Schrift meinem Vater in dankbarer Erinnerung. Konstanz, im Februar 1987

Michael A. Wagner

6 Vgl. Bunge, Die Umweltverträ~lichkeitsprüfung im Verwaltungsverfahren, 1986; Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung lUVP), 1986.

Inhaltsübersicht 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Historische und politische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

2 .1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.2. Leitziele der Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 58

3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystemeine verwaltungswissenschaftliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage 3.2. Grundbegriffe der Analyse . . . . . . . . . . 3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems . . . 3.4. Koordination des Verfahrenssystems . . .

. . . .

. . . .

. . . .

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.. .. .. •.

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. . . •

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68 76 81 127

4. Rechtsfragen der Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung . . . 156 4.1. Entscheidungskonzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2. ZuständigkeitsbündeJung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

156 185

5. Rechtsfragen paralleler Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur . . . . • . . . . . 190 5.2. Lösungsvorschlag: Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung . . 220 6. Rechtspolitische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 7 6.1. Gesetzliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren . . . . . 6.2. Abstrakt-generelle Konzentration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3. Vereinheitlichung von Konzentrationsregelungen . . . . . . . . . . . 6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften.

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

•. . . . . . .

. . . .

24 7 250 253 257

7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Anhang. . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

Inhaltsverzeichnis 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Historische und politische Grundlagen . . . . . . . . .

40

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1. Ursprünge der Problematik und erste Lösungsansätze im 19. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2. Wandel der Rahmenbedingungen ... . . . .. . .. . Bestrebungen zur Stärkung der Konzentration 2 .1.3.

40

2.2. Leitziele der Verfahrensgestaltung ....

58

3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystemeine verwaltungswissenschaftliche Analyse ..

68

40 48

53

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage .. .

68

3.2. Grundbegriffe der Analyse . . . . . . . . . . . . .

76

81 3.3 . Aufgliederung des Verfahrenssystems . . . . . . . .. . ... . . 3.3.1. Ausdifferenzierung der Programm-, Organisations- und 81 Verfahrensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 3.3.1.1. Merkmale der Programmstruktur . . . . . ...... . 84 3.3.1.2. Merkmale der Organisationsstruktur . . . . . . . . .. . 3.3.1.3. Merkmale der Verfahrensstruktur . . . . . . . 86 Funktionen und Folgen organisations-und 3.3.2. verfahrensmäßiger Ausdifferenzierung . . . . . . . . . . . . . 94 3.3.2.1. Arbeitsteilung und Spezialisierung .. . ... . . . . . . . . . . 94 95 3.3.2.2. Komplexitä tsreduktion und Konflikteindämmung . . . . . 3 .3.2.3. Selektivität der Informations-, Interessen- und Zielwahrnehmung .. 100 3.3.2.4. Entscheidungspräformierungen . . . . . . . . . . . . . . . . ... . ... . 107 3.3.2 .5. Auswirkungen auf die Position des Vorhabenträgers 115 3.3.2.6. Auswirkungen auf die Position der Drittbetroffenen 121 3.4. Koordination des Verfahrenssystems . . . . . . . . . . . .... . 3.4.1. Vorhabenbezogene Gesamtprüfung . . . . . . .... . 3.4.2. Räumliche und umweltbezogene Planung . ... ... . 3.4.3. Umweltverträglichkeitsanalyse . ... . . . . . 3.4.4. Verfahrensmitbeteiligung . . . .. ... . . . . . . . . . . . 3.4.5. Projektorganisation und Verfahrensplanung . .... ... . . . . . 3.4.6. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung .. .

127 129 131 134

4. Rechtsfragen der Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

156

4.1. Entscheidungskonzentra tion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.1. Grundzüge ... .... . . . . . . . . . . . . . . ... . .... . . ... ... . 4.1.2. Reichweite der Konzentrationswirkung . . . . . . . . . ... . 4.1 .2 .1. Sektorale Ausnahmen von der Konzentration . . . . . . . .. . . . . . .

138 149

151

156 156

157 157

Inhaltsverzeichnis 4.1.2.2. Räumlich-gegenständliche Begrenzungen der Konzentration 4.1.2.3. Grenzen der Vor- und Nachwirkung der Konzentration 4.1.3. Maßgeblichkeil der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften . . .. . . . . . . .. . . . .. .. . 4.1.3.1. Maßgeblichkeil des .,sekundären" materiellen Rechts 4.1.3.2. Maßgeblichkeil des "sekundären" Organisationsund Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4. Beteiligung der für die ersetzten Genehmigungen zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . 4.1.5. Vielfalt der Konzentrationsregelungen

9 159 165 170 170 175 178 181

4.2. ZuständigkeitsbündeJung . . . . . . . . . . . .

185

5. Rechtsfragen paralleler Genehmigungsverfahren

190

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur ... 5.1.1. Die Bedeutung noch ausstehender Genehmigungsentscheidungen .. 5.1.1.1. Sperrwirkung ausstehender Genehmigungen ... 5.1.1.2. Vorbehalt zugunsten paralleler Genehmigungen 5.1.1.3. Ausklammerung paralleler Genehmigungen ... 5 .1.1.4. Verfahrensmitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1.1.5. Verfahrensübergreifende Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 .1.2. Die Bedeutung bereits vorliegender Genehmigungsentscheidungen 5.1.2.1. Fachübergreifende Bindungswirkung ... 5.1.2.2. Fachlich beschränkte Bindungswirkung .. 5.1.2.3. Selbstbindung durch Stellungnahmen .. . 5.1.2 .4. Ermessensbindung . . . . . . . . . . . . . . . 5.2. Lösungsvorschlag: Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung 5.2.1. Grundzüge der Lösung .... . 5.2 .2. Einzelheiten der Lösung ... . 6. Rechtspolitische Überlegungen . . . . . . . . 6.1. Gesetzliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren

190 191 191 194 196 200 201 208 208

211

218 219

220 221 232 247 247

6.2. Abstrakt-generelle Konzentration . . . . . . . . . .

250

6.3. Vereinheitlichung von Konzentrationsregelungen

253

6.4. Ausbau 6.4.1. 6.4.2. 6.4.3. 6.4.4. 6.4.5.

257 257 269 273 274

des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften . Umfassende dominante Konzentration Umfassende rezessive Konzentration . Punktuelle Konzentration ... . ... . Verdeckte Konzentration ... . . . . . . Diskussion von Einzelvorschlägen zur Konzentration ..

280

7. Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288

Literaturverzeichnis

293

Anhang 1. Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten des Innenministeriums Baden-Württemberg v. 21.6.1982 (LT-Drucks. 8/3635 s. 23 ff.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

307

10

Inhaltsverzeichnis

2. Richtlinie des Rates v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten - UVP-Richtlinie - (ABI. EG Nr.L175/40v.5.7.1985) ... . ... . . . . . . . .. ... . . ... . . . . . . . . . . . .

319

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. AbfG ab!. ABI. ABI. EG Abs. Abschn. abw. a.E. AEG a.F. allg. Alt. a.M. AMG Amt!. Begr. ÄndG Anh. Anm. AöR ApothG APUZ arg. Art. AtAnlV AtG AtVfV atw Ausg. Az.

= andere(r) Ansicht = am angegebenen Ort = Abfallbeseitigungsgesetz (des Bundes) =ablehnend =Amtsblatt =Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften =Absatz =Abschnitt = abweichend = am Ende = Allgemeines Eisenbahngesetz = alte Fassung =allgemein =Alternative = andere(r) Meinung = Arzneimittelgesetz =Amtliche Begründung = Änderungsgesetz =Anhang =Anmerkung = Archiv des öffentlichen Rechts = Apothekengesetz =Aus Politik und Zeitgeschichte (Beilage zur Wochenzeitung ,Das Parlament') = argurnenturn =Artikel = Atomanlagen-Verordnung (a.F.) = Atomgesetz = Atomrechtliche Verfahrensverordnung =Atomwirtschaft - Atomtechnik =Ausgabe =Aktenzeichen

BBad., bad. bad-württ. BAnz BauGB BauNVO BauO BauR BauVorlVO Bay., bay. BayVBl

=Bundes= Baden, badisch = baden-württembergisch = Bundesanzeiger = Baugesetzbuch = Baunutzungsverordnung =Bauordnung (der Länder) =Baurecht = Bauvorlagenverordnung = Bayern, bayerisch = Bayerische Verwaltungsblätter

12 BB BBauBl BBauG BBahnG BBergG Bd. Begr. Berl. bes. Beschl. BGB BGBI. BGH BimSchG BimSchV BNatSchG BR BR-Drucks. BReg Brem. BRS BT BT-Drucks. Buchholz BVerfG BVerwG Buchst. BW BWVerwPr BWaldG DampfkV DenkmalSchG ders. DienstO dies. DJT

DöV

dt. DVBl DWK

E

Entw. ebd. EG Ein!. EisenbG

Abkürzungsverzeichnis = Der Betriebs-Berater = Bundesblatt = Bundesbaugesetz = Bundesbahngesetz = Bundesberggesetz =Band = Begründung = Berlin =besonders =Beschluß = Bürgerliches Gesetzbuch = Bundesgesetzblatt = Bundesgerichtshof = Bundes-Immissionsschutzgesetz =Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes = Bundesnaturschutzgesetz =Bundesrat =Bundesrats-Drucksache = Bundesregierung =Bremen, Bremer = Baurechtssammlung =Bundestag = Bundestags-Drucksache = Sammel- und Nachschlagewerk der Rspr. des BVerwG, hrsg. von Buchholz = Bundesverfassungsgericht = Bundesverwaltungsgericht =Buchstabe = Baden-Württemberg = Baden-württembergische Verwaltungspraxis = Bundeswaldgesetz = Dampfkesselverordnung = Denkmalschutzgesetz =derselbe = Dienstordnung = dieselbe(n) =Deutscher Juristentag =Die öffentliche Verwaltung =deutsch =Deutsches Verwaltungsblatt = Deutsche Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen m.b.H. = Amt!. Sammlung der Entscheidungen des jeweils angesprochenen Gerichts =Entwurf = ebenda = Europäische Gemeinschaften = Einleitung = Eisenbahngesetz (der Länder)

Abkürzungsverzeichnis

Entsch. entspr. EnWiG Erg. (Erg.-)Lfg. ET et al. EuGRZ

=Gesetz zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit = Entscheidung = entsprechend = Energiewirtschaftsgesetz =Ergebnis = Ergänzungslieferung = Energiewirtschaftliche Tagesfragen = et alii (und andere) = Europäische Grundrechte - Zeitschrift

f. FahriG FAZ FernmG Festschr. ff. FlurbG FStrG Fn.

= folgende Seite = Fahrlehrergesetz = Frankfurter Allgemeine Zeitung =Gesetz über Fernmeldeanlagen = Festschrift =folgende Seiten = Flurbereinigungsgesetz = Bundesfernstraßengesetz =Fußnote

G

GAB!. GastG GB!. gern. GewArch Ge wO GG ggf. GMB!. grds. GrdstVG GS GVB!.

=Gesetz =Gemeinsames Amtsblatt (des Landes Baden-Württemberg) = Gaststättengesetz = Gesetzblatt =gemäß = Gewerbearchiv = Gewerbeordnung = Grundgesetz = gegebenenfalls =Gemeinsames Ministerialblatt = grundsätzlich = Grundstücksverkehrsgesetz = Gesetzessammlung =Gesetz- und Verordnungsblatt

Halbs. Hbg. Hess., hess. h.M. HOAI Hrsg., hrsg.

= Halbsatz = Hamburg(er) = Hessen, hessisch = herrschende Meinung = Honorarordnung für Architekten und Ingenieure =Herausgeber, herausgegeben

EntlastG

i.d.F. i.d.R. i.c.S. insb. i.S.d. i.V.m. i.w.S.

= in der Fassung · = in der Regel = im engeren Sinne = insbesondere =im Sinne des/der =in Verbindung mit = im weiteren Sinne

13

14

Abkürzungsverzeichnis

JR JuS JZ

=Juristische Rundschau =Juristische Schulung = Juristenzeitung

KG KKW KV

= Kammergericht = Kernkraftwerk =Kilovolt

LLAbfG Leits. I.Sp. LBO Lfg. lit. LplG LT LT-Drucks. LuftVG LVerf LVG LWaldG

=Landes= Landesabfallgesetz =Leitsatz =linke Spalte = Landesbauordnung =Lieferung = littera (Buchstabe) = Landesplanungsgesetz =Landtag = Landtags-Drucksache = Luftverkehrsgesetz = Landesverfassung = Landesverfassungsgesetz = Landeswaldgesetz

MBI. MB0'60

m.E. Mio. Mrd. MRVerbG MW m .w.N.

= Ministerialblatt = Musterbauordnung von 1960 (veröffentlicht in der Schriftenreihe des Bundesministers für Wohnungsbau, Bd. 16) = Musterbauordnung vom 11.12.1981 (von der Bundesarchitektenkammer als Manuskript vervielfältigt) =meines Erachtens = Million(en) = Milliarde(n) = Mietrechtsverbesserungsgesetz =Megawatt =mit weiteren Nachweisen

Nachw. NBauO Nds., nds. n.F. NJW NRW, nordrh.-westf. NuR NVwZ

= Nachweis(e) = Niedersächsische Bauordnung = Niedersachsen, niedersächsisch = neue Fassung = Neue Juristische Wochenschrift = Nordrhein-Westfalen, = nordrhein-westfälisch = Natur und Recht =Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

o.

=oben = Oberverwaltungsgericht

PBefG PlafeR

= Personenbeförderungsgesetz = Planfeststellungsrichtlinien (Richtlinien für die Planfeststellung nach dem FStrG) = Preußen, preußisch

MB0'81

OVG

Pr., pr.

Abkürzungsverzeichnis PrOVG PTB PVS

=Preußisches Oberverwaltungsgericht = Physikalisch-Technische Bundesanstalt = Politische Vierteljahresschrift

R-

=Reichs= Reichsbahngesetz =rechtlich = Reichsgesetzblatt = Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch = Randnote(n), Randnummer(n) = Raumordnungsgesetz = rechte Spalte = Rechtsprechung = Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt = Reichsverfassung (von 1871) = Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG

RBahnG recht!. RGBI. RhPf., rh.-pfälz.

Rn.

ROG r.Sp. Rspr. RuPrVBl RVerf RWE

15

Sch!H, schl.-holst. schriftl. SchutzBerG sog. SpielbG SprengG StBauFG StHG str. StrG StrlSchV

=siehe =Seite = Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch = schriftlich = Schutzbereichsgesetz = sogenannte(r) = Spielbankengesetz = Sprengstoffgesetz = Städtebauförderungsgesetz = Staatshaftungsgesetz (nichtig) =streitig = Straßengesetz (der Länder) = Strahlenschutzverordnung

teilw. Teilstr. TelWegG TierSchG

=teilweise =Teilstrich = Telegraphenwege-Gesetz = Tierschutzgesetz

u. u.a. UMG UPR Urt. u.U. UVP UVP-Richtl.

=und, unten =unter anderem =Gesetz über den Verkehr mit unedlen Metallen =Umwelt- und Planungsrecht =Urteil = unter Umständen = Umweltverträglichkeitsprüfung =Richtlinie des Rates (der EG) über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten

s.

s.

v. VBlBW VDEW Verf.

=vom, von

= Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg =Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke e.V. =Verfasser, Verfassung

16

Abkürzungsverzeichnis

VerwArch VerwVorschr VG VGH vgl. VkBI. VLwF VO,-V Vorbem. VVDStRL VwGO VwVfG

= Verwaltungsarchiv = Verwaltungsvorschrift(en) = Verwaltungsgericht = Verwaltungsgerichtshof = vergleiche = Verkehrsblatt (Amtsblatt des Bundesministers für Verkehr) =Verordnung über das Lagern wassergefährdender Flüssigkeiten =Verordnung =Vorbemerkung =Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Verwaltungsgerichtsordnung = Verwaltungsverfahrensgesetz

WaffG WaStrG WG WHG WiVerw WRV württ.

= Waffengesetz = Wasserstraßengesetz = Wassergesetz (der Länder) = Wasserhaushaltsgesetz =Wirtschaft und Verwaltung = Weimarer Reichsverfassung = württembergisch

z.B. ZfB ZfbF

= zum Beispiel =Zeitschrift für Bergrecht = Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung = Zeitschrift für Umweltpolitik = Zeitschrift für Wasserrecht =Ziffer =Zeitschrift für Rechtspolitik =zum Teil = Zuständigkeitsverordnung

ZfU

ZfW Ziff. ZRP z.T. ZuV(O)

1. Einführung Unterliegt ein Vorhaben mehreren Genehmigungsvorbehalten, so sind parallele oder konzentrierte Genehmigungsverfahren möglich_ Bei der Errichtung baulicher und sonstiger Anlagen kommt es heutzutage häufig zu einem Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten. Die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit derartiger Anlagen ist unter verschiedenen rechtlichen Aspekten zu beurteilen. So können zum Beispiel in baurechtlicher Hinsicht Gesichtspunkte der Bausicherheit und der geordneten städtebaulichen Entwicklung, in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht Fragen der Luftreinhaltung und in wasserrechtlicher Hinsicht Fragen des Gewässerschutzes zu prüfen sein. Dementsprechend können baurechtliche, immissionsschutzrechtliche und wasserrechtliche Genehmigungsvorbehalte nebeneinander eingreifen. Fachgesetzliche Genehmigungsvorbehalte erfassen ein Vorhaben jeweils sektoral in einem spezifischen fachbezogenen Ausschnitt. Beim Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten ergeben sich zwei prinzipiell unterschiedliche Möglichkeiten der Gestaltung des "vorhabenbezogenen Verfahrenssystems", nämlich die Parallelität und die Konzentration von Genehmigungsverfahren. Dagegen bezeichnet der Begriff des "vorhabenbezogenen Verfahrenssystems" die Gesamtheit von Genehmigungsverfahren, die sich auf ein einheitliches Gesamtvorhaben beziehen. Während bei einer "parallelen" Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems für die verschiedenen fachgesetzlichen Genehmigungsbereiche jeweils ein gesondertes Genehmigungsverfahren durchgeführt wird, werden bei einer "konzentrierten" Verfahrensgestaltung verschiedene "sektorale" Genehmigungsbereiche in einem Verfahren zusammengefaßt. Im ersteren Fall erfolgt die Genehmigung des Vorhabens in der Form mehrerer "Einzelgenehmigungen", im letzteren Fall wird dagegen im Idealfall nur eine einzige "Gesamtgenehmigung" erteilt, die eine Entscheidung über alle fachgesetzlichen Genehmigungsbereiche beinhaltet. Die Genehmigung komplexer Vorhaben erfolgt allerdings in der Regel nicht in rein "paralleler" oder "konzentrierter" Weise, sondern im Rahmen eines Verfahrenssystems, das sowohl Züge paralleler als auch konzentrierter Verfahrensgestaltung aufweist. Unterliegt ein Vorhaben mehreren Genehmigungsvorbehalten, so führt jeder Genehmigungsvorbehalt zur Durchführung eines gesonderten Genehmigungsverfahrens, sofern nicht eine besondere Konzentrationsvorschrift eingreift. Eine typische Konzentrationsvorschrift ist in der Anordnung zu sehen, 2 Wagner

18

1. Einführung

daß eine Genehmigung andere Genehmigungen "einschließt" oder "ersetzt" .1 Konzentrationsregelungen umfassender Art finden sich namentlich bei Planfeststellungen (vgl. § 7 5 Abs. 1 VwVfG) und bei der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung ( § 13 BlmSchG). Meist beziehen sich Konzen trationsvorschriften jedoch nur punktuell auf das Zusammentreffen bestimmter Genehmigungsvorbehalte, so daß eine vollständige Konzentration nur selten erreicht wird, bei der über alle Aspekte eines einheitlichen Gesamtvorhabens in einem einzigen Genehmigungsverfahren entschieden wird.

- Fallbeispiel: "A utoverwertungsbetrieb" Ein Abschleppunternehmen möchte auf einem im Außenbereich gelegenen Grundstück unfallbeschädigte Kraftfahrzeuge abstellen und Autowracks lagern. Soweit eine Reparatur der Fahrzeuge nicht mehr in Betracht kommt, sollen sie auf dem Grundstück zwischengelagert und ausgeschlachtet werden. Es ist nicht vorgesehen, die Lagerfläche baulich zu befestigen.

Die Benutzung eines Grundstücks zur Lagerung oder Behandlung von Autowracks bedarf einer abfallrechtlichen Planfeststellung oder Genehmigung nach § 7 Abs. 1 und 2 AbfG. Aufgrund von § 5 Abs. 1 AbfG gilt dies unabhängig davon, ob es sich bei Autowracks um Abfall im Sinne des § 1 Abs. 1 AbfG oder um ein verwertbares Wirtschaftsgut handelt. Der Begriff der "Anlage" i.S. der § § 4 Abs. 1. 5 Abs. 1 AbfG setzt nicht das Vorhandensein baulicher oder technischer Einrichtungen voraus. Vielmehr genügt die nicht nur vorübergehende Nutzung eines Grundstücks zur Lagerung oder Behandlung von Autowracks, wobei auch eine zeitlich befristete "Zwischenlagerung" als Lagerung gilt. 2 Da einem einfachen Autowrackplatz, wie er hier als ergänzende Einrichtung zum Betrieb eines Abschleppunternehmens geplant ist, abfallrechtlich keine große Bedeutung zukommt, kann auf die Durchführung eines aufwendigen Planfeststellungsverfahrens nach den § § 20 ff. AbfG verzichtet werden. Es genügt statt dessen eine einfache "Plangenehmigung" gern. § 7 Abs. 2 AbfG. Daneben bedarf es einer Baugenehmigung gern. §§51, 59 LBO BW. Auch Lager-, Abstell- und Stellflächen gelten gern. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 und 4 LBO B\V als bauliche Anlagen. Sowohl die zum Abstellen fahrbereiter Kraftfahrzeuge als auch die zum Ablagern von Autowracks dienende Betriebsfläche ist somit baugenehmigungspflichtig. Gern. § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO BW sind allerdings die der Aufsicht der Wasserbehörden unterliegenden Anlagen vom Anwendungsbereich der LandesbauI Vgl. z.B. § 13 BlmSchG, § 8 Abs. 2 AtG, § 17 Abs. 1 Satz 2 SprengG, § 50 Abs. 3 LBO BW (entspr. § 61 Abs. 2 MOB '81), § 34 Abs.1 LWaldG BWund § 63 Abs. 3 NatSchG BW. 2 Vgl. zum Vorstehenden BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, NVwZ 1983, 408.

1. Einftihrung

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ordnung ausgenommen. Aus der organisationsrechtlichen Regelung des § 16 Abs. 1 LAbfG BW, der die abfallrechtlichen Zuständigkeiten den "Wasserbehörden" zuweist, wird man jedoch kaum den Schluß ziehen können, daß nicht nur wasserwirtschaftliche Anlagen, sondern auch Abfallbeseitigungsanlagen den materiellen Bauvorschriften entzogen sind. 3 Des weiteren ist für den Abstell- und Lagerplatz eine wasserrechtliche Erlaubnis nach den §§ 2, 6, 7 WHG erforderlich. Da die Abstellfläche nicht befestigt wird und dementsprechend das Oberflächenwasser nicht gesammelt und der Kanalisation zugeführt wird, besteht nämlich die Gefahr, daß öl und Benzinrückstände aus den ( unfallbeschädigten!) Altwagen und Autowracks ins Erdreich und von dort ins Grundwasser gelangen. Es ist daher zumindest der wasserrechtliche Benutzungstatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 WHG erfüllt.4 Dagegen bedarf es keiner naturschutzrechtlichen Genehmigung, wenn man davon ausgeht, daß das Vorhaben nicht gerade innerhalb eines Landschaftsschutzgebietes verwirklicht werden soll (vgl. §§ 22 Abs. 2, 63 NatSchG BW). Die Nutzung eines außerhalb einer Ortschaft gelegenen Grundstücks zum Abstellen von Altwagen und Autowracks ist zwar geeignet, das Landschaftsbild erheblich zu beeinträchtigen, und stellt daher einen Eingriff in Natur und Landschaft i.S.d. § 10 NatSchG BW, § 8 BNatSchG dar. Dies hat jedoch grundsätzlich nur zur Folge, daß die nach anderen Fachgesetzen zur Genehmigung des Vorhabens zuständigen Behörden auch die naturschutzrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu beachten und ggf. Ausgleichsanordnungen zu treffen haben (vgl. §§ 11, 12 Abs. 1 Satz 2 NatSchG BW, § 8 Abs. 2 und 3 BNatSchG). Durch diese Anhindung der naturschutzrechtlichen Entscheidung an andere Genehmigungsverfahren wird ein eigenes naturschutzrechtliches Genehmigungsverfahren vermieden. 5 Es findet also eine Konzentration der Verfahren statt. 6

3 Abfallrecht und Wasserrecht stellen selbständige Rechtsmaterien dar (vgl. Art. 73 Nr. 24, Art. 75 Nr. 4 GG). Wenn daher nach§ 16 Abs. 1 LAbfG BW der Vollzug des Abfallgesetzes den "Wasserbehörden" obliegt, so liegt darin nur eine Verweisung auf die in den §§ 95 ff. WG BW erfolgte Zuständigkeitsbestimmung, und die nach Wasserrecht zuständige Behörde wird als "Abfallbehörde" tätig, wenn sie das AbfG vollzieht. Dieses Ergebnis wird auch dadurch bestätigt, daß sich die in § 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO BW vorgesehenen "Gegenausnahmen" erkennbar nicht auf Abfallbeseitigungsanlagen beziehen (Auch in § 1 Abs. 2 MBO '81 sind Abfallbeseitigungsanlagen nicht vom Bauordnungsrecht ausgenommen worden). A.A. VGH Mannheim, Urt. v. 30.1.1975, BWVerwPr 1975, 156. 4 Vgl. BVerwG, Urt. v. 1.12.1982, NVwZ 1983, 409 f. Vgl. außerdem § 13 Abs. 1 Nr. 5 WG BW. s Vgl. Breuer, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 713 f; Klante, Erste TeUerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 241. Wenn für ein Vorhaben - wie im vorliegenden Fall - mehrere Genehmigungsvorbehalte eingreifen, ist allerdings zweifelhaft, in welchem Genehmigungsverfahren etwaige naturschutzrechtl. Ausgleichsanordnungen - z.B. Anpflanzungen oder Aufschüttungen als Sichtschutz - zu treffen sind. 6 Zur Kritik dieser recht!. Konstruktion vgl. Abschn. 6.4.4.

2*

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1. Einführung

Im Verhältnis der abfallrechtlichen Genehmigung, der Baugenehmigung und der wasserrechtlichen Erlaubnis zueinander greift keine Konzentrationsregelung ein. Diese drei Genehmigungen sind vielmehr parallel nebeneinander erforderlich. Im Gegensatz zum Planfeststellungsbeschluß nach § 7 Abs. 1 AbfG kommt der abfallrechtlichen Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG keine Konzentrationswirkung zu. 7 Wie bereits angedeutet, ist allerdings aufgrundder in § 16 Abs. 1 LAbfG BW getroffenen Zuständigkeitsregelung meist die gleiche Behörde sowohl für die abfallrechtliche Genehmigung als auch für die wasserrechtliche Erlaubnis zuständig.8 Diese "Zuständigkeitsbündelung" ändert zwar nichts daran, daß die abfallrechtliche und die wasserrechtliche Genehmigungsentscheidung gesondert zu treffen sind, doch wird dadurch immerhin die Koordination der Entscheidungen erleichtert. Im Unterschied hierzu liegt die Baugenehmigungszuständigkeit oftmals bei einer anderen Behörde. 9

- 1. Abwandlung des Fallbeispiels: "Zentrale Autowracksammelstelle" Neben einer Abstellfläche für Gebrauchtwagen ist ein großes zentrales Sarnrnellager für Autowracks vorgesehen.

Bei dieser Fallvariante handelt es sich schon wegen des überörtlichen Einzugsbereichs nicht bloß um eine unbedeutende Abfallbeseitigungsanlage i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 AbfG. Es ist daher gern. § 7 Abs. 1 AbfG ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Dem Planfeststellungsbeschluß kommt eine umfassende Konzentrationswirkung zu. Deshalb ist für den Autowrackplatz neben der Planfeststellung keine Baugenehmigung mehr erforderlich. Fraglich ist jedoch, ob auch die Baugenehmigung für die Gebrauchtwagenabstellfläche entfällt. Bei den Fahrzeugen, die noch fahrbereit sind oder mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand wieder fahrbereit gemacht werden können, handelt es sich nicht um Autowracks i.S.d. § 5 Abs. 1 AbfG. Deren Lagerung bedarf daher keiner abfallrechtlichen Planfeststellung oder Genehmigung. Trotzdem wäre es sinnvoll, auch diese Nutzung in das Planfeststellungsverfahren einzubeziehen, wenn sich beide Nutzungsarten überschneiden oder 7 So die h.M., vgl. Badura, in : Erichsen/Martens, Allgerneines Verwaltungsrecht, § 42 I S. 378; Schäfer in NVwZ 1985, S. 383 ff., sowie Brarner in NuR 1981,201 ff. und NuR 1982,252 f. (zu § 41 Abs. 4 Satz 1 FlurbG). 8 Jedenfalls dann, wenn die Regelzuständigkeit der unteren Wasserbehörde begründet ist (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 LAbfG BW, § 96 Abs. 1 Satz 1 WG BW und die Ausnahmen in § 96 Abs. 2 WG BW). 9 Untere Abfall· bzw. Wasserbehörden sind in Bad.-Württ. die unteren Verwaltungsbehörden, also Landratsämter und kreisfreie Städte mit Ausnahme der Großen Kreisstädte (vgl. § 95 Abs. 2 Nr. 3 WG BW, §§ 13 Abs. 1, 16 Nr. 3 und 11 LVG BW). Untere Baurechtsbehörden sind dagegen auch die Großen Kreisstädte und sonstigen Gerneinden mit eigener Baurechtszuständigkeit (vgl. § 48 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 3 LBO BW).

1. Einführung

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die Betriebsfläche gemischt genutzt wird. Für die Zulässigkeit einer solchen Einbeziehung spricht, daß bei Planfeststellungsverfahren generell in § 7 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 und § 78 VwVfG eine Erweiterung der Konzentrationswirkung über das an sich planfeststellungsbedürftige Vorhaben hinaus vorgesehen ist, und zwar bezüglich sog. Folgemaßnahmen an anderen Anlagen und beim Zusammentreffen selbständiger Vorhaben. 10 Die Konzentrationswirkung von Planfeststellungen ist gern. § 14 Abs. 1 und Abs. 3 Halbs. 1 WHG gegenüber wasserrechtlichen Erlaubnissen und Bewilligungen eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Behörde, die ein Planfeststellungsverfahren zu einem Vorhaben durchführt, das mit einer wasserrechtlichen Benutzung verbunden ist, auch über die Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis bzw. Bewilligung, wobei sie als Landesbehörde an das Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde gebunden ist. Dies bedeutet, daß an die Stelle der "Entscheidungskonzentration" im Planfeststellungsbeschluß eine bloße "Zuständigkeitsbündelung" bei der Planfeststellungsbehörde tritt, welche eine gesonderte wasserrechtliche Entscheidung treffen muß. 11 Außerdem bedeutet das Einvernehmenserfordernis der Sache nach eine Abweichung von dem allgemeinen Grundsatz, daß die Planfeststellungsbehörde lediglich unverbindliche Stellungnahmen anderer Behörden einholt (vgl. § 7 3 Abs. 2 VwVfG). Teilweise wird allerdings die Ansicht vertreten, daß insoweit keine Einschränkung der Konzentrationswirkung nach § 14 WHG erfolge, als später erlassene bzw. neugefaßte fachgesetzliche Konzentrationsvorschriften (wie § 26 AbfG a.F. oder § 18 b FStrG) eine umfassende Konzentrationswirkung anordnen, ohne § 14 WHG ausdrücklich "unberührt" zu lassen. 12 Dem ist entgegenzuhalten, daߧ 14 WHG eine spezielle Regelung für die wasserrechtliche Erlaubnis und Bewilligung enthält und durch die Herausnahme aus der planfeststellungsrechtlichen Entscheidungskonzentration den eigenständigen Charakter und die besondere Bedeutung dieser wasserrechtlichen Entscheidung hervorhebt. Wenn daher andere Fachgesetze - in mittlerweile überflüssig gewordener Wiederholung der in § 75 Abs. 1 der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder für Planfeststellungen allgemein getroffe-

10 Bei der Einrichtung einer Gebrauchtwagenabstellfläche handelt es sich zwar weder um eine "Folgemaßnahme" i.S.d. § 75 VwVfG, die durch den Autowrackplatz bedingt wäre, noch um ein selbständiges planfeststellungsbedürftiges Vorhaben i.S.d. § 78 VwVfG, doch wird man aus den genannten Bestimmungen folgern können, daß eine Konzentration erst recht beim Zusammentreffen eines planfeststellungsbedürftigen Vorhabens mit einem Vorhaben eintreten soll, das bloß einem einfachen Genehmigungsvorbehalt unterliegt. II Zur Auslegung des § 14 WHG vgl. insbesondere Bender in NVwZ 1984, 9 ff. 12 Wie z.B. § 21 Abs. 1 Satz 2 WaStrG. So im Ergebnis für die abfallrechtl. Planfeststel1ung: Czychowski in ZfW 1974, 208 ff; Habei/Kuckuck, WG BW, § 64 Rn. 16 und für die fernstraßenrechtl. Planfeststellung: Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG § 18 b Rn. 3.4; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, S. 448 ff.; ders. in ZfW 1984, 193 ff.

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1. Einführung

nen Regelung - eine umfassende Konzentrationswirkung der jeweiligen Planfeststellung vorsehen, so wird dadurch § 14 WHG nicht derogiert. 13 Es zeigt sich hier bereits, daß auch bei der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nicht ohne weiteres gewährleistet ist, daß für ein einheitliches Gesamtvorhaben nur ein einziges Verwaltungsverfahren durchgeführt und eine umfassende Verwaltungsentscheidung getroffen wird. 14

- 2. Abwandlung des Fallbeispiels: "Shredderanlage" Auf dem Autowrackplatz soll eine Anlage zum Ausbrennen von Autowracks sowie eine Shredderanlage zum Verkleinern von Schrott errichtet werden.

Für die Errichtung und den Betrieb beider Arten von Anlagen ist eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vorgeschrieben (vgl. § 4 BlmSchG i.V.m. Anh. Nr. 3.14 und 8.1 der 4. BlmSchV '85). Ob die Genehmigung im förmlichen oder im vereinfachten Verfahren nach§ 19 BlmSchG zu erteilen ist, hängt jeweils von der Überschreitung einer bestimmten Leistungsgrenze ab. Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß gern. § 1 Nr. 2 f und Nr. 4 BlmSchGZuV BW für die Verbrennungsanlage das Regierungspräsidium, für die Shredderanlage dagegen die untere Verwaltungsbehörde zuständig ist. Nur wenn man die Shredderanlage als Bestandteil oder Nebeneinrichtung der Verbrennungsanlage ansehen könnte, würde die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Regierungspräsidiums die technische Gesamtanlage erfassen (vgl. § 1 Abs. 4 der 4. BlmSchV '85). Gern. § 13 BimSchG kommt der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung eine umfassende Konzentrationswirkung zu. Für die Verbrennungs· und Shredderanlage bedarf es daher keiner Baugenehmigung. Gern. § 6 Nr. 2 BlmSchG ist im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren auch zu prüfen, ob dem Vorhaben sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Durch diese sog. "Offnungsklausel" wird der Prüfungsbereich über die speziellen fachgesetzlichen Vorschriften hinaus erweitert. Gern. § 10 Abs. 5 BlmSchG hat die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde Stellungnahmen der Behörden einzuholen, deren Aufgabenhereich durch das Vorhaben berührt wird. Hierzu zählen insbesondere die Genehmigungsbehörden, die an sich zuständig wären, wenn nicht die Konzentrationswirkung eingreifen würde. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde hat demnach nicht nur die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften zu prüfen, sondern auch die Baugenehmigungsbehörde am Verfahren zu beteiligen. Vgl. im einzelnen Abschn. 4.2. Einschränkungen der planfeststellungsrechtl. Konzentrationswirkung finden sich z.B. auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftVG, § 29 Abs. 1 Satz 3 PBefG und § 9 b Abs. 4 Nr. 3 AtG. Außerdem sieht§ 74 Abs. 3 VwVfG die Möglichkeit von Teilentscheidungen vor. 13 14

1. Einführung

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Fraglich ist, ob das Erfordernis einer Baugenehmigung auch hinsichtlich der Abstell- und Lagerfläche für Gebrauchtwagen und Autowracks entfällt. Grundsätzlich reicht die Konzentrationswirkung nur so weit, wie die Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig ist. Die genehmigungsbedürftigen Anlagen sind in der 4. BlmSchV im einzelnen aufgeführt (vgL § 4 Abs. 1 Satz 3 BlmSchG). Dabei wird der Anlagenbegriff des § 3 Abs. 5 BlmSchG jeweils näher konkretisiert. Genehmigungsbedürftig ist im vorliegenden Fall also die Verbrennungs- und die Zerkleinerungsanlage. Bauliche Anlagen, die mit diesen technischen Anlagen untrennbar verbunden sind, wird man aufjeden Fall noch zum Genehmigungsgegenstand rechnen können. Darüber hinaus wird es jedoch schon problematisch. Den Lagerplatz für Autowracks wird man vielleicht noch als betriebsnotwendiges "Eingangs- und Vorratslager" oder als eine in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehende Nebeneinrichtung i.S.v. § 1 Abs. 2 der 4. BlmSchV '85 ansehen können. Ein solcher Zusammenhang besteht jedoch kaum mehr hinsichtlich der Abstellfläche für Gebrauchtwagen, die weder ausgebrannt noch verschrottet werden sollen. Eine Erweiterung der Konzentrationswirkung auf "verbundene" Vorhaben, wie sie in den §§ 75 Abs. 1, 78 VwVfG für Planfeststellungen vorgesehen ist, gibt es bei einfachen Genehmigungen nicht. Des weiteren sind in § 13 BlmSchG bestimmte Genehmigungsentscheidungen ausdrücklich von der Konzentrationswirkung ausgenommen. Hierzu zählen namentlich wasserrechtliche Entscheidungen - zumindest nach der derzeit noch gültigen Fassung dieser Vorschrift. 15 Die allgemein für Planfeststellungen geltende Regelung des § 14 Abs. 1 und 3 WHG findet hier also eine Entsprechung. 16 Auch hier zeigt sich, daß die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht gewährleistet, daß für ein einheitliches Gesamtvorhaben nur ein einziges Genehmigungsverfahren mit einer abschließenden Entscheidung durchgeführt wird. 17 Bislang wurden allerdings die abfallrechtlichen Gesichtspunkte außer acht gelassen. Auch bei Verbrennungs- und Shredderanlagen für Autowracks handelt es sich um Abfallbeseitigungsanlagen. Die abfallrechtliche Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG könnte insoweit gemäߧ 13 BlmSchG von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ersetzt werden.18 Bei einem Autowrackplatz mit Verbrennungs- und Shredderanlage wird es sichjedoch kaum um ei-

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Durch Art. 2 des 5. ÄndG zum WHG ist ab 1.1.198 7 die Konzentrationswirkung des

§ 13 BlrnSchG auf Eignungsfeststellungen nach § 19 h Abs. 1 Satz 1 WHG erweitert wor-

den, vgl. BT-Drucks. 10/5727 u. ER-Drucks. 303/86. 16 In § 1 Abs. 2 BlmSchGZuV BW a.F. war ebenfalls eine Zuständigkeitsbündelung vorgesehen, allerdings nicht bei der imrnissionsschutzrechtl. "Konzentrationsbehörde", sondern bei der Wasserbehörde. 17 Vgl. auch § 8 BlmSchG zur Zulässigkeit von Teilgenehmigungen. 18 Vgl. Feldbaus, BlmSchG, § 13 Rn. 6.

1. Einführung

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ne unbedeutende Anlage i.S. des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AbfG handeln. 19 Für die Errichtung und den Betrieb der gesamten Abfallbeseitigungsanlage ist daher eine Planfeststellung nach § 7 Abs. 1 AbfG erforderlich. Der Planfeststellungsbeschluß ersetzt seinerseits die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Verbrennungs- und die Shredderanlage, wobei allerdings gern. § 7 Abs. 3 AbfG die Besonderheit besteht, daß Planfeststellungs- und Anhörungsbehörde die Immissionsschutzbehörde ist, deren Genehmigung durch die Planfeststellung ersetzt wird. Diese eigenartige Regelung ist das Ergebnis eines Kompromisses, mit dem sowohl der besonderen Fachkenntnis der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde als auch den Vorzügen eines Planfeststellungsverfahrens Rechnung getragen werden sollte. 20 Was den Umfang der Konzentrationswirkung der Planfeststellung betrifft, so ergibt sich die gleiche Situation wie bei der ersten Abwandlung.

- Grundlegende rechtliche Fragestellungen Das hier als einführendes Beispiel gewählte Vorhaben ist an sich einfach, überschaubar und technisch wenig aufwendig, und trotzdem macht sich hier bereits die Kompliziertheit der organisations- und verfahrensrechtlichen Gestaltung beim Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten bemerkbar. Bereits relativ geringfügige Abwandlungen des geplanten Vorhabens können dazu führen, daß sich die genehmigungsrechtliche Situation erheblich verändert. Insbesondere kann es leicht zu einem Übergang vom einfachen Genehmigungsrecht zum Planfeststellungsrecht oder umgekehrt kommen. Die gleichartige Funktion von Planfeststellungsbeschlüssen und Genehmigungen deutet darauf hin, daß es sich nur um unterschiedliche Genehmigungsformen und nicht um völlig unterschiedliche Rechtsinstitute handelt. Außerdem läßt sich dem Fallbeispiel entnehmen, daß selbst umfassend angelegte Konzentrationsregelungen häufig nicht weit genug ausgreifen, um ein Vorhaben in seinem gesamten tatsächlichen Umfang und unter jedem fachlichen Aspekt zu erfassen. !\Ieistens bleibt es daher bei einer 1\lehrzahl von Verfahren bzw. Entscheidungen. Die Gestalt des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems wird erst dann erkennbar, wenn man das Zusammenspiel der materiellrechtlichen, organisa-

Vgl. Hösel/v. Lersner, Recht der Abfallbeseitigung, § 7 AbfG, Rn. 16. Die BReg hatte in ihrem Gesetzentw. ursprünglich vorgesehen, Abfallbeseitigungsanlagen, die einer Genehmigung nach § 16 GewO a.F. (heute§ 4 BlmSchG) bedurften, von der Planfeststellungspflicht auszunehmen, da sich das förmliche gewerberechtl. Verfahren in der Praxis bewährt habe. Demgegenüber bestand der BR auf der Einbeziehung der ge· nannten Anlage in das abfallrechtl. Planfeststellungsverfahren (vgl. im einzelnen Höselfv. Lersner (Fn. 19), Rn. 1). 19

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1. Einführung

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tionsrechtlichen und verfahrensrechtlichen Regelungen betrachtet. So erschließt sich die Wirkungsweise einer Konzentrationsvorschrift erst dann, wenn man weiß, welche materiellrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen im konzentrierten Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, welche Behörde als "Konzentrationsbehörde" tätig wird und wie das konzentrierte Genehmigungsverfahren ausgestaltet ist, insbesondere was die Mitbeteiligung anderer Behörden betrifft. Auch das Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander hängt nicht nur davon ab, ob sich die jeweils zu prüfenden materiellen Genehmigungsvoraussetzungen überschneiden, sondern auch davon, in welchem organisatorischen Verhältnis die jeweils zuständigen Genehmigungsbehörden zueinander stehen und inwieweit sie sich gegenseitig an den Verfahren beteiligen. Damit sind bereits die grundlegenden rechtlichen Fragestellungen angesprochen, die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehen. Folgende Fragenkomplexe sind bei parallelen und konzentrierten Genehmigungsverfahren zu unterscheiden:

a) Bei parallelen Genehmigungsverfahren aa) Prüfungs- und Entscheidungsumfang Sind bei der Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen auch fachgesetzliche Vorschriften und Belange zu beachten, deren Einhaltung in einem besonderen parallelen Genehmigungsverfahren geprüft wird? Im Fallbeispiel: Kann etwa die Baugenehmigungsbehörde die Baugenehmigung versagen, weil abfallrechtliche Vorschriften nicht eingehalten sind bzw. weil die abfallrechtliche Genehmigung voraussichtlich nicht erteilt werden kann?

Können Nebenbestimmungen getroffen werden, die sich auf parallele Genehmigungsbereiche beziehen oder auswirken? Kann z.B. die Baugenehmigungsbehörde oder die Abfallbehörde die von ihr zu erteilende Genehmigung mit der modifizierenden Auflage verbinden, daß die Betriebsfläche des Abstell- und Lagerplatzes zu befestigen ist? Und kann umgekehrt die Wasserbehörde die wasserrechtliche Erlaubnis mit der Auflage erteilen, den Platz zu befestigen, obgleich die Befestigung als bauliche Anlage wiederum baugenehmigungspflichtig sein kann?

bb) Bindungswirkung Welche Bedeutung hat es für ein zeitlich nachfolgendes paralleles Genehmigungsverfahren, wenn für das gleiche einheitliche Gesamtvorhaben bereits eine Genehmigung erteilt oder versagt worden ist? Kann z.B. die Baugenehmigungsbehörde die Genehmigung des Abstell- und Lagerplatzes noch aus städtebaulichen Gründen oder gar im Interesse einer geordneten Abfallbeseitigung versagen, nachdem die abfallrechtliche Genehmigung von der dafür zuständigen Behörde erteilt worden ist?

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1. Einführung

c c) Verfahrensmitbeteiligung

Inwieweit sind parallel zuständige Genehmigungsbehörden am Genehmigungsverfahren zu beteiligen? Muß z.B. die Abfallbehörde vor Erteilung der Genehmigung nach § 7 Abs. 2 AbfG eine Stellungnahme der Baugenehmigungsbehörde einholen und ist sie an die darin enthaltene baurechtliche Beurteilung des Vorhabens gebunden?

b) Bei konzentrierten Genehmigungsverfahren

aa) Reichweite der Konzentrationswirkung In welchem Umfang wird ein einheitliches Gesamtvorhaben von der Konzentrationswirkung erfaßt? Im Fallbeispiel: Bleibt die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf die Shredder- und Verbrennungsanlage, d .h. auf einen räumlich-gegenständlichen Teil des Vorhabens beschränkt? Oder erstreckt sie sich auch auf den Lagerplatz, je· denfalls insoweit, als dieser als Eingangslager für Autowracks dient und damit funktional auf die immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage i.e.S. bezogen ist?

Wirkt sich die Konzentrationswirkung außer auf die Errichtungsphase auch auf die Vorbereitungs-, Betriebs- und Stillegungsphase eines Vorhabens aus? Entfällt z.B. die sonst notwendige gesonderte Genehmigung von Vorbereitungsmaßnah· men wie z.B. Grundstücksteilung, Waldrodung oder Trockenlegung der Baufläche? Werden nur Genehmigungen ersetzt, die sich auf die Anlage als solche beziehen, oder auch personenbezogene Genehmigungen, etwa gewerberechtliche Personalkonzessionen wie die Metallhandelserla ubnis? 21 Werden sog. gemischt sachlich-persönlichen Genehmigungen ersetzt, durch die eine bestimmte (meist gewerbliche) Tätigkeit nur innerhalb bestimmter Räume bzw. Anlagen, die besondere Voraussetzungen erfüllen, gestattet wird? 22 Liegt die Zuständigkeit für nachträgliche Anordnungen - z.B. nach § 17 Abs. 1 BimSchG oder § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG - bei der Konzentrationsbehörde oder bei der Fachbehörde? Welche Behörde trifft die bei der Stillegung oder beim Abbruch der Anlage notwendigen Entscheidungen, z.B. nach § 1 0 Abs. 2 AbfG?

Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 Ul\IG. Siehe auch folgende Fn. Typisches Beispiel hierfür ist die Gaststättenerlaubnis, vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 und 3 GastG. Allerdings weist auch die in der vorherigen Fn. genannte Metallhandelserlaubnis, jedenfalls in ihrer Iandesrecht!. Ausgestaltung, eine sachbezogene Komponente auf: So sind gern. § 3 MetallhandelsVO BW vom 18.7.1959 (GBI. S. 147) die Räume und Lagerplätze, die der Ausübung des Gewerbes dienen und auf die sich die Gewerbeerlaubnis beschränkt, in der Erlaubnisurkunde nach Art und Lage zu bezeichnen. Diese Festlegung dient jedoch nur der besseren Überwachung der Tätigkeit aus kriminalpolitischen Gründen. Im Unterschied zur Gaststättenerlaubnis werden an die Betriebsstätte k eine sachbezogenen Anforderungen gestellt (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 1 UMG einerseits und § 4 Abs. 1 GastG andererseits). 21

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LEinführung

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bb) Fortgeltung des "sekundären" Rechts Inwieweit sind im konzentrierten Genehmigungsverfahren auch die materiell-, organisations- und verfahrensrechtlichen Regelungen zu beachten, die für die "ersetzten" Genehmigungsbereiche gelten? Muß z.B. die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde die Zulässigkeit des Vor· habens auch in städtebaulicher Hinsicht nach den § § 30 ff. BBauG/BauGB prüfen (vgl. § 29 Satz 1 BBauG, § 6 Nr. 2 BimSchG) 23 . Hat sie hierbei ggf. das Einvernehmen der Gemeinde einzuholen (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 BBauG/BauGB)? Muß sie spezielle Verfahrensvorschriften einhalten, die für das Baugenehmigungsverfahren gelten, also z .B. die Eigentümer angrenzender Grundstücke benachrichtigen (vgl. § 56 LBO BW) 24 sowie Rohbau- und Schlußabnahmen durchführen (vgl. § 66 LBO BW) 25 ?

cc) Verfahrensmitbeteiligung Muß die Konzentrationsbehörde eine "verdrängte" Genehmigungsbehörde, deren Genehmigungszuständigkeit infolge der Konzentrationswirkung gegenstandslos geworden ist, am konzentrierten Genehmigungsverfahren beteiligen? Inwieweit ist sie an deren Stellungnahme gebunden? Kann sich z.B. die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde über die gern. § 10 Abs. 5 BimSchG eingeholte Stellungnahme der Baugenehmigungsbehörde hinwegsetzen?26

Neben diesen de lege lata zu beantwortenden Fragen stellt sich natürlich auch die rechtspolitische Frage, ob einer parallelen oder einer konzentrierten Verfahrensgestaltung der Vorzug zu geben ist. Besondere Aufmerksamkeit wird dabei der Frage zu widmen sein, ob eine vollständige Konzentration realisierbar und erstrebenswert ist, bei der eine Behörde in einem Verfahren eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines einheitlichen Gesamtvorhabens trifft.

- Grundmerkmale der Problematik Bei der Wahl zwischen parallelen und konzentrierten Gestaltungsmöglichkeiten und bei der näheren Ausgestaltung des "vorhabenbezogenen Verfah23 Das ist nunmehr in § 29 S. 1 Halbs. 2 BauGB im positiven Sinne klargestellt. Vgl. auch den Gesetzentw. der BReg (BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5.1985 S. 14, 26, 30, 33) zur Änderung des § 13 BimSchG, wonach folgender Abs. 2 angefügt werden sollte: "Die Genehmigungsbehörde hat die Entscheidung nach Maßgabe der Vorschriften für die einge· schlossenen Entscheidungen und insoweit im Einvernehmen mit den für diese Entscheidungen zuständigen Behörden zu treffen." ' 24 § 10 Abs. 3 BimSchG sieht dagegen eine öffentliche Bekanntmachung vor; bei vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG ist weder eine Bekanntmachung noch eine Benachrichtigung vorgesehen. 25 Hier stellt sich zugleich die Frage, ob sich die Konzentrationswirkung auch auf die Überwachung der Errichtung des Vorhabens bezieht. 26 Vgl. Fn. 23 a.E.

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1. Einführung

renssystems 27 " geht es keineswegs nur um die "organisations- und verfahrenstechnische" Bewältigung des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten. Zum einen sind Organisations- und Verfahrensfragen selten wertneutral, sondern implizieren eine Abwägung verschiedener politischer Güter und Interessen.28 Zum anderen hängt die inhaltliche Qualität von Genehmigungsentscheidungen in hohem Maße von der Organisation des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems ab. Inhaltliche, organisatorische und verfahrensmäßige Elemente des Entscheidungsprozesses beeinflussen sich gegenseitig. Es gilt auch hier, daß Form und Inhalt nicht zu trennen sind. Aus der materiellen Struktur der Entscheidungsaufgabe ergeben sich besondere Anforderungen an die Organisations- und Verfahrensstruktur, durch die der Entscheidungsprozeß einen festen Rahmen gewinnt, wie auch umgekehrt das Ergebnis des Entscheidungsprozesses durch die Organisations- und Verfahrensstruktur beeinflußt wird. Dementsprechend liegt der Kern der Problematik paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren in der Komplexität der Entscheidungsaufgabe begründet. 29 Das Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten stellt keine organisations- und verfahrensrechtliche Zufälligkeit dar. Vielmehr ist es regelmäßig ein äußeres Zeichen dafür, daß ein Vorhaben aufgrund seiner technischen Komplexität, seiner Auswirkungen auf die Umwelt oder wegen der Gegebenheiten des gewählten Standorts vielfältige und vielschichtige Zulässigkeitsfragen aufwirft. Derartige Vorhaben berühren unterschiedliche Umwelt- und Lebensbereiche, und ihre Beurteilung erfordert die Einschaltung der verschiedensten Fachdisziplinen. Es ist daher nur folgerichtig, wenn die Zulässigkeit solcher Vorhaben unter zahlreichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen ist und dafür verschiedene Verwaltungszweige zuständig sind. So stellen sich etwa in dem Fallbeispiel des Autoverwertungsbetriebes, der im Verhältnis zu modernen großtechnischen Anlagen, wie z.B. Kernkraftwerken, noch recht bescheidene Dimensionen hat, u.a . auf den folgenden Sachgebieten genehmigungsrelevante Fragen: - Bauleitplanung: Entspricht die Lage des Betriebs einer geordneten städtebaulichen Entwicklung? 27 Der Begriff des "vorhabenbezogenen Verfahrenssystems" wird hier als Oberbegriff für parallele und konzentrierte Genehmigungsverfahren verwendet. Er umfaßt alle Verfah· ren, die sich auf die Genehmigung eines einheitlichen Gesamtvorhabens beziehen. Im Fal· le einer vollständigen Konzentration besteht das vorhabenbezogene Verfahrenssystem also nur aus einem einzigen Genehmigungsverfahren. 28 Vgl. Abschn. 2.2. 29 Unter einer " komplexen Entscheidungsaufgabe" soll hier, einer entscheidungstheo· retischen Definition folgend, ein Entscheidungsproblem verstanden werden, das gleichzei· tig mehrere relevante "Kontexte" aufweist, wobei das Problem in jedem einzelnen Kontext nur partiell erfaßt werden kann (vgl. Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 2, S. 218 f. , Bd. 3, S. 249 f. , 262).

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- Natur- und Landschaftsschutz: Wird der Naturhaushalt oder das Landschaftsbild durch die Anlage beeinträchtigt? - Abfallbeseitigung: Dient die Anlage einer geordneten und schonenden Verwertung und Beseitigung von Autowracks? - Gewässerschutz: Können Schadstoffe ins Grundwasser oder in ein oberirdisches Gewässer gelangen? - Immissionsschutz: Gehen von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen, insbesondere in Form von Luftverunreinigungen und Geräuschen aus? - Erschließung (Versorgung und Entsorgung): Ist die verkehrsmäßige Anhindung, die Energieversorgung und die Wasserversorgung und -entsorgung gewährleistet?30 Eine fachspezifische und sachlich beschränkte Zulässigkeitsprüfung- z.B. aus bauplanungsrechtlicher, naturschutzrechtlicher oder wasserrechtlicher Sicht - eröffnet jeweils nur einen partiellen Zugang zu den Sach- und Wertungsproblemen, die von dem zu prüfenden Vorhaben aufgeworfen werden. Erst in einer, wie auch immer gearteten, Zusammenfassung der fachbezogenen Prüfungen können sämtliche Kontexte der Entscheidungsaufgabe zur Geltung gebracht werden. Es kommt daher darauf an, administrative Prüfprozesse für komplexe Vorhaben organisatiom- und verfahrensmäßig so zu gestalten, daß alle Aspekte des Vorhabens fachgerecht beurteilt, die sachlichen Verflechtungen zwischen den verschiedenen Aspekten erfaßt und alle möglichen öffentlichen und privaten Belange angemessen berücksichtigt werden können. Diesen Anforderungen kann nur eine hochentwickelte und ausdifferenzierte Organisations- und Verfahrensstruktur genügen. 31 Einerseits ist nämlich eine Koordination erforderlich, da die einzelnen fachgesetzlichen Bereiche nicht isoliert voneinander betrachtet und beurteilt werden können, andererseits aber auch eine Spezialisierung, da die spezifischen fachgesetzlichen Aspekte nicht zugunsten einer oberflächlichen und undifferenzierten Gesamtsicht und Gesamtbewertung vernachlässigt werden dürfen. Es läßt sich daher nicht umgehen, die "Eigenkomplexität" der Genehmigungsverfahren der Komplexität der Entscheidungsaufgabe anzupassen. 32 Dementsprechend zeigen Genehmigungsverfahren heutzutage vielfältige Formen innerer und äußerer Ausdifferenzierung. Sie wurden insofern zu Paradebeispielen "komplexer Verwaltungsverfahren ". 33

30 Hierbei können sich weitere Genehmigungserfordernisse ergeben, z .B. nach § 9 FStrG, § 24 StrG BW, §§ 43 Abs. 3 Satz 2, 45 e Abs. 1 Satz 3 WG BW. 31 Wahl weist in VVDStRL 41 (1983), 151 (180) zu Recht darauf hin, daß man nicht die "Idylle einfacher Verfahren" erwarten kann. 32 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 52 . 33 Zu komplexen Verwaltungsverfahren vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 2 4 f. m.w.N .; Steinberg in DÖV 1982, 619 ff.;

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Diese Komplexität findet ihren augenfälligsten Ausdruck bei der Genehmigung moderner großtechnischer Anlagen, wie sie etwa Kraftwerke oder gar eine nukleare Wiederaufbereitungsanlage darstellen. Wegen des enormen Investitionsvolumens dieser Anlagen, ihrer weitreichenden Auswirkungen (in räumlicher und zeitlicher Hinsicht) und wegen des hochentwickelten und verfeinerten Stands der Technik werden die dafür durchzuführenden Genehmigungsverfahren mit einem ungeheuren Verfahrensstoff belastet. 34 So ist es keine Seltenheit, daß Antragsunterlagen für derartige Vorhaben ganze Regale füllen und Genehmigungsbescheide von mehreren hundert Seiten in Buchform gebunden werden. 35 Entscheidungsaufgaben dieser Art lassen sich nur durch Arbeitsteilung und Spezialisierung sowie im Wege schrittweiser Problembewältigung (und der dadurch ermöglichten Komplexitätsreduktion) sachgerecht bewältigen. Das Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren läßt sich als eine besondere Form der Ausdifferenzierung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems begreifen. Weitere Formen der Ausdifferenzierung, teils mit ähnlicher, teils mit weitergehender Funktion, finden sich innerhalb einzelner Genehmigungsverfahren. Hierzu gehören namentlich die sehtorale Auffächerung durch Behördenmitbeteiligung und die zeitliche Abstufung durch Teilgenehmigungen. Genehmigungsverfahren sind nämlich zum einen regelmäßig in der Weise aufgefächert, daß diejenigen Behörden und Stellen, deren Aufgabengebiet durch das Vorhaben berührt wird, von der Genehmigungsbehörde am Verfahren beteiligt werden (vgl. § 10 Abs. 5 BlmSchG, § 7 Abs. 4 Satz 1 AtG, § 55 Abs. 1 LBO BW). Zum anderen ist es bei größeren Vorhaben üblich, Genehmigungsverfahren in der Weise abzustufen, daß Teilgenehmigungen für einzelne Verwirklichungsstufen oder Anlagenteile eines Vorhabens erteilt werden (vgl. § 8 BlmSchG, § 18 AtVfV, § 61 LBO BW). Schließlich läßt sich auch die Beteiligung Dritter, insbesondere der Nachbarn und sonstiger Drittbetroffener, als eine Form der Ausdifferenzierung des Verfahrens ansehen. Genehmigungsverfahren sind heutzutage meist keine zweiseitige Angelegenheit zwischen der Verwaltung und dem Vorhabenträger mehr, sondern haben sich zu einem mehrseitigen Verfahren mit erweiterter Bürgerbeteiligung entwickelt (vgl. § 10 Abs. 3 und 6 BlmSchG, §§ 7 ff. AtVfV, §56 LBO BW). 36

Wahl in DVBl 1982, 51 (52); ders. in VVDStRL 41 (1983); 151 (180 ff.); Schoeneberg in DVBl 1984, 929 (932). 34 Das Investitionsvolumen beträgt derzeit bei modernen Steinkohlekraftwerken (2 x 675 MW) ca. 1,7 Mrd. DM, bei Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktor (1.300 MW) ca. 3,2 Mrd. DM bis hin zu voraussichtlich 6-8 Mrd. DM bei einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage (350 t) . 35 Vgl. Rinke in ET 1980, 836 (838 f.); Broichhausen, "Wie ein Industriestaat lahmge· legt wird" in FAZ v. 28.4.1982, S. 12. 36 Im Genehmigungsverfahren spiegelt sich somit das drei- bzw. mehrseitige Verwaltungsverhältnis wider, das eine typische Konstellation des gegenwärtigen Genehmigungsrechts darstellt (vgl. Wahl in JuS 1984, 577 ff.; Schmidt·Aßmann (Fn. 33), S. 26 ff.).

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- Umweltrelevante Vorhaben als Genehmigungsgegenstand Die Gestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems hat unter dem Blickwinkel des Umweltschutzes besondere Bedeutung erlangt. Als typische "Querschnittsaufgabe" läßt sich der Umweltschutz nur durch eine fachübergreifende Koordination verschiedener Rechts- und Verwaltungsbereiche verwirklichen. Dies gilt auch für die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben. Wenn man die Umweltauswirkungen solcher Vorhaben in einzelne Sektoren zerlegt und diese unabhängig voneinander betrachtet, gehen wichtige Wirkungszusammenhänge verloren. So lassen sich etwa Abfall-, Abwasser- und Abluftfragen eines Betriebes nicht von ihrem gemeinsamen Entstehungszusammenhang lösen; vielmehr erscheint es notwendig, bei den Schadstoffquellen, d.h. bei der Technik der Produktion bzw. Energieerzeugung anzusetzen, um bloße Verschiebungen der Schadstoffproblematik vom einen zum anderen Bereich zu vermeiden. Außerdem stellen die Umweltmedien Boden, Wasser und Luft keine voneinander unabhängigen Elemente dar, sondern sind in den Naturkreislauf eingebunden. Der ganzheitliche Ansatz der Ökologie trägt dem Umstand Rechnung, daß alle Faktoren des Naturhaushalts in einem Interdependenzverhältnis zueinander stehen. Um Störungen des ökologischen Gleichgewichts zu vermeiden, erscheint es notwendig, sämtliche Umweltauswirkungen eines Vorhabens mit den Umweltverhältnissen, insbesondere m der Umgebung des Vorhabens, in Beziehung zu setzen. In verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen bemüht man sich seit etmger Zeit darum, inhaltliche Kriterien und Techniken für eine umfassende "Umweltverträglichkeitsprüfung" (UVP) von Vorhaben zu entwickeln. 37 Daneben sind auch bereits Ansätze und Bestrebungen zu verzeichnen, inhaltliche Maßstäbe und Verfahrensregeln für eine bereichsübergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung normativ festzulegen. So ist namentlich auf die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) hinzuweisen. 38 Dabei stellt sich vor allem die Frage, wie eine "ökologische Gesamtbeurteilung" von Vorhaben mit dem bestehenden Genehmigungsinstrumentarium erreicht werden kann. 39 Auf dem Hintergrund dieser neuesten Entwicklungen und des sich immer dringender abzeichnenden Bedürfnisses nach wirksameren Instrumenten des Umweltschutzes sollen hier umweltrelevante Vorhaben als Genehmigungsge37 Neben der Biologie bzw. Ökologie ist insbesondere der Beitrag der wissenschaftlichen Raumplanung hervorzuheben. Vgl. z.B. Spindler, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Raumplanung; Schoeneberg in DVB11984, 929 ff. m.w.N. 38 Vgl. ABI. EG 1985, Nr. L 175/40- s. Anh. 39 Zur Umsetzung der EG-Richtlinie ins nationale Recht, vgl. Erbguth in NuR 1982, 161 ff.; Steinberg in NuR 1983, 169 ff.; Schoeneberg in DVBl 1984, 929 ff.; Cupei in DVB11985,813ff.

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genstand paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren in den Mittelpunkt der Arbeit gestellt werden. 40 Die Errichtung baulicher Anlagen stellt den in der Praxis wichtigsten Fall eines umweltrelevanten Vorhabens dar. 41 Umweltrelevant sind solche Vorhaben zu nennen, die nicht unerhebliche Auswirkungen auf die natürliche oder kulturelle Umwelt haben können. Versteht man unterder "Umwelt" die gesamte natürliche und kulturelle Umwelt, d.h. insbesondere Mensch, Flora und Fauna, die Umweltmedien Wasser, Luft, Boden, sowie die bebaute Umwelt einschließlich der Kulturdenkmäler und der Kulturlandschaft,42 so wird deutlich, daß bei den meisten Genehmigungsverfahren für standortbezogene Vorhaben Gesichtspunkte der Umweltverträglichkeit im Vordergrund stehen. Wirtschaftliche und soziale Aspekte spielen dagegen als rechtlicher Prüfungsmaßstab in Genehmigungsverfahren nur eine untergeordnete Rolle. 43 Der Begriff des "umweltrelevanten Vorhabens" setzt strenggenommen nicht voraus, daß das Vorhaben räumlich fixiert ist. So läßt sich z.B. auch die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges als umweltrelevantes Vorhaben ansehen. Dennoch sollen hier nur raumbezogene und standortgebundene Vorhaben behandelt werden. In dieser eingeschränkten Bedeutung kommt der Begriff des "umweltrelevanten Vorhabens" auch dem in § 29 BBauG/BauGB umrissenen Begriff des "bodenrechtlich (oder bauplanungsrechtlich) relevanten Vorhabens" recht nahe, wenn man einmal von der dort erfolgten einschränkenden Anknüpfung an die bauordnungsrechtliche Genehmigungspflicht absieht. 44

40 Bei dem Begriff des "umweltrelevanten" Vorhabens handelt es sich um keinen Rechtsbegriff, sondern um einen typisierenden Sachbegriff, der zur Erfassung und Charakterisierung einer bestimmten Kategorie tatsächlicher Vorhaben dient. 41 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 26, 86 f., der seinen Lösungsansatz für parallele und konzentrierte Genehmigungsverfahren auf bauliche Anlagen beschränkt. Versteht man den Begriff der baulichen Anlage in dem weiten Sinne, wie er in den Landesbauordnungen definiert wird, so daß z.B. auch Aufschüttungen und Abgrabungen, Abstell- und Lagerplätze, Camping- und Zeltplätze sowie Stellplätze darunter fallen (vgl. § 2 Abs. 1 LBO BW, § 2 Abs. 1 MBO '81) , und stellt man der Errichtung "das Herstellen, Aufstellen, Anbringen, Einbauen, Einrichten, Ändern und die Nutzungsänderung" gleich (§ 2 Abs. 9 LBO BW) , so werden damit die allermeisten umweltrelevanten Vorhaben erfaßt. Wesentlich enger ist dagegen der Begriff des "baugenehmigungspflichtigen Vorhabens", da in den Landesbauordnungen zahlreiche und auch umweltrelevante Vorhaben von der Baugenehmigungspflicht freigestellt (vgl. § 52 LBO BW, § 62 MBO '81) oder sogar vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung ausgenommen sind (vgl. § 1 Abs. 2 LBO BW, § 1 Abs. 2 MBO '81). 42 Vgl. die Definition in Art. 3 UVP-Richtlinie. 43 Informell können sie allerdings ein beträchtliches Gewicht gewinnen und faktisch zu einer "großzügigen" Handhabung der gesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen führen. Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 36, 64, 353, 659 ff. 44 Vgl. Finkelnburg/Ortloff, öffentliches Baurecht, S. 165 ff., 240; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 493 ff.

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- Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren Um das Thema der vorliegenden Arbeit weiter zu präzisieren, ist schließlich noch der Begriff des "Genehmigungsverfahrens" zu definieren: Es handelt sich dabei um ein Verwaltungsverfahren, in dem auf Antrag des Vorhabenträgers eine Zulässigkeitsprüfung des betreffenden Vorhabens stattfindet. Im positiven Falle wird durch Genehmigungserteilung ein der Verwirklichung des Vorhabens im Wege stehendes öffentlich-rechtliches Verbot materieller oder formeller Art aufgehoben. Der Begriff der Genehmigungsentscheidung wird hier als Oberbegriff für alle Entscheidungen über die Zulässigkeit eines Vorhabens verwendet, und zwar unabhängig davon, ob dem Vorhabenträger durch Erteilung der Genehmigung ein subjektives Recht zur Verwirklichung des Vorhabens eingeräumt oder ob ihm ein bereits zustehendes Recht (etwa aufgrund der Baufreiheit) lediglich bestätigt wird. 45 Den meisten Genehmigungsverfahren liegt ein sog. "präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" zugrunde. Mit dieser Rechtsfigur wird die Zulässigkeit einer an sich erlaubten oder sogar verfasmngsrechtlich gewährleisteten Tätigkeit von einem vorgeschalteten administrativen Kontrollverfahren abhängig gemacht. Das Recht zur Betätigung wird damit also verfahrensabhängig gestellt. In dem Verfahren geht es dann um die Erteilung einer sog. "Kontrollerlaubnis" .46 Häufig ergeben sich Genehmigungsverfahren aber auch aus einem sog. "repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt". Durch diesen Vorbehalt wird der Verwaltung die Möglichkeit eingeräumt, eine an sich verbotene Betätigung im Einzelfall dennoch zuzulassen. Dies geschieht durch eine sog. "Ausnahmebewilligung" (Dispens).47 Seltener dagegen ergeben sich Genehmigungsverfahren daraus, daß für bestimmte Betätigungen ein staatliches Vorrecht bzw. 45 Zur Definition der Genehmigung vgl. auch Jarass (Fn. 42), S. 32; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 105, sowie Art. 1 Abs. 2 UVP·Richtlinie. Soweit der Begriff der "Genehmigung" spezialgesetzlich auch in einem engeren Sinne belegt ist (z.B. in den §§ 23, 25, 43, 45 e, 76, 78, 98 WG BW zur Unterscheidung von der wasserrechtlichen .,Erlaubnis" und .,Bewilligung" nach dem WHG), soll er im folgenden mit einem klarstellenden Zusatz versehen werden. 46 Vgl. z.B. §§51, 59 LBO BW, § 4 BlmSchG, § 7 AtG und§ 4 GastG. Zum präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 - Kaikar - , E 49, 89 (145); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff.; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 109 f.; Wahl in DVSI1982, 51 (52 f.) . 47 Befreiungsmöglichkeiten von ansonsten zwingenden gesetzlichen Vorschriften sehen die meisten Fachgesetze vor, vgl. z .B. §57 Abs. 4 LBO BW, § 67 Abs. 3 MBO '83, § 31 Abs. 1 und 2 BBauG{BauGB (Sowohl bei der "Ausnahme" als auch bei der " Befreiung" handelt es sich der Sache nach um eine Ausnahmebewilligung, vgl. Emst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 31 Rn. 4, 6), § 9 Abs. 8 FStrG, §§ 62,63 NatSchG BW. Zum repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt vgl. BVerfG, Beschl. vom 4.2.1975 - Zweckentfremdung von Wohnraum-, E 38, 348 (368 f.); Maurer (Fn. 46), S. 35; Mussgnug, Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften.

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ein Verwaltungsmonopol begründet ist. In diesen Fällen bedarf es einer sog. "Verleihung" .48 Die genannten Arten von Genehmigungsvorbehalten lassen sich nicht immer eindeutig auseinanderhalten. Einordnungsschwierigkeiten ergeben sich vor allem dann, wenn die Erteilung einer Genehmigung in das Ermessen der Verwaltung gestellt ist. 49 Nicht selten verbinden sich bei einer Genehmigung kontrollierende, planende, dispensierende oder rechtsverleihende Entscheidungselemente.50 Zu einer solchen Vermischung unterschiedlicher Genehmigungselemente kann es insbesondere durch Konzentrationsregelungen kommen. 51 Die materiellrechtliche Qualifikation einer Genehmigung läßt sich nicht einfach danach vornehmen, ob sie der Gesetzgeber als (Kontroll-) "Erlaubnis", als "Befreiung" oder als "Verleihung" benannt hat. Zwar wollte der Gesetzgeber mitunter offenbar den materiellen Rechtscharakter einer Genehmigung durch deren Bezeichnung zum Ausdruck bringen, doch hat er eine solche terminologische Differenzierung nicht konsequent durchgehalten. Außerdem finden sich weitere Bezeichnungen wie "Bewilligung", 52 "Feststellung",53 "Zulassung" 54 oder "Gestattung". 55 Aus der Bezeichnung einer Genehmigung lassen sich daher nicht ohne weiteres rechtliche Schlußfolgerungen ziehen. 56 Als besondere Form der Genehmigung hat sich allerdings die Planfeststellung zu einem eigenständigen Rechtsinstitut entwickelt. Die Planfeststellung 48 Eine Verleihung kann insbesondere bei Verkehrswegebauten erforderlich sein (vgl. z.B. §§ 2, 13 PBefG, § 4 Abs. 2 AEG, §§ 2, 27 EisenbG BW), mitunter aber auch bei anderen Vorhaben (vgl. z.B. § 2 FemmG). 49 Vgl. z.B. § 7 AtG (dazu BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 - Kaikar -, E 49,89 (145)), §§2,6WHG (dazu BVerfG, Beschl. v. 15.7.1981- Kiesabbau -, E58,300(346f.)), § 6 LuftVG (dazu Wahl in DVBI 1982, 51 (58 ff.)); § 33 i GewO, § 1 SpielbG (dazu BVerfG, Beschl. v. 18.3.1970, E 28, 119 (148)). Entsprechendes gilt, wenn eine sog. "Bedürfnisprüfung" angeordnet ist (vgl. z.B. § 6 AtG). 50 So schon 1912 zur alten "Eisenbahnkonzession" Lagenstein, Die Gewerbepolizeierlaubnis, S. 101 f. 51 So ist etwa anerkannt, daß sich die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrecht!. Anlagengenehmigung (§ 13 BlmSchG) ebenso wie bereits zuvor diejenige der gewerberechtl. Anlagengenehmigung auch auf Ausnahmen und Befreiungen insbesondere von baurechtl. Vorschriften erstreckt (vgl. Feldhaus, BlmSchG, § 13 Anm. 4; Stich/Perger, BlmSchG, § 13 Rn. 9; Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 3; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 194 sowie zu § § 16 ff. GewO a.F. Baltz, Preuß. Baupolizeirecht, S. 33 f.). Die unterschiedliche materielle Qualität einer Genehmigung wird häufig als Argument gegen eine Einbeziehung in ein konzentriertes Genehmigungsverfahren angeführt (vgl. z.B. die Stellungnahme des BR zu der von der BReg vorgeschlagenen Einbeziehung wasserrechtl. Entscheidungen in das immissionsschutzrechtl. Genehmigungsverfahren, in BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5.1985, S. 30, Ziff. 12). 52 Z.B. § 8 WHG. 53 Z.B. § 19 h Abs. 1 Satz 1 WHG ("Eignungsfeststellung"). 54 Z.B. § 19 h Abs. 1 Satz 2 WHG, § 14 DampfkV ("Bauartzulassung"). 55 Z.B. § 12 GastG. 56 Vgl. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 105; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, GewO und ergänzende Vorschriften, Bd. 3, Rn. 15 vor§ 4 BlmSchG.

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erfolgt in einem aufwendigen und förmlich ausgestalteten Verwaltungsverfahren und hat die Feststellung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit eines raumbezogenen Vorhabens zum Gegenstand. Bei den planfeststellungsbedürftigen Vorhaben handelt es sich ganz überwiegend um Anlagen, die eine öffentliche Funktion erfüllen (z.B. Verkehrsanlagen) und meist von der öffentlichen Hand, nicht selten aber auch von privater Seite getragen werden. 57 Als Wesenselemente der Planfeststellung sind das der Planfeststellungsbehörde eingeräumte Planungsermessen und die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses zu nennen. 58 Trotz dieser Besonderheiten bestehen zwischen der Planfeststellung und der (einfachen) Genehmigung keine grundlegenden rechtlichen Unterschiede. Beide Rechtsinstitute sind nicht nur von ihrem geschichtlichen Ursprung her eng miteinander verbunden, 59 sondern liegen auch in ihren rechtlichen Wirkungen nicht weit voneinander entfernt. In beiden Fällen ist eine Entscheidung über die öffentlich-rechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens zu treffen. Die Unterschiede zwischen beiden Entscheidungsformen relativieren sich bei näherer Betrachtung: - So kommt auch dem Planfeststellungsbeschluß eine "Genehmigungswirkung" zu, da er ein dem Vorhaben entgegenstehendes öffentlich-rechtliches Hindernis beseitigt.60 - Das der Planfeststellungsbehörde eingeräumte Planungsermessen ändert nichts daran, daß diese die gesetzlichen Anforderungen an das Vorhaben beachten muß. Umgekehrt ist auch in einfachen Genehmigungsverfahren der Genehmigungsbehörde nicht selten ein Ermessensspielraum eröffnet.61 Auch wenn kein Genehmigungsermessen besteht, bilden häufig unbestimmte Rechtsbegriffe den Genehmigungsmaßstab, zu deren Auslegung eine Abwägung widerstreitender Belange erforderlich ist. 62 57 Von dieser "gemeinnützigen" Planfeststellung ist die ,.privatnützige" Planfeststel· Jung (z.B. Naßauskiesung, § 31 WHG) zu unterscheiden, vgl. Wahl in DVBI1982, 51 (57 f.). 58 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 22.2 .1980, NJW 1981, 239 (240). Durch die allgemeine Regelung in den §§ 72 ff. VwVfG ist das Planfeststellungsverfahren näher ausgestaltet worden und hat dadurch feste Konturen gewonnen. 59 Dazu sogleich in Abschn. 2.1.1. 60 Dieses Hindernis besteht zumindest in der Form des Planfeststellungsvorbehalts. Vgl. zur Genehmigungswirkung Bonk, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 8; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 203. 6! So besteht namentlich bei Erteilung der wasserrechtl. Erlaubnis oder Bewilligung ein Bewirtschaftungs· bzw. Zuteilungsermessen. Vgl. §§ 2, 6 WHG sowie Salzwedel, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 785 f. 62 So z.B. bei § 35 BBauG/BauGB oder bei § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG, wo zu prüfen ist, ob überwiegende öffentliche Interessen der Wahl des Standorts der Anlage entgegenstehen. Zu der feinsinnigen Unterscheidung zwischen ,.gestaltender Abwägung" (beim Planungs· ermessen) und ,.nachvollziehender Abwägung" (bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe) vgl. Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 18 f., 162; Hoppe, in: Ernst/ Hoppe, Das öffentliche Bau· und Bodenrecht, Rn. 392 ff.; Wahl in DVBI 1982, 51 (55 f.) m.w.N.

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- Auch "einfache" Genehmigungsverfahren können förmlich ausgestaltet (vgl. § 10 BlmSchG) und mit einer weitgehenden Konzentrationswirkung verbunden sein (vgl. § 13 BlmSchG). - Außerdem soll auch einfachen Genehmigungen eine "Feststellungswirkung" dergestalt zukommen, daß die Vereinbarkeit des Vorhabens mit bestimm· ten öffentlich-rechtlichen Vorschriften festgestellt wird. 63 So definierte bereits das Preußische Oberverwaltungsgericht den "Baukonsens" als die "Erklärung der zuständigen Behörde, daß dem beabsichtigten Bau Hindernisse in dem öffentlichen Rechte nicht entgegenstehen". 64 Diese Gemeinsamkeiten beider Rechtsinstitute rechtfertigen es, Planfeststellungsverfahren als eine besondere und qualifizierte Form konzentrierter Genehmigungsverfahren anzusehen, bei denen ein Freiraum zur planerischen Gestaltung gegeben ist. 65 Obgleich somit Planfeststellungsverfahren als Genehmigungsverfahren i.w.S. anzusehen sind, sollen sie im Rahmen der vorliegenden Arbeit nur am Rande behandelt werden. Dies hat nicht nur mit der notwendigen Eingrenzung des Themas zu tun, sondern rechtfertigt sich auch daraus, daß Planfeststellungsverfahren im Gegensatz zu den "einfachen" parallelen und konzentrierten Genehmigungsverfahren bereits eine gründliche rechtsdogmatische Aufarbeitung66 und darüber hinaus in den § § 7 2 ff. der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder eine allgemeine gesetzliche Regelung erfahren haben. Hierbei hat sich der Gesetzgeber in den § § 7 5 Abs. 1, 78 63 Vgl. Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 212 ff. sowie speziell zur Baugenehmigung: BVerwG, Urt. v. 15.3.1967, E 26,287 (288); Urt. v. 25.10.1967, E 28, 145 (147 f.); Schrödter, BBauG, § 36 Anm. 1; Ernst, in: Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Rn. 905; Baumanns, Verfahrensrecht und Praxis der Bauaufsicht, Rn. 267, 270; Schlotterbeckfv. Arnim, LBO BW, §59 Rn. 25; a.A .: Friauf in DVBl 1971, 713 (719ff.); ders., in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 580. Eine andere Frage ist, ob man aus dieser Feststellungswirkung eine .,Fremdbindung" anderer Behörden herleiten kann, vgl. dazu Abschn. 5.1 .2.2. Zur Feststellungswirkung des Planfeststellungs· beschlusses vgl. § 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 VwVfG. 64 So PrOVG, Urt. v. 7.4.1897, E 32, 338 (339) unter Bezugnahme auf PrOVG E 12, 369 u. 13,394. Vgl. auch Baltz, Preuß. Baupolizeirecht, S. 100; Ackermann, Der Baukon· sens, S. 54; Roth, Bad. Landesbauordnung, § 131 Anm. 7, wo die Baugenehmigung als .,Feststellungserklärung" bzw. als "Feststellungsbescheid" bezeichnet wird. Vgl. auch be· reitsOtto Mayer, Dt. Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 240, zur Polizeierlaubnis. 65 Vgl. Blümel in DVBl 1960, 697 (708); Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 106; Wahl in DVBl 1982, 51 ff.; Badura , in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 I (S. 386, 388); Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, S. 14 f. Zur "Unternehmergenehmigung mit planungsrechtlichem Einschlag" als .,Zwischenform" vgl. Badura in BayVBl 1976, 515 ff.; ders., in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 339; Jarass, a.a.O., S. 109, 114 Fn. 70; Wahl, a.a.O., S. 58 ff. 66 Vgl. Blümel, Die Bauplanfeststellung, Bd. 1; Breuer, Die hoheitliche raumgestalten· de Planung, bes. S. 92 ff., 96 ff., 131 ff.; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau; Kar· wath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz. Dagegen haben parallele und konzentrierte Genehmigungsverfahren außerhalb des Planfeststellungsrechts erst jüngst (1984) durch Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, eine erste monographische Behandlung gefunden.

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VwVfG für eine weitestgehende Konzentration entschieden, die für parallele Verfahren kaum noch Raum läßt. Das Planfeststellungsverfahren bildet somit das Grundmodell und Leitbild eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens, das auch bei genehmigungsrechtlichen Konzentrationsregelungen im Auge zu behalten ist. Ahnliehe Probleme wie bei parallelen Genehmigungsverfahren können sich jedoch im Einzelfall auch bei planfeststellungsbedürftigen Vorhaben ergeben, wenn nämlich die Konzentrationswirkung einer Planfeststellung_ fachgesetzlich beschränkt ist. 67 Ein spektakuläres Beispiel hierfür stellt das geplante Endlager für radioaktive Abfälle im Salzstock bei Gorleben dar. Das atomare Endlager bedarf der Planfeststellung nach § 9 b AtG. Von der Konzentrationswirkung dieser Planfeststellung ist die bergrechtliche Betriebsplanzulassung ausgenommen (vgl. § 9 b Abs. 4 Nr. 3 AtG i.V.m. §§51 ff. BBergG). Für Errichtung und Betrieb des untertägigen Endlagers ist also neben der atomrechtlichen Planfeststellung eine bergrechtliche Genehmigung erforderlch. Für das derzeit in Bau befindliche Erkundungsbergwerk wurden allerdings nur bergrechtliche (Rahmen-) Betriebsplanzulassungen erteilt. 68 Dies läßt sich damit rechtfertigen, daß ein bloß zur Erkundung dienendes Bergwerk kein atomares Endlager darstellt. 69 Nach anderer Auffassung setzt bereits die Errichtung des Erkundungsbergwerks eine atomrechtliche (Teil-)Planfeststellung voraus, weil das "Erkundungsbergwerk" einen wesentlichen Bestandteil des späteren Endlagerbergwerks bilden soll und weil mit dessen Errichtung bereits wichtige Vorentscheidungen über den Standort und über grundlegende Merkmale des geplanten Endlagers getroffen werden. 70 Bei dieser Streitfrage geht es nicht nur um die Reichweite des Planfeststellungsvorbehalts in § 7 b AtG, sondern auch um Fragen aus dem Problemkreis paralleler Genehmigungsverfahren. Wenngleich es im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich ist, auf die besondere verfahrensrechtliche Problematik des Endlagers Gorleben mit der notwendigen Gründlichkeit einzugehen, so sollen später doch einige allgemeine Aspekte dieses Einzelfalls aufgezeigt werden, deren Kenntnis zur Lösung der speziellen Probleme beitragen kann. 71

Vgl. bereits bei Fn. 14. Vgl. die Berichte ,.Bei Gorieben kann bald der Schachtbau beginnen" und ,.Gericht soll Endlager-Erkundung stoppen" in FAZ v. 6.9.1983, S. 6, u. v. 8.8.1984, S. 4, sowie den Bericht ,.Nur Nadelstiche" in: Der Spiegel, Nr. 39 v. 26.9.1983, S. 69 f.; Hoppe/ Bunse in DVB11984, 1033 (1035). 69 Vgl. Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle ; ders. in ET 1984, 629 ff.; Hoppe/Bunse in DVBI 1984, 103 3 ff. m.w.N. 70 Vgl. Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle. 71 Vgl. bes. Abschn. 3.1.2.4. u . 5.2 .2. 67 68

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1. Einführung

- Oberblick über den Gang der Arbeit Bevor im folgenden Kapitel der historische Hintergrund und der gegenwärtige Entwicklungsstand komplexer Genehmigungsverfahren beleuchtet wird und die in Betracht kommenden Leitziele der Verfahrensgestaltung diskutiert werden, soll an dieser Stelle bereits ein kurzer überblick über den weiteren Gang der Arbeit gegeben werden. Die Rechtsfragen paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren können nicht von den Sachproblemen der Verwaltungsorganisation und der Gestaltung der Entscheidungsprozesse in der Verwaltung getrennt werden. Der Zugriff auf die zugrundeliegenden Sachfragen setzt eine eingehende verwaltungswissenschaftliche Analyse voraus. Der verwaltungswissenschaftlichen Fundierung der rechtswissenschaftliehen Problembearbeitung dient die Analyse des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems in Kapitel 3. Das Kapitel beginnt mit einer kurzgefaßten rechtlichen Fallösung zum nuklearen Zwischenlager in Gorleben. Dieser politisch bedeutsame und rechtlich exemplarische Fall dient der Veranschaulichung und erlaubt die Rückbindung der allgemeinen Ausführungen an eine konkrete Fallgestaltung. Zugleich wird in einer Art Gesamtschau das Zusammenspiel der genehmigungsrechtlichen Regelungen verdeutlicht, welche das vorhabenbezogene Verfahrenssystem strukturieren. Nach der Erläuterung des systemtheoretischen Ansatzes und einiger organisations- und entscheidungstheoretischer Grundbegriffe werden die einzelnen Strukturelemente des Verfahrenssystems und ihre Funktionen untersucht. Einerseits zeigt das Verfahrenssystem vielfältige Formen der Aufgliederung und Ausdifferenzierung (z.B. gesonderte Prüfung im Hinblick auf verschiedene Schutzgüter, Beteiligung fachlich spezialisierter Verwaltungseinheiten, zeitliche Verfahrensstufung), andererseits kommen diverse Koordinationsinstrumente zur Anwendung. Gleichwohl verbleibt nicht selten ein Koordinationsdefizit. Die Dimensionen der "Aufgliederung" und "Koordination" bilden zugleich die Grundkategorien der Analyse. Das Kapitel 4 enthält nicht nur eine Bestandsaufnahme der Vorschriften zur Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung, sondern behandelt auch die zentralen Rechtsfragen konzentrierter Genehmigungsverfahren: Zu klären ist namentlich die Reichweite der Konzentrationswirkung, die Frage der Beachtlichkeit der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Rechtsvorschriften und die Art und Weise der Mitbeteiligung "verdrängter" Genehmigungsbehörden am konzentrierten Verfahren. Die grundlegenden Rechtsprobleme paralleler Genehmigungsverfahren finden ihre Erörterung im Kapitel 5. Der K~rn der Problematik besteht darin, eine rechtliche Zuordnung der parallelen Genehmigungsverfahren vorzuneh-

1. Einführung

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men, die die rechtliche Selbständigkeit paralleler Genehmigungszuständigkeiten beachtet und zugleich den - bei der Analyse hetvorgetretenen - Koordinationsbedürfnissen Rechnung trägt. Nach einer kritischen Würdigung der in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Lösungsansätze wird eine gleichsam in der Mitte zwischen der "Konzentration" und der "Separation" stehende Lösung entwickelt, die auf einer vorläufigen Gesamtprüfung unter Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden beruht. Die verwaltungswissenschaftlichen und die rechtsdogmatischen Teile der Arbeit bilden die Grundlage für die in Kapitel 6 anzustellenden rechtspolitischen Überlegungen. Dabei werden insbesondere die Möglichkeiten einer allgemeinen verfahrensrechtlichen Regelung paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren sowie Vor- und Nachteile einer Erweiterung fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften erörtert. Den Abschluß bildet eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in Kapitel 7.

2. Historische und politische Grundlagen 2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren 2.1.1. Ursprünge der Problematik und erste Lösungsansätze im 19. Jahrhundert Bereits vor über einem Jahrhundert sah sich die Rechts- und Verwaltungspraxis mit den Problemen des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten konfrontiert. Schon damals wurden- etwa beim Verkehrswegebau in Preußen - erste Ansätze zu einer Koordination und Konzentration paralleler Genehmigungsverfahren entwickelt. Zur damaligen Zeit wurde der Bau von Chausseen, Kanälen, Brücken und Eisenbahnen teilweise in erheblichem Umfang von nicht-staatlichen Trägern vorgenommen.' Diese mußten dafür einerseits polizeirechtliche Erlaubnisse, andererseits aber auch regalrechtliche Verleihungen einholen. 2 Dementsprechend bedurfte es z.B. in Preußen beim Bau von Brücken über schiffbare Gewässe nicht nur - wegen des Brückenregals - einer regalrechtlichen Genehmigung, sondern auch einer wasserpolizeiliehen und u.U. einer deichpolizeilichen und baupolizeiliehen Genehmigung. 3 Die Zuständigkeit zur Erteilung dieser Genehmigungen war vielfach auf verschiedene Behörden verteilt. Obwohl man damals schon die parallele Duchführung von Genehmigungsverfahren als eine schwierige und komplizierte Angelegenheit ansah, ließ man es, was die Brücken betraf, bei der Parallelität der Verfahren bewenden.4 Allerdings erleichterte man insofern die Koordination der parallelen Genehmigungsverfahren, als gemäß einer Verwaltungsanordnung sämtliche Genehmigungsanträge, die den Bau der Brücke betrafen, der Ministerialinstanz vorzulegen waren, welche dann ihrerseits eine einheitliche Steuerung der nachgeordneten Genehmigungsbehörden vornehmen konnte.5 Ggf. ließen I Vgl. 0 . Mayer, Dt. Verwaltungsrecht, Bd. 2, S. 246; Blümel, Die Bauplanfeststellung, Bd. l,S. 64,84m.w.N. 2 Zur Unterscheidung von Verleihungen und Polizeierlaubnissen im damaligen Rechtsverständnis vgl. 0. Mayer (Fn. 1), Bd. 1, § 22 (S. 239 ff.), Bd. 2, § 49 (S- 243); Lagenstein, Die Gewerbepolizeierlaubnis, S. l 01 f. 3 Vgl. Blümel (Fn. 1), S. 52 ff.; Borchard in RuPrVBI 50 (1929), 67. 4 Vgl. Borchard (Fn. 3), S. 68; Blümel (Fn. 1), S. 50 (Fn. 61), s_52 ff. s Vgl. Borc hard (Fn. 3), S. 67 Fn. 10, S. 69 ; Blümel (Fn. 1), s_ 53 f.

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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sich die parallelen Genehmigungen sogar in einer gemeinschaftlichen Genehmigungsurkunde zusammenfassen. 6

- Tendenzen zur Entscheidungskonzentration in Preußen und im Deutschen Reich Einen etwas anderen Verlauf nahm die Rechtsentwicklung dagegen beim Eisenbahnbau. Gemäߧ 4 des preuß. Eisenbahngesetzes v. 3.11.1838 7 unterlagen die Baupläne für Eisenbahnanlagen einer ministeriellen Prüfung und Genehmigung: "Die Genehmigung der Bahnlinie in ihrer vollständigen Durchführung durch alle Zwischenpunkte wird dem Handelsministerium vorbehalten, ebenso sind die Verhältnisse der Konstruktion, sowohl der Bahn als der anzuwendenden Fahrzeuge, an diese Genehmigung gebunden."

Obgleich diese Vorschrift ihrem Wortlaut nach eigentlich keine Anhaltspunkte für eine Konzentrationsregelung bot, ging man in der Verwaltungspraxis davon aus, daß die eisenbahnrechtliche Genehmigung andere Genehmigungen ersetzte ( z.B. solche wasserpolizeilicher oder baupolizeilicher Art). 8 Dementsprechend wurden bei Erteilung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung alle polizeilichen Interessen berücksichtigt. 9 Die Verwaltung gestaltete also das eisenbahnrechtliche Genehmigungsverfahren zu einem umfassenden und konzentrierten Verfahren aus und stützte sich dabei auf § 4 preuß. EisenbG als rechtliche Grundlage. 10 Die Rechtmäßigkeit dieser Verfahrensweise wurde alsbald von der Rechtsprechung anerkannt, 11 und auch die spätere Gesetzgebung ging von der Konzentrationswirkung der eisenbahnrechtlichen Genehmigung aus. 12 Aus dieser Gestaltung des Verfahrens, wie sie bei der eisenbahnrechtlichen Genehmigung in Preußen entstanden ist, ging die reichs-und bundesbahnrechtliche Planfeststellung in ihrer heutigen Form hervor. 13 Historisch gesehen läßt sich somit § 4 preuß. EisenbG nicht nur als Vorbild eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens, sondern auch als Vorläufer des Planfeststellungsverfahrens ansehen. Zu der Zeit, als die Konzentrationswirkung ins eisenbahnVgl. Borchard (Fn. 3), S. 68 f.; Blümel (Fn. 1), S. 54. GS S. 505. 8 Vgl. Blümel (Fn. 1 ), S. 89 ff. 9 Vgl. ebd., S. 90 (Fn. 41). IO Allerdings war die Konzentrationswirkung keineswegs allumfassend; so blieben insbesondere die Zuständigkeiten der örtlichen Baupolizei für Hochbauten unberührt, vgl. ebd. S. 92. 11 Vg!. ebd., S. 91 (bes. Fn. 45 m.N. zur Rspr. des PrOVG). 12 Vgl. ebd., S. 91, 93 ff. 13 Vgl. § 37 RBahnG vom 30.8.19 24 (RGBI. I1 S. 272) , § 36 Abs. I Satz 2 BBahnG vom 13.12.1951 (BGBI. S. 955) und die entsprechenden Iandesrecht!. Vorschriften (z.B. § 6 EisenbG BW). Vgl. auch Blümel (Fn. 1), S. 85, 124, 158 ff. 6 7

2. Historische und politische Grundlagen

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rechtliche Genehmigungsverfahren Eingang fand, war die rechtsdogmatische Unterscheidung zwischen "Genehmigung" und "Planfeststellung" noch unbekannt. Beide Begriffe wurden vielmehr in der Rechts- und Verwaltungssprache gleichbedeutend gebraucht. 14 Ob eine Anlage vor Baubeginn "genehmigt" wird oder ob der Bauplan für diese Anlage von einer Behörde verbindlich "festgestellt" wird - dies sind in der Tat zwei sprachliche Ausdrucksweisen, die keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied erkennen lassen. Mit der Zeit entwickelte sich allerdings, wie bereits ausgeführt, die Planfeststellung zu einem eigenständigen Rechtsinstitut. Im Zuge der sich beschleunigenden Industrialisierung in Deutschland in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die Errichtung gewerblicher Produktionsanlagen genehmigungsrechtlich zunehmend an Bedeutung und drängte den Verkehrswegebau etwas in den Hintergrund. Bei der Reichsgründung 18 71 fand die Genehmigung von gewerblichen Anlagen, die "erhebliche Nachteile, Gefahren und Belästigungen herbeiführen können", eine reichseinheitliche Regelung in den § § 16 ff. GewO. 15 Der Vollzug dieses Genehmigungsvorbehaltes für sog. "lästige Anlagen" oblag den Landesverwaltungen. Hierbei kam es in den einzelnen Ländern zu einer ähnlichen Entwicklung, wie sie bei § 4 preuß_ EisenbG bereits zuvor stattgefunden hatte. Die Genehmigungsbehörden legten nämlich der gewerberechtlichen Anlagengenehmigung eine weitreichende Konzentrationswirkung bei, obgleich hierfür kaum eine Stütze im Gesetz vorhanden war. Die gewerberechtliche Vorschrift, der die Konzentrationswirkung entnommen wurde, war § 18 Satz 1 und 2 GewO a.F. 16 und hatte folgenden Wortlaut: ,.Werden keine Einwendungen angebracht, so hat die Behörde zu prüfen, ob die Anlage erhebliche Gefahren, Nachteile oder Belästigungen für das Publikum herbeiführen könne. Aufgrund dieser Prüfung, welche sich zugleich auf die Beachtung der bestehenden bau-, feuer-und gesundheitspolizeilichen Vorschriften erstreckt, ist die Genehmigung zu versagen, oder, unter Festsetzung der sich als nötig ergebenden Bedingungen, zu erteilen."

Als kennzeichnend für die damalige Verwaltungspraxis kann eine hierzu ergangene Entschließung des württ. Ministers des Innern v. 2. November 1886 angesehen werden: 17 Vgl. Blümel (Fn. 1 ), S. 88. Die Gewerbeordnung für den Norddt. Bund v. 21.6.1869 (GBI. des Norddt. Bundes S. 245) galt zwar zunächst nur für die dem Norddt. Bund angehörenden Länder; nach der Reichsgründung wurde ihr Geltungsbereich jedoch schrittweise durch Einzelgesetze auf die übrigen Länder des Reiches ausgedehnt. Im bemerkenswerten Unterschied hierzu kam für den Eisenbahnbautrotz einer Kompetenzzuweisung an das Reich in Art. 8 Nr. 8 RVerf v. 18 71 erst mit dem RBahnG v. 30.8.1924 (RGBI. ll, S. 272) eine reichseinheitliche Regelung zustande (vgl. Blümel (Fn. 1), S. 158 f.). 16 s. Fn. 15 . 17 Abgedruckt bei Reger, Bd. 8 (1888), Nr. 2. 14 15

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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"Das gewerbepolizeiliche Verfahren hat sich nach § 18 der Gewerbeordnung auf die Würdigung aller das öffentliche Wohl berührenden Interessen ... zu erstrecken, und es ist nicht statthaft, das Verfahren, wie dies die Kreisregierung getan hat, in ein besonderes flußpolizeiliches und in ein besonderes gewerbe-und hochbaupolizeiliches Verfahren zu zerreißen. Die von der Kreisregierung angewandte Behandlungsweise erscheint um so weniger zulässig, als bei derselben nicht bloß die schließliehe Entscheidung über ein, wenn auch verschiedene polizeiliche Gebiete berührendes, so doch ein einheitliches Ganzes bildendes Unternehmen in unverträglicher Weise verzögert und den Beteiligten die Aufwendung doppelter Kosten und Sporteln 18 zur Notwendigkeit gemacht, sondern auch, soweit der Instanzenzug bzw. die Statthaftigkeit einer Rechtsbeschwerde für die einzelnen polizeilichen Gebiete verschieden normiert ist, die Möglichkeit widersprechender Entscheidungen der in oberster Instanz über die auseinandergerissenen Teile eines Gesuchs erkennenden Behörden geschaffen wird."

Die gewerberechtliche Vorschrift, aus der die Konzentrationswirkung hergeleitet wurde, erweiterte eigentlich nur den Prüfungsumfang bei Erteilung der Anlagengenehmigung über den eigentlichen gewerbepolizeilichen Bereich hinaus auf sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften. Aus einer solchen "öffnungsklausel", wie hier eine derartige Regelung genannt werden soll, folgt indessen noch nicht zwingend eine Erweiterung des Entscheidungsumfangs und damit eine Konzentrationswirkung gegenüber parallelen Genehmigungen. So war z.B. damals auch bei der Baugenehmigung anerkannt, daß sich die Prüfungspflicht der Baugenehmigungsbehörde auf alle für das Vorhaben in Betracht kommenden polizeilichen Gesichtspunkte erstreckte, ohne daß daraus eine Konzentrationswirkung der Baugenehmigung gefolgert wurde.19 Angesichts der grundlegenden Unterscheidung zwischen Prüfungspflicht und Entscheidungsinhalt, wie sie gerade auch in dem klassischen Fall der Baugenehmigung anerkannt war, hätte es an sich nahegelegen, § 18 Satz 2 GewO so auszulegen, daß die Zuständigkeit parallel zuständiger Genehmigungsbehörden unberührt geblieben wäre. 20 Statt dessen kamen die Gerichte und namentlich das preuß. Oberverwaltungsgericht den Konzentrationsbestrebungen der Verwaltung entgegen und entnahmen § 18 Satz 2 GewO nicht nur eine Erweiterung der Prüfungspflicht, sondern auch eine Erweiterung der Entscheidungsbefugnis in Verbindung mit einer Konzentrationswirkung. 21 Bei der Novellierung der Gewerbeordnung D.h. Gebühren. Vgl. PrOVG, Urt. v. 19.10.1879, E 5, 376 (379), Urt. v. 7.4.1897, E 32,338 (339), Urt. v. 28.2.1898, E 33,414 (421); Ackermann, Der Baukonsens, S. 57 f. m.w.N. 20 So hätte man etwa aus§ 18 Satz 2 GewO die bloße Befugnis der Gewerbepolizeibehörde herauslesen können, die Erteilung der gewerberechtlichen Anlagengenehmigung davon abhängig zu machen, daß parallel erforderliche Genehmigungen, insbesondere die Baugenehmigung, vorliegen. Zu dieser Konsequenz vgl. z.B. Borchard in RuPrVBl 50 (1929), 68 und zuletzt noch BVerwG, Urt. vom 15.3.67, E 26, 287 (288 f.) zur Bauge· nehmigung. 21 Vgl. PrOVG, Entsch. vom 23.9.1899, PrVBI. 21 (1900), 268 f., Urt. vom 23.6.1900, E 3 7, 3 09 (31 2); Ackermann (Fn. 19), S. 129; v. Landmann, GewO 6. Aufl. 1911, S. 189 f. m. w .N. Nach J arass (Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 99) lag insoweit eine freie Rechtsfortbildung durch die Rechtsprechung vor. 18

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2. Historische und politische Grundlagen

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im Jahre 1900 nahm schließlich auch der Gesetzgeber die Konzentrationswirkung in seinen Willen auf. 22 Diese Legitimierung der Konzentrationswirkung, die der gewerberechtlichen Anlagengenehmigung von der Verwaltung beigelegt worden war, ist um so bemerkenswerter, als dadurch die allgemeine Zuständigkeitsordnung der Länder für die Bauaufsicht, wenn nicht durchbrochen, so doch erheblich modifiziert wurde. Nur die Tatsache, daß für die Erteilung sowohl der gewerberechtlichen Anlagengenehmigung als auch der Baugenehmigung Länderbehörden zuständig waren, minderte etwas die kompetenzrechtliche Brisanz dieser reichsrechtlichen Konzentrationsregelung. 23 Auch unter der Geltung des Grundgesetzes hat die Rechtsprechung die überkommene Auslegung der§§ 16 ff. Gewü a.F. fortgeführt. 24 Der Bundesgesetzgeber hat beim Erlaß des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, das die § § 16 ff. GewO a.F. ablöste, die alte Rechtslage im wesentlichen übernommen, wobei er sich über kompetenzrechtliche Zweifel hinwegsetzte. 25 Er hat nunmehr allerdings - systematisch korrekt - zwischen der Erweiterung der Prüfungspflicht (§ 6 Nr. 2 BimSchG) und der Konzentrationswirkung (§ 13 BimSchG) unterschieden. 26

-Ansätze zur Koordination paralleler Verfahren Wenngleich nur ganz bestimmte Arten von Anlagen dem Genehmigungsvorbehalt des § 16 Gewü a.F. unterfielen, so befanden sich darunter doch die wichtigsten industriellen Anlagen, für die somit ein konzentriertes GenehVgl. Baltz, Preuß. Baupolizeirecht, S. 32 f. (Anm. 9) . Vielleicht kam die extensive Auslegung der Reichsgesetzgebungskompetenz für ,.Be· stimmungenüber den Gewerbebetrieb" (Art. 4 Nr. 1 RVerf 18 71) auch damaligen unitari· sehen Tendenzen entgegen. Zur kompetenzrechtlichen Problematik im Bundesstaat vgl. Fröhler , in: Landmann/Rohmer, Gewü, 12. Aufl. 19 69 , § 18 Rn. 16 sowie im einzelnen Abschn. 6.4.1. Bei der Auslegung des § 4 preuß. EisenbG im Einheitsstaat Preußen hatten sich solche Kompetenzprobleme noch nicht gestellt. 24 Vgl. BGH, Urt. v. 4.5.1959, DVBI 1959,814 (815); VGH München, Urt. v. 29.11. 1963, GewArch 1964, 6; BVerwG, Urt. v. 29.3.1966, E 24, 23 (28); Fröhler (Fn. 23), § 18 Rn. 12 ff. 25 Im Gesetzgebungsverfahren hatte der Innenausschuß des BR erhebliche verfassungs· recht!. und verwaltungspolitische Bedenken gegen die in § 13 BimSchG enthaltene bun· desrechtl. Konzentrationsregelung vorgebracht. Die Mehrheit des BR folgte jedoch dem Votum des Wirtschaftsausschusses, der sich aus Gründen der Praktikabilitä t für die Beibe· haltung der für die§§ 16ff. Gewü anerkannten Grundsätze ausgesprochen hatte. Vgl. BR-Drucks. 437 / 1/71 Nr.12 (S.11 f.) und den Bericht über die 371. Sitzung vom 1.10. 1971 (Verhandlungen des BR, Stenographische Berichte 1971, S. 267). 26 Die Differenzierung zwischen der Erweiterung der Prüfungspflicht durch die öff. nungsklausel in § 6 Nr. 2 BimSchG und der Konzentrationswirkung gern. § 13 BimSchG hat auch insofern Bedeutung, als die Einschränkungen, die der Konzentrationsgrundsatz in § 13 Satz 1 Halbs. 2 und Satz 2 BlmSchG erfährt (und die zum Teil auch schon bei § 18 Gewü a.F. so gehandhabt wurden, vgl. Fröhler (Fn. 23), § 23 Rn. 5), in§ 6 Nr. 2 BimSchG keine Entsprechung finden. 22 23

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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migungsverfahren durchgeführt werden konnte. Für andere bauliche Anlagen, insbesondere solche nicht-gewerblicher Art, waren dagegen recht häufig parallele Genehmigungen nebeneinander erforderlich. Das Erfordernis weiterer Genehmigungen neben der eigentlichen Baugenehmigung konnte sich z.B. aus dem Ansiedlungsrecht, dem Feld- und Forstpolizeirecht, dem Wasserrecht, dem Deichpolizeirecht oder dem Recht der Landesverteidigung ergeben. Dabei stellten sich Probleme der verwaltungsmäßigen Handhabung und der rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren. Für bestimmte Fälle des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten fand das Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander eine ausdrückliche gesetzliche Regelung. So war nicht selten vorgeschrieben, daß für ein Vorhaben eine Baugenehmigung erst erteilt werden durfte, wenn eine bestimmte parallele Genehmigung vorlag. Derartige Regelungen fanden sich etwa in § 13 Abs. 1 Satz 2 preuß. Ansiedlungsgesetz v. 25.8.1876, 27 in § 47 Satz 2 preuß. Feld- und Forstpolizeigesetz vom 1.4.1880 28 und in§ 133 bad. LBO v. 1.4.1907. 29 Den genannten Grundsatz brachte auch ein Vollzugserlaß des Badischen Innenministeriums vom 11. Januar 1909 zur Geltung: 30 ,.Es ist mehrfach als Übelstand empfunden worden, daß die baupolizeiliche Genehmigung zur Errichtung von Kesselhäusern erteilt wurde, bevor die Genehmigung zur Anlegung der Dampfkessel selbst erwirkt war. Die an die Beschaffenheit und den Bau von Kesselhäusern zu stellenden Anforderungen werden nur dann richtig erfüllt werden kö nnen, wenn neben den vom baupolizeiliehen Standpunkt aus zu stellenden Forderungen auch den vom Dampfkesselaufsichtsbeamten im Interesse eines geordneten und sicheren Betriebs für erforderlich erachteten Bedingungen genügt wird. Es ist deshalb die baupolizeiliche Genehmigung zur Errichtung eines Kesselhauses erst gleichzeitig mit der Genehmigung zur Anlegung des Kessels zu erteilen."

Zu diesem Vollzugserlaß ist anzumerken, daß nach der damals vorherrschenden Auffassung auch die Genehmigung zur Anlegung von Dampfkesseln (§ 24 Abs . 1 GewO) eine Konzentrationswirkung gegenüber der Baugenehmi27 § 13 Abs. 1 des Gesetzes ,.betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücksteilungen und die Gründung neuer Ansiedlungen" v. 25.8.1876 (GS S. 405) lautete wie folgt: ,.Wer außerhalb einer im Zusammenhange gebauten Ortschaft ein Wohnhaus errichten will, bedarf einer von der Ortspolizeibehörde zu erteilenden Ansiedlungsgenehmigung. Vor deren Aushändigung darf die polizeilich e Bauerlaubnis nicht erteilt werden." Vgl. dazu Ackermann (Fn. 19) , S. 123 ff.; Baltz (Fn. 22), S. 127. Heute ist die Frage der Bebaubarkeit von Außenbereichsgrundstücken im Rahmen des bauordnungsrechtl. Genehmigungsverfahrens zu prüfen (vgl. § 29 i.V.m. §§ 35, 36 BBauG/BauGB). 28 GS S. 230. Auch Feuerstätten, die sich in Geb äuden befanden, waren nach diesem Gesetz u.U. genehmigungspflichllg. Vgl. Ackermann (Fn. 19), S. 126 f.; Baltz (Fn. 22), S. 146. Vgl. heute z.B. § 41 LWaldG BW. 29 GVBI. S. 385. So waren insbesondere wasserpolizeiliche Genehmigungen vor der Baugenehmigung zu erteilen(§ 133 Ab s. 2). Eine ähnliche Regelung galt gern. § 133 Abs. 1 hinsichtlich der gewerberechtl. Erlaubnisse für Privatkrankenhäuser, Gast- und Schankwirtschaften und Veranstaltungsgebäude (vgl. Bad.VGH, Entsch. v. 26.2.1909, Bad.Rechtspraxis 1909,118). 30 Vollzugserlaß Nr. 1921, abgedruckt bei Roth , Bad.LBO, § 133 Anm. 1.

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2. Historische und politische Grundlagen

gung entfaltete, da nämlich § 24 Abs. 2 Satz 1 GewO - ähnlich wie § 18 Satz 2 GewO - die Zulässigkeitsprüfung auf die bestehenden bau-, feuer- und gesundheitspolizeilichen Vorschriften erstreckte. 31 Diese Konzentrationswirkung konnte jedoch in räumlich-gegenständlicher Hinsicht nur so weit gehen, wie die Anlage einer Dampfkessel-Genehmigung bedurfte. Daher entfiel zwar eine gesonderte Baugenehmigung für den Dampfkessel selbst, nicht jedoch für das Kesselhaus, da dieses damals - anders als heute- offenbar nicht zur "Dampfkesselanlage" gerechnet und demnach auch nicht in das Dampfkessel-Genehmigungsverfahren einbezogen wurde. 32 Für die Gesamtanlage waren somit eine Dampfkesselgenehmigung und eine Baugenehmigung nebeneinander erforderlich. Nach einer verbreiteten Rechtsauffassung durfte die Baugenehmigung auch dann, wenn nicht ausdrücklich durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift eine dahingehende Regelung getroffen worden war, grundsätzlich erst erteilt werden, wenn etwaige parallele Genehmigungen vorlagen bzw. gleichzeitig mit der Baugenehmigung erteilt werden konnten. 33 Diese Auffassung konnte darauf gestützt werden, daß die Baugenehmigung die Erklärung beinhaltete, daß das Bauvorhaben mit den geltenden Bestimmungen des öffentlichen Rechts im Einklang stehe. Schon damals war anerkannt, daß sich die Prüfungspflicht der Baugenehmigungsbehörde nicht auf baupolizeiliche Gesichtspunkte beschränkt, sondern sich grundsätzlich auf alle Gesichtspunkte polizeilicher Art erstreckt. 34 Wenngleich über die Reichweite dieser erweiterten Prüfungspflicht gewisse Unsicherheiten bestanden, so erschien es doch im Hinblick auf den allgemeinen Grundsatz, daß die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung als solche bereits ein polizeiliches Schutzgut darstellt, durchaus folgerichtig, die Prüfungspflicht so weit zu fassen, daß die Baugenehmigungsbehörde die Vereinbarkeit des Vorhabens mit sämtlichen öffentlichrechtlichen Vorschriften nachprüfen mußte. 35 Das Problem der Koordination paralleler Genehmigungsverfahren war allerdings mit der Festlegung einer bestimmten Reihenfolge, in der die paral31 Vgl. Baltz (Fn. 22), S. 38, Anm. 25 f. Heute ist diese Konzentrationswirkung ausdrücklich geregelt , vgl. §50 Abs. 3 Satz 1 und 2 LBO BW, § 61 Abs. 2 MBO '81. 32 Vgl. heute § 2 Abs. 4 Nr. 9 DampfkV bezüglich des "Kesselaufstellungsraumes". Damit ist aber auch heute die Problematik noch nicht gelöst, vgl. speziell zur Dampfkesselerlaubnis Schmölling/Mäder in Gew Arch 19 77, 110 ff. 33 Vgl. Ackermann (Fn. 19), S. 127 ff.; Borchard in RuPrVB150 (1929), 67 (68). Diese Auffassung war auch in der älteren Rspr. und Literatur zum Baurecht nach 1945 vorherrschend. Vgl. BVerwG, Urt. v. 15.3.1967, E 26,287 (288f.);EinführungindieMBO, Teil B, S. 130 (hrsg. vom Bundesminister für Wohnungsbau). 34 Vgl. PrOVG, Urt. v. 19.10.1879, E 5, 376 (379), Urt. v. 7.4.1897, E 32,338 (339), Urt. v. 28.2.1898 , E 33, 414 (421); Ackermann (Fn. 19(, S. 54; Baltz (Fn. 22), S. 100, 112 sowie § 31 Abs. 3 Satz 1 Bad.LBO v. 1.9.1907: "Bei der Prüfung sind alle für das Bauvorhaben in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen, insbesondere ... ". Vgl. heute z.B. §59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW, § 69 Abs. 1 Satz 1 MBO '81. 35 Vgl. Ackermann (Fn. 19), S. 57 f.; Roth, Bad.LBO, S. 58 f.

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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lelen Genehmigungen zu erteilen waren, noch nicht gelöst. Dadurch wurde es zwar möglich, die jeweils spätere an eine zuvor bereits getroffene Genehmigungsentscheidung anzupassen. Wenn in einer vorweg erteilten Genehmigung jedoch keine Rücksicht auf die im nachfolgenden Genehmigungsverfahren zu prüfenden Gesichtspunkte genommen worden war, bestand die Gefahr einer unsachgemäßen "Präformierung" der nachfolgenden Genehmigungsentscheidung. Dieser Gefahr ließ sich vorbeugen, wenn die zur späteren Entscheidung berufene Genehmigungsbehörde am vorangehenden Genehmigungsverfahren beteiligt wurde und Gelegenheit hatte, ihre Vorstellungen in das Verfahren einzubringen. Dementsprechend wurden schon frühzeit verfahrensmäßige Vorkehrungen getroffen, um eine wechselseitige Abstimmung zwischen den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden zu gewährleisten. Insbesondere wurde eine Verfahrensgestaltung entwickelt, bei der parallel zuständige Genehmigungsbehörden zunächst jeweils für ihren Bereich die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens prüften, dann das Ergebnis der vorläufigen Prüfung einander mitteilten und daraufhin erst endgültig über die Genehmigung entscheiden durften. Eine solche Verfahrensweise war z.B. für das Verhältnis der Baugenehmigung zu der für Vorhaben in der Nähe militärischer Anlagen erforderlichen Genehmigung nach dem Reichsrayongesetz vom 21.12.1871 vorgeschrieben: 36 ,.Die Baupolizeibehörde prüft also zuerst das Gesuch auf die polizeiliche Zulässigkeit unf gibt es dann an die Militärbehörde zur Prüfung der militärischen Zulässigkeit weiter, die dann ihrerseits gegebenenfalls die militärbehördliche Anbaugenehmigung erteilt und sodann das eingereichte Gesuch der Baupolizeibehörde zur nunmehrigen endgültigen Erledigung zurückgibt". 37

Die Koordination paralleler Genehmigungsverfahren wurde auch dadurch erleichtert, daß es alsbald zur Regel wurde, daß die Baugenehmigungsbehörde diejenigen Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich durch das zu genehmigende Vorhaben berührt wurde, am Genehmigungsverfahren beteiligte.38

-Fazit Wenngleich hier kein vollständiges Bild der Genehmigungspraxis in der 2. Hälfte des 19.Jahrhunderts entworfen werden konnte, so dürfte der Rückblick doch deutlich gemacht haben, daß die Anfänge der heute aktuellen Problematik paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren weit ins vori36 Vgl. §§ 13 ff., 26 ff. und besonders§ 27 des Gesetzes "betreffend die Beschränkungen des Grundeigentums in der Umgebung von Festungen" vom 21.12.1871 (RGBI. S. 459). Vgl. heute§ 3 SchutzBerG. In ähnlichem Sinne ist wohl auch§ 133 Abs.l Bad.LBO v. 1.9.1907 zu verstehen (vgl. Fn. 29) . 37 So Ackermann (Fn. 19) , S. 128. 38 Vgl. § 131 Abs. 3 Satz 2 Bad.LBO v. 1.9.1907 sowie Ackermann (Fn. 19), S. 151 f. Vgl. heute § 55 Abs. I LBO BW.

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2. Historische und politische Grundlagen

ge Jahrhundert zurückreichen. Damals schon mußte sich die Rechts- und Verwaltungspraxis mit den Ursachen und Folgen des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten auseinandersetzen, wobei sich zwei Lösungsansätze abzeichneten: Einerseits die Konzentration und andererseits die Koordination paralleler Genehmigungsverfahren. Während man beim Verkehrswegebau und bei den sog. "lästigen Anlagen" nach § § 16 ff. Gewü a.F. der Entscheidungskonzentration den Vorzug gab , bemühte man sich im übrigen um eine Koordination der parallelen Verfahren. Diese Koordination konnte verfahrensmäßig zum einen darin bestehen, daß eine vorgesetzte Stelle die Verfahren steuerte (hierarchische Koordination), zum anderen auch darin, daß sich die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden untereinander abstimmten (horizontale Koordination). Der inhaltliche Ansatz zur Koordination ergab sich daraus, daß Genehmigungsbehörden das gesamte öffentliche Recht als Prüfungsmaßstab heranziehen mußten und damit auch auf parallele Genehmigungsbereiche verwiesen wurden. 2.1.2. Wandel der Rahmenbedingungen Wenngleich sich bereits im 19.Jahrhundert beim Verkehrswegebau und bei der Errichtung von Industrieanlagen parallele und konzentrierte Genehmigungsverfahren herausbildeten, so waren die damit verbundenen Probleme noch vergleichsweise einfach und überschaubar. Mittlerweile haben die Probleme ganz andere Dimensionen erreicht. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben immer komplexere Entscheidungen zu treffen sind. Die gestiegene Entscheidungskomplexität ist auf die veränderten Rahmenbedingungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zurückzuführen. Im Verlauf der letzten hundert Jahre hat sich die Beschaffenheit der Vorhaben, die in Genehmigungsverfahren zu beurteilen sind, ebenso geändert wie die Umweltsituation, in die diese Vorhaben hineingestellt sind. Auch die Maßstäbe, nach denen umweltrelevante Vorhaben zu beurteilen sind, haben sich gewandelt. Entsprechendes gilt für die organisatorischen und verfahrensmäßigen Entscheidungsbedingungen. Nicht zuletzt haben sich auch Veränderungen des politischen Systems, die die Stellung und das Selbstverständnis der öffentlichen Verwaltung modifiziert haben, auf Genehmigungsverfahren ausgewirkt. Im folgenden sollen einige dieser Aspekte etwas näher beleuchtet werden. Im Zuge des wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fortschritts kam es immer wieder zur Entwicklung neuartiger Anlagen, die durch ihre technische Komplexität und ihren Umfang neue Maßstäbe setzten. Auch entstanden Anlagen, von denen Gefährdungen ganz neuer Art ausgingen, z.B. durch ionisierende Strahlen. Die eigene Sachkenntnis der Genehmigungsbe-

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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hörden reichte zur Beurteilung derartiger Anlagen häufig nicht mehr aus; auch für Experten sind hochtechnisierte Anlagen heutzutage oft nicht mehr im Ganzen, sondern nur noch partiell durchschaubar. Nicht weniger deutlich sind die Veränderungen bei den Umweltbedingungen. Dies gilt namentlich für die Verbreitung von Schadstoffen in der Umwelt, die Verknappung der natürlichen Ressourcen, die Nutzungsintensivierung bei hoher Siedlungsdichte und nicht zuletzt für die Gefährdung des ökologischen Gleichgewichts. So kam es nach dem zweiten Weltkrieg zu einer weiteren Verengung des Lebensraumes, was zu Überschneidungen konkurrierender Nutzungsansprüche und zu häufigen Konfliktlagen zwischen unterschiedlichen Nutzungen im Raum führte. 1 Mit der Zeit traten auch die Folgelasten des schnellen Wiederaufbaus nach dem Kriege, der allgemeinen Modernisierung und des ungezügelten Wachstums in denJahrender Hochkonjunktur deutlich zutage. In den letzten Jahren wurde teilweise in dramatischer Weise deutlich, daß die Grenzen der Belastbarkeit der Umwelt auf vielen Gebieten erreicht oder gar schon überschritten worden sind. Damit steigen auch die Anforderungen an die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben, ohne daß die Genehmigungspraxis damit Schritt halten konnte. So wurde alsbald ein erhebliches "Vollzugsdefizit" im Umweltschutz festgestellt, während von anderer Seite aber auch die investitionshemmende Wirkung der Genehmigungspraxis beklagt wurde. Die Umweltschutzverwaltung geriet dabei zunehmend in ein Dilemma: Nachdem der moderne "Leistungsstaat" Verantwortung für das wirtschaftliche Wohlergehen übernommen hatte, mußte ihm einerseitsdarangelegen sein, günstige Bedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten zu schaffen und Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen, andererseits stand er aber auch in der Pflicht, für die Erhaltung der natürlichen und kulturellen Lebensgrundlagen Sorge zu tragen.2 Angesichts dieser Situation kann es nicht verwundern, daß Genehmigungsverfahren immer mehr auf das Interesse der Öffentlichkeit stießen und politische Brisanz erlangten. Die Sensibilität der Bevölkerung für Gefährdungen der Umwelt und der menschlichen Gesundheit nahm in den letzten Jahren sprunghaft zu. Der moderne Fortschrittsglaube wurde nachhaltig erschüttert, und es setzte eine Rückbesinnung auf das dem Menschen zuträgliche Maß an 1 Die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland ist inzwischen nahezu vollständig in irgendeiner Weise genutzt: Neben den knapp 1% an Naturschutzgebieten bleiben gerade noch etwa 2% an ungenutzten "Restflächen". 2 Unabhängig von der gegenwärtigen Diskussion um eine verfassungsrechtl. Verankerung der Staatsaufgabe Umweltschutz ergeben sich bereits aus den bestehenden Grundrechten positive Schutzpflichten des Staates, namentlich zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 Mülheim-Kärlich -, E 53, 30 (57 ff.); Breuer, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, s. 656 ff., 663.

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Veränderungen ein. An die Stelle der spontanen Bereitschaft, die oft noch nicht abschätzbaren Risiken des weiteren technischen und zivilisatorischen Fortschritts auf sich zu nehmen, 3 trat eine verbreitete Skepsis gegenüber Veränderungen der natürlichen Umwelt und der von Menschen in Generationen geschaffenen Lebenswelt. Mit der vermehrten Bildung von Bürgerinitiativen zu Beginn der 70er Jahre wurden einzelne umweltrelevante Vorhaben immer häufiger zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. 4 Politische Konflikte nahmen von dort ihren Ausgang und wurden nicht selten auf die Spitze getrieben. 5 Zu dieser Entwicklung trug ganz wesentlich die Tendenz zum Großanlagenbau bei, die noch heute anhält. 6 Einzelne Großvorhaben sind heutzutage mit so weitreichenden und irreversiblen Folgen verbunden, daß sie die Bedeutung schlichter "Einzelfälle", die die Verwaltung herkömmlicherweise zu entscheiden hat, bei weitem übersteigen. 7 Bei der Beurteilung umweltrelevanter Vorhaben spiegeln sich meist die allgemeinen politischen Konfliktlinien konkret und anschaulich wider. Auch läßt sich allgemein feststellen, daß sich das politische Interesse immer mehr von der programmatischen Ebene abgewandt und den konkreten Einzelentscheidungen zugewandt hat, bei denen politische Zielkonflikte im Einzelfall klar entschieden werden müssen und nicht mehr mit harmonisierenden politischen Formeln zugedeckt werden können. 8 Daneben ist auch der institutionelle Wandel hervorzuheben. Nachdem die Verwaltung in Deutschland bei allen politischen Umwälzungen dieses Jahrhunderts eine gewisse Kontinuität wahren und auch nach dem Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik einen Teil ihrer monarchisch-obrigkeitsstaatlichen Tradition hatte beibehalten können, 9 wurde sie in der Bundesre-

3 Zum sog. "Restrisiko " jenseits der Schwelle "praktischer Vernunft", das als sozialadäquate Last von allen Bürgern zu tragen ist, vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978- Kaikar -, E 49,89 (137 ff., 143); Breuer (Fn. 3), S. 657. 4 Vgl. Guggenberger/Kempf, Bürgerinitiativen und repräsentatives System, S. 7 ff.; Guggenberger, ebd., S. 18 ff. (bes. S. 26, 42 f.); Kempf, ebd., S. 358 ff. (bes. S. 361, 368). s Man denke nur an die Auseinandersetzungen um das Kernkraftwerk Brokdorf und die Startbahn-West in Frankfurt. 6 So istjüngst vor allem die von der DWK geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Kernbrennstoffe zu einem Politikum geworden. Man rechnet mit einem gesamten Investitionsvolumen von 6- 8 Mrd. DM. Vgl. die Berichte "Wird die deutsche Wiederaufarbeitung zu teuer?" und "Die Standort-Entscheidung zur Wiederaufarbeitung fällt erst im Februar" in FAZ v. 23.8 .1983 S. 10 u.v. 12.12.1984. 7 Zurückhaltend allerdings BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978, E 49, 89 (130 ff.) zum Schnellen Brüter bei Kaikar (vgl. dagegen die Ausführungen des vorlegenden Gerichts und des Klägers im Ausgangsverfahren, ebd., S. 95 ff., 116). 8 Zur "Verschiebung der ,eigentlichen' p olitischen Entscheidung vom Allgemeinen und Abstrakten auf die besonderen und konkreten Konfliktsfälle" vgl. bereits Grauhan in PVS 10 (1969), 269 (276f.). 9 Vgl. Ellwein, Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, S. 348 ff.

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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publik immer stärker in das demokratische politische System eingebunden und zunehmend politischen Einflüssen ausgesetzt. In den 70er Jahren wurde das herkömmliche Bild einer scheinbar unpolitischen, die "sachgerechte" Wahrnehmung des Gemeinwohls verkörpernden Verwaltung10 in Frage gestellt. Das Eigengewicht und die Eigenmacht der "Bürokratie" stieß zunehmend auf Kritik und wurde zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung und politischer Diskussion. 11 Die Vorstellung von der öffentlichen Verwaltung als bloßem "Vollzugsinstrument" der politischen Führung wurde als soziologisch unzutreffend erkannt. Die Erkenntnis, daß auch bei rechtlich gebundenem Verwaltungshandeln faktische Entscheidungsspielräume bestehen, drang verstärkt ins Bewußtsein.12 Dementsprechend wurde nach Möglichkeiten gesucht, die politische Führung gegenüber der Verwaltung zu stärken und die der Verwaltung vorgegebenen Programme wirksamer zu machen. 13 Auch in der direkten Offnung der Verwaltung gegenüber dem Bürger bzw. gegenüber äußeren politischen Einflüssen wurde eine Möglichkeit gesehen, die Verwaltung näher an das politische Leben heranzuführen und ihrer Verselbständigung entgegenzuwirken. In diesem Zusammenhang sind Bemühungen zu einer Verstärkung der "Bürgemähe" bzw. der "Basisorientiertheit" der Verwaltung 14 und Bestrebungen zu einer Ausweitung der "Partizipation" an Verwaltungsentscheidungen 15 zu erwähnen, die gerade auch bei Genehmigungsverfahren ansetzten. Von den Veränderungen der ökologischen, technologischen, wirtschaftlichen und politischen Bedingungen bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben wurde auch die Entwicklung des Genehmigungsrechts und der Genehmigungspraxis beeinflußt. Viele der Neuerungen und Erweiterungen, die auf dem Gebiet der rechtlichen Ordnung und verwaltungsmäßigen Handhabung von Genehmigungsverfahren zu verzeichnen sind, sind auf die veränderten Rahmenbedingungen zurückzuführen. 10 Dieses Bild findet sich z.B. noch ausgeprägt bei W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, z.B. S. 96, 98. II Vgl. Buse, Einführung in die politische Verwaltung, 1975. Vgl. auch Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 64 ff.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 214 ff. 12 Vgl. z.B. Schenke in VBlBW 1982, 313 (315). Vgl. auch Lenk, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 255: ,.Was als notwendiges Konstrukt für die Verteilung der Letztverantwortlichkeit zwischen Verwaltung und verwaltungsgerichtlicher Kontrolle seinen guten Sinn hat, wird zum empirischen Vorurteil." 13 Dieser Ansatz wurde insbesondere von der Implementationsforschung aufgegriffen und weitergeführt. Vgl. Mayntz, in: Die Verwaltung, 1977, 51 ff.; Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 291 ff.; Wollmann, in: ders., Politik im Dickicht der Büro· kratie, S. 9 ff. 14 Vgl. rückblickend Grunow, in: J.J. Hesse, Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft, S. 23 7 ff. 15 Vgl. Schmitt Glaeser in VVDStRL 31 (1973), 179 ff. ; Schmidt in VVDStRL 33 (1975 ), 183 ff.; Bartlsperger, ebd., S. 221 ff.

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2. Historische und politische Grundlagen

Das Genehmigungsrecht wurde, der Vielgestaltigkeit der Vorhaben und Gefahrenlagen entsprechend, erweitert und weiter ausdifferenziert. 16 Es wurden neue Fachgesetze erlassen (z.B. das Bundes-Immissionsschutzgesetz v. 15.3.1974) und es bildete sich das Umweltschutzrecht als eigenes Rechtsgebiet heraus. 17 Das Verwaltungsinstrument der Genehmigung wurde auf neuartige Vorhaben angewendet (z.B. Kernkraftwerke, Brennelementfabriken, atomare Zwischen- und Endlager, Wiederaufbereitungsanlagen) 18 und für neu erkannte Schutzgüter eingeführt (z.B. "Biotope"). 19 Als ein Mittel, die gesteigerte Komplexität der Genehmigungsaufgaben zu bewältigen, bot sich insbesondere die Einführung einer oder mehrerer Planungsebenen an. Im Wege der Planung können knappe Ressourcen verteilt, konkurrierende Nutzungsansprüche ausgeglichen und verschiedene Raumund Bodennutzungen einander zugeordnet werden. Im Planungsprozeß können auch anfallende Konflikte ausgetragen und "politisch" bewältigt werden. Die planerischen Vorgaben reduzieren die Komplexität der Entscheidungen über die Genehmigung von Einzelvorhaben. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Bauleitplanung zu. So soll in dem vom Gesetzgeber intendierten Regelfall ein qualifizierter Bebauungsplan gern. § 30 BBauG/BauGB vorliegen, nach dem sich dann die Zulässigkeit einzelner Bauvorhaben richtet. Aber auch eine vorgeschaltete Planungsstufe vermag nichts daran zu ändern, daß die Genehmigung eines Vorhabens in ein kompliziertes Interessengeflecht eingreift und regelmäßig rechtlich geschützte Interessen Dritter, insbesondere der Nachbarn, berührt. Dementsprechend wurde der Rechtscharakter von Genehmigungen als Verwaltungsakt mit Drittwirkung anerkannt und rechtsdogmatisch weiter ausgeformt. 20 Dies ist im Zusammenhang zu sehen mit dem Ausbau des subjektiven verwaltungsgerichtlichen Rechtsschut· zes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG, § 40 VwGO). Diese Entwicklung schlug sich auch im Verfahrensrecht nieder, entsprechend der Erkenntnis, daß ein vorgezogener subjektiver Rechtsschutz bereits im Verwaltungsverfahren zu gewährleisten ist. So wurden die Beteiligungsrechte Drittbetroffener im Genehmigungsverfahren erweitert (vgl. nur § 28 VwVfG); nicht selten wurden sogar formalisierte Verfahren zur Bürger- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung mit Anhörungs- und Erörterungsterminen vorge· sehen. 21 16 Schenke {Fn. 12), S. 314 führt die Ausdehnung der Genehmigungspflichten nament· lieh auf das an Breite und Intensität zunehmende Gefahrenpotential zurück. 17 Vgl. Breuer, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 665 ff. 18 Vgl. §§ 7, 9, 9 b AtG. Es fällt auf, daß gerade Genehmigungsverfahren für solche neuartigen Vorhaben häufig Rechtsprobleme aufwerfen und Konflikte erzeugen. 19 Vgl. z.B. § 16 NatSchG BW sowie neuerdings§ 20 c BNatSchG. 20 Zur drittbelastenden Wirkung von Genehmigungen und allgemein zu "mehrpoligen Verwaltungsverhältnissen" bei der "verteilenden Verwaltung" vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 21 ff.

2 .1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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Schließlich kam es auch, worauf bereits hingewiesen wurde, zu einer internen Ausdifferenzierung von Genehmigungsverfahren: Es wurde üblich, Genehmigungen für Großvorhaben abschnittsweise in gestuften Genehmigungsverfahren zu erteilen. 22 Gerade bei Genehmigungsverfahren für Großvorhaben nahm auch die Zahl mitbeteiligter Verwaltungseinheiten in starkem Maße zu. Außerdem wurden mit steigender Tendenz private Sachverständige bzw. Sachverständigenorganisationen (z.B. TÜV) bei Genehmigungsverfahren hinzugezogen. 2.1.3. Bestrebungen zur Stärkung der Konzentration Trotz der aufgezeigten Veränderungen im Bereich der Genehmigungsverwaltung hat sich bei der Behandlung paralleler und konzentrierter Genehmigungsverfahren in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ebenso wie in der Rechts- und Verwaltungswissenschaft nicht allzuviel geändert. Der schon im vorigen Jahrhundert eingeschlagene Weg der Konzentration ist ein Stück weiter beschritten worden. Ansonsten finden sich kaum neue Lösungen. Damals wie heute scheint die Ideallösung darin gesehen zu werden, daß dem Bürger, der ein genehmigungspflichtiges Vorhaben verwirklichen will, nur eine einzige Genehmigungsbehörde gegenübergestellt wird, welche ein einheitliches Genehmigungsverfahren durchführt und "uno actu" über die Zulässigkeit des gesamten Vorhabens entscheidet. 1 Dementsprechend war und ist man sich über das Ziel weitgehend einig, die Konzentration von Genehmigungsverfahren zu verstärken. In der Gesetzgebung fand diese Tendenz darin ihren Niederschlag, daß zum einen für weitere Arten von Vorhaben Planfeststellungen eingeführt 2 und zum anderen eine größere Anzahl punk21 Dies ist insb. bei Planfeststellungsverfahren (vgl. § 7 3 Abs. 3, 4, 6 VwVfG) und bei immissionsschutzrechtl. und atomrechtl. Anlagengenehmigungsverfahren der Fall (vgl. § 10 BlmSchG i.V.m. §§ 8 ff. der 9. BimSchV, § 7 AtG i.V.m. §§ 4 ff. AtVfV) . 22 Vgl. § 8 BlmSchG, § 18 AtVfV und dazu z.B. Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 8 ff. m.w.N. 1 Vgl. z.B. Kaiser in ZfW, 1963, 208ff.;Jarass in DöV 1978,21 ff.; ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 86 ff.; Steinberg in DÖV 1982, 619 (624f.); Schäfer in NVwZ 1985, 383 (387); Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2794f.); Bericht der Projektgruppe "Bürgernähe in der Verwaltung", 1980, S.27ff. (hrsg. vom Staatsministerium Bad.-Württ.); Bericht der Komission Land-Kommunen, 1981, S. 321 (hrsg. vom Innenministerium Bad.-Württ.); Dokumentatio n der Tätigkeit der Kommission für den Abbau von Staatsaufgaben und für Verwaltungsvereinfachung, 1980, S. 86 ff. (hrsg. von der Bay. Staatskanz1ei). 2 Vgl. z.B. §§ 9, 14 WaStrG, § 17 FStrG, § 8 LuftVG, §§ 28,41 PBefG, § 9 b AtG, § 31 WHG, § 7 AbfG, § 41 FlurbG, §§ 38,40 StrG BW, §§ 6,27 EisenbG BW, § 45 e WG BW. Dagegen konnte sich bislang der insbes. vonseitender Elektrizitätswirtschaft gemachte rechtspolitische Vorschlag zur Einführung eines "Standortplanfeststellungsverfahrens" für Kernkraftwerke nicht durchsetzen (vgl. Beilage zum VDEW-Mitglieder-Rundschreiben Nr. 12/1977; Vieregge, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 101 (104 ff.); Rengeling in JZ 197 7, 542 (546 f.); Friauf, Das Standortplanfeststellungsverfahren als Rechtsproblem, 1978: Rinke in ET 1980, 836 (8 39 f); Kröncke , Die Genehmigung von Kernkraftwerken, S. 140 ff.

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2. Historische und politische Grundlagen

tueHer Konzentrationsvorschriften erlassen wurden, die jeweils bestimmte Fälle des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten erfassen. 3 Einzelne Konzentrationsregelungen wurden nach und nach erweitert. So hat der Bundesgesetzgeber die Konzentrationswirkung nach § 13 BlmSchG im Jahre 1982 auch für die im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG ergehenden Genehmigungen eingeführt. 4 Während bei der ursprünglichen Einführung des § 13 BlmSchG im Gesetzgebungsverfahren noch kompetenzrechtliche Bedenken laut geworden waren,5 sah man bei der Erweiterung der Konzentrationswirkung auf die im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG erteilten Genehmigungen (für immissionsschutzrechtlich weniger relevante Anlagen) offenbar keinen Hinderungsgrund darin, daß eine derart erweiterte Konzentrationsregelung in unzulässiger Weise in den Kompetenzbereich der Länder, insbesondere im Bereich des Bauordnungsrechts, eingreifen könnte. 6 Erst vor kurzem hat die Bundesregierung einen neuen Vorstoß zur Erweiterung der Konzentrationswirkung nach § 13 BlmSchG unternommen. Der im Dezember 1984 vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf eines Ersten Rechtshereinigungsgesetzes sah in Art. 35 vor, daß die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf die bislang gern. § 13 Satz 1 Halbs. 2 BlmSchG ausgenommenen wasserrechtlichen Entscheidungen erstreckt werden sollte. 7 Wegen des Widerstands des Bundesrates mußte dieses Vorhaben zunächst einmal aufgegeben werden. 8 Als "kleine Lösung" wurde dann lediglich im Zuge der 5. Novelle zum WHG die immissionsschutzrechtliche Konzentrationswirkung auf Eignungsfeststellungen nach § 19 h Abs. 1 Satz 1 WHG erstreckt, was Anlagen zum Lagern, Abfüllen und Umschlagen wassergefährdender Stoffe betrifft. 9

3 Vgl. z.B. § 13 BlmSchG, § 8 Abs. 2 AtG, § 17 Abs. I SprengG, § 48 Satz 2 WaStrG, § 4 Satz 2 und 3, § 9 Abs. 5 FStrG, § I5 Abs. 2 LuftVG, § 39 h Abs. 5 BBauG, §50 Abs. 3 LBO BW, § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW, §§ I3 Abs. 2, 4I, 63 Abs. 3 NatSchG BW, §§ 24 Abs. 3 Nr. I, 34 Abs. 1, 41 Abs. 2 Nr. 2 LWaldG BW, § 24 Abs. 6 StrG BW, §§ 43 Abs. 5, 44,45 e Abs. 2, 76, 78,98 Abs. 1 und 2 WG BW, § 7 BlmSchGZuV BW. 4 Vgl. § 19 Abs. 2 BimSchG n. F. Die Änderung erfolgte durch Art. 2 2. ÄndG zum AbfG v. 4.3.I982 (BGBI. I S. 28I). Vgl. Krause in GewArch I980, 4I ff. (zur früheren Rechtslage) sowie Kutscheidt in NVwZ I982, 424 f. 5 Sie wurden insbesondere vom Innenausschuß des BR vorgetragen, vgl. BR-Drucks. 437/I/7I, S. li f., Nr. 12 zu§ I3. 6 Dies wohl auch deshalb, weil die Initiative zur Erweiterung der Konzentrationswirkung vom BR und damit von den betroffenen Ländern selbst ausgegangen war (zum Gesetzgebungsverfahren vgl. sogleich Fn. 8). Zur Frage der verfassungsrechtl. Zulässigkeit in kompetenzmäßiger Hinsicht vgl. Abschnitt 6.4.1. 7 Vgl. BT·Drucks. I 0/3290, S. I4, 26, 30, 33 f. -jeweils zu Art. 35 -; I0/4373, S. 25, 3 1; 10/4999. s Vgl. BT·Drucks. I 0/5062; BR·Drucks. I 08/86. 9 Vgl. BT-Drucks. I 0/5 727; BR-Drucks. 303/86. Die Änderung des § I3 BlmSchG trat ab l.l.I987 in Kraft.

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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Es fällt übrigens auf, daß sämtliche geplanten oder verwirklichten Erweiterungen der immissionsschutzrechtlichen Konzentrationswirkung trotz ihrer rechtlichen und verwaltungspraktischen Tragweite nicht im Zuge einer Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes durchgeführt, sondern jeweils in einem unübersichtlichen "Sammelgesetz" gleichsam versteckt worden sind. Dies deutet darauf hin, daß man entweder der Entscheidungskonzentration (als bloß "verfahrenstechnischer" Angelegenheit) keine größere Bedeutung beigemessen hat, oder daß man umgekehrt gerade eine größere politische Aufmerksamkeit für diese Angelegenheit vermeiden wollte. Allerdings wurde durch die neuen bzw. erweiterten Konzentrationsvorschriften längst noch keine vollkommene Konzentration erreicht. Im Gegenteil: Da immer wieder neue und komplexere Anlagen zur Genehmigung anstehen und auch immer wieder neue genehmigungsrechtliche Vorschriften erlassen werden, ist dieses Ziel kaum nähergerückt. Die zahlreich vorhandenen Konzentrationsvorschriften bilden zusammengenommen ein ziemlich lückenhaftes Flickwerk. Dies liegt namentlich daran, daß die Reichweite einzelner Konzentrationsvorschriften recht eng begrenzt ist. Die Konzentrationswirkung einer Genehmigung ist in der Regel auf den fachgesetzlichen Genehmigungsgegenstand beschränkt, so daß die Konzentration oft nur hinsichtlich eines räumlich-gegenständlichen Teils des Gesamtvorhabens wirksam werden kann. So soll z.B. nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Konzentrationswirkung der atomrechtlichen Genehmigung nach § 8 Abs. 2 AtG nicht auch die Kühltürme von Kernkraftwerken erfassen. 10 Daß dieses Problem nicht neu ist, zeigt sich an dem bereits geschilderten Beispiel des Kesselhauses .I' Auch wenn man den jeweiligen Begriff der genehmigungsbedürftigen "Anlage", der die räumlich-gegenständliche Grenze der Konzentrationswirkung markiert, 12 in einem weitestmöglichen Sinne versteht, wird dieser nur selten mit dem Gesamtvorhaben zusammenfallen, so daß ein Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren nicht völlig vermieden wird. Es ist daher festzustellen, daß die mit dem Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten verbundenen Probleme bislang weder durch die Ausdehnung des Rechtsinstituts der Planfeststellung noch durch den Ausbau des "Systems" punktueller Konzentrationsregelungen eine allgemeine und durchgreifende Lösung gefunden haben. In der Tat sind beiden Lösungsansätzen auch prinzipielle Grenzen gesetzt: Was Planfeststellungsverfahren betrifft, so kommen diese schon wegen der aufwendigen und förmlichen Ausgestaltung des Verfahrens (vgl. §§ 72 ff.

10 11 12

Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl -, E 72,300 = NVwZ 1986, 208 (215 f. ). Vgl. Abschnitt 2.1.1. Vgl. nur § 13 BlmSchG: "andere, die Anlage betreffende ... Genehmigungen".

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2. Historische und politische Grundlagen

VwVfG) nur für größere und bedeutendere Vorhaben in Frage. Während Einzelgenehmigungsverfahren meist an bestimmten Teilen bzw. Aspekten eines Gesamtvorhabens ansetzen und dieses partiell bzw. ausschnitthaft erfassen, haben Planfeststellungsverfahren grundsätzlich das Vorhaben als Ganzes zum Gegenstand. Daher können planfeststellungsbedürftige Vorhaben nur dann mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlieh festgelegt werden, wenn sie auch in der Lebenswirklichkeit eine deutlich ausgeprägte und konturierte Kategorie von Vorhaben bilden. Planfeststellungsverfahren eignen sich daher am ehesten für hergebrachte Typen von Anlagen, die eine relativ gleichbleibende und scharf umrissene Gestalt angenommen haben (wie z.B. Straßen, Eisenbahnlinien, Schiffahrtskanäle, Flugplätze, Mülldeponien, Kläranlagen usw.). Es verbleiben daher notwendigerweise zahlreiche Vorhaben der unterschiedlichsten Art, die sich dem ganzheitlichen Zugriff des Planfeststellungsrechts entziehen und die sich nur durch Einzelgenehmigungsvorbehalte partiell bzw. sektoral erfassen lassen. Wenn man bedenkt, daß sich bei der Vielzahl bestehender Genehmigungsvorbehalte und bei der Vielfalt möglicher Vorhaben unzählige Konstellationen des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten ergeben können, so leuchtet es ein, wie schwierig es ist, alle Fallgestaltungen mit punktuellen Konzentrationsregelungen abdecken zu wollen. Schon heute gibt es eine solche Menge von Konzentrationsvorschriften, daß nicht bloß die Gefahr besteht, daß im Einzelfall Konzentrationsvorschriften übersehen werden, sondern auch, daß es bei deren Anwendung zu Konkurrenz- und Kollisionsproblemen kommt. 13 Ihre weitere Vermehrung mit dem Ziel einer vollständigen Erfassung aller Vorhaben müßte zu einer "Inflation" von Konzentrationsvorschriften führen, was die Rechtslage vollends unübersichtlich machen würde. In dieser Situation bot sich als Ausweg eine dritte Möglichkeit an, nämlich die Einführung einer abstrakt-generellen Konzentrationsregelung für alle möglichen Arten von Vorhaben. Dieser Lösungsweg wurde wohl erstmals 1977 von ]arass beschritten und theoretisch vertieft. 14 Er schlug eine allgemeine Konzentrationsregelung vor, die etwa folgenden Wortlaut haben sollte: "Sind für die Errichtung, Änderung oder Nutzung einer Anlage mehrere Sachgenehmigungen nötig, werden diese zu einer einheitlichen Genehmigung zusammengefaßt. Sie wird von der Schwerpunktbehörde im Einvernehmen mit den anderen Genehmigungsbehörden erteilt." 15

Nunmehr tritt jarass allerdings für eine "modifizierbare Konzentration" bei der Baugenehmigungsbehörde ein, weil in den praktisch relevanten Fällen

13

Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen,

s. 60 f.

14 Vgl. die überarbeitete Fassung seines Habilitationsvortrages v. 24.2 .1977 in DöV 1978,21 (25 f.). 1s Ebd., S. 25.

2.1. Entwicklungslinien komplexer Genehmigungsverfahren

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des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten fast immer eine Baugenehmigung erforderlich sei. 16 In der bad.-württ. Landesverwaltung hat man in den letzten Jahren den abstrakt-generellen Lösungsweg weiter verfolgt und sich um dessen praktische Umsetzung bemüht. lmj ahre 1980 machte die interministerielle Projektgruppe "Bürgernähe in der Verwaltung" den Vorschlag, in das Landesverwaltungsgesetz eine zentrale Regelung des Inhalts aufzunehmen, daß bei einem einheitlichen Vorhaben, das mehrerer Genehmigungen bedarf, sämtliche Genehmigungszuständigkeiten bei ein und derselben Behörde gebündet werden, und zwar i.d.R. bei der allgemeinen unteren VerwaltungsbehördeP Im Unterschied zu der von J arass vorgeschlagenen Konzentration, bei der die parallelen Genehmigungen zu einer einheitlichen Gesamtentscheidung zusammengefaßt werden ("Entscheidungskonzentration"), ging es hierbei allerdings nur um eine "Zuständigkeitsbündelung", d.h. um die Zusammenlegung paralleler Genehmigungszuständigkeiten bei einer Behörde. 18 Die Landesregierung griff diesen Vorschlag der Projektgruppe auf und beauftragte das Innenministerium mit der Ausarbeitung eines Entwurfs für ein "Gesetz zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten" . 19 In der Folgezeit wurden mehrere Entwürfe erarbeitet, die jedoch nicht zur Verwirklichung kamen, da allemal die dagegen vorgebrachten Argumente durchdrangen.20 Am Ende schlug das Innenministerium der Landesregierung vor, ganz von der Einbringung eines Gesetzentwurfs zur allgemeinen Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten abzusehen. Mit dem entsprechenden Ministerratsbeschluß vom 21.11.1983 wurde das Vorhaben einer abstrakt-generellen Konzentrationsregelung schließlich aufgegeben. Der wesentliche Verlauf der Gesetzgebungsvorbereitungen läßt sich einem Bericht entnehmen,

16 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, 1984, S. 86 ff. und den Formulierungsvorschlag aufS. 89: "(1) Die Baugenehmigung ersetzt alle anderen, für die bauliche Anlage bzw. Teile derselben erforderlichen Genehmigungen, soweit nicht sonstige Vorschriften etwas Abweichendes bestimmen bzw. selbst eine Konzentration anordnen. (2) Die Konzentrationswirkung entfällt, falls in der Baugenehmigung auf eine noch zu erteilende Genehmigung ausdrücklich Bezug genommen wird. (3) Soweit eine Konzentration stattfindet, ist die Baugenehmigung im Einvernehmen (Alternative: Benehmen) mit den Behörden zu erteilen, die für die ersetzten Genehmigungen zuständig sind. Das gleiche gilt für die Behörden, deren Zustimmung oder Einvernehmen für die ersetzten Genehmigungen erforderlich sind." 17 Vgl. den Bericht der Projektgruppe vom März 1980, S. 27 ff. (hrsg. vom Staatsministerium Bad.-Württ.). 18 Jarass (Fn. 16), S. 50 ff. unterscheidet zwischen "echter Konzentration" und "bloßer Zuständigkeitszusammenfassung". Damit ist der Sache nach nichts anderes gemeint als mit der "Entscheidungskonzentration" und "Zuständigkeitsbündelung" nach der hier zugrundegelegten Terminologie. 19 Ministerratsbeschl. v. 15.7 .1980. 20 Vgl. Abschn. 6.2.

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der für den bad.-württ. Landtag erstellt wurde und im Anhang wiedergegeben istY Ein größerer Erfolg war bundesgesetzgeberischen Bestrebungen beschieden, wenn schon nicht die Genehmigungszuständigkeiten, so doch wenigstens die gerichtlichen Zuständigkeiten für Streitigkeiten, die die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben betreffen, bei einer Entscheidungsinstanz zu bündeln. Der im Jahre 1985 neu eingefügte Art. 2 § 9 EntlastG 22 sieht die erstinstanzliehe Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts für alle Streitigkeiten vor, die die Errichtung und den Betrieb bestimmter Arten großtechnischer Anlagen betreffen (u.a. Kraftwerke, Hochspannungsleitungen, nukleare Zwischenlager, Brennelementfabriken, Wiederaufarbeitungsanlagen, Müllverbrennungsanlagen, Flughäfen, Straßen- und Eisenbahnen, Bundesautobahnen und Bundeswasserstraßen). Diese Zuständigkeitsregelung gilt gern. Art. 2 § 9 Abs. 2 Satz 1 EntlastG für Streitigkeiten "über sämtliche für das Vorhaben erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse, auch soweit sie Nebeneinrichtungen betreffen, die mit ihm in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen". Wenn also parallele Genehmigungen angefochten sind, können die Klagen vor dem gleichen Gericht verhandelt und ggf. gern. § 93 VwGO miteinander verbunden werden.

2.2. Leitziele der Verfahrensgestaltung Die Beantwortung der rechts- und verwaltungspolitischen Fragen hinsichtlich der Gestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems, insbesondere die Wahl zwischen einer parallelen und konzentrierten Verfahrensgestaltung, hängt von den dabei zugrundegelegten normativen Leitzielen ab. Wie bereits angedeutet, geht es bei der verfahrensmäßigen Strukturierung komplexer Genehmigungsverfahren nicht bloß um "verfahrenstechnische" Fragen, sondern um politische Wertentscheidungen. Gleichviel, ob man eine verstärkte Konzentration der Verfahren oder Verbesserungen innerhalb eines Systems paralleler Genehmigungsverfahren ins Auge faßt, stellt sich die Frage, welche weiteren Ziele damit verfolgt und welche Werte dabei berücksichtigt werden sollen. Nach einem kurzen überblick über die in der Diskussion um die Konzentration von Genehmigungsverfahren geläufigen rechts- und verwaltungspolitischen Topoi sollen daher im folgenden einzelne Leitziele kritisch analysiert und bewertet werden. Damit soll zugleich der "Zielhorizont" und die normative Orientierung der vorliegenden Arbeit offengelegt werden. Vgl. L T-Drucks. BW 8/3630 v. 18.3.1983, S. 23 ff. ÄndG v. 4.7.1985 (BGBI. S. 1274). Dazu VGH Mannheim, Beschl. v. 25.4.1986, NVwZ 1986,665 (666). 21 22

2.2. Leitziele der Verfahrensgestaltung

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- Zielrichtung der Konzentrationsbestrebungen Als Ziele einer verstärkten Konzentration werden zumeist die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, die Verwaltungsvereinfachung und die Koordination des V erwaltungshandelns genannt. 1 Diese drei Ziele klingen auch auch schon in der zitierten Entschließung des württ. Ministers des lnnern aus dem Jahre 1886 an. 2 Daneben wird aber auch die Verwz"rklichung rechtsstaatlicher Grundsätze als Ziel genannt. So soll durch die Konzentration insbesondere die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit erhöht und der Rechtsschutz verbessert werden. 3 Auch das Ziel der Widerspruchsfrez.heit administrativer Entscheidungen hat rechtsstaatliche Bedeutung. Zugleich wird dadurch das Leitbild der "Einheit der Verwaltung" verwirklicht. 4 Mitunter wird auch hervorgehoben, daß die Konzentration der Bürgernähe der Verwaltung diene. 5 Nur selten wird dagegen die Intensivierung der Zulässigkeitsprüfung geplanter Vorhaben bzw. die Steigerung der Effektivität der Genehmigungsvorbehalte als Ziel der Konzentration angesprochen. Dies ist einigermaßen überraschend, wenn man bedenkt, daß gerade im Umweltschutzrecht häufig ein "Vollzugsdefizit" beklagt wird 6 und die inhaltliche Qualität von Umweltverträglichkeitsprüfungen gerade auch von den Verfahrensstrukturen abhängt. Neuerdings wird allerdings die Entscheidungskonzentration auch deshalb befürwortet, weil sie es ermögliche, die Ergebnisse einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung in eine einheitliche Entscheidung umzusetzen, und so die Verwirklichung eines integrierten Umweltschutzes erleichtere. 7 Es fällt auf, daß in der rechts- und verwaltungspolitischen Diskussion die Vereinfachung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren (d.h. die "Verfahrensökonomie") und die Verbesserung der Rechtsverfolgungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten von Antragstellern und Drittbetroffenen eine besondere Rolle spielen. 8 Demgegenüber rückt der eigentliche Auftrag der GeI Vgl. z.B. die Amt!. Begr. zu § 13 BlmSchG (BT-Drucks. 7/179, S. 35 f., insoweit auch abgedruckt bei Feldbaus, BlmschG, § 13 Rn. 1) u. Stich/Porger, BlmschG, § 13 Rn. 5. 2 Vgl. Abschnitt 2.1.1. 3 Vgl. Schenke in VBlBW 1982, 313 (323 f.); Feldbaus, BlmschG, § 13 Rn. 2 ; Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 59 f. 4 Vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 44; Steinberg in DöV 1982, 619 (624). Fickert in ZfW 1984, 193, 196 Fn. 13 spricht von einer "unteilbaren Hoheit des Staates". s Vgl. Jarass (Fn. 3), S. 59 f. sowie die Begründung zu dem auf einen Vorschlag der Projektgruppe "Bürgernähe in der Verwaltung" zurückgehenden Entw. eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeitefl, LT-Drucks. BW 8/3635, S. 24ff.- s. Anh. -. 6 Vgl. z.B. Ule/Laubinger, Gutachten zum 52. DJT, S. 13 ff.; Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik; Winter, Das Vollzugsdefizit im Wasserrecht. 7 Vgl. Bunge in ZfU 1984,405 (418); Cupei in DVBI1985 , 813 (816 f., 821). 8 Vgl. nur BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5.1985, S. 26: "Durch die Erstreckung der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtl. Genehmigung nach§ 13 Abs. 1 BlmSchG

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nehmigungsverwaltung, nämlich der effektive Vollzug des materiellen Genehmigungsrechts, etwas in den Hintergrund. Offenbar scheut man sich davor, in der politischen Diskussion das mit Genehmigungsverfahren wesensgemäß verbundene Element "bürokratischer" Kontrolltätigkeit in den Vordergrund zu stellen. Die Kontrolltätigkeit der Umweltschutzbehörden wird nicht nur von seiten der Wirtschaft häufig als lästiges Hemmnis empfunden, sondern auch von seiten der Umweltschützer mit einem gewissen Mißtrauen betrachtet. Dementsprechend wird von der einen Seite ein "Abbau von lnvestitionshemmnissen"9 und von der anderen Seite eine verstärkte "demokratische Partizipation" an Genehmigungsverfahren gefordert. Hier liegt denn auch hauptsächlich der politisch relevante Streitstoff. Die rechts- und verwaltungspolitische Diskussion kreist schon seit langem um die Entbürokratisierung und Verfahrensbeschleunigung einerseits und um die Erweiterung der Verfahrensbeteiligungs- und Rechtsschutzmöglichkeiten für drittbetroffene Bürger und Umweltschutzverbände andererseits. Während sich der Gesetzgeber bislang - von Ausnahmen abgesehen 10 - noch nicht zur Einführung eines Klagerechts für Umweltschutzverbände durchringen konnte, hat er einen zumindest symbolischen Beitrag zur Beschleunigung und Erleichterung von Genehmigungsverfahren geleistet - einem Anliegen, dem von Kreisen der Wirtschaft zeitweise sogar mit Anzeigenkampagnen Nachdruck verliehen worden warll -, indem er durch verschiedene "Beschleunigungsnovellen" die Voraussetzungen für eine schnellere Abwicklung insbesondere der Baugenehmigungsverfahren geschaffen hat. 12 auf behördliche Entscheidungenaufgrund wasserrechtl. Vorschriften wird eine im Interesse der Rechtsverfolgung des Antragstellers und des Rechtsschutzes der Betroffenen liegende Vereinfachung ( ... ) und tendenziell auch eine Beschleunigung des Verfahrens erreicht." 9 Vgl. z.B. Bundesverband der Deutschen Industrie , Umweltschutz und industrielle Entwicklung, S. 41 ff.; ders., Anregungen der deutschen Industrie zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren nach dem BimSchG v. 14.2.75 (Manuskript); ders., zitiert nach FAZ vom 2.2.84, S. 9 (speziell zu Vorhaben zur Erschließung und Gewinnung heimischer Rohstoffe und deren Verarbeitung). 10 Ein beschränktes Klagerecht in Naturschutzangelegenheiten sehen die §§ 44-46 Brem. NatSchG vom 17.9.1979 (GVBI. S. 345) und § 36 hess. NatSchG vom 19.9.1980 (GVBI. S. 3 u. 9) für nach § 29 Abs. 2 BNatSchG anerkannte Verbände vor. 11 Vgl. z.B. eine Anzeige des Bundesverbandes deutscher Banken, die am 19.11.1982 in der F AZ erschien und in der neben der Abbildung eines Bremsklotzes zu lesen war: .,Anträge stellen, Akten anlegen und -warten. So präsentiert sich gar zu oft die bürokratische Wirklichkeit." Nach ein paar Beispielen zur Genehmigungsprozedur dann das Fazit : .,Die staatliche Bürokratie hat ihren Ruf in manchen Bereichen redlich verdient. Für die Wirtschaft und alle, die von ihr leben, ist es freilich besser, wenn der Behördenweg von bürokratischen Hemmschuhen befreit wird." 12 Das Bedürfnis nach einer Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ist von Politikern häufig anerkannt worden (vgl. z.B. Innenminister Palm, Verhandlungen des LT von Bad.-Württ., Plenarprot. Nr. 7/93 vom 31.1.1980, S. 6606 ; Bundeswohnungsbauminister Schneider, zit. nach FAZ vom 23.7.1983 S. 9) und hat auch zu legislativen und administrativen Maßnahmen geführt. Vgl. z.B. die Gesetze zur Änderung der LBO BW v. 12.2. 1980 (GBI. S. 116) u. v. 4.7.1983 (GBI. S. 246) und dazu die Amt!. Begr. (L T-Drucks. 7/ 6518, S. 9, 17 f .; L T-Drucks., 8/3410, S. 41 ff.), den Antrag der CDU-Fraktion im bad.-

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Verfahrensökonomz·e und Verfahrensrechtsschutz Demgegenüber ist zu betonen, daß die Ziel- und Wertungsprobleme bei der Gestaltung komplexer Genehmigungsverfahren weder auf das Spannungsverhältnis zwischen "Verfahrensökonomie" und "Verfahrensrechtsschutz" 13 noch auf die gegensätzlichen Interessen und Rechtsschutzbelange von Antragstellern und Drittbetroffenen reduziert werden dürfen. Die Funktion von Genehmigungsverfahren beschränkt sich nämlich nicht darauf, dem Antragsteller möglichst schnell eine gesicherte Rechtsgrundlage für seine Investitionen zu schaffen, noch darauf, die Verletzung subjektiver Rechte Drittbetroffener zu verhindern. Die Aufgabe der Genehmigungsbehörden liegt auch nicht darin, bei Konflikten zwischen Vorhabenträgem (Antragstellern) und Nachbarn (Drittbetroffenen) "quasi-judizielle" Entscheidungen zu treffen oder "politische" Kompromisse zwischen den Betroffenen bzw. den interessierten Gruppen und Verbänden vermittelnd zustande zu bringen. 14 Die eigentliche Aufgabe der Genehmigungsbehörden liegt vielmehr darin, den Schutzzweck der Genehmigungsvorbehalte zu erfüllen und damit insbesondere einen effektiven Umweltschutz zu verwirklichen. Dabei müssen rechtlich geschützte öffentliche Interessen sowohl gegenüber den Vorhabenträgern als auch gegenüber den Nachbarn zur Geltung gebracht werden. Namentlich der Schutz der Umwelt ist von den Genehmigungsbehörden im öffentlichen Interesse und nicht bloß im Interesse der ",Betroffenen" sicherzustellen, da die Erhaltung der natürlichen und kulturellen Lebensgrundlagen zuvorderst im Interesse der Allgemeinheit liegt. 15 württ. LT v. 30.9.1981 (LT-Drucks. 8/1845) sowie die Berichte der BReg über Möglichkeiten zur Beschleunigung der atomrechtl. Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke v. 14.10.1981 (in: Umwelt Nr. 86, S. 70 ff.) und über Möglichkeiten zur Beschleunigung der atomrechtl. Genehmigungsverfahren für Anlagen des Kernbrennsto ffkreislaufs v. 31.3 . 1983 (in: Umwelt Nr. 95, S. 32 ff.). Vgl. auch Ernst, in: Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Rn. 904. 13 Vgl. dazu das Thema der Staatsrechtslehrertagung 1982 ("Das Verwaltungsverfahren zwischen Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag"). Die von dieser Themenstellung nahegelegte bipolare Sichtweise wurde jedoch von den Referenten vermieden. So begreift etwa Wahl in VVDStRL 41 (1983), 151 (157) Verwaltungseffizienz und Rechtsschutzauftrag als zwei "Eckpunkte eines Vielecks" unterschiedlicher Anforderungen an das Verwaltungsverfahren. Differenzierend auch Pietzcker, ebd., S. 196 f.; Schenke in VBlBW 1982,313 (315 ff.) ; Steinberg in DÖV 1982,619 (620 ff.). 14 Dabei besteht die Gefahr der Vernachlässigung nicht im Verfahren vertretener Interessen, vgl. Pietzcker (Fn. 13), S. 204, 208. Aushandlungsprozesse zwischen den Betroffenen gehen oft gerade zu Lasten allgemeiner Interessen (vgl. allgemein Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 202) . Da es aber bei Genehmigungsverfahren, insbesonden: im Bereich des Umweltschutzes, um den Schutz elementarer Interessen der Allge· meinheit geht, darf dieser Schutzaspekt nicht hinter dem Rechts· und Interessenkonflikt zwischen Vorhabenträgem und Drittbetroffenen zurücktreten. Insoweit trifft der Begriff der "verteilenden Verwaltung" (vgl. Schmidt-Aßmann (Fn. 4), S. 21)) nicht den Kern der Genehmigungsverwaltung. 15 Zu den sich daraus für die Verfahrensgestaltung ergebenden Folgerungen vgl. z.B. Kopp in BayVB11980, 97 (102 f.). Eine Konsequenz aus der Erkenntnis, daß der Umwelt-

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Noch bedenklicher als eine Reduzierung der Wertungsprobleme auf einen einzigen Grundkonflikt wäre es jedoch, wenn man die organisations-und verfahrensmäßige Ausgestaltung von Genehmigungsverfahren allein am Maßstab einer scheinbar wertneutralen "Effizienz" messen und an diesem Ziel ausrichten wollte. Organisations- und Verfahrensfragen erfordern regelmäßig auch Wertentscheidungen über politische Güter. 16 Die "Straffung" oder "Rationalisierung" eines Verwaltungsverfahrens ist kaum jemals möglich, ohne daß dadurch zugleich der Inhalt der im Verfahren zu treffenden Entscheidung und damit die Verwirklichung des materiellen Entscheidungsprogramms beeinflußt wird. 17 Außerdem wird dadurch regelmäßig auch die Verwirklichung von "Verfahrenswerten" berührt, d.h. detjenigen Werte, die bereits unmittelbar durch das Verfahren und nicht erst durch die abschließende Entscheidung verwirklicht werden. Oftmals mag zwar zweifelhaft sein, inwieweit bestimmten Verfahrenselementen (wie z.B. der Bürgerbeteiligung) ein "Eigenwert" zukommt oder inwieweit sie nur eine dienende Funktion im Hinblick auf die Endentscheidung erfüllen (z.B. durch Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen). Auf jeden Fall muß jedoch die Verwirklichung von Verfahrenswerten bzw. die Herstellung von Verfahrensgerechtigkeit als ein wesentlicher Bestandteil der administrativen und politischen Kultur begriffen werden. 18 Eine einseitige Orientierung an dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung wäre schon deshalb zu verwerfen, weil die Verkürzung der Verfahrensdauer schutznicht dem gesellschaftlichen Kräftepluralismus überlassen werden kann, sondern als genuine Staatsaufgabe begriffen werden muß (nicht anders als die innere und äußere Sicherheit), stellt im übrigen auch der rechtspolitische Vorschlag dar, eine entsprechende Staatszielbestimmung in das Grundgesetz aufzunehmen. 16 "Aus der Zugehörigkeit der öffentlichen Verwaltung zum politischen System (Exekutive) folgt, daß die Frage nach der wünschenswerten Organisation der öffentlichen Verwaltung (... ) aufs engste mit normativen Vorentscheidungen über politische Güter und die für ihre Verwirklichung no twendige politische Ordnung verbunden sind", so Obernd örfer, in: J.J. Hesse, Politikwissenschaft und Verwaltungswissensch aft, S. 447 (448). Vgl. auch die Nachw. in Fn. 13. 17 Vgl. Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 340. Die Bedeutung der organisatorischen und prozeduralen Rahmenbedingungen des Entscheidens für den Inhalt von Entscheidungen wurde in der neueren Verwaltungswissenschaft zunehmend erkannt (vgl. Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, S . 47 ff.; Scharpf, Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 27; Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaftlich orientierte Rechtsanwendung, S. 11 f. , 13) und h at auch zu einer Aufwertung der Verfahrensregeln im Verwaltungs- und Verfassungsrecht geführt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - Mülheim-Kärlich - , E 53 ,30 (59 ff., 65 f.), noch weitergehend die abw. Meinung von Simon/Heußner, ebd., S. 71 ff.; Hesse in EuGRZ 1978,427 ff.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 256 u. passim). 18 Zu dem Begriff der "Verwaltungskultur" und zu der bislang offenbar (noch) ganz vorherrschenden output-orientierten Erwartungshaltung der Bevölkerung gegenüber der öffentlichen Verwaltung (wie auch allgemein gegenüber den Institutionen des politischen Systems) vgl. Prätorius, in: J.J. Hesse, Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft, S. 264 ff. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, daß sich in der neueren psychologischen Gerechtigkeitsforschung vermehrt Untersuchungen zur "Verfahrensgerechtigkeit" im Gegensatz zur "Verteilungsgerechtigkeit" finden, vgl. z.B. Lerner/Whitehead, in: Mikula, Gerechtigkeit und soziale Interaktion, S. 251 ff.

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keinen Vorrang vor dem widerstreitenden Ziel der Intensivierung der Sachprüfung genießen kann. Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Zielen fand bereits in § 131 Abs- 5 Bad_ LBO v. 1.9.1907 sinnfälligen Ausdruck: 19 ,.Bei Prüfung der Baugesuche ist darauf Bedacht zu nehmen, daß, unbeschadet der Gründlichkeit, jede Verzögerung des Verfahrens vermieden wird."

Wenn dennoch häufig die Forderung laut wird, die Dynamik der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung dürfe durch Genehmigungsverfahren nicht behindert und gebremst werden, 20 so ist dies nicht vollständig einlösbar. Es besteht naturgemäß ein Spannungsverhältnis zwischen der Dynamik wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozesse auf der einen und der bewahrenden und ordnenden Grundfunktion des Staates bzw. der Verwaltung auf der anderen Seite. Dieses Spannungsverhältnis besteht namentlich im Bereich der Umweltschutzverwaltung. Bei der Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen könnte sich die Maxime "Schnelligkeit vor Gründlichkeit" als verhängnisvoll erweisen. Bei der Genehmigung von Vorhaben, deren Verwirklichung geeignet ist, die Umwelt nachhaltig und dauerhaft, wenn nicht sogar irreversibel zu verändern und damit auch die Lebenswelt der Menschen - oft über Generationen hinweg - umzugestalten, darf die Gründlichkeit der Sachprüfung nicht einem kurzfristigen Zeitgewinn geopfert werden. Es ist daher in Kauf zu nehmen, daß der Zeitbedarf für die angemessene Prüfung eines genehmigungsbedürftigen Vorhabens (und möglicherweise auch für dessen politische Durchsetzung) im Einzelfall zu einer Verzögerung der geplanten Vorhabenverwirklichung führen kann. Dementsprechend wird es - bei allen Beschleunigungsanstrengungen - nicht zu vermeiden sein, daß Genehmigungsverfahren von seiten der Wirtschaft bisweilen als Hemmnis empfunden werden.

- Bürgemähe Der Begriff der "Bürgernähe" als Ziel der Verfahrensgestaltung ist inhaltlich in hohem Maße klärungsbedürftig. Man kann darunter primär die Ortsnähe der Verwaltung verstehen. Die Ortsnähe (und damit auch die Erreichbarkeit der Verwaltung für den Bürger) ist um so größer, je mehr Genehmigungszuständigkeiten auf der untersten Verwaltungsebene angesiedelt sind. Wenn eine Konzentration zu einer "Hochzonung" von Genehmigungszuständigkeiten führt (z.B. von Gemeinden mit 19 GVBI. S. 385 ff. Die heutige LBO BW enthält keine derartige Vorschrift mehr, doch läßt sich ein allgemeines "Beschleunigungsgebot" aus § 10 Satz 2 VwVfG herleiten, vgl. nur Leonhardt, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 10 Rn. 7. 20 Vgl. z.B. Bundesverband der Deutschen Industrie, Umweltschutz und industrielle Entwicklung, S. 3.

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2. Historische und politische Grundlagen

eigener Baurechtszuständigkeit auf die Landratsämter), dann widerspräche dies einer so verstandenen Bürgernähe.2' Der Begriff der Bürgernähe wird jedoch meist in einem sehr viel weitergehenden Sinne verwendet. Er bezieht sich dabei nicht nur auf die Verwaltungsorganisation, sondern auch auf das Verwaltungsverfahren und allgemein auf den Umgang der Verwaltung mit dem Bürger. Insofern kann man darunter die Offenheit, Transparenz und Zugänglichkeit der Verwaltung für den Bürger verstehen. Nicht selten werden mit der Forderung nach Bürgernähe aber auch inhaltliche Anforderungen an das Verwaltungshandeln gestellt, etwa im Sinne einer "Bedürfnisgerechtigkeit" oder "Anliegensgerechtigkeit". 22 Damit drohen die Konturen dieses Begriffs vollends verlorenzugehen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Beliebtheit des Begriffs der "Bürgernähe" in der politischen Diskussion gerade daher rührt, daß er sich als Etikett bewährt hat, mit dem sich beliebige Maßnamen "verkaufen" lassen, ohne daß die eigentlich verfolgten Ziele genannt und die dahinter stehenden Interessenkonflikte offengelegt werden müßten. 23 Auch bei einem engeren Begriffsverständnis, das sich auf bestimmte Organisations- und Verfahrenswerte -wie Ortsnähe, Zugänglichkeit und Offenheit der Verwaltung- beschränkt, werden die Unschärfen des Begriffs nicht behoben. Außerdem verleitet der Begriff dazu, auf Differenzierungen zwischen verschiedenen Gruppen von Bürgern bzw. Verwaltungsklienten zu verzichten und damit bestehende Unterschiede zu verwischen. So stehen etwa diejenigen Bürger der Verwaltung "näher", die an Genehmigungsverfahren formal beteiligt sind. Aber auch diesen sind wiederum verschiedene "Rollen" zugewiesen, insbesondere als Antragsteller und als Einwender, und die "Verfahrenspositionen" einzelner Verfahrensbeteiligter können erheblich differieren. Dementsprechend kann auch ihre "Nähe" zur Verwaltung ganz unterschiedlich sein. 24

21 So die Bedenken der kommunalen Landesverbände gegenüber dem Entw. eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten in Bad.-Württ., vgl. L T-Drucks. 8/3635, S. 29 - s. Anh. -: "Das Ziel, die Zuständigkeiten möglichst weit nach unten zu delegieren, um die Aufgaben möglichst bürgernah erledigen zu können, könne durch eine allgemeine Konzentrationsvorschrift nicht erreicht werden." 22 Vgl. Grunow, in: J.J. Hesse, Politikwissenschaft und Verwaltungswissenschaft, S. 237 ff., der den Begriff in vier Dimensionen zerlegt: Bedürfnisgerechtigkeit, Sachgerechtigkeit, Anliegensgerechtigkeit und Situationsgerechtigkeit. 23 Zur Kritik an der Verwendung des Begriffs der "Bürgernähe" vgl. Greifeid in VerwArch 1981, 107 ff.: "Die Wahl zwischen widerstreitenden Gütern wird so ausgegeben als moralischer Aufschwung zu pflichtgemäßem Handeln." Vgl. auch die sprachkritische Glosse von Kern in der FAZ v. 27 .6.1983, S. 17 ("Annäherungen" ), in der betont wird, daß dem Begriff ein "Beigeschmack verordneter public relations" anhafte: "Das Wort freilich will sich nicht allgemein einbürgern. Man spürt die Absicht und ist verstimmt." 24 Einen "asymmetrischen" Abbau von hoheitlicher Distanz zum Nachteil der Drittbetroffenen stellt Hoffmann-Riem in VVDStRL 40 (1982) , 187 (209 f.) fest.

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Schließlich sind der "Bürgemähe" auch rechtliche Grenzen gesetzt. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und das Gleichbehandlungsgehot verbieten eine "Kumpanei" der Verwaltung mit bestimmten Bürgern. Sachgerechtes Verwaltungshandeln setzt gerade auch eine gewisse Distanz zu den Betroffenen voraus. Eine übertriebene obrigkeitsstaatliche Distanziertheit dürfte im Bereich der Genehmigungsverwaltung heute nur noch selten anzutreffen sein; statt dessen haben informelle Aushandlungsprozesse mit den Vorhabenträgem eine weite Verbreitung gefunden. 25 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß sich der Begriff der "Bürgernähe" als Leitziel für rechts- und verwaltungswissenschaftliche Überlegungen nur in geringem Maße eignet.

-Einheit der Verwaltung Problematisch ist auch das Ziel der "Einheit der Verwaltung". Die Einheit der Verwaltung im engeren Sinne bezeichnet eine Form der Verwaltungsorganisation, bei der auf einer bestimmten Verwaltungsebene alle Zuständigkeiten bei einer Behörde zusammengefaßt sind. 26 Diese Organisationsform ist vor allem auf der mittleren Landesverwaltungsebene bei den Regierungspräsidien verwirklicht, die als "Bündelungsbehörden" die meisten Verwaltungszweige unter ihrem Dach vereinen. Ein so verstandenes Prinzip der "Einheitsverwaltung"27 hat mit parallelen und konzentrierten Genehmigungsverfahren nur insofern etwas zu tun, als eine Bündelungsbehörde wie das Regierungspräsidium als "Konzentrationsbehörde" zur Durchführung konzentrierter Genehmigungsverfahren geradezu prädestiniert erscheinen könnte. Meist wird der Begriff der "Einheit der Verwaltung" jedoch in einem allgemeineren Sinne verwendet. 28 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, 25 Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik S. 35, 45,58 f. , 69 f., 144 ff., 318 ff., 511 ff., 64 7 ff.; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 2 38; dies., 1m· plementation regulativer Politik, in: dies., Implementation politischer Programme, Bd. 2, S. 68; Hucke/Bohne, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 180 ff. ; Hucke/ Ullmann, in: Mayntz, lmplementation politischer Programme, Bd. 1, S. 101 ff.; Hucke, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 20 (29 ff.); Rechtstatsachenuntersuchung zur Baugenehmigungspraxis, Schriftenreihe des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft Nr. 03 .110, S. 28 f. , 6 6 f., 68 f. 26 Vgl. Geib, in: Morstein Marx, Verwaltung, S. 148; Püttner, Verwaltungslehre, S. SOff., 83 f.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 409; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht li, § 77 I a (S. 98 f.). 2? Das der Einheit der Verwaltung entgegengesetzte Organisationsprinzip ist das der Sonderverwaltung, bei der für die einzelnen Verwaltungszweige jeweils spezialisierte Sonderbehörden bestehen (z.B. Gewerbeaufsichtsämter, Landesbergämter usw.). Die tatsächliche Organisationsstruktur der Verwaltung besteht aus einer Mischung von Einheits- und Sonderverwaltung. 28 Vgl. Geib, in: Morstein Marx, Verwaltung, S. 148; v. Unruh in DVBl 19 79, 761 (761, 767); Püttner, Verwaltungslehre, S. 81; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht li, § 83 I b (S. 159).

5

Wagn~r

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2. Historische und politische Grundlagen

daß die öffentliche Verwaltung insgesamt eine Einheit bilden soll, wobei auch das Verfahren und die Entscheidungstätigkeit der Verwaltung einzubeziehen sind. Diese übergreifende Einheit der Verwaltung wird als "Leitbild" bzw. als "ldealvorstellung" angesehen. 29 Durch die Verteilung der Verwaltungsaufgaben auf verschiedene, politisch selbständige Verwaltungsträger und durch die zunehmende Spezialisierung und Ausdifferenzierung der öffentlichen Verwaltung ist die strukturelle Einheit der Verwaltung allerdings stark eingeschränkt worden. Man spricht bereits von einer "Pluralisierung" der öffentlichen Verwaltung30 oder gar von einer "Gewaltenteilung" innerhalb der Verwaltung. 31 Die öffentliche Verwaltung stellt heute keinen "monolithischen Block" und keine institutionell verkörperte Einheit mehr dar. Die Repräsentation staatlicher Einheit ist im demokratischen Bundesstaat auch gar nicht die Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. 32 Die Vorstellung, daß die öffentliche Verwaltung die staatliche Einheit äußerlich sichtbar machen müsse, um so eine einheitliche und glatte Außenfassade des Staates aufzurichten, scheint einem Vordemokratischen Verständnis der Verwaltung entlehnt, als die Verwaltung ganz auf die Person des Monarchen ausgerichtet war. 33 Solange alle Staatsgewalt in der Person des Monarchen vereint war, konnte die monarchisch-autokratische Verwaltung gleichermaßen als Instrument und Sinnbild eines absoluten und einheitlichen Willens verstanden werden.

29 Teilweise wird sogar ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der "Einheit der Verwaltung" angenommen. Diese Auffassung wird jedoch schon durch die verfassungsrechtlich vorgege· bene Verteilung der Verwaltungsaufgaben auf selbständige Verwaltungsträger (Bund, Länder, Gemeinden u.a.) und die ressortmäßige Aufgliederung der Verwaltung widerlegt. Vgl. Lorenz in AöR 93 (1968), S. 308 (333 f.); Schlink, Die Amtshilfe, S. 46 ff., 75,262. Vgl. aber auch Art. 77 Abs. 2 bay. LVerf: "Für die Organisation der Behörden und die Regelung ihres Verfahrens hat als Richtschnur zu dienen, daß unter Wahrung der notwendigen Einheitlichkeit der Verwaltung alle entbehrliche Zentralisation vermieden ... wird.". 30 Vgl. nur Steinberg in DöV 1982, 619 (624). 31 An der die Amtshilfe ihre Grenzen findet, vgl. Schlink (Fn. 29), S. 12 ff. und passim. 32 Sondern der gewählten Volksvertretung und des Staatsoberhauptes. Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 535. 33 PrOVG, Urt. v. 5.5.1877, E 2, 399 (408 f.): "Dieser (gesetzliche Organismus der Staatsverwaltung) sichert die Möglichkeit einer Entscheidung auch bei Meinungsverschiedenheiten koordinierter Instanzen, indem die Staatsverwaltung, der Einheit der vollziehenden Gewalt entsprechend, unter der Krone in einem einheitlichen Organe, dem Staatsministerium, gipfelt." Allerdings wird auch heute noch in der konservativ-etatistischen Staatstheorie die Verwaltung als Repräsentant der Staatlichkeit und eines neutralen und überparteilichen Gemeinwohls gesehen (vgl. W. Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967 sowie die Obersicht bei Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 278 ff.). Dementsprechend heißt es z.B. bei Weber, a.a.O., S. 20 f. : "Das Regierungspräsidium ist das letzte Asyl staatlicher Verwaltung im eigentlichen Sinne des Wortes; es ist die einzige noch behauptete Domäne des staatlichen Berufsbeamtentums, der verbliebene Rest gesamtstaatlicher, die öffentliche Ordnung als einheitlichen Verantwortungsbereich begreifender Obrigkeit."

2.2. Leitziele der Verfahrensgestaltung

67

Im demokratischen Staat ist die Einheit weder im Volk noch im Staat vorgegeben. Es ist gerade die Aufgabe einer demokratischen Verfassung, eine Ordnung zu schaffen, in der die Herstellung der Einheit, das "Einswerden der Vielheit" möglich wird. 34 Insofern hat auch die öffentliche Verwaltung, deren kennzeichnende Tätigkeit darin besteht, bindende Entscheidungen mit Wirkung gegenüber dem einzelnen Bürger zu treffen, 35 Teil an der Funktion, staatliche Einheit zu bilden. 36 Im Verhältnis zum Bürger wird die Handlungseinheit des Staates also nicht zuletzt durch die Tätigkeit der öffentlichen Verwaltung bewirkt. Insofern gewinnt der Grundsatz der Einheit der Verwaltung in einem funktionellen Sinne an Bedeutung. Er bezeichnet kein vorgegebenes, einheitliches Gefüge, sondern etwas Aufgegebenes, das im Tätigwerden der Verwaltung immer wieder neu hergestellt werden muß. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß die einzelnen Verwaltungseinheiten nach Möglichkeit eine "Einheit im Handeln" herstellen. Dieser Grundsatz kommt auch in Art. 35 Abs. 1 GG zum Ausdruck, wonach sich die Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Amtshilfe leisten. 37 Eine derartige Handlungseinheit der Verwaltung ist nur im Wege der Koordinatz'on zu erreichen. Durch eine Koordination zwischen den Entscheidungsträgern können Verwaltungsentscheidungen, die sich inhaltlich überschneiden oder berühren, aufeinander abgestimmt und einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden. Dies ist vor allem dort bedeutsam, wo Verwaltungsentscheidungen in Bestandskraft erwachsen. In dieser Bedeutung hat die Einheit der Verwaltung als Leitbild auch und gerade heuteangesichtseiner stark ausdifferenzierten Verwaltungsstruktur einen Sinn.

Vgl. Hesse (Fn. 32), Rn. 5 ff. V gl. Luhmann, Theorie der V erwaltungswissenschaft, S. 6 7. 36 Zur Integrationsleistung der Verwaltung vgl. auch Ellwein, Regieren und Verwalten, 72 f. 37 Vgl. §§ 4 ff. VwVfG sowie Schlink (Fn. 29), S. 62 ff. und passim. 34

35

s. 5*

3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystemeine verwaltungswissenschaftliche Analyse 3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage Das folgende Fallbeispiel behandelt das "Zwischenlager Gorleben", das von der Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen mbH (DWK) errichtet und im Herbst 1984 teilweise in Betrieb genommen worden ist. 1 Dieses Projekt zeigt exemplarisch die Problematik einer parallelen Verfahrensgestaltung, insbesondere das Bedürfnis nach Koordination, wenn nicht nach Konzentration der Verfahren. Schon mehrfach mußten sich Gerichte mit diesem Fall befassen, wobei es - neben der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit von privaten Anlagen zur Zwischenlagerung - vor allem auch um die rechtliche Zuordnung der parallelen Verfahren ging. 2 Die vielfach kritisierte Verfahrensgestaltung3 wird auch noch in Zukunft die Gerichte beschäftigen, u.a. das Bundesverfassungsgericht, das eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung angenommen hat, in der die Verkürzung des verwaltungsverfahrensmäßigen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes durch die konkrete Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems gerügt wird. 4

I Satzungsmäßige Aufgabe der DWK, einer Gründung deutscher Energieversorgungsunternehmen, ist es, die Entsorgung deutscher Kernkraftwerke sicherzustellen. Die Betriebsftihrung des Zwischenlagers obliegt der "Brennelement Gorleben GmbH (BLG) ", einer Tochtergesellschaft der DWK. Bislang ist erst das Faßlager für schwachradioaktive Abfälle, nicht jedoch das umstrittene Transportbehälterlager ftir abgebrannte Brennelemente in Betrieb genommen worden. Nachdem das VG Stade mit Beschl. v. 22.3.1985, atw 1985, 230 die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen das Transportbehälterlager wiederhergestellt hatte, hat die PTB bis auf weiteres auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung verzichtet. 2 Vgl. VG Stade, Beschl. v. 24.7.1981, ET 1981,691 zum vorbeugenden Rechtsschutz gegen Rodungs- und Baugenehmigungen; VG Stade, Beschl. v. 11.9.1981, ET 1981,891 und OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981, NVwZ 1982,256 (= ET 1982, 145) zur Baugenehmigung für die Grundstücksumschließung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; VG Stade, Beschl. v. 25.6.1982, ET 1982, 778 und OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11. 1982, DVBI 1983, 185 (= ET 1983, 54) zur Baugenehmigung für die zwei Lagerhallen ebenfalls im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes und zuletzt VG Stade, Beschl. v. 22.3. 1985 (Fn. 1). Vgl. auch OVG Münster, Beschl. v. 31.5.1985 , NVwZ 1985, 590 zum vergleichbaren Fall des Zwischenlagers Ahaus. Vgl. außerdem Straßburg in ET 1981, 893 ff.; 1985, 623 ff.; ders., in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 125 (127 ff.); Götz, ebd., s. 177 (183 f.). 3 So stellte z.B. das OVG Münster (Fn. 2), S. 591 fest, daß das Verfahren " wohl nicht angemessen ausgestaltet" sei. 4 Az. 1 BvR 1561/82. Mit einer Entscheidung ist für 1987 zu rechnen.

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage

69

Im folgenden wird zunächst nur die verfahrensrechtliche Ausgangslage dargestellt, ohne der später im Kapitel 5 zu entwickelnden rechtlichen Lösung vorzugreifen. Die Darstellung dient primär der Veranschaulichung der rechtlichen und sachlichen Strukturen des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems; sie erhebt nicht den Anspruch einer empirischen Fallstudie.

- Kombiniertes Brennelementlager und Zwischenlager für schwachradioaktive Abfälle Da das Bundesendlager für radioaktive Abfälle, für das Erkundungsarbeiten in Gorleben begonnen haben, ebenso wie die in Wackersdorf geplante Wiederaufarbeitungsanlage frühestens in den neunziger Jahren in Betrieb gehen wird, haben sich die kernkraftwerkbetreibenden Energieversorgungsunternehmen dazu entschlossen, durch eine gemeinsame Tochtergesellschaft ein kombiniertes "Zwischenlager" für ausgediente Brennelemente und schwachradioaktive Abfalle zu errichten. Diese Anlage soll zur Entlastung der in den Kernkraftwerken vorhandenen Lagerungskapazitäten radioaktive Reststoffe und Abfälle aufnehmen, bis sie im Rahmen des nuklearen Brennstoffkreislaufs wieder aufgearbeitet oder als Abfall endgültig abgelagert werden k önnen. Die Anlage besteht aus einer Brennelement-Lagerhalle (mit einer Kapazität von 1.500 t Uran in 420 Transportbehältern), einer Lagerhalle fiir schwachradioaktive Abfälle (mit einer Kapazität von 35.000 Fässern) sowie aus Werkstatt-, Betriebs-, Verwaltungs- und Sozialgebäuden. Außerdem mußte als erstes eine Grundstücksumschließung gebaut werden, die mehrere Zäune, darunter einen Sicherungszaun aus Betonfertigteilen, und einen Wall mit einer Höhe von 2,5 bis 5 m über Gelände umfaßt. Als Standort für das Zwischenlager ist ein etwa 11 Hektar großes Gelände gewählt worden, das über I ,5 km vom nächsten Siedlungsrand entfernt liegt. Der Betrieb des Zwischenlagers ist in folgender Weise vorgesehen: Die bestrahlten Brennstäbe werden in Sicherheits-Transportbehältern angeliefert. Diese werden zunächst im Eingangsbereich einem Strahlen- und Funktionstest unterzogen und sodann im Lagerbereich auf den vorgesehenen Stellplätzen abgesetzt und an das Behälterüberwachungssystem angeschlossen. Die Brennelemente bleiben also während des gesam· ten Lagervorgangs in ihren Transportbehältern eingeschlossen. Die schwachradioaktiven Abfälle werden ebenfalls lagerfertig in Behältern angeliefert. Sie sind zuvor verpreßt, mit Bindemitteln vermischt und in Rollreifenfässern eingegossen worden. Die Fässer werden in der Entladehalle einem Strahlentest unterzogen und sodann in der Halle gestapelt.

- Genehmigungsvorbehalte für Errichtung und Betrieb der Anlage a) Was die Lagerung der abgebrannten Brennelemente betrifft, so ist fraglich, welcher atomrechtliche Genehmigungsvorbehalt eingreift. Brennelementfabriken, Kernkraftwerke und Wiederaufarbeitungsanlagen bedürfen einer atomrechtlichen Anlagengenehmigung gemäß § 7 AtG. Ob dies auch für Anlagen zur bloßen Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente dient, erscheint zweifelhaft, da strenggenommen weder eine Bearbeitung noch eine Aufarbeitung stattfindet. Andererseits hat der Gesetzgeber keinen besonderen Genehmigungsvorbehalt für Anlagen zur externen Zwischenlagerung ab-

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

gebrannter Brennelemente (d.h. außerhalb von Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen) vorgesehen, was eine analoge Anwendung des § 7 AtG rechtfertigen könnte. 5 Diese Frage soll hier nicht weiter vertieft werden. Die bislang noch h.M. wendet jedenfalls auf private Zwischenlager weder§ 7 AtG noch § 9 AtG an, sondern hält lediglich eine atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung nach § 6 A tG für erforderlich. 6 Der Genehmigungstatbestand des § 6 AtG ist einschlägig, weil es sich auch bei abgebrannten Brennelementen (noch) um Kernbrennstoffe handelt, zumindest solange die Möglichkeit ihrer Wiederaufarbeitung besteht.7 Das wird auch in § 7 Abs. 1 AtG vorausgesetzt, wenn von der Wiederaufarbeitung bestrahlter "Kernbrennstoffe" die Rede ist. Bei abgebrannten Brennelementen handelt es sich also regelmäßig um keine radioaktiven "Abfälle", sondern um (sonstige) ,,radioaktive Reststoffe" (vgl. § 9 a Abs. 1 AtG). 8 Von dem Genehmigungsvorbehalt des § 6 AtG wird allerdings noch nicht die Errichtung des Zwischenlagers, sondern erst der Vorgang der Aufbewahrung der abgebrannten Brennelemente erfaßt. Es handelt sich daher der Sache nach um eine Betriebsgenehmigung. 9 Bei ihrer Erteilung ist außer der Zuverlässigkeit und Fachkunde des Antragstellers und der für den Betrieb verantwortlichen Personen u.a. auch zu prüfen, ob die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen und der notwendige Schutz gegen Einwirkungen 5 Wenn man aus dem Fehlen einer genehmigungsrechtlichen Regelung nicht den weitergehenden Schluß zieht, daß eine externe private Zwischenlagerung von abgebrannten Kernbrennstoffen schlechthin unzulässig ist. Dagegen spricht jedoch, daß private Wiederaufarbeitungsanlagen gemäß § 7 AtG genehrnigungspflichtig sind und daß bis zur Fertigstellung einer solchen Anlage als "minus" gegenüber der Wiederaufarbeitung auch eine pri· vate Zwischenlagerung möglich sein muß. Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12. 1981 (Fn. 2), S. 257; Straßburg in ET 1983, 677 (678) sowie Degenhart in ET 1983,230 (23 7 f. m.w .N. auch zur vergleichbaren Problematik der sog. "Kornpaktlagerung" von abgebra nnten Brennelementen in Kernkraftwerken). 6 Vgl. Straßburg (Fn. 5 ), S. 679; Fischerhof, Deutsches Atomgesetz und Strahlenschutzrecht, § 9 AtG Rn. 3; ausführlich: OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), S. 257 ff. Für das "Zwischenlager Gorleben" wurde lediglich eine atomrechtl. Aufbewahrungsgenehmigung nach § 6 AtG bei der PTB am 8.4.1980 beantragt und vor dieser arn 5.9.1983 für einen Zeitraum bis zu 40Jahren erteilt (vgl. FAZ v. 6.9.1983 S. 1). Vgl. dagegen Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, S. 31 f. , der offenbar zur Anwendung des § 9 AtG neigt. Dafür spricht, daß § 9 c AtG, der staatliche Landessammelstellen betrifft, hinsichtlich der Lagerung von Kernbrennstoffen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 AtG) auf§ 9 AtG verweist. 7 Und zwar auch i.S. d. § 6 AtG, vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), S. 257 f.; a.A.: VG Stade, Beschl. v. 22.3.1985, zitiert nach: Straßburg in ET 1985,623. Zwar nimmt § 5 Abs. 6 AtG Kernbrennstoffe, die in radioaktiven Abfallen enthalten sind, vom Grundsatz der staatlichen Verwahrung aus. Aber selbst wenn darunter auch abgebrannte Brennelernente zu verstehen wären, könnte dies doch an der Genehmigungspflicht nach § 6 AtG nichts ändern, da diese nicht der Sicherung des Verwahrungsrnonopols, sondern den in § 1 AtG genannten Zwecken dient. 8 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), S. 258; Fischerhof (Fn. 6), § 6 AtG Rn. 1 ; Bischo f/Pelzer/Rauschning, Das Recht der Beseitigung radioaktiver Abfalle, s. 16. 9 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), (258 f.).

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage

71

Dritter gewährleistet ist. Dabei ist auch die Geeignetheit des Standorts und der baulichen Anlagen zu beurteilen. 10 Die Genehmigung kann folglich als anlagengebundene Personalerlaubnis qualifiziert werden. Außerdem setzt die Erteilung der Genehmigung voraus, daß ein Bedürfnis für eine Aufbewahrung von Kernbrennstoffen außerhalb der staatlichen Verwahrung besteht.U Sind die tatbestandliehen Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Rechtsanspruch auf Erteilung der Genehmigung. 12 Eine andere Frage ist, ob nicht die staatliche Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) 13 es gebietet, daß bereits die Errichtung von Zwischenlagern einer präventiven atomrechtlichen Kontrolle unterworfen wird, oder ob es ausreicht, daß nuklearspezifische Belange im Baugenehmigungsverfahren "mitgeprüft" werden. Diese Frage kann hier nicht weiter vertieft werden. 14 b) Was die Lagerung der schwachradioaktiven Abfälle betrifft, so ist zunächst zu erwägen, ob dies nicht schon den Anfang der Endlagerung darstellt. Solange keine Endlagerstätte besteht, kann aus einem Zwischenlager leicht ein "Endlager" werden. 15 Andererseits ist zu erwarten, daß der Bund seiner Verpflichtung nach

§ 9 a Abs. 3 AtG nach Möglichkeit nachkommen wird, so daß ein Weiter-

transport in eine genehmigte Endlagerstätte in absehbarer Zeit möglich sein wird. Die Einlagerung schwachradioaktiver Abfälle ist daher (zumindest bis auf weiteres) als selbständige "Zwischenlagerung" anzusehen. Sollte jedoch innerhalb eines angemessenen Zeitraums keine Weiterbeförderung der eingelagerten radioaktiven Abfälle zu einem Endlager erfolgen, so wäre die weitere Aufbewahrung von der Genehmigung für die Zwischenlagerung nicht mehr gedeckt. Wenn man eine private Endlagerung überhaupt für zulässig ansieht (vgl. § 9 a Abs. 3 AtG),I 6 so müßte man dafür jedenfalls die (ggf. nachträgli-

Vgl. Fischerhof (Fn. 6), § 6 AtG Rn. 6, 8. Die Bedürfnisprüfung ist ein Korrelat zu dem in § 5 AtG fest~elegten Grundsatz der staatlichen Verwahrung von Kernbrennstoffen. Nach Fischerhof (Fn. 6), § 6 AtG Rn. 3 ist ein Bedürfnis für eine private Aufbewahrung grundsätzlich zu bejahen, wenn bestrahlte Kernbrennstoffe anfallen, die auf andere Weise noch nicht sichergestellt, verwertet oder beseitigt werden können. 12 Vgl. Fischerhof (Fn. 6), § 6 AtG Rn. 11; Winters (Fn. 6). 13 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - KKW Mülheim-Kärlich -, E 53, 30 (57ff., 65 f.). 14 Vgl. auch Abschn. 5.2 sowie Straßburg in ET 1985,623 (624). 15 Diese Befürchtung äußert Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, S. 221. Das OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12 .1981 (Fn. 2), S. 258, betont, daß sich die Frage der Rechtsgrundlage für ein solches Lager neu stellen würde, wenn es in absehbarer Zeit zu keiner Endlagerung käme und das Zwischenlager selbst den Charakter eines Endlagers annähme. 16 Dagegen Hofmann (Fn. 15), S. 115, 210 ff.; Fischerhof (Fn. 6), § 9 a AtG Rn. 7; Straßburg in ET 1983,677 (680). 10

II

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

ehe) Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens entsprechend § 9 b AtG verlangen. 17 Für ein privates Abfall-Zwischenlagerbesteht daher in atom- und strahlenschutzrechtlicher Hinsicht lediglich das Erfordernis einer Umgangsgenehmigung nach § 3 StrlSch V. Auch hierbei ist nicht schon die Errichtung der Lagerstätte, sondern erst der Vorgang der Lagerung genehmigungsbedürftig. Der Sache nach handelt es sich ebenso wie bei § 6 AtG um eine Betriebsgenehmigung. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine private Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle atomrechtlich überhaupt zulässig ist und somit Gegenstand einer Genehmigung nach § 3 StrlSchV sein kann. § 9 c AtG, der auf§ 3 StrlSchV verweist, betrifft nur die von den Ländern nach § 9 a Abs. 3 AtG einzurichtenden Sammelstellen, insofern allerdings nicht erst deren Betrieb, sondern bereits deren Errichtung. 18 Zwar können sich die Länder bei der Einrichtung solcher Sammelstellen Dritter bedienen (§ 9 a Abs. 3 S. 2 AtG), doch handelt der Vorhabenträger im vorliegenden Fall selbständig und nicht im Auftrag eines oder mehrerer Länder. § 9 a Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 AtG begründet zunächst einmal eine (Pflicht-)Aufgabe der Länder, Einrichtungen zur Zwischenlagerung radioaktiver Abfälle zu schaffen. Darüber hinaus wird man dieser Vorschrift - dem in § 5 Abs. 1 AtG festgelegten Grundsatz der staatlichen Verwahrung von Kernbrennstoffen vergleichbar - auch den Grundsatz der staatlichen Beseitigung von radioaktiven Abfällen entnehmen können. Aber ebenso wie bei der Verwahrung von Kernbrennstoffen 19 läßt der Grundsatz der unmittelbaren bzw. mittelbaren öffentlichen Eigenregie 20 auch bei der Beseitigung radioaktiver Abfälle Ausnahmen zu (vgl. § 9 a Abs. 2 Satz 2 AtG, § 4 7 Abs. 1 StrlSchV). Nach h.M. begründet daher§ 9 a Abs. 3 AtG kein absolutes "Ver-

17 Winters (Fn. 6), S. 33 und Bischof/Pelzer/Rauschning (Fn. 8), S. 56 schließen die Zulässigkeit privater Endlager nach dem geltenden Atomrecht nicht grundsätzlich aus, sehen dies jedoch insbesondere deshalb als bedenklich an, weil kein der Bedeutung der Anlage und ihrem Gefährdungspotential angemessenes Genehmigungsverfahren zur V erfü· gung steht. Die analoge Anwendung des § 9 b Abs. l AtG wird als zu "unsicher" bezeich· net (Bischof/Pelzer/Rauschning S. 5 6); dementsprechend wird eine Änderung des gelten· den Rechts empfohlen (ebd. S. 59 f.). 18 Zu der rechtstechnisch mißglückten Vorschrift des § 9 c AtG vgl. Bischof/Pelzer/ Rauschning (Fn. 8\ S. 56, 60; Winters (Fn. 6), S. 33 f.; Fischerhof (Fn. 6), § 9 c AtG Rn. 2 f., Hofmann (Fn. 15), S. 220. § 9 c AtG kann weder als eine klare Rechtsgrundverwei· sung verstanden werden (da § 9 c AtG abweichend von § 9 AtG und§ 3 StrlSchV bereits an die "Errichtung" einer "Anlage" anknüpft und überdies § 9 AtG für die bloße Lage· rung der radioaktiven Abfälle ohne weitere Behandlung gar nicht gilt, noch als eine klare Rechtsfolgenverweisung (wegen der Alternativität der Verweisung). 19 Vgl. § 5 Abs. 2 AtG. In der Praxis ist die staatliche Aufbewahrung nicht die Regel, sondern die Ausnahme (dazu Winters (Fn. 6), S. 34). 20 Vgl. zum Instrument der öffentlichen Eigenregie z.B. Breuer, in: von Münch, Beson· deres Verwaltungsrecht, S. 709 f.

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage

73

waltungsmonopol" für die Beseitigung radioaktiver Abfälle, was deren Zwischenlagerung betrifft. 21 Private Abiall-Zwischenlager sind somit nach § 3 StrlSchV grundsätzlich genehmigungsfähig. Bei Erteilung der Genehmigung nach § 3 StrlSchV ist ähnlich wie bei § 6 AtG neben der Zuverlässigkeit des Antragstellers auch zu prüfen, ob die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen ist, wobei auch der Standort und die Beschaffenheit der Anlage zu berücksichtigen sind. 22 Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StrlSchV kann eine Aufbewahrungsgenehmigung nach § 6 AtG auch auf den Umgang mit sonstigen radioaktiven Stoffen erstreckt werden. Eine solchermaßen erweiterte Genehmigung nach § 6 AtG ersetzt dann die strahlenschutzrechtliche Genehmigung nach § 3 StrlSchV (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 StrlSchV). Es handelt sich also um eine fakultative Konzentrationsvorschrift, wobei es im Belieben der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde steht, ob sie davon Gebrauch machen will. 23 c) Daneben bedürfen sowohl die Anlagen zur Grundstücksumschließung als auch die Lagerhallen und sonstigen Gebäude einer Baugenehmigung. 24 Die Baugenehmigung ist zu erteilen, "wenn dem Vorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen"(§ 69 Abs. 1 S. 1 MBO '81). 25

21 Vgl. Straßburg in ET 1983,677 (678 f.); Fischerhof (Fn. 6), § 6 Rn. 3; Winters (Fn. 6), S. 33; Bischof/Pelzer/Rauschning (Fn. 8), S. 56 f.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12. 1981 (Fn. 2), S. 259, 256 (259); OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982 (Fn. 2), S. 185, a.A.: Hofmann (Fn. 15), S. 111, 210ff. (bes. S. 220f., 256). Allerdings wird die Genehmigung privater Abfall-Zwischenlager nach § 3 StrlSchV, auch soweit sie für zulässig gehalten wird, als unbefriedigend empfunden. Bischof/Pelzer/Rauschning a.a.O. schlagen deshalb vor, die "Beseitigung" radioaktiver Abfälle, zu der auch die Zwischenlagerung gehört, aus dem "Umgangsbegriff" in§ 11 Abs. 1 Nr. 1 AtG, § 1 Abs. 1 Nr. 1 Str!SchV herauszunehmen (ebd. S. 59 Nr. 2.5.2) mit der Folge, daß Abfall-Zwischenlagernicht mehr nach § 3 Str!SchV genehmigungspflichtig wären. Statt dessen sollte für die Beseitigung radioaktiver Abfälle in anderer Weise als durch Ablieferung an eine Landessammelstelle bzw. ein Bundes-Endlager ein eigenständiger Genehmigungsvorbehalt eingeführt werden (sog. "Beseitigungsgenehmigung", vgl. ebd. S. 59 Nr. 2.5.4). Bezüglich der Landessammelstellen sollte § 9 c AtG zu einem eindeutigen Genehmigungsvorbehalt umgeformt werden (ebd. S. 60 Nr. 2.5.6); für private Abfall-Zwischenlager, die qualitativ und quantitativ den staatlichen Lagern gleichkommen, wird die Einführung einer besonderen Anlagengenehmigung in Anlehnung an § 9 c AtG empfohlen, falls der Gesetzgeber sich nicht überhaupt für ein Verbot derartiger Anlagen in privater Hand entscheidet (ebd. S. 60 Nr. 2.5.4) . 22 Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 5, 7, 8 StrlSchV sowie OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), S. 260 f. 23 Vgl. Zerlett/Kramer, StrlSchV, zu § 3. Dabei setzt § 3 Abs. 2 einen räumlich-funktionalen Zusammenhang zwischen der Lagerung von abgebrannten Brennelementen und von radioaktiven Abfällen nicht ausdrücklich voraus. Zu § 3 Abs. 2 StrlSchV vgl. auch Bischof/Pelzer/Rauschning (Fn. 8), S. 17 sowie sogleich im Text. 24 Im Fall des "Zwischenlagers Gorleben" waren der DWK gesonderte Baugenehmigun· genfür die Grundstücksumschließung (am 27.7.1981), für die Lagerhalle für radioaktive Abfälle (am 24.2.1982) und für die Lagerhalle für abgebrannte Brennelemente und die Nebengebäude (am 16.4.1982) erteilt worden. 25 Dieser hergebrachte Grundsatz des deutschen Baurechts (vgl. bereits PrOVG, Urt. v. 7.4.1897, E 32, 338 (339)) kommt allerdings in manchen Landesgesetzen nicht mehr so

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit kommt es darauf an, ob das Betriebsgelände für das Zwischenlager in einem gemeindlichen Bebauungsplan als solches ausgewiesen ist. Wegen des Umfangs und der zumindest potentiell nachteiligen Auswirkungen auf die weitere Umgebung war bislang fraglich, ob ein Zwischenlager als Außenbereichsvorhaben nach § 35 BBauG genehmigungsfähig ist oder ob es aus bauplanungsrechtlichen Gründen einer förmlichen Bauleitplanung bedarf. Da eine Einplanung des Zwischenlagers in die Umgebung und eine Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Interessen im Wege der gemeindlichen Bauleitplanung jedenfalls zweckmäßig erscheint, soll hier davon ausgegangen werden, daß die Gemeinde einen entsprechenden Bebauungsplan aufstellt. 26 Der am 1.7.1987 in Kraft tretende § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB stellt nunmehr klar, daß Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dienen, zu den im Außenbereich privilegierten Vorhaben gehören. Dies könnte bedeuten, daß eine förmliche Bauleitplanung selbst dann entfallen kann, wenn für ein solches Vorhaben weder ein Planfeststellungsverfahren (z.B. § 9 b AtG) noch ein vergleichbares Genehmigungsverfahren mit planungsrechtlichem Einschlag (z.B. § 7 AtG), sondern- wie hier- ein schlichtes Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Bei der Bauleitplanung sind außer den Zielen der Raumordnung und Landesplanung insbesondere die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, die Sicherheit der Wohnbevölkerung und die Belange der (Energie)Wirtschaft zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. § 1 Abs. 6, 7 BBauG bzw. § 1 Abs. 5, 6 BauGB). Ist ein Bebauungsplan für das Gelände des Zwischenlagers in dem dafür vorgeschriebenen Verfahren aufgestellt worden, so bleibt im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens gemäߧ§ 29, 30 BBauGfBauGB nur noch zu prüfen, ob das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplans entspricht und ob die Erschließung gesichert ist.

klar zum Ausdruck, wenn es dort etwa heißt, dem Vorhaben dürften Vorschriften des "öffentlichen Baurechts" (§ 75 Abs. 1 NBauO) oder "von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften" (§ 59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW) nicht entgegenstehen. Jedenfalls in letzterem Fall ist damit wegen § 49 Abs. 1 Satz 1 LBO BW keine Einschränkung der Prüfungspflicht verbunden. 26 Vgl. § 11 BauNVO. Im Fall des "Zwischenlagers Gorleben" hatte die Gemeinde zwar einen auf das Zwischenlager zugeschnittenen Bebauungsplan aufgestellt, dieser war jedoch aus verfahrensrechtlichen Gründen nichtig (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 28.10.1982- 1 C 12/81 -, zitiert nach OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982, ET 1983, 54 (59)). Das OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2) , S. 259 f. war der Ansicht, daß sich das Gesamtvorhaben auch bei Nichtigkeit des Bebauungsplans als genehmigungsfähig erweise gemäß §§ 29 , 35 Abs. 1 Nr. 5 BBauG; a.A.: VG Stade, Beschl. v. 11.9.1981 (Fn. 2), S. 892 m.w.N. - Das OVG Münster, Beschl. v. 31.5.1985 , NVwZ 1985, 590ff., hielt im Fall des "Zwischenlagers Ahaus" ein Brennelement-Zwischenlager sogar in einem herkömmlichen Industriegebiet für unzulässig.

3.1. Fallbeispiel: Nukleare Entsorgungsanlage

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Bei Erteilung der Baugenehmigung ist grundsätzlich auch die Zulässigkeit der bestimmungsgemäßen Nutzung der baulichen Anlage zu prüfen. 27 Dementsprechend ist im Bauantrag die vorgesehene Nutzung für alle Gebäude und Räume anzugeben. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 MBO '81 müssen bauliche Anlagen ihrem Zweck entsprechend ohne Mißstände zu benutzen sein. 28 Die Baugenehmigungsbehörde hat also insbesondere darauf zu achten, daß bauliche Anlagen für die beabsichtigte Nutzung geeignet sind. Dies spricht dafür, daß bereits im Baugenehmigungsverfahren für das Zwischenlager z.B. zu prüfen ist, ob die Lagerhallen bzw. die Grundstücksumschließung ihrer Funktion gerecht werden, freiwerdende Strahlung abzuschirmen, eine ausreichende Luftkühlung der Brennelement-Behälter zu ermöglichen und das radioaktive Material gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu schützen. Die Baugenehmigung wird nicht durch die Genehmigung nach § 6 AtG oder § 3 StrlSchV ersetzt. Zwar bestehen in manchen Ländern Konzentrationsregelungen, die die Konzentrationswirkung der atomrechtlichen Anlagengenehmigung nach § 7 AtG über die immissionsschutzrechtliche Genehmigung hinaus (vgl. § 8 Abs. 2 AtG) auf die Baugenehmigung ausdehnen (vgl. §50 Abs. 3 LBO BW, § 61 Abs. 2 MBO '81). Diese Regelung ist jedoch auf andere atom- und strahlenschutzrechtliche Genehmigungen nicht anwendbar.29 Weitere möglicherweise einschlägige Genehmigungsvorbehalte, insbesondere bei der Vorbereitung der Bebauung (z.B. Rodung), sollen hier außer Betracht bleiben. 30

- Zuständige Genehmigungsbehörden Für die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung ist eine Bundesbehörde, nämlich die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zuständig. 31 27 Vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1971, NJW 1971, 1475 (1477) = BayVB11972, 610 (611); OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982 (Fn. 2); OVG Koblenz, Urt. v. 19.8.1981, NVwZ 1982, 122; BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, DVB11975, 498 und OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981 (Fn. 2), S. 261. 28 Ähnlich § 1 Abs. 1 Satz 1 NBauO, § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO BW. 29 Und zwar schon gar nicht auf gemischt sachlich-persönliche Genehmigungen wie nach § 6 AtG und § 3 StrlSchV, die erst beim Betrieb der Anlage ansetzen. Derartige Persona/erlaubnisse werden auch umgekehrt grundsätzlich nicht in die Konzentrationswirkung von Anlagengenehmigungen einbezogen. 30 Im Fall des "Zwischenlagers Gorleben" war z.B. auch die Änderung einer Verordnung über ein Landschaftsschutzgebiet (dazu OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.11.1981 (Fn. 2), S. 260) und eine Rodungsgenehmigung erforderlich (vgl. VG Stade, Beschl. v. 24.7.1981 (Fn. 2) , S. 691). Vgl. auch Bischof/Pelzer/Rauschning (Fn. 8), S. 20-24. Hinsichtlich des Transports von Kernbrennstoffen und radioaktiven Abfällen vgl. § 4 AtG, § 8 StrlSchV. 31 Die Aufbewahrung ist nämlich nicht unmittelbar als Vorbereitun~ oder Teil einer nach § 7 oder § 9 AtG genehmigun~sbedürftigen T ätigkeit anzusehen (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AtG). Fischerhof (Fn. 6), § 23 AtG Rn. 5 versteht § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Die PTB kann die Aufbewahrungsgenehmigung für Kernbrennstoffe grundsätzlich auch auf die Lagerung schwachradioaktiver Abfälle erstrecken mit der Folge, daß eine gesonderte strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigung entfällt (vgl. § 3 Abs. 2 StrlSchV). Im vorliegenden Fall könntenjedoch zumindest verwaltungspolitische Gründe gegen ein Gebrauchmachen von dieser fakultativen Konzentrationsregelung sprechen: Die Zwischenlagerung steht in einem mittelbaren Zusammenhang mit der Endlagerung, für deren Durchführung die PTB zuständig ist (vgl. § 9 a Abs. 3 Satz 1, § 9 b, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AtG). Würde die PTB Genehmigungen für Abfall-Zwischenlager selbst erteilen, so käme es zu einer unglücklichen Verquickung der Ordnungsaufgaben der PTB (als Genehmigungsbehörde) mit ihren Leistungsaufgaben (als Träger der Endlagerung). 32 So hat es die PTB im Fall des Zwischenlagers Gorleben auch vermieden, von dieser Konzentrationsmöglichkeit Gebrauch zu machen. Für die demnach gesondert zu erteilende strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigung ist eine Landesbehörde zuständig. Diese nimmt eine Verwaltungsaufgabe im Auftrag des Bundes wahr. 33 Die Baugenehmigungszuständigkeit liegt bei der unteren Baurechtsbehörde, d.h. bei einer kommunalen Behörde, die insoweit der Fachaufsicht der höheren staatlichen Baurechtsbehörde untersteht. 34

3.2. Grundbegriffe der Analyse Der Gegenstand der Analyse - parallele und konzentrierte Genehmigungsverfahren, d.h. das vorhabenbezogene Verfahrenssystem - ist von einer fast Halbs. 2 AtG als "Klarstellung", daß eine Genehmigung nach § 6 AtG nicht erforderlich (!) ist, wenn die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe Vorbereitung oder Teil einer nach § 7 oder § 9 AtG genehmigungsbedürftigen Tätigkeit ist. Bei § 6 AtG soll es sich um einen bloßen Auffanggenehmigungsvorbehalt handeln. - Systematisch gesehen handelt es sich bei § 23 AtG um eine Zuständigkeitsregelung, die nicht geeignet ist, Genehmigungsvorbehalte einzuschränken. Aus dem systematischen Zusammenhang der § § 6, 7 und 9 AtG läßt sich vielleicht die Nichtanwendbarkeit des § 6 AtG herleiten, wenn die Aufbewahrung "Teil" einer nach §§ 7, 9 AtG genehmigungsbedürftigen Tätigkeit ist, nicht jedoch, wenn sie bloß der "Vorbereitung" einer solchen Tätigkeit dient , ohne selbst Teil des nach§§ 7, 9 AtG genehmigungsbedürftigen Betriebs zu sein. Hier liegt es näher, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 AtG so zu verstehen, daß dadurch eine Zuständigkeitsbündelung bei der für die Erteilung der Genehmigung nach § § 7, 9 AtG zuständigen obersten Landesbehörde ermöglicht wird (vgl. § 24 Abs. 1, 2 AtG) . Vgl. auch Winters (Fn. 6), S. 34. 32 Bei Endlagern wird dies dadurch vermieden, daß die PTB nicht selbst - wie andere Bundesbehörden, vgl. § 36 Abs. 4 BBahnG, § 7 TelWegG - als Planfeststellungsbehörde tätijl wird, sondern vielmehr diese Zuständigkeit auf oberste Landesbehörden übertragen ist (vgl. § 24 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 9 b AtG). 33 Vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 AtG. Für das Zwischenlager Gorleben war das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg zuständig. 34 Vgl. § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 65 Abs. 3 NBauO, §50 Abs. 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2-4 LBO BW, § 13 LVG BW. Die Baugenehmigungen für das Zwischenlager Gorleben wurden vom Landkreis Lüchow-Dannenberg erteilt.

3.2. Grundbegriffe der Analyse

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unerschöpflichen Komplexität. Es bedarf daher eines analytischen Ansatzes, der nicht nur eine umfassende und ganzheitliche Sichtweise erlaubt, sondern der auch die Vielfalt der Erscheinungen auf eine beschränkte Zahl von Grundmustern zurückführt.

- Systemtheoretischer Bezugsrahmen Systemtheoretische Ansätze haben sich bei der Beschreibung und Untersuchung komplexer Gegenstände bewährt. 1 Letztere können mit.Hilfe systemtheoretischer Ansätze nicht nur in ihrem Gesamtzusammenhang- dem "System" - erfaßt, sondern auch in einzelne Strukturen und Funktionen zerlegt werden. Die einzelnen Elemente des Systems erfahren so ihre Deutung immer in ihrer Wechselbezüglichkeit und in ihrer Bezogenheit auf das Gesamtsystem. Systemtheoretische Ansätze lassen auch ein "integratives" Vorgehen zu, bei dem rechts- und sozialwissenschaftliche Sichtweisen, Begriffe und Konzeptionen miteinander verbunden werden. Die Verbindung von positivem Recht und sozialer Wirklichkeit wird dadurch hergestellt, daß das Recht als Strukturelement, oder genauer: als strukturbildender Faktor sozialer Systeme, in die Analyse eingeht. 2 Gegenstand der hier vorzunehmenden Analyse ist das vorhabenbezogene Verfahrenssystem, d.h. die Gesamtheit aller Genehmigungsverfahren, die sich auf das gleiche "einheitliche Gesamtvorhaben" beziehen. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem kann somit aus parallelen oder konzentrierten Genehmigungsverfahren oder aus beiden gleichzeitig bestehen. 3 Die Grenzen des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems werden definitionsgemäß durch den Umfang des einheitlichen Gesamtvorhabens bestimmt. Dieser Begriff bedarf der Konkretisierung. Es genügt nicht, ihn nur als Hinweis auf das zu verstehen, was der Antragsteller "vorhat". Vielmehr sind objektive Kriterien notwendig, um dem Begriff feste Konturen zu verleihen. 1 Zum systemtheoretischen Ansatz vgl. allgemein Mayntz, "Soziales System" und "Strukturell-funktionale Theorie", in: Bernsdorf, Wörterbuch der Soziologie; Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 283. Systemtheoretische Ansä tze sind insbesondere in der Organisationswissenschaft weitverbreitet (vgl. Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 40 ff.; dies., Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 35 ff.; Grochla, Unternehmensorganisation, S. 13 ff.; Wollnik, in: Kieser/Kubicek, Organisationstheorien, Bd. 2, S. 77 ff.; Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungs_prozesse, Bd. 3, S. 25 ff.), haben aber auch in die Politikwissenschaft Eingang gefunden (vgl. Berg-Schlosser/Maier/ Stammen, Einführung in die Politikwissenschaft, S. 158 ff.; Ellwein, Regieren und Verwalten, S. 13 f.) . .Vgl. auch Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 13 f. 2 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 221. 3 In der Definition wird nicht vorausgesetzt, daß das Verfahrenssystem mehrere Genehmigungsverfahren umfaßt. Es kann also auch aus einem einzigen (konzentrierten) Genehmigungsverfahren bestehen.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Dies sind die zeitliche, räumliche und funktionelle Zusammengehörigkeit geplanter Maßnahmen. Die zeitliche Zusammengehörigkeit setzt voraus, daß die konkrete Verwirklichung einzelner Teile eines Vorhabens in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang steht, sei es im Sinne einer Gleichzeitigkeit, sei es im Sinne einer Aufeinanderfolge. Unterbrechungen bei der Vorhabenverwirklichung, die sich nicht aus der Eigenart des Vorhabens ergeben, sondern auf äußeren Umständen beruhen, z.B. auf Schwierigkeiten technischer, rechtlicher oder finanzieller Art, lassen diese Zusammengehörigkeit noch nicht ohne weiteres entfallen. Auch eine zeitliche Überschneidung mehrerer Genehmigungsverfahren wird nicht vorausgesetzt. In welchem zeitlichen Verhältnis parallele Genehmigungsverfahren zueinander stehen, hängt nicht nur von der Antragsstrategie des Vorhabenträgers, sondern auch von der jeweiligen Dauer der Genehmigungsverfahren ab. Die räumliche Zusammengehörigkeit bemißt sich nach dem grundstücksbezogenen und baulichen Zusammenhang. Die Belegenheit auf dem gleichen Grundstück bzw. auf aneinandergrenzenden Grundstücken sowie die bautechnische Verbindung mehrerer Anlagen sind Anzeichen für eine räumliche Zusammengehörigkeit. Was schließlich die funktionelle Zusammengehörigkeit betrifft, so kommt es hierbei auf den Beziehungszusammenhang in wirtschaftlicher und betriebstechnischer Hinsicht an. Ein einheitliches Gesamtvorhaben liegt insbesondere dann vor, wenn einzelne Teile eines Vorhabens im Betriebszustand durch integrierte Ablauf- bzw. Produktionsprozesse miteinander verbunden sind. Wenn dagegen Anlagen für sich genommen bereits betriebstechnisch und wirtschaftlich eine sinnvolle Einheit bilden, dann spricht dies für die Selbständigkeit der Vorhaben und gegen die Annahme eines einheitlichen Gesamtvorhabens. Dabei ist allerdings zu beachten, daß die Kriterien der zeitlichen, räumlichen und funktionellen Zusammengehörigkeit nicht isoliert voneinander zu sehen, sondern in einer Gesamtbetrachtung miteinander zu verbinden sind.

- Organisations- und entscheidungstheoretische Ansätze Genehmigungsverfahren, in denen über die Zulässigkeit eines einheitlichen Gesamtvorhabens zu entscheiden ist, bilden ein organisiertes soziales System innerhalb der öffentlichen Verwaltung. 4 Genehmigungsverfahren bilden 4 Unter einem sozialen System wird allgemein ein von der umgebenden Wirklichkeit abgegrenzter Zusammenhang miteinander verbundener Elemente verstanden, welche aus Personen bzw. aus sozialen Handlungen bestehen. Dementsprechend lassen sich auch Verwaltungsverfahren als soziale Systeme begreifen, vgl. Luhmann (Fn. 2), S. 38 ff. Entspr. zum Justizverfahren: Hagen, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 4, S. 138 und zum "Gesetzesvollzugssystem" Bohne, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und

3.2. Grundbegriffe der Analyse

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zugleich den Rahmen für administrative Entscheidungsprozesse. 5 Dementsprechend läßt sich das vorhabenbezogene Verfahrenssystem als Teil des Entscheidungssystems der öffentlichen Verwaltung ansehen. 6 Diese Eigenschaften des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems rechtfertigen es, bei der Analyse Ansätze und Konzepte der Organisations- und Entscheidungstheorie heranzuziehen. Aus Elementen der Organisations- und Entscheidungstheorie lassen sich sogar Ansätze zu einer" Verfahrenstheorie" entwickeln. 7 Dadurch kann das abstrakte Grundgerüst der allgemeinen Systemtheorie verfeinert und präzisiert sowie dem vorliegenden Untersuchungsgegenstand angepaßt werden. Wenn im folgenden die Aufgliederung und die Koordination des Verfahrenssystems als Grunddimensionen der Analyse dienen, so wird damit ein bewährter organisationstheoretischer Ansatz zugrunde gelegt. 8 Arbeitsteilung und Koordination bzw. Analyse und Synthese der Aufgabenwahrnehmung werden als Grundprinzipien der Organisationsgestaltung angesehen.9 Dieses Analyseschema eignet sich auch dazu, um einen "Schnitt" durch komplexe Genehmigungsverfahren zu legen und so den Merkmalsraum des Verfahrenssystems zweidimensional zu erschließen. 10

- Sozialwtssenschaftliche Fundierung und normative Orientierung Was die Informationsgrundlagen der Analyse betrifft, so konnten die eigenen Beobachtungen durch Erkenntnisse der lmplementationsforschung erRechtstheorie, Bd. 7, S. 20 (61 ff.) . Verwaltungsverfahren zeichnen sich zudem dadurch aus, daß sie auf ein Ziel gerichtet sind und über eine formale Struktur verfügen. Diese beiden Eigenschaften haben sie mit einer besonderen Art von sozialen Systemen, den Organisationen, gemein. 5 Vgl. Luhmann (Fn. 2), S. 3: "Verfahren werden als soziale Systeme gesehen, die mit Entscheidungsprozessen synchronisiert, aber nicht identisch sind." 6 Zur Entscheidungstheorie vgl. Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1- 3; Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen; Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, S. 48 ff.; ders., Legitimation durch Verfahren; Wahl, in: Hoffmann-Riem, Sozialwissenschaften im öffentlichen Recht, S. 3 78 f. Speziell zum Informations- und Entscheidungssystem einer Organisation vgl. Kirsch, a.a.O., Bd. 3, S. 43, 49 ff.; Simon, a.a.O., S. 284 ff. 7 Zur Verknüpfung von Organisations· und Entscheidungstheorie vgl. Kirsch (Fn. 6), Bd. 3, bes. S. 94ff.; Hagen (Fn. 4), S. 140, 149. 8 Vgl. Kieser/Kubicek, Organisation, S. 49 ff., 7 3 f.; Grochla, Einführung in die Organisationstheorie, S. 30 ff. 9 Vgl. Grochla, Unternehmensorganisation, S. 57, der in der Aufgabenteilung und Koordination "das fundamentale organisatorische Gleichgewichtsproblem" sieht. Ebenso Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 74, 76. Der Zusammenhang von Aufgliederung und Koordination wurde z.B. nicht nur bei der Planungsdiskussion und bei der Ressorteinteilung auf der Ministerialebene als Grundproblem des Organisierens erkannt (vgl. Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 73 ff.; Eilwein (Fn. 1), S. 179 f.), sondern auch im Bereich der Vollzugsverwaltung (vgl. z.B. Ellwein, a.a.O., S. 170). 10 Zur Konzeptualisierung der Verfahrensstruktur durch Festlegung von Strukturdimensionen vgl. Kieser/Kubicek, Organisation, S. 43 ff.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

gänzt werden. Diese sozialwissenschaftliche Forschungsrichtung befaßt sich mit den Bedingungen und Problemen des administrativen Vollzugs gesetzlicher bzw. politischer Programme .U Erkenntnisse zur Verfahrenswirklichkeit ergaben sich namentlich bei der im Auftrag des Sachverständigenrats für Umweltfragen vom Institut für angewandte Sozialforschung der Universität Köln durchgeführten empirischen Untersuchung über "Vollzugsprobleme der Umweltpolitik".12 Eine verwaltungswissenschaftlich informierte und fundierte Analyse 13 kann Einsichten in die objektiven Funktionszusammenhänge des Verfahrenssystems vermitteln und die Wirkungen und Bedingtheiten einzelner Strukturelemente aufklären. Damit ist aber die Frage nach der "richtigen" Verfahrensgestaltung noch nicht beantwortet. Die Einbeziehung von Ansätzen und Ergebnissen der Systemtheorie, der Organisations- und Entscheidungstheorie sowie der Implementationsforschung kann zwar eine kritische und anregende Wirkung auf die Normdiskussion ausüben. 14 Sie kann jedoch selbst keine normativen Beurteilungsmaßstäbe liefern. Bei der Gestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems bedarf es daher einer normativen Orientierung, die über den soziologischen und juristischen Positivismus hinausgeht. Wie bereits ausgeführt, kann die Verwaltungseffizienz bzw. Verfahrensökonomie nicht der einzige und höchste Maßstab sein, an dem Verfahrensstrukturen bzw. Verfahrensnormen zu messen sind. Es müssen vielmehr weitere und inhaltlich gehaltvollere Maßstäbe und Ziele hinzutreten. Dazu gehören etwa eine verbesserte inhaltliche Qualität von Genehmigungsentscheidungen, ein wirksamerer Vollzug des Umweltschutzrechts, eine stärkere Koordination des Verwaltungshandelns, die Verwirklichung rechtsstaatlicher Grundsätze und eine verbesserte Zugänglichkeit und Transparenz der Verwaltung.

II Vgl. Mayntz, in: Die Verwaltung 1977, 51 ff.; dies., lmplementation politischer Pro· gramme, Bd. 1 u . 2; Wollmann, in: ders., Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 9 ff. sowie Wahl (Fn. 6), S. 379 f. 12 Mayntz etal., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, 1978. Vgl. außerdem z.B. Rückwardt (Fn. 9), S. 178 ff.; Hucke/Ullmann, in: Mayntz, lmplementation politischer Programme, Bd. 1, S. 104ff.; Winter, Das Vollzugsdefizit im Wasserrecht, 1975; Rechtstatsa· chenuntersuchung zur Baugenehmigungspraxis, in: Schriftenreihe des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft Nr. 03.110. 13 Zu den methodischen Prinzipien einer verwaltungswissenschaftlich informierten und fundierten rechtswissenschaftliehen Arbeit vgl. Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, Bd. 1, S. 2 f. 14 Vgl. Schwarze in DöV 1980, 581 (589), Bachof in VVDStRL 30 (1972), 193 (215 ff.); Brohm, ebd., S. 245 (250 f.}; Schenke in VBIBW 1982, 313 (315); Rehbinder, Rechtssoziologie, S. 26 ff., 33 ff.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

81

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems 3.3.1. Ausdifferenzierung der Programm-, Organisations- und Verfahrensstruktur Die parallelen und konzentrierten Genehmigungsverfahren werden durch die in hohem Maße ausdifferenzierte Programm·, Organisations- und Verfahrensstruktur der modernen Verwaltung geprägt. Im folgenden soll den verschiedenen Formen der Ausdifferenzierung auf den Ebenen der Programm-, Organisations- und Verfahrensstruktur nachgegangen werden. 1

3.3.1.1. Merkmale der Programmstruktur Zur Programmstruktur gehören die inhaltlichen Entscheidungsregeln, also insbesondere die fachgesetzlich normierten Genehmigungsvorbehalte und Genehmigungsvoraussetzungen. Dadurch wird der jeweilige Genehmigungsge· genstand und Genehmigungsmaßstab festgelegt. 1• Die Programmstruktur ist somit für die Abgrenzung paralleler Prüfungs- und Entscheidungsbereiche, aber auch für die Bestimmung des Prüfungs- und Entscheidungsumfangs bei konzentrierten Genehmigungsverfahren maßgeblich. Genehmigungsvorbehalte und materielle Anforderungen an genehmigungsbedürftige Vorhaben sind in einer Vielzahl von Fachgesetzen des Besonderen Verwaltungsrechts enthalten. Kennzeichnend für die Systematik des materiellen Genehmigungsrechts ist eine sehtorale Gliederung nach Gefahrenbereichen. Fast alle Genehmigungsvorbehalte dienen in ihrem Kern dem Schutz vor spezifischen Gefahren. Wenngleich Genehmigungsvorbehalte ein typisches Instrument der Ordnungsverwaltung darstellen und herkömmlicherweise der Gefahrenabwehr dienen, so ist doch festzustellen, daß ihre Funktion heute oftmals über die reine Gefahrenabwehr hinausgeht. 2 Genehmigungsvorbehalte enthalten rela-

I Solche und ähnliche Klassifizierungen von Strukturelementen sind in der Verwaltungswissenschaft gebräuchlich. Vgl. Knoepfel, öffentliches Recht und Vollzugsf_orschung, S. 55 ff.; Mayntz, in: Die Verwaltung 1977, 51 (58 ff.); dies., in: Implementatwn politischer Programme. Bd. 1, S. 1 ff.; König, in: Die Verwaltung,1980,1 (19). Daneben werden noch Personalstruktur und Feldstruktur unterschieden. Während die Personalstruktur die Eigenschaften des Verwaltungspersonals umfaßt, bezieht sich die Feldstruktur auf die Eigenschaften der ,.Verwaltungsumwelt", die die Verwaltung bei ihren Handlungen und Entscheidungen umgibt. I+ Beide Kriterien bestimmen zusammen den jeweiligen "Genehmigungsbereich", wo· bei allerdings zwischen dem "Prüfungsbereich" (Prüfungsgegenstan~ und Prüfun~smaß­ stab) und dem "Entscheidungsbereich" (Regelungsgehalt der Genehmigungsentscheidung) zu unterscheiden ist. Vgi.Jarass in DÖV 1978,21 (22) sowie Abschn. 5.1.1.5. 2 Vgl. Martensin DöV 1982,89 (94); Badura in BayVBI1976, 515 ff.

6 Wagner

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

tiv häufig Elemente räumlicher Planung3 und manchmal sogar schon Ansätze zu einer Umweltplanung. 4 Dabei steht mitunter die Verteilung knapper Ressourcen gegenüber der eigentlichen Gefahrenabwehr im Vordergrund. Außerdem gewinnen wirtschafts·, versorgungs-und sozialpolitische Gesichtspunkte zunehmend an Bedeutung. 5 Wenngleich trotz dieser Erweiterungen das Grundprinzip der sektoralen Gliederung nach Gefahrenbereichen immer noch Gültigkeit besitzt, so stellt es doch kein einheitliches und systematisches Ordnungsprinzip dar, nach dem sich die verschiedenen Genehmigungsbereiche klar voneinander abgrenzen ließen. Eine eindeutige Aufgliederung wird schon dadurch in Frage gestellt, daß sich Gefahren nicht nur von den "Gefahrenquellen" her erfassen lassen, sondern auch von den "geschützten Rechtsgütern" her, denen bestimmte Gefahren drohen. Auch diese Anknüpfungspunkte sind wiederum recht vieldeutig: Sie können sich z.B. auf bestimmte Wirtschaftsbereiche, Umweltmedien, Anlagen, Sachen oder auch Personen beziehen. 6 Die ordnungsrechtlichen Vorschriften des Besonderen Verwaltungsrechts folgen keinem einheitlichen und konsequent durchgeführten Ordnungsprinzip. Dies ist ver· ständlich, wenn man die historisch gewachsene Eigenart des Besonderen Verwaltungsrechts bedenkt: Es gab auf diesem Gebiet keine umfassende und systematische Kodifikation, sondern es wurden nach und nach immer mehr Regelungsmaterien aus dem Allgemeinen Polizeirecht ausgegliedert und in eigenen Fachgesetzen besonders geregelt. Dieses Herausgreifen einzelner Fachbereiche entsprach zumeist bestimmten zeitbedingten Bedürfnissen, ohne daß dem ein allgemeines systematisches Prinzip zugrunde gelegen hätte. Versucht man daher, bestehende Genehmigungsvorbehalte zu systematisieren, so kann dies nur höchst unvollkommen gelingen. So ist etwa eine Einteilung nach verschiedenen Wirtschafts- und Versorgungsbereichen möglich: Da3 Vgl. z.B. §§ 29 ff. BBauG/BauGB i.V.m. §§51, 59 LBO BW; § 6 LuftVG; § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG. 4 Vgl. z.B. § 6 WHG (Bewirtschaftungsermessen), §§ 18 a, 19, 27, 36,36 b WHG; § 5 Nr. 2 BlmSchG (Vorsorgeprinzip); § § 21 ff. NatSchG BW. s So werden z.B. in § 4 EnWiG energiepolitische Zwecke, in§§ 6 ff. BBergG rohstoff. politische, in §§ 2, 13 PBefG, § 6 Abs. 3 LuftVG verkehrspolitische und in §§ 1 Abs. 4, 15 StBauFG, Art. 6 § 1 MRVerbG i.B.m. § 1 ZweckentfremdungsVO BW sowie allgemein bei der Errichtung von Gebäuden sozialpolitische Zwecke verfolgt (so sind z.B. gern.§§ 3 Abs. 3, 42 LBO BW "die Belange von Behinderten, alten Menschen und Müttern mit Klein· kindem nach Möglichkeit einzubeziehen"; vgl. auch Friauf, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 576f.). Mitunter wird heute sogar eine "Sozialverträglichkeitsprüfung" gefordert, die die gesellschaftlichen Auswirkungen eines Vorhabens mitberücksichtigt. Auch wenn bei Genehmigungsvorbehalten wirtschaftliche und soziale Belange nicht als Prüfungsmaßstab genannt sind, können derartige Gesichtspunkte zumindest informell bei der Ermessensausübung oder im Rahmen eines faktischen Entscheidungsspielraums bei unbestimmten Rechtsbegriffen zum Tragen kommen (vgl. Mayntz et al., Vollzugsproble· me der Umweltpolitik, S. 36, 353, 659 ff.). 6 So unterscheidet z.B. Breuer, in: Der Staat 1981 , 393 (395 ff.) sowie ders., in: Umwelt, Verfassung, Verwaltung, S. 37 (42) den medialen, kausalen, vitalen und integrierten Umweltschutz.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

83

bei lassen sich u.a. Gewerbe, 7 Urproduktion, 8 Verkehr, 9 Kommunikation,I 0 Energieversorgung, 11 Wasserversorgung12 und Entsorgung13 unterscheiden. Ein anderer Ordnungsgesichtspunkt, der namentlich im Umweltschutzrecht prägend gewirkt hat, differenziert nach den "Umweltmedien ", auf die sich ein Vorhaben auswirkt, 14 nämlich Luft, 15 Wasser16 und BodenP Hinzu kommen Genehmigungsvorbehalte, die dem Schutz vor ionisierenden Strahlen dienen. 18 Andere Genehmigungsvorbehalte knüpfen an besonders gefährlichen Anlagen bzw. am Umgang mit besonders gefährlichen Gegenständen an. 19 Dem stehen Genehmigungsvorbehalte gegenüber, die bestimmten schutzwürdigen Gegenständen, wie Teilen der Landschaft, Tiere und Pflanzen20 oder Kulturdenkmälem21 einen besonderen Schutz verleihen. Wieder andere Genehmigungsvorbehalte sind auf den Schutz bestimmter Kreise von Betroffenen gerichtet.22 Schließlich sind noch Genehmigungsvorbehalte zu nennen, durch die die Erfüllung bestimmter hoheitlicher Aufgaben unter besonderen Schutz gestellt wird. 23 Die hier vorgenommene Systematisierung erhebt weder den Anspruch auf Allgemeingültigkeit noch auf Vollständigkeit; es sind daneben auch andere Systematisierungsansätze denkbar. Es sollte vielmehr nur die Vielfalt genehmigungsrechtlicher Regelungen und das Fehlen einheitlicher und durchgängiger Abgrenzungskriterien verdeutlicht werden. Bei der Abgrenzung fachgesetzlicher Genehmigungsbereiche sind meist mehrere der genannten oder so7 Vgl. z.B. § 4 BlmSchG, § 30 ff. GewO, Verordnungen nach § 24 GewO, § 2 GastG, §§ 1 Abs. 2, 6 ApothekenG. 8 Vgl. z.B. § § 6 ff., 51 ff. BBergG, § § 9, 24 LWaldG BW, § 2 GrdstVG, § § 25 , 27 LandwirtschaftsG BW. 9 Vgl. z.B. § 36 BBahnG, §§ 9, 14, 31 WaStrG, §§ 9, 17 FStrG, §§ 6, 8, 15 LuftVG, §§ 2, 9, 28,41 PBefG, §§ 24, 29 StrG BW. 10 Vgl. z.B. § 7 Te!WegG, § 2 FernmG. 11 Vgl. z .B. § 4 EnWiG, § 14 LplG BW. 12 Vgl. z.B. § 19 WHG, 43 WG BW. 13 Vgl. z.B. § 7 AbfG, § 13 LAbfG BW, § 45 e WG BW, § 9 b AtG. 14 Vgl. Breuer (Fn. 6). 1s Vgl. z.B. § 4 BlmSchG. 16 Vgl. z.B. §§ 2, 7, 8 WHG. 17 Vgl. z.B. §§ 11 bis 13 NatSchG BW; §§ 29ff. BBauG/BauGB i.V.m. §§51, 59 LBO BW; § 7 AbfG. 18 Vgl. z.B. §§ 6, 7, 9 AtG, §§ 3, 15, 16 StrSchV, § 3 RöntgenV. 19 Vgl. z.B. § 17 SprengG, § 44 WaffG, § 2 KriegswaffG, §§ 4, 17 Abs. 1 Nr. 4 ChemiekalienG, § 3 Betäubungsmitte!G. 20 Vgl. z.B. §§!Off., 62ff. NatSchG BW i.V.m. Schutzgebietsverordnungen. 21 Vgl. z.B. §§ 8, 15, 19,22 Denkma!SchG BW. 22 Wie z.B. der Arbeitnehmer (vgl. § 4 ArbeitsstättenVO), der Verbraucher (vgl. §§ 13, 21 AMG) oder der Wohnungsmieter (vgl. Art. 6 § 1 MRVerbG i.V.m. den Zweckentfremdungsverordnungen). 23 Vgl. z.B. § 3 SchutzBerG, §§ 65, 69 ZollG.

6*

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

gar noch weitere Kriterien nebeneinander heranzuziehen. Dabei liegen die Kriterien - systematisch gesehen - oft auf ganz verschiedenen Ebenen. 24 Dieser Umstand ist nicht nur für parallele Genehmigungsverfahren insofern folgenreich, als dadurch eine eindeutige und trennscharfe Abgrenzung paralleler Prüfungs- und Entscheidungsbereiche fast unmöglich gemacht wird. Die mangelnde Systematik genehmigungsrechtlicher Vorschriften führt auch dazu, daß die Schaffung eines logisch geordneten "Systems" von Konzentrationsregelungen nicht gerade erleichtert wird.

3.3.1. 2. Merkmale der Organüationsstruk tur Im Unterschied zum Verwaltungsverfahren, das die "dynamischen" Abläufe in der Zeit, insbesondere die Entscheidungsvorgänge erfaßt, 1 bezeichnet die Verwaltungsorganisation das "statische" Gerüst der Verwaltung, insbesondere die Einrichtung der Behörden, das Leitungssystem (Hierarchie) und die Zuständigkeitsordnung. 2 Es soll hier also ein enger Organisationsbegriff zugrunde gelegt werden, der nur die Aufbau- und nicht auch die Ablauforganisation um faßt. 3

24 Dies läßt sich etwa bei der immissionsschutzrechtl. Anlagengenehmigung (§ 4 BlmSchG) aufzeigen: Obwohl gegenüber dem früheren§ I6 GewO a.F. der Anwendungs· hereich auf nicht-wirtschaftliche Anlagen erweitert wurde, stellen doch die gewerblichwirtschaftlichen Anlagen w eiterhin den Hauptanwendungsfall dar. § 4 BlmSchG weist daher auch heute noch einen starken gewerberechtl. Charakter auf. Allerdings werden Anlagen vor allem im Hinblick auf ihre Eignung erfaßt, schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Geräusche hervorzurufen. Als primärer Anknüpfungspunkt lassen sich daher bestimmte Umweltauswirkungen ansehen (vgl. § 3 Abs. 2 BlmSchG). Der Schutz bezieht sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich auf das Umweltmedium Luft. Letztlich dient der Genehmigungsvorbehalt aber auch dem Schutz von Menschen sowie von Tieren, Pflanzen und anderen Sachen (vgl. § § I, 3 Abs. 2 BlmSchG), wobei der Schutz der Nachbarn besonders hervorgehoben wurde (vgl. § 5 Abs. I Nr. I BlmSchG). Erfaßt werden aber nur diejenigen gefährlichen Anlagen, die in der 4 . BlmSchV enumerativ aufgeführt sind. Generell ausgeklammert bleiben kerntechnische Anlagen im Hinblick auf den Strahlenschutz (vgl. § 2 Abs. 2 BlmSchG). Auch Anlagen der Landesverteidigung können von der Genehmigungspflicht ausgenommen werden (vgl. § 60 BlmSchG). Es fällt hierbei auf, daß sich sämtliche der im Text erwähnten Ordnungsgesichtspunkte in der einen oder anderen Form wiederfinden. 1 Vgl. Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Rn. I3 ff. vor § 9 ; Maurer, Allgemeines Verwal· tungsrecht, § I9 Rn. 1, sowie Wahl in VVDStRL 41 (I98 3), I5I (I 53): ,.Das Verwal· tungsverfahren ist die Verwaltung in Aktion". 2 Auch in Art. 84 Abs. 1 und Art. 85 Abs. I GG wird eine Unterscheidung zwischen der Verwaltungsorganisation (genauer: der ,.Einrichtung der Behörden") und dem Verwaltungsverfahren getroffen, vgl. Finkelnburg/Lässig (Fn. I); Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog, GG, Art. 84, Rn. I7 ff. , 29; Bettermann in VVDStRL I7 (I959), II8 (I 30 ff.); Kirschenmann in JuS I977, 565 (5 72). Der verwaltungsverfahrensrechtl. Begriff des Verwaltungsverfahrens (vgl. § 9 VwVfG) ist demgegenüber enger, weil er nur diejenige Tätigkeit der Behörden erfaßt, die "nach außen" wirkt, die also insbesondere auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß von Verwaltungsakten gerichtet ist. 3 Häufig werden jedoch die Aufbau- und die Ablauforganisation nur als verschiedene Aspekte der als institutionelle und funktionelle Einheit zu begreifenden Organisation verstanden. Vgl. Thieme, Verwaltungslehre, Rn. I55 ; Grochla, Unternehmensorganisation, S. 22. Zur Unterscheidung des institutionellen Organisationsbegriffs ("Die Verwaltung ist

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Ahnlieh wie bei der Programmstruktur ist auch hier eine sehtorale Ausdifferenzierung nach Fachbereichen festzustellen. 4 Dies gilt nicht nur für die (wenigen) Sonderverwaltungszweige des Bundes, sondern auch für die Landesverwaltung: Hier zeigt sich das sektorale Gliederungsprinzip nicht nur bei der Ressortaufteilung auf der Ministerialebene, sondern auch bei den verschiedenen Sonderverwaltungen (z.B. Gewerbeaufsicht, Forstverwaltung) und bei der inneren Aufgliederung allgemeiner Verwaltungsbehörden in verschiedene Fachabteilungen. Historisch ist diese Ausdifferenzierung dadurch entstanden, daß nach und nach immer mehr Aufgabenbereiche aus dem Innenressort und aus der allgemeinen Verwaltung ausgegliedert worden sind. s· Genehmigungszuständigkeiten liegen nur verhältnismäßig selten bei Bundesbehörden.6 Meist sind die Länder auch zum Vollzug bundesgesetzlicher Genehmigungsvorbehalte zuständig (vgl. Art. 83 bis 85 GG}. Innerhalb der Länder sind die Genehmigungszuständigkeiten meist auf der unteren Verwaltungsebene angesiedelt, insbesondere bei den allgemeinen unteren Verwaltungsbehörden (Landratsämter und kreisfreie Städte). 7 Die Aufgaben der Baugenehmigungsbehörde sind in Baden-Württemberg außer den kreisfreien Städten vielfach auch sonstigen Gemeinden als Pflichtaufgabe nach Weisung übertragen. 8 Zahlreiche Genehmigungszuständigkeiten liegen aber auch auf der höheren Ebene der allgemeinen Verwaltung, d.h. den Regierungspräsidien. Daneben sind eine Reihe von Genehmigungszuständigkeiten unteren Sonderbehörden (z.B. den Gewerbeaufsichtsämtern), 9 sei-

eine Organisation") vom funktionellen ("Die Verwaltung hat eine Organisation") vgl. all· gemein Kieser/Kubicek, Organisation, S. 1 ff. 4 Vgl. Ellwein, Regieren und Verwalten, S. 96 ff.; Püttner, Verwaltungslehre, S. 79 ff., 157; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 102 ff., 218 ff.; Thieme, Verwaltungslehre , Rn. 379 ff., 5 76; Wagener, in: Grochla, Handwörterbuch der Organisation, Sp. 1408 ff. 5 Vgl. Eilwein (Fn. 4), S. 92; von Unruh in DVBl 1979, 76 1 (765 ). 6 So sind z .B. die Wasser- und Schiffahrtsdirektionen bzw. -ämter sowie die Bundesbahn und die Bundespost i.d.R. selbst Planfeststellungs- und Genehmigungsbehörden (vgl. §§ 9, 14, 31 WaStrG, § 36 BBahnG, § 7 TelWegG, § 2 FernmG). Vgl. außerdem z.B. die Genehmigungszuständigkeiten der Wehrbereichsverwaltung (§ 3 SchutzBerG), der Hauptzollämter(§§ 65, 69 ZollG) und der PTB. 7 Vgl. § 13 LVG BW. 8 Nämlich den Großen Kreisstädten sowie den sog. Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit eigener Baurechtszuständigkeit, vgl. § § 48, 50 Abs. 1 LBO BW. Im Jahre 1980 besaßen in Bad.-Württ. von insgesamt 1.111 Gemeinden 187 die eigene Baurechtszuständigkeit. 9 Es besteht allerdings die Tendenz, Genehmigungszuständigkeiten auf die allgemeinen unteren Verwaltungsbehörden zu verlagern oder sogar bestimmte Sonderbehörden in diese einzugliedern. Vgl. dazu den Bericht der Projektgruppe "Bürgernähe in der Verwaltung" von 1980, hrsg. vom Staatsministerium BW, S. 28ff. und den Bericht der "Kommission Land-Kommunen" von 1981 über die Möglichkeiten einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, hrsg. vom Innenministerium BW. Vgl. auch Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 100 ff. sowie die vergleichende Übersicht, ebd., S. 89 ff., 489 ff. zur Zuständigkeitsverteilung in den einzelnen Bundesländern.

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tener auch höheren Sonderbehörden 10 oder Landesoberbehörden übertragen." In einigen wichtigen Fällen, namentlich im Atomrecht, 12 ist die Erteilung von Genehmigungen sogar Ministerien vorbehalten.

3.3.1.3. Merkmale der Verfahrensstruktur Die Verfahrensstruktur betrifft die administrative "Ablauforganisation". Eine Ausdifferenzierung kann hierbei sowohl durch eine Aufspaltung in mehrere (parallele) Verwaltungsverfahren als auch durch eine innere Aufgliederung einzelner Verwaltungsverfahren erfolgen. Im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander besteht insofern eine "sektorale" Ausdifferenzierung, als in den parallelen Verfahrenjeweils über einzelne Aspekte des betreffenden Vorhabens unter bestimmten fachlichen Gesichtspunkten zu entscheiden ist. Außerdem findet häufig zugleich eine "phasenspezifische" Ausdifferenzierung statt, wenn Genehmigungsvorbehalte an verschiedenen Verwirklichungsstufen eines Vorhabens ansetzen und die parallelen Genehmigungsverfahren nicht synchron, sondern zeitlich versetzt durchgeführt werden. 1 Ähnliche Formen sektoraler und phasenspezifischer Ausdifferenzierung finden sich auch innerhalb einzelner Genehmigungsverfahren, und zwar insbesondere in der Form der Mitbeteiligung anderer Stellen am Verfahren und in der Form der Stufung des Verfahrens. Diese beiden Formen verfahrensinterner Ausdifferenzierung sollen im folgenden etwas näher untersucht werden.

Verfahrensmitbeteiligung Zahlreiche Vorschriften sehen eine Verpflichtung der jeweiligen Genehmigungsbehörde vor, andere Verwaltungseinheiten, deren Aufgabengebiet durch das zu genehmigende Vorhaben berührt wird, am Genehmigungsverfahren zu beteiligen (vgl. z.B. § 10 Abs. 5 BimSchG, § 7 Abs. 4 Satz 1 AtG, Z.B. den Forstdirektionen, vgl. §§ 9 Abs. 1, 62 Nr. 2 LWaldG BW. Dies gilt in Bad.·Württ. namentlich für das Landesbergamt, bei dem zahlreiche Ge· nehmigungszuständigkeiten für Bergbauvorhaben gebündelt sind (vgl. § 1 Abs. 1 BBergGZuV BW, §§ 14 Abs. 2, 19f Abs. 1 Satz 2 WHG, § 98 Abs.1 WG BW, § 7 BlmSchGZuV BW). Daneben sind Landesoberbehörden häufij: intern an Genehmigungsverfahren beteiligt, etwa die Landesanstalt für Umweltschutz (dazu Mayntz et al. (Fn. 9), S. 246 ff. oder das Landesdenkmalamt mit seinen Außenstellen (vgl. § 3 Abs. 1 u . 3 DenkmalSchG BW). 12 Vgl. § 24 Abs. 2 AtG. I Im Falle des .,Zwischenlagers Gorleben" waren etwa die Baugenehmigungen für die Grundstücksumschließung im Juli 1981, für das Lager für radioaktive Abfälle im Februar 1982 und für das Lager für abgebrannte Brennelemente sowie für die Nebengebäude im April 1982 erteilt worden, während die bereits im April bzw. Juli 1980 beantragte atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung und strahlenschutzrechtliche Umfangsgenehmigung erst im Herbst 1983 erteilt wurden. 10 11

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§§ 15, 54 Abs. 2 BBergG, §55 Abs. 1 Satz 2 LBO BW). 2 Die Mitbeteiligung der anderen Behörden besteht zumindest darin, daß sie über den vorliegenden Genehmigungsantrag informiert werden und ihnen - meist innerhalb einer bestimmten Frist - Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Auch in Art. 6 Abs. 1 UVP-Richtlinie ist vorgesehen, daß die jeweilige Genehmigungsbehörde alle für Umweltfragen zuständigen Verwaltungsbehörden konsultiert.3 Die Verfahrensmitbeteiligung entspricht hergebrachten Verwaltungsgrundsätzen und wird allgemein so gehandhabt. 4 Eher selten scheinen Genehmigungsbehörden eine "Strategie der Nichtbeteiligung" zu verfolgen, um zu vermeiden, daß ein zu erwartender Widerstand einer anderen Verwaltungseinheit im Verfahren wirksam wird. 5 Den mitberührten Verwaltungseinheiten ist jedenfalls Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu geben, sofern nicht eine weitergehende Form der Mitbeteiligung vorgeschrieben ist. Die Mitwirkungsakte sind regelmäßig als Verwaltungsinterna anzusehen, die vor den Verwaltungsgerichten nicht selbständig angefochten werden können. 6 Zu den Behörden, deren Aufgabenbereich berührt wird, zählen außer den "Technischen Fachbehörden" (wie z.B. den Wasserwirtschaftsämtem),7 die eine beratende und unterstützende Funktion wahrnehmen und über keine Außenentscheidungsbefugnisse verfügen, namentlich auch die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden sowie die infolge einer Konzentrationswirkung verdrängten Genehmigungsbehörden. Die Mitbeteiligung hat daher vor allem den Sinn, das Sach- und Fachwissen und die Verwaltungserfahrung, die andere Behörden auf bestimmten Sachgebieten erworben haben, in das Genehmigungsverfahren einzubringen. 2 Vgl. ferner z.B. § 73 Abs. 2 VwVfG, §§ 3 Abs. 2, 8 Abs. 5, 9 BNatSchG, §§ 4 Abs. 1 u. 2, 12 Abs. 1, 61 NatSchG BW, § 8 Nr. 2 BWaldG, §§ 9 Abs. 1 Satz 2, 65 Abs. 2 LWaldG BW. In der MBO '81 fehlt allerdings eine solche ausdrückliche Beteiligungsvorschrift, doch wird die Mitbeteiligung anderer Behörden in§ 66 Abs. 1 Satz 2 MBO '81 vorausgesetzt. 3 Abl.EG 1985 Nr. L 175/40- s. Anh. -. Vgl. auch die Begründung dazu in BT-Drucks. 9/166 S. 123 (Ziff. 27 u. 31). 4 Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 259 ff., 329 ff., 602 ff., 652 ff. s Vgl. ebd., S. 263 f., 286. 6 Vgl. BVerwG, Urt. v. 28.5.1963, E 16, 116 (zu§ 9 Abs. 2 FStrG), Urt. v. 16.7 .1965, E 21, 354 (zu§ 12 Abs. 2 LuftVG), Urt. v. 19.11.1965, E 22, 342, Urt. v. 25.10.1967, E 28, 145 (jeweils zu § 36 BBauG); Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 35 Rn. 92 ff.; Erichsen/Martens, in: dies., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 II 5 d, S. 178; Badura, ebd., § 40 111, S. 350; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 30 (S. 150 f.); Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 65 ff.; Bäumler in BayVB11978, 492 (493 f.). 7 Vgl. z.B. § § 95 Abs. 3, 100 Abs. 3 WG BW. Zur organisatorischen Trennung von recht!. Entscheidungskompetenzen und technischem Fachwissen vgl. Mayntz et al. (Fn. 4), S. 48ff., 74ff., 251 ff., 597 ff., und speziell zu den Wasserwirtschaftsämtern S. 58f., 598 f., 647 ff., 652.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Allerdings reicht auch dann, wenn fachlich kompetente Behörden beteiligt werden, der Fach- und Sachverstand der öffentlichen Verwaltung und deren Arbeitskapazität in vielen Fällen für eine qualifizierte inhaltliche Sachprüfung von Genehmigungsanträgen nicht aus. Es kommt daher häufig dazu, daß private Sachverständige bzw. Sachverständigen-Organisationen zu Genehmigungsverfahren hinzugezogen werden. 8 Insbesondere bei der Genehmigung moderner technischer Anlagen kann es zu einer weitgehenden Verlagerung der Prüfungstätigkeit auf Sachverständige außerhalb der Verwaltung kommen, zumal dann, wenn vom neuestenStand der Wissenschaft und Technik auszugehen ist (vgl. z.B. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG). Die Mitbeteiligung anderer Behörden hat oft noch eine weitergehende Funktion als die der Bereitstellung spezifischer Sachinformationen. So kann insbesondere die Einschaltung einer Aufsichtsbehörde der administrativen Selbstkontrolle dienen. Nicht selten sind Zustimmungsvorbehalte zugunsten von Aufsichtsbehörden vorgesehen (vgl. z.B. §§ 31 Abs. 2, 36 Abs. 1 Satz 3 BBauG und künftig§ 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB ). Besondere Bedeutung kommt dabei der Bundesaufsicht im Rahmen von Genehmigungsverfahren zu, die von den Ländern im Auftrag des Bundes ausgeführt werden (vgl. Art. 85 GG). So wird z.B. regelmäßig das zuständige Bundesministerium an atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke beteiligt. 9 Das Ministerium läßt sich dabei in fachtechnischer Hinsicht von der Reaktorsicherheitskommission und der Strahlenschutzkommission beraten. Manchmal wird auch umgekehrt der Einfluß des betreffenden Landes gegenüber der Bundesverwaltung dadurch sichergestellt, daß Landesbehörden an den von Bundesbehörden durchzuführenden Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsverfahren beteiligt werden. Dies gilt z.B. für die Beteiligung der höheren Landesverwaltungsbehörde (Regierungspräsidium) an der bundesbahnrechtlichen Planfeststellung (vgl. § 36 Abs. 3 BBahnG). 10 Schließlich ist auch die "Standortgemeinde" regelmäßig am Genehmigungsverfahren zu beteiligen. Umweltrelevante Vorhaben berühren in aller Regel 8 Vgl. den Bericht der BReg über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rahmen atomrechtl. Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren v. 1975 sowie Mayntz et al. (Fn. 4), S. 331 ff., 652 zu immissionsschutzrechtl. und wasserrechtl. Genehmigungsverfahren. Vgl. außerdem § 72 Abs. 2 Nr. 1 LBO BW sowie Ueberhorst, Planungsstudie, S. 39 ff., 49 ff. und H. Wagner in ZRP 1982, 103 ff. in rechts- und verwaltungspolitischer Hinsicht. 9 Vgl. Ritter, Genehmigungsverfahren für kerntechnische Anlagen, S. 5. Die Zuständigkeit ist vom Bundesministerium des Innern auf das neue Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit übergegangen. 10 In§ 36 Abs. 3 Satz 2 BBahnG a.F. war bis 1986 vorgesehen, daß die höhere Verwaltungsbehörde als "Anhörungsbehörde" (§ 73 Abs. 1 VwVfG) selbständig das Anhörungsverfahren durchführte. Angesichts der unbefriedigenden Situation, daß die Deutsche Bundesbahn als Trägerin des Vorhabens zugleich Planfeststellungsbehörde ist, gewährleistete die Beteiligung des Regierungspräsidiums eine gewisse Selbstkontrolle der Verwaltung. Die Stellungnahme des Regierungspräsidiums gewann dadurch an Gewicht, daß es wesent-

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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die kommunale Planungshoheit. Auch bei solchen Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsverfahren, für die nicht schon gern. §§ 31, 36 BBauG (künftig § 36 BauGB) ein Einvernehmenserfordernis zugunsten der Gemeinde besteht, folgt aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG), daß der betroffenen Gemeinde zumindest Gelegenheit gegeben werden muß, ihre planerischen Vorstellungen 1m Genehmigungsverfahren zum Ausdruck zu bringen. 11 Die gleichzeitige Beteiligung von Behörden mehrerer Verwaltungsträger (Bund, Länder und GemeindenfGemeindeverbände) an einem Genehmigungsverfahren dient der Koordination zwischen diesen politisch selbständigen Verwaltungsträgern und kann damit auch zu einer gewissen "Ausbalancierung" der politischen Einflüsse führen. 12 Auf diese Weise kann sich die "politische Dezentralisierung 13 " in der Form des Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung auch direkt bei der Genehmigung konkreter Vorhaben niederschlagen. Die verfahrensmäßige Mitbeteiligung von Behörden anderer Verwaltungsträger führt oft zu ähnlichen Ergebnissen wie die Verteilung paralleler Genehmigungszuständigkeiten auf Behörden verschiedener Verwaltungsträger: So ist z.B. beim atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für ein Kernkraftwerk, das mit einer beschränkten Konzentrationswirkung ausgestattet ist (vgl. §§ 7, 8 Abs. 2 AtG, §50 Abs. 3 LBO BW), eine oberste Landesbehörde als Genehmigungsbehörde zuständig (vgl. § 24 Abs. 2 AtG) , welche wiederum der Aufsicht des mitbeteiligten Bundesministeriums unterliegt (vgl. Art. 85 Abs. 3 u. 4, Art. 87 c GG i.V.m. § 24 Abs. 1 AtG) und an das Einvernehmen der Gemeinde gebunden ist(§ 36 BBauG/BauGB). 14 Beim Genehmigungsverfahren liehe Teile des Planfeststellungsverfahrens selbständig durchführte. Infolgedessen konnte es Interessen der betroffenen Region und des Landes stärker zur Geltung bringen. Einer Stärkung des Einflusses der Länder diente auch die auf § 3 7 Abs. 2 u. 3 RBahnG v. 13.3.1930 (RGBI. Il, S. 369) zurückgehende und durc h Gesetz vom 22.1 2 .1981 (BGBI. S. 1689) aufgehobene Regelung in § 36 Abs. 3 BBahnG v. 13.12.19 51 (BGBI. S. 955), wonach bei Meinungsverschiedenheiten zwischen der Deutschen Bundesbahn und einer beteiligten Behörde der Plan vom Bundesminister für Verkehr festzustellen war. Historisch gesehen stellte der verfahrensrechtlich abgesicherte Einfluß der Länder einen gewissen Ausgleich für den Übergang der Staatseisenbahnen der Länder auf das Reich gern. Art. 90 WRV dar. 11 Vgl. etwa zur luftrechtlichen Genehmigung bzw. Planfeststellung: BVerwG, Urt. v. 7.7.1978- Startbahn West-, E 56, 110; Giemulla/Lau/Barton, LuftVG, § 6 Rn. 55 ff. ; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 38 Rn. 14, 90. 12 Ohne daß dies zu einer unzulässigen "Mischverwaltung" führen müßte, vgl. Hesse, Grundzüge des V erfassungsrechts, Rn. 2 51; Rudolf, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 55 Abs. 3, S. 543; Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 85 . . 13 Zum Begrjff der "politischen Dezentralisierung" im Gegensatz zur bloßen "administrativen Dezentralisierung" vgl. Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 26 ff. 14 Allerdings gibt es Bestrebungen, das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens einzuschränken und damit das Gewicht der Standortgemeinde bei der Genehmigungsentscheidung für ein Kernkraftwerk zu vermindern. So de lege ferenda der Vorschlag der VDEW für ein Standortplanfeststellungsverfahren für Atomanlagen, wobei der Katalog

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

für eine nukleare Entsorgungsanlage (Zwischenlager) ist dagegen für die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung eine Bundesbehörde (PTB), für die strahlenschutzrechtliche Umgangsgenehmigung eine Landesbehörde und schließlich für die Baugenehmigung eine Kommunalbehörde zuständig. Daß dabei jeweils rechtliche Aufsichtsbefugnisse bestehen (im Rahmen der Bundesaufsicht und Kommunalaufsicht), ändert nichts an den zumindest faktischen Einflußmöglichkeiten des Landes und der betroffenen Kommunen im Hinblick auf die Genehmigung der genannten Vorhaben. 15 Auch wenn die genannten "politischen" Funktionen die Bereitstellung von speziellem Sach· und Fachwissen partiell überlagern, so bleibt doch der sektoral-fachbezogene Charakter für das Mitbeteiligungsverfahren kennzeichnend. Die mitbeteiligten Verwaltungseinheiten werden nämlich regelmäßig nicht mit dem gesamten Gegenstand des Genehmigungsverfahrens befaßt, sondern nur mit einem bestimmten Ausschnitt davon. Sie haben das Vorhaben jeweils nur unter dem Blickwinkel des eigenen Aufgabenbereichs, d.h. aus ihrer spezifisch fachlichen Sicht zu beurteilen. Auf diese Weise kommt es zu einer sektoralen Aufteilung des Prüfungsbereiches. Die mitbeteiligten Verwaltungseinheiten könnenjeweils fachbezogene Gesichtspunkte in das Genehmigungsverfahren einbringen. Sie können darüber hinaus versuchen, den von ihnen speziell wahrzunehmenden öffentlichen Belangen im Genehmigungsverfahren möglichst nachhaltig Berücksichtigung zu verschaffen. 16 Die Genehmigungsbehörde kann dann die verschiedenen sekprivilegierter Fachplanungen in § 38 BBauG entsprechend erweitert werden sollte (vgl. Beilage zum VDEW-Mitglieder-Rundschreiben Nr. 12/1977) und de lege lata der VGH Mannheim, Urt. v. 30.3.1982 - Wyhl -, DVBl 1982, 966, der aus § 89 Abs. 1 Nr. 19 LB0'72 Uetzt §52 Abs. 1 Nr. 13 LBO BW), wo "Energieanlagen" baugenehmigungsfrei ~estellt sind, nicht nur die Baugenehmigungsfreiheit von Atomkraftwerken herleitet (Leits. 11), sondern auch die Unanwendbarkeit der §§ 29 ff. BBauG (so aufS. 158 der schriftl. Entscheidungsgründe). Dagegen zu Recht BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - Wyhl - , E 72 ,300 = NVwZ 1986, 208 (214 f.). 15 Die faktische Stärke der Stellung des Landes bei der Bundesauftragsverwaltung läßt sich etwa daraus ablesen, daß der nds. Ministerpräsident Albrecht erklären konnte, in Gorleben werde kein integriertes Entsorgungszentrum gebaut, mit der Folge, daß dieses dann auch in mehrere Einzelanlagen zerlegt wurde (vgl. den Bericht "Albrecht verteidigt StaDdortentscheidung für Wiederaufarbeitungsanlage in Dragahn" in FAZ v. 27.4 .1983, S. 2). Beim "Zwischenlager Gorleben" wurde auch die Bedeutung des kommunalen Einflusses darin deutlich, daß sich die DWK als Trägerio des Vorhabens durch Vereinbarungen mit den kommunalen Gebietskörperschaften darum bemühte, diese für das Vorhaben zu gewinnen: Nach einer Vereinbarung aus dem Jahre 1980 erhalten die Gemeinde Gorleben, die Samtgemeinde Garto w und der Kreis Lüchow-Dannenberg von der DWK flir die Zeit des Betriebs des Zwischenlagers jährlich 1 Mio. DM zur Verbesserung der lnstrastruktur. Schon 1982 hatte die DWK dem Kreis und den Gemeinden einmalige Infrastrukturhilfen in Höhe von knapp 6 Mio. DM gezahlt (vgl. den Bericht " Zwischenlager in Gorleben soll für vierzig Jahre genehmigt werden" in FAZ v. 21.7.1983, S. 4). Zu den kommunalpoliti· sehen Einflußmöglichkeiten bei weisungsgebundenen Aufgaben vgl. auch v. Unruh, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 155, 159, 161; Mayntz (Fn. 13), S. 223; Mayntz et al. (Fn. 4), S. 608, 624. 16 Vgl. Wahl in VVDStRL41 (1983), 151 (164), wonach das Verwaltungsverfahren zur Verwirklichung der öffentlichen Interessen in spezifischer Weise dadurch beitrage,

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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toralen Entscheidungsbeiträge auswerten, zusammenfügen und zur Grundlage ihrer eigenen abschließenden Genehmigungsentscheidung machen. Schließlich sei darauf hingewiesen, daß die Verfahrensmitbeteiligung zu einer stemförmigen Gestaltung der Verfahrens- und Kommunikationsstruktur führt. Da die mitbeteiligten Verwaltungseinheiten meist nicht von sich aus untereinander Kontakt aufnehmen, um sich hinsichtlich des zu genehmigenden Vorhabens zu verständigen, laufen praktisch alle Kommunikationsbeziehungen über die Genehmigungsbehörde. Dadurch ergibt sich ein stemförmiges Verfahrensmuster, in dessen Mittelpunkt die Genehmigungsbehörde stehtP Der "multilaterale Entscheidungsprozeß" 18 ist also dadurch geprägt, daß die Genehmigungsbehörde im Zentrum des Verfahrens steht und allein zur verbindlichen Außenentscheidung zuständig ist.

- Verfahrensstufung Da Genehmigungsverfahren den Rahmen für zeitlich recht ausgedehnte Entscheidungsprozesse bilden, liegt es nahe, solche Entscheidungsprozesse abschnittsweise zu gliedern und die jeweils erarbeiteten Zwischenergebnisse festzuhalten. Steht am Ende eines Verfahrensabschnitts eine Teilentscheidung mit rechtlicher Außenwirkung, so spricht man von einem "gestuften Verwaltungsverfahren". 19 Die Möglichkeit einer solchen Stufung von Genehmigungsverfahren ist heute allgemein anerkannt (vgl. § 8 BlmSchG, § 22 der 9. BlmSchV, § 18 AtVfV, § 61 LBO BW, § 70 MBO '81). 20 Die Gesamtent"daß es alle berührten öffentlichen Stellen am Verfahren beteiligt und damit den Ort angibt, an dem ,das Gemeinwohl' aus der Auseinandersetzung zwischen den sektoral inter· pretierten Gemeinwohlvorstellungen der einzelnen Ressorts der pluralisierten Verwaltung erarbeitet wird". 17 Vgl. z.B. die graphische Darstellung des atomrechtl. Genehmigungsverfahrens bei Ritter, a.a.O. (Fn. 9), Abb. 1 (S. 9). Zum "Sternverfahren" bei der Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten (im Gegensatz zum "Umlaufverfahren") vgl. Kühler, Organisation und Führung in Behörden, Bd. 1, Rn. 260. In der soziologischen und psychologischen Kleingruppenforschun~ haben sich sternförmige Kommunikationsmuster als recht leistungsfähig erwiesen (vgl. Grochla, Unternehmensorganisation, S. 76 ff., 84 ff.; Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 90 ff.; Scheuch/Kutsch, Grundbegriffe der Soziologie, Bd. 1, S. 77 ff.). 18 Hierzu und zum Konzept der "Kompositentscheidung" vgl. allgemein Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3, S. 52 ff.; Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 239 ff.; Brohm in VVDStRL 30 (1972), S. 245 (295 ff.). 19 Vgl. Badura (Fn. 6) § 41, S. 367 f.; Schrnidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S. 569 ff.; ders., Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 34; Brohm (Fn. 18), S. 289-291; Wahl in DöV 1975, 373ff.; Maurer (Fn. 6), § 19 Rn. 7 a. 20 Auch dort, wo Teilgenehmigungen nicht ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind, wie z.B. im Wasserrecht, geht man allgemein von deren Zulässigkeit aus (so auch BVerwG, Urt. v. 19.3.1966, E 24, 23 (27) zu §§ 16 ff. GewO a.F.). Vgl. auch Feldhaus, BlmSchG, § 8 Rn. 1. Bei Planfeststellungsverfahren ist die Zulässigkeit von Teilplanfeststellungen dagegen umstritten, vgl. § 74 Abs. 3 VwVfG und dazu Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 52; Meyer/ Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 37; Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfalle, S. 71 ff.; Hoppe/Bunse in DVBl 1984, 1033 (1035 f., 1043). Zur Zu-

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

scheidung wird dann in mehreren Entscheidungsschritten erarbeitet, welche aufeinander aufbauen. Gerade bei der Genehmigung umfangreicher und technisch komplizierter Vorhaben ist heute eine solche Stufung des Verfahrens die Regel. 21 Es werden dann nacheinander mehrere Errichtungs- bzw. Betriebsgenehmigungen erteilt, wobei regelmäßig der ersten Teilerrichtungsgenehmigung eine Schlüsselfunktion zukommt. 22 Zwischen der ersten Teilerrichtungsgenehmigung und der letzten Betriebsgenehmigung liegt nicht selten ein Zeitraum von mehreren Jahren. Diese zeitliche Stufung bzw. "phasenspezifische" Ausdifferenzierung von Genehmigungsverfahren dient nicht nur der Komplexitätsreduktion im Entscheidungsprozeß, sondern trägt auch der zeitlichen Dimension der Planung und Verwirklichung des zu genehmigenden Vorhabens Rechnung. Die öffentliche Verwaltung kommt mit ihrer Teilgenehmigungspraxis den Bedürfnissen der modernen technischen Planung und der wirtschaftlichen Projektausführung entgegen. Der Träger des Vorhabens kann so mit dessen Verwirklichung beginnen, bevor es in allen Einzelheiten durchgeplant und durchgeprüft ist. 23 Zu einer phasenspezifischen Ausdifferenzierung kommt es allerdings nicht nur durch Verfahrensstufungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens, sondern auch durch zeitliche Abstufungen zwischen parallelen Genehmigungsverfahren. Parallele Genehmigungsvorbehalte setzen oft an unterschiedlichen Phasen der Vorhabenverwirklichung an. Es sind insbesondere die Vorbereitungs-, Errichtungs- und Betriebsphasen eines Vorhabens zu unterscheiden. 24 Selbstverständlich braucht ein Vorhaben nicht alle diese Phasen zu durchlaufen; so gibt es Vorhaben, die bereits mit der Vornahme bestimmter Veränderungen (z.B. einer Rodung) beendet sind. Andererseits kommt bei manchen Vorhaben noch eine Stillegungs- und Beseitigungsphase hinzu. Nicht selten wird man bei der Errichtung einer Anlage auch bereits die Möglichkeiten ihrer späteren Beseitigung (z.B. Abriß eines Kernkraftwerkes) oder Umgestaltung (z.B. Renaturalisierung einer Kiesgrube) mitbedenken müssen. 25

Iässigkeit des Vorbehalts nachttäglicher Schutzanordnungen vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.12.1985,NVwZ 1986,640. 2! Bei kleineren Vorhaben sind Teilgenehmigungen allerdings recht selten, vgl. Mayntz et al. (Fn. 4), S. 340 f. 22 Vgl. Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 21 ff., 49 ff. und passim. 2 3 Wobei die Technik des "zeitgleichen Planens und Bauens" (Synchronplanung) auch seine Tücken hat, wie sich z.B. beim Skandal um das Aachener Klinikum gezeigt hat (vgl. z.B. den Bericht "Aachen und Düsseldorf im Teufelskreis" in FAZ v. 1.11.1984, S. 7). 24 Zur Abgrenzung von Vorbereitungs-(Erkundungs-), Errichtungs- und Betriebsmaßnahmen vgl. exemplarisch Hoppe/Bunse in DVBI 1984, 103 3 ff. (bzgl. des geplanten Endlagers für radioaktive Abfalle bei Gorleben). 25 Vgl. z.B. § 7 Abs. 3 AtG, §53 BBergG, § 10 AbfG, §§ 11 Abs. 2 u. 4 , 13 Abs. 4 NatSchG BW. Vgl. auch § 24 PBefG.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Zur Vorbereitungsphase sind eine Reihe vorbereitender Maßnahmen verschiedenster Art zu rechnen, die bereits genehmigungsrechtlich relevant sein können. Darunter fallen etwa das Aufgeben der bisherigen Nutzung eines Grundstücks 26 bzw. eines Gebäudes, 27 die Teilung eines Grundstücks, 28 der Erwerb eines Grundstücks, 29 das Freimachen der Baufläche- z.B. durch Rodung30 oder den Abbruch von Gebäuden 31 - und die Untersuchung32 und Vorbereitung des Baugrundes - z.B. durch eine Grundwasserabsenkung. 33 Derartige Vorbereitungsmaßnahmen hängen eng mit der Standortfestlegung für ein Vorhaben zusammen. Auch diese kann Gegenstand gesonderter behördlicher Entscheidungen sein. 34 Die Mehrzahl der Genehmigungsvorbehalte greift allerdings erst in der Errichtungsphase ein. Innerhalb der Errichtungsphase kann es zu einer weiteren Unterteilung kommen, wenn einzelne Genehmigungsvorbehalte an verschiedenen Teilanlagen anknüpfen, die in einer bestimmten Reihenfolge errichtet werden. 35 Auch kann zwischen der Errichtung einer baulichen Anlage und dem späteren Einbau bzw. der Aufstellung einer technischen Anlage zu unterscheiden sein. Eine derartige Differenzierung zwischen der technischen Anlage und dem umgebenden Baukörper wird auch bei Anlagen, die nach § 4 BlmSchG zu genehmigen sind, nur dann vermieden, wenn der immissionsschutzrechtliche Anlagenbegriff i.S.d. § 13 BlmSchG so weit gefaßt wird, daß er die gesamte bauliche Anlage umfaßt. Von der Errichtungsphase ist die Betriebsphase zu unterscheiden, in der die Nutzung der zuvor errichteten Anlage erfolgt. Viele Genehmigungsvorbehalte betreffen gleichermaßen die Errichtung wie den Betrieb einer Anlage, 36 wobei dann allerdings durch Teilgenehmigungen für die Errichtung und für den Betrieb wieder eine Differenzierung zwischen beiden Phasen eingeführt werden kann. 37 Auch die Baugenehmigung bezieht sich sowohl auf die Errichtung als auch auf die Nutzung einer baulichen Anlage. 38 26 27 28 29

Vgl. § 27 LandwirtschaftsG BW. Vgl. Art. 6 § 1 MRVerbG i.V.m. § 1 ZweckentfremdungsVO BW. Vgl. § 19 BBauG, § 9 LBO BW, § 8 MB0'81, § 24 LWaldG BW. Vgl. § 2 GrdstVG. 30 Vgl. § 9 BWaldG, § 9 LWaldG BW. 31 Vgl. §§51, 59 LBO BW, §§ 61 , 69 MBO '81, §§ 8, 15 DenkmalSchG BW. Zum Ver· hältnis von Zweckentfremdung, Abtruch und Neubau vgl. z.B. BVerwG , Urt. v. 14.1 2. 1977, NJW 1978, 1018. 32 Vgl. §§ 2 1,22 Denkma!SchG BW. 33 Vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. §§ 7, 8 WHG. 34 Vgl. z.B. Standortvorbescheide gern. § 9 BlmSchG, § 7 a AtG. 35 Dies war etwa beim "Zwischenlager Gorleben" der Fall. Vgl. bereits Fn. 1. 36 Vgl. nur § 4 BlmSchG, § 7 AtG. 37 Vgl. § 8 Nr. 1 BlmSchG, § 7 Abs. 4 Satz 3 AtG i.V.m. § 18 AtVfV. 38 Gern. §§51 , 52 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 9 LBO BW ist grundsätzlich auch die Nutzungsänderung baulicher Anlagen unter Genehmigungsvorbehalt gestellt, was nur den

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Eine ganze Reihe von Genehmigungsvorbehalten setzenjedoch erst bei der Betriebsphase an, wie z.B. § 6 AtG und § 3 StrlSchV im Fall der nuklearen Entsorgungsanlage. Hinzu kommen Genehmigungsvorbehalte, die bestimmte Betriebsvorgänge oder betriebsbedingte Umweltnutzungen betreffen, wie z.B. die Entnahme von Kühl- bzw. Brauchwasser und die Einleitung von Abwasser.39 Soweit Genehmigungsvorbehalte an verschiedenen Planungs- und Verwirklichungsstufen eines Vorhabens ansetzen, ist die Ungleichzeitigkeit von parallelen Genehmigungsverfahren bereits gesetzlich vorgezeichnet. Im übrigen hat es der Antragsteller in der Hand, durch die Wahl unterschiedlicher Antragszeitpunkte eine bestimmte Reihenfolge paralleler Verfahren und Entscheidungen herbeizuführen. Wenn der Vorhabenträger bzw. der beauftragte Planverfasser verschiedene Planvorlagen nacheinander erstellt, kann dies arbeitsund planungsökonomischen Interessen dienen. 40 Im übrigen kann der Vorhabenträger aber auch mit der Wahl unterschiedlicher Zeitpunkte eine bestimmte Antragsstrategie verfolgen.41

3.3.2. Funktionen und Folgen organisations-und verfahrensmäßiger Ausdifferenzierung Im folgenden ist auf die verschiedenen Funktionen und Folgen näher einzugehen, 1 die sich innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems aus der organisations- und verfahrensmäßigen Ausdifferenzierung, insbesondere aus der sektoralen und phasenspezifischen Aufgliederung ergeben.

3.3.2.1. Arbeitsteilung und Spezialisierung Eine Arbeitsteilung und Spezialisierung kann innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems auf zweifache Weise stattfinden: Zum einen durch die Aufteilung der Entscheidungsaufgabe auf parallel zuständige Genehmigungsbehörden und zum anderen durch die verfahrensinterne Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten am Genehmigungsverfahren. Schluß zuläßt, daß mit der Genehmigung der Errichtung zugleich eine bestimmte Nutzung genehmigt wird. Vgl. auch§§ 61, 62 Abs. 3, 69 MBO '81. 39 Vgl. §§ 7, 8 i.V.m. § 3 Abs. 1 WHG. 40 Im Lichte einer kontinuierlichen Auslastung der Planungskapazitäten ist es z.B. auch zu sehen, wenn bei der Genehmigung von Kernkraftwerken wasserrechtliche Anträge üblicherweise erst einige Zeit nach dem Antrag für die erste atomrechtliche Teilerrichtungsgenehmigung eingereicht werden. 4 1 Vgl. im einzelnen Abschn. 3.3.2.4. I Den Beitrag, den ein bestimmtes Strukturelement für ein System bzw. zur Erreichung eines bestimmten (System-) Zieles leistet, bezeichnet man als dessen Funktion. Zur strukturell-funktionalen Analyse vgl. Mayntz, Strukturell-funktionale Theorie; Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 283; Kieser/Kubicek, Organisationstheorien, Bd. 1, S. 51 ff.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Bei der Genehmigung komplexer Vorhaben kann es schon allein wegen des Umfangs der notwendigen Prüfungstätigkeit zu einer Überforderung kommen, wenn nur eine einzige Verwaltungseinheit zuständig ist. 1+ Eine Verteilung der Prüfungsaufgabe auf mehrere Verwaltungseinheiten dient aber nicht nur der gleichmäßigen Auslastung der Arbeitskapazität, sondern kann auch wegen des Vorteils der simultanen Bearbeitung durch mehrere Stellen zu einer Beschleunigung des Entscheidungsprozesses führen. 2 Die eigentliche Bedeutung der Aufteilung einer Entscheidungsaufgabe auf mehrere Stellen liegt allerdings weniger in einer bloß quantitativen Verteilung der Arbeit als vielmehr in der damit regelmäßig verbundenen qualitativen Spezialisierung. Spezialisierte Verwaltungseinheiten, die einen abgegrenzten Aufgabenbereich wahrnehmen, sind regelmäßig mit speziell dafür ausgebildetem Personal und geeigneten technischen Sachmitteln ausgestattet. Ferner kommt es bei der Erfüllung gleichartiger Aufgaben zum Erwerb spezieller Sach- und Problemkenntnisse und zur Herausbildung von Handlungsroutinen.3 Durch die Konzentration der Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Zuständigkeitsbereich wird außerdem die Sensibilität der Verwaltung für bestimmte Lebens- und Umweltbereiche gefördert und die dauerhafte Verfolgung bestimmter (sektoraler) Teilziele und Interessen gewährleistet. 4 Werden Genehmigungszuständigkeiten auf solche spezialisierten Verwaltungseinheiten verteilt, oder werden diese wenigstens intern an einem (ggf. konzentrierten) Genehmigungsverfahren beteiligt, dann kann dies zu einer Verbesserung der fachlichen Qualität von Genehmigungsentscheidungen beitragen.

3.3.2.2. Komplexitätsreduktion und Konflikteindämmung Bei komplexen Genehmigungsverfahren können eine Vielzahl von Mechanismen zur Komplexitätsreduktion wirksam werden, die der Vereinfachung des Entscheidungsprozesses dienen. Zu nennen sind etwa - eine strikte und klare normative Programmierung, die dem Entscheidungsträger eine Konzentration auf bestimmte ,,rechtlich relevante" Gesichtspunkte erlaubt und allgemein entlastend wirkt, 1 1+ Etwa wenn eine Gemeinde das gesamte Genehmigungsverfahren für ein Großvorhaben durchführen soll. Vgl. Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 184, Fn. 6. 2 Vgl. March/Simon, Organiza tions, S. 193. 3 Vgl. Scharpf, Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 29; ders., Komplexität als Schranke der politischen Planung, ebd., S. 80. 4 Auf die Kehrseite einer solchen selektiven Informations-, Interessen- und Zielwahrnehmung wird noch zurückzukommen sein. 1 Dies gilt namentlich für die herkömmliche "konditionale" (im Gegensatz zur "finalen") Programmierung. Vgl. Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, S. 87; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 56 f.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

- die Schaffung einer adäquaten organisatorischen und prozeduralen "Entscheidungsumwelt", durch die dem Entscheidungsträger gerade nur die "wesentlichen" Entscheidungsgesichtspunkte vermittelt werden, 2 - sowie die Stärkung der Eigenverantwortung des Vorhabenträgers für die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften und die Berücksichtigung bestimmter öffentlicher Belange. 3 Im vorliegenden Zusammenhang ist jedoch nur die durch die Aufgliederung der Organisations- und Verfahrensstruktur, insbesondere durch die Aufteilung der Prüfungs- und Entscheidungsbereiche bewirkte Komplexitätsreduktion zu behandeln. Bei parallelen Genehmigungsverfahren findet eine Aufteilung der Zulässigkeitsprüfung der Genehmigungsentscheidung bereits dadurch statt, daß einzelne Aspekte bzw. räumlich-gegenständliche Teile des einheitlichen Gesamtvorhabens in gesonderten Verfahren zu beurteilen sind. Aber auch im übrigen, insbesondere bei konzentrierten Genehmigungsverfahren, kommt es zu einer verfahrensinternen Aufgliederung des Prüfungsbereiches, und zwar einerseits "sektoral" durch die Mitbeteiligung spezialisierter Verwaltungseinheiten und andererseits "phasenspezifisch" durch die inhaltliche Abschichtung der Entscheidungsaufgabe im Wege der Verfahrensstufung. Alle diese Formen der Aufgliederung führen dazu, daß sich die am Entscheidungsprozeß Beteiligten zunächst auf einen begrenzten Teilbereich der Gesamtentscheidungsaufgabe beschränken können. Dies leuchtet bei parallelen Genehmigungsverfahren unmittelbar ein: Wenn die Genehmigungsbehörde eine fachübergreifende Prüfung vornehmen muß, kann sie sich dadurch entlasten, daß sie Stellungnahmen anderer spezialisierter Stellen, insbesondere der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden einholt und ihrer eigenen Entscheidung zugrunde legt. Ähnliche Entlastungsmöglichkeiten bestehen aber auch bei konzentrierten Genehrnigungsverfahren: Die Konzentrationsbehörde wird selten eine ausreichende Fachkompetenz hinsichtlich aller Fragen besitzen, die das zu genehmigende Vorhaben aufwirft. Sie wird sich daher auf denjenigen Prüfungsbereich konzentrieren, für den sie fachlich kompetent ist, und im übrigen Stel2 Vgl. March/Simo n, Organizations, S. 150 ff. ; Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 130 ff., 139, 229 f.; Lenk, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechts· theorie, Bd. 7, S. 254 (260). Vgl. auch Kieser/Kubicek, Organisationstheorien, Bd. 2, S. 45ff. 3 So kann z.B. gern. § 72 Abs. 2 Nr. 2 LBO BW auf die Prüfung der Einhaltung bestimmter öffentlich-recht!. Vorschriften verzichtet werden, wenn deren Einhaltung na· mentlich bei Wohngebäuden im mutmaßlichen Eigeninteresse des Bauherrn liegt. Was die Belange des Umweltschutzes betrifft, so ist nicht nur auf den flankierenden Schutz durch das Umweltstrafrecht zu verweisen, sondern auch auf die im Vordringen befindlichen "ökonomischen" Instrumente des Umweltschutzes, die auf die dem Vorhabenträger vorbehaltene wirtschaftliche Investitionsentscheidung einwirken (vgl. z.B. das Abwasserabga· ben-Gesetz).

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Jungnahmen anderer spezialisierter Stellen, insbesondere der verdrängten Genehmigungsbehörden einholen und ihrer Gesamtentscheidung zugrunde legen. Die mitbeteiligten Verwaltungseinheiten können sich bei ihrer Stellungnahme ebenfalls auf einen bestimmten Ausschnitt der Entscheidungsaufgabe beschränken, nämlich auf denjenigen, der ihrem eigenen Aufgabenbereich entspricht, und hierzu eine Teillösung erarbeiten. Bei der Stufung des Verfahrens wird die Vereinfachung der Entscheidungsaufgabe dadurch bewirkt, daß nur diejenigen Fragen aufgegriffen werden, die in der jeweiligen Phase der Vorhabenverwirklichung entscheidungsbedürftig sind, während die übrigen Fragen zunächst einmal zurückgestellt und einer späteren Entscheidung vorbehalten werden. Es werden dabei also jeweils nur die "nächstliegenden" Probleme behandelt. Die Entscheidungsaufgabe kann auf diese Weise stufenweise abgearbeitet und in mehreren Entscheidungsschritten gelöst werden. Durch eine sektorale und phasenspezifische Zerlegung der Entscheidungsaufgabe kann ein allzu komplexes Entscheidungsproblem auf lösbare Proportionen zurückgeführt werden. 4 Eine rationale Entscheidung wird überhaupt erst dann möglich, wenn die im Grunde grenzenlose Komplexität einer Entscheidungsaufgabe auf ein solches Maß reduziert worden ist, daß sie der begrenzten Rationalität des Entscheidungsträgers entspricht. Eine Überlastung mit Komplexität kann vermieden werden, wenn die am Entscheidungsprozeß Beteiligten zunächst nur einzelne Teile der Entscheidungsaufgabe wahrnehmen und bearbeiten. Sie werden so im ersten Schritt nur mit Teilproblemen konfrontiert, die sich besser bewältigen lassen als das Gesamtproblem. Erst in einem zweiten Schritt müssen dann die partiellen Problembearbeitungen wieder zu einer umfassenden und einheitlichen Gesamtlösung zusammengefügt werden. Auch wenn bei der Koordination der Teillösungen wiederum Probleme entstehen können, so ist doch dabei die Komplexität dank der bereits getroffenen Vorentscheidungen bei weitem nicht mehr so groß, als wenn die am Entscheidungsprozeß Beteiligten von vornherein sämtliche Entscheidungsgesichtspunkte gleichzeitig berücksichtigen und direkt auf eine Gesamtlösung zusteuern wollten. 5 Vgl. Sirnon (Fn. 2), S. 284 f., 304 ff. Zur Komplexitätsreduktion in Entscheidungsprozessen vgl. March/Simon (Fn. 2), S.137ff., 150ff., 169ff.; Sirnon (Fn. 2), S.116ff., 304ff.; Luhrnann (Fn. 1), S. 89ff., 97; ders., Legitimation durch Verfahren, S. 41 f.; Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 64ff., 76ff., 88ff., Bd. 3, S. 258ff.; Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 90 ff.; Steinberg in DöV 1982, 619 (620). Im vorliegenden Zusammenhang drängt sich ein Vergleich mit der von Scharpf, a.a.O., S. 85 ff., 90 ff. unterschiedenen "positiven" und "negativen" Koordination auf, wobei die erstere zwar die "optimale" Koordination darstellt, die letztere hingegen den Vorzug hat, daß dadurch komplexe Problernzusammenhänge so weit vereinfacht werden, daß eine Informationsverarbeitung und eine Konsensbildung u.U. überhaupt erst möglich wird. Zur "negativen" Koordination ist eine Abstimmung mehre4

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7 Wagner

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Selbstverständlich sind der Komplexitätsreduktion auch Grenzen gesetzt. Bei einer zu weit gehenden Aufteilung der Entscheidungsaufgabe besteht nämlich die Gefahr, daß übergreifende Gesichtspunkte verloren gehen und wichtige Problemzusammenhänge außer acht gelassen werden. Eine übertriebene Komplexitätsreduktion kann daher leicht zu unbrauchbaren Entscheidungen führen. 6 Eine Aufteilung der Entscheidungsaufgabe auf mehrere Verwaltungsverfahren, wie dies bei parallelen Genehmigungsverfahren der Fall ist, kann für die Entscheidungsträger auch insofern entlastend wirken, als dadurch der politisch-soziale Konfliktstoff vermindert wird. Insbesondere kann durch die Aufspaltung der Zulässigkeitsprüfung für ein einheitliches Gesamtvorhaben auf mehrere Genehmigungsverfahren eine Überlagerung mehrerer Konfliktfelder vermieden werden. Nach Luhmann besteht die Funktion von Verfahren auch darin, die Betroffenen zu isolieren und eine Ausweitung von Konflikten zu verhindern.7 Dementsprechend läßt sich auch durch die Aufspaltung in parallele Genehmigungsverfahren erreichen, daß Konflikte eingedämmt und verschiedene Kreise von Betroffenen nach Möglichkeit auseinandergehalten werden. Von erheblicher politischer und praktischer Tragweite ist die Trennung von umweltschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einerseits und Verfahren der Wirtschaftsaufsicht andererseits. Wichtigstes Beispiel hierfür ist die zweispurige Zulässigkeitsprüfung bei Kraftwerken: Hierbe-i sind die Gesichtspunkte der Luftreinhaltung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren nach § 4 BimSchG zu prüfen, während die energiewirtschaftsrechtliche Investitionskontrolle im Anzeige- und Beanstandungsverfahren nach § 4 EnWiG auszuüben ist. Das letztgenannte Verfahren ist gern. § 13 Satz 2 BlmSchG ausdrücklich von der Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung ausgenommen. Daß es sich bei dem energiewirtschaftsrechtlichen Verfahren- zumindest nach der rechtlichen Konstruktion - um kein "echtes" Genehmigungsverfahren handelt, rechtfertigt an sich noch keine Ausnahme von der Konzentration, da es sich lediglich um eine minder intensive Form präventiver Kontrolle handelt 8 und es zudem in der Praxis üblich ist, "Freigabebescheide" zu errer Stellen zu rechnen, die erst erfolgt, nachdem mindestens eine der Stellen ausgehend von ihrem eigenen Aufgabenbereich eine vorläufige Teillösung des Problems erarbeitet hat. 6 Vgl. Kirsch (Fn. 5 ), Bd. 3, S. 258 ff. 7 Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 100ff., 116, 121 ff. (speziell zum Gerichtsverfahren) sowie S. 2 3 7 f. 8 Auch das BVerfG hat in seinem Urteil v. 4 .11.1986- Nds. Landesrundfunkgesetz -, EuGRZ 1986, 577 (598) anerkannt, daß ein Anzeigeverfahren einem Zulassungsverfahren funktio nal äquivalent ist.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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teilen, die in ihrer Wirkung einer Genehmigung weitgehend gleichkommen.9 Vielmehr beruht die Ausnahme offenbar auf prinzipiellen Erwägungen, wonach das der Gefahrenabwehr dienende immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren von dem der Wirtschaftslenkung dienenden energierechtlichen Anzeigeverfahren streng auseinandergehalten werden soll. 10 In diesem Zusammenhang ist auch bedeutsam, daß im Verfahren nach im Gegensatz zum immissionsschutzrechtlichen oder atomrechtlichen Genehmigungsverfahren - keine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist. Die Herausnahme der energiewirtschaftsrechtlichen Entscheidung aus der Konzentrationswirkung hat daher auch die Konsequenz, daß die energiepolitischen Fragen - zumindest theoretisch - aus dem "Schußfeld" der Einwender genommen und der öffentlichen Erörterung entzogen sind. In der Tat besteht auf seiten der Energieversorgungsunternehmen offenbar die Befürchtung, daß die energierechtliche Investitionskontrolle eine "andere Qualität" bekommen könnte, wenn sie in das immissionsschutzrechtliche bzw. atomrechtliche Genehmigungsverfahren einbezogen würde. In der Praxis läßt sich jedoch auch nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht ganz verhindern, daß bei der Bürgerbeteiligung in den genannten Genehmigungsverfahren auch energiepolitische Fragen thematisiert werden." § 4 EnWiG -

Wenn man jedoch bedenkt, daß die Luftverschmutzung zu einem großen Teil von der Energieerzeugung herrührt, muß man sich fragen, ob eine effektive Luftreinhaltung überhaupt erreicht werden kann, wenn dazu nicht auch energiepolitisch die richtigen Weichen gestellt werden. Es ist daher nur folgerichtig, wenn neuerdings eine systematische Verkoppelung beider Bereiche gefordert wird. 12 Dies kann zum einen - de lege lata - dadurch geschehen, 9 Vgl. zu letzterem Evers, Das Recht der Energieversorgung, S. 113;Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 225 f. Außerdem besteht für bestimmte öl- und Gaskraftwerke eine Genehmigungspflicht nach § 12 des 3. VerstromungsG. Nach Feldhaus, BlmSchG, § 13 Rn. 11 sollen auch diese Genehmigungen wegen ihrer wirtschaftslenkenden Funktion von der Konzentrationswirkung ausgenommen sein. Da die Anzeigepflicht ein Minus gegenüber der Genehmigungspflicht darstellt, müßte die Konzentrationswirkung an sich "a maiore ad minus" auch bloße Anzeigevorbehalte erfassen (vgl. auch Brügelmann/Grauvogel/Diirr, BBauG, § 29 Rn. 14 m.w.N. zu der konzentrationsähnlichen Vorschrift des § 29 Satz 1 BBauG a.F., wo ursprünglich nur das Baugenehmigungsverfahren und nicht auch das Bauanzeigeverfahren erwähnt war). IO Vgl. Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 23; Feldhaus (Fn. 9). 11 So wurden z.B. bei der 1. Teilerrichtungsgenehmigung für das Kernkraftwerk Nekkar II energiepolitische Einwendungen nicht nur im Erörterungstermin behandelt, sondern auch im Genehmigungsbescheid v. 9.11.1982, S. 188 ff. kurz inhaltlich erörtert, allerdings unter Hinweis darauf, daß diese Fragen nicht zum Gegenstand des atomrechtl. Genehmigungsverfahrens gehörten, sondern in erster Linie von den Energieversorgungsunternehmen eigenverantwortlich zu beurteilen seien, wobei diese einer öffentlichen Kontrolle gern. § 4 EnWiG unterlägen. Ob energiewirtschaftliche Einwendungen im Erörterungstermin zugelassen und inhaltlich beschieden werden, scheint in der Praxis uneinheitlich gehandhabt zu werden. Vgl. auch Ueberhorst, Planungsstudie, S. 7. 12 V~l. Weidner/Knoepfel, in: Mayntz, Implementation politischer Programme, Bd. 2, S. 221 (224); Breuer, in: Umwelt, Verfassung, Verwaltung, S. 37 (60ff.). Vgl. auch das Gutachten "Umwelt und Energie" in: Umwelt Nr. 83 v. 22.5.1981, S. 1 ff.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

daß Umweltschutzgesichtspunkte in die energiewirtschaftsrechtliche Investitionskontrolle einbezogen werden, 13 zum anderen aber auch - de lege ferenda- dadurch, daß die Konzentrationswirkung der immissionsschutzrechtlichen bzw. atomrechtlichen Genehmigung auf die energiewirtschaftsrechtliche Entscheidung erstreckt wird. In diesem Fall würde der Gesichtspunkt der Komplexitätsreduktion und Konflikteindämmung gegenüber dem Grundsatz zurücktreten, daß eng miteinander verzahnte Fragen nicht auseinandergerissen und auf verschiedene Verfahren verteilt werden dürfen.

3.3.2.3. Selektivität der Informations-, Interessen- und Zielwahrnehmung Mit der Selektivität der Informations-, Interessen- und Zielwahrnehmung ist eine Erscheinung gemeint, die mit der Aufteilung von Aufgaben und der Festlegung von Zuständigkeitsbereichen eng verbunden ist und die sich in einer Verengung und Verzerrung der Sichtweise und einer eindimensionalen und einseitigen Handlungsorientierung ausdrückt. In der Organisations- und Verwaltungswissenschaft wird dieses Phänomen als "selektive Perzeption" bezeichnet. 1 Einzelne Aspekte aus diesem Problemkreis werden in der Praxis mit Begriffen wie "Betriebsblindheit", "Kästchendenken", "Fachegoismus" und "Ressortpartikularismus" bezeichnet. "Jede einzelne spezialisierte Einheit tendiert dazu, ihre Aufmerksamkeit auf den eigenen Zuständigkeitsbereich zu beschränken und Probleme jenseits seiner Grenzen weniger deutlich wahrzunehmen und zugleich auch für weniger wichtig zu halten." 2 Die selektive Perzeption beruht in erster Linie auf der Begrenzung der jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche. Ein Amtsträger, dem Entscheidungen in einem bestimmten Bereich übertragen sind, wird seine Aufmerksamkeit zuallererst auf diesen Bereich richten. Er wird eine gezielte Informationssuche und Informationsbeschaffung betreiben und die Umwelt vornehmlich unter dem Blickwinkel seines Aufgabenbereiches beobachten. Diese Selektivität der Informationswahrnehmung kann so weit gehen, daß Informationen, die auf den ersten Blick für den eigenen Aufgabenbereich nicht So Breuer (Fn. 12), S. 62. - A .A. Evers (Fn. 9), S. 110 ff. Vgl. Scharpf, Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 26; ders., Planung als politischer Prozeß, ebd., S. 52 f.; ders., Komplexität als Schranke der politischen Planung, ebd., S. 79 ff.; March/Simon, Organizations, S. 12 7 ff., 150 ff.; Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 219 ff., 229ff., 319ff.; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S.114, 117; Ellwein, Regieren und Verwalten, S. 58, S. 167 f. sowie (zur Analyse des Giftgas- und Munitionsskandals bei der Firma Stoltzenberg in Hbg.): Bericht des Untersuchungsausschusses der Hbg. Bürgerschaft, Drucks. 9/2121, S. 109 f.; Damkowski, in : Die Verwaltung 198 1, 21 9 (225, 229); Böhret/Jann, in: APUZ 27/1982, S. 3 5 (44). 2 So Scharpf, Komplexitä t als Schranke der politischen Planung (Fn. 1 ), S. 81. 13 1

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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bedeutungsvoll erscheinen, von vornherein ausgeblendet werden. Ein Entscheidungsträger kann sich so Informationen gegenüber verschließen, die ihm für seine Tätigkeit nicht unbedingt notwendig erscheinen. Auf diese Weise kann er sich auch wirksam vor einer Oberhäufung mit Informationen und einer Komplexitätsüberlastung schützen. Sein Aufmerksamkeitshorizont und seine Wahrnehmungsbereitschaft enden dann an den Grenzen des eigenen Aufgabenbereichs, wenn nicht schon davor. Die Selektivität der Informationsaufnahme wird jedoch· nicht nur durch den Entscheidungsträger selbst, sondern auch durch dessen Umgebung bestimmt. Der einzelne Entscheidungsträger ist in ein organisatorisches und soziales Umfeld eingebunden, das ihn ebenfalls nur selektiv mit Informationen versorgt. Dabei wird er bestimmten Informationen ausgesetzt und von anderen abgeschirmt. Er hat zumeist mit den gleichen Stellen, Personen und Gruppen innerhalb und außerhalb der Verwaltung zu tun. Zum einen bestehen innerhalb der Verwaltung feste über- und Unterordnungsverhältnisse sowie eingefahrene Kooperationsbeziehungen in der horizontalen Ebene. Zum anderen kommt der Entscheidungsträger bei seiner Tätigkeit in der Regel mit bestimmten Zielgruppen bzw. Kreisen von Betroffenen außerhalb der Verwaltung in Kontakt. Auch hierbei können sich Dauerkontakte ergeben und stabile soziale Beziehungen herausbilden. Bei diesen Kontakten werden nicht nur "wertneutrale" Informationen ausgetauscht, sondern auch Meinungen und Einstellungen vermittelt. Der Entscheidungsträger wird so mit ganz bestimmten öffentlichen Teilinteressen und gesellschaftlichen Gruppeninteressen konfrontiert. Schon um Konflikte zu vermeiden und das Arbeitsklima angenehmer zu gestalten, wird er geneigt sein, Interessen und Forderungen, die ihm laufend nahegebracht werden, höher zu bewerten als andere. Diese Anpassung kann im Extremfall so weit gehen, daß sich Amtsträger mit ihrer "Klientel" identifizieren und deren Interessen mit ihren Amtsinteressen gleichsetzen. 3 Die Einseitigkeit der Interessen- und Zielwahrnehmung braucht jedoch nicht erst die Folge von einseitigen Informationen und engen sozialen Beziehungen zu sein, sondern kann sich unmittelbar aus der Aufgabenstellung ergeben. Die Übertragung eines beschränkten Aufgabenbereichs ist zumeist mit der Vorgabe eines ebenso beschränkten Teilziels verbunden. Entscheidungsträger neigen daher dazu, das Gemeinwohl sektoral von ihrem Aufgabenbereich her zu interpretieren oder gar die ihnen vorgegebenen Teilziele zu verabsolutieren. Teilweise verstehen sich Amtsträger daher auch als Vertreter bestimmter öffentlicher Belange bzw. gesellschaftlicher Bedürfnisse.

3 Die Gefahr, daß Verwaltungseinheiten zum Sprachrohr einer bestimmten gesellschaft· liehen Interessengruppe werden, wird insbesondere bei Sonderverwaltungen relativ hoch eingeschätzt. Vgl. Geib, in: Morstein Marx, Verwaltung, S. 148 (159).

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Die Motivation für eine derartige Identifikation mit dem eigenen Aufgabenbereich braucht keineswegs einem ursprünglichen Interesse an der gestellten Aufgabe zu entspringen. Zwar können Amtswalter zuweilen auch "in Liebe zu den eigenen Fachbelangen aufgehen", wie es ein Verwaltungspraktiker abschätzig formulierte, um deutlich zu machen, daß Stellungnahmen einer anderen Verwaltungseinheit nicht ganz ernstzunehmen seien. Oft stehen jedoch handfeste organisatorische Eigeninteressen hinter der Bevorzugung bestimmter Teilziele: Es geht darum, den Aufgabenbestand zu erhalten oder möglichst noch auszubauen, um die personelle, technische und finanzielle Ausstattung der betreffenden Verwaltungseinheit zu sichern und zu verbessern. Schon um diese "Organisationsdomäne" zu behaupten, werden Amtsträger dazu neigen, der ihnen übertragenen Aufgabe Priorität gegenüber anderen öffentlichen Aufgaben einzuräumen. 4 Schließlich wird die selektive Perzeption auch dadurch gefördert, daß einzelne Verwaltungseinheiten mit Spezialisten einer bestimmten Fachrichtung besetzt sind. Dementsprechend sind auch zwischen dem Personal der allgemeinen Verwaltungsbehörden und dem von Sonderbehörden erhebliche Unterschiede in den Einstellungen und Orientierungsmustern festzustellen. 5 Es ist damit zu rechnen, daß sich die aufgezeigten Selektionsmechanismen noch gegenseitig verstärken. Nach der Theorie der "kognitiven Dissonanz" ziehen nämlich Individuen konsistente kognitive Strukturen inkonsistenten vor.6 Dies bedeutet, daß vor allem solche Informationen gesucht und verarbeitet werden, die sich in das bereits erworbene Wissen einfügen und den eigenen Einstellungen entgegenkommen. Die selektive Perzeption kann im Hinblick auf die Funktionen der Arbeitsteilung, Spezialisierung und Komplexitätsreduktion durchaus notwendig und sinnvoll sein. 7 Andererseits ergeben sich daraus jedoch auch beträchtliche Gefahren für die Sachrichtigkeit und Ausgewogenheit von Verwaltungsent· scheidungen. So besteht insbesondere die Gefahr,

4 Vgl. Mayntz, in: dies., Implementation politischer Programme, Bd. 2, S. 63; Grunow, ebd., S. 151. s Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 48, 70,264, 298; Hucke/ Bohne, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 180 (188). 6 Vgl. Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S. 118 ff., 128 f. 7 Das Grundprinzip der selektiven Perzeption, daß sich nämlich ein Individuum an den nächstliegenden Informationen, Interessen und Zielen orientiert, kann außerdem zur or· ganisatorischen Steuerung des Verwaltungshandeins (in Ergänzung zur inhaltlichen Programmierung) eingesetzt werden, indem die "Entscheidungsumwelt" so gestaltet wird, daß bereits dadurch ein bestimmtes Entscheidungsverhalten nahegelegt wird. Vgl. March/ Sirnon (Fn. 1), S. 150 ff.; Sirnon (Fn. 1), S. 139, 229 f., 232 ff.; Lenk, in: Jahrbuch flir Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 254 (260); Kieser/Kubicek, Organisation, S. 313 ff.; dies., Organisationstheorien, Bd. 2, S. 48 ff.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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- daß bestimmte Gesichtspunkte unberücksichtigt bleiben, wenn sie nicht im "Brennpunkt" der Aufmerksamkeit einer spezialisierten Verwaltungseinheit liegen, - daß eine "Gesamtschau" unterbleibt und übergreifende Problemzusammenhänge außer acht gelassen werden, - daß eine einseitige Interessenberücksichtigung erfolgt, - und daß nur bestimmte Teilziele verfolgt werden. Die genannten Gefahren bestehen sowohl bei einer parallelen als auch bei einer konzentrierten Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems: Parallel zuständige Genehmigungsbehörden werden leicht der Versuchung erliegen, sich ganz auf ihren eigenen Zuständigkeitsbereich zu fixieren und alle nicht unmittelbar einschlägigen Gesichtspunkte auszuklammern. Aber auch Konzentrationsbehörden haben in der Regel nicht nur konzentrierte Genehmigungsverfahren durchzuführen, sondern daneben auch eigene Fachaufgaben zu erfüllen; sie werden daher ebenfalls versucht sein, die Entscheidungsaufgabe, vor die sie im konzentrierten Genehmigungsverfahren gestellt sind, mit ihrer fachspezifischen Sichtweise anzugehen und bei der Lösung den eigenen Fachinteressen Vorrang zu geben. Es läßt sich ermessen, welche Konsequenzen dies für die Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben haben kann. Ein einheitliches Gesamtvorhaben läßt sich nicht einfach in einzelne Teile und Aspekte zerlegen, die isoliert betrachtet werden können. Ebensowenig läßt sich das Gesamtvorhaben ausgehend von einem bestimmten Teilaspekt zutreffend erfassen. Vielmehr müssen eine Vielzahl von rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten berücksichtigt und zueinander in Beziehung gesetzt werden.

-Rechtliche Verknüpfungen zwischen sektoralen Prüfungsbereichen Der sektoralen Aufgliederung der Programmstruktur entsprechend unterfallen umweltrelevante Vorhaben regelmäßig dem Anwendungsbereich verschiedener Fachgesetze. Dabei stehen die verschiedenen fachgesetzlichen Regelungen keineswegs isoliert nebeneinander, sondern sind- nach dem Grundsatz der "Einheit der Rechtsordnung8" - in einen übergreifenden Zusammenhang eingebunden. Sie sind miteinander verschränkt und beeinflussen sich gegenseitig. Bei der Auslegung und Anwendung fachgesetzlicher Vorschriften müssen daher auch die Regelungen anderer Fachgesetze berücksichtigt werden. Nach dem Postulat der Geschlossenheit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung9 sind Regelungslücken, die sich zwischen verschiedenen fachgesetzli8 9

Vgl. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 65, 156 ff. V gl. ebd., S. 134 ff.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

chen Bereichen ergeben, auszufüllen, Normenkollisionen aufzulösen und Wertungswidersprüche zu beseitigen. Aus zahlreichen öffnungsklausein sowie aus dem Grundsatz der Gesetzes· gebundenheit der Verwaltung läßt sich folgern, daß Genehmigungsbehörden grundsätzlich an das gesamte öffentliche Recht und nicht bloß an die speziell für ihren Zuständigkeitsbereich geltenden Vorschriften gebunden sind. Aber auch dann, wenn man diese allgemeinen Grundsätze beiseite läßt, ergeben sich aus den fachgesetzlichen Vorschriften zahlreiche Überschneidungen und Verknüpfungen mit anderen Bereichen. Mitunter werden durch Naturschutz-, Denkmalschutz· oder Raumordnungsklauseln allgemeine Verknüpfungen hergestellt. 10 Im übrigen finden sich eine Vielzahl konkreter Verknüpfungen, wie sich am Beispiel eines Gaststätten· neuhaus im Außenbereich kurz aufzeigen läßt: Dabei ist im Baugenehmigungsverfahren nicht nur zu prüfen, ob die Gaststätte ihrem Zweck entsprechend ohne Mißstände benutzb ar sein wird, 11 sondern auch gern. §§ 29, 35 BBauG/BauGB, ob die Erschließung gesichert ist, ob das Vorhaben wegen seiner besonderen Zweckbestimmung im Außenbereich errichtet werden soll und ob die in § 35 Abs. 3 genannten öffentli· chen Belange beeinträchtigt werden. Es sind folglich im Baugenehmigungs· verfahren Gesichtspunkte zu prüfen, die zugleich in den Prüfungsbereich paralleler Genehmigungsverfahren fallen, wie z.B. die Fragen des Gaststättenbe· triebs, 12 der Wasserversorgung, 13 der Abwasserbeseitigung, 14 der verkehrsmäßigen Erschließung, 15 der schädlichen Umwelteinwirkungen und der Be· einträchtigung von Belangen des Natur· und Landschaftsschutzes. 16 Auch

Vgl. z.B. § 36 Abs. 1 Sa tz 3 BBahnG, § 7 Abs. 4 WaStrG, § 37 Abs. 2 FlurbG. Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 LBO BW, § 3 Abs. 1 Satz 1 MBO '81. 12 Vgl. § 2 GastG. Zum V erhältnis von Gaststättenerlaubnis und Baugenehmigung vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 19.8.1981, NVwZ 1982, 122 (123 f.); Michei/Kienzle, GastG, § 4 Rn. 3 7 ff., Hoffmann/Seitter, Gaststättenrecht, § 4 GastG Anm. 3; von Ebner in GewArch 1978, 48 ff.; Götz, Allgemeines Polizei· und Ordnungsrecht, S. 203; Gaentzsch in NJW 1986,2787 ff. sowie die Nachw. in Abschn. 5.1.2.1, Fn. 1. 13 Zur Benutzungserlaubnis vgl. § 7 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1, 6 WHG (Zuständigkeits· bündelungsregelung in § 98 Abs. 2 Satz I WG BW); zur Anlagengenehmigung für eine Was· serversorgungsanlage vgl. § 43 Abs. 3 WG BW (Zuständigkeitsbündelungsregelungen in § 43 Abs. 5 u. § 98 Abs. 2 Satz 2 WG BW). 14 Zur Benutzungserlaubnis vgl. § 7 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 2 Nr. 2 WHG, § 13 Abs. 1 Nr. 5 WG BW (Zuständigkeitsbündelung wie bei Fn. 13); zur Anlagengenehmigung für eine Kleinklä ranlage vgl. § 45 e Abs. 1 Satz 3 WG BW (Zuständigkeitsbündelungsregelungen in § 45 e Abs. 2 und § 98 Abs. 2 Satz 2 WG BW}. 15 Vgl. §§ 8, 8 a, 9 FStrG, §§ 18, 20, 24 StrG BW (Konzentrationsregelungen in§ 8 a Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 2, 5 FStrG, § 20 Abs. 3 Nr. 1, § 24 Abs. 2-4,6 StrG BW). 16 Sofern der Bauplatz in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, vgl. § § 22 Abs. 2 Satz 1, 62 , 63 NatSchG BW, §§ 15, 31 BNatSchG (Konzentrationsregelung in § 63 Abs. 3 NatSchG BW; dazu VG Freiburg, Urt. v. 10.10.1984 - Uranbergwerk Menzenschwand - , ET 1985, 189 (190 f.}); im übrigen vgl. § § 10 ff. NatSchG BW, § 8 BNatSchG (Zuständigkeitsbündelungsregelung in§ 12 Abs. 1 NatSchG BW, § 8 Abs. 2 Satz 3 BNatSchG). 10

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3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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wäre es widersinnig, wenn etwa die Baugenehmigungsbehörde eine bauliche Anlage im Außenbereich wegen des vorgesehenen Nutzungszwecks als privilegiert ansehen könnte, obgleich r;iiese Nutzung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften unzulässig ist _17

- Sachliche Verflechtungen zwischen sektoralen Prüfungsbereichen Gerade bei umweltrelevanten Vorhaben treten auch die sachlichen Überschneidungen und Wechselbeziehungen zwischen sektoralen Prüfungsbereichen deutlich hervor. Beim Umweltschutz handelt es sich um eine "Querschnittsaufgabe", die nicht ohne weiteres von den Materien getrennt werden kann, in denen die Umweltschutzprobleme auftreten. 18 Als Beispiel sei nur der bereits angesprochene Zusammenhang zwischen Luftreinhaltung und Energiepolitik genannt. Außerdem handelt es sich beim Umweltschutz um ein ganzheitliches Anliegen, das sich nicht auf einzelne Umweltmedien (Luft, Wasser, Boden) oder bestimmte Schutzgüter (Flora, Fauna) eingrenzen läßt. Der komplexe (öko-) Systemcharakter der natürlichen Umwelt erfordert vielmehr eine umfassende, medienübergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die auch die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren des Naturhaushaltes erfaßt.19 Diesem Ziel dient auch die EG-Richtlinie vom 27 .6.198 5 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten. 20 Durch diese Richtlinie wird allerdings kein konzentriertes Genehmigungsverfahren vorgeschrieben; vielmehr wird ausdrücklich die Möglichkeit offengelassen, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung kumulativ im Rahmen mehrerer aufeinander abgestimmter Genehmigungsverfahren erfolgt_21 Eine gesamtökologische Betrachtung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens bietet sich dabei in doppelter Weise an: Interdependenzen zwischen verschiedenen Umweltsektoren bestehen nämlich nicht nur insofern, als die Belastung eines bestimmten Umweltmediums auf andere Umweltbereiche 17 Deshalb ließ vermutlich auch der VGH München, Beschl. v. 12.7.1983, DOV 1983, 983 (984) die Frage dahingestellt, ob eine Sammelstelle für radioaktive Abfalle im Außenbereich privilegiert ist, und löste die5en Fall über § § 29, 35 Abs. 2 BBauG. So konnte er nämlich an seiner ständigen Rechtsprechung festhalten, daß im Baugenehmigungsverfahren die Vereinbarkeit des Vorhabens mit solchen öffentlich-recht!. Vorschriften (hier des Atom- und Strahlenschutzrechts) nicht zu prüfen ist, die Gegenstand eines besonderen Genehmigungsverfahrens sind (vgl. § 9 c AtG). Vgl. Abschn. 5.1.1.3. 18 Vgl. Kopp in BayVB11980, 97 (99). 19 Vgl. Breuer, in: Der Staat 1981 , 392 ff. (besonders S. 401 f.); Schoeneberg in DVBl 1984, 929 (932 f., 934 f.); Bunge in ZfU 1984, 405 ff. 20 Vgl. Art. 3 Teilstr. 3 UVP-Richtlinie (ABI. EG Nr. L 175 /40v. 5.7.1985) -s. Anh. -. 21 Vgl. Art. 1 Abs. 2 letzter Halbs., Abs. 3, Art. 3, Art. 6 Abs. 1 UVP-Richtlinie (Fn. 20); Schoeneberg (Fn. 19), S. 93 1; Cupei in DVBl 1985, 813 (817).

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

weiterwirkt ("Wirkungszusammenhang"), sondern auch bereits bei der Quelle der Umweltbelastungen selbst, wenn nämlich je nach der konkreten Ausgestaltung eines umweltrelevanten Vorhabens die Umweltbelastungen mal auf dem einen, mal auf dem anderen Umweltsektor auftreten ("Entstehungszusammenhang"). So können beispielsweise die bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe anfallenden Rauchgase, die zunächst nur zu einer Luftverunreinigung führen, mittelbar auch Gewässer, Böden und Pflanzen schädigen. Wenn dagegen Filter eingebaut werden, dann kann das zur Folge haben, daß die Schadstoffe im Abfall oder im Abwasser anfallen, so daß die Schadstoffproblematik immer noch nicht gelöst ist. Es setzt sich daher zunehmend die Erkenntnis durch, daß ein effektiver Umweltschutz nicht erst beim Einbau von Luftfiltern, beim Bau von Kläranlagen und bei der Einrichtung von Sonderabfalldeponien einsetzen muß, sondern bereits bei der Entstehung der Schadstoffe, d.h. insbesondere bei der Wahl eines umweltschonenden Produktionsverfahrens. 22 Jedenfalls erscheint es wegen der aufgezeigten Entstehungs- und Wirkungszusammenhänge wenig sinnvoll, die Abluft-, Abwasser- und Abfallproblematik eines Vorhabens auseinanderzureißen und getrennt voneinander zu beurteilen. Nur durch eine Koordination im Interesse eines "integrierten" Umweltschutzes kann vermieden werden, daß Probleme lediglich von einem Umweltsektor zum nächsten verlagert werden. 23

- Organisations- und verfahrensmäßige Vorkehrungen zum Ausgleich "selektiver Perzeption" Es stellt sich die Frage, wie das Erfordernis einer ganzheitlichen Betrachtung mit der Ausdifferenzierung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems und mit der damit verbundenen selektiven Perzeption in Einklang zu bringen ist. Der tatsächliche Problemzusammenhang bei der Genehmigung eines einheitlichen Gesamtvorhabens ist meist zu weit gespannt, als daß er in einem einzigen Zuständigkeitsbereich eingebunden werden könnte, und zu komplex, um von einer einzigen Stelle durchschaut zu werden. Eine "Diskrepanz zwischen interdependenter Problemstruktur und segmentierter Verarbeitungsund Entscheidungsstruktur" läßt sich daher nicht ganz vermeiden. 24 Immer-

22 Vgl. § 7 a Abs. 1 WHG und Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 (35, 54). 23 Vgl. Schoeneberg (Fn. 19), S. 934 f. sowie z.B. den Bericht "Kein deutsches Märchen" in: Natur 1983, Heft 12, S. 92 f. 24 Vgl. Scharpf, Komplexität als Schranke derpolitischen Planung, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 76 ff. (Zitat: S. 81), 112 f.; ders., Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft, ebd., S. 28 ff. ; Eilwein (Fn. 1), S. 178 ff.; Sirnon (Fn. 1), S. 305; Damkowski, in : Die Verwaltung 1981, 219 (233).

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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hin kann bei der Festlegung der Zuständigkeitsbereiche und insbesondere bei der Abgrenzung paralleler Genehmigungsverfahren darauf geachtet werden, daß nicht gerade besonders wichtige Problemzusammenhänge zerschnitten werden. 25 Im übrigen kann die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den spezialisierten Verwaltungseinheiten als Korrektiv zur selektiven Perzeption dienen. Herausragende Bedeutung kommt dabei der Verfahrensmitbeteiligung von Verwaltungseinheiten zu, deren Aufgabenbereich durch das zu genehmigende Vorhaben berührt wird. Dies gilt namentlich für die Beteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden sowie für die Beteiligung der "verdrängten" Genehmigungsbehörden an konzentrierten Genehmigungsverfahren. Wenn die spezialisierten Verwaltungseinheiten ihre jeweiligen sektoralen Sichtweisen und Orientierungen in das Genehmigungsverfahren einbringen, dann können sich diese gegenseitig ergänzen. Aus der Summe der sektoralen Sichtweisen kann eine umfassende Gesamtsicht der Problematik entstehen und aus der Auseinandersetzung zwischen den konkurrierenden Zielvorstellungen kann eine ausgewogene Beurteilung hervorgehen, in der die verschiedenen sektoralen Aspekte des Gemeinwohls berücksichtigt sind.26 Das Mitbeteiligungsverfahren leistet somit einen Beitrag zur Erweiterung der Informations-, Interessen- und Zielberücksichtigung im Entscheidungsprozeß. Bei konzentrierten Genehmigungsverfahren besteht außerdem noch die Möglichkeit, eine möglichst "neutrale" Stelle, die keine speziellen Fachaufgaben wahrnimmt, mit den Aufgaben einer Konzentrationsbehörde zu betrauen.27 Dadurch kann vermieden werden, daß die Konzentrationsbehörde ihre dominierende Stellung im Entscheidungsprozeß dazu ausnutzt, um bei der Entscheidung ihren eigenen Fachinteressen Vorrang zu geben.

3.3.2.4. Entscheidungspräformierungen Entscheidungspräformierung bedeutet, daß eine Entscheidung durch eine vorausgehende Festlegung vorgeformt wird. Derartige Festlegungen stellen "Vorentscheidungen" dar. Was die Wirkungsweise einer solchen Vorentschei25 Bei der Festlegung der Prüfungs- bzw. Zuständigkeitsbereiche ist darauf zu achten, daß sie einerseits nicht so weit ausgedehnt werden, daß sie unüberschaubar werden und sich nicht mehr sachgerecht und fachmännisch handhaben lassen, und andererseits darauf, daß nicht durch eine Zuständigkeitsaufsplitterung zusammenhängende Problemfelder so sehr zerschnitten werden, daß sie als Ganzes gar nicht mehr wahrgenommen werden. Zu den Gefahren einer Zuständigkeitszersplitterung vgl. auch den Bericht des Untersuchungsausschusses der Hbg. Bürgerschaft (Fn. 1), S. 109 f. sowie Damkowski (Fn. 24), S. 220 f., 224, 226. 26 Vgl. Wahl in VVDStRL 41 (1983), 151 (164); Schoeneberg (Fn. 19), S. 992; Bohne, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 20 (49 f.). 27 Ansätze hierzu finden sich z.B. in Bad.-Württ. in Gestalt der "Pianfeststellungsreferate" bei den Regierungspräsidien.

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dung betrifft, so kommt es im vorliegenden Zusammenhang weniger auf eine etwaige rechtliche Bindungswirkung als vielmehr auf die tatsächliche Beeinflussung der späteren Entscheidung an. Insofern kann man auch von einer "faktischen Präjudizierung" sprechen. 1 Innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems sind es vor allem parallele Genehmigungsentscheidungen, Teilgenehmigungen und verfahrensinterne Mitwirkungsakte, die im Hinblick auf nachfolgende Genehmigungsentscheidungen die Qualität von "Vorentscheidungen" besitzen:

- Zeitliche Aufeinanderfolge paralleler Genehmigungsentscheidungen: Eine im voraus erteilte Genehmigung bildet die Grundlage für später zu treffende parallele Genehmigungsentscheidungen, die das gleiche einheitliche Gesamtvorhaben betreffen. Dies gilt auch dann, wenn die Genehmigung keine rechtliche Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden entfaltet. - Verfahrensinterne Stufung: Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens bilden die Grundlage für Genehmigungsentscheidungen in späteren Verfahrensabschnitten. Verfahrensmitbeteiligung: Stellungnahmen von Verwaltungseinheiten, deren Aufgabenbereich berührt wird, bilden die Grundlage für die im Verfahren zu treffenden Genehmigungsentscheidungen, und zwar auch dann, wenn dem Mitwirkungsakt eine bindende Wirkung fehlt. Dies gilt auch für die Stellungnahmen parallel zuständiger bzw. "verdrängter" Genehmigungsbehörden. - Sonstige Vorentscheidungen: Von erheblicher Bedeutung sind auch Festlegungen, die bereits im Rahmen informeller Vorverhandlungen zwischen dem Vorhabenträger und einzelnen oder mehreren Genehmigungsbehörden getroffen worden sind. Zumindest bei größeren Projekten ist es üblich, daß Vorverhandlungen über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens geführt werden. 2 Das u.U. sogar protokollierte Ergebnis dieser Vorverhandlungen bildet nicht nur die Grundlage für die weitere Planung des Vorhabenträgers, sondern faktisch auch für die Entscheidung der Genehmigungsbehörde. Auch aus Zusagen

1 Auch der Begriff der "Entscheidungspräformierung" soll deutlich machen, daß damit keine rechtliche Präjudizierung gemeint ist. Vgl. auch Bohnert, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 198 (199). Hoffmann-Riem in VVDStRL 40 (1982), 187 (199) spricht von einem "Programmierungsgehalt" der Vorentscheidung. 2 Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 35, 58 f., 318 ff., 64 7 ff.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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oder vertraglichen Vereinbarungen im Vorfeld des Genehmigungsverfahrens können sich vorentscheidende Effekte ergeben. 3 Die genannten Vorentscheidungen weisen regelmäßig eine Doppelfunktion auf: Einerseits formen sie die später zu treffende Genehmigungsentscheidung vor, andererseits halten sie diese aber auch noch offen. So werden zwar einzelne Festlegungen getroffen, an denen bei der späteren Entscheidung kaum noch vorbeigegangen werden kann, doch bleibt der Entscheidungsprozeß durchaus noch offen für spätere Entwicklungen. Der Entscheidungsspielraum wird also noch nicht vollständig aufgebraucht.

- Beispiel: Nukleares Endlager Gorleben Die Eigenart und Problematik von Entscheidungspräformierungen läßt sich am Beispiel des geplanten Endlagers für radioaktive Abfälle im Salzstock bei Gorleben aufzeigen und verdeutlichen: Wie bereits ausgeführt, wurde für das in Bau befindliche Untersuchungsbergwerk lediglich eine bergrechtliche Rahmenbetriebsplanzulassung erteilt. 4 Nach der dieser Praxis zugrundeliegenden Rechtsauffassung ist eine atomrechtliche Planfeststellung nach § 9 b AtG erst dann erforderlich, wenn die Erkundung zu einem positiven Abschluß gekommen ist und das Bergwerk zum Endlager ausgebaut werden soll. 5 Damit wird die Entscheidung, ob im Gortebener Salzstock ein nukleares Endlager eingerichtet wird, zwar einerseits noch offengelassen, aber andererseits durch die Errichtung des Erkundungsbergwerks vorgeformt: Die Art und Weise, wie das Erkundungsbergwerk angelegt wird, bestimmt zugleich die Ausgestaltung eines etwaigen späteren Endlagers. Der Gorlebener Salzstock soll nicht mehr als nötig angebohrt werden. Die vorhandenen Schächte und Strecken des Untersuchungsbergwerks sollen dementsprechend Bestandteil des späteren Endlagers werden. Mit der Errichtung des Untersu3 Zu erwähnen sind z.B. Zusagen bei der Investitionsförderung (vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 289f sowie den unten in Fn. 7 geschilderten Fall), Folgekostenverträge und sonstige baurechtl. Verträge (vgl. BVerwG, Urt. v. 5.7.1974- Flachglas-, E 45, 309) und Grundstückskaufverträge. Vgl. auch den Bericht "Kalk oder die Veränderung einer Landschaft" in: Bad. Zeitung v. 20.1.1982, S. 5: Bei einem aus Umweltschutzgründen umstrittenen und schließlich genehmigten Vorhaben, bei dem es um die Abtragung eines (in die "Biotopkartierung" eingetragenen) Höhenrückens zum Zwecke des Kalkabbaus ging, hatte der Vorhabenträger bereits 15 Jahre zuvor einen großen Teil des Geländes gegen entsprechende Gegenleistung von der Gemeinde gepachtet. Es versteht sich von selbst, daß eine Gemeinde, die sich auf einen solchen Vertrag eingelassen hat , obgleich dessen Zweck unschwer zu erkennen war, sich nur noch schwer gegen das Vorhaben aussprechen kann. Vgl. auch Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 188. 4 Vgl. Abschn. 1. 5 Vgl. Rengeling, Planfeststellung für die Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 49 ff., 68 ff., 106 ff.; ders. in ET 1984, 629 ff.; Hoppe/Bunse in DVBI1984, 1033 (1039 ff.); H. Wagner, in: 7. Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 93 (103 ff.).

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

chungsbergwerks werden somit bereits "Zwangspunkte" geschaffen; die spätere Planfeststellung muß insofern von einer vollendeten Tatsachenlage ausgehen. Außerdem erfordert das Erkundungsbergwerk mit über 1 Mrd. DM einen enormen Investitionsaufwand. 6 Wenn erst einmal eine solche Summe in die Erkundung investiert worden ist, wird sich im späteren Planfeststellungsverfahren kaum noch eine Änderung des Standortes oder des Grundkonzepts der Anlage durchsetzen lassen, es sei denn, aus der untertägigen Erkundung ergäben sich gewichtige Bedenken gegen den Standort oder das Anlagenkonzept.7 Außerdem kann bis in einem Jahrzehnt, wenn das Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist, ein sehr dringender Bedarf für ein nukleares Endlager entstanden sein. 8 Wenn bis dahin keine weiteren potentiellen Endlagerstätten erkundet worden sind und sich auch keine alternativen Entsorgungsmöglichkeiten ergeben haben, dann führt praktisch kein Weg mehr an Gorleben vorbei. Es läßt sich also absehen, daß die atomrechtliche Planfeststellungsbehörde dann beträchtlichen "Entscheidungszwängen" ausgesetzt sein wird ,9 auch wenn sich aus der bergrechtliehen Rahmenbetriebsplanzulassung keine rechtlichen Bindungen ergeben. 10 Andererseits ist die endgültige und verbindliche Entscheidung, ob in Gorleben ein nukleares Endlager eingerichtet wird, immerhin um ein Jahrzehnt zurückgestellt worden. Dies eröffnet zugleich die Möglichkeit, neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und technischen Entwicklungen bei der Planfeststellung Rechnung zu tragen. Zum anderen können sich bis dahin aber auch die politischen Verhältnisse gewandelt haben. Den politisch Verantwortlichen dürfte es jedenfalls gelegen gekommen sein, die umstrittene Entscheidung erst einmal aufzuschieben, statt sie gegen den starken Widerstand der Bevölkerung durchsetzen zu müssen. 11 6

s. 5.

Vgl. den Bericht "Keine Zweifel an der Eignung Gorlebens" in FAZ v. 15.7.1982,

7 Allerdings gibt es auch Beispiele dafür, daß sich Verwaltungsbehörden und Gerichte über derartige finanzielle "Sachzwänge" hinwegsetzen, so etwa jüngst im Fall des Uranbergwerks Menzenschwand, in dem schon seit vielen Jahren im Rahmen einer "Aufsuchung" Uran gefördert wird. Das Landesbergamt versagte nunmehr aus naturschutzrechtl. Gründen die beantragte Bewilligung zur "Gewinnung" von Bodenschätzen, obwohl in die vom Bund mit 7 Mio. DM geförderte Prospektion bereits 30 Mio. DM investiert worden waren. Bis zum endgültigen Ausgang des Rechtsstreits wurde die Aufsuchungserlaubnis allerdings erst einmal verlängert. Vgl. VG Freiburg, Urt. v. 10.10.1984, ET 1985, 189 ff. sowie den Bericht "In Menzenschwand drunten ist überhaupt nichts los - oder?" in: FAZ vom 29.7.1985, S. 3 . 8 Zur Zeitplanung vgl. den Bericht der FAZ (Fn. 7). 9 So auch Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 40, 50 ff. IO So Hoppe/ Bunse in DVB11984, 1033 (1039 ff.); a.A. Breuer (Fn. 9), S. 50. II Bezeichnend Rengeling in ET 1984, 629 (632), der zu bedenken gibt, welchen Sinn ein Planfeststellungsverfahren mit Publizität und Öffentlichkeitsbeteiligung zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt haben könne, da eine "Akzeptanz" der Anlage, zu der ja eine Bürgerbeteiligung letztlich beitragen solle, derzeit nicht einmal idealiter vorstellbar sei.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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-Mechanismen der Entscheidungspräformierung Die vorentscheidenden Effekte von Genehmigungsentscheidungen, Stellungnahmen und Vorverhandlungsergebnissen haben sich auch bei implementationswissenschaftlichen Untersuchungen bestätigt. 12 Im folgenden sollen die Mechanismen näher erläutert werden, die dazu führen, daß sich Entscheidungsträger - unabhängig von einer etwaigen rechtlichen Bindung - an bereits vorliegenden Entscheidungen bzw. Entscheidungsvorschlägen orientieren: 13 Erstens können durch den Vollzug einer im voraus erteilten Genehmigung vollendete Tatsachen geschaffen werden. Wenn z.B. erst einmal der Wald gerodet, ein Biotop zerstört oder ein Kulturdenkmal abgerissen worden ist, dann lassen sich gegen das beabsichtigte Vorhaben kaum noch waldrechtliche, naturschutzrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Einwände vorbringen. Zweitens entfaltet ein Vorhaben, wenn es in der Entstehung begriffen ist, eine Eigendynamik, die es zunehmend schwieriger macht, das Projekt noch zu stoppen. Wenn der ursprüngliche Zustand nicht gleich wiederhergestellt werden kann, dann führt das Abbrechen der Vorhabenverwirklichung oft zu unbefriedigenderen Ergebnissen als die Vollendung des Vorhabens (z.B. durch Verwahrlosung und Verfall eines Gebäudes oder Stehenbleiben einer Investitionsruine). Drittens werden durch Vorentscheidungen Erwartungen des Vorhabenträgers geweckt, die sich nicht mehr so leicht enttäuschen lassen. Dies gilt namentlich dann, wenn dieser bereits zu Investitionen veranlaßt worden ist (z.B. für Planung, Grundstückserwerb, Bestellung von Anlagen oder Errichtung von Bauten). Der Vorhabenträger wird dann alles daransetzen, daß er seine Investitionen nicht verloren geben muß. Die Genehmigungsbehörde wird den von seiner Seite zu erwartenden Widerstand für den Fall einer negativen Entscheidung in ihr Kalkül aufnehmen. Es wird ihr meistens nicht angenehm sein, wenn der Antragsteller alle Hebel in Bewegung setzt, d.h. Auf-

12 Z.B. was das Verhältnis von Baugenehmigungen zu nachfolgenden wasserrechtl. Verfahren betrifft, vgl. Mayntz et al. (Fn. 2) , S. 591, 628. Solange den im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlrnSchG ergangenen Anlagengenehmigungen noch keine Konzentrationswirkung gern. § 13 BlrnSchG zukam (bis 1982), ergaben sich aus vorangegangenen Baugenehmigungen auch öfters präformierende Wirkungen hinsichtlich der irnrnissionsschutzrechtl. Genehmigung (vgl. ebd., S. 43, 117, 260 f.) . Nicht anders war es offenbar im Verhältnis von Baugenehmigungen zur nachfolgenden Darnpfkesselerlaubnis, solange letztere noch mit keiner Konzentrationswirkung versehen war (vgl. heute § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO BW, § 61 Abs. 2 MBO '81), vgl. dazu den oben in Abschn. 2.1.1. bei Fn. 30 zitierten Vollzugserlaß des bad. Innenministeriums v. 11.1.1909. Zu den faktischen Bindungswirkungen, die von Vorverhandlungen ausgehen, vgl. Mayntz et al. (Fn. 2) , S. 318 ff., 343 ff., 649 f; Bohne, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 20 (33 f.); Schoeneberg in DVBl 1984, 929 (935 f.). 13 Zum folgenden vgl. auch Hoffrnann-Riern (Fn. 1), S. 187 ff., bes. S. 200 ff., 222 ff.

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sichtsbehörden einschaltet, Rechtsmittel einlegt und politische Instanzen bemüht, um eine Abänderung der Entscheidung zu erreichen- es sei denn, die Genehmigungsbehörde kann sich der Rückendeckung von höherer Stelle sicher sein. 14 Von der zu erwartenden Mehrarbeit abgesehen, muß sie nämlich auch befürchten, daß etwaige Fehler oder Nachlässigkeiten im Verfahren aufgedeckt werden. Viertens dient es der Komplexitätsreduktion und Arbeitsersparnis, wenn die Genehmigungsbehörde von den vorliegenden Entscheidungen und Entscheidungsbeiträgen ausgeht und deren Richtigkeit nicht mehr in Frage stellt. Dies gilt für vorausgehende Genehmigungsentscheidungen ebenso wie für Stellungnahmen anderer Verwaltungseinheiten im Verfahren. Wenn mit dem Antragsteller oder mit beteiligten Verwaltungseinheiten eine Verhandlungslösung erzielt worden ist, dann wird die Genehmigungsbehörde noch weniger bereit sein, einen mühsam erarbeiteten Kompromiß wieder umzustoßen und noch einmal in die Verhandlungen einzutreten. Fünftens trägt es zur Konfliktvermeidung innerhalb der Verwaltung bei, wenn die Genehmigungsbehörde Stellungnahmen anderer Verwaltungseinheiten - sofern sie einander nicht widersprechen - übernimmt und sich an bereits vorliegende Genehmigungsentscheidungen anderer Verwaltungseinheiten anlehnt. Namentlich dann, wenn bereits eine Grundsatzentscheidung für das Vorhaben gefallen ist oder wenn dieses gar auf der politischen Ebene "abgesegnet" worden ist, wird sie sich kaum noch "querlegen". Aber auch im übrigen wird sie sich um eine "Handlungseinheit" der Verwaltung bemühen und es vermeiden, sich nach außen in Widerspruch zu anderen Verwaltungseinheiten zu setzen, solange eine einvernehmliche Lösung möglich erscheint. Schließlich wird sie sich sechstens auch um Verhaltenskonstanz bemühen, wenn sie selbst am Zustandekommen der Vorentscheidung in irgendeiner Form beteiligt war. Wenn sie beispielsweise eine Stellungnahme zu einem parallelen Genehmigungsverfahren abgegeben hat, ohne darin Bedenken gegen das Vorhaben zu äußern, dann wird sie von diesem Standpunkt kaum noch abrücken. Ändert sie ihren Standpunkt, dann muß sie dies sorgfältig begründen und setzt sich dennoch regelmäßig kritischen Einwänden aus. Um die Richtigkeit der früheren Beurteilung zu bestätigen, wird sie geneigt sein, eine "Rechtfertigungsstrategie" zu verfolgen. 15 Es zeigt sich somit, daß es in der "Logik" des Entscheidungsprozesses liegt. wenn sich der Entscheidungsträger an bereits vorliegenden Entscheidunger bzw. Entscheidungsbeiträgen orientiert und diese seiner Entscheidung zu Dies war offenbar in dem in Fn. 7 geschilderten Beispiel der Fall. Zu der selbstverpflichtenden Wirkung von Stellungnahmen vgl. Kirsch, Einführun: in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 1, S . 129; zur .,Verhaltenskonstanz" vgl ebd., S. 131 sowie Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 127 f. 14 15

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

113

grunde legt. Was Genehmigungsentscheidungen betrifft, so steht der Wahrscheinlichkeit von Entscheidungspräformierungen auch nicht entgegen, daß es sich vielfach um gebundene Entscheidungen handelt, bei denen es- rechtsdogmatisch gesehen - nur eine einzige richtige Lösung gibt. Gerade bei Genehmigungsentscheidungen sind nämlich regelmäßig unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und eine Vielzahl von Entscheidungsgesichtspunkten zu berücksichtigen. Auch wenn der Genehmigungsbehörde kein Ermessen eingeräumt ist, so verfügt sie doch regelmäßig über einen ausgedehnten faktischen

Entscheidungsspielraum. 16 - Antragsstrategien

Für den Vorhabenträger liegt es nahe, sich die aufgezeigten Gesetzmäßigkeiten der Entscheidungspräformierung durch eine geschickte Verhandlungsund Antragsstrategie zunutze zu machen. Wenn es ihm gelingt, frühzeitig Festregungen der Verwaltung zu seinen Gunsten zu erreichen, kann er von vorentscheidenden Effekten profitieren. Anzeichen deuten darauf hin, daß in der Praxis nicht selten solche Strategien verfolgt werden. 17 So kann es sich etwa empfehlen, zunächst einen Genehmigungsantrag für den "harmlosesten" Teil des Vorhabens zu stellen und dabei vielleicht sogar das Vorhaben im Ganzen noch gar nicht zu offenbaren. Umgekehrt kann es für den Vorhabenträger auch vorteilhaft sein, bestimmte Genehmigungsanträge erst recht spät zu stellen. Wenn das Genehmigungsverfahren unter Zeitdruck gerät, kann sich dies u.U. auch zu seinen Gunsten auswirken, und zwar nicht bloß dann, wenn eine Genehmigungsfiktion nach Fristablauf vorgesehen ist (vgl. z.B. § 19 Abs. 3 Satz 6 BBauGfBauGB). Es soll beispielsweise nicht selten vorgekommen sein, daß bei baulichen und technischen Anlagen ein wasserrechtlicher Antrag zur Genehmigung einer betriebsbedingten Gewässerbenutzung - aus welchen Gründen auch immer 16 Die Fiktion der "einzig richtigen Entscheidung" dient in erster Linie zur Begründung der uneingeschränkten Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vgl. Erichsen/ Martens, in: dies., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 II 1, S. 185 ff.; Hucke/Bohne, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 180 ff.; Blankenburg, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 6, S. 83 (93 ff.) ; Hegenbarth, ebd., Bd. 7, S. 107 (135 ff.); Grauban in PVS 1969,269 (272). 17 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 605 zur Verschleierung von Vorhaben durch den Antragsteller, um zu erreichen, daß im baurechtl. Genehmigungsverfahren die wasserrechtl. Auswirkungen eines Vorhabens (noch) nicht erkannt werden, z.B. indem eine Baugeneh· migung für eine Lagerhalle anstatt für eine Produktionshalle beantragt wird. Daß derartige Taktiken auch in früherer Zeit nicht unbekannt waren, zeigt etwa der dem Urt. des bad. VGH vom 16.2.1909, Bad. Rechtspraxis 1909, 118, zugrundeliegende Sachverhalt: Dort hatte ein Brauereibesitzer bei seinem Bauantrag einen falschen Verwendungszweck für einzelne Räume angegeben, um seine Absicht zu verschleiern, eine Schankwirtschaft zu eröffnen (Ähnliches kommt heutzutage manchmal bei Diskotheken vor). Zur strategischen Ausnutzung vorentscheidender Effekte vgl. auch Hucke/Uilmann, in: Mayntz, lmplementation politischer Programme, Bd. 1, S. 104 (120) .

8 Wagner

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erst wenige Monate vor der geplanten Inbetriebnahme gestellt worden ist. Auch erfahren Wasserbehörden nicht selten erst durch die Mitbeteiligung am Baugenehmigungsverfahren von einem wasserrechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhaben, so daß sie den Bauherrn erst noch auffordern müssen, einen entsprechenden wasserrechtlichen Antrag zu stellen. 18 Ein derartiges Vorgehen ist für den Antragsteller allerdings riskant, da er sich damit selbst in eine Zwangslage manövriert und u.U. strengere Auflagen akzeptieren muß, nur um Verzögerungen bei der Inbetriebnahme zu vermeiden. 19 Die Genehmigungsbehörde kann derartigen Strategien dadurch vorbeugen, daß sie parallel zuständige Genehmigungsbehörden am Verfahren beteiligt und ggf. auch die parallelen Genehmigungsverfahren zeitlich koppelt. Offenbar ist es in der Praxis weithin üblich, daß Wasserbehörden ihre Stellungnahmen zu baurechtliehen oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen so lange zurückhalten, bis der Vorhabenträger für eine ebenfalls erforderliche wasserrechtliche Genehmigung prüfungsfähige Antragsunterlagen vorgelegt hat. Dies geschieht anscheinend nicht selten zum Mißfallen der Bau- und Imrnissionsschutzbehörden, die die dadurch bedingte Verzögerung des bei ihnen laufenden Genehmigungsverfahrens gerne vermieden sähen. 20 Umgekehrt wird natürlich auch der Vorhabenträger im Laufe des Genehmigungsverfahrens regelmäßig Vermögensdispositionen treffen, die ihn in eine gewisse Abhängigkeit von der Genehmigungsbehörde bringen. Er kann sich daher am Ende gezwungen sehen, bestimmte Änderungen bzw. Auflagen zu akzeptieren, um einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden und den eigenen Zeitplan einhalten zu können. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das Vorgehen der "Deutschen Gesellschaft für Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen" (DWK), die für die von ihr geplante Wiederaufarbeitungsanlage zunächst Genehmigungsanträge für verschiedene Standorte in mehreren Bundesländern eingereicht hatte, obwohl sie in absehbarer Zeit nur die Errichtung einer einzigen Anlage beabsichtigte. Nach dem Zurückziehen weiterer Anträge betrieb sie die Genehmigungsverfahren für die Standorte Wackersdorf (Bayern) und Dragahn (Nie18 Zu verspätet und gar nicht gestellten wasserrechtl. Genehmigungsanträgen und sich daraus ergebenden Entscheidungspräformierungen vgl. auch Mayntz et al. (Fn. 2), S. 501 f., 602, 628. 19 Zur Erfüllung derartiger Auflagen kann eine Frist gesetzt werden, so daß der Be· triebsbeginn dadurch nicht verzögert werden muß (vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 662 f.). Zur Verhandlungstaktik der Selbstfestlegung vgl. Kirsch (Fn. 15), Bd. 3, S. 2 36 ff. 20 So wurde z.B. von Verwaltungspraktikern die Forderung geäußert, die Wasserbehör· de solle die Beurteilung des Vorhabens aus wasserrechtl. Sicht in der Weise aufspalten, daß sie sich in ihrer Stellungnahme zur baurechtl. bzw. immissionsschutzrechtl. Genehmigung auf diejenigen Gesichtspunkte beschränkt, die direkt mit dem Baukörper bzw. mit der technischen Anlage verbunden sind, und die im wasserrechtl. V erfahren zu prüfenden weiteren Fragen, etwa was die Beseitigung des Abwassers betrifft, zunächst einmal zurückstellt. Von seiten der Wasserbehörden wurde demgegenüber darauf verwiesen, daß sich beide Fragenkomplexe in der Praxis nicht trennen ließen.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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dersachsen) weiter. 21 Indem sie sich nicht auf einen einzigen Antrag beschränkte, nahm sie zwar höhere Planungs- und Verfahrenskosten in Kauf, sicherte sich jedoch gegen die Verzögerung eines Verfahrens bzw. gegen das Scheitern eines Antrags ab und hielt sich die Wahl zwischen beiden Standorten offen. Die Konkurrenz beider Länder, die sich um die Wiederaufarbeitungsanlage bewarben, war auch geeignet, Dauer und Ausgang der Verfahren günstig zu beeinflussen. Jedenfalls ließ sich die DWK nicht dazu bewegen, ihre Präferenz frühzeitig bekanntzugeben oder ihre Standortentscheidung vor dem Abschluß beider Genehmigungsverfahren zu treffen. 22 Allerdings einigten sich die Länder Bayern und Niedersachsen frühzeitig darauf, die Genehmigungsverfahren "parallel" durchzuführen, d.h. sich in wesentlichen Fragen gegenseitig abzustimmen und die Verfahren auch innerhalb des gleichen Zeitrahmens abzuwickeln. 23 Dadurch wurden Verfahrensvereinfachungen möglich, z.B. durch das gemeinsame Einholen standortunabhängiger Gutachten. Dagegen konnte nicht ganz vermieden werden, daß es zu einer Konkurrenz zwischen beiden Ländern kam und sich aus dem Nebeneinander beider Verfahren gewisse "Irritationen" ergaben. 24

3.3.2.5. Auswirkungen auf die Position des Vorhabenträgers Es sind nunmehr die Folgen zu untersuchen, die sich aus der strukturellen Ausdifferenzierung des Verfahrenssystems für die Verfahrensbeteiligten ergeben. Dabei ist streng zwischen Antragstellern und Drittbetroffenen zu unterscheiden, da ihre Interessen oft gegenläufig sind und sich bestimmte Strukturmerkmale für beide Seiten unterschiedlich auswirken. 1 Im folgenden werden zunächst diejenigen Auswirkungen behandelt, die sich für den Vorhabenträger ergeben, wobei vor allem die Unterschiede zwischen einer parallelen und einer konzentrierten Verfahrensgestaltung herausgearbeitet werden sollen. Genehmigungsvorbehalte schränken den Freiheitsraum des Vorhabenträgers ein, insbesLndere was dessen Bau- und Investitionsfreiheit betrifft. Eine Aufhebung dieser formellen bzw. materiellen Verbotsschranken ist nur im Wege derErteilungeiner Genehmigung möglich. Durch die Genehmigung er-

21 Zu dem zurückgezogenen Genehmigungsantrag für den Standort Frankenberg-Wangershausen (Hessen) vgl. Ueberhorst, Planungsstudie, bes. S. 25 f. 22 Vgl. den Bericht "Die Standort-Entscheidung zur Wiederaufarbeitung fällt erst im Februar" in FAZ v. 12.12.1984. 23 Vgl. die Berichte "Absprache über Wiederaufarbeitungsanlage" und "Vereinfachtes Genehmigungsverfahren für die DWK" in FAZ v. 3.12.1982 bzw. 7.12.1982, S. 4. 24 Vgl. die Berichte "Irritationen um das Projekt Dragahn" und "Albrecht fürchtet den Eindruck eines Milliarden-Wettlaufs" in FAZ v. 21.7.1983, S. 4 bzw. v. 3.10.1984. I Zur Kritik an dem beide Positionen verwischenden Begriff der "Bürgemähe" vgl. bereits Abschn. 2.2 .

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hält der Vorhabenträger ein Recht zur Durchführung des Vorhabens. 2 Sein Recht, das Vorhaben zu verwirklichen, ist verfahrensabhängig gestellt. Daraus ergeben sich rechtsstaatliche Anforderungen an die organisations- und verfahrensmäßige Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems. Es sind Vorkehrungen zu treffen, damit der Vorhabenträger im Verfahren zu seinem Recht kommt. Damit wird ein vorverlagerter Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren bewirkt. 3 Es fragt sich, ob die Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten auf mehrere parallel zuständige Genehmigungsbehörden ein geeignetes Mittel hierfür darstellt. Die Zuordnung begrenzter Zuständigkeiten stellt an sich ein klassisches Instrument der Freiheitssicherung dar. Die feste Ordnung und Aufteilung der Zuständigkeiten wurde geradezu zum Wesensmerkmal der Verwaltung im liberalen Rechtsstaat.4 Dies wird verständlich, wenn man sich den engen Zusammenhang zwischen Zuständigkeiten und Eingriffsbefugnissen vergegenwärtigt. Die Zuständigkeitsordnung führt so zu einer Art "Gewaltenteilung" innerhalb der Verwaltung. 5 Außerdem bewirkt die Aufteilung der Zuständigkeiten, daß der Bürger von einer bestimmten Verwaltungseinheit nur unter einem bestimmten Blickwinkel und in einem fest umgrenzten Aufgabenzusammenhang "verwaltet" und "erfaßt" wird. Wenn die Verwaltung allerdings nicht im Rahmen der klassischen Eingriffsverwaltung Verbots- oder Gebotsanordnungen erläßt, dann wird die freiheitssichernde Funktion von geteilten Zuständigkeiten fragwürdig. Zwar haben die Zuständigkeitsgrenzen zwischen verschiedenen Verwaltungseinheiten bzw. Verwaltungszweigen neuerdings wieder im Hinblick auf den Datenschutz insofern rechtsstaatliche und freiheitssichernde Bedeutung erlangt, als sich daraus u.U. Schranken für die Weitergabe von personenbezogenen Daten im Wege der Amtshilfe ergeben können. 6 Was dagegen die Aufteilung von Genehmigungskompetenzen auf parallel zuständige Genehmigungsbehörden betrifft, so ist kaum ersichtlich, wie dadurch der Freiheitsraum des Vorhabenträgers

2 Zum Begriff der Genehmigung vgl. im einzelnen Abschn. 1. Vgl. auch die Definition in Art. 1 Abs. 2 UVP-Richtlinie. 3 Zur Organisations- und Verfahrensabhängigkeit des Rechtsschutzes und zur Notwendigkeit der Durchsetzung und Sicherung von Grundrechten durch Organisation und Verfahren vgl. BVerfG, Urt. v. 20.12.1979 - Mülheim-Kärlich - , E 53, 30 (59 ff., 64ff., 71 ff.); Hesse in EuGRZ 1978, 427 (434 ff.); ders., Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 358 f.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, S. 47 ff., 343 ff., 348 ff. und passim; Laubinger in VerwArch 1982, 60ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn.9. 4 Vgl. Ellwein, Regieren und Verwalten, S. 84 ff. 5 Vgl. Schlink, Die Amtshilfe, S. 26. Ein Vergleich mit dem rechtsstaatliehen Gewal· tenteilungsgrundsatz drängt sich jedenfalls dann auf, wenn man darunter das "Prinzip der Konstituierung, Rationalisierung, Stabilisierung und Begrenzung staatlicher Gewalt" versteht (so Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 498). 6 Vgl. Schlink (Fn. 5), S. 13, 169ff., 246ff. Vgl. auch BVerfG, Urt. v. 15.12.1982 Volkszählung - , E 65, 1 (61 ff.) zur Trennung von Statistik und Verwaltungsvollzug.

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gesichert oder erweitert werden könnte. Im Gegensatz zur klassischen Eingriffsverwaltung liegt hier die Initiative nicht bei der Verwaltung, sondern beim Antragsteller. Er ist auf ein behördliches Tätigwerden angewiesen; Erschwerungen der Verwaltungstätigkeit wirken sich für ihn freiheitsbeschränkend aus. Was den Datenschutz betrifft, so muß er sein Vorhaben ohnehin offenbaren; außerdem muß die Weitergabe vorhabenbezogener Daten zwischen parallel zuständigen Genehmigungsbehörden möglich bleiben. 7 Dem Vorhabenträger kommt es darauf an, im Verfahren möglichst einfach, schnell und erfolgreich zu seinem Recht zu kommen. Dies hängt insbesondere ab von dem Aufwand, den er für das Verfahren betreiben muß, von der Zugänglichkeit der Genehmigungsbehörde und der Transparenz des Verfahrens, von der Stärke der eigenen Stellung im Verfahren und nicht zuletzt von der Dauer des Verfahrens.

- Verfahrensaufwand Wenn für ein einheitliches Gesamtvorhaben mehrere Genehmigungsvorbehalte eingreifen und deshalb parallele Genehmigungsverfahren durchgeführt werden müssen, dann werden dadurch die verfahrensmäßigen Hürden vermehrt, die der Vorhabenträger überwinden muß. Er muß bei verschiedenen Stellen Genehmigungsanträge stellen und während der Dauer der parallelen Genehmigungsverfahren zu mehreren Genehmigungsbehörden Kontakt halten bzw. in mehreren Verfahren präsent sein. Wenn er Pech hat, muß er "von einer Stelle zur anderen laufen" und mehrmals einen .,Papierkrieg" führen. Ein konzentriertes Genehmigungsverfahren verschafft dem Vorhabenträger dagegen Erleichterung. Er kann sich auf ein einziges Verfahren konzentrieren und braucht sich bloß an die Konzentrationsbehörde zu wenden. Bei näherer Betrachtung relativieren sich allerdings die Unterschiede im Verfahrensaufwand zwischen parallelen und konzentrierten Genehmigungsverfahren. Auch im konzentrierten Genehmigungsverfahren muß der Vorhabenträger nämlich Antragsunterlagen vorlegen, die die "ersetzten" Genehmigungsbereiche abdecken und die auch formal den dafür geltenden Anforderungen genügen. Außerdem entstehen für ihn aus der internen sektoralen Ausdifferenzierung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens ähnliche Belastungen wie aus einem Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren. So muß er regelmäßig Mehrfertigungen für die mitbeteiligten Verwaltungseinheiten einreichen, und wenn er gut beraten ist, wird er dies über die vorgeschriebene Zahl 7 Bei den meisten Genehmigungsvorbehalten fehlen bislang noch datenschutzrechtliche Regelungen. Ansätze hierzu finden sich jedoch beispielsweise in der UVP-Richtlinie v. 27.6.1985 (vgl. Art. 5, Art. 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, Art. 10).

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hinaus tun, um eine simultane und beschleunigte Bearbeitung seines Antrags zu ermöglichen. Außerdem wird er sich nicht auf den Kontakt mit der Konzentrationsbehörde selbst beschränken, jedenfalls dann, wenn eine der mitbeteiligten Verwaltungseinheiten Bedenken gegen das Vorhaben erhebt. Vernünftigerweise wird er schon von vornherein Kontakt zu den mitbeteiligten Verwaltungseinheiten aufnehmen, wenn er von deren Seite Schwierigkeiten befürchtet, und es gar nicht erst auf eine negative Stellungnahme ankommen lassen. 8 Wie bereits ausgeführt, stellt eine solche Stellungnahme nämlich bereits eine Selbstfestlegung der betreffenden Verwaltungseinheit dar, die sich nicht mehr so leicht umstoßen läßt.

- Zugänglichkeit und Transparenz Auch was die Zugänglichkeit der Genehmigungsbehörde und die Transparenz des Verfahrens betrifft, fallen zunächst die Vorteile des konzentrierten Genehmigungsverfahrens ins Auge. Der Vorhabenträger hat hier in Gestalt der Konzentrationsbehörde einen Ansprechpartner für sein ganzheitliches Anliegen. Er kann sich von ihr in allen Fragen beraten lassen, insbesondere was den Gang des Verfahrens betrifft. Die Konzentrationsbehörde hat den überblick über das gesamte Verfahren und ist als verfahrensführende Stelle für dessen Abwicklung verantwortlich. Allerdings relativieren sich auch hier die Vorteile des konzentrierten Verfahrens bei näherem Hinsehen. Die Konzentrationsbehörde besitzt nämlich regelmäßig nicht die Fachkompetenz auf allen Sachgebieten. Daher wird ihr oft nichts anderes übrigbleiben, als den Antragsteller hinsichtlich bestimmter Sachfragen an diejenigen mitbeteiligten Verwaltungseinheiten weiterzuverweisen, die dafür speziell zuständig sind. Immerhin kann sie den Antragsteller an die richtige Stelle verweisen und ihm auch jederzeit Informationen über den Stand des Verfahrens geben, etwa dann, wenn der Antrag bei einer bestimmten mitbeteiligten Stelle "hängengeblieben" ist. Trotzdem ist das verfahrensinterne Mitbeteiligungsverfahren wenig transparent. Mitbeteiligte Verwaltungseinheiten könnten daher versucht sein, sich gegenseitig den "Schwarzen Peter" zuzuschieben. Schließlich ist auch zu beachten, daß sich Vorhabenträger regelmäßig eines Architekten bzw. eines Planungsbüros bedienen. Die Einschaltung eines qualifizierten Planverfassers ist meist schon aus baurechtliehen Gründen notwendig (vgl. §§ 45, 53 Abs. 5 u. 6 LBO BW; §§55, 64 MBO '81). Dies hat zur 8 In diesem Sinne äußerten sich auch bad.-württ. Genehmigungsbehörden bei einer Befragung durch das Innenministerium (vgl. den Bericht in der LT-Drucks. BW 8/3635 S. 23 (30 sub c) - s. Anh. - ). Vgl. außerdem zur Beteiligung von Drittbehörden an informellen Vorverhandlungen Mayntz et al. , Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 35, S. 58 f. , 319 f., 322 f., 3 77' 650.

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Folge, daß der Vorhabenträger regelmäßig durch einen Fachmann in Genehmigungsangelegenheiten unterstützt wird, der die Wege der Bürokratie kennt. Architekten haben laufend mit Genehmigungsbehörden zu tun und unterhalten zu diesen meist gute Beziehungen im Interesse einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit. 9 Die Qualität eines Architekten bemißt sich auch nach seinen Fähigkeiten im Umgang mit den Genehmigungsbehörden. Wenn somit ein Architekt als "Anwalt" des Bauherren im Genehmigungsverfahren eingeschaltet ist,l 0 dann ist die Zugänglichkeit und Transparenz der Verwaltung meist kein Problem mehr. Architekten finden sich in einem System paralleler Genehmigungsverfahren meist ebensogut zurecht wie innerhalb eines ausdifferenzierten konzentrierten Genehmigungsverfahrens, wobei für die Praktiker die rechtlichen Unterschiede zwischen beiden Verfahrensgestaltungen offenbar keine große Rolle spielen.

-Stellung im Verfahren Es fällt naturgemäß schwer, über die Einflußmöglichkeiten und die Durchsetzungskraft von Vorhabenträgern allgemeine Aussagen zu treffen. Immerhin läßt ein konzentriertes Genehmigungsverfahren weniger Spielraum für besondere "Antragsstrategien" des Vorhabenträgers. 11 Auch deuten Anzeichen darauf hin, da sich große und gut organisierte Industrieunternehmen gegenüber einer "fragmentierten" Vollzugsverwaltung besser durchsetzen können.12 Außerdem führt eine Konzentration häufig zu einer "Hochzonung" von Genehmigungszuständigkeiten auf Verwaltungsbehörden höherer Instanz. Dies kann die Position des Vorhabenträgers verschlechtern, da es für ihn u.U. schwieriger ist, auf das Landratsamt oder gar auf das Regierungspräsidium Einfluß auszuüben, als auf die Gemeinde, die sich möglicherweise allein schon durch die Aussicht auf höhere Gewerbesteuereinnahmen beeindrucken läßt. Auch schildern Architekten Gemeinden im allgemeinen als umgänglicher als Staatsbehörden; offenbar ist bei ihnen mit größerer Kooperationsund Konzessionsbereitschaft zu rechnen.

9 Zwischen Architekten und Genehmigungsbehörden kann sich so ein ,.Kontaktsystem" herausbilden, in dem die Beteiligten jeweils bestimmte Verhaltenserwartungen aneinander richten und geneigt sind, einander in gewissem Maße entgegenzukommen. Zu Kontaktsystemen vgl. allgemein Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 75 ff., 212. 10 Auch in der HOAI i.d.F. v. 17.7.1984 (BGBI. S. 948) werden zu den Grundleistun· gen des Architekten bei der Objektplanung außer dem Erarbeiten und Einreichen der Genehmigungsunterlagen auch die Vorverhandlungen und etwaige spätere Verhandlungen mit Behörden über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens gerechnet (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 2- 4, § 55 Abs. 2 Nr. 2-4 HOAI). 11 Vgl. Abschn. 3.3.2.4. am Ende. 12 Vgl. Winter, Das Vollzugsdefizit im Wasserrecht, S. 44f.

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Verfahrensdauer Die Beschleunigung des Verfahrens wird häufig als eigentliches Ziel der Konzentration genannt. Für eine beschleunigende Wirkung der Konzentration spricht, daß dadurch Reibungsverluste zwischen parallelen Genehmigungsverfahren vermieden werden können und daß die Konzentrationsbehörde, die die Verfahrensverantwortung trägt, selbst dafür Sorge tragen muß, daß das Verfahren seinen Fortgang nimmt, indem sie z.B. den mitbeteiligten Verwaltungseinheiten Fristen setzt. Allerdings ist der Beschleunigungseffekt einer Konzentration keineswegs zwingend. Es kann nämlich umgekehrt auch zu Engpässen bei der Konzentrationsbehörde kommen oder zu einer Komplexitätsüberlastung. Außerdem kann gerade das Mitbeteiligungsverfahren ziemlich zeitraubend sein. 13 Dementsprechend läßt sich inzwischen auch eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Erreichbarkeit einer Verfahrensbeschleunigung feststellen. 14 Auch folgender Fall, der eigentlich als Beleg für "administrativ bedingte Investitionshemmnisse" dienen sollte,l 5 ist geeignet, allzu große Erwartungen in die Beschleunigungswirkung einer Konzentration zu dämpfen: Es ging hierbei um die Genehmigung des Umbaus einer Fabrikationsanlage mit "Vernetzungsanlage". In der 5. Woche nach Antragstellung stellte der TUV fest, daß für die Vernetzungsanlage eine Genehmigung nach der Strahlenschutzverordnung erforderlich sei; in der 14. Woche teilte das Gewerbeaufsichtsamt mit, daß hierfür das Arbeitsministerium zuständig sei, woraufhin dieses wiederum in der 15. Woche erklärte, daß in Wirklichkeit eine Genehmigung nach der Röntgenverordnung erforderlich sei. Bereits in der 10. Woche hatte die Gemeinde als Baugenehmigungsbehörde den Teilabbruch genehmigt; in der 16. Woche erteilte sie die Baugenehmigung für den Hallenneubau (ohne die Vernetzungsanlage). In diesem Fall wurde also die Baugenehmigung erteilt, bevor das Genehmigungsverfahren nach der Röntgenverordnung überhaupt in Gang gekommen war. Die Ursache für die Verfahrensverzögerung ist hier nicht in der Parallelität der Genehmigungsverfahren zu suchen, sondern liegt in der Unsicherheit über den einschlägigen strahlenschutzrechtlichen Genehmigungsvorbehalt 13 Dieses wird h äufig als Hauptgrund für Verfahrensverzögerungen angeführt. V gl. die Amt!. Begr. zu der Verfristungsregelung in § 92 Abs. I LBO BW'83 (jetzt: §55 Abs. 1 LBO BW) in LT·Drucks. BW 8/3410, S. 103 f; Mayntz et al. (Fn. 8), S. 50 f, 76, 330, 591; Bericht der Kommission zur Überprüfung von Verbesserungsmöglichkeiten in der Hbg. Verwaltung,S.l27f. 14 In der Öffentlichkeit werden diese Zweifel allerdings nur selten laut. Vgl. jedoch z.B. den Bericht über die Fortbildungsveranstaltung des Verbandes der bay. Verwaltungsbeamten des höheren Dienstes v. 29./30.3.1979 in BayVBI19 79, 493 (494) . 15 Dieses Fallbeispiel verdanke ich einer Mitteilung des Landesverbandes der Bad.Württ. Industrie v. 16.2.1982.

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und die dafür zuständige Genehmigungsbehörde begründet. Bei einer Konzentration beider Verfahren hätte das konzentrierte Genehmigungsverfahren möglicherweise erst in der 15. Woche eingeleitet werden können, nachdem die strahlenschutzrechtliche Genehmigungszuständigkeit des Ministeriums geklärt war. Auch wenn der Baugenehmigung eine Konzentrationswirkung gegenüber der röntgenrechtlichen Genehmigung zugekommen wäre, hätte es die Gemeinde als Baugenehmigungs- und Konzentrationsbehörde kaum wagen können, eine "Teilgenehmigung" für den Umbau der Halle zu erteilen, bevor eine positive Stellungnahme der zuständigen Strahlenschutzbehörde vorlag (es sei denn, sie hätte die strahlenschutzrechtliche Relevanz der Anlage völlig übersehen). Nur dank der parallelen Verfahrensgestaltung konnte also der Vorhabenträger relativ bald mit dem Umbau beginnen. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die Baugenehmigung geeignet war, die spätere röntgenrechtliche Genehmigung zu "präformieren". Es gibt zu denken, daß die Gemeinde hier offenbar den Umbau der Halle genehmigte, bevor sich die zuständige Strahlenschutzbehörde aufgrund der ihr vorliegenden Antragsunterlagen mit dem Umbau einverstanden erklärt hatte. Zu einem solchen "Nachhinken" des röntgenrechtlichen Genehmigungsverfahrens hätte es gar nicht erst kommen müssen, wenn sich der Vorhabenträger oder die Gemeinde sogleich durch Rückfrage beim zuständigen Ministerium (oder auch beim Hersteller der Anlage) darüber vergewissert hätte, wie die Vernetzungsanlage genehmigungsrechtlich zu qualifizieren ist. Vom Vorhabenträger hätte man erwarten können, daß er sich bereits vor der Stellung des Bauantrages um die Klärung dieser grundlegenden genehmigungsrechtlichen Frage bemüht.

- Gesamtwürdigung Was die Vor- und Nachteile der parallelen und konzentrierten Verfahrensgestaltung für den Vorhabenträger betrifft, läßt sich keine einfache Rechnung aufmachen. Ausschlaggebend dürfte jedoch sein, daß sich der Verfahrensaufwand durch die Konzentration vermindert, daß der Vorhabenträger die Konzentrationsbehörde als primären Ansprechpartner gewinnt und daß diese als verfahrensführende Stelle für eine zügige Verfahrensabwicklung verantwortlich ist. Insgesamt werden daher für den Vorhabenträger die Vorteile einer konzentrierten Verfahrensgestaltung leicht überwiegen.

3.3.2.6. Auswirkungen auf die Position der Drittbetroffenen Den Drittbetroffenen kommt es umgekehrt auf den Schutz ihres Freiheitsraumes vor Beeinträchtigungen durch das geplante Vorhaben an. Die genehmigungsrechtliche Kontrolle eines Vorhabens hat eine Schutzfunktion ihnen

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gegenüber, jedenfalls insoweit, als es um die Prüfung nachbarschützender Vorschriften geht. Namentlich aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) kann sich sogar eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Staates ergeben, "sich schützend und fördernd vor die darin genannten Rechtsgüter zu stellen und sie insbesondere vor rechtswidrigen Eingriffen von seiten anderer zu bewahren" .1 Der Grundrechtsschutz ist dabei weitgehend auch durch die Gestaltung des Verfahrens zu bewirken. 2 Dadurch ergibt sich ein vorverlagerter Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren. Ob Genehmigungsverfahren diese Schutzfunktion gegenüber Drittbetroffenen erfüllen können, hängt insbesondere ab von der Effektz"vität der Sackprüfung durch die Genehmigungsbehörde, von den Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und von der Transparenz des Verfahrens. Bei der folgenden Analyse ist das Augenmerk vor allem darauf zu richten, ob diesen Anliegen durch eine parallele oder durch eine konzentrierte Verfahrensgestaltung besser Rechnung getragen wird.

-Effektivität der Sackprüfung Die Sachkompetenz und Qualifikation des Entscheidungsträgers bietet zugleich eine gewisse Gewähr für die Sachrichtigkeit der Entscheidung. Es entspricht rechtsstaatliehen Prinzipien, wenn Verwaltungsaufgaben jeweils solchen Verwaltungseinheiten zugeordnet werden, die nach ihrer Struktur zu deren Wahrnehmung besonders geeignet sind. 3 Parallel zuständige Genehmigungsbehörden besitzen zwar für ihren jeweiligen Genehmigungsbereich meist eine höhere Sach- und Fachkompetenz als die Konzentrationsbehörde, doch ist bei ihnen zugleich die Gefahr "selektiver Perzeption" entsprechend höher. Dagegen läßt sich in konzentrierten Genehmigungsverfahren durch die Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten das Informations-, Interessen- und Wertberücksichtigungspotential erhöhen. Außerdem kann gerade die Verfahrensmitbeteiligung anderer Behörden der administrativen Selbstkontrolle dienen. Es spricht daher manches dafür, daß die Effektivität der Sachprüfung in konzentrierten Genehmigungsverfahren höher einzuschätzen ist. So läßt sich insbesondere auch eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung in einem konzentrierten Genehmigungsverfahren leichter bewerkstelligen.4 1 So BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - Mülheim·Kärlich -, E 53, 30 (57). Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978- Kaikar -, E 49, 89 (141 ff.) sowie Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 350. 2 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12. 79 (Fn. 1 ), S. 57, 59 f., 64 ff. , 71 ff.; Hesse (Fn. 1), Rn. 358 ff. sowie die weit. Nachw. in Abschn. 3.3.2.5., Fn. 3. 3 Dies gilt allgemein für die Verteilung der Staatsfunktionen, vgl. Hesse (Fn. 1), Rn. 488 ff. 4 Vgl. Bunge in ZfU 1984, 405 (417 f.).

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Allerdings hängt die Qualität des Prüfprozesses immer davon ab, wie die entscheidungszuständige Verwaltungseinheit qualitativ besetzt ist und wie der Entscheidungsprozeß konkret ausgestaltet wird. Verfolgt die Konzentrationsbehörde beispielsweise eigene fachliche Interessen, die sich mit denjenigen des Vorhabenträgers weitgehend decken, dann wird es um die Effektivität der Sachprüfung schlecht bestellt sein. Im Fall des nuklearen Zwischenlagers würde ein konzentriertes Genehmigungsverfahren eine effektivere Sachprüfung erlauben. Wenn eine atomrechtliche Errichtungsgenehmigung vorgesehen wäre, die die Baugenehmigung ersetzt, wäre besser gewährleistet, daß die Bedingungen des Betriebs bereits bei der Errichtung der Anlage Berücksichtigung finden. Die Konzentrationsbehörde hätte insbesondere zu prüfen, - ob der Standort für eine nukleare Anlage geeignet ist, - ob das Umschließungssystem so beschaffen ist, daß es das eingelagerte radioaktive Material ausreichend vor unbefugten Zugriffen Dritter und sonstigen Einwirkungen von außen schützt, - ob die Transportbehälter in Verbindung mit den verstärkten Außenwänden der Lagerhalle und der umschließenden Wallanlage die Umgebung genügend vor Direktstrahlung abschirmen, - und ob die auftretende Nachzerfallswärme sicher abgeführt werden kann, sei es durch Naturkonvektion oder durch ein künstliches Kühlsystem. Allerdings besteht auch im Rahmen eines parallelen Verfahrenssystems die Möglichkeit, daß die Baugenehmigungsbehörde eine vorläufige Gesamtprüfung hinsichtlich aller Anlagenteile (Grundstücksumschließung, Lagerhallen, Werkstätten) vornimmt und dabei mit Unterstützung der Atom- und Strahlenschutzbehörden auch die nuklearspezifischen Belange einbezieht. Gleichwohl bestünde die Gefahr, daß die Baugenehmigungsbehörde - vielleicht auch nur aus Angst vor Überforderung - die nuklearspezifischen Belange aus dem Baugenehmigungsverfahren weitestgehend ausklammert und auf ein später durchzuführendes atomrechtliches Verfahren verweist. Wenn aber die baulichen AnlJen genehmigt oder gar schon errichtet sind, lassen sich bautechnische Verbesserungen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes nur noch unter erschwerten Bedingungen erreichen.

- Bürgerb eteiligung Abgesehen von der in§ 28 VwVfG vorg.eschriebenen Anhörung derjenigen Beteiligten, in deren Rechte eingegriffen wird, hängen die Möglichkeiten der Bürger, ihre Einwendungen im Genehmigungsverfahren geltend zu machen, von denjeweiligen speziellen Vorschriften über die Bürgerbeteiligung ab. Während bei Planfeststellungsverfahren und den meisten konzentrierten Genehmigungsverfahren (z.B. immissionsschutzrechtlicher oder atomrechtlicher

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Art) eine formalisierte Öffentlichkeitsbeteiligung mit Erörterungsterminen u.a. vorgeschrieben ist, 5 fehlen bei anderen Genehmigungsverfahren vielfach noch entsprechende verfahrensmäßige Vorkehrungen zum Schutz Drittbetroffener.6 Außerdem hat das konzentrierte Genehmigungsverfahren für Drittbetroffene den Vorteil, daß sie ihre Einwendungen umfassend vortragen können und in der Regel bereits frühzeitig von dem gesamten Vorhaben unterrichtet werden. 7 Ein konzentriertes Genehmigungsverfahren bietet daher regelmäßig günstigere Voraussetzungen für eine effektive Bürgerbeteiligung. Im Fall des nuklearen Zwischenlagers ist weder für das Baugenehmigungs· verfahren noch für das atomrechtliche Aufbewahrungs- bzw. Umgangsgenehmigungsverfahren eine formalisierte Öffentlichkeitsbeteiligung gesetzlich vorgesehen.8 Bei den Zwischenlagern in Gorleben und Ahaus fand sich die PTB allerdings trotzdem bereit, öffentliche Anhörungstermine durchzuführen. 9

-Transparenz des Verfahrens Für drittbetroffene Bürger ist es schwierig, das komplizierte Geflecht paralleler Genehmigungsverfahren ohne fremde Hilfe zu durchschauen. Auch Bürgerinitiativen können nicht immer eine ausreichende Hilfestellung geben. Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere daraus, daß bestimmte Bedenken und Anregungen jeweils nur in bestimmten Verfahren Erfolg versprechen. Drittbetroffene müssen ihre Einwendungen daher ggf. auf mehrere Verfahren aufspalten. Vor allem aber dürfen sie den richtigen Zeitpunkt und das richti· ge Verfahren nicht verfehlen, wenn sie ihr Anliegen wirksam vertreten wollen. Wenn Drittbetroffene die Tragweite eines zunächst durchgeführten Genehmigungsverfahrens verkennen, können sich daraus unliebsame Überraschungen ergeben. Unterbleibt z.B. die gerichtliche Anfechtung einer solchen im voraus erteilten Genehmigung, so besteht die Gefahr, daß die Drittbetroffenen von einer "Kaskade" weiterer Genehmigungen überschüttet werden, gegen die sie sich nicht mehr wirksam zur Wehr setzen können.

s Vgl. § 73, 74 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, § 10 BlmSc hG , § 7 Abs. 4 Satz 3 AtG i.V.m. §§ 4 ff., 8 ff. AtVfV. 6 So etwa beim bergrechtl. Betriebsp1anzulassungsverfahren für ein nukleares Endlager. 7 Vgl. § 73 Abs. 3 VwVfG, § 10 Abs. 3 BlmSchG, §§ 4ff. AtVfV. 8 Im Unterschied zum atomrechtl. Anlagengenehmigungsverfahren nach § 7 AtG, vgl. § 4 ff., 8 ff. AtVfV. Wenn allerdings ein Bebauungsplan für das "Sondergebiet Zwischenlager" aufgestellt wird, ist insoweit - im Hinblick auf die Standortfrage - eine Bürgerbeteiligung vorgeschrieben, vgl. § 2 a BBauG/§ 3 BauGB. 9 Z.B. am 28 ./29.1.1981 in Lüchow. Vgl. außerdem die Berichte "Beginn der Anhörung zum Zwischenlager-Projekt Ahaus" und "Auch Einwände aus Holland zum AhausProjekt werden geprüft", in FAZ v. 22 .6.1983, S. 2 bzw. v. 2.7.1983, S. 6. Allerdings macht es einen Unterschied, ob Drittbetroffenen nobile officium eine Beteiligung gewährt wird oder ob sie über genau bestimmte Beteiligungsrechte verfügen.

3.3. Aufgliederung des Verfahrenssystems

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Ein konzentriertes Genehmigungsverfahren hat für einen Drittbetroffenen außerdem den Vorteil, daß ihm die Konzentrationsbehörde als Ansprechpartner dienen kann. Diese kann ihm Auskunft über den Ablauf und Stand des Verfahrens geben und Bedenken und Anregungen entgegennehmen. Sie kann ihn auch an bestimmte mitbeteiligte Vetwaltungseinheiten vetweisen, wenn ihr zu bestimmten Einzelfragen die eigene Fachkompetenz fehlt. Allerdings sind auch hier bezüglich der Vorteile einer konzentrierten Verfahrensgestaltung einige Einschränkungen zu machen. Die verfahrensinterne Ausdifferenzierung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens ist für einen Außenstehenden oft noch schwerer durchschaubar als die Aufspaltung in parallele Genehmigungsverfahren. Ob Drittbetroffene wirklich bis zu den mitbeteiligten Vetwaltungseinheiten vordringen können, ist fraglich. 10 Dementsprechend gewinnt auch die Forderung an Gewicht, Stellungnahmen mitbeteiligter Vetwaltungseinheiten durch Auslegung bzw. durch Gewährung von Akteneinsicht den Drittbetroffenen zugänglich zu machen. 11 Diese Forderung stößt allerdings auf Widerstand, da die öffentliche Vetwaltung bestrebt ist, Meinungsverschiedenheiten nicht nach außen dringen zu lassenP Auch die EG-Richtlinie vom 27.6.1985 über die Umweltvertäglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten 13 hat die Pflicht zur Unterrichtung der Öffentlichkeit gern. Art. 6 Abs. 2 nicht auf die nach Abs. 1 einzuholenden Stellungnahmen derjenigen Behörden ausgedehnt, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Vorhaben berührt sein können. Im Fall des nuklearen Zwischenlagers resultiert aus der parallelen Verfahrensgestaltung für Drittbetroffene die Unsicherheit, ob und inwieweit Einwendungen wegen der nuklearen Betriebsgefahren bereits im Baugenehmigungsverfahren vorgebracht werden können. Auch ist bis heute noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit Drittbetroffene im Rahmen der Anfechtung der Baugenehmigung auch eine gerichtliche Überprüfung der nuklearspezifischen Auswirkungen des Betriebs der Anlage erreichen können. Allerdings sind auch bei konzentrierten Genehmigungsverfahren die Rechtsschutzproblerne Drittbetroffener noch nicht vollständig gelöst: 10 Die Frage, ob auch gegenüber bloß mitbeteiligten Behörden ein Recht besteht, angehört zu werden, wird uneinheitlich beantwortet. Bejahend bei bindenden Mitwirkungsakten: Kopp, VwVfG, § 9 Rn.17ff. (19, 21); ders. in DöV 1980,504 (507); Bäumler in BayVBl 1978, 492 ff.; ablehnend: Leonhardt, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 9 Rn. 15; Borgs, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 9 Rn. 6; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 111. 11 Vgl. Ule/Laubinger, Gutachten für den 52. DJT, S. 32 f., 78 f.; Laubinger in VerwArch 1982, 60 (75); Bäumler in BayVBI 1978, 492 ff. 12 Hierbei wirkt die Leitidee der "Einheit der Verwaltung" fort (vgl. Abschn. 2.2 .). Vgl. auch Wipfler, Leitfaden der Verwaltungslehre, S. 158 f., wonach "nach außen" grundsätzlich ein einheitlicher Standpunkt vertreten werden soll. 13 ABI. EG 1985 Nr. L 175/40- s. Anh. -.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Erstens wird bei konzentrierten Genehmigungsverfahren meist eine Verfahrensstufung durchgeführt, wobei der Regelungsgehalt einzelner Teilgenehmigungen oft nicht leicht zu bestimmen ist. Außerdem besteht die Gefahr der Präklusion von Einwendungen (vgl. § 11 BlmSchG). Zweitens erfaßt die Entscheidungskonzentration oft nicht alle Vorbereitungsmaßnahmen, mit denen sich vollendete Tatsachen schaffen lassen. Wenn so z.B. bei einem immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhaben trotz § 13 BlmSchG eine gesonderte waldrechtliche Umwandlungsgenehmigung zur Rodung des Baugeländes erteilt werden darf, 14 haben die Nachbarn kaum eine Möglichkeit, bereits auf dieser Stufe ihre Rechte geltend zu machen. 15 Drittens werden auch bei konzentrierten Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsverfahren manchmal administrative "Vorentscheidungen" getroffen, die das weitere Verfahren faktisch präformieren, aber dennoch als Verwaltungsinterna angesehen werden, mit der Folge, daß sie von Drittbetroffenen nicht angefochten werden können. 16

- Gesamtwürdigung Auch für Drittbetroffene stellt sich insgesamt gesehen eine konzentrierte Verfahrensgestaltung tendenziell günstiger dar. Dies gilt namentlich im Hinblick auf die erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten, den effektiveren Rechtsschutz und die bessere Übersichtlichkeit des konzentrierten Genehmigungsverfahrens. Es ist daher nur folgerichtig, wenn von seiten Drittbetroffener bzw. von Bürgerinitiativen häufig die Aufspaltung der Prüfung in parallele Genehmigungsverfahren kritisiert wird. 17

Vgl. Abschn. 4.1.2.3. Eine drittschützende Wirkung läßt sich aus § 9 LWaldG BW nicht ohne weiteres entnehmen (vgl. auch§ 9 Abs. 1 BWaldG). Vgl.jedoch OVG Berlin, Urt. v. 2.5.1977- Spandauer Forst-, NJW 1977,2283. 16 Vgl. insbesondere die Rspr. zur luftrechtl. Genehmigung nach § 6 LuftVG als Vor· stufe zur Planfeststellung nach § 8 LuftVG: BVerwG, Urt. v. 11.10.1968, DÖV 1969, 283; Urt. v. 7. 7.1978, DöV 1978, 804; Urt. v. 11.12.1978, DöV 1979, 517; Giemulla/ Lau/Barton, LuftVG, § 6 Rn. 67; vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 1.8.1980, DVBl 1981, 374; Badura in BayVBI 1976, 515 (516, 518); Wahl in DöV 1975, 373 ff.; Bäumler in DöV 1981, 43 ff.; sowie zur Trassen· und Linienbestimmung nach § 16 FStrG als Vorstufe zur Planfeststellung nach § 17 FStrG: BVerwG, Urt. v. 14.2.1975, E 48, 56; Urt. v. 26.6.1981, E 62, 342; vgl. dazu auch Blümel, Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, in: ders., Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 23 (79 ff.); Badura, a.a.O., S. 518; Scheuing in VVDStRL 40 (1982), S. 153 (174 ff.) . 17 Vgl. z.B. "Umweltexpress", Zeitung der Bürgerbewegung gegen die Startbahn West, Walldorf, April 1982, wo gegen die vom luftrechtl. Planfeststellungsverfahren getrennte Durchführung des wasserrechtl. Genehmigungsverfahrens bei der Erweiterung des Frankfurter Flughafens Stellung bezogen wird. Vgl. auch Lauer in ET 1982, 225 (231) und Mayer-Tasch in APUZ 17/1978, S. 20 (28, 35 f.). 14

15

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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3.4. Koordination des Verlahrenssystems Die Aufgliederung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems bedarf des Ausgleichs durch Koordination. 1 Mit der strukturellen Ausdifferenzierung eines Systems steigt zugleich der Bedarf an einheitsbildenden Strukturen.2 Je stärker administrative Entscheidungsprozesse aufgegliedert sind, desto notwendiger sind integrierende und koordinierende Mechanismen, um die Einheit der Verwaltung im funktionellen Sinne herzustellen. Der Koordinationsbedarf folgt im Grunde bereits aus der Komplexität der Entscheidungsaufgabe. Da sich umweltrelevante Vorhaben typischerweise auf eine Vielzahl von Umwelt- und Lebensbereichen auswirken und zahlreiche öffentliche Belange berühren, sind bei der Entscheidung so viele Gesichtspunkte nebeneinander zu berücksichtigen, daß ein einzelner Entscheidungsträger in der Regel überfordert wäre, wenn er allein eine rationale Gesamtentscheidung treffen müßte. Es kommt daher zu einer sektoralen bzw. phasenspezifischen Aufteilung der Entscheidungsaufgabe und zur Verteilung der Teilaufgaben auf mehrere Verwaltungseinheiten. Die Komplexität der Entscheidungsaufgabe macht somit ez"ne Aufgabenteilung erforderlich, dz"e als Ergänzung wiederum der Koordination bedarf 3 Je nach der Art der Ausdifferenzierung des Verfahrenssystems wird eine Koordination auf verschiedenen Stufen notwendig: Sind für parallele Genehmigungsentscheidungen verschiedene Behörden zuständig, so geht es um die Koordination selbständiger Entschez"dungen verschiedener Entscheidungsträger. Dabei spielt auch eine Rolle, ob die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden den gleichen oder verschiedenen Verwaltungsträgem angehören. 4 Hat dagegen eine Behörde mehrere Genehmigungsentscheidungen zu treffen, sei es, daß parallele Genehmigungszuständigkeiten bei ihr gebündelt sind, sei es, daß innerhalb eines gestuften Verfahrens mehrere Teilgeneh-

1 Zum Begriff der Koordination vgl. Kirsch in ZfbF 71, 61 f.; ders., Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3, S. 75; Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 12 ff.; Simon, Entscheidungsverhalten in Organisationen, S. 130 ff.; 255 f. 2 Dementsprechend ergaben auch empirische organisationssoziologische Untersuchungen signifikante positive Korrelationen zwischen dem Spezialisierungsgrad von Organisa· tionen und dem Einsatz von strukturellen Koordinationsinstrumenten (vgl. Kieser/Kubicek, Organisation, S. 169 f. m.w.N.). 3 Vgl. Kieser/Kubicek (Fn. 2), S. 73 f; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 86; Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 73 ff.; Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, Bd. 1, S. 6 7. 4 Im ersteren Fall stellt sich die Koordination als ein Organisationsproblem, da die Behörden zur gleichen Verwaltungsor~anisation bzw. zum gleichen organisatorischen Makrosystem gehören (vgl. Mayntz (Fn. 3 ), S. 82 f.).

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

migungen zu erteilen sind, dann geht es um die Koordination von (Teil-)Entscheidungen des gleichen Entscheidungsträgers. Holt die Genehmigungsbehörde Stellungnahmen anderer Verwaltungseinheiten ein, deren Aufgabenbereich berührt wird, insbesondere der parallel zuständigen bzw. "verdrängten" Genehmigungsbehörden, dann geht es um die Koordination von Entscheidungsbeiträgen innerhalb eines Verwaltungsverfahrens. Selbst dann, wenn überhaupt keine organisations- oder verfahrensmäßige Ausdifferenzierung erfolgt, bleibt entscheidungstheoretisch gesehen immer noch die Koordination von Entscheidungsgesichtspunkten im Entscheidungsprozeß erforderlich. 5 Der Entscheidungsträger muß nämlich regelmäßig eine Vielzahl von Entscheidungsgesichtspunkten gleichzeitig berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Eine Koordination dieser Art findet insbesondere dann statt, wenn der Planfeststellungsbehörde ein Planungsermessen eingeräumt ist. Aber auch die Genehmigungsbehörde, die unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen hat, muß eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu einer Gesamtbewertung verbinden und ggf. eine "nachvollziehende Abwägung" vornehmen. 6 Im folgenden sind die wichtigsten Koordinationsinstrumente zu behandeln, die der öffentlichen Verwaltung bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben zur Verfügung stehen. Dabei wird das "kaum überschaubare Geflecht von Koordinationsmechanismen 7 " auf einige wenige Grundstrukturen zurückgeführt: im Bereich der Programmstruktur auf die vorhabenbezogene Gesamtprüfung und die Vorgabe planenscher Festsetzungen und im Bereich der Organisations- und Verfahrensstruktur auf das Behördenmitbeteiligungsverfahren, auf die Projektorganisation und Verfahrensplanung sowie auf die Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung. 8 Hinzu kommt die entscheidungsvorbereitende Begutachtung der Umweltverträglichkeit als besonderes, analytisches Koordinationsinstrument speziell für Entscheidungen, die die Genehmigung eines umweltrelevanten Vorhabens zum Gegenstand haben. 9 Bei der Behandlung der einzelnen Koordinationsinstrumente wird auch auf die jeweiligen Kosten der Koordination einzugehen sein. Da jede Art der Koordination mit Kosten verbunden ist, kann realistischerweise auch keine 5 Zu einer solchen Koordination von "Entscheidungsparametem" vgl. auch Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3, S. 75. 6 Vgl. Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 18 f., 162; Hoppe, in: Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau· und Bodenrecht, Rn. 392 ff.; Wahl in DVBl 1982,51 (55) . 7 So Püttner, Verwaltungslehre, S. 127. 8 Zur Unterscheidung von inhaltlich-substantiellen und organisatorisch-prozeduralen Koordinationsinstrumenten vgl. Sirnon (Fn. 1), S. 54, 166. 9 Zu den "analytischen" Koordinationsinstrumenten vgl. Rückwardt (Fn. 1), S. 90 ff., bes. S. 104 ff., 107 f., 109 ff.

3 .4. Koordination des Verfahrenssystems

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"perfekte" Koordination erwartet werden, sondern nur eine solche, bei der sich der Aufwand in vertretbaren Grenzen hält. 10 3.4.1. Vorhabenbezogene Gesamtprüfung Erstreckt sich die Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde auf alle sektoralen Aspekte und auf alle Phasen der Verwirklichung eines einheitlichen Gesamtvorhabens, dann kann diese übergreifende Gesamtprüfung zu einer Koordination der verschiedenen (Teil-)Entscheidungen, Entscheidungsbeiträgen und Entscheidungsgesichtspunkte beitragen. Eine Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung kann in mehrfacher Weise zu einer Koordination paralleler Genehmigungsentscheidungen beitragen: Erstens beinhaltet die vorläufige Gesamtprüfung als Minimum die Prüfung, ob das Vorhaben noch weiteren Genehmigungsvorbehalten unterliegt. Der Antragsteller kann somit frühzeitig auf das Erfordernis einer parallelen Genehmigung hingewiesen werden. 1 Zweitens wird die Genehmigungsbehörde dazu angehalten, ihr Blickfeld über ihren Zuständigkeitsbereich im engeren Sinne hinaus zu erweitern und ihren Blick insbesondere auch auf rechtliche Überschneidungen, etwaige Normenkollisionen und Regelungslücken sowie auf faktische Zusammenhänge und Wechselbeziehungen zwischen parallelen Genehmigungsbereichen zu richten. Drittens wird die Genehmigungsbehörde nur dann ihre verfahrensübergreifende Prüfungs- und Sachaufklärungspflicht erfüllen können, wenn sie sich von den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden beraten läßt. 2 Da sie nämlich selbst bezüglich der parallelen Genehmigungsbereiche meist nicht über eine ausreichende Fach- und Sachkenntnis verfügt, ist sie darauf angewiesen, daß die betreffende Fachbehörde insoweit die Prüfung übernimmt. Viertens ergibt sich daraus zugleich die f\löglichkeit der Genehmigungsbehörde, bei ihrer Genehmigungsentscheidung die Belange paralleler Genehmigungsbereiche bzw. die von parallel zuständigen Genehmigungsbehörden vorgebrachten Bedenken zu berücksichtigen. Diese Berücksichtigung könnte darin bestehen, daß sie ihre Genehmigung (vorläufig) versagt oder mit Nebenbestimmungen versieht, die die Einhaltung paralleler Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen sollen. Ohne eine solche materielle Berücksichtigungs-

10 Vgl. Sirnon (Fn. 1), S.ll6ff., 284ff. ; Püttner (Fn. 7) , S. 121; Scharpf (Fn. 3 ), S. 90 ff.; Rückwardt (Fn. 1), S. 4 7 ff.; Baestlein/Konukiewitz, in: Mayntz, Implementation politischer Programme, Bd. 1, S. 36. I Vgl. auch§ 63 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW '84. 2 Vgl. auch § 24 VwVfG.

9 Wagner

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

möglichkeit wäre auch eine verfahrensmäßige Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden wenig sinnvoll. Allerdings ist nach einer weitverbreiteten Auffassung eine verfahrensübergreifende Gesamtprüfung rechtlich nicht vorgeschrieben und auch nur in Ausnahmefällen zulässig. 3 Dementsprechend sollen auch die bestehenden öffnungsklausein im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren keine Anwendung finden. Auf diese Rechtsauffassung wird an späterer Stelle kritisch einzugehen sein. 4 Hier geht es zunächst allein um die tatsächliche Wirkungsweise und Bedeutung des Koordinationsinstruments der "vorläufigen Gesamtprüfung''. Die verfahrensübergreifende Prüfung gewinnt ihre Bedeutung für die Koordination des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems namentlich daraus, daß die parallelen Genehmigungsbereiche i.d.R. weder systematisch geordnet noch inhaltlich harmonisiert noch aufeinander abgestimmt sind. 5 Wenn daher parallel zuständige Genehmigungsbehörden jeweils nur ihr "eigenes" Genehmigungsrecht anwenden würden, wäre damit keineswegs gewährleistet, daß die einzelnen Genehmigungsentscheidungen zueinander paßten und nicht im Widerspruch zueinander stünden.6 Dies gilt auch dann, wenn es sich um rechtlich gebundene Genehmigungsentscheidungen handelt, bei denen der Genehmigungsbehörde kein Ermessen eingeräumt ist. Zum einen beeinflussen sich nämlich die verschiedenen fachgesetzlichen Rechtsnormen gegenseitig, da sie Teil einer einheitlichen Rechtsordnung sind. Zum anderen bestehen gerade bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben beträchtliche faktische Entscheidungsspielräume. Dies ist namentlich damit zu erklären, daß bei derartigen Entscheidungen typischerweise unbestimmte Rechtsbegriffe auf einen komplexen und nur schwer ermittelbaren Sachverhalt (was die Umweltauswirkungen eines Vorhabens betrifft) angewendet werden müssen. 7 Da das Genehmigungsrecht vielfältige und immer wieder neue Arten von

Nämlich bei fehlendem Sachbescheidungsinteresse, vgl. Abschn. 5.1.1.3. Vgl. Abschn. 5.1.1.3 und Abschn. 5.2. 5 Vgl. bereits die Analyse der Programmstruktur in Abschn. 3.3.1.1. Zum Bedürfnis nach einer Harmonisierung der verschiedenen sektoralen Bereiche des Umweltrechts vgl. z.B. Salzwedel, in : Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 ff. 6 Zur ,.ipso-iure-Koordination", bei der das Verwaltungshandeln im Gesetz so determiniert wird, daß bei richtiger Befolgung der Vorschriften ein koordiniertes Handeln entsteht, vgl. Püttner, Verwaltungslehre, S. 125. 7 Vgl. Hegenbarth, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 135 ff.; Schoeneberg in DVBI 1984, 929 (933). Zu den Entscheidungsspielräumen der Vollzugsverwaltung vgl. außerdem Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 349 ff., 659 ff.; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 211 ff.; Hucke/ Bohne, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 180 ff.; Blankenburg, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 6, S. 83 (93); Türk, ebd., Bd. 7, s. 153 ff. 3

4.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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Vorhaben in einer sich wandelnden Umwelt sachgerecht erfassen muß, erscheint eine gewisse "Weite" der Norminhalte auch unerläßlich. 8 Wenn Genehmigungsbehörden die parallelen Genehmigungsvorschriften zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe und zur Ausfüllung faktischer Entscheidungsspielräume heranziehen, dann können sie dadurch rechtliche und tatsächliche Zusammenhänge zwischen parallelen Genehmigungsbereichen erfassen und auf deren "Harmonisierung" hinwirken.

3.4.2. Räumliche und umweltbezogene Planung Planung läßt sich als eine "Technik der vorwegnehmenden Koordination" ansehen, mit deren Hilfe ein Entscheidungsrahmen für nachfolgende Entscheidungen geschaffen wird. 1 Eine koordinierende Funktion kommt vor allem den querschnittsorientierten, fachübergreifenden Plänen zu. Dies gilt namentlich für die räumliche Planung und speziell für die Bauleitplanung. Durch Bebauungspläne, Flächennutzungspläne, Regionalpläne und Entwicklungspläne werden Vorgaben gesetzt, die für verschiedene Verwaltungszweige verbindlich sind. 2 Wenn eine Bauleitplanung erfolgt, werden die Fragen der Zulässigkeit der Bebauung in mehreren Entscheidungsschritten bewältigt: zuerst durch den vorbereitenden Bauleitplan (Flächennutzungsplan), dann durch den hieraus zu entwickelnden verbindlichen Bebauungsplan und schließlich durch die Einzelgenehmigungen für konkrete Bauvorhaben. Bauleitpläne schaffen eine räumliche Ordnung und beinhalten zugleich eine konkrete Zuordnung und Gewichtung zahlreicher öffentlicher und privater Belange. 3 Durch die koordinierende und rahmensetzende Wirkung der Bauleitplanung werden die einzelnen Genehmigungsverfahren entlastet und teilweise sogar entbehrlich gemacht.4

8 Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978- Kaikar -, E 49,89 (133 ff.). Teilweise wird allerdings im Interesse des Umweltschutzes die Vorgabe von klareren und festeren Entscheidungsmaßstäben im Genehmigungsrecht befürwortet, vgl. Mayntz et al. (Fn. 7), s. 291 ff., 665 ff. , 6 75. 1 So Scharpf, Planung als politischer Prozeß, S. 3 7 f. Zur Planung und Koordination vgl. auch Püttner, Verwaltungslehre, S. 129 ff. sowie zur "Vorauskoordination" Kieser/Kubicek, Organisation, S. 90 f., 98. 2 Vgl. §§ 7, 29, 30,35 Abs. 3 BBauG/BauGB; §§ 6 Abs. 3, 10 Abs. 1 Satz 2 Lp!G BW; §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 5 ROG. Beim Bebauungsplan ergibt sich dessen Allgemeinverbindlichkeit bereits aus seiner Rechtsform als Satzung(§ 10 BBauG). 3 Zu den Eigenschaften und der Rechtsnatur von Plänen vgl. Wahl, Rechtsfragen der Landesplanung und Landesentwicklung, Bd. 1, S. 22 ff. 4 Zur Kombination von Planungsakt und Einzelfallentscheidung vgl. z.B. Wahl in DVBI 1982, 51 (56 f.) . Zur Koordinationsfunktion vgl. Mayntz et al., Vollzugsproblerne der Urnweltpolitik, S. 259. Vgl. außerdem z.B. § 22 BBauG/§ 191 BauGB, § 4 Nr. 4 GrdstVG, § 10 Abs. 2 LWaldG BW.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sind eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Belangen zu prüfen und gegeneinander abzuwägen (vgl. § 1 Abs. 6 u. 7 BBauG/§ 1 Abs. 5 u. 6 BauGB). Außerdem sind die Behörden und Stellen, die Träger öffentlicher Belange sind, am Planungsverfahren zu beteiligen (vgl. § 2 Abs. 5 BBauGj§ 4 BauGB). 5 Daneben ist auch eine umfassende Bürgerbeteiligung vorgesehen (vgl. § 2 a BBauG/§ 3 BauGB). Bebauungspläne sind daher das Ergebnis eines Koordinationsvorgangs, in den nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungsgesichtspunkte, sondern auch verschiedene Entscheidungsbeiträge von Verwaltungseinheiten, sonstigen Stellen und einzelnen Bürgern eingehen. Viele Fragen der Zulässigkeit eines konkreten Einzelvorhabens werden auf dieser Planungsebene bereits vorentschieden, so daß sich insoweit eine Koordination innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems erübrigt. Was daher die Genehmigung von Vorhaben innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplanes betrifft, so ist den am Entscheidungsprozeß Beteiligten in Gestalt des Bebauungsplanes eine gemeinsame Entscheidungsgrundlage vorgegeben. Im Bereich des Umweltschutzes ist eine fachübergreifende "integrierte" Umweltplanung oder Ressourcenplanung bislang noch kaum entwickelt worden.6 Allerdings gibt es eine Reihe fachbezogener Pläne, die sich auf andere Fachbereiche auswirken. Zu erwähnen sind außer den Rechtsverordnungen über Wasserschutzgebiete,7 den wasserwirtschaftliehen Rahmenplänen und Bewirtschaftungsplänen8 namentlich die Rechtsverordnungen über Naturund Landschaftsschutzgebiete. 9 Vielfach erfolgt eine Bestandserfassung schützenswerter Teile von Natur und Landschaft auch nur in rechtlich unverbindlichen "Plänen" bzw. "Listen" (z.B. in Biotopkartierungen). Auch hierdurch wird bereits das öffentliche Interesse an deren Erhaltung bekundet. Im Vorfeld konkreter Genehmigungsverfahren werden so bereits Daten gesammelt bzw. Vorgaben gesetzt, die bei der späteren Beurteilung konkreter Vorhaben zumindest faktisch wirksam werden können. Ahnliehe Instrumente finden sich im Bereich des Denkmalschutzes, wenn etwa Gesamtanlagen durch Satzung unter Denkmalschutz gestellt 10 oder Kulturdenkmäler mit konstitutiver Wirkung in das "Denkmalbuch" eingetragen 11 oder auch nur deklaratorisch in einer "Denkmalliste" aufgeführt werden.

s Zur tatsächlichen Beteiligung der Immissionsschutzbehörden und der Wasserbehörden bei der gemeindlichen Bauleitplanung vgl. Mayntz et al. (Fn. 4), S. 265 ff., 610 ff. 6 Zum Umweltschutz durch planende Gestaltung vgl. Steiger in ZRP 1971, 133 ff. 7 Vgl. § 19 WHG, § 110 WG BW. s Vgl. §§ 36, 36 b WHG. 9 Vgl. §§ 21 ff. NatSchG BW, §§ 21 ff. BNatSchG. 10 Vgl. § 19 DenkmaiSchG BW. Vgl. auch die Rechtsverordnungen über Grabungsschutz· gebiete gern. § 22 DenkmaiSchG BW. 11 V gl. § § 12 ff. DenkmaiSchG BW.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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Ein Planungsverfahren besonderer Art stellt das Raumordnungsverfahren dar. Hierbei wird eine konkrete raumbedeutsame Planung oder Maßnahme fakultativ einer "raumordnerischen Beurteilung" unterzogen (vgl. § 13 LplG BW). Raumordnungsverfahren beziehen sich meist auf konkrete umweltrelevante Vorhaben, ohne allerdings die dafür erforderlichen Genehmigungen zu ersetzen. 12 Kennzeichnend ist ihr zusammenfassender und fachübergreifender Charakter .13 Neuerdings werden Bestrebungen wirksam, Raumordnungsverfahren gerade zur frühzeitigen Prüfung der Umweltverträglichkeit raumbedeutsamer Einzelvorhaben einzusetzen. 14 Ahnlieh wie bei anderen Planungen werden auch hier eine Vielzahl von Entscheidungsgesichtspunkten und Entscheidungsbeiträgen koordiniert. 15 Da Raumordnungsverfahren den eigentlichen Genehmigungsverfahren zeitlich vorgeschaltet sind, 16 eignen sie sich in besonderem Maße zur Koordination paralleler Genehmigungsverfahren, besonders was die Prüfung der Standorteignung für ein Vorhaben betrifft. 17 Die Koordinationsfunktion einer raumordnerischen Beurteilung wird kaum wesentlich dadurch beeinträchtigt, daß ihr eine rechtliche Außenwirkung und wohl auch eine verwaltungsinterne Bindungswirkung fehlt. Ihr kommt nämlich in jedem Fall ein nicht zu unterschätzendes faktisches Gewicht zu, vor allem, wenn man bedenkt, daß eine in der Behördenhierarchie recht hoch stehende Behörde das Verfahren durchführt. 18 Will eine Genehmigungsbehörde daher von dem Inhalt der raumordnerischen Beurteilung abweichen, muß sie sich praktisch um das Einvernehmen mit der betreffenden Planungsbehörde bemühen. 19 Als Koordinationsinstrument hat das Raumordnungsverfahren gleichwohl bislang keine allzu große Bedeutung erlangt, weil ein solches Verfahren nur für wenige- besonders bedeutsame- umweltrelevante Vorhaben durchgeführt wird. Eine planerische Vorgabe kann sich schließlich auch aus einer Standortentscheidung ergeben, die in einem vorausgegangenen parallelen Genehmigungsverfahren getroffen worden ist. Eine derartige Leitfunktion kommt namentlich der ersten atomrechtlichen Teilerrichtungsgenehmigung für ein KernVgl. § 13 Abs. 4 LplG BW. Vgl. auchErbguthin NuR 1982, 161 (163 f.) . Vgl.Jarass in BayVB11979, 65 (66); Erbguth (Fn. 12), S. 162. 14 So der Beschluß der Ministerkonferenz für Raumordnung vom 21.3.1985 (vgl. den Bericht "Raumordnun~ soll dem Schutz der Umwelt dienen" in FAZ v. 22.3.1985, S. 7) sowie Erbguth (Fn. 12), S. 161 ff.; Steinberg in NuR 1983, 169 (174); Schoeneberg in DVBl 1984, 929 (936 ff.). 15 Vgl. § 13 Abs. 3 LplG BW. Eine Bürgerbeteiligung ist allerdings nicht vorgesehen. 16 Vgl. § 13 Abs. 5 LplG BW. 17 Vgl. Schoeneberg (Fn. 14), S. 937 f. 18 Nämlich in Bad.-Württ. das Regierungspräsidium, vgl. §§ 13 Abs. 1, 21 Abs. 2 LplG BW. 19 Vgl. Jarass (Fn. 13), S. 71. 12

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

kraftwerk zu. Gern. § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG ist zu prüfen, ob überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, der Luft und des Bodens, der Wahl des Standorts der Anlage entgegenstehen. Dabei sind alle Behörden zu beteiligen, deren Zuständigkeitsbereich berührt wird (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 AtG). Die atomrechtliche Anlagengenehmigung erweist sich damit als "Schlüsselentscheidung", vor allem gegenüber wasserrechtlichen Erlaubnissen, Bewilligungen oder sonstigen Genehmigungen, die in der Regel erst einige Monate später erteilt werden. Im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren erfolgt dementsprechend regelmäßig keine substantielle Prüfung des Standorts der Anlage mehr. Eine ähnliche Funktion kommt der Trassengenehmigung für Hochspannungs-Freileitungen nach § 14 LplG BW zu. 2° Für einzelne Masten ist zwar neben der Trassengenehmigung keine besondere Baugenehmigung mehr erforderlich,21 doch können wasserrechtliche, naturschutzrechtliche oder waldrechtliche Genehmigungen nötig sein.22 Bei der Erteilung dieser Genehmigungen entfällt dann praktisch eine substantielle Prüfung, da bereits alle Gesichtspunkte im landesplanungsrechtlichen Verfahren geprüft worden sindP Im übrigen kann grundsätzlich auch jede andere Genehmigung "mit planungsrechtlichem Einschlag24" eine planerische Leitfunktion gegenüber nachfolgenden Genehmigungsentscheidungen erfüllen. 3.4.3. Umweltverträglichkeitsanalyse Im Wege der Umweltverträglichkeitsanalyse werden die Auswirkungen eines Vorhabens auf alle in Betracht kommenden Faktoren der Umwelt identifiziert, beschrieben und sachlich beurteilt. 1 Die Umweltverträglichkeitsanalyse stellt damit nicht nur für die Planung des Vorhabenträgers, sondern auch für die rechtliche Zulässigkeitsprüfung durch die Genehmigungsbehörde eine wichtige Entscheidungshilfe dar.

20 Es handelt sich dabei um eine "Genehmigung, die aufgrund eines Raumordnungsver· fahrens nach § 13 erteilt wird", d.h. um eine Kombination von Raumordnungs· und Ge· nehmigungsverfahren. 21 Vgl. §52 Abs. 1 Nr. 13 LBO BW. 22 Vgl. speziell § 9 Abs. 7 LWaldG BW. 23 Vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 LplG BW (öffnungsklausel), § 1 Abs. 4 i.V.m. § 13 Abs. 3 LplG BW (Behördenmitbeteiligung), § 14 Abs. 3 LplG BW (Bürgerbeteiligung). 24 Zu diesem Genehmigungstyp vgl. Badura in BayVB11976, 515 ff.;Jarass in BayVBl 1979, 65 (66) und zur Reihenfolge paralleler Genehmigungen z.B. Schultz, Zuständigkei· ten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 125, 130, 144, 213,220. I Vgl. die Definition in Art. 3 UVP·Richtlinie sowie bei Steinberg in NuR 1983, 169; Schoeneberg in DVBI 1984, 929 (931 f.); Bunge in ZFU 1984, 405 (407); Lummert, in: Dokumentation zur 6. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, s. 137ff.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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Neuerdings hat das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung durch die EG-Richtlinie v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie) 2 an Bedeutung gewonnen. Diese Richtlinie will sicherstellen, daß in den Mitgliedstaaten eine Genehmigung für öffentliche und private Projekte, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, erst nach vorheriger Beurteilung der möglichen erheblichen Umweltauswirkungen erteilt wird. 3 Die Umweltverträglichkeitsanalyse soll als "Instrument der Erkenntnis und Information" dazu beitragen, daß Genehmigungsbehörden ihre Entscheidungen auf der Grundlage einer möglichst vollständigen Information über sämtliche Umweltaspekte des betreffenden Vorhabens treffen können.4 Dementsprechend sollen bereits in der Planungsphase eines Vorhabens Informationen über die Umweltfaktoren im Standortbereich der Anlage, über die möglichen Umweltauswirkungen bei der Errichtung und dem Betrieb der Anlage und über mögliche Maßnahmen zur Vermeidung, zur Einschränkung oder zum Ausgleich nachteiliger Umweltauswirkungen gesammelt und aufbereitet werden.5 Dabei sind alle Aspekte sektoraler Umweltauswirkungen in die Beurteilung einzubeziehen. 6 Die UVP-Richtlinie schafft kein neuartiges, fachübergreifendes Genehmigungsverfahren. Im Gegensatz zu früheren Entwürfen 7 wird ausdrücklich klargestellt, daß die rechtliche Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens nicht in einem konzentrierten Genehmigungsverfahren erfolgen muß, sondern auch in mehreren parallelen Genehmigungsverfahren stattfinden kann. 8 Es muß jedoch eine hinreichende Koordination der parallelen Verfahren gewährleistet sein, damit der medienübergreifende Ansatz der Umweltverträglichkeitsprüfung im Entscheidungsprozeß zur Geltung kommen kann. 9 Die Bedeutung der UVP-Richtlinie liegt hauptsächlich auf verfahrensrechtlichem Gebiet: Sie enthält inhaltliche und verfahrensmäßige Mindestanforderungen für die nach nationalem Recht durchzuführenden GenehmigungsverABI. EG 1985 Nr. L 175/40- s. Anh. -. So die Amt!. Begr. des Rates (Fn. 2), S. 40. 4 Vgl. die Begründung zum Kommissionsvorschlag v. 16.06.1980 in BT-Drucks. 9/166 Nr. 1 1, IV (S. 7); Nr. I 33 (S. 13 f.) . s Vgl. im einzelnen Art. 5 und Anh. III UVP-Richtlinie. 6 Vgl. Art. 3 u. 8 UVP-Richtlinie. Zum fach-und medienübergreifenden Charakter der UVP vgl. die Begründung der Richtlinie nach dem Entwurf der Kommission v. 16.06.1980 in ABI. EG 1980 Nr. C 169/14 S. 15 sowie Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. Wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 65. 7 Vgl. die im ABI EG 1980 Nr. C 169/14 und ABI. EG 1982 Nr. C 110/5 veröffentlichten Entwürfe für eine UVP-Richtlinie sowie Lummert (Fn. 1 ), S. 13 7 ff., bes. S. 146. 8 Vgl. Art. 1 Abs. 2 letzter Halbs., Abs. 3, Art. 2 Abs. 2 UVP-Richtlinie sowie Steinberg (Fn. 1), S. 169ff.; Salzwedel (Fn. 6), S. 65; Erbguthin NuR 1982, 161 f; Cupei in DVBI1985, 813 (186f., 820f.). 9 Vgl. Cupei (Fn. 8), S. 816f. 2

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

fahren. 10 Darüber hinaus erfordert sie aber auch eine naturwissenschaftlichtechnische "Umweltauswirkungsprognose" für einzelne Vorhaben. Eine derartige sachverständige Analyse des Vorhabens und seiner Auswirkungen sollte auf einer umfassenden und systematischen Materialsammlung und auf einer methodisch abgesicherten Bewertung beruhen. Das methodische und technische Instrumentarium für eine derartige Umweltverträglichkeitsprüfung ist in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt worden.U Die vorhabenbezogenen Daten, die im Rahmen einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung gesammelt und ausgewertet werden, können in einer Umweltverträglichkeitsanalyse, d.h. in einem gesamtökologischen Gutachten zusammengefaßt werden. Dieses kann dann als Informationsgrundlage für die rechtliche Zulässigkeitsprüfung dienen. Eine sachverständig erarbeitete und umfassende Umweltverträglichkeitsanalyse eines Vorhabens eignet sich in hohem Maße zur Koordination paral· Ieier Genehmigungsverfahren. 12 Damit läßt sich das gemeinsame Entscheidungsfeld paralleler Genehmigungsverfahren unabhängig von bestehenden Zuständigkeitsgrenzen umfassend ermitteln und strukturieren. Im Gegensatz zur koordinierenden Steuerung durch rechtliche (insbes. planerische) Vorgaben erfolgt hier die Koordination von der tatsächlichen Seite der Entscheidung her, indem der gemeinsame Entscheidungsgegenstand ganzheitlich erfaßt und analysiert wird. Dementsprechend kann von einem "analytischen" Koordinationsinstrument gesprochen werden. 13 Eine Koordination, die bei der Ermittlung, Darstellung und sachlichen Beurteilung eines komplexen Sachverhalts ansetzt, kann in der Praxis ebenso effektiv sein wie eine Koordination, die über die Vorgabe normativer Entscheidungsregeln erfolgt, zumal bei der rechtlichen Entscheidungsfindung die juristische Subsumtion und die Tatsachenfeststellung eng miteinander verknüpft sind. 14 Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat sich für eine Verfahrensweise entschieden, bei der zunächst der Vorhabenträger selbst die Umweltverträglichkeitsprüfung durchführt bzw. durchführen läßt und bei der er gleichzeitig mit der Stellung seines Genehmigungsantrags auch näher bezeichnete Vgl. Schoeneberg (Fn. 1), S. 9 3 1 f.; Cupei (Fn. 8), S. 813 ff. Z.B. in Richtung auf eine "Nutzwertanalyse". Vgl. Bunge (Fn. 1), S. 410 f.; Schoeneberg (Fn. 1 ), S. 932. 12 Zur Koordinationsfunktion der UVP vgl. auch die Begründung zum Kommissionsvorschlag (Fn. 4), Nr. I 4 (S. 7), I 27,33 (S. 13 f.). 13 Vgl. Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 90 ff. Es drängt sich ein Vergleich mit den für betriebswirtschaftliche Entscheidungen entwickelten Koordinationsinstrumenten auf, wenngleich für UVP vorläufig noch kaum quantitative Verfahren in Betracht kommen (z.B. Kosten-Nutzen-Rechnungen, Operations Research usw., vgl. dazu Rückwardt, a.a.O., S. 104 ff.). 14 Vgl. Engisch, Einführung in dasjuristische Denken, S. 50, 56. 10 11

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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Angaben über die Umweltverträglichkeit seines Vorhabens vorlegen muß. 15 Diese Angaben werden sowohl den Behörden, die in ihrem umweltbezogenen Aufgabenbereich von dem Vorhaben berührt werden, als auch der Offentlichkeit mitgeteilt bzw. zugänglich gemacht; im anschließenden Genehmigungsverfahren können die genannten Behörden Stellungnahmen abgeben; außerdem soll eine Bürgeranhörung durchgeführt werden. 16 Eine derartige Verfahrensweise hat den Vorzug, daß die Umweltverträglichkeitsprüfung sehr frühzeitig erfolgen kann und der Vorhabenträger die Ergebnisse der eigenen Umweltverträglichkeitsprüfung schon bei der Planung berücksichtigen kann. Dadurch werden insbesondere auch die finanziellen und zeitlichen Kosten der Umweltverträglichkeitsprüfung in Grenzen gehalten.17 Wenn sich der Vorhabenträger bei seiner Planung von vornherein an diesen Ergebnissen orientiert, dann reduziert er den Koordinationsaufwand im vorhabenbezogenen Verfahrenssystem. Außerdem bringt allein schon die Vereinheitlichung der Antragsunterlagen in parallelen Genehmigungsverfahren eine wesentliche Erleichterung der Koordination mit sich. 18 Durch die genannte EG-Richtlinie hat die Umweltverträglichkeitsprüfung allerdings vorerst noch keine allzu große Bedeutung für die Koordination des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems erlangt. Dies hängt damit zusammen, daß der Richtlinientext gegenüber ursprünglichen Entwürfen wesentlich abgeschwächt worden ist. 19 Zum einen gilt die UVP-Richtlinie nur für bestimmte, in Anhang I und II enumerativ aufgeführte Projekte, so daß keineswegs die meisten umweltrelevanten Vorhaben erfaßt werden. 20 Zum anderen läßt die UVP-Richtlinie den Mitgliedstaaten einen weitgehenden Spielraum nicht nur hinsichtlich der Frage, ob für die in Anhang II genannten Klassen von Vorhaben überhaupt eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist,2 1

15 Vgl. im einzelnen Art. 5 i.V.m. Anh. III UVP-Richtlinie. Gemäß Art. 5 Abs. 3 sollen Behörden, die über zweckdienliche Informationen verfügen, diese dem Vorhabenträger zur Verfügung stellen. Ansätze zu einer derartigen Verfahrensweise finden sich z.B. bereits in Gestalt des vom Vorhabenträger vorzulegenden "Sicherheitsberichts" im atomrechtl. Genehmigungsverfahren (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AtVfV). 16 Vgl. im einzelnen Art. 6 UVP-Richtlinie. 17 Vgl. die Amt!. Begr. zum Kommissionsvorschlag (Fn. 4) S. 8 f. Man schätzt die Kosten für UVP auf 0,5% der Gesamtkosten von Vorhaben. 18 Eine Vereinfachung kann auch in konzentrierten Genehmigungsverfahren erzielt werden, wenn sonst für die verschiedenen "ersetzten" Genehmigungsbereiche unterschiedliche Anforderungen an die Antragsunterlagen gelten würden (vgl. Abschn. 4.1.3.2. bei Fn. 4 ff.). 19 Vgl. die Nachw. in Fn. 7 sowie BT-Drucks. 10/613. 20 Immerhin sind z.B. in Anh. I Nr. 3 UVP-Richtlinie auch Anlagen mit dem ausschließlichen Zweck der Endlagerung radioaktiver Abfälle und in Anh. II Nr. 3 Buchst. i auch sonstige Anlagen zur Aufnahme radioaktiver Abfälle (d.h. wohl auch nukleare Zwischenlager) genannt. Vgl. dazu auch Lummert (Fn. 1), S. 146. 21 Vgl. Art. 4 Abs. 2 UVP-Richtlinie. Vgl. außerdem die Ausnahmemöglichkeit nach Art. 2 Abs. 3 UVP-Richtlinie.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

sondern auch hinsichtlich der Frage, welche Angaben zur Umweltverträglichkeit konkret vorgelegt werden müssen. 22 Außerdem werden die Angaben zur Umweltverträglichkeit vom Vorhabenträger selbst bzw. in dessen Auftrag ermittelt, so daß sich die Frage nach der Objektivität dieser Angaben stellt. 23 Die Bereitschaft von Genehmigungsbehörden, eine Umweltverträglichkeitsstudie als tatsächliche Entscheidungsgrundlage zu akzeptieren, wird namentlich von der fachlichen Reputation und derNeutralitätderjenigen Stellen abhängen, die die Studie erarbeitet hat. Mangelt es hieran, dann wird auch die Koordinationsfunktion der Umweltverträglichkeitsprüfung beeinträchtigt. Als Alternative bietet sich daher an, die Umweltverträglichkeitsprüfung entweder einem unabhängigen Sachverständigen (bzw. einer Sachverständigen-Organisation) zu übertragen 24 oder einer spezialisierten Fachbehörde, z.B. einer Landesanstalt für Umweltschutz oder einer öffentlich-rechtlichen Forschungsanstalt oder Umweltstiftung. 25 Schließlich ist noch auf neuere Bestrebungen hinzuweisen, die Umweltverträglichkeitsprüfung in das Raumordnungsverfahren zu integrieren. 26 Auch hierbei ist der Vorhabenträger verpflichtet, der Raumordnungsbehörde diejenigen Unterlagen vorzulegen, die diese für die Beurteilung des Vorhabens unter raumordnerischen Gesichtspunkten benötigt. Außerdem kann die Behörde zu Einzelfragen die Vorlage von Gutachten verlangen oder auf Kosten des Vorhabenträgers einholen (vgl. § 13 Abs. 2 LplG BW). Erfolgt die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem vorgeschalteten Raumordnungsverfahren , dann wird die Koordinationsfunktion der Umweltverträglichkeitsprüfung mit derjenigen der raumordnerischen Beurteilung kombiniert.

3.4.4. Verfahrensmitbeteiligung Was die Mitbeteiligung von anderen Verwaltungseinheiten an Genehmigungsverfahren betrifft, so lassen sich - zumindest idealtypisch - zwei verschiedene Arten mitbeteiligter Behörden unterscheiden: Nämlich zum einen

Vgl. Art. 5 Abs. 1 u. 2 UVP-Richtlinie. Vgl. Bunge (Fn. 1), S. 416; Steinberg (Fn. 1), S. 173; ders., in: Dokumentation zur 6. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 154. 24 Zur Organisation von Sachverständigen-Prüfprozessen vgl. z.B. Ueberhorst, Planungsstudie, S. Hi2 ff. Was parallele Genehmigungsverfahren betrifft, ist eine gemeinsame Vergabe des Gutachtenauftrags durch die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden in Betracht zu ziehen. 25 Vgl. Steinberg, in: Dokumentation zur 6. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 154. Die Landesanstalt für Umweltschutz könnte jedenfalls die Aufgabe der zentralen Dokumentation von Entscheidungsdaten übernehmen (Datenzentrum). Vgl. auch Rückwardt (Fn. 13), S. 187. 2 6 Vgl. Steinberg (Fn. 1), S. 174; Schoeneberg (Fn. 1), S. 936ff.; Bunge (Fn. 1), s. 414. 22

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3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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vorgesetzte Behörden, die eine Aufsichtsfunktion ausüben, und zum anderen Fachbehörden, insbes. auch parallel zuständige Genehmigungsbehörden, die einen fachlichen Beitrag zum Genehmigungsverfahren leisten. Was die Koordinationsfunktion der Verfahrensmitbeteiligung betrifft, so geht es im ersten Fall um eine vertikale Koordination im Rahmen der hierarchischen Leitungsstruktur der Verwaltung, während es im zweiten Fall um eine horizontale Selbstkoordination zwischen denjenigen Verwaltungseinheiten geht, deren Aufgabenbereich berührt wird. - Koordt"nation durch vorgesetzte Stellen Die Koordination durch vorgesetzte Stellen entspricht einem typisch bürokratischen Koordinationsmuster. 1 Vorgesetzte Stellen können das Entscheidungsverhalten der Verwaltung nicht nur durch Verwaltungsvorschriften und allgemeine Weisungen steuern und koordinieren, sondern auch dadurch, daß sie sich in einzelne Verwaltungsverfahren einschalten. Sie können sich dabei darauf beschränken, Auskünfte und Ratschläge zu erteilen, sie können sich aber auch darüber hinaus Entscheidungsentwürfe zur Kontrolle vorlegen lassen oder auch durch förmliche Weisung bestimmen, wie ein konkreter Fall zu entscheiden ist. 2 Offenbar kommt es bei Genehmigungsverfahren verhältnismäßig selten vor, daß vorgesetzte Stellen von sich aus koordinierend eingreifen. 3 Sie bedürfen dazu vielmehr meist eines Anstoßes, der von den nachgeordneten Stellen selbst, aber auch von außerhalb der Verwaltung kommen kann (z.B. durch Aktivitäten von Antragstellern, Drittbetroffenen oder Politikern). Genehmigungsbehörden wenden sich vor allem dann an vorgesetzte Stellen, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten mit anderen am Verfahren beteiligten Verwaltungseinheiten gekommen ist. Der Rekurs zur gemeinsamen vorgesetzten Stelle stellt das klassische Instrument verwaltungsinterner Konfliktauflösung dar. Allerdings ziehen es Verwaltungseinheiten häufig vor, ihre Konflikte untereinander auszutragt. 1 und sich um eine einvernehmliche Lösung zu bemühen. Dementsprechend dominieren auch bei Genehmigungsverfahren "horizontale" Konfliktregelungsmuster gegenüber der "vertikalen" Konfliktregelung durch vorgesetzte Stellen.4 I Zur hierarchischen Leitungsstruktur vgl. Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 110 ff.; Püttner, Verwaltungslehre, S. 144 ff.; Endruweit, Organisationssoziologie, S. 100 ff.; Kieser/Kubicek, Organisation, S. 103 ff. 2 Zu verwaltungsinternen Zustimmungsvorbehalten bei Genehmigungsverfahren zugunsten vorgesetzter Stellen vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, s. 196f., 555 . 3 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 197 ff., 555 ff.; Mayntz (Fn. 1), S. 96. 4 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 281 ff. zu immissionsschutzrechtl. Genehmigungsverfahren. Eine etwas stärkere vertikale Konfliktregelung wurde dagegen bei wasserrechtl. Genehmigungsverfahren festgestellt , vgl. ebd., S. 625.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Liegen parallele Genehmigungszuständigkeiten bei verschiedenen Behörden, die zum gleichen Verwaltungsträger gehören, oder sind mehrere Behörden des gleichen Verwaltungsträgers intern an einem Genehmigungsverfahren beteiligt, dann kann die Aufgabe der Koordination und Konfliktlösung von der jeweils gemeinsamen Aufsichtsbehörde wahrgenommen werden. 5 Dies ist im Bereich der Landesverwaltung meist das Regierungspräsidium. Ist eine Koordination auf der mittleren Verwaltungsebene nicht möglich, dann gestaltet sich die fachübergreifende Koordination durch oberste Landesbehörden wegen des Ressortprinzips wesentlich umständlicher. Unterstehen die betreffenden Behörden nämlich verschiedenen Ministerien, so muß erst eine Abstimmung zwischen diesen und notfalls sogar ein Kabinettsbeschluß herbeigeführt werden. Wenn es dabei nicht gerade um die Genehmigung eines politisch bedeutsamen Großvorhabens geht, wird man ein koordinierendes Eingreifen oberster Landesbehörden kaum erwarten können. 6

- Horiz ontale Selbstkoordination Die Genehmigungsbehörde hat Verwaltungseinheiten, deren Aufgabenbereich durch ein zu genehmigendes Vorhaben berührt wird, am Verfahren zu beteiligen. 7 Hierzu zählen parallel zuständige Genehmigungsbehörden im Rahmen paralleler Genehmigungsverfahren ebenso wie verdrängte Genehmigungsbehörden im Rahmen konzentrierter Genehmigungsverfahren. Durch diese Verfahrensmitbeteiligung wird neben der Koordination verschiedener Entscheidungsgesichtspunkte und Entscheidungsbeiträge auch eine Koordination paralleler Genehmigungsverfahren ermöglicht. Parallel zuständige Genehmigungsbehörden können sich nicht nur über Prüfungsgesichtspunkte und Entscheidungsinhalte verständigen, sondern sie können auch Absprachen über die verfahrensmäßige Abwicklung der parallelen Verfahren treffen, etwa indem sie einen zeitlichen Rahmen abstecken, gemeinsam Gutachtenaufträge vergeben oder auch Behördenbesprechungen und Bürgeranhörungen gemeinsam durchführen. Eine derartige Selbstkoordination auf der Vollzugsebene entspricht allerdings nicht dem herkömmlichen bürokratischen Organisationsmodell, das die s Vgl. nur Püttner (Fn. 1), S. 127 ff. Werden dagegen parallele Genehmigungszustän digkeiten von verschiedenen Teileinheiten innerhalb der gleichen Behörde wahrgenommen, was insbes. bei einer vorhabenbezogenen Zuständigkeitsbündelung der Fall sein kann, dann ist die Koordination Teil der Führungsaufgabe des gemeinsamen Vorgesetzten, d.h. in erster Linie des Behördenleiters, vgl. ebd., S. 122 f. 6 Daher ist auch die "Koordination von unten" durch das Regierungspräsidium von Bedeutung (vgl. Püttner (Fn. 1 ), S. 83 f.). Eine Koordination paralleler Genehmigungsver· fahren durch ministerielle Anweisung war jedoch z.B. in Preußen bei der Genehmigung von Brückenbauten über schiffbare Gewässer vorgesehen (vgl. dazu bereits Abschn. 2.1.1. bei Fn. 5). 7 Vgl. bereits Abschn. 3 .3.1.3.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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notwendige Koordination durch eine strenge Bindung an vorgegebene Entscheidungsregeln und durch eine hierarchische Leitungsstruktur sicherzustellen sucht. 8 Außerdem erfolgt die Selbstkoordination zumeist auf direktem Wege, d.h. unter Abkürzung des "Dienstweges" über die gemeinsame vorgesetzte Stelle. 9 Das Verfahren der Behördenmitbeteiligung entspricht daher eher einem "professionell-teamartigen" Organisationsmodell, das sich im Gegensatz zum bürokratischen Modell stärker durch eine "netzartige" und kollegiale als durch eine hierarchische Autoritäts-, Kommunikations- und Kontrollstruktur auszeichnet. 1o Während sich bürokratische Organisationsformen besonders bei Entscheidungen bewährt haben, die in hohem Maße rechtlich determiniert sind und die routinemäßig getroffen werden, sieht man professionell-teamartige Organisationsformen bei solchen Entscheidungsaufgaben als leistungsfähiger an, bei denen eine flexible und kreative Problemlösung gefordert ist.U Trotz der Gesetzesgebundenheit der Vollzugsverwaltung weisen komplexe Genehmigungsentscheidungen regelmäßig auch Merkmale des letztgenannten Entscheidungstyps auf. Dies gilt nicht nur dann, wenn der Genehmigungsbehörde ein Planungsermessen eingeräumt ist, sondern auch dann, wenn sich aus unbestimmten Rechtsbegriffen auf der einen und aus komplexen Sachverhalten auf der anderen Seite ein erheblicher faktischer Entscheidungsspielraum für die Genehmigungsbehörde ergibt. 12 Außerdem sind die Koordinationsbedingungen innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems starken Veränderungen unterworfen. Wenn man bedenkt, in welcher Vielfalt genehmigungspflichtige Vorhaben auftreten und in welchen verschiedenen Konstellationen Genehmigungsvorbehalte zusammentreffen können, wenn man weiterhin bedenkt, daß es im Zuge der technischen und wirtschaftlichen Entwicklung immer wieder zu neuartigen Vorhaben kommt, daß neue Gefährdungen entstehen, sich aber auch neue technische Möglichkeiten zum Schutz der Umwelt ergeben, und wenn man schließlich bedenkt, daß auch die Umweltsituation bzw. die jeweiligen Standortbedingungen einem steten Wandel unterworfen sind, dann wird deutlich, daß es

8 Zu den typischen Merkmalen bürokratischer Organisationen vgl. Mayntz (Fn. 1), S. 110 ff., 115 ff., Püttner (Fn. 1), S. 145, 272 ff. 9 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 155, 157, 243 ff., 329 f.; Darnkowski, in: Die Verwaltung, 1981, 219 (236). Zum Dienstweg vgl. z.B. Nr. 15, 16 Dienstü BW v. 13.01.1976 (GAB!. S. 193); Endruweit (Fn. 1), S. 116. 10 Vgl. Mayntz (Fn. 1), S. 120 f. vgl. auch unten Fn. 19. II Zu den Schwächen einer zentralen Vorauskoordination bei Koordinationsproble· rnen, die von einer nichtstatischen Umwelt abhängen und eine innovative Problernlösung erfordern, vgl. Kieder/Kubicek (Fn. 1 ), S. 93 f.; Hucke/Bohne, in: Wollrnann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 180 (184f.). Vgl. auch Brohrn in VVDStRL 30 (1972), 245 (293 ff.). 12 Zu den faktischen Entscheidungsspielräumen bei Genehmigungsentscheidungen vgl. bereits Abschn. 3.4.1.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems einer flexiblen und einzelfallbezogenen Koordination bedarf. Hierfür eiWeist sich die dezentrale Selbstkoordination im Genehmigungsverfahren als geeignetes Instrument. Im Rahmen der Verfahrensmitbeteiligung erfolgt eine wechselseitige Beeinflussung ("Interaktion") zwischen den beteiligten VeiWaltungseinheiten. Dabei kommt es zu vielschichtigen Kommunikations- und Abstimmungsvorgängen: Es werden nicht nur Informationen, Interessen und Zielvorstellungen vermittelt, sondern auch konkrete Entscheidungsbeiträge erarbeitet und Meinungsverschiedenheiten ausgetragen. 13 Die Genehmigungsbehörde lernt dabei unterschiedliche Sichtweisen kennen und wird mit divergierenden Interessen und mit konkurrierenden Zielsetzungen konfrontiert. Indem die mitbeteiligten VeiWaltungseinheiten jeweils einzelne sektorale Aspekte des öffentlichen Interesses in den Vordergrund rücken, ergibt sich daraus die Möglichkeit, das Gesamtspektrum des "Wohls der Allgemeinheit" zu erschließen.14 Im Rahmen eines arbeitsteilig organisierten lnformationsverarbeitungsund Entscheidungsprozesses liefern die mitbeteiligten VeiWaltungseinheiten jeweils sektorale Entscheidungsbeiträge. Schon um zu vermeiden, daß Genehmigungsverfahren mit zu vielen Einzelinformationen überhäuft werden, 15 müssen die mitbeteiligten VeiWaltungseinheiten die wichtigsten Informationen auswählen und daraus Schlußfolgerungen im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit des Vorhabens ziehen. Wenn verschiedene VeiWaltungseinheiten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und sich daraus eine kontroverse Diskussion entwickelt, kann dies die Rationalität von Genehmigungsentscheidungen erhöhen. 16

- Tendenz zur Herstellung des Einvernehmens Die am Entscheidungsprozeß beteiligten VeiWaltungseinheiten üben eine horizontale bzw. kollegiale Kontrolle aufeinander aus. Dabei kommt es regelmäßig zu einer wechselseitigen Anpassung der Standpunkte. Meistens läßt sich ein Kompromiß aushandeln, der zu einer ausgewogenen Entscheidung 13 Zur lnformationsverarbeitung, Konfliktaustragung und Konsensbildung als allgemeine Merkmale administrativer Problemlösungsprozesse vgl. Scharpf, Verwaltungswissenschaft als Teil der Politikwissenschaft, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 21 f.; ders., Planung als politischer Prozeß, ebd., S. 43. 14 Vgl. Wahl in VVDStRL 41 (1983), 151 (165); Schoeneberg in DVBI 1984, 929 (933). 15 Zur Gefahr der Überkommunikation vgl. Damkowski (Fn. 9), S. 221; Böhret/Jann in APUZ 27/1982, S. 35 (45); Ellwein, Regieren und Verwalten, S. 167. 16 In einem solchen zwischenbehördlichen Beteiligungsverfahren läßt sich der Vorteil, der in der Beratung eines Entscheidungsproblems durch mehrere Personen bzw. in einer Guppe liegt, in ähnlicher Weise nutzen, wie wenn die Entscheidungszuständigkeit einem kollegialen Entscheidungsgremium übertragen wird.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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führt. 17 Auch wenn rechtlich nur ein "Benehmen" und kein "Einvernehmen" vorgeschrieben ist, läßt sich in der Praxis eine Tendenz zur Herstellung des Einvernehmens feststellen. Zwischenbehördliche Abstimmungsvorgänge führen also meist zu einer Konsensbildung. Die Ursachen dieser Einvernehmenstendenz sollen hier kurz angesprochen werden. 18 Die Herstellung des Einvernehmens wird dadurch begünstigt, daß sich die einzelnen Verwaltungseinheiten an dem Leitbild der "Einheit der Verwaltung" orientieren. Außerdem können sie durch ihre Bereitschaft zur Kompromißbildung und wechselseitigen Anpassung ihre eigene Arbeit erleichtern und vermeiden, daß es zu belastenden verwaltungsinternen Konflikten kommt. Eine ganz wesentliche Ursache für die Einvernehmenstendenz liegt in dem Kontaktsystem bzw. Kommunikationsnetz begründet, 19 das sich bei der Durchführung von Beteiligungsverfahren mit der Zeit herausbildet. Durch die laufende Aufeinanderfolge von Genehmigungsfällen kommt es nämlich immer wieder dazu, daß die gleichen Verwaltungseinheiten in Beteiligungsverfahren miteinander zu tun haben, wenn auch die jeweiligen Konstellationen und Abhängigkeitsverhältnisse wechseln können. Die sich ergebenden Dauerkontakte sind oftmals von gegenseitiger Rücksichtnahme gekennzeichnet, da allen Beteiligten an gut funktionierenden Dauerbeziehungen gelegen ist. Dabei kann es für eine beteiligte Verwaltungseinheit von Vorteil sein, im Einzelfall ihre eigenen Belange gegenüber denjenigen einer anderen Verwaltungseinheit zurückzustellen, um in einem anderen Fall von dieser wiederum ein Entgegenkommen zu erreichen. 20 Bei der Verstetigung und Verfestigung von Kontaktsystemen entstehen Handlungsroutinen, die eine Konsensbildung fördern. Je länger und je häufi17 Zur "Bargaining·Logik zwischenbehördlicher Koordination" vgl. Bohnert, in: Wollmann, Politik im Dickicht der Bürokratie, S. 198 (203 f., 214). Vgl. auch Kirsch, Einfüh· rungindie Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3, S. 81 ; Mayntz et al. (Fn. 2), S. 285, 289. Bargaining·Prozesse zwischen mehreren an einem Entscheidungsprozeß beteiligten Organisationseinheiten s1.1d insbesondere dann zu erwarten, wenn diese verschiedene Teil· ziele verfolgen und wenn das gerneinsame Oberziel nicht "operational" ist - was insbes. für das der öffentlichen Verwaltung vorgegebene Oberziel des "Wohls der Allgemeinheit" zutrifft (vgl. March/Sirnon, Organizations, S. 156 f.). Auch in der Politikwissenschaft hat das Phänomen der wechselseitigen Abstimmung mehrerer Entscheidungsträger bei korn· plexen Problernlagen unter dem Begriff "partisan mutual adjustrnent" (Lindblorn) Beachtung gefunden (vgl. Böhret et al., Innenpolitik und politische Theorie, S. 286 f .). Zur aus· gleichenden Funktion von Mitwirkungsrechten und "Gegenrnachtrollen" vgl. auch Hoff. rnann·Riern in VVDStRL 40 (1982), 187 (231). 18 Zur Neigung von Genehrnigungsbehörden, Stellungnahmen mitbeteiligter Behörden einfach zu übernehmen, vgl. z.B. auch Straßburg, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 125 (132); Götz, ebd., S. 177 (182). 19 Vgl. Luhrnann, Legitimation durch Verfahren, S. 75ff., 212; Bohnert (Fn. 17), S. 203 f. Unter einem "Netzwerk" wird allgernein ein organisatorisches Beziehungsge· flecht verstanden, das nicht durchgehend hierarchisch strukturiert ist, aber trotzdem durch die Dauerhaftigkeit und Gegenseitigkeit der Beziehungen geprägt ist, vgl. Mayntz, in: dies., Irnplernentation politischer Programme, Bd. 1, S. 1 (8). 20 Zur Wirkungsweise dieser "Reziprozitätsnorrn" vgl. Kirsch (Fn. 17), Bd. 3, S. 215 f.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

ger Verwaltungseinheiten miteinander in Interaktion treten, desto mehr lernen sie nicht nur, das Verhalten der anderen Koordinationspartner vorauszusehen, sondern sie lernen auch, welches Verhalten die anderen von ihnen erwarten. Die Erwartungen, die sich an den Inhaber einer bestimmten Position in einer Organisation bzw. in einem Entscheidungssystem richten, konstituieren dessen "Rolle". 21 Wenn die Koordinationspartner die an sie gerichteten Erwartungen antizipieren und sich rollenkonform verhalten, können Abstimmungsvorgänge nach einem eingespielten Muster ablaufen und es kann von vomherein eine gewisse Annäherung der Standpunkte erfolgen. 22 Kontaktsysteme werden so zu "Medien der Konsensbildung". Die Tendenz zur Herstellung des Einvernehmens bedeutet allerdings nicht, daß am Ende des Abstimmungsvorgangs eine explizite Einigung stehen muß. Anders als bei einem rechtlich vorgeschriebenen Einvernehmen kann sich das faktische Einvernehmen unausgesprochen einstellen, nachdem die wichtigsten Konfliktpunkte ausgeräumt sind. 23 Trotz der faktischen Einvernehmenstendenz ist nicht zu verkennen, daß sich gesetzliche Einvernehmenserfordernisse bzw. Zustimmungsvorbehalte günstig auf die Durchsetzungsfähigkeit mitbeteiligter Verwaltungseinheiten auswirken. 24 Mitbeteiligte Verwaltungseinheiten befinden sich nämlich gegenüber der Genehmigungsbehörde in einer ungünstigeren Position. Die Genehmigungsbehörde bestimmt weitgehend den Ablauf des Verfahrens und verfügt somit über die "Verfahrensherrschaft". 25 Die Kommunikations- und Interaktionsbeziehungen sind meist sternförmig strukturiert, wobei die Genehmigungsbehörde im Mittelpunkt steht. 26 Einer Behörde gegenüber, deren Einvernehmen gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die Genehmigungsbehörde eher zu einem Entgegenkommen bereit sein. Wenn die Koordinationspartner einander in gleichem Maße entgegenkommen und sich "in der Mitte" treffen, dient dies der Ausgewogenheit der Entscheidung.

21 Zum Begriff der (sozialen) "Rolle" vgl. allgemein Scheuch/Kutsch, Grundbegriffe der Soziologie, S. 93 ff., 98 ("Bündel von Erwartungen, die an den Inhaber einer sozialen Position gerichtet sind"). Zur organisatorischen "Rolle" bzw. zur "Rollenstruktur" einer Organisation vgl. Mayntz, Soziologie der Organisation, S. 82 ff.; K.ieser/Kubicek (Fn. 1), S. 315 ff. Zur "Rolle" in einem Entscheidungssystem vgl. Kirsch (Fn. 17), Bd. 3, S. 84, 99 ff. 22 Zur Abstimmung aufgrund von Erwartungsbildung vgl. Kirsch (Fn. 17), Bd. 3, S. 82f.; ders. in ZfbF 1971,61 (72ff.). 23 Vgl. Kirsch (Fn. 17), Bd. 3, S. 238 f. 24 Vgl. all~emein zur Institutionalisierung und Formalisierung der Mitbeteiligung Mayntz et al. (Fn. 2), S. 290 f.; Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 83; Kieser/Kubicek (Fn. 1 ), S. 88. 2S Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 289, 619. 26 Vgl. Abschn. 3.3.1.3. Die zentrale Stellung der Genehmigungsbehörde im Verfahren kann höchstens dadurch in Frage gestellt werden, daß mitbeteiligte Verwaltungseinheiten an ihr vorbei direkte Beziehungen zu anderen Verfahrensbeteiligten knüpfen, etwa indem sie mit dem Vorhabenträger Verhandlungen führen.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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- Zeitpunkt der Beteiligung Eine wirksame Selbstkoordination ist nur zu erwarten, wenn die Verfahrensmitbeteiligung frühzeitig erfolgt. Je früher andere Verwaltungseinheiten am Verfahren beteiligt werden, desto stärker können sie den Entscheidungsprozeß noch beeinflussen. 27 Dies hängt damit zusammen, daß während des Entscheidungsprozesses laufend Vorfragen abgeklärt, Alternativen ausgeschieden und "Vorfestlegungen" getroffen werden. Der Entscheidungsprozeß verengt sich mit zunehmender Dauer immer mehr und läuft auf ein bestimmtes Ergebnis hinaus. Für eine mitbeteiligte Verwaltungseinheit wird es im Zeitverlauf daher immer schwieriger, solche Verfestigungen wieder "aufzubrechen" und den Entscheidungsprozeß auf eine frühere Stufe "zurückzuwerfen". Bei der Bestimmung des frühestmöglichen Zeitpunkts für die Beteiligung ist zu beachten, daß dem eigentlichen Genehmigungsverfahren oftmals informelle Vorverhandlungen zwischen der Genehmigungsbehörde und dem Antragsteller vorausgehen. 28 Darin geht es keineswegs nur um Verfahrensfragen, sondern es wird bereits die Genehmigungsfähigkeit des in Aussicht genommenen Vorhabens in informeller Weise abgeklärt. Dem Antragsteller geht es dabei darum, zu vermeiden, daß sich der mit der Planung und der Ausarbeitung der Antragsunterlagen verbundene Aufwand nachträglich als nutzlos herausstellt.29 Zwar darf die Genehmigungsbehörde in den Vorverhandlungen keine rechtlichen Verpflichtungen gegenüber dem Antragsteller eingehen, doch wird sie sich faktisch an ihre Äußerungen gebunden fühlen. Außerdem sprechen für sie Gründe der Arbeitsersparnis und Konfliktvermeidung dafür, die in Vorverhandlungen erreichte Verständigung als Grundlage für die eigene Entscheidung zu nutzen. Wegen solcher Entscheidungspräformierungen sollte eine "informelle" Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten bereits in diesem Stadium erfolgen. Dies wird in der Praxis auch teilweise so gehandhabt. 30 Auf jeden Fall sollten Verwaltungseinheiten, deren Aufgabenbereich berührt wird, sogleich nach der Antragstellung von dem Vorhaben unterrichtet werden.

27 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 290; Baestlein/Konukiewitz, in: Mayntz, Implementation politischer Programme, Bd. 1, S. 36 (49 f., 55); Bohnert (Fn. 17), S. 2 20. Entspre· ehendes gilt für die Bürgerbeteiligung, vgl. nur Hoffmann·Riem (Fn. 17), S. 211 f.; Blümel, Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, in : ders., Frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Planungen, S. 23 (78 ff.). 28 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2 ), S. 35, 58 f., 318 ff., 647 ff.; Bohne, in: Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie, Bd. 7, S. 20 (29 ff.}; Schoeneberg in DVBI 1984, 929 (935 f.). 29 Dementsprechend rechnet es die HOAI zu den Grundleistungen des Architekten bzw. Ingenieurs bei der Objektplanung, bereits in der Phase der "Vorplanung" und "Entwurfsplanung" Vorverhandlungen mit Behörden über die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu führen (vgl. §§ 15 Abs. 1 Nr. 2-4, § 55 Abs. 2 Nr. 2- 4 HOAI) . 30 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2) , S. 35, 322 f. , 3 27, 650.

10 Wagn~r

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

Die Frühzeitigkeit der Verfahrensmitbeteiligung hat gerade unter Koordinationsgesichtspunkten besondere Bedeutung. Das volle Koordinationspotential läßt sich meist nur während der Vorverhandlungen und allenfalls noch kurz nach der Antragstellung ausschöpfen. Im Laufe des Genehmigungsverfahrens wird der Spielraum für eine Koordination immer enger. Wartet z.B. die Genehmigungsbehörde mit der Verfahrensbeteiligung so lange, bis sie selbst einen vollständigen Entwurf des Genehmigungsbescheids gefertigt hat, und leitet sie dann erst diesen anderen Verwaltungseinheiten zur Stellungnahme zu, so ist bloß noch mit minimalen "Randkorrekturen" zu rechnen. 31

- Kosten der Selbstkoordination Eine im Wege der Verfahrensmitbeteiligung erfolgende Koordination ist natürlich auch mit Kosten und Nachteilen verbunden. So ist es trotz der beschriebenen Einvernehmenstendenz keineswegs ausgeschlossen, daß es zu Konflikten kommt. Konflikte können sich daraus ergeben, daß verschiedene Verwaltungseinheiten das Entscheidungsproblem unter verschiedenen Blickwinkeln sehen, daß sie andere Teilziele verfolgen oder sich gar als "Anwälte" jener Umweltsektoren bzw. jener Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche verstehen, für die sie in besonderer Weise verantwortlich sind. Konflikte können aber auch daraus entstehen, daß Verwaltungseinheiten bestimmte organisatorische Eigeninteressen verfolgen und ihre "Organisationsdomäne" behaupten und ausbauen wollen. Das Mitbeteiligungsverfahren bietet dann eine "Arena", in der diese Konflikte ausgetragen werden können. Eine Nichtbeteiligung würde verwaltungsinterne Konflikte oft nur verschleiern und eine offene Austragung verhindern. Gelingt es den mitbeteiligten Verwaltungseinheiten nicht, Konflikte unter sich beizulegen, so müssen sie eine Entscheidung der gemeinsamen vorgesetzten Stelle herbeiführen. 32 Ist dieser Weg ausnahmsweise nicht gangbar, etwa bei Konflikten zwischen Bundes- und Landesbehörden, dann greifen mitunter besondere Regeln zur Konfliktbewältigung ein. 33 Werden auftretende Konflikte nicht alsbald gelöst, können diese eine Eigendynamik entfalten und die Verwaltungstätigkeit erheblich beeinträchtigen.

31 Zur Unterscheidung zwischen der vollen "positiven" und einer bloß "negativen" Koordination vgl. Scharpf, Komplexität als Schranke der politischen Planung, in: ders., Planung als politischer Prozeß, S. 85 ff., 90 ff.; Mayntz (Fn. 1), S. 103 f.; Rückwardt (Fn. 24), S. 38 ff. 32 Auch dort, wo kein Einvernehmen, sondern nur ein Benehmen vorgeschrieben ist, kann die Einschaltung vorgesetzter Stellen in Betracht kommen, vgl. Gassner in NuR 1982,81 (84f.) m.w.N. 33 Vgl. z.B. § 30 Abs. 6 PBefG, § 9 BNatSchG, § 7 Abs. 4 Satz 2 AtG, § 18 a Abs. 1 Satz 2 FStrG.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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Die Verfahrensmitbeteiligung kann außerdem zu einer Einbuße an Transparenz und Verantwortungsklarheit führen. Zwar trägt nach außen die Genehmigungsbehörde die alleinige rechtliche Verantwortung, doch läßt sich nicht mehr ohne weiteres diejenige Verwaltungseinheit identifizieren, die im Entscheidungsprozeß ein bestimmtes Entscheidungselement durchgesetzt hat. Die Transparenz des Entscheidungsvorgangs läßt sich allerdings dadurch erhöhen, daß mitbeteiligte Verwaltungseinheiten direkte Außenkontakte pflegen, daß Stellungnahmen schriftlich abgefaßt und Behördenbesprechungen protokolliert werden. Des weiteren kann die Koordination im Wege der Verfahrensmitbeteiligung zur Entwertung einer nachfolgenden Bürgerbeteiligung führen. Dem Grundsatz der "Einheit der Verwaltung" folgend neigen Genehmigungsbehörden nämlich dazu, sich erst mit den anderen Verwaltungseinheiten abzustimmen, bevor sie Drittbetroffene anhören oder einen Erörterungstermin durchführen, um so den Bürgern bereits eine abgestimmte Verwaltungsmeinung präsentieren zu können. 34 Wenn aber erst einmal ein abgestimmtes Konzept zwischen mehreren Verwaltungseinheiten erarbeitet worden ist, dann wird die Genehmigungsbehörde gegenüber Änderungsvorschlägen von seiten der Bürger viel weniger aufgeschlossen sein, weil sie sonst das Ergebnis der Koordination in Frage stellen und das Mitbeteiligungsverfahren wiederholen müßte. Außerdem kann die Bürgerbeteiligung in einem parallelen Genehmigungsverfahren entwertet werden. Die Stellungnahme, die eine parallel zuständige Genehmigungsbehörde im Verfahren abgibt, enthält nämlich bereits eine faktische Selbstfestlegung, die geeignet ist, ihre spätere Genehmigungsentscheidung zu präformieren. 35 Gibt daher eine Genehmigungsbehörde eine Stellungnahme ab, bevor sie selbst eine Bürgeranhörung durchgeführt oder wenigstens an einer solchen teilgenommen hat, so läßt sich die Bürgerbeteiligung kaum noch effektiv durchführen. Schließlich ist die Selbstkoordination mit einem beträchtlichen Arbeitsund Zeitaufwand verbunden. 36 Dementsprechend wird die Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten als hauptsächliche Ursache für die Verzögerung von Genehmigungsverfahren angesehen. 37 Wenngleich jede Art der Koordina-

34 Für das Verfahren der Bauleitplanung sieht§ 4 Abs. 2 BauGB jetzt ausdrücklich vor, daß die förmliche Behördenbeteiligung gleichzeitig mit der Bürgerbeteiligun~ (und nicht notwendig vorher) durchgeführt werden "kann" (sog. Koppelungsverfahren). Dies wird aber wohl nichts daran ändern, daß i.d.R. zumindest informelle Abstimmungen mit den Trägem öffentlicher Belange vorangehen werden. 35 Vgl. Abschn. 3.3.2.4. 36 Vgl. Mayntz et al. (Fn. 2), S. 50f., 76,330, 591; Bericht der Kornmission zur Überprüfung von Verbesserungsmöglichkeiten in der Hbg. Verwaltung, S. 127 f. 37 Vgl. die Amt!. Begr. zu der sogen. "Verfristungsregelung" (dazu sogleich im Text) des§ 92 Abs. 1 (jetzt§ 55 Abs. 1) LBO BW in der LT-Drucks. BW 8/3410 S. 103 f .

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

tion Zeit kostet, so vergeht doch offenbar bei der Abgabe von Stellungnahmen nicht selten mehr Zeit, als von der Sache her erforderlich wäre. Hier setzen Bemühungen an, Beteiligungsverfahren durch sog. "Verfristungsregelungen" zu beschleunigen. So ist etwa in der bad.-württ. Landesbauordnung seit 1983 vorgesehen, 38 daß die Baugenehmigungsbehörde den Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, eine angemessene Frist zur Abgabe einer Stellungnahme setzt. Äußert sich eine mitbeteiligte Verwaltungseinheit nicht fristgemäß, so soll die Baugenehmigungsbehörde davon ausgehen können, daß von deren Seite keine Bedenken gegen das Vorhaben bestehen. Was auch immer die Rechtsfolge die· ser Regelung sein soll,39 so erscheint es fraglich, ob durch den beabsichtigten "psychologischen Druck" 40 eine beschleunigte Abgabe von Stellungnahmen erreicht werden kann, ohne daß eine wesentliche Verschlechterung der Selbstkoordination zu befürchten ist. über die eigentlichen Ursachen, die zu einer Verzögerung von Stellungnahmen führen, herrscht nämlich keineswegs Klarheit. Immerhin gibt es Anzeichen für bestimmte Ursachen, die sich auch durch verbindliche Fristen nicht positiv beeinflussen lassen. Dies gilt etwa dann, wenn bestimmte Verwaltungseinheiten andauernd überlastet sind. Auch kann es durchaus sinnvoll sein, wenn parallel zuständige Genehmigungsbehörden ihre Stellungnahme so lange zurückhalten, bis ihnen der Vorhabenträger aussagekräftige und prüfungsfähige Unterlagen eingereicht hat. Ein weiterer Grund für die Verzögerung von Stellungnahmen kann darin liegen, daß mitbeteiligte Verwaltungseinheiten direkte Verhandlungen mit dem Vorhabenträger führen, die nicht so schnell zu einem positiven Abschluß kommen. 41 Die Folgen einer verbindlichen Fristsetzung für die Abgabe von Stellungnahmen sind daher ambivalent: Zwar ist in der Tat zu erwarten, daß "Fristsachen" vorrangig bearbeitet werden. Andererseits besteht die Gefahr, daß die Durchsetzungskraft mitbeteiligter Verwaltungseinheiten geschwächt wird und diese vielleicht resignierend das Verstreichenlassen der Frist als beque38 Vgl. §55 Abs. l LBO BW. Vgl. auch§ 66 Abs. 1 LBO '81, § 27 LVG BW, § 2 Abs. 5 Satz 3 BBauG/§ 4 Abs. 1 Satz 3 BauGB. 39 In der Amtl. Begr. (Fn. 37), S. 103 f. heißt es dazu: "Um die anzuhörenden Behörden und Stellen wirksam dazu anzuhalten, ihre Stellungnahmen fristgemäß abzugeben, erscheint es geboten, an das nutzlose Verstreichenlassen der Äußerungsfrist bestimmte Konsequenzen zu knüpfen. Die Baurechtsbehörde muß in diesen Fällen davon ausgehen können, daß ihr nicht bekannte Bedenken nicht bestehen. Nachdem jedoch die Baurechtsbehörde eine Baugenehmigung nur erteilen darf, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegensehen ( . . .), ist sie gehalten, ihr bekannte Bedenken anderer Behörden und Stellen bei ihrer Entscheidung zu würdigen. U.U. kann die Baurechtsbehörde dabei beispielsweise wegen mangelnden eigenen Sachverstands gezwungen sein, trotz Fristablauf.. die Stellungnahme einer besonders fachkundigen Behörde oder Stelle abzuwarten ... 40 Vgl. ebd., S. 104. 41 Vgl. Mayntz etal. (Fn. 2), S. 35, 58f., 319f., 322f., 377,650.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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men Ausweg wählen - oder daß sie umgekehrt negative Stellungnahmen abgeben, weil sie nicht mehr alle Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung ausschöpfen können.

3.4.5. Projektorganisation und Verfahrensplanung Durch eine Projektorganisation und Verfahrensplanung werden Möglichkeiten zur Koordination eröffnet, die über die bloße Verfahrensmitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten hinausgehen. Als institutionalisierte Koordinationsorgane kommen insbes. Projektgruppen in Betracht, die sich aus Fachleuten verschiedener Verwaltungseinheiten zusammensetzen. 1 Im Vergleich zu einfachen Behördenbesprechungen wird durch die förmliche Einrichtung einer Projektgruppe die Kontinuität der Zusammenarbeit gesteigert und die Projektarbeit zu einem gewissen Grade verselbständig!. Allerdings wird es nur bei besonders umfangreichen Großvorhaben, deren Planung, Genehmigung und Durchführung eine längere Zeit beansprucht, in Betracht kommen, eine Projektgruppe speziell für die Genehmigung eines einzigen Vorhabens einzurichten. Dagegen besteht auch für häufiger vorkommende Arten von Vorhaben mittlerer Größenordnung die Möglichkeit, Arbeitsgruppen auf Dauer einzurichten, in denen Fachleute aus verschiedenen Verwaltungszweigen bzw. Fachbereichen organisatorisch zusammengefaßt sind. 2 Koordinationsprobleme können so in einem festen und aufeinander eingespielten Arbeitsteam behandelt werden. In der Praxis scheint jedoch von dieser Möglichkeit kaum Gebrauch gemacht zu werden. Dies gilt auch für die weitere Möglichkeit, einen Projektbeauftragten einzusetzen,3 zu dessen Aufgaben es in erster Linie gehören könnte, für eine koordinierte und beschleunigte Durchführung der Genehmigungsverfahren zu sorgen. Durch die genannten Formen der Projektorganisation ergibt sich eine "matrix-ähnliche" Organisationsstruktur,4 bei der die Aufgaben und Befugnisse I Unter einer Projektgruppe wird allgemein eine auf Zeit eingerichtete Arbeitsgruppe verstanden, der bestimmte Aufgaben übertragen sind, die sich auf ein konkretes Projekt beziehen. Zur Koordinationsfunktion von Projektgruppen vgl. Rückwardt, Koordination des Verwaltungshandelns, S. 118 ff., 184; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 122; Thieme, Verwaltungslehre, Rd. 595; Damkowski, in: Die Verwaltung 1981, 219 (233 f.). 2 Zu derartigen dauerhaften Koordinationsgremien bzw. Ausschüssen vgl. Rückwardt (Fn. 1), S. 100 ff., 127; Thieme (Fn. 1), Rd. 589 ff. Vgl. auch zur Konzeption der "untereinander vermaschten Arbeitsgruppen" Grochla, Unternehmensorganisation, S. 216 ff., sowie Damkowski (Fn. 1), S. 237. 3 Zur Koordinationsfunktion von Projektbeauftragten vgl. Rückwardt (Fn. 1 ), S. 122 ff., 125; Kieser/Kubicek, Organisationstheorien, Bd. 1, S. 131 f. 4 Zur Matrix-Organisation vgl. Grochla (Fn. 2), S. 205 ff.; K.ieser/Kubicek (Fn. 3), Bd. 1, S. 131 f.; dies., Organisation, S. 118 ff.; Endruweit, Organisationssoziologie, S. 111 ff.; Thieme, Verwaltungslehre, Rn. 213, 1008 f.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems auf Projektgruppen bzw. Projektbeauftragte einerseits und auf die zuständigen Fach- und Genehmigungsbehörden andererseits aufgeteilt sind. Insbes. die Kompetenz zur verbindlichen Entscheidung mit Außenwirkung muß nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung bei den jeweiligen Genehmigungsbehörden verbleiben. Projektgruppen und Projektbeauftragte können jedoch Entscheidungen vorbereiten und bestimmte "Verfahrensfunktionen" wahrnehmen, wie z.B. Vorhabenträger beraten, Drittbetroffene anhören, Sachverständige beauftragen, behördliche Stellungnahmen einholen oder Erörterungstermine durchführen.

Konzentrierte Genehmigungsverfahren, bei denen die Konzentrationsbehörde sämtliche Genehmigungsbereiche "mitverwaltet" und ein einheitliches Verfahren durchführt, stellen eine besondere Form der Projektorganisation dar, auf die im folgenden Abschnitt näher einzugehen sein wird. Auch parallele Genehmigungsverfahren zeigen Ansätze zu einer Projektorganisation, wenn eine der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden Leitfunktionen ausübt 5 bzw. bestimmte Verfahrensfunktionen zugleich für andere Genehmigungsbehörden wahrnimmt. Dies kann etwa dadurch geschehen, daß sie das Behörden· oder Bürgerbeteiligungsverfahren zentral durchführt 6 oder parallel erforderliche Genehmigungen bei den dafür zuständigen Behörden einholt und diese zusammen mit der eigenen Genehmigung dem Antragsteller aushändigt - was in manchen Bundesländern Aufgabe der Baugenehmigungsbe· hörde ist. 7 Auch wenn der Baugenehmigungsbehörde nicht von Gesetzes wegen die Aufgabe der "zentralen Verfahrenskoordination" übertragen ist, wird sie - gerade bei kleineren Vorhaben - häufig den Dreh- und Angelpunkt des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems bilden, schon weil sie der "nächstliegende" Ansprechpartner für den Vorhabenträger ist. Namentlich im Hinblick auf parallele Genehmigungsverfahren kommt auch einer gemeinsamen bzw. zentralen Verfahrensplanung eine wichtige Koordinationsfunktion zu. 8 Offenbar führen Mängel bei der Verfahrensvorbereitung und Verfahrensplanung nicht selten zu Verzögerungen bei parallelen Genehmigungsverfahren.9 Durch eine frühzeitige Verfahrensplanung läßt sich auch s Zu einzelnen "Schlüsselgenehmigungen" vgl. bereits Abschn. 3.4.2. a.E. 6 Vgl. etwa das bei Schultz, Zuständigkeiten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 235 f. genannte Beispiel. 7 Vgl. § 96 Abs. 5 Satz 1 rh.·pfälz. LBau0'82, §§ 63 Abs. 2 Satz 3, 66 Abs. 5 schl.· holst. LBau0'83. Eine solche Regelung war ursprünglich auch in§ 88 Abs. 1 Satz 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 MB0'60 vorgesehen. Vgl. Friauf, in : v. Münch, Besonderes Verwaltungs· recht, S. 594. Vgl. auch die "Weiterleitungsfunktion" der Gemeinden nach§ 94 LVwVfG BW. 8 Vgl. z.B. den Bericht der BReg über Möglichkeiten zur Beschleunigung der atom· recht!. Genehmigungsverfahren für Anlagen des Kernbrennstoffkreislaufes v. 31.03.1983, in: Umwelt Nr. 95 v. 10.05.1983 S. 32 (33), wo die Erarbeitung eines abgestimmten Ablaufplanes für alle parallelen Genehmigungsverfahren zu Beginn des Verfahrens empfohlen wird. 9 So etwa auch in dem geschilderten Fall der "Vernetzungsanlage" in Abschn. 3.3 .2.5. bei Fn. 15.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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das "Nachhinken" eines Verfahrens vermeiden. Außerdem können die einzelnen Verfahrensschritte im Rahmen eines Ablaufplanes zeitlich aufeinander abgestimmt werden. 10 Schließlich kann von vornherein der Koordinationsbedarf ermittelt und der Einsatz bestimmter Koordinationsinstrumente vorgesehen werden; eine vorhabenbezogene Verfahrensplanung ist damit zugleich mit einer Koordinationsplanung verbunden. 11 Eine Verfahrensplanung kann nicht nur durch eine Projektgruppe bzw. einen Projektbeauftragten vorgenommen werden, sondern auch im Wege der Selbstkoordination durch die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden, insbes. im Rahmen einer frühzeitig anberaumten Behördenkonferenz. Es ist nicht selten der Vorhabenträger selbst, der den Anstoß zu einer solchen Behördenbesprechung gibt. Bei bedeutenderen und komplizierteren Vorhaben ist es durchaus üblich, daß Vorhabenträger und Architekten, die Erfahrung im Umgang mit Behörden haben, bereits vor Antragstellung eigene Initiativen entfalten, um die zuständigen Verwaltungseinheiten "an einem Tisch" zusammenzubringen. Solche mehrseitigen Vorbesprechungen müssen nicht immer von der Verwaltung selbst organisiert werden. Größere Unternehmen und Architekturbüros sind teilweise dazu übergegangen, mehrere Behördenvertreter gleichzeitig zu sich einzuladen, um mit ihnen alle Aspekte eines geplanten Vorhabens durchzusprechen. 3.4.6. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung Im Rahmen der bisherigen Analyse des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems wurden konzentrierte Genehmigungsverfahren bereits unter vielerlei Aspekten behandelt. Es kann hier nicht darum gehen, alldiese Erkenntnisse zu wiederholen und zusammenzufassen; eine Gesamtwürdigung wird im übrigen bei den rechtspolitischen überlegungen vorzunehmen sein. An dieser Stelle soll die Entscheidungskonzentration und die ZuständigkeitsbündeJung vielmehr nur unter t..em Aspekt der Koordination beleuchtet werden. Entscheidungskonzentration bedeutet, daß die Entscheidungskompetenz insgesamt bei der Konzentrationsbehörde liegt und daß diese ein einheitliches Genehmigungsverfahren durchführt. Sowohl das Verfahren als auch die Entscheidung liegen dann in einer Hand. Während somit eine Koordination von parallelen Verfahren und Entscheidungen entfällt, bedarf es innerhalb des konzentrierten Genehmigungsverfahrens der Koordination. Dabei müssen - eine Vielzahl von Entscheidungsgesichtspunkten,

10 Zur Koordination verschiedener Verfahrensaktivitäten bietet sich insbes. die Netzplantechnik an. Vgl. Rückwardt (Fn. 1), S. 109 ff., 113 ff., 186. 11 Zur Koordinationsplanung vgl. ebd., S. 183 ff., 191 ff.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

- eine Mehrzahl von Entscheidungsbeiträgen mitbeteiligter Stellen - und ggf. mehrere Teilentscheidungen innerhalb eines gestuften Genehmigungsverfahrens aufeinander abgestimmt werden. Die Entscheidungskonzentration führt dazu, daß der Koordinationsbedarf in das konzentrierte Genehmzgungsverfahren hz'nein verlagert wird. In aller Regel kommt es nämlich zu einer Verstärkung der verfahrensmäßigen Ausdifferenzierung innerhalb des konzentrierten Genehmigungsverfahrens, und zwar sektoral durch eine Mitbeteiligung anderer Verwaltungseinheiten und phasenspezifisch durch eine Verfahrensstufung. Die Konzentrationsbehörde wäre regelmäßig überfordert, wenn sie ohne Unterstützung durch andere Verwaltungseinheiten und in einem einzigen Entscheidungsschritt eine Gesamtentscheidung über das betreffende Vorhaben treffen müßte. Zum einen verfügt sie nicht über ausreichende Fach- und Sachkenntnisse in allen Genehmigungsbereichen und zum anderen ist ihre Arbeits· und Informationsverarbeitungskapazität begrenzt. Die Komplexität der Entscheidungsaufgabe macht daher eine Aufgabenteilung und Spezialisierung notwendig. Diese Aufgabenteilung und Spezialisierung erfolgt in erster Linie durch die Mitbeteiligung derjenigen Verwaltungseinheiten, deren Aufgabenbereich durch das zu genehmigende Vorhaben berührt wird. Wenn diese Verwaltungseinheiten, zu denen namentlich die "verdrängten" Genehmigungsbehörden gehören, einen fachlich-sektoralen Entscheidungsbeitrag leisten, so kann dadurch nicht nur der Gefahr einer Arbeits- und Komplexitätsüberlastung im konzentrierten Genehmigungsverfahren entgegengewirkt, sondern auch der Verlust an speziellem Fach- und Sachverstand ausgeglichen werden, der mit der Zuständigkeitsverlagerung auf die Konzentrationsbehörde verbunden ist. Außerdem läßt sich dadurch verhindern, daß die Konzentrationsbehörde eine pauschale "Globalbewertung" des Vorhabens vornimmt, anstatt die differenzierten fachgesetzlichen Vorschriften nebeneinander anzuwenden. 1 Wenngleich mit der Entscheidungskonzentration die Koordinationsprobleme bei komplexen Genehmigungsentscheidungen noch nicht gelöst sind, sondern hauptsächlich auf das konzentrierte Genehmigungsverfahren und speziell auf das Behördenbeteiligungsverfahren verlagert werden, so werden durch eine Entscheidungskonzentration immerhin günstigere Voraussetzungen für eine solche Koordination geschaffen: Erstens bildet das konzentrierte Genehmigungsverfahren einen einheitlichen organisations- und verfahrensmäßigen Rahmen für eine vorhabenbezogene Koordination. Das konzentrierte Genehmigungsverfahren ist dann der Ort, an dem alle Entscheidungsgesichtspunkte und Entscheidungsbeiträge ge-

1

Vgl. Wahl in DVBI 1982, 51 (55 f.).

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

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sammelt, gesichtet und ausgewertet werden können. Die Integration aller Gesichtspunkte und Beiträge kann also in einem einheitlichen Verfahren erfolgen.2 Zweitens trägt die Konzentrationsbehörde die Koordinationsverantwortung für das ganze Verfahren. Damit ist sie auch für die Koordination aller im Verfahren zu prüfender Zulässigkeitsgesichtspunkte verantwortlich. Sie hat die Entscheidungsbeiträge anderer Stellen entgegenzunehmen und zu versuchen, diese miteinander in Einklang zu bringen. Sie muß schließlich dafür sorgen, daß alle relevanten Entscheidungsgesichtspunkte bei der abschließenden Gesamtentscheidung beachtet werden. Drittens wird eine umfassende vorhabenbezogene Koordination ermöglicht, da das konzentrierte Genehmigungsverfahren alle sektoralen Prüfungs- und Entscheidungsbereiche umfaßt. Das gesamte vorhabenbezogene Entscheidungsfeld wird damit einer Koordination zugänglich. Im Idealfall können alle sektoralen Umweltauswirkungen eines Vorhabens gleichzeitig berücksichtigt werden. Damit wird es auch möglich, aus einer umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. 3 Viertens kann eine direkte Umsetzung des Koordinationsergebnisses in eine verbindliche Entscheidung mit Außenwirkung erfolgen. Da die Konzentrationsbehörde über eine umfassende Entscheidungskompetenz verfügt, kann sie das Ergebnis der verfahrensinternen Koordination bei ihrer Genehmigungsentscheidung voll berücksichtigen. Ob die Koordination innerhalb des konzentrierten Genehmigungsverfahrens zu sachrichtigen und ausgewogenen Genehmigungsentscheidungen führt, hängt in erster Linie davon ab, ob die Konzentrationsbehörde ihrer Koordinationsverantwortung gerecht wird und ob das zwischenbehördliche Beteiligungsverfahren funktioniert. Die Entscheidungskonzentration macht daher den Einsatz weiterer Koordinationsinstrumente keineswegs entbehrlich. Was die Koordinationsverantwortung der Konzentrationsbehörde betrifft, so folgt aus ihrer alleinigen Verfahrensherrschaft und Entscheidungskompetenz eine starke, wenn nicht sogar dominierende Stellung im Entscheidungsprozeß.4 Es fehlen ihr also nicht die Mittel, um auf eine effektive Koordination hinzuwirken. Andererseits bringt das Obergewicht der Konzentrationsbehörde im Entscheidungsprozeß auch die Gefahr mit sich, daß diese ihren Einfluß dazu benutzt, um speziell von ihr vertretene Fachbelange durchzusetzen. Eine " selektive Perzeption" seitens der Konzentrationsbehörde kann sich leicht im Entscheidungsergebnis niederschlagen. Um eine sachgerechte 2 Zur Funktion der "Einheitlichkeit des Verwaltungsverfahrens" angesichtseiner stark ausdifferenzierten öffentlichen Verwaltung vgl. Steinberg in DÖV 1982, 619 (62 4 f.) . 3 Vgl. Bunge in ZfU 1984, 405 (418), Schoe neberg in DVBl 1984, 929 (9 34 f.). 4 Vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 289.

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3. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem

und unparteiische Wahrnehmung der Koordinationsaufgabe zu gewährleisten, erscheint die fachliche Neutralität der Konzentrationsbehörde unabdingbar. Der Konzentrationsbehörde ist eine fachübergreifende "Querschnittsaufgabe" anvertraut, die mit einer organisations- oder personalbedingten Fachgebundenheit prinzipiell unvereinbar ist. 5 Die zentrale Koordination durch die Konzentrationsbehörde wird durch eine Selbstkoordination der mitbeteiligten Verwaltungseinheiten ergänzt. Das zwischenbehördliche Beteiligungsverfahren stellt nicht nur bei parallelen Genehmigungsverfahren, sondern auch innerhalb konzentrierter Genehmigungsverfahren das wohl wichtigste Koordinationsinstrument dar. Die Mitbeteiligung "verdrängter" Genehmigungsbehörden im konzentrierten Genehmigungsverfahren entspricht weitgehend der Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden. 6 Die koordinierende Wirkung des Behördenbeteiligungsverfahrens hängt allerdings davon ab, daß die einzelnen mitbeteiligten Verwaltungseinheiten über ausreichende Einflußchancen verfügen. An dieser Stelle sei nochmals auf die Möglichkeit verwiesen, das Mitbeteiligungsverfahren zu institutionalisieren und zu formalisieren (z.B. in Form von Behördenkonferenzen) und es bereits in einem frühen Verfahrensstadium (ggf. sogar bei informellen Vorverhandlungen) einsetzen zu lassen. Wenn die Gefahr besteht, daß bestimmte Verwaltungseinheiten die ihnen anvertrauten öffentlichen Belange im Verfahren nicht wirksam genug vertreten können, ist außerdem die Möglichkeit gegeben, deren Position durch ein Einvernehmenserfordernis zu stärken (vgl. z.B. § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW, § 14 Abs. 3 WHG). Es ist auch zu erwarten, daß sich die bei den meisten konzentrierten Genehmigungsverfahren vorgesehene Offentlichkeitsbeteiligung7 positiv auf die verfahrensinterne Koordination auswirkt. Zum einen ist die Transparenz und Publizität des Verfahrens geeignet, die am Entscheidungsprozeß Beteiligten zu einem abgewogenen und gemäßigten Verhalten zu veranlassen. Zum anderen können Einwender übergreifende Zusammenhänge ansprechen und problematisieren. Den Koordinationsvorteilen der Entscheidungskonzentration stehen allerdings auch Kosten bzw. Nachteile gegenüber, die sich allein durch eine be5 Die zuständige Verwaltungseinheit sollte daher mit einem "Generalisten" besetzt sein und keiner spezifischen Fachaufsicht unterliegen. 6 Dies hat auch eine Untersuchung zu förmlichen und vereinfachten Genehmigungsverfahren nach dem BimSchG ergeben, die zu einer Zeit durchgeführt wurde, als dem vereinfachten Verfahren nach § 19 Abs. 2 BlmSchG a.F. noch keine Konzentrationswirkung zukam: Dabei wurden hinsichtlich der Häufigkeit und Dauer des Mitbeteiligungsverfahrens zwischen Immissionsschutzbehörden und Baurechtsbehörden keine signifikanten Unterschiede zwischen beiden Verfahrensarten festgestellt. Vgl. Mayntz et al. (Fn. 4), S. 330 f. 7 Vgl. § 73 VwVfG; § 10 Abs. 3 , 4, 6 BlmSchG i.V.m. §§ 8 ff., 14ff. der 9. BlmSchV; § 7 Abs. 4 Satz 3 AtG i.V.m. §§ 4 ff., 8 ff. AtVfV.

3.4. Koordination des Verfahrenssystems

155

stimmte Ausgestaltung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens nicht beheben lassen. Die Kehrseite der vorhabenbezogenen Verlagerung und Vereinigung von Genehmigungszuständigkeiten besteht nämlich in der "Relativierung" der Zuständigkeitsordnung. Welche Genehmigungsbehörde zuständig ist, hängt dann davon ab, welche parallelen Genehmigungsvorbehalte eingreifen, ob damit eine Konzentrationswirkung verbunden ist und wieweit diese ggf. in sektoraler, räumlich-gegenständlicher und phasenspezifischer Hinsicht reicht. Infolgedessen kann es leicht zu Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Feststellung der zuständigen Genehmigungs- bzw. Konzentrationsbehörde kommen.8 Die Zuständigkeitsfeststellung hängt nicht selten von Einzelheiten der Ausgestaltung des Vorhabens ab, die in einer frühen Planungsphase, namentlich vor Antragstellung, noch gar nicht absehbar sind. Dies kann zu Verzögerungen bei der Einleitung von Genehmigungsverfahren führen und eine frühzeitige Verfahrensplanung erschweren. Außerdem kann bei Planänderungen im Laufe des Verfahrens ein nachträglicher Zuständigkeitswechsel eintreten. Eine "Zuständigkeitsverwirrung" erscheint daher nicht ausgeschlossen. Nicht anders als bei der Entscheidungskonzentration können sich Unsicherheiten bei der Feststellung der zuständigen Genehmigungsbehörde auch bei einer vorhabenbezogenen Zuständigkeitsbündelung ergeben. 9 Es läßt sich allgemein feststellen, daß die (bloße) Zuständigkeitsbündelung in ihren praktischen Auswirkungen der Entscheidungskonzentration sehr nahekommt. Dies folgt insbes. aus der Möglichkeit, die von der Zuständigkeitsbündelung erfaßten Verfahren miteinander zu verbinden und die parallelen Entscheidungen in einem "Sammelbescheid" zusammenzufassen. Die Koordinationsverantwortung der Bündelungsbehörde entspricht weitgehend derjenigen der Konzentrationsbehörde.

s Vgl. Steinberg in DOV 1982, 618 (619, 624) sowie den "Bericht über die im Rahmen der Anhörung erhobenen Bedenken gegen eine allgemeine Vorschrift über die Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten" v. 28.01.1983 in LT-Drucks. BW 8/3635 S. 27 (29 f.) - s. Anh. 2 - . Vgl. auch den bereits geschilderten Fall einer "Vernetzungsanlage" (Abschn. 3.3.2.5. bei Fn. 15). 9 Vgl. den Bericht v. 28.01.1983 (Fn. 8) .

4. Rechtsfragen der Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung 4.1. Entscheidungskonzentration 4.1.1. Grundzüge Die Entscheidungskonzentration geht über die bloße Zuständigkeitsbündelung, bei der die Zuständigkeiten zur Erteilung verschiedener Genehmigungen bei einer Behörde zusammengefaßt werden, die dann mehrere Genehmigungsentscheidungen zu treffen hat, insofern hinaus, als sie zu einer vollständigen Vereznigung der parallelen Genehmigungsverfahren führt. Die Konzentrationsbehörde kann dann in einem einzigen Verfahren eine einheitliche Gesamtentscheidung treffen. 1 Es werden also nicht nur die parallelen Zuständigkeiten, sondern auch die Verfahren und Entscheidungen zusammengefaßt. 2 Die Entscheidungsbefugnis liegt dann ausschließlich bei der "Konzentrationsbehörde", während den zur Erteilung der parallelen Genehmigungen "an sich" zuständigen Behörden keine Außenentscheidungsbefugnisse verbleiben. 3 Regelungen zur Entscheidungskonzentration haben deshalb sowohl organisations- als auch verfahrensrechtlz"che Bedeutung. Das klassische Beispiel einer solchen genehmigungsrechtlichen Entscheidungskonzentration ist § 13 BlmschG. Eine noch weitergehende Konzentration ist generell bei Planfeststellungen vorgesehen, neben denen gern. § 7 5 Abs. 1 Satz 1 VwVfG grundsätzlich keine anderen behördlichen Entscheidungen, insbesondere Genehmigungen erforderlich sind. Im übrigen finden sich zahlreiche enger gefaßte Konzentrationsregelungen, die meist nur das Zusammentreffen zweier bestimmter Genehmigungsvorbehalte betreffen

1 Es handelt sich dabei um die eigentliche Form der "Konzentration" von Genehmigungsverfahren, vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 50ff.; Bender in NVwZ 1984, 9 (10) ; Laubinger in VerwArch 1986, 77 (79 ff.). 2 Zur Bezeichnung dieser Form der Konzentration wurde daher hier der Ausdruck der "Entscheidungskonzentration" (im Gegensatz zur bloßen "Zuständigkeitskonzentration") gewählt. In der Literatur wird die Entscheidungskonzentration mitunter aber auch als "Zuständigkeitskonzentration" (z.B. Bank, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 13) oder als "Verfahrenskonzentration" bezeichnet. 3 Vgl. Feldbaus, BlmSchG, § 13 Rn. 44; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 2; Ule/ Laubinger, BlmSchG, § 13 Rn. 2; Krause in GewArch 1980, 41 (42 f.).

4.1. Entscheidungskonzentration

157

(z.B. § 8 Abs. 2 AtG, § 17 Abs. 1 Satz 2 SprengG, § 50 Abs. 3 LBO BW,4 § 34 Abs. 1 LWaldG BW und§ 63 Abs. 3 NatSchG BW). Diese Einschließungs- bzw. Ersetzungswirkung von Genehmigungen 5 hat zur Folge, daß statt mehrerer Genehmigungen in selbständigen Verwaltungsverfahren nur eine Genehmigung in einem Verfahren erteilt wird, welche dann allerdings im Wege der Verfahrensstufung wiederum in mehrere Teilgenehmigungen zerlegt werden kann (vgl. z.B. § 8 BlmSchG). Soweit die Ersetzungswirkung reicht, ergeht also grundsätzlich nur eine Genehmigungsentscheidung. Dabei handelt es sich um einen Verwaltungsakt und nicht um ein "Bündel" verschiedener Verwaltungsakte. 6 4.1.2. Reichweite der Konzentrationswirkung Auch umfassende Konzentrationsvorschriften erfassen ein einheitliches Gesamtvorhaben nicht immer unter allen sektoralen Aspekten, im gesamten räumlich-gegenständlichen Umfang und in allen Phasen der Verwirklichung. Die Zusammenfassung der Zuständigkeiten, Verfahren und Entscheidungen hängt von der Reichweite der jeweiligen Konzentrationsvorschrift ab.

4.1.2.1. Sektorale Ausnahmen von der Konzentration Konzentrationsvorschriften decken nur selten alle sektoralen Aspekte, d.h . alle von einem konkreten Vorhaben berührten fachgesetzlichen Bereiche ab. Auch umfassend konzipierte Konzentrationsvorschriften, die eine Einschließungs- bzw. Ersetzungswirkung generell gegenüber anderen, parallel erforderlichen Genehmigungen anordnen, klammem häufig bestimmte fachgesetzliche Bereiche von der Konzentration aus. Selbst bei Planfeststellungen finden sich Ausnahmen von dem Grundsatz der umfassenden Konzentrationswirkung.1 Punktuelle Konzentrationsregelungen, die an das Zusammentreffen Entspr. § 61 Abs. 2 MBO '81 (ähnlich bereits§ 90 Abs. 4 MBO '60). Die Bezeichnung der Konzentrationswirkung als "Ersetzungswirkung" ist nament· lieh bei Planfeststellungen üblich geworden. Vgl. z.B. Kopp, VwVfG, § 75 Rn. 3; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3.1.1. ; Braun/v. Rotberg, LVwVfG BW, § 75 , Rn. l b; Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 Ill, S. 393; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht 111, § 158 Rn. 24; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 204; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 106; Salzwedel, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 774. Dem entspricht auch der gesetzliche Wortlaut z.B. in § 21 Abs. 1 Satz 1 WaStrG, § 9 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, § 29 Abs. 1 Satz 1 PBefG, § 7 Abs. 3 AbfG und § 64 Abs. 1 Satz 1 WG BW. 6 Vgl. zu § 13 BlmSchG: Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 11; Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 8; ders. in DöV 1978, 21 (24 bei Fn. 33) und zu § 75 Abs. 1 VwVfG: Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 5; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3; Meyer/Borgs, VwVfG, § 75 Rn. 2; Badura (Fn. 5), S. 393 f. Unklar dagegen Bonk (Fn. 2). 1 Vgl. allgemein Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 8 asowie z.B. § 14 Abs. 1 u. 3 WHG zugunsten wasserrechtl. Erlaubnisse und Bewilligungen, § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftVG und § 29 4

5

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

ganz bestimmter Genehmigungsvorbehalte anknüpfen, erfassen ohnehin nur Teilaspekte eines Vorhabens. Neben solchen ausdrücklichen Begrenzungen bestehen auch gleichsam "immanente" Schranken der Konzentrationswirkung. So erstreckt sich die Konzentrationswirkung einersachbezogenen Anlagengenehmigung ("Realkonzession") nicht auf eine Personalerlaubnis oder gemischt sachlich-persönliche Genehmigung ( "Personalkonzession"): Während Anlagengenehmigungen (wie z.B. die Baugenehmigung oder die immissionsschutzrechtliche Genehmigung) Errichtung (und Betrieb) einer baulichen oder sonstigen Anlage gestatten, beziehen sich Personalerlaubnisse auf eine bestimmte gewerbliche oder sonstige Tätigkeit einer Person (vgl. z.B. §§ 34, 34 a bis c GewO, § 1 UMG). 2 Im Unterschied zu Anlagengenehmigungen, die bei einem Wechsel des Eigentümers oder Betreibers einer Anlage auf den Rechtsnachfolger übergehen (vgl. § 59 Abs. 2 LBO BW), bleiben Personalerlaubnisse an die Person des Antragstellers gebunden. Typischerweise ist bei Erteilung einer Anlagengenehmigung die Einhaltung sachlicher Anforderungen an die zu errichtende Anlage zu prüfen und bei Erteilung einer Personalerlaubnis die persönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers. Hierbei gibt es jedoch zahlreiche Überschneidungen. So ist z.B. bei der atomrechtlichen Anlagengenehrnigung auch die Zuverlässigkeit des Antragstellers und der für die Errichtung, Leitung und Beaufsichtigung des Betriebs der Anlage verantwortlichen Personen zu prüfen (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 AtG). Umgekehrt enthalten Personalerlaubnisse häufig sachbezogene Komponenten: Sie sind zumeist als sog. gemischt sachlich-persönliche Genehmigungen ausgestaltet, durch die die betreffende Tätigkeit nur innerhalb einer bestimmten Betriebsstätte, die besonderen sachlichen Anforderungen genügen muß, gestattet wird. 3 Bekanntestes Beispiel für diesen weitverbreiteten Genehmigungstyp4 ist die Gaststättenerlaubnis (vgl. § 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 und § 4 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 GastG). Daß reine Personalerlaubnisse von der Konzentrationswirkung ausgenommen sind, versteht sich eigentlich von selbst, da sie sich gar nicht unmittelbar auf ein bestimmtes raumbezogenes Vorhaben beziehen. Anders ist es dagegen bei den gemischt sachlich-persönlichen Genehmigungen. Hier wäre immerhin an eine "partielle" Konzentration zu denken, bei der zwar nicht die persoAbs. 1 Satz 3 PBefG jeweils zugunsten baurechtl. Genehmigungen sowie § 9 b Abs. 4 Nr. 3 AtG zugunsten bergrechtl. Entscheidungen. 2 Vgl. Abschn. 1, Fn. 22. 3 Zu diesem Genehmigungstyp vgl. Badura, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 364; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 203 ; Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 107 f. ; Landmann/Rohmer, GewO, 12. Auf!., Rn. 1 ff. vor§ 16. 4 Vgl. z.B. §§ 30 (Abs. 1 Nr. 2- 4), 33 a (Abs. 2 Nr. 3), 33 i (Abs. 2 Nr. 2 u. 3) GewO; §§ 13, 14 (Abs. 1 Nr. 6), 16 AMG; § 8 (Abs. 4 Nr. 3 u. 4) TierSchG; § 1 Abs. 2, § 6 ApothG i.V.m. § 3 ApothBetrO; § 6 HeimG ; §§ 10, 11 Abs. 1 Nr. 5 FahriG.

4.1. Entscheidungskonzentration

159

nenbezogenen, aber wenigstens die anlagenbezogenen Entscheidungselemente einbezogen werden. Bei der späteren Erteilung einer sachlich-persönlichen Genehmigung wären dann bloß noch die persönlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen. Es widerspräche aber der rechtlichen Struktur sachlich-persönlicher Genehmigungen, diese in einen sach- und einen personenbezogenen Teil aufzuspalten. 5 Außerdem sehen Konzentrationsvorschriften die "Ersetzung" anderer Entscheidungen vor und nicht nur deren teilweise inhaltliche Vorwegnahme. Die h.M. nimmt daher gemischt sachlich-persönliche Genehmigungen insgesamt von der Konzentrationswirkung aus. 6 Teilweise wird jedoch Anlagengenehmigungen generell eine Feststellungswirkung zuerkannt, die es ausschließen soll, daß die festgestellte Zulässigkeit der bestimmungsgemäßen Nutzung in einem anderen Verfahren in Frage gestellt wird. 7 Damit wäre im Ergebnis doch eine partielle Konzentration erreicht.

4.1.2.2. Räumlich-gegenständliche Begrenzungen der Konzentration Wenn die Entscheidungskonzentration nur einzelne Anlagen bzw. Anlagenteile, nicht aber das einheitliche Gesamtvorhaben insgesamt erfaßt, zeigt sich darin die räumlich-gegenständliche Begrenztheit der Konzentrationswirkung. · Als klassisches Beispiel für diese Problematik galten lange Zeit konventionelle Kraftwerke, welche mit fossilen Brennstoffen (z.B. Kohle) betrieben werden. Nach§ 2 Nr. 1 bzw. § 4 Nr. 1 der 4. BlmSchV a.F. 1 war nur für die "Feuerungsanlage" eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich. Der Kessel, in dem zur Energiegewinnung Dampf erzeugt wird, bedurfte einer Erlaubnis gern. § 10 Abs. 1 DampfkV i.V.m. § 24 GewO. Es stellte sich daher zunächst die Frage, ob die immissionsschutzrechtliche Genehmigung gern. § 13 BlmSchG die Dampfkesselerlaubnis insgesamt ersetzen konnte. s Genehmigungsgegenstand einer gemischt sachlich-persönlichen Genehmigung ist nämlich nur die persönliche Tätigkeit des Antragstellers und nicht zugleich auch der Betrieb einer bestimmten Anlage. Die Genehmigung der persönlichen Tätigkeit wird lediglich auf bestimmte Räume bzw. Anlagen beschränkt und von der Einhaltung bestimmter sachbezogener Voraussetzungen abhängig gemacht. 6 Vgl. Engelhardt, BlmSchG, Bd. 1, § 13 Rn. 2; Feldhaus, BlmSchG, § 13 Rn. 3; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 15; Ule/Laubinger, BlmSchG, § 13 Rn. 2; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 191; Jarass, BimSchG, § 13 Rn. 3; ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 89f.; Nr. 7.1 VerwVorschr BW zum BimSchG v. 19.1.1978 (GAB!. S. 249). Anders Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, Nr. 28 PlafeR, Rn. 18, wonach offenbar nur die persönlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Genehmigung nach § 9 PBefG von der Konzentrationswirkung der fernstraßenrechtl. Planfeststellung ausgenommen sein sollen. 7 So Gaentzsch in NJW 1986,2787 (2791 f.). Vgl. auch Abschn. 5.1.2.2. I 4. BimSchV v. 14.2.1975 (BGBI. I S. 499, 727).

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

Daran anknüpfend stellte sich die weitere Frage, inwieweit die Baugenehmigungen, die für die auf dem Kraftwerksgelände zu errichtenden baulichen Anlagen an sich erforderlich waren, durch die immissionsschutzrechtliche bzw. dampfkesselrechtliche Genehmigung ersetzt wurden. Auch der dampfkesselrechtlichen Genehmigung kommt nämlich nach Landesbaurecht eme Konzentrationswirkung gegenüber der Baugenehmigung zu. 2 In § 13 Satz 1 BlmSchG ist vorgesehen, daß die immissionsschutzrechtliche Genehmigung "andere, die Anlage betreffende" Genehmigungen einschließt. Damit wird offenbar auf den in § 4 Abs. 1 Satz 3 BlmSchG definierten Begriff der "genehmigungsbedürftigen Anlage" Bezug genommen. 3 Die genehmigungsbedürftigen Anlagearten werden in der 4. BlmSchV näher bestimmt. Da nach der alten Fassung dieser Verordnung nur die "Feuerungsanlagen" von Kraftwerken unter Genehmigungsvorbehalt gestellt worden waren, ging die wohl h.M. davon aus, daß die Konzentrationswirkung der imrnissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht den gesamten Dampfkessel, sondern nur die Feuerungsanlage als deren Bestandteil erfaßte: 4 Die Beschränkung auf die in der 4. BlmSchV aufgeführten "technischen" Anlagen im engeren Sinne führte zu der mißlichen Konsequenz einer nur "partiellen" Konzentration: Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ersetzte die Dampfkesselerlaubnis und die Baugenehmigung nur hinsichtlich der Feuerungsanlage, 5 und die dann noch erforderliche Rest-Dampfkesselerlaubnis ersetzte ihrerseits die Baugenehmigung wiederum nur hinsichtlich des Dampfkessels einschließlich des Kesselaufstellungsraumes. 6 Für die sonstigen 2 Vgl. § 50 Abs. 3 LBO BW entspr. § 61 Abs. 2 MBO '81. Ähnliche Konzentrations· vorschriften finden sich z.B. auch in Nds. (§ 70 NBauO i.V.m. § 1 Nr. 3 Buchstabe c BraufreistellungsVO), Bay. (Art. 104 LBO), Nordrh.-Westf. (§ 98 Abs. 3 LBO), Rh.· Pfalz(§ 91 Abs. 3 LBO) und Schl.-Holst. (§ 61 Abs. 2 LBO) . 3 Vgl. Stich/Porger, BimSchG, § 13 Rn. 7; Sellner, Immissionsschutzrecht und In· dustrieanlagen, Rn. 191 ; Jarass, BimSchG, § 13 Rn. 4; ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 61 ff. sowie ausführlich Schmölling/Mäder in GewArch. 1977, llOff. (bes. S. 113). 4 So Engelhardt, BimSchG, Bd. 1, § 13 Rn. 1; Ule/Laubinger, BimSchG, § 13 Rn. 2; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, Gewü und ergänzende Vorschriften, Bd. 3, § 4 Bim· SchG, Rn. 23-25; Meyer, ebd., Bd. 1, § 24 Gewü, Rn . 21 e; Schmöllin~/Mäder (Fn. 3); Nr. 7.2.2. VerwVorschr BW zum BimSchG v. 19.1.1978 (GAB!. S. 249). In§ 2 Abs. 4 Nr. 2 DampkV ist die Feuerungsanlage als Bestandteil der Dampfkesselanlage ausdrücklich aufgeführt. s A.A. Meyer (Fn. 4), § 24 Gewü, Rn. 21 e, der dieser Konsequenz dadurch entgehen will, daß er § 13 BimSchG im Verhältnis zur Dampfkesselerlaubnis überhaupt nicht anwendet. Diese restriktive Anwendung des § 13 BimSchG findet jedoch im Gesetz keine Stütze, so auch Kutscheidt (Fn. 4) § 4 BimSchG, Rn. 24. Vgl. auch Sellner in NJW 1975,801 f. Zur Feuerungsanlage werden in der Praxis allerdings auch das Brennstofflager und der Schornstein gerechnet, welche im übrigen auch zur Dampfkesselanlage gehören (vgl. § 2 Abs. 4 Nr. 3 u. 5 DampfkV) . 6 Die Bestandteile der Dampfkesselanlage sind in § 2 DampfkV genau aufgeführt. Neben dem Dampfkessel selbst gehören dazu insbesondere das Kesselgerüst und der Kesselaufstellungsraum, nicht jedoch etwa Gasturbinen, Maschinenhaus, Transforma torenhaus usw.

4.1. Entscheidungskonzentration

161

baulichen Anlagen (z.B. Maschinenhaus, Transformatorenhaus, Neben- und Verwaltungsgebäude) war noch eine Rest-Baugenehmigung gesondert zu erteilen.7 Dies bedeutete, daß die Konzentrationsvorschriften des§ 13 BimSchG und des § 50 Abs. 3 LBO BW im Ergebnis nicht zum Wegfall paralleler Genehmigungsverfahren führten, sondern nur zur Aufspaltung des Gegenstandes der nur teilweise konzentrierten Genehmigungen. In baurechtlicher Hinsicht mußte die Gesamtanlage in verschiedene Teile zerlegt werden: in einen von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung abgedeckten "feuerungstechnischen" Teil, einen von der Dampfkesselerlaubnis erfaßten "kesseltechnischen" Teil sowie in einen nicht in die Konzentration einbezogenen Teil der Gesamtanlage, der wiederum aus mehreren "baulichen Anlagen" bestehen konnte (z.B. Werkstätten, Verwaltungs- und Sozialgebäude, Grundstücksumschließung). 8 Infolge dieser Aufspaltung des einheitlichen Gesamtvorhabens blieb von der durch Konzentrationsvorschriften bezweckten "Einheitswirkung" 9 und Verfahrensvereinfachung kaum noch etwas übrig. 10 Die unerwünschten Folgen einer solchermaßen "zu kurz" greifenden Konzentration ließen sich nur vermeiden, wenn der Begriff der "Anlage" in § 13 BlmSchG in einem weiter gefaßten Sinne verstanden werden könnte. Diese Konzentrationsvorschrift kann ihre volle Wirkung nur entfalten, wenn sie sich auf die gesamte Betriebsstätte bzw. Betriebsfläche bezieht (vgl. § 3 Abs. 5 BimSchG ). 11 In Anlehnung an eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts12 hat nunmehr auch der Verordnungsgeber durch eine Neufassung der 4. BimSchV dem Bedürfnis nach einer Ausweitung des Anlagenbegriffs und der Konzentrationswirkung ein Stück weit Rechnung getragen: 13 In§ 1 Abs. 2 der 4. BimSchV n.F. ist festgelegt, daß sich das Genehmigungserfordernis 1. auf alle vorgesehenen Anlagenteile und Verfahrensschritte erstreckt, die zum Betrieb notwendig sind, 2. auch Nebeneinrichtungen erfaßt, die in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang mit der genehmigungsbedürftigen Anlage ste7 Vgl. Sauter/Krohn/Kiess/Imig, LBO BW, § 92 Rn. 4 (a); Schlez, LBO BW, § 92 Rn. 18. 8 Zum Begriff der baulichen Anlage vgl. § 2 Abs. 1 LBO BW entspr. § 2 Abs. 1 MBO '81. 9 Vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 29.6.1967, E 27,253 (256); Urt. v. 14.2. 1969, E 31,263 (268). 10 Vgl. Jar~s in DÖV 1978, 21 (22 Fn. 9); ders., BlmSchG, § 13 Rn. 4. 11 Für eine extensive Auslegung des Anlagenbegriffs Kutscheidt (Fn. 4), § 4 BlmSchG, Rn. 20; ders., in DOV 1976, 663 ff. ; Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 4; Stich/Porger, BlmSchG, § 4 Rn. 19, § 13 Rn. 7. 12 Urt. v. 6.7.1984, E 69,351 (354 f.) =UPR 1985,23 = NVwZ 1985,46. 13 4. BlmSchV i.d.F. v. 24.7.1985 BGBI. I S. 1586. Vgl. dazujarass in NVwZ 1986, 607 (610).

11 Wagner

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4. Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelang

hen und die für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen, die Vorsorge gegen solche Einwirkungen oder das Entstehen sonstiger Gefahren, erheblicher Nachteile oder Belästigungen von Bedeutung sein können. Darüber hinaus hat der Verordnungsgeber im Anhang zur 4. BlmSchV nicht nur wie bisher "Feuerungsanlagen" (vgl. Nr. 1.2.), sondern "Kraftwerke" insgesamt (vgl. Nr. 1.1.) als genehmigungsbedürftige Anlagen qualifiziert. Es bleibt abzuwarten, ob damit eine Abgrenzung gelungen ist, die einerseits so weit ist, daß sie eine umfassende Konzentration ermöglicht, und die andererseits auch eindeutig und klar genug ist, um Unsicherheiten hinsichtlich der Zuständigkeit der Konzentrationsbehörde und der zu wählenden Verfahrensart zu vermeiden. Wohin derartige Unsicherheiten führen, wurde unlängst bei der Frage der Einbeziehung von Kühltürmen in die atomrechtliche Genehmigung für Kernkraftwerke deutlich. Der VGH Mannheim hatte in seinem Wyhl-Urteil in Übereinstimmung mit einer weitverbreiteten Verwaltungspraxis eine extensive Interpretation des atomrechtlichen Anlagenbetriebs vorgenommen. 14 Er begründete dies insbesondere damit, daß nur auf diese Weise der vom Gesetzgeber in § 8 Abs. 2 AtG beabsichtigte Konzentrationseffekt gegenüber der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wirksam werden könne. 15 Kühltürme bedürfen nämlich ab einem bestimmten Kühlwasserdurchsatz der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. 16

14 V~!. VGH Mannheim, Urt. v. 30.3.1982 - KKW Wyhl -, DVBl 1982, 966 (967 Leits. 9): "Zur ,ortsfesten Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen' i.S. des§ 7 Abs. 1 AtG gehören nicht nur der nukleare Teil, in welchem sich die Kernspaltung abspielt, sondern auch die Teile einschließlich der sie aufnehmenden Gebäude, die der nuklearen Funktion der Anlage dienen und mit der Kernspaltung in sicherheitstechnischem oder immissionstechnischem Zusammenhang stehen. Der Anlagenbegriff des § 7 Abs. 1 AtG umfaßt neben dem Schaltanlagengebäude, dem Reaktorhilfsanlagengebäude, dem Maschinenhaus auch die Kühlwassersysteme einschließlich des Kühlturms." Vgl. auch Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 230 f., Hansmann in NVwZ 1983, 16 ff.; Hofmann, Rechtsfragen der atomaren Entsorgung, S. 121 f. 15 So Ziff. 1.5 der schriftl. Entscheidungsgründe (S. 77 ff.) des angegebenen Urteils (Fn. 14, insoweit in DVBI 1982, 966 nicht abgedruckt): "Neben dem Zweck, dem die Anlage zu dienen bestimmt ist, spielen für die Abgrenzung des Begriffs auch Überlegungen einer praktikablen Verfahrensgestaltung eine Rolle (. . . ). Eine Großanlage wie ein Kernkraftwerk wirft eine Vielzahl von z.T. miteinander verschränkten Rechtsfragen auf, die ohne Zusammenfassung der Entscheidungsbefugnisse eine Reihe von Gestattungen verschiedener Behörden erfordern. (. .. ). Freilich wird der Forderung nach einer Genehmigungsbehörde und einem Genehmigungsverfahren in der Regel nur durch die Einführung eines Planfeststellungsverfahrens entsprochen - ein Verfahren, das für Kernkraftwerke nicht vorgesehen ist. Es ist aber nicht der Weg versperrt, überall dort, wo Wortlaut und Sinn der Vorschriften es zulassen, eine Auslegung vorzuziehen, die der Vereinheitlichung des Verfahrens am meisten entgegenkommt. Dem dient ein weiter Anlagenbegriff (. . . ). Der Wille des Gesetzgebers zur Verfahrenskonzentration hat insbesondere in dem durch das BlmSchG in das AtG eingefügten § 8 Abs. 1 a AtG a.F. = § 8 Abs. 2 AtG n.F. seinen Niederschlag gefunden." - Daneben wird dadurch natürlich auch der Iandesrechtlichen Konzentrationsvorschrift des § 50 Abs. 3 LBO BW Effektivität verliehen. 16 Vgl. Anh. Nr. 1.7. der 4 . BlmSchV '85. Ähnlich bereits die 4. BlmSchV '75.

4.1. Entscheidungskonzentration

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Dieser extensiven Interpretation des atomrechtlichen Anlagenbegriffs ist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Wyhl-Urteil v. 19.12.1985 17 entgegengetreten: Maßgeblich für die Auslegung dürften nicht Überlegungen einer praktikablen Verfahrensgestaltung sein; vielmehr sei vom Schutzzweck des Atomgesetzes auszugehen (§ 1 AtG). Das Genehmigungserfordernis nach § 7 Abs. 1 AtG diene in erster Linie dem nuklearspezifischen Gefahrenschutz. Bezeichnenderweise sei in der Vorschrift nicht von "Kernkraftwerken", sondern nur von ,,Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen" die Rede, was einschränkend zu verstehen sei. Spaltanlagen im eigentlichen Sinne seien nur die Reaktoren; sie bildeten den "Anlagenkern". Zur Anlage im Sinne von § 7 Abs. 1 AtG gehörten neben dem Reaktor auch alle mit diesem in einem räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehenden Einrichtungen, die den gefahrlosen Betrieb überhaupt erst ermöglichten; hierzu zählten (nur) diejenigen Vorkehrungen, welche erforderlich sind, um eine unzulässige radioaktive Strahlung auszuschließen. Hierzu gehöre der Kühlturm nicht, da er für die Nachwärmeabfuhr bei einer Abschaltung des Reaktors bedeutungslos sei. Folglich müsse hinsichtlich des vorgesehenen Kühlturms noch ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werden. Nach dieser höchstrichterlichen Entscheidung besteht nun allerdings die Gefahr, daß sich bei Kernkraftwerken die Probleme einer nur "partiellen" Konzentration zu einem Zeitpunkt verschärfen, als man diese Probleme bei konventionellen Kraftwerken gerade entschärft hat. Die Probleme betreffen nicht nur künftig durchzuführende, sondern noch mehr die laufenden und schon abgeschlossenen Genehmigungsverfahren, in denen auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Kühltürme von Kernkraftwerken verzichtet wurde. So hat das OVG Koblenz mit Beschluß vom 6.10.1986 18 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Betriebsgenehmigung für das KKW Mülheim-Kärlich mit der Begründung wiederhergestellt, es fehle an einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Kühlturm, so daß der Betrieb des Kraftwerk .. erst dann rechtlich zulässig werde, wenn diese Genehmigung erteilt sei. 19 Das bereits in Betrieb befindliche Kraftwerk mußte daraufhin für über 6 Monate abgeschaltet werden; der finanzielle Verlust durch die Stillegung wird auf 100 Mio. DM monatlich geschätzt. 10 E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (215 f.). NVwZ 1987, 73. 19 "Einem Interesse der Beigeladenen (= Kraftwerksbetreiberin), das nur mit recht· lieh unzulässigen Mitteln verwirklicht werden kann, muß der Rechtsschutzanspruch der Antragstellerin jedoch nicht weichen." (S. 11 der schriftl. Entscheidungsgriinde). Zustimmend Weides in NVwZ 1987,200 (203); a.A. Kutscheidt in NVwZ 1987,33. 20 Vgl. die Berichte "KKW Mülheim-Kärlich abgeschaltet" in FAZ v. 10.10.1986, S. 1, 5; "Hundert Mio. Mark Verlust monatlich in Mülheim-Kärlich" in FAZ v. 11.10. 1986, S. 4; "Bei Stillegung 14 Mrd. Mark Schaden" in FAZ v. 18.10.1986, S. 4; "Wieder Hoffnung für Mülheim-Kärlich" in FAZ v. 8.5.198 7, S. 14. 17 18

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4. Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung

Es läßt sich manchmal nicht vermeiden, daß finanzielle Einbußen der "Preis" für die Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage sind. Vielleicht hätte sich auch der Betriebsstop für das KKW Mülheim-Kärlich dadurch vermeiden lassen, daß man hier den Kühlturm anders als bei dem geplanten KKW Wyhl doch zur atomrechtlichen Anlage rechnet, weil in Mülheim-Kärlich eine zusätzliche Frischwasserkühlung fehlt, die das Bundesverwaltungsgericht beim geplanten KKW Wyhl zu der Beurteilung veranlaßte, die Kühltürme seien zur sicheren Nachwärmeabfuhr bei Abschaltung des Reaktors nicht erforderlich.21 Einer klaren Abgrenzung der Reichweite der Konzentrationswirkung wäre mit derart sublimen Unterscheidungen freilich nicht gedient. Gemessen am Ziel der Verfahrens- und Entscheidungskonzentration stellt das Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen Rückschritt dar. Allerdings hat der Bundesgesetzgeber in § 8 Abs. 2 AtG - anders als in § 13 BlmSchG -gerade keine umfassende Konzentration gegenüber allen anderen etwa erforderlichen Genehmigungen angeordnet, sondern nur eine punktuelle Konzentration gegenüber der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (§ 8 Abs. 2 AtG betraf ursprünglich primär konventionelle Feuerungsanlagen, wie sie in Kernkraftwerken zum "Anfahren" des Reaktors üblich sind). Dariiber hinaus haben manche Landesgesetzgeber die Konzentrationswirkung der atomrechtlichen Genehmigung auf die Baugenehmigung ausgedehnt. 22 Angesichts der ohnehin nur punktuellen Konzentration erscheint die restriktive Interpretation des atomrechtlichen Anlagenbegriffs durch das Bundesverwaltungsgericht nicht unangemessen. Wegen der überaus hohen Komplexität von atomrechtlichen Genehmigungsentscheidungen über Kernkraftwerke wäre zweifelhaft, ob eine umfassende Entscheidungskonzentration sinnvoll wäre: es bestünde die Gefahr, daß dann die atomrechtliche Genehmigungsbehörde mit einer Vielzahl von eher nebensächlichen Fragen überlastet würde, so daß sie in den Konflikt geriete, entweder bau- und immisssionsschutzrechtliche Fragen zu vernachlässigen oder sich nicht mehr voll auf die Fragen der nuklearen Sicherheit konzentrieren zu können, welche nach dem Unfall von Tschernobyl vorrangiger denn je sind. Dagegen ist in den Fällen, in denen der Gesetzgeber eine umfassende Konzentration angeordnet hat, eine weite Auslegung des die Konzentrationswirkung begrenzenden Anlagenbegriffs geboten. Die Konzentrationswirkung ist dann auf alle Teile eines Vorhabens zu erstrecken, die in einem engen räumlichen (bzw. bautechnischen) und funktionalen (bzw. betriebstechnischen) Zusammenhang mit dem genehmigungspflichtigen "Anlagenkern" stehen bzw. durch diesen geprägt sind. Bei einem konventionellen Kraftwerk ersetzt 21 Auf diesen Unterschied hatten sich die rh.-pfälz. Landesregierung und das RWE berufen. Vgl. auch VG Düsseldorf, Urt. v. 10.4.1984, UPR 1985, 71 (Leits. 20); Rengeling in DVBI 1986, 265 (266). 22 Vgl. z.B. §50 Abs. 3 LBO BW entspr. § 61 Abs. 2 MBO '81.

4.1. Entscheidungskonzentration

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daher die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht nur insgesamt die Dampfkesselerlaubnis, sondern auch die Baugenehmigungen für alle mit dem Hauptgebäude technisch verbundenen baulichen Anlagen. Selbständige Gebäude auf dem Kraftwerksgelände, die z.B. reinen Verwaltungszwecken dienen, werden dagegen von der immissionsschutzrechtlichen Konzentrationswirkung nicht mehr erfaßt.B Bei Planfeststellungen ist die Reichweite der Konzentrationswirkung schon vom Gesetz her dadurch erweitert, daß zum einen geni. § 7 5 Abs. 1 Satz 1 VwVfG "notwendige Folgemaßnahmen an anderen Anlagen" einbezogen werden und zum anderen gern. § 78 VwVfG eine Konzentration sogar beim Zusammentreffen "mehrerer selbständiger Vorhaben" vorgesehen ist. Dementsprechend ist auch anerkannt, daß die Planfeststellung "alle Maßnahmen erfaßt, die zu dem Vorhaben gehören". 24

4.1.2.3. Grenzen der Vor- und Nachwirkung der Konzentration Ferner stellt sich die Frage der phasenspezifischen Begrenzung der Konzentrationswirkung. Bei einer Anlagengenehmigung geht es zum einen um die "Vorwirkung" der Konzentration in der Vorbereitungsphase und zum anderen um deren "Nachwirkung" in der Betriebs- und Stillegungsphase. Bezüglich der Vorwirkung ergibt sich zunächst die Frage, ob sich die Konzentration bereits bei derErteilungvon Vorbescheiden (bzw. Zusicherungen) auswirkt. Dies ist mit der h.M. zu bejahen. 1 Dementsprechend kann z.B. ein nach § 7 a AtG erteilter Vorbescheid die Beurteilung des Vorhabens aus immissionsschutzrechtlicher Sicht einschließen und ein Vorbescheid nach § 9 BlmSchG kann sich auch auf bauplaungsrechtliche Fragen beziehen. Versteht man den Vorbescheid mit der h.M. als vorweggenommenen Teil der Genehmigung, 2 dann er gibt sich dieses ErgehVgl. Kutscheidt (Fn. 4), § 4 BlmSchG Rn. 21. Vgl. Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 8 a. I Vgl. BVerwG, Urt. v. 29.3.1966, E 24, 23 (28); OVG Münster, Urt. v. 26.2.1980, GewArch 1980, 391 (392); Feldhaus, BlmSchG, § 9 Rn. 4; Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 240 ; einschränkend Jarass, BlmSchG, § 9 Rn. 1, § 13 Rn. 2, der zwar § 13 BlmSchG auf den Vorbescheid nach § 9 BlmSchG nicht anwenden will, andererseits aber auch die Erteilung von Vorbescheiden nach anderen öffentlich-recht!. Vorschriften für ausgeschlossen hält, soweit sich diese auf Genehmigungen beziehen, die unter § 13 BlmSchG fallen. Angesichts der Öffnungsklausel in § 6 Nr. 2 BlmSchG, die auch bei Erteilung des immissionsschutzrechtl. Vorbescheides anwendbar ist, läuft dies im Ergebnis auf das gleiche hinaus. l So BVerwG, Urt. v. 29.3.1966, E 24, 23 (27 f., 33) ; Urt. v. 23.5.1975, E 48, 242 (245); Urt. v. 17.2.1978- KohleKW Voerde - , DVBI 1978,591 (597); Urt. v. 3.2.1984, BauR 1984, 384; OVG Münster, Urt. v. 26.2.1980, GewArch 1980, 391; VGH Mannheim, Urt. v. 30.3.1982 - KKW Wyhl -, DVBI 1982, 966; Finkelnburg/Ortloff, öffentliches Baurecht, S. 262. Daß der Vorbescheid einen Ausschnitt aus der späteren Genehmigung darstellen soll, beruht auf dem Dogma des "feststellenden Gehalts" von Geneh23

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

nis eigentlich schon von selbst. Aber selbst dann, wenn man den Vorbescheid als besonderen Fall einer Zusicherung nach § 38 VwVfG qualifiziert, kann eine solche Zusicherung nur von derjenigen Behörde wirksam abgegeben werden, die auch für den Erlaß des zugesicherten Verwaltungsakts zuständig ist. Sinn des Vorbescheids wie der Zusicherung ist es nämlich, eine Selbstbindung der Behörde herbeizuführen und gerade nicht die Bindung einer anderen Behörde. 3 Dürfte etwa statt dessen die Baugenehmigungsbehörde einen Bauvorbescheid für ein immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiges Vorhaben trotz § 13 BlmSchG erteilen, und wäre die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde an die darin enthaltenen Feststellungen gebunden, so müßte die Konzentrationsvorschrift ihr Ziel verfehlen, das darin besteht, die Entscheidungszuständigkeiten bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbehörde zusammenzufassen. Einer besonderen Genehmigung bedürfen häufig bauvorbereitende Maßnahmen wie die Grundstücksteilung (vgl. § 19 BBauGJBauGB), der Grundstückserwerb (vgl. § 2 GrdstVG), das Freimachen der Baufläche (z.B. durch Waldrodung oder Abbruch bestehender Gebäude) oder die Untersuchung und Vorbereitung des Baugrundes (z.B. durch Probebohrungen, Grundwasserabsenkung, Verlegung von Leitungen). Dabei ergibt sich die Frage, ob sich die Konzentrationswirkung einer Anlagengenehmigung auf derartige vorbereitende Maßnahmen erstreckt. Es wurde bereits festgestellt, daß die Konzentrationswirkung des § 13 BlmSchG nur solche Genehmigungen erfaßt, die die "Anlage" betreffen. Strenggenommen gehören dazu nicht solche Genehmigungen, die Maßnahmen zum Gegenstand haben, die die Errichtung der Anlage erst vorbereiten sollen. Dementsprechend geht zumindest in Baden-Württemberg die Verwaltungspraxis davon aus, daß eine waldrechtliche Umwandlungsgenehmigung gern. § 9 LWaldG BW von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nicht eingeschlossen wird, sondern gesondert zu erteilen ist.4 Demgegenüber soll die Konzentrationswirkung einer Planfeststellung auch die waldrechtliche Umwandlungsgenehmigung erfassen. 5 migungen, demzufolge eine Genehmigung zugleich die Feststellung der öffentlich-recht!. Zulässigkeit des Vorhabens beinhaltet. Zur Kritik vgl. Abschn. 5.1.2.2 . 3 Dementsprechend ist die von einer unzuständigen Behörde abgegebene Zusicherung nicht bloß als rechtswidrig, sondern sogar als unwirksam anzusehen (arg. ex § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG: "von der zuständigen Behörde erteilte" ). Vgl. nur Kopp, VwVfG, § 38, Rn. 13 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 38 Rn. 20. 4 Die Frage wird allerdings bislang - soweit ersichtlich - in der Kommentarliteratur nicht erörtert. Doch geht z.B. auch das OVG Berlin, Urt. v. 2.5.1977, NJW 1977, 2283, wie zuvor bereits das VG Berlin, Urt. v. 14.12.1976, DVB11977, 353, stillschweigend davon aus, daß die immissionsschutzrechtl. Genehmigung (im betreffenden Fall für die Feuerungsanlage eines geplanten Kraftwerkes im Spandauer Forst) die Rodungsgenehmigung nicht einschließt, da sonst schon wegen der "Sperrwirkung" des § 13 BlmSchG eine isolierte Erteilung der Rodungsgenehmigung unzulässig gewesen wäre. 5 Vgl. Nr. 28 Abs. 2 Teilstr. 10 PlafeR v. 16.8.1976 (VkB11976, 564); Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, Nr. 28 PlafeR, Rn. 50.

4.1. Entscheidungskonzentration

167

Gegen eine Einbeziehung bloßer Vorbereitungsmaßnahmen spricht, daß in der Vorbereitungsphase häufig noch gar kein "Errichtungswille" des Vorhabenträgers bezüglich einer bestimmten Anlage vorliegt oder daß die geplante Anlage noch nicht genau genug feststeht, um eine sichere Bestimmung der zuständigen Konzentrationsbehörde zu erlauben. 6 Im Interesse der Zuständigkeitsklarheit sind daher bloße Vorbereitungsmaßnahmen zumindest bei § 13 BimSchG von der Konzentrationswirkung auszunehmen_ Eine generelle, d_h_ für alle Konzentrationsvorschriften gleichermaßen geltende Abgrenzung der Konzentrationswirkung im "Vorfeld" der eigentlichen Vorhabenverwirklichung wird sich jedoch kaum finden lassen. So erscheint z.B. die Einbeziehung der Waldumwandlungsgenehmigung in eine fernstraßenrechtliche Planfeststellung durchaus sinnvolL Nach Erteilung der Genehmigung im konzentrierten Genehmigungsverfahren stellen sich Fragen der "Nachwirkung" der Konzentration, die noch weitgehend ungeklärt sind. Konzentrationsvorschriften ordnen zwar in der Regel die Konzentrationswirkung nur hinsichtlich der Genehmigungsentscheidung selbst an. Doch kann sich eine Nachwirkung aus dem allgemeinen Grundsatz ergeben, daß derjenigen Behörde, die für die Erteilung einer Genehmigung zuständig ist, auch die Kompetenz zu deren Zurücknahme bzw. Abänderung zukommt. 7 In diesem Zusammenhang ist bedeutsam, daß sich Genehmigungen zur Errichtung einer Anlage meist zugleich auch auf deren Betrieb bzw_ deren Nutzung beziehen, so daß eine solche Genehmigung nicht schon mit der Fertigstellung der Anlage erledigt ist. 8 Enthält daher eine spätere Entscheidung eine vollständige oder teilweise Zurücknahme einer konzentrierten Genehmigung, dann ist auch hierfür die Konzentrationsbehörde zuständig. 9 Fraglich ist dann aber, nach welcher Ermächtigungsgrundlage die Konzentrationsbehörde die Genehmigung zurücknehmen bzw. einschränken kann, da für die ersetzten Genehmigungsbereiche durchaus abweichende Regelungen gelten können. M.E. hat die Konzentrationsbehörde auch insoweit das

6 Zumal die immissionsschutzrechtl. Genehmigungszuständigkeiten meist je nach der Art der Anlage auf verschiedene Behörden verteilt sind, vgl. die übersieht bei Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 89 ff. 7 Dieser Grundsatz wird auch in den §§ 48 Abs. 5 , 49 Abs. 4 und 51 Abs. 4 VwVfG vorausgesetzt. Vgl. nur Kopp, VwVfG, § 48 Rn. 100 f.; Stelkens (Fn. 3), § 48 Rn. 53. 8 Dies gilt namentlich für die .,Vollgenehmigungen" nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BlmSchG und § 7 Abs. 1 AtG sowie für die Baugenehmigung, die sich auch auf die Nutzung bezieht, vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1971, NJW 1971, 1475 (1477); Urt. v. 15.11.1974, DVB11975, 498; Urt. v. 27.5 .1983, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 31, S. 4; OVG Lüneburg, Beschi. v. 29.12.1981, NVwZ 1982, 256 (261); Beschl. v. 9.11.1982, DVBI 1983, 185; OVG Koblenz, Urt. v. 19.8.1981, NVwZ 1982, 122. 9 Vgl. Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 10; ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkungvon Genehmigungen, S. 58 ff. Vgl. auch § 14 Abs. 4 u . 5 WHG (dazu Absehn. 4.2.); Fickert in ZfW 1984, 193 (207) sowie§ 16 a Abs. 1 Nr. 2 des Entw. für ein bad-württ. Gesetz zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten (LT-Drucks. 8/ 3035, S. 25, 26- s. Anh. 2 -).

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

für die ersetzten Genehmigungen geltende Recht zu beachten. 10 Dazu gehören nicht nur die fachgesetzlichen Vorschriften zur Rücknahme bzw. zum Widerruf von Genehmigungen, 11 sondern auch solche über nachträgliche Auflagen und Anordnungen 12 sowie über Betriebs- und Nutzungsuntersagungen, 13 da auch derartige Maßnahmen eine Ergänzung, Abänderung oder Aufhebung der Genehmigung voraussetzen oder der Sache nach bewirken. 14 Will daher z.B. die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde aus Gründen der Bausicherheit Änderungen an einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage durchsetzen, dann muß sie die rechtlichen Maßstäbe, unter denen eine Einschränkung der erteilten Genehmigung zulässig ist, der Landesbauordnung entnehmen. 15 Demgegenüber gehen spezialgesetzliche Befugnisse zu nachträglichen Anordnungen oder Betriebsuntersagungen nicht infolge der Konzentrationswirkung auf die Konzentrationsbehörde über, da derartige Verfügungen die erteilte Genehmigung in ihrem rechtlichen Bestand unangetastet lassen. So kann etwa im Eingangsbeispiel der Autoverwertungsanlage die Wasserbehörde den weiteren Betrieb der Anlage wegen der damit verbundenen Grundwassergefährdung gemäߧ 82 Abs. 3 WG BW untersagen, obgleich die Anlage abwasserrechtlich bzw. immissionsschutzrechtlich genehmigt ist, und zwar unabhängig davon, ob die Anlagengenehmigung bzw. Planfeststellung die wasserrechtliche Erlaubnis ersetzt oder nicht. 16 Die Wasserbehörde hat dann allerdings die materiellrechtliche "Legalisierungswirkung" der erteilten Genehmigung zu beachten, was letztlich auf die Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung bzw. Einschränkung der Genehmigung hinausläuft. 17 Als Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß die Entscheidungskonzentration bei der Genehmigung einer Anlage nicht ohne weiteres zu einer Konzentration der Eingriffsbefugnisse gegenüber der genehmigten Anlage führt: Zwar

10 A .A. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 58 ff., 66, der bei der Aufhebung der Genehmigung und bei der nachträglichen Beifügung von Nebenbestimmungen nur dasjenige Recht anwenden will, das für die mit der Konzentrationswirkung ausgestattete Genehmigung gilt. 11 Vgl. z.B. § 21 BlmSchG, § 17 Abs. 2 bis 5 i.V.m. § 18 AtG, §§ 7 Abs. 1 , 12 WHG, § 15 GastG. 12 Vgl. z.B. § 17 BlmSchG; § 17 Abs. 1 Satz 3 AtG; §§ 5, 10 Abs. 2 WHG; § 8 Abs. 1 Satz 3 AbfG; § 5 GastG; §59 Abs. 9, 75 LBO BW; § 69 Abs. 9 MBO '81. 13 Vgl. z.B. §§ 25, 51 GewO; §§ 20,25 BlmSchG; § 64 Satz 2 LBO BW; §§ 1, 3 PolG BW (hierzu BVerwG, Urt. v. 2.12.1977, E 55, 118 f.). 14 Allerdings setzt ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen eine genehmigte Tätigkeit nicht unbedingt eine Zurücknahme der betreffenden Genehmigung voraus (dazu sogleich im Text). Vgl. Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 101 ff. 15 Vgl. §§59 Abs. 9, 75 LBO BW, § 69 Abs. 9 MBO '81. 16 Vgl. bereits Fn. 14. Auch eine etwa erteilte wasserrechtl. Erlaubnis nach § 7 WHG müßte theoretisch nicht widerrufen werden. 17 Vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.1977, E 55, 118 (121 f.) und dazujarass in DÖV 1978, 409; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 101 ff.

4.1. Entscheidungskonzentration

169

ist die Konzentrationsbehörde für eine nachträgliche Aufhebung, Abänderung und Ergänzung der Genehmigung zuständig, wobei sie die für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften über nachträgliche Entscheidungen beachten muß. Für selbständige Anordnungen und Untersagungen bleiben dagegen die jeweiligen Fachbehörden zuständig, die wiederum bei ihren Entscheidungen die "Legalisierungswirkung" der Genehmigung berücksichtigen müssen. Da die von der Konzentrationsbehörde und die von der Fachbehörde zu treffenden Maßnahmen oft dem gleichen Zweck dienen und funktional weitgehend äquivalent sind (z.B. Zurücknahme der Genehmigung einerseits und Betriebsuntersagung andererseits), ergeben sich bei nachträglichen Entscheidungen in aller Regel "parallele" Zuständigkeiten. Will der Betreiber einer Anlage, die im konzentrierten Genehmigungsverfahren genehmigt worden ist, nach deren Fertigstellung selbst Veränderungen vornehmen, dann sind diese nicht in jedem Fall von der Konzentrationsbehörde zu genehmigen. Es ist vielmehr zu differenzieren: Handelt es sich z.B. um eine wesentliche Anderung der Beschaffenheit oder des Betriebs ei· ner immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage, dann ist hierfür eine immissionsschutzrechtliche Anderungsgenehmigung gern. § 15 BlmSchG erforderlich, 18 die von der Konzentrationsbehörde zu erteilen ist und eine erforderliche Baugenehmigung gern. § 13 BlmSchG einschließt. Handelt es sich dagegen um eine Anderung, die immissionsschutzrechtlich als unwesentlich zu qualifizieren ist, so entfällt zwar die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht, doch bleibt zu prüfen, ob für das Änderungsvorhaben eine Baugenehmigung oder sonstige Genehmigung erforderlich ist. Die immissionsschutzrechtliche Konzentrationswirkung greift also nur dann ein, wenn die Anderung selbst der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs· pflicht unterliegt.l 9 Entsprechendes gilt bei einer späteren Stillegung oder Beseitigung der Anlage durch den Vorhabenträger. 20 Der Abbruch von Anlagen bedarf regelmäßig einer Baugenehmigung (vgl. §51 Abs. 1 LBO BW). Schließlich ist noch hervorzuheben, daß sich die Uberwachungszuständigkeit nicht automatisch nach der Genehmigungszuständigkeit richtet. Dementsprechend bleiben die Überwachungszuständigkeiten der jeweiligen Fach-

18 Eine spezielle Änderungsgenehmigung für .,wesentliche" Änderungen ist z.B. auch in § 7 Abs. 1 AtG vorgesehen. Vgl. auch Änderungsplanfeststellungen, z.B. nach § 17 Abs. 1 u. 2 FStrG, § 7 Abs. 2 Nr. 1 AbfG, § 14 Abs. 1 WaStrG, § 28 Abs. 1 u. 2 PBefG, § 45 e Abs. 1 WG BW. 19 Ebenso Teil III Nr. 2.1. der nordrh.-westf. VerwVorschr. zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG v. 21.11.1975 (MB!. NW 1975, S. 2216). Ähnlich auch Nr. 35 Abs. 2 PlafeR v. 16.8.1976 (VkBl 1976, 564) hinsichtlich der Änderung von Anlagen, die Gegenstand eines fernstraßenrechtl. Planfeststellungsbeschlusses waren, sofern keine Änderungsplanfeststellung erforderlich ist. Unklar Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 58 f. 20 Eine Genehmigungspflicht für die Stillegung ist z.B. in § 7 Abs. 3 AtG für Kern· kraftwerke vorgesehen.

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

behörden sowohl während der Errichtungsphase als auch während der Betriebsphase des Vorhabens von der genehmigungsrechtlichen Entscheidungskonzentration unberührt, 21 sofern nicht eine besondere gesetzliche Regelung etwas anderes bestimmt. 22 Auch bei einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage bleibt daher die Baubehörde in baurechtlicher Hinsicht zur Bauüberwachung und Bauabnahme zuständig. 23 4.1.3. Maßgeblichkeit der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften Wenn eine Genehmigung andere Genehmigungen ersetzt bzw. einschließt, stellt sich die Frage, ob dadurch auch die für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften materiellrechtlicher oder organisations- und verfahrensrechtlicher Art verdrängt werden. 4.1.3.1. Maßgeblichkeit des "sekundären" materiellen Rechts

Wenn man von Planfeststellungsverfahren absieht, so ist man sich weitgehend darüber einig, daß in konzentrierten Genehmigungsverfahren auch diejenigen materiellrechtlichen Vorschriften anzuwenden sind, die für die ersetzten Genehmigungen gelten. 1 So hat z.B. die Genehmigungsbehörde im immissionsschutzrechtlichen Verfahren auch zu prüfen, ob das Vorhaben den bauordnungsrechtlichen und bauplanungsrechtlichen Anforderungen entspricht. Die Konzentrationsbehörde hat also nicht nur die Einhaltung der "primären" fachgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen, sondern auch die "sekundären", in anderen Fachgesetzen (z.B. im Bundesbaugesetz und in der Landesbauord21 Vgl. im einzelnen Wohlrabe, GewArch 1982, 223 ff. (ihm folgend auch Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 10). Auch in verwaltungspolitischer Hinsicht spricht manches für eine Trennung von Genehmigungs- und Überwachungszuständigkeiten, vgl. Damkowski, in: Die Verwaltung 1981,219 (240). 22 So war z.B. in § 16 a Abs. 1 Nr. 3 des Entw. für ein bad.-württ. Gesetz zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten (Fn. 9) eine Zuständigkeit der Konzentrationsbehörde zur Überwachung der Ausführung des Vorhabens vorgesehen, soweit nicht eine technische Fachbehörde zuständig ist. 23 In diesem Sinne auch Teil I Nr. 10.4. Satz 3 Buchst. b, Nr. 13.4. nordrh.-westf. VerwVorschr. zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG (Fn. 19). Ebenso wird in § 50 Abs. 3 Satz 3 LBO BW ausdrücklich klargestellt, daß die Bauüberwachung und die Bauabnahme trotz der in Abs. 3 Satz 1 angeordneten Entscheidungskonzentration der Baurechtsbehörde obliegt. 1 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 54ff.; ders., BlmSchG, § 13 Rn. 8; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 9; Henseler in DVBl 1982, 390 (394); Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2789); Sauter/Imig/Kiess/ Hornung, LBO BW, § 51 Rn. 26; Nr. 7.1. bad.-württ. VerwVorschr. zum BlmSchG v. 19.1.1978 (GABI. S. 249).

4.1. Entscheidungskonzentration

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nung) normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen, wenn diese Prüfung sonst in einem parallelen Verfahren (z.B. im Baugenehmigungsverfahren) erfolgen würde, das infolge der Konzentrationswirkung entfällt. Konzentrationsvorschriften führen somit zu keiner Änderung der materiellen Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorhabens. Die in den verschiedenen Fachgesetzen enthaltenen materiellrechtlichen Vorschriften sind vielmehr im konzentrierten Genehmigungsverfahren kumulativ anzuwenden. Durch die Entscheidungskonzentration wird also keine materiellrechtliche Privilegierung bestimmter Vorhaben bewirkt, sondern lediglich eine Integration der verschiedenen materiellen Prüfungsgesichtspunkte im konzentrierten Genehmigungsverfahren. Diese Bindung der Konzentrationsbehörde an das sekundäre materielle Recht wird allerdings dadurch relativiert, daß kraft der Konzentrationswirkung grundsätzlich auch die Dispensbefugnis auf die Konzentrationsbehörde übergeht. 2 Da in den meisten Fachgesetzen die Möglichkeit vorgesehen ist, im Einzelfall eine Ausnahme von an sich zwingenden materiellen Vorschriften zu bewilligen, kann sich folglich auch die Konzentrationsbehörde über fachgesetzliche Bestimmungen hinwegsetzen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Dispenses gegeben sind. Die Maßgeblichkeit des sekundären materiellen Rechts ergibt sich meistens schon aus fachgesetzlichen Offnungsklauseln, die das gesamte öffentliche Recht zum Prüfungsmaßstab erheben. Was z.B. § 13 BlmSchG betrifft, so folgt die Anwendbarkeit der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften aus § 6 Nr. 2 BimSchG, wonach Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung ist, daß "andere öffentlich-rechtliche Vorschriften" der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. 3 Bei anderen Genehmigungsvorbehalten heißt es, daß die Genehmigung zu versagen ist, wenn das Vorhaben das "Wohl der Allgemeinheit" oder "öffentliche Interessen" beeinträchtigt (vgl. z.B. § 6 WHG, § 8 Abs. 3 Nr. 1 AbfG, § 11 Nr. 10 BBergG). Diese Gemeinwohlklauseln führen im Ergebnis ebenfalls zur Anwendbarkeit des sekundären materiellen Rechts, da das "Wohl der Allgemeinheit" sektoral durch die verschiedenen fachgesetzlichen Vorschriften konkretisiert wird. 4

2 Vgl. BGH, Urt. v. 4.5.1959, DVBl 1959, 814 (815); Feldbaus, BlmSchG, § 13 Rn. 4 ; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn . 9; Jarass, BimSchG, § 13 Rn. 3; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 194; Sauter/Imig/Kiess/Hornung, LBO BW, §51 Rn. 34; Nr. 7.1. bad.·württ. VerwVorschr. v. 19.1.1978 (Fn. 1) sowie zu§§ 16ff. GewO a.F. bereits Baltz, Preuß. Baupolizeirecht, S. 33 f. 3 Vgl. nur Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 8. Vgl. außerdem z.B. § 17 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 SprengG; § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW. 4 Vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1978, E 55, 220 (229) m. Anm. Stortz in ZfW 1979, 47 (48 f.); VGH Mannheim, Urt. v. 19.7.1979, ZfW 1980, 309 (310), zu§ 6 WHG sowie VG Freiburg, Urt. v. 10.10.1984 - Uranbergwerk Menzenschwand - , ET 1985, 189f. zu § 12 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 11 Nr. 10 BBergG.

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

Es gibt jedoch Fälle, in denen keine öffnungsklausein eingreifen. 5 Die Maßgeblichkeit des sekundären materiellen Rechts könnte man hier damit begründen, daß die bestehenden Öffnungsklauseln lediglich Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sind, der sich auf den Grundsatz der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung zurückführen läßt (Art. 20 Abs. 3 GG) . Verwaltungsbehörden sind an Gesetz und Recht gebunden; dementsprechend haben sie über das von ihnen zu vollziehende Fachgesetz hinaus grundsätzlich das gesamte öffentliche Recht zu beachten. 6 Dieser Grundsatz wird z.B. auch in § 14 AtVN vorausgesetzt, wenn es dort zur Klarstellung heißt, daß sich die Prüfung durch die Genehmigungsbehörde außer auf die Genehmigungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 2 AtG auch auf die Beachtung der übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erstreckt. 7 Außerdem ergibt sich die Maßgeblichkeit des sekundären materiellen Rechts bereits unmittelbar aus den Konzentrationsvorschriften selbst. Zwar ist diese Rechtsfolge nur in wenigen Konzentrationsvorschriften ausdrücklich festgelegt (z.B. in§ 8 Abs. 2 Satz 2 AtG), 8 doch führt eine teleologische Auslegung der übrigen Konzentrationsvorschriften zum gleichen Ergebnis :9 Sinn und Zweck der Konzentration ist es nämlich, das Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren ganz oder teilweise zu vermeiden und die parallelen Genehmigungsbereiche in einem konzentrierten Genehmigungsverfahren zu integrieren. Dies dient namentlich der Verfahrensvereinfachung und der besseren Koordination verschiedener Zulässigkeitsgesichtspunkte. Dagegen fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, daß mit der Konzentration über die Zusammenfassung der parallelen Zuständigkeiten, Verfahren und Entscheidungen hinaus eine materiellrechtliche Privilegierung bestimmter Vorhaben bezweckt ist. Es wäre in der Tat nicht einzusehen, wenn eine Konzentrationsvorschrift ohne weiteres dazu führen würde, daß die in anderen Fachgesetzen s Z.B. bei Genehmigungen, die in den auf Grund von § 24 GewO erlassenen Rechtsverordnungen enthalten sind (z.B. § 10 DampfkV) und gern. § 50 Abs. 3 LBO BW (entspr. § 61 Abs. 2 MBO '81) die Baugenehmigung einschließen. Auch hier geht man selbst· verständlich davon aus, daß z.B. bei Erteilung der Dampfkesselerlaubnis auch die Einhaltung der baurechtl. Vorschriften zu prüfen ist. (Vgl. nur Sauter/Imig/Kiess/Hornung, LBO BW, §51 Rn. 28). 6 So grundsätzlich auch BVerwG, Urt. v. 16.1.1968, E 29, 52 (58) zur Polizeipflichtigkeit der hoheitlichen Verwaltung (allerdings mit einem Abwägungsvorbehalt). 7 Dieser Vorschrift kann nur klarstellende Bedeutung zukommen, da die Verordnungsermächtigung in § 7 Abs. 4 Satz 3 AtG nur Verfahrensregelungen deckt, nicht jedoch die Normierung zusätzlicher Genehmigungsvoraussetzungen. 8 Vgl. außerdem § 63 Abs. 3 Satz 2 NatSchG BW und dazu VG Freiburg, Urt. v. 10.10. 1984 (Fn. 4), S. 190f. Der Entw. der BReg. für ein Erstes Rechtshereinigungsgesetz sah sogar in einem neuen Abs. 2 des § 13 BlmSchG eine klarstellende Regelung vor, wonach die immissionsschutzrechtl. Genehmigung " nach· Maßgabe der Vorschriften für die einge· schlosseneo Entscheidungen" zu erteilen ist (vgl. BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5.1985, S. 14, 26, 30, 33 f.- jeweils zu Art. 35 -). 9 Sofern Konzentrationsvorschriften anordnen, daß eine Genehmigung eine andere "einschließt", deutet bereits der Wortlaut auf d ie Maßgeblichkeit des sekundären mate· riellen Rechts hin.

4.1. Entscheidungskonzentration

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enthaltenen Regelungen zum Schutz bestimmter Rechtsgüter auf einmal nicht mehr gelten sollten, ohne daß wenigstens in dem für das konzentrierte Genehmigungsverfahren "primär" geltenden Gesetz ersatzweise Regelungen zum Schutz dieser Rechtsgüter enthalten wären. 10 Bei planfeststellungsrechth"chen Konzentrationsvorschriften war die Frage der Maßgeblichkeit des sekundären materiellen Rechts dagegen lange Zeit umstritten. Zwar war auch insofern anerkannt, daß Planfeststellungsbehörden das für die ersetzten Genehmigungen geltende materielle Recht grundsätzlich "berücksichtigen" mußten. 11 Offen blieb jedoch, ob dies eine strikte Bindung bedeutete oder nur eine Pflicht der Planfeststellungsbehörde, aus anderen Fachgesetzen "externe Planungsleitsätze" zu übernehmen und die dort geschützten Belange in die planerische Abwägung einzustellen. 12 Planfeststellungsvorbehalte enthalten zugleich eine materielle Ermächtigung der Planfeststellungsbehörde zur Fachplanung. Zentrales Element dieser Ermächtigung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Einräumung von Planungsermessen und damit die Gewährleistung einer planerischen Gestaltungsfreiheit. 13 Diese Gestaltungsfreiheit findet ihre Grenzen in den Planungsleitsätzen 14 sowie im Abwägungsgebot, das sich aus dem "Wesen der rechtsstaatliehen Planung" ergibt. 15 Die in anderen Fachgesetzen speziell geregelten Belange sind also zumindest im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Zweifelhaft war dagegen, ob sich die Planfeststellungsbehörde im Rahmen der Abwägung über materielle Anforderungen in anderen Fachgesetzen auch dann hinwegsetzen kann, wenn nach den betreffenden Fachgesetzen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Dispenses nicht gegeben sind. Einige neuere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts dürften nunmehr Klarheit geschaffen haben: Auch die Planfeststellungsbehörde darf sich 10 Laubinger in VerwArch 1986, 77 (90) weist treffend darauf hin, daß Konzentrationsvorschriften keine Dispensationsermächtigung enthalten. 11 Vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.1967, E 27, 253 (255f.); Urt. v. 28.6. 1968, BayVBI 1969, 61 (62); Urt. v. 14.2.1969, E 31, 263 (271); Urt. v. 7.9.1979, E 58,281 (288 f.); Urt. v. 4.6.1982, E 65, 346; Beschl. v. 23.3.1984, DVBI1984, 638; Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 6; Bank, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 12; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3.1.2.; Braunfv. Rotberg, LVwVfG BW, § 75 Rn. 1 b ; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 31 Rn. 66; Bender in NVwZ 1984, 9; Korbmacher in DÖV 1978, 589 (594); Knöpfle, in: Festschrift Maunz, S. 187 (198f.); Gassner in NuR 1982,81 (83 f.); Jarass (Fn. 1), S. 53, 55 f. sowie ausführlich Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfernstraßengesetz, S. 74 ff. 12 Für eine derart eingeschränkte Bindung z.B. Meyer/Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 13, § 75 Rn. 2; Fickert, Planfeststellun~ für den Straßenbau, Er!. Nr. 28 PlafeR, Rn. 8 ff., 13; ders. in ZfW 1984, 193 (205 f., 208). Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 14.2.1975, E 48, 56 (59, 61 ff.); Urt. v. 7.7.1978 -Startbahn West-, E 56, 110 (115 ff.). 13 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 7.7 .1978 (Fn. 12), S. 116. 14 Vgl. BVerwG, Urt. v. 7.7.1978 (Fn. 12), S. 122; Koda!, Straßenrecht, S. 755, sowie z.B. §§ 1 bis 3 BNatSchG; § 8 Nr. 1 i.V.m. § 1 Nr. 1 BWaldG. 15 Vgl. BVerwG, Urt. v. 7. 7.1978 (Fn. 12), S. 122 ff.; Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 17, 21.

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

über zwingendes materielles Recht nicht hinwegsetzen. Insbesondere in seinem Urteil v. 22.3.1985 16 hat das Gericht im Hinblick auf eine fernstraßenrechtliche Planfeststellung den Standpunkt als überholt bezeichnet, das sekundäre materielle Recht sei nicht nach seinem Geltungsanspruch, sondern nur als Abwägungsmaterial zu beachten. Weder das Abwägungsgebot noch die Konzentrationswirkung entbinde die Planfeststellungsbehörde von der Beachtung aller für das Vorhaben einschlägigen rechtlichen Regelungen. 17 Für diese Auffassung spricht, daß die Verwaltung auch dann, wenn ihr zur "Gemeinwohlfindung" im Planungsprozeß ein Spielraum eingeräumt ist, von den Wertentscheidungen des Gesetzgebers ausgehen muß, die auch in anderen Fachgesetzen enthalten sind, und sich nicht ohne besondere Ermächtigung darüber hinwegsetzen darf. Auch der in § 38 BBauG/BauGB angeordnete "Vorrang der Fachplanung" vor der Bauleitplanung rechtfertigt es nicht, andere fachgesetzliche Anforderungen an planfeststellungsbedürftige Vorhaben zur Disposition der Planfeststellungsbehörde zu stellen. Eine Abweichung von an sich zwingenden "fachfremden" Anforderungen an das Vorhaben wird man der Planfeststellungsbehörde vielmehr nur dann zugestehen können, wenn entweder die Voraussetzungen für einen Dispens vorliegen oder wenn es zu Regelungs- bzw. Wertungswidersprüchen kommt, wie z.B. dann, wenn Vorschriften "fachfremder" Gesetze den "facheigenen" Planungsleitsätzen widersprechen. 18 Im übrigen gilt nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Privilegierung nach § 38 BBauG auch für solche Vorhaben, die keiner Planfeststellung, sondern nur einer einfachen (Plan-)Genehmigung nach den genannten Fachgesetzen bedürfen. 19 Dies bedeutet, daß etwa in dem einführenden Fallbeispiel des Autoverwertungsbetriebs die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach den§§ 29 ff. BBauG/BauGB, sondern nur im Rahmen des abfallrechtlichen Genehmigungsverfahrens am Maßstab des § 2 Abs. 1 Nr. 5 AbfG zu beurteilen ist. 16 E 71, 163 (164) = DVBI 1985, 899 (900). Dazu Laubinger in VerwArch 1986,77 (86 ff.) und Gaentzsch in NJW 1986,2787 (2789). 17 In früheren Entscheidungen hatte das Gericht diese strikte Bindung zunächst nur bei .,privatnützigen" Planfeststellungen angenommen (vgl. Urt. v. 10.2.1978 - Naßauskiesung - , E 55 , 220 (227 ff., 230); Urt. v. 9.11.1984 - Autowrackplatz - , E 70,242 (244) = UPR 1985, 64), was es nahelegte, daß die Bindung bei .,gemeinnützigen" Planfeststellungen unter dem Vorbehalt der Abwägung kollidierender öffentlicher Interessen stehen sollte (vgl. Urt. v. 23.3.1984, DVBl 1984, 638 sowie Bender in NVwZ 1984, 9). 18 Ähnlich Kopp, VwVfG, § 74 Rn . 18 ff.;Jarass (Fn. 1), S. 55 f. Auch der bad.-württ. Landesgesetzgeber ging offenbar in § 16 Abs. 2 NatSchG BW davon aus, daß in Planfeststellungsverfahren auch die naturschutzrechtl. Vorschriften anzuwenden sind. Dort heißt es: .,Die Naturschutzbehörde oder die Planfeststellungsbehörde kann im überwiegenden öffentlichen Interesse oder aus sonstigen wichtigen Gründen Ausnahmen zulassen, soweit für Schutzgebiete keine besonderen Vorschriften gelten." 19 Vgl. BVerwG, Urt. v. 9.11.1984, UPR 1985, 64 f. ; Urt. v. 21.2.1986, UPR 1986, 269 (270); VGH Kassel, Urt. v. 4 .2.1985, UPR 1985, 304; Schäfer in NVwZ 1985,383 (386f.). Dieser Auffassung hat sich der Gesetzgeber in§ 38 BauGB offenbar angeschlossen.

4.1. Entscheidungskonzentration

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4.1.3.2. Maßgeblichkeit des "sekundären" Organisationsund Verfahrensrechts Geht man von dem Zweck der Konzentrationsvorschriften aus, an die Stelle mehrerer paralleler Genehmigungsverfahren ein einziges konzentriertes Genehmigungsverfahren zu setzen, dann würde es einer solchen Vereinheitlichung des Verfahrens zuwiderlaufen, wenn die Konzentrationsbehörde für die "ersetzten" Genehmigungsbereiche, über die sie mitentscheidet, jeweils die dafür geltenden Verfahrensvorschriften anwenden müßte. Das konzentrierte Genehmigungsverfahren ist daher nicht in verschiedene sektorale Verfahrensteile aufzuspalten, für die jeweils unterschiedliche Verfahrensvorschriften gelten. 1 Vielmehr ist das gesamte Verfahren grundsätzlich nach denjenigen Verfahrensvorschriften durchzuführen, die für das mit der Konzentrationswirkung ausgestattete Verfahren gelten. Dementsprechend geht bei Planfeststellungen die h.M. davon aus, daß die Verfahrensvorschriften der miterledigten Genehmigungsbereiche grundsätzlich keine Anwendung finden. 2 Dies läßt sich damit rechtfertigen, daß Planfeststellungsverfahren - spätestens seit lnkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder- förmlich ausgestaltet und mit einer erweiterten Behörden- und Bürgerbeteiligung verbunden sind. Was die Förmlichkeit des Verfahrens und die Behörden- und Bürgerbeteiligung betrifft, sind Planfeststellungsverfahren sonstigen Genehmigungsverfahren in der Regel weit überlegen, so daß 'insofern kein Bedürfnis mehr für die Anwendung der besonderen Verfahrensvorschriften besteht, die für die ersetzten Genehmigungsverfahren gelten. 3 Anders ist es dagegen hinsichtlich solcher Verfahrensvorschriften, für die in Planfeststellungsverfahren kein funktioneller Ersatz vorgesehen ist. So gibt I Sonst liefe die Entscheidungskonzentration letztlich auf eine bloße Zuständigkeitsbündelung hinaus. 2 Vgl. Bonk, in; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 75 Rn. 14; Meyer/Borgs, VwVfG, § 75 Rn. 2; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3.1.3.; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 204; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 31 Rn. 66; Knöpfle, in: Festschrift Maunz, S. 18 7 (198); Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswir· kung von Genehmigungen, S. 53; Laubinger in VerwArch 1986, 77 (88). A.A.: Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 12; Korbmacher in DOV 1978, 589 (594); differenzierend: Bender in NVwZ 1984, 9 (11 ff.) zu § 14 WHG und wohl auch Fickert in ZfW 1984, 193 (205). Vor Inkrafttreten der §§ 72 ff. VwVfG hatte allerdings auch das BVerwG noch die Maßgeblichkeit des sekundären materiellen und formellen Rechts angenommen, vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.1967, E 37,253 (256). Diese Entscheidung erging zur Planfeststellungnach § 7 TelWegG v. 18.12.1899; bis zum Inkrafttreten der§§ 72 ff. VwVfG fehlten für diese Planfeststellung zeitgemäße Verfahrensvorschriften. In späteren Entscheidungen hat das Gericht dagegen nur noch die Notwendigkeit der Beachtung der sachlich-recht!. Vorschriften erwähnt, vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 10.2.1978, E 55, 220 (230); Urt. v. 7.9. 1979, E 58,281 (288 f.); Urt. v. 4.6.1982 , E 65,346 (350). 3 Zweifelhaft erscheint allerdings, ob die (öffentliche) Bekanntmachung (vgl. § 73 Abs. 5 VwVfG) der (persönlichen) Angrenzerbenachrichtigung (vgl. § 56 LBO BW, § 68 MBO '81) gleichwertig ist. Vgl. aber Sauter/Imig/Kiess/Hornung, LBO BW, § 51 Rn. 21, 26.

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

es etwa im Baurecht detaillierte Regelungen über Art, Inhalt und Beschaffenheit der Bauvorlagen, die mit dem Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung einzureichen sind. 4 Wenn nun ein planfeststellungsbedürftiges Vorhaben u.a. aus Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen besteht, dann wäre es kaum sachgerecht, wenn der im Planfeststellungsverfahren vorzulegende Plan hinter diesen formellen baurechtliehen Anforderungen zurückbleiben dürfte. 5 Die EG-Richtlinie v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten wird allerdings in Zukunft zu einer weiteren Vereinheitlichung der Antragsunterlagen führen, die bei umweltrelevanten Vorhaben vorzulegen sind. 6 Ein Bedürfnis zur Anwendung einzelner Vorschriften des sekundären Organisations- und Verfahrensrechts besteht erst recht bei solchen konzentrierten Genehmigungsverfahren, die nicht in ihrer förmlichen Ausgestaltung Planfeststellungsverfahren angenähert sind. 7 Auch die Konzentrationswirkung nach § 13 BlmSchG kommt nicht nur den im förmlichen Verfahren nach § 10 BlmSchG ergehenden Genehmigungen zu, sondern nach der Neufassung des § 19 Abs. 2 BlmSchG auch den im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG zu erteilenden Genehmigungen. Es ist daher eine differenzierende Lösung zu treffen: Soweit für das konzentrierte Genehmigungsverfahren gleichwertige oder sogar weitergehende Verfahrensregelungen bestehen, sind sekundäre Verfahrensvorschriften nicht anzuwenden.8 Im übrigen bleibt es aber bei der Maßgeblichkeit des sekundären Verfahrensrechts. 9 Insbesondere solche verfahrensrechtlichen Sicherungen, die aus rechtsstaatliehen Gründen für einzelne Genehmigungsverfahren vorgesehen sind, dürfen auch in konzentrierten Genehmigungsverfahren nicht

4 Vgl. §§ 53 Abs. 2, 72 Abs. 1 Nr. 4 LBO BW und dazu die BauVorlVO BW v. 2.4. 1984 (GBI. S. 262). Vgl. auch § 100 Abs. 2 WG BW mit der dazugehörigen VO über Anträge nach dem WG v. 13.12.1962 (GBI. 1963, S. 7) sowie§ 4 der 9. BimSchV und§ 3 AtVfV. s Vgl. auch Bender in NVwZ 1984, 9 (11 f.) zu§ 14 WHG. Auch bei§ 13 BlmSchG geht man davon aus, daß die Antragsunterlagen den in der BauVorlVO normierten Anforderungen genügen müssen (vgl. Teil I Nr. 3, 3.2. nordrh.-westf. VerwVorschr. zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG v. 21.11.1975 (MBI. S. 2216) . Einschränkend Sauter/Imig/Kiess/Hornung, LBO BW, §51 Rn. 21, 26 , 35. 6 Vgl. Art. 5 i.V.m. Anh. III UVP-Richtlinie, ABI. EG 1985, Nr. L 175/40- siehe Anh. - . 7 Vgl. Jarass (Fn. 2), S. 56 f.; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 116; ders., BlmSchG, § 13 Nr. 8; Stich/Porger, BimSchG, § 13 Rn. 10; Engelhardt, BlmSchG, § 13 Rn. 9; Schlez, LBO BW, § 92 Rn. 13, 17. Vgl. auch bereits Fn. 5 zu den Bauvorlagen. 8 A.A. Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 10; Engelhardt, BlmSchG, § 13 Rn. 9; Schlez, LBO BW, § 92 Rn. 13, 17, die offenbar sekundäre Verfahrensvorschriften generell für beachtlich halten. Der Grundsatz der Verfahrensvereinheitlichung kommt z.B. auch in§ 2 der 4. BlmSchV zum Ausdruck. 9 Ähnlich Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 8, der darauf abstellt, ob im immissionsschutzrecht!. Genehmigungsverfahren ein " funktionelles Pendant" für sekundäre Verfahrensvorschriften vorhanden ist.

4.1. Entscheidungskonzentration

177

überspielt werden. Dieses Ergebnis läßt sich auf alle konzentrierten Genehmigungsverfahren übertragen, sofern nicht ausnahmsweise besondere Regelungen über die Fortgeltung des sekundären Rechts bestehen. 10 Nichts anderes gilt für organisations- und verfahrensrechtliche Mitwirkungsvorbehalte zugunsten dritter Behörden, von denen die Erteilung der ersetzten Genehmigung abhängt. Wenn also für ersetzte Genehmigungen die Zustimmung einer anderen Behörde vorgeschrieben ist, muß dies in der Regel auch für das konzentrierte Genehmigungsverfahren gelten. 11 Ein solcher Fall ist etwa dann gegeben, wenn die Baugenehmigung die denkmalschutzrechtliche Genehmigung ersetzt (vgl. § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW), welche grundsätzlich nur im Einvernehmen mit dem Landesdenkmalamt erteilt werden darf (vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 DenkmalSchG BW). 12 Da zur Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung die "untere Baurechtsbehörde" und damit die gleiche Behörde zuständig ist wie zur Erteilung der Baugenehmigung, 13 wäre es völlig unverständlich, wenn das Einvernehmenserfordernis durch die Konzentration entfallen sollte. 14 Aber auch dann, wenn z.B. eine Baugenehmigung gern. § 36 BBauG/ BauGB an das Einvernehmen der Gemeinde oder an die Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde gebunden ist, gilt dieses Einvernehmens- bzw. Zustimmungserfordernis auch für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren , wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung die Baugenehmigung einschließt (so ausdrücklich § 36 Abs. 1 Satz 2 BBauG/ BauGB). 15 Was immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren betrifft, läßt sich die Maßgeblichkeit sekundärer Zustimmungserfordernisse bereits daraus herleiten, daß § 13 BlmSchG Zustimmungen generell von der 10 Eine Differenzierung nach dem jeweiligen Wortlaut der Konzentrationsvorschrift, insbesondere danach, ob eine Genehmigung eine andere ,.ersetzt" oder ,.einschließt" (wobei letztere Formulierung einen Hinweis auf die Maßgeblichkeil des sekundären Rechts enthält), ist dagegen abzulehnen. Zur Kritik an einem derartigen formalistischen und begriffsjuristischen Vorgehen vgl. auch Bender in NVwZ 1984, 9, 11 (zu den unterschiedlichen Formulierungen der planfeststellungsrechtl. Konzentrationsvorschriften). 11 Vgl. Jarass (Fn. 2), S. 57; Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 47 f.; Schrödter in DVBl 1977, 772; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 10 ; Engelhardt, BimSchG, § 13 Rn. 9; tne/Laubinger, BimSchG, § 13 Rn. 2; Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 192. 12 Vgl. im einzelnen Abschn. 6.4.2. 13 Vgl. §§ 3 Abs. 1 Nr. 3, 7 Abs. 4 Satz 1 DenkmalSchG BW. 14 Dieses bezieht sich dann alierdings nur auf die denkmalschutzrechtl. Gesichtspunkte. 15 Diese explizite Regelung war notwendig geworden, nachdem das BVerwG in einem vielfach kritisierten Urteil die gegenteilige Ansicht vertreten hatte (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.2.1977, DVBl 1977, 770 mit Anm. Schrödter in DVBl 1977, 772). Das Gericht hat in diesem Urteil die Anwendung des § 36 BBauG im immissionsschutzrechtl. Genehmigungsverfahren abgelehnt, wobei es überhaupt nur eine ,.analoge" Anwendung des § 36 BBauG in Betracht gezogen und dabei offenbar ganz übersehen hat, daß § 36 BBauG möglicherweise schon auf Grund der Konzentrationswirkung des § 13 BimSchG als sekundäres Verfahrensrecht Anwendung findet.

12 Wagner

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4. Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung

Konzentrationswirkung ausnimmt. Dabei kann es grundsätzlich keinen Unterschied machen, ob sich das Zustimmungserfordernis direkt auf die immissionsschutzrechtliche Genehmigung bezieht oder auf eine Genehmigung, die von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eingeschlossen wird. 16 Schließlich ist noch ein Sonderproblem anzusprechen, das entsteht, wenn im "sekundären" Recht ebenfalls eine Konzentrationsvorschrift vorhanden ist. So ersetzt beispielsweise die atomrechtliche Genehmigung gern. § 8 Abs. 1 Satz 1 AtG die Genehmigung nach § 4 BlmSchG. Letztere ersetzt wiederum gern. § 13 BlmSchG sonstige Genehmigungen, allerdings nicht solche nach atomrechtlichen Vorschriften. Es bestehen keine Bedenken, § 13 BlmSchG auch innerhalb des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens insoweit anzuwenden, als die atomrechtliche Genehmigung die immissionsschutzrechtliche ersetzt. 17 Es kommt dann zu einer mittelbaren Konzentration bzw. zu einer "Konzentrationskette". Problematisch wird es hingegen, wenn mehrere Konzentrationsvorschriften zusammentreffen, die nicht "gleichgerichtet" bzw. aufeinander abgestimmt sind. Hier helfen auch die Grundsätze über die differenzierte Fortgeltung des sekundären Organisations- und Verfahrensrechts nicht weiter. Vielmehr muß der Normkonflikt im jeweiligen Fall gelöst werden. 18

4.1.4. Beteiligung der für die ersetzten Genehmigungen zuständigen Behörden In zahlreichen Vorschriften ist vorgesehen, daß Genehmigungs- bzw. Flanfeststellungsbehörden andere Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich durch das zu genehmigende Vorhaben berührt wird, am Verfahren beteiligen müssen (z.B. § 73 Abs. 2 VwVfG, § 10 Abs. 5 BlmSchG, § 7 Abs. 4 Satz 1 AtG, § 55 Abs. 1 Satz 2 LBO BW). 1 • Dieses zwischenbehördliche Mitbeteiligungsverfahren entspricht einem allgemeinen Verwaltungsgrundsatz: Entscheidungsbefugte Stellen haben andere Verwaltungseinheiten, deren Aufgabengebiet durch den Entscheidungsgegenstand berührt wird, am Entscheidungsprozeß zu beteiligen. 2 Zu den Behörden, deren Aufgabengebiet berührt

16 Vgl. nur Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 7 f. Diese Gleichstellung drängt sich vor allem dann auf, wenn bindende Mitwirkungsvorbehalte - wie in § 36 BBauG/BauGB - der Wahrung der gemeindlichen Planungshoheit dienen (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG). 17 Vgl. Jarass (Fn. 2), S. 43. 18 Vgl. auchjarass in DOV 1978,21 (25 r. Sp.). 1 Vgl. auch Art. 6 Abs. 1 UVP-Richtlinie. 2 Vgl. z.B. Nr. 73 DienstO BW v. 13.1.1976 (GAB!. S. 193); 2. Teil, CI 2 c bad.-württ. Leitlinien für die Führung und Zusammenarbeit v. 30.10.1979 (GAB!. 1980, S. 97);

4.1. Entscheidungskonzentration

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wird, zählen namentlich die "verdrängten" Genehmigungsbehörden, deren Genehmigungszuständigkeit infolge der Konzentrationswirkung entfällt. Die Beteiligung besteht jedoch grundsätzlich nur darin, daß die Genehmigungsbehörde die anderen Stellen informiert und deren Stellungnahme einholt. Inhaltlich ist sie an deren Stellungnahme nicht gebunden; sie muß sie lediglich zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen. 3 Diese Form der Mitbeteiligung ohne Bindungswirkung wird als "Anhörung" oder als "Ins-Benehmen-setzen" bezeichnet.4 Während sich manche Konzentrationsvorschriften ausdrücklich mit dem "Benehmen" zwischen der Konzentrationsbehörde und den "verdrängten" Behörden begnügen (z.B. § 50 Abs. 3 Satz 2 LBO BW), sehen eine Reihe anderer Konzentrationsvorschriften darüber hinaus eine bindende Form der Mitbeteiligung vor, indem sie die "Zustimmung" oder das "Einvernehmen" der ursprünglich parallel zuständigen Genehmigungsbehörden vorschreiben (z.B. § 8 Abs. 2 Satz 2 AtG). 5 Es stellt sich daher die Frage, welche Mindestform der Beteiligung einzuhalten ist, wenn es an einer ausdrücklichen Regelung in der Konzentrationsvorschrift fehlt. Diese Frage ist derzeit namentlich bei § 13 BlmSchG umstritten. 6 Ein im Mai 1985 im Bundestag eingebrachter Gesetzentwurf der Bundesregierung sah in einem neu anzufügenden Abs. 2 des § 13 BlmSchG vor, daß die Konzentrationsbehörde die Entscheidung über die Genehmigung im Einvernehmen mit den für die eingeschlossenen Entscheidungen zuständigen Behörden zu treffen hat. 7 Diese zur Klarstellung gedachte Regelung sollte sicherstellen, daß die Konzentrationswirkung nicht zu einer Einbuße an Rechtsklarheit und fachlicher Verantwortung führt. 8 Der Bundesrat hat Wipfler, Leitfaden- der Verwaltungslehre, S. 158 f.; Kühler, Organisation und Führung in Behörden, Bd. 1, Rn. 257 ff.; Mayer, in: Morstein Marx, Die Verwaltung, S. 298 ff. 3 Vgl. BVerwG, 'Jrt. v. 14.2.1969, E 31,263 (266). 4 Vgl. allgernein zu den verschiedenen Formen der Mitbeteiligung Badura, in: Erichsen/Martens, Allgerneines Verwaltungsrecht, § 40 111, S. 348 ff.; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II, § 77 V, S. 118 ff.; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, s. 322 ff. S V gl. außerdem z.B. § 9 Abs. 2 und 5 FStrG, § 15 Abs. 2 LuftVG, § 7 Abs. 3 DenkrnalSchG BW, § 41 NatSchG BW, § 24 Abs. 2-4, 6 StrG BW, § 34 Abs. 1 LWaldG BW. 6 Eine bloße Anhörung lassen genügen: Feldbaus, BlrnSchG, § 10 Rn. 13; Ule/Laubinger, BirnSchG, § 13 Rn. 2; Sauter/Irnig/Kiess/Hornung, LBO BW, § 51 Rn. 34. Für ein Einvernehmens- bzw. Zustimmungsrecht der verdrängten Genehmigungsbehörden dagegen: Engelhardt, BlrnSchG, Bd. 1, § 13 Rn. 9; Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 9. - Auch in Teil I Nr. 7.4.3 nordrh.·westf. VerwVorschr. zum Genehmigungsverfahren nach dem Blrn· SchG vorn 21.11.1975 (MB!. S. 2216) ist das Einvernehmen zwischen Konzentrationsbehörde und verdrängter Baugenehmigungsbehörde vorgeschrieben. Selbstverständlich bleibt es der Verwaltung unbenommen, verwaltungsintern ein Einvernehmen vorzuschreiben, auch wo gesetzlich nur ein Benehmen vorgesehen ist. 7 Vgl. BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5.1985, Art. 35, S. 14, 26, 30, 33 f. (Vgl. auch bereits Abschn. 2.1.3). 8 Ebd., S. 26. 12*

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

sich jedoch gegen eine solche Einvernehmensverpflichtung ausgesprochen, weil sie dem Beschleunigungszweck der Konzentration zuwiderlaufe.9 Was § 13 BlmSchG betrifft, ergibt sich die Notwendigkeit einer Zustimmung der "verdrängten" Genehmigungsbehörden allerdings schon indirekt aus der derzeit gültigen Fassung dieser Vorschrift. Wie bereits ausgeführt, klammert § 13 BlmSchG "Zustimmungen" anderer Behörden generell von der Konzentrationswirkung aus. 10 Wenn aber verwaltungsinterne Zustimmungsvorbehalte bestehen bleiben, dann stünde es damit nicht im Einklang, wenn parallele Genehmigungszuständigkeiten ersatzlos entfielen, ohne daß sie sich wenigstens in interne Zustimmungsvorbehalte gegenüber der Konzentrationsbehörde umwandelten. 11 Verwaltungsinterne Zustimmungsbefugnisse stellen nämlich - organisationsrechtlich gesehen - ein Minus gegenüber Außenentscheidungsbefugnissen dar. Zu welch befremdlichen Ergebnissen es führen müßte, wenn die Konzentrationsbehörde zwar an bloße Zustimmungsvorbehalte gebunden bliebe, aber andererseits nicht die Zustimmung verdrängter Genehmigungsbehörden einholen müßte, läßt sich etwa im Verhältnis von § 13 BlmSchG zu § 9 FStrG aufzeigen: 12 Gemäß § 9 Abs. 2 FStrG bedarf die Genehmigung baulicher Anlagen in der Nähe von Bundesfernstraßen der Zustimmung der Straßenbaubehörde. Bauliche Anlagen, die darüber hinaus gegen das Anbauverbot in § 9 Abs. 1 FStrG verstoßen, bedürfen dagegen einer Ausnahmebewilligung der Straßenbaubehörde gern. § 9 Abs. 8 FStrG. Es wäre nun in der Tat widersprüchlich, wenn die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbehörde bei einem Vorhaben i.S.d. § 9 Abs. 2 FStrG an die Zustimmung der Straßenbaubehörde gebunden wäre, während sie umgekehrt bei einem straßenrechtlich viel gravierenderen Vorhaben i.S.d. § 9 Abs. 1 FStrG die fernstraßenrechtliche Dispensbefugnis gern. § 13 BlmSchG selbst ausüben dürfte, ohne dabei an die Zustimmung der Straßenbaubehörde gebunden zu sein. 13 In den übrigen Fällen, in denen weder ein explizites noch- wie bei§ 13 BlmSchG - ein implizites Einvernehmenserfordernis in der Konzentrationsvorschrift selbst enthalten ist, läßt sich dagegen ein Zustimmungsrecht der

Ebd., S. 30 (Ziff. 13). Vgl. Abschn. 4.1.3.2. a.E. 11 Ebenso Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 9; ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkungvon Genehmigungen, S. 64, Fn. 58; ders. in DOV 1978, 21 (26 r. Sp.). 12 Dazu Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 10. 13 Zum Obergang der Dispensbefugnis vgl. bereits Absch. 4.1.3.1. bei Fn. 2. Unabhängig von der Auslegung des § 13 BlmSchG läßt sich dieser Widerspruch allerdings auch dadurch ausräumen, daß man den "Zustimmungsvorbehalt" des § 9 Abs. 2 FStrG in dem "Ausnahmebewilligungsvorbehalt" in § 9 Abs. 8 FStrG mitenthalten sieht, mit der Folge, daß er wieder auflebt, wenn die Ausnalimebewilligung ersetzt wird. 9

10

4.1. Entscheidungskonzentration

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"verdrängten" Genehmigungsbehörden schwerlich begründen. 14 Grundsätzlich haben Verwaltungsbehörden ihre Entscheidungskompetenzen selbständig auszuüben. Auch aus Konzentrationsvorschriften läßt sich nicht ohne weiteres herleiten, daß eine "Restzuständigkeit" der verdrängten Genehmigungsbehörde in der Form des Zustimmungsrechts erhalten bleibt. Ein gewisser funktionaler Ausgleich für den Verlust der eigenen Entscheidungszuständigkeit besteht auch schon dann, wenn der verdrängten Genehmigungsbehörde ein Informations- und Anhörungsrecht zugestanden wird, auch wenn damit nur ein "beratender" und kein "bestimmender" Einfluß auf die Genehmigungsentscheidung gewährleistet ist. 15 4.1.5. Vielfalt der Konzentrationsregelungen Bislang wurden hauptsächlich Konzentrationsvorschriften behandelt, die anordnen, daß eine Genehmigung eine andere "ersetzt" 1 oder "einschließt" 2 oder die feststellen, daß neben einer bestimmten Genehmigung andere Genehmigungen "nicht erforderlich" sind. 3 Auch wenn in diesen Formulierungen möglicherweise unterschiedliche konstruktive Vorstellungen zum Ausdruck kommen, so sind derartige Konzentrationsvorschriften doch allemal auf die gleiche Rechtsfolge gerichtet: An die Stelle mehrerer paralleler Genehmigungsentscheidungen soll eine einheitliche und umfassende Entscheidung durch die Konzentrationsbehörde treten. Aus dem unterschiedlichen Wortlaut sind daher, auch was die Geltung des "sekundären" Rechts und die Vor- und Nachwirkung der Konzentration betrifft, keine unterschiedlichen Rechtsfolgen abzuleiten. 4 Ter-

14 Weitergehend dagegen Jarass in DOV 1978,21 (25, 26 r. Sp.); ders., Wirtschaftsver· waltungsrecht, S. 115 f. Entgegen der ganz h.M. hält Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 12; ders. in BayVB1 1973, 85 (88 f.) sogar in Planfeststellungsverfahren das Einvernehmen verdrängter Genehmigungsbehörden für erforderlich. Dem steht jedoch entgegen, daß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG Zustimmungen ausdrücklich in die Konzentration einbezieht, vgl. auch Fickert in ZfW 1984, 193 (207 f.). IS Dieses Ergebnis steht auch wertungsmäßig damit im Einklang, daß die Rechtsprechung den Gemeinden, deren Planungshoheit durch eine Planfeststellung betroffen wird, lediglich eine nicht-bindende Mitwirkung am Planfeststellungsverfahren zugesteht, vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.1969, E 31,263 (266); Urt. v. 7.7 .1978 - Startbahn West -, E 56,

110 (111). I Z.B. § 9 Abs. 1 Satz 1 LuftVG, § 21 Abs. I Satz 1 WaStrG, § 29 Abs. 1 Satz 1 PBefG, § 7 Abs. 3 AbfG, § 64 Abs. 1 Satz 1 WG BW, § 63 Abs. 3 Satz 1 NatSchG BW. 2 Z.B. § 13 BlmSchG, § 8 Abs. 2 AtG, § 17 Abs. 1 Satz 2 SprengG, §50 Abs. 3 Satz 1 LBO BW, § 34 Abs. 1 Satz 3 u. 4 LWaldG BW. 3 Z.B. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, § 41 Abs. 5 FlurbG, §§ 8 Abs. 6, 18 b FStrG, § 18 Abs. 1 Satz 2 StrG BW, §§ 44 Satz 1, 76 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 78 Abs. 1 Satz 2 WG BW, § 13 Abs. 3 Alt. 2 VLwF BW. Ähnlich: §§ 4 Satz 2, 8 Abs. 6 FStrG, § 12 Abs. 6 WaStrG, § 3 Abs. 2 Satz 2 StrlSchVO, §§ 24,41 Abs. 2 Nr. 2 LWaldG BW. 4 In diesem Sinne auch Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 54; Bender in NVwZ 1984, 9 f.; Schultz, Zuständigkeiten und Mitwir·

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4. Entscheidungskonzentration und Zuständigkeitsbündelung

minologisch soll hier die Bezeichnung als "Ersetzungswirkung" bevorzugt werden. 5 Ebensowenig macht es für die Rechtsfolge einen Unterschied, ob die Konzentrationsregelung bei derjenigen Genehmigung getroffen wird, die andere Genehmigungen ersetzen soll (sog. "dominante" Konzentrationsvorschriften, z.B. § 13 BimSchG, § 8 Abs. 2 AtG), oder bei derjenigen Genehmigung, die durch eine andere Genehmigung ersetzt werden soll (sog. "rezessive" Konzentrationsvorschriften, z.B. §50 Abs. 3 LBO BW, § 61 Abs. 2 MBO '81). 6 Leider hat der Gesetzgeber nicht immer diese "typischen" Regelungsmuster verwendet, wenn er ein Nebeneinander paralleler Genehmigungsverfahren vermeiden wollte. Es finden sich vielmehr noch eine ganze Reihe sonstiger Formulierungen und Konstruktionen, die ebenfalls auf eine Entscheidungskonzentration hinauslaufen. Nicht selten sind Genehmigungsvorbehalte für den Fall einer anderweitig erforderlichen Genehmigung als verwaltungsinterne Zustimmungsvorbehalte konstruiert, d.h. ein gesonderter Genehmigungsvorbehalt ist nur für den Fall vorgesehen, daß der Zustimmungsvorbehalt mangels einer (konzentrierten) Genehmigung ins Leere geht. 7 Diesen Weg einer "rezessiven" Konzentrationsregelung hat der Gesetzgeber namentlich dann gewählt, wenn er davon ausgehen konnte, daß normalerweise bereits ein anderer Genehmigungsvorbehalt eingreift. Zur Wahrung der fachgesetzlichen Belange erschien es ihm dann offenbar ausreichend, die Erteilung der anderen Genehmigung an die Zustimmung der betreffenden Fachbehörde zu binden. Nur für den Ausnahmefall, daß für ein Vorhaben keine Genehmigung nach anderen Vorschriften erforderlich ist, bedarf es noch eines "Auffanggenehmigungsvorbehalts". So heißt es z.B. in § 9 Abs. 5 FStrG, daß dann an die Stelle der Zustimmung die Genehmigung der zuständigen Straßenbehörde tritt. Ahn-

kungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 291. Differenzierend dagegen, was "Ersetzung" und "Einschließung" betrifft, z.B. Hansmann, in: 5. Deutsches AtomrechtsSymposium, S. 93 (97 f.), und was " Ersetzung" und "Nicht-Erforderlichkeit" betrifft, z.B. Meyer/Borgs, VwVfG, § 7 5 Rn. 2 und 4. Für eine einheitliche Auslegung spricht insbes., daß die genannten Begriffe von Bundes- und Landesgesetzgebern für Planfeststellungen nebeneinander verwendet werden (vgl. § 75 Abs. 1 VwVfG: "nicht erforderlich", § 21 WaStrG: "ersetzt",§ 36 BBahnG a.F.: "umfaßt", § 64 WG BW: "ersetzt"). s Dies entspricht der vorherrschenden Bezeichnung in der Literatur, vgl. Kopp, VwVfG, § 75 Rn. 3; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3.1.1.; Braun/v. Rotberg, LVwVfG BW, § 75 Anm. 1 b; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, Erl. Nr. 28 PlafeR Rn. 5, 11; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht 111, § 136 Rn. 29, S. 167, § 158 Rn. 24, S. 363;Jarass, BlmSchG, § 13 Rn. 3; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 204; Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 42 lll, S. 393 . Das BVerwG bevorzugt dagegen den Begriff der "Einheitswirkung", vgl. BVerwG, Urt. v. 29.6.1967, E 27, 253 (255); Urt. v. 14.2.1969, E 31, 263 (267 f.); Urt. v. 22.2.1980, NJW 1981, 239 (240). 6 Die Unterscheidung von dominanten und rezessiven Konzentrationsvorschriften geht aufjarass (Fn. 4), S. 50ff. zurück. 7 Vgl. auch Gaentzsch in NJW 1986,2787 (2789 bei Fn. 21).

4.1. Entscheidungskonzentration

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liehe Regelungen finden sich z.B. in§ 15 Abs. 2 Satz 3 LuftVG, § 24 Abs. 6 StrG BW und§ 41 Abs. 1 NatSchG BW.

Die Frage, wie die "verdrängte" Genehmigungsbehörde weiterhin am Genehmigungsverfahren zu beteiligen ist, wird z.B. auch in § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW in den Vordergrund gerückt: Dort ist vorgesehen, daß die Zustimmung der zuständigen Denkmalschutzbehörde an die Stelle der Genehmigung nach dem Denkmalschutzgesetz tritt, wenn ein Vorhaben nach anderen Vorschriften einer Genehmigung bedarf. 8 Im Verhältnis zu der in erster Linie in Betracht kommenden Baugenehmigung wird der Zustim· mungsvorbehalt allerdings dadurch entwertet, daß gern. § 55 Abs. 1 Satz 5 LBO BW (entspr. § 66 Abs. 1 Satz 1 MBO '81) die Zustimmung regelmäßig als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten unter Angabe der Gründe verweigert wird. 9 Daneben gibt es auch Zustimmungsvorbehalte, die auf einen "Auffang· genehmigungsvorbehalt" verzichten. Bekanntestes Beispiel ist § 36 BBauG/ BauGB. Der Bundesgesetzgeber hat auf ein eigenständiges bauplanungsrechtliches Genehmigungsverfahren verzichtet und in den §§ 29 ff. BBauG/ BauGB festgelegt, daß die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit im Rahmen des bauaufsichtliehen Verfahrens nach den Landesbauordnungen erfolgt. 10 Mit den bisher vorgestellten Regelungen ist die Vielfalt von Konzentrationsregelungen noch keinesw~gs erschöpft. 11 Die unterschiedlichen rechtlichen Konstruktionen und Formulierungen werfen immer wieder die Frage B Hierbei handelt es sich um eine umfassende .,rezessive" Konzentrationsvorschrift, nach der das denkmalschutzrechtl. Genehmigungsverfahren generell hinter anderen Genehmigungsverfahren zurücktritt. Ahnliehe Konzentrationsvorschriften finden sich auch in den Denkmalschutzgesetzen der anderen Bundesländer, vgl. die rechtsvergleichende übersieht bei Kummer, Denkmalschutzrecht als gestaltendes Baurecht, S. 121. 9 Bislang ist noch nicht abschließend geklärt, ob durch die Zustimmungsfiktion nur ein verfahrensmäßiges Hindernis ausgeräumt wird oder ob die Baugenehmigungsbehörde von der Prüfung der materie~·en denkmalschutzrechtl. Vorschriften befreit wird. Wegen der umfassenden Prüfungspflicht, die der Baugenehmigungsbehörde gern. § 59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW (entspr. § 69 Abs. 1 Satz 1 MBO '81) obliegt, wird man diese Regelung im erstgenannten Sinne als bloße Verfahrensvorschrift anzusehen haben. So wohl auch die Amt!. Begr. in LT:~rucks. 8/3410, S. 103 f. sowie Sauterflmig/Kiess/Hornung, LBO BW, §51 Rn. 15 zur Außerungsfrist nach § 55 Abs. 1 Satz 4 LBO BW, was m.E. erst recht für die Zustimmungsfrist nach Satz 5 gelten muß. Aber auch bei dieser Auslegung besteht die Gefahr, daß durch die Zustimmungsfiktion kraft Zeitablaufs die denkmalschutzrechd. Belange zu kurz kommen, insbesondere wenn die Denkmalschutzbehörden personell oder sachlich nur unzureichend ausgestattet sind. Es fragt sich, ob dadurch nicht die notorische Durchsetzungsschwäche der Denkmalschutzbehörden noch gesteigert und ein Vollzugsdefizit .,vorprogrammiert" wird. (Vgl. Kummer (Fn. 8), S. 123 u. passim, sowie im einzelnen Abschn. 6.4.2.) 10 Vgl. BVerwG, Urt. v. 7.2.1986, NVwZ 1986, 556; Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 29 Rn. 27; Semller in BBauBl 1968, 12 (13); Weyreuther in BauR 1972, 1 (7 f.). 11 Eine weitere Variante stellt§ 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG dar, wonach die immissionsschutzrechtl. Anlagengenehmigung als sprengstoffrechtl. Lagergenehmigung "gilt".

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

auf, ob dadurch unterschiedliche Konzentrationsfolgen ausgelöst werden. Auch bei einer "harmonisierenden" Auslegung lassen sich Divergenzen und Rechtsunsicherheiten nicht immer vermeiden. Schließlich ist noch auf Regelungen zu verweisen, die zwar nicht ausdrücklich an das Zusammentreffen mehrerer Genehmigungsvorbehalte anknüpfen, aber dennoch im praktischen Ergebnis zu einer Konzentration von Genehmigungen führen. Dazu gehören insbesondere Vorschriften, die näher umrissene Vorhaben von einer bestimmten Genehmigungspflicht freistellen. Bei näherer Betrachtung zeigt sich dabei nicht selten, daß auf eine präventive Kontrolle der freigestellten Vorhaben nicht schlechthin verzichtet werden sollte, sondern daß die Freistellung lediglich im Hinblick auf eine sich aus anderen Vorschriften bereits ergebende Genehmigungspflicht erfolgt ist. Die Freistellung beruht dann nicht auf sachlichen Besonderheiten der privilegierten Vorhaben, sondern allein auf dem Umstand, daß bereits ein anderer Genehmigungsvorbehalt einschlägig ist - ohne daß dies allerdings im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommt. So wurde z.B. durch Art. 1 des Änderungsgesetzes zum bad.-württ. Landesplanungsgesetz vom 6.5.1975 12 in dem neu eingefügten § 31 b -jetzt § 14 LplG BW - eine Genehmigungspflicht für Freileitungen über 30 KV geschaffen (Trassengenehmigung) , während zugleich durch Art. 2 die bad.-württ. Landesbauordnung in der Weise geändert wurde, daß Masten und Unterstützungen für Freileitungen von mehr als 30 KV von der Baugenehmigungspflicht freigestellt wurden. 13 Auch andere Freistellungen von der Baugenehmigungspflicht sind nur auf dem Hintergrund einer anderweitig bestehenden fachgesetzlichen Genehmigungsregelung verständlich. 14 Formal betrachtet handelt es sich bei derartigen Regelungen um keine Konzentrationsvorschriften, da das gesetzgeberische Motiv, parallele Genehmigungsverfahren zu vermeiden, sozusagen verdeckt bleibt. Da diese Regelungen jedoch den echten Konzentrationsregelungen weitgehend funktional äquivalent sind, erscheint ihre Einbeziehung sinnvoll. Ähnlich wie Konzentrationsvorschriften wirken sich schließlich auch Regelungen aus, nach denen bei bestimmten Vorhaben die öffentlichen Träger

GBI. S. 257. In § 89 Abs. 1 Nr. 19 LBO BW v. 20.6.1972 (GBI. S. 352) waren Energie- und Fernmeldeanlagen, ausgenommen Masten und Unterstützungen für Freileitungen von mehr als 30 KV Nennspannung, von der Baugenehmigung freigestellt. Diese Einschränkung wurde durch das genannte ÄndG aufgehoben. Vgl. nunmehr§ 52 Abs. 1 Nr. 13 LBO BW. 14 So z.B. die Freistellung von Kernkraftwerken, die der VGH Mannheim, Urt. v. 30.3. 1982 - KKW Wyhl - , DVBI. 1982,966 (Leits. 11) - dazu Nr. 1.8 (S. 86 f.) und Nr. 2.3. (S. 158) der schriftl. Entscheidungsgründe -aus § 89 Abs. 1 Nr. 19 LBO BW '72 hergeleitet hat. Dagegen zu Recht BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl -, E 72,300 = NVwZ 1986,208 (214f.). 12 13

4.2. Zuständigkeitsbündelung

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des Vorhabens selbst für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich sind und dementsprechend gesonderte Genehmigungen entfallen (vgl. z.B. § 4 Satz 2 FStrG, § 38 Satz 2 BBahnG, § 48 Satz 2 WaStrG). Sofern für die betreffenden Vorhaben ein Planfeststellungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 17 FStrG, § 36 BBahnG, §§ 9, 14 WaStrG), greift allerdings bereits die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses ein. Die vorgenannten Vorschriften werden jedoch dann bedeutsam, wenn - insbesondere bei Änderungen von unwesentlicher Bedeutung - von einem Planfeststellungsverfahren abgesehen werden kann und statt dessen nur eine "Plangenehrnigung" erteilt wird (vgl. § 17 Abs. 2 FStrG, § 36 Abs. 2 BBahnG, § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG).tS Obgleich die planfeststellungsrechtlichen Konzentrationsvorschriften auf bloße Plangenehmigungen keine Anwendung finden, kommt also bestimmten Plangenehmigungen im Ergebnis dennoch eine Konzentrationswirkung zu. 16

4.2. ZuständigkeitsbündeJung Bei der Zuständigkeitsbündelung werden mehrere Genehmigungszuständigkeiten bei ein und der gleichen Behörde zusammengefaßt, ohne daß die parallelen Verfahren zu einem einheitlichen Verfahren und die einzelnen Genehmigungsentscheidungen zu einer Gesamtentscheidung vereinigt werden. Bei dieser vorhabenbezogenen Bündelung von Zuständigkeiten erläßt also eine Behörde mehrere rechtlich selbständige Genehmigungsentscheidungen. Somit bleiben mehrere Verwaltungsakte nebeneinander erforderlich.1 Da bei dieser Art der "Konzentration" die Genehmigungszuständigkeiten, nicht jedoch die Genehmigungsentscheidungen zusammengefaßt werden, kann man insofern von einer "Zuständigkeitskonzentration" sprechen. 2 Der prinzipielle Unterschied zur Entscheidungskonzentration wird jedoch dadurch relativiert, daß auch bei einer bloßen Zuständigkeitsbündelung die parallelen Verfahren in der praktischen Durchführung miteinander ver-

15 Zur Plangenehmigung vgl. BVerwG, Urt. v. 8.10.1976, NJW 1977,2367 f. (zu§ 41 PBefG}; BVerwG, Urt. v. 15.1.1982, DVBI 1982, 359 (zu § 17 Abs. 2 FStrG) sowie bereits das Fallbeispiel des Autoverwertungsbetriebs. 16 Vgl. z.B. zu § 4 Satz 2 FStrG: Fickert (Fn. 5), Nr. 28 PlafeR, Rn. 34; Kodal, Straßenrecht, S. 933, 1074. I Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, s. 52 f. 2 So z.B. Sauter/Imig/Kiess/Hornung, LBO BW, §51 Rn. 25; Roth, in: Handbuch des deutschen Wasserrechts, § 14 WHG Rn. 2 sowie die Terminologie des bad.-württ. Entw. eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten (LT-Drucks. 8/3635, s. 24 ff.- s. Anh. -).

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

bunden 3 und die parallelen Entscheidungen in einem "Sammelbescheid" gebündelt werden können. 4 Es versteht sich von selbst, daß bei einer derartigen Verbindung für jedes der rechtlich gesonderten Genehmigungsverfahren die jeweils einschlägigen Verfahrensvorschriften einzuhalten sind. Die bloße Zuständigkeitsbündelung führt also noch zu keiner Verfahrensvereinheitlichung, sofern nicht ausnahmsweise eine solche ausdrücklich geregelt ist. 5 Allerdings enthalten Ver· fahrensvorschriften oft nur Mindestanforderungen, so daß sich die "Bündelungsbehörde" an den weitestgehenden Anforderungen orientieren kann, um eine gewisse Vereinheitlichung des Verfahrens zu erzielen. So kann sie etwa einen gemeinsamen Erörterungstermin für mehrere parallele Genehmigungs· verfahren durchführen, auch wenn für einzelne Verfahren eine einfache Anhörung gern. § 28 VwVfG genügt. 6 Bei der Bündelung paralleler Genehmigungsentscheidungen in einem "Sammelbescheid" ist ebenfalls zu beachten, daß es sich dabei um mehrere Verwaltungsakte im Rechtssinne handelt, die lediglich aus praktischen Grün· den in einer gemeinsamen Urkunde festgehalten und gleichzeitig bekanntgegeben werden. Da die parallelen Genehmigungsentscheidungen jeweils eigenen Regeln folgen und getrennt anfechtbar sind, müssen die parallelen Regelungen in dem Sammelbescheid deutlich voneinander abgehoben werden.7 Vorschriften zur Zuständigkeitsbündelung finden sich besonders im Landesrecht. So ist z.B. in § 13 Abs. 2 NatSchG BW vorgesehen, daß die Genehmigungsbehörde, die zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Abbaubzw. Abgrabungsgenehmigung nach § 13 Abs. 1 NatSchG BW zuständig ist, 3 Vgl. z.B. Bulling/Finkenbeiner, WG BW, § 98 Rn. 1. Eine getrennte Abwicklung ist auch dann rechtlich nicht erforderlich, wenn verschiedene Stellen innerhalb einer Be· hörde die Bearbeitung übernehmen. A.A. offenbar Schultz, Zuständigkeiten und Mitwir· kungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 209 f. Eine ausdrückliche Regelung der Verbindung von Verfahren besteht allerdings im Gegensatz zu den Prozeßordnungen (vgl. z.B. § 93 VwGO) im Verwaltungsverfahrensrecht nicht. 4 Vgl. z.B. Engelhardt, BimSchG, § 13 Rn. 6; Sauter/Imig/Kiess/Hornung (Fn. 2); Ziegler, WG BW, § 98 Rn. 11; Nr. 7.2.2. bad.-württ. VerwVorschr. :~:um BimSchG v. 19.1.1978 (GAB!. S. 249) und Nr. 1.2.3. Richtlinie für Fernleitungen zum Befördern gefährdender Flüssigkeiten v. 2.2.1982 (GAB!. BW 1982, S. 734). Vgl. außerdem§ 9 Abs. 1 Satz 4 Eisenbahnkreu:~:ungsG , wo die Verbindung :~:weier Genehmigungsentscheidungen (i.w.S.) sogar gesetzlich vorgeschrieben ist. s Vgl. z.B. § 102 hess. WG i.V.m. § 14 Abs. 1 WHG und dazu VGH Kassel, Beschl. v. 3.3.1982- Startbahn-West-, NVwZ 1982,263. 6 Im Ergebnis kommt dies der bei der Entscheidungskonzentration geltenden differenzierten Maßgeblichkeit des sekundären Verfahrensrechts recht nahe. 7 Vgl. BVerwG, Urt. v. 3.10.1975, DOV 1976, 97 (98); Schultz (Fn. 3), 5. 117. Es wird sich allerdings auch bei der Entscheidungskon:~:entration häufig empfehlen, im Genehmigungsbescheid die parallelen Genehmigungsbereiche auseinanderzuhalten, da auch hier für einzelne Genehmigungsbestandteile u.U. verschiedene Regeln gelten können, insbesondere insoweit, als die Nachwirkung der Konzentration beschränkt ist (vgl. bereits Abschn. 4 . 1.2.3.).

4.2. Zuständigkeitsbündelang

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auch etwaige weitere, nach anderen Vorschriften für das gleiche Vorhaben erforderliche Genehmigungen erteilt, sofern Bundesrecht nicht entgegensteht, und zwar im Benehmen mit den dafür an sich zuständigen Genehmigungsbehörden.8 In diesem Zusammenhang sei auch an den bad.-württ. Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten erinnert, in dem sogar eine abstrakt-generelle Zuständigkeitsbündelung bezüglich fast aller vorhabenbezogener Genehmigungen für den Bereich der Landesverwaltung vorgesehen war. 9 Mitunter finden sich Zuständigkeitsbündelungsvorschriften aber auch im Bundesrecht, z.B. in § 14 Abs. 1 und 2 und § 19 f Abs. 1 WHG. 10 Was § 14 Abs. 1 WHG betrifft, so weist diese Vorschrift die Besonderheit auf, daß sie gleichzeitig eine Ausnahme von dem planfeststellungsrechtlichen Grundsatz der Entscheidungskonzentration enthält: Wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen (vgl. § 2 WHG) werden von der Konzentrationswirkung einer Planfeststellung ausgenommen, doch wird die Zuständigkeit zu deren Erteilung auf die Planfeststellungsbehörde übertragen. Dies bedeutet, daß die Erlaubnis bzw. Bewilligung neben der Planfeststellung gesondert zu erteilen ist. Dabei ist die Planfeststellungsbehörde, sofern es sich nicht um eine Bundesbehörde handelt, an das Einvernehmen der zuständigen Wasserbehörde gebunden (§ 14 Abs. 3 WHG). Gerade diese Bestimmung hat dazu geführt, daß die Anwendung des § 14 Abs. 1 u. 3 WHG in der Verwaltungspraxis und in der Literatur heftig umstritten ist.U Insbesondere bei der fern~traßenrechtlichen Planfeststellung ( § 1 7 FStrG) wird es von seiten der Straßenbauverwaltungen offenbar als Ärgernis und Hemmnis empfunden, daß die Planfeststellungsbehörden an das Einvernehmen der Wasserbehörden gebunden sind, weil die letzteren angeblich an die Ableitung des Straßenoberflächenwassers nicht selten überzogene Anforderungen stellenY Auf diesem Hintergrund werden Versuche verständlich, die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 u. 3 WHG in Frage zu stellen. So soll diese Vorschrift gegen das Gebot der einheitlichen Planungsentscheidung bzw. gegen das rechtsstaatliche Abwägungsgebot verstoßen 13 und nach der lex posterior-Regd durch die jüngeren Konzentrationsvorschriften der §§ 18 b Abs. 1 FStrG, 26 Abs. 1 AbfG a.F. und § 75 Abs. 1 VwVfG derogiert worden sein. 14

8

Weitere Beispiele finden sich in§ 43 Abs. 5, § 45 e Abs. 2, § 98 Abs. 1 u. 2 WG BW,

§ 13 Abs. 2 Satz 3 BestattungsG BW.

Vgl. bereits Abschn. 2.1.3 a.E. sowie LT-Drucks. 8/3635- s. Anh. -. Vgl. auch § 9 Abs. 1 Satz 2 EisenbahnkreuzungsG. 11 Vgl. zuletzt Bender in NVwZ 1984, 9ff. und Fickert in ZfW 1984, 193ff.,jeweils rn.w.N. 12 So Fickert in ZfW 1984, 193 (194). 13 Vgl. ebd., S. 200, 202, 208. 9

10

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4. Entscheidungskonzentration und ZuständigkeitsbündeJung

Demgegenüber ist daran festzuhalten, daߧ 14 Abs. 1 u. 3 WHG eine Spezialregelung für den Bereich des Wasserrechts darstellt, mit der rechtlich eine erhöhte Absicherung der wasserwirtschaftliehen Interessen bezweckt ist. Nach der Lex specialis-Regel genießt § 14 WHG daher den Vorrang auch vor später erlassenen Konzentrationsvorschriften. Außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Konzentrationsregelung in § 75 Abs. 1 VwVfG nur subsidiär gilt. 15 Im übrigen belegen eine Reihe fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften, daß der Grundsatz der umfassenden Konzentrationswirkung der Planfeststellung sektorale Ausnahmen zuläßt (vgl. z.B. § 9 Abs. 1 Satz 3 LuftVG, § 9 Abs. 4 Nr. 3 AtG, § 29 Abs. 1 Satz 3 PBefG). De lege lata ist § 14 Abs. 1 u. 3 WHG daher weiterhin anzuwenden. 16 Bemerkenswert ist, daß der Zuständigkeitsbündelung gern. § 14 Abs. 4 u. 5 WHG auch eine beschränkte "Nachwirkung" zukommt. Danach entscheidet die Planfeststellungsbehörde bzw. Bergbehörde als "Bündelungsbehörde" auf Antrag der Wasserbehörde auch über eine spätere Beschränkung oder Rücknahme der von ihr erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung.17 Wasserrechtliche Zuständigkeitsbündelungsvorschriften führen aber nicht nur einerseits - wie im Falle des § 14 Abs. 1 WHG - zu einer Einschränkung einer anderweitig angeordneten Entscheidungskonzentration, sondern auch andererseits - in den meisten übrigen Fällen - zu einer Zuständigkeitsbündelung, wo sonst verschiedene Behörden zur Erteilung paralleler Genehmigungen zuständig wären: So sehen z.B. §§ 14 Abs. 2, 19 f Abs. 1 WHG und § 98 WG BW eine Zuständigkeitsbündelung im Verhältnis zu bergrechtlichen, gewerberechtlichen, immissionsschutzrechtlichen und 14

So Czychowski in ZfW 19 74, 208 (21 0 ff.) ; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG,

§ 14 Rn. 2 d; Sautter in ZfW 1974, 213 (222) mit abw. Begr.; Marschali/Schroeter/Kastner, FStrG, § 18 b Rn. 3.4.; Fickert, Planfeststellung für den Straßenbau, Nr. 28 PlafeR

Rn. 20-22; ders. in ZfW 1984, 193 (198 ff.). So offenbar auch VGH Mannheim, Urt. v. 19.7.1979, ZfW 1980,309 (310) für die wasserrechtl. Planfeststellung - trotz § 64 Abs. 1 Satz 2 WG BW (insoweit a.A. Bulling/Finkenbeiner, WG BW, § 64 Rn. 1). 15 Vgl. § 1 Abs. 2 BVwVfG, § 1 Abs. 1 LVwVfG BW. 16 So auch VGH Kassel, Beschl. v. 2.11.1981 -Startbahn-West-, NVwZ 1982, 452; Beschl. v. 3.3.1982 - ebenfalls Startbahn-West -, NVwZ 1982, 263; OVG Münster, Urt. v. 11.5.1979, ZfW 1980, 250 (251 f.) sowie Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 14 Rn. 2 ff., 13 ff.; Roth (Fn. 2), § 14 WHG Rn. 2; Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfemstraßengesetz, S. 27 f. Ebenso die klarstellenden Klauseln in § 21 Abs. 1 Satz 2 WaStrG und § 64 Abs. 1 Satz 2 WG BW. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 7.9.1979, DVBI. 1980, 292 (294); Koda!, Straßenrecht, S. 734; Bender in NVwZ 1984, 9 (10 ff.). 17 Ähnlich § 98 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 3 WG BW '76; ein neuer Gesetzentw. (LTDrucks. 9/2667 v. 5.2.1986, S. 21, 55) sieht die Streichung dieser Bestimmungen mit der Begründung vor, daß diese .,Nachwirkung" auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung eintrete. Weitergehend jedoch § 19 f Abs. 1 WHG, wo auch eine spätere Betriebsuntersagung in die ZuständigkeitsbündeJung einbezogen wird. Auch in dem bad.-württ. Entw. eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten war in § 16 a Abs. 1 Nr. 2 u. 3 LVG (neu) eine beschränkte Nachwirkung vorgesehen (vgl. LT-Drucks. 8/ 3635, S. 25 f. - s. Anh. -).

4.2. Zuständigkeitsbiindelung

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baurechtliehen Genehmigungsentscheidungen vor. 18 Meist wird dabei die Herstellung des Einvernehmens mit der Wasserbehörde vorgeschrieben. 19 Bislang wurden Zuständigkeitsbündelungsvorschriften behandelt, die ausdrücklich an das Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten anknüpfen und somit expressis verbis zu einer "vorhabenbezogenen" Zuständigkeitskonzentration führen. Daneben ist aber auch auf Zuständigkeitsregelungen hinzuweisen, die die Zuständigkeitsordnung von vornherein so gestalten, daß in vielen Fällen vermieden wird, daß parallele Genehmigungszuständigkeiten bei verschiedenen Behörden zu liegen kommen. Dies ist etwa der Fall, wenn Genehmigungszuständigkeiten für bedeutendere Vorhaben dem Regierungspräsidium als klassischer "Bündelungsbehörde" zu· gewiesen werden. 20 Auch ist z.B. nach der bad.-württ. Zuständigkeitsverordnung zum BimSchG das Landesbergamt, das u.a. über die Zulassung bergrechtlicher Betriebspläne zu befinden hat, auch zur Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für solche Anlagen zuständig, die der Bergaufsicht unterstehen.21 Derartige Zuständigkeitsfestlegungen, die mit Rücksicht auf etwaige parallele Genehmigungserfordernisse getroffen worden sind, sind "echten" Zuständigkeitsbündelungsvorschriften funktional weitgehend äquivalent. In Baden-Württemberg dürften quantitativ die meisten Genehmigungen von der allgemeinen unteren Verwaltungsbehörde zu erteilen sein. 22 Ist die gleiche Behörde (Landratsamt, kreisfreie Stadt) sowohl untere Verwaltungsbehörde als auch untere Baurechtsbehörde, ergibt sich quasi von al· !eine eine relativ weitgehende Zuständigkeitsbündelung. Diese Kongruenz von unterer Verwaltungsbehörde und Baurechtsbehörde ist in Stadtkreisen immer gegeben, nicht jedoch in Landkreisen. 23

Vgl. auch§ 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BlmSchGZuV BW a .F. Vgl. §§ 14 Abs. 3 Halbs. 1, 19 f Abs. 2 WHG; § 98 Abs. 1 Satz 2 WG BW ' 76. 2o Vgl. z.B. § 96 Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 Nr. 2 WG BW, § 1 Abs. 1 Nr. 2 BlmSchG· ZuV BW. Zur Biindelungsfunktion des Regierungspräsidiums vgl. Püttner, Verwaltungs· lehre, S. 100 ff.; Mayntz, Soziologie der öffentlichen Verwaltung, S. 104. 21 Vgl. § 7 BlmSchGZuV BW, § 55 BBergG, § 1 Abs. 1 BBergG·ZuV BW. 22 Vgl. § 13 LVG BW. 23 Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten ergibt sich bei Großen Kreisstädten und Ver· waltungsgemeinschaften (vgl. § 16 LVG BW) sowie bei kreisangehörigen Gemeinden mit eigener Baurechtszuständigkeit (vgl. § 48 Abs. 2 u. 3 LBO BW). 18

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5. Rechtsfragen paralleler Genehmigungsverfahren 5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur Die Situation paralleler Genehmigungsverfahren ist zum einen dadurch gekennzeichnet, daß für die Beurteilung der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeit eines einheitlichen Gesamtvorhabens mehrere Genehmigungsbehörden nebeneinander zuständig sind, zum anderen aber auch dadurch, daß zwischen den parallelen Genehmigungsbereichen zahlreiche Verflechtungen rechtlicher und faktischer Art bestehen. Bei der rechtlichen Zuordnung geht es daher darum, sowohl der Aufgliederung als auch der notwendigen Koordination des Verfahrenssystems Rechnung zu tragen. Hierfür sind in der Rechtsprechung und Literatur eine ganze Reihe unterschiedlicher Ansätze entwickelt worden, die im folgenden in systematisch geordneter Form dargestellt werden sollen. 1 Da es zwischen parallelen Genehmigungsverfahren häufig zu zeitlichen Verschiebungen kommt, können sich - ausgehend von einem bestimmten Genehmigungsverfahren - zwei verschiedene Situationen ergeben: erstens kann eine parallele Genehmigungsentscheidung noch ausstehen, zweitens kann sie bereits vorliegen. Im ersten Fall stellt sich die Frage, inwieweit der parallele Genehmigungsbereich vorweg zu berücksichtigen ist, im zweiten Fall dagegen die Frage, inwieweit die vorliegende Genehmigungsentscheidung bereits rechtsverbindliche Vorgaben enthält. In beiden Fällen geht es allerdings um zwei Seiten des gleichen Problems, nämlich um die rechtliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren. Die Frage, wie zu verfahren ist, wenn eine parallele Genehmigungsentscheidung noch aussteht, stellt letztlich nur die Kehrseite der Frage dar, wie vorzugehen ist, wenn eine parallele Genehmigungsentscheidung bereits vorliegt. Die rechtliche Bedeutung einer noch ausstehenden parallelen Genehmigung hängt nämlich von der Bedeutung der zuerst zu treffenden Genehmigung ab wie auch umgekehrt. So kann z.B. die Frage, wie weit die Bindungswirkung einer vorausgegangenen Genehmigung geht, nicht unabhängig davon beurteilt werden, wieweit parallele Genehmigungsbereiche Gegenstand jener Entscheidung waren. 1 Vgl. die Analyse der Rspr. bei Jarass in WiVerw 1984, 169 ff. sowie Gaentzsch in NJW 1986, 278 7 ff.

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

191

Die beiden Seiten der Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren werden allerdings in der Rechtsprechung und Literatur nicht immer als Einheit begriffen. Da sie außerdem unter verschiedenen rechtsdogmatischen Gesichtspunkten behandelt werden - nämlich einerseits unter dem Aspekt des Prüfungs- und Entscheidungsumfangs und andererseits unter dem Aspekt der Tatbestands-, Feststellungs- bzw. Bindungswirkung - empfiehlt es sich, beide Seiten zunächst einmal getrennt darzustellen.

5.1.1. Die Bedeutung noch ausstehender Genehmigungsentscheidungen

5.1.1.1. Sperrwzrkung ausstehender Genehmigungen Zum Verhältnis der Baugenehmigung zu einer noch ausstehenden waldrechtlichen Umwandlungsgenehmigung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 15.3.1967 ausgeführt: 1 "Soweit das angefochtene Urteil eine Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der Baugenehmigung ausgesprochen hat, die allerdings mit dem Vorbehalt einer etwa noch erforderlichen Umwandlungsgenehmigung nach dem (landesrechtlichen) Waldschutzgesetz verbunden ist, steht seine Entscheidung in Widerspruch zu dem rechtlichen Charakter der Baugenehmigung. Letztere bedeutet die Erklärung der Baubehörde, daß das Vorhaben mit dem (gesamten) im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden öffentlichen Recht übereinstimmt (. . . ). Das angefochtene Urteil hat aber nicht in Auslegung der Vorschriften des genannten Gesetzes die Unbedenklichkeit des Bauvorhabens des Klägers gegenüber diesem Gesetz rechtlich bejaht, sondern unter Berufung auf die Beschränkung des Klageantrages des Klägers ausdrücklich offengelassen. Dieses Verfahren wird der Bedeutung der Baugenehmigung nicht gerecht. Solange die nach § 3 des vorgenannten Landesgesetzes erforderliche Genehmigung nicht vorliegt, steht das Vorhaben unter dem im Waldschutzgesetz geschützten öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkt dem öffentlichen Recht entgegen. Dies schließt die Erteilung einer Baugenehmigung und die hier ausgesprochene Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde - auch unter Berücksichtigung des mit der Verpflichtung verbundenen V orbehalts- aus."

Die Baugeneh""ligungsbehörde hat bei Erteilung der Baugenehmigung die Vereinbarkeit des Vorhabens auch mit den sonstigen öffentlich-rechtlichen I BVerwG E 26, 287 (288 f.). Im Grundsatz ebenso : OVG Münster, Urt. v. 31.1.1978, BRS 33 Nr. 73 S. 163;VGH Kassel, Urt. v. 4.2.1985, UPR 1985, 304; Schrödter, BBauG, § 36 Rn. 1; Rößler, LBO NRW, § 88 Anm. 1; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 503; Ernst, in: Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Rn. 905 , 923; Ortloff, in: Finkelnburg/Ortloff, öffentliches Baurecht, S. 248; Baumanns, Verfahrensrecht und Praxis der Bauaufsicht, Rn. 272; Schultz, Zuständigkeiten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 37 ff., 118; Begründungsausschuß der Musterbaukommission, in: Schriftenreihe des Bundesministers für Wohnungsbau, Bd. 18, S. 129 f. Ähnlich BVerwG, Urt. v. 20.10.1978, DVBI 1979, 622 (623); Renseier in DVBI 1982, 390 (393) für das Verhältnis zu einer naturschutzrechtl. Befreiung. Anders dagegen BVerwG, Urt. v. 18.2.1983, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 197, S. 62; Urt. v. 19.4. 1985, NVwZ 1986, 203, wo dieses verfahrensrechtl. Problem als Frage des Landesrechts ausdrücklich ausgeklammert wurde. Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.1.1981, BauR 1981, 267 f.

192

5. Parallele Genehmigungsverfahren

Vorschriften nachzuprüfen (vgl. §59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW, § 69 Abs. 1 MBO '81). Im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander kann man das so verstehen, daß parallele Genehmigungsvorbehalte dem Vorhaben so lange entgegenstehen, bis die erforderlichen parallelen Genehmigungen erteilt worden sind. 2 Die Baugenehmigungsbehörde hat dann also nicht selbst zu prüfen, ob die Voraussetzung für die Erteilung paralleler Genehmigungen erfüllt sind, sondern sie wartet die Entscheidung der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden ab. Dies steht im Einklang mit der gesetzlichen Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten. 3 Schwierig wird es allerdings, wenn mehrere Genehmigungsvorbehalte zusammentreffen, die mit "Offnungsklauseln" versehen sind. Dies ist bei den allermeisten Genehmigungsvorbehalten der Fall, so auch bei der waldrechtlichen Umwandlungsgenehmigung (§ 9 Abs. 2 LWaldG BW),4 wo es auf die "öffentlichen Interessen" an der Erhaltung des Waldes ankommt und im übrigen die "Belange der Allgemeinheit" zu berücksichtigen sind. Strenggenommen dürfte daher - wenn man von dem genannten Grundsatz ausgeht auch die waldrechtliche Umwandlungsgenehmigung nicht vor der Baugenehmigung erteilt werden, denn es kann nicht im Interesse der Allgemeinheit liegen, daß ein Wald zum Zwecke der Bebauung gerodet wird, obgleich die Zulässigkeit der geplanten Bebauung noch gar nicht festgestellt ist. 5 Konsequenterweise müßte man daher zu dem Ergebnis kommen, daß weder die Baugenehmigung vor der Umwandlungsgenehmigung noch die Umwandlungsgenehmigungvor der Baugenehmigung erteilt werden darf, so daß bloß noch eine gleichzeitige Erteilung als Ausweg bliebe. 6 Diese Konsequenz wird man jedoch vermeiden. Eine strikte Gleichzeitigkeit der Erteilung paralleler Genehmigungen wäre in vielen Fällen unpraktikabel. Schon innerhalb einzelner Genehmigungsverfahren wird dem praktischen Bedürfnis nach einer zeitlichen Stufung durch das allgemein anerkannte Rechtsinstitut der Teilgenehmigung Rechnung getragen. Es wäre völlig unverständlich, wenn eine solche zeitliche Stufung nicht auch im Verhältnis paralleler Genehmigungen zueinander zulässig sein sollte.

2 Dagegen wird man nicht verlangen können, daß die parallelen Genehmigungen bestandskräftig geworden sind. Vgl. Schwerdtfeger in JuS 1981, 365 (368); a.A.: Rößler (Fn. 1), § 88 Anm. 1; Begründungsausschuß der Musterbaukommission (Fn. 1), S. 130. 3 Teilweise hat der Gesetzgeber diese Lösung auch ausdrücklich vorgesehen. V gl. § § 8 7 Abs. 1 Satz 2, 89 Abs. 2 schl.-holst. LBO, § 96 Abs. 5 rh.-pfälz. LBO; § 133 Abs. 1 Satz 3 BBergG. 4 Entspr. § 9 Abs. 1 BWaldG. 5 Vgl. VG Berlin, Urt. v. 14.12.1976, DVB11977, 353 (354 , 357 f.); OVG Berlin, Urt. v. 2.5.1977 - Spandauer Forst - , NJW 1977, 2283 ff. 6 Nach Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 16 b sollen Baugenehmigung und Rodungserlaubnis gleichzeitig in einem Sammelbescheid erteilt werden.

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

193

Es bleibt die Möglichkeit, den vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Grundsatz lediglich für die Baugenehmigung gelten zu lassen. Dies ließe sich möglicherweise damit begründen, daß die Erteilung der Baugenehmigung nicht nur eine umfassende Zulässigkeitsprüfung voraussetzt, sondern daß sie gerade die Feststellung beinhaltet, daß dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen. 7 Das Baugenehmigungsverfahren wäre dann das erst nach der Durchführung paralleler Verfahren zum Abschluß zu bringende "krönende Verfahren". 8 Es soll hier noch nicht auf die Frage eingegangen serden, ob die Baugenehmigung neben ihrem verfügenden Teil - dem Aufheben der Verbotsschranke - noch einen feststellenden Teil enthält und welche rechtliche Bedeutung einer solchen "F eststellungswirkung" zukommt. Jedenfalls müßte es schwerfallen, eine solche "Feststellungswirkung" lediglich der Baugenehmigung vorzubehalten und nicht auch auf sonstige Kontrollerlaubnisse zu übertragen. 9 Aber auch wenn man die Beschränkung auf die Baugenehmigung beibehält, bedarf es weiterer Einschränkungen. Es ist nämlich allgemein anerkannt, daß bei Erteilung der Baugenehmigung auch die Zulässigkeit der bestimmungsmäßigen Nutzung der baulichen Anlage zu prüfen ist. 10 Gleichwohl kann es nicht angehen, die Erteilung einer Baugenehmigung davon abhängig zu machen, daß bereits die Genehmigung für die spätere Nutzung bzw. für den späteren Betrieb der baulichen Anlage vorliegt. Es hätte keinen Sinn, bereits Jahre vor Fertigstellung und Inbetriebnahme einer Anlage die genauen Modalitäten des Betriebs festzulegen und die Zuverlässigkeit des Betreibcrs zu prüfen, der in diesem Zeitpunkt vielfach noch gar nicht feststeht. Der Ansatz des Bundesverwaltungsgerichts eignet sich daher nicht dazu, eine rechtliche Zuordnung der Baugenehmigung zu solchen Genehmigungen vorzunehmen, die erst an einer späteren Verwirklichungsstufe des Vorhabens ansetzen, wie z.B. die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung im Fall der nuklearen Entsorgungsanlage. 11 Vgl. bereits Absch. 1. bei Fn. 64 f. Vgl. Miihi-Jäckel, Tagungsbericht zum 8. Deutschen Verwaltungsrichtertag, in DVBI 1986,607 (608);0rtloffinNJW 1987,1665 (1669). 9 Vgl. Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandelns, S. 212 ff. einerseits, Mang/Simon (Fn. 6), Art. 91 Rn. 3, 16 b (S. 43) andererseits. Neuerdings will Gaentzsch (in NJW 1986, 2787 (2791)) allen Genehmigungen zur Errichtung von Anlagen (im Gegensatz zu bloßen Betriebserlaubnissen) einen feststellenden Inhalt beimessen. to BVerwG, Urt. v. 15.11.1974, DVBl 1975, 498 (499); VGH Kassel, Beschl. v. 14.1. 1972, BRS 25 Nr. 207; OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.1.1981, BauR 1981, 267;Mang/Si· mon (Fn. 6), Art. 91 Rn. 8 a; Baumanns (Fn. 1), Rn. 274 ;Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 69. 11 So geht denn auch der 7. Senat des OVG Lüneburg in der 1. Zwischenlagerentscheidung v. 29.12.1981, NVwZ 1982, 256 (262 l. Sp.) davon aus, daß der Grundsatz, wo· nach die Baugenehmigung die letzte in einer Kette von Genehmigungen sei und erst erteilt werden dürfe, wenn alle anderen Genehmigungen vorliegen, sich nur auf solche Genehmigungen beziehe, die unmittelbar die Bauausführung betreffen, und auf das Verhältnis von Bau- und Betriebs-(Nutzungs-)genehmigung nicht angewendet werden könne; a.A.: VG 7

8

13 Wagner

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Allenfalls im Verhältnis der Baugenehmigung zu solchen Genehmigungen, die sich auf die Vorbereitungs- und Errichtungsphase eines Bauwerks beziehen, kann der Grundsatz, daß parallele Genehmigungen vorliegen müssen, zu einer brauchbaren Lösung führen, wenngleich auch insoweit fraglich bleibt, ob diese rechtliche Zuordnung nicht zu starr ist, um eine flexible vorhabenbezogene Verfahrensgestaltung zu ermöglichen. Anzuerkennen ist freilich, daß sich ausnahmsweise aus der besonderen Funktion eines bestimmten Genehmigungsvorbehalts eine "Sperre" für die Erteilung paralleler Genehmigungen ergeben kann. 12

5.1.1.2. Vorbehalt zugunsten paralleler Genehmigungen Die Sperrwirkung ausstehender Genehmigungsentscheidungen kann dadurch abgeschwächt werden, daß man die Genehmigungsbehörde für befugt ansieht, ihre Genehmigung unter dem Vorbehalt der noch ausstehenden Genehmigung zu erteilen. So hat z.B. der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in der 2. Entscheidung zum Zwischenlager Gorleben ausgeführt:' "Jedenfalls im Verhältnis der Baugenehmigung zu einer zusätzlich erforderlichen Nutzungsgenehmigung einer Fachbehörde darf die Baugenehmigungsbehörde - vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung - die Baugenehmigung unter dem Vorbehalt der noch erforderlichen Nutzungsgenehmigung erteilen. Der Bauherr einer baulichen Anlage, die wegen ihres Umfangs eine längere Bauzeit erfordert, kann ein anerkennenswertes Interesse daran haben, mit dem Bau der Anlage beginnen zu können, wenn zwar noch nicht alle Einzelheiten der späteren Nutzung abschließend geklärt sind, das Gesamtvorhaben aber realisierbar erscheint."

Eine solche Vorbehaltslösung hat den Vorteil, daß die Genehmigungsbehörde je nach Lage des Einzelfalls eine zeitliche Stufung zwischen parallelen Genehmigungsverfahren zulassen kann. Durch den Vorbehalt wird klargestellt, daß kein Vertrauenstatbestand im Hinblick auf die Erteilung paralleler Genehmigungen gesetzt wird, und daß der Vorhabenträger aus der im voraus erteilten Genehmigung keine Ansprüche auf Erteilung paralleler Genehmigungen herleiten kann. 2 Stade, Beschl. v. 11.9.1981, ET 1981, 891 (892). Vgl. auch v. Ebner in GewArch 1978, 48 (51 ff.) zum Verhältnis der Baugenehmigung zur Gaststättenerlaubnis. 12 So VGH Mannheim, Beschl. v. 5.12.1984, VBIBW 1985, 427 zu§ 15 Abs. 1 u. 2. StBauFG Qetzt § 144 BauGB): Diese Genehmigungspflicht erfülle die gleiche Funktion wie eine Veränderungssperre im allgemeinen Baurecht. Demzufolge müsse auch diese Sperre beseitigt sein, bevor eine Baugenehmigung in förmlich festgelegten Sanierungsgebieten erteilt werden könne. 1 Beschl. v. 9.11.1982, DVB11983, 185 (186). Vgl. zu dieser Entscheidung auch unten Abschn. 6.1.1.5. Vgl. auch Schrödter, BBauG, § 36 Rn . 1; Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 16 b (S. 43) . 2 Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 94 f. sieht in der Modifikation bzw. Einschränkung der Bindung paralleler Genehmigungsbehörden an die vorausgegangene Genehmigungsentscheidung die eigentliche Bedeutung eines derartigen Vorbehalts.

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

195

Es stellt sich jedoch die Frage nach der rechtlichen Qualifikation eines solchen Vorbehalts und nach seiner gesetzlichen Grundlage. Geht man von dem Grundsatz der Sperrwirkung ausstehender Genehmigungen aus, dann könnte die Genehmigungsbehörde mit Hilfe des Vorbehalts diese Sperrwirkung mit konstitutiver Wirkung aufheben. 3 Dies würde bedeuten, daß die Genehmigungsbehörde den eigenen Prüfungs- bzw. Entscheidungsbereich selbst festlegen und über das rechtliche Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren verfügen könnte, ohne daß insoweit eine gesetzliche Ermächtigung erkennbar wäre oder auch nur die Entscheidungsmaßstäbe festgelegt wären. 4 Die Zulässigkeit eines derartigen Vorbehalts läßt sich auch nicht aus§ 36 VwVfG herleiten.5 Aus diesem Grunde stößt die Vorbehaltslösung zu Recht auf Bedenken. 6 Ließe man Vorbehalte zugunsten paralleler Genehmigungen ohne weiteres zu, ohne sie an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen zu binden, dann könnten sich die Genehmigungsbehörden zudem von der Berücksichtigung paralleler Genehmigungsbereiche einfach freizeichnen und damit die parallelen Genehmigungsverfahren in einer Weise voneinander abkoppeln, daß nicht einmal ein Minimum an Koordination gewährleistet wäre. Man könnte allerdings auch daran denken, die Genehmigung unter einer aufschiebenden Bedingung zu erteilen, bis erforderliche parallele Genehmigungen vorliegen, oder unter einer auflösenden Bedingung bzw. unter Widerrufsvorbehalt für den Fall, daß parallele Genehmigungen nicht innerhalb einer bestimmten Frist erteilt werden (vgl. § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr_ 2, 3 VwVfG). 7 Eine aufschiebende Bedingung ist jedoch nicht geeignet, das Ziel einer effektiven zeitlichen Stufung zu erreichen, da der Antragsteller von der Genehmigung erst Gebrauch machen könnte, wenn die Bedingung eingetreten ist, so daß er letztlich doch die Erteilung paralleler Genehmigungen abwarten müßte. Gegen die Zulässigkeit einer auflösenden Bedingung spricht, daß damit dem Antragsteller praktisch die vorläufige Ausführung des Vorha3 Geht man dagegen davon aus, daß parallele Genehmigungsverfahren grundsätzlich unabhängig voneinander durchzuführen sind - dazu sogleich Abschn. 5.1.1.3. -, dann hätte ein solcher Vorbehalt lediglich deklaratorische Bedeutung. 4 Allerdings kennt das Planfeststellungsrecht einen " Vorbehalt" in § 74 Abs. 3 VwVfG, der sich aber nur auf Teilentscheidungen innerhalb eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens bezieht und nicht auf das Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander. Vgl. zu dem kontroversen Verständnis des § 74 Abs. 3 VwVfG: Kopp, VwVfG, § 74 Rn. 52 einerseits, Meyer/Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 3 7 andererseits. 5 Zum einen stellt der Vorbehalt nicht sicher, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der betreffenden Genehmigung eingehalten werden (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG); zum anderen ist eine Nebenbestimmung dieser Art in§ 36 Abs. 2 VwVfG nicht vorgesehen (dazu sogleich im Text) . 6 Vgl. BVerwG, Urt. v. l5.3.1967 , E 26, 287 (288 f.); OVG Münster, Urt. v. 31.1.1978, BRS 33 Nr. 73 S. 163; v. Ebner in GewArch 1978,48 (51). 7 Vgl. Rößler, LBO NRW, § 88 Anm. l. Vgl. auch Baumanns, Verfahrensrecht und Praxis der Bauaufsicht, Rn . 272 (S. 284). Abi. OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.1.1981, BauR 1981,267.

13*

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

bens auf eigenes Risiko gestattet würde, was jedoch im Genehmigungsrecht grundsätzlich unzulässig ist, weil dadurch der präventive Kontrollzweck verfehlt würde. 8

5.1.1.3. Ausklammerung paralleler Genehmigungen (Separation) Weit verbreitet ist die Auffassung, daß parallele Genehmigungsbereiche genau voneinander abzugrenzen sind und jede Genehmigungsbehörde ausschließlich die in ihren Bereich fallenden Gesichtspunkte zu prüfen hat. 1 Ein in der Genehmigung ausgesprochener Vorbehalt im Hinblick auf parallele Verfahren 2 hätte demnach nur informatorischen Charakter. In der Rechtsprechung wird dieser Lösungsansatz u.a. vom Bay. Verwaltungsgerichtshof vertreten: "Nach Art. 91 Abs. 1 Satz 1 BayBauO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn das Vorhaben den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Bei der Entscheidung über einen Bauantrag ist somit nicht nur zu prüfen, ob das Vorhaben mit dem im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Bauplanungs- und Bauordnungsrecht übereinstimmt. Es ist dabei vielmehr grundsätzlich auch darüber zu entscheiden, ob das Vorhaben auch mit anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Dieser in dem allgemeinen Prinzip der Einheit der Verwaltung wurzelnde Grundsatz findet aber dort seine Grenze, wo für die Prüfung und Entscheidung darüber, ob ein Vorhaben unter bestimmten besonderen Aspekten mit besonderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, durch ein Spezialgesetz (wie hier durch das Flurbereinigungsgesetz) ein gesondertes Verfahren bei einer besonderen Behörde mit eigenen rechtlichen Voraussetzungen und besonderen Rechtsfolgen geschaffen worden ist, das durch eine rechtlich selbständige Entscheidung mit Außenwirkung abgeschlossen wird." 3

Auch das Bundesverwaltungsgericht neigt neuerdings offenbar - wenn auch nicht eindeutig4 - dieser Lösung zu. Dieser Lösungsansatz beruht auf 8 Vgl. Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 8 c. Eine derartige auflösende Bedingung würde gegen § 36 Abs. 1, Abs. 3 VwVfG verstoßen. 1 Vgl. VGH München, Beschl. v. 15.12.1975, BayVBl 1976,368 f.; Urt. v. 25 .5.1977, BayVBl 1978, 179 f.; Beschl. v. 12.7.1983, DöV 1983,983 (984); VGH Mannheim, Urt. v. 21.12.1972, ZfW 1973, 180 (182 f.); VG München, Urt. v. 29.6.1978, GewArch 1979, 29 (31) (Dagegen folgt der VGH München bei der atomrechtl. Genehmigung dem Lösungsmodell der "überschießenden Prüfungspflicht" - dazu Abschn. 5.1.1.5 .) . Auch im Schrifttum ist dieser Ansatz weit verbreitet: vgl. Henseler in DVBl 1982, 390 (395 f.); Schwerdtfeger in JuS 1981, 365 (368) ; Schäfer in NVwZ 1985,383 (386); Gaentzsch in NJW 1986, 278 7 (2792 ff.); Schlotterbeckfv. Arnim, LBO BW, § 59 Rn . 26; Sauter/Imig/ Kiess/Hornung, LBO BW, § 51 Rn. 24, § 59 Rn. 44; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 6 Rn. 7 a; Czychowski in DVBl 1976, 132 (138); Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 6 Rn. 23; Breuer, in : Umwelt, Verfassung, Verwaltung, S. 37 (44ff.); ders., in: Bitburger Gespräche 1983, S. 65 (78 f.); ders., in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 153 (160 f.); wohl auch Bickel, ebd. S. 185 (187 ff.). 2 Vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 AtVfV, § 21 Abs. 2 Nr. 1 der 9. BlmSchV. 3 Urt. v. 25 .5 .1977 (Fn. 1 ), S. 179 f. 4 Vgl. Urt. v. 19.4.1985, NVwZ 1986, 203 = BauR 1985,544. In seinem Wyhl-Urteil v. 19.12.1985, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (210), schränkt das Gericht zwar die Öffnungsklausel in § 14 AtVfV bezüglich paralleler Genehmigungsverfahren ein: Ob die Er-

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

197

einer "Separation" der Prüfungsbereiche paralleler Genehmigungsverfahren. 5 Dies setzt voraus, daß alle Prüfungsgesichtspunkte eindeutig einem der parallelen Genehmigungsverfahren zugeordnet werden können. Der jeweilige fachspezifische Prüfungsbereich ist hinsichtlich des Prüfungsgegenstands anhand des jeweiligen Begriffs der genehmigungsbedürftigen Anlage und hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs anhand der fachgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen zu bestimmen. Diese Separation paralleler Genehmigungsverfahren würde allerdings durchkreuzt, wenn man die vielfach bestehenden öffnungsklauseln, die der Genehmigungsbehörde auch die Beachtung der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften aufgeben, im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander anwenden würde. Dementsprechend wird eine teleologische Reduktion dieser öffnungsklausein vertreten: Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften soll insoweit nicht zu prüfen sein, als diese in den fachspezifischen Prüfungsbereich paralleler Genehmigungsverfahren fallen .6 Zur Begründung läßt sich anführen, daß es nicht Sinn der öffnungsklausein sein kann, eine mehrfache Prüfung des Vorhabens unter den gleichen Gesichtspunkten durch verschiedene Genehmigungsbehörden mit möglicherweise abweichenden Ergebnissen herbeizuführen. Dieser Lösungsansatz verfolgt das Ziel einer lückenlosen und überschneidungsfreien Abgrenzung paralleler Prüfungs- und Entscheidungsbereiche. Die parallelen Genehmigungsverfahren könnten unter dieser Prämisse weitgehend unabhängig voneinander durchgeführt werden. Nur ausnahmsweise wäre von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, die Genehmigung wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu versagen, wenn nämlich feststeht, daß eine parallel erforderliche Genehmigung unter keinen Umständen erteilt werden kann. 7

teilungsvoraussetzungen für parallele Genehmigungen vorlägen, sei im atomrechtl. Geneh· migungsverfahren allein mit Blick auf das Bescheidungsinteresse des Antragstellers zu prüfen. Was andere öffnungsklausein betrifft (bes. § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG, § 6 Nz: 2 BlmSchG), wird diese Einschränkung jedoch ausdrücklich vermieden. Bezüglich § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG glaubte das Gericht auf eine Prüfung verzichten zu können, weil diese Vorsc hrift nicht drittschützend sei. 5 Daher spricht Jarass in DÖV 1978, 21 (22 f. ); ders., Konkurrenz, Konzentra tion und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 81 ff. insoweit von e iner .,Separationslösung". 6 Vgl.Jarass in DöV 1978,21 (23) . 7 Vgl. BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 (Fn. 4), S. 210; VGH München, Urt. v. 25.5.1977 (Fn. 1), S. 180; Henseler in DVBI 1982, 390 (395 f.); Schwerdtfeger in JuS 1981, 365 (368 bes. Fn. 29, 30); Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2793); Sauter/lmig/Kiess/ Hornung, LBO BW, §59 Rn. 45; Michel/Kienzle, GastG, § 4 Rn. 38 (S. 155).- Ähnlich (.,Evidenzprüfung"): Breuer, in: Umwelt, Verfassung, Verwaltung, S. 37 (47); ders., in: Bitburger Gespräche 1983, S. 65 (79 f.). Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.1981, NVwZ 1982, 256 (262), allerdings ohne Festlegung auf die Sepa rationslösung (ebd. S. 261 1. Sp.).

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Es liegt in der Konsequenz dieses Ansatzes, daß Nebenbestimmungen zu einer Genehmigung, insbesondere Auflagen, nicht zu dem Zweck erlassen werden dürfen, die Einhaltung der für parallele Genehmigungen geltenden Vorschriften und damit die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens nach parallelen Genehmigungsvorbehalten sicherzustellen. Diese Fragen werden ja gerade aus dem Prüfungsbereich ausgeklammert und gehören daher auch nicht zu den gesetzlichen Voraussetzungen der Genehmigung (vgl. § 36 Abs. 1 VwVfG). 8 Im Fall der nuklearen Entsorgungsanlage hätte dies z.B. zur Folge, daß die Baugenehmigungsbehörde bei Erteilung der Baugenehmigung für die Lagerhalle keine Anforderungen in atom- und strahlenschutzrechtlicher Hinsicht an die Bauausführung stellen dürfte. Es bestünde also keine Möglichkeit, die atom- und strahlenschutzrechtlichen Belange im Baugenehmigungsverfahren vorweg zu berücksichtigen. Die Baugenehmigungsbehörde könnte Bedenken und Anregungen der am Verfahren beteiligten atomund strahlenschutzrechtlichen Genehmigungsbehörden kaum jemals aufgreifen und in Nebenbestimmungen umsetzen; die Abstimmung mit den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden müßte sich weitgehend auf die Abgrenzung der jeweiligen Prüfungsbereiche beschränken. Nur in dem äußersten Fall, daß die Erteilung der atom- und strahlenschutzrechtlichen Genehmigungen von vornherein ausgeschlossen erscheint, bestünde die Möglichkeit einer Versagung der Baugenehmigung. Es bliebe dem Antragsteller überlassen, die atom- und strahlenschutzrechtlichen Anforderungen an die Bauausführung frühzeitig bei den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden in Erfahrung zu bringen und bei der Erstellung der Bauvorlagen zu berücksichtigen. Die Separationslösung kann somit leicht zu einer Mißachtung der Koordinationsbedürfnisse führen, die sich aus der Einheitlichkeit des Vorhabens, den sachlichen und rechtlichen Verflechtungen zwischen parallelen Prüfungsund Entscheidungsbereichen sowie aus der präformierenden Wirkung im voraus erteilter Genehmigungen ergeben. 9 Außerdem wird der Schutz Drittbetroffener beeinträchtigt, da diese selbstverständlich keinen Anspruch darauf haben, daß die Genehmigungsbehörde das Sachbescheidungsinteresse des Antragstellers prüft: Diese Prüfung dient nur dem Interesse der Verwaltung, eine unnötige oder gar mißbräuchliche Inanspruchnahme abzuwehren. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Verfahrensgestaltung kaum den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen könnte. Die Schutzpflicht

8 Vgl. VG München, Urt. v. 29 .6.1978 (Fn. 1); Henseler in DVB11982, 390 (397f.); Czychowski in DVB11976, 132 (138). 9 Diese Nachteile lassen sich nur durch eine "Vorwegberücksichtigung" paralleler Genehmigungsbereiche vermeiden. Vgl. auch Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 (60 ff.), der eine "Vor-

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

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aus Art. 2 Abs. 2 GG gebietet es, daß der Gesetzgeber organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen trifft, die eine effektive genehmigungsrechtliche Kontrolle von nuklearen Anlagen gewährleisten.10 Ein effektiver Schutz ist nur dann gewährleistet, wenn bereits bei der Planung und Errichtung derartiger Anlagen vorbeugende Maßnahmen gegen spätere Betriebsgefahren getroffen werden. 11 Dementsprechend kommt eine Rechtsbeeinträchtigung Dritter bereits in dieser Phase der Vorhabenverwirklichung in Betracht. 12 Bedenken gegen die Separationslösung ergeben sich nicht nur wegen der Erschwerung koordinierender Nebenbestimmungen und wegen des mangelhaften Drittschutzes. Zwar verspricht dieser Ansatz auf den ersten Blick eine einfache und glatte Lösung. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch die trennscharfe Abgrenzung paralleler Prüfungsbereiche als beinahe unlösbares Problem heraus. So spielen oftmals die gleichen oder ähnliche sachliche Prüfungsgesichtspunkte für verschiedene fachgesetzliche Prüfungsbereiche eine Rolle. Namentlich bei einer planerischen Beurteilung des Standorts einer Anlage treffen die verschiedenen fachgesetzlichen Bereiche zusammen. Die fachgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen sind Teil einer einheitlichen Rechtsordnung, so daß sie sich gegenseitig beeinflussen. Auch wo eine Separierung paralleler Prüfungs- und Entscheidungsbereiche theoretisch möglich erscheint, erfordert die Abgrenzung zumeist einen so enormen Aufwand, daß man sich fragen muß, ob es nicht lohnender wäre, parallele Genehmigungsentscheidungen inhaltlich aufeinander abzustimmen, anstatt sie genauestens voneinander abzu"g renzen. 13 Auch bei aller Anstrengung dürfte kaum eine zweifelsfreie Abgrenzung zu erreichen sein, die sowohl überschneidungen als auch Lückenbildungen vermeidet. Wenn eine "perfekte" Abgrenzung paralleler Genehmigungsbereiche nicht zu erreichen ist, dann wird die "Separation" leicht zu einer Fiktion, die einer angemessenen Koordination im Wege steht. 14 Außerdem widerspricht die Separation dem Gebot der fachübergreifenden Prüfung, wie es in den öffnungsklausein zum Ausdruck kommt. Da diese gerade auch im Verhältnis ausregelung" für zulässig ansieht. Für eine kooperative Verwaltungspraxis im Fall des Zwischenlagers Gorleben auch Straßburg in ET 1985,623 (624). to Vgl. BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - KKW Mülheim-Kärlich -, E 53, 30 (57 ff., 65 f.). 11 Vgl. ebd. S. 50 f. 12 Vgl. außerdem BVerwG, Urt. v. 16.3.1972 - KKW Würgassen -, DVBI 1972, 678 (679); BVerfG, Beschl. v. 31.1.1984, NVwZ 1984, 429 f. ; OVG Münster, Beschl. v. 31.5. 1985 - Zwischenlager Ahaus -, NVwZ 1985, 590 (592). 13 Die Schwierigkeiten einer sauberen Abgrenzung werden auch bei Henseler in DVBI 1982, 390 f. und Bickel (Fn. 1), S. 153 f. deutlich. Henseler, der für die Separationslösung eintritt, gesteht selbst zu: "Die Abgrenzung für alle denkbaren Fallgestaltungen vornehmen zu wollen, wäre ein hoffnungsloses Unterfangen." (ebd. S. 391). 14 Zur mangelhaften Koordination vgl. auch Jarass in DÖV 1978, 21 (23); ders., Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 83 f.; Krause in GewArch 1980,41 (44).

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

paralleler Genehmigungsverfahren zueinander - zumindest objektiv -einen Koordinationszweck erfüllen, kann ihre Anwendbarkeit insoweit nicht durch eine teleologische Reduktion ausgeschlossen werden. 15

5.1.1.4. Verfahrensmitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden Genehmigungsbehörden sind regelmäßig verpflichtet, Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich berührt ist, am Genehmigungsverfahren zu beteiligen (z.B. § 55 Abs. 1 Satz 2 LBO BW). Sofern keine weitergehende Form der Beteiligung ausdrücklich vorgeschrieben ist, genügt die Einholung einer unverbindlichen Stellungnahme.• Allerdings wurde bereits darauf hingewiesen, daß auch bei rechtlich unverbindlichen Formen der Mitwirkung faktisch eine Tendenz zur Herstellung des Einvernehmens besteht.2 Diese Verfahrensmitbeteiligung ist geeignet, zu einer Koordination paralleler Genehmigungsverfahren beizutragen. Der Koordinationsfunktion von Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden wird innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems oftmals ein entscheidendes Gewicht beigemessen. Leider bleibt meist offen, ob damit auch eine rechtliche Aufwertung dieser Stellungnahmen etwa im Sinne einer verwaltungsinternen oder sogar externen Verbindlichkeit - verbunden ist. 3 Insofern bietet sich ein Vergleich mit konzentrierten Genehmigungsverfahren an, bei denen teilweise angenommen wird, daß die Konzentrationsbehörde an das Einvernehmen der "verdrängten" Genehmigungsbehörden gebunden ist. 4 Hierbei wird aber sogleich ein Unterschied deutlich: Bei konzentrierten Genehmigungsverfahren ist anerkannt, daß die Konzentrationsbe!5 Zur Unzulässigkeit einer teleologischen Reduktion vgl. Krause (Fn. I4) sowie Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 248 ff. Letzterer verweist bezügl. § 4 Abs. I AtAnlV a.F. (heute: § I4 AtVfV) auch auf den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommenen subjektiven Willen des Gesetzgebers. t Vgl. z.B. Mang/Simon, BayßauO, Art. 9I Rn. I6, 16 a; Schultz, Zuständigkeiten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 69 ff., I 00 ff. und passim. 2 Vgl. Abschn. 3.4.4. 3 Vgl. z.B. Kolb in BayVBI1967, 151 (155) zu§§ 16ff. GewO a.F.: "Man wirdfordern müssen, daß für den Fall des Zusammentreffens einer gewerberechtl. Genehmigung mit einer wasserrechtl. Erlaubnis oder Bewilligung erstere so lange nicht erteilt werden darf, bis auf Grund einer gutachtlichen Stellungnahme der Wasserfachbehörde feststeht, daß der Erteilung einer wasserrechtl. Erlaubnis oder Bewilligung nichts mehr im Wege steht." Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. I7.IO.I977, DVBI I978, 67 (70): .,Solange die Wasserbehörde noch nicht entschieden hat, genügt die Atombehörde im allgemeinen ihrer Prüfungspflicht, wenn sie vor Erteilung einer Teilerrichtungsgenehmigung eine vorläufige Stellungnahme der Wasserbehörde einholt und ihrer Entscheidung zugrunde legt." Vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 20.9.1983, ZfB I984, 225 (233 f.) . Vgl. außerdem Abschn. 5.1.2.3. 4 Vgl. Abschn. 4.1.4.

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

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hörde diejenigen materiellrechtlichen Vorschriften beachten muß, die für die ersetzten Genehmigungen gelten. 5 Sie ist insofern auf das spezielle Fach- und Sachwissen der "verdrängten" Genehmigungsbehörden angewiesen. Auch bei parallelen Genehmigungsverfahren ist die Frage entscheidend, ob und in welcher Weise eine inhaltliche Prüfung paralleler Genehmigungsbereiche im Genehmigungsverfahren erfolgt. Eine Aufwertung der Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden findet in dem Maße statt, in dem die parallelen Genehmigungsbereiche bei der Genehmigungsentscheidung zu berücksichtigen sind. Diese "substantielle" Koordination bildet dann die Grundlage für die "prozedurale" Koordination im Wege der zwischenbehördlichen Verfahrensbeteiligung. Es hätte auch keinen Sinn, die Genehmigungsbehörde verfahrensmäßig an das Einvernehmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden zu binden, wenn deren Stellungnahme nicht auch inhaltlich als Entscheidungsgrundlage dienen könnte. Legt man dagegen die Separationslösung zugrunde, so könnte die Verfahrensmitbeteiligung lediglich der Abgrenzung paralleler Genehmigungsbereiche sowie der Klärung der Frage dienen, ob der Antragsteller ein Sachbescheidungsinteresse hat. 6 Mit einer Pflicht zur Beteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden am Verfahren ist somit das Problem der rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren noch nicht gelöst. Will man der verfahrensmäßigen Koordination eine substantielle Grundlage geben, muß man die inhaltliche Prüfung auch in der einen oder anderen Weise auf die parallelen Genehmigungsbereiche erstrecken.

5.1.1. 5. Verfahrensübergrezfende Prüfung Gemeinsames Merkmal der unter dem Begriff " verfahrensübergreifende Prüfung" zusammenzufassenden Ansätze ist es, daß die Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde über den eigenen, sektoral beschränkten Fachbereich hinaus in Richtung auf die parallelen Prüfungsbereiche hin erweitert wird. Andererseits geht die übergreifende Prüfungspflicht nicht so weit, daß sie eine vollständige, abschließende und verbindliche Gesamtprüfung des Vorhabens beinhaltet, weil andernfalls die Kompetenzen der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden ausgehöhlt würden. Es geht also um eine abgeschwächte bzw. modifizierte Pflicht zur "Gesamtprüfung" der Zulässigkeit des Vorhabens. 1 s Vgl. Abschn. 4.1.3.1. Vgl. OVG Lüneburg, Beseht. v. 29.12.1981, NVwZ 1982,256 (2621. Sp.). I Eine solche Pflicht scheint auch das BVerwG in seinem Urt. v. 15.3. 1967, E 26, 286 (28 7) zu erwägen, wenn es im Anschluß an die bereits zitierte Stelle (vgl. Abschn. 5.1.1.1. bei Fn. 1) fortfährt: .,Die Revision führt zu Recht aus, daß das Oberverwaltungsgericht vor seiner Bescheidung des Verpflichtungsantrags des Klägers hätte mindestens prüfen und feststellen müssen, ob der Kläger die dort erforderliche Umwandlungsge· 6

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Diese übergreifende Prüfungspflicht wird in recht unterschiedlicher Weise konkretisiert. So finden sich etwa folgende Formulierungen: die Genehmigungsbehörde müsse prüfen, ob das zu genehmigende Vorhaben nach parallelen Genehmigungsvorschriften grundsätzlich genehmigungsfähig ist, 2 ob die parallelen Genehmigungen voraussichtlich erteilt werden können, ob gegen die Erteilung paralleler Genehmigungen Bedenken bestehen, 3 ob dem Vorhaben von vornherein unüberwindliche Hindernisse aus anderen Genehmigungsbereichen entgegenstehen4 oder ob eine Gesamtprüfung ein vorläufiges positives Gesamturteil erlaubt. 5 Teilweise wird auch von einer "Evidenzprüfung"6 oder von einer Art "Vorprüfung"7 gesprochen. An die Stelle einer vollständigen Prüfung, ob das Vorhaben mit den sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist, tritt also eine minder intensive Form der "vorläufi"gen Gesamtprüfung". Die Grundlage für diese Abschwächung der umfassenden Prüfungspflicht kann in einer teleologischen Reduktion der Offnungsklauseln gesehen werden, die allerdings nicht so weit geht wie bei der Separationslösung. Führt diese "vorläufige Gesamtprüfung" (bzw. "Genehmigungsprognose") zu einem negativen Ergebnis, dann ist dies ein Grund zur Versagung der Genehmigung.8 Bevor es zu einer solchen Versagung kommt, wird allerdings auch daran zu denken sein, das Genehmigungsverfahren im Einverständnis mit dem Antragsteller so lange auszusetzen, bis die fraglichen Entscheidungen in parallelen Genehmigungsverfahren vorliegen oder wenigstens absehbar sind. Die vorläufige Gesamtprüfung bedeutet nun allerdings nicht, daß die Genehmigungsbehörde auch die parallelen Genehmigungsbereiche selbständig beurteilen müßte, sondern sie kann sich hierzu der Hilfe parallel zuständiger nehmigung erhalten kann." Es bleibt jedoch ebenso wie in dem späteren Beseht. v. 22.11.1979, DVBl 1980, 168 (vgl. dazu Abschn. 5.1.2.2. bei Fn. 3) offen, ob nach Auffassung des Gerichts eine derartige Prognose notwendig und zugleich ausreichend ist. 2 Vgl. Nr. 4.1.2. bad.-württ. VerwVorschr zum BlmSchG v. 19.1.1978 (GABI. S. 249); Teil I Nr. 10.1 . nordrh.-westf. VerwVorschr zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG v. 21.11.1975 (MBI. S. 2216). 3 Vgl. Mang/ Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 16 b (S. 42 a); Krause in GewArch 1980, 41 (45); Kolb in BayVB11967, 151 (155). 4 Vgl. VGH Mannheim, Beseht. v. 8.10.1975, DÖV 1975, 744 (Leits. 10); VG Würzburg, Urt. v. 25.3.1977, NJW 1977, 1649 (1653). In der Diktion des BVerwG handelt es sich bei der Formulierung, dem Vorhaben "dürften keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen", nur um eine Umschreibung des "vorläufigen positiven Gesamturteils" , vgl. BVerwG, Urt. v. 9. 7.1982, NVwZ 1982, 624 (626). 5 Vgl. OVG Lüneburg, Beseht. v. 9 .11.1982 - Zwischenlager Gorleben -, DVBl 1983, 185 (186 f.). 6 Vgl. Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 (62 ). 7 Vgl. OVG Münster, Urt. v. 20.5. 1985, DöV 1986, 575 (576); Orttoff in NJW 1987, 1665 (1666, 1669). 8 Vgl. Salzwedel (Fn. 6), S. 60 ff., der dies als "Vorausablehnung" bezeichnet.

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

203

Genehmigungsbehörden bedienen und ihre eigene Beurteilung auf deren Stellungnahmen stützen.9 In der Regel werden die Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden eine ausreichende Grundlage dafür bilden, die Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens zu beurteilen, ohne daß die Genehmigungsbehörde die Stellungnahmen nochmals inhaltlich nachprüfen müßte. Die Pflicht zu einer verfahrensübergreifenden Zulässigkeitsprüfung wird meist mit der Konstruktion einer "überschießenden Prüfungspflicht" begründet.10 So hat z.B. der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in seinem WyhlUrteil v. 30.10.1982 zum Verhältnis der atomrechtlichen Genehmigung zur wasserrechtlichen Erlaubnis ausgeführt: 11 .,Auch der Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde nach § 4 Abs. 1 AtAnlV (heute § 14 AtVfV) im Hinblick auf das Wasserrecht entspricht keine positive Entscheidungskompetenz auf diesem Gebiet. § 4 Abs. 1 AtAnlV enthält nämlich ersichtlich keine Zuständigkeitsregelung. Angesichts der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen atomrechtlichen Genehmigungsbehörden und Wasserbehörden kann die Vorschrift des § 4 Abs. 1 AtAnlV nur so verstanden werden, daß sie der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde lediglich eine dem Unternehmer gegenüber bestehende Amtspflicht zur umfassenden Prüfung auch des Wasserrechts auferlegt, einem entsprechenden Prüfungsergebnis gleichwohl die Bindungswirkung Dritten gegenüber versagt."

Dieser Lösungsansatz einer "überschießenden Prüfungspflicht" wurde vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim auch für die bei atomrechtlichen Teilerrichtungsgenehmigungen ·erforderliche vorläufige Gesamtprüfung vertreten (vgl. § 18 Abs. 1 AtVfV). 12 Das vorläufige positive Gesamturteil sollte demnach nicht zum Regelungsgehalt einer schlichten Teilerrichtungsgenehmigung gehören, aber Gegenstand eines Vorbescheids sein können. Der Sinn dieser 9 Vgl. z.B. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.10.1977, DVBl 1978, 67 (70); Beschl. v. 9.11.1982- Zwischenlager Gorleben -, DVBI1983, 185 (186) ; Stich/Porger, BlmSchG, § 6 Rn. 14. 10 Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 8.10.1975 - KKW Wyhl - , DVB11976, 538 (545); Urt. v. 30.10.198-'- KKW Wyhl -, DVBl 1982, 966 (967 Leits. 13). Dieser Lösungsan· satzwird zu§ 14 AtVfV (bzw. § 4 Abs. 1 AtAnlV a.F.) überwiegend vertreten: Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.10.1977, DVB11978, 67 (70); Beschl. v. 22.2.1979,DOV 1979, 797; VG Würzburg, Urt. v. 25.3.1977, NJW 1977,1649 (1650f.);RengelinginJZ 1977, 542 (543 f.). Selbst der VGH München, der bei der Baugenehmigung die Separationslösung vertritt, folgt bei der atomrechtl. Genehmigung dem Lösungsmodell der überschießenden Prüfungspflicht, vgl. Beschl. v. 22.11.1974, DVBl 1975, 199 (205); Urt. v. 9 .4. 1979, DVBl 1979, 673 (677). Vgl. auch Krause in GewArch 1980, 41 (44) zu§ 6 Nr. 2 BimSchG; VG Schleswig, Urt. v. 22.12.1982, GewArch 1983, 223 (224f.) zum Verhältnis von Baugenehmigung und Spielhallenerlaubnis; VGH Mannheim, Urt. v. 2.1.1971, ESVGH 21, 48 (53) zum Verhältnis der wasserrechtl. zur naturschutzrechtl. Genehmigung. Abweichend VGH Mannheim, Urt. v. 21.12.1972, ZfW 1973, 180 zum Verhältnis der wasserrechtl. Erlaubnis zur Befreiung vom kommunalrechtl. Anschluß· und Benutzungszwang. 11 S. 506 der schriftl. Entscheidungsgründe (vgl. auch DVB11982, 966). 12 Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 26.2.1979, DOV 1979, 521 (524); Urt. v. 30.3. 1982 - KKW Wyhl - S. 61 ff. der schriftl. Entscheidungsgründe und den in DVB11982, 966f. abgedruckten Leits. 5; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.6.1980, DVBl 1980, 1010 (10ll).

204

5. Parallele Genehmigungsverfahren

Konstruktion liegt darin, eine verbindliche Feststellung der grundsätzlichen Zulässigkeit des gesamten Vorhabens zu vermeiden. Die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung bei der Erteilung von Teilgenehmigungen stellt nach dieser Auffassung lediglich eine Amtspflicht gegenüber dem Vorhabenträger dar, die es ermöglichen soll, frühzeitig das Genehmigungsverfahren abzubrechen, wenn sich erweist, daß das Verfahrensziel-die Genehmigung einer betriebsfähigen Anlage - nicht erreichbar ist. 13 Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auffassung in seinem Wyhl-Urteil vom 19.12.1985 14 hinsichtlich gestufter Genehmigungsverfahren entgegengetreten: Hier gehöre das vorläufige positive Gesamturteil zum Regelungsgehalt einer Teilgenehmigung und entfalte damit eine nach Maßgabe seiner Vorläufigkeit eingeschränkte Bindungswirkung für weitere Teilgenehmigungsverfahren. Dieses vorläufige positive Gesamturteil beziehe sich aber nicht auf weitere für das Vorhaben erforderliche Parallelgenehmigungen. Die Konstruktion der "überschießenden Prüfungspflicht" hat im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander den Vorteil, daß die Aufteilung der Entscheidungskompetenzen im Grundsatz gewahrt bleibt und dennoch eine umfassende Prüfung erfolgt. Dementsprechend folgt auch der Bay. Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil v. 9.4.1979 im Hinblick auf die öffnungsklausein des § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG und des § 14 AtVfV diesem Lösungsmodell: 15 "Nach diesen Bestimmungen ist die atomrechtliche Genehmigung davon abhängig, daß dem Standort der Anlage überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere auch im Hinblick auf die Reinhaltung des Wassers, nicht entgegenstehen. Die Prüfung durch die atomrechtliche Genehmigungsbehörde erstreckt sich daher auch auf die Beachtung der über das Atomrecht hinausgehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Dieser Prüfungskompetenz entspricht jedoch keine Entscheidungskompetenz. Die genannten Vorschriften verpflichten die atomrechtliche Genehmigungsbehörde lediglich im Interesse des Anlagenbelreibers zu der Untersuchung, ob dem Vorhaben voraussichtlich wasser- und baurechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Der Unternehmer soll, bevor er erhebliche Mittel investiert, darüber in Kenntnis gesetzt werden, daß seinem Vorhaben wohl auch wasser- und baurechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen. Gleichwohl fehlt einer solchen "Entscheidung" in wasser- und baurechtliehen Fragen die Bindungswirkung, insbesondere auch gegenüber Dritten. Der Unternehmer muß folglich trotz erteilter atomrechtlicher Genehmigung besorgen, daß ihm letztlich aufgrund einer erfolgreichen Klage eines Dritten gegen die wasser-oder baurechtliche Entscheidung der Betrieb des KKW versagt werden kann und ihm allenfalls ein Amtshaftungsanspruch gegen die Behörde verbleibt."

Nach diesem Lösungsansatz wird also den Öffnungsklauseln zwar eine umfassende Prüfungspflicht, aber keine ebenso umfassende Entscheidungsbefugnis entnommen. Man könnte daher den Kern dieser Konstruktion in einer Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 26.2.1979 (Fn. 12). E 72, 300 = NVwZ 1986, 190 (209 f.) = DVBl 1986, 190. 1s DVB11979, 673 (677). 13

14

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

205

Aufspaltung der Genehmigungskompetenz in eine Prüfungskompetenz einerseits und in eine Entscheidungskompetenz andererseits sehen. 16 Die Vorstellung einer Trennung von Prüfungs- und Entscheidungskompetenz ist jedoch zumindest mißverständlich,~? Auch die Genehmigungsbehörde, die eine vorläufige Gesamtprüfung im Hinblick auf parallele Genehmigungsbereiche vornimmt, kann aus einem negativen Prüfungsergebnis Konsequenzen für die eigene Entscheidung ziehen, indem sie die Genehmigung bis auf weiteres versagt oder das Genehmigungsverfahren aussetzt. 18 Der Kern. dieser Konstruktion ist vielmehr darin zu sehen, daß die Entscheidung der Genehmigungsbehörde im Bereich ihrer "überschießenden Prüfungspflicht" nur eine vorläufige ist und keine Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden entfaltet. 19 Des weiteren ist dieser Lösungsansatz dadurch gekennzeichnet, daß die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung als Amtspflicht gegenüber dem Antragsteller aufgefaßt wird, womit dieser vor Fehlinvestition geschützt werden soll. Wird daher eine parallele Genehmigung nachträglich versagt, so kommt ein Amtshaftungsanspruch gegen diejenige Behörde bzw. deren Verwaltungsträger in Betracht, die die vorangegangene Genehmigung erteilt hat. 20 Dagegen soll dieser Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung keine drittschützende Wirkung zukommen. 21 Aus der Konstruktion der "überschießenden Prüfungspflicht" läßt sich nicht ohne weiteres die Frage beantworten, ob Auflagen zulässig sind, die die Einhaltung paralleler Genehmigungsvorschriften sicherstellen sollen. 22 Zählt man das "vorläufige positive Gesamturteil" zu den Genehmigungsvoraussetzungen, dann wird man derartige Nebenbestimmungen für zulässig ansehen können (vgl. § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Mit den Grundgedanken der "überschießenden Prüfungspflicht" wäre es allerdings nicht vereinbar, wenn eine Auflage, die sich auf einen parallelen Genehmigungsbereich 16 Vgl. Krause in GewArch 1980,41 (45); Ortloff (Fn. 7), S. 1666, 1668f. Kritisch: Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S . 248 ff. 17 Vgl. auch Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 75 f. 18 Vgl. Krause (Fn. 16). 19 Es geht um die Unterscheidung zwischen den zu prüfenden Genehmigungsvoraussetzungen und dem Regelungsgehalt von Genehmigungsentscheidungen. Vgl. Jarass (Fn. 17), S. 76, 78; Gaentzsch in NJW 1986, 278 7 (2790 f.). 20 Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 8.10.1975- KKW Wyhl-. DVBI1976, 538 (545); Urt. v. 30.3.1982 - KKW Wyhl -, S. 507 der schriftl. Entscheidungsgründe; BGH, Urt. v. 25.1.1973, DVB11973, 918 (919); Urt. v. 12.6.1974, DVBl 1976, 176; Michel/Kienzle, GastG, § 4 Rn. 38 (S. 156). 21 Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 8 .10.1975 (Fn. 20), S. 545 ; Urt. v. 30.3.1982 (Fn. 20), S. 504f.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.7.1980, DVB11980,1012 (1014) . Vgl. auch Jarass (Fn. 17), S. 74 f. 22 Vgl. bereits Abschn. 5.1.1.3. bei Fn. 8. - Zur Zulässigkeit verfahrensübergreifender Auflagen vgl. Rauschning, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 83 (90); Hansmann, ebd., S. 93 (98); Salzwedel (Fn. 6), S. 60, 62 ff.

206

5. Parallele Genehmigungsverfahren

bezieht, für die parallel zuständige Genehmigungsbehörde in der Weise verbindlich wäre, daß diese keine abweichenden Anforderungen mehr stellen dürfte. Man könnte daher daran denken, derartige Auflagen mit einem Widerrufsvorbehalt zugunsten der parallel zuständigen Genehmigungsbehörde zu versehen. 23 Eine etwas andere Konstruktion als die der "überschießenden Prüfungspflicht" hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg in der 2. Zwischenlagerentscheidung vom 9.11.1982 gewählt. 24 Er geht zum einen davon aus, daß die Beurteilung der bodenrechtliehen Zulässigkeit der Lagerhallen im Außenbereich ohne Berücksichtigung der beabsichtigten Nutzung gar nicht möglich ist, und zum anderen davon, daß durch die Baugenehmigung der Verwendungszweck der Lagerhallen baurechtlich festgelegt wird. Auch wenn wie im Falle des nuklearen Zwischenlagers für die Einlagerung des radioaktiven Materials noch besondere atom- und strahlenschutzrechtliche Genehmigungen erforderlich sind, so kann doch nach Auffassung des Senats die grundsätzliche Zulässigkeit der beabsichtigten Nutzung in atomund strahlenschutzrechtlicher Hinsicht nicht völlig aus dem Baugenehmigungsverfahren ausgeklammert werden. Interessant ist dabei die Parallele, die der Senat zu den Teilgenehmigungen innerhalb gestufter Genehmigungsverfahren zieht. 25 "Eine abschnittsweise Entscheidung erfordert bereits beim ersten Schritt eine positive Prognose für die abschließende Entscheidung: Nur wenn eine vorläufige Prüfung ergibt, daß die Voraussetzungen für die abschließende Genehmigung vorliegen werden, kann eine - wie auch immer geartete - Teilgenehmigung erteilt werden."

In der Tat liegt es nahe, die für gestufte Genehmigungsverfahren geltenden Regelungen (z.B. § 8 BimSchG, § 18 AtVfV) auch im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander heranzuziehen. Konkretisiert man die verfahrensübergreifende Prüfungspflicht in Anlehnung an die für die vorläufige Gesamtprüfung innerhalb gestufter Genehmigungsverfahren geltenden Regelungen, dann kommt man zu dem Ergebnis, daß eine von mehreren parallelen Genehmigungen nur dann vor den anderen erteilt werden darf, wenn ein "vorläufiges positives Gesamturteil" im Hinblick auf alle parallelen Genehmigungsverfahren getroffen werden kann. 26 Der Senat geht sogar noch einen Schritt weiter, indem er die Feststellung, daß der Nutzung der Anlage spezialgesetzliche Hindernisse jedenfalls nicht grundsätzlich entgegenstehen, zum Regelungsgehalt der Baugenehmigung Vgl. § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 VwVfG. DVBl 1983, 185 ff. Vgl. dazu Jarass (Fn. 17), S. 84 f. ; Götz, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 177 (183 f.). 25 Beschl. v. 9.11.1982 (Fn. 24), S. 186. 26 Vgl. bereits OVG Lüneburg, Beschl. v. 19.1.1981 - Luftrettungsstation -, BauR 1981, 267f. 23

24

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

207

rechnet. Möglicherweise läßt sich dem Urteil sogar entnehmen, daß der Senat auch noch den weiteren Schritt vollziehen und dem positiven Gesamturteil eine Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden beilegen wollte: 27 .,Der in den angefochtenen Baugenehmigungen enthaltene Vorbehalt der atomrechtlichen Nutzungsgenehmigungen stellt daher nicht in Frage, daß mit den angefochtenen Baugenehmigungen die künftige Nutzung jedenfalls grundsätzlich festgeschrieben wird. Das bedeutet nicht, daß die atomrechtlichen Genehmigungsbehörden aufgrund ihrer positiven Stellungnahme im Baugenehmigungsverfahren der Prüfung enthoben wären, daß die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe getroffen ist. Es bedeutet vielmehr, daß eine von der Stellungnahme im Baugenehmigungsverfahren abweichende Auffassung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren nicht ohne Rücknahme der Baugenehmigung (durch die Baugenehmigungsbehörde) zum Tragen gebracht werden darf. Die atomrechtlichen Genehmigungsbehörden sind aber nicht gehindert, ihre Genehmigung durch Nebenbestimmungen einzuschränken oder die beantragte Lagerung zu modifizieren ..."

Eine rechtliche Bindungswirkung des , ,vorläufigen positiven Gesamturteils" gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden müßte auf erhebliche kompetenzrechtliche und rechtsstaatliche Bedenken stoßen.28 Derjenigen Genehmigung, die ein vorläufiges positives Gesamturteil enthält, käme dann nämlich eine konzentrationsähnliche Wirkung zu. Den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden würde dadurch ein rechtlich verbindlicher Entscheidungsrahmen gesetzt. Man könnte insoweit auch von einer "partiellen" Konzentration sprechen. Eine Konzentration setzt jedoch wegen ihrer organisations- und verfahrensrechtlichen Bedeutung grundsätzlich eine gesetzliche Regelung voraus. 29 Dies ergibt sich schon daraus, daß durch Konzentrationsregelungen die darin einbezogenen gesetzlichen Vorbehalte modifiziert werden und jedenfalls im Ergebnis Zuständigkeiten auf die Konzentrationsbehörde verlagert werden. 30 Hinzu kommt, daß gerade im Fall des nuklearen Zwischenlagers die Zuständigkeit zu· Erteilung der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung bei der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt liegt, so daß bei Annahme einer Bindungswirkung eine Bundesbehörde an die Entscheidung einer Landesbehörde gebunden wäre. Eine Bindungswirkung würde daher nicht nur

27 Beschl. v. 9.11.1982 (Fn. 24) , S. 187. Vgl. dazu Götz (Fn. 24), S. 184. Vgl. auch v. Ebner in GewArch 1978, 48 (50), der der Baugenehmigung eine auch für die Gaststättenerlaubnisbehörde verbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Lage der Gaststätte beimißt. 28 So auch Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2788 Fn. 4, 2794 Fn. 48) . 29 V gl. allg. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrech t, § 21 Rn. 66; Kirschenmann in JuS 1977, 565 (568 f.); Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 31, 60. Vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 28.10.1975, E 40,237 (250) . 30 Eine gesetzliche Festlegung der Zuständigkeiten ist z.B. in Art. 70 Abs. 1 Satz 1 LVerf BW, Art. 77 Abs. 1 Satz 1 BayLVerfvorgeschrieben.

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

die Verantwortlichkeiten zwischen parallel zuständigen Genehmigungsbehörden verwischen und die inhaltliche Qualität von Genehmigungsentscheidungen in Frage stellen, sondern auch gegen die Abgrenzung der Kompetenzräume von Bund und Ländern verstoßen. Teilweise wird allerdings im Hinblick auf die atomrechtliche Anlagengenehmigung nach § 7 AtG die Auffassung vertreten, daß diese eine Grundentscheidung über den Standort enthalte, die auch für parallel zuständige Genehmigungsbehörden verbindlich sei. 31 Diese Auffassung findet im Gesetz insofern eine gewisse Stütze, als § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG in seiner Beschränkung auf die Standortfrage von den sonst üblichen öffnungsklausein abweicht (vgl. § 14 AtVfV). Die Gesetzessystematik sprichtjedoch dagegen, in § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG mehr als nur eine Genehmigungsvoraussetzung zu sehen, da der Gesetzgeber das Verhältnis zu parallelen Genehmigungsbereichen in § 8 AtG geregelt und dort auch eine Konzentration gegenüber der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung angeordnet hat. Dementsprechend wird auch von der ganz überwiegenden Meinung eine derartige Bindung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden an die Billigung des Standorts durch die Atomrechtsbehörde unter nicht-atomrechtlichen Gesichtspunkten abgelehnt. 32 5.1.2. Die Bedeutung bereits vorliegender Genehmigungsentscheidungen

5.1.2.1. Fachübergrezfende Bindungswirkung Vereinzelt wird eine vollständige Bindung an bereits vorliegende Genehmigungsentscheidungen angenommen. So hat das Oberverwaltungsgericht Koblenz in seinem Urteil v. 19.8.1981 zum Verhältnis der Baugenehmigung zur Gaststättenerlaubnis ausgeführt: 1 3! Vgl. Rauschning, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 83 (85 ff., 90 f.); OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.7.1980, DVB11980, 1012 (1013f.)- anders dagegen Be· schl. v. 17.10.1977, DVB11978, 67 (70). 32 Vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 26.2.1979, DOV 1979,521 (523);VGHMünchen, Urt. v. 9 .4.1979, DVBl 1979, 673 (677); Klante (Fn. 16), S. 242 ff., 248 ff.; Henseler in DVBl 1982, 390 (392 f.); Winters, Atom- und Strahlenschutzrecht, 1978, S. 30; Hansmann, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 93 (94, 96) ; Vieregge, ebd., S. 101 (103); Breuer, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 153 (160, 164); Götz, ebd., S. 177 (181 f.) . - Obenhaus, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 73 (77 f.) sieht in der Auslegung des § 7 Abs. 2 Nr. 6 im Sinne einer Beachtenspflicht ohne Bindungswirkung eine ausreichende Grundlage für die Praxis, ohne sich allerdings auf diese Lösung festzulegen. I NVwZ 1982, 122 (123) = GewArch 1981,382. Ähnlich OVG Münster, Urt. v. 9.12 . 1980, GewARch 1981, 173f.; v. Ebner in GewArch 1978,48 (50f.); zurückhaltender : OVG Münster, Urt. v. 19.9.1962, GewArch 1963, 12 (14); VG Aachen, Urt. v. 20.10. 1976, GewArch 1977, 274 (275). A.A. OVG Hamburg, Urt. v. 18.5.1956, DVBI 1956, 728 f. Vgl. neuerdings auch Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2791 f.); OVG Münster, Urt. v. 3.6.1986, NVwZ 1987, 150; BVerwG, Urt. v. 4. 7.1986, NJW 1987, 1713 (1714 f.).

5.1 Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

209

,.Von einer Baugenehmigung für eine Gaststätte und von einem positiven Vorbescheid für ein solches Vorhaben geht eine in das Verfahren zur Erteilung einer Gaststättenerlaubnis hineinreichende Bindungswirkung aus. Nach § 99 I 1, § 102 II RhPf BauO (... ) sind Baugenehmigung und positiver Bauvorbescheid zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine baurechtliehen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Dies bedeutet, daß mit Baugenehmigung und Bauvorbescheid inzidenter festgestellt wird, das Bauvorhaben, das, wie erwähnt, die Errichtung der Anlage und die anschließende bestimmungsgemäße Nutzung umfaßt, sei mit den einschlägigen, den Gegenstand der Prüfung der Bauaufsichtsbehörde bildenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar (. . .). Setzt nun eine gewerberechtliche Tätigkeit eine bestimmte Nutzung einer baulichen Anlage voraus oder ist sie mit dieser identisch und ist im Baugenehmigungsverfahren die rechtliche Zulässigkeit der baulichen Anlage festgestellt, ist in dem nachfolgenden Gewerbeerlaubnisverfahren kein Raum mehr für eine nochmalige Prüfung, ob die gewerbliche Tätigkeit mit denjenigen öffentlichen Belangen vereinbar ist, die auch durch die Ausführung des Bauvorhabens einschließlich der bestimmungsgemäßen Nutzung des errichteten Gebäudes berührt werden. Nur soweit die durch die gewerbliche Betätigung tangierten öffentlichen Belange überhaupt noch nicht oder nur unter bestimmten Aspekten Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren waren, bleibt der Erlaubnisbehörde eine Möglichkeit zur eigenständigen Entscheidung eröffnet."

Die Bindung der Gaststättenerlaubnisbehörde beschränkt sich demnach nicht auf die spezifisch baurechtliehen Fragen, sondern bezieht sich auch auf außer-baurechtliche Gesichtspunkte, die Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens waren. Man kann daher von einer "sektorübergreifenden" Bindungswirkung sprechen_ Daß eine solche weitgehende Bindung gerade im Verhältnis zwischen dem baurechtliehen und dem gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahren angenommen wird, dürfte darauf zurückzuführen sein, daß es sich bei der "Baugenehmigungsbehörde" und der "Gaststättenerlaubnisbehörde" in aller Regel um ein und die gleiche Behörde handelt. 2 Daher stellt die Bindungswirkung für das parallele gaststättenrechtliche Genehmigungsverfahren letztlich nichts anderes dar als eine "Selbstbindung" der Genehmigungsbehörde. Außerdem geht die Baugenehmigung regelmäßig der Gaststättenerlaubnis voraus, so daß umgekehrt eine Bindungswirkung der Gaststättenerlaubnis für die Baugenehmigung kaum je in Betracht kommt. 3 Gleichwohl erscheint es nicht unproblematisch, wenn die Genehmigungsbehörde im gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahren an das Ergebnis des Baugenehmigungsverfahrens voll gebunden ist. Zum einen sind die AnVgl. § 1 Abs. 1 GaststättenVO BW. Obwohl auch im gaststättenrechtlichen Genehmigungsverfahren ein umfassender Prüfungsmaßstab anzulegen ist (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 GastG) wurde eine umgekehrte Bindungswirkung gegenüber der Baugenehmigungsbehörde vom VG Freiburg, Beseht. v. 23.12.1982, NVwZ 1983, 697, zu Recht abgelehnt. Dies folgt auch daraus, daß es sich bei der Baugenehmigung um eine Anlagengenehmigung, bei der Gaststättenerlaubnis da~egen nur um eine gemischt sachlich-persönliche Genehmigung handelt. Vgl. Gaentzsch (Fn. 1). 2

3

14 Wagner

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

tragsteiler in beiden Verfahren oftmals verschieden. Zum anderen hat der Gesetzgeber in § 5 GastG der Genehmigungsbehörde die Möglichkeit eröffnet, nachträglich jederzeit Auflagen zu erteilen und damit u.U. auch bauliche Änderungen durchzusetzen (z.B. im Interesse des Lärmschutzes). Man wird daher annehmen müssen, daß der gaststättenrechtliche Bestandsschutz hinter dem baurechtliehen zurückbleibt. Auf längere Sicht muß daher die Bindung an das Ergebnis des Baugenehmigungsverfahrens problematisch erscheinen, zumal die Gaststättenerlaubnis bei einem Wechsel des Gewerbebetreibenden zumeist nicht auf den Nachfolger übergeht, sondern neu beantragt werden muß. 4 Die sich dabei bietende Gelegenheit zur Aktualisierung der aus gaststättenrechtlicher Sicht zu stellenden Anforderungen würde durch eine andauernde Bindung an die Baugenehmigung vereitelt. Auf sehr viel schwerwiegendere Bedenken müßte eine sektorübergreifende Bindungswirkung stoßen, wenn man sie auch auf das Verhältnis verschiedener Genehmigungsbehörden zueinander anwenden und auf alle Genehmigungen übertragen wollte, bei denen eine öffnungsklausei für einen sektorübergreifenden Prüfungsmaßstab sorgt. Bereits im vorangegangenen Abschnitt wurde darauf hingewiesen, daß mit einer solchen Bindung eine konzentrationsähnliche Wirkung verbunden wäre, für die grundsätzlich eine gesetzliche Regelung erforderlich ist. 5 Angesichts der vielfach bestehenden Öffnungsklauseln wäre auch zu fragen, welcher Prüfungsbereich für nachfolgende parallele Genehmigungsverfahren überhaupt noch verbliebe, sofern man die umfassende Prüfungspflicht nicht bezüglich paralleler Genehmigungsbereiche abschwächt bzw. modifiziert. Hängt überdies die Reihenfolge paralleler Genehmigungsverfahren vom Willen des Antragstellers ab, so hätte es dieser letztlich in der Hand, diejenige Behörde zu bestimmen, die eine verbindliche sektorübergreifende Entscheidung über das Vorhaben zu treffen hätte. Eine sektorübergreifende Bindungswirkung liefe daher auf eine mehr oder weniger zufällige Konzentrationswirkung hinaus und würde die gesetzliche Zuständigkeitsverteilung praktisch aus den Angeln heben. Sie wird daher von der überwiegenden Meinung mit Recht abgelehnt. 6 4 V gl. die Ausnahmen in § 1 0 GastG. s Vgl. die Kritik in Abschn. 5.1.1.5 a.E. an dem Urt. des OVG Lüneburg v. 9.11.1982, DVBl 1983, 185 ff., das ebenfalls zu einer fachübergreifenden Bindung zu neigen scheint. 6 Vgl. Jarass, Konkurrenz , Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 68 ff.; Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigun~ und Vorbescheid im Atomrecht, S. 336ff.; Hoppe/Bunse in DVBl 1984, 1033 (1040}; OVG Münster, Urt. v. 20.9.1983, ZfB 1984, 225 (233 f.), sowie die weiteren Nachw. in Abschn. 5.1.2.2. Dementsprechend heißt es z.B. auch im Beschl. des OVG Lüneburg v. 22.2.1979, DÖV 1979, 797 (798): "Bei Rechtsfragen, von denen allein die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung abhängt, wird sich die atomrechtliche Genehmigungsbehörde in diesen Fällen zur Vermeidung widersprüchlicher Verwaltungsentscheidungen regelmäßig mit einer Bezugnahme auf die Baugenehmigung begnügen müssen ... Materiell-rechtliche Gesichtspunkte indessen, die gleichermaßen für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zuordnung des KKW und der Betriebe der Ast. in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet wie für die Beantwortung der Frage bedeutsam sind, ob deren Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbe-

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

211

5.1.2.2. Fachlich beschränkte Bindungswirkung Eine Bindung an bereits vorliegende parallele Genehmigungsentscheidungen wird vielfach insoweit angenommen, als es um Fragen geht, die in den spezifischen fachlichen Prüfungsbereich des vorangegangenen Genehmigungsverfahrens fallen. 1 Diese Bindung, die sektoral auf den jeweiligen fachlichen bzw. fachgesetzlichen Bereich beschränkt bleibt, welcher Gegenstand des vorangegangenen Genehmigungsverfahren war, wird auch als "Fachbindung" bezeichnet.2 Soweit eine Genehmigungsbehörde also aufgrund ihrer besonderen fachlichen Kompetenz bzw. innerhalb ihres "eigentlichen" Zuständigkeitsbereichs bestimmte Gesichtspunkte geprüft hat, sollen parallel zuständige Genehmigungsbehörden an deren Beurteilung gebunden sein. In diesem Sinne dürfte auch der vielbeachtete Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 22 .11.1979 zu verstehen sein: 3 "Es ist nicht grundsätzlich klärungsbediirftig, sondern ergibt sich ohne weiteres aus der gesetzlichen Zuständigkeits· und Kompetenzverteilung, daß in denjenigen Fällen, in denen es für eine nach dem AtG genehmigungspflichtige Anlage zur Kernenergienutzung neben der atomrechtlichen Genehmigung auch einer wasserrechtlichen Gestattung nach dem WHG bedarf, die Wasserbehörde im wasserrechtlichen Verfahren nicht in Anwendung des AtG über die atomrechtliche Genehmigung, sondern allein in Anwendung des Wasserrechts über die wasserrechtliche Zulassung des Vorhabens zu entscheiden hat. Ob. die Wasserbehörde dabei - wie das OVG erwogen hat - die

betrieb durch die Errichtung des KKW beeinträchtigt wird, verlieren ihre atomrechtliche Relevanz nicht dadurch, daß die Baugenehmigungsbehörde darin kein Hindernis für die Erteilung der Baugenehmigung gesehen hat. Ist die Beeinträchtigung des Eigentumsrechts der Ast. auf einen Abwägungsmangel bei der bauplanungsrechtlichen Zulassung des Vorhabens zurückzuführen, so kann dieser Fehler im atomrechtlichen Verfahren durchaus noch korrigiert werden." 1 Vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 22.2.1979, DOV 1979, 797f.; VGH Kassel, Urt. v. 9.4.1973, ZfW 1974, 362 (366); VGH München, Beschl. v. 12.7.1983, DOV 1983, 983 (984); OVG 1\ünster, Urt. v. 3.6.1986, NVwZ 1987, 150 (151); Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 77 f.; ders., in WiVerw 1984, 169 (170 ff.); Gaentzsch in NJW 1986, 2787ff.; Ortloff in NJW 1987, 1665 (1666, I669 f.); Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 339 ff.; Krause in DVBl 1980, 522 f.; ders. in GewArch 1980, 41 (45 f.) ; Renseier in DVBl 1982, 390ff.; Czychowski in DVBl 1976, 132 (138) ; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 6 Rn. 23; Rößler, LBO NRW, § 83 I 2 Anm. 1, § 88 Anm. 1; Michel/ Kienzle, GastG, § 4 Rn. 38 (S. 155); Hoffmann/Seitter, Gaststättenrecht, § 4 GastG, S. 54. Je nachdem, wo die Grenzen des sektoralen Zuständigkeitsbereichs angenommen werden, können sich ganz unterschiedliche Bindungswirkungen ergeben: Vgl. z.B. einerseits VGH Mannheim, Urt. v. 1.12.1982, GewArch 1983, 88 ff., andererseits VG Schleswig, Urt. v. 22.12.1982, GewArch 1983, 223 (224f.), zum Verhältnis der Baugenehmigun~ zur gewerberechtl. Spielhallenerlaubnis (vgl. dazu auch Orlob in GewArch 1983, 218). 2 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 74ff. 3 DVBl 1980, 168 = DOV 1980, 178 = GewArch 1980, 40. Vgl. auch das vorinstanzliche Urt. des OVG Lüneburg v. 15.2.1979, ZfW 1980, 303 (305 f.) sowie neuerdings BVerwG, Urt. v. 4.7.1986, NJW 1987, 1713 (1715). 14*

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

vom Unternehmer der Kernenergieanlage beantragte wasserrechtliche Gestattung rechtmäßigerweise auch mit der Begründung versagen dürfte, ihre Erteilung würde i.S. des § 6 WHG das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigen, weil es an den gesetzlichen Voraussetzungen fehle, von deren Vorliegen die atomrechtliche Genehmigung nach dem AtG abhängig sei, kann dahingestellt bleiben. Denn mit einer solchen Begründung darf die wasserrechtliche Gestattung jedenfalls dann nicht mehr versagt werden, wenn und soweit die für die atomrechtliche Genehmigung zuständige Behörde in Wahrnehmung ihrer Kompetenz über die Genehmigungsfähigkeit der Kernenergieanlage durch die Erteilung von atomrechtlichen Vorbescheiden, Teilgenehmigungen oder einer umfassenden Genehmigung grundsätzlich oder bereits abschließend positiv entschieden hat. Diese atomrechtlichen Entscheidungen ergehen zwar unbeschadet der Entscheidungen anderer Behörden, die für das Gesamtvorhaben aufgrund anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften erforderlich sind (. . . ). Sie sind aber, solange sie rechtswirksam sind, hinsichtlich der in ihnen ausgesprochenen atomrechtlichen Zulassungen für die anderen Behörden in der Weise verbindlich, daß diese Behörden für die in ihre Zuständigkeit fallenden Entscheidungen von der atomrechtlichen (Teil-) Genehmigung auszugehen haben."

Wenngleich die Grenzen der Bindungswirkung nicht deutlich ausgesprochen sind, so ist diese Entscheidung doch so zu verstehen, daß die Wasserbehörde an die atomrechtliche Genehmigung nur insoweit gebunden ist, als es um den Schutz vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen bzw. um die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den materiellen atomrechtlichen Vorschriften geht. Dagegen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß eine Bindungswirkung auch insoweit eintreten soll, als die atomrechtliche Genehmigungsbehörde gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG und § 14 AtVfG ihre Prüfung auf außer-atomrechtliche Gesichtspunkte erstreckt hat.4 Die Annahme einer fachlich beschränkten Bindungswirkung ist nicht nur mit dem "Separationsmodell", sondern auch mit der Konstruktion einer "überschießenden Prüfungspflicht" vereinbar. Die Differenzierung zwischen dem Prüfungs- und Entscheidungsumfang hat ja gerade den Sinn, eine weitergehende Prüfung zu ermöglichen, die über den engeren Bereich der verbindlichen Entscheidung hinausgeht. Eine Bindungswirkung kommt daher nur hinsichtlich des sektoral beschränkten Inhalts der verbindlichen Genehmigungsentscheidung in Betracht. Die Vorstellung einer sektoral beschränkten Bindungswirkung erscheint durchaus plausibel. Es stellt sich jedoch die Frage, wie eine solche Bindung rechtlich zu begründen ist. Nur in wenigen Fällen ist eine solche Bindungswirkung ausdrücklich angeordnet. Gemäߧ 21 BBauG/BauGB darf innerhalb von drei Jahren nach Erteilung einer Teilungsgenehmigung (§ 19 BBauG/BauGB) eine Baugenehmigung nicht 4 Dieses Verständnis wurde durch BVerwG, Urt. v. 19.1 2.1985- KKW Wyhl-, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (209 f.) bestätigt. Vgl. auch Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2793).

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

213

aus Gründen versagt werden, aus denen bereits nach§ 20 Abs. 1 BBauG/BauGB die Teilungsgenehmigung hätte versagt werden müssen. Das Teilungsgenehmigungsverfahren erfüllt somit nicht nur die Funktion einer frühzeitigen Sicherung der Bauleitplanung, sondern soll auch für den Eigentümer bzw. Erwerber eines Grundstücks eine sichere Vertrauensgrundlage dafür schaffen, daß sich seine Nutzungsabsicht später auch baurechtlich verwirklichen läßt. 5 Diese Bindungswirkung in bauplanerischer Hinsicht bleibt allerdings auf baurechtliche Genehmigungsverfahren beschränkt und gilt nicht auch im Verhältnis zu sonstigen Genehmigungsverfahren.6 Ob und inwieweit Verwaltungsakte für andere Verwaltungsverfahren und für andere Verwaltungsbehörden verbindlich sind, stellt ein bis heute noch weitgehend ungelöstes Problem dar. 7 Es würde zu weit führen, hier den gesamten Fragenkreis der Bindungswirkung von Verwaltungsakten zu behandeln. Was parallele Genehmigungsverfahren betrifft, so ist ein organisationsrechtlicher Ansatz, der von der Kompetenzordnung ausgeht, 8 von einem verwaltungsverfahrensrechtlichen Ansatz zu unterscheiden, der an die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts anknüpft. 9 Das Bundesverwaltungsgericht folgt in der zitierten Entscheidung offenbar dem ersteren Ansatz, indem es auf die bestehende gesetzliche Zuständigkeitsverteilung abhebt. Die gesetzliche Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten läßt in der Tat den Schluß zu, daß eine Genehmigungsbehörde nicht in den Zuständigkeitsbereich einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde eingreifen darf. Dies kann jedoch schon dadurch verhindert werden, daß sich Genehmigungsbehörden einer Entscheidung über parallele Genehmigungsbereiche enthalten (etwa im Sinne einer Separation der Prüfungsbereiche oder einer "überschießenden" Prüfungspflicht). Dagegen leuchtet nicht unmittelbar ein, weshalb sich daraus auch eine sektoral beschränkte Bindungswirkung von Genehmigungsentscheidungen ergeben soll. Um eine ausführliche Herleitung einer "Maßgeblichkeitswirkung" wirksa-

mer Verwaltungsakte aus der staatlichen Kompetenzordnung hat sich na-

mentlich Knöpfte bemüht. 10 Er geht davon aus, daß eine abgestimmte Stufenfolge von Bindungen sinnvoll ist, um "die Einheitlichkeit der Staatsgewalt zur Wirkung gelangen zu lassen" und um " die bestehende Verteilung der Ausübung hoheitlicher Funktionen auf einen hochdifferenzierten Behörs Vgl. Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg, BBauG, § 19 Rn. 15. 6 Vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 21.2.1986, UPR 1986, 269 (271) zur abfallrechtl. Genehmigung bzw. Planfeststellung und OVG Münster, Urt. v. 27.9.1982, NuR 1983, 324 zur waldrechtl. Umwandlungsgenehmigung. 7 V~!. z.B. Erichsen/Knoke in NVwZ 1983, 185 ff.; Knöpflein BayVBI 1982,225 ff.; Jarass (Fn. 2) , S. 69 ff., 79 f.; Klante (Fn. 1), S. 320 ff., 335 ff. 8 Vgl. Knöpfte (Fn. 7), S. 228 f., der von einem "kompetenziellen Ansatz" spricht. 9 Vgl. Erichsen/Knoke (Fn. 7). 10 Ebd., S. 225 f., 228 f. Vgl. auch Ortlaff (Fn. 1).

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

denapparat nicht völlig disparat erscheinen" zu lassen. Nach seiner Auffassung liegt der Kompetenzverteilung "die Vorstellung eines möglichst lückenlosen und in sich widerspruchsfreien Bezugssystems zugrunde, das von der wechselseitigen Beachtlichkeit hoheitlicher Akte auch außerhalb der hierarchischen Stränge ausgeht, soweit nicht ausnahmsweise ein Organ zur Kontrolle der Tätigkeit anderer bestellt ist ...". Von daher ist es nicht mehr weit zu dem "ungeschriebenen kompetenzrechtlichen Grundsatz", daß Gerichte und Verwaltungsbehörden im Interesse eines homogenen Systems der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt "im Verhältnis zueinander wie unter sich kompetenzgerechte Hoheitsakte in der Weise respektieren, daß sie die in ihnen getroffenen Regelungen ihren eigenen Entscheidungen zugrunde legen"Y Die Bindungswirkung wird dabei also weniger aus der Kompetenzverteilung als vielmehr aus dem Postulat der "Einheit der Verwaltung" hergeleitet. Bei dem Grundsatz der "Einheit der Verwaltung" handelt es sich jedoch um ein staats· und verwaltungspolitisches Leitbild und nicht um einen Rechts- oder Verfassungsgrundsatz, aus dem sich konkrete Rechtsfolgen ableiten ließenP Wenngleich die Verwaltung eine Einheit im Handeln anstreben sollte, so schließt das doch nicht aus, daß ein dynamisches Verwaltungsgeschehen auch von Spannungen und Konflikten zwischen parallel zuständigen Verwaltungseinheiten lebt. Die "Geschlossenheit bei der Förderung des Gemeinwohls durch den Staat 13 " erfordert einen inhaltlichen Konsens und läßt sich nicht einfach durch die Maßgeblichkeit früherer Verwaltungsentscheidungen herstellen. Eine einseitige Bindung an bereits vorliegende Entscheidungen gewährleistet im übrigen auch keine wechselseitige Abstimmung zwischen interdependenten Entscheidungen. Ist somit eine organisationsrechtliche Begründung der Bindungswirkung wenig überzeugend, so sollen nunmehr die verwaltungsverfahrensrechtlichen Begründungsansätze näher beleuchtet werden. Es kommen insbesondere die Rechtsfiguren der materiellen Bestandskraft, der Tatbestandswirkung und der Feststellungswirkung in Betracht. Ob und inwieweit Verwaltungsakten eine der materiellen Rechtskraft von Urteilen vergleichbare materielle Bestandskraft zukommt, ist höchst umstritten. 14 Das Bundesverwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die materielle Rechtskraft von Urteilen nicht ohne weiteres

Ebd., S. 228. Vgl. Abschn. 2.2 . 13 So Knöpfle (Fn. 7), S. 229. 14 Vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rd. 3, 5 ff.; Erichsen/Martens, in: dies., Allgerneines Verwaltungsrecht, § 16 (S. 223); Badura, ebd., § 41 V (S. 377 ff.); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 52 III a 2 (S. 446); Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 156; Erichsen/Knoke in NVwZ 1983, 185 ff. 11

12

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

215

auf Verwaltungsakte übertragen werden könne, weil dieses Rechtsinstitut der den Gerichten übertragenen Aufgabe entspreche, in einem besonders fö~mlichen und gründlichen Verfahren endgültig über Streitigkeiten zu entscheiden, um eine Befriedung herbeizuführen. 15 Was Genehmigungsverfahren betrifft, so fehlt diesen, wenn man von Planfeststellungsverfahren absieht, meist eine förmliche Ausgestaltung. 16 Es wurde auch bereits betont, daß Genehmigungen trotz ihrer "Doppelwirkung" gegenüber Antragstellern und Drittbetroffenen im Grunde keinen streitentscheideneu Charakter haben. 17 Selbst wenn man aber Genehmigungen eine materielle Bestandskraft zuerkennen wollte, müßte fraglich bleiben, ob die "subjektiven" Grenzen der Bestandskraft so weit zu ziehen sind, daß auch parallel zuständige Genehmigungsbehörden erfaßt werden, zu mal dann, wenn sie einem anderen Verwaltungsträger angehören. 18 Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts in dem Sinne, daß andere Behörden von der bloßen Tatsache seines Vorhandenseins auszugehen haben, dürfte allgemein anerkannt sein.19 Eine inhaltliche Bindung an den Regelungsgehalt des vorliegenden Verwaltungsakts oder gar an die ihm zugrunde liegenden Erwägungen und Feststellungen ist damit jedoch nicht verbunden. Aus der Tatbestandswirkung läßt sich daher nur ableiten, daß Genehmigungsbehörden die Existenz paralleler Genehmigungsentscheidungen beachten müssen, nicht jedoch, daß sie an diese - wenn auch sektoral beschränkt inhaltlich gebunden sind. Demgegenüber ist unter der Feststellungswirkung von Verwaltungsakten eine weitergehende Bindung an deren Regelungsgehalt oder sogar an die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Wertungen zu 15 Urt. v. 6.6.1975, E 48, 271 (276 f., 279). "Der im Institut der materiellen Rechtskraft liegende Ausgleich zwischen einerseits dem Interesse an der materiellen Richtigkeit der Entscheidung und andererseits dem Interesse an einem rechtsbeständigen Abschluß des Verfahrens l ann auf Verwaltungsakte allenfalls dann übertragen werden, wenn diese in einem Verfahren ergangen sind, das eine dem gerichtlichen Verfahren vergleichbareselbstverständlich auch nur relative - Gewähr für die Richtigkeit der Entscheidung bietet." (Ebd. S. 276}. Vgl. auch Wolff/Bachof (Fn. 14}, S. 446 f. 16 Eine Ausnahme bilden insoweit die förmlichen Genehmigungsverfahren nach § § 4, 10 BlmSchG und § 7 AtG. 17 Vgl. Absch. 2.2. 18 Grundsätzlich beschränkt sich die Bestandskraft auf das Verwaltungsrechtverhältnis zwischen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, und den Verfahrensbeteiligten. Vgl. Maurer (Fn. 14}, § 11 Rn. 8 (S. 212}; Wolff/Bachof (Fn. 14}, §53 lli c (S. 448); Jarass (Fn. 2), S. 70 f. Weitergehend dagegen: Kopp in DVBl 1983, 392 (400}, wohl auch Krause in GewArch 1980, 41 (45 f.}; Erichsen/Knoke (Fn. 7), S. 191. Indem parallel zuständige Genehmigungsbehörden im Verfahren eine Stellungnahme abgeben, werden sie formell noch nicht zu Beteiligten i.S. des § 13 VwVfG, vgl. Kopp, VwVfG, § 13 Rn. 44f. 19 Es bestehen allerdings erhebliche Unsicherheiten in der Terminologie. Vgl. Erichsen/ Martens (Fn. 14), § 13 (S. 203}; Weides (Fn. 14}, S. 156; Jarass (Fn. 2), S. 71 f.; Wolff/ Bachof (Fn. 14}, § 20 V a-c (S. 92 f.}; aber auch: Kopp, VwVfG, Rn. 26 ff. vor § 35; Schmalz, Allgemeines Verwaltungsrecht 1, S. 276.

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

verstehen. 20 Grundsätzlich kommt eine solche Feststellungswirkung einem Verwaltungsakt aber nur dann zu, wenn dies gesetzlich besonders bestimmt istY Im Genehmigungsrecht sind derartige Bindungen nur ausnahmsweise gesetzlich festgelegt. Namentlich bei der Baugenehmigung könnte jedoch die "Feststellungswirkung" gewohnheitsrechtlich anerkannt sein. 22 Seit der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts geht man davon aus, daß die Baugenehmigung die Feststellung enthält, daß dem Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehenY Durch Erteilung der Baugenehmigung soll also nicht nur die (formale) Verbotsschranke des Genehmigungsvorbehalts aufgehoben werden, sondern dem Bauherrn soll zusätzlich die materielle Rechtmäßigkeit seines Vorhabens bestätigt werden. 24 Ursprünglich hat das Preuß. Oberverwaltungsgericht mit seiner Definition der Baugenehmigung25 offenbar nur zum Ausdruck bringen wollen, daß das Recht zum Bauen nicht erst durch die Baugenehmigungsbehörde verliehen wird, sondern sich bereits aus der im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen bestehenden Baufreiheit ergibt und somit dem Genehmigungsverfahren gleichsam vorausliegt. Dementsprechend konnte das Gericht feststellen: 26 "Erteilt die Polizeibehörde nach vorgenommener Prüfung die Bauerlaubnis, so erklärt sie damit - abgesehen von etwaigen besonderen Auflagen - der Sache nach weiter nichts, als daß aus dem bestehenden und geltenden Recht ein Hindernis für die Ausführung des vorgelegten Projektes nicht zu entnehmen sei."

Hinter der Rechtsfigur der "Feststellungswirkung" steht also die Vorstellung, die Baugenehmigung ändere grundsätzlich nichts an der bestehenden Rechtslage und habe somit nur einen deklaratorischen Charakter. 27 Eine so 20 Vgl. Maurer (Fn. 14), § 11 Rn. 9; Erichsen/Martens (Fn. 14), § 13 (S. 203); Weides (Fn. 14), S. 156; Schmalz (Fn. 19), S. 278 f.; Knöpfle (Fn. 7), S. 227,229 f.;Jarass (Fn. 2), s. 71 f. 2! Vgl. außerdem BVerwG, Urt. v. 28.2.1963, E 15, 332 (3 34 f.). Vgl. als spezialgesetzliche Regelung z.B. § 18 AsylVfG. A.A. Kopp, VwVfG, Rn. 26 ff., bes. Rn. 29 vor § 35, wonach eine Bindung nur dann einer gesetzlichen Regelung bedarf, wenn sie über die Bindung an den Regelungsgehalt hinausgeht. Nach Wolff/Bachof (Fn. 14), § 53 III c (S. 448) soll die Reichweite der Feststellungswirkung eines feststellenden Verwaltungsakts jeweils durch Auslegung des zum Erlaß des Verwaltungsakts ermächtigenden Gesetzes zu ermitteln sein. Vgl. auch ebd., § 20 V b, c (S. 92 f.). 22 Vgl. BVerwG, Urt. v. 8.6.1979, E 58, 124 (127); OVG Berlin, Urt. v. 6.7.1968 , BRS 20 Nr. 193, S. 291 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Leonhardt, VwVfG, § 43 Rn. 9; Krause in GewArch 1980, 41 (46) ; Wolff /Bachof (Fn. 14), § 521II c (S. 448); Jarass (Fn. 2), S. 73 f. ; Ortlaff (Fn. 1), S. 1667 ff. 23 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 15.3.1967, E 26, 287 (288) sowie bereits Abschn. 1. bei Fn. 63f. Einschränkend dagegen BVerwG, Beschl. v. 11.10.1982, Buchholz 406.11 , § 29 BBauG Nr. 29. 2A Kritisch: Friauf in DVBl 1971, 713 (719 ff., 721 ). 25 Vgl. bereits Abschn. 1. bei Fn. 64. 26 PrOVG, Urt. v. 19.10.1879, E 5, 3 76 (379). Vgl. auch Urt. v. 18.3.1886, E 13,389 (394). 27 Vgl. z.B. Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 3 ; kritisch: Friauf, in : v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 580. Vgl. auch Baumanns, Verfahrensrecht und Praxis der Bauaufsicht, Rn. 270 m.w.N.

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

217

verstandene Feststellungswirkung bezieht sich darauf, daß die Baugenehmigung kein repressives, sondern nur ein präventives Verbot aufhebt 28 und damit lediglich ein schon bestehendes Recht zum Bauen bestätigt. 29 Gründe des Investitionsschutzes erfordern nicht die Annahme einer Feststellungswirkung.30 Was die heutzutage an die Baugenehmigung geknüpfte Bestandsschutzwirkung31 bzw. Legalisierungswirkung32 betrifft, die das Bauwerk und seine bestimmungsgemäße Nutzung gegen spätere Eingriffe absichert, erscheint es weder notwendig noch sinnvoll, diese Rechtsfolgen aus der "Feststellungswirkung" der Baugenehmigung abzuleiten. Zum einen kann sich die Feststellung in der Baugenehmigung nur auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem im Zeitpunkt der Genehmigung geltenden Recht beziehen33 und besagt damit nichts über die zukünftige Rechtslage und das weitere Schicksal des Bauwerks. Zum anderen genießen auch solche Bauwerke Bestandsschutz, die gar nicht genehmigt worden sind, wenn sie nur für einen gewissen Zeitraum materielllegal gewesen sind. 34 Namentlich in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Absicherung der Baufreiheit (vgl. Art. 14, Art. 2 Abs. 1 GG) kann man sich daher fragen, welchen Sinn es heute noch hat, der Baugenehmigung eine "Feststellungswirkung" zuzuschreiben. Es geht jedenfalls nicht an, dieser Feststellungswirkung dadurch einen neuen Anwendungsbereich zu erschließen, daß man aus ihr eine Bindungswirkung der Baugenehmigung gegenüber parallelen Genehmigungsverfahren herleitet. 35 Dies hätte mit dem ursprünglichem Sinn dieser Rechtsfigur nichts mehr zu tun. Eine derartige Methode müßte sich dem Vorwurf aussetzen, lediglich einen Begriff zu übernehmen und mit neuem Inhalt zu füllen. Abschließend ist daher festzuhalten, daß sich aus dem geltenden Recht eine Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden - auch wenn man sie sektoral beschränkt - nicht ohne weiteres herleiZu dieser Unterscheidung vgl. bereits Abschn. 1. Dementsprechend stellt auch Wahl in DVBl 1982, 51 (52f.) zutreffend fest: "Materiell betrachtet, teilt die Kontrollerlaubnis nichts zu, sie stellt lediglich fest." 30 Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2791) sieht jedoch hierin den Sinn der Feststellungswirkung. Es ist daher konsequent, daß er sie allen Genehmigungen zur Errichtung von Anlagen beimißt. 3! Vgl. BVerwG, Urt. v. 8.6.1979, E 58, 124 (127); OVG Berlin, Urt. v. 7 .6.1968, BRS 20 Nr. 193, S. 291 f.; Mang/Simon, BayBauO, Art. 91 Rn. 8 d; Friauf (Fn. 27), S. 580; ders. in DVB11971, 713 (722). 32 Vgl. BVerwG, Urt. v. 2.12.1977, E 55, 118 (120 ff.) und dazujarass in DöV 1978, 409; ders., Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 102 ff.; Martens in DVBl 1981, 597 (604 f.). 33 Vgl. bereits PrOVG, Urt. v. 19.10.1879, E 5, 376 (379). 34 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.1.1972, Buchholz 11, Art. 1466, Nr. 114, S. 135 (141). 35 So weit ist auch das BVerwG in seinem Urt. v. 8.6.1979, E 58, 124 (1 2 7) nicht gegangen, denn es hat aus der Feststellungswirkung nur eine Selbstbindung der Baugenehmigungsbehörde hergeleitet. Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 6 .6 .1975, E 48, 271 (276 f.) und Jarass (Fn. 2), S. 73 f. 28

29

218

5. Parallele Genehmigungsverfahren

ten läßt, und zwar weder aus der Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten oder dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung, noch aus der Bestandskraft, Tatbestandswirkung oder Feststellungswirkung von Genehmigungen.

5.1.2.3. Selbstbindung durch Stellungnahmen Mitunter wird die Ansicht vertreten, eine Genehmigungsbehörde sei an ihre eigene Stellungnahme gebunden, die sie in einem parallelen Genehmigungsverfahren abgegeben hat: 1 Habe sie in einem vorangegangenen Genehmigungsverfahren keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens geäußert, dann sei sie auch verpflichtet, später selbst einen entsprechenden Genehmigungsbescheid zu erteilen. In der Tat wird man wenig Verständnis dafür aufbringen können, daß eine Genehmigungsbehörde zunächst in einem parallelen Genehmigungsverfahren ihr Einverständnis mit dem Vorhaben erklärt und dann die von ihr zu erteilende Genehmigung dennoch versagt. Sofern sich in der Zwischenzeit nicht die Sach- oder Rechtslage geändert hat, muß entweder die Stellungnahme oder die eigene Genehmigungsentscheidung auf einer falschen Beurteilung beruhen. Gerade aus diesem Grund wird sich eine Genehmigungsbehörde an die in einem parallelen Genehmigungsverfahren abgegebene Stellungnahme faktisch gebunden fühlen. Andernfalls setzt sie sich u. U. sogar Amtshaftungsansprüchen aus. Auf jeden Fall wird sie es - wenn irgend möglich - vermeiden, sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten zu setzen. 2 Problematisch erscheint es jedoch, aus der vorangegangenen Stellungnahme bereits eine rechtliche Selbstbindung der Genehmigungsbehörde herzuleiten. Eine solche Selbstverpflichtung wäre der Sache nach ein Vorbescheid oder eine Zusicherung i.S. des § 38 VwVfG. 3 Eine Stellungnahme in parallelen Genehmigungsverfahren könnte dann nicht mehr als Verwaltungsinternum qualifiziert werden. Vielmehr müßte auch das auf die Abgabe der Stellungnahme gerichtete Verfahren den Anforderungen genügen, die an Verwaltungsverfahren im allgemeinen und an das 1 So Salzwedel, in : Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 (61, 64ff.); ders. in ZfW 1973, 85 (90ff.), der dies als "Vorausbindun!l" bezeichnet; ihm folgend: Breuer, in: Umwelt, Verfassung, Verwaltun~, S. 37 (47f.). Ähnlich: VG Schleswig, Urt. v. 22.1 2.1982, GewArch 1982, 223 (224); Michel/Kienzle, GastG, § 4 Rn. 38 (S. 155). Kritisch: Fischerhof in ZfW 1973, 92 ff. 2 Vt~l. Abschn. 3.1.2.4. u. 3.2.4. sowie Hoffmann-Riem in VVDStRL 40 (1982), 187 (200 f.). 3 Vgl. § 54 LBO BW, § 65 MBO '81, § 9 BlmSchG, § 7 a AtG. Zu etwaigen Unterschieden zwischen Zusicherung und Vorbescheid vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 30.3.1982 - KKW Wyhl -, DVBl 1982, 966 (Leits. 2); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 63; Scheuing in VVDStRL 40 ( 1982), 153 (169 f.) . Salzwedel (Fn. 1 ), S. 64 spricht davon, es müsse eine Vorausbindung "wie bei einer Zusicherung nach § 38 VwVfG" zugrunde gelegt werden.

5.1. Rechtsdogmatische Ansätze in Rechtsprechung und Literatur

219

betreffende Genehmigungsverfahren im besonderen gestellt werden (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 2 VwVfG). Nimmt man diese rechtsstaatliehen Anforderungen ernst, dann müßte eine parallel zuständige Genehmigungsbehörde praktisch bereits das eigene Genehmigungsverfahren durchführen, bevor sie eine Stellungnahme abgibt. Das Mitbeteiligungsverfahren würde dadurch aufwendiger und schwerfälliger, und eine zeitliche Abstufung zwischen parallelen Genehmigungsverfahren wäre erschwert. 4 Außerdem müßten Stellungnahmen dann auch der Anfechtung durch Drittbetroffene unterliegen. 5 Dies stünde aber im Widerspruch zur Dogmatik des "mehrstufigen Verwaltungsakts", wonach selbst die verwaltungsintern bindende Zustimmung bzw. das Einvernehmen einer am Verfahren beteiligten Behörde grundsätzlich keine Außenwirkung erlangt und nicht selbständig anfechtbar ist. 6

5.1. 2.4. Ermessensbindung Wenn die Erteilung der nachfolgenden Genehmigung im Ermessen der Genehmigungsbehörde steht, dann stellt sich allerdings noch die Frage, ob vorangegangene Entscheidungen zu rechtlichen Bindungen bei der Ermessensausübung führen. 1 Eine Einschränkung des Ermessensspielraums kann sich erstens daraus ergeben, daß die Genehmigungsbehörde eine von einer parallel zuständigen Behörde erteilte Genehmigung beachten muß. Die bei der Ermessensbetätigung vorzunehmende Abwägung ist an die vorgegebenen Fakten gebunden. Dazu gehört auch die Tatsache, daß eine parallele Genehmigung bereits erteilt worden ist - also deren "Tatbestandswirkung" -, sowie die Tatsache, daß sich das Vorhaben u.U. schon in einem bestimmten Stadium der Verwirklichung befindet. Eine weitergehende Einschränkung des Ermessensspielraums im Sinne einer Bindung an den Regelungsgehalt paralleler Genehmigungsentscheidungen wird man dagegen nur annehmen können, wenn und soweit der parallelen Genehmigungsentscheidung eine rechtliche Bindungswirkung zukommt. 2 4 Zu der umstrittenen Frage, ob auch schon an das "Subverfahren", das auf die Abgabe einer verwaltungsinternen Stellungnahme gerichtet ist, gewisse verfahrensrechtliche Anforderungen zu stellen sind, vgl. die Nachw. in Abschn. 3.3.2.6. s Vgl. Scheuing (Fn. 3 ), S. 168. 6 Vgl. die Nachw. in Abschn. 3.3.1.3. Fn. 6. 1 Zu den faktis chen Bindungen vgl. Abschn. 3.3.2.4. 2 Anders offenbar Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 50 zum Planungsermessen; wie hier dagegen Hoppe/Bunse in DVB11984, 1033 (1040 ff.). Teilweise wird allerdings auch die Ansicht vertreten, eine Behörde habe bei ihrer Ermessensausübung auf einen früher ergangenen Verwaltungsakt "tunlichst Rücksicht zu nehmen, um nicht das Vertrauen des Bürgers in die Einheitlichkeit und Kontinuität der Staatswillensbildung zu erschüttern" (so Schmalz, Allgemeines Verwaltungsrecht l, S. 279). Vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 18.7.1980, DVBl 1980, 1012 (1013 f.).

220

5. Parallele Genehmigungsverfahren

Es stellt sich dann noch zweitens die Frage, ob nicht die Genehmigungsbehörde selbst durch Abgabe einer Stellungnahme im parallelen Genehmigungsverfahren ihren eigenen Ermessenspielraum eingeschränkt hat. 3 Die Genehmigungsbehörde setzt durch Abgabe einer Stellungnahme Fakten, die sich auch auf das nachfolgende Genehmigungsverfahren auswirken. Die vorweg abgegebene Stellungnahme führt also zu einer faktischen Beeinträchtigung des Ermessensspielraums bei der nachfolgenden Genehmigungsentscheidung. Derartige faktische Festlegungen durch Abgabe einer Stellungnahme in parallelen Genehmigungsverfahren wird man als zulässig ansehen können; sie führen nicht automatisch zu einem Abwägungsfehler bei der nachfolgenden Ermessensentscheidung.4 Eine rechtliche Einschränkung des Ermessensspielraums durch eine vorweg abgegebene Stellungnahme - etwa im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null - wird man dagegen genausowenig annehmen können wie eine rechtliche Bindungswirkung von Stellungnahmen bei gebundenen Genehmigungsentscheidungen. Hielte sich die Genehmigungsbehörde dennoch aufgrund der von ihr abgegebenen Stellungnahme rechtlich für gebunden, so wäre dies als ein Ermessensfehler in der Form des Ermessensnichtgebrauchs zu bewerten.

5.2. Lösungsvorschlag: Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung Der Überblick über die in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Ansätze zur rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren dürfte gezeigt haben, welch weites Spektrum an Lösungsmöglichkeiten sich bietet. Allerdings liegen die verschiedenen Auffassungen im Ergebnis meist nicht so weit auseinander, wie die unterschiedlichen dogmatischen Ansätze vielleicht vermuten lassen. Die einzelnen Ansätze lassen sich leicht so modifizieren, daß nur noch graduelle Unterschiede verbleiben. Wenn so etwa der Ansatz der "Separation" durch eine Pflicht zur (verfahrensübergreifenden) "Evidenzprüfung" ergänzt wird, läuft dies praktisch auf das gleiche hinaus, wie wenn ausgehend vom Ansatz der "verfahrensübergreifenden Prüfung" die Anforderungen an die vorläufige Gesamtprüfung heruntergeschraubt werden. 1 3 4

(73).

Vgl. z.B. Bickel, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 185 (186, 190). Vgl. zu dieser Problematik BVerwG, Urt. v. 5.7.1974- Flachglas-, NJW 1975, 70

1 Vgl. auch Götz, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 177 (181 ). Auch macht es z.B. eher einen graduellen Unterschied, ob man an die positive Stellungnahme einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde im Rahmen der vorläufigen Gesamtprüfung keine rechtliche Bindungswirkung knüpft , aber dem Antragsteller im Falle eines fälschliehen positiven Gesamturteils einen Amtshaftungsanspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gibt, oder ob man die positive Stellungnahme als Zusicherung qualifiziert, deren

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

221

Gleichwohl handelt es sich bei der rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren nicht bloß um ein theoretisches Problem. Eine einheitliche, sichere und routinemäßige Handhabung paralleler Genehmigungsverfahren wird in der Praxis nur dann möglich sein, wenn Klarheit über die rechtliche Struktur des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems besteht und wenn die im einzelnen auftauchenden Fragen von einem festen rechtsdogmatischen Standpunkt aus beantwortet werden können. Die Rechtssicherheit trägt insofern auch zur Praktikabilität des Verfahrens bei. Sicherlich ist es problematisch, für alle Fälle des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten bei umweltrelevanten Vorhaben eine allgemeingültige Lösungsformel finden zu wollen. Die einzelnen fachgesetzlichen Genehmigungsvorbehalte und die zu genehmigenden Vorhaben sind zu unterschiedlich, als daß ein starres Lösungsmuster in jedem Fall zu einem brauchbaren Ergebnis führen könnte. Andererseits kann es auch nicht angehen, für jeden Fall des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten und für jede Art von Vorhaben eine besondere Zuordnung vorzunehmen. Ein einigermaßen gleichmäßiger Verwaltungsvollzug bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben wird sich nur erreichen lassen, wenn über die rechtliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren Klarheit besteht. Es bedarf daher allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsätze, an denen sich die im Einzelfall vorzunehmende Zuordnung orientieren kann. Abweichungen von dieser "Normallösung" müßten dann in jedem Fall besonders begründet werden. 5.2.1. Grundzüge der Lösung Die hier vertretene Lösung knüpft an den Lösungsansatz der "verfahrensübergreifenden Prüfung" an 1 und geht von dem Grundgedanken aus, daß die innerhalb des parallelen Verfahrenssystems zuerst entscheidende Behörde eine besondere Koordinationsverantwortung übernimmt. Diese hat die Pflicht, für eine verfahrensmäßige und inhaltliche Koordination der parallelen Genehmigungsverfahren Sorge zu tragen. Dabei ist sie auf die Mitwirkung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden angewiesen, welche ihrerseits zur Mitwirkung verpflichtet sind. Die Koordinierung durch die zuerst entscheidende Behörde geht allerdings nicht so weit, daß sie den anderen Behörden verbindliche Vorgaben in inhaltlicher oder verfahrensmäßiger Hinsicht setzen könnte. Die Eigenzuständigkeit der parallel zuständigen Genehmi-

Verbindlichkeit gemäß § 38 Abs. 3 VwVfG davon abhängt, daß keine wesentliche Veränderung der Sach- und Rechtslage eintritt, und die wegen der Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten (vgl. § 38 Abs. 2 VwVfG) letztlich darauf hinausläuft, daß die parallele Genehmigung ge~en Ersatz des Vertrauensschadens versagt werden kann. (Vgl. Scheuing in VVDStRL 40 (1982), S. 153 (165 ff., 177 f.)). I Vgl. Abschn. 5.1.1.5.

222

5. Parallele Genehmigungsverfahren

gungsbehörden wird also gewahrt und die Grenze zur Konzentration wird nicht überschritten. Wenn die zuerst entscheidende Genehmigungsbehörde eine vorläufige Gesamtprüfung unter Mitbeteiligung der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden durchführt, dann kann dadurch die notwendige Koordination zwischen den parallelen Genehmigungsverfahren herbeigeführt werden. Die zuerst erlassene Genehmigungsentscheidung kann dann eine brauchbare sachliche Grundlage für nachfolgende parallele Genehmigungsverfahren bilden, ohne daß es zu unsachgemäßen und unausgewogenen Entscheidungspräformierungen zu Lasten späterer Genehmigungsentscheidungen kommt. Welche Behörde jeweils zuerst entscheidet, hängt davon ab, in welcher Phase der Vorhabenverwirklichung die verschiedenen Genehmigungsvorbehalte ansetzen, in welcher Reihenfolge die Genehmigungsanträge gestellt werden und welche Zeit die einzelnen Genehmigungsverfahren in Anspruch nehmen. Die Koordinationsverantwortung trifft also primär immer diejenige Behörde, die die parallelen Genehmigungsverfahren - zeitlich gesehen - "anführt".

-Bestehen einer Regelungslücke Was die rechtsdogmatische Begründung dieser Lösung betrifft, so ist davon auszugehen, daß eine Regelungslücke hinsichtlich der rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren besteht. Das rechtliche Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander ist nur ausnahmsweise und dann auch nur partiell gesetzlich geregelt. Da das rechtliche Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren aber nicht offen bleiben kann, liegt eine Rechtslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des positiven Rechts vor. 2 Man könnte zunächst an eine Analogie zu den zahlreichen Regelungen denken, die eine Entscheidungskonzentration oder Zuständigkeitsbündelung vorsehen. Dem steht jedoch entgegen, daß der Gesetzgeber derartige Konzentrationsregelungen immer nur für bestimmte Genehmigungen getroffen hat. Selbst wenn er einmal eine umfassende Konzentration angeordnet hat (wie in § 13 BlmSchG), dann hat er bestimmte parallele Genehmigungen von der Konzentrationswirkung ausgenommen. Dies läßt nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber keine allumfassende Konzentration gewollt hat. Hinzu kommt, daß eine Konzentration ohne besondere gesetzliche Grundlage mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar wäre, weil dadurch die gesetzlichen Genehmigungsvorbehalte qualitativ verändert und der Sache nach Zuständig2 Vgl. allg. Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 134ff. m.w.N. (bes. Fn. 160 a aufS. 254) und speziell zu parallelen Genehmigungsverfahrenjarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 97 f.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

223

keitsverschiebungen in Abweichung von der gesetzlich festgelegten Zuständigkeitsordnung bewirkt würden. 3 Eine Analogie zu bestehenden Konzentrationsvorschriften müßte auch insoweit auf Schwierigkeiten stoßen, als sich aus diesen kaum allgemeine Rückschlüsse ziehen lassen, bei welchem Genehmigungsverfahren bzw. bei welcher Genehmigungsbehörde jeweils die Konzentration eintreten soll.

- Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung wie bei Erteilung einer Teilgenehmigung Als weiterführend erweist sich jedoch eine Analogie zu den Grundsätzen, die für Teilgenehmigungen bzw. gestufte Genehmigungsverfahren gesetzlich festgelegt sind. 4 Sowohl bei Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmi-

gungsverfahrens als auch bei einer zeitlichen Aufeinanderfolge paralleler Genehmigungen handelt es sich um Teilentscheidungen zur Genehmigung eines einheitlichen Gesamtvorhabens. Sowohl die Erteilung einer Teilgenehmigung innerhalb eines Genehmigungsverfahrens als auch die Erteilung einer Genehmigung vor anderen parallelen Genehmigungen bedeutet, daß ein einheitliches Gesamtvorhaben teilweise vorab genehmigt wird. Dabei stellen sich in rechtlicher und verwaltungspraktischer Hinsicht im Grunde die gleichen Probleme: 5

Einerseits besteht ein erhebliches praktisches Bedürfnis nach einer zeitlichen Stufung. Dem Vorhabenträger kann oftmals nicht zugemutet werden,

das gesamte Vorhaben bis zur letzten Verwirklichungsstufe detailliert durchzuplanen, bevor er einen Genehmigungsantrag stellt und mit der Verwirklichung des Vorhabens beginnt. Solange gewisse grundsätzliche Fragen nicht geklärt sind, wird es oftmals nicht sinnvoll sein, in einer bestimmten Richtung weiterzuplanen. Aber auch den Genehmigungsbehörden wird kaum daran gelegen sein, von vornherein mit einem fertig ausgearbeiteten Konzept des Vorhabenträgers konfrontiert zu werden. Zum einen könnten sie dann nicht mehr so leicht Änderungen an der Planung durchsetzen, zum anderen wären sie auch oftmals überfordert, eine vollständige Gesamtprüfung in ei-

3 Jarass (Fn. 2), S. 98 f. hält dagegen das Konzept der "modifizierbaren Konzentration" grundsätzlich für im Wege der Rechtsfortbildung verwirklichungsfahig, allerdings nur bei solchen Genehmigungen, die in einem vergleichsweise aufwendigen Genehmigungsverfahren ergehen. 4 Vgl. OVG Lüneburg, Beseht. v. 9.11.1982 - Zwischenlager Gorleben -, DVB11983, 185 (186) sowie bereits Beseht. v. 19.1.1981- Luftrettungsstation -, BauR 1981,267; VG Stade, Beseht. v. 11.9.1981- Zwischenlager Gorleben -, ET 1981, 891 {892). Ablehnend: BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl -, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (210); OVG Lüneburg, Beseht. v. 29.12.1981 - Zwischenlager Gorleben -, NVwZ 1982, 256 (261); Straßburg in ET 1981, 893 (895 f.); ders., in : 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 125 (132 Fn. 26). Vgl. bereits Abschn. 5.1.1.5. bei Fn. 24. Zu dem Problemkreis administrativer "Teilentscheidungen" vgl. auch Martens in NVwZ 1984, 556 (559 f.). 5 Dies erkennt auch Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2789) an.

224

5. Parallele Genehmigungsverfahren

nem Schritt durchzuführen. Gerade bei Großvorhaben, deren Realisierung sich über mehrere Jahre erstreckt, erscheint es sachgerecht, auch die Planung und Genehmigung zeitlich zu strecken. Planung, Genehmigung und Durchführung laufen dann für das Gesamtvorhaben nicht in drei Schritten hintereinander ab, sondern die Planungs-, Genehmigungs- und Durchführungsphasen für verschiedene Teile des Gesamtvorhabens können sich zeitlich überschneiden. Dies hat auch den Vorteil der Aktualität, indem z.B. Fortschritte in Wissenschaft und Technik in späteren Verfahrensabschnitten noch berücksichtigt werden können. Außerdem wird durch die Verfahrensstufung eine Abschichtung des Entscheidungsproblems und damit eine Komplexitätsreduktion ermöglicht. Andererseits werfen zeitliche Stufungen aber auch Probleme auf, vor allem was die Entscheidungspräformierung durch die im voraus ergehende Genehmigungsentscheidung betrifft. Es besteht die Gefahr, daß vollendete Tatsachen geschaffen und nachfolgende Verfahren bzw. Verfahrensabschnitte entwertet werden. Als problematisch erweist sich vor allem der effektive Rechtsschutz für Drittbetroffene sowie der Vertrauens- und Investitionsschutz für den Vorhabenträger: 6 Durch eine vorab erteilte Genehmigung wird der Vorhabenträger zumeist zu Investitionen veranlaßt, sei es für die weitere Planung, sei es für die Durchführung des Vorhabens. Er erwartet dabei, daß er das gesamte Vorhaben so wie geplant verwirklichen kann. Er hat daher nicht nur ein Interesse daran, möglichst frühzeitig mit der Realisierung seines Vorhabens beginnen zu können, sondern auch daran, möglichst frühzeitig eine gesicherte Rechtsgrundlage für das gesamte Vorhaben zumindest in seinen grundlegenden Auslegungsmerkmalen zu erhalten. Eine später erzwungene Änderung oder gar Blockierung des Vorhabens wird oft zu unverhältnismäßigen Aufwendungen führen oder bereits getätigte Investitionen nutzlos werden lassen. Umgekehrt müssen Drittbetroffene befürchten, daß nachfolgende Genehmigungsentscheidungen durch eine im voraus erteilte Teilgenehmigung bzw. parallele Genehmigung zumindest faktisch präformiert werden, so daß sie selbst schließlich von aufeinanderfolgenden Genehmigungen überrollt werden, deren Ausmaß sie im ersten entscheidenden Genehmigungsverfahren vielleicht noch gar nicht erkennen konnten und gegen die sie sich auch mit Hilfe der Verwaltungsgerichte nicht mehr effektiv zur Wehr setzen können. 7 Bei der zeitlichen Stufung von Genehmigungsverfahren ergibt sich somit ein Interessenkonflikt und ein Wertungsproblem: Zum einen läßt sich die Entscheidungsaufgabe vereinfachen und die Genehmigung und Verwirkli6 Zu dieser mit der Teilgenehmigungspraxis verbundenen "janusköpfigen Gefahr" vgl. z.B. Mayer-Tasch in APUZ 17/1978, S. 20 (28). 7 Zum Vorstehenden vgl. bereits Absch. 3.3.2.6.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

225

chung des Vorhabens beschleunigen, wenn man auf der ersten Genehmigungsstufe möglichst viele Fragen ausklammert und späteren Entscheidungen vorbehält. Zum anderen läßt sich eine sichere Rechtsgrundlage für die Investitionen des Vorhabenträgers nur dadurch schaffen und ein effektiver Rechtsschutz für die Drittbetroffenen nur dadurch gewährleisten, daß alle wesentlichen Fragen der Zulässigkeit des gesamten Vorhabens bereits auf der ersten Genehmigungsstufe abgeklärt werden. Für dieses Problem hält der Gesetzgeber in § 8 BlmSchG und in § 18 AtVfV eine Lösung bereit: Auf Antrag kann eine Teilgenehmigung erteilt werden, wenn eine vorläufige Prüfung ergibt, daß die Genehmigungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Errichtung und den Betrieb der gesamten Anlage vorliegen werden, und sofern ein berechtigtes Interesse an der Erteilung einer Teilgenehmigung besteht. Die Voraussetzungen, unter denen andere Genehmigungen, insbesondere die Baugenehmigung, in einem gestuften Verfahren erteilt werden können, sind gesetzlich nicht so klar festgelegt, doch gehen Rechtsprechung und Literatur ähnliche Wege wie beim immissionsschutzrechtlichen und atomrechtlichen Genehmigungsverfahren. 8 Die Regelungen in § 8 BlmSchG und § 18 AtVfV wird man als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens ansehen können. So waren z.B. für die nach §§ 16 ff. GewO a.F. genehmigungsbedürftigen Anlagen Teilgenehmigungen gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen. Dennoch bildete sich eine Teilgenehmigungspraxis heraus, die von der Rechtsprechung gebilligt wurde und die der Gesetzgeber in § 8 BlmSchG gesetzlich festgeschrieben hat. 9 Wenn auch im Hinblick auf das in den genannten Vorschriften geforderte "vorläufige positive Gesamturteil" auch durch das Wyhl-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts10 noch längst nicht alle Zweifelsfragen geklärt sind, 11 s Vgl. § 61 LBO BW, § 70 MBO '81; OVG Münster, Urt. v. 24.8.1979, BRS 35 Nr.150; VGH Kassel, Urt. v. 23.5.1969, BRS 22 Nr. 159 S. 227; Schlotterbeckfv. Arnim, LBO BW, § 61 Rn. 5; Friauf, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 597; Baumanns, Verfahrensrecht und Praxis der Bauaufsicht, Rn. 263 ff. Vgl. allerdings auch OVG Lüneburg, Beseht. v. 29.12.1981- Zwischenlager Gorleben - , NVwZ 1982, 256 (261). 9 Vgl. BVerwG, Urt. v. 29.3.1966, E 24, 23 (27 f.); Urt. v. 24.4.1969, DVBl 1970, 215 (216); Urt. v. 16.3.1972- KKW Würgassen -, DVB11972, 678 (679);dazu Schwarzein DOV 1973,700 {703 f.); vgl. ferner: Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rn. 7 a; Schmidt-Aßmann, in: Festgabe BVerwG, S. 569 (574f.) ; Martens in NVwZ 1982,480 (484); Kopp, VwVfG, § 9 Rn. 37 f.; 43; Meyer/Borgs, VwVfG, § 74 Rn. 37; Feldbaus, BlmSchG, § 8 Rn. 1; Stich/Porger, BlmSchG, § 8 Rn. 1; Bulling/Finkenbeiner, WG BW, § 16 Anm. 1 f. 1o Urt. v. 19.12.1985, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (209 ff.). II Vgl. Rengeling in DVBI 1986, 265 (270 f.) sowie z.B. VGH Mannheim, Beseht. v. 8.10.1975- KKW Wyhl -, DVBI 1976, 538 (548 f.); Beseht. v. 26.2.1979, DOV 1979, 521 (523 f.); Urt. v. 30.3.1982- KKW Wyhl -, DVBl 1982, 966 {Leits. 5); OVG Lüneburg, Beseht. v. 17.10.1977, DVBl 1978, 67ff. (sowie die Nachw. in folgender Fn.); Breuer, in: 6. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 243 (246, 248 ff.); Hansmann, ebd. S. 263 (269 ff.); Rengeling in NVwZ 1982, 217ff.; Jarass in UPR 1983, 241 ff.; Degenhart in ET 1983, 230 (239); v. MutiusjSchoch in DVBl 1983, 149 ff.; Feldbaus, BlmSchG, § 8 Rn. 7; Stich/Porger, BlmSchG, § 8 Rn. 10; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, 15 Wagner

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

so liegt darin doch ein richtiger Ansatzpunkt, der auch für das Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander fruchtbar gemacht werden kann: Danach ist bereits auf der ersten Verfahrensstufe eine grundsätzliche Vorabklärung des gesamten Vorhabens erforderlich. Zumindest dann, wenn man der vorläufigen Gesamtprüfung insoweit drittschützenden Charakter verleiht, als sie sich auf die Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit drittschützenden Normen bezieht/ 2 ist damit eine Lösung gegeben, die nicht nur den Interessen des Antragstellers, sondern auch denen der Drittbetroffenen Rechnung trägt. Bevor dieser gesetzliche Lösungsansatz auf parallele Genehmigungsverfahren übertragen werden kann, sind außer den Gemeinsamkeiten auch die Unterschiede herauszustellen, die zwischen Stufungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens einerseits und Stufungen zwischen parallelen Genehmigungsverfahren andererseits bestehen: Zum einen ändern Stufungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens nichts daran, daß es sich um ein einziges Genehmigungsverfahren handelt, das lediglich phasenspezifisch ausdifferenziert ist, 13 während es sich bei den parallel-gestuften Genehmigungsverfahren um mehrere Genehmigungsverfahren handelt. Neben diesem eher formalen Unterschied bestehen auch sachliche Unterschiede. Den parallel-gestuften Genehmigungsverfahren liegt nämlich nicht nur eine phasenspezifische, sondern auch eine sektorale Ausdifferenzierung zugrunde. Wenngleich sich sektorale Ausdifferenzierungen häufig auch innerhalb von Genehmigungsverfahren finden, so besteht bei parallelen Genehmigungsverfahren doch insofern eine Besonderheit, als die verschiedenen sektoralen Prüfungsbereiche auf verschiedene Genehmigungsverfahren und auf verschiedene Genehmigungsbehörden aufgeteilt sind. Der Aufspaltung der Verfahren und der Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten muß auch bei einer Übertragung der für gestufte Genehmigungsverfahren geltenden Rechtsgrundsätze Rechnung getragen werden: Zum einen ist aus der Verfahrensaufspaltung die Folgerung zu ziehen, daß eine getrennte Erteilung paralleler Genehmigungen kein besonderes "berechtigtes Interesse" voraussetzt, weil darin keine Abweichung vom Normalfall GewO und ergänzende Vorschriften, Bd. 3, § 8 BlmSchG Rn. 13, 15ff.; Sellnerin NJW 1975, 801 (802 f.); Salzwedel in ZfW 1973, 85 (87 ff.); Schmidt-Aßmann (Fn. 9), S. 575 ff.; lpsen in AöR 107 (1982), 259 (275ff.); Scheuing in VVDStRL 40 (1982) 153 (1 70 f., 176 ff.). 12 So BVerwG (Fn. 10), S. 210f.; OVGLüneburg,Beschl.v.29.12.1981-Zwischenlager Gorleben -, NVwZ 1982, 256 (261); Urt. v. 29.12.1984- KK.W Brokdorf -, DVBI 1984, 887 (889); Schwarze in DOV 1973,700 (702 f.); Obenhaus, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 73 (78). 13 Vgl. § 11 BlmSchG ("im weiteren Verfahren") sowie VG Düsseldorf, Urt. v. 10.4. 1984, UPR 1985, 71 (Leits. 1 ); Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 286 m.w.N.; Hansmann (Fn. 11), S. 266; v. Mutius/Schoch in DVBI 1983, 149 (151); Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 41ll 7, S. 368.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

227

liegt, die einer besonderen Rechtfertigung bedürfte. Es ist nämlich nicht davon auszugehen, daß parallele Genehmigungen grundsätzlich gleichzeitig erteilt werden müssen. 14 Zum anderen ist aus der Aufteilung der Genehmigungszuständigkeiten zu schließen, daß die "vorläufige Gesamtprüfung" nicht zu einer partiellen Konzentration der Entscheidungsbefugnisse bei einer der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden führen darf. Beim "vorläufigen positiven Gesamturteil" innerhalb eines gestuften Genehmigungsverfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht eine "eingeschränkte Bindungswirkung" für die weiteren V erfahrensahschnitte angenommen. 15 Im Verhältnis parallel zuständiger Genehmigungsbehörden zueinander darf es jedoch eine solche rechtliche Bindung nicht geben. Dies wäre nämlich nicht mehr bloß eine Selbstbindung der Genehmigungsbehörde, sondern eine Fremdbindung, durch die andere Genehmigungsbehörden innerhalb ihres eigenen Zuständigkeitsbereichs gebunden würden. 16 Das vorläufige Gesamturteil darf deshalb im Hinblick auf parallele Genehmigungsbereiche nicht zum feststellenden Gehalt der Genehmigungsentscheidung gerechnet und mit Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden ausgestattet werden. 17 Eine derartige Bindungswirkung würde auch den effektiven Rechtsschutz Drittbetroffener gefährden. Eine analoge Anwendung der materiellen Präklusionsvorschriften des § 11 BlmSchG und des § 7 b AtG auf parallele Genehmigungsverfahren muß schon mit Rücksicht auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG ausscheiden. Sind somit Einwendungen Drittbetroffener auch dann noch zu berücksichtigen, wenn sie dem vorläufigen positiven Gesamturteil widersprechen, das bereits in einem parallelen Genehmigungsverfahren getroffen worden ist, dann ist sinnvollerweise auch keine Bindung der Genehmigungsbehörde an das Ergebnis der vorläufigen Gesamtprüfung in einem parallelen Verfahren anzunehmen. Wegen dieser sachlich gebotenen Symmetrie von Bindungs- und Präklusionswirkung hat Jarass für gestufte Genehmigungsverfahren den Grundsatz entwickelt, daß die Bindungswirkung des vorläufigen Gesamturteils nur so weit reiche wie die Präklusionswirkung.18 Es ist daher nur konsequent, wenn im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander nicht nur die Präklusion, sondern auch die Bindungswirkung des vorläufigen Gesamturteils entfällt. Vgl. Abschn. 5.1.1.1. Urt. v. 19.12.1985 (Fn. 10), S. 210. 16 Eine dogmatisch genaue Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdbindung nimmt Klante, Erste Teilerrichtungsgenehmigung und Vorbescheid im Atomrecht, S. 320 ff., 326 ff., 335 ff. vor. 17 Das verfahrensübergreifende vorläufige Gesamturteil ist daher nur ein "Begründungselement" der Genehmigungsentscheidung, vgl. Klante (Fn. 16), S. 327, 337f. Vgl. jedoch OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982 - Zwischenlager Gorleben -, DVBI 1983, 185 (186 f.) und dazu Abschn. 5.1.1.5. 18 Vgl.Jarass in UPR 1983,241 ff. 14

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15*

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Das Bundesverwaltungsgericht hat nun allerdings in seinem Wyhl-Urteil eher beiläufig - bemerkt, das vorläufige positive Gesamturteil beziehe sich nicht auf weitere, für das Vorhaben erforderliche Parallelgenehmigungen. 19 So wie das Gericht das vorläufige positive Gesamturteil für gestufte Genehmigungsverfahren definiert hat (es beruhe auf keiner minder intensiven Prüfung, gehöre zum feststellenden Gehalt der Genehmigung und entfalte eine nach Maßgabe seiner Vorläufigkeit eingeschränkte Bindungswirkung), eignet es sich in der Tat nicht zur Übertragung auf parallele Genehmigungsverfahren. Dies schließt es aber nicht aus, die diesem Rechtsinstitut zugrunde liegenden Rechtsgedanken zur Koordination paralleler Genehmigungsverfahren heranzuziehen. Vielleicht sah das Gericht auch die in § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG ausdrücklich angeordnete Verpflichtung der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde zu einer fachübergreifenden Prüfung der Standorteignung als ausreichend an, um eine verfahrensübergreifende Koordination zu gewährleisten. Für Drittbetroffene hat diese Lösung allerdings gravierende Nachteile, da § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG nach der h.M. keinen Drittschutz vermitteln soll. 20

- Pflicht zur Verfahrensbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden Aber auch wenn man dem vorläufigen Gesamturteil keine rechtliche Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden beimißt, können nachfolgende Genehmigungsentscheidungen faktisch präformiert werden. Auch bei einem unverbindlichen vorläufigen Gesamturteil läßt sich nicht ausschließen, daß parallele Zuständigkeitsbereiche ausgehöhlt werden. Dem läßt sich vorbeugen, wenn parallel zuständige Genehmigungsbehörden bereits im vorangehenden Genehmigungsverfahren Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt geltend zu machen. Zur \Vahrung der Zuständigkeitsordnung ist daher eine Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden am Verfahren erforderlich. Eine solche Verfahrensmitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden dürfte schon deshalb geboten sein, weil die Genehmigungsbehörde überfordert wäre, wenn sie ganz auf sich selbst gestellt im Rahmen der vorläufigen Gesamtprüfung auch parallele Genehmigungsbereiche mitprüfen A.a.O. (Fn. 10}, S. 209 f. Diese Auffassung scheint den Wortlaut ("öffentliche Interessen"} für sich zu haben. Es ist aber zu beachten, daß die angeführten öffentlichen Interessen durch fachgesetzl. Bestimmungen konkretisiert werden, und zwar auch durch drittschützende Normen. Soweit es um die Prüfung der Einhaltung solcher nachbarschützenden Vorschriften geht (insbesondere auf den Gebieten des Wasser- und Immissionsschutzrechts}, ist daher nicht einzusehen, daß diese Prüfung nicht auch dem Schutz der Nachbarn zu dienen bestimmt sein soll. 19

20

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

229

müßte. Wegen ihrer begrenzten Arbeitskapazität und vor allem auch wegen ihrer beschränkten Fachkunde ist sie darauf angewiesen, parallele Prüfungs· hereiche von den insoweit speziell zuständigen und fachlich kompetenteren Genehmigungsbehörden prüfen zu lassen und deren Prüfungsergebnisse zu übernehmen. Auf diese Weise bleiben auch die Vorteile der Arbeitsteilung und Spezialisierung erhalten. Die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung und das Beteiligungsverfahren stehen im Verhältnis wechselseitiger Ergänzung: Zum einen ließe sich eine vorläufige Gesamtprüfung kaum ohne die Unterstützung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden vornehmen, und zum anderen müßte das Beteiligungsverfahren weitgehend funktionslos bleiben, wenn dabei nicht eine vorläufige Gesamtprüfung des Vorhabens erfolgen könnte. 21 Eine Verpflichtung zur Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden ergibt sich im übrigen bereits aus dem Rechtsgrundsatz, daß Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich berührt wird, am Genehmigungsverfahren zu beteiligen sind.

- Bedeutung der Offnungsklauseln Gegen die Übertragung der für gestufte Genehmigungsverfahren geltenden Grundsätze auf parallele Genehmigungsverfahren könnte eingewendet werden, daß der Gesetzgeber durch die Statuierung einzelner Genehmigungsvorbehalte in den verschiedenen Fachgesetzen eine fachliche bzw. sektorale Aufteilung der Gen~hmigungsbereiche vorgenommen hat, die durch eine fachübergreifende , ,vorläufige Gesamtprüfung" nicht unterlaufen werden dürfe. Der Gesetzgeber hat jedoch die verschiedenen Genehmigungsbereiche nicht systematisch voneinander abgegrenzt. Nicht nur, was die rechtliche Regelung, sondern auch, was den tatsächlichen Regelungsgegenstand betrifft, bestehen vielfältige Verflechtungen zwischen den parallelen Genehmigungsbereichen. Bei den meisten Genehmigungsvorbehalten ist außerdem nicht nur eine Prüfung des genehmigungsbedürftigen Vorhabens am Maßstab der speziellen fachgesetzlichen Vorschriften vorgeschrieben, sondern auch eine Prüfung hinsichtlich der Vereinbarkeit des Vorhabens mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Durch derartige Öffnungsklauseln wird eine isolierte und sektoral eng begrenzte Prüfung unter Außerachtlassung anderer fachgesetzlicher Bereiche vermieden. Es erfolgt eine Offnung gegenüber anderen Regelungsbereichen in der Weise, daß auch Belange, die in anderen Fachgesetzen eine spezielle Regelung gefunden haben, im Genehmigungsverfahren Berücksichtigung finden.

21

Vgl. Abschn. 5.1.1.4.

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Meistens enthalten Öffnungsklauseln eine Generalverweisung auf "sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften" (z.B. § 6 Nr. 2 BimSchG, §59 Abs. 1 Satz 1 LBO BW, § 69 Abs. 1 MBO '81). Man kann insofern von einer "Generalprüfungsermächtigung" sprechen. In anderen Vorschriften heißt es, daß dem Vorhaben keine Gründe des "Wohls der Allgemeinheit" oder sonstige "öffentlichen Interessen" entgegenstehen dürfen. So ist etwa gern. § 6 WHG die wasserrechtliche Erlaubnis bzw. Bewilligung zu versagen, soweit von der beabsichtigten Benutzung eine "Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit" zu erwarten ist. Solche oder ähnliche "Gemeinwohlklauseln" finden sich z.B. auch in § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG, § 6 Abs. 1 Nr. 8 StrlSchV, § 4 Abs. 1 Nr. 3 GastG und § 9 Abs. 1 BWaldG sowie bei den meisten repressiven Verboten mit Befreiungsvorbehalt.22 Eine Öffnung gegenüber fachfremden Belangen findet auch dann statt, wenn Genehmigungsvorbehalte in Anlehnung an die polizeiliche Generalklausel bestimmen, daß das Vorhaben "die öffentliche Sicherheit oder Ordnung" nicht beeinträchtigen darf (vgl. z.B. § 6 Abs. 2 Satz 2 LuftVG). Nichts anderes kann schließlich auch dann gelten, wenn der Genehmigungsbehörde ein Ermessen eingeräumt ist, das nicht auf die Wahrung fachgesetzlicher Belange beschränkt ist. 23 Letzteres ist namentlich beim Planungsermessen der Fall. 24 Die genannten "Gemeinwohlklauseln" ermächtigen die Genehmigungsbehörde allerdings nicht dazu, ihre eigenen Gemeinwohlvorstellungen an die Stelle derjenigen Wertungen zu setzen, die der Gesetzgeber bereits in anderen Fachgesetzen getroffen hat. Die Genehmigungsbehörde muß vielmehr die in anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zum Ausdruck kommende sektorale Konkretisierung des Gemeinwohls durch den Gesetzgeber beachten. Dies folgt aus der Gesetzesgebundenheit der Verwartung (Art. 20 Abs. 3 GG).25

22 Vgl. z.B. § 9 Abs. 8 FStrG, § 31 Abs. 2 BBauG/BauGB, §57 Abs. 4 LBO BW, § 62 Abs. 1 NatSchG BW. 23 Sofern der Genehmigungsbehörde bei präventiven Verboten mit Erlaubnisvorbehalt ein Ermessen eingeräumt ist (vgl. z.B. § 7 AtG, § 6 WHG), wird zumeist eine restriktive Auslegung vertreten, wobei der Zweck der Ermessensermächtigung (vgl. § 40 VwVfG) auf die Zweckrichtung des jeweiligen Fachgesetzes (z.B. § 1 AtG) zurückgeführt wird (so z.B. BVerfG, Beschl. v. 8.8.1978 - Kaikar -, E 49, 89 (147)). Wenn jedoch bei einem Genehmigungsvorbehalt nicht schon eine Öffnungsklausel besteht, die auf das "Wohl der Allgemeinheit" bzw. auf ,,sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften" Bezug nimmt (wie § 7 Abs. 2 Nr. 6 AtG, § 14 AtVfV, § 6 WHG), liegt es nahe, daß im Rahmen der Ermessensausübung auch zu prüfen ist, ob dem Vorhaben sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Zum "Prinzip der gesetzeskonformen Ermessensbetätigung" vgl. auch Henseler in DVBI 1982, 390 (396) m.w.N. 24 Vgl. z.B. Wahl in DVBl 1982, 51 (53, 55 f.). 2s Außerdem handelt es sich, wenn die Vereinbarkeil eines Vorhabens mit dem Wohl der Allgemeinheit als Genehmigungsvoraussetzung zu prüfen ist, beim "Wohl der Allgemeinheit" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Vgl. nur Breuer, in: Bitburger Gespräche 1983, S. 65 (71 f.) m.w.N. Zur stufenweisen Konkretisierung des Gemeinwohls im politischen Prozeß, bei der Gesetzge-

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

231

In diesem Sinne sind wohl auch neuere Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts26 und des Bundesverfassungsgerichts27 zu verstehen, die sich um eine restriktive Interpretation derartiger "Gemeinwohlklauseln" bemühen. So hat das Bundesverwaltungsgericht bei einer privatnützigen Planfeststellung gern. § 31 WHG für einen Baggersee ("Naßauskiesung") als Prüfungsmaßstab § 6 WHG herangezogen28 und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß eine wasserrechtliche Ausbaumaßnahme das Wohl der Allgemeinheit aus anderen als wasserwirtschaftliehen Gründen immer dann beeinträchtigt, wenn sie "zwingenden Vorschriften der außerhalb des Wasserrechts für sie maßgebenden Rechtsmaterien" widerspricht. 29 In dem zu entscheidenden Fall war daher die Frage, ob der geplante Baggersee Belange des Landschaftsschutzes beeinträchtigt, ausschließlich am Maßstab des Naturund Landschaftsschutzrechts zu prüfen. Dieses engere Verständnis der Gemeinwohlklauseln, das rechtsstaatliehen und demokratischen Erfordernissen Rechnung trägt, bedeutet nun allerdings nicht, daß die Genehmigungsbehörde jeweils nur noch die "eigenen" fachgesetzlichen Belange berücksichtigen dürfte. 30 Vielmehr hat sie auch fachfremde Belange einzubeziehen, indem sie das Vorhaben auf seine Vereinbarkeit mit sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften überprüft. Dagegen ist es ihr regelmäßig verwehrt, andere Maßstäbe anzulegen, als in den jeweils einschlägigen Fachgesetzen vorgesehen sind. Man wird in den Öffnungsklauseln außerdem eine positivrechtliche Ausprägung des rechtsstaatliehen Grundsatzes der Gesetzesgebundenheit der Verwaltung sehen können (Art. 20 Abs. 3 GG). 31 Mit diesem Grundsatz ließe es sich schwerlich vereinbaren, wenn die Verwaltung ein Vorhaben genehmigen dürfte, von dem sie annehmen muß, daß es gegen gesetzliche Vorschriften verstößt. 32

bung und bei der F.echtsanwendung, vgl. z.B. aus politikwissenschaftlicher Sicht, Steffani, in: Guggenberger/Kempf, Bürgerinitiativen und repräsentatives System, S. 55 ff. , 58 ff., 64. 26 Urt. v. 10.2.1978- Naßauskiesung -, E 55,220 (229) = ZfW 1978,363. 27 Beschl. v. 15.7.1981- Naßauskiesung -, E 58,300 (347 f.). 28 Bei der privatnützigen wasserrechtlichen Planfeststellung ist die Zulässigkeit eines privaten Ausbauvorhabens nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen, wie sie im Erlaubnis- bzw. Bewilligungsverfahren für eine Gewässerbenutzung gelten. Vgl. BVerwG (Fn. 26), s. 227 ff. 29 A.a.O. (Fn. 26), S. 229, 230. 30 Ebenso Stortz in ZfW 1979, 4 7 (48 ff.); Breuer (Fn. 25), S. 74 f., 76 ff.; VGH Mannheim, Urt. v. 19.7.1979, ZfW 1980,309 (310),jeweils zu§ 6 WHG. A.A. z.B. Evers, Das Recht der Energieversorgung, S. 108 ff. zu § 4 Abs. 2 Satz 2 EnWiG. 31 Vgl. Obenhaus (Fn. 12), S. 7 7 f., der in öffnungsklausein im Grunde nur die deklaratorische Hervorhebung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sieht. 32 Vgl. auch OVG Lüneburg, Urt. v. 15.2.1979, ZfW 1980, 303 (305), das insoweit auf den Grundsatz der "Einheit der Rechtsordnung" verweist.

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Behörden sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben keineswegs von der Beachtung derjenigen Gesetze freigestellt, die nicht speziell für den ihnen übertragenen Aufgabenbereich erlassen worden sind. Der Grundsatz des "Vorrangs des Gesetzes" gilt vielmehr unabhängig von der Zuständigkeitsaufteilung.33 Insofern ist zwischen dem" Vollzug" und der bloßen "Beachtung" von Rechtsvorschriften zu unterscheiden.34 DieBeachtenspflicht geht über den eigentlichen Zuständigkeitsbereich hinaus. Die Genehmigungsbehörde "vollzieht" lediglich den ihr zur Ausführung zugewiesenen fachgesetzlichen Genehmigungsvorbehalt; im Rahmen der vorläufigen Gesamtprüfung hat sie jedoch auch fachfremde Gesetze zu "beachten". 35 Eine vorläufige Gesamtprüfung ist daher auch dann unbedenklich, wenn sie z.B. dazu führt, daß eine Bundesbehörde Landesrecht beachten bzw. mitprüfen muß oder umgekehrt eine Landesbehörde Bundesrecht, welches an sich in bundeseigener Verwaltung zu vollziehen ist. 36 Neben den Rechtsgrundsätzen gestufter Genehmigungsverfahren rechtfertigt somit auch der Grundsatz der fachübergreifenden Öffnung von Genehmigungsverfahren eine vorläufige Gesamtprüfung im Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander. 37

-Ergebnis Als Ergebnis der bisherigen Ausführungen läßt sich somit folgender Rechtsgrundsatz formulieren: Sind für ein Vorhaben mehrere Genehmigungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich, so soll eine Genehmigung, solange andere Genehmigungen noch ausstehen, nur dann erteilt werden, wenn eine vorläufige Prüfung unter 1\litbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden ergibt, daß voraussichtlich das gesamte Vorhaben genehmigt werden kann.

5.2.2. Einzelheiten der Lösung Im folgenden soll der soeben formulierte Rechtsgrundsatz noch etwas präzisiert werden. 33 Vgl. Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung, S. 29 f.; BVerwG, Urt. v. 16.1. 1968, E 29, 52 (58 f.); Urt. v. 28.6.1968, BayVBI 1969, 61 (62 f.). 34 Zu dieser vor allem im Bundesstaat kompetenzrechtlich bedeutsamen Unterscheidung v~~:I. BVerfG, Beschl. v. 11.4.1967, E 21, 312 (327); BVerwG, Urt. v. 28.6.1968 (Fn. 33); Knöpfle, in: Festschrift Maunz, S. 187 (199 f.}; Gassner in NuR 1982, 81 (84); kritisch Kopp in BayVBI1973, 85 (86). 35 Auch Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, § 20 VI a (S. 94 f.) gehen davon aus, daß eine inzidente Prüfung von Rechtsfragen, die in den speziellen Zuständigkeitsbereich anderer Behörden fallen, mit allg. kompetenzrechtl. Grundsätzen vereinbar ist. 36 Vgl. die Nachw. in Fn. 34. 3? Vgl. zu diesem Aspekt auch OVG Münster, Urt. v. 20.5 .1985, DÖV 1986, 5 75 f.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

233

- Grenzen des Gesamtvorhabens Bei der Anwendung des Grundsatzes stellt sich zunächst die Frage, wann überhaupt mehrere Genehmigungen das gleiche Vorhaben betreffen. Die Genehmigungen müssen sich zumindest auf ein zeitlich, räumlich und funktional zusammengehöriges Vorhaben beziehen, d.h. auf ein "einheitliches Gesamtvorhaben" in dem hier definierten Sinne. 1 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob dies immer schon ausreicht, um eine Analogie zu den für Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens geltenden Grundsätzen zu rechtfertigen. Man wird vielmehr verlangen müssen, daß zwischen den parallelen Prüfungsgegenständen ein enger Zusammenhang besteht bzw. daß sich die jeweiligen Prüfungsmaßstäbe überschneiden. 2 Ein solch enger Zusammenhang besteht etwa im Fall der nuklearen Entsorgungsanlage zwischen der Baugenehmigung, der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung und der strahlenschutzrechtlichen Umgangsgenehmigung. Dagegen erscheint es wenig sinnvoll, den hier entwickelten Grundsatz auch auf solche Genehmigungen anzuwenden, die bereits an eine Grundstücksteilung bzw. an einen Grundstückserwerb ansetzen, auch wenn diese Vorgänge die Errichtung und den Betrieb einer Anlage vorbereiten sollen. 3 Bei derartigen Genehmigungsvorbehalten handelt es sich nämlich im Grunde genommen um eine auf den Anfang der Vorbereitungsphase vorverlagerte Kontrolle der Vorhabenverwirklichung. In welchem Umfang dabei eine vorgezogene Prüfung des gesamten Vorhabens erfolgen soll, ist in erster Linie den speziellen gesetzlichen Vorschriften zu entnehmen. In diesem frühen Stadium der Vorhabenverwirklichung ist das Vorhaben oftmals noch gar nicht hinreichend konkretisiert, um eine umfassende vorläufige Gesamtprüfung zu erlauben. Hinzu kommt, daß weder durch eine grundbuchmäßige Grundstücksteilung noch durch eine Übereignung unmittelbare Umweltveränderungen bewirkt werden. Im Falle der bauplanungsrechtlichen Teilungsgenehmigung nach § 19 BBauGJBauGB ist das rechtliche Verhältnis zur nachfolgenden Baugenehmigung außerdem in § 21 i. V.m. § 20 Abs . 1 BBauGJBauGB spezialgesetzlich geregelt. 4 Auch dadurch, daß der Gesetzgeber eine Genehmigungsfiktion nach Fristablauf angeordnet hat (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 6 BBauG/ BauGB, § 6 Abs. 2 GrdstVG), hat er zu erkennen gegeben, daß er eine präventive Kontrolle in dieser frühen Phase der Vorhabenverwirklichung für nicht ganz so wichtig hält, was dafür spricht, daß auch eine umfassende Prüfung der Zulässigkeit des in Vorbereitung befindlichen Vorhabens auf dieser Genehmigungsstufe noch nicht unbedingt erforderlich ist. 5 Vgl. Abschn. 3.2. Dies entspricht etwa der Definition der "Genehmigungskonkurrenz", von der Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 31 f. ausgeht. 3 Vgl. § 19 BBauG/BauG, § 2 GrdstVG, § 24 LWaldG BW, § 9 LBO BW, § 8 MBO '81. 4 Vgl. Abschn. 5.1.2.2. I

Z

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Andere Vorbereitungsmaßnahmen sind dagegen u.U. bereits zum "Gesamtvorhaben" zu rechnen mit der Folge, daß bei ihrer Genehmigung eine vorläufige Gesamtprüfung stattzufinden hat. Dies gilt namentlich für die Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart. 6 In besonderen Fällen können sogar bloße Erkundungsmaßnahmen, die der näheren Prüfung eines Standorts dienen, bereits zur Vorhabenverwirklichung zu rechnen sein, wenn sie nämlich bereits einen vorweggenommenen Teil des in Aussicht genommenen Vorhabens darstellen. Dies wird z.B. bei dem im Bau befindlichen Untersuchungsbergwerk für das geplante Endlager für radioaktive Abfälle im Gortebener Salzstock anzunehmen sein. Bislang war bei diesem Vorhaben in genehmigungsrechtlicher Hinsicht vor allem umstritten, ob für die Errichtung des Erkundungsbergwerks bereits eine atomrechtliche Planfeststellung nach § 9 b AtG hätte durchgeführt werden müssen. 7 Auch wenn man das Erkundungsbergwerk noch nicht als "Anlage zur Sicherstellung und zur Endlagerung radioaktiver Abfälle" i.S.d. § 9 b AtG ansieht und somit nicht der Planfeststellungspflicht unterwirft,8 bleibt die Frage, ob das Erkundungsbergwerk und das etwaige spätere Endlager zusammen nicht ein einheitliches Gesamtvorhaben bilden. Da das Erkundungsbergwerk im Hinblick auf die Errichtung des untertägigen Endlagers schon bestimmte "Zwangspunkte" setzt und später einmal einen wesentlichen Bestandteil des Endlagers-Bergwerks bilden soll, ist diese Frage zu bejahen. 9 Es könnte sich hier jedoch um einen Ausnahmefall handeln, bei dem in Abweichung von dem oben formulierten Grundsatz keine vorläufige Gesamtprüfung vorzunehmen ist. Da die Erkundung nämlich gerade erst der Untersuchung des Salzstocks auf seine Geeignetheit zur Aufnahme radioaktiven Abfalls dient, wäre es selbstverständlich widersinnig, die Genehmigung für das Erkundungsbergwerk von einer positiven Beurteilung der Geeignetheit des Salzstocks abhängig zu machen. Da es jedoch bei der vorläufigen Gesamtprüfung nur um eine Prognose aufgrund der gegenwärtig verfügbaren

s Bedenklich ist allerdings die Kombination einer Genehmigungsfiktion mit einer Bindungswirkung, wie dies in § 19 Abs. 3 Satz 6 i.V.rn. § 21 BBauG/BauGB vorgesehen ist. 6 Vgl. § 9 BWaldG, § 9 LWaldG BW. Zum Verhältnis der waldrechtl. Umwandlungsgenehmigung zur Baugenehmigung vgl. aus der Rspr. z.B. BVerwG, Urt. v. 15.3.1967, E 26, 287 (288 f.); VGH Kassel, Urt. v. 9.4.1973, ZfW 1974, 362 (363, 366 f.); OVG Münster, Urt. v. 31.1.1978, BRS 33 Nr. 73, S. 163. Zu dem vergleichbaren Problern der Einbeziehung in die Konzentrationswirkung einer Anlagengenehmigung vgl. bereits Abschn. 4.1.2.3. 7 Vgl. im einzelnen bereits Abschn. 3.3.2.4. 8 So die gegenwärtig h.M., vgl. nur Hoppe/Bunse in DVBl 1984, 1033 (1035 ff.) rn.w.N. 9 Vgl. Breuer, Die Planfeststellung für Anlagen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle, S. 35 f., 38 f., 50 ff. sowie auch Kühne in DVBl 1985, 207 (211), der die Erkundung des Salzstocks und die Errichtung des Endlagers als ,.einheitlichen Entwicklungsvorgang" beschreibt.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

235

Informationen geht, können dabei alle Fragen ausgeklammert werden, die vom Ergebnis der Erkundung, also insbesondere von der geologischen Beschaffenheit des Salzstocks abhängen. Damit wird eine vorläufige Gesamt· prüfung aber nicht insgesamt hinfällig. Vielmehr könnten dabei z.B. Fragen der technischen Realisierbarkeit einer untertägigen Endlagerung sowie Fragen der Standorteignung in raumordnungsrechtlicher und natur- und landschaftsschutzrechtlicher Hinsicht bereits ansatzweise geprüft werden. Eine solchermaßen eingeschränkte vorläufige Gesamtprüfung hätte auch im Fall des Erkundungsbergwerks Gorleben durchaus einen Sinn gehabt. Des weiteren stellt sich die Frage, woran die Genehmigungsbehörde den gesamten Umfang und die wahren Umrisse des vom Antragsteller geplanten Vorhabens erkennen kann. Es ist in erster Linie Sache des Antragstellers, das zu genehmigende Vorhaben und damit den Verfahrensgegenstand festzulegen. Allerdings sind seiner Bestimmungsbefugnis auch objektive Grenzen gesetzt. 10 So kann er nicht einfach räumlich und funktional unselbständige Teile seines Vorhabens auseinanderreißen und zum Gegenstand selbständiger Genehmigungsanträge machen. Oftmals sind Teile eines Vorhabens ohnehin nur im Hinblick auf das Gesamtvorhaben genehmigungsfähig. So hängt z.B. die Privilegierung eines Außenbereichsvorhabens nach § 35 Abs. 1 BBauG/ BauGB von der vorgesehenen Nutzung ab. Der Antragsteller ist auch zumeist verpflichtet, weitergehende Angaben zu machen, die in den Bereich paralleler Genehmigungsverfaqren hineinreichen. So muß z.B. bei der waldrechtlichen Umwandlungsgenehmigung angegeben werden, in welche andere Nutzungsart der Wald umgewandelt werden soll, und bei der Baugenehmigung sind detaillierte Angaben über die geplante Nutzung der baulichen Anlage zu machen. Reichen die vorgelegten Unterlagen für ein vorläufiges positives Gesamturteil nicht aus, so muß der Antragsteller seine Angaben ergänzen, wenn er eine Ablehnung seines Genehmigungsantrags vermeiden will. In aller Regel wird es auch im Interesse des Antragstellers liegen, sein Vorhaben insgesamt offenzulegen, um frühzeitig dessen Genehmigungsfähigkeit abzuklären. Ansonsten erhöht sich sein Risiko, daß später eine parallele Genehmigung versagt oder nur unter Auflagen erteilt wird und sich bereits erbrachte Investitionen als nutzlos erweisen. Verschweigt der Antragsteller aus taktischen Gründen seine wahren Absichten, so wird es der Behörde zwar kaum möglich sein, die Unrichtigkeit der Angaben nachzuweisen, doch wird es ihr dann leichter fallen, bei späteren Genehmigungsanträgen strengere Maßstäbe anzulegen und parallele Genehmigungen gegebenenfalls zu versagen. 10 Vgl. BVerwG, Urt. v. 4.7.1980, DOV 1980, 921; Weyreuther, Bauen im Außenbereich, S. 493 f. Zur subjektiven und objektiven Seite des Errichtungs- bzw. Vorhabenbegriffs vgl. auch Hoppe/Bunse in DVBI 1984, 1033 (1039) (im Hinblick auf das nukleare Endlager bei Gorleben).

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Etwaige Fehlinvestitionen hätte sich der Antragsteller dann selbst zuzuschreiben.

- Vorläufigkeit der Gesamtprüfung Es bedarf auch der näheren Bestimmung, was unter der "vorläufigen Gesamtprüfung" zu verstehen ist. Diese Prüfung bezieht sich auf die grundsätzliche Genehmigungsfähigkeit des gesamten Vorhabens. Der Sache nach ist eine Prognose vorzunehmen, ob parallele Genehmigungen voraussichtlich erteilt werden können. Im allgemeinen genügt eine rahmenmäßige Prüfung und es bedarf keiner Detailprüfung. Unter Umständen kann jedoch auch eine in die Einzelheiten gehende "Vorwegberücksichtigung" paralleler Genehmigungsbereiche geboten sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es um die Genehmigung der Errichtung von Anlagen geht, an deren spätere Verwendung bzw. Nutzung in einem parallelen Genehmigungsverfahren besondere Anforderungen gestellt werden, die zweckmäßigerweise bereits bei der Bauausführung zu berücksichtigen sind. 11 Dementsprechend wäre z.B. im Fall der nuklearen Entsorgungsanlage bei Erteilung der Baugenehmigung nicht nur zu prüfen, ob die Lagerung radioaktiven Materials am vorgesehenen Standort prinzipiell zulässig ist, sondern auch, ob die zu genehmigenden baulichen Anlagen so beschaffen sind, daß ihre bestimmungsgemäße Nutzung voraussichtlich möglich sein wird, ohne daß wegen zusätzlicher Anforderungen aus atom- und strahlenschutzrechtlicher Sicht aufwendige bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssen. Die Gesamtprüfung hat insofern vorläufigen Charakter, als die endgültige und verbindliche Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens nach parallelen Genehmigungsvorschriften den noch durchzuführenden parallelen Genehmigungsverfahren vorbehalten bleibt. Ein vorläufiges positives Gesamturteil darf daher nicht zum verbindlichen Regelungsgehalt einer Genehmigung gerechnet werden. Stellt sich daher ein positives Gesamturteil nachträglich als falsch heraus, so kann eine parallele Genehmigung versagt werden, ohne daß die bereits erteilte Genehmigung vorher ganz oder teilweise zurückgenommen werden müßte. 12 Geht man mit der h.M. davon aus, daß Genehmigungen in ihrem feststellenden Teil eine Erklärung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit bestimmten ö ffentlich-rechtlichen Vorschriften enthalten, 13 dann muß das 11 In derartigen Fällen nimmt auch Jarass in WiVerw 1984, 169 (179 f.) eine übergreifende Prüfungspflicht an. 12 A.A. OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982 - Zwischenlager Gorleben -, DVBI 1983, 185 (187) und dazu Abschn. 5.1.1.5. 13 Vgl. Abschn. 5.1.2.2.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

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vorläufige positive Gesamturteil hinsichtlich paralleler Genehmigungen von der Feststellungswirkung ausgenommen werden. Man kann insoweit die Konstruktion einer "überschießenden Prüfungspflicht" verwenden. 14 Hält man dagegen die Annahme eines feststellenden Gehalts von Genehmigungen überhaupt für entbehrlich und begnügt man sich damit, daß durch eine Genehmigung eine bestimmte (formelle oder materielle) Verbotsschranke (in Gestalt des Genehmigungsvorbehalts) aufgehoben wird, dann ergibt sich das hier vertretene Ergebnis gleichsam von selbst. Die fehlende Bindungswirkung des vorläufigen Gesamturteils widerspricht allerdings dem Postulat der Kongruenz von Prüfungspflicht, Entscheidungsumfang und Bindungswirkung, wie es im Hinblick auf Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens teilweise vertreten wird. 15 Es kann dahinstehen, ob dieses Kongruenz-Postulat bei Verfahrensstufungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens zu einem dogmatisch haltbaren und praktisch brauchbaren Ergebnis führt . 16 Jedenfalls handelt es sich dabei nicht um einen allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsatz. Zum einen trifft eine Behörde, die einen Verwaltungsakt erläßt, damit nicht schon automatisch eine Feststellung darüber, ob die Voraussetzungen vorgelegen haben, unter denen der Erlaß des Verwaltungsakts zulässig war, 17 zum anderen ist die in einem Verwaltungsakt getroffene Feststellungnur dann für andere Verwaltungsverfahren verbindlich, wenn dies gesetzlich besonders bestimmt ist. 18 Auf jeden Fall kann jedoch das Kongruenz-Postulat nicht auf das Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zueinander übertragen werden, weil dies der aufgeteilten Kompetenzordnung widersprechen würde. Kommt die Genehmigungsbehörde bei der vorläufigen Gesamtprüfung zu einem negativen Ergebnis, so wird sie zunächst einmal den Antragsteller über die bestehenden Genehmigungshindernisse aufklären und ihm ggf. nabelegen, seinen Genehmigungsantrag abzuändern oder die Aussetzung des Genehmigungsverfahrens zu beantragen, bis sich ein positiver Ausgang paralleler Genehmigungsverfahren absehen läßt. 19 Lassen sich die Hindernisse nicht ausräumen, muß sie die Genehmigung versagen, allerdings nicht endgültig, denn es besteht ja noch die Möglichkeit, daß die fragliche parallele Vgl. Abschn. 5.1.1.5. Vgl. Breuer, in: 6. Deutsches Atomrecht-Symposium, S. 243 (246); Rengeling in NVwZ 1982,217 (220). 16 Vgl. die weiteren Nachw. in Abschn. 5.2.1. Fn. 11. 17 Vielmehr gehört die Trennung zwischen den Voraussetzungen und dem Inhalt eines Verwaltungsakts zum Grundbestand der allgemeinen Verwaltungsrechtsdogmatik. Vgl. Friauf in DVBl 1971, 713 (721); Hansmann, in: 6. Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 263 (264f., 269); v. Mutius/Schoch in DVBl 1983, 149 (153); Gaentzsch in NJW 1986,2787 (2790f.). 18 Vgl. Abschn. 5.1.2.2. 19 Vgl. § 25 VwVfG sowie Krause in GewArch 1980,41 (45); Stich/Porger, BlmSchG, § 6 Rn. 14. 14 15

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Genehmigung wider Erwarten doch noch erteilt wird. Die Genehmigung ist also nur vorläufig zu versagen, weil das Vorhaben z.Z. nicht genehmigungsfähig ist.20 Nur in Ausnahmefällen mag es zu rechtfertigen sein, auf besonderen Antrag des Vorhabenträgers (und auf dessen Risiko) eine (vorläufig) widerrufliche Genehmigung zu erteilen, solange sich ein vorläufiges positives Gesamturteil noch nicht treffen läßt. 21

Verfahrensübergreifende Nebenbestimmungen Daneben besteht die Möglichkeit, die aus parallelen Genehmigungsbereichen herrührenden Bedenken gegen die Zulässigkeit des Vorhabens dadurch auszuräumen, daß die Genehmigung mit Auflagen verbunden wird, die die Einhaltung paralleler Genehmigungsvorschriften sicherstellen sollenY Derartige Nebenbestimmungen sind gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 VwVfG zulässig, da es sich bei dem vorläufigen positiven Gesamturteil um eine gesetzliche Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung handelt. 23 Im Genehmigungsbescheid sollte allerdings zum Ausdruck gebracht werden, daß die in einer derartigen Auflage enthaltene Regelung für eine parallel zuständige Genehmigungsbehörde nicht verbindlich ist. 24 Letztere ist rechtlich nicht gehindert, abweichende Anforderungen an das Vorhaben zu stellen. Wenn die Nebenbestimmung mit ihr abgestimmt worden ist, wird es jedoch praktisch kaum zu einer solchen Abweichung kommen. Aus dem Grundsatz der vorläufigen Gesamtprüfung ergibt sich auch eine Lösung für solche "verfahrensübergreifenden" Auflagen, die zwar die Einhaltung der fachgesetzlichen Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen sollen, die aber zugleich in parallele Genehmigungsbereiche hineinwirken. Derartige Auflagen sind in der Praxis keineswegs selten. 25

2° Man kann insoweit auch von einer "Vorausablehnung" sprechen. Vgl. Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, s. 33 (60 ff.). 21 Normalerweise ist ein derartiger Widerrufsvorbehalt bei Genehmigungen unzulässig, weil er mit dem Genehmigungszweck (Rechtssicherheit und Investitionsschutz) in Widerspruch steht. Vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 VwVfG, § 12 Abs. 3 BlmSchG (arg. e contra· rio) sowie Stich/Porger, BlmSchG, § 8 Rn. 8. 22 Vgl. Salzwedel (Fn. 20), S. 60, 62 ff. ("Vorausregelung"). Dies entspricht der Rechtslage, wie sie bei Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens allg. anerkannt ist (vgl. nur Stich/Porger, BlmSchG, § 8 Rn. 8) : Eine Teilgenehmigung kann mit Auflagen verbunden werden, die die Zulässigkeit der Gesamtanlage gewährleisten sol· len. 23 Vgl. bereits Abschn. 5.1.1.5. bei Fn. 22 m.w.N. Vgl. auch OVG Liineburg, Urt. v. 15.2.1979, ZfW 1980, 303 (306); BVerwG, Urt. v. 19.12.1985- KK.W Wyhl -, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (209 f.). 24 Vgl. Abschn. 5.1.1.5. bei Fn. 23. 25 Ein vergleichbares Problem stellt sich auch bei nachträglichen Auflagen bzw. An· ordnungen. Vgl. z.B. Michel/Kienzle, GastG, § 5 Rn. 17.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

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Um ein Beispiel zu nennen: Die Baugenehmigung zur Errichtung eines Gebäudes darf nur erteilt werden, wenn die Erschließung gesichert ist. Hat jedoch die Gemeinde die Erschließungsanlage noch nicht erstellt oder ist damit überhaupt nicht zu rechnen, so kann das Problem u.U. dadurch gelöst werden, daß dem Bauherrn die Errichtung einer Hauskläranlage aufgegeben wird. Eine solche Kläranlage unterliegt jedoch wiederum einer Genehmigungspflicht nach dem Wasserrecht. 26 Aus der Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung folgt daher, daß die Baugenehmigungsbehörde nur dann die Errichtung einer Hauskläranlage vorschreiben kann, wenn eine vorläufige Prüfung unter Hinzuziehung der Wasserbehörde ergeben hat, daß der Bau der Kläranlage und die Einleitung des Abwassers wasserrechtlich zulässig ist. Wenn ein vorläufiges positives Gesamturteil getroffen werden kann (nicht zuletzt dank verfahrensübergreifender Auflagen), dann ist die Genehmigung uneingeschränkt zu erteilen und es besteht kein Grund, sie unter einen Auflagen- oder Widerrufsvorbehalt im Hinblick auf noch ausstehende parallele Genehmigungen zu stellen. Sofern derartige Vorbehalte für Teilgenehmigungen innerhalb eines Genehmigungsverfahrens ausdrücklich zugelassen sind (z.B. in § 12 Abs. 3 BlmSchG), so besteht kein Bedürfnis, diese Regelung im Analogieschluß auf das Verhältnis paralleler Genehmigungen zueinander zu übertragen. Diejenigen Gesichtspunkte, die bei Erteilung der vorausgegangenen Genehmigung noch ungewiß waren, können nämlich bei der nachfolgenden Genehmigungsentscheidung noch ausreichend berücksichtigt werden, ohne daß es einer Aufhebung der früheren Entscheidung bedarf, da dem vorläufigen positiven Gesamturteil ja keine Bindungswirkung zukommt. 27

- Rechtsschutzfunktion der vorläufigen Gesamtprüfung Ein falsches vorläufiges Gesamturteil führt zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung. Wird die Genehmigung mit der Begründung versagt, daß sicl- ein vorläufiges positives Gesamturteil nicht treffen lasse, so kann der Antragsteller den Ablehnungsbescheid anfechten bzw. Verpflichtungsklage erheben, wenn er der Ansicht ist, daß die Voraussetzungen für eine positive Gesamtbeurteilung vorliegen. Wird die Genehmigung dagegen erteilt, so wird man auch den Drittbetroffenen die Möglichkeit einräumen müssen, diese mit der Begründung anzufechten, bei der vorläufigen Gesamtprüfung sei ein zu erwartender Verstoß gegen drittschützende Vorschriften außer acht gelassen worden. Insoweit ist der Pflicht zur vorläufigen Gesamt-

Vgl. die Nachw. zu dem Beispiel des Gaststättenneubaus in Abschn. 3.3.2.3. Fn. 14. Was die Beseitigung von "Investitionsruinen" betrifft, die ihren geplanten Endausbauzustand niemals erreicht oder ihren Betriebszweck verfehlt haben, so handelt es sich um ein allgemeines Problem, das nicht nur bei parallelen oder gestuften Genehmigungsverfahren auftritt. 26

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

prüfung also auch ein drittschützender Charakter beizumessen. 28 Diese Gleichstellung der Drittbetroffenen ist deshalb geboten, weil faktische Entscheidungspräformierungen ihren effektiven Rechtsschutz zu verkürzen drohen und dies nur durch eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes ausgeglichen werden kann. Damit wird auch erreicht, daß die Rechtsschutzmöglichkeiten dem sachlichen Gehalt der Vorentscheidung angepaßt werden. 29 Die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung ist außerdem als Amtspflicht zu qualifizieren. 30 Bei einer Verletzung dieser Pflicht können Amtshaftungsansprüche gern. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegeben sein. Derartige Entschädigungsansprüche können insbesondere dem Antragsteller zugute kommen, wenn er durch eine zu Unrecht erteilte Genehmigung zu Investitionen veranlaßt worden ist, die sich nach Versagung einer parallelen Genehmigung als nutzlos herausstellen. Beruht die Fehlerhaftigkeit des vorläufigen Gesamturteils allerdings darauf, daß sich die Genehmigungsbehörde auf die fehlerhafte Stellungnahme einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde verlassen hat, dann stellt sich die Frage, welche Behörde schuldhaft Amtspflichten gegenüber dem Antragsteller bzw. gegenüber Drittbetroffenen verletzt hat und welcher Verwaltungsträger dementsprechend haftet. Die Genehmigungsbehörde ist zwar an die Stellungnahmen mitbeteiligter Behörden - rechtlich gesehen - nicht gebunden. Trotzdem ist ihr regelmäßig eine vollinhaltliche Nachprüfung dieser Stellungnahmen nicht möglich, schon weil ihr auf den parallelen Genehmigungsgebieten normalerweise die nötige Fachkunde fehlt. Daher kommt den Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden - faktisch gesehen - ein bestimmendes Gewicht bei der vorläufigen Gesamtbeurteilung des Vorhabens zu. Die Genehmigungsbehörde, die eine solche Stellungnahme erhält, ist lediglich verpflichtet, diese - ähnlich einem Sachverständigengutachten- auf evidente Mängel hin zu untersuchen. Eine derartige "laienhafte" Prüfung muß sich insbesondere darauf erstrecken, ob die Stellungnahme vollständig ist, ob sie sich auf das den Genehmigungsgegenstand bildende Vorhaben bezieht und ob die darin enthaltenen Schlußfolgerungen schlüssig sind. Keinesfalls ist die Genehmigungsbehörde verpflichtet, speziellen Sachverstand aufzubieten (etwa durch Heranziehung privater Gutachter), um die Stellungnahme auch unter fachlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Eine eingehende Nachprüfung dieser Art würde vielmehr dem Sinn der aufgeteilten Kompetenzordnung und der arbeitsteiligen und spezialisierten Aufgabenwahrnehmung durch die Verwaltung widersprechen. Vgl. bereits Absch. 5.2.1. bei Fn. 12 rn.w.N. Vgl. allg. Wahl in DöV 1975, 373 (376ff.) sowie Schenke in VBIBW 1982,313 (322 f.) zur "Zeitgerechtigkeit" des Rechtsschutzes Drittbetroffener. 30 Vgl. Abschn. 5.1.1.5. bei Fn. 20. 28

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5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

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So war z.B. im Fall des Zwischenlagers Gorleben der Oberkreisdirektor des Landkreises Lüchow-Dannenberg bei Erteilung der Baugenehmigung subjektiv nicht verpflichtet, die atom- und strahlenschutzrechtliche Beurteilung des Vorhabens durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und durch das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg einer fachlichen Nachprüfung zu unterziehen, bei der er ohnehin völlig überfordert gewesen wäre. Er durfte sich vielmehr mit einer bloßen Plausibilitätsprüfung begnügen. Es ist somit regelmäßig kein Verschulden der Genehmigungshehörde festzustellen, wenn sie sich auf Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden verläßt. Ihr kann auch nicht einfach - etwa unter Hinweis auf den Grundsatz der Einheit der Verwaltung- das Verschulden einer mitbeteiligten Behörde zugerechnet werden. Eine Haftung des Verwaltungsträgers derjenigen Behörde, die ihre verbindliche Genehmigungsentscheidung auf die falsche Stellungnahme einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde gestützt hat, scheidet daher in aller Regel aus. Die parallel zuständige Behörde, die in ihrer Stellungnahme eine "Genehmigungsprognose" für den eigenen Bereich gegeben hat, hat damit zwar keine verbindliche Entscheidung mit Außenwirkung getroffen. Dies schließt jedoch nicht aus, daß ihr bei Abgabe der verwaltungsinternen Stellungnahme "externe" Amtspflichten gegenüber dem Vorhabenträger und den Drittbetroffenen obliegen. Zum einen ist ihre Stellungnahme nämlich darauf angelegt, in die Genehmigungsentscheidung einer anderen Behörde einzugehen und so mittelbar Außenwirkung zu erlangen. Zum anderen hat sie ja selbst (zumindest potentiell) ein Genehmigungsverfahren durchzuführen, bei dem sie Amtspflichten gegenüber Antragsteller und Drittbetroffenen wahrnehmen muß. Diesen gegenüber ist sie verpflichtet, diejenigen Voraussetzungen für die Erteilung bzw. Versagung der Genehmigung sorgfältig zu prüfen, die zu deren Schutz bestimmt sind. Es erscheint daher sachgerecht, ihr entsprechende Amtspflichten auch bei der vorläufigen Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen aufzuerlegen, deren Ergebnis sie in ein paralleles Genehmigungsverfahren einbringt. 31 Beruht somit die Rechtswidrigkeit des vorläufigen Gesamturteils (und damit der Genehmigungsentscheidung) auf der Fehlerhaftigkeit der Stellungnahme einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde und hat diese schuldhaft ihre Prüfungspflicht verletzt, so besteht regelmäßig ein Amtshaftungsanspruch gegen deren Verwaltungsträger. 32 31 Vgl. zum gemeindlichen Einvernehmen nach § 36 BBauG/BauGB das Urteil des BGH v. 29.9.1975, BGHZ 65, 182 (185f.). Auch dort wird dem Umstand, daß das Ein· vernehmen als bloßes Verwaltungsinternum zu qualifizieren ist, für die Amtshaftung kein entscheidendes Gewicht beigemessen.Vielmehr wird auf die "besonderen Beziehungen" zwischen der am Baugenehmigungsverfahren mitwirkenden Gemeinde und dem einzelnen Bauwilligen abgestellt, die es rechtfertigen, Amtspflichten in diesem Verhältnis einzunehmen. 32 Bejaht man dagegen eine Haftung des Verwaltungsträgers derjenigen Behörde, die

16 Wagner

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Das vorläufige Gesamturteil unterliegt der vollen gerichtlichen Uberprüfung. Zwar erfordert die vorläufige Gesamtprüfung eine Prognose im Hinblick darauf, ob ausstehende parallele Genehmigungen voraussichtlich erteilt werden können. 33 Es dürfte gleichwohl nicht in Betracht kommen, der Genehmigungsbehörde insoweit einen gerichtlich nicht voll überprüfbaren "Prognosespielraum" einzuräumen, da die Verwaltung auch bei den Genehmigungsentscheidungen, auf die sich die Prognose bezieht, grundsätzlich über keinen Beurteilungsspielraum verfügt 34 - wenn man einmal von der Risikovorsorge (z.B. nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG) absieht. 35 Da das vorläufige Gesamturteil einen Prognosecharakter aufweist, kommt es bei der gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich darauf an, ob die Beurteilung ex ante gesehen gerechtfertigt war, und nicht darauf, ob sie sich nachträglich als richtig bestätigt. 36 Wird allerdings während der Dauer des Gerichtsverfahrens eine parallele Genehmigung bestandskräftig erteilt oder versagt, dann ist diese Anderung der Sachlage auch im anhängigen Gerichtsverfahren zu beachten, so daß insoweit eine Prognose entfällt. 37 Ist eine Anfechtungsklage gegen eine parallele Genehmigung anhängig, so kommt es auf den Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung an. Das vorläufige Gesamturteil unterliegt auch insoweit der vollen gerichtlichen Überprüfung, als die Genehmigungsbehörde bei der Gesamtprüfung pardie verbindliche Genehmigungsentscheidung auf Grund der falschen Stellungnahme getroffen hat, so ergeben sich komplizierte Rechtsprobleme des verwaltungsinternen Ausgleichs bzw. Rückgriffs, sofern die Behörde, die die falsche Stellungnahme abgegeben hat, einem anderen Verwaltungsträger angehört. Vgl. Art. 104 a Abs. 5 Satz 1 GG, § 7 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, §§ 10 Abs. 3, 11 des (nichtigen) StHG v. 26.6.1981 (BGBI. I S. 553) sowie speziell zum .,mehrseitigen" Verwaltungsverfahren bzw. zum .,mehrstufigen" Verwaltungsakt Pappermann in DVB11975, 637 (640); Bender, Staatshaftungsrecht, Rn. 207 ff., 709. 33 Vgl. nur v. Mutius/Schoch in DVB11983, 149 (152). 34 Nierhaus in DVBl 1977, 19 (23 ff.) weist zu Recht darauf hin, daß allein aus dem Vorhersagecharakter von Verwaltungsentscheidungen noch nicht auf ein Zurückweichen richterlicher Entscheidungsmacht geschlossen werden kann, sondern daß dafür zusätzliche Voraussetzungen (z.B. wertende, unvertretbare und gestaltende Entscheidungsdementel gegeben sein müssen. Vgl. auch Martens in DVBl 1981, 597 (601 f.); Kopp, VwVfG, § 40 Rn. 26; Erichsen/Martens, in: dies., Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 II 1 (S. 189); Feldbaus, BimSchG, § 8 Rn. 7. 35 Nach BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl - (Fn. 23), S. 212, gehören Risikoermittlung und Risikobewertung zur Kompetenz der Exekutive. 36 Vgl. Nierhaus (Fn. 34), S. 22, 25; BVerwG, Urt. v. 7.7.1978- Startbahn West - , E 56, 110 (121 f.). 37 Dieses Ergebnis ergibt sich ohne weiteres, wenn man die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung als maßgeblich erachtet. Bei Anfechtungsklagen Dritter wird jedoch überwiegend angenommen, daß -jedenfalls bei nachträglichen Änderungen zu Lasten des Vorhabenträgers - der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich sei. Vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 7.7.1978 (Fn. 36); Urt. v. 19.12. 1985 (Fn. 23), S. 211; VGH Mannheim, Urt. v. 30.3.1982 - KKW Wyhl - , DVB11982, 966 (967 Leits. 15 f.); Sellner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rn. 386 ff.; a.A. : OVG Lüneburg, Urt. v. 3.10.1979, GewArch 1980, 203 (204); Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S. 2 87, 291; Ule/Laubinger, BimSchG, § 5 Rn. 6. Dies kann jedoch im Hin-

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

243

allel zuständige Genehmigungsbehörden eingeschaltet und sich deren Beurteilung zu eigen gemacht hat. Das Gericht darf sich nicht einfach mit der Feststellung begnügen, daß die Genehmigungsbehörde Stellungnahmen anderen Behörden ohne eigene Prüfung habe übernehmen dürfen. 38 Es muß zumindest prüfen, ob die Stellungnahmen fachlich fundiert sind. Die innere Ausdifferenzierung des Verwaltungsverfahrens kann nichts am gerichtlichen Kontrollumfang ändern. 39 Sonst könnte sich die Verwaltung der gerichtlichen Kontrolle entziehen, indem die entscheidungszuständige Behörde die Prüfungstätigkeit mitbeteiligten Verwaltungseinheiten überträgt. Das nach außen wirksame Verwaltungshandeln unterliegt also insgesamt der rechtlichen Überprüfung unabhängig davon, wie der Entscheidungsprozeß verwaltungsintern gestaltet ist.

- Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden Die Pflicht zur Verfahrensmitbeteiligung bedeutet rechtlich gesehen nur, daß die Genehmigungsbehörde parallel zuständigen Genehmigungsbehörden Gelegenheit zur Stellungnahme geben sowie die erhaltenen Stellungnahmen zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muß. 40 In der Praxis wird die Genehmigungsbehörde jedoch Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden nach Möglichkeit einfach übernehmen. Auf diese Weise kann sie sich nicht nur Doppelarbeit ersparen und belastenden verwaltungsinternen Konflikten aus de~ Wege gehen, sondern sie kann damit auch der besonderen Sachkompetenz der beteiligten Behörden Rechnung tragen, die innerhalb ihres speziellen Aufgabengebiets tätig werden und die es schließlich auch sind, die - vorbehaltlich einer gerichtlichen Überprüfung - verbindlich über die Erteilung paralleler Genehmigungen zu befinden haben. Praktisch dürfte die Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden daher auf die Herstellung des Einvernehmens hinauslaufen, zumal dies auch dem Leitbild der "Einheit der Verwaltung" entspricht. 41

blick auf die Versagung paralleler Genehmigungen nicht gelten, weil insofern durch die .i m voraus erteilte Genehmigung kein positiver Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. 38 So aber offenbar OVG Lüneburg, Beschl. v. 9.11.1982 - Zwischenlager Gorleben -, DVB11983, 185 (186). 39 Dies ist auch der Kern der Lehre von den sog. mehrstufigen Verwaltungsakten: Setzt der Erlaß eines Verwaltungsakts einen bindenden Mitwirkungsakt (Einvernehmen, Zustimmung) einer anderen Behörde voraus, so ist letzterer grundsätzlich als Verwaltungsinternum zu qualifizieren mit der Folge, daß nur der Verwaltungsakt und nicht der Mitwirkungsakt als solcher Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein kann. Bei der Überprüfung des Verwaltungsakts hat das Gericht dann aber auch diejenigen Gesichtspunkte zu prüfen, die von der mitwirkungsberechtigten Behörde zu beurteilen waren, so daß das Gericht implizit auch über die Rechtmäßigkeit des Mitwirkungsaktes befindet, vgl. nur Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 40 lll (S. 350). 40 Vgl. BVerwG, Urt. v. 14.2.1969, E 31, 263 (266). 41 Vgl. Abschn. 3.4.4. 16*

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

Umgekehrt besteht eine Pflicht der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden, sich am Verfahren zu beteiligen und die vorläufige Prüfung insoweit zu übernehmen, als sich diese auf den eigenen Genehmigungsbereich bezieht. Man könnte daran denken, diese Pflicht aus der allgemeinen Verpflichtung zur Amtshilfe herzuleiten (§ 4 Abs. 1 VwVfG). Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG liegt allerdings keine Amtshilfe vor, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen. Man wird annehmen müssen, daß die Aufgabe, Genehmigungen zu erteilen, auch die Aufgabe umfaßt, in parallelen Genehmigungsverfahren eine Stellungnahme zur voraussichtlichen Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens abzugeben. Die Verpflichtung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden, ihren Beitrag zur vorläufigen Gesamtprüfung zu leisten, besteht also unabhängig davon, ob man darin eine Form der Amtshilfe sieht. Damit der parallel zuständigen Genehmigungsbehörde genügend Zeit zur Erarbeitung ihrer Stellungnahme verbleibt und damit diese Stellungnahme noch rechtzeitig in den Entscheidungsprozeß einbezogen werden kann, sollte die Verfahrensbeteiligung möglichst frühzeitig erfolgen. Umgekehrt sollte auch die mitbeteiligte Genehmigungsbehörde ihre Stellungnahme unverzüglich abgeben. Allerdings muß die von ihr abzugebende Prognose der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhen. Die in dem vorausgehenden Genehmigungsverfahren vorgelegten Antragsunterlagen werden für eine vorläufige Beurteilung paralleler Genehmigungsbereiche nicht immer ausreichen. Die mitbeteiligte Genehmigungsbehörde muß daher u.U. vom Antragsteller weitere Angaben einholen, oder sie muß ggf. sogar darauf dringen, daß dieser bei ihr einen vollständigen Genehmigungsantrag stellt. Ein vorläufiges positives Gesamturteil kann sogar u.U. erst dann möglich sein, wenn das parallele Genehmigungsverfahren einen bestimmten Verfahrensstand erreicht hat. So kann insbesondere die Anhörung Drittbetroffener und das Einholen von Sachverständigengutachten erforderlich sein. 42 In diesem Fall ist auch daran zu denken, die genannten Verfahrensteile für die parallelen Genehmigungsverfahren zusammenzufassen. Die vorherige Durchführung der Bürgerbeteiligung hat auch den Vorteil, daß die Vorschriften, die eine Bürgerbeteiligung im nachfolgenden Genehmigungsverfahren vorsehen, nicht entwertet werden. 43 Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit ein als Grundlage für die Prognose ausreichender Informationsstand erreicht ist, läßt sich kaum allgemein festlegen und hängt insbesondere davon ab, an welchen Stufen der

42 Letzteres gilt namentlich dann, wenn ein umfassendes Umweltverträglichkeitsgutachten erstellt werden soll. Vgl. Art. 6 UVP-Richtlinie. 43 Vgl. z.B. VG Berlin, Urt. v. 14.12.1976 - Spandauer Forst - , DVBI 1977, 353 (357); Hoffmann-Riem in VVDStRL 40 (1982), 187 (211 f., 224 f.), sowie bereits Absehn. 3.4.4.

5.2. Koordination im Wege der vorläufigen Gesamtprüfung

245

Vorhabenverwirklichung die parallelen Genehmigungsvorbehalte ansetzen. Im Regelfall wird es jedoch nicht erforderlich sein, daß parallele Genehmigungsverfahren bereits bis zur Entscheidungsreife gediehen sind. Der Beschleunigung des Behördenbeteiligungsverfahrens sollen sog. "Verfristungsregelungen" dienen, die sich neuerdings offenbar steigender Beliebtheit erfreuen. Äußern sich mitbeteiligte Behörden nicht fristgemäß, so soll etwa gern. § 55 Abs. 1 LBO BW die Baugenehmigungsbehörde davon ausgehen können, "daß Bedenken nicht bestehen". Es wurde bereits ausgeführt, daß derartige Verfristungsregelungen der Koordination paralleler Genehmigungsverfahren nicht unbedingt zuträglich sind. 44 Es ergibt sich daraus jedoch keine Durchbrechung des Prinzips der vorläufigen Gesamtprüfung. Die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung obliegt nach außen hin der Genehmigungsbehörde und nicht den mitbeteiligten Verwaltungseinheiten, deren sie sich bei der Prüfung bedient. Demgemäß bleibt die umfassende Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde bestehen, auch wenn Stellungnahmen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden nicht fristgemäß eingehen. 45 Die Genehmigungsbehörde kann sich allenfalls ermutigt sehen, in eigener Verantwortung ein positives Gesamturteil zu fällen, wenn sie keine Zweifel daran hat, daß das Vorhaben parallelen Genehmigungsvorschriften entspricht.

-Auswirkungen auf nachfolgende Genehmigungsverfahren Schließlich ist noch zu untersuchen, welche Folgerungen sich aus dem hier vertretenen Lösungsansatz für ein nachfolgendes Genehmigungsverfahren ergeben. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß das in einem parallelen Genehmigungsverfahren getroffene vorläufige Gesamturteil keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Das gleiche gilt auch für eine Stellungnahme, die von einer parallel zuständigen Genehmigungsbehörde im vorangegangenen Genehmigungsverfahren abgegeben worden ist. Beim Vorliegen einer parallelen Genehmigung erübrigt sich insoweit eine "vorläufige Gesamtprüfung" im nachfolgenden Genehmigungsverfahren. Es 44 Vgl. bereits Abschn. 3.4.4. a.E. Vgl. auch die weitergehenden rechtspolitischen Vorschläge von Stich in DVB11984, 905 (910). 45 Es handelt sich also nicht um eine materielle Ausschlußfrist (vgl. Hornung in VBlBW 1984, 161 (163) und die Amtl. Begr. zu§ 92 Abs. 1 LBO BW '83 in LT-Drucks. 8/ 3410, S. 103 f.). Eine Parallele zu Präklusionsvorschriften gegenüber privaten Einwendem (z.B. § 11 BlmSchG) geht schon deshalb fehl, weil Genehmigungsbehörden keine eigenen Rechte, sondern Aufgaben bzw. Kompetenzen wahrnehmen. Die hier vertretene Auffassung wird auch durch den bei mehrstufigen Verwaltungsakten geltenden Grundsatz bestätigt, wonach ein Mitbeteiligungsakt dann als Verwaltungsakt anzusehen ist, wenn der mitbeteiligten Behörde ausnahmsweise die ausschließliche Wahrnehmung bestimmter Aufgaben zugewiesen ist, während normalerweise ihr Mitwirkungsbereich vom Zuständigkeitsbereich der verfahrensführenden Behörde mit umfaßt wird tvgl. BVerwG, Urt. v. 10.7 .1958, NJW 1959, 590; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 35 Rn. 93).

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5. Parallele Genehmigungsverfahren

besteht kein Grund, die Prüfungspflicht der Genehmigungsbehörde auf solche speziellen Gesichtspunkte zu erstrecken, über die in einem parallelen Genehmigungsverfahren schon abschließend entschieden worden ist. Insofern ist in der Tat eine teleologische Reduktion bestehender Öffnungsklauseln gerechtfertigt.46 Die Genehmigungsbehörde kann sich mit der Feststellung begnügen, daß eine parallele Genehmigung erteilt worden ist. Diese entfaltet somit eine "Tatbestandswirkung" .47 Dies kommt im Ergebnis einer sektoral beschränkten Bindung an die vorangegangene Genehmigung recht nahe, da sich die Prüfungskompetenz der nachträglich entscheidenden Genehmigungsbehörde nicht mehr auf diejenigen "fachfremden" Genehmigungsvoraussetzungen erstreckt, die speziell im vorangegangenen Genehmigungsverfahren zu prüfen waren. Ist es dagegen bereits zur Versagung einer parallelen Genehmigung gekommen, so wird es vielfach schon an einem Sachbescheidungsinteresse für einen parallelen Genehmigungsantrag fehlen. 48 Im übrigen müßte die Genehmigung in aller Regel versagt werden, da nicht ersichtlich ist, wie die Genehmigungsbehörde zu einer positiven Genehmigungsprognose gelangen kann, wenn ein paralleler Genehmigungsantrag bereits abgelehnt worden ist. 49 Auch der Ablehnungsbescheid entfaltet somit eine "Tatbestandswirkung". Auch wenn vorausgehende Genehmigungsentscheidungen keine strenge rechtliche Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden entfalten, wird es - schon aufgrund der bestehenden faktischen Bindungen - in der Praxis selten zu widersprüchlichen Genehmigungsentscheidungen kommen. Um die verbleibende Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen weiter zu vermindern und um zu gewährleisten, daß sich die Einzelentscheidungen zu einer koordinierten Gesamtentscheidung zusammenfügen, ist der Einsatz weiterer Koordinationsinstrumente zu empfehlen. Neben den Koordinationsinstrumenten der vorhabenbezogenen Gesamtprüfung und der Verfahrensmitbeteiligung, deren Anwendung nach der hier vertretenen Lösung rechtlich zwingend ist, ist namentlich an eine vorgeschaltete (räumliche bzw. umweltbezogene) Planung, an eine umfassende, sachverständige Umweltverträglichkeitsanalyse und an modernen Formen der Projektorganisation und Verfahrensplanung zu denken.

46 Vgl. Abschn. 5.1.1.3. bei Fn. 6 . Im Unterschied zu der hier vertretenen Lösung wird bei der Separationslösung die teleologische Reduktion bereits im vorausgehenden Genehmigungsverfahren vorgenommen. 47 Vgl. Abschn. 5.1.2.2. bei Fn. 19. 48 Vgl. Abschn. 5.1.1.3. bei Fn. 7. 49 Wenn eine parallele Genehmigung bestandskräftig versagt bzw. eine auf Genehmigungserteilung gerichtete Klage rechtskräftig abgewiesen worden ist, muß das vorläufige Gesamturteil negativ ausfallen.

6. Rechtspolitische Überlegungen 6.1. Gesetzliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren Die im vorangegangenen Abschnitt entwickelte Lösung der vorläufigen Gesamtprüfung unter Mitbeteiligung der parallel zuständigen Genehmigungsbehörden erlaubt de lege lata eine praktikable Handhabung paralleler Genehmigungsverfahren. Von daher gesehen erscheint eine gesetzliche Regelung entbehrlich. Allerdings werden zur rechtlichen Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren unterschiedliche Lösungen vertreten, ohne daß sich bislang eine bestimmte Meinung durchsetzen konnte. Das rechtliche Verhältnis, in dem parallele Genehmigungsverfahren zueinander stehen, kann daher noch keineswegs als geklärt angesehen werden. Dementsprechend bestehen erhebliche Unsicherheiten, wie im Falle des Zusammentreffens von Genehmigungsvorbehalten zu verfahren ist. Derartige Verfahrensunsicherheiten stehen der Entwicklung fester und eingespielter Verfahrensweisen bzw. "Organisationsroutinen" im Wege und können sich leicht als Verfahrenshemmnis erweisen. Damit Verfahren ohne Verzögerung und in geordneten Bahnen abgewickelt werden können, bedarf es eines Minimums gesicherter rechtlicher Grundsätze. Sollte es der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung in absehbarer Zeit nicht gelingen, das rechtliche Verhältnis paralleler Genehmigungsverfahren zu klären und einheitlichen Grundsätzen zu unterwerfen, so wäre in der Tat ein Tätigwerden des Gesetzgebers angezeigt. Er sollte sich dabei jedoch auf die Regelung grundsätzlicher Anforderungen an die Durchführung paralleler Genehmigungsv-:rfahren beschränken, um der Verwaltung und Rechtsprechung noch genügend Spielraum für die nähere Ausgestaltung und für eine Fortentwicklung des Instituts der parallelen Genehmigungsverfahren zu lassen. Eine derartige Regelung, die zweckmäßigerweise an die bereits in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder enthaltenen Vorschriften über Planfeststellungsverfahren anzuschließen wäre, könnte etwa folgendermaßen aussehen: "Abschnitt 3. Sonstige Genehmigungsverfahren. § i 8 a Aufgliederung des Verfahrens (1) Die Genehmigungsbehörde holt die Stellungnahmen der Behörden und Stellen ein, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird. (2) Eine Teilgenehmigung kann erteilt werden, wenn aufgrund einer vorläufigen Prüfung von der Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens auszugehen ist.

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6. Rechtspolitische Überlegungen

(3) Sind für ein Gesamtvorhaben mehrere Genehmigungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlich, so soll eine Genehmigung nur dann vor den anderen erteilt werden, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Die parallel zuständigen Genehmigungsbehörden sind bei der vorläufigen Gesamtprüfung zu beteiligen."

In den Absätzen 1 u. 2 finden das Behördenbeteiligungsverfahren und die Verfahrensstufung als wichtigste Formen sektoraler und phasenspezifischer Ausdifferenzierung von Genehmigungsverfahren eine allgemeine Regelung. 1 Aus diesen beiden Elementen setzt sich auch die Regelung paralleler Genehmigungsverfahren in Abs. 3 zusammen. Die Ausgestaltung als bloße Sollvor· schrift trägt der Weite und Unschärfe des Begriffs des "Gesamtvorhabens" Rechnung und eröffnet die Möglichkeit begründeter Ausnahmen. 2 Daß dem "vorläufigen positiven Gesamturteil" keine rechtliche Bindungswirkung gegenüber parallel zuständigen Genehmigungsbehörden zukommt, wird in der Vorschrift stillschweigend vorausgesetzt. Ggf. könnte insofern ein klarstellender Hinweis hinzugefügt werden. 3 Die vorgeschlagene Regelung paralleler Genehmigungsverfahren läßt der Praxis genügend Spielraum zur Anwendung und Erprobung verschiedener Formen der Zusammenarbeit und Koordination. Gerade bei komplexen Vorhaben erscheint der Einsatz zusätzlicher Koordinationsinstrumente geboten, um die parallelen Genehmigungsverfahren besser aufeinander abzustimmen. Im Rahmen der vorläufigen Gesamtprüfung unter Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden lassen sich weitere Formen der Koordination verwirklichen, wie insbesondere die Erstellung eines umfassenden Umweltverträglichkeitsgutachtens, die gemeinsame Verfahrens- bzw. Koordinationsplanung, die Zusammenfassung einzelner Verfahrensfunktionen (z.B. in einem gemeinsamen Erörterungstermin), die Einrichtung einer beratenden Projektgruppe oder die Ernennung eines Koordinators bzw. "Projektmanagers", der die "Verfahrensregie" führt. Diese zusätzlichen Koordinationsinstrumente können verwaltungsintern eingeführt, erprobt und weiterentwickelt werden. Da bislang noch kaum 1 Vgl. Absch. 3.3.1.3. sowie zu Planfeststellungsverfahren die entspr. Regelung in §§ 73 Abs. 2, 74 Abs. 3 VwVfG. 2 Noch weitergehend sieht Jarass in seinem Regelungsvorschlag die Möglichkeit vor, daß die Genehmigungsbehörde auf die Beurteilung fachfremder Fragen verzichtet. Vgl. folgende Fn. 3 Vgl. dagegen den Regelungsvorschlag von Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 95, der von einer "modifizierbaren Fachbindung" ausgeht: "(1) Eine wirksame Genehmigung ist für andere, die gleiche Anlage betreffende Genehmigungen, was die rechtlichen Feststellungen zur Rechtmäßigkeit der Anlage angeht, insoweit bindend, als die Genehmigungsbehörde als Fachbehörde entschieden hat. (2) Soweit eine Genehmigungsbehörde auch fremde Fachfragen zu beurteilen hat, kann sie darauf verzichten, sofern diese Fragen den Gegenstand eines noch durchzuführenden Genehmigungsverfahrens bilden und in der Genehmigung ausdrücklich darauf verwiesen wird."

6.1. Gesetzliche Zuordnung paralleler Genehmigungsverfahren

249

Erfahrungen mit dem Einsatz dieser Koordinationsinstrumente bei parallelen Genehmigungsverfahren gesammelt wurden, wäre es verfrüht, sie in eine allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung aufzunehmen. Vielmehr stellt die Pflicht zur vorläufigen Gesamtprüfung und zur Mitbeteiligung parallel zuständiger Genehmigungsbehörden zunächst einmal einen ausreichenden rechtlichen Rahmen dar, der durch weitere Formen administrativer Koordination ausgefüllt und ergänzt werden kann. Dies gilt auch in Hinblick auf eine umfassende und sachverständige Analyse der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens. Immerhin bietet insofern die EG-Richtlinie v. 27.6.1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten einige Anhaltspunkte, z.B. was die vom Vorhabenträger vorzulegenden Angaben zur Umweltverträglichkeit betrifft.4 Da sich diese Richtlinie jedoch nur auf bestimmte, enumerativ aufgeführte Projekte bezieht, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, 5 muß ihre Umsetzung ins nationale Recht erst einmal bei den einzelnen fachgesetzlichen Genehmigungsvorschriften ansetzen. Daneben besteht die Möglichkeit, die für Planfeststellungsverfahren und für Raumordnungsverfahren geltenden allgemeinen Vorschriften (vgl. § § 7 2 ff. VwVfG, § 13 Lp!G BW) im Interesse einer effektiven Umweltverträglichkeitsprüfung weiterzuentwickeln, da es sich bei den Vorhaben, die den Gegenstand dieser Verfahren bilden, in aller Regel um umweltrelevante Projekte handelt. Diese Voraussetzung ist dagegen bei sonstigen Genehmigungsverfahren nicht erfüllt. Wollte man daher eine allgemeine Regelung der "Umweltverträglichkeitsprüfung" für sonstige Genehmigungsverfahren einführen, dann müßte eine besondere Kategorie von Genehmigungsverfahren, die "umweltrelevante Vorhaben" zum Gegenstand haben, gesetzlich definiert werden. Von den damit verbundenen Abgrenzungsschwierigkeiten abgesehen, wäre es verwirrend und rechtssystematisch unbefriedigend, wenn neben den Planfeststellungsverfahren eine weitere Form "qualifizierter" Genehmigungsverfahren geschaffen würde. Für eine allgemeine verfahrensrechtliche Ausgestaltung der "Umweltverträglichkeitsprüfung", welche langfristig wünschenswert erscheint, bieten sich vielmehr zwei andere Wege an: Entweder könnten Planfeststellungs- und Raumordnungsverfahren in Richtung auf eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung weiterentwickelt und auf weitere umweltrelevante Vorhaben ausgedehnt werden, oder es könnte ein neues Rechtsinstitut der "Umweltverträglichkeitsprüfung" anstelle der herkömmlichen Rechtsinstitute des Planfeststellungs- und Raumordnungsverfahrens eingeführt werden:

Vgl. Art. 5 i.V.m. Anh. III UVP-Richtlinie - s. Anh. -. s Vgl. Art. 4 i.V.m. Anh. I u. II UVP-Richtlinie.

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6. Rechtspolitische Überlegungen

6.2. Abstrakt-generelle Konzentration Eine abstrakt-generelle Konzentration liegt vor, wenn eine Konzentrationsregelung nicht an bestimmte fachgesetzliche Genehmigungsvorbehalte, sondern generell an das Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten bei allen möglichen Arten von Vorhaben anknüpft. 1 Sie ist sowohl in der Form einer allgemeinen Entscheidungskonzentration 2 als auch in der Form einer allgemeinen Zuständigkeitsbündelung denkbar. 3 Wenngleich sich mit diesem Regelungsansatz die Hoffnung verbindet, daß sich die Koordinationsprobleme paralleler Genehmigungsverfahren gleichsam mit einem Federstrich des Gesetzgebers lösen lassen, stehen einer derartigen Lösung doch praktisch unüberwindliche Hindernisse entgegen. Zunächst einmal bereitet bereits die abstrakt-generelle Festlegung des gegenständlichen Bezugsobjekts der Konzentration Schwierigkeiten. Versuche, den Vorhabenbegriff zu präzisieren, etwa im Sinne eines "wirtschaftlich einheitlichen, raumbezogenen Vorhabens" oder eines "Vorhabens, das die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung baulicher oder anderer Anlagen zum Gegenstand hat" ,4 führen nicht zu der wünschenswerten Klarheit. Diese Unschärfen des Vorhabenbegriffs sind bei einer abstrakt-generellen Konzentrationsregelung deshalb so schwerwiegend, weil davon die Bestimmung der zuständigen Genehmigungsbehörde und des jeweiligen Entscheidungsumfangs abhängt. Im Unterschied dazu wirken sich Unsicherheiten bei der Abgrenzung des "einheitlichen Gesamtvorhabens" bei der im Rahmen paralleler Genehmigungsverfahren vorzunehmenden "vorläufigen Gesamtprüfung" weder auf die Genehmigungszuständigkeiten noch auf den verbindlichen Regelungsgehalt der parallelen Genehmigungsentscheidungen aus. Bevor die zuständige Konzentrationsbehörde bestimmt werden kann, muß geklärt sein, welchen Umfang das Vorhaben hat und welchen Genehmigungsvorbehalten es unterliegt. Es ist daher zu befürchten, daß erst schwierige Zuständigkeitsfragen beantwortet werden müssen, bevor eine Genehmigungsbehörde mit der inhaltlichen Prüfung eines Genehmigungsantrags beginnt. Dies kann sich gerade auf die Anlaufphase des Genehmigungsverfahrens und auf die Vorverhandlungen zwischen Vorhabenträger und Genehmigungsbehörde nachteilig auswirken. Aber auch während des Genehmigungsverfahrens k önnen sich neue Tatsachen oder Planänderungen ergeben, die die ZuständigkeitsgrundJage verändern.

Vgl. bereits Abschn. 2.1.3. Vgl. den in Abschn. 2.1.3. bei Fn. 15 wiedergegebenen Vorschlag vonjarass. 3 Vgl. den bad.-württ. Entw. eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten (LT-Drucks. BW 8/3635, S. 24 ff.) - s. Anh. 2 -. 4 Vgl. LT-Drucks. BW (Fn. 3), S. 31 (sub 5). I

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6.2. Abstrakt-generelle Konzentration

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Eine abstrakt-generelle Konzentration führt nicht nur zu einer Komplizierung der Zuständigkeitsfragen und zu einer Beeinträchtigung der Zuständigkeitsklarheit,5 sondern auch zu einer bedenklichen Relativierung der Zuständigkeitsordnung: Je nachdem, bei was für einem Vorhaben bestimmte rechtliche und fachliche Fragen auftreten, sind für die gleichen Fragen verschiedene Behörden zuständig. lnfolge dieser vorhabenbezogenen Verschiebungen wird die feste und unverrückbare Zuständigkeitsordnung durch ein System wechselnder Zuständigkeiten ersetzt. Dies macht nicht nur die Zuständigkeitsordnung unübersichtlich, sondern gefährdet auch die Gleichmäßigkeit des Gesetzesvollzugs.6 Die Folgen einer abstrakt-generellen Konzentration für das vorhabenbezogene Verfahrenssystem und für den Inhalt von Genehmigungsentscheidungen lassen sich kaum absehen. Die Stellung der "verdrängten" Genehmigungsbehörden wird geschwächt und damit auch das Gewicht der von diesen wahrzunehmenden Belange. Dadurch, daß die Verfahrensherrschaft und die Entscheidungsmacht auf die jeweilige Konzentrationsbehörde übergeht, verändert sich das "Kräftefeld" zwischen den parallel zuständigen Genehmigungsbehörden und regelmäßig auch die Informations-, Interessen- und Wertberücksichtigung im Entscheidungsprozeß. Die Auswirkungen einer abstraktgenerellen Konzentration auf die Verwaltungsorganisation und auf die Entscheidungsinhalte bleiben wegen der Vielfalt möglicher Vorhaben und wegen der Vielzahl betroffene~ Genehmigungsverfahren weitgehend unkalkulierbar. Eine planmäßige Organisations- und Verfahrensgestaltung wird durch die kaum vorhersehbaren vorhabenbezogenen Verschiebungen erheblich erschwert. Ein organisatorisches Gleichgewicht zwischen den am vorhabenbezogenen Verfahrenssystem beteiligten Verwaltungseinheiten und eine sorgfältig ausbalancierte sektorale Ausdifferenzierung von Genehmigungsverfahren werden sich so nur schwer herstellen Jassen. Selbst dann, wenn die Konzentration immer nur bei der allgemeinen unteren Verwalt11ngsbehörde eintritt, wie dies in dem bad.-württ. Entwurf eines Gesetzes zur Konzentration von Genehmigungszuständigkeiten vorgesehen war, 7 ist damit noch längst nicht die sachliche Neutralität der Konzentrationsbehörde gewährleistet. Zum einen gibt es bei unteren Verwaltungsbehörden kein fachlich neutrales "Genehmigungsreferat", sondern nur verschiedene Fachabteilungen, die aber bei weitem nicht alle Verwaltungszweige abdecken; zum anderen stehen untere Verwaltungsbehörden in einem spezifischen kommunalpolitischen Einflußfeld. 8 s Vgl. bereits Abschn. 3.4.6. bei Fn. 8. Vgl. LT-Drucks. BW (Fn. 3), S. 29 f. (sub A), 31 (sub 3). 7 Vgl. LT-Drucks. BW (Fn. 3), S. 25. 8 Immerhin bieten allgemeine Verwaltungsbehörden günstigere Voraussetzungen für eine umfassende Informations·, Interessen- und Wertberiicksichtigung als Sonderbehör6

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6. Rechtspolitische Überlegungen

Einer umfassenden abstrakt-generellen Konzentration stehen außerdem auch kompetenzrechtliche Hindernisse entgegen. Eine unbegrenzte Konzentration ließe sich nur schwer mit der grundsätzlichen Trennung und Aufteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten im Bundesstaat vereinbaren. Treffen bei einem Vorhaben bundesrechtlich und landesrechtlieh geregelte Genehmigungsvorbehalte zusammen, oder bestehen gar parallele Genehmigungszuständigkeiten von Bundes- und Landesbehörden, dann stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Bundes- oder Landesgesetzgeber in der Lage ist, eine Konzentration anzuordnen. 9 In diesen Fällen besteht weder eine allgemeine umfassende Kompetenz des Bundes noch eine solche der Länder zur abstrakt-generellen Anordnung der Konzentration. Dementsprechend mußte in den bereits genannten bad.württ. Gesetzentwurf die salvatorische Klausel aufgenommen werden: "soweit Bundesrecht nicht entgegensteht". Damit sind die Fälle gemeint, in denen Bundesbehörden zuständig sind oder in denen die Zuständigkeit von Landesbehörden bundesrechtlich geregelt ist. 10 Eine vollständige Konzentration ließe sich allenfalls durch eine aufeinander abgestimmte Gesetzgebung des Bundes und der Länder herstellen, wie dies etwa für Planfeststellungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder geschehen ist.U Abschließend sei darauf hingewiesen, daß durch eine vollständige Konzentration die Koordinationsprobleme im vorhabenbezogenen Verfahrenssystem noch keineswegs gelöst, sondern zunächst nur in das konzentrierte Genehmigungsverfahren hinein verlagert und damit allenfalls vereinfacht würden. 12 Eine Abstimmung mit den "verdrängten" Genehmigungsbehörden würde dadurch genausowenig entfallen wie die Koordination der verschiedenen Entscheidungsgesichtspunkte, welche sich aus den nebeneinander anzuwendenden Fachgesetzen ergeben.

den, vgl. nur Gassner in NuR 1982, 81 (81 f.). Zur Möglichkeit einer Neutralisierung der Konzentrationsbehörde vgl. Abschn. 3.4.6. 9 Vgl. zu diesen kompetenzrechtl. Fragen im einzelnen Abschn. 6.4.1. 10 Vgl. LT-Drucks. BW (Fn. 3), S. 31 (sub 1). Nach dem Beschl. des BVerfG v. 23.3. 1965, E 18, 407 (417) sollen bundesrechtl. Ermächtigungen an den Landesverordnungs· geber nicht auch den Landesgesetzgeber ermächtigen. Dementsprechend müßten auch die Fälle ausgenommen werden, in denen Zuständigkeiten durch eine Iandesrecht!. Verordnungaufgrund einer bundesrechtl. Ermächtigung geregelt bzw. zu regeln sind. 11 Vgl. §§ 75 Abs. 1, 78, 100 Nr. 2 BVwVfG, §§ 75 Abs. 1, 78 LVwVfG und dazu auch Abschn. 6.4.1. 12 Vgl. Abschn. 3.4.6.

6.3. Vereinheitlichung von Konzentrationsregelungen

253

6.3. Vereinheitlichung von Konzentrationsregelungen Die zahlreichen fachgesetzlichen Konzentrationsregelungen weisen in ihrer Konstruktion und ihrer Formulierung eine beträchtliche Vielfalt auf. Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber mit jeder Variante einen abweichenden Regelungsgehalt verbinden wollte. Die Vielfalt ist vielmehr darauf zurückzuführen, daß keine "Musterregelung" als Vorbild diente und eine Angleichung der verstreuten fachgesetzlichen Konzentrationsvorschriften unterblieben ist. Soweit wie möglich sollte daher eine "harmonisierende" Auslegung bevorzugt werden, die den einzelnen fachgesetzlichen Konzentrationsvorschriften ungeachtet ihrer konstruktiven und terminologischen Unterschiede einheitliche Rechtsfolgen beimißt. So sind die Rechtsfolgen von Konzentrationsvorschriften unabhängig davon zu bestimmen, ob der Gesetzgeber die "Nichterforderlichkeit", die "Ersetzung" oder die "Einschließung" parallel erforderlicher Genehmigungen angeordnet hat. Alle diese Regelungen sollen eine verfahrensmäßige Zusammenfassung paralleler Genehmigungsentscheidungen bewirken. Bei der Lösung von Rechtsfragen, die sich bei der Entscheidungskonzentration stellen, sollte von diesem Zweck der Konzentrationsvorschriften ausgegangen werden, und zwar auf der Grundlage einer sorgfältigen Analyse des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems. Demgegenüber tritt der mehr oder minder zufällige Wortlaut der einzelnen Konzentrationsvorschriften, der überdies nur schwache Anhaltspunkte bietet, in den Hintergrund. 1 Es versteht sich von selbst, daß sich der Gesetzgeber bei fachgesetzlichen Konzentrationsregelungen um eine einheitliche und klare Gesetzessprache bemühen sollte, da gerade bei solchen Vorschriften, die im Schnittbereich mehrerer Regelungsmaterien stehen, eine einheitliche Auslegung und Anwendung vordringlich erscheint. Neben einer solchen Standardisierung fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften ist auch an eine allgemeine Regelung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen zu denken. Dadurch könnte eine Auslegungshilfe für bestehende fachgesetzliche Konzentrationsvorschriften und ein Modell für zukünftige fachgesetzliche Regelungen bereitgestellt werden. Außerdem ergäbe sich eine Entlastung der Fachgesetze, wenn für die bei fachgesetzlichen Konzentrationsvorschriften immer wieder auftretenden Rechtsfragen eirie allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Lösung vorhanden wäre. Wenn auch nach den bisherigen Erfahrungen nicht damit gerechnet werden kann, daß die Anpassung der Fachgesetze an neue verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen sogleich erfolgt, so wäre doch zu erwarten, daß die Vereinheitlichung fachgesetzlicher Verfahrensvorschriften durch Regelungen im Verwaltungsverfahrensgesetz vorangetrieben wird. 1 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 54; Bender in NVwZ 1984, S. 9 ff.

254

6. Rechtspolitische Überlegungen

Wenn sich eine allgemeine gesetzliche Regelung paralleler Genehmigungsverfahren als notwendig erweisen sollte, dann wäre es auch aus rechtssystematischen Gründen zu begrüßen, wenn eine allgemeine Regelung konzentrierter Genehmigungsverfahren in die Verwaltungsverfahrensgesetze aufgenommen würde. Eine solche Regelung könnte im Anschluß an den vorgeschlagenen § 78 a VwVfG erfolgen und folgenden Wortlaut haben: a) Im Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes "§ 78 b Entscheidungskonzentration.

(1) Ist durch Bundesgesetz bestimmt, daß eine konzentrierte Genehmigung andere Genehmigungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften ersetzt, so gilt folgendes : (2) Bei der Erteilung der konzentrierten Genehmigung sind auch die für die ersetzten Genehmigungen geltenden Vorschriften zu beachten; dies gilt nicht für Verfahrensvorschriften, soweit für das konzentrierte Genehmigungsverfahren gleichwertige Regelungen bestehen. Unter den Voraussetzungen des § 78 a Abs. 2 können Teilgenehmigungen für einzelne der einbezogenen Genehmigungsbereiche erteilt werden. (3) Bei der Prüfung des zu genehmigenden Vorhabens sind die Behörden zu beteiligen, deren Genehmigung ersetzt wird."

b) In den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder: wie a), nur statt "durch Bundesgesetz" müßte es heißen "durch Landesgesetz".

Durch diese Regelung wird erstens klargestellt, daß die Konzentrationswirkung keine Freistellung von den materiellen Vorschriften der "ersetzten" Genehmigungsbereiche bedeutet. Die Konzentrationsbehörde muß daher nicht nur das "primäre", speziell für das eigene Genehmigungsverfahren geltende, materielle Recht, sondern auch das "sekundäre" materielle Recht beachten, das für die ersetzten Genehmigungen gilt. Dies ergibt sich in aller Regel bereits aus den bestehenden öffnungsklauseln, die der Konzentrationsbehörde die Prüfung sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften aufgeben. Dies muß jedoch auch unabhängig vom Bestehen der Öffnungsklauseln gelten, da Konzentrationsvorschriften eine Verfahrensvereinfachung und keine materiellrechtliche Privilegierung bewirken sollen. 2

Zweitens wird hinsichtlich der Fortgeltung der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Verfahrensvorschriften eine differenzierende Regelung getroffen: Wenn der Zweck der sekundären Verfahrensvorschriften bereits durch die Ausgestaltung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens erfüllt wird, erübrigt sich eine Anwendung dieser Verfahrensvorschriften. Anders ist es hingegen, wenn durch deren Nichtanwendung die Rechtsstellung von Antragstellern oder Drittbetroffenen beeinträchtigt oder die Effektivität der Zulässigkeitsprüfung verschlechtert würde. 3

2

3

Vgl. im einzelnen Abschn. 4 .1.3.1. Vgl. im einzelnen Abschn. 4.1.3.2 .

6.3. Vereinheitlichung von Konzentrationsregelungen

255

Drittens wird durch die Regelung klargestellt, daß für die einzelnen "ersetzten" Genehmigungsbereiche Teilgenehmigungen mit sektoralem Zuschnitt erteilt werden können. Eine derartige Ausdifferenzierung, wie sie auch bei Planfeststellungen als Ausnahme von dem grundsätzlichen Gebot einer einheitlichen Problembewältigung für zulässig erachtet wird,4 kann insbesondere aus Gründen der Komplexitätsreduktion zweckmäßig erscheinen, um bestimmte Entscheidungsgesichtspunkte getrennt voneinander zu behandeln. Es handelt sich dabei allerdings nur um eine Ausprägung des Grundsatzes, wonach unter bestimmten Voraussetzungen Teilgenehmigungen zulässig sind, nicht jedoch um eine Ausnahme von der Konzentrationswirkung. Auch die sektoralen Teilgenehmigungen werden nämlich von der Konzentrationsbehörde erteilt, die dabei selbstverständlich die Entscheidungsbeiträge "verdrängter" Genehmigungsbehörden verarbeiten bzw. übernehmen kann.5 Durch die vorgeschlagene Regelung wird viertens eine Pflicht zur Mitbeteiligung der "verdrängten" Genehmigungsbehörden festgelegt. Dies entspricht dem Verwaltungsgrundsatz, wonach Behörden und Stellen, deren Aufgabenbereich berührt wird, am Verfahren zu beteiligen sind. Ober die Form der Beteiligung ist damit keine abschließende Regelung getroffen. Sofern fachgesetzlich keine weitergehende Form der Beteiligung vorgeschrieben ist, genügt es, wenn "verdrängte" Genehmigungsbehörden informiert werden und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. 6 Aus dem Verzicht auf,ein allgemeines Einvernehmenserfordernis bezüglich der "verdrängten" Genehmigungsbehörden erwächst allerdings die Gefahr, daß die Genehmigungsentscheidung infolge der dominierenden Stellung der Konzentrationsbehörde im Entscheidungsprozeß von deren einseitiger bzw. fachgebundener Sichtweise, Interessenwahrnehmung und Zielverfolgung geprägt wird. Außerdem wird dadurch, daß der Einfluß der "an sich" zuständigen Genehmigungsbehörden im Verfahren vermindert wird, die durch die Entscheidungskonzentration bewirkte Aufweichung der festen Zuständigkeitsordnungnoch verstärkt. 7

4 Vgl. BVerwG, Urt. v. 23.1.1981, NJW 1982, 950f. Zu§ 74 Abs. 3 VwVfG vgl. die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 6/1173 S. 87,90 Uew. zu§ 62), BT-Drucks. 7/910 S. 89 (zu § 70)). 5 Der rechtspolitische Vorschlag einer "modifizierbaren Konzentration" von Jarass (Fn. 1 ), S. 8 7 ff. geht dagegen darüber hinaus, indem der Konzentrationsbehörde die Möglichkeit eingeräumt wird, im konkreten Fall bestimmte Genehmigungen von der Konzentration auszunehmen. Demzufolge könnte also die Konzentrationsbehörde selbst ihren Entscheidungsbereich festlegen. 6 Vgl. im einzelnen Abschn. 4.1.4. 7 Der Zielkonflikt zwischen der erstrebten Verfahrensvereinfachung und der Rücksichtnahme auf die bestehende Zuständigkeitsverteilung trat auch bei der Erarbeitung des Gesetzentw. zur Konzentration von Genehmigunl!szuständigkeiten in Bad.-Württ. deutlich hervor, vgl. LT-Drucks. BW 8{3635 S. 26 (r. Sp.), 27 (r. Sp.), 28, 30 (r. Sp.).

256

6. Rechtspolitische Überlegungen

Andererseits würde der Konzentrationseffekt durch eine Verpflichtung zur Herstellung des allseitigen Einvernehmens erheblich eingeschränkt. Dies gilt insbesondere dann, wenn einer Genehmigung eine umfassende Konzentrationswirkung zukommt und dementsprechend das Einvernehmen mehrerer Behörden eingeholt werden müßte. Da Einvernehmensverpflichtungen das Verfahren schwerfälliger machen, wird häufig aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung der Abbau bindender Mitwirkungsakte zugunsten rechtlich unverbindlicher Stellungnahmen gefordert.8 Es wurde schon darauf hingewiesen, daß wegen der Abhängigkeit der Konzentrationsbehörde von der Sach- und Fachkunde verdrängter Genehmigungsbehörden faktisch gesehen immer eine Tendenz zur Herstellung des Einvernehmens besteht.9 Der Verzicht auf ein rechtsverbindlich vorgeschriebenes Einvernehmen erscheint geeignet, die Kompromißbereitschaft der beteiligten Verwaltungseinheiten zu erhöhen und die Gesamtverantwortung der Konzentrationsbehörde hervorzuheben. Dennoch wird es in einigen Fällen wünschenswert sein, die Durchsetzungskraft bestimmter "verdrängter" Genehmigungsbehörden (wie auch sonstiger mitbeteiligter Verwaltungseinheiten) durch ein Einvernehmenserfordernis zu stärken, um auf diese Weise eine ausgewogene Informations-, Interessen- und Zielberücksichtigung im Entscheidungsprozeß zu begünstigen. Der Gesetzgeber wird daher bei jeder einzelnen Konzentrationsvorschrift überlegen müssen, ob er spezielle Einvernehmensverpflichtungen einführt, um die Durchsetzungskraft bestimmter Behörden zu stärken bzw. um bestimmten fachlichen Belangen ein besonderes Gewicht zu verleihen. Im übrigen werden auch die vorgesetzten Behörden zu erwägen haben, ob sie kraft Verwaltungsvorschrift das Einvernehmen mit bestimmten Behörden vorschreiben. 10 Ein Bedürfnis für Einvernehmensverpflichtungen besteht vor allem dann, wenn bestimmte Behörden für ihre Durchsetzungsschwäche bekannt sind oder wenn Behörden mit den Aufgaben einer Konzentrationsbehörde betraut sind, die dafür organisatorisch oder personell nur unzureichend geeignet sind. Die Pflicht zur Herstellung des Einvernehmens stellt dann ein geeignetes Mittel dar, um unliebsame Folgen der Entscheidungskonzentration abzumildern.11 8 Vgl. Schultz, Zuständigkeiten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 316 f., 319 f.; Dokumentation der Tätigkeit der Kommission für den Abbau von Staatsaufgaben und für Verwaltungsvereinfachung v. 1980 (hrsg. v. der Bay. Staatskanzlei), S. 87 f., 107; Bericht der Kommission zur Überprüfung von Verbesserungsmöglichkeiten in der Hbg. Verwaltung v. 1981, S. 127 f. (auch S. 66 ff., 96). 9 Vgl. Abschn. 3.4.4. 10 Vgl. z .B. Teil 1 Nr. 7 .4.3. nordrh.·westf. VerwVorschr zum Genehmigungsverfahren nach dem BlmSchG v. 21.11.1975 (MB!. S. 2216). 11 Folgerichtig daher Jarass (Fn. 1 ), S. 86 ff., 89, der die von ihm als allg. Konzentrationsbehörde vorgeschlagene Baugenehmigungsbehörde an das Einvernehmen derjenigen Behörden binden will, die für die ersetzten Genehmigungen zuständig sind.

6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften

257

Schließlich wird der Anwendungsbereich des § 78 b in Abs. 1 durch die Anknüpfung an "Bundesgesetze" abweichend von der Subsidiaritätsregel des § 1 Abs. 3 BVwVfG erweitert, so daß die darin enthaltene Konkretisierung der Konzentration auch für solche bundesrechtlichen Konzentrationsvorschriften gilt, zu deren Vollzug Landesbehörden zuständig sind. Dadurch wird vermieden, daß die Rechtswirkungen bundesrechtlicher Konzentrationsvorschriften vom Landesgesetzgeber festgelegt werden; stattdessen wird gewährleistet, daß Bundes- und Landesgesetzgeber jeweils selbst die rechtliche Bedeutung der von ihnen erlassenen fachgesetzlichen Konzentrationsregelungen bestimmen.

6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften 6.4.1. Umfassende dominante Konzentration Bei der rechtspolitischen Diskussion von Konzentrationsregelungen ist der Systematisierung von jarass folgend 1 - zwischen umfassenden Konzentrationsregelungen "dominanten" Charakters, die einer bestimmten Genehmigung eine umfassende Konzentrationswirkung gegenüber anderen Genehmigungen beilegen (z.B. § 13 Satz 1 BlmSchG), und solchen "rezessiven" Charakters zu unterscheiden, die eine bestimmte Genehmigung generell gegenüber anderen Genehmigungen zurücktreten lassen (z.B. § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW, § 63 Abs. 3 NatSchG BW). Von den generell-umfassenden Konzentrationsregelungen sind wiederum punktuelle Regelungen zur Einzelkonzentration zu unterscheiden, die jeweils nur für das Zusammentreffen zweier bestimmter Genehmigungsvorbehalte gelten (z.B. § 8 Abs. 2 Satz 1 AtG). Eine vollständige Konzentration aller Genehmigungen, die für ein einheitliches Gesamtvorhaben erforderlich sind, läßt sich nur über umfassende dominante Konzentrationsvorschriften sicherstellen. Konzentrationsregelungen dieser Art stehen daher im Mittelpunkt der rechtspolitischen Überlegungen.

- Kompetenzrechtliche Problematik Eine wirklich umfassende Konzentration läßt sich nur herstellen, wenn sowohl bundesrechtlich als auch landesrechtlich geregelte Genehmigungsverfahren einbezogen werden. Schwierigkeiten ergeben sich hier jedoch aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung. 1 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 50ff.; ansatzweise bereits ders. in DÖV 1978, 21 (25). Vgl. auch Abschn. 4.1.5 bei Fn. 6.

17 Wagner

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6. Rechtspolitische Überlegungen

Bei Planfeststellungsverfahren ist die kompetenzrechtliche Problematik schon frühzeitig erkannt und vielfach erörtert worden. 2 Das im Einheitsstaat Preußen entwickelte Rechtsinstitut der Konzentrationswirkung ließ sich nicht so einfach mit der bundesstaatliehen Ordnung in Einklang bringen. In seinem Beschluß vom 15.7.1969 zu § 9 EisenbahnkreuzungsG hat das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenz des Bundesgesetzgebers zur Anordnung der Konzentration aus Art. 73 Nr. 6 GG bzw. aus Art. 86, 87 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitet, da sich daraus eine dem früheren Reichseisenbahnrechi entsprechende, weit zu fassende Bundeskompetenz zur Regelung des materiellen und formellen Planfeststellungsrechts für Bundeseisenbahnen ergebe. 3 Die Kompetenz des Bundes zur Erstreckung der Konzentrationswirkung bundesrechtlicher Planfeststellungen auf landesbehördliche Genehmigungen wird im allgemeinen rni t einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs begründet.4 Mit dem Kriterium des Sachzusammenhangs ist jedoch nicht nur der Umfang von Bundeskompetenzen, sondern auch der von Landeskompetenzen zu bestimmen. 5 Berührt ein Gegenstand der Gesetzgebung daher zugleich Kompetenzbereiche des Bundes und der Länder- was bei einer umfassenden Konzentration zumeist der Fall ist -, so kommt es darauf an, zu welcher Kompetenzmaterie die stärkere Sachbeziehung besteht. 6 Dies wird bei Konzentrationsregelungen oftmals fraglich sein. Geht man davon aus, daß sich durch Konzentrationsvorschriften nichts an der Beachtlichkeit der materiellrechtlichen Vorschriften ändert, die für die ersetzten Genehmigungen gelten, 7 dann sind Konzentrationsregelungen als organisations- und verfahrensrechtliche Regelungen und nicht als materiellrechtliche Regelungen zu qualifizieren. 8 Die Kompetenz zur Regelung des Verwaltungs-

2 Vgl. Blümel in DVBI 1960, 697 (707 ff.) ; Bullinger, Die Mineralölfemleitungen; Brohm, Landeshoheit und Bundesverwaltung; Karwath, Die Konzentrationswirkung der Planfeststellung nach dem Bundesfemstraßengesetz, S. 70 ff.; Breuer, Die hoheitliche raumgestaltende Planung, S. 96 ff.; Braun in VBIBW 1971, 33 (36 ff.); Kopp in BayVBI 1973,85 ff.; Knöpfle, in: Festschrift Maunz, S. 187 ff. 3 BVerfG E 26, 338 (369 ff.). Vgl. auch bereits Karwath (Fn. 2), S. 101 f. 4 V~l. BVerwG, Urt. v. 14.2.1969, E 31, 2 63 (2 73); Urt. v. 9.3.1979, E 57, 297 (300 f.); Bullinger (Fn. 2), S. 65 ff. ; ders. in AöR 96 (1971), S. 23 7 (258 f.); Karwath (Fn. 1), S. 104ff.; Breuer (Fn. 2), S. 116ff.; Braun (Fn. 2), S. 36ff.; Kopp (Fn. 2) , S. 86 ff.; Kodal, Straßenrecht, S. 738; Fickert, Planfeststellung für den Fernstraßenbau, Nr. 28 PlafeR, Rn. 13; Siedler/Zeitler/Dahme, WHG, § 31 Rn. 20. 5 Vgl. Bullinger in AöR 96 (1971 ), 237 (237f., 246 ff.); Kopp (Fn. 2), S. 87, 89. 6 Zu den anzulegenden Maßstäben vgl. Bullinger (Fn. 5), S. 249 ff., 252 ff.; Breuer (Fn. 2), S. 119 ff. Dabei ist str., ob an einen Sachzusammenhang zugunsten des Bundes oder an einen solchen zugunsten der Länder ein strengerer Maßstab anzulegen ist. 7 Vgl. Abschn. 4 .1.3.1. 8 Vgl. Jarass in DöV 1978, 21 (2 5 f. Fn. 53 ); Breuer (Fn. 2), S. 106 ff., 114 f. Zur " Doppelrelevanz" von Konzentrationsregelungen in organisations- und verfahrensrechd. Hinsicht vgl. bereits Abschn. 4.1.1.

6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften

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verfahrens und zur Einrichtung der Behörden folgt jedoch - nach Maßgabe der Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 und 86 Satz 2 GG - der Aufteilung der materiellen Regelungskompetenzen (vgl. Art. 70 ff. GG). 9 Die Kompetenz zur Anordnung einer umfassenden Konzentration hängt daher strenggenommen davon ab, zu welchem materiellen Regelungsbereich das zu genehmigende Vorhaben den engsten Sachbezug aufweist. So weisen z.B. Neubaustrecken der Deutschen Bundesbahn den engsten Bezug zum Recht der Bundeseisenbahnen auf (Art. 73 Nr. 6 GG), auch wenn sie zugleich baurechtliche, wasserrechtliche, naturschutzrechtliche oder denkmalschutzrechtliche Fragen aufwerfen. 10 Nicht immer läßt sich jedoch der Schwerpunkt eines Vorhabens bzw. einer bestimmten Art von Vorhaben eindeutig einer bestimmten Regelungsmaterie zuordnen. Als zusätzliche Möglichkeit kommt dann in Betracht, auf den Sachzusammenhang abzustellen, der zwischen der Entscheidungskonzentration und der Ausgestaltung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens besteht. Eine aufwendige und förmliche Ausgestaltung eines Genehmigungsverfahrens insbesondere in der Form des Planfeststellungsverfahrens -kann es nämlich angemessen erscheinen lassen, parallele Genehmigungsbereiche miteinzubeziehen, wie auch umgekehrt eine Entscheidungskonzentration nur dann sachgerecht erscheint, wenn zugleich das konzentrierte Genehmigungsverfahren so ausgestaltet wird, daß die Berücksichtigung aller sektoralen Belange gewährleistet ist. Man Kann daher grundsätzlich denjenigen Gesetzgeber, der im Rahmen seiner Kompetenz für das Verwaltungsverfahren ein besonderes, förmlich ausgestaltetes Genehmigungsverfahren einführt, auch kraft Sachzusammenhangs für befugt ansehen, eine Konzentrationswirkung gegenüber "einfacheren" Genehmigungsverfahren anzuordnen. Mit dieser Argumentation lassen sich insbesondere die kompetenzrechtlichen Voraussetzungen für planfeststellungsrechtliche Konzentrationsregelungen begründen. Was Planfeststellungsverfahren betrifft, werden kompetenzrechtliche Hindernisse allerdings schon durch die korrespondierenden Konzentrationsregelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder (vgl. §§ 75 Abs. 1, 78 VwVfG) und speziell durch die Ermächti9 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.2.1959, E 9, 185 (190) ; Finkelnburg/Lässig, VwVfG, Ein!. Rn. 32, 39 ff.; Bullinger (Fn. 5), S. 263; Kirschenmann in JuS 1977, 565 (572}; Knöpfle (Fn. 2), S. 189 f.; modifizierend: Karwath (Fn. 2), S. 97 ff.; kritisch auch Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 33, 37. 10 Dieser Sachzusammenhang dürfte es jedoch nur rechtfertigen, dem Bund die Kompetenz zur Einführung eines umfassenden Planfeststellungsverfahrens einzuräumen und nicht auch die Kompetenz zur Festlegung der materiell an das Vorhaben zu stellenden bau-, wasser-, naturschutzrechtl. oder denkmalschutzrechtl. Anforderungen (vgl. Karwath, a.a.O. (Fn. 2}, S. 108 ff.; Bullinger (Fn. 5}, S. 265 f.; Kopp (Fn. 2}, S. 8 7). Vgl. jedoch auch das Gesetz zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht v. 1.6.1980 (BGBI. S. 649}, speziell § 36 Abs. 1 Satz 2 BBahnG n.F., und dazu BVerwG, Beschl. v. 23.3.1984, DVBl 1984, 638.

17*

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6. Rechtspolitische Überlegungen

gung in § 100 Nr. 2 BVwVfG ausgeräumtY Damit ist jedoch die kompetenzrechtliche Problematik genehmigungsrechtlicher Konzentrationsregelungen für "einfache" Genehmigungsverfahren noch keineswegs gelöstP Zwar wird heute - soweit ersichtlich - die kompetenzrechtliche Zulässigkeit der umfassenden Konzentrationsregelung in § 13 BlmSchG nicht mehr ernsthaft bestritten. 13 Gleichwohl fällt die rechtliche Begründung für eine derartige Bundeskompetenz nicht gerade leicht. Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) und für die Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung (Art. 74 Nr. 24 GG) beinhaltet nicht schlechthin auch eine Kompetenz des Bundes, die Genehmigung von gewerberechtlich und immissionsschutzrechtlich bedeutsamen "Anlagen" auch im Hinblick auf solche Teilaspekte zu regeln, die der Landesgesetzgebung unterliegen.14 Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß bei den nach § 4 BlmSchG genehmigungsbedürftigen Anlagen immer oder auch nur typischerweise immissionsschutzrechtliche Aspekte im Vordergrund stehen. Gerade bei den weniger gefährlichen, im vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG zu genehmigenden Anlagen erscheint es durchaus möglich, daß andere Aspekte überwiegen, wie etwa solche baurechtlicher Art. Auch eine Argumentation, die sich auf den engen Sachzusammenhang zwischen der Konzentrationsregelung und der förmlichen Ausgestaltung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens stützt, versagt hinsichtlich der im vereinfachten V erfahren ergehenden Genehmigungen, denen seit der Änderung des § 19 Abs. 2 BlmSchG durch Gesetz v. 4.3.1982 ebenfalls eine umfassende Konzentrationswirkung zukommt. 15 Der entscheidende Gesichtspunkt dürfte darin zu sehen sein, daß der Bundesgesetzgeber in § 13 BlmSchG praktisch nur die Konzentrationswirkung übernommen und ausgebaut hat, die für das gewerberechtliche Genehmigungsverfahren nach den §§ 16 ff. GewO a.F. seit langer Zeit anerkannt war und somit bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes einen festen Bestandteil des Wirtschaftsverwaltungsrechts bildete. 16 Was § 13 BlmSchG betrifft, wird man daher die Kompetenz des Bundes im \\iege einer historischen Interpretation der Kompetenzen bejahen können. 17 11 Vgl. Meyer, in: Meyer/Borgs, VwVfG, § 75 Rn. 3; Knack, VwVfG, § 75 Rn. 3.3. ff., § 100 Rn. 4ff.; Braunfv. Rotberg, LVwVfG BW, § 75 Rn. 1 c; Ule/Laubinger, Verwal-

tungsverfahrensrecht, S. 185 f.; Fickert (Fn. 4), Rn. 14. 12 A.A. anscheinend Jarass (Fn. 1 ), S. 60. 13 Vgl. aber auch Abschn. 2.1.1., Fn. 25. 14 Vgl. auch Bullinger (Fn. 2), S. 92 für Mineralölfernleitungen. Anders ist es, wenn dem Bund die Kompetenz für den Bau bestimmter Anlagen eingeräumt ist (vgl. Art. 73 Nr. 6, 74 Nr. 11 a, 22 GG und dazu Breuer (Fn. 2), S. 122 ff.). 15 Vgl. Abschn. 2.1.3. 16 Vgl. Abschn. 2.1.1. bei Fn. 15 ff., 24. 17 Vgl. zu dieser Methode Bullinger in AöR 96 (1971), 237 (256 ff.).

6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften

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Die Probleme der Gesetzgebungskompetenz für Konzentrationsregelungen im Schnittbereich von Bundes- und Landeszuständigkeiten können hier nicht erschöpfend behandelt werden. 18 Jedenfalls ist festzustellen, daß die kompetenzrechtlichen Hürden bei der Einführung weiterer umfassender Konzentrationsregelungen nur schwer zu überwinden sind, sofern der Gesetzgeber nicht auf das Rechtsinstitut der Planfeststellung zurückgreift. Die bei § 13 BlmSchG hilfreiche historische Interpretationsmethode führt in anderen Fällen nicht weiter, da es sich bei den gewerberechtlichen Genehmigungsverfahren um die einzigen konzentrierten Genehmigungsverfahren außerhalb des Planfeststellungsrechts handeln dürfte, die bereits vor Inkrafttreten des Grundgesetzes anerkannt waren. Etwas günstiger stellt sich die Lage für den Landesgesetzgeber dar, da er auch bei Bundesgesetzen, die von den Ländern ausgeführt werden, über eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Verwaltungsverfahren und für die Einrichtung der Behörden verfügt (vgl. Art. 84 Abs. 1, 85 Abs. 1 GG). Sofern der Bund allerdings seinerseits organisations- oder verfahrensrechtliche Regelungen getroffen hat - und um eine Regelung verfahrensrechtlichen Inhalts handelt es sich bereits bei der Statuierung eines Genehmigungsvorbehalts -, muß jeweils geprüft werden, ob dem Landesgesetzgeber noch die Kompetenz verbleibt, den betreffenden bundesrechtlichen Genehmigungsvorbehalt beim Zusammentreffen mit anderen Genehmigungsvorbehalten zurücktreten zu lassen. 19 Auch unter dem Gesichtspunkt des grundsätzlichen Vorrangs des Bundesrechts (Art. 31 GG) ergeben sich Bedenken gegen weitgefaßte landesrechtliehe Konzentrationsregelungen.20 Was allerdings landesrechtliche Planfeststellungsverfahren betrifft, so ist dem Landesgesetzgeber durch § 100 Nr. 2 BVwVfG ausdrücklich die Kompetenz eingeräumt worden, eine umfassende Konzentration auch gegenüber bundesrechtlichen Genehmigungen anzuordnen. Insoweit sind die kompetenzrechtlichen Hindernisse beseitigtY 18 Vor allem auch, was die Differenzierung nach verschiedenen Fallgruppen betrifft, je nachdem, ob bundesrechtlich geregelte Genehmigungen, die in bundeseigener Verwaltung, in landeseigener Verwaltung oder in Bundesauftragsverwaltung vollzogen werden, oder ob Genehmigungen, die durch Bundesrahmengesetz und ausfüllendes Landesgesetz oder ausschließlich durch Landesgesetz geregelt sind und in landeseigener Verwaltung durchgeführt werden, in die Konzentration einbezogen werden. Vgl. Blürnel (Fn. 2), S. 699; Breuer (Fn. 2), S. 96 ff. jeweils zum Planfeststellungsrecht. Zu den kompetenzrecht!. Problernen einer abstra kt-generellen Konzentration vgl. bereits Abschn. 6.2., zu denjenigen einer "rezessiven" Konzentration sogleich Abschn. 6.4.2. 19 Vgl. Kopp in BayVBI1973, 85 (90). 20 Vgl. Blümel (Fn. 2), S. 709 f.; Braun (Fn. 2), S. 38; Koda! (Fn. 4), S. 734ff.; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG, § 31 Rn. 68. Vgl. auch Breuer (Fn. 2), S. 120f., 126 f. zur grundsätzlichen "Subsidiarität" der Landeskornpetenzen. 21 Vgl. Art. 71 Halbs. 2, Art. 72 Abs. 1 GG. Dagegen sieht offenbar Jarass (Fn. 1), S. 60 in § 100 Nr. 2 BVwVfG nur eine Klarstellung, die auch für einfache Genehmigungsverfahren von Bedeutung ist. Vgl. zu dieser Vorschrift auch Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, § 18 b Anrn. 3.2.; Bender in NVwZ 1984, 9 Fn. 7 sowie Fickert in ZfW 1984,

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6. Rechtspolitische Überlegungen

Kompetenzrechtliche Fragen werden nicht nur durch die Verteilung der Gesetzgebungs- bzw. Regelungskompetenzen, sondern auch durch die verfassungsrechtliche Aufteilung der Verwaltungskompetenzen auf Bund und Länder aufgeworfen. 22 Bei der Konzentration von Genehmigungen wird der letztere Problemkreis allerdings nur am Rande berührt, weil Genehmigungszuständigkeiten in aller Regel bei Landesbehörden liegen, auch wenn die Genehmigungsvorbehalte bundesrechtlicher Natur sind. 23 Daß die Konzentrationsbehörde die für die ersetzten Genehmigungen geltenden materiellrechtlichen Vorschriften beachten muß, bedeutet . noch nicht, daß sie die ersetzten Genehmigungen "miterteilt" und dabei Kompetenzen der verdrängten Genehmigungsbehörden wahrnimmt. 24 So gesehen führt eine Konzentrationsvorschrift zwar nicht zu einer förmlichen Verlagerung der Genehmigungszuständigkeiten von Landes- auf Bundesbehörden oder umgekehrt,2 5 sondern einfach zum Wegfall der Genehmigungszuständigkeiten der "verdrängten" Behörden. Es ist aber nicht zu verkennen, daß durch eine umfassende Konzentration zumindest de facto die Verteilung der Verwaltungskompetenzen auf Bund und Länder unterlaufen werden kann. 26

Vor- und Nachteile der Konzentration Eine vollständige Entscheidungskonzentration ist mit einer Reihe von Vorteilen verbunden: 27 Erstens wird dadurch die Koordination innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems erleichtert. Wenn die Entscheidungskonzentration zunächst auch nur dazu führt, daß die Koordinationsprobleme in das konzentrierte Genehmigungsverfahren hinein verlagert werden, so besteht doch der Vorteil darin, daß sich verschiedene Entscheidungsbeiträge und Entschei-

193 (196 Fn. 13), der darin eine "kooperative Fortbildung des bundesstaatliehen Föderalismus" erblickt. 22 So ist die Zulässigkeit der Konzentration auch unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Trennung der Verwaltungsräume von Bund und Ländern bezweifelt worden. Vgl. Blümel (Fn. 2), S. 707 ff.; a.A.: Breuer (Fn. 2), S. 128 f., 146; offengelassen im BVerwG, Urt. v. 14.2.1969, E 31, 263 (273). In Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 14 Rn. 5 ff., 10 a nach dem Stand von 1978 wurde sogar die bloße Zustiindigkeitsbündelung nach § 14 WHG für verfassungsrechtlich bedenklich angesehen, während nunmehr (Stand 1980) in § 31 Rn. 20 ein großzügigerer Standpunkt vertreten wird. 23 Vgl. bereits Abschn. 3.3.1.2. 24 Zur Unterscheidung zwischen der "Beachtung" und dem "Vollzug" von Rechtsvorschriften vgl. bereits Abschn. 5.2.1. a.E. 25 Vgl. z .B. Kodal (Fn. 4), S. 739 zum Planfeststellungsrecht. 26 In § 100 Nr. 2 BVwVfG hat allerdings der Bundesgesetzgeber eine "Selbstbeschränkung" der bundeseigenen Verwaltung insofern verfügt, als landesrechtl. Planfeststellungen die Kompetenzen von Bundesbehörden schmälern dürfen. Vgl. Fickert (Fn. 21), S. 197 m.w.N. 27 Zum Nutzen der Konzentration vgl. auch Jarass (Fn. 1), S. 59 f.

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dungsgesichtspunkte innerhalb des konzentrierten Genehmigungsverfahrens leichter koordinieren lassen als Entscheidungen parallel zuständiger Genehmigungsbehörden.28 Die Konzentrationsbehörde ist für die Verfahrensabwicklung insgesamt verantwortlich und sie muß sich auch in der Sache einen überblick über alle Gesichtspunkte des zu genehmigenden Vorhabens verschaffen. Damit ist sie geradezu dazu prädestiniert, die Rolle des Koordinators zu übernehmen. Durch die Entscheidungskonzentration wird daher die Koordinationsverantwortung der öffentlichen Verwaltung gestärkt. Widersprüchliche Genehmigungsentscheidungen sind so gut wie ausgeschlossen, da nur die Konzentrationsbehörde verbindliche Entscheidungen mit Außenwirkung trifft. 29 Zweitens lassen sich im Rahmen eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens Wechselwirkungen und Überschneidungen zwischen parallelen Genehrnigungsbereichen besser bewältigen. Die mitunter schwierige Abgrenzung dieser Bereiche verliert durch die Konzentration an Bedeutung. 30 Die Zusammenfassung der Zulässigkeitsprüfung in einem einzigen Verfahren begünstigt auch die gleichzeitige Berücksichtigung aller Umweltauswirkungen eines Vorhabens. Die Ergebnisse einer umfassenden, sachverständigen Umweltverträglichkeitsanalyse lassen sich dann in ihrer Gesamtheit und nicht nur partiell im Verfahren verwerten. 31 Drittens werden durch die Entscheidungskonzentration tendenziell Verfahrensvereinfachungen ),lnd Verbesserungen des (vorverlagerten) Rechtsschutzes für Vorhabenträger und Drittbetroffene erzielt. 32 Die am Verfahren beteiligten Bürger gewinnen in der Konzentrationsbehörde einen primären Ansprechpartner für fast alle Fragen, die mit der Genehmigung des betreffenden Vorhabens verknüpft sind. Auch wenn die Konzentrationsbehörde Antragsteller und Einwender wegen bestimmter Fachfragen an mitbeteiligte Verwaltungseinheiten verweisen muß, kann sie sich immerhin dadurch nützlich machen, daß sie den richtigen Weg weist und Auskunft über den Stand und Fortgang des gesamten Verfahrens gibt. Diesen Vorteilen stehen andererseits aber auch gewichtige Nachteile und Gefahren gegenüber: Durch die vorhabenbezogene Verschiebung von Genehmigungszuständigkeiten wird die f este Zuständigkeitsordnung aufgelockert. Je nach der Art Vgl. zum einzelnen Abschn. 3 .4.6. Allerdings ist auch bei parallelen Genehmigungsverfahren die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gering zu veranschlagen, vgl. Abschn. 5.2.2. a.E. 30 Freilich müssen auch innerhalb des konzentrierten Genehmigungsverfahrens die verschiedenen fachgesetzl. Vorschriften nebeneinander angewendet und auseinandergehalten werden. 31 Vgl. Bunge in ZfU 1984, 405 (418) ; Schoeneberg in DVB11984, 929 (934f.). 32 Vgl. im einzelnen Abschn. 3.3.2.5. u. 3.3.2.6. 28 29

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des zu genehmigenden Vorhabens fallen dann die gleichen Zulässigkeitsfragen in den Entscheidungsbereich verschiedener Behörden. Dies gefährdet nicht nur die Gleichmäßigkeit des Verwaltungsvollzugs, sondern kann auch zu Unsicherheiten bei der Bestimmung der zuständigen Konzentrations- bzw. Genehmigungsbehörde führen. 33 Weitere Unsicherheiten kommen bei der Ermittlung der Reichweite der Konzentration in sektoraler, räumlich-gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht hinzu. 34 Der für die Reichweite der Konzentrationswirkung jeweils maßgebliche fachgesetzliche Vorhaben- bzw. Anlagenbegriff ist meist enger als der des zeitlich, räumlich und funktionell zusammengehörigen Gesamtvorhabens. Schon aus Gründen der Zuständigkeitsklarheit kann die Reichweite der Konzentration nicht allzu weit ausgedehnt werden, sondern muß sich an dem festumrissenen Gegenstand des jeweiligen fachgesetzlichen Genehmigungsvorbehalts orientieren, an dem die Konzentrationswirkung anknüpft. Eine vollständige Entscheidungskonzentration, bei der alle für das Gesamtvorhaben erforderlichen Genehmigungen restlos ersetzt werden, wird daher in vielen Fällen unerreichbar sein. Wenn die Konzentrationswirkung ein einheitliches Gesamtvorhaben nicht in allen seinen Teilen, Aspekten und Phasen erfaßt, dann bleiben parallele Genehmigungen erforderlich. Häufig wird es zu einer "partiellen" Ersetzung paralleler Genehmigungen kommen, mit der Folge, daß parallele Genehmigungsbereiche in konzentrierte und in gesondert zu entscheidende Teilbereiche aufgespalten werden müssen. 35 Eine solche unvollkommen bleibende Konzentration erscheint fragwürdig, weil dadurch das vorhabenbezogene Verfahrenssystem oft noch uneinheitlicher und komplizierter wird als bei einer einfachen Parallelität von Verfahren. Die Vorteile der Entscheidungskonzentration können so kaum noch zur Geltung kommen. Entsprechendes gilt auch dann, wenn aufgrund kompetenzrechtlicher Beschränkungen im Bundesstaat sektorale Ausnahmen von der Konzentration gemacht werden müssen. Schwierigkeiten ergeben sich für die Entscheidungskonzentration auch aus den Regelungsdivergenzen, die zwischen parallelen Genehmigungsbereichen bestehen. 36 So ist etwa die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen in den Fachgesetzen häufig unterschiedlich geregelt. 37 Außerdem können fachgesetzliche Genehmigungsregelungen - materiellrechtlich gesehen - auf unterVgl. im einzelnen Abschn. 3.4.6. bei Fn. 8 u. Abschn. 6.2. Vgl. im einzelnen Abschn. 4.1.2. 35 Vgl. Abschn. 4.1.2.2. 36 Vgl. z.B. die eingehende Analyse der Unterschiede zwischen der immissionsschutz· recht!. und der dampfkesselrechtl. Genehmigung bei Schmölling/Mäder in GewArch 1977, 110 (113 ff.). 37 Vgl. z.B. § 12 BlmSchG; § 17 Abs. 1 AtG; §§ 4, 8 Abs. 5 WHG. Vgl. auch Hansmann, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 93 (98) einerseits und Salzwedel in 33 34

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schiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen, z.B. auf präventiven oder repres· siven Verboten, auf staatlichen Planungs- und Lenkungsbefugnissen oder auf Verwaltungsmonopolen. Dementsprechend kann es sich bei den ersetzten Genehmigungen z.B. um gebundene Kontrollerlaubnisse, um ermessensabhängige Dispense, um Genehmigungen mit planungsrechtlichem Einschlag oder um Genehmigungen handeln, bei deren Erteilung der Verwaltung ein Bewirtschaftungsermessen eingeräumt ist. 38 Auch wenn die Konzentrationsbehörde an das für die ersetzten Genehmigungen geltende materielle Recht gebunden ist, 39 wird es ihr mitunter schwerfallen, die verschiedenen fachgesetzlichen Bereiche streng auseinanderzuhalten und der jeweiligen materiellrechtlichen Ausgangslage Rechnung zu tragen. 40 lnfolge der Konzentration kann es daher leicht zu einer Verwischung dieser rechtlichen Unterschiede kommen. Die bestehenden Regelungsdivergenzen, insbes. das Bewirtschaftungsermessen der Wasserbehörden, dürften ein entscheidender Grund dafür sein, daß wasserrechtliche Erlaubnisse und Bewilligungen zur Nutzung eines Gewässers bislang noch weitgehend von der Konzentrationswirkung der Planfeststellungen und Anlagengenehmigungen ausgenommen sind (vgl. § 14 Abs. 1, Abs. 3 WHG, 41 § 13 Satz 1 Halbs. 2 BlmSchG42 ). Die wünschenswerte Harmonisierung der verschiedenen Bereiche des Umweltrechts und die Verbesserung der systematischen Konsistenz dieses Rechtsgebiets könnte allerdings in Zukunft auch die Praktikabilität der Entscheidungskonzentration erhöhen. Bei sehr umfangreichen und komplexen Vorhaben kann eine Entscheidungskonzentration auch zu einer Arbeits- und Komplexitätsüberlastung im Entscheidungsprozeß führen. Wenn das konzentrierte Genehmigungsverfahren mit Verfahrensstoff überhäuft wird, geht leicht die Übersichtlichkeit verloren. Diese Folgen lassen sich allerdings durch eine sektorale und phasen· spezifische Ausdifferenzierung des konzentrierten Genehmigungsverfahrens weitgehend vermeiden. 43 Schließlich stößt die Entscheidungskonzentration auch wegen der Gefahr einer selektiven Perzeption durch die Konzentrationsbehörde auf Bedenken:44 ZfW 1973, 85 (90) andererseits zur Frage der Anwendbarkeit der für die ersetzten Genehmigungen geltenden Nebenbestimmungsermächtigungen. 38 Zu diesen Differenzierungen vgl. bereits Abschn. 1. bei Fn. 45 ff. Zur Bedeutung des hinter den formellen Genehmigungsvorbehalten stehenden rechtlichen Grundverhältnisses vgl. auch Wahl in DVBI 1982, 51 ff. 39 Vgl. Abschn. 4.1.3.1. 40 Vgi.Jarass (Fn. 1), S. 63 bei Fn. 55. 41 Vgl. Abschn. 4.2. 42 Vgl. Abschn. 4.1.2.1. sowie unten Abschn. 6.4.5. 43 Vgl. Abschn. 3.3.2.1. u. 3.3 .2.2. 44 Vgl. allgemein Abschn. 3.3.2.3.

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Die Konzentrationsbehörde rückt in den Mittelpunkt des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems und kann die ursprünglich zuständigen Genehmigungsbehörden leicht an den Rand drängen. 45 Auch wenn die "verdrängten" Genehmigungsbehörden am Genehmigungsverfahren beteiligt bleiben, so liegt in dieser verfahrensmäßigen Beteiligung doch kein Ersatz für die verlorengegangenen Außenzuständigkeiten. Daß die Konzentrationsbehörde in der Regel auf die Fach- und Sachkenntnis der "verdrängten" Genehmigungsbehörden angewiesen ist, ändert nichts daran, daß ihre eigene Stellung durch die Entscheidungsmacht und Verfahrensherrschaft gestärkt wird.46 Ihre Durchsetzungskraft wird noch verstärkt, wenn die "verdrängten" Genehmigungsbehörden vom direkten Kontakt zu anderen Verfahrensbeteiligten abgeschirmt werden. 47 Unmittelbare Kontakte zur Verwaltungsumwelt und zu einer Vielzahl anderer Verwaltungseinheiten verschaffen der Konzentrationsbehörde nämlich einen Informations- und Argumentationsvorteil und stärken ihre Position innerhalb der Verwaltungsorganisation. 48 Nachteilig für die Stellung "verdrängter" Genehmigungsbehörden ist es auch, wenn sich Konzentrationsregelungen immer zu Lasten der gleichen Behörde auswirken, da die Konzentrationsbehörde dann keine Rücksicht darauf nehmen muß, daß sie selbst einmal in die unterlegene Rolle der bloß mitbeteiligten Behörde geraten kann. 49 Durch die Verlagerung der Einflußchancen im vorhabenbezogenen Verfahrenssystem wird zugleich die Informations-, Interessen- und Wertberücksichtigung im Entscheidungsprozeß verändert. Rechtlich gesehen enthalten Konzentrationsvorschriften keine Aussage über die Gewichtung oder den Vorrang bestimmter fachlicher Belange. 5° Konzentrationsregelungen können sich jedoch über die Organisation und das Verfahren auf den Inhalt von Genehmigungsentscheidungen faktisch auswirkenY Dies gilt selbst dann, wenn es sich um gebundene Verwaltungsentscheidungen handelt, da gerade bei komplexen Genehmigungsverfahren beträchtliche faktische Entscheidungsspielräume bestehen. 52 Es ist daher zu erwarten, daß die von der Konzentrations-

Vgl. Abschn. 3.4.6. bei Fn. 4 . Zur Stärkung der Konzentrationsbehörde vgl. Mayntz et al., Vollzugsprobleme der Umweltpolitik, S. 289 f., 619, 628 und passim. 47 Ob ein Antragsteller den direkten Kontakt zu einer mitbeteiligten Verwaltungseinheit sucht, dürfte wiederum davon abhängen, wie stark er die Verfahrensposition derbetreffenden Verwaltungseinheit einschätzt. 48 Vgl. allg. March/Simon, Organizations, S. 165. 49 Zur sog. "Reziprozitätsnorm" vgl. Kirsch, Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, Bd. 3 , S. 215 f., 220. so So auch BVerwG, Urt. v. 28.6.1968, BayVBI 1969, 61 (62) zum Planfeststellungsrecht. SI Zu Organisation und Verfahren als "Entscheidungsprämissen" vgl. Luhmann, Theorie der Verwaltungswissenschaft, S. 47 ff.; Steinberg in DOV 1982,619 (620ff., 622f.). 52 Vgl. bereits Abschn. 3.4.1. bei Fn. 7. 4S 46

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behörde speziell wahrgenommenen öffentlichen Belange bei der von ihr zu treffenden Gesamtentscheidung eine relativ stärkere Berücksichtigung finden. Die zuletzt genannten Auswirkungen entziehen sich einer pauschalen Bewertung. Es hängtjeweils vom eingenommenen Standpunkt ab, ob man darin den Vorteil sieht, daß "Fachegoismen" der "verdrängten" Genehmigungsbehörden zurechtgestutzt werden, oder den Nachteil, daß "berechtigte Fachbelange" zu kurz kommen. Es kann politisch manchmal durchaus beabsichtigt sein, durch eine Konzentrationsregelung bestimmten Belangen einen gewissen faktischen Vorrang im praktischen Verwaltungsvollzug einzuräumen. So hat man es etwa lange Zeit als Vorteil der fernstraßenrechtlichen Konzentrationswirkung nach § 18 b FStrG angesehen, daß dadurch eine gebührende Berücksichtigung der Belange des Straßenverkehrs sichergestellt wird, indem eine Behörde, die mit den "Notwendigkeiten" des Fernstraßenbaus vertraut und örtlicher Einflußnahme weitgehend entzogen ist, über alle Aspekte des Straßenbauvorhabens entscheidet. 53 Heute könnte sich - je nach Standpunkt - eine gegenteilige Bewertung aufdrängen. Eine einseitige oder verkürzte Informations-, Interessen- und Zielberücksichtigung im konzentrierten Genehmigungsverfahren läßt sich durch eine entsprechende Organisations- und Verfahrensgestaltung zu einem gewissen Grade vermeiden: In organisatorischer Hinsicht kommt in Betracht, eine gleichsam "neutrale" Stelle als Konze~trationsbehörde einzusetzen. Dieser Weg ist bislang allerdings selbst bei Planfeststellungsverfahren erst ansatzweise beschritten worden, indem an manchen Regierungspräsidien "Planfeststellungsreferate" innerhalb der Präsidialabteilung, d.h. außerhalb der Fachabteilungen eingerichtet wurden. 54 Man kann allerdings auch an der "Neutralität" eines solchen Planfeststellungsreferats zweifeln, wenn es z.B. um Planvorlagen geht, die "nebenan" in der Straßenbauabteilung ausgearbeitet worden sind. Was bei der höheren Verwaltungsbehörde schon auf Schwierigkeiten stößt, dürfte bei der unten.n Verwaltungsbehörde erst recht nicht möglich sein: Hier ist kein qualifiziertes "Querschnittsreferat" vorhanden, das einen gleichmäßigen Abstand zu den verschiedenen Fachabteilungen und Verwaltungszweigen wahrt. 55 In verfahrensmäßiger Hinsicht ist ein förmlich ausgestaltetes und breit angelegtes Genehmigungsverfahren sicherlich geeignet, das Informations-, Interessen- und Wertberücksichtigungspotential im Entscheidungsprozeß zu

So z.B. Karwath (Fn. 2), S. 107. Zu den Problemen einer "Neutralisierung" der Entscheidungsinstanz vgl. auch Gassner in NuR 1982,81 (83); Kopf/Schönefelder/Richter in BayVB11979, 393 (395). 55 Beim Regierungspräsidium besteht immerhin noch der Vorteil, daß dort fast alle Verwaltungszweige gebündelt und damit gleichsam repräsentiert sind. 53

54

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erhöhen. Den erweiterten Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung kommt insoweit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. 5 6 Außerdem werden gerade auch durch das Behördenbeteiligungsverfahren Verengungen und Verzerrungen im Entscheidungsprozeß vermieden. Um dieses Mitbeteiligungsverfahren wirksamer zu gestalten und um den Einfluß mitbeteiligter Verwaltungseinheiten zu stärken, sind verschiedene verfahrensmäßige Vorkehrungen denkbar. So kann z.B. ein früherer Zeitpunkt für die Mitbeteiligung vorgesehen werden, es kann der Informationsfluß zugunsten der mitbeteiligten Behörden verbessert und es kann ein direkter Kontakt zwischen den mitbeteiligten Behörden untereinander und mit sonstigen Verfahrensbeteiligten hergestellt werden (im Rahmen einer "Behördenrunde" oder eines "Erörterungstermins"). 57 Daneben besteht die bereits erörterte Möglichkeit, rechtlich die Herstellung des Einvernehmens vorzuschreiben. 58 Die aufgeführten Nachteile der Entscheidungskonzentration können leicht deren Vorteile aufwiegen. Die Konzentration ist daher als Lösungsweg für die Gestaltung komplexer Genehmigungsverfahren nur bedingt zu empfehlen. Eine Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen umfassender Konzentrationsregelungen läßt sich kaum abstrakt vornehmen, sondern muß an bestimmten Vorhaben und den dafür einschlägigen Genehmigungsvorbehalten ansetzen. Eine Konzentration ist am ehesten dann zu befürworten, wenn es um die Genehmigung von Vorhaben geht, die eine typische und festumrissene Gestalt angenommen haben, so daß sich die Reichweite der Konzentration klar und zweckmäßig abgenzen läßt, und wenn das konzentrierte Genehmigungsverfahren -nach dem Vorbild des Planfeststellungsverfahrens- förmlich und umfassend ausgestaltet ist. Im übrigen wird man dem Gesetzgeber Zurückhaltung bei Konzentrationsregelungen anraten müssen. Auch bei parallelen Genehmigungsverfahren läßt sich nämlich durch den Einsatz diverser Koordinationsinstrumente ein hohes Maß an Koordination erreichen. Den Rechtsschutzbelangen von Antragstellern und Drittbetroffenen läßt sich ebenfalls im Rahmen eines parallelen Verfahrenssystems genügend Rechnung tragen. Neue Konzentrationsregelungen sollten daher nur eingeführt werden, wenn aufgrundeiner konkreten Analyse des betreffenden Verfahrenssystems erwartet werden kann, daß die Vorteile der Konzentration deren Nachteile überwiegen. Wichtigste Voraussetzung hierfür ist, daß die Reichweite der Konzentrationswirkung eindeutig abgesteckt werden kann. 56 Zum Zusammenhang von "Publizität" und "Konzentrationswirkung" vgl. Bramer in NuR 1983, 201 (202f.). 57 Vgl. Abschn. 3.4.4. u . Abschn. 3.4.6. 58 Dabei besteht allerdings die Gefahr, daß bindende Mitwirkungsakte durch eine "Zustimmungsfiktion nach Fristablauf" entwertet werden (vgl. Abschn. 4.1.5 . bei Fn. 9).

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6.4.2. Umfassende rezessive Konzentration Umfassende Konzentrationsregelungen "rezessiven" Charakters zeichnen sich dadurch aus, daß sie eine bestimmte Genehmigung gegenüber jeder anderen Genehmigung zurücktreten lassen, die für das gleiche Vorhaben erforder· lieh ist. Die betreffende Genehmigung wird dann also von jeder parallelen Genehmigung ersetzt. Für derartige Regelungen scheint sich auf den ersten Blick die Gesetzgebungskompetenz leichter begründen zu lassen als für dominante Konzentrationsregelungen. So wird es allgemein als unproblematisch angesehen, daß der Landesgesetzgeber eine landesrechtliche Genehmigung gegenüber einer bundesrechtlichen Genehmigung zurücktreten läßt und die Prüfung der betreffenden landesrechtliehen Vorschriften dem bundesrechtlichen Genehmigungsverfahren überläßt. 1 Diesen Weg hält man insbesondere dann für gangbar, wenn der Bundesgesetzgeber sich mit einer beschränkten Konzentrationswirkung begnügt und landesrechtliche Genehmigungen ausgenommen hat, und der Landesgesetzgeber dann die Konzentration durch eine komplementäre Konzentrationsvorschrift rezessiven Charakters erweitert. 2 Wenn ein paralleles Genehmigungsverfahren entfällt, so hat dies für dasjenige Genehmigungsverfahren, das zum konzentrierten Verfahren wird, keine grundlegenden Veränderungen zur Folge. Die dafür zuständige Genehmigungsbehörde hat nach der hier vertretenen Auffassung ja ohnehin das gesamte öffentliche Recht als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Im Hinblick auf den parallelen Genehmigungsbereich tritt dann lediglich an die Stelle der vorläufigen Gesamtprüfung eine abschließende Prüfung. Kompetenzrechtliche Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dann, wenn organisatorische oder verfahrensmäßige Vorkehrungen im konzentrierten Genehmigungsverfahren erforderlich werden, um den einbezogenen parallelen Genehmigungsbereichen eine angemessene Berücksichtigung und den verdrängten Genehmigungsbehörden einen stärkeren Einfluß zu sichern. Hierfür reicht die Gesetzgebungskompetenz bloß für das ersetzte Genehmigungsverfahren nicht aus. Dennoch finden sich recht häufig rezessive Konzentrationsregelungen, die die Konzentrationsbehörde an das Einvernehmen der verdrängten Genehmigungsbehör· den binden. 3

1 Vgl. Kopp in BayVBI 1973, 85 (90); Hansmann, in: 5. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 93 (98); Götz, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 177 (180); Gaentzsch in NJW 1986, 2787 (2794 Fn. 48); VG Freiburg, Urt. v. 10.10.1984- Uranbergwerk Menzenschwand - , ET 1985, 189 (190f.). 2 Vgl. z.B. § 8 Abs. 2 AtG und§ 50 Abs. 3 Satz 1 LBO BW. 3 Vgl. insbes. den Typ der "Zustimmungsvorbehalte mit Auffanggenehmigungsvorbehalt", wie z.B. § 24 Abs. 2-4, 6 StrG BW, § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW. Vgl. dazu Absehn. 4.1.5.

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Man wird kaum annehmen können, daß ein Gesetzgeber einen Zustimmungsvorbehalt zu einem Genehmigungsverfahren einführen kann, zu dessen Regelung er an sich gar nicht zuständig ist.4 Dementsprechend enthalten landesrechtliche Regelungen, die einen Genehmigungsvorbehalt in einen bloßen Zustimmungsvorbehalt zu parallelen Genehmigungen "umwandeln", mitunter die Klausel "soweit Bundesrecht nicht entgegensteht". 5 Wenn allerdings als Konzentrationsbehörde eine Landesbehörde zuständig ist, wird man den Landesgesetzgeber aufgrund seiner organisations- und verfahrensrechtlichen Kompetenz (vgl. Art. 84 Abs. 1, Art. 85 Abs. 1 GG) für befugt ansehen können, diese Behörde an die Zustimmung anderer Landesbehörden zu binden. Ein eleganter Ausweg besteht auch darin, daß der Landesgesetzgeber zwar nicht die Erteilung, wohl aber die Konzentrationswirkung anderer Genehmigungen an die Zustimmung der potentiell verdrängten Genehmigungsbehörde bindet. 6 Es hängt dann also von der Entscheidung dieser Behörde ab, ob die Konzentration eintritt oder nicht. Der Konzentrationseffekt von rezessiven Konzentrationsregelungen ist relativ gering, da in Bezug auf ein zu genehmigendes Gesamtvorhaben lediglich eine Genehmigung entfällt. 7 Dagegen können umfassende rezessive Konzentrationsregelungen die Wahrnehmung derjenigen Belange beeinträchtigen, die durch den zurücktretenden Genehmigungsvorbehalt geschützt werden. Ein eigenständiges Genehmigungsverfahren hat nämlich den Vorteil, daß die Wahrnehmung bestimmter Belange in den Vordergrund gerückt wird. Führt dagegen eine rezessive Konzentration dazu, daß aus einem Genehmigungsvorbehalt ein bloßer "Auffanggenehmigungsvorbehalt" für die wenigen verbleibenden Restfälle wird, dann wird dieses fachgesetzliche Genehmigungsverfahren nur marginale Bedeutung erlangen, und es besteht die Gefahr, daß es auch in den Restfällen übersehen oder nicht mehr ernst genommen wird. Dies läßt sich am Beispiel der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung aufzeigen, welche insbesondere zum Schutz der im Denkmalbuch eingetragenen Kulturdenkmale und der durch Satzung bzw. Rechtsverordnung unter besonderen Schutz gestellten Gesamtanlagen und Grabungsschutzgebiete vor-

4

Vgl. Jarass in DOV 1978, 21 (2 5 f. Fn. 3 5 ).

s Z.B. § 41 Abs. 1 Satz 1 NatSchG BW.

6 Diese Lösung findet sich e twa in § 43 Abs. 1 Sa tz 3 LWaldG BW sowie in Naturschutzverordnungen - z.B. § 10 Abs. 3 der bad.-württ. VO über das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Wollmatinger Ried - Untersee- Gnadensee" v. 16.12.1980 (GBI. 1981, S. 53). Vgl. auch Engelhardt, BlmSchG Bd. 1, § 13 Rn. 10. 7 Vgl. Jarass, Konkurrenz , Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 91 f. Schwierigkeiten können sich auch ergeben, wenn zwei rezessive Konzentrationsregelungen aufeinandertreffen oder wenn neben der zurücktretenden Genehmigung mehrere andere Genehmigungen erforderlich sind, weil dann fraglich ist, durch welche Genehmigung die Ersetzung eintritt (vgl. dazu Henseler in DVBI 1982, 390 (394) bzgl. § 8 Abs. 2 BNatSchG).

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gesehen ist. 8 Bedarf ein Vorhaben nach anderen Vorschriften einer Genehmigung, dann tritt gemäß § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde an die Stelle der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung.9 Dies hat zur Folge, daß die denkmalschutzrechtliche Genehmigung regelmäßig hinter der Baugenehmigung zurücktritt. Die Anhindung der Wahrnehmung denkmalschutzrechtlicher Belange an das Baugenehmigungsverfahren bietet zunächst einmal den Vorteil, daß die Denkmalschutzbehörde von der Durchführung eines gesonderten Verfahrens entlastet wird. Andererseits bleibt dadurch aber der Vollzug des Denkmalschutzrechts im Schatten des Baurechts. Die Wahrnehmung denkmalschutzrechtlicher Belange kann sich nicht in einem speziellen denkmalschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren manifestieren und hat damit geringere Aussichten, ins allgemeine Rechtsbewußtsein einzugehen. Insofern kann die Konzentration zur verminderten Akzeptanz eines Fachgesetzes führen. Dementsprechend wird von Bauherrn nicht selten übersehen, daß von der Baugenehmigung freigestellte Vorhaben (wie z.B. Modernisierungen, kleinere Umbauten, Antennenanlagen) 10 , soweit sie denkmalschutzrechtlich geschützte Bauten betreffen, einer besonderen Genehmigung bedürfen. Geht man davon aus, daß Konzentrationsregelungen die Wahrnehmung deijenigen Belange tendenziell erschweren, deren Schutz die ersetzten Genehmigungsverfahren bezwecken, und daß sie das Verfahren, bei dem die Konzentrationswirkung· eintritt, in den Vordergrund rücken, dann können Konzentrationsregelungen als Ausdruck der politischen Prioritäten verstanden werden, die den miteinander konkurrierenden öffentlichen Interessen beigemessen werden. Insofern ist es aufschlußreich, daß die dominante Konzentration im Eisenbahngesetz für Preußen und in der Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund und später für das ganze Reich in einer Zeit entwickelt wurde, als der Eisenbahnbau und die Industrialisierung in Deutschland in vollem Aufschwung begriffen waren." Auch heute noch sind Planfeststellunger und konzentrierte Genehmigungen vor allem im Verkehrsund Gewerberecht verbreitet, während sich rezessive Konzentrationsregelungen hauptsächlich im Naturschutz- und Denkmalschutzrecht finden. 12 Dies zeugt nicht gerade davon, daß der heutige Gesetzgeber dem Schutz der natürlichen und kulturellen Umwelt einen besonders hohen Rang ein8 Vgl. §§ 15, 19 Abs. 2, 22 Abs. 2 DenkmalSchG BW. Für sonstige Kulturdenkmale sieht § 8 DenkmalSchG BW einen Genehmigungsvorbehalt mit eingeschränkter Schutzwirkung vor. 9 Zu den weitgehend ähnlichen Regelungen in den anderen Bundesländern vgl. Kummer, Denkmalschutzrecht als gestaltendes Baurecht, S. 121. 10 Vgl. §52 Abs. 1 Nr. 5, 13, Abs. 2 LBO BW. 11 Vgl. Abschn. 2.1.1. 12 Vgl. insbes. § 63 Abs. 3, aber auch § 12 Abs. 1 und § 41 NatSchG BW sowie § 7 Abs. 3 DenkmalSchG BW.

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räumt und beim administrativen Vollzug des Naturschutz- und Denkmalschutzrechts entsprechende Zeichen setzt. Wenn Naturschutzgebiete festgelegt und bestimmte Naturdenkmale unter besonderen Schutz gestellt werden oder wenn in ähnlicher Weise Kulturdenkmale ins Denkmalbuch eingetragen und Gesamtanlagen unter Denkmalschutz gestellt werden, dann wäre es eigentlich konsequent, insoweit die Konzentration zugunsten des naturschutzrechtlichen bzw. denkmalschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens eintreten zu lassen. Im Vergleich mit anderen Fachplanungen wäre es systemgerecht, wenn Veränderungen an den geschützten Beständen bzw. in den ausgewiesenen Gebieten einem konzentrierten Genehmigungsverfahren bei der Naturschutz- bzw. Denkmalschutzbehörde unterstellt würden. Nun ist allerdings die Baugenehmigungsbehörde an die Zustimmung der Denkmalschutzbehörde gebunden. Dieser Regelung wird im Interesse eines effektiven Denkmalschutzes große Bedeutung beigemessen. 13 Allerdings werden dadurch nicht alle Bedenken ausgeräumt. Für die Wahrnehmung denkmalschutzrechtlicher Belange dürfte es nämlich entscheidend darauf ankommen, daß die Einschaltung der Denkmalschutzbehörde frühzeitig erfolgt, und zwar nach Möglichkeit bereits, bevor die Bauvorlagen fertig ausgearbeitet sind und der Bauantrag gestellt wird. Anregungen und Änderungen im Interesse des Denkmalschutzes lassen sich in einer späteren Phase des privaten bzw. administrativen Entscheidungsprozesses nicht mehr so leicht einbringen und mit Erfolg durchsetzen. Die Konzentration bei der Baugenehmigungsbehörde läßt jedoch befürchten, daß sich ein Bauherr zuerst an die Baugenehmigungsbehörde und allenfalls in zweiter Linie auch an die Denkmalschutzbehörde wendet. Die Beteiligung der Denkmalschutzbehörde wird dann oft zu spät kommen. Insofern könnte vielleicht eine obligatorische Beratung des Bauherrn durch die Denkmalschutzbehörde vor Stellung des Bauantrags hilfreich sein. Es ist auch zu beachten, daß das denkmalschutzrechtliche Zustimmungsverfahren zumindest in Bad.-Württ. recht kompliziert ausgestaltet ist. Die untere Baurechtsbehörde muß sich zunächst an die untere Denkmalschutzbehörde wenden, welche wiederum das Einvernehmen des Landesdenkmalamtes einholen muß. Die erste Stufe des Beteiligungsverfahrens findet allerdings zwischen verschiedenen Abteilungen bzw. Ämtern innerhalb der gleichen Behörde statt, da es sich bei den "unteren Baurechtsbehörden" und den "unteren Denkmalschutzbehörden" seit der 1983 erfolgten Novellierung des bad.-württ. Denkmalschutzgesetzes um die gleichen Behörden handelt.14 Kommt auf der zweiten Stufe keine Einigung mit dem Landesdenkmalamt bzw. mit dessen Außenstelle zustande, so ist sogar noch ein besonde13

14

Vgl. Kummer (Fn. 9), S. 123 ff. Vgl. ÄndG v. 18.7.1983 (GBI. S. 378) sowie§ 3 Abs. 1 Denkma!SchG BW.

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res "Stichentscheidverfahren" durch die höhere Denkmalschutzbehörde bzw. durch das Landratsamt durchzuführen. 15 Diese Regelung stellt einen Kompromiß zwischen den Interessen des Landes und der Kommunen im Bereich der Denkmalpflege dar. Ob damit die Effektivität der Beteiligung am Baugenehmigungsverfahren erhöht wird, muß freilich bezweifelt werden. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß der Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Denkmalschutzbehörde durch die grundsätzlich nach zwei Monaten eintretende Zustimmungsfiktion gemäß § 55 Abs. 1 Satz 5 LBO BW entwertet wird. Da das Beteiligungsverfahren mehrstufig ausgestaltet ist und die zweckmäßigerweise im Interesse einer einvernehmlichen Lösung mit dem Bauherrn zu führenden Verhandlungen einige Zeit beanspruchen, ist diese Frist recht knapp bemessen. Allerdings beseitigt die Zustimmungsfiktion nur ein verfahrensmäßiges Hindernis und entbindet die Baugenehmigungsbehörde nicht von der Beachtung der denkmalschutzrechtlichen Vorschriften. Es kann insofern nichts anderes gelten als für die bereits erörterten "Verfristungsregelungen" bei der Einholung unverbindlicher Stellungnahmen. 16 6.4.3. Punktuelle Konzentration Gegenüber den bisher erörterten Regelungen zur umfassenden dominanten bzw. rezessiven Konzentration zeichnen sich Einzelkonzentrationsregelungen dadurch aus, daß sie sich jeweils nur auf das Zusammentreffen zweier ganz · bestimmter Genehmigungsvorbehalte beziehen. 1 Auch eine Einzelkonzentration kann sozusagen von zwei Seiten aus erfolgen: Nämlich entweder im Wege einer "dominanten" Konzentrationsregelung vom konzentrierten Genehmigungsverfahren aus (z.B. § 8 Abs. 2 AtG) oder im Wege einer "rezessiven" Konzentrationsregelung vom ersetzten Genehmigungsverfahren aus (z.B. § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO BW, § 61 Abs. 2 MBO '81). Wegen der Beschränktheit der Wirkung lassen sich die kompetenzmäßigen Voraussetzungen dafür leichter herstellen und die rechtlichen und verwaltungspraktischen Auswirkungen besser absehen als bei umfassenden Konzen· trationsregelungen. Dem steht jedoch als Nachteil gegenüber, daß Einzelkonzentrationsregelungen, vor allem wenn sie gehäuft auftreten, die Kompetenzordnung und die rechtliche Struktur des Verfahrenssystems unübersichtlich machen. Gilt für jeden der bei einem Vorhaben einschlägigen Genehmigungs-

Vgl. § 3 Abs. 3 Satz 2 Denkma!SchG BW. Vgl. Abschn. 3.4.4. a.E. u. Abschn. 5.2.2. bei Fn. 44f. 1 Vgl. Jarass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, 60f. 15 16

s.

18 Wagner

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6. Rechtspolitische Überlegungen

vorbehalte eine spezielle Konzentrationsregelung, dann mag das "Regelungsgeflecht", das sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Einzelkonzentrationsregelungen ergibt, für die Genehmigungsbehörden noch einigermaßen durchschaubar sein; für die am Verfahren beteiligten Bürger muß es dagegen zum undurchdringlichen "Regelungsdickicht" werden. Umfassende Konzentrationsregelungen dominanten oder rezessiven Charakters enthalten wenigstens einen klaren und einprägsamen Grundsatz, daß nämlich ein bestimmtes Genehmigungsverfahren allen anderen Verfahren vorgeht bzw. gegenüber allen anderen zurücktritt. Solche Regelungen sind geeignet, die Verwaltungskultur zu prägen, und können ins Rechtsbewußtsein eingehen. Einzelkonzentrationsregelungen haben dagegen meist einen nur schwer nachvollziehbaren verfahrenstechnischen Charakter. Auch wenn ein gesetzestechnisch perfektes System von Einzelkonzentrationsregelungen geschaffen würde, aus dem sich eine widerspruchsfreie Ordnung bzw. "Hierarchie" von Genehmigungsvorbehalten ergäbe, könnte damit das Ziel einer klaren und transparenten rechtlichen Ordnung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems nicht erreicht werden. Ein Regelungsperfektionismus zur Erfassung aller Fallgestaltungen müßte überdies zu einer bedenklichen Normenflut führen. Wenngleich Regelungen zur Einzelkonzentration mitunter sinnvoll sein können, sollten sie nur ausnahmsweise eingeführt werden, da sie zwar im Einzelfall zu einer Verfahrensvereinfachung führen können, aufs Ganze gesehen jedoch die Kompetenz- und Verfahrensordnung nur noch verwickelter machen. 6.4.4. Verdeckte Konzentration Von einer "verdeckten" Konzentration soll gesprochen werden, wenn im Ergebnis eine Entscheidungskonzentration eintritt, ohne daß eine ausdrückliche Konzentrationsvorschrift besteht, die an das Zusammentreffen von Genehmigungsvorbehalten anknüpft. 1 So kann der Gesetzgeber einen Konzentrationseffekt insbesondere auch dadurch erzeugen, daß er Ausnahmen von Genehmigungsvorbehalten vorsieht, die das Bestehen eines parallelen Genehmigungsvorbehalts stillschweigend voraussetzen (vgl. z.B. § 4 Abs. 2 BlmSchG), oder daß er materiellrechtliche R egelungen trifft, als deren Reflex sich eine Konzentration ergibt (vgl. z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 2 u. 3 LBO BW). Nicht wenige Ausnahmen von Genehmigungsvorbehalten sind vor dem Hintergrund zu sehen, daß für die ausgenommenen Vorhaben regelmäßig andere Genehmigungsvorbehalte eingreifen. 2 Wenn so z.B. in § 52 Abs. 1 1 2

Vgl. bereits Abschn. 4.1.5. bei Fn. 12 ff. Vgl. Ernst, in: Ernst/Hoppe, Das öffentliche Bau- und Bodenrecht, Rn. 923.

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Nr. 13 LBO BW Energie- und Fernmeldeanlagen von der Baugenehmigung freigestellt sind, so läßt sich dies damit rechtfertigen, daß diese Anlagen regelmäßig speziellen Genehmigungsvorbehalten bzw. einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen. 3 Der VGH Mannheim ging in seinem Wyhl-Urteil gar so weit, Kraftwerke einschließlich der Gebäude zu den von der Baugenehmigung freigestellten Energieanlagen zu rechnen.4 Sieht man davon ab, daß sich die Freistellungen in § 53 Abs. 1 LBO BW generell nur auf bauordnungsrechtlich unbedeutende Vorhaben (und nicht auf großtechnische Anlagen) beziehen, 5 so erscheint die Baugenehmigungsfreiheit von Kraftwerken allenfalls deshalb hinnehmbar, weil diese regelmäßig anderen Genehmigungsvorbehalten unterliegen, worauf das Gericht ausdrücklich hinweist. 6 So ist für Kernkraftwerke gemäߧ 7 AtG eine atomrechtliche Genehmigung, für fossilgefeuerte Kraftwerke gemäß § 4 BlmSchG eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung sowie für Wasserkraftwerke eine wasserrechtliche Genehmigung oder Planfeststellung erforderlich (vgl. §§ 7, 8 i.V.m. § 3 Nr. 1 u. 2, § 31 WHG). 7 Um eine Parallelität von Genehmigungsverfahren zu vermeiden, wäre in dem vom VGH Mannheim entschiedenen Fall eine erweiternde Auslegung der Freistellungen von der Baugenehmigungspflicht gar nicht nötig gewesen. § 50 Abs. 3 Satz 1 LBO BW (= § 92 Abs. 4 Satz 1 LBO BW '72) sieht nämlich vor, daß die atomrechtliche Anlagengenehmigung nach § 7 AtG die Baugenehmigung ersetzt. Das Gericht zieht denn auch eine ganz andere Schlußfolgerung aus der Freistellung von der Baugenehmigungspflicht: Weil § 29 BBauG die Anwendung der §§ 30-37 BBauG davon abhängig mache, daß das Vorhaben einer bauaufsichtliehen Genehmigung, Anzeige oder Zustimmung bedürfe, unterlägen Kernkraftwerke weder den materiellrechtlichen Anforderungen der §§ 30 ff. BBauG noch dem Erfordernis gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BBauG. 8

3 So ist auch z.B. in § 98 Abs. 1 Nr. 2 BauO NRW vorgesehen, daß Anlagen für das Fernmeldewesen sowie Anlagen fLir die öffentliche Versorgung mit Elektrizität, Gas und Wärme nur dann von der Baugenehmigungspflicht ausgenommen sind, wenn sie einer Genehmigung, Anzeige oder der staatlichen Aufsicht nach anderen Rechtsvorschriften bedürfen und in diesen Verfahren die Einhaltung der baurechtl. Vorschriften geprüft wird. 4 Urt. v. 30.3.1982, DVBl 1982, 966 (Leits. 11) sowie S. 86f. (1.8.) der schriftl. Ent· Scheidungsgründe. Dagegen zu Recht BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl - , E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (214 f.). 5 Vgl. auch Götz, in: 7. Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 177 (180). 6 Vgl. S. 8 7 der schriftl. Entscheidungsgründe. 7 Dagegen bestehen für Wind· und Solaranlagen keine speziellen Genehmigungserfor· dernisse. Erstere sind jedoch, sofern sie über 10m Höhe erreichen, durch § 52 Abs. 1 Nr. 13 LBO BW '83 wieder ausdrücklich der Baugenehmigungspflicht unterstellt worden. 8 A.a.O. (Fn. 4), S. 158 (2.3.) der schriftl. Entscheidungsgründe; ebenso für andere Energieanlagen VGH Mannheim, Urt. v. 5.5.1982, VBlBW 1982, 376 (377), und für Abfallbeseitigungsanlagen: VGH Mannheim, Urt. v. 30.1.1975, BWVerwPr 1975, 156 (wegen

18*

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6. Rechtspolitische Überlegungen

Der Bundesgesetzgeber hat in den §§ 29 ff. BBauG/BauGB nicht nur darauf verzichtet, ein eigenständiges bauplanungsrechtliches Genehmigungsverfahren zu schaffen, sondern auch darauf, die bodenrechtlich relevanten Vorhaben, deren Zulässigkeit nach den § § 30-3 7 zu beurteilen ist, selbst genau festzulegen. Stattdessen hat er sich mit einer Verweisung auf die (Bau-)Genehmigungspflichtigkeit von baulichen Anlagen begnügt: Nur wenn ein Vorhaben genehrnigungspflichtig ist, soll es auch den materiell- und verfahrensrechtlichen Bindungen der § § 30-3 7 BBauGfBauGB unterliegen. Ob diese Bindungen eingehalten werden, ist dann in dem betreffenden Genehmigungsverfahren rni tzuprüfen. 9 Der Bundesgesetzgeber hat also die bauplanungsrechtliche "Bebauungsgenehmigung" letztlich mit der bauordnungsrechtlichen Genehmigung vereinigt, um das Nebeneinander zweier paralleler Verfahren zu vermeiden. In der Praxis werden die bauplanungsrechtlichen Fragen häufig vorweg in einem Bauvorbescheid geklärt (vgl. § 54 Abs. 1 LBO BW). Im Grunde handelt es sich auch bei § 29 i.V.m. § 36 BBauG/BauGB um eine verdeckte Konzentrationsvorschrift. Ein besonderes bauplanungsrechtliches Genehmigungsverfahren entfällt zugunsten "paralleler" Genehmigungen, die allerdings für bestimmte Fälle an das Einvernehmen der Standortgemeinde gebunden werden. Vergleichbare materiellrechtliche Vorschriften mit Konzentrationseffekt finden sich auch in anderen Fachgesetzen, wie z.B. in§ 8 Abs. 2 Satz 2 u. 3 BNatSchG und§ 12 Abs. 1 NatSchG BW} 0 Die in § 29 Satz 1 BBauG/BauGB enthaltene Anknüpfung an das Landesbaurecht gibt zu Bedenken Anlaß. Hierin liegt eine Verweisung auf das Recht eines anderen Gesetzgebers in dem jeweils gültigen Bestand. 11 Derartige "dynamische" Rechtsnormverweisungen sind wegen der "Verweisungsautoma§ 1 Abs. 2 Nr. 2 LBO BW, im Ergebnis richtig wegen§ 38 Satz 1 BBauG). Vgl. die Kritik bei Götz, a.a.O. (Fn. 5), S. 180 f. 9 Vgl. § 36 Abs. 1 Satz 1 BBauG: "Über die Zulässigkeit von Vorhaben nach den §§ 33 bis 35 wird im bauaufsichtliehen Verfahren von der Baugenehmigungsbehörde ... entschieden." Vgl. auch BVerwG, Urt. v. 27.5.1983, Buchholz 406.11 § 29 BBauG Nr. 31,S.4f. 10 Danach hängt die Verpflichtung des Vorhabenträgers zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft davon ab, daß das Vorhaben einem Genehmigungsvorbehalt nach anderen Rechtsvorschriften unterliegt. Naturschutzrechtl. Ausgleichsanordnungen sollen als Nebenbestimmungen zu den ohnehin erforderlichen Genehmigungen getroffen werden. Diese Anhindung an fachfremde Genehmigungen hatte ursprünglich den Zweck, ein gesondertes naturschutzrechtl. Verfahren entbehrlich zu machen. In § 8 Abs. 9 BNatSchG wurden allerdings die Länder ermächtigt, weitergehende Vorschriften zu erlassen. Davon haben diese vielfach Gebrauch gemacht, indem sie entweder besondere naturschutzrechtl. Genehmigungsvorbehalte eingeführt (vgl. z.B. §§ 13, 16 NatSchG BW) oder selbständige Ausgleichs- bzw. Untersagungsanordnungen der Naturschutzbehörde für den Fall vorgesehen haben, daß kein anderer Genehmigungsvorbehalt eingreift. Vgl. Gassner in NuR 1984,81 (83 f.). 11 Vgl. Weyreuther in BauR 1972, 1 (7); Brügelmann/Grauvogel/Dürr, BBauG, § 29 Rn. 13.

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tik" und der verdeckten Verlagerung von Gesetzgebungsbefugnissen in demokratischer, bundesstaatlicher und rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich. 12 Die in § 29 Satz l BBauGfBauGB getroffene Regelung kann ihrem Wortlaut nach auch schwerlich als "Freigabeerklärung" des Bundesgesetzgebers zugunsten des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung verstanden werden (vgl. Art. 72 Abs. 2, 74 Nr. 18 GG)Y Der Bundesgesetzgeber hat nämlich nicht den Landesgesetzgeber ermächtigt, Regelungen zu treffen, um den im Bundesgesetz ausgesparten Bereich auszufüllen, sondern er hat auf bestehende landesrechtliche Regelungen Bezug genommen und ein Junktim hergestellt zwischen der Geltung der§§ 30 ff. BBauG/ BauGB und der Genehmigungspflicht für bauliche Anlagen. Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht sind vom Regelungsgegenstand her so eng miteinander verzahnt, daß nicht viel dagegen einzuwenden wäre, wenn der Bundesgesetzgeber die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung an das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren angekoppelt und für den Fall, daß keine bauordnungsrechtliche Genehmigungspflicht besteht, auf eine präventive bauplanungsrechtliche Kontrolle verzichtet hätte. 14 Damit wäre auch das Ziel der "Verfahrensökonomie" bereits erreicht gewesen. Der Bundesgesetzgeber ging jedoch einen Schritt weiter, indem er schlechthin die Anwendbarkeit der §§ 30 ff. BBauG - und damit nicht nur der verfahrensrechtlichen (§ 36 BBauG), sondern auch der materiellrechtlichen Vorschriften (§§ 30-35 BBauG) - von dem Bestehen eines landesrechtliehen Genehmigungs-, Anzeige- oder Zustimmungsvorbehalts abhängig machte. Die rechtliche Konsequenz - daß gegen baugenehmigungsfreie Vorhaben auch nachträglich nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 30-37 BBauG/BauGB eingeschritten werden kann - wird lediglich im Geltungsbereich eines Bebauungsplans dadurch entschärft, daß dessen Festsetzungen nicht erst über § 30 BBauGfBauGB Verbindlichkeit erlangen, sondern unmittelbar dank der Rechtssatzqualität von Bebauungsplänen. 15

12 Vgl. BVerfG, Beseht. v. 1.3.1978, E 4 7, 285 (311 ff. , 317); Ossenbühl in DVBl 1967,401 ff.; Arndt in JuS 1979, 784ff. Das BVerfG, Beseht. v. 15.7.1969- EisenbahnkreuzungsG -, E 26, 338 (364, 306 f.) hat allerdings für den Bereich des Planfeststellungsrechts keinen Anstoß an der dynamischen Rechtsnormverweisung genommen. Vgl. auch OVG Hamburg, Urt. v. 8.7.1980, NJW 1980, 2830, wonach dynamische Rechtsnormverweisungen nur bei Vorliegen besonderer Gründe unzulässig sein sollen. 13 So aber wohl BVerwG, Urt. v. 19.12.1985 - KKW Wyhl -, E 72, 300 = NVwZ 1986, 208 (214)- dazu unten im Text. Vgl. allgemein Ossenbühl (Fn. 12), S. 404, 408. 14 Allerdings wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, daß bauordnungsrechtl. unerhebliche Anlagen nicht auch immer bauplanungsrechtl. unerheblich sein müssen. Vgl. Zinkahn, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BBauG, § 29 Rn. 27; Sendler in BBauBl1968, 12 (13). 15 Vgl. Friauf, in: v. Münch, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 545 f.; Zinkahn (Fn. 14), § 29 Rn. 40; Ortloff, in: Finkelnburg/Ortloff, öffentliches Baurecht, S. 240.

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6. Rechtspolitische Überlegungen

Die Frage, ob an ein Vorhaben materiellrechtliche Anforderungen in bauplanungsrechtlicher Hinsicht zu stellen sind, hat mit der Frage, ob ein Vorhaben einer bauordnungsrechtlichen Genehmigungspflicht unterliegt, nicht unmittelbar etwas zu tun. Die dynamische Verweisung auf das formelle Bauordnungsrecht erscheint daher nicht sachgerecht. 16 Außerdem wird es dem Landesgesetzgeber erschwert, auf eine präventive Kontrolle bei bestimmten baulichen Anlagen zu verzichten, da daran die Konsequenz geknüpft ist, daß keine bauplanungsrechtlichen Anforderungen mehr an das Vorhaben gestellt werden können. 17 Umgekehrt besteht auch die Gefahr, daß der Landesgesetzgeber Regelungen für das Baugenehmigungsverfahren trifft, ohne die Tragweite dieser Regelungen für das materielle Bauplanungsrecht und die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit zu bedenken. 18 Die Anknüpfung an das formelle Bauordnungsrecht zeugt daher nicht nur von einem schlechten Gesetzgebungsstil, 19 sondern ist auch verfassungsrechtlich bedenklich, weil weder der Bundes- noch der Landesgesetzgeber die klare Verantwortung dafür übernimmt, auf welche Vorhaben die bauplanungsrechtlichen Vorschriften Anwendung finden. Das neue Baugesetzbuch bringt immerhin insofern eine Verbesserung, als

§ 29 Satz 1 Halbs. 2 BauGB ausdrücklich klarstellt, daß die § § 30-3 7 auch

dann Anwendung finden, wenn in einem anderen als dem bauaufsichtliehen Verfahren über die Zulässigkeit eines bauplanungsrechtlich relevanten Vorhabens entschieden wird. Nach richtiger, wenn auch nur vereinzelt vertretener Auffassung20 mußte es auch schon bisher für die Anwendung der § § 3 0- 3 7 BBauG genügen, daß bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte in einem anderen Genehmigungsverfahren geprüft wurden, ohne daß ein bauordnungsrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde. Dies ergab sich bei "echten" Konzentrationsregelungen bereits aus dem Grundsatz, daß das sekundäre materielle Recht und u.U. -gerade was Mitbeteiligungsvorschriften zugunsten der Gemeinde betrifft - auch das sekundäre Verfahrensrecht im konzentrierten Verfahren zu beachten ist. 21 Nichts anderes konnte für solche Freistellungen von der Baugenehmigungspflicht gelten, die gerade im Hinblick auf ein anderweitig durchzuführendes Genehmigungsverfahren erfolgt sind. Selbst wenn man daher die Prämisse des VGH Mannheim teilen würde, daß Kraftwerke als "Energieanlagen" baugenehmigungsfrei sind, dürfte man daraus nicht den weiteren Schluß ziehen, daß Kernkraftwerke weder den

16 Vgl. auch Weyreuther in BauR 1972, 1 (7 f.); Schlichter/Stich/Tittel, BBauG, § 29 Rn. 5; Zinkahn (Fn. 14), § 29 Rn. 27; Sendler in BBauB11968, 12 (13). 17 Vgl. Zinkahn (Fn. 14), § 29 Rn. 27. 18 Vgl. Stich in DVB11984, 9 05 (906 f.). 19 So auch Ossenbühl (Fn. 12), S. 408. 20 Vgl. Finkelnburg, in: Finkelnburg/Ortloff, öffentliches Baurecht, S. 166 f. 21 Vgl. Abschn. 4.1.3., bes. Absc hn. 4.1.3.2. bei Fn. 11 ff.

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materiellen bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterliegen noch des gemeindlichen Einvernehmens bedürfen. Was die mitunter laut gewordene Forderung betrifft, Kernkraftwerke gegenüber der Bauleitplanung zu privilegieren und die Mitentscheidungsbefugnis der Standortgemeinde zu beseitigen, so kann dies nur durch eine Erweiterung des Katalogs der in § 38 BBauG/BauGB genannten privilegierten Fachplanungen geschehen (wie dies auch in dem Vorschlag der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke zur Einführung eines Standortplanfeststellungsverfahrens vorgesehen war22 ) , nicht jedoch auf dem Umweg über die verdeckten Konzentrationsvorschriften des § 52 Abs. 1 Nr. 13 LBO BW und § 29 Satz 1 BBauG. Eine eindeutige gesetzliche Grundlage wäre hierfür schon deshalb geboten, weil das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht betroffen ist (Art. 28 Abs. 2 GG). Das Bundesverwaltungsgericht ist in seinem Wyhl-Urteil den Schlußfolgerungen des VGH Mannheim entgegengetreten und hat versucht, die Problematik der in § 29 BBauG enthaltenen Verweisung de lege lata zu entschärfen:23 Es sieht in dieser Vorschrift eine Ermächtigung an die Länder, für bestimmte untergeordnete Vorhaben, die bodenrechtlich nur von geringen Gewicht sind, auf ein bauaufsichtliches Verfahren zu verzichten und damit die Anwendung der § § 30 ff. BBauG auszuschließen. Deshalb müßten die Länder bei Genehmigungsfreistellungen stets die bundesrechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf die § § .29 ff. BBauG mi tbedenken. Für bodenrechtlich relevante Vorhaben von einigem Gewicht dürften sie auf ein präventives Genehmigungsverfahren nicht verzichten, sondern könnten allenfalls die bauaufsichtliche Prüfung auf die Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften beschränken. Diesen Weg haben auch schon einige Landesgesetzgeber beschritten, indem sie angeordnet haben, daß Baumaßnahmen, die keiner Baugenehmigung bedürfen, trotzdem ebenso wie baugenehmigungspflichtige Maßnahmen den öffentlich-rechtlichen Vorschriften (und damit wohl auch den § § 30 ff. BBauG/BauGB) entsprechen müssen. 24 Es wäre zu wünschen gewesen, wenn der Bundesgesetzgeber dieses neue Verständnis im Wortlaut des § 29 BauGB zum Ausdruck gebracht hätte. Noch besser wäre es freilich gewesen, wenn er selbst die bodenrechtlich relevanten Vorhaben definiert hätte, die den bauplanungsrechtlichen Bindungen unterliegen, und dafür einen bauplanungsrechtlichen "Auffanggenehmigungsvorbehalt" für diejenigen Fälle vorgesehen hätte, in denen kein bauordnungs-

l l Vgl. Abs. 8 des Entw. in der Beilage zum VDEW-Mitglieder-Rundschreiben Nr. 12/ 1977. Zum Standortplanfests teilungsverfahren vgl. auch Abschn. 6.4.5. 23 A.a.O. (Fn. 13), S. 214 f. 24 Vgl. z.B. den neu eingefügten § 52 Abs. 5 LBO BW '83 (dazu LT-Drucks. 8/3410 S. 30, 100- zu Art. 1 Nr. 73 s -).

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rechtlicher oder sonstiger Genehmigungsvorbehalt eingreift. Damit wäre an die Stelle einer verdeckten Konzentration, die Mißverständnissen Vorschub leistet, eine klare rezessive Konzentrationsregelung getreten. Da verdeckte Konzentrationsregelungen immer mehr oder weniger über das Ziel der Verfahrens- und Entscheidungskonzentration hinausschießen, ist ihre Abschaffung rechtspolitisch wünschenswert. 6.4.5. Diskussion von Einzelvorschlägen zur Konzentration Zum Schluß sollen ein paar konkrete Vorschläge zur Erweiterung der Entscheidungskonzentration aufgegriffen und kritisch beleuchtet werden.

- Erweiterung der immissionsschutzrechtlichen Konzentration Ein im Jahre 1985 von der Bundesregierung im Bundestag eingebrachter, aber insoweit nicht verabschiedeter Gesetzentwurf sah vor, daß auch die bislang ausgeklammerten wasserrechtlichen Entscheidungen in die Konzentrationswirkung nach § 13 BlmSchG einbezogen werden sollten. 1 Damit wäre die traditionelle Zweigleisigkeit zwischen den Genehmigungsverfahren für bauliche und sonstige Anlagen einerseits und den Erlaubnis- bzw. Bewilligungsverfahren für Gewässerbenutzungen andererseits aufgehoben worden. Die gleichsam zur Verwaltungstradition gehörende Selbständigkeit der wasserrechtlichen Entscheidungen, die auch in § 14 Abs. 1 u. 3 WHG ihren Ausdruck findet, 2 hat eine sachliche Rechtfertigung in den Besonderheiten des Wasserrechts: So ist den Wasserbehörden ein Bewirtschaftungsermessen eingeräumt; neben der frei widerruflichen Erlaubnis (§ 7 WHG) gibt es eine mit Bestandsschutz versehene Bewilligung(§ 8 WHG); Erlaubnisse und Bewilligungen sind nicht notwendigerweise anlagenbezogen (vgl. §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 6 WHG); gemäß § 9 a WHG kann der vorzeitige Beginn einer Gewässerbenutzung zugelassen werden, und schließlich sind wasserrechtliche Entscheidungen in das Wasserbuch einzutragen (vgl. § 37 WHG). 3 Diese Besonderheiten stehen einer Entscheidungskonzentration zwar nicht von vomherein im

Vgl. BT-Drucks. 10/3290 v. 3.5 .1985 u. dazu bereits Abschn. 2.1.3. bei Fn. 7 ff. Als Ausnahme von der planfeststellungsrechtl. Konzentrationswirkung; vgl. dazu Bender in NVwZ 1984, 9 ff. sowie im einzelnen bereits Abschn. 4.2. 3 Zu den Unterschieden zwischen Immissionsschutz- und Wasserrecht vgl. auch Salzwedel, in: Dokumentation zur 5. wissenschaftlichen Fachtagung der Gesellschaft für Umweltrecht, S. 33 (52 ff.); Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, § 13 Rn. 13 a. Als weiterer Grund für die Ausklammerung wird die durch die Einbeziehung wasserrechtlicher Entscheidungen angeblich zu erwartende Verzögerung des Verfahrens genannt. Vgl. J arass, Konkurrenz, Konzentration und Bindungswirkung von Genehmigungen, S. 8 7 bei Fn. 5; Schultz, Zuständigkeiten und Mitwirkungsformen im baurechtl. Genehmigungsverfahren, S. 315 f.; Stich/Porger, BlmSchG, § 13 Rn. 3, 21. I

2

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Wege; es besteht aber die Gefahr, daß die Konzentrationsbehörde diese rechtlichen Besonderheiten vernachlässigt und überhaupt den Belangen des Gewässerschutzes nicht genügend Beachtung schenkt. Andererseits wurde schon auf die unbefriedigenden Konsequenzen hingewiesen, die sich aus der Unvollständigkeit der Entscheidungskonzentration ergeben, wenn die Konzentrationswirkung nicht weit genug reicht bzw. durch zu viele Ausnahmen durchbrachen wird. Das vorhabenbezogene Verfahrenssystem ist dann zum Teil konzentriert und zum Teil parallel ausgestaltet; aus dieser Uneinheitlichkeit der Verfahrensstruktur ergeben sich Komplikationen und Ungleichgewichte. Es liegt die Gefahr nahe, daß die von der Konzentrationswirkung ausgenommenen Genehmigungsentscheidungen präformiert werden, wenn sie der konzentrierten Genehmigung nachfolgen. Aufgrund der weitgehenden Entscheidungskonzentration gewinnt das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren eine zentrale Bedeutung innerhalb des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems und wird häufig eine Leitfunktion gegenüber parallelen Genehmigungsverfahren ausüben. Insofern kommt der Konzentrationsvorschrift des § 13 BlmSchG eine Ausstrahlungswirkung über ihren eigentlichen Anwendungsbereich hinaus zu. Da ein wasserrechtlicher Benutzungstatbestand oft erst durch den Betrieb einer Anlage erfüllt wird, wird sich ein "Hinterherhinken" des wasserrechtlichen Verfahrens in vielen Fällen nicht vermeiden lassen. Wegen der faktischen Präformierung durch das vorausgegangene Anlagengenehmigungsverfahren nutzt dann der Wasserbehörde ihre selbständige Entscheidungskompetenz nicht mehr allzu viel. 4 Die Einbeziehung der wasserrechtlichen Entscheidungen in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren hat auch den Vorteil, daß dann alle Umweltauswirkungen des Vorhabens - insbesondere unter den interdependenten Gesichtspunkten der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes und der Abfallbeseitigung - in einem einheitlichen Verfahren geprüft und in eine einheitliche Entscheidung einbezogen werden können. Durch die Erweiterung des Entscheidungsfeldes auf sämtliche Umweltmedien (Luft, Wasser und Boden) wird die Verwirklichung eines integrierten Umweltschutzes wesentlich erleichtert. Allerdings erscheint es nicht ohne weiteres als gesichert, daß die Stellung der im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren mitbeteiligten Wasserbehörde stark genug ist, um die Beachtung der wasserrechtlichen Besonderheiten und die angemessene Berücksichtigung der Belange des Gewässerschutzes zu gewährleisten. Ihre Durchsetzungskraft kann jedoch dadurch gestärkt werden, daß - entsprechend § 14 Abs. 3 WHG - zu ihren Gunsten

4

Vgl. Abschn. 3.3.2.4. bei Fn. 1 2 u . 18 ff.

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ein Einvernehmenserfordernis aufgestellt wird, wie es auch in dem genannten Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen war. 5 Insgesamt gesehen war daher dieses Gesetzgebungsvorhaben zu begrüßen. Allerdings hätte man auch daran denken sollen, das energiewirtschaftsrechtliche Anzeige- und Untersagungsverfahren in die Konzentrationswirkung des § 13 BlmSchG einzubeziehen.6 Im übrigen wird es sich ganz allgemein empfehlen, bestehende fachgesetzliche Konzentrationsvorschriften, die sich in der Praxis bewährt haben, mit dem Ziel einer möglichst vollständigen Konzentration generalisierend zu erweitern. Daher ist auch die Aufhebung des § 14 Abs. 1 WHG zu erwägen, um diese sektorale Ausnahme von der planfeststellungsrechtlichen Konzentrationswirkung zu beseitigen, wobei das Einvernehmenserfordernis nach§ 14 Abs. 3 WHG bestehenbleiben könnte.

- Konzentrationswirkung der Baugenehmigung Der Vorschlag von ]arass, in all den Fällen, in denen die Baugenehmigung nicht aufgrund spezieller Konzentrationsvorschriften durch andere Genehmigungen ersetzt wird, eine Konzentrationswirkung der Baugenehmigung einzuführen,7 begegnet erheblichen Bedenken. Zum einen müßte eine dermaßen weitgehende landesrechtliche Konzentration auf kompetenzrechtliche Hindernisse stoßen, wenn dabei auch bundesrechtlich geregelte Genehmigungsverfahren einbezogen werden sollen. 8 Auch besteht umgekehrt keine umfassende Bundeskompetenz für das Baugenehmigungsverfahren. 9 Zum anderen käme eine Konzentration bei der Baugenehmigungsbehörde einer abstrakt-generellen Konzentration schon sehr nahe und wäre dementsprechend den bereits angeführten Einwänden ausgesetzt, die gegen eine solche allgemeine Konzentration sprechen. 10 Umweltrelevante Vorhaben umfassen nämlich in aller Regel bauliche Anlagen, so daß zu einem vorhabenbezogenen Verfahrenssystem fast immer ein Baugenehmigungsverfahren gehört. Die Vielfalt der von einer solchen Konzentration erfaßten Vorhaben und die Vielzahl der potentiell ersetzten Genehmigungen lassen es nicht zu, die Auswirkungen einer Konzentration bei der Baugenehmigungsbehörde auch nur annähernd abzuschätzen. 5 Vgl. Fn. l. Allerdings sollte dieses Einvernehmenserfordernis sämtlichen "verdrängten" Genehmigungsbehörden zugute kommen. 6 Vgl. im einzelnen Abschn. 3.3.2.2. bei Fn. 10 ff. 7 Vgl. Jarass (Fn. 3), S. 86 ff. ; Schultz (Fn. 3), S. 315 f. 8 Vgl. Abschn. 6.4.1. 9 Vgl. jedoch den dahingehenden rechtspolitischen Vorschlag von Stich in DVBl 1984, 905 (909). 10 Vgl. Abschn. 6.2.

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Problematisch ist auch die infolge der Konzentrationswirkung der Baugenehmigung zwangsläufig eintretende vertikale Verlagerung von Genehmigungszuständigkeiten nach unten. Die Zuständigkeit zur Erteilung von Baugenehmigungen liegt nämlich oftmals noch unterhalb der Ebene "unterer Verwaltungsbehörden".U So gibt es z.B. in Bad.-Württ. viele Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften mit eigener Baurechtszuständigkeit, die nicht zugleich untere Verwaltungsbehörden sindY Auch die zur Erteilung von Baugenehmigungen zuständigen Großen Kreisstädte nehmen nicht sämtliche Aufgaben der unteren Verwaltungsbehörde wahrP Da den "unteren Baurechtsbehörden" nur wenige andere Genehmigungszuständigkeiten übertragen sind, 14 liegen die parallelen Genehmigungszuständigkeiten meistens bei Behörden, die der Baugenehmigungsbehörde übergeordnet sind. Ließe man daher die Konzentration bei der Baugenehmigungsbeh,örde eintreten, so hätte dies eine Verlagerung von Genehmigungszuständigkeiten auf untergeordnete Behörden zur Folge. Eine "Hinabzonung" von Zuständigkeiten müßte jedoch systemwidrig erscheinen. Es ist nämlich nicht einzusehen, daß Genehmigungszuständigkeiten gerade dann nachgeordneten Verwaltungseinheiten übertragen werden sollen, wenn es um die Genehmigung komplexer Vorhaben geht, die mehreren Genehmigungsvorbehalten unterliegen, während vergleichsweise einfache Vorhaben, die nicht einmal einer Baugenehmigung bedürfen, nur von einer übergeordneten Behörde genehmigt werden dürften. Die unteren Baurechtsbehörden wären auch in vielen Fällen gar nicht den Anforderungen gewachsen, die auf sie als Konzentrationsbehörde zukämen. Ihr Leistungsvermögen dürfte sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht überschritten werden. So könnte es leicht zu Engpässen kommen, weil in kleineren Verwaltungsräumen größere Bauvorhaben nur unregelmäßig auftreten und sich Schwankungen des Arbeitsanfalls gerade in kleineren Behörden nur schwer ausgleichen lassen. Hinzu kon_mt, daß eine Konzentration nur dann wirklich Vorteile verspricht, wenn sich die Funktion der Konzentrationsbehörde nicht darin erschöpft, Genehmigungsanträge entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie die an anderer Stelle getroffenen Entscheidungen formal zu einer "Gesamtentscheidung" zusammenzufassen. Von ihrer personellen Ausstattung und ihrer organisatorischen Stellung her wird eine untere Baurechtsbehörde aber weder dazu in der Lage sein, die verschiedenen fachgesetzlichen Bereiche zu überblicken, die von einem komplexen Vorhaben berührt werden, noch dazu, 11 Zu den funktionalen Behördenbegriffen "untere Verwaltungsbehörde" und "untere Baurechtsbehörde" vgl. § 13 LVG BW bzw. § 48 Abs. 1 LBO BW. 12 Vgl. § 48 Abs. 2, Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3, §50 Abs. 1 LBO BW. 13 Vgl. § 16 LVG BW. 14 Wie z.B. in§ 1 Abs. 1 GaststättenVO BW und § 3 Abs. 1 lit. c DenkmalSchG BW.

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6. Rechtspolitische Überlegungen

im Zusammenwirken mit beteiligten Verwaltungseinheiten, die in der Behör· denhierarchie höher stehen, auf eine Abstimmung unterschiedlicher fachlicher Gesichtspunkte hinzuwirken. Eine "Koordination von unten" verspricht nur dann Erfolg, wenn die untergeordnete Behörde hinsichtlich ihrer Arbeitskapazität und ihres Sach· und Fachwissens den zu koordinierenden übergeordneten Verwaltungseinheiten gewachsen ist. 15 Auch bei der Erarbeitung eines Gesetzentwurfs zur Konzentration von Genehrnigungszuständigkeiten in Bad.-Württ. hat man nicht ernsthaft erwogen, die vorhabenbezogene Zuständigkeitsbündelung bei den unteren Baurechts· behörden eintreten zu lassen. Ursprünglich waren zwei "Konzentrationsebenen" vorgesehen, nämlich bei den Regierungspräsidien und bei den unteren Verwaltungsbehörden. Da eine "Hochzonung" von Genehmigungszuständigkeiten zum Regierungspräsidium mit den Zielen der Delegation von Verwal· tungsaufgaben und der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung nicht vereinbar war, hat man dann die Konzentration auf der höheren Verwaltungsebene wieder fallengelassen. 16 Eine ausschließliche Konzentration bei den unteren Verwaltungsbehörden stieß dann aber nicht nur auf Bedenken der Regierungspräsidien, sondern auch auf die Kritik der kommunalen Landesverbände, weil dadurch den Großen Kreisstädten und den Gemeinden bzw. Verwaltungsgemeinschaften mit eigener Baurechtszuständigkeit in vielen Fällen Zuständigkeiten verlorengegangen wären. 17 Aus den genannten Schwierigkeiten läßt sich die Schlußfolgerung ziehen, daß eine umfassende Konzentration bei der Baugenehmigungsbehörde nicht im Einklang stünde mit dem differenzierten und ausgewogenen System der Zuständigkeitsverteilung innerhalb der Landesverwaltung und insbesondere zwischen der staatlichen und der kommunalen Verwaltung.

- Standortplanfeststellung für Kernkraftwerke Was den Vorschlag betrifft, für Kernkraftwerke ein Standortplanfeststellungsverfahren einzuführen, 18 scheint sich inzwischen eine skeptische Beurteilung durchgesetzt zu haben. 19 In der Tat haben atomrechtliche Genehmi· gungsverfahren bereits eine solche "Hyperkomplexität" erreicht, daß es be· denklieh erscheinen müßte, diese mit noch mehr Entscheidungsstoff zu be· 15 Dies gilt in gewissem Maße für das Verhältnis des Regierungspräsidiums zu den Mi· nisterien, da sich das Regierungspräsidium die (Informations·)Vorteile seiner Bündelungs· funktion zunutze machen kann. Zugunsten der unteren Baurechtsbehörde könnte sich allenfalls deren größere Ortsnähe auswirken. 16 Vgl. LT-Drucks. BW 8/3635 S. 28- s. Anh. -. 17 Vgl. ebd. S. 29. 18 Vgl. bereits Abschn. 2.1.3. bei Fn. 2 m.w.N. 19 Vgl. Kröncke, Die Genehmigung von Kernkraftwerken, S. 133f.; Breuer, in: 7. Deutsches Atornrechts-Symposium, S. 153 (158, 175); Götz, ebd., S. 177 (180).

6.4. Ausbau des Systems fachgesetzlicher Konzentrationsvorschriften

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frachten. Es kommt hinzu, daß atomrechtliche Genehmigungen von obersten Landesbehörden in Bundesauftragsverwaltung erteilt werden. 20 Gerade auf dieser Verwaltungsebene ist aber keine "Bündelungsbehörde" mit ressortübergreifenden Außenzuständigkeiten vorhanden. 21 Bezeichnend ist auch, daß das von der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke im Jahre 1976 für Kraftwerke und speziell für Kernkraftwerke vorgeschlagene Planfeststellungsverfahren auf die Feststellung des Standorts beschränkt bleiben sollte. 22 Da parallele Genehmigungsvorbehalte nicht nur bei der Zulassung des Standortes eingreifen, ergäbe sich dadurch nur eine partielle Konzentration. Eine solche ist jedoch dem bisherigen Planfeststellungsrecht fremd und müßte eine Vielzahl schwieriger Abgrenzungsfragen aufwerfen. Schon die punktuelle Konzentrationsvorschrift des § 8 Abs. 2 AtG hat in der Verwaltungspraxis Anwendungsprobleme verursacht. 23

- Einführung neuer Planfeststellungen Die Einführung einer Entscheidungskonzentration dürfte am ehesten dann gerechtfertigt sein, wenn bei bestimmten, relativ gut abgrenzbaren Vorhaben das System paralleler Genehmigungsverfahren unübersichtlich und kompliziert ist und wenn als Konzentrationsbehörde eine klassische "Bündelungsbehörde" wie das Regierungspräsidium eingesetzt werden kann. 24 Dabei wird in jedem Fall zu prüfen sein, ob ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Planfeststellung möglich und angezeigt ist. Die Einführung eines Planfeststellungsverfahrens hat zum einen den Vorteil, daß dieses Verfahren, das als "Prototyp" eines konzentrierten Genehmigungsverfahrens angesehen werden kann, 25 in den§§ 72 ff. VwVfG eine Ausgestaltung erfahren hat, die den besonderen Anforderungen der Entscheidungskonzentration in hohem Maße gerecht wird. Zum anderen werden durch die sich wechselseitig ergänzenden Konzentrationsregelungen in den Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder etwaige kompetenzrechtliche Hindernisse ausgeräumt.26 Der Anwendungsbereich von Planfeststellungsverfahren ist heutzu-

2o

Vgl. Art. 87 c GG, § 24 AtG.

21 Man könnte allenfalls an das Staatsministerium oder an das Ministerium für Bundes-

angelegenheiten denken. In der Tat ist letzterem in Niedersachsen die atomrechtliche Genehmigungszuständigkeit übertragen. In Baden-Württemberg entscheidet dagegen das Minist erium für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr im Einvernehmen mit zwei weiteren Ministerien (vgl. § 1 AtGZuV BW). 22 Vgl. Beilage zum VDEW-Mitglieder-Rundschreiben Nr. 12/1977 sowie die Nachw. in Abschn. 2.1.3 . Fn. 2. 23 Vgl. Abschn. 4.1.2.2. 24 Vgl. bereits Abschn. 6.4.1. a.E. 25 Vgl. bereits Abschn. 1. bei Fn. 5 8 ff. u. Abschn. 2.1.1. 26 Vgl. Abschn. 6.4.1. bei Fn. 11.

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6. Rechtspolitische Überlegungen

tage auch nicht mehr auf flächenintensive Großvorhaben der öffentlichen Hand beschränkt, sondern erstreckt sich auf private Vorhaben (z.B. Naßauskiesung, vgl. § 31 WHG) 27 und auf großtechnische Anlagen (vgl. § 9 b AtG). Ein Bedürfnis zur Einführung eines Planfeststellungsverfahrens dürfte z.B. bei Tagebauvorhaben bzw. Ausgrabungen größeren Umfangs festzustellen sein. Wie kompliziert hierbei das bestehende System paralleler Genehmigungsverfahren trotz - oder gerade wegen - zahlreicher, aber in ihrer Wirkung beschränkter Konzentrationsvorschriften aussehen kann, soll im folgenden kurz aufgezeigt werden: Abgrabungen können zunächst einmal einer Baugenehmigung bedürfen. 28 Zugleich kann auch eine naturschutzrechtliche Abbau- bzw. Abgrabungsgenehmigung erforderlich sein. 29 In diesem Fall erteilt die Naturschutzbehörde auch die Baugenehmigung. 3° Für Lagerstätten, die der Bergaufsicht unterliegen (z.B. Tongruben), ist eine bergrechtliche Betriebsplanzulassung erforderlichY Diese Zulassung ersetzt zwar nicht die nach anderen gesetzlichen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen, doch sind in Bad.-Württ. parallele Genehmigungszuständigkeiten weitgehend beim Landesbergamt zusammengefaßt.32 Für Abbauvorhaben, bei denen ein Baggersee entsteht (z.B. Kiesgruben), ist dagegen ein wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen. 33 Steinbrüche, in denen Sprengstoffe verwendet werden, bedürfen hingegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. 34 Durch diese wird dann insbesondere die sprengstoffrechtliche Lagergenehmigung ersetzt. 35 Soll eine Grube später wieder verfüllt werden, so kann dafür eine abfallrechtliche Planfeststellung oder Genehmigung notwendig werden. 36 Maßnahmen zum

27 Zu privatnützigen Planfeststellungen vgl. BVerwG, Urt. v. 10.2.1978 - Naßauskiesung - , E 55, 220; Wahl in DVBl 1982, 51 (57 f.). 28 Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, §51,§ 52 Abs. 1 Nr. 17 LBO BW. 29 Vgl. § 13 NatSchG BW. 30 Vgl. § 13 Abs. 2 NatSchG BW und dazu Sauter/Imig/Kiess/Homung, LBO BW, §51 Rn. 25, 41. 31 Vgl. § 3 Abs. 4, § 55 BBergG. 32 Vgl. § 98 Abs. 1 WG BW, § 14 Abs. 2, Abs. 3, § 19 f Abs. 1 Satz 2 WHG, § 7 BlmSchGZuVO BW, § 13 Abs. 1 Satz 2 NatSchG BW, § 16 Abs. 6 LAbfG BW. Daneben finden sich auch materiellrechtlich wirksame Ausnahmen zugunsten von Anlagen, die der Bergaufsicht unterliegen, vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 LBO BW, § 4 Abs. 2 BlmSchG, § 1 Abs. 4 Nr. 3 SprengG. Zum Verhältnis von bergrechtl. Betriebsplanverfahren und Bau!{enehmigungsverfahren vgl. auch OVG Münster, Urt. v. 20.9.1983, ZfB 1984, 225 (232 ff.). 33 Vgl. § 31 WHG. 34 Vgl. § 4 BlmSchG i.V.rn. Anh. Nr. 2.1. der 4. BlmSchV. Hinzu kommt dann oft noch eine imrnissionsschutzrechtl. Genehmigung für eine Brech- und Klassieranlage, vgl. Anh. Nr. 2.2. 35 Vgl. § 13 BlmSchG, § 17 Abs. 1 Satz 3 SprengG. 36 Vgl. § 7 AbfG sowie OVG Kassel, Urt. v. 9.4.1973, ZfW 1974, 362; Beschl. v. 3.2. 1986, NVwZ 1986,662.

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Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft sind von der jeweils zuständigen Planfeststellungs- bzw. Genehmigungsbehörde anzuordnen. 37 Diese Aufzählung dürfte bereits genügen, um deutlich zu machen, daß hier ein Vereinfachungs- und Vereinheitlichungsbedürfnis- gerade auch im Interesse des Bodenschutzes - besteht. Bei größeren Abgrabungsvorhaben wäre daher ein vom Regierungspräsidium durchzuführendes naturschutzrechtliches Planfeststellungsverfahren zu erwägen. Ein einfaches konzentriertes Genehmigungsverfahren erscheint dagegen weniger geeignet, weil für Abgrabungen bereits nach anderen Fachgesetzen eine Planfeststellung vorgeschrieben sein kann und sich eine Entscheidungskonzentration dann nur über § 7 5 Abs. 1 Satz 1, § 78 VwVfG herstellen läßt. 38

Vgl. § 11 Abs. 4 u. 5, § 12 Abs. 1 NatSchG BW. Vgl. aber auch das AbgrabungsG NRW v. 23.11.1979 (GVBI. 1979 S. 922), das in § 7 Abs. 3 eine beschränkte Konzentration für die Abgrabungsgenehmigung nach § 3 vorsieht. Ein wasserrechtlicher Planfeststellungsbeschluß ersetzt seinerseits die Abgrabungsgenehmigung, vgl. OVG Münster, Urt. v. 15.6.1984, NVwZ 1986, 231. 37 38

7. Zusammenfassung Umweltrelevante Vorhaben (wie z.B. der Bau eines Kraftwerks) berühren regelmäßig verschiedene Rechtsbereiche (z.B. Bau-, Wasser-, Atomrecht, Immissions- und Naturschutzrecht). Dementsprechend greifen oft mehrere Genehmigungsvorbehalte nebeneinander ein. Entweder müssen dann mehrere Genehmigungsverfahren "parallel" durchgeführt werden, oder es greift eine Konzentrationsvorschrift ein, die die einzelnen Verfahren zu einem "konzentrierten" Genehmigungsverfahren zusammenfaßt (wie z.B. § 13 BimSchG). Einzelne parallele Verfahren erfassen jeweils nur bestimmte Teilanlagen oder Teilaspekte eines Vorhabens. Nur wenn alle parallel erforderlichen Genehmigungen vorliegen, kann das gesamte Vorhaben verwirklicht werden. Demgegenüber hat ein konzentriertes Verfahren im Idealfall von vornherein das gesamte Vorhaben zum Gegenstand. Die bestehenden Konzentrationsvorschriften führen in der Praxis allerdings nur selten zu einer vollständigen Konzentration, bei der für ein einheitliches Gesamtvorhaben nur noch eine Genehmigung von einer Behörde in einem Verfahren erteilt wird. Die Konzentrationswirkungen bleiben vielmehr in fachlicher und in räumlich-gegenständlicher Hinsicht begrenzt (z.B. Ausklammerung der wasserrechtlichen oder energiewirtschaftsrechtlichen Zulässigkeit, Beschränkung auf den Kernreaktor bzw. auf die Feuerungsanlage). Meist kommt es daher nur zu einer unvollkommenen, partiellen Konzentration. Man könnte daher daran denken, die bestehenden Konzentrationsvorschriften so zu erweitern, daß sie umweltrelevante Vorhaben in ihrem vollen Umfang und unter allen fachlichen Aspekten erfassen. Denkbar wäre auch die Einführung einer allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Konzentrationsnorm, die abstrakt-generell für alle Arten umweltrelevanter Vorhaben eine Entscheidungskonzentration oder ZuständigkeitsbündeJung anordnet. Ein solcher Ansatz wirkt zwar bestechend, weil er eine vollständige Konzentration der Verfahren verspricht. Gleichwohl geht er am Kern der Problematik vorbei. Daß mehrere Genehmigungsvorbehalte nebeneinander eingreifen, ist meist kein Zufall, sondern durch die Komplexität und Vielgestaltigkeit umweltrelevanter Vorhaben bedingt. Gerade bei der Umweltverträglichkeitsprüfung sind eine Vielzahl unterschiedlicher, oftmals konkurrierender Belange zu berücksichtigen (z.B. Gesichtspunkte der Luftreinhaltung, des Gewässerschutzes, der Abfallbeseitigung, des Strahlenschutzes, des Na-

7 . Zusammenfassung

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tur- und Landschaftsschutzes und der sicheren und sparsamen Energieversorgung). Innerhalb der in hohem Maße ausdifferenzierten öffentlichen Verwaltung bestehen spezialisierte Stellen zur Wahrnehmung der verschiedenen öffentlichen Belange. Wollte man daher die Prüfung der Zulässigkeit umweltrelevanter Vorhaben einer einzigen "Konzentrationsbehörde" überlassen, so würde dies der Komplexität der Entscheidungsaufgabe nicht gerecht und bliebe auch weit hinter dem Stand der Spezialisierung und Dezentralisierung zurück, den die deutsche Verwaltung heute erreicht hat. Am ehesten wäre noch das Regierungspräsidium als klassische "Bündelungsbehörde" zu einer fachübergreifenden Prüfung imstande, doch liefe die Verlagerung von Genehmigungszuständigkeiten auf die staatliche Mittelinstanz dem Ziel zuwider, die "bürgernahe" kommunale Verwaltung zu stärken (die heute für die zahlenmäßig meisten Genehmigungen zuständig ist). Außerdem werden immer wieder neuartige technische Anlagen gebaut, die in kein vorhandenes "Konzentrations-Schema" passen (vgl. den Fall des nuklearen Zwischenlagers). Die bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben auftretenden Organisations- und Verfahrensfragen sind so vielschichtig, daß sie eine einfache und glatte Konzentrationslösung nicht zulassen. Man muß vielmehr von der Erkenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten ausgehen, die eine arbeitsteilige Prüfung der Zulässigkeit umweltrelevanter Vorhaben im Rahmen eines sektoral und phasenspezifisch ausdifferenzierten Verfahrenssystems erfordern. Für die Ausgestaltung eines solchen Verfahrenssystems gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder erfolgt die Ausdifferenzierung durch eine Aufspaltung in mehrere parallele Verfahren, in denen jeweils bestimmte Teile bzw. Aspekte eines Vorhabens einer speziellen Prüfung unterliegen. Oder es findet eine interne Ausdifferenzierung konzentrierter Verfahren statt, indem Stellungnahmen fachlich kompetenter Verwaltungseinheiten eingeholt und Entscheidungen stufenweise in mehreren Teilgenehmigungsschritten getroffen werden. In beiden Fälle11: wirft die Aufgliederung des Verfahrenssystems und die als Folge der Aufgliederung zu leistende Koordination die meisten Probleme auf. Gleichviel, ob man sich für eine parallele oder konzentrierte Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Verfahrenssystems entscheidet: Es sind jeweils die mit der Aufgliederung und Koordination verbundenen Verfahrensfragen, deren Klärung vordringlich erscheint.

- Konzentn"erte Genehmigungsverfahren Eine Konzentration findet statt, wenn die im konzentrierten Verfahren erteilte Genehmigung eine oder mehrere sonstige (Parallei-)Genehmigungen ersetzt. 19 Wagner

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7. Zusammenfassung

Die Genehmigungsbehörde, die das konzentrierte Verfahren durchführt, muß auch diejenigen Rechtsvorschriften beachten, die für die ersetzten Genehmigungen gelten, insbesondere die entsprechenden Genehmigungsvoraussetzungen. Ausgenommen sind lediglich solche Verfahrensvorschriften, für die im konzentrierten Verfahren ein gleichwertiger Ersatz besteht. Am konzentrierten Verfahren sind diejenigen Behörden zu beteiligen, deren Genehmigung ersetzt wird. Im Regelfall genügt die Einholung einer Stellungnahme; ein Einvernehmen ist nicht nötig (aber in der Praxis üblich). Soweit nicht ausdrücklich abweichende Regelungen getroffen worden sind (wie z.B. in § 38 BBauG/BauGB hinsichtlich bauplanungsrechtlicher Vorschriften), gelten die vorgenannten Grundsätze für alle konzentrierten Genehmigungsverfahren. Auch Konzentrationsvorschriften, die umfassend angelegt sind (wie § 13 BimSchG), führen meist nur zu einer partiellen Konzentration: Manche fachgesetzlichen Bereiche sind ganz von der Konzentrationswirkung ausgenommen (z.B. Wasserrecht, Energiewirtschaftsrecht), andere bleiben im konkreten Fall ganz oder teilweise ausgeklammert, weil die Konzentrationswirkung nur so weit reicht wie der jeweilige (fachgesetzliche) Anlagenbegriff und dieser nicht das ganze einheitliche Gesamtvorhaben abdeckt. Dies hat zur Folge, daß die Konzentrationswirkung hinter der räumlich-gegenständlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vorhabens zurückbleibt und weder alle Anlagenteile (z.B. Kühltürme eines Kernkraftwerks, Grundstücksumschließungen) noch alle Stadien der Vorhabenverwirklichung (z.B. Rodung von Wald und andere Vorbereitungsmaßnahmen) erfaßt. Trotz dieser Unvollständigkeiten hat die Entscheidungskonzentration den Vorteil, daß die Koordination verschiedener Entscheidungsgesichtspunkte wesentlich erleichtert wird (z.B. was die Auswirkungen eines Vorhabens auf verschiedene Umweltmedien betrifft). Zwar verlagern sich die Koordinationsprobleme zunächst nur auf das konzentrierte Genehmigungsverfahren und speziell auf die Behördenmitbeteiligung. Die Koordinationsbedingungen innerhalb eines Verfahrens sind jedoch günstiger einzuschätzen als im Verhältnis mehrerer paralleler Verfahren zueinander. Außerdem wird durch die Konzentration sowohl den Vorhabenträgern als auch den Drittbetroffenen die Wahrnehmung ihrer Rechte und Interessen tendenziell erleichtert. Gleichwohl erscheint eine umfassende Entscheidungskonzentration nur dann sinnvoll, wenn es um die Genehmigung von Vorhaben mittlerer Komplexität geht. Weitere Voraussetzung ist, daß die Vorhaben eine typische und festumrissene Gestalt aufweisen, die es erlaubt, den Begriff der "genehmigungsbedürftigen Anlage" und damit die Reichweite der Konzentration klar und zweckmäßig abzugrenzen. Unklarheiten bei der Abgrenzung der Konzentrationswirkung müßten nämlich zu Unsicherheiten bei der Bestimmung der

7. Zusammenfassung

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richtigen Verfahrensart und der zuständigen Genehmigungsbehörde führen. Solche Unsicherheiten belasten und verzögern das Verfahren und machen den Vereinfachungseffekt der Konzentration zunichte. Die Praxis hat gezeigt, daß schon bei einer relativ eng gefaßten Konzentrationsvorschrift wie § 8 Abs. 2 AtG folgenschwere Rechtsunsicherheiten auftreten können (namentlich was die Frage der Einbeziehung der Kühltürme ins atomrechtliche Verfahren betrifft). Die Konzentration der Verfahren schafft zugleich ein Bedürfnis nach verfahrensinterner Aufgliederung und Koordination. Außerdem macht die Konzentration die Zuständigkeitsordnung eher noch komplizierter. Die Konzentration ist daher keine Patentlösung, mit der man die Probleme bei der Genehmigung umweltrelevanter Vorhaben einfach in den Griff bekommen könnte.

- Parallele Genehmigungsverfahren Parallele Verfahren werden - nicht notwendig zeitgleich - nebeneinander durchgeführt. Dabei stellt sich die grundlegende Frage, ob es sich um ein unverbundenes Nebeneinander handelt oder ob -und ggf. wie- die parallelen Verfahren miteinander verklammert sind. Während bei konzentrierten Verfahren im Idealfall für ein Vorhaben nur ein Verfahren durchgeführt wird und somit das "Einheitsprinzip" gilt, könnte im extremen Gegensatz hierzu für parallele Verfahren das "Trennungsprinzip" gelten: Grundsätzlich müßten die parallelen Verfahren dann ganz getrennt voneinander durchgeführt werden. Dies entspricht der noch vielfach vertretenen "Separationslösung". Gegen eine solche Lösung, die die parallelen Verfahren voneinander abgrenzt und isoliert, spricht bereits, daß parallele und konzentrierte Verfahrensgestaltungen in der Praxis häufig miteinander kombiniert sind (nämlich immer dann, \ .·enn eine Konzentration nur partiell wirkt). Es hätte wenig Sinn, für einzelne Teile bzw. Aspekte ein und des gleichen Vorhabens teils das Einheits- und teils das Trennungsprinzip anzuwenden. Außerdem sind parallele Prüfungsbereiche regelmäßig eng miteinander verflochten oder überschneiden sich sogar, so daß eine scharfe Abgrenzung kaum praktikabel wäre. Eine Separation widerspräche den sachlichen Koordinationsbedürfnissen. Gerade die Prüfung der Umweltverträglichkeit eines Vorhabens erfordert eine ganzheitliche und integrierende Sichtweise. Daher sollte das "Koordinationsprinzip" gelten, das der Einheitlichkeit des Gesamtvorhabens auch im Rahmen einer parallelen Verfahrensgestaltung Rechnung trägt. Die Überwindung einer fachlich und gegenständlich beschränkten Sichtweise ist in zahlreichen "Offnungsklauseln" vorgezeichnet: Darin wird die Genehmigung eines Vorhabens davon abhängig gemacht, daß sonstige öffent19*

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7. Zusammenfassung

lieh-rechtliche Vorschriften oder Belange des Wohls der Allgemeinheit dem Vorhaben nicht entgegenstehen (z.B. § 14 AtVfV, § 6 WHG). Rechtsvorschriften stehen einem Vorhaben auch dann entgegen, wenn eine erforderliche Parallelgenehmigung noch aussteht und auch kein Anspruch auf deren Erteilung besteht. Erst durch Erteilung der parallelen Genehmigung wird nämlich ein bestehendes repressives oder präventives Verbot aufgehoben. Einer ganzheitlichen Betrachtungsweise entspricht die verfahrensübergreifende vorläufige Gesamtprüfung. Es bietet sich eine Analogie zu den für gestufte Genehmigungsverfahren geltenden Regelungen an (vgl. z.B. § 8 BlmSchG): Innerhalb gestufter Verfahren erfolgt eine "Verklammerung" der Teilgenehmigungen 1. durch die Notwendigkeit eines "vorläufigen positiven Gesamturteils" und 2. durch die Bindung an das Ergebnis der vorläufigen Gesamtprüfung im weiteren Gang des Verfahrens. Der Grundsatz der vorliiufigen Gesamtprüfung kann auf parallele Verfahren übertragen werden. Dies bedeutet, daß eine Genehmigung nur dann vor einer anderen, ebenfalls erforderlichen parallelen Genehmigung erteilt werden darf, wenn aufgrund einer vorläufigen Prüfung die Genehmigungsfähigkeit des Gesamtvorhabens bejaht werden kann. Dies ist i.d.R. der Fall, wenn eine positive Stellungnahme der parallel zuständigen Genehmigungsbehörde vorliegt. Dagegen kann der Grundsatz der (eingeschränkten) Bindung an das vorläufige positive Gesamturteil nicht auch für parallel zuständige Genehmigungsbehörden Geltung beanspruchen. Eine solche Bindung würde auf eine partielle Entscheidungskonzentration ohne die erforderliche besondere gesetzliche Grundlage hinauslaufen. Während die Bindung innerhalb eines gestuften Verfahrens nämlich nur eine "Selbstbindung" der Genehmigungsbehörde bedeutet, würde eine Bindungswirkung zu Lasten parallel zuständiger Genehmigungsbehörden deren Entscheidungskompetenz beschränken und wäre als "Fremdbindung" zu qualifizieren. Demgegenüber ist daran festzuhalten, daß die Entscheidungskompetenz parallel zuständiger Genehmigungsbehörden ungeschmälert bestehenbleibt.

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