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German Pages 252 Year 2007
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 46
Nachhaltigkeit durch Verfahren im Welthandelsrecht Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfungen und die WTO
Von
Markus Gehring
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MARKUS GEHRING
Nachhaltigkeit durch Verfahren im Welthandelsrecht
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen †, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 46
Nachhaltigkeit durch Verfahren im Welthandelsrecht Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfungen und die WTO
Von
Markus Gehring
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 978-3-428-12269-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern und meiner Frau Marie-Claire
Vorwort Die vorliegende Dissertation ist meinen Eltern und meiner Frau MarieClaire gewidmet, ohne deren Unterstützung sie nicht entstanden wäre. Meine Eltern und auch meine Schwestern Marit und Maike und Familie haben mich durch mein gesamtes Studium hindurch großartig unterstützt. Ihnen gebührt mein erster Dank. Mein Vater hat durch seine Korrekturen und Fragen diese Arbeit auch sehr direkt befördert. Meine Frau Marie-Claire hat mich immer wieder durch Fachdiskussionen zu weiteren Forschungen menschlich und fachlich inspiriert. Danken möchte ich auch unserem Sohn Jonathan David, der durch seine Ankunft unser Leben und auch diese Arbeit kontinuierlich bereichert. Besonderes möchte ich bei meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Stefan Oeter bedanken, der mir erst die Mitarbeit im WTO-Rechtsprojekt, von der diese Arbeit sehr profitierte, an der Universität Hamburg ermöglichte und mich dann über Landesgrenzen hinweg betreute. Mein weiterer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf, der als mein Dienstherr Auslandsaufenthalte und -forschungen wohlwollend unterstützte. Meinen Kollegen aus dem WTO-Rechtsprojekt und vor allem unserer Institutssekretärin Frau Evelyn Eck gilt ebenso besonderer Dank. Meine Sekretärin Kristina Hoffmann vom Brüsseler Büro der Kanzlei Cleary Gottlieb Steen Hamilton LLP hat mir tatkräftig unter die Arme gegriffen, und die Partner Dr. Till Müller-Ibold und Dr. Wolfgang Knapp haben die Erstellung der Endfassung wohlwollend gefördert. Bei allen dreien möchte ich ich mich herzlich bedanken. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Thomas Bruha, der die Arbeit als Zweitkorrektor begutachtet hat, und Herrn Prof. Dr. Rainer Lagoni, der bei meiner Prüfungskommission den Vorsitz führte. Mein Aufenthalt beim Centre for International Sustainable Development Law in Montreal und der Austausch mit meinen Kollegen dort war für die Arbeit prägend. Mein Dank gilt Prof. Dr. Armand de Mestral, der mich freundlich in Montreal betreut hat. Mein Aufenthalt an der Yale Law School im akademischen Jahr 2002–2003 hat diese Arbeit zusätzlich bereichert und dafür gebührt allen meinen Lehrern, aber insbesondere Prof. Bruce Ackerman, Prof. Alec Stone Sweet, Dean Prof. Harold Koh und Prof. Daniel Esty, mein besonderer Dank. Schließlich möchte ich auch meinen Kollegen in Cambridge und in Oxford für deren Unterstützung herzlich danken.
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist in den Jahren 1999 bis 2004 entstanden. Einige Ergänzungen wurden dann in den Jahren 2005 und 2006 vorgenommen und Fachliteratur soweit möglich eingearbeitet. Cambridge (England), im Frühjahr 2007
Markus W. Gehring
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Handel, Umwelt und Soziales – unlösbare Gegensätze und Grund für weltweite Probleme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.
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Nachhaltige Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
IV.
Begriffsverständnis – Verschiedene Begriffe für das gleiche rechtliche Instrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V.
Umweltprüfung eines handelsrechtlichen Vertrages am Beispiel des US-Chile Freihandelsabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren – Element des Vorsorgeprinzips im Welthandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.
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Inhalt des Vorsorgeprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Das Vorsorgeprinzip im nationalen und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Das Vorsorgeprinzip im internationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verhältnis zum Schutzprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. UVP als eigenes Prinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV.
Geltung des Vorsorgeprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Vorsorge als vertragliches Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Das Vorsorgeprinzip als Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Vorsorge als Prinzip des Umweltvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . .
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II.
V.
(2) Allgemeines Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorsorge durch Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Im deutschen und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
2. Im internationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) UVPs im Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) UVPs im Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(2) UVPs im Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(a) Die Espoo-Konvention und das Kiew-Protokoll . . . . . . . . .
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(b) Environmental Assessments der Weltbankgruppe . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis VI. Fortentwicklung von Umweltprüfungen im internationalen Recht – Integration sozialer und wirtschaftlicher Aspekte in Umweltverträglichkeitsprüfungen bis zur integrierten Nachhaltigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . 1. Einbeziehung sozialer Kriterien in die UVP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Strategische Umweltprüfung: Von Projekten zu Plänen, Programmen und Politiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Integrierte Nachhaltigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Das Vorsorgeprinzip in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsquellen der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) WTO-Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Präambel des WTO-Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das SPS-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Vorsorgliche Maßnahmen (Art. 5.7 SPS) . . . . . . . . . . . . . . . (b) Art. 3.3 SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Präambel des SPS-Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . (3) Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Präambel des TBT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Berechtigte Schutzziele nach Art. 2 TBT . . . . . . . . . . . . . . b) DSB-Entscheidungen als Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Gasoline-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Hormones-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Asbestos-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Panel-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Der Appellate Body-Bericht im Asbestfall . . . . . . . . . . . . . (4) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Prinzipien des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gemeinsame Rechtsprinzipien aus den nationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Costa Rica, Kolumbien, Kuba . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schlussfolgerung für das Vorsorgeprinzip in der WTO . . . . . . . . . . . . .
B. Andere für eine Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung relevante Prinzipien des Welthandelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Transparenzprinzip im WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die interne Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die externe Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konsequenzen beider Teile des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die differenzierte und bevorzugte Behandlung von Entwicklungsländern im WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56 57 58 60 63 63 64 64 65 65 66 66 67 68 68 68 69 69 73 74 76 78 78 79 80 81 81 81 82 82 83 83 85 85
Inhaltsverzeichnis 1. Verankerung in den WTO-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenzen des Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung – Nationales Außenwirtschaftsrecht und internationales Wirtschaftsrecht A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel . . I. Das Kanadische Environmental Assessment of Trade Negotiations . . . . . 1. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der kanadische Environmental Review der Uruguay-Runde 1994 (1) Rechtlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die retrospektive Analyse des 1994 Environmental Review (1999) (1) Rechtlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Initial Environmental Assessment of the new World Trade Organization (WTO) Negotiations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Initial Environmental Assessment of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Negotiations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Initial Environmental Assessment of the Canada-Central America Four Free Trade (CA-4) Negotiations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rückschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Environmental Review of Trade Agreements der USA . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das US-Außenwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entwicklung der Environmental Reviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gericht verneint Anwendbarkeit der UVP-Regel bei Handelsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Environmental Reviews bei Gründung der NAFTA (1991–92 und 1993) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablauf bei der Vorbereitung der WTO Seattle-Runde . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Ablauf der Umweltprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Ausführungsbestimmungen (Guidelines) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtlicher Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geltungsbereich – Welche Handelsübereinkommen? . . . . . . . . . . . . e) Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Exkurs: Globale und transnationale Auswirkungen . . . . . . . . . (2) Öffentliche Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Praktische Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umweltprüfung des US-Jordanischen Freihandelsabkommen . . . . (1) Erwartete wirtschaftliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Umweltauswirkungen in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Grenzüberschreitende oder globale Umweltauswirkungen . . . . (4) Positive Umweltauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umweltprüfung des US-Chile Freihandelsabkommens . . . . . . . . . . (1) Mögliche Handels- und wirtschaftliche Auswirkungen . . . . . . (2) Sektorielle Effekte (nationale und grenzüberschreitende) . . . . (3) Regulatorische Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Umweltzusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umweltprüfung des US-Singapur-Freihandelsabkommens . . . . . . . d) Umweltzwischenprüfung des US-Mittelamerika-Freihandelsabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Umweltzwischenprüfung des US-Marokko-Freihandelsabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Umweltzwischenprüfung des US-Australien-Freihandelsabkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rückschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Environmental Assessment in der NAFTA (CEC Five-Year-Review) . . . . 1. Verhandlungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Commission on Environmental Cooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel I. Sustainability Impact Assessment der Europäischen Union (EU) . . . . . . . 1. Grundlagen der EG-Handelspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geschriebene Außenwirtschaftskompetenzen: Art. 130 ff. EGV . . b) Ungeschriebene Außenwirtschaftskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche und autonome Handelspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Phase Eins der Nachhaltigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Phase Zwei der Nachhaltigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Phase Drei der Nachhaltigkeitsprüfung und weiteres Vorgehen . . . . . . 6. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vergleichbare Verfahren in anderen europäischen Staaten . . . . . . . . . . . . . C. Vorschläge von Internationalen Organisationen und Internationalen Nicht-Regierungsorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die OECD Methodik für Umweltprüfungen von Handelspolitik und -übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auswahl der Handelsmaßnahme bzw. -politik (screening) . . . . . . . . . . 2. Festlegung des Umfanges (scoping) der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 3. Zeitpunkt des assessment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beteiligung am Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beschreibung der verschiedenen Untersuchungsmethoden . . . . . . . . . . 6. Maßnahmen zum ex-post monitoring und follow-up . . . . . . . . . . . . . . . 7. Bewertung der OECD-Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. UNEPs Arbeiten zu Umweltprüfungen von Handelsregelungen . . . . . . . . 1. Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. UNEP Länderstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Arbeit der UN Commission on Sustainable Development (CSD) . . . IV. WWF-Vorschläge zur Methodik von SIAs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Teil Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
211
A. Allgemeine Probleme der Welthandelsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 I. Ablauf der Weltwirtschaftsverhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 1. Green Room Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211
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Inhaltsverzeichnis 2. Neuerungen zur Ministerkonferenz von Doha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Außergewöhnliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Neue Verfahren für die Ministerkonferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortschritte bei der Transparenz und der Partizipation . . . . . . . . . . II. Analyse der bisherigen Situation in der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beachtung der geltenden Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kooperation mit dem UNEP (Preamble Doha Ministerial Declaration) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. High Level Symposia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Doha Ministerial Declaration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhandlungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interpretation des Paragraphen 51 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorschläge zur Umsetzung des Paragraphen 51 . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konkrete Entwicklungen zu einer Verhandlungsumweltprüfung bzw. Verhandlungsnachhaltigkeitsprüfung unter Einbeziehung der Lehren aus den dargestellten Instrumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Institutionelle Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einbindung bestehender WTO-Abläufe in eine integrierte Umwelt-/ Nachhaltigkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zweckmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das TPRM allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgänger des heutigen TPRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das TPRM-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überprüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Überprüfungsintervall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablauf der Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Ansatzpunkte für Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen im TPRM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
212 212 213 214 215 215 216 216 216 217 220 221
223 223 223 224 225 225 226 226 227 228 230 231 232 234
4. Teil Schlussbetrachtung
236
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Abkürzungsverzeichnis AB CBD CEC CSD CTD CTE CTSD DFAIT DSB DSU ECOSOC EG EIS ER ERG EU FTA GATS GATT IGH ILA LDCs MEA MERCOSUR
Appellate Body (WTO Berufungsgremium) UN Convention on Biological Diversity (VN Konvention über Artenvielfalt) Commission on Environmental Cooperation (NAFTA Umweltkommission) UN Commission on Sustainable Development (VN Nachhaltigkeitsausschuss) Committee on Trade and Development (WTO Ausschuss für Handel und Entwicklung) Committee on Trade and Environment (WTO Ausschuss für Handel und Umwelt ) Committee on Trade and Sustainable Development (hier vorgeschlagene Doppelsitzung des CTE und CTD Department of Foreign Affairs and International Trade (kanadisches Außen- und Handelsministerium) Dispute Settlement Body (WTO-Streitbeilegungsorgan) Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes (WTO Streitbeilgegungsübereinkommen) UN Economic and Social Council (VN Wirtschafts- und Sozialrat) Europäische Gemeinschaft Environmental Impact Statement (Abschluss der US amerikanischen UVP) Environmental Review (US-Umweltprüfung von Handelsregelungen) Environmental Review Group (Ausschuss für die US-Umweltprüfung) Europäische Union Free Trade Agreement (Freihandelsübereinkommen) General Agreement on Trade in Services (Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen) General Agreement on Tarifs and Trade (Allgemeines Zoll und Handelsabkommen) Internationaler Gerichtshof in Den Haag International Law Association Least developed Countries (am wenigsten entwickelten Staaten) Mulitlateral Environmental Agreement (internationales Umweltübereinkommen) Mercardo Comun del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens)
16 NAFTA NGO SEA SIA SPS
TBT TPRM TRIPS
UNCTAD UNDP UNECE UNEP US AID USITC USTR UVP WSSD WTO
Abkürzungsverzeichnis North American Free Trade Agreement (Nordamerikanisches Freihandelsübereinkommen) Non Governmental Organisation (Nichtregierungsorganisation) Strategic Environmental Assessment (Strategische Umweltprüfung (SUP)) Sustainability Impact Assessment (Nachhaltigkeitsprüfung) Agreement on Sanitary and Phytosanitary Measures (Übereinkommen über die Anwendung gesundheitpolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen) Agreement on Technical Barriers to Trade (Übereinkommen über technische Handelshemmnisse) Trade Policy Review Mechnism (WTO Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik) Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte und Rechte des geistigen Eigentums) United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme (Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen) UN Economic Commission for Europe United Nations Environmental Programme (Umweltprogramm der Vereinten Nationen) US Agency for International Development (US-Entwicklungshilfeagentur) United States International Trade Commission (US-Handelskommission) United States Trade Representative (US-Handelsbeauftratgter) Umweltverträglichkeitsprüfung World Summit on Sustainable Development (Weltnachhaltigkeitsgipfel) World Trade Organization (Welthandelsorganisation)
Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel Wie kann das internationale Handelsrecht nachhaltig gestaltet werden? Diese Frage wurde nicht zuletzt von der 4. Konferenz der WTO-Handelsminister aufgeworfen und ist bisher nicht befriedigend beantwortet worden. Das Konzept einer nachhaltigen Entwicklung ist längst aus einem politischen Schlagwort zu einem rechtlichen Konzept geworden. Diese Arbeit versucht eine praktische Lösung für den Zielkonflikt zwischen der Wirtschaft, dem Sozialen und der Umwelt aufzuzeigen. Globalisierung ist seit wenigen Jahren zum politischen Schlagwort geworden. In kaum einer Diskussion fehlt der Hinweis auf die Folgen der Globalisierung, die meist negativ gesehen werden, als den politischen Handlungsspielraum einschränkend, soziale Missstände hervorrufend und die Umwelt im Allgemeinen zerstörend. Zugleich betonen aber die politischen Akteure, man müsse die Globalisierung gestalten, die Vorteile nutzen und die negativen Folgen so gering wie möglich halten. Bei der Frage nach dem „Wie“ werden dann häufig keine Antworten mehr gegeben. Ein politisches Phänomen gestalten helfen, etwas Ungeordnetem eine Ordnung zu geben versuchen, ruft Juristen auf den Plan. Hier soll in einem Teilbereich nach einer gestalterischen Lösung gesucht werden. Grenzüberschreitender Handel folgt internationalen Regeln. Diese können verändert werden und so umweltfreundlicher oder besser nachhaltiger im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gestaltet werden. Das Verfahren, das den Weg hierzu bereitet, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit: die Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung. Sie ist tausendfach erprobt und bei den meisten Großprojekten in vielen Staaten und auch international vorgeschrieben. Ihre Grundsätze können aber auch auf politische Leitlinien und sogar internationale Verträge angewendet werden. Es soll herausgearbeitet werden, auf welchen Prinzipien ein solches Verfahren am besten fußt. Verfahrensbeispiele der nationalen, regionalen und internationalen Ebene werden erörtert und schließlich ein konkreter Verfahrensvorschlag unterbreitet. Die Vorschläge haben nicht das Ziel, mit einem Schlag die Welt zu verändern, aber sie könnten einen kleinen Teil dazu beitragen, dass diese Welt eine nachhaltige Zukunft hat.
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Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel
I. Handel, Umwelt und Soziales – unlösbare Gegensätze und Grund für weltweite Probleme? Die drei Säulen nachhaltiger Entwicklung – Wirtschaft, Soziales und Umwelt – stehen nicht berührungslos nebeneinander, sondern müssen meist gegeneinander abgewogen und ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich stellt alle Regelungsebenen vor besondere Herausforderungen.1 Auf internationaler Ebene rückt vor allem der Bereich des internationalen Handels und seiner Auswirkungen auf die Umwelt und die soziale Entwicklung von Staaten in den Mittelpunkt.2 Die Diskussionen über ,Handel und Umweltschutz‘3 haben sich ebenso wie diejenigen über ,Handel und Soziales‘ international vervielfacht. Diverse Vorschläge wurden präsentiert, aber nur wenige dieser Vorschläge auf ihre rechtlichen Hintergründe und Praktikabilität untersucht. Dabei beschäftigen die anstehenden Probleme immer mehr Menschen, ohne dass fundierte Antworten gegeben werden. Handel, Umwelt und Soziales sind zehn Jahre nach der Konferenz von Rio (1992) scheinbar immer noch unlösbare Gegensätze. Dabei haben sowohl viele Umweltprobleme als auch viele soziale Probleme inzwischen globale Auswirkungen. Vielfach werden entlegene Regionen der Welt durch Handel mit diesen Problemen konfrontiert. Auf der Entstehungsebene sind die Probleme also miteinander verknüpft. Dennoch fehlen auf der Problemlösungsebene gangbare Wege. Einzelne Staaten versuchen neue Wege zu gehen. Doch auf internationaler Ebene fehlen wirksame, untereinander abgestimmte Konzepte.
1 Vgl. die Aufgaben des Rats für Nachhaltige Entwicklung, der von der Bundesregierung berufen wurde, online: http://www.nachhaltigkeitsrat.de/rat/auftrag/index.html (März 2004). 2 Vgl. hierzu im Besonderen, Marie-Claire Cordonier Segger/Markus Gehring, Sustainable Development in World Trade Law, 1. Aufl. Den Haag 2005; Gary Sampson, The WTO and Sustainable Development, 1. Aufl. Tokio 2005; ders./Bradnee Chambers, Trade, Environment and the Millennium, 2. Aufl. Tokio 2002 und Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit: Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit, 1. Aufl. München 2005. 3 Vgl. Ludwig Gramlich, GATT und Umweltschutz – Konflikt oder Dialog? Ein Thema für die neunziger Jahre, AVR 33 (1995), S. 131 ff.; Thomas Schoenbaum, International Trade and Protection of the Environment: The Continuing Search for Reconciliation, AJIL 91 (1997), S. 268 ff.; ders., International Trade and Environmental Protection, in: Patricia Birnie/Alan Boyle (Hrsg.), International Law and the Environment, 2. Aufl. Oxford 2002, S. 698 ff.; J. Harald Ginzky, Umweltschutz und der internationale Handel mit Waren, ZUR 1997, S. 124 ff.; Armin Sandhövel, Strategien für ein Miteinander von Umweltordnung und Welthandelsordnung, ZAU 1998, S. 496 ff. und Frank Biermann, Eine ökologische Reform der Welthandelsorganisation – Die Umweltverbände des Nordens im Konflikt mit den Entwicklungsländern, ZAU 1999, S. 465 ff.
Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel
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Dabei haben viele Umweltprobleme internationalen, wenn nicht gar globalen Charakter4 und lassen sich mit einzelstaatlichen Maßnahmen nicht wirksam bekämpfen. Insbesondere durch die globalisierte Weltwirtschaft berühren die globalen Umweltprobleme und andere Weltsozialprobleme immer wieder auch die einzelnen Staaten, ja sogar die einzelnen Bürger. Alle Akteure müssen sich auf allen Ebenen, von der lokalen, über die nationale und die regionale bis hin zur internationalen, über die Auswirkungen ihres Handelns Gedanken machen. Schon 1992 wurde auf der Konferenz von Rio erkannt, dass internationaler Handel eine wichtige Rolle im Bereich nachhaltiger Entwicklung spielt, andererseits aber auch für die größten Probleme der nachhaltigen Entwicklung verantwortlich ist. Dieser Gegensatz wurde in der Agenda 21 im ersten Kapitel festgehalten.5 Dass Handel und Umweltprobleme eng miteinander verknüpft sind, hat nicht zuletzt eine spezielle Studie der WTO zu diesem Thema gezeigt. Für die Bereiche der chemie-intensiven Landwirtschaft, Entwaldung, globalen Erwärmung, des sauren Regens und der Überfischung wurden die Verbindungen zwischen dem internationalen Handel und den jeweiligen Umweltproblemen nachgewiesen.6 Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Handel für sich genommen weder positiv noch negativ auf die Umwelt einwirkt. Es handele sich nicht um ein Schwarz-Weiß-Verhältnis, sondern um „a shade of grey“.7 Vielmehr erfordere der Wegfall von Grenzen für die Wirtschaft neue Kooperationen unter Regierungen mit Blick auf die Umweltfragen.8 Das zentrale Problem besteht darin, dass vor allem die Entwicklungsländer jeglichem Vorstoß der Industrieländer in die Richtung hin zu mehr Umweltschutz sehr kritisch gegenüberstehen.9 Insbesondere die Verhandlungen im WTO-Ausschuss für Handel und Umwelt belegen dies deutlich.10 Diese Haltung wird zum Teil mit den aus Sicht der Entwicklungsländer unabsehbaren Folgen von Zugeständnissen in diesem Bereich für ihre Exportchancen und mit
4 So schon Dennis Meadows/Donella Meadows/Erich Zahn/Peter Milling, Die Grenzen des Wachstums – Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit (The Limits to Growth), Stuttgart 1. Aufl. 1972, S. 71. 5 Agenda 21, Abschnitt 2.5 ff. 6 Håkan Nordsröm/Scott Vaughan, Trade and Environment – WTO Special Study 4, Genf 1999. 7 Vgl. WTO Dokument PRESS/140, vom 8. Oktober 1999 über Håkan Nordström/ Vaughan Scott, Trade and Environment, Special Study 4, Geneva 1999. 8 Håkan Nordström/Scott Vaughan, Trade and Environment – WTO Special Study 4, Genf 1999, S. 59. 9 Magda Shanin, Trade and environment in the WTO: A review of its initial work and future prospects, S. 2. 10 Vgl. WT/CTE/1.
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der Befürchtung von neuen Handelsbarrieren für Entwicklungsländer begründet.11 Um Fortschritte zu erzielen, müssen Verfahren auf nationaler Ebene und in der WTO verändert werden, so dass sozialen und Umwelterwägungen bei der Ausarbeitung und Anwendung von Handelsregelungen mehr Gewicht zukommen. Eine Möglichkeit wäre die Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder einer Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Impact Assessment (SIA)) auf verschiedenen Ebenen. Dieses hätte multilateral den Vorteil, dass keine Entscheidung allein von den Industrieländern gefällt würde. Außerdem würden durch den Informationsteil der UVP beziehungsweise Sustainability Impact Assessment alle mit der Entscheidung zusammenhängenden Umweltbzw. Nachhaltigkeitsfragen ausführlich erläutert. Unabhängige Stellen und internationale Organisationen wie das UNEP wären berufen, bei der UVP mitzuwirken. Weiterhin würde eine Umweltprüfung bzw. eine Nachhaltigkeitsprüfung auch dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung innerhalb der WTO dienen.12 Dabei könnte die WTO auf Beispiele aus anderen Internationalen Organisationen zurückgreifen. Insbesondere der Stellenwert und der Umfang der UVP bei Projekten der Weltbank13 könnte Anhaltspunkte bieten. Dabei wäre zu untersuchen, in welchem Rahmen die Einführung eines solchen Instruments in der WTO sinnvoll ist. Insbesondere der Trade Policy Review Mechanism (WTO-Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik) könnte hierfür aufgrund ähnlicher Prinzipien für die Prüfung der jeweiligen Handelspolitik geeignet sein. Die Forderung nach einer UVP ist in diesem Rahmen schon erhoben worden.14 Auf nationaler Ebene bieten die neuen Mechanismen der kanadischen Regierung und der US-Regierung interessante Anhaltspunkte, ebenso müssen die Vorschläge der verschiedenen NGOs beachtet werden. Auch das Sustainability Impact Assessment der Europäischen Kommission könnte ein Vorbild für die Festlegung nationaler Verhandlungspositionen sein.15 Die Übertragbarkeit der nationalen Erfahrungen und konkreter Schritte zu einer Verhandlungsumwelt
11 Vgl. Hartmut Röben, BMWi; Welthandel und Umweltschutz – Aktuelle Probleme und Diskussionsstand bei der 23. Jahrestagung der Gesellschaft für Umweltrecht, Berlin 1999. 12 Vgl. die Präambel des WTO-Übereinkommens. 13 Vgl. World Bank Operational Directive bei Philippe Sands, Principles of international environmental law, S. 593. 14 Vgl. Reiner Schmidt/Wolfgang Kahl, Umweltschutz und Handel, in: Hans-Werner Rengeling, Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht Bd. II. Köln/Berlin/Bonn/München S. 1504 m.w. N. 15 Vgl. Europäische Kommission – DG Handel, online http://europa.eu.int/comm/ trade/issues/global/sia/index_en.htm (März 2004).
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oder -nachhaltigkeitsprüfung in der WTO, die verschiedentlich schon angeregt wurde,16 bleibt allerdings zu untersuchen. Den rechtlich verbindlichen Instrumenten sind eigene Kapitel dieser Arbeit gewidmet (Kanada, USA und NAFTA). Ein weiterer Schwerpunkt wird auf das (rechtlich unverbindliche) Instrument der Europäischen Union gelegt. Diese vier Prüfungen waren auch Gegenstand einer Zusammenstellung des WTO-Sekretariates.17
II. Nachhaltige Entwicklung Für den Begriff der nachhaltigen Entwicklung gibt es keine allgemeinverbindliche Rechtsdefinition.18 Die Idee der nachhaltigen Entwicklung,19 stammt aus der Forstwirtschaft und ist schon in den Forstordnungen des 18. Jahrhunderts in Mitteleuropa als rechtliches Prinzip enthalten.20 Danach sollte der Wald so bewirtschaftet werden, dass er im Laufe der Jahrzehnte nachwachsen würde. Schon in seiner forstwirtschaftlichen Verwendung wird deutlich, dass nachhaltige Entwicklung nicht darauf gerichtet ist, wirtschaftliche Aktivität zu verhindern, sondern vielmehr die Aktivität in eine Richtung lenken will, die langfristig oder besser nachhaltig Gewinne für die ökonomischen Akteure und die Umwelt bringen soll. Nachhaltiges Wirtschaften war auch in mittelalterlichen Wasserordnungen rechtlich schon sehr früh verankert. Dort wurde die Aufteilung des Wassers so geregelt, dass eine nachhaltige Landwirtschaft möglich war. Dabei war darauf zu achten, dass nicht zuviel Wasser verwendet wurde und das Wasser zudem gerecht unter den verschiedenen Nutzern aufgeteilt wurde.21
16 Daniel Esty, Greening the GATT, S. 207 ff.; und ausführlicher ders., El reto ambiental de al Organizatción Mundial de Comercio – sugerencia para una reconciliación, Barcelona 2001, S. 252 ff., sowie WWF, The International Experts’ meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation, Full Meeting Report 2000, S. 5. 17 Environmental (Sustainability) Assessments of Trade Liberalization Agreements – Note by the Secretariat, WTO-Dokument WT/CTE/W/171 vom 20.10.2000. 18 Vgl. für das deutsche Recht Peter Sieben, Was bedeutet Nachhaltigkeit als Rechtsbegriff?, NVwZ 2003, S. 1173. 19 Zu den moralischen und ethischen Grundlagen des Konzeptes vgl. James Gustave Speth, The Global Environmental Agenda: Origins and Prospects, in: Daniel C. Esty/Maria H. Ivanova (Hrsg.), Global Environmental Governance, S. 11 m.w. N. 20 Lexikon der Nachhaltigkeit, online: http://www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de (März 2004). 21 Vgl. Christopher G. Weeramantry, Sustainable Development: An Ancient Concept Recently Revived, Global Judges Symposium on Sustainable Development and the Role of Law, Johannesburg, South Africa, 18–20 August 2002, online: http:// www.unep.org/dpdl/symposium/Documents/Country_papers/Weeramantry.doc (März 2004).
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Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel
Regierungen haben ihre Politik oder Gesetze lange Zeit nicht an dem Konzept nachhaltiger Entwicklung ausgerichtet. Auf internationaler Ebene wurde jedoch schon verhältnismäßig frühzeitig versucht, die verschiedenen Prioritäten gegeneinander abzuwägen. So enthielt die 1972 UN Stockholm Declaration on the Human Environment, deren Hauptaugenmerk auf dem Umweltschutz lag, in Abs. 2: „[t]he protection and improvement of the human environment is a major issue which affects the well-being of peoples and economic development throughout the world“.22 Hier wird deutlich, dass schon die Stockholm-Erklärung auch die beiden anderen Säulen nachhaltiger Entwicklung (soziale und ökonomische Aspekte) berührte. Es gab einen deutlichen Interessengegensatz zwischen Entwicklungs- und Industriestaaten,23 da Erstere ihre natürlichen Ressourcen vollständig nutzen wollten und im Wesentlichen wirtschaftliches Wachstum herbeiführen wollten.24 In den Industriestaaten hatte vor allem die Studie von Dennis L. Meadows u. a., „Limits to Growth“, großen Einfluss, insofern als sie eine globale Umweltkatastrophe für den Fall vorhersagte, dass der Raubbau vor allem an Naturschätzen ungehemmt weiterginge. Erst Ende der 80er Jahre kam es zu einem Kompromiss zwischen den Positionen der Entwicklungs- und der Industrieländer. Die World Commission on Environment and Development (WCED oder Brundtland-Kommission) war eine Kommission, die 1983 von der UN-Generalversammlung auf Grundlage von Resolution 38/161 aus Experten und Politikern gebildet wurde. Die Arbeit der International Union for the Conservation of Nature (IUCN), einer internationalen Organisation, der Staaten, Regierungsbehörden und Nichtregierungsorganisationen angehören, inspirierte diese Kommission. Die Brundtland-Kommission hatte ein unabhängiges Mandat und war keiner Regierung unmittelbar verantwortlich. Alle ihre Mitglieder arbeiteten in ihrer persönlichen Kapazität. Die Selbsteinschätzung der Brundtland-Kommission ergab Folgendes: „[t]he Commission has thus been able to address any issues, to solicit any advice, and to formulate and present any proposals and recommendations that it considered pertinent and relevant.“25 Der Brundtland-Bericht wurde in UNEP’s Ministerrat, zwei internationalen Konferenzen und abschließend der Generalversammlung der Vereinten Nationen diskutiert. Dies führte zur Resolution 42/187, in der die Generalversammlung zum Ausdruck brachte, dass nachhaltige Entwicklung „should become a central guiding principle of the United Nations, Governments and private institutions, organizations and enterprises“. „Our Common Future“ – 22 Declaration of the United Nations Conference on The Human Environment, Stockholm 16 June 1972. 23 Vgl. David Hunter/James Salzman/Derwood Zealke, International Environmental Law and Policy, 2. Auflage New York 2001, S. 210. 24 Vgl. 1962 UN General Assembly Resolution 1803 (XVII) of 14 December 1962, „Permanent Sovereignty over Natural Resources“. 25 Vgl. Annex II des Reports.
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das als Brundtland-Bericht bekannt wurde, bildete den intellektuellen Rahmen für die Rio-Konferenz von 1992 (UN Conference on Environment and Development (UNCED)). Trotz der Diskussion in internationalen Gremien hatte der Brundtland-Bericht den Charakter eines Fachdokumentes. Dies war angesichts des Auftrags der Kommission, eine Umweltperspektive für das Jahr 2000 und danach zu erarbeiten, nicht verwunderlich. Im Brundtland-Bericht wurde nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung definiert, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“26 Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung27 war im Anschluss und durch Verbreitung im gesamten System der Vereinten Nationen das Leitmotiv der RioKonferenz 1992. Auf diesem bis dahin größten Weltgipfel, über 140 Staats- und Regierungschefs nahmen an ihm teil, wurden zwei Erklärungen von den Regierungen verabschiedet. Die Rio-Deklaration und die sogenannte Agenda 21.28 Die Agenda 21 ist besonders relevant, da sie als erste internationale Erklärung Aussagen über die Beziehung zwischen internationalem Handel und den umweltpolitischen Säulen nachhaltiger Entwicklung enthält. Im ersten Kapitel „Social and Economic Dimensions – B: Making trade and environment mutually supportive basis for action,“ werden in der Agenda 21 mehrere Vorschläge für die internationale Handelspolitik gemacht. Die Grundlagen werden hier wie folgt zusammengefasst: „Environment and trade policies should be mutually supportive. An open, multilateral trading system makes possible a more efficient allocation and use of resources and thereby contributes to an increase in production and incomes and to lessening demands on the environment. It thus provides additional resources needed for economic growth and development and improved environmental protection. A sound environment, on the other hand, provides the ecological and other resources needed to sustain growth and underpin a continuing expansion of trade. An open, multilateral trading system, supported by the 26 Brundtland-Bericht (World Commission on Environment and Development), Our Common Future, Oxford 1987, S. 8. Siehe auch A. Kiss/D. Shelton, International Environmental Law, New York 1994, S. 248. 27 Andere diskutieren ein Recht auf nachhaltige Entwicklung, vgl. Rudolf Streinz, Auswirkungen des Rechts auf „Sustainable Development“ – Stütze oder Hemmschuh? Ansätze und Perspektiven im nationalen, europäischen und Weltwirtschftsrecht, Verwaltung 1998, S. 449 f. 28 Rio Declaration on Environment and Development, June 14, 1992, U.N.Doc.A/ CONF.151/26/Rev.1 (Vol. I), S. 3–8; auch 31 I.L.M. 874 (1992) und Agenda 21, Report of the UNCED, I (1992) UN Doc. A/CONF.151/26/Rev.1, (1992) 31 I.L.M. 874, para. 39.1. Vgl. ausführlich Nicholas A. Robinson, Agenda 21: Earth’s Action Plan, IUCN Environmental Policy & Law Paper No. 27 (1993).
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adoption of sound environmental policies, would have a positive impact on the environment and contribute to sustainable development.“29 Hieran wird deutlich, dass es bei nachhaltiger Entwicklung gerade nicht darum geht, ökonomische Entwicklung einzudämmen oder gar das Welthandelssystem als solches abzuschaffen, es soll vielmehr Raum für vernünftige Umwelt- und Entwicklungspolitik geschaffen werden. Nach dem Weltgipfel wurde das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in vielen völkerrechtlichen Verträgen,30 wie auch zum Abschluss der Uruguay-Runde in der Präambel des WTO-Übereinkommens, verankert.31 Die Verhandlungen über die Präambel sind nicht sehr gut dokumentiert. Der Begriff „nachhaltige Entwicklung“ hat erst verhältnismäßig spät im Verhandlungsprozess Eingang in den Text des Übereinkommens gefunden und mehrere Nichtregierungsorganisationen machten sich für eine Textänderung stark, so dass die nachhaltige Entwicklung und der Umweltschutz in den WTO-Übereinkommen verankert werden sollten.32 Der folgende Absatz wurde in die Präambel aufgenommen: „[. . .] while allowing for the optimal use of the world’s resources in accordance with the objective of sustainable development, seeking both to protect and preserve the environment and to enhance the means for doing so in a manner consistent with their respective needs and concerns at different levels of economic development, [. . .]“33 (hervorgehoben). Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung wird hier im Zusammenhang mit der optimalen Nutzung der natürlichen Ressourcen genannt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die WTO-Präambel auf der Präambel des GATT 1947 aufbaut und diese überlagert. Dort heißt es: „[. . .] developing the full use of the resources of the world [. . .]“ In den darauf folgenden Ministerkonferenzen wurde auch in den Ministererklärungen34 mit unterschiedlichem Wortlaut auf das Ziel hingewiesen. In der Ministererklärung von Singapore 1996 spielte die Präambel keine wichtige 29
Agenda 21, 2.19. Vgl. Marie-Claire Cordonier Segger/Ashfaq Khalfan, Sustainable Development Law: International Principles, Practices And Prospects, S. 27. 31 Vgl. unten 1. Teil, A. VII. 1. a) (1). 32 Persönliche Diskussion des Autors mit Konrad v. Moltke, der damals als Gründungsdirektor dem Institut für Umweltveränderungen an der Freien Universität Amsterdam vorstand. 33 Preamble of the Marrakesh Agreement Establishing The World Trade Organization, Final Act Embodying the Results of the Uruguay Round of Multialteral Trade Negotiations, April 15, 1994, Legal Instruments – Results of The Urugauy Round Vol. 1 (1994). 34 Diese sind grundsätzlich politische Erklärungen und insofern nur beschränkt rechtsverbindlich. Eine Ausnahme bilden Ministererklärungen zu Beginn von multilateralen Handelsverhandlungen. In dem Fall kommt einer Ministererklärung eine Quasi-Rechtsverbindlichkeit zu, da jede Formulierung ein Verhandlungsmadat enthal30
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Rolle. Eher versteckt in para. 16 unter Handel und Umwelt wurde festgestellt, dass: „Full implementation of the WTO Agreements will make an important contribution to achieving the objectives of sustainable development.“35 Hier erscheint die rechtliche und politische Bedeutung der nachhaltigen Entwicklung auf die ökonomische Säule reduziert zu sein. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der WTO-Verträge kam der nachhaltigen Entwicklung daher keine große Bedeutung zu. Erst in der Ministererklärung von Genf 199836 wurde der Begriff schon am Anfang der Erklärung erwähnt. In para. 4 heißt es: „We shall also continue to improve our efforts towards the objectives of sustained economic growth and sustainable development.“ Hier wurde somit für die WTO zum ersten Mal anerkannt, dass das Ziel nachhaltiger Entwicklung nicht nur für die Ausnutzung natürlicher Ressourcen, sondern für die gesamte Organisation gilt. Eine weitere Fortentwicklung enthält die Ministererklärung von Doha 2001.37 Während der erste öffentliche Entwurf einer Ministererklärung vom 26. September 2001 keinen Hinweis auf eine nachhaltige Entwicklung enthielt, wurde das Ziel nachhaltiger Entwicklung im Entwurf vom 27. Oktober 2001 mit dem Hinweis auf die Präambel des WTO-Übereinkommens unterstrichen.38 Dieser Entwurf wurde während der Verhandlungen in Doha erheblich ausgeweitet. So heißt es jetzt in para. 6, „We strongly reaffirm our commitment to the objective of sustainable development, as stated in the Preamble to the Marrakesh Agreement. We are convinced that the aims of upholding and safeguarding an open and non-discriminatory multilateral trading system, and acting for the protection of the environment and the promotion of sustainable development can and must be mutually supportive. We take note of the efforts by Members to conten kann und in ihr zugleich die Grenzen der multilateralen Verhandlungen verankert sind. 35 Singapore Ministerial Declaration, WTO Dokument WT/MIN(96)/DEC/W, 13. Dezember 1996, abgedruckt 36 I.L.M. 218 (1997). Alle WTO Dokument sind online erhältlich http://docsonline.wto.org (März 2004). 36 Geneva Ministerial Declaration, WTO Document WT/MIN(98)/DEC/1, 25. Mai 1998. 37 Vgl. ausführlich unten D. I. 2. In Cancún wurde die 5. WTO Ministerkonferenz 2003 ohne Abschlusserklärung beendet, vgl. FAZ vom 15. September 2003, S. 1, und WTO Summary Day 5, 14. September 2003, online http://www.wto.org/english/ thewto_e/minist_e/min03_e/min03_14sept_e.htm (März 2004). 38 „We strongly reaffirm our commitment to the objective of sustainable development, as stated in the Preamble to the Marrakesh Agreement. We are convinced that the aims of upholding and safeguarding an open and non-discriminatory multilateral trading system, and acting for the protection of the environment and the promotion of sustainable development can and must be mutually supportive. We recognize the right of Members under WTO rules to take measures to uphold and enforce the levels of health, safety and environmental protection they deem appropriate. We agree to ensure that measures taken to address such concerns shall not be used for protectionist purposes.“, vgl. Draft Doha WTO Ministerial Declarations, online http://www.ictsd.org/ ministerial/doha/relevantdoc.htm (März 2004).
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duct national environmental assessments of trade policies on a voluntary basis. We recognize that under WTO rules, no country should be prevented from taking measures for the protection of human, animal or plant life or health, or of the environment at the levels it considers appropriate, subject to the requirement that they are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international trade, and are otherwise in accordance with the provisions of the WTO Agreements. We welcome the WTO’s continued cooperation with UNEP and other inter-governmental environmental organizations. We encourage efforts to promote cooperation between the WTO and relevant international environmental and developmental organizations, especially in the lead-up to the World Summit on Sustainable Development to be held in Johannesburg, South Africa, in September 2002.“39 Zum ersten Mal wurde in einer Ministererklärung ausdrücklich auf andere Internationale Organisationen und internationale Verhandlungen Bezug genommen. Der Weltnachhaltigkeitsgipfel in Johannesburg 2002 (World Summit on Sustainable Development (WSSD)) hat wie schon die Konferenz von Rio zehn Jahre zuvor zwei Erklärungen verabschiedet. Die Johannesburg Declaration on Sustainable Development und der Johannesburg Plan of Implementation.40 Beide Dokumente betonen die drei Säulen nachhaltiger Entwicklung und deren Bedeutung für „building a humane, equitable and caring global society cognizant of the need for human dignity for all.“ Der Plan of Implementation, abgesehen von der inhaltlich nur eingeschränkten Weiterentwicklung der Agenda 21, versucht Wege aufzuzeigen, wie eine nachhaltige Entwicklung gesichert werden kann. Interessant ist in diesem Dokument der Abschnitt über nachhaltige Entwicklung in Zeiten der Globalisierung (Sustainable development in a globalizing world). Dort heißt es in para. 47: „Globalization offers opportunities and challenges for sustainable development. We recognize that globalization and interdependence are offering new opportunities for trade, investment and capital flows and advances in technology, including information technology, for the growth of the world economy, development and the improvement of living standards around the world. At the same time, there remain serious challenges, including serious financial crises, insecurity, poverty, exclusion and inequality within and among societies. The developing countries and countries with economies in transition face special difficulties in responding to those challenges and opportunities.“ Im Anschluss enthält der Plan of Implementation Hinweise, wie 39 Ministerial Declaration, Ministerial Conference – Fourth Session, Doha, 9–14. November 2001, WTO Document WT/MIN(01)/DEC/W/1, 14 November 2001. 40 United Nations World Summit on Sustainable Development, Johannesburg Declaration on Sustainable Development and Johannesburg Plan of Implementation, in: Report of the World Summit on Sustainable Development, Johannesburg, South Africa, August 26 to September 4, 2002, A/CONF.199/L.1, auch online, http://www.johannes burgsummit.org/html/documents/summit_docs.html (März 2004).
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die Probleme überwunden und dennoch die Vorteile der Globalisierung genutzt werden können. Dabei wird vor allem auf die Möglichkeiten in den Verhandlungen in der Dohaentwicklungsrunde hingewiesen. Abschließend kann festgestellt werden, dass das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen und Erklärungen verankert worden ist und sich ein rechtlicher Bedeutungskern zu entwickeln beginnt.41 Dieser beinhaltet vor allem den Ausgleich zwischen den drei Säulen nachhaltiger Entwicklung. Die International Law Association hat dies zum Anlass genommen, die Rechtsprinzipen des Internationalen Rechts der nachhaltigen Entwicklung herauszuarbeiten, in der New Delhi Declaration of Principles of International Law Relating to Sustainable Development.42 Die ILA hat sieben Rechtsprinzipien herausgearbeitet, die für alle drei Säulen nachhaltiger Entwicklung gleichermaßen relevant sind. Eines dieser Prinzipen, das Vorsorgeprinzip, soll im Folgenden näher untersucht werden.
III. Gang der Untersuchung Nach Begriffserläuterungen soll zunächst das Vorsorgeprinzip näher untersucht werden. Es wird die Vorsorge durch Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen erläutert und dabei die Entwicklung von der Umweltverträglichkeitsprüfung bis zur integrierten Nachhaltigkeitsprüfung aufgezeigt. Weiterhin soll ergründet werden, welchen Stellenwert das Vorsorgeprinzip im Welthandelsrecht einnimmt, da es die Basis einer jeden multilateralen Verankerung der Vorsorge im Sinne der Nachhaltigkeit durch Verfahren bildet. Anschließend werden kurz weitere Prinzipien des Welthandels, die für eine Nachhaltigkeitsprüfung von Bedeutung sind, erörtert. Sodann werden einzelne rechtlich bindende nationale Instrumente dargestellt und ausgewertet. Hiernach werden freiwillige Initiativen und Maßnahmen internationaler Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) erläutert, um schließlich die Übertragbarkeit auf die WTO zu prüfen. Ein Vorschlag für eine umfassende Regelung für die Verankerung der Nachhaltigkeit durch Verfahren schließt sich an.
41 Ausführlich hierzu Marie-Claire Cordonier Segger/Ashfaq Khalfan, Sustainable Development Law: International Principles, Practices And Prospects, S. 26 ff. 42 International Law Association, 2002 New Delhi Declaration on Principles of International Law Relating to Sustainable Development. Vgl. ILA Resolution 3/2002: New Delhi Declaration Of Principles Of International Law Relating to Sustainable Development, in ILA, Report of the Seventieth Conference, New Delhi (London: ILA, 2002). Im Internet: http://www.ila-hq.org. Vgl. ILA „New Delhi Declaration of Principles of International Law Relating to Sustainable Development“ International Environmental Agreements: Politics, Law and Economics Vol. 2, Nr. 2 2002, S. 209, online: http://www.kluweronline.com/issn/1567-9764/current (März 2004).
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Dabei wird zwischen der Verhandlung neuer Regelungen und der laufenden Überprüfung der Handelspolitik einzelner Staaten unterschieden. Für letztere wird der TPRM untersucht und die Ergänzung um Nachhaltigkeitsgesichtspunkte erörtert.
IV. Begriffsverständnis – Verschiedene Begriffe für das gleiche rechtliche Instrument Das wesentliche Begriffsproblem besteht in der Bezeichnung „Umweltverträglichkeitsprüfung“. Sprachlich erscheint die Übersetzung des Environmental Impact Assessment (EIA) mit Umweltverträglichkeitsprüfung missglückt.43 Das liegt vor allem daran, dass der Begriffsteil „Verträglichkeit“ den Eindruck erweckt, es sei immer möglich, zuverlässige Aussagen darüber zu treffen, ob eine Maßnahme sich verträglich oder unverträglich auswirke.44 Dies ist jedoch nicht der Fall und soll auch durch ein environmental assessment in der Regel nicht erreicht werden. Die wesentliche Aufgabe muss in der Verdeutlichung der Umweltbelange für den beziehungsweise die Entscheidungsträger gesehen werden. Durch die Umsetzung der UVP-Richtline45 kann aber von einem vereinheitlichten Begriff ausgegangen werden. An diesem Begriffsverständnis, das von den offiziellen Stellen der EU geteilt wird, orientiert sich auch diese Arbeit. Als Weiterentwicklung kann die Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme46 (SUP-RL) betrachtet werden. Sie ordnet ein Strategic Environmental Assessment (SEA) für verschiedene öffentliche Planungen an.47 Die deutsche Übersetzung verwendet den Begriff „strategische Umweltprüfung“. Dabei wird die Umweltprüfung definiert als „die Ausarbeitung eines Umweltberichts, die Durchführung von Konsultationen, die Berücksichtigung des Umweltberichts und der Ergebnisse der Konsultationen bei der Entscheidungsfindung und die Unterrichtung über die Entscheidung“ (Art. 2 lit. b) SUP-RL). 43 Wilfried Erbguth/Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Kommentar, Einl. Rn. 24. 44 Vgl. Jürgen Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung, S. 3 ff. 45 Richtlinie des Rates vom 27.6.1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG), ABl. EG Nr. L 175 S. 40. 46 Richtline des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.6.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (2001/42/EG), ABl. EG Nr. L 197, S. 30. 47 Dabei werden unterschiedlichste Bereiche erfasst, beispielsweise Landwirtschaft, Energie, Industrie, Verkehr, Fremdenverkehr, Raumordnung oder Bodennutzung (Art. 3 SUP-RL). Dabei überlässt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, den genauen Anwendungsbereich festzulegen.
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Die Umweltprüfung (Environmental Review) von Welthandelsregelungen geht auf die Initiative der USA zurück.48 Da die Durchsetzung eines environmental impact assessment vor den amerikanischen Gerichten scheiterte, wollte die Regierung mit dieser neuen Begrifflichkeit vor allem auf die Unverbindlichkeit der Prüfung hinweisen. Das Verfahren ist sehr deutlich an das environmental impact assessment angelehnt, allerdings fehlt die Einklagbarkeit. Die Begriffe werden international noch nicht einheitlich gebraucht. In der Doha-Ministererklärung49 werden Umweltprüfungen an zwei Stellen mit zwei unterschiedlichen Begriffen erwähnt. Ihre Bedeutung ist jedoch jeweils die gleiche. In der Präamble wird in Abs. 6 der Hinweis gegeben: „We take note of the efforts by Members to conduct national environmental assessments of trade policies on a voluntary basis.“ In Abs. 33 der Doha-Ministererklärung heißt es demgegenüber: „We also encourage that expertise and experience be shared with Members wishing to perform environmental reviews at the national level.“ Noch existieren damit unterschiedliche Begriffe, die jedoch vom Ansatz her das gleiche Rechtsinstitut beschreiben. Erschwerend kommt hinzu, dass inhaltlich gleiche Begriffe einzelne ganz unterschiedliche Methoden der Verankerung der Vorsorge durch Verfahrensvorschriften beschreiben. Sie dürfen trotz gleicher Begrifflichkeiten nicht miteinander verwechselt werden, da sie sich in einzelnen Bereichen, wenn auch nicht in ihren Grundzügen, erheblich unterscheiden. Das bedeutet, dass im vorliegenden Bereich nicht nur Begriffsprobleme, sondern vor allem unterschiedliche inhaltliche Ansätze existieren, die allerdings gemeinsame Elemente und Grundlinien aufweisen. Ein zweites Problem ergibt sich im Zusammenhang mit dem Begriff nachhaltiger Entwicklung (sustainable development).50 Es werden als deutsche Übersetzung neben nachhaltiger Entwicklung auch die Begriffe Zukunftsfähigkeit oder Nachhaltigkeit vorgeschlagen. Das Problem bei der Übersetzung mit „Zukunftsfähigkeit“ besteht darin, dass ihm kein Wertmaßstab zu entnehmen ist. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ impliziert demgegenüber, dass die zukünftige Entwicklung sich daran orientiert, was die Umwelt verkraften kann, ohne den Menschen in seiner Entwicklung einzuschränken. Auch in Bezug auf die Verankerung nachhaltiger Entwicklung auf internationaler Ebene erscheint die Übersetzung mit Nachhaltigkeit oder nachhaltiger Entwicklung angemessen.51 48
Siehe unten. Ministerial Conference Fourth Session Doha, 9–14 November 2001, Ministerial Declaration WT/MIN(01)/DEC/W/1 vom 14. November 2001. 50 Zur Geschichte und Bedeutung, vgl. unten unter 1. Teil, A. II. 51 So auch Bundesregierung, Perspektiven für Deutschland – Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, S. 5, online http://www.bundesregierung.de/Anlage 585668/pdf_datei.pdf (März 2004). 49
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In der Diskussion ist als Verfahrensverankerung für mehr Nachhaltigkeit das sogenannte sustainability impact assessment. Dieses wird hier folglich als Nachhaltigkeitsprüfung übersetzt. Einen ähnlichen Ansatz schlägt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen, das United Nations Environmental Programme (UNEP) vor. In einer Zusammenstellung über Methoden der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung von Handelsregelungen wird der Begriff integrierte Nachhaltigkeitsprüfung (integrated assessement) eingeführt.52 UNEP schlägt als Definition vor: „An integrated assessment considers the economic, environmental and social effects of trade measures, the linkages between these effects, and aims to build upon this analysis by identifying ways in which the negative consequences can be avoided or mitigated, and ways in which positive effects can be enhanced.“ Das Problem an dieser Definition ist, dass vom Ansatz her solche Mechanismen, die nicht darauf gerichtet sind, konkrete Empfehlungen für die Handelspolitik auszusprechen, sondern nur die Auswirkungen untersuchen, von ihr ausgeschlossen sind. Je weiter entwickelt das Instrument ist, desto eher werden hierdurch auch konkrete Empfehlungen an die Politik oder den Gesetzgeber ausgesprochen. Jedoch sollte ein Mechanismus, der lediglich die möglichen Konsequenzen aufzeigt, auch als integrierte Nachhaltigkeitsprüfung gelten können.
V. Umweltprüfung eines handelsrechtlichen Vertrages am Beispiel des US-Chile Freihandelsabkommens Während das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung mit seinem Prüfung- und Konsultationsprozess inzwischen weit verbreitet ist, dürfte die Umweltprüfung von Handelsverträgen weniger bekannt sein. Ohne auf die rechtlichen Einzelheiten einzugehen, soll hier kurz der tatsächliche Ablauf einer Umweltprüfung vorgestellt werden. Das US-Chile-Freihandelsabkommen wurde gewählt, weil die Verhandlungen im Wesentlichen erst nach Inkrafttreten der relevanten Rechtsvorschrift für Umweltprüfungen in den USA begonnen wurden und es das zweite Abkommen ist, das nach einer vollständigen Umweltprüfung in Kraft getreten ist. Während der 90er Jahre gab es immer wieder Sondierungsgespräche zwischen der US- und der chilenischen Regierung. Erst nach einem Treffen der Präsidenten beider Länder im November 2000 wurde die Aufnahme formeller Verhandlungen vereinbart. Bei der Ankündigung wurde das Ziel bekanntgegeben, ein Freihandelsabkommen zu schließen, das sämtliche Bereiche wirtschaft52 UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, Genf 2001, online: http://www.unep.ch/etu/etp/acts/manpols/refmania_final.pdf (März 2004).
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licher Beziehungen zwischen beiden Staaten abdecken sollte. Die Verhandlungen wurden offiziell im Dezember 2000 aufgenommen. Am 14. Dezember 2000 forderte das Büro des Ständigen Handelsbeauftragten53 (USTR) zu öffentlichen Stellungnahmen über den Umfang einer Umweltprüfung der anstehenden Handelsverhandlungen auf. Dabei wurde insbesondere um Informationen darüber gebeten, welche Umweltauswirkungen das vorgeschlagene Freihandelsabkommen haben könnte und mit welchen möglichen Auswirkungen es auf Umweltgesetze und -regelungen verbunden wäre.54 Daraufhin erhielt das Büro des USTR 130 Stellungnahmen, von denen 39 umweltrelevante Informationen enthielten.55 Diese Kommentare wurden zusammen mit den Stellungnahmen von Regierungsstellen (insbesondere der Umweltbehörden) von einem sogenannten Trade Policy Staff Committee begutachtet und einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf Direktorenebene zur Entscheidung vorgelegt.56 Dabei wurde zunächst der Umfang der Untersuchung festgelegt. Neben den möglichen ökonomischen Auswirkungen wurden vor allem sektorielle und grenzüberschreitende Aspekte untersucht. Bei den sektoriellen ging es beispielweise um den Bereich der US-Landwirtschaft und die Auswirkungen auf Umwelttechnologien. Bei den grenzüberschreitenden Bereichen um Pestizide und den Artenschutz. Schon in der Erarbeitungsphase des Entwurfs eines Umweltprüfungsberichtes (Draft Environmental Review) war das US-Verhandlungsteam in Diskussionen über Umweltauswirkungen eingebunden.57 Am 7. November 2001 wurde der Entwurf des Umweltprüfungsberichts zum US-Chile-Freihandelsabkommen veröffentlicht.58 Darin forderte der USTR die Öffentlichkeit wiederum zu Stellungnahmen auf, die der Erarbeitung der USVerhandlungsposition in verschiedenen umweltrelevanten Bereichen dienen sollten. Um die Öffentlichkeit einzubinden, verzögerte die US-Regierung das Vorlegen der Verhandlungsposition gegenüber Chile beim Umweltabschnitt und beim Investititionskapitel.59 Dies geschah auch deshalb, weil in der Zwischenzeit der US Trade Act of 2002 verabschiedet worden war, der insbesondere für die Beziehung zwischen Handel und Umwelt wichtige Zielbeschreibungen für 53
Ausführlich siehe unten Teil 2, A. II. Offizielle Bekanntmachung im 65 Fed. Reg. 78077, December 14, 2000. 55 Vgl. USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Wednesday, November 7, 2001, 66 FR 56366-02, 2001 und online http:// www.ustr.gov/environment/draftchileer.pdf, (März 2004) S. 6. 56 Einzelheiten unten unter Teil 2, A. II. 57 Vgl. USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Wednesday, November 7, 2001, 66 FR 56366-02, 2001 und online http:// www.ustr.gov/environment/draftchileer.pdf, (März 2004) S. 6. 58 66 Fed. Reg. 56, 366. 59 USTR, Final Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Juni 2003, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/chile-environment. pdf, S. 5. 54
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Einleitung: Auf neuen Wegen zu nachhaltigem Handel
Handelsverhandlungen enthält.60 Durch die Umweltprüfung wurden insbesondere das Umwelt- und das Investitionskapitel des Freihandelsübereinkommens verändert. Dies ist als Ergebis nach Abschluss der Verhandlungen im Final Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement festgehalten und dem Kongress mit anderen relevanten Dokumenten für den Ratifikationsprozess übergeben worden.61 Im Dezember 2002 waren die Verhandlungen abgeschlossen. Am 6. Juni 2003 wurde das Freihandelsabkommen unterzeichnet und am 23. Juli 2003 vom Kongress gebilligt. Am 1. Januar 2004 ist das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Chile in Kraft getreten.62 Die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im praktischen Ablauf zwischen einer Umweltprüfung eines Handelsübereinkommens und einer herkömmlichen Projekt-Umweltverträglichkeitsprüfung sollen Gegenstand dieser Untersuchung sein.
60 So werden als Handelsverhandlungsziele festgelegt: „to ensure that trade and environmental policies are mutually supportive and to seek to protect and preserve the environment and enhance the international means of doing so, while optimizing the use of the world’s resources (Section 2102(a)(5)); and to seek provisions in trade agreements under which parties to those agreements strive to ensure that they do not weaken or reduce the protections afforded in domestic environmental and labor laws as an encouragement for trade (Section 2102(a)(7)).“ 61 Vgl. USTR, Final Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Juni 2003, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/chile-environment. pdf (März 2004), S. 4. 62 Vgl. USTR http://www.ustr.gov/new/fta/chile.htm (März 2004).
1. Teil
Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren – Element des Vorsorgeprinzips im Welthandel I. Inhalt des Vorsorgeprinzips 1. Das Vorsorgeprinzip im nationalen und Europarecht Ganz allgemein besagt das Vorsorgeprinzip, dass der Vorsorge im Umweltbereich mehr Gewicht zukommen soll als dem nachträglichen Versuch der Wiederherstellung von Natur und Umwelt. Es ist von besonderer Bedeutung, weil sich die Wiederherstellung im Umweltbereich als besonders schwierig und so gut wie nicht durchführbar erwiesen hat. Daher sollen Umweltschäden möglichst von vornherein gar nicht erst entstehen. Im Einzelnen ist der Inhalt des Vorsorgeprinzips jedoch nach wie vor umstritten. Der Vorsorgegedanke ist ein Leitbild der Umweltpolitik wie auch ein Prinzip des Umweltrechts.1 Politische Leitidee und Rechtsprinzip liegen auf verschiedenen Ebenen. Sie sind an unterschiedliche Voraussetzungen gebunden und bedienen sich unterschiedlicher Instrumente. So vollzieht sich die Vorsorge als Handlungsmaxime der Umweltpolitik keineswegs nur mit den Mitteln des Rechts. Maßnahmen der Struktur-, Finanz- und Agrarpolitik treten im Interesse der Zielerreichung flankierend hinzu. Als Rechtsprinzip strukturiert der Vorsorgegedanke im Umfang seines Geltungsanspruchs die Rechtsanwendung und -fortbildung und vermag damit auch einen Beitrag zur inneren Harmonisierung und Konkretisierung des Umweltrechts leisten.2 Das Prinzip hat weite Verbreitung gefunden und wurde in Art. 130 r EGV (a. F.) erstmals kodifiziert.3 Es wird zum Teil als das zentrale materielle Leitbild des modernen Umweltschutzes betrachtet.4 Das Vorsorgeprinzip soll den 1
Bernd Bender/Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel, Kap. 1 Rn. 69. Wolfgang Appold in: Hoppe UVPG § 1 Rn. 12. 3 Breier/Vygen, Art. 130 r Rn. 10; Martin Nettesheim in: Grabitz/Hilf, Art. 130 r Rn. 31; Hans-Werner Rengeling, Umweltvorsorge, S. 24. 4 Werner Hoppe/Martin Beckmann/Petra Kauch, § 1 Rn. 127 m.w. N. 2
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Menschen vor Umweltgefahren und Umweltqualitätsverlusten, desgleichen aber auch den entsprechenden Schutz der Umweltgüter vor dem Menschen bezwecken.5 In der deutschen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Vorsorgeprinzip ein Offenhalten von Optionen beinhaltet.6 Das Vorsorgeprinzip ist aber nicht nur für den engen Umweltbereich anwendbar, sondern geht insbesondere im Gesundheitsbereich über den reinen Umweltschutz hinaus.7 Vor allem die Gesundheitsvorsorge im Lebensmittelrecht fügt dem Prinzip somit auch eine soziale Komponente hinzu, was das Vorsorgeprinzip zu einem Rechtsprinzip nachhaltiger Entwicklung macht.8 2. Das Vorsorgeprinzip im internationalen Recht Bei der Diskussion um das Vorsorgeprinzip im internationalen Recht9 müssen zwei Fragen voneinander getrennt werden. Einerseits ist die Geltung des Vorsorgeprinzips im internationalen Recht umstritten. Andererseits wird der Inhalt des Vorsorgeprinzips diskutiert. Der Ausgangspunkt für den Inhalt und die Geltung des Vorsorgeprinzips im internationalen Recht wird vom 15. Prinzip der Rio-Deklaration widergespiegelt. „In order to protect the environment, the precautionary approach should be widely applied by states to their capabilities. Where there are threats of serious or irreversible damages, lack of full scientificity shall not be used as a reason of postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“10 Obwohl es sich in der Rio-Deklaration der Überschriften nach um Prinzipien handelt, wird hier nur der Vorsorgeansatz (precautionary approach) geregelt. Schon in der Rio-Deklaration wird somit ein Gegensatz deutlich, der sich in den kommenden Jahren und bei Verhandlungen zu mehreren völkerrechtlichen Verträgen noch verstärken sollte.
5
Bernd Bender/Reinhard Sparwasser/Rüdiger Engel, Kap. 1 Rn. 69. BVerwGE 69, 37, 43. 7 Vgl. Hans Werner Rengeling, Bedeutung und Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips im europäischen Umweltrecht, DVBl. 2000, S. 1473 ff. 8 So auch Marie-Claire Cordonier Segger/Ashfaq Khalfan, Sustainable Development Law: Principles, Practices and Prospects, Oxford 2004; ILA, Report of the SixtyNinth Conference, London 2000, S. 678, und UNCSD, Report of the Expert Group Meeting on Identification of Principles of International Law for Sustainable Development, Genf, 26–28 September 1995, und Marie-Claire Cordonier Segger/Markus Gehring, Precaution in International Sustainable Development Law – A CISDL Legal Brief for the 2002 World Summit for Sustainable Development ECE Region Ministerial Preparatory Committee Meeting Geneva, September 24–25, 2001. 9 Einen Überblick geben Arie Trouwborst, Evolution and Status of the Precautionary Principle in International Law (2002) und grundlegend Nicolas de Sadeleer, Les principes du pollueur-payeur, de prevention et de precaution (1999). 10 UN Dok. A/CONF. 151/5. 6
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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Die Europäischen Staaten, angeführt von der Europäischen Union, setzten sich sehr für das Vorsorgeprinzip ein.11 Demgegenüber beharrten die USA, bisweilen unterstützt von Kanada, strikt auf der Erwähnung eines Vorsorgeansatzes. Der Hintergrund für die gegensätzlichen Auffassungen bildete die Sorge der US-Regierung, durch die internationale Anerkennung des Vorsorgeprinzips rechtlich gebunden zu werden und so im nationalen Recht Veränderungen, vor allem durch Gerichtsentscheidungen, herbeizuführen. Die EU-Mitgliedstaaten auf der anderen Seite sind und waren durch einen der Gründungsverträge auf das Vorsorgeprinzip festgelegt: Art. 174 Abs. 2 EGV (130r Abs. 2 EGV a. F.) bestimmt, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung beruht. Daneben gilt das Vorsorgeprinzip als nationales Leitprinzip in zahlreichen Mitgliedstaaten.12 Materiell-rechtlich fallen die Unterschiede über das Verständnis des Vorsorgeprinzips kaum ins Gewicht. Geht man mit der engsten Auffassung nur von der Lesart des Vorsorgeprinzips in der Rio-Deklaration aus, so soll der Mangel an wissenschaftlicher Erkenntnis nicht dazu dienen, Maßnahmen zum Schutz vor Umweltzerstörung zu unterlassen. Diese Formulierung deutet auf einen zweifachen Inhalt des Vorsorgeprinzips hin. Daher ist es richtig, wenn bildlich von zwei Gesichtern des Vorsorgeprinzips gesprochen wird.13 Das Vorsorgeprinzip beinhaltet einen Verfahrensanteil, indem es zeigt, wie und in welchem Verfahren im Falle von wissenschaftlicher Unsicherheit vorzugehen ist. Es hat aber auch einen materiell-rechtlichen Teil, indem eine Wertung vorgeben wird, sich im Zweifel für den Schutz vor Umweltzerstörung zu entscheiden. Im weiteren Verlauf soll gezeigt werden, dass häufig dieser materielle Teil des Vorsorgeprinzips auf Widerspruch, ja Widerstand bei internationalen Akteuren stößt, während über den Verfahrensanteil vielfach nicht gestritten wird. Betrachtet man wiederum den Streit zwischen Prinzip und Ansatz, so wird von Letzterem zumindest der Verfahrensteil umfasst. Demgegenüber ist das Prinzip umfassender. Somit ergibt sich ein materiell-rechtlicher Teil, der „legal rules and flexible, but traditional interpretation of scientific uncertainty“ enthält.14 Während der hier im Vordergrund stehende Verfahrensteil, „the legal process struggles to encompass highly complex themes that are both interactive and 11 Vgl. Verhandlungen zur POP-Konvention, online: http://www.pops.int/docu ments/meetings (März 2004). 12 Vgl. Mitteilung der Kommission, Die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM (2000) (1) vom 2.2.2000. 13 Tim O’Riordan/James Cameron/Andrew Jordan, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 296. 14 Tim O’Riordan/James Cameron/Andrew Jordan, Andrew, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 296.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
indeterminate. For such issues to be handled, a more trust-building and participatory approach will be necessary.“15 Eine ähnliche Inhaltsbeschreibung wie die hier gewählte enthält auch der jüngste Vorschlag der International Law Association (ILA) in der New Delhi Declaration of Principles of International Law Relating to Sustainable Development.16 Schon an der Überschrift „The principle of the precautionary approach to human health, natural resources and ecosystems“ des 4. Prinzips zeigt sich der Kompromisscharakter der Formulierung. Der erste Absatz der Prinzipien umschreibt eher den materiellen Inhalt des Vorsorgeprinzips.17 Im Absatz 2 wird vor allem die Verfahrensseite betont: „Sustainable development requires that a precautionary approach with regard to human health, environmental protection and sustainable utilization of natural resources should include accountability for harm caused (including, where appropriate, State responsibility), planning based on clear criteria and well-defined goals, consideration of all possible means in an environmental impact assessment to achieve an objective (including, in certain instances, not proceeding with an envisaged activity) and, in respect of activities which may cause serious long-term or irreversible harm, establishing an appropriate burden of proof on the person or persons carrying out (or intending to carry out) the activity.“ Der Hinweis auf die Umweltverträglichkeitsprüfung im Zusammenhang mit Vorsorge ist auf der internationalen Ebene neu und belegt, dass es sich hierbei um eine Verfahrensfrage handelt. Im Rahmen des WSSD wurden sowohl der Inhalt als auch die Geltung des Vorsorgeprinzips lebhaft diskutiert. Während keine Einigung auf eine neue Formulierung erreicht werden konnte, kam im Plan of Implementation ein neues anwendungsorientiertes Verständnis des Vorsorgeprinzips zum Ausdruck.18 So wurde beispielsweise im Zusammenhang mit Management von gefährlichen Chemikalien auf UVPs, die auf dem Vorsorgeprinzip beruhen sollen, verwiesen.19
15 Tim O’Riordan/James Cameron/Andrew Jordan, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 296. 16 ILA Resolution 3/2002, New Delhi Declaration of Principles of International Law Relating to Sustainable Development. 17 Prinzip 4.1 „A precautionary approach is central to sustainable development in that it commits States, international organizations and the civil society, particularly the scientific and business communities, to avoid human activity which may cause significant harm to human health, natural resources or ecosystems, including in the face of scientific uncertainty.“ 18 Cordonier Segger/Khalfan/Gehring/Toering, Prospects for Principles of International Sustainable Development Law after the WSSD: Common but Differentiated Responsibilities, Precaution and Participation, RECIEL 2003, S. 54–55.
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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II. Verhältnis zum Schutzprinzip Die im deutschen und europäischen Umweltrecht enthaltene Unterscheidung von Vorsorge und Schutz ist im Einzelnen nicht immer leicht vorzunehmen. Das Schutzprinzip oder auch Gefahrenabwehrprinzip zielt auf die Abwehr von Gefahren im engeren Sinne.20 Demgegenüber setzt die Vorsorge schon im Vorfeld der eigentlichen Gefährdung für die Umwelt ein und soll vorausschauend eine solche Gefährdung verhindern. Es greift also, wenn eine Gefahrenqualität durch ein Risiko noch nicht erreicht wurde. Die genaue Abgrenzung ist nicht sehr einfach. In der internationalen Diskussion scheint die Erkenntnis sich langsam durchzusetzen, dass bei genauer Kenntnis der Gefahr und möglichen Schädigung eher das Schutzprinzip als das Vorsorgeprinzip eingreift.21 Die Diskussion über das Verhältnis des Vorsorgeprinzips zum Schutzprinzip hat auf internationaler Ebene erst begonnen und wird mit zunehmender Verrechtlichung der Beziehungen wohl noch zunehmen. Das Schutzprinzip ist seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gewohnheitsrechtlich anerkannt.22 Der völkergewohnheitsrechtliche neminem laedere-Grundsatz wurde international erstmals von einem internationalen Schiedsgericht im Fall Trail-Smelter zwischen den USA und Kanada für Recht erkannt.23 Danach durfte Kanada eine Fabrik nicht bauen, weil sonst grenzüberschreitend US-Farmer beeinträchtigt worden wären. Soweit es um echte Gefahrenabwehr von Umweltgefahren geht, sieht das Völkerrecht im neminem-laedere-Grundatz eine rechtliche Anspruchsgrundlage vor. Der Bereich vor dem Eingreifen des Schutzgrundsatzes muss daher wohl, ebenso wie im nationalen Recht, dem Vorsorgeprinzip zugeschlagen werden. Dabei sollte auch das Verhältnis von bekannten und bisher unbekannten Kausalzusammenhängen nicht außer Acht gelassen werden. Bei bekannten Kausalzusammenhängen ist eher das ältere Schutzprinzip einschlägig und bei solchen Gefahren können sich Staaten daher auf das Völkergewohnheitsrecht stützen. Bei unbekannten Kausalzusammenhängen scheint demgegenüber eher das gewohnheitsrechtlich umstrittenere Vorsorgeprinzip einzugreifen. Für die vorliegende Untersuchung ist vor allem der letztere Bereich wichtig. Natürlich kann es bei der Auswirkung von Handelsliberalisierung auch Situationen geben, in denen die Kausalzusammenhänge feststehen, üblicherweise wird aber ein gewisser Unsicherheitsfaktor sowohl in der wirtschaftlichen Auswirkung der Liberali19 Report of the World Summit on Sustainable Development Johannesburg, South Africa, 26 August–4 September 2002, Plan of Implementation of the World Summit on Sustainable Development A/CONF.199/20, para. 22. 20 Vgl. Bender/Sparwasser/Engel, Rn. 67 ff. 21 Für den Hinweis ist der Autor Herrn Prof. Thomas Bruha sehr dankbar. 22 Philippe Sands, Principles of international environmental law, S. 194. 23 United States vs. Canada, Arbitral Tribunal, Montreal, 16 April 1938 and 11 March 1941; United Nations Reports of International Arbitral Awards 3 (1947) 1905; American Journal of International Law 33 (1939), S. 182, und 35 (1941) 716.
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sierungsregelung als bei den dadurch bewirkten Umwelt- oder gar sozialen Auswirkungen vorhanden sein. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass wenn Staaten eine Umweltgefahr aufgrund bekannter Kausalzusammenhänge durch einen Liberalisierungschritt erkannt haben, sie gewohnheitsrechtlich aufgrund des Schutzprinzips zur Gefahrenabwehr verpflichtet sein können.
III. UVP als eigenes Prinzip? In dieser Untersuchung sollen vor allem Verfahrensinstrumente, wie die UVP oder das Sustainablity Impact Assessment, näher beleuchtet werden. Fraglich ist, ob wegen der weltweiten Verbreitung und ihrer grenzüberschreitenden Anwendung heutzutage UVPs als eigenes internationales Rechtsinstitut oder gar als eigenständiges Prinzip gelten müssen. Die Rio-Deklaration scheint mit den zwei unterschiedlichen Prinzipien – Prinzip 15 über Vorsorge und 17 über UVPs – in diese Richtung zu deuten.24 UVPs zeichnen sich durch eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten aus, allerdings dürfen die zum Teil erheblich unterschiedlichen Verfahrensverankerungen nicht unbeachtet bleiben.25 Ein eigenes Prinzip scheint daher auf wenige Verfahrensgrundsätze hinauszulaufen, deren Charakter sich wohl nicht wesentlich von dem Vorsorgeprinzip unterscheidet. In seinem abweichenden Sondervotum zur Überprüfung des Nukleartestfalls (Neuseeland gegen Frankreich) beschrieb IGH-Richter Weeramantry die Pflicht zur Durchführung einer UVP, wenn schwere Umweltschädigungen drohen, als eigenständiges Prinzip, das jedoch „ancillary“ (Hilfs-, ergänzend oder untergeordnet) zum Vorsorgeprinzip sei.26 Aus dieser Wortwahl kann man schließen, dass Weeramantry nicht von einem eigenständigen UVP-Prinzip ausging, sondern von einem abgeleiteten Unter-, Neben- oder Hilfsprinzip. Ein eigenständiges Prinzip könnte zudem nicht die grundsätzliche Ausrichtung einer UVP, nämlich die vorsorgliche Beachtung und damit letztlich Sicherung der Umweltbelange, erklären. Daher sollen UVPs und ähnliche Verfahrensinstrumente in der Folge nicht als eigenständiges völkerrechtliches Prinzip behandelt werden.
24 Prinzip 15: „In order to protect the environment, the precautionary approach shall be widely applied by States according to their capabilities. Where there are threats of serious or irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation.“ und Prinzip 17: „Environmental impact assessment, as a national instrument, shall be undertaken for proposed activities that are likely to have a significant adverse impact on the environment and are subject to a decision of a competent national authority.“ 25 Vgl. statt aller Jürgen Cupei, Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). 26 IGH Urteil vom 22.9.1995, ICJ Request for an examination of the situation in accordance with paragraph 63 of the Court’s judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France) Case, ICJ Reports 1995, S. 288, 344.
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IV. Geltung des Vorsorgeprinzips Uneinigkeit besteht vor allem hinsichtlich der Geltung des Prinzips. Im Schrifttum und in der internationalen Rechtsprechung wird dabei der doppelte Charakter des Vorsorgeprinzips nur selten beachtet.27 Der Streit um die Geltung des Vorsorgeprinzips wird von dem oben aufgezeigten Begriffsstreit um Ansatz oder Prinzip zum Teil widergespiegelt. Denn in dem Begriff Prinzip kommt rechtliche Verbindlichkeit zum Ausdruck, während der Begriff Ansatz eher unverbindlich eine Methode beschreibt. Er wird allerdings dadurch wieder entschärft, dass das Vorsorgeprinzip in zwei Teile unterteilt ist. Daher soll im Folgenden die Geltung genau umschrieben werden. Grundsätzlich könnte das Vorsorgeprinzip entweder im Rahmen eines völkerrechtlichen Vertrages oder als Völkergewohnheitsrecht (Art. 38 IGH-Statut) Geltung erlangt haben. a) Vorsorge als vertragliches Prinzip Das Vorsorgeprinzip wurde bereits in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen normiert. Beispiele für diese internationale Kodifizierung bilden die Konventionen über biologische Vielfalt,28 Art. 3 der UN-Klimarahmenkonvention29, das Cartagena Protokoll über biologische Sicherheit30 und die POPs-Konvention (Stockholm-Übereinkommen).31 Vor allem das UN-Seerechtsübereinkommen über weitwandernde Fischarten (Straddling Fish Stocks Agreement)32 enthält in Artikel 6 eine ausführliche Regelung über den Vorsorgeansatz. Die Anwendung dieses Ansatzes wird den Staaten im ersten Absatz zwingend vorgeschrieben: „States shall apply the precautionary approach widely to conservation, management and exploitation of straddling fish stocks and highly migratory fish 27
Siehe oben 1. Teil, B. I. 2. UN Convention on Biological Diversity (CBD), Übereinkommen vom 5.6.1992 über die biologische Vielfalt, BGBl. 1993 II, S. 1741 ff. 29 UN Framework Convention on Climate Change, 1992, Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, BGBl. II 1993 S. 1784, online: www. unfccc.org (März 2007). 30 Das Cartagena Protocol on Biosafty, am 29.01.2000 in Montreal verabschiedet, ist am 11.09.2003 in Kraft getreten, online: http://www.biodiv.org/biosafety (März 2007). 31 Stockholmer Übereinkommen über Persistente Organische Schadstoffe, online: http://www.bmu.de/files/pop_konvention.pdf (März 2007). 32 Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks, UN-Dokument A/CONF.164/37 vom 8. September 1995. 28
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stocks in order to protect the living marine resources and preserve the marine environment.“ Insbesondere diese mandatorische Sprachwahl überrascht auf den ersten Blick, da sonst mit dem approach nicht zwingend eine rechtlich verbindliche Anwendung verbunden ist. In Absatz 2 wird sodann die klassische Definition der Rio-Deklaration für den Fall der wissenschaftlichen Unsicherheit auf den Gegenstand der Konvention übertragen. Die Vorschrift ordnet also die materielle Geltung der Vorsorge (auch wenn hier Ansatz genannt) an.33
33 Vgl. Artikel 6 UN Straddling Stocks Agreement: Application of the precautionary approach 2. States shall be more cautious when information is uncertain, unreliable or inadequate. The absence of adequate scientific information shall not be used as a reason for postponing or failing to take conservation and management measures. 3. In implementing the precautionary approach, States shall: (a) improve decision-making for fishery resource conservation and management by obtaining and sharing the best scientific information available and implementing improved techniques for dealing with risk and uncertainty; (b) apply the guidelines set out in Annex II and determine, on the basis of the best scientific information available, stock-specific reference points and the action to be taken if they are exceeded; (c) take into account, inter alia, uncertainties relating to the size and productivity of the stocks, reference points, stock condition in relation to such reference points, levels and distribution of fishing mortality and the impact of fishing activities on non-target and associated or dependent species, as well as existing and predicted oceanic, environmental and socio-economic conditions; and (d) develop data collection and research programmes to assess the impact of fishing on non-target and associated or dependent species and their environment, and adopt plans which are necessary to ensure the conservation of such species and to protect habitats of special concern. 4. States shall take measures to ensure that, when reference points are approached, they will not be exceeded. In the event that they are exceeded, States shall, without delay, take the action determined under paragraph 3 (b) to restore the stocks. 5. Where the status of target stocks or non-target or associated or dependent species is of concern, States shall subject such stocks and species to enhanced monitoring in order to review their status and the efficacy of conservation and management measures. They shall revise those measures regularly in the light of new information. 6. For new or exploratory fisheries, States shall adopt as soon as possible cautious conservation and management measures, including, inter alia, catch limits and effort limits. Such measures shall remain in force until there are sufficient data to allow assessment of the impact of the fisheries on the long-term sustainability of the stocks, whereupon conservation and management measures based on that assessment shall be implemented. The latter measures shall, if appropriate, allow for the gradual development of the fisheries. 7. If a natural phenomenon has a significant adverse impact on the status of straddling fish stocks or highly migratory fish stocks, States shall adopt conservation and management measures on an emergency basis to ensure that fishing activity does not exacerbate such adverse impact. States shall also adopt such measures on an emergency basis where fishing activity presents a serious threat to the sustainability of
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Im Folgenden wird in der Konvention die Anwendung des Vorsorgeansatzes genauer umschrieben. Hier finden sich dann auch zahlreiche Verfahrensvorschriften. So wird neben Vorschriften, wie wissenschaftliche Daten gesammelt werden können, angeordnet, dass „data collection and research programmes to assess the impact of fishing on non-target and associated or dependent species and their environment, and adopt plans which are necessary to ensure the conservation of such species and to protect habitats of special concern,“ entwickelt werden sollen. Dieser Konvention wurde auch von den USA zugestimmt. Da es sich aber um eine Regelung für natürliche Ressourcen handelt, lassen sich aus dieser Zustimmung wohl kaum weitergehende Schlussfolgerungen hinsichtlich der Allgemeingültigkeit der Vorsorge ablesen. Somit kann trotz der unterschiedlichen Formulierungen festgehalten werden, dass das Vorsorgeprinzip in seiner materiellen wie auch in seiner prozessualen Ausprägung, soweit vertraglich positiviert, Bestandteil des Völkervertragsrechtes ist. b) Das Vorsorgeprinzip als Völkergewohnheitsrecht Es ist weiterhin zu untersuchen, ob das Vorsorgeprinzip möglicherweise als Völkergewohnheitsrecht gilt. Dazu müsste es eine allgemeine Praxis und die Anerkennung der Übung als Recht (Art. 38 Abs. 1 b) IGH-Statut) in dieser Hinsicht geben. In der wissenschaftlichen Literatur wird zwischen der Geltung im Umweltvölkerrecht und der Geltung im allgemeinen Völkerrecht unterschieden.34 Dieser Unterscheidung soll hier gefolgt werden, auch wenn ausdrücklich such stocks. Measures taken on an emergency basis shall be temporary and shall be based on the best scientific evidence available. 34 Autoren wie P. Sands/J. Cameron/J. Abouchar, obwohl sie anerkennen, dass sich das Prinzip noch entwickelt, vertreten die Ansicht, es gebe ausreichend Staatenpraxis, um zu begründen, dass das Vorsorgeprinzip ein allgemeines völkerrechtliches Prinzip darstellt. Vgl. z. B. P. Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I (Manchester University Press 1995), S. 212; J. Cameron, The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: James Cameron/Tim O’Riordan (Hrsg.), Interpreting the Precautionary Principle (Cameron May, 1994) S. 262, 283; Cameron/ Abouchar, The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: David Freestone/Ellen Hey (Hrsg.), The Precautionary Principle in International Law (1996) 29, S. 52; Peter H. Sand, The Precautionary Principle: Coping with risk, Indian Journal of International Law 2000 (40), S. 1 ff.; Pascale Martin-Bidou, Le Principe de Précaution en droit international de l’environnement, Revue générale de droit international public, 1999 (103), S. 631 ff. Andere Autoren meinen, dass das Vorsorgeprinzip noch nicht den Status eines allgemeinen Prinzips erreicht habe, oder zweifeln daran wegen der erheblich unterschiedlichen Anwendung. Vgl. Birnie/Boyle, International Law and the Environment (1992), S. 98; L. Gündling, The Status in International Law of the Precautionary Principle (1990), 5:1, 2, 3 International Journal of Estuarine and Coastal Law 25, S. 30; A. de Mestral (u. a.), International Law Chiefly as Interpreted
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auf die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten hingewiesen werden wird. Es ist schwer feststellbar, wo der Anwendungsbereich des Umweltvölkerrechts aufhört und der eines allgemeinen völkerrechtlichen Prinzips erforderlich ist. Für den hier besonders interessierenden Bereich des Welthandelsrechts ist diese Abgrenzung jedoch nicht relevant, da dies sicher nicht zum Umweltvölkerrecht zählt. (1) Vorsorge als Prinzip des Umweltvölkerrechts Eine im Vordringen befindliche Meinung sieht das Vorsorgeprinzip als ein generelles Rechtsprinzip für das internationale Umweltrecht an. An prominentester Stelle wies IGH-Richter Weeramantry in seinem Sondervotum im IGH-Verfahren zur Überprüfung der Situation nach dem Nukleartestfall (ICJ Request for an examination of the situation in accordance with paragraph 63 of the Court’s judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France) Case) darauf hin, dass das Vorsorgeprinzip „a principle which is gaining increasing support as part of the international law of the environment“.35 Im gleichen Fall äußerte IGH-Richter Palmer die Ansicht, dass „the norm involved in the precautionary principle has developed rapidly and may now be a principle of customary international law relating to the environment.“36 Mit anderen Worten gibt es eine im Vordringen befindliche Ansicht in der Völkerrechtslehre, die das Vorsorgeprinzip insgesamt als Völkergewohnheitsrecht in Bezug auf die Umwelt ansieht. Die Europäische Kommission vertritt in ihrer Mitteilung zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips die Rechtsauffassung, dass das Vorsorgeprinzip in Teilbereichen Völkergewohnheitsrecht darstellt.37 Dies wird aus einer ständigen Übung und einer opinio juris, die sich insbesondere auf die vertragsrechtliche Lage stützt, gefolgert. Das Prinzip habe sich im internationalen Umweltrecht allmählich durchgesetzt und „zu einem echten völkerrechtlichen Grundsatz von allgemeiner Geltung entwickelt.“38 Hier steht jedoch nicht das Umweltvölkerrecht im Vordergrund, sondern es soll die Geltung des Vorsorgeprinzipes in der WTO-Rechtsordnung erörtert werden. Als umweltrechtliches Prinzip wäre es direkt nicht im Wirtschaftsvölkerrecht anwendbar.39 Folglich ist zu ergründen, ob das Vorsorgeprinzip allgemeine Gültigkeit besitzt. and Applied in Canada, 5. Aufl. (1993), S. 765; D. Bodansky, in: Proceedings of the 85th Annual Meeting of the American Society of International Law (ASIL, 1991), S. 415. 35 ICJ Reports 1995, S. 342. 36 ICJ Reports 1995, S. 412. 37 Mitteilung der Europäischen Kommission zum Vorsorgeprinzip, EG KOM 1 (2000) WTO Dokument WT/CTE/W/147G/TBT/W/137 vom 27. Juni 2000. 38 KOM (2000), 1 vom 2.2.2000, S. 13.
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(2) Allgemeines Völkergewohnheitsrecht Wenn das Vorsorgeprinzip ein generelles Prinzip des internationalen Umweltrechts bildet, kann es sich während der letzten Jahre zu einem generellen Rechtsprinzip des internationalen Rechts entwickelt haben. Hierzu ist jedoch zu beachten, dass es dafür keinen Automatismus gibt. Die Geltung als allgemeines Völkergewohnheitsrecht muss hiervon getrennt untersucht werden. Einige Entscheidungen internationaler Gerichte könnten in diese Richtung weisen, ohne selbst Rechtsquelle zu sein. Der internationale Gerichtshof (IGH) hat im Case concerning the GabcikovoNagymaros Project (Ungarn gegen die Slowakei vom 25.9.1997) im Bereich des Umweltschutzes Folgendes entschieden: „New norms and standards have been developed, set forth in a great number of instruments during the last two decades. Such new norms have to be taken into consideration, and such new standards given proper weight.“40 Angesichts der Vielzahl der vertraglichen Festlegungen auf das Vorsorgeprinzip könnte der hier allgemein formulierte Grundsatz auch für die Vorsorge gelten. Allerdings nannte der IGH das Vorsorgeprinzip hier nicht ausdrücklich als eine solche neue Norm des Völkerrechts.41 Im Übrigen hatte der Fall einen deutlichen umweltrechtlichen Einschlag, so dass sich auch aus diesem Grund allgemeine Schlussfolgerungen verbieten. Ein weiteres Beispiel für die verstärkte Anwendung des Vorsorgeprinzips bildet das Urteil des internationalen Seegerichtshofes (International Tribunal of the Law of the Seas) in den Southern Blue Fin Tuna Cases, und zwar ging es bei diesem Urteil um den Antrag auf vorläufige Maßnahmen (the Request for Provisional Measures).42 Der Gerichtshof entschied, dass „the parties should in the circumstances act with prudence and caution to ensure that effective conservation measures are taken to prevent serious harm to the stock of Southern Blue Fin Tuna.“43 Es ist umstritten, ob der Internationale Seegerichtshof in dieser Entscheidung wirklich das Vorsorgeprinzip angesprochen hat. Einige Autoren sind der Ansicht, da es sich um vorsorgliche Maßnahmen handelte, es zudem einzig und allein um die Sicherung der Ansprüche ging und das Vorsorgeprin39 Deshalb sah auch der WTO Appellate Body im Fall EC – Hormones, para. 123, keine Notwendigkeit das Vorsorgeprinzip näher zu untersuchen, da „the precautionary principle, at least outside the field of international environmental law, still awaits authoritative formulation.“ 40 IGH, Reports 1997, S. 7 (8). 41 Einen Umstand auf den der WTO Appellate Body bei der Analyse des Problems in der Entscheidung EC – Hormones ausdrücklich hinweist. 42 Neuseeland und Australien gegen Japan, Fälle 3 und 4, Order vom 27. August 1999, online http://www.itlos.org/case_documents/2001/document_en_116.pdf (März 2007). 43 Southern Blue Fin Tuna Case, order of the request for provisional measures, Abs. 77.
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zip damit nicht angesprochen wurde, sei der Entscheidung insoweit nichts zu entnehmen. Gegen diese Ansicht spricht der sachliche Zusammenhang, in dem der Gerichtshof die oben aufgeführte Feststellung getroffen hat. Im neueren Schrifttum wird diese Entscheidung überwiegend als ein Indiz für die Gültigkeit des Vorsorgeprinzips im internationalen Recht angeführt. Allerdings hätte dies noch deutlicher zum Ausdruck kommen können, wie ein Mitglied des Gerichtshofes in einer abweichenden Meinung aufzeigte.44 Somit kann auch aus dieser internationalen Entscheidung nicht generell auf die Geltung des Vorsorgeprinzips als allgemeines Rechtsprinzip geschlossen werden. In der Literatur gibt es gleichwohl zahlreiche Stimmen, die das Vorsorgeprinzip schon jetzt für Völkergewohnheitsrecht halten.45 So wird zum Teil sogar diskutiert, ob das Vorsorgeprinzip nicht schon deshalb zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gezählt werden müsse, weil sich das Vorsorgeprinzip in vielen nationalen Rechtsordnungen nachweisen lasse.46 Diese Ansicht wird jedoch überwiegend abgelehnt und die Verankerung in nationalen Rechtsordnungen zum Aufzeigen einer opinio iuris herangezogen, während die vielfältige Verankerung in völkerrechtlichen Verträgen nach den Vertretern dieser Ansicht einen Beleg für den usus darstellt.47 Die Verwendung des Vorsorgeprinzips in völkerrechtlichen Verträgen überzeugt als allgemeine Praxis letztlich nicht. Hierfür müssten sich nämlich gemäß dem Urteil des IGH im North Sea Continental Shelf Case „a very widespread and representative participation“ einschließlich der betroffenen Staaten an einem solchen Abkommen nachweisen lassen.48 Auch vor dem Hintergrund, dass verschiedene Staaten, unter ihnen die USA, das Vorsorgeprinzip gerade nicht als bindendes Recht ansehen wollen, scheint die Anerkennung der Übung als Recht fraglich. 44
Separate Opinion by Judge Tullio Treves, Southern Bluefin Tuna Cases, online http://www.itlos.org/case_documents/2001/document_en_126.pdf (März 2007). 45 Phillipe Sands, Principles of International Environmental Law, Vol. I (Manchester University Press 1995) S. 212; James Cameron, The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: James Cameron/Tim O’Riordan (Hrsg.), Interpreting the Precautionary Principle (Cameron May, 1994) S. 283; Cameron/Abouchar, The Status of the Precautionary Principle in International Law, in: Freestone/Hey (Hrsg.), The Precautionary Principle in International Law (Kluwer, 1996) 29, S. 52; Peter H. Sand, The Precautionary Principle: Coping with risk, Indian Journal of International Law 2000 (40), S. 1 ff.; Pascale Martin-Bidou, Le Principe de Précaution en droit international de l’environnement, Revue générale de droit international public, 1999 (103) S. 631 ff. 46 So berichtet von James Cameron, in: Tim O’Riordan/James Cameron/Andew Jordan, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 126. 47 James Cameron, in: Tim O’Riordan/James Cameron/Andew Jordan, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 123 f. 48 ICJ Reports 1969, S. 42.
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Der sicherste Beleg für die Geltung des Vorsorgeprinzips als allgemeines Völkergewohnheitsrecht wäre eine Entscheidung eines internationalen Gerichtes, abgesehen vom EuGH, die sich ausdrücklich auf das Vorsorgeprinzip bezieht. Eine solche Entscheidung fehlt bislang. Das könnte daran liegen, dass „judges of one kind or another generally prefer to interpret rules written in an agreement rather than construct a rule from widely differing sources of evidence and then interpret it.“49 Nichtsdestotrotz würde eine solche Entscheidung Klarheit schaffen. Allerdings lässt sich eine allgemeine Entwicklungstendenz nachweisen, die auch im Entwurf der ILA zum Recht der nachhaltigen Entwicklung zum Ausdruck kommt.50 Zunehmend kommen zum eigentlichen Umweltschutz auch große Bereiche des Gesundheitsschutzes. Damit ist das Vorsorgeprinzip wohl auf dem besten Wege, sich zu einer universellen gewohnheitsrechtlichen Verhaltensnorm zu entwickeln, wenn auch fraglich bleibt, in welchem Umfang es heute schon einen Rechtssatz des Völkergewohnheitsrechts darstellt.51
V. Vorsorge durch Verfahren Wie schon ausgeführt, enthält das Vorsorgeprinzip eine ausgeprägte Verfahrenskomponente. Für diese ist schon früh das Instrument der Umweltverträglichkeitsprüfung entwickelt worden. Ähnliche Instrumente folgten und machen einen guten Teil des Verfahrensanteils am Vorsorgeprinzip aus. 1. Im deutschen und Europarecht Die ersten Ansätze zu einer Vorsorge durch Verfahrensvorschriften reichen schon lange zurück. Im ersten Umweltprogramm der Bundesregierung vom 29. September 1971 wurde betont, Umweltpolitik könne sich nicht damit begnügen, diesen oder jenen bereits entstandenen Umweltschaden festzustellen und zu bekämpfen; vielmehr müsse erreicht werden, unerwünschte Nebenwirkungen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung rechtzeitig zu erkennen und durch weit vorausschauende Umweltplanung zu vermeiden.52 Nachdem die Einführung einer allgemeinen Umweltverträglichkeitsprüfung am Widerstand weiter Kreise scheiterte, erließ die Bundesregierung 1975 eine Verwaltungsvor49 James Cameron, in: Tim O’Riordan/James Cameron/Andew Jordan, Reinterpreting the Precautionary Principle, London 2001, S. 121. 50 Principle of the precautionary approach to human health, natural resources and ecosystems, siehe oben Fn. 42. 51 So richtig Ulrich Beyerlin, Umweltvölkerrecht, München 2000, Rn. 127. 52 Bundesregierung, Umweltschutz, das Umweltprogramm der Bundesregierung, 1972, BT-Drs. 6/2710 (14.10.1971) S. 7 f.
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schrift für Bundesbehörden über die Prüfung der Umweltverträglichkeit öffentlicher Maßnahmen. In ihr war auch die Prüfung von Gesetzentwürfen und anderen Rechtsvorschriften vorgesehen.53 Allerdings erlangte die Vorschrift kaum praktische Bedeutung, da kein öffentliches Verfahren und keine besondere Beteiligung vorgesehen waren.54 Vor diesem Hintergrund war es naheliegend, dass die Bundesregierung nachdrücklich die UVP-Initiative der EWG-Kommission unterstützte. Nach einem ersten Vorschlag 198055 kam es allerdings erst 1988 zum endgültigen Erlass einer UVP-Richtlinie. Die Umweltvorsorge kann als materieller Bestandteil der UVP-Richtline56 angesehen werden, auch wenn dieser Begriff nicht expressis verbis in ihr enthalten ist.57 Die Vorsorgeorientierung zeigt sich dadurch, dass die Richtlinie • eine möglichst breite Untersuchung fordert, sie soll • möglichst frühzeitig (at the earliest possible stage) durchgeführt werden und • möglichst auch bei nur potentiellen Umweltauswirkungen bzw. bei einer Auswirkungsprognose aufgrund geringer Wahrscheinlichkeiten Anwendung finden.58 Die UVP ist ein wichtiges Instrument vorsorgenden Umweltschutzes. Mit ihrer Hilfe sollen schädliche Umweltauswirkungen eines Vorhabens umfassend ermittelt, beschrieben und bewertet werden. Die zuständigen Behörden sollen bereits frühzeitig über eine bessere umweltbezogene Informationsbasis verfügen.59 Mit der vorgesehenen Zusammenarbeit zwischen den Vorhabenträgern, den Behörden und der Öffentlichkeit dient die UVP außerdem der Verwirklichung des Kooperationsprinzips.60 Die Orientierung der UVP an einem hohen Schutzniveau61 unterstreicht die Tatsache, dass sie auf dem Vorsorgeprinzip beruht.
53 Bundesregierung, Umweltbericht ’76, Fortschreibung des Umweltprogramms der Bundesregierung vom 14. Juli 1976, 1. Aufl. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1976, S. 52. 54 Zu den Gründen siehe Wilfried Erbguth/Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Kommentar, 1. Aufl. München 1992, Einl. Rn. 2. 55 Mitteilung der Kommission, COM 80, S. 313. 56 Richtlinie des Rates vom 27.6.1988 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten (85/337/EWG) ABl. EG Nr. L 175 S. 40. 57 Heinz-Joachim Peters, Das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung – Band 2 UVPG Kommentar, 1. Aufl. Baden-Baden 1996, Einleitung Rn. 15. 58 Heinz-Joachim Peters, Das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung – Band 2 UVPG Kommentar, 1. Aufl. Baden-Baden 1996, Einleitung Rn. 15. 59 Christoph Landel, Die Umweltverträglichkeitsprüfung bei parallelen Zulassungsverfahren, S. 15 f. 60 Werner Hoppe/Martin Beckmann/Petra Kauch, § 8 Rn. 71. 61 Heinz-Joachim Peters, Das Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung – Band 2 UVPG Kommentar, 1. Aufl. Baden-Baden 1996, Einleitung Rn. 15.
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Eine Weiterentwicklung stellt insofern die Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme62 dar. Hier wird das Vorsorgeprinzip schon in der Präambel erwähnt. Die Richtlinie wurde erlassen „in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Gemäß Artikel 174 des Vertrags trägt die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips unter anderem zur Verwirklichung der nachstehenden Ziele bei: Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität, Schutz der menschlichen Gesundheit, umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen. (2) Gemäß Artikel 6 des Vertrags müssen die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung der Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden.“ In dieser Richtlinie wird bemerkenswerterweise nicht nur das Vorsorgeprinzip als das tragende Prinzip herausgestellt, sondern auch ein Hinweis auf die nachhaltige Entwicklung als Ziel gegeben. 2. Im internationalen Recht Die bisher eindeutigste Feststellung auf internationaler Ebene, dass eine UVP ihre Grundlage in der Vorsorge hat, enthält das Sondervotum des IGH-Richters Weeramantry im schon erwähnten Fall Gabcikovo-Nagymaros. Er vertrat die Ansicht, dass in einem Fall eines potentiell gewichtigen Einflusses auf die Umwelt eine Pflicht für die Staaten existiere, ein „continuing environmental impact assessement“ durchzuführen. Ein „environmental impact assessement“ sei nämlich „a specific application of the larger general principle of caution.“63 Diese Feststellung ist angesichts des aufgezeigten Verfahrensanteils des Vorsorgeprinzips berechtigt. a) UVPs im Völkerrecht (1) UVPs im Völkergewohnheitsrecht Umweltverträglichkeitsprüfungen haben schon mehrmals den IGH beschäftigt. Die erste Erwähnung fanden sie im zweiten Nukleartestfall (Neuseeland gegen Frankreich). Obwohl der IGH am 22. September 1995 in einem Beschluss mehrheitlich die Befassung ablehnte und es daher kein Urteil gab, wurde 62 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme ABl. EG Nr. L 197/30 (2001); vorherige Entwürfe vom 25.3.1997 (97/C 129/08), KOM (99) 73 endg. – ABl. EG Nr. C 83, S. 13; Ziekow, UPR 1999, 287 ff. 63 IGH Urteil vom 25.9.1997, Case concerning Gabcikovo-Nagymaros Project, ILM 37 (1998), S. 162, 212.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
die Durchführung einer UVP vor einem Nukleartest thematisiert. Von Neuseeland wurde nicht nur die Bindung Frankreichs an das Vorsorgeprinzip vorgetragen, sondern gleichzeitig verlangt, dass Frankreich eine UVP durchführen müsse, bevor es Nuklartests durchführen könne.64 Ausführlich setzte sich IGHRichter Weeramantry in seiner abweichenden Meinung mit dem Vorsorgeprinzip und auch mit der Pflicht zur Durchführung einer UVP auseinander. Diese Pflicht (er spricht von Prinzip) sah er als „ancillary“ zum Vorsorgeprinzip an.65 Der IGH-ad hoc-Richter Palmer bestand in seiner abweichenden Meinung ebenfalls auf einer völkerrechtlichen Pflicht zur Durchführung einer UVP, wenn inakzeptable Umweltrisiken für diesen Staat entstehen.66 Außerdem verpflichte das Vorsorgeprinzip Frankreich dazu, diese Prüfung vor den Tests und nicht danach durchzuführen, sowie dazu, dass ein Staat aufgrund des Vorsorgeprinzips zur Durchführung einer UVP verpflichtet sei, um zu zeigen, dass kein Risiko bestehe.67 Im Fall des Gabcikovo-Nagymaros Staudammprojektes zwischen Ungarn und der Slowakei entschied der IGH, dass es eine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur Durchführung einer UVP gebe, „before proceeding with serious transboundary projects.“68 In seinem Sondervotum vertrat Richter Weeramantry wiederum die Auffassung, dass eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe und präzisierte diese dahingehend, dass sie sich nicht auf die Zeit vor dem Projekt beschränke. Gefordert sei vielmehr „a continuing assessment and evaluation as long as the project is in operation. This follows from the fact that EIA is a dynamic principle and is not confined to a pre-project evaluation of possible environmental consequences. As long as a project of some magnitude is in operation, EIA must continue, for every such project can have unexpected consequences; and considerations of prudence would point to the need for continuous monitoring.“ Auch hier wurde mit dem Begriff considerations of prudence wieder der Bezug zum Vorsorgeprinzip hergestellt. Auch an dieser Stelle sei noch einmal auf das Verhältnis zum älteren Schutzprinzip hinzuweisen.69 Eine Verpflichtung zur projektbegleitenden UVP kann sich daher auch aus dem Schutzprinzip ableiten.
64 IGH Urteil vom 22.9.1995, ICJ Request for an examination of the situation in accordance with paragraph 63 of the Court’s judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France) Case, ICJ Reports 1995, S. 288, 290. 65 Siehe oben und ICJ Reports 1995, S. 344. 66 ICJ Reports 1995, S. 411. 67 ICJ Reports 1995, S. 412. 68 Case Concerning the Gabcikovo-Nagymaros Dam (1997) ICJ Reports, 7. 69 Siehe oben unter 1. Teil, A. II.
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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(2) UVPs im Völkervertragsrecht Die Geschichte der UVP-Verfahren begann Anfang der 70er Jahre, als durch den US National Environmental Protection Act die erste gesetzliche Regelung für eine UVP geschaffen wurde.70 Ein wichtiger Grund für die Einführung war die Abwägung zwischen unterschiedlichen Belangen. Wie mit anderen Entwicklungen im internationalen Recht, so stammte also auch das Institut UVP aus dem nationalen Recht und wurde später auch international angewendet. Eine Verbreitung des Instituts auf regionaler und internationaler Ebene ist festzustellen.71 UVPs sind inzwischen in über 100 Staaten gesetzlich für bestimmte Projekte vorschrieben.72 Diese weite Verbreitung setzte sich auch auf der internationalen Ebene fort. Im Völkerrecht sind seit Ende der 70er Jahre mehrere Abkommen geschlossen und Konventionen verabschiedet worden, die zum Teil ausdrücklich oder der Sache nach Bestimmungen über Umweltverträglichkeitsprüfungen vorsehen und voraussetzen.73 Frühe Beispiele bilden die Convention on the Protection of the Environment between Denmark, Finland, Norway and Sweden74 in den Art. 4–6, die World Charter for Nature75; und das UN-Seerechtsübereinkommen in den Art. 204f und 206. Im Umweltvölkerrecht wurde diese Verpflichtung schon bald auf Gebiete ausgeweitet, die keiner nationalen Jurisdiktion unterlagen. In Gebieten, wo das gemeinsame Erbe oder gemeinsame Belange der Menschheit unter Schutz gestellt sind, wurde für alle Aktivitäten auch die Verpflichtung normiert, eine UVP durchzuführen. Dies gilt etwa für das 1991 Protocol to the Antarctic Treaty on Environmental Protection76 und die schon erwähnte 1982 UN Convention on the Law of the Sea (UNCLOS).77 Aber auch neuere Rechtsinstrumente, wie die Klimarahmenkonvention, weisen in diese Richtung.78 70 42 USC ss4321-47. Das Gesetz findet jedoch nur auf Projekte statt, die von Bundesbehörden bewilligt werden. 71 Einen Überblick über rechtlich verbindliche und freiwillige UVPs, vgl. Phoebe N. Okowa, Procedural Obligations in International Environmental Agreements, 1996 Brit. Y.B. of Int’l L. 275. 72 Prasad Modak/Asit K. Biswas, Conducting Evironmental Impact Assessment in Developing Countries, Tokio, New York, 1999. 73 Cupei, S. 228. 74 19.2.1974 (Nordic Convention). 75 UN GA Res 37/7 28.10.1982. 76 Siehe die Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, May 20, 1980, T.I.A.S. No. 10240, 1329 U.N.T.S. 48 (1980). 77 United Nations Convention on the Law of the Sea, 10. Dez. 1982, Art. 206, 21 I.L.M. 1261. Wörtlich: „When States have reasonable grounds for believing that planned activities under their jurisdiction or control may cause substantial pollution of or
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
(a) Die Espoo-Konvention und das Kiew-Protokoll Das einzige Übereinkommen, das bisher ausschließlich UVPs behandelte, ist die Espoo-Konvention (Espoo Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context) von 1991.79 Die Konvention enthält umfangreiche Vorschriften über die Durchführung von UVPs bei grenzüberschreitenden Sachverhalten. Insofern kodifiziert und präzisiert sie bestehendes Völkergewohnheitsrecht. Sie wurde unter der Federführung der UNECE geschlossen und steht nur Mitgliedstaaten offen (Vgl. Art. 16 Espoo-Konvention). Eine Weiterentwicklung wurde in Bezug auf strategische Umweltprüfungen vorgenommen, hierzu wurde in Kiew auf der Ministerkonferenz 2003 ein Zusatzprotokoll unterzeichnet.80 Die wesentlichen Schritte einer grenzüberschreitenden UVP nach der EspooKonvention lassen sich wie folgt gliedern: Anwendbarkeit der Konvention (Art. 2.2, App. I+III)
Die Espoo-Konvention ist nur auf bestimmte große Projekte anwendbar.
Notifikation (Art. 3.1)
Ein Vertragsstaat, der Auswirkungen eines Projektes in einem anderen für möglich hält, soll diesen so frühzeitig wie möglich, spätstens jedoch bei Information an die eigene Öffentlichkeit, von dem Vorhaben, seiner geplanten Größe und dem Zeitplan in Kenntnis setzen.
Bestätigung der Teilnahme (Art. 3.3)
Anschließend soll der betroffene Staat sich in der vorgegebenen Zeit äußern, ob er an dem UVP-Verfahren teilnehmen möchte.
significant and harmful changes to the marine environment, they shall, as far as practicable, assess the potential effects of such activities on the marine environment and shall communicate reports of the results of such assessments in the manner provided in article 205“. 78 United Nations Framework Convention on Climate Change, 9. Mai 1992, 31 I.L.M. 849, Art. 9. 79 Espoo Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context, vom 25. Februar 1991, 30 I.L.M. 800, in Kraft seit 10.9.1997, 37 Staaten haben die Konvention ratifiziert (plus die EG, die nicht zusätzlich zu den Mitgliedstaaten zählt), online: http://www.unece.org/env/eia/eia.htm. 80 Siehe ausführlich unten und UN Economic Commission for Europe, Meeting of the Parties to the Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context, Ad hoc Working Group on the Protocol on Strategic Environmental Assessment (Fourth session, Warsaw, 11–13 February 2002), Revised Texts for the Substantial Provisions of a Protocol on Strategic Environmental Assessment, vom 11. Januar 2002, UN-Dokument MP.EIA/AC.1/2002/3, online: http://www.unece.org/env/ eia/ad-hocwg.htm.
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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Übermittlung von Informationen (Art. 3.6) Der durchführende Staat soll alle verfügbaren Informationen betreffend möglicher Umweltauswirkungen an den betroffenen Staat übersenden. Öffentliche Beteiligung (Art. 3.8)
Ebenfalls soll die Öffentlichkeit des betroffenen anderen Staates informiert werden und ihr Gelegenheit zur Beteiligung gegeben werden.
Erstellung der UVP-Dokumentation (Art. 4/App. II)
Die Minimalanforderungen an die UVPDokumentation enthält der Anhang II: (a) Eine Beschreibung der vorgeschlagenen Tätigkeit und ihres Zweckes; (b) Eine Beschreibung, wo passend, von den angemessenen (zum Beispiel örtlichen oder technologischen) Alternativen zur vorgeschlagenen Tätigkeit und auch zur Untätigkeitsalternative; (c) Eine Beschreibung der Umwelt, die durch die vorgeschlagene Tätigkeit und ihre Alternativen erheblich beeinflusst wird; (d) Eine Beschreibung der möglichen Umweltauswirkungen der vorgeschlagenen Tätigkeit und ihrer Alternativen und der Schätzung ihres Umfanges; (e) Eine Beschreibung der Ausgleichsbemühungen, nachteilige Umweltauswirkungen auf ein Minimum zu reduzieren; (f) Eine ausdrückliche Anzeige über Vorhersagemethoden und zugrundeliegende Annahmen sowie die verwendeten relevanten Umweltdaten; (g) Eine Kennzeichnung von Wissenslücken und Ungewissheiten, die bei der Informationserstellung auftraten; (h) Soweit anwendbar, eine Übersicht für Überwachung- und Managementprogramme und Pläne für Nachprojektanalyse; (i) Eine nicht technische Zusammenfassung einschließlich einer Sichtdarstellung soweit passend (Diagramme, etc.).
Versendung der UVP-Dokumentation zur Dies kann auch durch die Tagung eines Teilnahme des betroffenen Staates und sei- gemeinsamen Ausschusses geschehen. ner Öffentlichkeit (Art. 4.2) Konsultationen zwischen den Parteien (Art. 5)
Anschließend schreibt die Konvention obligatorische Konsultationen vor, in denen auch das Unterlassen des Projektes diskutiert werden kann. Fortsetzung Seite 52
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Endentscheidung (Art. 6.1)
Bei der Endentscheidung soll von der UVP-Dokumentation und den Konsultationen „due account“ genommen werden.
Übermittlung der Dokumentation der Endentscheidung (Art. 6.2)
Die Endentscheidung soll die Gründe und Überlegungen für die Endentscheidung enthalten.
ggf. Projektnachanalyse (Art. 7.1/App. V)
Wenn die Parteien gemeinsam entscheiden, dass eine Projektnachanalyse stattfinden soll, so soll diese unter anderem die Überwachung der Ausgleichsmaßnahmen enthalten.
Ähnlich wie schon die UVP-Richtlinie der EG erwähnt auch die Espoo-Konvention das Vorsorgeprinzip nicht. Allerdings enthält die Präambel einen Passus, der die Vorsorgeorientierung deutlich zum Ausdruck bringt: „Mindful of the need and importance to develop anticipatory policies and of preventing, mitigating and monitoring significant adverse environmental impact in general and more specifically in a transboundary context.“ Insbesondere der Begriff „vorsorgliche Politik zum Schutz vor schädigenden Umwelteinflüssen“, bringt dies zum Ausdruck. (b) Environmental Assessments der Weltbankgruppe Formal war es schon seit Anfang der 70er Jahre erklärtes Ziel der Weltbank, Umwelterwägungen in ihre Entscheidungen mit einzubeziehen. Rechtlich bindende Verpflichtungen hierzu entstanden jedoch erst seit Ende der 80er Jahre.81 Umweltverträglichkeitsprüfungen, hier Environmental Assessments (EAs) genannt, werden den Kreditnehmerstaaten für große Projekte und Programme abverlangt. Früher nutzte die Weltbank nur rein ökonomische Analysen, bevor sie Projekte wie etwa Staudämme, neue Straßen oder die Förderung der Fischerei förderte. Umweltanalysen haben aber zu der Erkenntnis geführt, dass diese Projekte sehr kostspielig sein können, ohne dass ein ökonomisches Modell diese Umweltbilanz ermitteln könnte.82 Durch die Operational Directive 4.00, Annex A: Environmental Assessment (Oktober 1989) wurde die Pflicht zur Durchfüh-
81 Vgl. Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World – Selected Essays, Amsterdam 1991, S. 135 ff. 82 Hal Kane, Managing through Prices, Managing despite Prices, in: Zaelke/Orbuch/Houseman, S. 57, 59.
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rung eines EA für alle Weltbankprojekte vorgeschrieben.83 Die Richtlinie wurde im Januar 1999 durch die sog. Operational Policy (OP) 4.01 und die Bank Procedures (BP) 4.01. verändert.84 Hauptanliegen der Operational Policy, wie vorher der Operational Directive, ist es, die Anforderungen an ein Environmental Assessment, das für alle von der Weltbank finanzierten Projekte vorgeschrieben ist, zu standardisieren und zu formalisieren.85 Das Environmental Assessment bleibt in der Verantwortlichkeit des Nehmerstaates, auch wenn die Weltbankgruppe durch ein sogenanntes task team (TT) das Environmental Assessment begleitet und überwacht (§2 BP 4.01). Das bedeutet auch, dass der zukünftige Kreditnehmer als Auftraggeber über die Veröffentlichung des Environmental Assessment-Reports entscheiden kann. In der Weltbank hat sich jedoch die Praxis durchgesetzt, entweder von vornherein die Erlaubnis zur Veröffentlichung zu verlangen oder eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Dabei hat der Senior Vice President die Macht, die weitere Bearbeitung zu stoppen, bis der Bericht veröffentlicht wurde.86 Die Bank berät die Kreditnehmer über die genauen Environmental Assessment-Erfordernisse (§ 5 OP 4.01). Bei großen Projekten soll sogar ein environmental advisory panel eingeführt werden, das nicht nur die Ausarbeitung der terms of reference für das Environmental Assessment überprüft, sondern auch nach Abschluss noch überprüft, ob die Empfehlungen eingehalten wurden. In allen Fällen verpflichtet die Weltbank die Kreditnehmer, „to take the views of affected groups and local non-governmental organisations (NGOs) fully into account in project design and implementation and, in particular, in the preparation of the environmental assessments.“87 Als wesentliche Schritte schreibt die Operational Policy vor: a) Screening, bei dem entschieden wird, ob und welche Art von Environmental Assessment durchzuführen ist. Die Kategorien reichen von A) umfassende Environmental Assessments bis D) kein Environmental Assessment, weil es sich um ein Umweltprojekt handelt. Die Anforderungen an die Environmental Assessments sind je nach Kategorie unterschiedlich. In der Kategorie A wird ent83 Weltbank, Evironmental Assessment Source Book, Volume 1, Policies’ Procedures and Cross Sectoral Issues – Environment Department, Washington 1991, 5. Auflage Juni 1998, S. 27. 84 Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World, Vol. III., Den Haag 2000, S. 491. Dabei sollte weniger eine inhaltliche Veränderung des Environmental Assessment vorgenommen werden, als vielmehr genauer zwischen Politiken einerseits und Verfahren andererseits getrennt werden, vgl. online: http://www.worldbank.org/environment/topics.htm (März 2007). 85 Vgl. Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World – Selected Essays, Amsterdam 1991, S. 143. 86 Ibrahim Shihata, The World Bank in a Changing World – Selected Essays and Lectures, Vol. II, Den Haag 1995, S. 192. 87 OP 4.01, § 15, früher OD 4.00, Annex A, § 12.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
weder ein Environmental Impact Assessment oder ersatzweise ein Sectorial oder ein Regional Assessment von der Weltbank verlangt. Bei Ersterem wird ein ganzer Sektor, also etwa Transport, Energie oder Landwirtschaft auf die Umweltauswirkungen eines bestimmten Projektes, Plans oder Programms untersucht; bei letzterem wird das gleiche für eine ganze geografische Region durchgeführt.88 b) Im Initial Executive Project Summary sollen die Hauptumweltprobleme aufgeführt werden. Zusätzlich soll ein vorläufiger Zeitplan für die Durchführung der Environmental Assessment erstellt werden. c) Durch ein Monthly Operational Summary soll der Teammanager den Exekutivdirektor des Projektes laufend über den Fortgang des Environmental Assessments unterrichten. d) Sodann sollen die terms of reference (TOR) für das EA erstellt werden, wobei die Bank dem kreditnehmenden Staat behilflich sein soll. e) Es folgt die Erstellung des Environmental Assessments. Hierfür setzt die Operational Policy einen Zeitraum von etwa 6–18 Monaten an. Sie soll normalerweise Teil der Machbarkeitsstudie des Projektes sein, aber dennoch von unabhängigen Spezialisten erstellt werden. f) Erst nach Fertigstellung des Berichtes wird das Environmental Assessement überprüft und im Anschluss der Kredit von der Weltbank genehmigt. Dabei soll aus dem Abschlussbericht deutlich werden, wie das Projekt vor dem Hintergrund des Environmental Assessment verändert wurde (§ 20 OP, früher § 25 OD 4.00, Annex A). g) Die UVP bildet die Basis für die Supervision des Projektes. Hierbei soll projektbegleitend die Erfüllung der Umweltbedingungen überprüft werden. h) Die Nachanaylse findet als Teil des Abschlussberichtes für das Projekt statt. Diese für einen internationalen Sachverhalt schon frühzeitig erlassene Richtlinie (wie jetzt auch die Operational Policy) schreibt eine umfangreiche Nachbereitung vor. Inhaltlich sollen auch Projektalternativen und Ausgleichsmaßnahmen Teil des Environmental Assessment sein. Das Handbuch der Weltbank zur Durchführung eines EAs enthält die Empfehlung, dass auch globale Umwelteffekte, insbesondere bei der Luftverschmutzung und Klimaschutz, geprüft werden sollen.89 Weiterhin sollen die gültigen Umweltverträge (MEAs) von dem 88 Interessanterweise beschreibt für die Weltbank ein EA als Oberbegriff eine ganze Gruppe von rechtlichen Instrumenten, die zur Umweltverträglichkeitsprüfung im weitesten Sinne dienen. Vgl. Definitions – OP 4.01 Annex A. 89 Weltbank, Evironmental Assessment Source Book, Volume 1, Policies’ Procedures and Cross Sectoral Issues – Environment Department, Washington 1991, 5. Auflage Juni 1998, S. 62.
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Kreditnehmerland beachtet werden und dies in dem EA auch zum Ausdruck kommen. Richtungsweisend verlangt die Weltbank bei den Environmental Assessments im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung auch, dass soziale und kulturelle Aspekte analysiert werden. Dabei gehe es nicht um eine vollständige soziologische Studie oder eine soziale Kosten-Nutzenanalyse sondern vielmehr um den Umstand, dass „of the many social impacts that might occur, EA is concerned primarily with those relating to environmental resources and the informed participation of affected groups.“90 Dafür gibt es zwei besondere Vorschriften,91 die dies vorschreiben. „Involuntary Resettlement“ (OP/BP 4.12, früher OD 4.301990), schreibt vor, nur im Ausnahmefall unfreiwillige Umsiedelungen vorzusehen. Die betroffenen Gemeinden sollen an der Entscheidung teilnehmen können und der Lebensstandard muss erhöht werden. Die Richtlinie über „Cultural Property“ (OP 4.11, früher OD 4.50) behandelt vor allem den Umgang und Schutz von indigenen Völkern (OD 4.20) und die Bewahrung von Kulturschätzen. Ihre Lage muss in dem Environmental Assessment analysiert werden. Vor diesem Hintergrund bilden die Weltbankrichtlinien eines der ersten internationalen Instrumente, das neben der Wirtschaftlichkeits- und der Umweltanalyse auch eine sozio-kulturelle Untersuchung anordnet. Dieser Aspekt wurde in der neuen Operational Policy erheblich gestärkt. So schreibt nun § 3 OP 4.01 vor, dass „EA takes into account the natural environment (air, water, and land); human health and safety; social aspects (involuntary resettlement, indigenous peoples, and cultural property); and transboundary and global environmental aspects. EA considers natural and social aspects in an integrated way.“ Somit bildet die OP 4.01 eines der ersten rechtlich bindenden Instrumente einer integrierten Nachhaltigkeitsprüfung. Ob der Begriff Environmental Assessment für die so stukturierte Prüfung angemessen ist, erscheint hingegen fraglich. Diese Weiterentwicklung von der ursprünglichen UVP hin zu einer Nachhaltigkeitsprüfung ist bemerkenswert. Zusätzlich zu den EAs gibt es auch eine OP zu Environmental Action Plans (EAP) (OP 4.02 vom Februar 2000).92 Die Environmental Action Plans werden von den Kreditnehmerländern in eigener Verantwortung erstellt und sollen für einen ganzen Staat die größten Umweltprobleme, die Hauptgründe für dieselben, sowie Politiken und Maßnahmen, um ihnen zu begegnen, in einem Dokument aufführen. Außerdem werden dort, wo Informationen fehlen, die weitere Umweltforschung und Informationsbeschaffung beschrieben. Bei der Erstellung soll wiederum die Öffentlichkeit, einschließlich der NGOs, beteiligt werden. 90
Ibid., S. 107. Vgl. zu allen Politiken im Überblick online: http://www.worldbank.org/safe guards (März 2007). 92 Ende 2000 existierten etwa 92 nationale Umweltaktionspläne. 91
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Die Pläne sollen der Öffentlichkeit bekanntgemacht werden. Am ehesten ist diese vorausschauende Umweltplanung wohl mit den bundesdeutschen Landschaftsrahmenplänen vergleichbar. Insofern gehört dieses Instrument zwar auch zum vorsorgenden Umweltschutz, aber nicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung im engeren Sinne. Neben der Verpflichtung der Kreditnehmerstaaten überprüft die Weltbank mit Hilfe des Operations Evaluation Department (OED) die Auswirkungen ihrer Politiken. Die erste Überprüfung der Umweltpolitik fiel positiv aus. Die Weltbank habe, so der Bericht, viele negative Umweltauswirkungen der von ihr geförderten Projekte verhindern können. Überdies habe sie vielen Regierungen beim Aufbau von Umweltinstitutionen geholfen. Eine vollständige Integration von Umweltbelangen in die Ziele der Weltbank und in die Hilfestellungen für Staaten konnte sie indes noch nicht erreichen.93
VI. Fortentwicklung von Umweltprüfungen im internationalen Recht – Integration sozialer und wirtschaftlicher Aspekte in Umweltverträglichkeitsprüfungen bis zur integrierten Nachhaltigkeitsprüfung Die Anwendung von Umweltverträglichkeitsprüfungen zeigt, wie rechtliche Instrumente, insbesondere Verfahrensregelungen, zunehmend Gesichtspunkte aus den zwei anderen Säulen nachhaltiger Entwicklung in Umweltprüfungen integrieren.94 Den Ausgangspunkt des internationalen Rechtsinstituts bildeten ursprünglich rein nationale Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVPs) spezifischer Projekte.95 Derweil hat das Instrument jedoch entscheidende Erweiterungen in andere Bereiche nachhaltiger Entwicklung erfahren.96 Der Anwendungsbereich von Umweltverträglichkeitsprüfungen wurde auf Pläne und politische Entscheidungen erweitert. Des Weiteren wurde die Untersuchung auf Bereiche jenseits der reinen Umweltentscheidung ausgeweitet.97 Dabei wurde der öffent-
93 Worldbank Operations Evaluation Department, Précis – Promoting Environmentally Sustainable Development, Winter 2002, Nr. 215. 94 Vgl. zum ganzen Marie-Claire Cordonier Segger/Ashfaq Khalfan, Sustainable Development Law: Principles, Practices And Prospects, S. 89. 95 Siehe oben Teil 1 A. I. 1. 96 S. Nooteboom/K. Wieringa, Comparing strategic environmental assessment and integrated environmental assessment, Journal of Environmental Assessment Policy and Management, 1 (1999), Nr. 4, S. 441–57; and D. Devuys, Sustainability assessment: the application of a methodological framework, Journal of Environmental Assessment Policy and Management, Vol. 1, No. 4 (December 1999), S. 459. 97 Frühe Environmental Impact Assessment-Verfahren waren nicht auf die Integration sozialer und ökonomischer Gesichtspunkte ausgerichtet, vgl. Lee und Kirkpatrick 2000, S. 2 m.w. N. Der US National Environmental Protection Act (NEPA) regelte
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lichen Beteiligung bei der Entscheidungsfindung auf unterschiedlichen Ebenen zunehmend mehr Beachtung geschenkt. 1. Einbeziehung sozialer Kriterien in die UVP In den ersten Jahren der UVP wurden nur Umwelteinflüsse erwogen, die sich auf die natürliche, biophysikalische Umwelt bezogen. Mit der fortschreitenden Institutionalisierung der UVP, mit den öffentlichen Informationen und dem Konsultationsprozess wuchs der Druck von Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen, dass auch andere potentielle Einflüsse in den Entscheidungsprozess einbezogen wurden. Auf der nationalen Projektebene führte dies zur Einbeziehung von sozialen und insbesondere gesundheitlichen Einflüssen in die UVP, entweder innerhalb der UVP oder parallel zu ihr. Es gab schon bald Konsens, dass diese Erwägungen notwendiger und logischer Teil von UVPs sind.98 In Deutschland waren Gesundheitserwägungen schon immer Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung. Insofern wird der Mensch als Teil der Umwelt angesehen. Einige völkerrechtliche Verträge konzentrierten sich ausschließlich auf die Untersuchung der potentiellen Auswirkungen einer bestimmten Aktivität und in einem spezifischen Umwelteinfluss. Das ist für das 1991 Antarctic Treaty Protocol,99 und die 1982 UN-Seerechtsübereinkommen der Fall.100 Der Grund dafür könnte sein, dass beide Konventionen bei den betreffenden Umweltproblemen weniger stark von sozialen Auswirkungen betroffen sind. In anderen völkerrechtlichen Verträgen ist der „menschliche Faktor“ sehr viel offenbarer. Dies gilt sowohl für den allgemeinen Rahmen der UN-Konvention über Biodiversität und die UN-Konvention über die Bekämpfung der Wüstenbildung,101 als auch für die spezifischen Regelungen, die eine UVP vorschreiben. In der Basel-Konvention bspw. erfordert Artikel 4 Abs. 2 (f), dass Informationen über die Eingerade keine integrierte Prüfung, sondern eine UVP die neben technische und wirtschaftliche Bewertungen von Projekten trat. 98 Colin Kirkpatrick, The Impact of the Uruguay Round on Least Developed Countries’ External Trade: Strengthening the Capacity of LDCs to Participate Effectively in the World Trade Organisation and to Integrate into the Trading System, UNCTAD (1998). GATT, An Analysis of the Proposed Uruguay Round Agreement with Particular Emphasis on Aspects of Interest to Developing Countries, Geneva: GATT Secretariat, MTN.TNC/W/122 (1993). World Bank Social Indicators of Development, World Bank, Washington DC(1995). World Bank, World Development Report – Knowledge for Development (1999) Oxford University Press. World Bank, World Development Indicators, The International Bank for Reconstruction and Development/The World Bank. Washington. USA, 1999. 99 Madrid, 4 Oktober 1991, siehe Annex 1. 100 1982 UN Convention on the Law of the Seas, Montego Bay, 10 December 1982, Part XII, at Art. 206. 101 Convention to Combat Desertification in Those Countries Experiencing Serious Drought and/or Desertification, 17. Juni 1994, 33 I.L.M. 1328.
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flüsse auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt mitgeteilt werden.102 Artikel 4 Abs. 1 (f) der UN-Klimarahmenkonvention bezieht sich auf „impact assessments formulated with a view to minimising adverse effects on the economy, on public health and on the quality of the environment.“ Die Espoo-Konvention, auf deren Grundlage die EG-UVP-Richtlinie entwickelt wurde, bezieht sich laut Artikel 1 (vii) auf alle Einflüsse auf die Umwelt, einschließlich der auf die menschliche Gesundheit und Sicherheit und der Einflüsse auf das kulturelle Erbe oder die sozioökonomischen Bedingungen. Internationale Entwicklungsbanken und Finanzinstitute beziehen soziale Prüfungen in ihre UVP-Verfahren ein, oder regeln diese davon getrennt. So war die Weltbank nicht nur die erste Institution, die eine UVP vorschrieb. Die heutigen Verfahren schreiben auch die Einbeziehung von Themen wie indigene Völker und soziokulturelle Aspekte der Entwicklung vor.103 Daher lässt sich feststellen, dass UVPs immer stärker auch soziale Einflüsse, neben den Umwelteinflüssen, untersuchten. Allerdings haben parallele Prüfungen auch Nachteile, die im Folgenden noch diskutiert werden sollen. 2. Strategische Umweltprüfung: Von Projekten zu Plänen, Programmen und Politiken Während der letzten 25 Jahre entwickelte sich die UVP zu einem umfassenden und leicht anzuwendenden Rechtsinstrument. Nichtsdestotrotz wird immer wieder die Ansicht vertreten, dass sie bisher nicht dazu dienen konnte, schwere globale und regionale Umweltprobleme, die durch wirtschaftliches Wachstum erzeugt wurden, zu bewältigen. Die Umweltzerstörung ist teilweise in Ausmaß und Art heutzutage noch bedeutender als zu der Zeit, als die UVP zu Beginn der 70er Jahre eingeführt wurde. Da die UVP klassischerweise nur für einzelne Projekte durchgeführt wurde, konnte sie auch nur eine eng begrenzte Lösung für Umweltprobleme anbieten. Ein umfassenderer und pro-aktiver Ansatz ist nötig, um die vielfältigen Probleme der Umweltverschmutzung anzugehen. Häufig werden Umweltprobleme durch Initiativen, wie etwa Wirtschaftspolitik, Energie- und Transportpläne erzeugt, die das Ziel der nachhaltigen Entwicklung nur mangelhaft umsetzen.104 Um dieser Situation zu begegnen, wurden zusätzlich zu den ProjektUVPs auch strategische Umweltprüfungen entwickelt. „Projekt“ 102
Siehe online http://www.basel.int/text/documents.html (März 2007). Siehe Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and the Environment: Legal Instruments for Achieving Environmental Objectives in: Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank in a Changing World, Vol. II (1995). Siehe auch Ibrahim F. I. Shihata, The World Bank and the Environment: A Legal Perspective, 16 Maryland Journal of International Law and Trade 1 (1992) und oben unter Teil 1, A. V. 2. 104 Environmental Impact Assessment; Issues, Trends and Practice, UNEP, June 1996, Abs. 6.1. 103
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meint dabei die Ausführung von bestimmten Konstruktionsarbeiten oder andere Eingriffe in die Natur oder die Umwelt sowie Bergbauprojekte. Auf der nationalen und internationalen Ebene werden ProjektUVPs in erster Linie gemäß der Entwicklungsprioritäten, zunehmend aber auch im Zusammenhang mit Investitions- oder Kreditentscheidungen durchgeführt.105 Strategische Umweltprüfungen sind demgegenüber komplexer. Sie weiten den Anwendungsbereich der UVP-Regelungen aus, manchmal auch durch weniger formelle Bestimmungen, um auch frühere Planungsstadien, insbesondere bei Politiken, Plänen und Programmen zu erfassen.106 So kann zum Beispiel eine strategische Umweltprüfung für die Erstellung eines nationalen, regionalen oder lokalen Entwicklungsplanes durchgeführt werden. Es gibt allerdings nur sehr wenige Länder, in denen Prüfungsverfahren auch für Gesetzesvorhaben oder Verordnungsentwürfe und die zugrunde liegenden politischen Entscheidungen angewendet werden. Auf der internationalen Ebene gibt es Maßnahmen, die nicht Teil eines formalen Planes sind, aber dennoch Umweltauswirkungen haben können. Hierzu zählen zum Beispiel strukturelle oder sektorielle Anpassungsprogramme, Freihandelsübereinkommen oder andere politische Initiativen. Die europäische Kommision gab eine Studie über das Verhältnis zwischen ProjektUVP und strategischen Umweltprüfungen in Auftrag. Es wurde festgestellt, dass ProjektUVPs nicht durch strategische Umweltprüfungen ersetzt werden können. Sie dienen vielmehr zu deren Ergänzung. Schon von der Definition einer strategischen Umweltprüfung her betrifft diese Handlungsalternativen, die auf Projektebene nicht existieren. Außerdem werden durch strategische Umweltprüfungen häufig die Zeit und die Kosten für nachfolgende ProjektUVPs reduziert.107 Zur Zeit gibt es mehrere völkerrechtliche Verträge, die strategische Umweltprüfungen beinhalten. Ein erster Schritt wurde in der Espoo-Konvention in diese Richtung gemacht. So bestimmt Artikel 2 (7), dass „environmental impact assessments as required by this convention shall, as a minimum requirement, be undertaken at the project level of the proposed activity.“ In unverbindlicherer Sprache wird fortgeführt, „to the extent appropriate, the Parties also commit to apply the principles of environmental impact assessment to policies, plans and programmes.“ Die Europäische Gemeinschaft hat die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme als rechtlich verbindliches 105
Vgl. beispielsweise die UVP-Richtlinie Art 1(2). UNEP, Principles of Environmental Impact Assessment, Environmental Policy and Law, 2. Aufl. 2003; Abs. 6.30 ff. 107 S. Nooteboom, Strategic Decisions and Project Decisions: Interactions and Benefits, Ministry of Housing Spacial Planning and the Environment of The Netherlands, with the support of the European Commission DGXI (1999). S. 5. 106
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Instrument erlassen.108 Die Sekretariate der Espoo-Konvention und der AarhusKonvention109 begleiteten im Zeitraum 2001–2002 die Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll zur Espoo-Konvention über strategische Umweltprüfungen. Der Text für das Protocol on Strategic Environmental Assessment to the Convention on Environmental Impact Assessment in a Transboundary Context (Kiew-Protokoll) wurde am 21. Mai 2003 in Kiew verabschiedet und bisher von 37 Staaten unterzeichnet.110 Es bezieht sich auf Pläne und Programme.111 Das Protokoll soll dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung dienen. In der Präambel heißt es: „Committing themselves to promoting sustainable development and therefore basing themselves on the conclusions of the United Nations Conference on Environment and Development (Rio de Janeiro, Brazil, 1992), in particular principles 4 and 10 of the Rio Declaration on Environment and Development and Agenda 21, as well as the outcome of the third Ministerial Conference on Environment and Health (London, 1999) and the World Summit on Sustainable Development (Johannesburg, South Africa, 2002)“. Dabei zeichnet sich das Protokoll vor allem durch die Betonung der Auswertung von Gesundheitsauswirkungen in strategischen Umweltprüfungen aus, vgl. Art. 2.7 Kiew-Protokoll. Darüber hinaus gibt es einige internationale Verträge, die zwar nicht zwingend die Durchführung einer strategischen Umweltprüfung vorsehen, aber doch ähnliche Ansätze verfolgen. So bestimmt die UN-Konvention über Biodiversität in Artikel 14 b), dass jede Vertragspartei, soweit möglich und sachgemäß, angemessene Vorkehrungen treffen soll, damit bei den Umweltfolgen von Plänen und Politiken auch die negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt berücksichtigt werden. 3. Integrierte Nachhaltigkeitsprüfung Der Wert der UVP als Instrument, um die nachhaltige Entwicklung zu fördern, wurde in Prinzip 17 der Rio-Deklaration anerkannt. Seit dem Ende der 90er Jahre gibt es Vorschläge, auch Nachhaltigkeitsprüfungen durchzuführen, 108
Siehe oben 1. Teil, A. V. 1. Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-making and Access to Justice in Environmental Matters, June 25, 1998, 38 I.L.M. 517, online http://www.unece.org/env/pp (März 2007). 110 Espoo Sekretariat, online http://www.unece.org/env/eia/sea_protocol.htm (März 2007). 111 Art. 4.2 Kiew-Protokoll definiert den Anwendungsbereich: „2. A strategic environmental assessment shall be carried out for plans and programmes which are prepared for agriculture, forestry, fisheries, energy, industry including mining, transport, regional development, waste management, water management, telecommunications, tourism, town and country planning or land use, and which set the framework for future development consent for projects listed in annex I and any other project listed in annex II that requires an environmental impact assessment under national legislation.“ 109
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die wirtschaftliche, soziale und Umweltfaktoren beinhalten. Derartige Nachhaltigkeitsprüfungen befinden sich noch in der Entwicklungsphase, dienen aber langfristig dem Ziel der Nachhaltigkeit.112 Sie basieren auf Verfahrensneuerungen, wie etwa den internationalen Nachhaltigkeitsindikatoren,113 und nutzen das Fachwissen vieler Bereiche der Gesellschaft.114 Bisher hat nur die Europäische Kommission eine unverbindliche Nachhaltigkeitsprüfung durchgeführt, viele andere Staaten erwägen jedoch ihre Einführung.115 Ihre Bemühungen werden von den Arbeiten verschiedener NGOs begleitet, die ebenfalls Initiativen in diese Richtung angeschoben haben.116 Dabei wurden einige als Expertenstudie und andere mit breiter öffentlicher Beteiligung erstellt.117 Nachhaltigkeitsprüfungen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie alle Nachhaltigkeitsaspekte holistisch überprüfen. Dies birgt die Gefahr, dass eine Nachhaltigkeitsprüfung nicht viel mehr als das Ausfüllen einer langen Checkliste wird. Das Einbeziehen wirtschaftlicher Kriterien könnte dazu führen, dass diese doppelte Beachtung finden.118 Einerseits bildet eine wirtschaftliche Entscheidung meist den Ansatzpunkt für die Nachhaltigkeitsprüfung und andererseits sollen ökonomische Erwägungen bei der Prüfung die gleiche Rolle spielen wie soziale und umweltpolitische Aspekte. Diese Bedenken hängen aber von der konkreten Ausgestaltung der Nachhaltigkeitsprüfung ab. So kann die Vernachlässigung der sozialen Dimension durch die Qualität der Überprüfung und breite öffentliche Beteiligung sichergestellt werden. Wenn die wirklichen Nachhaltigkeitsbedenken nicht ausreichend erwogen werden, kann die Umweltprüfung im besten Fall wenig bewirken und im schlechtesten Fall das individuelle oder das kollektive Gewissen erleichtern.119
112 Mireille Perrin, (1999) ,Sustainability Assessment of Trade Liberalisation Agreements‘, Workshop paper Methodologies for Environmental Assessment of Trade Liberalization Agreements, OECD, Paris. 113 B. Moldan/S. Billharz, Sustainability Indicators: Report of the Project on Indicators of Sustainable Development, SCOPE 58. 114 D. W. Pearce/G. D. Atkinson, Capital theory and measurement of sustainable development: an indicator of „weak“ sustainability. Ecological Economics, 8, S. 103 (1993). 115 Vgl. Robert Gibson, Sustainability Assessment – Criteria and Processes, 1. Aufl. London 2005. 116 Hierzu mehr im 2. Teil, B. und C. 117 OECD, Timing and Public Participation Issues in Undertaking Environmental Assessments of Trade Liberalisation agreements, OECD Secretariat, paper presented at Workshop on Methodologies for Environmental Assessment of Trade Liberalization Agreements, OECD, Paris, October. 118 Santarius/Dalkmann/Steigenberger/Vogelpohl, Balancing Trade and Environment – An Ecological Reform of the WTO as a Challenge in Sustainable Global Governance, Wuppertal Papers 133, Februar 2004, S. 43. 119 Marie-Claire Cordonier Segger/Ashfaq Khalfan, Sustainable Development Law: Principles, Practices and Prospects, S. 97.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Auf der anderen Seite ist es sehr wichtig, die Verbindungen zwischen den sozialen, den wirtschaftlichen und den Umweltaspekten aufzudecken. Es war bisher nicht einfach zu beurteilen, ob ein „Entwicklungsprojekt“ auch wirklich dem sozialen Fortschritt oder der Umwelt dient. Die Nachhaltigkeitsprüfung kann hierfür eine Lösung anbieten. Erstens können soziale Erwägungen durch die Prüfung mehr Aufmerksamkeit erlangen als dies bei reinen ProjektUVPs der Fall war. Zweitens hat eine einzige integrierte Prüfung den Vorteil, dass Kosten gespart werden können und Verfahren nur einmal durchgeführt werden müssen. Drittens können bei Nachhaltigkeitsprüfungen Verbindungen aufgezeigt werden, die bei parallelen Prüfungen verloren gehen. Außerdem werden verschiedene gesellschaftliche Gruppen dazu bewegt, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Ein sehr wichtiges Element der Nachhaltigkeitsprüfung ist die öffentliche Beteiligung, genauso wie dies bei ProjektUVPs seit Anfang der 70er Jahre der Fall ist.120 Dies wird auch von Prinzip 10 der Rio-Deklaration hervorgehoben: „Environmental issues are best handled with the participation of all concerned citizens at the relevant level. At the national level, each individual shall have appropriate access to information concerning the environment that is held by public authorities, including information on hazardous materials and activities in their communities, and the opportunity to participate in decision making processes. States shall facilitate and encourage public awareness and participation by making information widely available. Effective access to judicial and administrative proceedings, including redress and remedy, shall be provided.“ Dieses Bekenntnis zu Transparenz, öffentlicher Beteiligung und Zugang zur Justiz kommt auch in der Agenda 21 zum Ausdruck, die zwar kein Völkerrecht bildet, aber dennoch den Konsens von über 160 Staaten widerspiegelt. Der Grundsatz findet auch in Artikel 2 (6) und noch deutlicher in Artikel 3 (8) der Espoo-Konvention Erwähnung. Die Vertragsparteien haben sich verpflichtet, „to ensure that the public of the affected Party in the areas likely to be affected be informed of, and be provided with possibilities for making comments or objections on, the proposed activity, and for the transmittal of these comments or objections to the competent authority of the Party of origin, either directly to this authority or, where appropriate, through the Party of origin.“ Die Verfahrensregelungen, die die öffentliche Beteiligung sichern, haben das Ziel, die Daten verfügbar zu machen und so den Entscheidungsprozess zu öffnen. Die Nachhaltigkeitsprüfung ist von Beginn an als Instrument mit öffentlicher Beteiligung entworfen.121 In allen Phasen des Verfahrens sollen gesellschaftliche Gruppen beteiligt werden. 120 Normalerweise muss ein Projekt jedenfalls mit der von ihm betroffenen Bevölkerung abgestimmt werden. Mögliche andere Beteiligte sind Gemeinden, Projektbegünstigte, unterschiedliche Regierungsstellen und sonstige NGOs.
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Die Entwicklungslinie der Nachhaltigkeitsprüfungen ist bemerkenswert. Es hat sich ein Rechtsinstitut, das auf nationaler Ebene und projektbezogen begann, zu einem internationalen Verfahrensinstitut entwickelt. Nachhaltigkeitsprüfungen können Empfehlungen für Staaten und internationale Organisationen auf vielen verschiedenen Ebenen aussprechen. Dabei sollte das Subsidiaritätsprinzip beachtet werden.122 Die genauen methodischen Vorschläge zur Nachhaltigkeitsprüfung werden in einem späteren Abschnitt der Arbeit untersucht.123
VII. Das Vorsorgeprinzip in der WTO Zum Vorsorgeprinzip in der WTO sind schon einige umfangreiche Darstellungen erschienen.124 Sie legen ein Hauptaugenmerk auf die materiellen Auswirkungen des Prinzips. In dieser Darstellung soll vor allem der Verfahrensteil des Vorsorgeprinzips im Vordergrund stehen. Allerdings muss dazu auch die allgemeine Diskussion kurz erläutert werden. 1. Rechtsquellen der WTO Bevor die Rechtsquellen im Einzelnen geprüft werden, wird die Frage erörtert, ob es neben den WTO-Verträgen und der Vertragspraxis für die Welthandelsorganisation noch andere Rechtsquellen gibt. Für das GATT 1947 wurde dies häufig mit dem Hinweis verneint, es liege ein self-contained regime vor, auf das andere Rechtsquellen keinerlei Einfluss hätten. Der Appellate Body (AB),125 das WTO-Organ für Überprüfungen von Panelentscheidungen (Art. 17.1 DSU), wandte sich gegen diese Auffassung. Dieser entschied, dass „the GATT is not to be read in clinical isolation from international public law.“126 121 OECD, Timing and Public Participation Issues in Undertaking Environmental Assessments of Trade Liberalisation agreements, OECD Secretariat, paper presented at Workshop on Methodologies for Environmental Assessment of Trade Liberalization Agreements, OECD, Paris, October, 1999. 122 J. Usher, Protection of the environment through trade restrictions and the Community’s external relations: the respective competence of the Community and of its member states, in: Cameron/Demaret/Geradin, Trade and the Environment: the Search for Balance. Vol. 1. (Cameron and May: London, 1994) at pp. 261–276; siehe auch Konrad von Moltke, The Maastricht Treaty and the Winnipeg Principles on Trade and Sustainable Development (IISD: Winnipeg, 1995). 123 Siehe unten 2. Teil. 124 Vgl. Nachweise bei Barbara Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, Diss. Hamburg 2001, online: http://www.sub.uni-hamburg.de/disse/451/Disse.pdf. (März 2007). 125 In deutscher amtlicher Übersetzung genannt Ständiges Berufungsgremium, eine eher unglückliche Bezeichung, da es gerade nicht um Berufungen sondern nur um Rechtsprüfungen geht (Art. 17.6 DSU). 126 US – Gasoline, Appellate Body Report, WT/DS 2/AB/R.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Mit dem Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht ist jedoch die Auflistung der Rechtsquellen des WTO-Rechts noch nicht beendet. Es kommen noch fundamentale Rechtsprinzipien insbesondere aus den Mitgliedstaaten hinzu.127 Diese Rechtsquelle war für die Interpretation des EG-Rechts sehr wichtig.128 Allerdings ist der Mitgliederkreis der WTO weniger homogen, als dies bei der EG der Fall ist. Daher kann ein Rechtsprinzip in der WTO nur Gültigkeit beanspruchen, wenn es allen großen Rechtssystemen weltweit gemein ist, wobei es dann auch nahe liegt, es als allgemeinen Rechtsgrundsatz im Völkerrecht anzuerkennen. Der Appellate Body hat bisher erst in einem Fall auf diese Rechtsquelle zurückgegriffen. Im Fall US – Shirts and Blouses wurde entschieden, dass diejenige Partei, die eine Tatsache behauptet, auch für deren Beweis verantwortlich ist. Dazu führte der Appellate Body aus, „that various international tribunals, including the International Court of Justice, have generally and consistently accepted and applied the rule that the party who asserts a fact, whether the claimant or the respondent, is responsible for providing proof thereof. Also, it is a generally-accepted canon of evidence in civil law, common law and, in fact, most jurisdictions, that the burden of proof rests upon the party, whether complaining or defending, who asserts the affirmative of a particular claim or defence.“129 Der Appellate Body hat diese Rechtsquelle also im Prinzip akzeptiert, auch wenn die Anerkennung des jeweiligen Grundsatzes durch internationale Gerichte hinzukommen muss. Nur fundamentale Prinzipien bilden diese zusätzliche Rechtsquelle. Wenn man die herausragende Stellung des Vorsorgeprinzips im EG-Vertrag beachtet, so sollte auch die Verankerung der Vorsorge in den übrigen WTO-Mitgliedstaaten Erwähnung finden. a) WTO-Verträge Zunächst muss festgestellt werden, dass es im WTO-Recht keine ausdrücklichen Hinweise auf das Vorsorgeprinzip gibt. Dennoch lässt sich aus mehreren Vorschriften der Schluss ziehen, dass das Vorsorgeprinzip auch in den Verträgen der WTO seinen Niederschlag findet. (1) Die Präambel des WTO-Vertrages In der Präambel des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) findet sich im 1. Absatz der Hinweis darauf, dass „while allow127 Meinhard Hilf, Power, Rules and Principles – Which Orientation for WTO/ GATT Law?, JIEL 2001, S. 111, 113. 128 Thomas Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. München 1999, S. 185. 129 US – Measure Affecting Imports of Woven Wool Shirts and Blouses from India, WTO-Dokument WT/DS33/AB/R und Corr.1, angenommen am 23.05.97, para. 14.
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ing for the optimal use of the world’s resources in accordance with the objective of sustainable development, seeking both to protect and preserve the environment and to enhance the means for doing so in a manner consistent with their respective needs in concern in different levels of economic development“. Die Erwähnung des Ziels einer nachhaltigen Entwicklung in der Präambel des WTO-Übereinkommens steht sowohl in der Wortwahl, systematisch wie auch historisch, im Zusammenhang mit den parallel stattfindenden Verhandlungen der Rio-Konferenz 1992.130 Sie stellt demzufolge einen Bezug zur Rio-Deklaration und den darin enthaltenen Prinzipien und Regelungen dar. Die Vorschrift wurde auch durch die WTO-Streitbeilegung interpretiert. Im Shrimps-Fall stellte das Panel fest, dass „the first paragraph of the Preamble of the WTO Agreement acknowledges that the optimal use of the world’s resources must be pursued in accordance with the objective of sustainable development (Hervorhebung im Text)“.131 Im gleichen Fall entschied der Appellate Body, dass nachhaltige Entwicklung „must add colour, texture and shading to our interpretation of the agreements annexed to the WTO Agreement“.132 Grundsätzlich lässt sich aus diesen Stellungnahmen schließen, dass die WTO neben dem freien Welthandel zumindest auch der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet ist. Hier wird über die Interpretation der Vorschriften im Sinne der nachhaltigen Entwicklung schon ein mögliches Verfahren aufgezeigt. Damit muss die WTO auch Verfahren finden, um das Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu verwirklichen. (2) Das SPS-Übereinkommen Das Übereinkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen, das im Zusammenhang mit dem Landwirtschaftsübereinkommen als Anhang zum GATT 1994 beschlossen und erlassen wurde, enthält an drei unterschiedlichen Stellen eine Wertung, die dem Vorsorgeprinzip entspricht.133 (a) Vorsorgliche Maßnahmen (Art. 5.7 SPS) Wenn das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht ausreicht, so gestattet Art. 5.7 SPS, dass die Mitglieder vorübergehend (provisionally) SPSMaßnahmen erlassen können. Der AB hat daraus gefolgert, dass das SPS in 130
Vgl. ausführlich in der Einleitung. US – Import Prohibition of certain Shrimp and Shrimp Products, vom 15.05. 1998, WT/DS58/R, para. 42. 132 US – Import Prohibition of certain Shrimp and Shrimp Products vom 12.10. 1998, WT/DS58/AB/R, para. 153. 133 Hierzu ausführlich Barbara Eggers, The Precautionary Principle in WTO Law, Diss. Hamburg 2001, S. 246 ff. 131
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Art. 5.7 einen Anwendungsfall des Vorsorgeprinzips regelt.134 Bei Ergreifen einer solchen Maßnahme haben die Mitglieder die Pflicht, sich um zusätzliche Informationen zu bemühen und innerhalb einer vertretbaren Frist die Maßnahme zu überprüfen. Es lassen sich keine generellen Aussagen über die Länge dieser Frist treffen. Ob der Zeitraum vertretbar ist, ist von Fall zu Fall zu entscheiden.135 In EC – Hormones hatte sich die EG nicht auf dieses Verfahren berufen. (b) Art. 3.3 SPS Die WTO-Mitglieder können ein höheres Schutzniveau als das eines internationalen Standards wählen (Art. 3.3 SPS), wenn hierfür eine wissenschaftliche Begründung vorliegt oder wenn die Maßnahme sich als Ergebnis einer Risikobewertung darstellt. Der Wortlaut der Vorschrift ist an dieser Stelle nicht eindeutig. Die Wortwahl erweckt den Eindruck, als könne entweder eine wissenschaftliche Begründung vorgelegt oder ein höheres Schutzniveau gewählt werden. Der AB trat dieser Ansicht jedoch entgegen. Der Sinn und Zweck des Art. 3.3 SPS sei nicht, die vorsichtig ausgehandelte Balance zwischen der Förderung des Welthandels und dem Gesundheitsschutz, die in Art. 5.1 SPS zum Ausdruck kommt, außer Kraft zu setzen. Somit muss in jedem Fall eine Risikobewertung gemäß Art. 5.1 SPS durchgeführt werden.136 Trotzdem hat der AB auch in dieser Vorschrift das Vorsorgeprinzip verankert gesehen. (c) Die Präambel des SPS-Übereinkommens Auch die Präambel des SPS-Übereinkommens enthält Anhaltspunkte für das Vorsorgeprinzip. Im ersten Absatz findet sich der Hinweis, dass kein Mitglied „should be prevented from adopting or enforcing measures necessary to protect human, animal or plant life or health“. Hier kommt zum Ausdruck, dass die Mitglieder der WTO sehr wohl berechtigt sind, notwendige Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Umwelt zu treffen. Die Vorschrift drückt aus, dass es sich dabei nicht nur um Maßnahmen handelt, die die Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen wieder herstellt, sondern es sich gerade auch um Maßnahmen für die Bewahrung des angesprochenen Schutzgutes handelt. Die Staaten sollen berech-
134
EC – Hormones, AB-Report, Abs. 124; ausführlich Noiville, J.D.I. 2000, S. 263,
271. 135 Japan-Agricultural Products, AB-Report, Abs. 93. In dem Fall hatte Japan 30 Jahre lang keine zusätzlichen Informationen gesammelt, die zu neueren Erkenntnissen geführt hätten, vgl. Japan-Agricultural Products, Panel Report, Abs. 8.57. 136 EC – Hormones, s. o., Abs. 177.
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tigt sein, zukunftsweisende Maßnahmen zu treffen, also Vorsorge für die Gesundheit der Menschen und vorsorgliche Maßnahmen zum Schutze der Umwelt. In Absatz 6 der Präambel kommt das Recht der WTO-Mitglieder noch deutlicher zum Ausdruck. Dort wird die internationale Harmonisierung angesprochen, jedoch „without requiring members to change their appropriate level of protection of human, animal or plant life of health“. Das in diesem Absatz angesprochene Schutzniveau enthält ebenfalls, wenn auch stillschweigend, einen Hinweis auf das Vorsorgeprinzip. Die Mitglieder sollen in die Lage versetzt werden, ihr eigenes Schutzniveau, das heißt den eigenen Grad der von ihnen als angemessen angesehenen Vorsorge bestimmen zu können. (3) Das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT) Genauso wie das SPS enthält auch das Agreement on Technical Barriers to Trade (TBT) keinen ausdrücklichen Hinweis auf das Vorsorgeprinzip. Dennoch lassen sich Vorschriften des TBT-Übereinkommens so auffassen, dass hier den Staaten ein gewisser Spielraum zum Ergreifen von Maßnahmen zum Schutze der Umwelt und der Menschen eingeräumt wird. Im Verfahren um das Asbestverbot von Frankreich wurde diskutiert,137 ob das TBT verletzt sein könnte. Hierbei argumentierte Kanada, dass das Vorsorgeprinzip im TBT-Übereinkommen weniger Geltung beanspruchen könne als beim SPS-Übereinkommen. Kanada bezog sich dabei auf die Entscheidung des AB im Fall Japan-Agrarprodukte, wonach „the precautionary principle cannot, in itself, justify a violation of any of the obligations of the SPS Agreement. If this is true in the case of the SPS Agreement, it is even more so in the case of the TBT Agreement, which invokes this principle much more vaguely. Nor can the precautionary principle be invoked to justify the attainment of a zero risk.“138 Da das TBT das Vorsorgeprinzip, also viel weniger und ungenauer in seinem Text enthält, muss das Vorsorgeprinzip, entgegen Kanadas Vorbringen, in einem stärkeren Maße als Auslegungsregel angewendet werden. Weil WTO-Mitglieder mehr Ermessensspielraum bei der Umsetzung der TBT-Verpflichtungen haben, muss es für das Mitglied viel einfacher sein, sich auf das Vorsorgeprinzip zu berufen. Während Kanadas umgekehrtes „Vorsorgeargument“ nicht überzeugen konnte, warfen dennoch einige Ausführungen des Panels in Bezug auf das TBT Fragen auf, über die der AB zu verhandeln hatte. Das Panel hatte entschieden, 137 EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products (EC – Asbestos), Panelbericht, WT/DS135/R. 138 EC – Asbestos, panel report, at para. 3.311, diese Auffassung hat der Appellate Body jüngst im Japan-Apples Fall bestätigt, Japan – Measures Affecting the Importation of Apples, AB-2003-4, WT/DS245/AB/R vom 26. November 2003.
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dass das TBT insgesamt nicht auf das Asbestverbot anwendbar war. Diese Einschätzung teilte der AB nicht. Er entschied, dass das Verbot sehr wohl eine technische Regelung im Sinne des TBT darstellte. Er sah sich aber außerstande, die konkrete Verletzung des TBT zu untersuchen, da er nur für Rechtsfragen und nicht für tatsächliche Feststellungen das Mandat besitzt.139 Daher enthielt die Entscheidung des AB keine weiterführende Interpretation des TBT. Hier bleibt abzuwarten, wie der AB in Zukunft den Stellenwert des Vorsorgeprinzips bewerten wird. (a) Präambel des TBT In der Präambel des TBT findet sich in Absatz 6 der Hinweis: „No country should be prevented from taking measures necessary to ensure the quality of its exports or for the protection of human, animal or plant life or health, of the environment, or the prevention of deceptive practices, at the levels it considers appropriate“. Die hier genannte Aufzählung ist noch umfassender als die des SPS; so wird hier die Umwelt als eigenes anerkanntes Schutzgut genannt, für das die Staaten Maßnahmen treffen. Auch hier kommt der Vorsorgegedanke zum Ausdruck. (b) Berechtigte Schutzziele nach Art. 2 TBT Die berechtigten Schutzziele, die Art. 2.2 TBT nennt, enthalten neben dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen sowie des Lebens oder der Gesundheit von Tieren und Pflanzen auch das berechtigte Ziel des Schutzes der Umwelt. Natürlich ist mit diesem Hinweis das Vorsorgeprinzip noch nicht ausdrücklich angesprochen. Versteht man jedoch das Vorsorgeprinzip im Sinne eines Offenhaltens von Optionen zum Schutze der Umwelt, so setzt auch diese Vorschrift das Vorsorgeprinzip um. b) DSB-Entscheidungen als Vertragspraxis140 Eine besondere Stellung in der WTO haben die Entscheidungen der Streitbeilegung.141 Zwar gibt es kein stare decisis, aber die Panel- und vor allem die 139 Vgl. hierzu kritisch Joost Pauwelyn, Cross-agreement complaints before the Appellate Body: A case study of the EC – Asbestos dispute, WTR Nr. 1 (2002). 140 Vgl. Nathalie Bernasconi-Osterwald, u. a., Environment and Trade: A Guide to WTO Jurisprudence – A Guide to WTO Jurisprudence, 1. Aufl. London 2006. 141 Siehe hierzu Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, angenommen am 1.11. 1996, WT/DS8; DS10DS11/AB/R, para. 14–15. Der Appellate Body entschied, dass „the legal history and experience under the GATT 1947“ Teil der neuen WTO geworden sei. Angenommene Panelberichte seien, so der AB, „an important part of the GATT acqui“, und würden berechtigte Erwartungen unter den WTO-Mitgliedern we-
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Appellate Body-Entscheidungen sind autoritativ, sind Teil der Vertragspraxis der WTO-Mitgliedsstaaten.142 Es gibt eine Tendenz innerhalb der Panelpraxis, Appellate Body-Entscheidungen zu respektieren. Bis heute lassen sich in keinem nachfolgenden Panelbericht Abweichungen in gleicher Angelegenheit von einer früheren AB-Entscheidung feststellen.143 (1) Die Gasoline-Entscheidung Bei der Gasoline-Entscheidung144 ging es vor allem um US-Benzinstandards, die von Venezuela angegriffen wurden. In dieser ersten Appellate Body-Entscheidung, die insgesamt zu Lasten der Umwelt entschieden wurde, erlaubte sich der AB einen interessanten Hinweis: Im letzten Absatz vertritt der AB die Ansicht, dass das GATT die Mitglieder nicht davon abhalte, umweltschützende Maßnahmen zu ergreifen: „WTO members have a large measure of autonomy to determine their own policies on the environment (including its relationship with trade), their environmental objectives and the environmental legislation they enact and implement.“145 Die Autonomie werde nur dadurch begrenzt, dass das GATT oder andere WTO-Übereinkommen zu respektieren seien. Eine Vorsorgeorientierung lässt sich an diesem Offenhalten von Optionen für die Mitgliedstaaten erkennen. (2) Die Hormones-Entscheidung Den Hintergrund dieses Streites146 bildete eine jahrelange Auseinandersetzung über die Zulässigkeit von Wachstumshormonen bei der Rinderzucht. Schon seit 1981 standen sich die EG und die USA sowie Kanada im Hormonkonflikt gegenüber. Hormone dürfen von nordamerikanischen Farmern als Wachstumsförderer bei der Aufzucht von Rindern eingesetzt werden. In Europa ist dies wegen massiver Verbraucherproteste nach den Hormonskandalen An-
cken und müssen daher im Streitbeilegungsverfahren beachtet werden, wenn sie relevant sind. 142 John H. Jackson, The World Trading System, 2. Aufl. 1997, S. 122 und 126 und Markus Gehring/Jarrod Hepburn/Marie-Claire Cordonier Segger, World Trade Law in Practice, 1. Aufl. London 2006, S. 12. 143 Vgl. Markus Gehring, The Precautionary Principle in recent World Trade Organization (WTO) practice, Thesaurus acroasium 2002, S. 585. 144 United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline (US – Gasoline), Appellate Body, AB-1996-1, WTO-Dokument WT/DS2/AB/R, angenommen 20.05.96. 145 US – Gasoline, Appellate Body Report, letzter Absatz. 146 EC – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), (EC – Hormones), Panelberichte WT/DS26/R/USA und WT/DS48/R/CAN, Appellate Body-Berichte WT/DS26/AB/R und WT/DS48/AB/R, angenommen am 13.02.98.
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fang der 80er Jahre verboten.147 Besonders die nordamerikanischen Farmer wurden von dieser Maßnahme hart getroffen. Sie erlitten Exportausfälle von mindestens 100 Mio. Dollar jährlich. Vor dem Abschluss der Uruguay-Runde konnte in dem Konflikt keine Einigung erreicht werden. Die USA versuchten zwar, die EG zu einem Streitbeilegungsverfahren unter dem TBT 1979 zu bewegen, die EG verweigerte dies jedoch.148 Mit dem Inkrafttreten des SPS und der obligatorischen Streitbeilegung konnte die EG ein Panel-Verfahren im Hormonstreit nicht mehr abwehren. Hinzu kam, dass die Codex Alimentarius-Kommission (CAK)149 1995 auf Antrag der USA mit einfacher Mehrheit gegen die Stimmen der EG-Mitgliedstaaten internationale Hormonstandards erlassen hatte, die das europäische Niveau im Gesundheits- und Verbraucherschutz zum Teil erheblich unterschritten. Nach der Einsetzung ein und desselben Panels für das von den USA und von Kanada beantragte Verfahren im Oktober 1996 erstellte das Panel zum 18. August 1997 zwei fast identische Berichte.150 Es kam zu dem Ergebnis, dass die EG durch das Verbot der Verwendung von Wachstumshormonen in drei Punkten gegen das SPS verstieß.151 Erstens beruhte aus Sicht des Panels die Maßnahme nicht auf einer Risikobewertung (Art. 5.1 SPS), weil der wissenschaftliche Nachweis der Gesundheitsgefahr nicht geführt werden konnte. Zweitens sei Art. 5.5 SPS verletzt, weil die EG im Hinblick auf andere Nahrungsmittel willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede im Schutzniveau nicht vermieden hatte. Dies wurde einerseits mit dem natürlichen Vorkommen der betroffenen Hormone, etwa in Eiern oder Brokkoli, sowie mit dem Zulassen von Antibiotika in der Schweinemast begründet. Drittens verstoße die EG-Maßnahme gegen Art. 3.1 SPS, da sie ohne wissenschaftliche Rechtfertigung von den CAK-Standards für Hormone abweiche. Die EG, die USA und Kanada beantragten im Herbst 1997 eine Überprüfung der beiden Panel-Berichte durch den Appellate Body. Er bestätigte in seiner Entscheidung vom 16. Januar 1998152 die Ansicht des Panel im Hinblick auf 147
Richtlinie 81/602/EWG vom 31.7.1981 (ABl. Nr. L 222 v. 7.8.1981, S. 32 ff.). Werner P. Meng, The Hormone Conflict Between the EEC and the United States within the Context of GATT, Michigan Journal of International Law, 1990 (Vol. 11), S. 819 ff. 149 Die Codex Alimentarius-Kommission (CAK) ist eine Unterorganisation der Welternährungsorganisation FAO und der Weltgesundheitsorganisation WHO, online unter http://www.fao.org/es/esn/codex/(Stand Juni 2006). Sie soll weltweit gültige Lebensmittelstandards ausarbeiten. Durch eine einfache Erklärung gegenüber dem Generaldirektor können Mitglieder der FAO und der WHO der Kommission beitreten. Zur Zeit sind 163 Staaten Mitglieder der CAK. In verschiedenen Komitees werden CodexStandards erarbeitet. Vgl. zu den Einzelheiten Gerald Sander, Gesundheitsschutz in der WTO – eine neue Bedeutung des Codex Alimentarius im Lebensmittelrecht?, ZEuS 2000, S. 335 ff. 150 WT/DS26/R/USA bzw. DS48/R/CAN. 151 WT/DS48/R/CAN Abs. IX.1 bzw. WT/DS26/R/USA Abs. 9.1. 152 WT/DS26 und 48/AB/R. 148
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die Verletzung von Art. 5.1 SPS, hob die Entscheidung des Panel bezüglich der Verletzungen von Art. 5.5 sowie 3.1 SPS jedoch auf. Die Interpretation des Panel in Bezug auf Art. 3.1 in Verbindung mit 3.3 SPS, dass die WTO-Mitglieder ihre Standards entsprechend den vorher unverbindlichen CAK-Standards erlassen müssten, revidierte der Appellate Body. Weiterhin sei die unterschiedliche Behandlung von natürlichen und zugesetzten Hormonen nicht willkürlich, womit eine Verletzung von Art. 5.5 SPS ausschied. Selbst im Bereich der Risikobewertung folgte der Appellate Body dem Panel nicht. Beispielsweise könnten die Staaten ihre Risikobewertung auch auf andere als nur rein wissenschaftliche Kriterien stützen, wie zum Beispiel Kontroll- und Überwachungsrisiken. Die EG weigerte sich zunächst, die nachfolgende Entscheidung des Dispute Settlement Body umzusetzen. Daher setzten die USA und Kanada Handelszugeständnisse aus, woraufhin die EG ein Schiedsverfahren nach Art. 22.6 DSU beantragte. Mit der Schiedsentscheidung vom 12. Juli 1999 wurden den USA 116,8 Mio. US-Dollar153 und Kanada 11,3 Mio Kanadische Dollar jährliche Enschädigung in Form von Zugeständnisaussetzungen zugesprochen.154 Die USA wenden dabei das Mittel der rolling tarifs an. Dabei werden nie die gleichen Waren mit einem Strafzoll belegt, sondern immer unterschiedliche Gruppen. Im Jahre 2001 kam es schließlich zu einer Verhandlungslösung zwischen den USA und der EG, um ihren Konflikt in der Sache beizulegen.155 Die Entscheidungen wurden bereits ausführlich diskutiert.156 Die EG rechtfertigte ihre Maßnahme mit dem Vorsorgeprinzip.157 Die USA lehnten dieses Argument als rechtsfehlerhaft ab, da es höchstens einen precautionary approach gebe, der kein generelles Prinzip darstelle, sondern „the content of which may vary from context to context.“158 Im Übrigen sei der Vorsor153
WT/DS26/ARB, Abs. 83. WT/DS48/ARB, Abs. 72. 155 Vgl. Generaldirektion Handel, online http://europa.eu.int/comm/trade/index_en. htm (März 2007). 156 Die Entscheidung hat in der Literatur ein geteiltes Echo hervorgerufen; eher zustimmend bewerten Barbara Eggers, Die Entscheidung des Appellate Body im Hormonfall – Doch ein Recht auf Vorsorge?, EuZW 1998, S. 147 ff.; Sara Pardo Quintillán, Free Trade, Public Health Protection and Consumer Information in the European and WTO Context – Hormone-treated Beef and Genetically Modified Organisms, JWT 33 (6/1999) S. 147 ff. und David R. Hurst, Hormones European Communities – Measures Affecting Meat and Meat Products, EJIL 1998 (9), S. 182 ff. die Entscheidung; eher ablehnend Wybe Th. Douma, The Beef Hormones Dispute and the Use of National Standards under WTO Law, EELR 1999, S. 137 ff. und Reinhard Quick/Andreas Blüthner, Has the Appellate Body Erred? An Appraisal and Criticism of the Ruling in the WTO Hormones Case, JIEL 1999 (2), S. 603 ff.; zur Panel-Entscheidung siehe Meinhard Hilf/Babara Eggers, Der WTO-Panelbericht im EG/USA-Hormonstreit: Anstoß zum grenzenlosen Weltbinnenmarkt für Lebensmittel oder Eigentor der WTO? EuZW 1997, S. 559 ff. 157 EC – Hormones, AB-Bericht, para. 16. 158 EC – Hormones, AB-Bericht, para. 43. 154
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
geansatz schon im SPS enthalten. Kanada formulierte seine ablehnende Haltung vorsichtiger, indem es von einem emerging principle sprach, das aber dennoch nicht den ausdrücklichen SPS-Regelungen vorgehe.159 Der Appellate Body tat sich schwer, das Argument der EG einfach abzulehnen. Er entschied, „that the precautionary principle was regarded by some as having crystallised into a general principle of customary international environmental law . . . We consider, however, that it is unnecessary, and probably imprudent, for the Appellate Body in this appeal to take a position on this important, but abstract, question.“160 Der Appellate Body verwies am Ende seiner Ausführungen zum allgemeinen Vorsorgeprinzip darauf, dass noch eine autoritive Feststellung außerhalb des Umweltvölkerrechts, etwa durch den IGH, fehle. Die Entscheidung in diesem Fall enthält Hinweise auf eine Vorsorgeorientierung bei der Interpretation des WTORechts. Der Appellate Body stellte fest, dass „the risk assessment could set out both the prevailing view representing the „mainstream“ of scientific opinion, as well as the opinions of scientists taking a divergent view.“161 Er entschied also, dass eine wissenschaftliche Mindermeinung als Beweis ausreicht. Diese Aussage spiegelt das Vorsorgeprinzip wider. Die WTO-Mitglieder dürfen gesundheitsschützende Maßnahmen ergreifen, auch wenn sie sich dabei nur auf eine Mindermeinung in der Wissenschaft stützen können. Gerade die Verfahrenskomponente des Vorsorgeprinzips kommt hier zum Ausdruck. Wenn die Frage lautet, in welchem Verfahren die Vorsorge umgesetzt werden kann, so gibt diese Entscheidung des AB hierauf eine Antwort. Die Vorsorge kann durch eine Risikoanalyse realisiert werden, die sich auf die Mindermeinung stützt. Ein anderer Teil der Entscheidung deutet ebenfalls auf eine Vorsorgeorientierung hin. Den Mitgliedsstaaten wurde in der Entscheidung ausdrücklich gestattet, auch nicht-wissenschaftliche Umstände, wie etwa Kontrollprobleme, in ihre Risikoanalyse mit einzubeziehen.162 Der Appellate Body führte aus: „It is essential to bear in mind that the risk that is to be evaluated in a risk assessment under Article 5.1 is not only risk ascertainable in a science laboratory operating under strictly controlled conditions, but also risk in human societies as they actually exist, in other words, the actual potential for adverse effects on human health in the real world where people live and work and die.“163 Man könnte einwenden, dass diese Ausführungen nur darauf hindeuten, dass außerwissenschaftliche Paramenter in die Abwägung mit eingestellt werden sollen. Dies wird jedoch schon durch die „den Umständen angepasste Bewertung der Gefah159 160 161 162 163
EC EC EC EC EC
– – – – –
Hormones, Hormones, Hormones, Hormones, Hormones,
AB-Bericht, AB-Bericht, AB-Bericht, AB-Bericht, AB-Bericht,
para. 60 para. 123. para. 194. paras. 187 und 206. para. 187.
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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ren“ von Art. 5.1 SPS verlangt. Das Panel vertrat die gleiche Auffassung, die auch nicht aufgehoben, sondern von der Entscheidung des Appellate Body noch ausgeweitet wurde. Selbst wenn wissenschaftliche Daten, neben den außerwissenschaftlichen Variablen, vorliegen, sollen diese nicht unter Laborbedingungen ausgewertet werden, sondern – und hier zeigt sich die Vorsorgeorientierung – so als ob das Risiko tatsächlich vorliege. Diese Ausführungen spiegeln damit die Vorsorge wider, die angewendet werden muss, wenn es um Entscheidungen auf Grundlage von Labordaten geht. Hier zeigt sich ebenfalls, dass das Vorsorgeprinzip nicht nur in seinem materiellen Aspekt diskutiert wird, sondern zu konkreten Verfahrensanweisungen genutzt werden kann. (3) Die Asbestos-Entscheidung164 Am 18. September 2000 wurde der Panelbericht zum Fall EC – Asbestos165 veröffentlicht. Der Streit begann im Jahr 1996, als die französiche Regierung das Dekret Nr. 96-1133 verabschiedete, mit dem Asbest und asbesthaltige Produkte verboten wurden. Die Maßnahme war auf den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Bevölkerrung gerichtet. Nach Konsultationen beantragte die kanadische Regierung 1998 ein förmliches WTO-Streitbeilegungsverfahren. Das strittige Dekret sei mit den WTO-Verpflichtungen der EG nicht vereinbar. Insbesondere wurde von Kanada das vollständige Verbot von weißem Asbest (chrysotile asbestos) beanstandet. In seiner Entscheidung prüfte das Panel die Vorschriften des TBT und der Art. III:4 und XX b) GATT1994. Das Panel kam zu dem Schluss, dass das Verbot durch Art. XX b) als notwendige Maßnahme zum Schutz der Gesundheit von Menschen aufrechterhalten werden konnte. Damit kam es erstmals in der Geschichte des GATT zu einer erfolgreichen Anwendung des Art. XX. Die Entscheidung wurde sowohl von Kanada als auch von der EG vor dem Appellate Body angegriffen. Dieser hob wichtige Teile der Panelentscheidung auf und erkannte etwa die Relevanz von Gesundheitsgefahren bei der Bestimmung der Gleichartigkeit in Art. III:4 GATT 1994 an. Besonders in Bezug auf das Vorsorgeprinzip ist diese Entscheidung interessant. Dazu soll zunächst die Panel- und dann die Appellate Body-Entscheidung untersucht werden.
164 Ausführlich hierzu Marie-Claire Cordonier Segger/Markus W. Gehring, The WTO Asbestos Cases and Precaution: Sustainable Development Implications of the WTO Asbestos Dispute, Oxford Journal of Environmental Law, Vol. 15 No. 3, 2003, S. 289 ff.; dies., The Precautionary Principle and the World Trade Organization: Moving towards Sustainable Development, Queen’s Law Journal, Vol. 29 1 Fall 2003, S. 133 ff. und Rosa M. Fernández Egea, El Asunto Amianto. Por Fin una Decisión Saludable, Revista Jurídica Universidad Autónoma de Madrid, No. 5 (2001), S. 215 ff. 165 EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products (EC – Asbestos), Panelbericht, WT/DS135/R.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
(a) Die Panel-Entscheidung Die Panelentscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass sich einerseits an ihr zeigen lässt, wie eine umfassende Geltung des Vorsorgeprinzips die Entscheidung in Teilen verändert hätte und andererseits sie dennoch Ansätze der Beachtung des Vorsorgeprinzips erkennen lässt. Vom Ergebnis her stimmten viele der Entscheidung des Panel zu. Dennoch wirft die Begründung gerade vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips Fragen auf. Bei der Analyse der Gleichartigkeit der Waren gemäß Art. III:4 GATT wurde der Umstand, dass Asbestersatzstoffe eben nicht potentiell lebensbedrohlich sind, außer Acht gelassen, was viele NGOs sehr beunruhigte.166 Insbesondere zwei Punkte sind in Bezug auf das Vorsorgeprinzip näher zu analysieren. Erstens die Like-product-Untersuchung gemäß Art. III:4 GATT 1994 und zweitens die Prüfung des Art. XX GATT 1994. Das Panel untersuchte Art. III GATT 1994 in Bezug darauf, ob das Gesundheitsrisiko ein bestimmender Faktor für die Like-Product-Untersuchung sein kann. Ein wichtiger Untersuchungspunkt für das Panel war die Frage, ob es sich bei weißem Asbest und seinen Substitutprodukten, die hauptsächlich in Frankreich produziert wurden, um gleichartige Produkte handelte. Im Falle der Gleichartigkeit wäre ein Verbot des einen Stoffes zunächst eine Ungleichbehandlung mit inländischen Waren, die Art. III GATT 1994 verletzen würde. Das Panel sah sich durch den Appellate Body Bericht im Fall Japan – Taxes on Alcoholic Beverages dazu angehalten „to apply their best judgement in determining whether in fact products are ,like‘. While this determination will always involve an unavoidable element of individual, discretionary judgement.“167 Hier stand es im Ermessen des Panel, wie es im Einzelfall die Gleichartigkeit von Waren bewertet. Es bestand also vom WTO-Recht her eine Situation, in der die indirekte Anwendung des Vorsorgeprinzips möglich gewesen wäre. Durch eine 166 Siehe ICTSD, Bridges Journal, Year 4 No. 7, S. 9. Über den karzinogenen Charakter von Chrysotile Asbest vgl. International Agency for Research on Cancer, Monograph on the Evaluation of Carcinogenic Risk of Chemicals to Man – Asbestos, 1977, Lyon, Vol. 14 (anerkannte alle Arten von Asbest als krebserregend und stufte sie in Gruppe 1 „Bekannte Karzinogene“ ein); International Labour Organisation, Convention Concerning Safety in the Use of Asbestos (Convention No. 162), angenommen am 24. Juni 1986, http://www.ilo.org/public, Article 10 (empfahl den Ersatz von Astbest durch andere Stoffe und ein Verbot unter bestimmten Umständen); World Health Organisation, Chrysotile Asbestos Evaluated by Health Experts, Press Release WHO/ 51/REV.1, 10 September, 1986, http://www.who.int/archives (empfahl, dass Asbest durch andere Stoffe ersetzt werden sollte); World Health Organisation, International Programme on Chemical Safety, Environmental Health Criteria (203): Chrysotile Asbestos, 1998 (erkannte die krebserregende Wirkung von weißem Asbest an und wiederholte die Forderung nach Substituten). 167 Japan-Taxes on Alcoholic Beverages, Appellate Body report adopted on 1 November 1996, WT/DS8; DS10DS11/AB/R at p. 23.
A. Umweltschutz und Nachhaltigkeit durch Verfahren
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Einfallsnorm, die eine Ermessensentscheidung eröffnet, hätte das Panel auf allgemeinere Prinzipien der WTO-Rechtsordnung zurückgreifen können. Dies tat das Panel indes nicht. Die EG schlug in ihren Anträgen vor, die Giftigkeit eines Produktes zu den wesentlichen Eigenschaften zu zählen. Das Panel sah sich durch die bisherigen Panelentscheidungen daran gehindert. Bisher waren nur vier Faktoren für die Gleichartigkeitsbestimmung herangezogen worden: 1. der Endgebrauch, 2. der Verbrauchergeschmack und -gewohnheiten, 3. die inneren Eigenschaften, die Natur und die äußeren Eigenschaften des Produkts und 4. die Zollklassifikation. Insgesamt, so das Panel, komme es nur auf eine Wettbewerbssituation zwischen den betroffenen Produkten an und die sei für Asbest und Asbestsubstitute klar gegeben. Würde man auch die Gesundheitsgefährlichkeit in die Like-productBestimmung mit einbeziehen, so wäre den WTO-Mitgliedern die Möglichkeit eröffnet, den necessity test des Art. XX GATT 1994 und den chapeau der Vorschrift zu umgehen.168 Die Prüfung des Art. XX GATT 1994 durch das Panel in Bezug auf das französische Dekret beschied das erste Mal in der Geschichte des GATT eine Ausnahme zu den GATT-Verpflichtungen positiv. Die EG war in den Augen des Panel als diejenige Partei, die die Ausnahme geltend machen wollte, verpflichtet, die sie begründenden Tatsachen zu beweisen. Das WTO-Recht legt den Parteien diese prima facie Beweislast auf. Auf den ersten Blick könnte man hier eine weitere Nichtbeachtung des Vorsorgeprinzips vermuten, denn das Asbestverbot wurde gerade angesichts von fehlender wissenschaftlicher Gewissheit (vgl. Rio-Deklaration 15. Prinzip) über die Gefahr erheblicher oder irreversibler Schäden durch den weiteren Gebrauch von Asbest erlassen. Somit hätte bei vollständiger Geltung des Vorsorgeprinzips hier die Beweislast umgekehrt werden müssen. Indes zeigt eine genaue Analyse der Begründung des Panel, dass sehr wohl Vorsorgegesichtspunkte seine Entscheidung leiteten. Für die Anwendung von Art. XX b) GATT 1994 musste das Panel feststellen, dass a) das Verbot eine Politik zum Schutz der menschlichen Gesundheit darstellte, und b) das Verbot auch notwendig (necessary) war, um dieses Politikziel zu erreichen. Es durfte also kein milderes Mittel in dem Sinne geben, dass eine weniger handelsbeschränkende Maßnahme genauso wirksam gewesen wäre und praktisch zur Verfügung gestanden hätte. Die Chapeau-Voraussetzung, dass die Maßnahme auch ordnungsgemäß angewendet wurde, bestätigte das Panel im zweiten Teil der Entscheidung. Es konnte insbesondere keine Diskriminierung zwischen heimischen und ausländischen Asbestprodukten feststellen. Außerdem liege in dem Verbot keine verschleierte Beschränkung des internationalen Handels, da „since in its design, architecture and structure, it was clearly 168
EC – Asbestos, panel report, para 8.130.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
intended for the protection of public health.“ Für die Rechtmäßigkeit der Maßnahme musste das Panel allerdings erst ein Gesundheitsrisiko feststellen. Gerade hier divergierten die Meinungen der Parteien erheblich. Kanada machte geltend, dass weißer Asbest, wenn seine Anwendung richtig kontrolliert erfolgt, keinesfalls gefährlicher als die Substitute sei. Um zu beurteilen, ob die EG in ausreichender Form die Existenz eines Gesundheitsrisikos bewiesen habe, wählte das Panel stillschweigend einen Vorsorgeansatz. Als Beurteilungsmaßstab für die Anwendung von Art. XX b) GATT auf das Asbestverbot sei für jeden Punkt der Prüfung ein fiktiver „decision-maker responsible for taking public health measures“ maßgeblich, nicht einfach das WTO-Mitglied insgesamt.169 Außerdem wendete sich das Panel gegen das Vorbringen Kanadas, bei wissenschaftlicher Unsicherheit im Zweifel keine handelsrestriktive Maßnahme zu treffen. Dieses umgekehrte Vorsorgeprinzip konnte nicht überzeugen. Das Panel entgegnete, dass dies „would mean waiting until scientific certainty, which is often difficult to achieve, has been established over the whole of a particular field before public health measures could be implemented.“170 Auch in diesen Worten spiegelt sich eine Vorsorgetendenz des Panel wider, denn eine vollständige wissenschaftliche Sicherheit wird nicht verlangt. (b) Der Appellate Body-Bericht im Asbestfall Der Appellate Body hob die Entscheidung des Panel in Bezug auf Art. III:4 GATT 1994 auf. Er entschied, dass Gesundheitsgefahren sehr wohl für die Bestimmung der Gleichartigkeit von Bedeutung seien und folgte damit im Wesentlichen der Argumentation der EG: „We are very much of the view that evidence relating to the health risks associated with a product may be pertinent in an examination of ,likeness‘ under Article III:4 of the GATT 1994.“171 Die Gesundheitsrisiken eines Produktes müssten unter dem Gesichtspunkt der Produkteigenschaften berücksichtigt werden: „This carcinogenicity, or toxicity, constitutes, as we see it, a defining aspect of the physical properties of chrysotile asbestos fibres. The evidence indicates that PCG fibres, in contrast, do not share these properties, at least to the same extent. We do not see how this highly significant physical difference cannot be a consideration in examining the physical properties of a product as part of a determination of ,likeness‘ under Article III:4 of the GATT 1994.“172 Es könnten nicht nur Handelsgesichtspunkte bei der Bestimmung der Gleichartigkeit eine Rolle spielen. Der Appellate Body entschied: „We consider this to be especially so in cases where the evidence relating to properties establishes that the products at issue are physi169 170 171 172
EC EC EC EC
– – – –
Asbestos, Asbestos, Asbestos, Asbestos,
panel report, paras 8.193, 8.217. panel report, para 8.221. AB Bericht, ibid. AB Bericht, ibid.
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cally quite different. In such cases, in order to overcome this indication that products are not ,like‘, a higher burden is placed on complaining Members to establish that, despite the pronounced physical differences, there is a competitive relationship between the products such that all of the evidence, taken together, demonstrates that the products are ,like‘ under Article III:4 of the GATT 1994. In this case, where it is clear that the fibres have very different properties, in particular, because chrysotile is a known carcinogen, a very heavy burden is placed on Canada to show [. . .] that the chrysotile asbestos and PCG fibres are in such a competitive relationship.“173 Der Appellate Body spricht nicht ausdrücklich vom Vorsorgeprinzip. Dennoch lassen sich aus den Ausführungen des Appellate Body zur Beweislast einige Vorsorgeelemente erkennen. Hier wird Kanada die Beweislast für eine Wettbewerbssitutation auferlegt, wenn sich die Produkte in physischer Hinsicht unterscheiden. Dies wurde im Fall dadurch deutlich, dass gerade die Gesundheitsgefährlichkeit auf diesen unterschiedlichen Produkteigenschaften beruhte. Die Beweislastumkehr ist in diesem Einzelfall somit ein Verfahren zur Verwirklichung der Vorsorge. Die Prüfung des Art. XX GATT 1994 hätte nach diesem Zwischenergebnis eigentlich aus prozessökonomischen Gründen nicht mehr erfolgen müssen. Dennoch äußerte sich der Appellate Body hierzu, da die Entscheidung des Panel in diesem Punkt von Kanada gerügt wurde. Kanada machte geltend, dass die missbräuchliche Verwendung von weißem Asbestzement kein zulässiges, durch Art. XX GATT 1994 regulierbares Gesundheitsrisiko darstelle. Der Appellate Body sah „Canada’s appeal on this point, as, in reality, a challenge to the panel’s assessment of the credibility and weight to be ascribed to the scientific evidence before it.“ Außerdem hätten alle Sachverständigen und internationale Organisationen das Krebsrisiko immer wieder bestätigt. Das Panel habe „well within the bounds of its discretion in finding that chrysotile-cement products pose a risk to human life and health“ entschieden und hielt die Maßnahme auch von Art. XX b) GATT 1994 gedeckt. Das Argument Kanadas, mit einem kontrollierten Gebrauch von Asbest bestehe ein weniger handelsbeschränkendes Mittel, wies der Appellate Body zurück. „In this case, the objective pursued by the measure is the preservation of human life and health through the elimination, or reduction, of the well-known, and life-threatening, health risks posed by asbestos fibres. The value pursued is both vital and important in the highest degree. The remaining question, then, is whether there is an alternative measure that would achieve the same end and that is less restrictive of trade than a prohibition. Canada asserts that ,controlled use‘ represents a ,reasonably available‘ measure that would serve the same end. The issue is, thus, whether France could reasonably be expected to employ ,controlled use‘ practices to achieve its chosen level of health protection – a halt in the spread of asbestos-related 173
EC – Asbestos, AB Bericht, ibid.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
health risks. In our view, France could not reasonably be expected to employ any alternative measure if that measure would involve a continuation of the very risk that the Decree seeks to ,halt‘. Such an alternative measure would, in effect, prevent France from achieving its chosen level of health protection.“174 Der Appellate Body senkte mit diesen Worten die Hürden, die das Panel aufgestellt hatte, als es durch genaue wissenschaftliche Gutachten die Gesundheitsgefährdung überprüfte. Nach dieser Entscheidung hatte die EG prima facie bewiesen, dass es keine sinnvolle Alternative zu dem vollständigen Verbot von Asbest gab. Das Panel hatte für jede Stufe der Prüfung des Art. XX b) GATT ausreichende wissenschaftliche Beweise gefordert. Dadurch hätte jedes der Politikziele des Art. XX GATT einer wissenschaftlichen Risikoanalyse bedurft. Allerdings ist eine wissenschaftliche Erkenntnis nicht das einzige Entscheidungskritierium für eine nicht-handelsdiskriminierende Maßnahme. Der Appellate Body entschied folgerichtig, dass ein gewisser gesundheitspolitischer Entscheidungsspielraum erhalten bleiben muss. Auch bei umfassender Geltung des Vorsorgeprinzips hätte die Entscheidung in diesem Punkt nicht anders ausfallen können. Der Appellate Body gestattete den jeweiligen Regelungsgebern, im Sinne der Vorsorge zu handeln, ohne dass wissenschaftliche Sicherheit vorliegt. Wissenschaftliche Beweise des Risikos (nicht einer Verletzung) sind für die Bestimmung der „Notwendigkeit“ der Maßnahme erforderlich, allerdings nicht für die Eingangsfestlegung, ob eine Maßnahme in den Kanon des Art. XX b) GATT fällt. Zwar wäre eine nicht bloß konkludente Anwendung des Vorsorgeprinzips an dieser Stelle wünschenswert gewesen. Nichtsdestotrotz zeugt diese Entscheidung des Appellate Body von der wenigstens indirekten Wirkung des Vorsorgeprinzips bei der Interpretation der WTO-Übereinkommen. (4) Schlussfolgerung Zwar kann das Vorsorgeprinzip im Rahmen der Streitbeilegung der WTO keine volle Gültigkeit beanspruchen. Dennoch machen die analysierten Entscheidungen deutlich, dass es Ansätze zur Anwendung des Vorsorgeprinzips gibt. Zumindest die Interpretation des WTO-Rechts wird schon durch das Vorsorgeprinzip beeinflusst. c) Prinzipien des Völkerrechts Völkergewohnheitsrecht bindet die WTO ebenso wie die anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze. Zwar kann das Vorsorgeprinzip noch nicht als allgemeines Völkergewohnheitsrecht angesehen werden, geschweige denn als allge174
EC – Asbestos, AB Bericht, ibid.
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meiner Rechtsgrundsatz.175 Dennoch ist die feste Verankerung des Vorsorgeprinzips im Umweltvölkerrecht auch für die WTO bedeutsam. Im Zuge der Verhandlungen auf Grundlage der Doha-Entwicklungsagenda und der Verhandlungen über Handel und Umwelt, wird das Vorsorgeprinzip eine wichtige Rolle spielen, auch wenn es ausdrücklich nicht in den Verhandlungskanon aufgenommen wurde, obwohl dies von der EG vorgeschlagen wurde. Ansonsten gelten an dieser Stelle die allgemeinen Ausführungen über das Vorsorgeprinzip.176 d) Gemeinsame Rechtsprinzipien aus den nationalen Rechtsordnungen Die gemeinsamen Rechtsprinzipien aus den nationalen Rechtsordnungen der WTO-Mitglieder sind eng mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Völkerrechts (Art. 38 Abs. 1 lit. c) IGH-Statut) verbunden. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Völkerrechts meinen nicht die zwischen den Staaten übereinstimmenden Normen als solche, sondern nur die Rechtsgrundsätze, die die Grundlage des übereinstimmenden innerstaatlichen Rechts bilden und die auf den zwischenstaatlichen Verkehr übertragbar sind.177 Demgegenüber sind gemeinsame Rechtsprinzipien aus den nationalen Rechtsordnungen solche, die den meisten WTO-Mitgliedern gemein sind. Es kann bei der Anwendung des WTORechts also nicht primär um die streitenden Parteien und ihre Rechtsordnungen gehen, da trotz der Abwendung vom self-contained regime das WTO-Recht immer noch ein eigenes Recht bildet, das es zu interpretieren und anzuwenden gilt. Insofern greift diese Kategorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze in der WTO weiter als die völkerrechtlichen Kategorien. Sie stellt höhere Anforderungen an ein Prinzip im Falle einer Streitbeilegung. Andererseits geht es bei der völkerrechtlichen Variante um Prinzipien, die allgemein übereinstimmen, also in der Regel um verfassungsrechtliche Prinzipien. Beim WTO-Recht können – da es um Handelsbeziehungen geht – zusätzlich auch einfachgesetzliche, also etwa handelsrechtliche oder außenwirtschaftliche Prinzipien, die Form eines gemeinsamen Prinzips annehmen. Daher sollen in Bezug auf das Vorsorgeprinzip einige Rechtsordnungen näher beleuchtet werden. Die umfassende Geltung des Vorsorgeprinzips im deutschen und im europäischen Gemeinschaftsrecht ist bereits festgestellt worden. Durch die Assozierungen und Beitritt vieler (Ost-) europäischer Staaten kann das Vorsorgeprinzip jedenfalls als in Europa gemeinsames Rechtsprinzip angesehen werden. Daher wird hier ein Schwerpunkt auf die Rechtslage in einigen wenigen außereuropäischen Staaten gelegt. 175 176 177
Siehe oben B. I. 2. Siehe oben B. I. 2. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht – Theorie und Praxis, 1984, § 602.
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(1) Indien Indien ist das prominenteste Beispiel eines Entwicklungslandes, in dem das Vorsorgeprinzip gilt. Im Fall Vellore Citizens Welfare Forum v. Union of India & ORS wendete der Indische Supreme Court das Vorsorgeprinzip auf die Umweltverschmutzung durch Gerbereien an. Das Vellore Citizens Welfare Forum beantragte ein Verfahren nach Art. 32 der indischen Verfassung wegen der Wasserverschmutzung durch Gerbereien und der daraus folgenden Trinkwasserknappheit und Wasserknappheit für landwirtschaftlichen Gebrauch. Der Gerichtshof entschied, dass „sustainable development has become customary international law.“178 Der Supreme Court sah das Vorsorgeprinzip als entscheidendes Element der nachhaltigen Entwicklung an und stufte es deshalb als in Indien gültiges Recht ein.179 Er definierte das Vorsorgeprinzip wie folgt: 1. Environmental measures – by the State Government and the statutory authorities – must anticipate and attack the causes of environmental degradation. 2. Where there are threats of serious and irreversible damage, lack of scientific certainty should not be used as a reason for postponing measures to prevent environmental degradation. 3. The „onus of proof“ is on the actor or the developer/industrialist to show that his action is environmentally benign.180 Überaus interessant ist hier nicht nur die Verbindung mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, sondern auch die konkrete Formulierung des Vorsorgeprinzips. Alles staatliche Handeln wird hier zu einem vorsorglichen Handeln verpflichtet. Neben der übernommenen Formulierung aus der Rio-Deklaration formulierte das Gericht auch eine Beweislastregel. Damit brachte es zum Ausdruck, dass das Vorsorgeprinzip nicht nur materielle Wirkungen entfaltet, sondern auch einen Verfahrensanteil beinhaltet.181 Auch in Pakistan wurde das Vorsorgeprinzip ebenfalls aus dem Völkerrecht in das nationale Recht übernommen.
178 Vgl. Vellore Citizens Welfare Forum v. Union of India, [1996] Supp. 5 S.C.R. 241, Abs. 10. 179 Siehe jüngst im Fall A. P. Pollution Control Board v. Nayudu, 1999 S.O.L. Case No. 53, Vellore Citizens Welfare Formum v. Union of India bestätigend. 180 Vgl. Vellore Citizens Welfare Forum v. Union of India, [1996] Supp. 5 S.C.R. 241, Abs. 11. 181 Die Feststellung eines indischen Handelsdiplomaten sei noch angemerkt. Auf die Frage des Autors, warum Indien in der WTO sich gegen die Einführung des Vorsorgeprinzips stelle, antwortete er, dass er nicht gegen das Vorsorgeprinzip sei, sondern Indien das Recht behalten wolle, selbst über dessen Anwendung zu entscheiden.
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(2) Costa Rica, Kolumbien, Kuba In Kolumbien wurde 1993 das Gesetz Nr. 99 verabschiedet, das das Vorsorgeprinzip zu einem grundlegenden Prinzip der Umweltpolitik des Staates macht. Art. 1.6 übernimmt dabei fast wörtlich die Formulierung der Rio-Deklaration. In Costa Rica wurde 1998 das Gesetz Nr. 7788 zum Schutz der Biodiversität erlassen. In Art. 11 wird das Vorsorgeprinzip zu einem der Umsetzungsprinzipien bestimmt. In Kuba bestimmt das Gesetz Nr. 81 den Vorrang des Schutzprinzips. Nur wenn aufgrund der Datenlage ein Schutz nicht möglich ist, soll das Vorsorgeprinzip eingreifen. (3) Kanada Im Fall des kanadischen Supreme Court Canada Ltée (Spraytech, Société d’arrosage) v. Hudson (Town),182 spielte Vorsorge eine große Rolle. Die Richterin L’Heureux-Dubé entschied, dass „[s]cholars have documented the precautionary principle’s inclusion ,in virtually every recently adopted treaty and policy document related to the protection and preservation of the environment‘ As a result, there may be ,currently sufficient state practice to allow a good argument that the precautionary principle is a principle of customary international law‘ . . . In the context of the precautionary principle’s tenets, the Town’s concerns about pesticides fit well under their rubric of preventive action.“183 Dies zeigt, dass auch in Kanada das Vorsorgeprinzip mehr Beachtung findet. Das Vorsorgeprinzip ist auf dem Weg, zu einem gemeinsamen Prinzip zu werden. Einerseits gilt es schon in vielen WTO-Mitgliedsrechtsordnungen. Andererseits verpflichten zahlreiche völkerrechtliche Verträge zu seiner nationalen Umsetzung. 2. Schlussfolgerung für das Vorsorgeprinzip in der WTO Das Vorsorgeprinzip kann in der WTO gleichwohl nur eingeschränkt Geltung beanspruchen. Es ist zwar in Ansätzen in verschiedenen WTO-Verträgen bereits verankert. Es dient – wenn auch ohne ausdrückliche Anerkennung – als Interpretationshilfe für die WTO-Streitbeilegung. Es gilt als Völkergewohnheitsrecht
182 Canada Ltée (Spraytech, Société d’arrosage) v. Hudson (Town) [2001] S.C.J. No. 42. 183 Der kanadische Supreme Court zitiert David Freestone/Ellen Hey, Origins and Development of the Precautionary Principle, in: Freestone/Hey, (Hrsg.), The Precautionary Principle and International Law (1996). Siehe auch Cameron/Abouchar, The Status of the Precautionary Principle in International Law und McIntyre/Mosedale, The Precautionary Principle as a Norm of Customary International Law (1997), 9 J. Env. L. 221.
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im Umweltvölkerrecht und strahlt damit auf die WTO aus. Schließlich ist es ausdrücklich oder zumindest von seinem materiellen Gehalt her in einer Vielzahl nationaler Rechtsordnungen enthalten. Somit dient es zumindest als Interpretationsregel für das WTO-Recht, wenn es auch nicht die ausdrücklichen Regelungen der Übereinkommen überwinden kann. Hierzu müsste es als allgemeines Völkergewohnheitsrecht oder als allgemeiner Rechtsgrundsatz gelten. Die Verfahrenskomponente des Vorsorgeprinzips ist in der WTO nur in Ansätzen zu erkennen. Bei den Diskussionen steht häufig der materielle Gehalt des Vorsorgeprinzips im Vordergrund. Allerdings lassen sich gerade in der WTO-Streitbeilegung Ansätze für Verfahrensvorschläge erkennen, wie die Vorsorge verwirklicht werden kann. Im Umweltvölkerrecht und in den nationalen Rechtsordnungen hat der Verfahrensanteil des Vorsorgeprinzips darüber hinaus erhebliche Bedeutung, so dass auch die WTO sich in Zukunft hiervor nicht verschließen kann.
B. Andere für eine Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung relevante Prinzipien des Welthandelsrechts Die UVPs bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen zeichnen sich einerseits dadurch aus, dass sie als Teil des Vorsorgeprinzips betrachtet werden können.184 Andererseits dienen sie vor allem als Instrument zur größeren Informationsbeschaffung (Transparenz) bzw. auf nationaler Ebene auch als Element der Partizipation. Bei modernen Nachhaltigkeitsprüfungen werden die sozialen Aspekte beziehungsweise Entwicklungspolitiken überprüft. Für beide Komponenten gibt es deutliche Anknüpfungspunkte im Welthandelsrecht, die in der Folge kurz dargestellt werden sollen.
I. Das Transparenzprinzip im WTO-Recht Das Transparenzprinzip ist eines der tragenden Prinzipien des WTO-Rechts. Es bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Meistbegünstigung und das Diskriminierungsverbot. Nur durch das Veröffentlichen der Zolllisten kann die Meistbegünstigung greifen oder kann festgestellt werden, ob eine Diskriminierung vorliegt. Das Prinzip hat eine interne und eine externe Ausprägung. Als Prinzip war es im Jahr 2000 Gegenstand vielfältiger Diskussionen im Allgemeinen Rat der WTO.185 Dabei verliefen die Konfliktlinien zwischen den Entwicklungsländern, 184
Siehe oben 1. Teil, B. V. Jahresbericht 2000 des Allgemeinen Rates (General Council), WTO-Dokument WT/GC/44 vom 12. Februar 2001. 185
B. Andere relevante Prinzipien des Welthandelsrechts
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die darauf drangen, die interne Transparenz zu verbessern, und den Industriestaaten, die eher das schlechte Bild der WTO bei ihrer Öffentlichkeit durch externe Transparenz verbessern wollten. 1. Die interne Transparenz Die interne Transparenz – also die Information aller Mitgliedstaaten – ist in den WTO-Übereinkommen fest verankert. So gibt es in fast jedem Übereinkommen eine Vorschrift, die Notifizierungen oder sonstige Informationspflichten normiert. Als Beispiele für umfangreiche Transparenzverpflichtungen sei auf Art. X GATT 1994, Art. 10 TBT sowie auf Art. 7 in Verbindung mit Annex B SPS hingewiesen. Trotz einiger Verbesserungen in den letzten Jahren, insbesondere durch das Internet und moderne Kommunikationstechniken, scheitert eine vollständige interne Transparenz immer noch an tatsächlichen Schwierigkeiten. Einige WTO-Mitglieder haben keine Vertretung in Genf. Die Diplomaten haben keine Möglichkeit, an allen relevanten Sitzungen teilzunehmen oder sich in die Materien einzuarbeiten. Vor diesem Hintergrund ist der Passus der Präambel der Doha-Ministererklärung zu verstehen: „Recognizing the challenges posed by an expanding WTO membership, we confirm our collective responsibility to ensure internal transparency and the effective participation of all Members.“186 Hier wird auch die Verbindung von Transparenz und Partizipation deutlich. Die reine Information ist oft nicht ausreichend, wenn eine effektive Mitwirkung an dem Entscheidungsprozess nicht gewährleistet ist. Für mehr Informationen sollen Umweltprüfungen sorgen. Ihr Ziel ist nicht die Entscheidungen zu ersetzen, sondern die Entscheidungsträger möglichst umfangreich zu informieren. 2. Die externe Transparenz Die externe Komponente der Transparenz ist im Gegensatz zur internen Transparenz weit weniger ausgeprägt.187 Sie wird indes vor dem Hintergrund schwerwiegender Legitimationsprobleme immer wichtiger.188 Das WTO-Übereinkommen enthält einen Hinweis auf die Zusammenarbeit mit NGOs in Art. V 2. Der Allgemeine Rat kann nach der Vorschrift „geeignete Vorkehrungen für
186 Doha Ministererklärung, WTO-Dokument WT/MIN(01)/DEC/W/1 vom 14.11. 2001, para. 10. 187 Zur Bedeutung für die ,Verfassung‘ der WTO, vgl. Wolfgang Benedek, Developing the Constitutional Order of the WTO – The Role of NGOs, in: Wolfgang Benedek/Hubert Isak/Renate Kicker (Hrsg.) Development and Developing International and European Law: Essays in Honour of Konrad Ginther on the Occasion of his 65th Birthday, Frankfurt/Main 1999, 228 ff. 188 Markus Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der Welthandelsorganisation (WTO), Berlin 2001.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
Konsultationen und Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen treffen, die sich mit Angelegenheiten befassen, die mit denen der WTO im Zusammenhang stehen.“ Hierzu hat der Allgemeine Rat Guidelines for arrangements on relations with Non-Governmental Organizations erlassen.189 Darin heißt es zum Ziel dieser Bestimmungen, dass „Members recognize the role NGOs can play to increase the awareness of the public in respect of WTO activities and agree in this regard to improve transparency and develop communication with NGOs“ (para. II). Demnach sehen die WTO-Mitglieder die Transparenz nach außen – also über die eigentliche Bestimmung des WTO-Übereinkommens hinaus – als selbständiges Ziel an. Einige Ansätze zu einer externen Transparenz sind zu erkennen. So werden, wie in den Richtlinien vorgesehen, Dokumente nach einer Sperrzeit im Internet für jedermann zur Verfügung gestellt. Das Sekretariat führt vermehrt Workshops durch und der Generaldirektor lädt seit 2001 die Öffentlichkeit zu Symposien ein. Neuerdings werden ausgewählte Publikationen von NGOs auf der WTO-Homepage veröffentlicht und es gibt einen regelmäßigen Internetchat, der von Mitarbeitern des Seketariates moderiert wird.190 Bei den Ministerkonferenzen wurde der Zugang für NGOs verbessert.191 Dennoch bleibt es Stand des WTO-Rechts, dass die Organisation nach wie vor nicht-öffentlich tagt und weitreichende Entscheidungen trifft. Als Begründung wird verwiesen auf (para. VI) „the special character of the WTO, which is both a legally binding intergovernmental treaty of rights and obligations among its Members and a forum for negotiations“ und darauf hingewiesen, dass „closer consultation and cooperation with NGOs can also be met constructively through appropriate processes at the national level where lies primary responsibility for taking into account the different elements of public interest which are brought to bear on trade policy-making.“ Genau darin liegt allerdings das Problem: Es handelt sich um internationale Verhandlungen, bei denen auch abgestimmte nationale Postitionen aufgegeben werden müssen. Nur eine verstärkte internationale Beteiligung von NGOs und anderen Akteuren, etwa Parlamentariern, könnte hier Abhilfe schaffen. Wichtig ist die grundsätzliche Verankerung auch der externen Transparenz im WTORecht. Auf dem Transparenzprinzip bauen alle Formen der Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen auf. Es bleibt zu hoffen, dass sich im Zuge der neuen Verhandlungen auf Grundlage der Doha-Entwicklungsagenda einige Neuerungen ergeben. In diese Richtung weist die Präambel: „While emphasizing the intergovernmental character 189
WTO-Dokument WT/L/162, Entscheidung vom 18.7.1996. Vgl. bspw. online: http://www.wto.org/english/forums_e/ngo_e/ngo_e.htm und http://www.wto.org/english/forums_e/ngo_e/ngo_symp_2001_e.htm (März 2004). 191 Siehe unten 3. Teil A. I. 2. 190
B. Andere relevante Prinzipien des Welthandelsrechts
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of the organization, we are committed to making the WTO’s operations more transparent, including through more effective and prompt dissemination of information, and to improve dialogue with the public. We shall therefore at the national and multilateral levels continue to promote a better public understanding of the WTO and to communicate the benefits of a liberal, rules-based multilateral trading system.“192 Problematisch ist hierbei, dass es primär um eine zielorientierte Kommunikation geht. Ein richtiger Dialog mit NGOs müsste sich insofern auf die vielfältige Kritik an dem liberalen multilateralen Handelssystem einlassen. 3. Konsequenzen beider Teile des Prinzips Aus der so beschriebenen Verankerung des Transparenzprinzips kann als Konsequenz für jede Form einer Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung auf multilateraler Ebene festgehalten werden, dass sie den Anforderungen an die interne Transparenz entsprechen muss. Allerdings ist dies für eine Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung nicht ausreichend. Für das Instrument muss auch externe Transparenz in Form der Konsultation mit der sogenannten civil society verwirklicht werden.
II. Die differenzierte und bevorzugte Behandlung von Entwicklungsländern im WTO-Recht Wie ausgeführt spielen bei Umweltprüfungen auch zunehmend soziale Aspekte eine Rolle. Als zweites Leitprinzip soll daher die differenzierte und bevorzugte Behandlung von Entwicklungsländern erläutert und analysiert werden. 1. Verankerung in den WTO-Verträgen Die sogenannte Special and Differential Treatment of Developing Country Members ist in den letzten Jahren verstärkt in den Mittelpunkt der WTORechtsordnung gerückt.193 Den Hintergrund für das Verständnis bildet die allgemeine Diskussion um die Mitgliedschaft von Entwicklungsländern und den am wenigsten entwickelten Staaten (Least developed Countries (LDCs)) im Welt192 Doha Ministererklärung, WTO-Dokument WT/MIN(01)/DEC/W/1 vom 14.11. 2001, para. 10. 193 Wolfgang Benedek, Die Entwicklungsländer in der WTO, ZEuS 2000, S. 41 ff.; Gustavo Olivares, The Case for Giving Effectiveness to GATT/WTO – Rules on Developing Countires and LDCs, JWT 35 (2001) Nr. 3, S. 545 ff.; Martin Michaelis/ Henning Jessen, WTO und Entwicklung, in: Hilf/Oeter, S. 601 ff.
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1. Teil: Prinzipien mit Bedeutung für eine Nachhaltigkeitsprüfung
handelssystem.194 Nahezu alle WTO-Übereinkommen enthalten besondere Regelungen für Entwicklungsländer. Schon die Präambeln des WTO-Übereinkommens, der drei Säulen der WTO-Rechtsordnung GATT, GATS und TRIPS, sowie alle Unterübereinkommen betonen, dass „es positiver Bemühungen bedarf, damit sich die Entwicklungsländer, insbesondere die am wenigsten entwickelten unter ihnen, einen Anteil am Wachstum des internationalen Handels sichern, der den Erfordernissen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entspricht“ (Präambel WTO-Übereinkommen). In den Übereinkommen sind meist verlängerte Übergangsfristen vorgesehen. Nur selten haben die Entwicklungsländer aufgrund der Übereinkommen aus der WTO-Uruguay-Runde auch verminderte materielle Verpflichtungen.195 Aus diesem Grund ist das Prinzip in die Kritik geraten.196 Als Konsequenz und in Weiterentwicklung zum Konzept der differenzierten und bevorzugten Behandlung wurde daher auf der 4. Ministerkonferenz in Doha die Decision on Implementation-Related Issues and Concerns verabschiedet.197 Hier wurden nicht nur die Übergangsfristen verlängert, es wurde auch eine Befreiung von Verpflichtungen in einzelnen Bereichen beschlossen. Dies macht deutlich, wie sehr die besondere Behandlung von Entwicklungsländern in den Mittelpunkt der Arbeit der WTO gerückt ist. Die WTO-Mitglieder arbeiten darüber hinaus daran, die Regelungen der WTO so zu verändern, dass ihre Belange stärker berücksichtigt werden. Dies wurde schon in der Präambel der Doha-Ministererklärung zum Ausdruck gebracht: „International trade can play a major role in the promotion of economic development and the alleviation of poverty. We recognize the need for all our peoples to benefit from the increased opportunities and welfare gains that the multilateral trading system generates. The majority of WTO Members are developing countries. We seek to place their needs and interests at the heart of the Work Programme adopted in this Declaration.“198 Für die am wenigsten entwickelten Staaten wurde programmatisch entschieden, dass die besondere Verwundbarkeit dieser Staaten und die besonderen strukturellen Schwierigkeiten
194 Vgl. jeweils mit weiteren Nachweisen Dan Ben-David/Håkan Nordström/L Alan Winters, Trade, Income Disparity and Poverty, WTO Special Studies 5, Genf 1999; Bhagirath Lal Das, The WTO agreements – deficiencies, imbalances and required changes, Penang – Third World Network, 1998; Xiaobing Tang, Implementation of the WTO multilateral trade agreements, the „built-in“ agenda, new issues and the developing countries. 195 Vgl. etwa Befreiung von Verpflichtungen aufgrund eines Ausschussbeschlusses, Art. 10 Abs. 3 SPS. 196 Vgl. Vorschlag von Venezuela für die 3. Ministerkonferenz in Seattle 1999. 197 Doha Ministererklärung, para. 12 in Verbindung mit der Decision on Implementation-Related Issues and Concerns, WT/MIN(01)/W/10. 198 Doha Ministererklärung, Abs. 2.
B. Andere relevante Prinzipien des Welthandelsrechts
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anerkannt werden. Die WTO sei „committed to addressing the marginalization of least-developed countries in international trade and to improving their effective participation in the multilateral trading system.“199 Schon in der jetzigen WTO ist die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern folglich ein wichtiges Rechtsprinzip, das in Zukunft inhaltlich mehr Bedeutung erhält. 2. Konsequenzen des Prinzips Jede Form einer Umweltprüfung muss die besonderen Schwierigkeiten von Entwicklungsländern berücksichtigen. Bei der Überprüfung der Handelspolitik auf ihre Umweltauswirkungen sollten darüber hinaus auch die Auswirkungen auf die Entwicklungsländer mit beleuchtet werden. Zumindest auf multilateraler Ebene ist dies die Konsequenz aus der besonderen Stellung, die die Entwicklungsländer im WTO-Rechtssystem genießen. Zusammenfassend werden zwei Forderungen an eine Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung durch dieses Prinzip gestellt. Zum einen muss eine Umweltoder Nachhaltigkeitsprüfung den besonderen Interessen der Entwicklungsländer innerhalb der WTO Rechnung tragen. Zum anderen scheint eine multilaterale Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung vorzugswürdig, um die limitierten Ressourcen der Entwicklungsländer keinesfalls stärker zu beanspruchen, als dies ohnehin schon der Fall ist.
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Doha Ministererklärung, para. 3.
2. Teil
Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung – Nationales Außenwirtschaftsrecht und internationales Wirtschaftsrecht Das Zusammenspiel von nationalem Recht und internationalem Recht ist im Bereich des Welthandels besonders kompliziert. In keinem anderen internationalen Rechtsbereich zeigen nationale Gesetze solche Auswirkungen, wie im Bereich des internationalen Handelsrechts. Es ist wenig verwunderlich, dass eine der Wurzeln des internationalen Rechts überhaupt im Bereich der Handelsverträge lag.1 Die frühesten Zeugnisse eines Austausches zwischen Völkern belegen, dass zunächst die Handelsbeziehungen gesichert werden sollten, damit nicht einseitige Entscheidungen der Regierenden diese „wertvollen“ Beziehungen beeinträchtigten. Die heutige Handelspolitik hat vielfältige Regelungsebenen. Sie wird meist auf der nationalen Ebene gekoren, bilaterale Verträge schränken den Entscheidungsrahmen ein,2 regionale Einflüsse sind überaus häufig3 und internationale Organisationen, wie die WTO, runden das Bild ab. Andererseits ist die Verbindung zwischen nationalem Recht und internationalem Recht selten so eng, wie im Bereich des internationalen Handels. Die nationalen Rechtsordnungen versuchen indes einen fast vollständig internationalen Sachverhalt zu erfassen und stoßen dabei nicht selten an ihre Grenzen. Entscheidungen auf der nationalen Ebene haben andererseits nicht selten Auswirkungen für das gesamte Welthandelssystem.4 Diese Art der Rückkopplung begründet, warum diese Arbeit nationale Gesetzgebungen so in den Mittelpunkt einer eigentlich völkerrechtlichen Arbeit rückt. Der einzige Grund für die beschriebenen Normen besteht in der Ausarbeitung internationaler Verträge. Daher ist es geboten, diese Gesetze näher zu betrachten. 1
Karl-Heinz Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, München 1996, S. 15. Schätzungen zufolge existieren derzeit 8000 bilaterale Handelsverträge. 3 Allein bei der WTO sind über 30 regionale Handelsübereinkommen notifiziert. 4 Vgl. den Streit um die Stahlschutzmaßnahmen der USA, siehe FAZ, Keine Einigung im Stahlstreit in Sicht, 4. Mai 2002, S. 13. 2
2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
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Natürlich unterscheiden sich die Verfassungssysteme der untersuchten Staaten insbesondere in der Zuständigkeit für die Ausarbeitung, Paraphierung und dann der Unterzeichnung. Diese Unterschiede sollen im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht unberücksichtigt bleiben, stehen bei der hier bearbeiteten Fragestellung aber nicht im Mittelpunkt. Interessanter erscheint die Frage, welche gesetzgeberischen Motive hinter den erläuterten Regelungen stehen und wie sich diese Motive mit den beschriebenen internationalen Prinzipien vergleichen, wenn nicht gar erklären lassen. Die Regelungen über den Welthandel haben unmittelbar keine Auswirkungen auf Natur und Umwelt bzw. weitergehend die sozialen Umstände, zielen sie doch zunächst einmal auf eine Beeinflussung der Handelsströme. Ihre Anwendung jedoch ist meist schon im Verhandlungsstadium absehbar und daher erscheint es sinnvoll in diesem Stadium zu überprüfen, wie sich die neuen Regelungen praktisch im Sinne nachhaltiger Entwicklung auswirken. Als Außenwirtschaft wird gemeinhin der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr angesehen. Das internationale Handelssystem ist durch das komplexe Zusammenspiel von internationalen und nationalen Rechtsnormen, politischen Institutionen und Wirtschaftssystemen gekennzeichnet.5 Die rechtlichen und insbesondere verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des völkerrechtlichen Vertragsschlusses beeinflussen die Verhandlungspositionen der einzelnen Staaten auch im Welthandelsrecht nachhaltig. Das Verhandlungsergebnis spiegelt diese Einschränkungen häufig wider. Der nachfolgende Ratifizierungsprozess läuft in den Staaten höchst unterschiedlich ab. An deren Ende können die verfassungsrechtlichen Unterschiede zu Unausgewogenheiten führen. So gibt es etwa Staaten, in denen sich die Exekutive streng nach den geltenden Gesetzen richten muss, während sie in anderen Staaten einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung internationaler Verpflichtungen hat. Auch die direkte Anwendbarkeit und die Einklagbarkeit gewisser Positionen von Privaten kann zu Unterschieden führen.6 Auch bei der rechtlichen Ausgestaltung der Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfung von Handelsregelungen oder -politiken dürfen diese Unterschiede nicht vernachlässigt werden. So hängt es mit den nationalen Besonderheiten zusammen, dass gerade Kanada und die USA der Umweltprüfung in diesem Bereich einen rechtlichen Rahmen gegeben haben. Die Handelspolitik ist in diesen beiden, sehr föderal stukturierten Staaten einer der wenigen Politikbereiche, die jede Provinz bzw. jeden Bundesstaat berührt. Die Betroffenheit reicht hinein bis in einzelne Unternehmen und zu Privaten. Eine ähnliche Kompetenzfülle in der Beeinflussung der lokalen Lebensumstände können die amerikanischen Bundes-
5 6
John H. Jackson, World Trading System, S. 99. Siehe dazu Hörmann/Neugärtner, Rechtsschutz Privater, in: Hilf/Oeter, S. 541 ff.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
regierung oder die kanadische Regierung sonst nur mit Zustimmung der staatlichen Untergliederungen erreichen. Dies muss zum Verständnis der verbindlichen Umweltprüfungen vorweggeschickt werden. Daher sind den einzigen rechtlich verbindlichen Instrumenten eigene Abschnitte dieser Arbeit gewidmet (Kanada, USA und NAFTA). Ein weiterer Schwerpunkt wird auf das (rechtlich unverbindliche) Instrument der Europäischen Union gelegt. Diese vier Prüfungen waren auch Gegenstand einer Zusammenstellung des WTO-Sekretariates.7
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel I. Das Kanadische Environmental Assessment of Trade Negotiations 1. Entstehung Schon seit 1974 führte die Kanadische Regierung environmental impact assessments (EIAs) für Projekte mit Bundesbeteiligung oder -entscheidungen durch. Diese waren auf Grundlage einer Kabinettsentscheidung vom 20.12.1973 durchgeführt worden. Ebenso wie in anderen Staaten vermehrte sich der Einsatz dieses Instrumentes in den Jahren 1980 bis 1990 erheblich. Ab 1987 trat man in öffentliche Konsultationen, um den kanadischen Bundes-UVP-Prozess zu reformieren. Insbesondere sollten die verschiedenen UVP-Prozesse auf der Ebene der Provinzen und des Bundes harmonisiert werden. Im Juni 1990 unterbreitete der Bundesumweltminister ein Reformpaket, in dem ein neues UVP-Gesetz und eine UP für Politiken, Pläne und Programme vorgesehen war. Der Canadian Environmental Assessment Act (CEAA) wurde im Juni 1992 gebilligt.8 Am 19. Januar 1995 trat das kanadische UVP-Gesetz dann in Kraft.9 Eine Besonderheit des Gesetzes liegt in der Festschreibung der nachhaltigen Entwicklung als Ziel des Assessments. Damit hebt sich der verhältnismäßig moderne CEAA von anderen UVP-Gesetzen ab. Weitere Ziele sind die öffentliche Beteiligung, sowie der Schutz vor signifikanten Umweltschäden außerhalb der kanadischen Hoheitsgewalt. Zu den Grundsätzen der kanadischen UVP zählt ihre frühzeitige Anwendung (early application). Der Prozess soll so frühzeitig wie möglich begonnen werden, „and before irrevocable decisions are made, so that environ7 Environmental (Sustainability) Assessments of Trade Liberalization Agreements – Note by the Secretariat, WTO-Dokument WT/CTE/W/171 vom 20.10.2000. 8 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Canadian Environmental Assessement Agency, The Canadian Enviornmental Assessement Act – Introduction, http://www.ceaa.gc.ca/ 013/intro_e.htm (März 2007). 9 Der vollständige Gesetzestext ist im Internet erhältlich unter http://www.ceaa. gc.ca/013/ceaa-2003.pdf (März 2007).
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
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mental factors are incorporated into decisions in the same way that economic, social, and policy factors have traditionally been incorporated.“10 Insbesondere dieser Grundsatz deutet auf eine Vorsorgeorientierung auch dieses Gesetzes hin.11 Vor diesem rechtlichen Hintergrund und aufgrund steigenden Drucks aus dem Bereich der NGOs entschloss sich das kanadische Außen- und Außenhandelsminsterium (Department of Foreign Affairs and International Trade – Ministrère des Affaires étrangères et Commerce international (DFAIT)) zur Durchführung einer nachträglichen Umweltverträglichkeitsprüfung der Ergebnisse der Uruguay-Runde (1994 Canadian Environmental Review of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations).12 Eine neue Diskussion über UVPs von Plänen und Politiken, die in der Mitte der neunziger Jahre begann, führte in Kanada 1999 zur Einführung einer Strategischen Umweltprüfung (strategic environmental assessment (SEA)). In der 1999 Cabinet Directive on the Environmental Assessment of Policy, Plan and Program Proposals13 wurde festgeschrieben, dass jede Regierungspolitik mit einem Umwelteinfluss einem SEA unterzogen werden sollte. Auch die Handelspolitik wurde als solche angesehen (Annex 1 der Direktive). Dazu wurden Richtlinien14 erlassen, die detailliert Prüfungsabfolgen anordnen und öffentliche Beteiligung festschreiben.15 Nachdem mit dem unverbindlichen EIS in den achtziger Jahren gute Erfahrungen gemacht wurden, verzichtete die kanadische Regierung zunächst auf ein verbindliches Gesetz. Eine Kabinettsdirektive hat nur interne Bindungswirkung und entfaltet gegenüber den Bürgern keine verbindlichen Rechtswirkungen.16 Derzeit ist nicht abzusehen, inwieweit eine SEA in der Zukunft verbindlich festgeschrieben wird. Zu Beginn des Jahres 1999 verpflichtete sich DFAIT im Zuge der Vorbereitung einer vermeintlich neuen WTO-Verhandlungsrunde in Seattle zu einer er10
Art. 5. 2. b. (1) CEAA 1995 mit zahlreichen Verweisungen. Das Vorsorgeprinzip hat erst mit seinem vermehrten internationalen Gebrauch in das kanadische Recht Einzug gehalten. 12 Das vollständige Dokument ist im Internet erhältlich unter http://www.dfaitmaeci.gc.ca/sustain/EnvironA/strategic/urugay-en.asp (März 2007). Siehe Näheres unter Teil 2, A. I. 1. c). 13 Canadian Environmental Assessement Agency (Hrsg.), Strategic environmental assessment – the 1999 Cabinet directive on the environmental assessment of policy, plan and program proposals; guidelines for implementing the Cabinet directive = Evaluation environnementale stratégique, im Internet erhältlich unter http://www.ceaa. gc.ca/016/directive_e.htm (März 2007). 14 Sog. Guidelines for implementing the cabinet directive on the environmental assessment of policy, plan and program proposals (ibid. S. 3). 15 Siehe Näheres unter 2. Teil, A. I. 1. c). 16 Hogg, Constitutional Law of Canada, S. 228, „The cabinet, which does meet regularly and frequently, is in most matters the supreme executive authority.“ 11
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
neuten Überprüfung der Umweltauswirkungen der Uruguay-Runde. Die Studie wurde im November 1999 als Retrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations17 vorgelegt.18 Auf den Erfahrungen aufbauend wurde zuerst an einem Rahmen für die Umweltprüfung von Verhandlungen im Rahmen der WTO gearbeitet. Dieser Rahmen wurde später auf bilaterale, regionale und multilaterale Handelsverhandlungen ausgeweitet. An der Ausarbeitung waren die Provinzen und Territorien, Ureinwohnerorganisationen und Repräsentanten akademischer, Nicht-Regierungs- und Wirtschaftsgruppen beteiligt. Die kanadische Umweltprüfung für Handelsverhandlungen (Environmental Assessement of Trade Negotiations) wurde auf Vorschlag des Außenministers im Februar 2001 durch Kabinettsbeschluss eingeführt.19 Es wurde auch ein rechtlicher Rahmen (framework) für die Durchführung beschlossen. Das DFAIT setzt mit den Richtlinien die Kabinetsdirektive zur strategischen Umweltprüfung von Plänen, Politiken und Programmen20 um. a) Der kanadische Environmental Review der Uruguay-Runde 1994 Der Canadian Environmental Review der Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations wurde durch den relativ langen Zeitraum zwischen Konsens über die Ergebnisse der Uruguay-Runde am 15. Dezember 1993 und deren Unterzeichnung am 15. April auf der Konferenz von Marakesh (Marokko)21 möglich. Das DFAIT koordinierte die Umweltüberprüfung, die von einer interministeriellen Arbeitsgruppe mit Vertretern des DFAIT, des Landwirtschaftsministeriums, des Umweltministeriums sowie des Finanzministeriums erstellt wurde. Die Verfasser des review griffen dabei nach eigener Auskunft auf eine ganze Reihe veröffentlichter Stellungnahmen kanadischer und nicht-kanadischer amtlicher und nicht-amtlicher Quellen zurück. Bei zusätzlichem Informationsbedarf wurden andere Ministerien und Nichtregierungsorganisationen kontaktiert.22 Dieses Vorgehen lässt schon einen frühen Ansatz an Transparenz und Öffentlichkeitsbeteiligung erkennen, auch wenn der gesamte Prozess innerhalb der Re17 Das vollständige Dokument ist im Internet erhältlich unter http://www.dfaitmaeci.gc.ca/tna-nac/documents/retrospective-e.pdf (März 2007). 18 Zu den Details der Untersuchung siehe unter Teil 2, A. I. 1. b). 19 DFAIT, Framework for Conducting Environmental Assessments of Trade Negotiations, Februar 2001, online http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/EAF_Sep2000-en. asp (März 2007). 20 Siehe oben Teil 2, A. I. 1. 21 John Crome, Shaping the World Trading System – a History of the Uruguay Round, 2. Auflage, Den Haag 1999, S. 175. 22 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 1.
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
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gierung ablief. Dies wird darüber hinaus bei dem Adressaten der Umweltüberprüfung deutlich. DFAIT „. . . is reporting its finding to the Minister for International Trade.“23 Allerdings ist der Bericht nach seiner Erstellung im Internet veröffentlicht worden, was schon 1994 einer interessierten Öffentlichkeit den Zugang ermöglichte. Das Dokument spielte jedoch in der Ratifikationsdebatte des Kanadischen Parlaments keine Rolle. Insofern versuchte das Ministerium zwar die Öffentlichkeit zu informieren. Praktisch hatte es damit aber keinen Erfolg. Ein möglicher Grund liegt in der mangelnden Beteiligung der Öffentlichkeit bei seiner Erstellung. Gleich zu Beginn des Berichts wird die Verpflichtung der kanadischen Regierung zur Beachtung des Prinzips der nachhaltigen Entwicklung betont. „The Government of Canada is committed to an integrated approach to economic, social, environmental and foreign policy, and to promoting sustainable development as an integral component of decision making at all levels of our society.“24 Daraus wird nur der Schluss einer Umweltüberprüfung der Handelspolitik gezogen, ohne dass auch soziale Belange Berücksichtigung gefunden hätten. Dennoch stellt der Bericht, für den damaligen Zeitpunkt fortschrittlich, auf die notwendige Integration von Umwelt- und Wirtschaftsentscheidungen ab, bei der die Regierung leadership und accountabiltity zeigen müsse, also eine Leitfunktion übernehmen und gleichzeitig die Überprüfbarkeit dieser Integration beweisen will. Der Bericht ist in 14 Abschnitte unterteilt. Dabei werden zunächst der environmental review process, die Uruguay-Runde als solche und ihr Zusammenhang mit der Umwelt abstrakt erklärt. Anschließend werden die Übereinkommen der Uruguay-Runde einzeln auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft. Die sog. potential environmental implications werden nach einem kurzen Überblick über das Übereinkommen aufzuzeigen versucht. (1) Rechtlicher Zusammenhang Die Umweltüberprüfung wird in engem rechtlichen Zusammenhang mit Umweltverträglichkeitsprüfungen und deren systematischer Beachtung von Umweltfaktoren in der Entscheidungsfindung gestellt. „Long-utilized as a means to improve planning and decision making related to projects, environmental review in now recognized as an important tool for ensuring that environmental concerns are given careful consideration in the formulation of government poli23 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 1. 24 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 1.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
cies.“25 Umweltverträglichkeitsprüfungen bildeten den Ausgangspunkt, der zu einer strategischen Umweltprüfung von politischen Regierungsentscheidungen führte. Allerdings werden auch die Unterschiede der beiden Instrumente deutlich hervorgehoben. Das wird zunächst mit dem substantiellen Unterschied zwischen politischen Entscheidungen und Projektentscheidungen begründet. Politische Entscheidungen setzten nur den Rahmen oder die Parameter fest, innerhalb derer Projektentscheidungen getroffen bzw. Handlungen ergriffen werden.26 Außerdem können politische Entscheidungen nicht den gleichen quantitativen und vorhersehenden Analysen, die bei Projekten möglich sind, unterworfen werden. Das DFAIT weist auf die Schwierigkeit hin, die möglichen Umweltauswirkungen politischer Entscheidungen vor deren Umsetzung vorherzusagen. Die Umweltüberprüfung wird in Zusammenhang mit dem Erfordernis der Umweltüberprüfung aller Politik- oder Programmvorschläge der Kanadischen Bundesregierung gestellt. Dabei soll das finanzierende Ministerium, in diesem Fall DFAIT, die Prüfung federführend durchführen. Überdies bleibt dem zuständigen Minister das Ausmaß und der Inhalt einer öffentlichen Stellungnahme anheimgestellt. Für die rechtliche Einordnung ist auch der Hinweis auf das Ziel der nachhaltigen Entwicklung wichtig. Es wird auf keine Prinzipien der Rio-Deklaration oder der Agenda 21 ausdrücklich Bezug genommen. Dennoch erscheint der review insbesondere vom Kapitel 2.5 über Handel und Umwelt inspiriert. Das Vorsorgeprinzip wird nicht erwähnt, auch wenn die Autoren auf das „significant policy development“ des Uruguay-Rundenpaketes abheben. Auch Offenheit und Transparenz werden nicht als Ziele oder Prinzipien erwähnt. (2) Zeitpunkt Die Umweltüberprüfung der Uruguay-Runde ist eine ex-post Überprüfung. Das wird mit der deutlich späteren, also nach Beginn der Welthandelsrunde im September 1986, Einführung des Mechanismus zur Überprüfung von Politiken und Programmen begründet. Dies unterscheide die Prüfung auch vom Vorgehen in Bezug auf die NAFTA-Übereinkommen.27 Als vorrangiges Ziel wurde die Überprüfung der Ergebnisse der UruguayRunde in Bezug auf die Verpflichtungen der kanadischen Bundesregierung zum Schutz der Umwelt und zur nachhaltigen Entwicklung festgeschrieben. Interessant ist der Hinweis, dass trotz der Retrospektive die Überprüfung der kanadi25 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 2. 26 „Policies are frameworks that set guidelines or parameters within which subsequent project decisions are made and action are taken.“ Ibid. S. 2. 27 Siehe unten unter 2. Teil, A. III.
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
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schen Position bei Diskussionen innerhalb der WTO beeinflussen soll. „. . . [T]he review may also inform Canada’s position in future discussions under the World Trade Organization.“28 Eine betont unverbindliche Sprache unterstreicht an dieser Stelle die fehlende, aber eigentlich wünschenswerte Selbstbindung. Eine wirkliche Beeinflussung der kanadischen Position ist bisher nicht deutlich ersichtlich. Das Gegenteil kann hingegen nachgewiesen werden. Im Asbestfall bezog die kanadische Seite die Position, dass das TBT keine freie Wahl in Bezug auf das jeweilige Schutzniveau lasse.29 (3) Methodik Methodisch beschäftigte sich die interministerielle Arbeitsgruppe unter der Federführung des DFAIT mit sehr unterschiedlichen Umweltfragen, die im Laufe der Uruguay-Runde von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen aufgeworfen worden waren. Dabei wurde versucht, comprehensively as practicable,30 also so umfassend, wie es praktisch möglich war, zu arbeiten. Es wurden zu bestimmten Fragen auch NGOs innerhalb und außerhalb Kanadas kontaktiert. Die einzelnen Übereinkommen wurden nacheinander analysiert und die potentiellen Umweltauswirkungen aus Sicht der Arbeitsgruppe herausgestellt.31 So wurde beispielsweise für das WTO-Übereinkommen das Erfordernis der Zusammenarbeit mit ministeriumsübergreifenden Organisationen als für die Umwelt positive Regelung hervorgehoben. Die bloße Möglichkeit der WTO, mit Nichtregierungsorganisationen zu kooperieren und diese zu konsultieren „. . . should improve the contribution of its future decisions to sustainable development.“32 Diese Einschätzung der Arbeitsgruppe zeigt den doch sehr vagen und großzügigen Beurteilungsrahmen. Eine gewisse Tendenz zur Rechtfertigung des Abschlusses der WTO-Verträge gegenüber den Nichtregierungsorganisationen lässt sich aus diesen Einschätzungen ablesen. 28 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 3. 29 EC – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, panel report, WT/DS 135/R, 18.9.2000, siehe oben ausführlich 1. Teil, A. VII. 30 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 3. 31 Neben allgemeinen, einführenden Kapiteln über die Uruguay-Runde und das Thema „Umwelt und die Uruguay-Runde“ wurden das WTO-Übereinkommen, das Landwirtschaftsübereinkommen, das SPS-, TBT-, TRIMS-, SCM- sowie das GATSÜbereinkommen, das TRIPS-Übereinkommen und das DSU auf ihre potentiellen Umweltauswirkungen hin untersucht. Ein ausblickendes Kapitel „The Way Ahead“ schließt den Bericht ab. 32 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 9.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Detaillierter wurden insbesondere die Übereinkommen über Landwirtschaft, das SPS, das TBT und das DSU untersucht. Bei Letzterem wurde in Bezug auf die Vertraulichkeit der Streitbeilegungsberatungen auf die zuvor bestehende Rechtslage hingewiesen und auf die verbesserte Möglichkeit, Kurzzusammenfassungen der Streitbeilegungsverfahren zu veröffentlichen. Hier wird deutlich, dass nicht die gesamte Rechtslage geprüft wurde, sondern die Veränderungen gegenüber vorher auf ihre Umweltauswirkungen untersucht wurden. Dieser wiederum eingeschränkte Prüfungsmaßstab erleichtert zwar die Prüfung, stellt aber nicht sicher, die wirklichen Umweltauswirkungen näher zu erfassen. Abschließend wurde resümiert, dass die in der Uruguay-Runde vereinbarte Handelsliberalisierung zu einer effizienteren Ressourcen-Allokation und hierdurch zu weniger Inanspruchnahme der Umwelt führen werde. Außerdem seien die Umweltbelange „successful“,33 also erfolgreich bei der Aushandlung der unterschiedlichen Übereinkommen berücksichtigt worden. Für die nicht berücksichtigten Belange sei die Gründung eines Ausschusses für Handel und Umwelt34 vorgesehen. Insgesamt habe die Uruguay-Runde die Integration von Handel- und Umweltfragen vorangetrieben. „Future sustainable wealth generation, for Canada and the rest of the world, depends on the integration of environmental priorities into all major economic activities, including the global trading system.“35 Mit dieser fast selbstbeschwörenden Aussage schließt der Bericht. An ihr wird deutlich, dass die Umweltprüfung zumindest im ausblickenden Teil den Versuch aufgibt, die Übereinkommen unvoreingenommen auf ihre Umweltauswirkungen zu untersuchen. Hier steht die Rechtfertigung für den Abschluss der Uruguay-Verträge letztlich im Vordergrund. Die internationalen Umweltverpflichtungen sah die Arbeitsgruppe von den Übereinkommen der Uruguay-Runde nicht beeinträchtigt. Dennoch sah sich Kanada in der Pflicht, auch bei der Umsetzung der Übereinkommen auf ihre Vereinbarkeit mit bestehenden und zukünftigen Verpflichtungen aus Umweltübereinkommen zu achten.36 Insgesamt wurde, wie aufgezeigt, eine qualitative Analysemethode gewählt. Insbesondere der verbleibende legislative Spielraum wurde für jedes Übereinkommen herausgestellt und die Vereinbarkeit mit dem bestehenden internationa33 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 35. 34 Am 14. April 1994 wurde durch die Ministererklärung über Handel und Umwelt das Committee on Trade and Environment (CTE) gegründet. Vgl. ausführlich WTO, High Level Symposium on Trade and Environment – Background document, Genf, 15.–16. März 1999, S. 11 und Schmidt/Kahl, Rn. 77 ff. 35 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 35. 36 DFAIT, Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations – Canadian Environmental Review, S. 8.
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len und nationalen Umweltrecht untersucht. Diese Methode stellt das Offenhalten von Optionen im Umweltbereich insbesondere für den nationalen Gesetzgeber sicher. Sie dient daher letztendlich auch der Umweltvorsorge. Positiv muss die Beteiligung von NGOs und sogar Einzelpersonen vermerkt werden. Auf die Weise wurde schon für diese frühe Umweltprüfung von Handelsregelungen die Öffentlichkeitsbeteiligung mit in der Methodik verankert. Kritisch erscheint hingegen, dass nur die Auswirkungen auf Kanada und auch nur die verbleibenden Regelungsmöglichkeiten für Kanada beleuchtet wurden. Hier zeigen sich zugleich die Grenzen einer nationalen Umweltprüfung. b) Die retrospektive Analyse des 1994 Environmental Review (1999) Im November 1999 legte das DFAIT eine nachträgliche Überprüfung der ersten Umweltprüfung in Form der Retrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations vor.37 Der Bericht war ursprünglich als erster Teil eines umfassenden SEA-Prozesses für die erwartete Seattle-Runde gedacht. Darin sollte die bisherige Analyse aus damaliger Sicht nachvollzogen und ergänzt werden. Es sollten Lehren für die zweite Phase, die Erarbeitung einer generellen Methodik, gezogen werden. Eine dritte Phase hätte dann die erwarteten WTO-Verhandlungen auf ihre Umweltauswirkungen untersuchen sollen.38 (1) Rechtlicher Zusammenhang Die rückblickende Überprüfung des review von 1994 wird in engem Zusammenhang mit strategischen Umweltprüfungen gestellt. „This retrospective analysis is intended to assist in the Canadian Strategic Environmental Assessment (SEA) of agreements to be negotiated during the new round of multilateral trade negotiations.“39 Der Bericht selbst erläutert das Konzept einer SEA nicht näher. Er verweist vielmehr auf die erläuternde Internetseite.40 Auf dieser werden dann die Zusammenhänge zwischen ProjektUVPs und strategischen Umweltprüfungen erläutert. Mit anderen Worten: Auch dieser Bericht baut auf dem traditionellen Konzept der UVP auf. Dabei erläutert die Internetseite auch die erheblichen Unterschiede zwischen der UVP und einer SEA. Die beiden Pro37 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, 1999. 38 Ibid. S. 1. 39 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 40 Im Internet unter http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/backgrounder-en.asp (März 2007).
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zesse seien „substantially different“.41 Insbesondere die Überprüfung von politischen Entscheidungen sei sehr viel komplexer, weil eine erhöhte Unsicherheit in Bezug auf das Ergebnis und die beeinflussenden Unbekannten bestehe. Die Vorhersehbarkeit politischer Ergebnisse sei vielfach eingeschränkt.42 Aus diesen Erläuterungen lässt sich ein Zusammenhang mit dem Vorsorgeprinzip schließen. Zum einen sollen Optionen für die Umwelt offengehalten werden, zum anderen geht es um die Bearbeitung wissenschaftlicher Unsicherheit. Der Bericht selbst betont dann selbst noch einmal die öffentliche Beteiligung, die einen „integral component“ der strategischen Umweltprüfung darstellt.43 Somit ist auch die Offenheit als Prinzip der retrospektiven Überprüfung klargestellt. (2) Zeitpunkt Fünf Jahre nach der Erstellung der ursprünglichen Umweltüberprüfung der Übereinkommen der Uruguay-Runde soll die accuracy, also die Genauigkeit, der damaligen Ergebnisse überprüft werden.44 Dabei verweist das DFAIT auf die zum damaligen Zeitpunkt herannahende, neue Welthandelsrunde. Der Zeitpunkt der Untersuchung hat vielfältige Vorteile. Zunächst können die Annahmen von 1994 auf ihre tatsächliche Stimmigkeit untersucht werden. Neu aufgetauchte Umweltprobleme innerhalb der WTO werden analysiert und schließlich stellt eine nachträgliche Überprüfung auch sicher, dass die Regierung keine falschen Annahmen in die neuen Verhandlungen übernimmt. Zwar sieht der Bericht selbst keinen rechtlichen Mechanismus vor, dennoch sollen die kanadischen Unterhändler zumindest während des SEA regelmäßig informiert werden.45 Als Begründung für die unterschiedlichen Zeitpunkte weisen die Verfasser auf Fortschritte in der Methodik hin. Während der review von 1994 erst nach Abschluss der Welthandelsrunde vorgenommen wurde, kann als „. . . notable example of this progress“46 die Untersuchung der neuen Welthandelsrunde zeitgleich mit den Verhandlungen stattfinden. Die Fortschritte werden im Einzelnen nicht näher aufgelistet. Eindeutig ist aber der Hinweis auf Arbeiten der OECD zu diesem Thema.47 41
Im Internet unter http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/backgrounder-en.asp. S. 2. Im Internet unter http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/backgrounder-en.asp. S. 2. 43 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 44 Ibid. S. 1. 45 „Canada is committed to integrating environmental considerations into the new round of negotioations in an open, transparent, and accountable fashion.“ Vgl. DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39 f. 46 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39. 42
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(3) Methodik Der Bericht über die retrospective analysis beschreibt zunächst die Methodik des review von 1994. Der damalige Bericht „. . . focussed on the ,regulatory effects‘ of trade liberalization.“48 Er stellte also lediglich eine Analyse der rechtlichen Auswirkungen, insbesondere also des umweltpolitischen beziehungsweise -rechtlichen Handlungsspielraumes der kanadischen Regierung, dar. Die gleiche Methodik wendet die rückwirkende Überprüfung an. Es wurde jedoch angekündigt, dass die Methodik für eine SEA einer neuen Welthandelsrunde einen „broader approach“, weiteren Ansatz, für die Untersuchung der möglichen Auswirkungen enthalten werde.49 Der Hinweis auf die Studie der OECD zu den Umweltauswirkungen von Handelsliberalisierung50 stellt diesen möglichen weiteren Ansatz klar, indem auf die „direct or indirect scale, technology, structural and regulatory effects“51 verwiesen wird. Nach Einschätzung der Verfasser ist die Umweltprüfung von handelspolitischen Entscheidungen a complex task.52 Häufig könnten Umwelteffekte nicht eindeutig spezifischen Gründen zugeordnet werden. So finde etwa die Umsetzung der WTO-Übereinkommen in einer Phase wachsender Globalisierung statt. Stärkere wirtschaftliche Verknüpfung, regionale Handelsübereinkommen und verschiedene nationale und regionale politische Faktoren kämen hinzu. „The integrated and complex nature of potential environmental effects of liberalised trade clearly requires a more interdisciplinary analysis in assessments, and greater appreciation for the relationship between international trade rules and domestic regulations.“53 Diese Feststellungen rechtfertigen zum einen den regulatorischen Ansatz. Zum anderen begründen sie auch, weswegen auf eine eher internationale Perspektive verzichtet wurde. Gerade der Zusammenhang zwischen internationalen Handelsregelungen und innerstaatlichen Regelungen bildet eines der wesentlichen Argumente, internationale Auswirkungen bei der Untersuchung auszuklammern. Leider greift die Analyse von 1999 den Ansatz des 1994er review bezüglich internationaler Umweltübereinkommen nicht auf. Ob 47 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39. 48 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 49 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 50 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, 1994. 51 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 52 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39. 53 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39.
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die WTO mit allen Verpflichtungen Kanadas aus internationalen MEAs in Einklang steht, wird nicht thematisiert. Es findet sich lediglich der lapidare Hinweis, dass das gegenüber den MEAs stärker ausgearbeitete und effektivere Streitbeilegungssystem der WTO, „increases the possibility of trade disputes under MEAs being brought to the WTO than being settled under the MEA in question.“54 In dem Bericht werden neben allen Untersuchungspunkten des ursprünglichen review zusätzlich der Ausschuss für Handel und Umwelt und das GATT 1994 untersucht.55 Diese Erweiterung wurde mit wichtigen Erkenntnissen über die Behandlung von Umweltaspekten in der WTO begründet und verdeutlicht in diesem Punkt den relativ weiten Untersuchungsspielraum. Dieser hat den Vorteil, dass auf alle aktuellen Diskussionen eingegangen werden kann. Überdies bietet das Fehlen eines vorgegebenen Prüfungsschemas dem Ministerium die Möglichkeit, frei über die notwendigen Untersuchungspunkte zu entscheiden. Dies sollte indes für diese Pilotüberprüfung nicht als negativ angesehen werden, da durch die Umweltüberprüfung von 1994 der Prüfungsrahmen schon vorgegeben war. Im Einzelnen wurden zunächst kurz das jeweilige Abkommen und die Umweltüberprüfung von 1994 dargestellt. Sodann warfen die Autoren die für sie wesentlichen Fragen auf und versuchten diese aus kanadischer Sicht zu beantworten. Beim WTO-Übereinkommen wurden beispielsweise die Fragen gestellt, ob die Erwähnung der nachhaltigen Entwicklung in der Präambel irgendwelche Auswirkungen hatte, ob wirklich angemessene Regelungen für die Zusammenarbeit mit anderen Regierungsorganisationen getroffen und ob selbige auch für die Beratung und Zusammenarbeit mit NGOs getroffen wurden. Zur Beantwortung der ersten Frage verweist der Bericht auf den Shrimpsfall, in dem der Appellate Body die Präambel als Interpretationshilfe für Art. XX GATT 1994 herangezogen hatte.56 Bei der zweiten Frage wird auf den Beobachterstatus von 20 Regierungsorganisationen im CTE hingewiesen. Außerdem würden die WTO und UNEP Möglichkeiten eines „more formal cooperative relationship“57 prü54 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 36. 55 Es wurden das WTO-Übereinkommen, der Ausschuss für Handel und Umwelt, das GATT 1994, das Landwirtschaftsübereinkommen, das SPS-, TBT-, TRIMS-, SCMsowie das GATS-Übereinkommen, das TRIPS-Übereinkommen und das DSU untersucht. Ein ausblickendes Kapitel „Summary And The Way Ahead“ schließt diesen Bericht ebenfalls ab. 56 United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, „It is proper for us to take into account, as part of the context of the chapeau, the specific language of the preamble to the WTO Agreement, which, we have said, gives colour, texture and shading to the rights and obligations of Members under the WTO Agreement, generally, and under the GATT 1994, in particular.“ WT/DS58/AB/R, para. 154.
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fen. Bei der dritten Frage werden ausführlich die Mitwirkungsmöglichkeiten von NGOs aufgeführt. Im Einzelnen aufgeführt werden die erhöhte Transparenz,58 die Möglichkeit für NGOs, Eingaben an die WTO zu machen, die auf der Internetseite veröffentlicht werden, sowie die NGO-Teilnahme an WTO-Symposien und an den Ministerkonferenzen. Die Analyse schließt mit dem Hinweis auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der NGOs in Kanada selbst. So seien schon vor dem formalen SEA-Prozess NGOs regelmäßig vom Standing Committee on Foreign Affairs and International Trade konsultiert worden. Diese Analyse erweckt insbesondere am Ende den Eindruck, als sei sie für kritische NGO-Leser geschrieben worden. Eine gewisse Rechtfertigungsfunktion kann sie nicht verbergen. Gerade der Hinweis auf die Mitwirkungsmöglichkeiten in Kanada selbst, ohne dass die nur mäßigen Mitwirkungsmöglichkeiten innerhalb der WTO kritisch gewürdigt werden, deutet auf diese Funktion hin. Sie beeinträchtigt einerseits den idealerweise neutralen Analyseprozess. Andererseits führt der Rechtfertigungsdruck aber auch zu einer eher umweltfreundlichen Festlegung. Das würde bei einer gerichtlichen Überprüfbarkeit kanadischer Handelspositionen, etwa vor einem Streitbeilegungsverfahren, eine gute Ausgangsposition bedeuten. Bei der Untersuchung des CTE wurde die Frage nach dessen Effektivität aufgeworfen. Dabei wird hervorgehoben, dass bis zur Ministererklärung von Singapur kein WTO-Dokument die Legitimität von Umweltpolitiken so weitgehend anerkannt habe. Allerdings habe es seit der Ministerkonferenz von Singapur innerhalb des CTE keinen Konsens in Bezug auf möglicherweise erforderliche Änderungen der WTO-Übereinkommen gegeben. Insbesondere das Verhältnis zwischen der WTO und den Multilateralen Umweltübereinkommen (MEAs) sei nach wie vor ein Problem. Zu wenige Umweltministerien, so die analysis weiter, beteiligten sich an den Sitzungen des CTE. Auf den Punkt wird die Kritik am CTE mit der folgenden Einschätzung gebracht: „. . . the failure to coordinate domestic policy formulation between domestic trade and environment ministries remains a problem, both at the WTO and in the context of MEA negotiations.“59 Diese kritische Analyse zeigt, wie vorsichtig die Verfasser bei der Formulierung echter Verbesserungsvorschläge sind. Nur an wenigen Stellen wird so offen Kritik an der WTO geübt. Die Formulierung eines Veränderungsvorschlages bleibt aus. Dies zeigt eine Schwachstelle der regulatorischen Analyse. Der Schwerpunkt liegt auf der Prüfung des verbleibenden kanadischen Handlungsspielraumes, ohne unmittelbar die Gesamtordnung in den Blick zu nehmen. Die 57 DFAIT, Restrospective Analysis Uruguay Round of Multilateral Trade 58 Siehe oben Teil 1, B. I. 59 DFAIT, Restrospective Analysis Uruguay Round of Multilateral Trade
of the 1994 Canadian Environmental Review – Negotiations, S. 4. of the 1994 Canadian Environmental Review – Negotiations, S. 10.
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Staaten versuchen in Bezug auf die zugrunde liegenden ökonomischen Regulierungsfragen generell, die internationale Gesamtordnung zu beeinflussen. Hierfür muss grundsätzlich mit weitreichenden Handlungsoptionen operiert werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass dies für die ökonomischen Anforderungen selbstverständlich gilt, sprich dass in Bezug auf wirtschaftliche Anforderungen Handlungsoptionen vorgeschlagen werden, greift dieser Ansatz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklungsstrategie zu kurz. Für das WTO-Landwirtschaftsübereinkommen wird rückblickend die Frage aufgeworfen, ob es zu einer Umformung der landwirtschaftlichen Produktion hin zu weniger Umweltschädlichkeit beigetragen habe. Neben dem Hinweis auf schon vor dem Abschluss der Uruguay-Runde abgeschlossene kanadische Reformen und dem Abbau von Subventionen findet sich die Feststellung, dass „[t]rade in agriculture and agri-food products that is allowed to respond to market signals instead of distorting support programs is intrinsically more environmentally friendly.“ Hier wird ganz im Sinne der bisherigen kanadischen Handelspolitik60 eine zum Teil sogar widerlegte These für den Landwirtschaftssektor angeführt, die wiederum die Nähe der Verfasser der nachträglichen Analyse zur allgemeinen Handelsposition Kanadas beweist. Interessanterweise enthält dieser Bericht im Verhältnis zum review von 1994 nur eine kurze Analyse des TBT. Das Schutzniveau wird nicht erneut thematisiert, sondern es wird geprüft, ob Kanada das Recht behalten hat, notwendige Umweltmaßnahmen zu beschließen und anzuwenden. Zwar habe sich der Erlass von Umweltmaßnahmen im Sinne größerer Interdisziplinarität und eines erhöhten Verwaltungsaufwands geändert, die große Anzahl notifizierter Maßnahmen würde aber dafür sprechen, dass Kanada sich das Recht auf strenge Umweltmaßnahmen erhalten habe. Beim TBT wäre eine umfassende Analyse der ursprünglichen Ergebnisse wünschenswert gewesen. Leider ist diese nicht erfolgt, was möglicherweise auf den schon 1999 eingeleiteten Konsultationen im Asbestfall zurückzuführen war. Bei der nachträglichen Einschätzung des SPS-Übereinkommens wird auf den Ausgang der Streitbeilegungsverfahren eingegangen.61 Den AB-Entscheidungen sei, so die Schlussfolgerung, kein Hinweis zu entnehmen, dass „. . . the Appellate’s Body’s ruling in these three cases have weakened the sovereign right of WTO Members to enact strong regulatory measures deemded necessary to protect human, animal or plant live or health. Indeed this right has been confirmed.“62 Dabei war Kanada in zwei der vier Fälle antragstellende Partei des 60 Kanada ist Mitglied der Cairns-Gruppe, die sich für eine stärkere Liberalisierung des Agrarsektors innerhalb der WTO einsetzt. 61 EC – Hormones, Australia – Salmon und Japan – Varietals. 62 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 22.
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Verfahrens, mithin also gerade gegen eine stark eigenbestimmte Position der WTO-Mitglieder im SPS-Bereich. Auf die dabei vertretenen Rechtsposition im Vergleich zum review von 1994 geht die Untersuchung nicht ein. Entgegen der ursprünglichen Einschätzung, dass der review die Position Kanadas beeinflussen würde, muss wohl auch für das SPS eher das Gegenteil konstatiert werden. Dies wäre eine wichtige Information bei der nachträglichen Analyse. Denn eine echte regulatorische Überprüfung muss zuerst die eigene Position innerhalb der WTO einschließen. Daher muss die Frage nach dem Stellenwert eines solchen Berichtes aufgeworfen werden. Die retrospektive Analyse versucht die Ergebnisse des review von 1994 für die einzelnen Übereinkommen in einem Satz zusammenzufassen. „. . . [T]he Uruguay Round would not affect Canada’s right to maintain its strong environmental policies and regulations.“63 Diese Zusammenfassung enthält zwar schon eine leichte Interpretation, zumal sich eine entsprechende Feststellung im 1994er Bericht nicht finden lässt, zeigt aber zum wiederholten Mal die Methodik von 1994 auf. Es wurde nur der verbleibende gesetzgeberische Spielraum für Umweltregelungen und -politik untersucht. Zusammenfassend bestätigen die Berichtsverfasser die Grundfeststellung des review von 1994. Es sei auch 1999 noch gültig, dass „Canada has indeed maintained its right to regulate for environmental protection.“64 2. Gesetzliche Regelung Nur aus den aufgezeigten Studien lässt sich der vom DFAIT entwickelte Framework for Conducting Environmental Assessments of Trade Negotiations erklären. Dabei soll zunächst der rechtliche Hintergrund und sodann der Ablauf erläutert werden. Anschließend wird auf die Methodik eingegangen. a) Rechtliche Grundlage Es wurde ein enger Bezug zu der für das innerstaatliche Handeln entwickelten 1999 Cabinet Directive on the Environmental Assessement of Policy, Plan and Program Proposals65 gewählt. In der Directive wird die Verpflichtung Kanadas zu einer nachhaltigen Entwicklung betont. „Consistent with the Government’s strong commitment to sustainable development, Ministers expect that 63 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 1. 64 DFAIT, Restrospective Analysis of the 1994 Canadian Environmental Review – Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, S. 39. 65 CEAA, Strategic Environmental Assessment – The 1999 Cabinet Directive on the Environmental Assessment of Policy, Plan and Program Proposals – Guidelines for Implementing the Cabinet Directive, S. 1.
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policy, plan and program proposals of departments and agencies will consider, when appropriate, potential environmental effects.“66 Es besteht keine rechtliche Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung, allerdings eine sehr gewichtige politische.67 Nur im Fall einer Minister- oder Kabinettsentscheidung ist die strategische Umweltprüfung von der Directive vorgeschrieben. Dabei werden zunächst das Ausmaß und die Art (scope and nature) der möglichen Umwelteffekte untersucht. Sodann ermitteln die Prüfer Maßnahmen zur Minderung oder zum Ausschluss dieser negativen Effekte. Dabei soll den Umwelteffekten die gleiche Beachtung geschenkt werden, wie den ökonomischen und sozialen Analysen. Allerdings wird auch verlangt, dass der Aufwand der Untersuchung in einem angemessenen Verhältnis (commensurate) mit den möglichen Umweltfolgen steht. Die Umweltbelange sollen für jede Option betrachtet werden und die End-Entscheidung soll das Ergebnis der strategischen Umweltprüfung einschließen (incorporate). Die Öffentlichkeit soll to the fullest extent possible nach den bisherigen rechtlichen Instrumenten beteiligt werden und die Ergebnisse der Umweltprüfung müssen dokumentiert und berichtet werden. Zu der eigentlichen Direktive gehören auch Ausführungsbestimmungen in Form von Guidelines. Die Beachtung der Ausführungsbestimmungen bei der Untersuchung der Vorschriften über die strategische Umweltprüfung von Handelsverhandlungen soll überprüft werden. b) Ablauf Der Ablauf gliedert sich in drei wesentliche Phasen. Zunächst wird ein einleitender Umweltprüfungsbericht (initial Environmental Assessment), so dann ein Entwurf einer Umweltprüfung und schließlich eine abschließende Umweltprüfung erarbeitet. Erst der Entwurf einer Umweltprüfung soll dabei unmittelbar für die Verhandlungsführung verwendet werden. Die abschließende Umweltprüfung beschreibt dann das Ergebnis der Verhandlungen und wie die Umweltprüfungen sie beeinflusst haben. Die anschließende Überwachung und Nachüberprüfungen werden empfohlen, sind aber nicht vorgeschrieben. Der Ablauf und die Methodik wurden im Wesentlichen unverändert von den bereits durchgeführten SEAs übernommen. Deren Ablauf und Methodik wurde bereits ausführlich erläutert.68 66 CEAA, Strategic Environmental Assessment – The 1999 Cabinet Directive on the Environmental Assessment of Policy, Plan and Program Proposals – Guidelines for Implementing the Cabinet Directive, S. 1. 67 Dies hängt insbesondere mit dem gescheiterten Versuch einer neuen kanadischen Verfassung zusammen. In der Verfassung, die von allen Parteien unterstützt wurde, dann aber in einer Volksabstimmung scheiterte, sollte die nachhaltige Entwicklung festgeschrieben werden. 68 Siehe oben 2. Teil, A. I. 1. a) und b).
Abbildung 1: Verfahrensübersicht über den Ablauf der Umweltprüfung von Handelsverhandlungen
Quelle: DIFAIT, Framework for Conducting Environmental Assessments of Trade Negotiations, S. 8
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c) Zielsetzung Mit der Umweltprüfung sollen im Wesentlichen zwei Ziele erreicht werden. Zunächst soll sie den kanadischen Verhandlungsführern helfen, Umweltbelange in die Verhandlungen mit zu integrieren, indem Informationen über die Umweltauswirkungen der vorgeschlagenen Verträge zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin soll den öffentlichen Bedenken Rechnung getragen werden, indem aufgezeigt wird, wie Umweltbelange in den Verhandlungsprozess integriert wurden. 3. Anwendung Bisher sind in Anwendung der Guidelines nur drei vorläufige Umweltprüfungsberichte veröffentlicht worden. Das bedeutet, dass bisher noch kein Entwurf für eine Umweltprüfung und auch keine abschließende Umweltprüfung nach den Guidelines vorliegt. Insofern ist auch die Wirkung noch nicht abschließend zu beurteilen, da in den Verhandlungen selbst erst der Entwurf einer Umweltprüfung aktiv genutzt werden soll. Daher soll hier nur ein kurzer Überblick über die bisherigen einleitenden Umweltprüfungen gegeben werden. Das erste Verfahren wurde für Kanadas Vorschläge für die neue Welthandelsrunde von Doha eingeleitet. 69 Als weitere initial environmental assessments wurden als erste die FTAA und das Freihandelsabkommen zwischen Kanada und vier Mittelamerikanischen Staaten (sogenannte Central America Four) vorläufig überprüft. Weitere Umweltprüfungen könnten nach einleitenden Konsultationen für die möglichen Freihandelsverhandlungen mit den Staaten des Anden-Paktes, der Karibischen Entwicklungsgemeinschaft CARICOM, der Dominikanischen Republik und der Europäischen Union beschlossen werden.70 a) Initial Environmental Assessment of the new World Trade Organization (WTO) Negotiations Am 22. November 2002 wurde die vorläufige Umweltprüfung zu den WTOVerhandlungen veröffentlicht.71 Dieses Initial Environmental Assessment of the World Trade Organization (WTO) Negotiations wurde mit den zuständigen Ministerien der Provinzen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen gemeinsam erarbeitet. Der mit 45 Seiten verhältnismäßig kurze Bericht beschäftigt sich mit Landwirtschaft, Marktzugang für nicht-landwirtschaftliche Pro69 Siehe DFAIT, 2001 – WTO Consultations, Doha Ministerial Conference, http:// www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/env-info-e.asp (März 2007). 70 Vgl. online http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/reg-en.asp (März 2007). 71 Vgl. online http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/ea1105-e.pdf (März 2007).
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dukte, dem Dienstleistungshandel, den Verhandlungen über Antidumping, Subventionen und ähnliches, den Verhandlungen über Handel und Umwelt, den Herkunftsbeschreibungen von Weinen und Spirituosen und den Verhandlungen über die Streitbeilegung. Jeder Abschnitt ist dabei unterteilt in die Prüfung der wirtschaftlichen Auswirkung einer Liberalisierung im betreffenden Bereich, die Prüfung der daraus folgenden Umwelteinflüsse, insbesondere deren Ausmaß und Wirkung, sowie möglicher Ausgleichsmaßnahmen, die verhandelt werden könnten. Erwähnenswert ist vor allem die Stellungnahme in der einleitenden Umweltprüfung zu den Verhandlungen über den Streitbeilegungsmechanismus der WTO. Hier heißt es zu den möglichen Umweltauswirkungen: „The DSU negotiations address the rules and procedures by which disputes are managed and are aimed at increasing the effectiveness of the dispute settlement mechanism. A more effective dispute settlement mechanism will contribute to the overall objectives of the WTO, including the objective of sustainable development, by better governing Member’s relations in the field of trade and economics.“72 Hier wäre es möglicherweise wünschenwert gewesen, die Feststellungen aus den früheren Umweltprüfungen zu diesem Themenbereich zu übernehmen und vergangene Streitbeilegungsfälle zu analysieren. Zusammenfassend wurde für die einleitende Umweltprüfung der WTO-Verhandlungen festgestellt, dass in allen Bereichen außer dem Bereich der Streitbeilegung und der geographischen Beschreibungen für Wein und Spirituosen die Auswirkungen der WTO-Verhandlungen für den Entwurf der Umweltprüfung weiter untersucht werden sollten. Überwiegend stellte diese einleitende Umweltprüfung positive oder zumindest keine negativen Umwelteinflüsse fest.73 b) Initial Environmental Assessment of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Negotiations Am 5. Mai 2003 wurde die einleitende Umweltprüfung für die Verhandlungen über die Freihandelszone auf dem Amerikanischen Kontinent (Initial Environmental Assessment of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Negotiations) veröffentlicht.74 Diese einleitende Umweltprüfung lehnt sich eng an den zuletzt veröffentlichten Verhandlungsentwurf des FTAA-Übereinkommens an.75 Es werden alle bisher feststehenden Kapitel der Verhandlungen in der in den 72 DFAIT, Initial Environmental Assessment of the World Trade Organization (WTO) Negotiations, S. 44. 73 DFAIT, Initial Environmental Assessment of the World Trade Organization (WTO) Negotiations, S. 45. 74 Vgl. online http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/IYT/ea0422-en.asp (März 2007). Die betreffende Notiz zur Durchführung einer Umweltprüfung wurde im Amtsblatt am 16.3.2002 veröffentlicht. 75 3. Entwurf für das FTAA-Übereinkommen 2003, online: http://www.ftaa-alca. org/FTAADraft03/Index_e.asp (März 2007).
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Guidelines enthaltenen Art und Weise analysiert: Marktzugang, Landwirtschaft, öffentliches Beschaffungswesen, Investitionen, Wettbewerbspolitik, Geistiges Eigentum, Dienstleistungen, Streitbeilegung und Subventionen, Antidumping und Schutzzölle. In allen Bereichen kommt diese einleitende Umweltprüfung zu dem Schluss, dass die wirtschaftlichen Folgen einer Liberalisierung in der FTAA gegenüber existierenden Freihandelsübereinkommen in der North American Free Trade Area und den bilateralen Abkommen mit Chile und Costa Rica nur minimal seien und demnach auch die Umweltfolgen in Kanada nur sehr begrenzte Auswirkungen hätten. Interessant sind die Ausführungen zum Kapitel über Investitition. Dort kommt die einleitende Umweltprüfung zu dem Schluss, dass der Investitionsschutz zum Funktionieren des freien Handels in der Hemisphäre notwendig sei und es wird vorgeschlagen, dass Kanada seine Erfahrungen aus dem 11. Kapitel des NAFTA-Übereinkommens nutzen solle, um ungewollte Auswirkungen auf die nationale Umweltpolitik zu verhindern.76 Zusammenfassend wird kein Bereich für den späteren Entwurf der Umweltprüfung ausgeschlossen, auch wenn in den Bereichen Wettbewerb, Streitbeilegung, geistiges Eigentum und Subventionen u. ä. keine Umweltauswirkungen erwartet werden, während sie für verschiedene Bereiche des Dienstleistungshandels und des öffentlichen Beschaffungswesens noch nicht vorhersehbar erscheinen.77 c) Initial Environmental Assessment of the Canada-Central America Four Free Trade (CA-4) Negotiations Am 18. Juni 2003 wurde die einleitende Umweltprüfung zu den Verhandlungen eines Freihandelsübereinkommens mit den vier mittelamerikanischen Ländern El Salvador, Guatemala, Honduras und Nicaragua veröffentlicht.78 Auf nur 24 Seiten werden wiederum die sehr begrenzten wirtschaftlichen Folgen für Kanada hervorgehoben. Der Anteil der CA-4-Staaten betrage zusammen nur 0,11 % aller kanadischen Exporte und nur 0,05% aller Importe.79 Zusammenfassend wird festgestellt: „This report concludes that, while there may be some increase in the trade of higher value-added paper products and structural steel, significant environmental impact on Canada is not expected as these increased 76 DFAIT, Initial Environmental Assessment of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Negotiations, S. 33. 77 DFAIT, Initial Environmental Assessment of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Negotiations, S. 45. 78 DFAIT, Initial Strategic Environmental Assessment Report of the Canada-Central America Four Free Trade Negotiations (El Salvador, Guatemala, Honduras and Nicaragua), online http://www.dfait-maeci.gc.ca/tna-nac/documents/ea0423-en.pdf (März 2007). 79 DFAIT, Initial Strategic Environmental Assessment Report of the Canada-Central America Four Free Trade Negotiations (El Salvador, Guatemala, Honduras and Nicaragua), S. 6.
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exports will be easily produced in existing production runs with marginal increases in inputs used and with marginal changes to the environmental impact of those existing operating production facilities.“80 In Anwendung der Guidelines kommt DFAIT zu dem Schluss, dass eine Umweltprüfung im Fall dieser Verhandlungen nicht angezeigt ist: „This environmental assessment shows that there are no likely and significant environmental impacts on Canada that can be anticipated from the Canada-CA-4 free trade negotiations. This initial EA phase is carried out for all negotiations; however, . . ., further application of the EA Framework may not be required if environmental impacts are identified as unlikely or insignificant. This circumstance is true of the findings for this report. In accordance with the EA Framework, a Final EA is not anticipated unless new information becomes available that would warrant consideration.“81 4. Rückschlüsse Eine vollständige rechtliche Analyse ist zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht möglich. Allerdings lassen sich aus bisherigen kanadischen Studien Rückschlüsse auf die zukünftige Praxis ziehen. Daher soll an dieser Stelle eine Würdigung der Vorschriften vorgenommen werden. Positiv ist die rechtliche Verbindlichkeit der Prüfung zu sehen. Sie baut direkt auf das UVP-Gesetz auf und wird dadurch zusätzlich in einen rechtlichen Kontext mit projektbezogenen Umweltprüfungen gesetzt. Allerdings liegt kein Gesetz im eigentlichen Sinne vor, sondern nur eine Kabinettsverordnung. Diese kann ohne Mitwirkung des Parlaments geändert werden. Eine Mitwirkung des Parlamentes könnte aber sinnvoll sein, da so eine größere Öffentlichwirksamkeit erreicht werden könnte und das Instrument nicht zur Routineübung verkümmert. Die Durchführung soll unter großer Öffentlichkeitsbeteiligung geschehen. Wie sich dies in der Praxis umsetzen lässt, ist nicht vorherzusagen. Bei den bisherigen einleitenden Umweltprüfungen hat es keine sehr große Beteiligung gegeben.82 Zur Zeit arbeitet eine Arbeitsgruppe an der Verbesserung der Guidelines, um die öffentliche Beteiligung zu stärken. Leider fehlt die Einklagbarkeit der Ergebnisse. Damit ist die strategische Umweltprüfung gegenüber der verwandten UVP das schwächere Instrument. Eine Nachfolgeprüfung ist bisher 80 DFAIT, Initial Strategic Environmental Assessment Report of the Canada-Central America Four Free Trade Negotiations (El Salvador, Guatemala, Honduras and Nicaragua), S. 12. 81 DFAIT, Initial Strategic Environmental Assessment Report of the Canada-Central America Four Free Trade Negotiations (El Salvador, Guatemala, Honduras and Nicaragua), S. 13. 82 Persönliches Gespräch des Autors mit DFAIT-Mitarbeiter.
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zwar vorgeschlagen, aber nicht ausdrücklich vorgesehen. Es sollte aber nicht nur eine vorausschauende, sondern auch eine retrospektive Umweltprüfung geben. Als problematisch für eine transparente Umweltprüfung erscheint das in den Guidelines festgeschriebene Ziel der Überzeugung der eigenen Bevölkerung. Wird ein Bericht mit dieser Herangehensweise verfasst, dürfte die gesamte Übung fragwürdig sein. Es sollte insofern eine ergebnisoffene Prüfung durchgeführt werden, die – wie bei UVPs auch – die Nichthandlungsalternative beinhaltet.
II. Environmental Review of Trade Agreements der USA Bevor die Umweltprüfungen im US-Außenhandelsrecht vorgestellt werden, soll zunächst ein kurzer Überblick über das US-Außenwirtschaftsrecht und seine Grundlagen gegeben werden. 1. Das US-Außenwirtschaftsrecht Die Freiheit des Außenhandels wird in der Verfassung der USA durch objektive Handelsklauseln gesichert und nicht durch individuelle Rechte.83 Die Gerichte haben wiederholt ein individuelles Recht zum internationalen Handel verneint. Allerdings gewährleisten Art. I §§ 9 und 10 US-Verfassung die Freiheit der Wirtschaftsbetätigung in allen Bundesstaaten. Die Verfassung der USA zeichnet sich durch eine besonders eindeutige Gewaltenteilung aus. Die Gründungsväter misstrauten der Konzentration von zuviel Macht. Das System der checks and balances soll genau diese Machtfülle verhindern. Art. I § 8 der USVerfassung verbrieft das Recht des Kongresses den Handel mit ausländischen Nationen zu regeln und Steuern, Abgaben und Zölle festzulegen und zu erheben. Daher nimmt der Kongress die besondere Zuständigkeit in Fragen des internationalen Handels für sich in Anspruch.84 Andererseits vertritt der Präsident den Staat nach außen. Das bedeutet, das Aushandeln und der Abschluss völkerrechtlicher Verträge fällt in seine Zuständigkeit. Nach der Rechtsprechung des Supreme Court hat der Präsident bei internationalen Angelegenheiten Zuständigkeiten, die ihm und nicht den Bundesstaaten zufallen, auch wenn diese nicht ausdrücklich in der Verfassung aufgeführt sind.85
83 Ernst-Ulrich Petersmann, National Constitutions and International Economic Law, in: Hilf/Petersmann, National Constitutions and International Economic Law, Deventer 1993, S. 45. 84 Jackson, The World Trading System, S. 82. 85 US Supreme Court, United States v. Curtiss Wright Export Company, 57 S.Ct. 216, U.S.N.Y. 1936, entschieden 21.12.1936.
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Die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge fällt grundsätzlich in die Kompetenz des Senates. Die Verfassung schreibt vor, dass treaties dem Senat zur Beratung und Zustimmung (advise and consent) vorgelegt werden (Art. II Sec. 2 USC). Der Senat muss mit Zweidrittelmehrheit dem völkerrechtlichen Vertrag zustimmen. Neben treaties werden in der Verfassung noch agreements und compacts erwähnt.86 Allerdings enthält die Verfassung keine Definition dieser anderen internationalen Verträge. Executive agreements sind die häufigste Form, in der Handelsverträge abgeschlossen werden. Grundsätzlich können sie auf vier unterschiedliche Arten zustande kommen. Erstens können sie dem Kongress vorgelegt werden, der den Präsidenten dann mit einem Gesetz ermächtigt, den Vertrag abzuschließen. Viele Übereinkommen der Tokio-Runde des GATT kamen auf diese Weise zustande. Zweitens kann der Kongress ein Gesetz verabschieden, das den Präsidenten ermächtigt, über einen Vertrag zu verhandeln, ihn zu unterzeichnen und ihn für die Vereinigten Staaten abzuschließen. Weiterhin kann drittens ein treaty die Ermächtigung enthalten, ein executive agreement abzuschließen, das den treaty umsetzt. Und viertens kann der Präsident für sehr begrenzte Fälle selbst ohne Zustimmung des Kongresses völkerrechtliche Verträge abschließen.87 Diese Form der Gewaltenteilung hat immer wieder die Konsequenz, dass der Präsident nach langjährigen Vertragsverhandlungen nicht sicher sein konnte, dass der von seiner Administration ausgehandelte Vertrag auch wirklich vom Senat als treaty oder wenigstens vom Kongress als executive agreement gebilligt wird. Um diesem Umstand zu begegnen, ermächtigte schon 1890 der Kongress im tariff act den Präsidenten, Zollabkommen mit anderen Staaten zu schließen, ohne dass eine weitere Ratifizierung notwendig gewesen wäre. Diese Vorgehensweise wurde 1934 im trade act generell auf alle internationalen Handelsabkommen ausgeweitet. Dass dieses Verfahren auch in der Folge nicht immer problemlos angewendet wurde, zeigen die Verträge der Havanna-Konferenz, die eigentlich zur Gründung der ITO führen sollten. Das nachträgliche Genehmigungsgesetz scheiterte im amerikanischen Kongress. Das GATT wurde daher später vorläufig in Kraft gesetzt. Bei der Ratifizierung der Ergebnisse der Uruguay-Runde war umstritten, ob ein so umfassendes Vertragswerk nicht als treaty einzuordnen sei. Es wurde nach Diskussionen dennoch das executive agreement Verfahren gewählt, und Kritikern wurde durch die Zweidrittelmehrheit des Senates zumindest ein Teil der Bedenken genommen. Einen Kompromiss zwischen der vollständigen Ermächtigung des Präsidenten und dem vollständigen Zustimmungserfordernis enthielt der Entwurf des Trade 86
Vgl. Art. II, § 2, cl. 2, und Art. VI, cl. 2, mit Art. I, 10, cls. 1 und 3 USC. Johnny H. Killian/George A. Costello (Hrsg.), The Constitution of the United States of America – Analysis and Interpretation – Annotations of Cases decided by the Supreme Court of the United States, Congressional Research Service – Library of Congress, 1992, S. 495. 87
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Act von 1974. Hier wurde dem Präsidenten gestattet, einen Vertrag auszuhandeln. Gegen diesen musste dann durch ein vorgeschriebenes Verfahren mit einer festgelegten Mehrheit vom Kongress Einspruch erhoben werden, andernfalls konnte der Vertrag in Kraft treten. Im Zuge der Watergate-Affäre wurde dieser Weg nicht weiterverfolgt.88 Der Kongress wurde vielmehr selbst aktiv und erarbeitete das sogenannte fast-track-Verfahren. Grundsätzlich behielt sich der Kongress vor, das Gesetz für ein internationales Handelsabkommen zu verabschieden. Allerdings wurde das Verfahren zu deren Annahme geändert. Unter Gewährung von Konsultationen konnte seither das entsprechende Gesetz nicht geändert werden. Die Beratungszeit in den relevanten Ausschüssen wird verkürzt und die Debatte über das Gesetz eingeschränkt. Das Verfahren wurde 1979 erfolgreich zur Umsetzung der Ergebnisse der Tokio-Runde angewendet. In den nachfolgenden Jahren verlangten die Handelspartner der USA vor dem Hintergrund des Scheiterns der ITO und der Kennedy-Runde die Anwendung des fast-track-Verfahrens. So wurde der Exekutive für die US-Kanada-Freihandelszone und auch für die gesamte Uruguay-Runde, bei mehrmaliger Verlängerung, das Verfahren zugestanden. Diese Einbindung der Gesetzgebung schon bei der Verhandlungsphase vereinfacht auch die Einführung einer Umweltprüfung nicht unerheblich. In den USA hat es – aufgrund der weitgehenden Einbeziehung des Kongresses – in Bezug auf Handelsverträge eine Kultur der Beteiligung und der Transparenz schon seit Jahrzehnten gegeben. Diese Herangehensweise lässt sich auch an verstärkten Beteiligungsformen im Zuge der Umweltprüfung weiterverfolgen. Systematisch ist sie eine Fortentwicklung der demokratischen Kontrolle der Handelspolitik des Präsidenten. 1998 allerdings erneuerte der Kongress seine Zustimmung zum fasttrack-Verfahren für Präsident Bill Clinton nicht. Erst die Verabschiedung des trade promotion authority act machte die neue Regierung Bush insofern wieder international handlungsfähig. In einer sehr knappen Abstimmung erhielt Bush im Repräsentatenhaus die Ermächtigung bis 2005, Handelsabkommen und -übereinkommen abzuschließen. Der US-Senat hat im Juni des Jahres 2002 den Trade Act 2002 verabschiedet, mit der Maßgabe, dass zukünftige Handelsabkommen auch den Bereich der Umwelt- und Arbeitsregelungen abdecken sollen. Bei der Anwendung der Trade Policy Authority ist die Präsidialverwaltung verpflichtet, den Kongress bei der Formulierung der Verhandlungsziele und während der Verhandlungen selbst zu konsultieren. Dazu wurde eine neue Congressional Oversight Group (COG) gegründet, in der Parlamentarier beider Kammern und der relevanten Kongressausschüsse vertreten sind. Die Administration ist hiernach verpflichtet, die Congressional Oversight Group regelmäßig über neue Entwicklungen zu informieren. Wenn der Kongress sich nicht ausrei88
John H. Jackson, The World Trading System, S. 94.
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chend informiert fühlt oder die Anregungen des Congressional Oversight Group nicht ausreichend aufgenommen werden, behält der Kongress das Recht, den Vertrag abzulehnen. Als Konsequenz lässt sich eine Tendenz zur vermehrten Mitwirkung der US-Legislative bei Handelsverträgen erkennen. Dies ist angesichts der Reichweite der internationalen handelspolitischen Verpflichtungen auch durchaus angemessen. Der United States Trade Representative (USTR), als handelspolitischer Agent des Präsidenten, ist eine eigenständige Behörde innerhalb der US-Administration. Er ist zuständig für alle Handelsverhandlungen und vertritt den Präsidenten im Rang eines Botschafters bei allen internationalen Handelsorganisationen. Schon mit dem Trade Expansion Act von 1962 ging die Kompetenz zur Führung von Handelsverhandlungen und zum Abschluss von Handelsverträgen vom Außenministerium (State Department) auf das neu gegründete Office of the Special Trade Representative über. Der Kongress befürchtete, dass außenpolitische Gründe die binnenwirtschaftlichen Interessen der USA bei der Aushandlung von Handelsverträgen verdrängen könnten.89 Der USTR bildet die Entwicklungs- und Koordinationsstelle für die Außenwirtschaftspolitik und übernimmt die Abstimmung innerhalb der Verwaltung und mit anderen Akteuren dieses Politikbereiches. Innerhalb der Exekutive sind vor allem das State Department, das Finanzministerium (Treasury Department) und das Handelsministerium (Department of Commerce (DOC)) mit Fragen der Außenwirtschaft befasst. Das State Department soll dabei vor allem die Auswirkungen handelspolitischer Entscheidungen für die internationalen Beziehungen der USA untersuchen. Das Finanzministerium ist für die Zollverwaltung und sonstige Abgaben zuständig. Das Handelsministerium überwacht die Durchführung der Handelsgesetze. Die International Trade Administration ist Teil des Department of Commerce und analysiert die Wirtschaftslage und hilft US-Unternehmen bei der Vermarktung ihrer Produkte im Ausland. Als Koordinationsgremien innerhalb des USTR fungieren das Trade Policy Staff Committee (TPSC) und die übergeordnete Trade Policy Review Group (TPRG). Im Trade Policy Staff Committee sind Abteilungsleiter 17 verschiedener Ministerien vertreten. Er gliedert sich in über 60 Unterausschüsse und task forces. Es ist die Aufgabe des Trade Policy Staff Committee, Vorschläge aus dem Subcommittees oder task forces auf ihre Durchführbarkeit zu überprüfen und Empfehlungen auszusprechen. Kann im Trade Policy Staff Committee kein Konsens erzielt werden oder sind grundlegende Fragen zu diskutieren, tritt die Trade Policy Review Group, bestehend aus Staatssekretären verschiedener Ministerien, zusammen. Kommt es hier zu keiner Einigung, tagt beim Präsidenten
89 Vgl. Jackson/Sykes, S. 182, Jürgen Bellers/Andreas Demuth, Außenwirtschaftspolitik im Vergleich, Münster/Hamburg 1993, S. 122.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
der Economic Policy Council mit den jeweiligen Fachministern einschließlich des USTR.90 Als unabhängige staatliche Einrichtung ist die US International Trade Commission (USITC) mit außenwirtschaftlichen Aufgaben betraut. Sie wurde 1916 als unabhängige überparteiliche Dienststelle gegründet und besteht aus sechs Kommissaren, die für neun Jahre ernannt werden. Die gesamte Einrichtung hat etwa 400 Mitarbeiter. Sie soll dem Kongress und dem Präsidenten regelmäßig Bericht über die Auswirkungen internationalen Handels in den USA erstatten. Außerdem untersucht die USITC private Anträge in Bezug auf Dumping, Schutzmaßnahmen, Subventionen und sonstige unfaire Handelspraktiken und erstellt Tatsachengutachten. Weiterhin erstellt die USITC die Handelsstatistiken. Ihr wird zum Teil enge Nähe zum Kongress unterstellt,91 weil ihre Gutachten oft gegen die aktuelle Handelspolitik gerichtet sind. Schließlich ist die Legislative aufgrund der Trade Policy Authority durch die sogenannte Congressional Oversight Group an der Handelspolitik beteiligt. Das bedeutet, dass sich die Administration aufgrund der legislativen Delegation eng mit dem Kongress abstimmen muss. Dabei sind wöchentliche Informationssitzungen keine Seltenheit. Diese Pflichten sind im entsprechenden Delegationsgesetz, jetzt dem Trade Act of 2002, geregelt. 2. Entwicklung der Environmental Reviews Das erste und vermutlich einflussreichste Gesetz zum Umweltrecht in den USA war der National Environmental Policy Act aus dem Jahre 1970.92 Ihm kommt weltweit eine Pionierrolle zu.93 Das Gesetz verlangt querschnittsartig von den Bundesbehörden, bei Maßnahmen mit bedeutenden Umweltauswirkungen ein environmental impact statement (EIS) vorzubereiten und durchzuführen. Vom Anwendungsbereich her erstreckt sich die environmental impact statement auf größere Projekte und erfasst auch politische Entscheidungen, Finanzierungsprogramme und sogar die Rechtsetzung.94
90 Cohen, The Making of United States International Economic Policy – Principles, Problems and Proposals for Reform, 4. Aufl. 1994. 91 John H. Jackson, The International Trading System, S. 98. 92 Gesetz 91-190 v. 01.01.1970, 42 U.S.C. § 4332. 93 Eckard Rehbinder, Das Vorsorgeprinzip im internationalen Vergleich, 1. Aufl. Düsseldorf 1991, S. 239. 94 Wilfried Erbguth/Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung – Kommentar, 1. Aufl. München 1992, Einl. Rn. 26.
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a) Gericht verneint Anwendbarkeit der UVP-Regel bei Handelsfragen Schon früh wurde die Frage gestellt, ob sich die Regelungen auch auf die Handelspolitik erstrecken. Nach einigen Diskussionen reichte eine Washingtoner NGO schließlich Klage gegen den United States Trade Representative (USTR) ein,95 um die Institution zur Durchführung eines Environmental Impact Assessment (EIS) unter dem National Environmental Policy Act (NEPA) hinsichtlich der Verhandlungspositionen des USTR zu zwingen. Zwar handelt der United States Trade Representative (USTR) die Handelsverträge aus, letztlich rechtswirksam ist aber erst die Entscheidung des Präsidenten selbst. Da aber die präsidiale Unterschrift unter einen Handelsvertrag nicht als Tätigkeit einer agency noch der Präsident selbst als agency bezeichnet werden können, ist der National Environmental Policy Act auf Handelsverhandlungen nicht anwendbar. Die Klage scheiterte in zweiter Instanz.96 Dennoch erhöhte sich der politische Druck innerhalb der USA, auch für Handelsverhandlungen ein environmental impact statement abzugeben.97 b) Environmental Reviews bei Gründung der NAFTA (1991–92 und 1993) Die erste Umweltprüfung in dieser Hinsicht fand anlässlich der NAFTA-Verhandlungen statt. Der USTR führte diese für die USA erste Umweltprüfung von Handelsverhandlungen durch. Zur Vorbereitung der Verhandlungen über die Gründung des North American Free Trade Agreement (NAFTA) wurden die Umweltaspekte der US-mexikanischen Beziehungen näher beleuchtet.98 Dabei hatte der junge Rechtsprofessor Daniel Esty großen Einfluss auf die Beteiligung der amerikanischen Umweltbehörde (Environmental Protection Agency (EPA)).99 Eine unmittelbare rechtliche Grundlage für diese freiwillige Überprüfung existierte damals noch nicht. Dennoch ist der Zusammenhang mit dem National Environmental Policy Act unverkennbar. Einige Verfahren aus dem National Environmental Policy Act wurden unmittelbar übernommen. So wurden Stellungnahmen der Öffentlichkeit eingefordert, öffentliche Anhörungen in sechs Städten wurden durchgeführt, und schließlich wurde ein Überprüfungsentwurf veröffentlicht, zu dem Stellungnahmen entgegengenommen wurden.100 95
Public Citizen v. Office U.S. Trade Representative, 822 F. Supp. 21 (D.D.C. 1993). Public Citizen v. Office U.S. Trade Representative, 5 F.3d 549 (D.C. Cir. 1993). 97 Vgl. P. S. Kibel, The Paper Tiger Awakens: North American Environmental Law After the Cozumel Reef Case, (2001) 39 Colum. J. Transnat’l L. S. 395, 405. 98 USTR, Draft review of U.S.-Mexico Environmental Issues (1991). 99 James Salzmann, Executive Order 13.141 and the Environmental review of trade agreements, American Journal of International Law (95) 2001, S. 368, Fn. 8. 100 James Salzmann, Executive Order 13.141 and the Environmental review of trade agreements, American Journal of International Law (95) 2001, S. 368, Fn. 8. 96
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Auf die Wahl des Zeitpunktes wurde besonderer Wert gelegt. Die einzelnen Phasen der Prüfung wurden so gewählt, dass wichtige Umweltprobleme für die Verhandlungsführer hervorgehoben werden konnten und sodann auch in den Verhandlungen angegangen werden konnten.101 Methodisch wurden die regulatorischen Effekte mit Bezug auf die Umwelt überprüft. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob und wenn ja, welche NAFTA-Regelungen direkt von dem environmental review herrühren. Es scheint indes gesichert, dass große Teile des North American Agreement on Environmental Cooperation ohne den öffentlichen Druck und diesen environmental review so nicht verfasst worden wären. c) Ablauf bei der Vorbereitung der WTO Seattle-Runde Für die von den Industiestaaten erwartete neue Welthandelsrunde, sog. Milleniumrunde, bereitete die US-Regierung die Institutionalisierung der Umweltprüfung für Handelsverhandlungen vor. Die ersten konkreten Diskussionen darüber begannen schon 1998. Damals hatte die US-Regierung über ein politisches OECD-Dokument über Umweltprüfungen zu entscheiden. Der nationale Wirtschaftsrat (National Economic Council) beauftragte Anfang 1999 schließlich das Council on Environmental Quality, den USTR und die Environmental Protection Agency, ein Weißpapier über die Rolle von Umweltprüfungen in Handelsverhandlungen zu erarbeiten. Einigkeit konnte in der interministeriellen Arbeitsgruppe lange Zeit nicht hergestellt werden. Erst als sich der politische Druck kurz vor Beginn der Konferenz von Seattle erhöhte, wurde das Gesetzesvorhaben konkreter.102 3. Gesetzliche Regelung Die auf diese Vorarbeiten aufbauende Executive Order 13.141 (EO) wurde von Präsident Bill Clinton am 16. November 1999 unterzeichnet.103 Das politische Umfeld ihres Erlasses wurde durch die anstehende WTO-Ministerkonferenz in Seattle bestimmt. Viele Interessengruppen hatten Proteste angekündigt und in dem sich abzeichnenden Klima der Auseinandersetzung wollte die Clinton-Administration ein positives bürgernahes Signal setzen. Die Executive Order 13.141 wurde durch den Trade Act of 2002104 wesentlich verstärkt. Ihr kommt durch den Trade Act nun einem Gesetz vergleichbarer 101 James Salzmann, Executive Order 13.141 and the Environmental review of trade agreements, American Journal of International Law (95) 2001, S. 368, Fn. 8. 102 James Salzmann, Executive Order 13.141 and the Environmental review of trade agreements, American Journal of International Law (95) 2001, S. 369. insb. Fn. 17. 103 Federal Registry Bd. 64 Nr. 222 vom 18.11.1999 Seite 63.169 f.
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Rang zu. Die Konsultationspflichten mit dem Kongress, der nun vor Aufnahme der Verhandlungen informiert werden muss, wurden ebenso verstärkt und in das review-Verfahren eingebunden. Im Trade Act of 2002 ist festgelegt, dass die Handelsverhandlungen drei Ziele in Bezug auf den Umweltschutz verfolgen sollen: „(1) ensuring that trade and environmental policies are mutually supportive and to seek to protect and preserve the environment and enhance the international means of doing so, while optimizing the use of the world’s resources (section 2102(a)(5)); and (2) seeking provisions in trade agreements under which parties to those agreements strive to ensure that they do not weaken or reduce the protections afforded in domestic environmental and labor laws as an encouragement for trade (section 2102(a)(7)).“ Daneben legt das Gesetz fest, dass die Verhandlungen im Bereich der Umweltpolitik zum Ziel haben sollen, dass kein Handelspartner seine eigenen Umweltgesetze vernachlässigt und sich so Handelsvorteile verschafft. Die Fähigkeit der Handelspartner zum Umweltschutz soll durch „the promotion of sustainable development“ erreicht werden.105 Jedwedes Regierungshandeln, das eine nachhaltige Entwicklung gefährdet, soll verhindert werden. Die Zölle für Umwelttechnologien sollen reduziert werden und die Umweltpoltik der Partner soll möglichst nicht gegenüber Importen aus den USA diskriminieren. Um diese Ziele zu erreichen, legt das Gesetz fest, dass die Abstimmung zwischen der US-Regierung und dem Kongress gestärkt wird, Environmental Reviews sollen durchgeführt werden und die Ergebnisse dem Kongress mitgeteilt werden: „conducting environmental reviews of future trade and investment agreements consistent with Executive Order 13141 and its relevant guidelines, and reporting to the Committees on the results of such reviews (section 2102(c)(4)).“ Überdies sollen internationale Umweltübereinkommen gefördert werden. a) Rechtlicher Hintergrund Ein Präsidialerlass hat gemäß der US Verfassung lediglich interne Bindungswirkung.106 Dennoch darf diese „interne“ Bindungswirkung nicht unterschätzt werden. Die Signalwirkung und der öffentliche Druck machen grobe Verstöße meist unmöglich. Mit ihr wird lediglich ausgeschlossen, dass sich aus der Executive Order 13141 justiziable Ansprüche ableiten lassen. Im Übrigen verstärkt die Verweisung des Trade Act of 2002 auf die Executive Order die Bindungs104
Vgl. online http://www.sice.oas.org/ctyindex/USA/tradeact/act1.asp (März 2007). Section 2102(b)(11)(D) Trade Act of 2002. 106 In Section 7 der EO 13.141 wird unter General Provisions hierauf wie in EO üblich ausdrücklich hingewiesen: „This order is intended only to improve the internal management of the executive branch and does not create any right, benefit, trust, or responsibility, substantive or procedural, enforceable at law or equity by a party against the United States, its agencies, its officers, or any person.“ 105
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
wirkung, wenn sie sie auch nicht zu einem formellen Gesetz erhebt. Die Executive Order beginnt mit dem üblichen Hinweis auf die verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Rechte des Präsidenten. Im Weiteren wird seine Absicht, die Ziele der Vereinigten Staaten in der Umwelt- und Handelspolitik voranzutreiben (to further), geäußert. Die Executive Order 13.141 steht nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit anderen bestehenden US-Gesetzen. Die Anleihen beim National Environmental Policy Act sind jedoch unverkennbar. So sind die Hauptphasen des reviews dem Environmental Impact Statement entsprechend nachgebildet. Eine weitere wichtige Gemeinsamkeit besteht in den umfangreichen Transparenzverpflichtungen, die die Executive Order auferlegt, sowie in ihren Verpflichtungen zur öffentlichen Beteiligung.107 b) Ziele Im ersten Absatz werden die politischen Ziele näher ausformuliert. Darin heißt es, „[t]he United States is committed to a policy of careful assessment and consideration of the environmental impacts of trade agreements. The United States will factor environmental considerations into the development of its trade negotiating objectives. Responsible agencies will accomplish these goals through a process of ongoing assessment and evaluation, and, in certain instances, written environmental reviews.“108 Zunächst legt diese Zielformulierung fest, dass der Einfluss von Handelsübereinkommen auf die Umwelt stets vorsichtig, das heißt hier gewissenhaft, überprüft werden soll. Weiterhin wird diese Aufgabe in die Hände der zuständigen Behörden gelegt und schließlich wird für eine formelle Umweltprüfung bewusst der Begriff „review“ eingeführt.109 Dies soll einerseits verdeutlichen, dass die negative Beeinflussung der Umweltbelange durch Handelsübereinkommen schon früher beachtet wurde. Zum anderen soll klargestellt werden, dass nicht immer eine vollständige formelle Überprüfung notwendig ist, damit Umweltbelange beachtet werden. Besonders interessant ist die Begründung für die Executive Order: Handelsübereinkommen sollen der allgemeinen Zielsetzung der nachhaltigen Entwicklung dienen, Section 2 Satz 1 EO. Es wird weiterhin die Überzeugung ausgedrückt, dass Umweltprüfungen ein wichtiges Werkzeug darstellen, um positive oder negative Umwelteffekte von Handelsübereinkommen festzustellen, damit auf diese dann durch die Verhandlungen oder durch andere Maßnahmen oder beides geantwortet werden kann.
107 108 109
Dazu ausführlich siehe unten. EO 13.141, Section 1. Siehe oben in der Einleitung.
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Damit wird das Ziel der nachhaltigen Entwicklung an hervorgehobener Stelle im Erlass erwähnt und eine unmittelbare Verknüpfung zwischen diesem Ziel und den Umweltprüfungen hergestellt. Umso bemerkenswerter ist dies, weil der folgende Satz nur noch von Umweltauswirkungen spricht und damit die dritte Säule der nachhaltigen Entwicklung, das Soziale, im Folgenden gleich wieder ausklammert. Dabei gibt es auch in den USA zahlreiche Gerichtsurteile, die Beachtung sozialer Aspekte bei normalen Environmental Impact Statements anordnen.
c) Zuständige Behörde Der dritte Absatz weist dem USTR und dem Vorsitzenden des Council on Environmental Quality die Zuständigkeit für die Ausarbeitung aller Verfahrensvorschriften für die Executive Order 13141 zu. Dabei sollen alle Regierungsstellen, die sich mit auswärtiger Politik, Umwelt- und Wirtschaftspolitik befassen, angehört werden. Eine wichtige Einschränkung der Entscheidungsbefugnisse der Umweltbehörden findet sich in Unterabsatz 3 b). Hier wird festgelegt, dass der USTR durch eine interministerielle Arbeitsgruppe, das Trade Policy Staff Committee (TPSC), die Umweltprüfungen durchführen soll. Bei der wichtigen Entscheidung, wer innerhalb der Administration die Federführung bei den Umweltüberprüfungen hat, wurde die Verantwortung wieder zurück in die Hände der ohnehin zuständigen Behörde gelegt. Dadurch könnten die Umweltprüfungen an einer Legitimationsschwäche leiden. Allerdings orientiert sich diese Vorgehensweise an environmental impact statements nach dem National Environmental Policy Act. Auch hier ist die allgemein zuständige Behörde für die Durchführung der UVP verantwortlich. Eine weitere Zuständigkeitsregelung enthält Section 6. Grundsätzlich ist der USTR auch für die Finanzierung zuständig. Allerdings sollen (shall) andere Bundesbehörden auf Antrag und nach Zustimmung durch den Deputy Director for Management of the Office of Management and Budget (OMB) analytische und finanzielle Resourcen und Unterstützung zur Verfügung stellen. Dabei soll auch das nötige Personal zum USTR abgeordnet werden können. Die Finanzierung des review ist ein wichtiger Gesichtspunkt, der in der Executive Order 13141 nur ganz grundsätzlich geregelt wurde.
d) Geltungsbereich Nur für die wichtigsten Handelsübereinkommen sollen gemäß Section 4 Umweltprüfungen durchgeführt werden. Dazu zählen umfassende multilaterale Handelsrunden, bilaterale oder plurilaterale Freihandelsübereinkommen sowie wichtige neue Liberalisierungsverträge im Bereich von natürlichen Ressourcen.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Explizit werden Übereinkommen und Vereinbarungen im Rahmen von Streitbeilegungsverfahren und deren Umsetzung ausgenommen. Diese Ausnahme von der Anwendung versteht sich aus dem besonders eingeschränkten Verhandlungsspielraum bei solchen Entscheidungen. Nichtsdestotrotz wäre eine Beachtung eines früher durchgeführten review für die US-Position in einem Streitbeilegungsverfahren eine mögliche Kompromissposition. Mit ihr könnte sichergestellt werden, dass nicht durch Vorbringen der US-Seite wesentliche Umweltbelastungen erst geschaffen werden. Grundsätzlich ist die Umweltprüfung für alle sonstigen Handelsverträge nicht vorgeschrieben. Insoweit soll der USTR durch das Trade Policy Staff Committee bestimmen, welche sonstigen Verträge oder Gruppen von Verträgen eine Umweltüberprüfung erfordern. Dabei soll er sich grundsätzlich an der „significance of reasonably foreseeable environmental impacts“110 orientieren.111 e) Ablauf der Umweltprüfung Für die Umweltprüfung selbst werden sodann die wichtigsten Kriterien aufgelistet. Sie ist schriftlich und wird durch Anzeige im Federal Register initiert, in der das vorgeschlagene Übereinkommen beschrieben wird und öffentliche Stellungnahmen und Informationen über das Ausmaß (scope) der Umweltprüfung erbeten werden, Section 5 a) ii) EO. Das Prinzip öffentlicher Transparenz ist ähnlich wie beim environmental impact statement eines der bestimmenden Strukturprinzipien des review. Dabei wird nicht nur die eigentliche Prüfung der Öffentlichkeit vorgestellt, sondern impliziert auch das Ausmaß der Prüfung durch öffentliche Beteiligung. Die Umweltprüfung soll so rechtzeitig durchgeführt werden, dass Verhandlungspositionen beeinflusst werden können. Sie soll aber keine Bedingung für den Verhandlungszeitplan darstellen. Diese Vorschrift trägt den Realitäten von Handelsverhandlungen in besonderer Weise Rechnung. Nicht selten müssen Positionen verändert und schon während der Verhandlung neue Positionen bezogen werden. Hier wird schon grundsätzlich der Zeitpunkt der Umweltprüfung festgelegt. Es soll grundsätzlich ein ex-ante assessment durchgeführt werden. Gerade bei dieser Entscheidung wird die Vorsorgeorientierung der Executive Order 13141 deutlich. Als zweite öffentliche Stufe soll die Umweltprüfung „where practicable“ als Grundlage für Stellungnahmen veröffentlicht werden. Die dritte Stufe bildet dann die Veröffentlichung der endgültigen Umweltprüfung. Auch an diesen
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EO13.141, Sec. 3 c). Siehe Näheres zu den Guidelines in diesem Abschnitt unter 4.
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Vorgaben zeigt sich die deutliche Ausrichtung des Rechtsinstruments am Transparenzprinzip. Grundsätzlich soll der review sich auf die Umweltauswirkungen in den Vereinigten Staaten selbst konzentrieren (focus). Allerdings schließt Section 5 mit einer Kann-Bestimmung: „As appropriate and prudent, reviews may also examine global and transboundary impacts.“ Diese sehr vorsichtig formulierte Erweiterung des Betrachtungsrahmens der Umweltauswirkungen zeigt, dass Handelsverträge heute nicht mehr nur nationale Auswirkungen zeigen, sondern dass sich Umweltauswirkungen überall auf der Welt zeigen können und nicht vor Staatsgrenzen haltmachen. Die Vorsicht bei der Formulierung erklärt sich aus der besonderen Betonung des klassischen Konzeptes nationaler Souveränität, dem sich die USA in besonderem Maße verpflichtet fühlen. 4. Die Ausführungsbestimmungen (Guidelines) Ein wesentlicher Bestandteil der gesetzlichen Regelung sind die schon in Section 3 a) der Executive Order genannten procedures. Der USTR und der Vorsitzende des Council on Environmental Quality erarbeiteten die sogenannten Guidelines for Implementation of Executive Order 13141 gemeinsam. Diese wurden am 19. Dezember 2000 zusammen mit einer federal registry notice veröffentlicht.112 Die amtliche Notiz dient der Erklärung der Guidelines und erläutert einige Hintergründe. Zunächst wurden im Februar 2000 öffentlich Vorschläge für die Ausführungsbestimmungen erbeten.113 Sodann wurde vom USTR und vom Council on Environmental Quality ein gemeinsamer Entwurf für die Guidelines erstellt, der am 11. Juli 2000 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde114 und zu dem am 2. August 2000 eine öffentliche Anhörung stattfand.115 112 Executive Office of the President Office of the United States Trade Representative (USTR), Guidelines for Implementation of Executive Order 13141: Environmental Review of Trade Agreements, Tuesday, December 19, 2000, ACTION: Guidelines for implementation of Executive order 13141-environmental review of trade agreements: final, Federal Register Bd. 65 Nr. 244 S. 79442 ff.; auch im Internet erhältlich unter http://www.ustr.gov/releases/2000/12/guides.pdf und Registry Notice unter http:// www.ustr.gov/releases/2000/12/fedreg.pdf (März 2004). 113 Executive Office of the President Council on Environmental Quality (CEQ) Executive Office of the President Office of the United States Trade Representative (USTR), Request for Public Comment Regarding Implementation of Executive Order 13141: Environmental Review of Trade Agreements, Tuesday, February 22, 2000, ACTION: Notice of request for written public comment, Federal Register Bd. 65 S. 8756. Hierauf wurden 22 schriftliche Eingaben gemacht, Registry Notice S. 4. 114 Executive Office of the President Council for Environmental Quality und Office of the United States Trade Representative (USTR), Request for Public Comment: Draft Guidelines for Implementation of Executive Order 13141: Environmental Review of Trade Agreements Notice of Public Hearing, Tuesday, July 11, 2000, Action: Notice of request for written public comment; notice of public hearing; Federal Re-
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Daneben fanden umfangreiche Konsultationen mit dem Trade and Environmental Policy Advisory Committee (TEPAC) statt, einem Beratungsgremium des Kongresses, das den Interessen des privaten Sektors bei der Formulierung der US-Handelspolitik Gehör verschaffen soll. Das Trade and Environmental Policy Advisory Committee organisierte einige öffentliche Workshops und einzelne Mitglieder des Gremiums wurden informell bei der Erarbeitung der Guidelines beteiligt. Daneben wurde auf Erfahrungen aus dem review für das US-Jordanische Freihandelsabkommen und für die Freihandelszone des amerikanischen Kontinents zurückgegriffen.116 Die umfangreichen Diskussionen innerhalb der Administration sind, mit Ausnahme der öffentlichen Eingaben, nicht dokumentiert. Allerdings lassen sich aus einem Vergleich des drafts mit den final Guidelines einige wichtige Konfliktlinien nachzeichnen. Die unzureichende praktische Erfahrung mit Umweltprüfungen von Handelsverträgen ließen Council on Environmental Quality und USTR eine Revisionsklausel in die Guidelines einfügen.117 Sie sehen die Ausführungsbestimmungen als ein living document,118 das nach Konsultationen mit anderen Regierungsstellen, -beiräten und der Öffentlichkeit und durch die Erfahrung mit der Durchführung von Umweltprüfungen geändert werden kann. Wenn der Council on Environmental Quality und der USTR eine solche Revision für notwendig halten, werden sie einen weiteren öffentlichen Konsultationsprozess initiieren.119 a) Rechtlicher Zusammenhang Die Ausführungsbestimmungen halten sich eng an die Vorgaben der Executive Order 13141. Zentrale Grundentscheidungen sind in dieser schon getroffen worden. Allerdings sind wie schon bei der Executive Order 13141 selbst einige Anleihen beim National Environmental Policy Act gemacht worden. Als Guidegistery, Bd. 65, Nr. 133 S. 42743. Veröffentlicht im Internet unter http://frwebgate. access.gpo.gov/cgi-bin/getdoc.cgi?dbname=2000_register&docid=00-17418-filed.pdf (März 2004). Hierauf gab es 25 schriftliche Eingaben, siehe Registry Notice S. 4. 115 „Eight individuals and organizations presented testimony with regard to the draft guidelines at the August 2 public hearing. All written comments and a transcript of the hearing are available for public inspection in USTR’s reading room located at 600 17th Street N.W., Washington, D.C. 20508“, Registry Notice S. 4. 116 Ausführlich siehe Registry Notice S. 4. 117 James Salzmann, Environmental Law 2001, S. 523. 118 Registry Notice S. 10. 119 Section VIII. B.1. Final Guidelines: „Implementation and Oversight – Council on Environmental Quality and USTR shall jointly exercise general oversight of the implementation of these Guidelines including their periodic review and update as necessary. If USTR and Council on Environmental Quality conclude that revision is appropriate, the public shall be notified of the intent to revise and be provided with an opportunity to comment on significant revisions.“
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lines kommt ihnen vor allem verwaltungstechnisches, weniger juristisches Gewicht zu. Innerhalb der Behörde haben sich alle Mitarbeiter nach ihr zu richten. Eine Außenwirkung entfalten sie jedoch nicht. Zusätzlich soll die Prüfung auch der öffentlichen Beteiligung dienen. So soll die öffentliche Meinung auch bei Verhandlungen, die kein formelles Verfahren erfordern, angefordert werden. „[T]he written environmental review process is not the sole means of integrating environmental concerns and goals into a proposed trade agreement, and make clear that public input will be sought even where no written environmental review is conducted (Section II.7).120 b) Ziele Das Ziel der Guidelines besteht darin, „to implement the Order so as to ensure that consideration of reasonably foreseeable environmental impacts of trade agreements (both positive and negative), and identification of complementarities between trade and environmental objectives, are consistent and integral parts of the policymaking process.“121 In dieser Formulierung finden sich die Ziele der Executive Order 13141 nicht erneut erwähnt. Sie liest sich eher wie eine Kurzzusammenfassung des gesamten review-Prozesses. Die Betonung der positiven und negativen Umweltauswirkungen ist aus der Executive Order 13141 übernommen. Allerdings taucht die Bezeichnung des review als important tool in der Zielbeschreibung nicht mehr auf. Dies korreliert mit der Betonung anderer Wege, die Umweltauswirkungen in Handelsverhandlungen zu berücksichtigen, ohne ein formelles review-Verfahren durchzuführen.122 Im zweiten Absatz wird wie schon in der Executive Order 13141 die Ausrichtung des Verfahrens am weiterreichenden Ziel der nachhaltigen Entwicklung betont, das durch ein Verfahren der Bewertung, Auswertung und durch öffentliche Konsultationen befördert werden soll. Hier tauchen zwei weitere Strukturprinzipien der Umweltprüfung schon in der Zielformulierung auf. Das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung und das Transparenzprinzip werden auch in den Zielen der Guidelines besonders betont. c) Zuständigkeiten In Section VIII. A. werden die Zuständigkeiten näher definiert. Zunächst sind das Council on Environmental Quality und der USTR gemeinsam für die Um120 121 122
Registry Notice S. 7. Section I. 1. Guidelines for the Implementation of EO 13.141. Registry Notice S. 7.
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setzung der Executive Order 13141 und auch der Guidelines zuständig. Diese Regelung ergibt sich schon aus der Executive Order. Insbesondere Umweltgruppen forderten ein stärkeres Engagement des Council on Environmental Quality und anderer Umweltbehörden.123 Allerdings ist das Council on Environmental Quality für die environmental reviews ein stimmberechtigtes Mitglied des Trade Policy Staff Committee.124 Daher scheint in den Guidelines ein angemessener Mittelweg gefunden worden zu sein. Ergänzend regeln die Ausführungsbestimmungen, dass unabhängig von einem schriftlichen review das Trade Policy Staff Committee einberufen wird, um die Umweltbelange (issues) so früh wie durchführbar (feasible) bei Handelsverhandlungen zu berücksichtigen, Section VIII. A. 2. Guidelines. Diese Regelung ist Ausdruck dessen, dass nicht nur ein formeller review-Prozess zur Integration der Umweltaspekte in die Verhandlungen dient, sondern unabhängig von ihm Umweltbelange berücksichtigt werden sollen. Sie wird von Section VIII. A. 3 ergänzt, die vorschreibt, dass alle Dokumente zur Einleitung eines Verhandlungsprozesses die Diskussionen über Umweltauswirkungen für die Verhandler widerspiegeln sollen. Die Vorschriften sind insofern interessant, da sie das Trade Policy Staff Committee in der in Anhang A aufgeführten Zusammensetzung betreffen. Damit stellen die Ausführungsbestimmungen in gewisser Weise über die Executive Order 13141 hinaus sicher, dass Umweltsachverstand in die Handelsverhandlungen einfließt. Für den Fall der Section 4 c) EO Verhandlungen,125 also Verhandlungen, die nur einen Sektor oder die Ausweitung eines bestehenden Abkommens vorsehen und für die daher kein environmental review vorgeschrieben ist, wird das Trade Policy Staff Committee mit der Ermessensentscheidung beauftragt, ob eine formelle Umweltprüfung durchgeführt wird und wenn ja, auf welche Haushaltsmittel zurückgegriffen werden soll. Das gleiche gilt für die zwingend vorgeschriebenen Prüfungen. Eine der seltenen Regelungen, die bereits durchgeführten Umweltprüfungen rechtlich eine Bedeutung verleihen könnten, ist ein Beachtungsgebot für alle Trade Policy Staff Committee-Papiere. Sie sollen „include information regarding the findings of ERs and other environmental assessments and evaluations undertaken“ (Section VIII. A. 3 Guidelines).
123
Vgl. Registry Notice S. 6. Appendix A to the Registry Notice. 125 Section 4 (c): „For trade agreements not covered under subsections 4 (a) and (b), environmental reviews will generally not be required. Most sectoral liberalization agreements will not require an environmental review. The Trade Representative, through the TPSC, shall determine whether an environmental review of an agreement or category of agreements is warranted based on such factors as the significance of reasonably foreseeable environmental impacts.“ 124
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
125
Für die eigentliche Analysearbeit wird für jede Umweltprüfung eine sog. Environmental Review Group (ERG) gegründet. Sie steht allen Behörden offen, wenigstens soll sie aber aus Vertretern der Regierungsstellen bestehen, die über Fachwissen im Bereich der Wirtschafts- und Umweltanalyse verfügen. Der USTR soll das Council on Environmental Quality zu Beginn jedes environmental review konsultieren und das Council on Environmental Quality soll eine prominent role bei der Durchführung der Umweltprüfungen spielen. Dabei sollen die Umweltagenturen vor allem Expertise über die Umweltauswirkungen für den review zur Verfügung stellen, während die Wirtschaftsbehörden die zu erwartenden Wirtschaftsauswirkungen des vorgeschlagenen Übereinkommens analysieren sollen, vgl. Absatz 5. Ursprünglich wurde vorgeschlagen, dass der Council on Environmental Quality-Vertreter den Vorsitz in den Environmental Review Groups erhalten solle. Da das Council on Environmental Quality aber selbst keine environmental impact statement durchführt, sondern nur die Funktion der Politikkoordinierung hat, wurde dies vom Council on Environmental Quality abgelehnt und nicht in die Ausführungsbestimmungen aufgenommen.126 Die effektive Umsetzung der Executive Order 13141 und ihrer Ausführungsbestimmungen hängt von angemessenen Finanzmitteln und dem vollen Engagement der betroffenen Regierungsstellen ab. USTR, das Council on Environmental Quality und alle Bundesbehörden sollen sich um die Finanzierung ihrer Verantwortlichkeiten für den review-Prozess kümmern. Für die Finanzierung des Prozesses selbst beschränken sich die Guidelines auf ein Zitat der Executive Order. Wie genau der USTR von anderen Bundesbehörden mit Genehmigung des Office of Management and Budget finanzielle Mittel anfordern soll, wird nicht näher beschreiben. Ob sich diese Regelung bewährt, bleibt abzuwarten. Gerade die ausreichende Finanzierung des review wurde bei der Diskussion der draft guidlines von der Öffentlichkeit angemahnt. Sie forderte, dass die Finanzierung von den verfügbaren Finanzressourcen abzukoppeln sei.127 Die draft Guidelines enthielten noch die Beschränkung auf die verfügbaren Finanzressourcen. Diese Beschränkung wurde aufgehoben, allerdings außer dem oben genannten Hinweis auf die Finanzplanung wurde keine weitergehende Regelung getroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Executive Order 13141 für Finanzfragen leider der wünschenswerten Regelungstiefe entbehrt. Insbesondere der USTR, als eine der kleineren Regierungsbehörden mit einem verhältnismäßig kleinen Gesamtetat, wird die Kostenlast der diversen re-
126 Das Council on Environmental Quality hat nur zwölf Vollzeitangestellte und wurde bei den Verhandlungen über die Guidelines noch nicht einmal von einem derselben vertreten. Das Council on Environmental Quality sei „neither staffed nor funded for this purpose.“ so James Salzmann, Environmental Law 31 (2001), S. 525. 127 Registry Notice S. 7.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
view-Prozesse kaum allein tragen können. Eine genauere Aufteilung der möglichen Kosten wäre wünschenswert gewesen.128 d) Geltungsbereich – Welche Handelsübereinkommen? Die Ausführungsbestimmungen zitieren beim Anwendungsbereich weitgehendst die Executive Order 13141. Für environmental reviews, die im Ermessen der Behörde stehen, Section 4 c) EO, werden objektive Kriterien aufgelistet, auf deren Grundlage das Trade Policy Staff Committee seine Entscheidung zu treffen hat: a) das Ausmaß, in dem das Übereinkommen umweltsensitive Medien und Resourcen beeinträchtigen könnte und/oder in dem es einen substantiellen Wechsel des Handelsstromes der Produkte oder Dienstleistungen verursacht, der negative oder positive Umweltfolgen haben kann, b) das Ausmaß, in dem das Übereinkommen US-Umweltgesetze, -regelungen, -politiken und/oder internationale Verpflichtungen betrifft, c) die Größe und das Ausmaß vorhersehbarer Umweltfolgen und d) die Größe der angenommenen Wechsel des Handelsstromes. Dieser Kriterienkatalog bindet das Ermessen des Trade Policy Staff Committee. Es ist zu erwarten, dass nur weitreichende und sektorübergreifende Handelsübereinkommen von ihnen erfasst werden. Genaue Prognosen sind nicht möglich, da die Guidelines keine festen Maßstäbe enthalten. Folglich lässt sich eine feste Auslösungsschwelle für einen formellen review-Prozess nicht festlegen. Die Praxis wird zeigen, wie das Trade Policy Staff Committee sein Ermessen ausüben wird.129 Das Trade Policy Staff Committee kann im Fall der Section 4 c) EO weitgehend frei über die Durchführung eines environmental review entscheiden. Dies sollte aber angesichts der oben genannten Zusammensetzung des Trade Policy Staff Committee nicht allzu negativ beurteilt werden. Die Guidelines legen weiterhin fest, dass zusätzliche Faktoren wie die Verhandlungszeitplanung, die Verfügbarkeit der relevanten Daten, analytischer Werkzeuge und Fachwissen auch für die Entscheidung über ein 4 c)-Übereinkommen herangezogen werden können. Schon in der Executive Order 13141 ist festgelegt, dass sektorielle Liberalisierungsübereinkommen keinen formellen reviewProzess erfordern, da sie sehr wahrscheinlich keine bedeutsame Umweltauswirkung haben. 128 Schätzungen der EPA (Environmental Policy Agency) ergaben, dass der USTR etwa eine Million Dollar jährlich benötigen wird, zitiert bei Salzmann, Environmental Law 31 (2001), S. 525. 129 Alle bisher eröffneten formellen Umweltprüfungen waren solche zu Freihandelsabkommen, die unter die nach der EO zwingend zu überprüfenden Übereinkommen zählen, siehe unten 2. Teil, A. II. 5.
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
127
Eine Entscheidung, keine formelle Umweltprüfung des Handelsübereinkommens durchzuführen, befreit die Regierung nicht von der Verpflichtung, Umweltbelange im Prozess der Konsultationen, Assessments und Auswertungen, wie bei Handelsverhandlungen üblich, zu berücksichtigen. Dabei soll der USTR die Identifizierung eventuell betroffener Umweltbelange erleichtern, indem er Möglichkeiten für öffentliches Engagement schafft und das Trade Policy Staff Committee rechtzeitig einberuft. Weiterhin soll die Entscheidung über ein Section 4 c)-Übereinkommen zur Durchführung eines formellen reviews nachgeholt werden können, wenn sich neue Erkenntnisse ergeben. e) Ablauf Der Gesamtablauf orientiert sich am Ablauf des environmental impact assessment gemäß dem National Environmental Policy Act.130 Dieser gliedert sich in folgende Stufen: Phasen des Environmental Review of Trade Phasen des Environmental Impact AssessAgreements ment gemäß National Environmental Policy Act 1. Initiation of the Environmental Review Process
Screening durch die Environmental Policy Agency –
2. Decision about a Written Review
Umwelterheblichkeitserklärung
3. Determining the Scope of the Environmental Review
Scoping – Identifizierung der Problemschwerpunkte
4. Interim131 Environmental Review
Draft Environmental Impact Statement
5. Eine Überprüfung des review ist nicht vorgesehen. Allerdings sollen alle betroffenen Behörden informiert weden.
Überprüfung durch berührte Bundes-, Staats- und Gemeindestellen
6. Final Environmental Review Document
Final Enviromental Impact Statement
7. Veröffentlichung des Final Review
Record of decision
8. Keine Nachanalyse, aber mehrere Beachtungshinweise in Guidelines
Monitoring
130
National Environmental Policy Act of 1969, 42 U.S.C. §§ 4321–4370e. In den Guidelines heißt dies Draft Environmental Review. Dieser Begriff wurde allerdings nach dem Trade Act of 2002 geändert um deutlich zu machen, dass schon während der Verhandlungen die Feststellungen in den Verhandlungsprozess einfließen. 131
128
2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Die erste Phase des review ist der üblichen Screeningphase eines environmental impact assessment nachgebildet. Sie wird offiziell als Initiation of the Environmental Review Process bezeichnet. Dabei werden frühzeitige Konsultationen mit der Öffentlichkeit, unter Einschluss einer Federal Register-Notiz, diverser Interessengruppen und des Kongresses über die Absicht der Aufnahme von Handelsverhandlungen geführt. Zusätzlich werden Informationen von anderen Regierungsstellen und den oben genannten Gruppen in Bezug auf Umweltaspekte, die von den Verhandlungen berührt sein könnten, angefordert. Die Einleitung eines schriftlichen Review beginnt „as soon as possible once sufficient information exists concerning the scope of the proposed trade agreement, allowing for the meaningful evaluation of its potential environmental ramifications“ (Section III. C. Guidelines). Dieser Zeitpunkt lässt sich nicht generell für alle Fälle vorhersagen. Allerdings trägt diese Vorschrift dem Umstand Rechnung, dass zu Beginn von Handelsverhandlungen nicht notwendigerweise feststeht, welche Reichweite (scope) die zu verhandelnden Wirtschaftsaspekte haben werden. Die grundsätzliche Festlegung wird ergänzt von einer Reihe von Detailvorschriften, wann die Einleitung eines Review auch später erfolgen kann. Insbesondere für Section 4 c)-Übereinkommen soll zu einem späteren Zeitpunkt, wenn eine entsprechende Verhandlungsposition entwickelt wurde, die Einleitung eines schriftlichen Review möglich sein. Als Bestandteil der ersten Phase untersucht das Trade Policy Staff Committee das vorgeschlagene Handelsübereinkommen und ordnet es in die entsprechende Übereinkommenskategorie von zwingend notwendigen review bis nicht notwendigem review ein.132 Die Entscheidung über Section 4 c) EO-Übereinkommen könnte wie eine Umwelterheblichkeitserklärung (gemäß National Environmental Protection Act) bewertet werden, da das Trade Policy Staff Committee seine Entscheidung über die Durchführung eines formellen reviews hauptsächlich auf den Umfang der zu erwartenden Umweltauswirkungen stützt. Die zweite Phase, Determining the Scope of the Environmental Review, die Teil einer spezifischen Umweltprüfung eines Übereinkommens ist, findet ihre Parallele im sogenannten scoping des National Environmental Policy Act. Generell sollen in dieser Phase die relevanten Umweltaspekte, die in der schriftlichen Umweltprüfung ausführlich untersucht werden müssen, von den weniger wichtigen Umweltaspekten oder solchen, die schon in einem früheren Review untersucht wurden, unterschieden werden (Section IV. A. 1. Guidelines). Interessant an dieser Vorschrift ist der Hinweis auf frühere Reviews. Obwohl die Guidelines und auch die Executive Order 13141 keine ausdrückliche Regelung über den rechtlichen Wert schon früher durchgeführter Umweltprüfungen enthalten, wird an verschiedenen Stellen auf frühere Reviews hingewiesen und da132
Siehe oben Anwendungsbereich, 2. Teil, A. II. 2.
A. Rechtlich verbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel
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mit deutlich deren Beachtung zum Ausdruck gebracht. Der USTR soll öffentliche Stellungnahmen über die Reichweite anfordern. Detailiert werden in den Guidelines die einzelnen Schritte des Scopingprozesses aufgeführt. Zunächst sollen die möglichen Umweltauswirkungen (positive oder negative) in Verbindung mit dem untersuchten Handelsübereinkommen identifiziert werden. Dann werden einzelne Aspekte ausgewählt, die für eine weitere Analyse in Frage kommen, und anschließend ihrem Gewicht nach geordnet werden. Für die Informationsbeschaffung wird auf das Fachwissen in den Regierungsbehörden, im Kongress, in der Öffentlichkeit und in den Advisory Committees zurückgegriffen werden. Für die eigentliche Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes werden von den Guidelines drei Arten von Informationen als notwendig erachtet. 1. Das Ausmaß und die Ziele des Handelsübereinkommens, 2. realistische Alternativenvorschläge, um die gleichen Ziele zu erreichen, und 3. Arten berechtigterweise vorhersehbarer Umweltauswirkungen. Zur Absicherung des Scopingprozesses sollen gemäß Section IV. B. 3. b) Guidelines die Environmental Review Group und die relevanten Trade Policy Staff Committee-Unterausschüsse miteinander zusammenarbeiten. Die Reviewgruppe soll dabei kontinuierlich die Verhandlungsziele der USA verfolgen, damit der scope des betreffenden Reviews alle neu aufkommenden Umweltbelange umfasst. Weiterhin soll das Scoping dazu dienen, mögliche Alternativen zu den Verhandlungsstrategien aufzuzeigen. Das Ziel des Scoping wird wie folgt beschrieben: „The result of an effective scoping process is a targeted, analytical work plan.“ (Section V. A. 1. Guidelines). Dieser zielgerichtete Prüfungsplan wird im Review dann abgearbeitet. Nach dem Ende des Scoping entscheidet die Evironmental Review Group über das weitere Vorgehen, das im Verhältnis (be proportionate) zu den zu erwartenden Umweltauswirkugen stehen soll. Bei nur minimalen zu erwartenden Umweltauswirkungen wird die Analyse verkürzt, vgl. Section IV. C. 1. Guidelines. (1) Exkurs: Globale und transnationale Auswirkungen Die Final Guidelines enthalten einen besonderen Abschnitt, der sich nur mit weltweiten und grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen befasst. In der Section IV. B. 5. „Special Considerations for the Scoping of Global and Transboundary Impacts“ wird zunächst grundsätzlich vorgeschrieben, das Ausmaß weltweiter und grenzüberschreitender Umweltauswirkungen des vorgeschlagenen Handelsübereinkommens festzustellen.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Der endgültigen Fassung der Vorschrift waren vielfältige Diskussionen vorausgegangen. In den draft Guidelines wurde vorgeschlagen, dass das Ausmaß dieser Auswirkungen nur ausnahmsweise untersucht werden sollte, und das auch nur, wenn unter anderem genügend öffentliche Mittel für die Untersuchung zur Verfügung stünden. Die Final Guidelines wurden an dieser Stelle aufgrund öffentlicher Einwendungen klarer gefasst.133 So sollen im Scoping die globalen und grenzüberschreitenden Auswirkungen mit erfasst werden. Die eigentliche Analyse wird jedoch gemäß den Vorgaben der Executive Order 13141 nur dann durchgeführt, wenn dies „appropriate and prudent“ ist. Diese Angemessenheitsschwelle wird durch vier Abwägungshinweise näher konkretisiert. Die Environmental Review Group soll ihre Entscheidung unter anderem von dem Ausmaß und der Größe der begründeterweise vorhersehbaren weltweiten oder grenzüberschreitenden Umweltauswirkungen abhängig machen. Weiterhin sollen die US-Interessen, unter Einschluss internationaler Vereinbarungen und Programme internationaler Kooperation, beachtet werden. Die Gruppe soll ihre Entscheidung neben diplomatischen Erwägungen außerdem von der Verfügbarkeit der relevanten Daten und analytischen Werkzeuge bei Auswirkungen außerhalb der USA leiten lassen. Darin eingeschlossen werden Umweltprüfungen, die von anderen Staaten, die an den Verhandlungen beteiligt sind, oder von regionalen oder internationalen Organisationen durchgeführt wurden. Dieser letzte Teil der Vorschrift ist besonders interessant und wegweisend. Hier wird die Entscheidung, ob internationale Vorgänge in die Umweltprüfung einfließen sollen, von anderen ähnlichen Umweltprüfungen abhängig gemacht. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei Handelsverhandlungen grundsätzlich um bi- oder multilaterale Vorgänge handelt, die stets Auswirkungen zumindest auch in dem Partnerland zeitigen können. Der Einschluss internationaler Organisationen eröffnet eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten und zeigt, dass die US-Behörden von einer Vervielfältigung dieses Instruments in den nächsten Jahren ausgehen. Vor dem Hintergrund des US-Jordanischen Freihandelsabkommens gewinnt diese Vorschrift noch an Gewicht. In dem Reviewprozess wurde zwar von der amerikanischen Entwicklungsagentur USAID die Analyse auf jordanischer Seite finanziert, jedoch komplett von jordanischen Stellen durchgeführt.134 (2) Öffentliche Beteiligung Einen Schwerpunkt der Regelung bilden die Vorschriften über die öffentliche Beteiligung. Ihr ist ein eigener Abschnitt gewidmet. In Sektion VI heißt es wörtlich, öffentliche Beteiligung sei ein „essential component of these Guide133 134
Registry Notice S. 8. Ausführlich siehe unten 5. a).
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lines, and is meant to ensure that the public and the government benefit from an open and inclusive process of trade policy development.“ Diese Erkenntnis ist zu einem gewissen Grad neu für Handelsverhandlungen. Gerade auf mulitlateraler Ebene wurde bisher dem Prinzip der Vertraulichkeit sehr viel Gewicht verliehen. Auf der anderen Seite ist der UVP-Prozess als offenes und partizipatorisches Institut angelegt. Ebenso wie die Öffentlichkeit werden auch die Beratungsausschüsse und der Kongress regelmäßig konsultiert. Grundsätzlich sind die Verfahren zur Öffentlichkeitsbeteiligung so gestaltet, dass sie flexibel, nicht übermäßig aufwendig und angemessen sind, um die Aufgaben zu erfüllen und die nötige Vertraulichkeit zu wahren. Normalerweise soll die Frist für öffentliche Stellungnahmen 45 Tage betragen, es sei denn eine kürzere oder längere Frist ist angemessen. Der öffentliche Aufruf zu Kommentaren soll frühzeitig vor wichtigen Weichenentscheidungen in den Verhandlungen erfolgen, so dass die öffentlichen Stellungnahmen mit in die Verhandlungen einbezogen werden können. Die öffentlichen Aufrufe und Beteiligung richten sich nach Anhang B. Hier werden die notwendigen Veröffentlichungen und der empfohlene Inhalt aufgeführt. Der Anhang enthält den Hinweis auf variierende Fristen in Abhängigkeit von der Dynamik, dem Umfang und der Art der Handelsverhandlungen. Weiterhin soll es möglich sein, die öffentlichen Bekanntmachungen mit anderen Hinweisen gemeinsam zu veröffentlichen. Als Mindestverpflichtung werden in Anhang B die vier Grundstufen der Umweltprüfung135 für die Veröffentlichungen angeordnet. Für die jeweiligen Stufen werden zusätzlich inhaltliche Anforderungen aufgestellt. So sollen in der Bekanntgabe des Entschlusses, einen review durchzuführen und den Umfang festzustellen, folgende Punkte bezeichnet werden: a) die wichtigsten Verhandlungsziele, b) die Inhalte und Themen, die für die Verhandlungen erwartet werden, c) die Sektoren der US-Wirtschaft, die möglicherweise betroffen werden, d) die Umweltbelange, die vom Trade Policy Staff Committee oder von anderen öffentlichen Anhörungen als betroffen identifiziert wurden. Für den draft review und den final review sollen jeweils öffentlich Stellungnahmen erbeten werden, die selbst wiederum im USTR-Büro der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 135 Siehe oben, 1. Notice of Intent to Conduct Environmental Review; 2. Notice of Intent to Initiate Environmental Review and Request for Comments on the Scope of Environmental Review; 3. Notice of Availability of the Draft Environmental Review document and Request for Comments (in the normal case where a draft environmental review document is prepared for public comment); 4. Notice of Availability of the Final Environmental Review document.
132
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Öffentliche Anhörungen sollen ebenso wie Veröffentlichungen in Zeitungen und auf der Internetseite des USTR üblicherweise stattfinden. Wenn es der Verhandlungszeitplan erlaubt, werden mehrere hearings veranstaltet (Sektion VI. 5. Guidelines). Eine Kompromissposition wurde in Bezug auf die nötigen Informationen für die Handelsverhandlungen gefunden. Die Executive Order 13141 schreibt den Behörden eine eingeschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung vor, da „[h]owever, disclosure of certain information to foreign governments could compromise the ability of trade negotiators to obtain the best outcome for national interest. Therefore, it is important to maintain a degree of confidentiality concerning development of U.S. negotiating objectives and positions and the conduct of negotiations.“136 Einerseits wird das Bekenntnis der USA zu einem offenen und transparenten Verhandlungsprozess wiederholt. Es sollen der Öffentlichkeit genügend Informationen über die US-Verhandlungsziele zur Verfügung gestellt werden, damit eine sinnvolle (in a meaningful manner) Beteiligung im Environmental Review möglich ist. Dort, wo eine solche Beteiligung die Verhandlungsposition beeinträchtigen würde oder vertrauliche oder proprietäre Informationen betroffen wären, sollen die Fragen durch das Advisory Committee System mit zur Vertraulichkeit verpflichteten Beratern erörtert werden (Sektion VI. 6). In der Registry Notice wird erwähnt, dass diese Frage über die Executive Order 13141 hinaus Bedeutung habe. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten erscheint der gefundene Kompromiss angemessen. Die Executive Order 13141 und ihre Guidelines sind bei der Öffentlichkeitsbeteiligung sehr deutlich vom National Environmental Policy Act beeinflusst. So ist im Environmental Impact Statement ebenfalls ein extensiver Prozess vorgesehen, der die öffentliche Beteiligung und den Dialog während der Projektplanung garantiert.137 Für Handelsverhandlungen ist das vorgeschriebene Maß an öffentlicher Beteiligung dennoch beispielhaft. f) Methodik Die Guidelines erläutern in Section V, überschrieben mit „Analytical Content of the Review“, die eigentliche Analysemethodik. Generell soll jede Handelsverhandlung ad hoc eine eigene Analysemethode erhalten. Wegen der großen Variationsbreite möglicher Handelsverhandlungen benötigt jeder Environmental Review einen uniquely tailored analytical approach. Daher schreiben die Guidelines vor, für jede Handelsverhandlung den richtigen mix der verschiedenen 136
EO 13.141 Registry Notice S. 9. Jan C. Mc Alpine/Pat Ledonne, The United States Government, Public Participation, and Trade and Environment, in: Zaelke/Orbuch/Houseman, S. 203, 207. 137
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Analysemethoden zu finden. Dabei soll regelmäßig auf qualitative und quantitative Elemente zurückgegriffen werden. Bei den öffentlichen Konsultationen wurde von interessierter Seite eine stärkere Betonung wissenschaftlicher Grundsätze (principles) und Objektivität verlangt.138 Dies hat in den Final Guidelines seinen Niederschlag gefunden. So wird angeordnet, dass die Analyse eine objektive und rigorose Einschätzung der Umweltbelange enthält und sich auf wissenschaftliche Informationen und Grundsätze, dokumentierte Erfahrung und objektive Daten stützt (Section V. A. 2 Guidelines). Diese fast überbetonte Wortwahl kann indes nicht verdecken, dass es im Bereich der Methodik für Umweltprüfungen keine Standardanalyse oder gar wissenschaftlich unumstrittene Grundsätze gibt. Indes sollen in dem Environmental Review überprüfbare Schlussfolgerungen gezogen werden und so könnte der deutliche Hinweis auf die wissenschaftlichen Grundsätze auch zu verstehen sein. Die letztere Interpretation würde eher mit der Erkenntnis übereinstimmen, dass jede Umweltprüfung von der praktischen Erfahrung lebt und vor allem von einer breiten öffentlichen Beteiligung. Diese Erkenntnis wurde schon für die UVP während der achtziger Jahre gewonnen. Eine weitere methodische Grundlage bildet die Anweisung an die beteiligten Behörden, Daten und analytische Erkenntnisse inner-, aber auch außerhalb der US-Regierung aufzuzeigen, die die Grundlage für spezifische Reviews bilden könnten. Eine Zusammenstellung dieser Quellen wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und von Zeit zu Zeit auf den neuesten Stand gebracht. Es sollen öffentliche Stellungnahmen dabei berücksichtigt werden. Die Guidelines stützen sich auf drei methodische Säulen: Erstens die Analyse der Auswirkungen auf Umweltgesetze und -vorschriften, sie könnte auch als regulatorische Analyse bezeichnet werden,139 zweitens die Analyse der Umweltauswirkungen bedingt durch ökonomische Änderungen und drittens die Erarbeitung von Vorschlägen, wie die identifizierten Umweltauswirkungen in den Verhandlungen berücksichtigt werden können. Als Bestandteil der ersten, eher qualitativen Analysesäule soll das Ausmaß der Auswirkungen des vorgeschlagenen Übereinkommens auf US-Umweltgesetze, -regelungen und sonstige Vorschriften ermittelt werden. Wo es angemessen erscheint, werden die Auswirkungen auf die umweltrechtlichen Regelungskompetenzen auf Staatenebene, auf lokaler Ebene und auf der Ebene der native peoples untersucht. Als Beispiele listen die Guidelines Auswirkungen auf die Immissionskontrolle, die Kontrolle giftigen und gefährlichen Abfalls oder Materials, relevante Produktvorschriften, die Kontrollen und Regelungen zu Pestiziden, Lebensmittelsicherheit und den öffentlichen Zugang zu Umweltinformatio138 139
EO 13.141 Registry Notice S. 6. Siehe oben ausführlich Canadia SIA, 2. Teil, A. I.
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nen auf. Im Anhang C werden die Beispiele im Wesentlichen wiederholt. Allerdings findet sich in der Einleitung der wichtige Hinweis, dass Experten in ökonomischer Analyse, der Anwendung und Interpretation von Handelsübereinkommen einerseits und Umweltexperten auf unterschiedlichen Gebieten andererseits eng zusammenarbeiten müssen. Auf diese Weise erfährt die regulatorische Analyse eine zusätzliche praktische Ergänzung, denn die Unsicherheit zukünftiger Anwendung der Handelsübereinkommen, zumal wenn Streitbeilegungsentscheidungen Interpretationsänderungen mit sich bringen, wird durch die angeordnete verstärkte Zusammenarbeit so gering wie möglich gehalten. Die Funktionsweise dieser Analysemethode wurde im NAFTA-Assessment überprüft. Man könnte sie mit einer Art Gesetzes-TÜV vergleichen. Wichtig sind einerseits die Überprüfung der Regelungsmöglichkeiten, aber auch der bestehenden Regelungen. Von einem juristischen Standpunkt aus gesehen, hat diese Methode den Vorteil, dass sie für die Öffentlichkeit eher verständlich aufbereitet werden kann, als eine rein ökonomische-quantitative Untersuchung. Die zweite Säule der Analyse ist eher quantitativer Natur und entspricht damit der starken Betonung wissenschaftlicher Grundsätze. Die Umweltprüfung soll das Ausmaß untersuchen „to which positive and negative environmental impacts may flow from economic changes estimated to result from the trade agreement.“140 Die Draft Guidelines konzentrierten sich vor allem auf die negativen Umweltauswirkungen. Dies wurde auf öffentlichen Druck abgeändert. Nunmehr sollen sowohl die negativen als auch die positiven Einflüsse, die aus wirtschaftlichen Veränderungen resultieren, überprüft werden. Eine ausführliche Auflistung möglicher zu untersuchender Parameter findet sich in Anhang C. Dort werden, nicht als bindend sondern eher als praktische Anhaltspunkte, unter anderem folgende Daten, die „compared to a base or projected baseline“ analysiert werden sollen, für die rein wirtschaftliche Analyse aufgelistet: Produkte, Fertigungsmethoden oder Wirtschaftssektoren, die positiv oder negativ von dem vorgeschlagenen Übereinkommen beeinflusst werden, eingeschlossen Anstieg oder Minderung der Verbreitung von Umweltprodukten und -technologien; Veränderungen der Warensorten oder -eigenschaften oder der Dienstleistungen oder ihrer Verbreitung; Veränderungen des Umfanges, der Verteilung oder Art der Transporte (bspw. erhöhte oder verminderte Gefahr der Einfuhr fremder Arten, erhöhte oder verminderte Umweltverschmutzung durch Transportgeräte oder Infrastruktur); Strukturveränderungen (bspw. Erhöhung oder Minderung der effizienten Nutzung natürlicher Ressourcen); Technologische Effekte, die zu Veränderungen von Produktionsmethoden führen, einschließlich der erhöhten oder verminderten Nutzung umweltfreundlicher Technologien. 140
Section V. C. 1. Final Guidelines.
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Als Umwelteinflüsse, die im Verhältnis zu den zu erwartenden ökonomischen Effekten untersucht werden sollen, werden im Anhang C. folgende aufgelistet: Veränderungen in der Höhe, der Intensität, der örtlichen und zeitlichen Verteilung von Umweltparameter, die benutzt werden, um die betroffene Umwelt im Verhältnis zu den Basiswerten zu untersuchen; die Interaktion zwischen Handelseinflüssen mit anderen Einflüssen auf Umweltmedien oder -ressourcen;141 die Umwelteffekte, die durch die durch die Veränderungen ökonomischer Effekte verursacht werden. Als eigentliche Analysemethode schlagen die Guidelines die Anwendung von modelling techniques vor. Allerdings wird auf die Einschränkung dieser Modelle hingewiesen, die allein und für sich nur unwahrscheinlich eine vollständige Analyse der Umweltbelange bieten können. So würden die herkömmlichen Analysen umfassender Handelsrunden auf der Zusammenfassung von Ressourcensektoren beruhen, um breite Vorhersagen zu treffen, während die Abschätzung von Umwelteinflüssen generell von einer eher lokalen oder regionalen Analyse ausgehen. Die Umwelteinflüsse sollen im Bezug zu einer Basis oder einem Basisszenario untersucht werden. Der Ausgangspunkt soll dabei die Veränderungen in der Wirtschaft und der Umwelt, die ohne das Handelsübereinkommen zu erwarten sind, mit in Betracht ziehen. Die dritte Säule der Analyse besteht darin, die festgestellten Umweltauswirkungen in den Verhandlungen angemessen zu berücksichtigen und Lösungen zu finden. Dazu sollen die Schlüsselergebnisse und die zugrunde liegende Analyse weitestgehend für die Verhandlungsführer, aber auch für alle Verantwortlichen in der Handels- und Umweltpolitik, zur Verfügung gestellt werden. Wenn we-
141 Diese werden unter Anhang C. IV. weiter näher aufgelistet: IV. Increased or Decreased Impacts on Environmental Media and Resources A. Air quality and atmosphere (including climate, ozone).B. Fresh water quality and resources (including both surface and ground), soil retention and quality. C. Protected or environmentally sensitive terrestrial and marine areas (e. g., national parks, national wildlife refuges, wetlands, marine sanctuaries). D. Endangered species and other species identified as significant under law (e. g., certain marine mammals, migratory birds). E. Marine, aquatic and terrestrial biodiversity, including species, genetic variety and ecosystems and the potential for invasive species to compromise such biodiversity; also ecosystem productivity and integrity, living resources and ecosystem services. F. Environmental quality related to human health, including changes in environmental exposure to toxic substances (e. g., increases or decreases in exposure to pesticide residues on food). G. Transboundary and global impacts may include those on: 1. Places not subject to national jurisdiction or subject to shared jurisdiction, such as Antarctica, the atmosphere (including ozone and climate change features), outer space, and the high seas; 2. Migratory species, including straddling and highly migratory fish stocks and migratory mammals; 3. Impacts relating to environmental issues identified by the international community as having a global dimension and warranting a global response; 4. Transboundary impacts involving the boundaries of the United States; 5. Environmental resources and issues otherwise of concern to the United States.
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sentliche Auswirkungen festgestellt wurden, sollen Optionen untersucht werden, die zu einer Abschwächung der negativen Auswirkungen oder zur Schaffung positiver oder Bewahrung positiver Umweltauswirkungen führen. Diese Optionen können Veränderungen der Verhandlungsposition oder umweltpolitische Maßnahmen außerhalb des Handelsübereinkommens einschließen, wie etwa Veränderungen maßgeblicher nationaler US-Umweltpolitik oder internationaler Umweltpolitik. Dort wo Lösungsoptionen aufgezeigt wurden, können diese auch Maßnahmen nach Abschluss des Handelsvertrages, wie etwa die Überprüfung der Richtigkeit der Erstanalyse, beinhalten. Dieser Teil der Analyse erinnert an das für Umweltverträglichkeitsprüfungen in der Projektabwägung typische Einbeziehungsgebot. Auffallend ist, dass die Berücksichtigung durch die Verhandlungsführer nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist. Zwar sind hier verhandelnde und umweltprüfende Behörde identisch, eine ausdrückliche Anordnung wäre dennoch wünschenswert gewesen.142 Die Sprache in Sektion V. D. als der dritten Säule ist geprägt von Empfehlungen. Dies wird vor allem durch den häufigen Gebrauch des Wortes „may“ deutlich. Nur die Verpflichtung, die Ergebnisse der Umweltprüfung den Verhandlungsführern zur Verfügung zu stellen und die Verpflichtung, Lösungsoptionen aufzuzeigen, sind als bindende Verpflichtungen (shall) formuliert. Die für die UVP typische Eröffnung des Rechtsweges bei Nichtbeachtung der UVP-Ergebnisse ist somit nicht Bestandteil der US-Umweltprüfung von Handelsverhandlungen. Zwar sollen auch Lösungen außerhalb der Handelsverhandlungen untersucht werden; die für die UVP in den USA typische Alternativenprüfung für das gesamte Vorhaben wird in den Guidelines entgegen öffentlicher Anregungen143 nicht angeordnet. 5. Praktische Durchführung Mehrere Umweltprüfungen wurden durch Federal Registry Notice bekanntgemacht. Die ersten vollständigen Umweltprüfungen auf Grundlage der Guidelines wurden für die Freihandelsabkommen mit Singapur und mit Chile durchgeführt. Die Haltung der Bush-Adminstration in Bezug auf Environmental Reviews war zu deren Beginn sehr umstritten.144 Neben Verhandlungen im Rahmen der sogenannten build-in agenda der WTO im Bereich des Agrarhandels und der Dienstleistungen veranlasste der neue USTR zunächst keinen neuen review-Prozess. Erst über ein halbes Jahr nach Amtsantritt forderte das Trade Policy Staff Committee zur öffentlichen Beteiligung an einer neuen Um-
142 143 144
Vgl. Anregungen der Öffentlichkeit, Federal Registry Notice, S. 5. Federal Registry Notice, S. 5. Vgl. Salzman, Environmental Law 2001, S. 539.
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weltprüfung des Entwurfes des Vertrages für eine Freihandelszone des Amerikanischen Kontinents auf.145 Die anfänglich zögerliche Haltung wurde vor allem nach dem Trade Act of 2002 grundsätzlich verändert, da hier Umwelt- und Verhandlungen über soziale und Arbeitsstandards vorgeschrieben sind. Es ist davon auszugehen, dass sich die Umweltprüfung zu einem überparteilichen Instrument entwickelt. Im Anschluss sollen als Beispiele die Umweltprüfung des US-Jordanischen Freihandelsübereinkommens und die Umweltprüfung des US-Chile Freihandelsabkommens als den ersten nach der Executive Order 13141 durchgeführten Prüfungen ausführlich und die anderen Umweltprüfungen im Überblick dargestellt werden. a) Umweltprüfung des US-Jordanischen Freihandelsabkommen Die erste Umweltprüfung nach Erlass der Executive Order 13141 wurde für das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Jordanien durchgeführt.146 Gemäß Sektion 4 a) ii) EO sind für Freihandelsabkommen environmental reviews zwingend vorgeschrieben. Am 6. Juni 2000 vereinbarten der jordanische König Abdullah II. und Präsident Clinton, in Verhandlungen über eine Freihandelszone (FTA) einzutreten. Dies wurde am 15. Juni öffentlich bekanntgemacht.147 Am 28. Juni veröffentlichte der USTR die Absicht, eine Umweltprüfung durchzuführen und erbat Stellungnahmen bis zum 17. Juli 2000.148 Im September 2000 wurde der draft review verabschiedet. Am 24. Oktober 2000 wurde das Abkommen unterzeichnet und am 22. Oktober 2002 wurde der Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan veröffentlicht.149 Das Abkommen ist am 28. September 2001 von den USA ratifiziert worden und am 17. Dezember 2001 in Kraft getreten.
145 Executive Office of the President, USTR, Trade Policy Staff Committee: Request for Public Comments on the Preliminary Draft Consolidated Texts of the Free Trade Area of the Americas (FTAA) Agreement and the FTAA Technical Committee on Institutional Issues, Federal Register, Vol. 66, No. 134, S. 36.614 vom 12. Juli 2001. 146 USTR, Draft Environmental Review of the Proposed Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Govenment of the Hashemite Kingdom of Jordan, September 2000, im Internet erhältlich unter http://www.ustr.gov/environment/draftjordanreview.pdf (März 2004). 147 Federal Register notice, Bd. 65, S. 37594. 148 Federal Register notice, Bd. 65, S. 37976. 149 USTR, Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, online http://www.ustr.gov/environment/Jor dan_environment.PDF (März 2004).
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Das Abkommen wird im draft review zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichtes beschrieben. Demgegenüber enthält der final review die Regelungen aus dem unterzeichneten Übereinkommen. Neben Vorschriften über den Warenhandel enthält das Abkommen auch Regelungen über den Dienstleistungshandel, den Schutz geistigen Eigentums, Schutzmaßnahmen, den elektronischen Handel, Zahlungsbilanzvorschriften, Ursprungsregeln, Handel und Umwelt, Handel und Arbeitsvorschriften sowie Verfahrensvorschriften wie Streitbeilegung und Konsultationen umfassen. Investitionsregelungen waren dagegen nicht vorgesehen und sind im Abkommen auch nicht enthalten. Die Vorschriften über Handel und Umwelt basieren auf Prinzipien, die sprachlich ähnlich im North American Free Trade Agreement (NAFTA) und im North American Agreement on Environmental Cooperation (NAAEC) enthalten sind. Dazu zählen das Ziel nachhaltiger Entwicklung, die Bewahrung eines hohen Umweltschutzniveaus und deren Verbesserung, keine Absenkung des Schutzniveaus, um den Handel zu befördern und die effektive Anwendung von Umweltgesetzen und -vorschriften. Daneben ist vereinbart worden, die technische Unterstützung zu intensivieren und ein US-Jordanisches Forum zur Diskussion von Umweltfragen zuchaffen. Es enthält Vorschriften, die die Transparenz und der public input in Fragen betreffend die Handelspolitik (und insbesondere das FTA) erhöhen sollen. Die Umstände der Verhandlungen werden vom USTR als außergewöhnlich beschrieben. Namentlich der kurze Verhandlungsrahmen, aufgrund außenpolitischer Entscheidungen, die minimalen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die USA und die Durchführung des reviews vor Verabschiedung der final guidelines waren aus Sicht des USTR kennzeichnend für den Entwurf der Umweltprüfung.150 Ähnliches gilt für die Umweltprüfung selbst, denn der Abschluss des Abkommens, war vor allem politisch als Förderung des Friendensprozesses im Nahen Osten gewollt.151 Auf jordanischer Seite wurde ebenfalls ein environmental review durchgeführt. Das jordanische Umweltgesetz 12 aus 1995 verpflichtet die Regierung, Umwelterwägungen bei wirtschaftlichen Entwicklungsaktivitäten zu berücksichtigen. Mit technischer Hilfe der US Agency for International Development (US AID) führte die jordanische Regierung eine Umweltprüfung des FTA durch. Dazu wurde im Juli 2000 öffentlich zu Stellungnahmen aufgefordert und öffentliche Anhörungen durchgeführt, an denen sich mehr als 100 Personen beteiligten.
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USTR, Draft Environmental Review, S. 1. USTR, Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 25. 151
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(1) Erwartete wirtschaftliche Auswirkungen Die US International Trade Commission (USITC) untersuchte die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des vorgeschlagenen Abkommens und kam nach einer qualitativen Analyse von 16 verschiedenen Handelsgütersektoren und einer quantitativen (partielles Equilibrium) Analyse von drei Exportwaren nach Jordanien zu dem Schluss, dass das Abkommen keinerlei messbare Auswirkungen auf die US-Gesamtimporte, Gesamtexporte, die US-Produktion oder die Beschäftigungssituation habe.152 Der Bericht wurde aufgrund der Umweltprüfung für die Öffentlichkeit freigegeben. (2) Umweltauswirkungen in den USA Der USTR erwartet keine wesentlichen Umweltauswirkungen in den USA aufgrund des Abkommens. Auch regionale oder Auswirkungen in bestimmten Sektoren werden nicht erwartet, weil das Freihandelsabkommen nur wenig veränderte Handelsströme zur Folge haben werde.153 In Bezug auf die Möglichkeit, Umweltregelungen zu erlassen oder umzusetzen, kam der USTR zu dem Ergebnis, dass das FTA nicht nur diese Möglichkeiten nicht berührt, sondern die Parteien geradezu ermutigt, die Umweltschutzregelungen zu verbessern. Das Fehlen von TBT- und SPS-Vorschriften wird als ein Bereich aufgeführt, in dem der US-Gesetzgeber nicht eingeschränkt werde. Durch das Festschreiben von Umweltprinzipien im Abkommen behalte die US-Regierung laut USTR die gesetzgeberische und regulatorische Entscheidungsfreiheit im Bereich der Umweltpolitk. Daneben werden technische Hilfe bei der Umsetzung von Umweltgesetzen und die Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Entwicklung und Anwendung von Umweltregelungen als Anreize für die Verbesserung der Umweltgesetze angesehen.154
152 USITC, Economic Impact on the United States of a U.S.-Jordan Free Trade Agreement, 2000. Erhältlich im Internet unter ftp://ftp.usitc.gov/pub/reports/studies/ pub3340.pdf (März 2004). 153 USTR, Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 21. 154 USTR, Draft Environmental Review, S. 22 und Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 22 f.
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(3) Grenzüberschreitende oder globale Umweltauswirkungen Einer der interessantesten Teile des review bezieht sich auf grenzüberschreitende bzw. globale Umweltauswirkungen. Als scope wurden hierzu die Auswirkungen des Abkommens auf Gesetze und Regelungen, auf Wasser und dessen Qualität, auf die Luftverschmutzung und klimaschädigende Gase, auf Korallenriffe, auf den Handel mit bedrohten Arten, auf Zugvögel sowie auf Naturschutzgebiete untersucht. Aufgrund der Verpflichtung der jordanischen Regierung, eine eigene Umweltprüfung durchzuführen, sah der USTR von der Überprüfung der erstgenannten möglichen Auswirkungen ab. Nur die Auswirkungen des Übereinkommens auf den Handel mit bedrohten Arten, auf Zugvögel und Naturschutzgebiete wurden näher untersucht. Für die drei Gebiete wird auf die Zugehörigkeit der USA und Jordaniens zu den einschlägigen Übereinkommen CITES, Ramsar und die Convention Concerning the Protection of World Cultural and Natural Heritage verwiesen. Der mögliche Einfluss eines gesteigerten Tourismus auf Feuchtgebiete oder andere Schutzgebiete wird verneint, da sich die Liberalisierung nur auf ausländische Investitionen in Touristenrestaurants beziehe.155 Zusammenfassend stellt der USTR im draft review fest: „not aware of any evidence that would suggest that the proposed FTA provisions would have a significant negative environmental effect on Jordan’s record on trade in endangered species, or on migratory birds or protected areas.“156 Etwas abgeschwächt wurde diese Einschätzung im final review. Dort heißt es: „The FTA’s environmental provisions may positively affect migratory birds and protected areas, as well as other environmental issues, e. g., by encouraging the Parties to improve their levels of environmental protection and to effectively enforce their environmental protection laws and regulations.“157 (4) Positive Umweltauswirkungen Als positiv vermerkt der USTR den Austausch zwischen beiden Umweltprüfungen und die daraus resultierenden environmental opportunities. Insbesondere eine Initiative zur technischen Umweltkooperation außerhalb des FTA wird als
155 USTR, Draft Environmental Review, S. 21 und Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 21 f. 156 USTR, Draft Environmental Review, S. 3. 157 USTR, Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 22.
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positive Auswirkung eingeschätzt. „This dialogue, coupled with regular government-to-government discussions provided for in the FTA on the implementations of provisions in the agreement, will deepen and formalize the relationship between the U. S. and Jordanian Government on environmental issues,“158 so zusammenfassend die Einschätzung des USTR. (5) Bewertung Abgesehen von den außergewöhnlichen Umständen des Falles erscheint die Umweltprüfung als sinnvolle Maßnahme. Trotz der geringen wirtschaftlichen Auswirkungen wurden einige Umweltaspekte für die Verhandlungsführung hervorgehoben. Die Verpflichtung Jordaniens zur Durchführung einer Umweltprüfung erscheint bei so ungleichen Handelspartnern problematisch, da möglicherweise finanzieller und diplomatischer Druck von den USA ausgeübt worden sein könnte. Dies ist im Nachhinein jedoch nur schwer festzustellen. Das Übertragen der Prüfung der Umweltauswirkungen in seinem Staatsgebiet an den Handelspartner scheint dennoch der Prüfung von außen vorzugswürdig. Soweit überschaubar führte die Erstellung des jordanischen review zu einer Stärkung der dortigen Umweltbewegung, was wiederum als positiv zu vermerken ist. Nur auf geringer Detailierungsstufe bleiben hingegen die Untersuchungen im Bereich der regulatorischen Auswirkungen und der grenzüberschreitenden Auswirkungen stehen. Die bloße Mitgliedschaft in einem multilateralen Umweltschutzübereinkommen kann Untersuchungen über die Vertragsanwendung nicht ersetzen. Letztlich wurden die Umweltregelungen des Abkommens zumindest auch durch die Umweltprüfung und deren erhöhte Rechtfertigungsschwelle beeinflusst. Somit ist aus Umweltsicht dieser erste durch feste Regelungen gekennzeichnete environmental review als sinnvolle Praxis einzuschätzen. b) Umweltprüfung des US-Chile Freihandelsabkommens Die erste Umweltprüfung nach Inkrafttreten der guidelines betraf die Verhandlungen eines Freihandelsabkommens zwischen den USA und Chile.159 Der draft wurde im November 2001 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.160 Der Final Environmental Review of the U.S.-Chile Free Trade Agreement wurde im 158 USTR, Draft Environmental Review, S. 23, Final Environmental Review of the Agreement on the Establishment of a Free Trade Area Between the Government of the United States and the Government of the Hashemite Kingdom of Jordan, S. 23. 159 Vgl. zum Ablauf schon die Einleitung. 160 USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Wednesday, November 7, 2001 66 FR 56366-02, 2001 und im Internet unter http://www.ustr.gov/environment/draftchileer.pdf (März 2004).
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Juni 2003 veröffentlicht.161 Schon im November 1999 hatten die Präsidenten Clinton und Lagos die Absicht geäußert, ein Freihandelsabkommen zu schließen. Im April 2001 gaben dann die Präsidenten Bush und Lagos die Absicht bekannt, das Abkommen bis Ende 2001 zu schließen.162 Am 14. Dezember 2000 wurde das Review-Verfahren offiziell eingeleitet.163 Es wurden 130 Eingaben gemacht, von denen wiederum 39 Umweltbelange behandelten.164 Nach verschiedenen Konsultationen und gemäß der guidelines wurde schließlich der draft environmental review erstellt. Öffentliche Stellungnahmen wurden zunächst bis zum 20. November 2001 und schließlich verlängert bis zum 9. Januar 2002 erbeten.165 Nach Abschluss der Verhandlungen im Dezember 2002 wurde die endgültige Umweltprüfung im Juni 2003 verfasst. Ähnlich wie schon beim Freihandelsabkommen zwischen Jordanien und den USA sind auch beim Freihandelsabkommen mit Chile von chilenischer Seite die Umweltauswirkungen überprüft worden. Die chilenische Regierung führte eine Überprüfung der Umweltauswirkungen des FTA in Chile durch, „although it has no legal or regulatory obligation to do so“, wie der draft environmental review ausdrücklich hervorhebt.166 Die Außenwirtschaftsabteilung des Chilenischen Außenministeriums (DIRECON) erstellt mit akademischer Unterstützung der Universidad de Chile eine Umwelt-Erweiterung für die ökonomische Analyse des FTA. Parallel untersucht die Nationale Umweltkommission (Commission National del Medio Abiente (CONAMA)) die Möglichkeit eine Umweltprüfung als Teil der Erarbeitung der Handelspolitik zu etablieren. Des Weiteren findet sich auch in dieser Umweltprüfung eine Auflistung der internationalen Übereinkommen, die der Handelspartner, hier Chile, eingegangen ist.167 Allerdings findet im final environmental review dieser Prozess keine Erwähnung.
161 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Chile Free Trade Agreement, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/chile-environment.pdf (März 2004). 162 USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, S. 3. 163 Notices Office of the USTR Trade Policy Staff Committee; Public Comments on Proposed United States-Chile Free Trade Agreement Thursday, December 14, 2000 65 FR 78253-02, 2000. 164 Vgl. eine Liste mit Absendern von Eingaben, USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Annex I, S. 86 f.; darunter auch der Staat Alaska und der Staat Kalifornien, vertreten durch den jeweiligen Gouverneur. 165 Notices Office of the USTR, Extension of Deadline for the Submission of Public Comments on Draft Environmental Review of the Proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement Friday, December 14, 2001 66 FR 64897-02, 2001. 166 USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, S. 9. 167 USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, Anhang II, S. 88.
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Hier werden nur die Bemühungen der Chilenischen Regierung um öffentliche Eingaben erwähnt.168 (1) Mögliche Handels- und wirtschaftliche Auswirkungen Die zukünftigen Handelspartner werden für die Öffentlichkeit anschaulich verglichen.169 Als mögliche Handels- und wirtschaftliche Auswirkungen der Freihandelszone zwischen den überaus ungleichen Handelspartnern wird geschätzt, dass nur relativ geringe volkswirtschaftliche Auswirkungen zu erwarten sind. Eine akademische Studie schätzt die Steigerung auf 0.05 % ($4.2 Milliarden) des US-BSP. (2) Sektorielle Effekte (nationale und grenzüberschreitende) Folgende Wirtschaftssektoren/themen wurden auf ihre nationalen Umweltauswirkungen untersucht: Landwirtschaft, Umwelttechnologien, Fischereiwirtschaft, gefährlicher Müll, Bergbau und Pestizide/Gifte. Grenzüberschreitende Themen schlossen ein die Forstwirtschaft, Methylbromide, Schwermetalle und POPs, bedrohte Arten und Natur, sowie invasive Arten. Im final environmental review wurde zusätzlich der Handel mit gebrauchten Gütern untersucht.170 Institutionell interessant ist die Behandlung der Forstwirtschaft. Der environmental review behandelt im Text die Anbaumethoden und forstwirtschaftlichen Maßnahmen in Chile. Dabei werden explizit Eingaben aus der US-Forstwirtschaft aufgegriffen. Ein Abschnitt behandelt die Kooperationsbemühungen der US-Regierung, um gemeinsam zu einer nachhaltigen Forstwirtschaft zu gelangen. In der anschließenden Bewertung wird indes nur auf die Auswirkungen auf die USA eingegangen und festgestellt, dass eine mögliche leichte Steigerung keine nennenswerten Auswirkungen erwarten lasse.171 Das lässt den Schluss zu, dass auch zukünftig Informationen über Umweltauswirkungen in anderen Staaten Gegenstand der Erörterung sind und zu Erläuterung internationaler Umweltkooperationen führen können. Sie werden bei der Bewertung dann jedoch nicht berücksichtigt. Eine institutionalisierte Kooperation der jeweiligen Umweltprüfungen erscheint sinnvoll. 168
USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Chile Free Trade Agreement,
S. 36. 169 Vergleiche, wie die Feststellung, dass Chiles BSP weniger als 140. Teil des US BSP bildet, oder dass die Bevölkerung etwa der Floridas entspricht, sind wohl weniger analytisch sondern vielmehr anschaulich gemeint. Vgl. USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, S. 8. 170 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Chile Free Trade Agreement, S. 23. 171 USTR, Draft Environmental Review of the proposed U.S.-Chile Free Trade Agreement, S. 19.
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Im Überblick wurde Folgendes festgestellt: Handel mit Agrar-, Forst- und Fischereiprodukten
Nur geringe Steigerungen gegenüber dem bisherigen Handel, daher geringe Auswirkungen
Umwelttechnik
Keine oder positive Auswirkungen
gefährliche Abfälle
Steigerung durch Nachfragezunahme aus Chile ist möglich, gefährliche Abfälle werden aber strikt kontrolliert, daher keine Auswirkungen. Im- und Exporte werden aufgrund internationaler Verpflichtung als unproblematisch eingeschätzt, außerdem würde die geographische Entfernung diese Transporte unwirtschaftlich machen
Gebrauchsgüterhandel
Positive Auswirkung, da es der chilenischen Wirtschaft ermöglicht werde, gebrauchte Industriemaschinen aus den USA zu importieren und so noch ältere eigene Modelle zu verschrotten.
Invasive Arten
Aufgrund strenger Regelungen keine Auswirkungen erwartet
Methylbromid
Aufgrund geringer Steigerung des Agrarhandels kaum Steigerung für Methylbromid, das zur Konservierung bestimmter Produkte verwendet wird, zu erwarten
Bergbau und Metallverarbeitung
Die Eliminierung bereits geringer Zölle in diesem Bereich macht Änderungen unwahrscheinlich. Größere US-Investitionen in Chile können eine Vielzahl von Gründen haben.
Pestizide und giftige Substanzen
Beide Staaten seien Signatarstaaten der POPs und Prior Informed Consent-Konventionen und daher bei Inkrafttreten rechtlich gebunden, daher wenige grenzüberschreitende Auswirkungen
Natur- und Artenschutz
Geringe Zölle führte bisher zu keiner Steigerung illegalen Handels und Zusammenarbeit wurde verstärkt
Aus den hier aufgezeigten Ergebnissen lässt sich zum Teil das Problem erkennen, das durch den Verzicht auf enhencement proposals entsteht. Die Review Group kommt an keiner Stelle zu dem Ergebnis, dass der Handel in einem
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bestimmten Bereich nicht liberalisiert werden dürfe oder dass in einer Umweltvereinbarung gewisse Probleme geregelt werden müssten. Das eingeschränkte Mandat des US Environmental Review zeigt hier eine seiner Schwächen. Der USTR möchte natürlich dennoch ein Dokument erstellen, das seine Position letztendlich auch gegenüber dem amerikanischen Gesetzgeber stützt, dies lässt sich indes nur mit positiven Ergebnissen erreichen. Ein weiteres Problem bestand bei dieser Überprüfung darin, dass die Umweltverhandlungen zu dem sensibelsten Bereich der FTA-Verhandlungen überhaupt gehörten172 und der USTR daher keine Einzelheiten des geplanten Umweltbegleitabkommens veröffentlichen konnte (Sektion VI. 6.).173 Für alle Überprüfungen in diesem Bereich gilt, dass gemäß den Guidelines und der Executive Order 13141 nur die Veränderungen auf ihre Auswirkungen hin untersucht wurden. Diese Veränderungen sind im Falle zweier WTO-Mitglieder, wie USA und Chile, nur als gering zu erwarten. Daher wird in den meisten Bereichen die Schlussfolgerung gezogen, dass die zu erwartenden Veränderungen keine Auswirkungen haben werden. Methodisch fällt für diesen Teil auf, dass außer bei den zu erwartenden Wirtschaftsbewegungen kaum berechnete Analysen durchgeführt werden, sondern dass es sich um ein eher politisches Dokument handelt, in dem versucht wird, die gemachten Eingaben aufzugreifen und politisch zu analysieren. Der periodisch wiederkehrende Verweis auf internationale Verpflichtungen sollte auch bei diesem review nicht unerwähnt bleiben. So wird unter anderem auf die Basel Konvention, CITES und die POPs-Konvention Bezug genommen, um zu begründen, dass durch das FTA keine negativen Umweltauswirkungen in den entsprechenden Bereichen entstehen werden. Der Hinweis auf die BaselKonvention, der die USA nur als Signatarstaat angehören,174 wurde im Übrigen aus dem final environmental review gestrichen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in keinem Punkt eine wesentliche Umweltauswirkung festgestellt werden konnte. Da der US environmental review kein Mandat für Ausgleichsmaßnahmen enthält, sind bei keiner Untersuchung die entsprechenden Maßnahmen aufgeführt.
172 Aussagen einer USTR-Vertreterin beim NAFTA-CEC experts roundtable Assessing the Environmental Effects of Trade Liberalization: Lessons Learned and Future Challenges, Montreal, 17–18. Januar 2002. 173 Genaueres zu dieser Vorschrift, siehe oben 2. Teil, A. II. 2. 174 Vgl. Sekretariat der Basel-Konvention, online http://www.basel.int/ratif/ratif. html (März 2007).
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(3) Regulatorische Überprüfung Bei der regulatorischen Prüfung wurde wieder nur festgestellt, dass sich für die USA über die bestehenden keine weiteren Einschränkungen in der Regelungsmöglichkeit von Umweltpolitik ergeben. Im final environmental review wird vor allem das Umweltkapitel des Abkommens untersucht. Insoweit kann auf die Ausführungen zum US-Jordanischen Freihandelsabkommen verwiesen werden. (4) Umweltzusammenarbeit Eine Kooperation im Umweltbereich wurde zwar tatsächlich vereinbart. Dies tauchte aber im eigentlichen draft review nicht auf. Erst spät hatten sich die politischen Verantwortlichen auf eine formelle Umweltzusammenarbeit geeinigt. Die Ausführungen im draft review beschränken sich daher auf generelle Aussagen, ohne das US-Chile-Umweltabkommen näher zu betrachten. Die Umweltzusammenarbeit wurde dann in der entgültigen Umweltprüfung als das zentrale Element der Umweltregelungen des Freihandelsabkommens eingeschätzt.175
c) Umweltprüfung des US-Singapur-Freihandelsabkommens Im Juni 2003 veröffentlichte der USTR den Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement.176 Der Entwurf der Umweltprüfung wurde am 14. August 2002 veröffentlicht.177 Wiederum wurden die Verhandlungsvorschläge für das Umweltkapitel, Vorschläge für die Streitbeilegung und das Investitionskapitel später als ursprünglich geplant der Regierung von Singapur vorgelegt, damit öffentliche Stellungnahmen abgewartet werden konnten. Als einzelne Bereiche wurden vor allem der verbotene Handel mit vom aussterben bedrohten Arten, sonstiger umweltschädlicher Handel, Ozon-zerstörende Substanzen, illegale Abholzung, Ornamentfische178 und Umwelttechnologien untersucht. 175
USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Chile Free Trade Agreement,
S. 33. 176 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/singapore-environment.pdf (März 2004). 177 USTR, Draft Environmental Review of the Singapore FTA, online http://www. ustr.gov/environment/2002singapore.PDF (März 2004). 178 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement, S. 23: „Public comments expressed concern about ecologically destructive harvesting of ornamental marine fish (most of which are not protected by CITES) in
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Insgesamt kam das Trade Policy Staff Committee für das US-Singapur Freihandelsabkommen zu dem Ergebnis, dass die möglichen Veränderungen der Handelsströme durch das Freihandelsabkommen nicht in einer Größenordnung zu erwarten sind, die erhebliche Umweltauswirkungen nach sich ziehen würden.179 Während regionale oder sektorielle Umweltauswirkungen in den USA nicht vollkommen auszuschließen seien, sah sich die Gruppe außer Stande diese näher zu bestimmen. Nichtsdestotrotz wurden schon früh in den Handelsverhandlungen Umweltprobleme identifiziert, die im weiteren Verlauf näher untersucht wurden. Singapur sei insbesondere ein großer Handelsumschlagsplatz, auf dem auch Güter, wie bedrohte Arten und andere umweltrelevante Güter umgeschlagen werden. Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Verhandlungsgruppe habe dazu geführt, dass die Vorschriften über verbotenen Handel und Zollkooperation wesentlich verschäft wurden. Zusätzlich wurde die Möglichkeit untersucht, dass „saubere“ Umwelttechnologien und -dienstleistungen durch das Freihandelsabkommen gefördert werden könnten. Allerdings stellte das Trade Policy Staff Committee fest, dass dies keine oder sehr geringe Auswirkungen in den USA und nur moderate Auswirkungen in Singapur selbst hätte, da Singapur seit 20 Jahren robuste Umweltgesetze habe. Diese Feststellung überrascht ein wenig. Hier könnten handelspolitische Erwägungen eher als der Umweltschutz eine Rolle gespielt haben. Der Ausschuss untersuchte ferner, ob das Abkommen die Möglichkeiten von Umweltregelungen in den USA einschränken könnte und kam zu dem Ergebnis, dass dies auf Grundlage der bisherigen Verhandlungsvorschläge nicht der Fall sein würde. Insbesondere der Abschnitt des Abkommens über Umweltschutz sichere die Beachtung der eigenen Umweltgesetze in Singapur und die Kooperation der Handelspartner.180 Das Investitionsrecht, das noch im Entwurf der Umweltprüfung ausgeklammert worden war, wurde in der endgültigen Umweltprüfung analysiert. Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass das Investitionskapitel die Regelungsmöglichkeiten in Bezug auf den Umweltschutz nicht einschränke. Insbesondere ein exchange of letters der Handelspartner, der Bestandteil des Abkommens geworden ist, stellt klar, dass die Regelungen des Investitionsschutzes und der Enteignung nicht in Bezug auf berechtigte Um-
Southeast Asia for the aquarium trade. While no such harvesting takes place in Singaporean waters, Singapore has been a major reexporter of such fish from other Asian countries to the United States. Public comments also noted concerns associated with Live Reef Food Fish (LRFF). The Administration examined these issues but could not identify any link to the FTA. Tariffs on ornamental fish in both the United States and Singapore are already zero.“ 179 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement, S. 20. 180 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement, S. 25.
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weltschutzbelange anwendbar seien.181 Ob diese Einschätzung sich bewahrheitet bleibt abzuwarten.182 d) Umweltzwischenprüfung des US-Mittelamerika-Freihandelsabkommens Am 1. Oktober 2002 informierte der USTR den Kongress über die Absicht, mit den Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala und Honduras in Verhandlungen über ein Freihandelsübereinkommen (sogenanntes Central American Free Trade Agreement (CAFTA)) einzutreten. Diese Verhandlungen wurden am 8. Januar 2003 offiziell begonnen. Der Interim Environmental Review of the U.S.-Central America Free Trade Agreement (CAFTA)183 wurde am 22. August 2003 veröffentlicht. Dabei wurde in der Umweltzwischenprüfung festgestellt, dass das Freihandelsübereinkommen gemessen am bisherigen Handelsvolumen einen verhältnismäßig geringen Einfluss auf die US-Wirtschaft und damit auf die Umwelt in den USA haben dürfte. Aus der bisherigen Praxis ließe sich ableiten, dass die CAFTA keinen negativen Einfluss auf die Möglichkeit von Umweltregelungen habe. Im Vergleich zum Einfluss in den USA dürfte die CAFTA einen erheblichen Einfluss auf die Volkswirtschaften in Mittelamerika haben. Die Veränderungen dürften sich aber deshalb in Grenzen halten, da auf die meisten Produkte aus der Region schon jetzt keine Zölle erhoben würden. Die CAFTA könnte indirekte Umweltauswirkungen, wie Luftverschmutzung und Habitatzerstörung haben, deren Gewicht weiter untersucht werden müsse. Das Übereinkommen könnte aber auch positive Umweltauswirkungen haben, indem Umwelttechnologien gefördert und die Anwendung der Umweltgesetze in der Region gestärkt werde. Das Übereinkommen werde Regelungen über die Umweltkooperation enthalten.184 e) Umweltzwischenprüfung des US-Marokko-Freihandelsabkommens Am 1. Oktober 2002 gab der USTR bekannt, mit Marokko in Freihandelsverhandlungen eintreten zu wollen. Diese wurden am 21. Januar 2003 aufgenommen und der Interim Environmental Review of the U.S.-Morocco Free Trade 181 USTR, Final Environmental Review of the U.S.-Singapore Free Trade Agreement, S. 28. 182 Vgl. Diskussionen über NAFTA Chapter 11, bei Konrad von Moltke, An International Investment Agreement? Implications for Sustainable Development, IISD 2000. 183 USTR, Interim Environmental Review of the U.S.-Cental America Free Trade Agreement (CAFTA), online http://www.ustr.gov/new/fta/Cafta/2003-08-22-caftaenv_review.PDF (März 2004). 184 USTR, Interim Environmental Review of the U.S.-Cental America Free Trade Agreement (CAFTA), S. 28.
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Agreement wurde im September 2003 veröffentlicht.185 Es wurde wiederum festgestellt, dass auf Grundlage der bisherigen Handels- und Investitionsströme die Auswirkungen durch das Abkommen auf die US-Wirtschaft sehr gering sein dürften. Daher seien keine relevanten Umweltauswirkungen in den USA zu erwarten. Auch dürfte der Spielraum für Umweltgesetze und -regelungen nicht eingeschränkt werden. Das Abkommen könnte einen größeren Einfluss auf die marokkanische Wirtschaft haben. Die Einflüsse gerade des Übereinkommens dürften aber gering sein, da auf die meisten Exporte schon jetzt keine Zölle erhoben würden. Demgegenüber könnte das Abkommen positive Auswirkungen haben, da es Marokko verplichtet seine Umweltgesetze anzuwenden, das Wirtschaftswachstum beschleunigen könnte und Umwelttechnologien durch stärkeren Handel und Investitionen verbreitet werden könnten. Im Einzelnen wurden nur der Fischereisektor und der Artenschutz untersucht und jeweils festgestellt, dass verstärkte Umweltzusammenarbeit positive Auswirkungen in diesen Bereichen haben könnte. f) Umweltzwischenprüfung des US-Australien-Freihandelsabkommens Wiederum am 1. Oktober 2002 gab der USTR bekannt, dass der Präsident beabsichtige mit Australien in Freihandelsverhandlungen eintreten zu wollen. In dem Interim Environmental Review of the U.S.-Australia Free Trade Agreement186 vom Dezember 2003 wurde festgestellt, dass auf Grundlage des bisherigen Handels, der Einfluss des Freihandelsabkommens auf die US-Produktion gering und daher keine wesentlichen Umweltauswirkungen in den USA zu erwarten seien. Auch negative Einflüsse auf die Regelungsmöglichkeiten im Umweltbereich seien auszuschließen und wesentliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen seien nicht zu erwarten.187 Dabei wurde insbesondere das Problem der invasiven Arten188 näher untersucht und festgestellt, dass obwohl Kalifornien und Südaustralien ähnliche Umweltbedingungen aufwiesen, die bisherigen Regelungen in den USA und in Australien ausreichten, um vor dem Problem zu schützen. Bemerkenswert an dieser Umweltzwischenprüfung ist,
185 USTR, Interim Environmental Review of the U.S.-Morocco Free Trade Agreement, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/morocco-environment.pdf (März 2004). 186 USTR, Interim Environmental Review of the U.S.-Australia Free Trade Agreement, online http://www.ustr.gov/environment/tpa/australia-environment.pdf (März 2004). 187 USTR, Interim Environmental Review of the U.S.-Australia Free Trade Agreement, S. 10. 188 Gemäß EPA, sind dies solche Tierarten, die „1) non-native (or alien) to the ecosystem under consideration and 2) whose introduction causes or is likely to cause economic or environmental harm or harm to human health“ vgl. http://www.invasive species.gov/ (März 2004).
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dass sich nur zwei NGOs an dem Scopingverfahren beteiligten, während bei anderen Verfahren etwa 20 NGOs beteiligt waren. 6. Rückschlüsse Das Instrument des US environmental review verpflichtet die größte Volkswirtschaft zur Beachtung der Umweltauswirkungen bei der Aushandlung von internationalen Handelsregelungen. Natürlich kann dieser Umstand noch nicht allein zu mehr Nachhaltigkeit im Welthandel führen. Jedoch ist die gesetzliche Verankerung ein wichtiges Signal für die zukünftige Ausrichtung des Welthandels. Die Größe der US-Import-Exportbilanz wird diesem noch sehr jungen Instrument größere Beachtung verschaffen. Eine vollständige Analyse der Executive Order 13141 und ihrer Guidelines wird erst mit ihrer verstärkten Anwendung möglich sein. Dennoch lassen die gegenwärtigen Regelungen und die erste Anwendung der Executive Order 13141 (nicht ihrer Guidelines) bei den Verhandlungen über die Freihandelszone mit Jordanien substantielle Schlüsse über die Sinnhaftigkeit des Instruments zu. Das US-Modell des Environmental Review hat Vor- und Nachteile. Zusammenfassend ergibt sich daher ein recht ausgewogenes Bild.
Vorteile • rechtlich verbindliches Instrument • globale Auswirkungen werden beachtet • richtungsweisende Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung • sehr frühzeitige Durchführung • ausführliche Analyse der rechtlichen Auswirkungen • gemischte Methodik aus qualitativen und quantitativen Elementen • Beachtung bereits durchgeführter Reviews und ausländischer Studien
Nachteile • keine Beachtungsverpflichtung • globale Auswirkungen werden ohne auswärtige Beteiligung gewichtet • etwas oberflächliche Prüfung (keine Fallstudien) • sehr deutliche Betonung der wissenschaftlichen Rechtfertigung • nur für wenige Übereinkommen zwingend vorgeschrieben • relativ hohe Auslösungsschwelle (je weniger bestehender Handel, desto weniger Prüfungstiefe) • keine Alternativenprüfung • Beschränkung nur auf Umweltauswirkungen
Für die Bewertung des US Environmental Review von Handelsregelungen muss zunächst deren rechtliche Verbindlichkeit hervorgehoben werden. Natürlich ist eine Executive Order 13141 kein Akt der Legislative und kann daher allein von der Exekutive, also jedem Präsidenten, wieder geändert werden. Die Anwendung durch die Bush-Administration lässt einen solchen Schritt jedoch
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nicht in allernächster Zukunft erwarten, und die Verweisung des Trade Act of 2002 verstärkt die Bindungswirkung noch. Positiv ist auch, dass sich der USTR zur Beachtung früherer Reviews verpflichtet. Eine rechtliche Verbindlichkeit besteht jedoch nicht. Die Guidelines sind sprachlich und inhaltlich nicht nur an die Verwaltung gerichtet. Sie sollen öffentlichkeitswirksam sein. Zwar fehlt der kanadische Hinweis auf die Legitimierungsfunktion des Review für Verhandlungen, allerdings soll auch ohne Erwähnung der Review diese Funktion erfüllen. Die gemischte Methodik erscheint angemessen. Es kann keine reine Expertenuntersuchung geben, da dieses Instrument von der öffentlichen Beteiligung lebt. Ein Problem bildet der enge Anwendungsbereich. Die Auslösungsschwelle für environmental review ist sehr hoch. Dann wird eine umfassende Analyse notwendig, für die zum Teil noch die Modelle, aber auch eine kohärente Methodik fehlen. Es sollte im Übrigen auch an eine Alternativenprüfung und insbesondere an die Alternative des Nichthandelns gedacht werden. Beides wird in den Guidelines nicht vorgesehen. Es bleibt aber eine wichtige Erkenntnis, dass auch die Überprüfung von Vorschlägen zu Welthandelsregelungen möglich und sinnvoll ist. „The Order institutionalizes the use of environmental reviews as an important tool to help identify potential positive and negative environmental effects of certain major trade agreements, and to facilitate consideration of appropriate responses where effects are identified.“189 Die praktischen Mängel in der Durchführung spielen demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Die anfängliche Praxis, für die Verhandlungen mit Jordanien und Chile, bei denen auch die jeweiligen Partner eine Umweltprüfung durchführten, hat sich in späteren Verhandlungen in der Form nicht bestätigt. Seit dem Trade Act of 2002 wird zwar die Zusammenarbeit im Umweltbereich betont, jedoch die US-Umweltprüfung augenscheinlich weniger von möglichen Prüfungen des Handelspartners beeinflusst. Zukünftige Reformen des Environmental Review sollten versuchen, die Nachteile zu vermeiden.
III. Environmental Assessment in der NAFTA (CEC Five-Year-Review) Im Nebenübereinkommen zum North American Free Trade Agreement (NAFTA), dem North American Agreement about Environmental Cooperation 189
EO 13.141 Registry Notice S. 2.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
(NAAEC), ist die Verpflichtung der Commission on Environmental Cooperation (CEC) enthalten, die Umweltauswirkungen der NAFTA auf einer fortlaufenden Basis zu überprüfen. 1. Verhandlungsgeschichte Der NAFTA-Verhandlungsprozess zwischen Mexiko, Kanada und den USA wurde am 5. Februar 1991 offiziell verkündet.190 Jedes Land hatte seine eigenen Verhandlungsziele, aber der Wunsch nach einem schnellen Abschluss einte die Verhandlungsparteien. Das Canada-United States Free Trade Agreement, das Anfang 1988 in Kraft trat,191 bildete den Rahmen für die NAFTA-Verhandlungen und wurde dort ausgeweitet, wo das Free Trade Agreement als unzureichend erschien, etwa bei den Dienstleistungen oder dem geistigen Eigentum. Die erste Bush-Administration versuchte, dem verstärkten Umweltbewusstsein und der Sorge über zu laxe Sozialstandards dadurch zu begegnen, dass in das NAFTA Vorschriften aufgenommen wurden, die deutlicher den Umweltbedenken begegneten, als dies bei dem Free Trade Agreement der Fall gewesen war. Dieses Abkommen hatte praktisch keine handelsfremden Vorschriften enthalten.192 In der Konsequenz sind einige NAFTA-Vorschriften erheblich umweltfreundlicher als die des GATT 1994.193 Dies stellte die Umweltschützer dennoch nicht zufrieden. Gegen deren Druck wurden die Verhandlungen im September 1992 erfolgreich beendet und der Vertragstext wurde von den drei Regierungen in ihren jeweiligen Hauptstädten zwischen dem 8. und 17. Dezember 1992 unterzeichnet.194 Am Ende des Jahres 1992 wurde NAFTA zum Gegenstand der politischen Debatten im Rahmen der Präsidentschaftswahlen von 1992. Der Präsidentschaftskandidat Clinton hatte sich wegen Kritik an NAFTA, inbesondere der Gewerkschafts- und Umweltbewegung, verpflichtet, das Übereinkommen nicht umzusetzen, wenn nicht neue Vereinbarungen zum Umweltschutz und über Arbeitsregelungen geschlossen würden. Der Hintergrund für das gesteigerte Interesse an Handel und Umwelt hatte im Wesentlichen drei Gründe. Erstens hatte ein GATT-Panel entschieden, dass die USA mit einem Gesetz zum Schutz von 190 Vgl. ausführlich Armand de Mestral, The North American Free Trade Agreement: A Comparative Analysis, (1998) 275 Recueil des Cours S. 219, 252. 191 Canada-United States Free Trade Agreement, 22–23 December 1987 and 2 January 1988, Canada and United States, (1988) 27 I. L. M. 281. 192 Armand de Mestral, The North American Free Trade Agreement: A Comparative Analysis, (1998) 275 Recueil des Cours S. 219, 273. 193 NAFTA, Arts. 104, 1114, 2101. 194 North American Free Trade Agreement Between the Government of the United States of America, the Government of Canada and the Government of the United Mexican States, 17. Dezember 1992, Can. T. S. 1994 No. 2, 32 I.L.M. 289 (seit 1. Januar 1994 in Kraft).
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Delfinen gegen bestimmte Thunfischfangmethoden, die Delfine besonders bedrohten, gegen das GATT verstieß.195 Die Dynamik der United Nations Conference on Environment and Development (UNCED) in Rio de Janeiro von 1992 richtete besondere Aufmerksamkeit auf Handel und Umwelt im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung und schließlich hatte eine Washingtoner NGO eine Klage gegen den USTR eingereicht,196 um die NAFTA-Verhandlungen einem Environmental Impact Assessment (EIS) unter dem National Environmental Policy Act (NEPA) zu unterwerfen. Auch wenn der Fall nicht zugunsten der Kläger entschieden wurde,197 so erzeugte er dennoch ausreichend politischen Druck, um die Umweltauswirkungen der NAFTA zu überprüfen.198 Präsident Clinton hielt sich an sein Versprechen und verlangte neue Verhandlungen und Schutzvorschriften. Die mexikanische und kanadische Regierung akzeptierten dieses Anliegen widerwillig im März 1993, aber weigerten sich, das NAFTAÜbereinkommen selbst neu zu verhandeln. Das Ergebnis waren zwei sogenannte „side agreements“ über Arbeits- und Umweltkooperation im September 1993.199 Diese beiden Übereinkommen waren entscheidend für die Verabschiedung des NAFTA-Vertrages in den Vereinigten Staaten. In Kanada lebte die Debatte wieder auf, als im Oktober 1993 die Liberale Partei unter Premierminister Chrétien gewählt wurde. Dieser hatte das Freihandelsabkommen mit den USA kritisiert und behielt sich vor, wenigstens Teile des NAFTA-Übereinkommens neu zu verhandeln. Entsprechende Diskussionen fanden mit Präsident Clinton statt und führten zu dem Ergebnis, dass sich die Vereinigten Staaten verpflichteten, ihre Antidumping- und Subventionsgesetzgebung zu überprüfen. Ergebnis dieser Gespräche war ferner, dass die Staatschefs in einer Erklärung Wasser als Naturressource ausdrücklich von der Anwendbarkeit des NAFTA-Übereinkommens ausnahmen. Dies öffnete in Kanada den Weg für die Ratifikation. Auch in Mexiko gab es politische Kontroversen über die NAFTA, allerdings verlief der formale Ratifikationsprozess ohne Probleme.200
195 United States – Restrictions on Imports of Tuna (Complaint by Mexico), 16 August 1991, (1991) 30 I.L.M. 1594 (nicht angenommen von den GATT VERTRAGSPARTEIEN). 196 Public Citizen v. Office U.S. Trade Representative, 822 F. Supp. 21 (D.D.C. 1993). 197 Public Citizen v. Office U.S. Trade Representative, 5 F.3d 549 (D.C. Cir. 1993). 198 P. S. Kibel, The Paper Tiger Awakens: North American Environmental Law After the Cozumel Reef Case (2001) 39 Colum. J. Transnat’l L. 395, 405 ff. 199 North American Agreement on Environmental Cooperation, 14 September 1993, 32 I.L.M. 1480 (in Kraft seit 1. Januar 1994) [abgekürzt NAAEC] United States, Canada and Mexico and the North American Agreement on Labor Cooperation, 14 September 1993, 32 I.L.M. 1499 (in Kraft seit 1. Januar 1994) United States, Canada and Mexico. 200 A. de Mestral, The North American Free Trade Agreement: A Comparative Analysis, (1998) 275 Recueil des Cours S. 219, 255.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Das North American Agreement about Environmental Cooperation und das North America Agreement on Labor Cooperation sind das Ergebnis eines politischen Kompromisses und daher folgen sie nicht allen Forderungen der Umweltschützer und der Gewerkschafter. So werden keine gemeinsamen nordamerikanischen Umwelt- und Arbeitsstandards geschaffen, auch wenn das Potential für einen gemeinsamen Lösungsansatz für gemeinsame Probleme durchaus vorhanden ist. Ebensowenig werden vom Willen der Vertragsparteien unabhängige Organe geschaffen, auch wenn beide Verträge innovative Ansätze haben. Jeder Ruf nach supranationalen Institutionen wurde streng zugunsten rein zwischenstaatlicher Zusammenarbeit abgelehnt. Es wird zwar akzeptiert, dass viele „non-trade issues“ auch gemeinsame Lösungen erfordern. Allerdings sind die beiden Übereinkommen strikt auf Umwelt und Arbeitsbelange begrenzt; sie versuchen nicht einmal die Probleme anzugehen, die zumindest in Kanada und Mexiko im Hinblick auf das öffentliche Gesundheitswesen geäußert wurden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass NAFTA durch die Nebenübereinkommen inhaltlich und für das Verfahren einen Beitrag für die Lösung von Handels- und Nicht-Handelsbelangen geleistet hat. Ob dieser Versuch, verschiedene Werte miteinander in Einklang zu bringen, erfolgreich war oder ob so ein Versuch jemals im Rahmen eines Handelsübereinkommens erfolgreich sein kann, bleibt eine offene Frage.201 Während der ersten Jahre der Arbeit der Commission on Environmental Cooperation gab es in Kanada gewichtige Stimmen, die eher eine Zollunion mit den USA befürworteten und die Befürchtung äußerten, eine Freihandelszone würde die drei Volkswirtschaften unauflösbar miteinander verbinden, wodurch die eigene Abwägung der unterschiedlichen Werte gefährdet würde.202 Die jüngste Vertragspraxis und der wachsende Einfluss der Commission on Environmental Cooperation deuten wenigstens im Bereich der Umweltbelange in eine andere Richtung. 2. Die Commission on Environmental Cooperation Die Commission on Environmental Cooperation ist eine internationale Organisation, die von den drei Vertragparteien des North American Agreement about Environmental Cooperation geschaffen wurde, um die Ziele der Vereinbarung zu verwirklichen. Die Kommission besteht aus dem Rat (Council), dem Sekretariat (Secretariat) und dem Gemeinsamen Öffentlichen Beratungsausschuss
201 Armand de Mestral, The Significance of the NAFTA Side Agreements on Environmental and Labour Co-operation – Symposium – Law and Civil Society: Part IV: Subfederal Interactions between the United States and Canada, (1998) 15 Ariz. J. Int’l & Comp. Law, S. 169, 171 ff. 202 A. de Mestral, The North American Free Trade Agreement: A Comparative Analysis, (1998) 275 Recueil des Cours 219 at 375.
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(Joint Public Advisory Committee (JPAC)).203 Die Commission on Environmental Cooperation ist von der NAFTA-Kommission getrennt. Das liegt vor allem an der Verhandlungsgeschichte. Wie schon erwähnt wurden das NAFTA-Übereinkommen, das North American Agreement about Environmental Cooperation, sowie das North American Agreement about Labor Cooperation getrennt und zeitversetzt verhandelt, allerdings wurden sie gemeinsam verabschiedet und parallel ratifiziert. Es gibt, und das ist für die Interpretation der Übereinkommen wichtig, Hinweise, dass das NAFTA-Übereinkommen nicht ohne die Seitenübereinkommen ratifiziert worden wäre.204 Formal allerdings sind die drei Verträge getrennt und haben keine internen Verbindungen. Ihre institutionelle Struktur ist strikt getrennt, wenn auch die drei Kommissionen und mehr noch die Sekretariate informell Informationen austauschen. Die getrennte Struktur stieß bei der Umweltbewegung auf Kritik, die sich im Wesentlichen für eine supranationale Struktur eingesetzt hatte. Allerdings kommen neuere Überprüfungen zu einer etwas positiveren Einschätzung, denn die innovative Stuktur gab der Commission on Environmental Cooperation ausreichend Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Erwägungen. Die Commission on Environmental Cooperation ist eben keine Unterabteilung der NAFTA-Kommission, wie etwa die Abteilung für Handel und Umwelt des WTO-Sekretariates. 3. Methodik Die Commission on Environmental Cooperation soll ein „on-going assessment of the environmental effects of NAFTA“ durchführen, Art. 10.6 North American Agreement about Environmental Cooperation. Als diese Verpflichtung geschrieben wurde, war keiner in den drei Vertragsstaaten Kanada, Mexiko und USA sich genau im Klaren, wie diese Verpflichtung methodisch umgesetzt werden könnte.205 Es musste erst eine Methodologie für die Überprüfung der Umweltauswirkungen von Freihandelsübereinkommen entwickelt werden. Hieran arbeitete das Commission on Environmental Cooperation-Sekretariat mit Hochdruck. Nach fünf Jahren sollte das Final Analytical Framework fertig gestellt werden. Das Projekt gliederte sich in zwei Phasen. Während der ersten Phase wurden die vorhandenen methodischen Ansätze diskutiert.206 Die zweite Phase 203
Article 8.2 North American Agreement on Environmental Cooperation. Vgl. P. M. Johnson/A. Beaulieu, The environment and NAFTA: Understanding and Implementing the New Continental Law, S. 121. 205 Jane Barr, Final Analytical Framework to Assess the Environmental effects of NAFTA, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 100. 206 CEC, Building a Framework for Assessing NAFTA Environmental Effects – Report of a Workshop held in La Jolla, California, on April 29 and 30, 1996, Montreal, 1996. 204
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schloss mit einem eingehenden Vorschlag für einen analytischen Rahmen für das Assessment und mit drei Fallstudien ab.207 Der Entwurf für die endgültige CEC-Methodik wurde vom Ministerrat Anfang des Jahres 2000 abgesegnet. Allerdings wurde keine offizielle Commission on Environmental Cooperation – Publikation von dem Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement angefertigt.208 Da die Methodik eine Grundlage für die zukünftige Überprüfung der Umweltauswirkungen von NAFTA bildet, soll sie hier dennoch vorgestellt werden. An der Ausarbeitung waren neben Universitätsprofessoren und Sekretariatsmitarbeitern auch Handelsdiplomaten, Juristen, Volkswirtschaftler und zu einem guten Teil auch die Öffentlichkeit beteiligt. Es gab eine Beratergruppe und das schon erwähnte JPAC berieten das Sekretariat bei der Abfassung. Die große öffentliche Beteiligung wird von der Commission on Environmental Cooperation ausdrücklich hervorgehoben.209 Der methodische Rahmen geht von einer Reihe von Grundüberlegungen aus: „Six preliminary hypotheses to focus the analysis 1. Does NAFTA reinforce existing patterns of comparative advantage and specialization to the benefit of efficiency? 2. Does NAFTA trade liberalization lead to a regulatory/migratory „race-to-thebottom“? 3. Does NAFTA give rise to competitive pressures for capital and technological modernization? 4. Do liberalized rules under NAFTA serve to increase the use of environmentally friendly products? 5. Does NAFTA lead to upward convergence of environmental practice and regulation through activities of the private sector? 6. Does NAFTA lead to upward convergence of environmental practice and regulation through activities of the various levels of government, and if so, how?“210
207 CEC, Assessing Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement (NAFTA) – An Analytic Framework (Phase II) and Issue Studies, Montreal 1999. 208 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, wurde nie in einer Printversion veröffentlicht nur online: http://www.cec.org/files/pdf/ECONOMY/Frmwrk-e_EN.pdf (März 2007). 209 Vgl. CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. iii ff. 210 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 3–4.
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Die Grundüberlegungen sollen der ganzen Umweltprüfung den richtigen Rahmen geben. So können die nachfolgenden Indikatoren eine der Hypothesen in die eine oder andere Richtung beeinflussen und damit den Gesamteindruck verändern. Die Commission on Environmental Cooperation begründet die Notwendigkeit der Hypothesen vor allem mit der quantitativen Natur der nachfolgenden Analyse. Außerdem „It is hoped that they will aid the analyst to tie together the particular variables and relationships identified in the framework, and address important areas of possible environmental effects.“211 Ein weiterer Grund sei die Komplexität der Untersuchung bei der Isolierung und Quantifizierung der durch Handel entstandenen Umweltauswirkungen für ein einziges Übereinkommen.212 Die vorgeschlagene Methodik ist für sektorielle Studien entworfen worden. Sie folgt einem linearen oder stufenweisen Aufbau, der auch von anderen Modellen, etwa der OECD, vorgeschlagen wird. Zuerst sollen die ökonomischen und anderen Folgen der NAFTA selbst auf der Grundlage des Zeitraumes 1985–1990 vor Inkrafttreten der Übereinkommen untersucht werden: „NAFTA Rule Changes, NAFTA’s Institutions, Trade Flows, Transborder Investment Flows, Other Economic Conditioning Factors.“ Unter den Regelveränderungen, die durch die NAFTA-Übereinkommen hervorgerufen wurden, soll unter anderem geprüft werden, wie sich Zollreduktionen und die Veränderung beispielsweise von Importregelungen wirtschaftlich auswirken. An dieser Stelle sind aber auch Juristen gefragt, da sich auch sonstige rechtliche Regelungen, etwa die nationalen Umsetzungsgesetze auswirken.213 Bei der Analyse der NAFTAInstitutionen soll untersucht werden, ob sie ihre Mandate erfüllen, wie sie ihr Ermessen in Umweltfragen ausüben, wie sie sich bei dem Aufbau von Fachwissen in den Staaten engagieren, ob sie auf ein hohes Umweltschutzniveau hinarbeiten und wie sie sich in multilateralen Prozessen präsentieren. Für die Untersuchung der Handelsströme werden der Wert und das Volumen der Im- und Exporte thematisiert, der Marktanteil, die Struktur und Zusammensetzung, sowie die Frage, wie diese Handelsströme innerhalb der NAFTA erzeugt und von anderen Ländern weggelenkt werden. In Bezug auf die grenzüberschreitenden Investitionen schlägt die Commission on Environmental Cooperation als Prüfung die regionale Verteilung der Investitionen vor, sektorielle Verschiebungen, Unternehmensverlagerungen und Niederlassungen, sowie den Technologietransfer und die -verteilung. Die Untersuchung der Investitionen macht diese Methodik
211 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 3. 212 Jane Barr, Final Analytical Framework to Assess the Environmental effects of NAFTA, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 100. 213 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 8.
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einzigartig. In den bisher betrachteten Methodologien wurden Investitionen unabhängig vom Handel nicht betrachtet. Hierbei stehen gerade die Investitionsregelungen des NAFTA-Übereinkommens im 11. Kapitel und seine Umweltauswirkungen im Vordergrund.214 Als kritische Elemente lassen sich die Prüfungspunkte der Integration der Produktion innerhalb der Unternehmen, auch die Unternehmenskonzentration und die ausländischen Portfolioinvestitionen werten. Andere Wirtschaftsfaktoren sieht die Commission on Environmental Cooperation in nationalen makroökonomischen Faktoren, wie Verbrauch und Einkommensniveau, in mikroökonomischen Veränderungen der einzelnen Volkswirtschaften, in den größeren Veränderungen der internationalen Wirtschaft und schließlich in Wetter- und Klimaveränderungen. Schon aus diesen wirtschaftlichen Faktoren wird die Mischung aus quantitativen und qualitativen Analysemethoden deutlich. Die Commission on Environmental Cooperation betont, dass in einigen Bereichen die bestehenden quantitativen Analysemodelle nur begrenzt für die Prüfung der Umweltauswirkungen genutzt werden können.215 Besonders wichtig für diesen methodologischen Rahmen ist die Verbindung von Daten über Handelsströme und Investitionsströme mit Umweltauswirkungen. Die Hauptfaktoren dieser Verbindung sieht die Commission on Environmental Cooperation in der Produktion, dem Management und der Technologie, in der physischen Infrastruktur, in der sozialen Organisation und in der Regierungspolitik (production, management and technology, physical infrastructure, social organization, and government policy). Bei dem ersten Verbindungsfaktor wird vorgeschlagen, in dem untersuchten Sektor die Zusammensetzung des Ausgangsmaterials für industrielle Fertigung, die relative Produktionseffizienz, die physikalische Technik, die Managementstandards, die Produkteigenschaften und -preise, sowie die sektorielle und geografische Konzentration der Produktion zu untersuchen. Je nach der Beschaffenheit dieser einzelnen Faktoren können positive oder negative Umweltauswirkungen entstehen. Wenn beispielsweise in großer Menge natürliche Ressourcen für die Produktion benötigt werden, ist dies meist mit negativen Umweltauswirkungen verbunden. Positiv wirkt sich zum Beispiel aus, wenn sich die Produktion in einigen wenigen Standorten mit geringer Umweltsensibilität konzentriert.216 Bei der physischen Infrastruktur geht es um die geografische Lage, in der sich die von der NAFTA betroffene 214 Jane Barr, Final Analytical Framework to Assess the Environmental effects of NAFTA, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 100. 215 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 6. 216 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 14.
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Produktion konzentriert. Dabei sollen die Art und der Umfang der Umweltauswirkungen auf die örtliche Situation untersucht werden. Zu den Untersuchungsfaktoren zählen die vorhandenen Infrastrukturkapazitäten, die Beziehungen unter diesen Kapazitäten und die Konzentration der wirtschaftlichen Tätigkeit, die Aufdeckung von infrastrukturellen Engpässen und Problembereichen. Insbesondere sollen in den Grenzregionen die Transportkorridore, die in Nordamerika meist Nord-Süd-Straßenverbindungen sind, sowie intermodaler Transport und Wechsel der Transportmodi näher beleuchtet werden. Zusätzlich zur Infrastruktur und zur Produktion werden in den NAFTA-Umweltprüfungen auch die soziale Organisation sowie die Regierungspolitik überprüft. Bei der sozialen Organisation sollen Faktoren wie die Existenz und die Rolle der NGOs, die Armut privater Haushalte, Arbeitsmigration und lokale Traditionen und Gruppen beachtet werden. Sie bilden die wesentlichen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Verbindung von Handel und Umwelt. Bei der Regierungspolitik schlägt der Analytic Framework vor, inbesondere die Art und das Ausmaß der Umweltpolitik zu betrachten, einschließlich der marktwirtschaftlichen Instrumente, das umweltfreundliche Beschaffungswesen, finanzielle Anreize und Instrumente sowie der Grad der Umsetzung der Gesetze. Nach den Verbindungsfaktoren werden die eigentlichen Umweltauswirkungen dieser einzelnen Variablen näher betrachtet. Es geht folglich um die Frage, wie NAFTA die Luft, das Wasser, den Boden und alle Lebewesen beeinflusst. Dabei listet die Studie die Indikatoren auf, die in Nordamerika verfügbar sind. Bei der Luft sind dies etwa Säureverunreinigung (SO2 und SOx), Ozonkonzentration, Luft(Ruß)partikel, POPs, CO und CO2. Beim Wasser werden die Faktoren Trinkwasserqualität, Frischwasserverbrauch, Bleiverschmutzung, Kupferverschmutzung, Verschmutzung des Regenwassers, der Fischfang und die Anzahl der Abwasseranbindungen vorgeschlagen. Beim Land geht es um Faktoren wie den landwirtschaftlichen Pestizideinsatz oder die Nutzung als Müllhalde. Für die Biodiversität werden die Anzahl der bedrohten Arten, die Feuchtgebiete und die Anzahl der Schutzgebiete als Indikatoren vorgeschlagen.217 Zusätzlich sollen auch sogenannte aggregierte Faktoren, also zwei oder mehr Faktoren gemeinsam, aus denen sich der Druck oder Veränderungen der Umwelt ablesen lassen, untersucht werden. Hier greifen die Autoren auf Studien der OECD und der Vereinten Nationen zurück, um Umweltdaten mit wirtschaftlichen Daten vergleichbar zu machen. Dies wird vor allem bei den aggregierten Faktoren deutlich, die Kosten beinhalten. Als gewichtete Faktoren werden der Klimawandel, die Verringerung der Ozonschicht, die Übersäuerung, die Eutrophosierung, die Kosten für die Wiederherstellung der Umwelt, der „ökologische Fußabdruck“, die Energienutzung, die Kosten für die Wiederherstellung der Gesund217 CEC, Analytic Framework for Assessing the Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement, Montreal 1999, S. 22.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
heit wegen Umweltverschmutzungen, der Energiemix und die Biointegrität vorgeschlagen. Die Faktoren seien nicht einfach zu ermitteln, könnten aber wertvolle Hinweise auf Umweltveränderungen geben. Das Problem mit den Umweltfaktoren ist zunächst die mangelhafte Datenlage. Die Commission on Environmental Cooperation versucht, nicht nur Umweltverschmutzungsdaten zu verwenden, sondern auch Phänomäne wie Veränderungen der Artenvielfalt zu ermitteln. Dies ist auch methodisch mit Unsicherheiten verbunden.218 Wie die Umweltdaten letztlich bewertet werden, schreibt der Analytic Framework nicht vor. Mit den aggregierten Faktoren schlägt er einige Wege vor, ohne eine endgültige Vorgehensweise vorzuschreiben. Hier wird der Charakter des Dokuments, der auch im Nachwort betont wird, deutlich: „This framework is offered to individuals, institutions and governments to assist in understanding the linkages between environmental and trade policies.“ Es soll eben nicht eine bestimmte Methode für die Umweltprüfung vorgeschrieben werden, sondern ein Rahmen, innerhalb dessen sich die Prüfung bewegt. Zusätzlich zur Methodik werden nach wie vor weitere Diskussionen und Fallstudien über das Assessment der Umweltauswirkungen von NAFTA durchgeführt. So wurden im Jahr 2000219 und 2002220 zwei Seminare zum Thema abgehalten und einzelne Methoden und methodische Ansätze diskutiert. Die Methodik ist für drei Fallstudien über mexikanischen Mais, die Rinderproduktion in den USA und in Kanada, sowie über den Strommarkt in allen drei Ländern angewendet worden.221 Neben dem formalen Assessment dürfen die vielen Fallstudien der Commission on Environmental Cooperation nicht unerwähnt bleiben. Das Sekretariat fertigt diese gemäß Art. 13 NAAEC selbsttätig an und lässt die Ergebnisse öffentlich diskutieren. 4. Bewertung Der Umstand, dass die Überprüfung der Umweltauswirkungen der NAFTA in einem völkerrechtlichen Vertrag festgeschrieben wurde, ist für sich als innovativ 218 Jane Barr, Final Analytical Framework to Assess the Environmental effects of NAFTA, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 101. 219 CEC, The Environmental Effects of Free Trade – Papers Presented at the North American Symposium on Assessing the Linkages between Trade and Environment (October 2000), Montreal 2002. Online: http://www.cec.org/files/pdf/ECONOMY/ symposium-e.pdf (März 2007). 220 CEC Seminar: Assessing the Environmental Effects of Trade Commission for Environmental Cooperation of North America 17–18.1.2002, Montreal, online: http:// www.cec.org/files/PDF/ECONOMY/finalagenda-e_EN.PDF (März 2007). 221 CEC, Assessing Environmental Effects of the North American Free Trade Agreement (NAFTA) – An Analytic Framework (Phase II) and Issue Studies, Montreal 1999, S. 65 ff.
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einzuschätzen. Auf regionaler Ebene ist die Commission on Environmental Cooperation die einzige Institution, die hierzu ein ausdrückliches Mandat besitzt. Die retrospektive Herangehensweise ließ sich angesichts des schon ausverhandelten NAFTA-Übereinkommens wohl kaum vermeiden. Allerdings hätte die Arbeit der Commission on Environmental Cooperation vielleicht mit einer Zusammenschau der kanadischen und US-amerikanischen assessments beginnen können. Der ausdrücklich sektorielle Ansatz der Methodik erscheint angesichts der Bandbreite von NAFTA gerechtfertigt. Problematisch könnten dann sektorübergreifende Auswirkungen sein. Allerdings lassen zahlreiche Faktoren auch die Untersuchung dieser Auswirkungen zu. Eine Nachhaltigkeitsprüfung wird nicht durchgeführt, allerdings schlägt die Commission on Environmental Cooperation in dem Analytic Framework einige Untersuchungsfaktoren vor, die auch soziale Auswirkungen beinhalten. Somit kann für das NAFTA-Modell von einer reinen Umweltprüfung nicht gesprochen werden. Die wissenschaftlichen Diskussionen, gerade unter Wirtschaftswissenschaftlern, über die besten Analysemethoden lassen das eigentliche Problem aus den Augen geraten. Es geht wie bei der UVP auch hier im Sinne des Vorsorgeprinzips um eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung. Die Commission on Environmental Cooperation hat mit ihren sog. citizens submissions (Art. 14 NAAEC) schon einigen Erfolg hinsichtlich öffentlicher Eingaben. Dies muss, und das ist verschiedentlich schon angemerkt worden, auch für die Umweltprüfungen gelten. Die Fallstudien unter Art. 13 NAAEC deuten in diese Richtung, und auch die verstärkten Beteiligungsbemühungen für die Bürgereingaben bilden ein gutes Beispiel. Insofern ist der Final Analytic Framework zu kritisieren, da er gegen den ausdrücklichen Wunsch der Autoren mit seinen Indikatoren doch den Anschein erweckt, es könne ein wissenschaftlich-mathematisches Prüfungsverfahren geben. Hier könnten die Regelungen der NAFTA-Mitglieder Kanada und USA wertvolle Anregungen geben. Die Methodik selbst erscheint auf den ersten Blick unübersichtlich. Für den normalen Staatsbürger werden hier verschiedene Indikatoren aneinandergereiht, aus denen, wie in einem Gemischtwarenladen, sich jeder das Seine aussuchen kann. Die Gewichtung wird dementsprechend unterschiedlich sein. Ein Beachtungsgebot, etwa für zukünftige Entscheidungen, das Streitbeilegungsverfahren oder die Weiterentwicklung der Verträge, besteht nicht. Selbst wenn man dies nicht normieren wollte, würde jedenfalls eine verstärkte Beteiligung der Öffentlichkeit den politischen Druck bis auf die Beachtung der Umweltbelange erhöhen. Insgesamt erscheint eine rechtlich bindende Regelung trotz ihrer Einschränkungen vorteilhaft. Dies zeigt sich an den angeregten Diskussionen, die bis heute in der Commission on Environmental Cooperation und NAFTA insgesamt geführt werden.222 222 CEC, The Environmental Effects of Free Trade – Papers Presented at the North American Symposium on Assessing the Linkages between Trade and Environment
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel I. Sustainability Impact Assessment der Europäischen Union (EU) Das bisher einzige Modell einer Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Impact Assessment oder kurz SIA) wurde von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben.223 Es handelt sich um die Sustainable Impact Assessment Study (Phasen I und II) für die vorgeschlagenen Verhandlungen der Millennium Round im Rahmen der WTO.224 Zwischen Mitte Juli und Mitte September 1999 erarbeitete eine Forschergruppe um Colin Kirkpatrick vom Institute for Development Policy and Management der Universität Manchester den ersten Teil der sogenannten „EU Sustainablitiy Impact Assessment Study: Purpose, Method and Application.“ Als zweite Phase folgte dann zwischen Mitte September und Mitte November die Anwendung der neuen Methodik auf eine Reihe von Maßnahmen, die für die WTO-Runde von Seattle vorgeschlagen wurden. Die Nachhaltigkeitseinflüsse dieser Maßnahmen sollte überprüft und mögliche Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen werden. Bevor auf die konkrete Studie eingegangen wird, soll kurz auf die Entstehungsgeschichte des Instrumentes und vor allem auf die UVP im Rahmen des Europäischen Binnenmarktes eingegangen werden. Die erste UVP von Handelsregelungen überhaupt fand schließlich im europäischen Rahmen statt. Die Entwicklung insbesondere des vorsorgeorientierten Umweltschutzes durch UVPs im europäischen Kontext ist schon erläutert worden. Dennoch erscheint deren Anwendung auf Handelsregelungen nicht als selbstverständlich. 1. Grundlagen der EG-Handelspolitik Bevor die Studien näher erläutert werden, sollen in einem kurzen Überblick die Grundlagen der EU-Handelspolitik dargestellt werden. Die Europäische Union verfügt bekanntlich über eigene Kompetenzen in Bezug auf die Außenwirtschaftspolitik. Schon in der Präambel des EGV wird die gemeinsame Han(October 2000), Montreal 2002. Online: http://www.cec.org/files/pdf/ECONOMY/ symposium-e.pdf (März 2007). 223 Vgl. grundlegend Clive George/Colin Kirkpatrick, Trade and Development: Assessing the Impact of Trade Liberalisation on Sustainable Development, (2004) 38:3 J. W. T. S. 441 ff. 224 Colin Kirkpatirck/Norman Lee/Morrissey, WTO NEW ROUND – Sustainability Impact Assessment Study, Phase One Report, online http://idpm.man.ac.uk/sia-trade/ Phase1/phaseonerpt.PDF (März 2007).
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delspolitik erwähnt, durch die die EG zur fortschreitenden Beseitigung der Beschränkungen im zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehr beitragen soll. In den Grundsätzen der Gemeinschaft wird in Art. 3 Abs. 1 b) EGV die gemeinsame Handelspolitik ausdrücklich als Aufgabe der EG festgelegt. Weiterhin ist die EU der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet, Art. 2 EUV. Die EG ist völkerrechtsfähig (Art. 281 EGV) und kann daher auch in internationalen Organisationen, wie der WTO, Mitglied werden. Die Gemeinschaft wird durch die Kommission vertreten. Allerdings ist zu beachten, dass die EG über keine umfassende Kompetenz in den Außenbeziehungen verfügt. Daher hat sie auch nicht die Befugnis, sich neue Kompetenzen in diesem Bereich selbst zu geben. Gemäß Art. 5 EGV gilt wie bei Innenkompetenzen der Gemeinschaft das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Nur innerhalb der ausdrücklich der Gemeinschaft zugewiesenen Befugnisse und Ziele kann die EG tätig werden. a) Geschriebene Außenwirtschaftskompetenzen: Art. 130 ff. EGV Die geschriebenen Außenwirtschaftskompetenzen sind in den Art. 130 ff. EGV enthalten. Besonders hervorgehoben werden die Änderung von Zollsätzen, der Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen. Somit fallen das GATT und alle WTO-Übereinkommen betreffend den Warenhandel in die ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft. Während der Vertrag von Amsterdam die Kompetenzen auf den Handel mit Dienstleistungen und mit geistigem Eigentum grundsätzlich ausgedehnt hatte, werden diese durch die Neufassung des Art. 133 nach dem Vertrag von Nizza näher definiert. Für den Bereich des Handels mit kulturellen und audiovisuellen Dienstleistungen, Dienstleistungen im Bereich Bildung sowie in den Bereichen Soziales und Gesundheitswesen wird nun ausdrücklich die gemischte Zuständigkeit der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten festgeschrieben, womit „die so ausgehandelten Abkommen gemeinsam von der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten geschlossen“ werden.225 Zusätzlich wird die Möglichkeit diskutiert, dass die EG die Kompetenz für die sogenannten new issues erhält, über die möglicherweise WTO-Verhandlungen stattfinden können: Investitionen und Wettbewerbsregelungen. Nur im letzteren Bereich besteht insofern eine klare Außenwirtschaftskompetenz der Gemeinschaft. Die EG hatte dagegen bislang für Investitionsabkommen keine Zuständigkeit.
225
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C 80/17 vom 10.3.2001.
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b) Ungeschriebene Außenwirtschaftskompetenzen Zusätzlich zu den ausdrücklichen Außenwirtschaftskompetzenzen hat die Gemeinschaft ungeschriebene Kompetenzen. Diese wurden durch die Rechtsprechung des EuGH näher definiert. Der EuGH greift in seinen Urteilen auf die im Völkerrecht verbreitete Lehre von den implied powers nicht zurück. Die Rechtsprechung ist eher mit den verfassungsrechtlichen Kategorien der Annexkompetenz, der Kompetenz kraft Sachzusammenhang oder kraft Natur der Sache vergleichbar.226 Aus frühen Entscheidungen227 wurde bald der Schluss gezogen, dass eine generelle und ungeschriebene Parallelität zwischen Innen- und Außenkompetenzen der Gemeinschaft bestehe.228 Dies gelte nicht nur für den Fall bereits erlassenen Sekundärrechts, sondern auch für das gleichzeitge bzw. erstmalige Gebrauchmachen von ungeschriebenen Außenkompetenzen. Der EuGH hat die Vorstellung von der generellen Parallelität allerdings später eingeschränkt bzw. präzisiert. In seinem Gutachten 1/94 legte er dafür die bisher präzisesten Kriterien fest.229 2. Vertragliche und autonome Handelspolitik Bei der Handelspolitik wird zwischen vertraglicher und autonomer Handelspolitik unterschieden. Die autonome Handelspolitik bezeichnet die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, die zur Durchführung der Handelspolitik notwendig sind. So enthalten etwa die meisten Marktordnungen für Agrarprodukte auch handelspolitische Regelungen. Die Kommission unterbreitet dem Rat die Vorschläge zur Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik (Art. 133 Abs. 2 EGV) und dieser beschließt sie mit der qualifizierten Mehrheit (Art. 133 Abs. 4 EGV). Die Form der Rechtsakte ist nicht vorgeschrieben. In der Regel werden Verordnungen gemäß Art. 249 EGV erlassen, da dies am ehesten den Erfordernissen einer einheitlich, effektiv und kurzfristig auszuführenden gemeinsamen Handelspolitik in den Mitgliedstaaten entspricht.230 Als vertragliche Handelspolitik wird der Abschluss völkerrechtlicher Verträge der Gemeinschaft mit internationalen Organisationen oder Staaten gemäß Art. 133 Abs. 3 EGV bezeichnet. Das Vertragsabschlussverfahren hierzu regelt Art. 300 EGV. Die Kommission legt während der Verhandlungsphase dem Rat eine Empfehlung vor. Der Rat ermächtigt die Kommission daraufhin mit qualifizierter Mehrheit zur Durchfüh226 Saskia Hörmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen des internationalen Handelsrecht, in: Hilf/Oeter, S. 37, 44. 227 EuGH, Rs. 3,4 und 6/76 – Kramer, vom 14.7.1976, Slg. 1976, 1279 und Gutachten 1/76 – Stilllegungsfonds, vom 26.4.1976, Slg. 1977, 741. 228 Thomas Oppermann, Europarecht (1991), Rn. 1623. 229 Meinhard Hilf, Ungeschriebene EG-Kompetenzen im Außenwirtschaftsrecht, ZfV 1997, S. 293, 295. 230 Thomas Oppermann, Europarecht, S. 761.
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 165
rung dieser Verhandlungen, sogenannte Mandatserteilung. Dabei werden in der Regel Richtlinien erlassen, an die sich die Kommission bei den Verhandlungen halten muss. Der Rat hat schon in dieser Verhandlungsphase das letzte Wort. Gleichzeitig tagt der „133-er Ausschuss“, der die Kommission bei ihren Verhandlungen unterstützt. Nach erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen folgt die Paraphierung der Verträge, das heißt die Feststellung der endgültigen Vertragstexte durch die Kommission. Vor Unterzeichnung unterbreitet die Kommission dem Rat einen entsprechenden Vorschlag, Art. 300 Abs. 2 EGV. Der Rat beschließt wiederum mit qualifizierter Mehrheit und unterzeichnet dann im Namen der EG die Verträge. Hieran wird deutlich, dass die EG-Kommission trotz weitreichender Kompetenzen vom Willen der Mitgliedsstaaten schwer abweichen kann. Daher werden auch Sustainability Impact Assessments, die die Kommission in Auftrag gibt, nur eingeschränkt Beachtung finden. Vom Verfahren her wäre eine Einbindung der Mitgliedsstaaten und ihrer Nachhaltigkeitsstrategien eher sinnvoll. Nach der Rechtsprechung des EuGH war die EG de facto-Vertragspartei des GATT 1947.231 Das Gericht begründete seine Auffassung mit dem Umstand, dass die gemeinsame Handelspolitik im EGV festgeschrieben war und alle EWG-Mitgliedsstaaten auch gleichzeitig Vertragsparteien des GATT 1947 waren. Durch die WTO entstand jedoch eine neue Rechtslage, die durch das Gutachten 1/94 über den Abschluss des gesamten WTO-Vertragswerkes für die EG kompetenzrechtlich geklärt wurde. Die Kommission stellte sich auf den Standpunkt, dass ihr die umfassende und ausschließliche Kompetenz zum Abschluss der Übereinkommen zustehe. Alle Mitgliedstaaten außer Belgien erhoben gegen diese Position Einwände. Der Gerichtshof gelangte, was kaum überraschen konnte, letztlich zu einem Kompromiss zwischen den extremen Positionen der beiden Seiten.232 Die umstrittene Kompetenz zum Abschluss einzelner WTOÜbereinkommen war insbesondere im Hinblick auf den Handel mit Dienstleistungen und den Schutz des geistigen Eigentums zu erörtern – in Bezug auf das GATS und das TRIPS. Der Gerichtshof ist dabei zu dem Ergebnis der geteilten Zuständigkeiten zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten gelangt. Im Einzelnen entschied der EuGH, dass erstens für die Übereinkommen GATS und TRIPS weder eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft noch der Mitgliedstaaten bestehe. Erst bei „voll harmonisierter“ Sekundärregelung für ein Teilgebiet könnte die Gemeinschaft die ausschließliche Kompetenz für sich in Anspruch nehmen. Wie eine „vollständige Harmonisierung“ im Einzelnen definiert werden kann, ist allerdings umstritten. Der EuGH hat im konkreten Fall selbst eine weitgehende Harmonisierung nicht als ausreichend angesehen. Zwei-
231
EuGH, Rs 21–23/72 – International Fruit Company, Slg. 1972, 1219 ff. Im Einzelnen siehe Hilf, The ECJ’s Opinion 1/94 on the WTO – No Surprise, but Wise?, 6 EJIL (1995), S. 245 ff. 232
166
2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
tens muss eine Gefahr der Beeinträchtigung des Gemeinschaftsrechts durch die fortbestehende völkerrechtliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten nachgewiesen werden. Insofern reicht die Gefahr einer Beeinträchtigung später erlassenen Gemeinschaftsrechts nicht aus. Eine ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft entsteht drittens auch, wenn das interne Recht sie ausdrücklich ermächtigt, völkerrechtliche Vereinbarungen mit Drittstaaten zu treffen. Für beide Bereiche GATS und TRIPS stellte der Gerichtshof viertens grundsätzlich fest, dass die Behandlung von Angehörigen von Drittstaaten nicht zwangsläufig untrennbar sei von der innergemeinschatlichen Regelung im Hinblick auf die Angehörigen der EG-Mitgliedstaaten. Mit Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens ist die EG neben den Mitgliedstaaten förmlich WTO-Mitglied geworden. Nach Art. XI:1 WTO-Übereinkommen gehört die EG zu den ursprünglichen Mitgliedern der WTO. In der Ministerkonferenz und im allgemeinen Rat verfügt die EG über die Gesamtzahl der Stimmen ihrer Mitgliedsstaaten, die gleichzeitig WTO-Mitglieder sind (Art. IX:1 WTO-Übereinkommen). Demnach hat die EG zur Zeit bis zu 15 Stimmen. Die Anzahl der Stimmen und derjenigen ihrer Mitgliedstaaten darf jedoch die Anzahl der EG-Staaten in keinem Fall übersteigen. In der Praxis geben die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten immer einheitlich ihre Stimme ab. Da in den meisten Bereichen der WTO Einstimmigkeit erforderlich ist, hat dies in der Praxis bisher nicht zu Problemen geführt. Die Handelspolitik erfordert daher im Ergebnis eine besonders enge Abstimmung. Expertengutachten sind schon heute in der Praxis der EG-Handelspolitk nicht mehr wegzudenken. Daher lässt sich auch erklären, dass die EG diesen Weg der Expertengutachten für die Nachhaltigkeitsprüfung bevorzugte. Eine breitere Beteiligung der Öffentlichkeit ist für einen Politikbereich, in dem selbst das Europaparlament kaum Kompetenzen besitzt,233 bisher nicht zu realisieren gewesen. 3. Phase Eins der Nachhaltigkeitsprüfung Die erste Phase des Sustainability Impact Assessment beinhaltete im Wesentlichen eine Analyse der relevanten Literatur zu handelsbezogenen assessments, dabei wurden vor allem Analysen, die wirtschaftliche, soziale und Umwelteinflüsse untersuchten, im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung in die Studie einbezogen. In einem zweiten Schritt wurden konkrete Fälle, in denen die Untersuchungsmethoden angewendet wurden, auf ihre Wirksamkeit untersucht. Schließlich wurde ein Vorschlag für eine vollständige Nachhaltigkeitsprüfungsmethodik erarbeitet.234 Zwar war eine Öffentlichkeitsbeteiligung von der ausschreibenden Kommission nicht ausdrücklich vorgesehen. Die Autoren der Studie unternah233 Vgl. ausführlich Meinhard Hilf/Frank Schorkopf, Das Europäische Parlament in den Außenbeziehungen der Europäischen Union, EuR 1999, S. 185 ff.
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 167
men dennoch erhebliche Anstrengungen, um die Öffentlichkeit zu informieren und zu beteiligen. Die Website des federführenden Universitätsinstituts wurde überdurchschnittlich häufig besucht und enthielt wichtige Informationen über die Vorgehensweise und lud zu Stellungnahmen ein. Zusätzlich wurde im September 1998 auch eine Konsultation mit NGOs im Royal Institute for International Affairs in London durchgeführt. a) Vorgehensweise Es wurden zunächst vier grundlegende Fragen aufgeworfen: 1. Welches ist der konkrete Zweck, für den die Sustainability Impact Assessment-Untersuchung notwendig ist? 2. Welches ist der analytische Rahmen, der die Struktur des Sustainability Impact Assessment bestimmt? 3. Welche Hauptnachhaltigkeitseinflüsse sollen beurteilt werden und wie wird ihre Bedeutung bewertet? 4. Wie können die unvermeidbaren Unsicherheiten (die durch unzureichende Information, Begrenzung der Analysetechnik, Unvorhersehbarkeit zukünftiger Ereignisse, etc. entstehen) innerhalb des Sustainability Impact Assessment behandelt werden? Die erste Frage konnte schon aus der Anlage der Studie in zwei Phasen beantwortet werden. Die Autoren machen mit ihr aber deutlich, dass jedes neues Sustainability Impact Assessment auf die jeweilige Fragestellung zugeschnitten sein muss. Für die zweite Frage wird die Grundkonfliktstellung in einer Grafik (Seite 168) visualisiert. Daraus ergibt sich, dass jede Änderung einer Regel einen Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung haben kann. Außerdem zeigen die Autoren auf, dass es sinnvoll ist, Problemblöcke für die Untersuchung zu bilden. Die dritte Frage, nach den Hauptnachhaltigkeitseinflüssen, beantworten die Autoren mit Nachhaltigkeitsindikatoren. Dabei wählen sie jeweils drei Indikatoren für die drei Säulen nachhaltiger Entwicklung aus. So werden für den wirtschaftlichen Bereich das Durchschnittsrealeinkommen, die Netto-Kapitalbindung und die Beschäftigungsrate gewählt. Für die soziale Komponente werden Verteilungsgerechtigkeit (equity) und Armut, Gesundheit und Bildung sowie Geschlechterungleichbehandlung ausgewählt und für die ökologische Komponente die Umweltqualität 234 Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase One Report), online http://europa.eu.int/comm/ trade/issues/global/sia/docs/siarep_univmanchester.pdf und http://idpm.man.ac.uk/siatrade/Phase1/phaseonerpt.PDF (März 2007).
168
2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Regulatory Framework and Regulatory Impacts
Changes in TradeRelated Measures Economic Impacts
Environmental Impacts
Social Impacts
Sustainable Development direct impacts indirect (secondary) impacts feedback impacts regulatory impacts Abbildung 2: Nachhaltigkeitseinflüsse235
(Luft, Wasser, Land), die Biodiversität und andere Naturressourcen. Für diese recht schmale Auswahl an Nachhaltigkeitsindikatoren wurden die Autoren der Studie bei einer öffentlichen Anhörung bei der Generaldirektion Handel stark kritisiert. Die Auswahl der Indikatoren hätte erheblich breiter ausfallen müssen, kritisierten NGO-Gruppen.236 Die Autoren verteidigten sich damit, dass nur eine geringe Zahl von Indikatoren die Arbeit bewältigbar hielt und mehr Indikatoren die Entscheider völlig mit Informationen überfrachtet hätten.237 Der Kritik 235 Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase One Report), S. 7. 236 Sarah Richardson, A „Critique“ of the EC’s WTO Sustainability Impact Assessment Study and Recommendations for Phase III, März 2000, für folgende Organisationen: Oxfam GB, WWF-European Policy Office, Save the Children, ActionAid, S. 8 ff.; online http://www.oxfam.org.uk/what_we_do/issues/trade/wto_sustainability.htm (März 2007). 237 DG HANDEL, Sustainability Impact Assessment: Record of Commission public meeting on Sustainability Impact Assessment, vom 23. Februar 2000, online http:// europa.eu.int/comm/trade/miti/envir/siamet.htm, (März 2004).
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 169
der NGOs ist insofern zuzustimmen, als die recht eingeschränkte Auswahl an Indikatoren auch nur sehr beschränkte Aussagen zulässt. Außerdem haben die Autoren die verhältnismäßig breite Diskussion um Nachhaltigkeitsindikatoren vernachlässigt.238 In der dritten Phase wurde angekündigt, dass es bei den neun Grundindikatoren bleiben wird, diese aber um mehrere Unterindikatoren (subindicators) erweitert werden sollen. Neben den Indikatoren wurden auch Bewertungsfaktoren für dieselben festgelegt. Dies bildet eine Besonderheit des Sustainability Impact Assessment gegenüber dem kanadischen Environmental Assessment und dem US Environmental Review. Die Bewertungsfaktoren haben den Vorteil, dass nicht jeder Indikator gleich bewertet werden muss, sondern dass beispielsweise die Sicherheit des Trinkwassers höhere Priorität hat als etwa Geschlechtergleichbehandlung. Im Einzelnen wurden als Bewertungsfaktoren zunächst das Ausmaß des wirtschaftlichen, sozialen und Umweltunfriedens (economic, social and environmental stress) in betroffenen Gebieten festgelegt. Weiterhin sollte bei Änderungen der Grundbedingungen deren Richtung bewertet werden. Zusätzlich sollte die Eigenart, das Ausmaß, geografische Verteilung und Dauer der zu erwartenden Änderungen abgeschätzt und schließlich die regulatorische und institutionelle Kapazität für Ausgleichsmaßnahmen bewertet werden. 4. Phase Zwei der Nachhaltigkeitsprüfung Die zweite Phase der Nachhaltigkeitsprüfung war umfassend angelegt.239 Hier wurden die möglichen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit von jeder einzelnen Maßnahme,240 die von den WTO-Verhandlungen mit erfasst werden könnte, untersucht. Für jede Maßnahme wurden drei Szenarien gebildet. In dem Szenario A: Als Ausgangsszenario wurde angenommen, dass kein neues Übereinkommen in Bezug auf die Maßnahme geschlossen würde. Für die WTO wurde allerdings nicht bloß die aktuelle Lage gewählt, weil es zum Zeitpunkt der Studie Verpflichtungen gab, die noch nicht oder noch nicht ausreichend umgesetzt waren. Im Szenario B: Als mittleres Szenario wurde im Wesentlichen die EG-Verhandlungsposition zu Grunde gelegt. Allerdings weisen die Autoren darauf hin, dass sie einige Positionen präzisieren mussten.241 238 IISD, Consultative Group on Sustainable Development Indicators, online http:// http://www.iisd.org/measure/, (März 2007). 239 Vgl. Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase Two Report), online http://idpm.man.ac.uk/ sia-trade/Phase2/WTORTP.doc (März 2004). 240 Hierbei wurden die Maßnahmen, die in Phase 1 zur Untersuchung empfohlen wurden, geprüft, siehe oben.
170
2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Im dritten Szenario C: Als Handelsliberalisierungsszenario wurde eine größere und schnellere Liberalisierung angenommen. Hierbei wurden nur sehr wenige Ausgleichsmaßnahmen in Bezug auf die Umwelt und die sozialen Auswirkungen unterstellt. Die Einflüsse, positive und negative, wurden für vier Gruppen von Staaten bewertet: Die Europäische Union, Entwicklungsländer, am wenigsten entwickelte Staaten und die Welt als Ganzes. Die Ergebnisse unterschieden solche Gebiete, bei denen die Verhandlungen relativ geringen Einfluss haben würden und solche, wo der Einfluss auf die Nachhaltigkeit gewichtiger erschien. Zusätzlich wurden Vorschläge für die Abschwächung dieser negativen Einflüsse und Begleitmaßnahmen gemacht. Im Einzelnen untersuchte die Studie „core sustainability indicators“ (Kernnachhaltigkeitsindikatoren). Diese umfassten wirtschaftliche Faktoren, wie das durchschnittliche Realeinkommen, Nettokapitalbildung und die Beschäftigungszahl, soziale Faktoren, wie Einkommensverteilung und Armut, Gesundheit und Erziehung, sowie Geschlechterungleichheit und schließlich Umweltfaktoren, wie die ökologische Qualität (Luft, Wasser, Boden), die Biodiversität und die Vorkommen an Naturschätzen (other natural resource stockes). Diese Faktoren wurden mit Hilfe von Bewertungskriterien analysiert. Mit Hilfe dieser Faktoren wurde das Ausmaß der wirtschaftlichen, sozialen oder Umweltbelastungen in betroffenen Regionen untersucht, zusätzlich die Richtung der Veränderungen in Bezug auf die Ausgangsbedingungen; die Eigenschaft, die Größe, die geografische Ausdehnung und die Dauer der Veränderungen; außerdem regulatorische und institutionelle Möglichkeiten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Das Sustainability Impact Assessment wurde dann in vier Phasen durchgeführt. 1. Screening: Die Maßnahmen, die Inhalt der Nachhaltigkeitsprüfung werden sollten, wurden ermittelt. Nur solche Maßnahmen mit signifikanten Auswirkungen wurden untersucht. 2. Scoping: Hierbei wird das korrekte Ausmaß des Sustainability Impact Assessment ermittelt. Es werden Ursachen- und Wirkungswege für jede Maßnahme festgelegt. Dabei werden für jede Staatengruppe und für jedes Verhandlungsszenario die Auswirkungen untersucht. 3. Preliminary sustainability assessment: In dieser Phase werden die möglichen signifikanten Auswirkungen, positive und negative, auf die nachhaltige Entwicklung untersucht. 4. Mitigation and enhancement analysis: In dieser letzten Phase wurden Verbesserungen für die Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung durch Veränderung der Verhandlungspositionen vorgeschlagen. 241 Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase Two Report), S. 6.
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 171
Das Ergebnis der vorläufigen Analyse stellte sich wie folgt dar. Preliminary Appraisal for a Measure included in the SIA for the proposed New Round Agenda242 Significant Impacts Impact on
Scenario 1
Scenario 2
Scenario 3
A
B
C
A
B
C
0 (–1)
0
0 (–1)
1
1
1
–1/+1 –1/+1
–1
Developing Countries
0
0
0
1
1
1
–1/+1 –2/+1
–1
Least Developed Countries
0
0
0
1
1
1
–1/+1 –2/+1
–1
Global
0
0
0
1
1
1
–1/+1 –1/+1
–1
EU Countries
A
B
C
Notes: A = economic impacts (changes in level of average real income; net fixed capital formation; employment) B = social impacts (changes in level of equity and poverty, health and education; gender inequality) C = environmental impacts (changes in air, water and land quality; biological and diversity; air resource stocks) 0 = non-significant impact compared with the base condition 1 = lesser significant impact 2 = greater significant impact + = positive impact – = negative impact = positive and negative impacts: net effect uncertain and/or varying according to context ( ) = impact in the base situation compared with the existing situation –/+ = range indicating variation over time
Abbildung 3: Vorläufige Bewertung der Einflüsse
In der Folge wurden die einzelnen Maßnahmen einer Prüfung unterzogen und dabei jede hier aufgelistete Tendenz ausführlich und textlich begründet. Als letzte Stufe wurde ein allgemeines Ergebnis für die gesamte Runde entworfen und schließlich Ausgleichsmaßnahmen vorgeschlagen. Die Nachhaltigkeitsprüfung kam zu einem guten Teil durch öffentliche Beteiligung und Konsultationen mit NGOs zustande. Zahlreiche Workshops wurden in jeder Phase abgehalten und eine Internetseite war dazu bestimmt, die Berichte und Publikationen zu veröffentlichen.243 Hier wurden auch Meinungsäu242 Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase Two Report), S. 14. 243 Colin Kirkpatrick/Norman Lee/O. Morrissey, WTO New Round: Sustainability Impact Assessment Study (Phase Two Report), online http://idpm.man.ac.uk/sia-trade/ Phase2/WTORTP.doc (März 2004). In der eigenen Beschreibung heißt es „the Study
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
ßerungen in einem informellen Erfahrungsaustausch abgegeben. Auch wenn die Handelsverhandlungen in Seattle scheiterten,244 gab die Nachhaltigkeitsprüfung einige Hinweise, die die Verhandlungsposition der EG zumindest beeinflusste. 5. Phase Drei der Nachhaltigkeitsprüfung und weiteres Vorgehen In Ergänzung der 2. Phase folgt eine dritte Phase des Sustainability Impact Assessment. Hierfür wurden während der Jahre 2000 und 2001 mehrere öffentliche Anhörungen bei der Kommission zu verschiedenen Handelssektoren und Themen durchgeführt. Die Ausschreibungen wurden sodann Anfang 2002 für fünf weitere Prüfungen bekannt gemacht, wobei die schon beschriebene Methodologie angewendet werden soll.245 So wurden Nachhaltigkeitsprüfungen zur neuen WTO-Handelsrunde,246 zum EG-Mercosur-Freihandelsübereinkommen, zum EG-Chile-Freihandelsabkommen,247 zum AKP-Übereinkommen248 und zum Freihandelsübereinkommen zwischen der EG und ausgewählten Golfstaaten249 erstellt. examined changes to agreement on agriculture, changes to the General Agreement on Trade in Services (GATS), development of a multilateral framework of rules relating to international investment, development of a multilateral framework of rules relating to competition, measures relating to trade facilitation, further measures relating to tariffs on non-agricultural products, clarification of the relationship between WTO rules and trade measures taken pursuant to multilateral environmental agreements and other environmental policy initiatives, changes to the agreement to strengthen the global protection of intellectual property rights (TRIPS), measures to improve market access in government procurement policies and practices, measures relating to technical barriers to trade (TBT), measures relating to the protection of human health, measures relating to the use of trade defence instruments (anti-dumping, subsidies, agreement on safeguards), horizontal measures to promote development, various trade and core labour standard issues, various other issues relating to treatment of products of least developed countries, transparency, coherence of policies between WTO and other international organisations, the dispute settlement mechanism, and electronic commerce.“ 244 Hinweise auf die vorgeschlagene Millenium-Runde, die in Seattle 1999 begonnen werden sollte, geben Gary Sampson, Trade, Environment and the WTO: The PostSeattle Agenda. Siehe auch P. Grady/K. Macmillan, Seattle and Beyond: The WTO Millennium Round (1999) und Edith Brown Weiss, The Rise or The Fall of International Law, 69 Fordham L. Rev. S. 345 ff. 245 Vgl. GD Handel, online: http://europa.eu.int/comm/trade/opportunities/tender/ tender.htm (Mai 2002). Ein gutes Beispiel bildet auch der WTO Doha Round Tender, mit seinen Vertragsbedingungen: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2005/february/ tradoc_112357.pdf. (März 2007). 246 Framework contract for an assessment of the impact on sustainability of proposed WTO negotiations. 247 Framework contract for an assessment of the impact on sustainability of trade agreement between the European Community and MERCOSUR and between the European Community and Chile. 248 Framework contract to provide a Sustainability Impact Assessment (SIA) of the negotiations of the ACP – EC Economic Partnership Agreements.
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 173
Als erstes wurden drei Teilstudien250 und ein vorläufiges Sustainability Impact Assessment der Doha-Verhandlungsrunde im WTO-Projekt und die Teilstudie für Chile im Mercosur/Chile-Projekt251 abgeschlossen. Das vorläufige Sustainability Impact Assessment der Doha-Verhandlungsrunde wurde im Juni 2003 verfasst.252 Für alle Verhandlungsfelder wurden dabei die schon bekannten Charts verfasst. Diese wurden leicht durch Pfeile verändert. Leider werden dabei nicht die konkreten Verhandlungsvorschläge der EG überprüft, sondern verschiedene Szenarios gebildet. Es fällt etwas schwer zu glauben, dass diese Charts die Verhandlungsführer der EG bei den Verhandlungen in Genf und Cancún beeinflussen konnten. Als vorläufige Bewertung lasst sich feststellen, dass nach wie vor eine richtige Balance zwischen zu wenig und zu viel Informationen gefunden werden muss. Keine der bisherigen final studies ist kürzer als 200 Seiten. Allerdings scheinen die Szenario-Bildung und die Methodik sich auch in der praktischen Anwendung als praktikabel zu erweisen. 6. Bewertung Noch ist nicht vollständig abzusehen, ob und welchen Einfluss die Nachhaltigkeitsprüfungen auf die Verhandlungsposition der EG haben werden. Die angeforderten Prüfungen erfolgen zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Für die WTO steht die Verhandlungsmaterie fest. Die Verhandlungen mit Chile waren fast abgeschlossen, mit den Golfstaaten hatten sie dagegen gerade erst begonnen. Somit ist hinsichtlich des Einflusses der Nachhaltigkeitsprüfungen auch zu unterscheiden. Die recht frühen Nachhaltigkeitsprüfungen können nur eine generelle Verhandlungsrichtung beraten, während die nachträglichen Prüfungen im Prinzip nur noch die Durchführung der Übereinkommen beeinflussen können. Sehr interessant sind insofern die Nachhaltigkeitsprüfungen, die stattfinden nachdem der Verhandlungskatalog feststeht. Hier werden auch konkretere Empfehlungen gegeben.
249 Framework contract for a Sustainable Impact Assessment (SIA) of the negotiations of the trade agreement between the European Community and the Countries of the Cooperation Council for the Arab States of the Gulf (GCC). 250 1. Market Access (with a special emphasis on pharmaceuticals, non-ferrous metals, textiles); 2. Environmental Services (with a special emphasis on water and waste treatment); and 3. Competition Policy. 251 PLANISTAT-LUXEMBOURG und CESO-CI, Sustainable Impact Assessment (SIA) of the trade aspects of negotiations for an Association Agreement between the European Communities and Chile (Specific agreement No 1), http://trade-info.cec. eu.int/doclib/html/112362.htm (März 2004). 252 Clive George und Colin Kirkpatrick, Sustainability Impact Assessment of proposed WTO Negotiations – Preliminary Overview of Potential Impacts of the Doha Agenda – Assessment of Individual Trade Measures, online http://idpm.man.ac.uk/siatrade/Phase%203A/OverviewFinal2.pdf (März 2007).
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Von der Frage des Zeitpunktes zu unterscheiden ist die Frage nach dem tatsächlichen (rechtlich sind die Nachhaltigkeitsprüfungen nach wie vor unverbindlich) Einfluss auf die Verhandlungsposition. Hier ist die Kompetenzverteilung innerhalb der EG253 einer der bestimmenden Faktoren. Eine Studie, die von der Kommission in Auftrag gegeben und deren Erstellung von ihr selbst überprüft wurde, könnte bei den Mitgliedstaaten kritischer aufgenommen werden als eine Nachhaltigkeitsprüfung mit größerer Öffentlichkeitsbeteiligung. Hier liegt das Hauptproblem des Ansatzes der EG. Sie gibt, ohne eigene rechtliche Verpflichtung, denn die Kommission muss die Studie noch nicht einmal veröffentlichen, eine Expertenuntersuchung in Auftrag, ohne daran die Öffentlichkeit zu beteiligen. Das Instrument Umweltverträglichkeitsprüfung, die strategische Umweltprüfung und eben auch das Sustainability Impact Assessment setzen den Vorsorgegedanken aber erst durch Beteiligung richtig um. Zwar sind alle Institute vertraglich verpflichtet, öffentliche Anhörungen durchzuführen, jedoch erhöht gerade die institutionelle Anknüpfung der Studien den Anreiz für Nichtregierungsorganisationen, sich zu beteiligen. Insofern steht möglicherweise auch die Betonung der Expertenstudie in Frage. Die fehlende rechtliche Verbindlichkeit bildet ein weiteres Kernproblem. Dies wurde mittlerweile auch von der DG Handel als Problem identifziert. Im Februar 2004 begann sie einen Konsultationsprozess, der darauf angelegt ist, die Methodik des Sustainability Impact Assessment zu kondifizieren und zu einem festen Bestandteil der Kommissionspolitik für Handelsverhandlungen zu machen.254 Mit der Einführung der sogenannten Working method adopted by DG Trade for carrying out the S.I.A255 erscheint des nunmehr de facto gelungen zu sein, dass jedes Sustainability Impact Assessment quasi einer Beachtungspflicht unterliegt. Danach prüft die Generaldirektion, ob die Analyseergebnisse der externen SIA-Berater robust sind. Wenn dies der Fall ist, wird der Verhandlungsvorschlag verfeinert (refine). Wenn nicht, solle es bei dem Verhandlungsvorschlag bleiben. Damit nähert sich das Instrument immer weiter dem bekannten Ablauf bei UVPs an. Diese Vorgehensweise erscheint angemessen. Die Kommission kann natürlich nicht strikt an die Ergebnisse der Nachhaltigkeitsprüfung gebunden sein, aber eine Begründungspflicht für die Nichtbeachtung der Ergebnisse erscheint dennoch sinnvoll und scheint durch die neue working method auch gegeben zu sein. Durch die Ausschreibung können die Nachhaltigkeitsprüfungen auf externen Sachverstand aufbauen. Nun wird die Kommission dort, wo die Studien Fragen zu Verhandlungspositionen aufwerfen, eigene interne Studien betreiben müssen oder wenigstens die Begründung der Experten 253
Siehe oben 2. DG Handel, SIA Methodology – A Consultation Paper, online http://tradeinfo.cec.eu.int/doclib/html/115875.htm (März 2004). 255 DG Handel, online http://europa.eu.int/comm/trade/issues/global/sia/index_en. htm (März 2004). 254
B. Rechtlich unverbindliche Instrumente mit Bedeutung für den Welthandel 175
nachverfolgen müssen. Dieser Weg hat für den Kern der Studie Vorteile. Dennoch bleibt abzuwarten, ob diese Vorteile mit vermehrter Öffentlichkeitsbeteiligung beantwortet werden.
II. Vergleichbare Verfahren in anderen europäischen Staaten Zwar hat die Tschechische Republik vor kurzem ihr Gesetz über UVPs dahingehend geändert, dass nun auch strategische Umweltprüfungen vorgeschrieben sind.256 Diese müssen für bestimmte Programme, Strategien, Entwicklungspläne durchgeführt werden. Allerdings ist hiervon der Bereich des Außenhandels ausgenommen. Auch ohne eine rechtliche Verpflichtung hat die Tschechische Republik allerdings eine Umweltprüfung in diesem Bereich durchführen lassen. Das Environmental Assessment of Trade Liberalization in Agriculture and Environmental Services Sectors of the Czech Republic war eine Expertenstudie.257 Bei der Sitzung des CTE der WTO wies der Vertreter der Tschechischen Republik jedoch zu Recht auf dieses Projekt im Zusammenhang mit Umweltprüfungen von Handelsregelungen hin.258 Die Studie war in zwei Teile unterteilt, zum einen wurde der Einfluss von Handelspolitik und Handelsübereinkommen auf die Umwelt und andererseits die Rolle von Umweltübereinkommen im internationalen Handel näher untersucht. Dabei wurde die Methodologie der OECD259 angewendet. Ursprünglich sollte die Studie der Vorbereitung auf die Welthandelsrunde von 1999 in Seattle dienen. Bei dem Einfluss der Handelspolitik auf die Umwelt konzentrierte sich die Expertengruppe auf die Landwirtschaft und den Bereich der Umweltdienstleistungen. Nicht ganz der OECD-Methodik folgend wurde zunächst die Situation der Umwelt in Bezug auf die Landwirtschaft untersucht und dabei die Hauptumweltauswirkungen der Landwirtschaft analysiert, wie etwa Wasser- und Bodenverschmutzung durch Pestizide, der Landverbrauch durch die Landwirtschaft, sowie Einwirkungen auf die Artenvielfalt und Klimaauswirkungen. Diese Hauptumweltauswirkungen wurden in quantifizierbare Indikatoren, wie etwa die Höhe der Pestizidbelastung im Wasser umgesetzt. In einem zweiten Schritt wurde dann die interne Landwirtschaftspolitik näher betrachtet. Insbesondere die Subventionen und Beihilfen wurden von den Autoren beleuchtet. Daneben wurden auch tarifäre und nicht-tarifäre Maßnahmen auf dem Gebiet der Land256 Gesetz des Tschechischen Nationalrates vom 15.11.1992 über die Umweltverträglichkeitsprüfung, geändert durch das Gesetz Nr. 100 vom 20.3.2001. 257 http://www.env.cebin.cz/_nav/_index_hp_en.html (März 2004). 258 Vgl. Committee on Trade and Environment – Report of the Meeting held on 13– 14 February 2001 – Note by the Secretariat, WTO-Dokument WT/CTE/M/26 vom 30.3.2001, para. 61. 259 Siehe unten 2. Teil, C. I.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
wirtschaft untersucht. Als spezielles Problemfeld analysiert die Studie die sogenannten genveränderten Organismen (genetically modified organisms, GMOs). Die Studie zieht den Schluss, dass beim Subventionsprogramm Subventionen für umweltfreundliche Landwirtschaft bevorzugt werden sollten. Die organische Landwirtschaft solle gefördert werden. Naturschutzgebiete und -zonen sind so zu strukturieren, dass sie die Landwirtschaft erhalten und trotzdem die Natur schützen. Mehr Wälder sollten angepflanzt werden, um CO2 zu absorbieren. Es wird empfohlen, die ökologische Landwirtschaft zu fördern, damit ein Rationalisierungsprozess in der Landwirtschaft diese Bauern nicht zur Verwendung von Kunstdünger u. ä. treibt. Mehr Aufmerksamkeit sollte auch Flächenstilllegungsprogrammen geschenkt werden. Außerdem könnte der Anbau von Nicht-Lebensmittelpflanzen gefördert werden, um daraus Biomassekraftstoffe, wie Öle, zu gewinnen. International sollte an der Erarbeitung gemeinsamer Indikatoren im Rahmen der OECD gearbeitet werden. Im Rahmen bestehender internationaler Übereinkommen sollten die Zölle überprüft werden. Außerdem sollten sämtliche Staatsorgane auf die Integration der Politik hinwirken. Die Kommunikation national, aber auch international, sei nicht ausreichend und zeige Schwachpunkte.260 Bei den Umweltdienstleistungen kommen die Autoren zu ähnlichen Ergebnissen. Der Export von Umweltdienstleistung müsse gefördert werden, etwa durch die Handelskammern, und die Liberalisierung von Umweltdienstleistungen müsse innerhalb der Republik vorangetrieben werden. Abschließend werden Schlussfolgerungen für den internationalen Handel gezogen. Nach dem Ende der zentralistischen Wirtschaft wurde der Tschechischen Republik öfter der Vorwurf des „Ökodumpings“ gemacht. Dem treten die Experten ausdrücklich entgegen. Die Umweltsituation sei mit anderen OECD-Staaten vergleichbar. Die institutionellen Voraussetzungen für einen erweiterten Schutz der Umwelt seien mit dem Umweltministerium geschaffen. Die Tschechische Republik sei fast allen großen Umweltübereinkommen beigetreten. „National environmental policy accepted by the Government in 2000, is based on the strategy of sustainable development . . .“ Als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie sei es zu Selbstverpflichtungen der Industrie gekommen. Außerdem seien viele Unternehmen umweltzertifiziert. Die Umweltpolitik folge dem Grundsatz der Transparenz und des Zugangs zu Umweltinformationen. Diese letzten Schlussfolgerungen dienen wohl weniger dem Verständnis des Konnexes zwischen Umwelt und Handel, als der Außendarstellung der Tschechischen Republik. Es ist nicht ersichtlich, wie sie den Ausgang für eine Umweltprüfung der Handelspolitik bilden können. Dies stellt Ausführungen nicht insgesamt in Frage, aber sie scheinen nicht das Ergebnis eines Untersuchungsprozesses zu sein, sondern eher auf Außenwirkung bedacht. 260 Die vollständige Studie, auch mit der Analyse der Indikatoren wurde nur in tschechisch veröffentlicht.
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 177
Auch Norwegen erarbeitet für bestimmte Sektoren Umweltstudien. Diese sind jedoch noch in der Bearbeitung.
C. Vorschläge von Internationalen Organisationen und Internationalen Nicht-Regierungsorganisationen Für den Welthandel sind primär die einschlägigen Instrumente der WTO-Mitglieder von besonderer Bedeutung, da die WTO als sogenannte member driven organisation vom Willen ihrer Mitglieder abhängt. Daneben gewinnen aber andere internationale Organisationen und auch NGOs immer mehr an Bedeutung für die Etablierung relevanter Standards, so dass deren Initiativen und Verfahrensvorschläge hier näher untersucht werden sollen.
I. Die OECD Methodik für Umweltprüfungen von Handelspolitik und -übereinkommen Die erste Organisation, die sich nach einzelnen Studien aus ihren Mitgliedsstaaten eingehender mit dem Thema der Umweltprüfungen beschäftigte, war die Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD).261 Schon 1994 wurde eine Methodologie vorgeschlagen.262 Sie wurde auf einer gemeinsamen Sitzung von Handels- und Umweltexperten verabschiedet.263 Bereits 1993 hatten die OECD-Minister Directive Guidelines for integrating trade and environment verabschiedet. Eine dieser Richtlinien empfahl die Durchführung von trade and environment assessments: „Governments should examine or review trade and environmental policies and agreements with potentially significant effects on the other policy area and identify alternative policy options for addressing concerns. Governments may co-operate in undertaking such examinations and reviews. Governments should follow-up as appropriate: to implement policy options, to re-examine the policy agreements and any measure in place; and to address any concerns identified in the conclusion of such re-examinations.“264 Hier werden schon in der grundsätzlichen Ausrichtung die Un261 Cristina Tebar Less, The OECD Methodology for the Environmental Assessment of Trade Policies and Agreements: Types of Effects to Evaluate, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 82 ff. 262 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103. 263 Ursprünglich als OECD Joint Session of Trade and Environment Experts gegründet, tagt die Gruppe heute unter dem Namen Joint Working Party on Trade and Environment. 264 OECD, Procedural guidelines on trade and environment, 1994.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
terschiede zu den bisher untersuchten Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen deutlich. Die OECD empfiehlt grundsätzlich eine Alternativenprüfung. Sie schlägt Kooperationen oder gar multilaterale Ansätze vor. Retrospektivenprüfungen, also Nachuntersuchungen nach einem einmal durchgeführten assessment sind als Bestandteil vorgesehen. Allerdings ist bemerkenswert, dass es mit der Tschechischen Republik bisher nur ein OECD-Mitglied gibt, das die Vorschläge der Organisation umgesetzt hat. Die aufgezeigten rechtlich verbindlichen Instrumente sind von diesen Grundsätzen weit entfernt.265 Im Übrigen sehen diese ersten Richtlinen für Umweltverträglichkeitsprüfungen von Handelsregelungen keinerlei öffentliche Beteiligung vor. Hier wird deutlich, dass man zu Beginn der Diskussionen von einer reinen Expertenprüfung ausging. Dies wird auch durch die beschlossene Methodik deutlich. Dabei wird der Grundsatz der Vorsorge durch Verfahren in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung nicht beachtet. Auf einem Expertenseminar im Oktober 1999 wurde der Stand der Entwicklung von Methodologien für Umweltverträglichkeitsprüfungen von Handelsmaßnahmen untersucht.266 Die Experten kamen – ohne wirkliche Abstimmung aufgrund der Diskussionen – zu dem Schluss, dass die OECD Methodologies for Environmental and Trade Reviews von 1994 immer noch Gültigkeit beanspruchen können, insbesondere in Bezug auf die verschiedenen Auswirkungen, die in einer UVP von Handelsregelungen zu untersuchen sind.267 Allerdings wurde auch auf die Lücken in der Methodologie hingewiesen. Das Fehlen einer ausreichenden Methodologie für Dienstleistungshandel und Investitionen wurde bemängelt. Die Forschungen hinsichtlich der sozialen Aspekte bei Umweltprüfungen seien zu intensivieren.268 Die Methodologie für die Prüfung von Umweltauswirkungen von Handelsmaßnahmen kann in zwei Gruppen unterteilt werden. Es gibt Methodenvorschläge für assessments, die die Umweltauswirkungen von Handelsmaßnahmen (Politiken und Übereinkommen) ermitteln, und für solche, die die Handelsauswirkungen von Umweltpolitiken bzw. -übereinkommen untersuchen.269 An die-
265
Vgl. oben 2. Teil, A. I. und II. OECD (Hrsg.), Assessing the Environmental Effects of Trade Liberalisation Agreements: Methodologies – Proceedings of the Paris Workshop, October 1999, Paris 2000. 267 OECD (Hrsg.), Assessing the Environmental Effects of Trade Liberalisation Agreements: Methodologies – Proceedings of the Paris Workshop, October 1999, Paris 2000, S. 11. 268 Ibid.; vgl. auch Richard Tarasofsky, Report on the Workshop „Methodologies for Environmental Assessment of Trade Liberalisation Agreements“, WTO-Dokument WT/CTE/W/133 vom 18. Februar 2000. 269 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 3: Inhaltsverzeichnis, Environmental Reviews of Trade Policies and 266
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 179
ser Stelle soll nur die Methodik für die ersteren Prüfungen näher untersucht werden. Neben einer allgemeinen Einführung und einer abschließenden Checkliste ist dieser Teil der methodologies in eine Verfahrensbeschreibung und die zu untersuchenden Umwelteffekte unterteilt. Bei dem Verfahren werden folgende Schritte bzw. Themen behandelt: 1. Auswahl der Art (screening) der Handelsmaßnahme oder -politik, die untersucht werden soll. 2. Festlegung des Umfanges (scoping) der Untersuchung. 3. Zeitpunkt des assessment. 4. Beteiligung am Untersuchungsverfahren. 5. Beschreibung der Untersuchungsmethoden (insb. Wirtschaftsmodelle, Vorhersagetechniken, traditionelle Untersuchungsmethoden von UVPs). 6. Maßnahmen zum ex-post monitoring und follow-up. Bei der Vorstellung der OECD-Methodologie soll an den jeweiligen Punkten behandelt werden, welche OECD-Vorschläge von Kanada, den USA und der EU aufgenommen wurden. Die möglichen Auswirkungen von Handelsmaßnahmen werden in fünf Hauptkategorien unterteilt. Im Allgemeinen können Umweltauswirkungen von einer Handelsmaßnahme bzw. einem Umweltübereinkommen herrühren, 1. weil Produkte gehandelt werden (Produkteffekte), 2. weil Technologie gehandelt wird (Technologieeffekte), 3. weil sich das Handelsniveau oder das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität verändert (scale effects), 4. weil sich die Struktur der wirtschaftlichen Aktivität verändert (strukturelle Effekte) oder 5. weil sich rechtliche Rahmenbedingungen vor allem in Bezug auf die Umweltpolitik verändern (regulatorische Effekte). Die Auswirkungen werden in dem Dokument eingehender erläutert und durch eine Checkliste für mögliche Fragen während einer Umweltprüfung ergänzt.270 Bemerkenswerterweise schlägt die OECD die Frage vor, ob wesentliche Umweltprinzipien wie das Vorsorge- und das Verursacherprinzip beachtet werden. Die Checkliste war bei allen bisherigen Umweltprüfungen der jeweiligen Staaten bekannt. Dennoch ist sie nirgendwo (noch nicht einmal in der Tschechischen Republik) vollständig verwendet worden, auch wenn alle Staaten, die das Verfahren durchführen, sich stark an die OECD-Checkliste anlehnen.
Reviews, S. 5–19 und Trade Review of Environmental Policies and Agreements, S. 19– 32. 270 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 13–18.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
1. Auswahl der Handelsmaßnahme bzw. -politik (screening) Das Verfahren zur Durchführung einer Umweltprüfung hängt von der jeweiligen Handelsmaßnahme bzw. -übereinkommen ab. Insbesondere der Umfang variert erheblich. Schließlich müssen nach der OECD nicht notwendig alle Handelsmaßnahmen näher untersucht werden. „In addition, different countries will vary in their selection of trade policies and agreements for review, and they may wish to establish their own screening criteria which reflect their particular trade and environmental policy concerns.“271 Die OECD rät also zu einem maßgeschneiderten Prüfungsverfahren, das die jeweiligen Prioritäten und Probleme in dem anwendenden Staat widerspiegelt. Dies wird bei den schon beschriebenen Verfahren Kanadas, der USA und der EG deutlich. Die OECD schlägt vor, zunächst Zölle und zollbezogene Maßnahmen zu untersuchen. Sie seien eine neutrale Maßnahme, die in bestimmten Situationen entweder positive oder negative Umweltauswirkungen haben können, je nachdem ob sie sich auf umweltschädigende oder umweltfreundliche Produkte bezögen. Außerdem könnten Zölle, die die heimische Produktion schützen, den Konsum von einem umweltfreundlichen oder nachhaltigen Produkt verhindern. Höhere Zölle für verarbeitete Produkte als für Rohmaterialien könnten zudem zu Rohstoffausbeutung führen. Ebenso könnten Schutzzölle gegen subventionierte Produkte oder Antidumpingzölle Umweltauswirkungen haben. Nicht-tarifäre Maßnahmen, einschließlich mengenmäßiger Beschränkungen, sind solche Regelungen und Gesetze, die für den Import von Produkten bestimmte Vorgaben machen. Verhindern sie den Import umweltschädigender Produkte, dann haben sie positive Auswirkungen. Andererseits sind nicht-tarifäre Maßnahmen intransparenter als Zölle, und können zur Verhinderung von umweltfreundlichen Importen führen. Handelssubventionen sind staatliche Beihilfen, etwa in Form direkter Zahlungen, als Kredit oder als Steuererleichterung, die normalerweise industriepolitischen Zielen dienen. Sie können die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Produkte beeinflussen und damit Auswirkungen auf die Umwelt haben. Umweltbeihilfen können der Umstellung von Produktionsprozessen auf strengere Umweltstandards dienen, wohingegen Produktionsbeihilfen nicht wettbewerbsfähige Produktion schützen und somit zu nachteiligen Veränderungen auf dem Weltmarkt sowie im Import- und im Exportland führen können. Handelsbezogene Aspekte geistigen Eigentums (Trade-Related Intellectual Property Rights (TRIPs)) und ihre staatlichen Regime können Handelsflüsse abhängig vom Schutz für Patente, Copyrights und Marken positiv oder negativ beeinflussen. Außerdem können TRIPs den Schutz heimischer Pflanzen- und Tierarten und anderer environmental and biological assets beeinflussen. Handelsbezogene Investitionsmaßnahmen (Trade-Related Investment Measures TRIMs) können 271 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 5.
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 181
den Transfer von Umwelttechniken und die Umweltbilanz von ausländischen Firmen beeinflussen. Zusätzlich schlägt die OECD vor, zwischen vier verschiedenen Arten von Handelsübereinkommen zu differenzieren. Handelsliberalisierungsübereinkommen können eine ganze Bandbreite unterschiedlicher Umweltauswirkungen haben, da sie in der Regel eine Vielzahl unterschiedlicher Handelsmaßnahmen beinhalten (Zölle, nicht-tarifäre Maßnahmen, Subventionen, TRIPs, TRIMs). „They can also have legal implications for the use of different environmental approaches and instruments in setting rules for permissible trade restrictions on imports and exports.“272 Aus diesen Ausführungen klingt ein Bezug zur regulatorischen Umweltprüfung an. Weil die rechtlichen Möglichkeiten der Umweltpolitik durch Freihandelsübereinkommen eingeschränkt werden können, müssen gerade diese auf ihre regulatorischen Auswirkungen untersucht werden. Dieser Grundsatz ist vor allem im kanadischen Environmental Assessment deutlich. Hier gehören zu jeder Prüfung auch die regulatorischen Auswirkungen. Auch die US-amerikanischen environmental reviews sehen nicht nur eine obligatorische Prüfung für diese Kategorie der Handelsübereinkommen vor, es soll auch der Einfluss auf Regelungsmöglichkeiten der Umweltpolitik stets überprüft werden. Commodity Agreements, also Grundstoffübereinkommen zur Preisstabilisierung für einen bestimmten Rohstoff (zum Beispiel International Tropical Timber Agreement und das International Natural Rubber Agreement) sichern meist niedrige Rohstoffpreise, die kaum die Umweltkosten einschließen, was schon zu Forderungen nach „grünen“ Grundstoffübereinkommen geführt habe, in denen finanzielle Prämien für nachhaltige Produktionsmethode enthalten sind. In Präferenziellen Handelsübereinkommen (Preferential Trade Agreements), wie beispielsweise den Lomé-Übereinkommen mit den AKP-Staaten, gibt eine Gruppe von Staaten einer anderen (meist Entwicklungsländern) eine bevorzugte Behandlung, um den Marktzugang für Produkte der letzteren Gruppe zu verbessern. Diese Übereinkommen haben Umweltauswirkungen auf die Produktionsweisen in den Entwicklungsländern. Es gibt außerdem Vorschläge, Umweltfaktoren und nachhaltige Managementverfahren zu Bedingungen für die bevorzugte Behandlung zu machen. Sektorielle Handelsübereinkommen (Sectoral Trade Agreements) sind darauf gerichtet, den Handel für ein bestimmtes Produkt oder einen Produktionssektor auszuweiten oder zu begrenzen. Beispiele bilden die Voluntrary Export Restraints (VERs) im Automobilsektor oder im Textilbereich. Die Umweltauswirkungen dieser Übereinkommen zeigen sich vor allem durch die veränderten Handelsströme. Die OECD empfiehlt nur bei Mindestumweltauswirkungen eine umfassende Umweltprüfung durchzuführen: „[i]n scree272 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 7.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
ning these different types of trade instruments and agreements for possible environmental reviews, countries may also wish to consider the nature and magnitude of potential environmental impacts. Some countries may be more concerned about trade policies and agreements which affect pollution levels, while others may focus on those with implications for resource use. Some type of threshold criteria may be established for environmental impacts if the magnitude of potential environmental effects can be predicted. Screening criteria might also relate to the products, processes, sectors and/or regions within a country affected by the trade policy or agreement.“273 Diesem Rat sind vor allem die USA gefolgt, da sie nur für wenige Übereinkommen ein „environmental review“ zwingend vorschlagen, während bei anderen die Prüfung schon nach dem Screening abgebrochen werden kann. Kanada weist ebenso auf das angemessene Verhältnis zwischen Prüfung und Übereinkommen hin. Die Screeningkriterien zeigen in vergleichbarer Weise, dass die OECD eine maßgeschneiderte Prüfung für die jeweilige Maßnahme vorschlägt. 2. Festlegung des Umfanges (scoping) der Untersuchung Der Umfang und die Komplexität der Umweltprüfung hängen ursächlich mit der zu prüfenden Handelsmaßnahme zusammen. Außerdem wird der Umfang von der rechtlichen oder verwaltungstechnischen Struktur des Landes oder der beteiligten Länder abhängen. Umweltprüfungen werden sich in ihrem Umfang, Detailierungsgrad und Grad der Formalisierung (degree of formality) unterscheiden, und von kurzen Stellungnahmen bis zu vollständigen UVPs reichen. Die OECD empfiehlt den Staaten, vorab einen Fragenkatalog aufzustellen, über Fragen die in der Umweltprüfung beantwortet werden sollen. Alternativ könnten Staaten die Struktur von Umweltprüfungen von Fall zu Fall entscheiden. Die Methodik der Prüfungen, die nötig sind, um die Wirkungen der Handelspolitik und -übereinkommen abschätzen zu können, wird sich nach den nationalen Gegebenheiten in Bezug auf die rechtliche Stuktur und Möglichkeiten richten (adapted to national legalities and capabilites). Einige Staaten werden rechtlich verbindliche Regelungen erlassen, über Umweltprüfungen für bestimmte Politiken, sowie formale Mechanismen und Verfahren, um diese auszuführen. Andere Staaten werden eine begrenztere Form einer Umweltprüfung in den politischen Entscheidungsprozess und in Planungsprozesse integrieren, die auch auf Handelspolitiken oder -übereinkommen anwendbar ist. Andere, die überhaupt keine Erfahrung mit Umweltprüfungen haben, werden dementsprechend auch keine rechtlichen Regelungen anstreben. Die Ausführungen über die nationalen Gegebenheiten sind vor dem Hintergrund dieser Ausarbeitung sehr 273 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 7/8.
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interessant, da sie eine Verbindung zwischen allgemeinen UVP-Regelungen und Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen von Handelsübereinkommen ziehen. Allerdings zeigen schon diese verhältnismäßig frühen Ausführungen unterschiedliche Herangehensweisen auf. Zwar empfiehlt die OECD hier deutlich, formale Festlegungen zu vermeiden, bevor die Prüfungen beginnen, allerdings lässt die Organisation offen, ob dies über rechtlich verbindliche Regelungen oder nur über Verwaltungspraxis erfolgen soll. Hier zeigen sich erneut die unterschiedlichen Herangehensweisen der OECD-Mitglieder, die in dieser Arbeit bereits aufgezeigt wurden. Der Umfang (scope) der Umweltprüfung wird auch beeinflusst sein vom Ausmaß, der Art und der Bedeutung der potentiellen Umweltauswirkungen, die durch ein Handelsübereinkommen oder eine bestimmte Handelspolitk hervorgerufen werden. Generell wird für Freihandelsübereinkommen eine umfangreichere Prüfung erwartet als für die Veränderung eines einzelnen Zollsatzes. Auf der anderen Seite könnte die Veränderung einer einzigen Beihilfe zu komplexen nationalen Umweltauswirkungen führen. Einige Staaten werden genaue Prüfungen einer bestimmten Umweltauswirkung (beispielsweise Rohstoffabbau) oder der Auswirkungen in einem bestimmten Gebiet (etwa in Bezug auf die Grenze zwischen den USA und Mexiko NAFTA) anstreben. Der Umfang der Prüfung hängt davon ab, ob eher lokal begrenzte Auswirkungen oder internationale Auswirkungen erwartet werden. Die kanadische Regelung beschränkt den Prüfungsumfang auf Auswirkungen in Kanada, während die USA ausdrücklich internationale Auswirkungen in die Untersuchung einbeziehen. Das Sustainability Impact Assessment der EG setzt hier einen Schwerpunkt und versucht vorrangig die Auswirkungen auf Entwicklungsländer zu überprüfen. 3. Zeitpunkt des assessment Der Zeitpunkt der Umweltprüfung (timing) hängt wiederum spezifisch von der Maßnahme bzw. dem Übereinkommen ab. Als generelle Regel sollen die Prüfungen möglichst frühzeitig im politischen Entscheidungsprozess erfolgen, damit die Ergebnisse noch in das Verfahren bzw. die Verhandlungen eingebracht werden kann. Aus diesem Ansatz kann die Basis für die Umweltprüfungen abgelesen werden: Sie beruhen auf dem Vorsorgeprinzip. Die Umweltbeeinträchtigung soll möglichst frühzeitig erkannt und es soll ihr vorgebeugt werden. In besonders wichtigen Fällen sollten die Umweltprüfungen im Laufe des Verfahrens immer wieder auf den neuesten Stand gebracht werden. Diese Empfehlung ist bei der kanadischen Regelung besonders gut umgesetzt, denn hier wird ein ständiges Monitoring eingeführt. Die OECD empfiehlt darüber hinaus sogenannte „ follow-up reviews“, die nach der Anwendung der Maßnahme oder nach Abschluss des völkerrechtlichen Vertrages vorgenommen werden. Dafür wird vorgeschlagen, dass die Umweltprüfung in bestehende Überprüfungs-
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mechanismen eingearbeitet wird, anstatt sie zu ersetzen, denn die allgemeine Anwendung kann sich im Laufe der Jahre verändern. Gerade bei nur nationalen Maßnahmen könnten die Umweltprüfungen besonders frühzeitig durchgeführt werden. Die unterschiedlichen politischen Optionen sind meist von vornherein bekannt. Somit können nationale Handelsmaßnahmen schon auf ihre Umweltauswirkungen hin geprüft werden, bevor sie angewendet werden. Die Umweltprüfung von Handelsübereinkommen wird dagegen als schwieriger eingeschätzt, insbesondere dann, wenn es noch keine Verhandlungen gegeben hat, in denen die allgemeinen Parameter des Übereinkommens festgelegt worden sind. Generell sind die Ergebnisse hier schwieriger vorherzusagen, als bei nur nationalen Maßnahmen. Für bestimmte Übereinkommen, etwa präferentielle Übereinkommen, steht die generelle Ausrichtung schon frühzeitig fest, so dass hier eine Umweltprüfung auch frühzeitig durchgeführt werden kann. Für Freihandelsübereinkommen ist die Wahl des Zeitpunktes aufgrund der Bandbreite der Regelungen erheblich komplexer. Die generelle Ausrichtung wird erst nach einigen Verhandlungen, die wiederum Monate in Anspruch nehmen können, feststehen. Es wird vorgeschlagen, in einer Umweltprüfung die generelle Situation zwischen den beteiligten Staaten zu untersuchen und einen Rahmen für die Umweltbelange festzulegen. Die Umweltprüfung könnte überdies den Verhandlungsführern als Richtlinie („to help guide the negotiators“)274 in einem späteren Stadium der Verhandlungen dienen, wenn sie möglichst parallel zu den Verhandlungen durchgeführt wurde. Den Verhandlungen können auch als Teil des follow-up-process spezielle Umweltprüfungen folgen. Dies ist oft sinnvoll, weil es sich bei den meisten Auswirkungen um Langzeitfolgen handelt, bei denen wirtschaftliche Tätigkeit über einen langen Zeitraum beeinflusst wird. Dabei können sich die kurzzeitigen Folgen schlechter oder besser auf die Umwelt auswirken als die Langzeitfolgen. Beide zu unterscheiden ist keine leichte Aufgabe. Aber nachträgliche Prüfungen können als wichtige Informationsbasis für spätere ex-ante Umweltprüfungen dienen. So können zukünftige Übereinkommen verändert werden. 4. Beteiligung am Verfahren Grundsätzlich gibt es drei Gruppen möglicher Beteiligter: Erstens Beteiligte von nationalen oder sub-nationalen Regierungsstellen, zweitens private sector participants und drittens internationale Beteiligte. Die OECD empfiehlt die Einrichtung von Informationspunkten für die Umweltprüfung, wo Beteiligte im Sinne von Transparenz und Koordinierung aktuelle Informationen beziehen können. Die Umweltprüfung könnte von Regierungsmitarbeitern durchgeführt 274 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 9.
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werden, da die Verantwortung für die Entscheidungen auch bei der Regierung liegt. In einigen Staaten könnten Mitarbeiter von Regionalregierungen oder Provinzregierungen damit befasst werden. Generell sollten an der Umweltprüfung jedenfalls Regierungsbeamte sowohl des Umwelt- als auch Handelsministeriums beteiligt werden, „to further the integration of the policy-making process.“275 Die betrachteten Regelungen aus den USA und Kanada sind in dieser Hinsicht sehr fortschrittlich, da jeweils die Beteiligung von Handels- wie auch von Umweltexperten festgeschrieben wurde. An dem Verfahren sollten darüber hinaus weitere Experten aus anderen Ministerien und Regierungsstellen beteiligt werden, wie etwa Landwirtschaft, Energie, Arbeit und Finanzen im Wege einer interministeriellen Arbeitsgruppe. Die Regierungsstelle, die die Federführung für die Umweltprüfung hat, wird ähnlich wie die genaue Beteiligung von Land zu Land unterschiedlich sein. Umfangreiche interministerielle Beteiligung ist dabei für Freihandelsübereinkommen wünschenswert, während es bei normalen Maßnahmen nicht notwendig sein dürfte. „Environmental reviews of trade measures and agreements would best provide for transparency and consultation with private sector representatives, such as environmentalists, industry representatives, trade unions, consumer groups and academics.“276 Die Einleitung von Umweltprüfungen könnte ebenso in Abstimmung mit NGOs erfolgen. Deutlich nennt die OECD als Gründe der breiten Beteiligung neben der Transparenz und der Konsultation mit Nichtregierungsorganisationen auch den Grund, nämlich die Erfassung möglichst aller Auswirkungen im Sinne des Vorsorgeprinzips, ohne dies jedoch ausdrücklich zu erwähnen: „There is a clear role for non-governmental actors to help identify areas of environmental sensitivity and concerns and to advise on technical matters.“277 Vertreter von Umweltgruppen könnten auf Marktversagen im Umweltbereich hinweisen. Industrievertreter verfügen meist über genaue technische Informationen über Umweltauswirkungen von Aktivitäten. Gewerkschaften könnten die Perspektive der Arbeiter, Verbraucherverbände, die der Verbraucher in den Prozess einbringen. Wissenschaftler sind meist über den naturwissenschaftlichen Hintergrund der Umweltverschmutzungen am besten informiert. Die Konsultationen mit nichtstaatlichen Akteuren werden von Land zu Land aufgrund der politischen und rechtlichen Verhältnisse und Kulturen unterschiedlich sein. In einigen Staaten kann es Verfahren zur andauernden Konsultation geben, wie etwa Beratungsgremien für NGOs. In anderen Staaten sind es spezielle Verfahren, die nur für die jeweilige Umweltprüfung gelten. Der Umfang und der Zeit275 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 9. 276 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 10. 277 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 10.
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punkt der Konsultation werden je nach Maßnahme oder Übereinkommen variieren. Eingaben können während des gesamten Verfahrens erbeten werden. Stellungnahmen könnten auch für den Abschlussbericht angefordert werden und dann bei der nächsten Änderung mitberücksichtigt werden. Ein großes Problem sieht die OECD bei bi- oder multilateralen Verhandlungen: „However, public review and comment periods may be more difficult in cases of trade agreements where negotiations must be private and final details are often not worked out until the last minute.“278 Für dies Problem scheinen die USA eine gangbare Lösung gefunden zu haben, indem sie ganz vertrauliche Informationen nur an Legislativausschüsse geben, andererseits aber in Absprache mit den jeweiligen Handelspartnern versuchen, soviel wie möglich öffentlich zu machen. Auch die Beteiligung von Handelspartnern sollte erwogen werden. Wenn nationale Maßnahmen grenzüberschreitende oder gar globale Auswirkungen haben, könnten Regierungen mit anderen Staaten während des Umweltprüfungsverfahrens in Konsultationen treten. Zur Frage, ob multilaterale Ansätze eher zu verfolgen sind als nationale, vertrat die OECD schon 1994 die Ansicht, „[w]ith regard to trade agreements, environmental reviews could be conducted by each party to the trade agreement separately or could be carried out in a co-operative procedure in a multilateral framework. Mechanisms for bilateral or multilateral cooperation in conducting environmental reviews of trade agreements could be established, such as joint working parties or committees.“279 Die OECD sah also schon sehr früh in der Diskussion, dass nationale Umweltprüfungen für Handelsübereinkommen nur eingeschränkt sinnvoll sind. Die Organisation regt eine enge Koordination an und sieht sogar die Möglichkeit multilateraler Mechanismen für die Zusammenarbeit bei der Durchführung von Umweltprüfungen vor. Rechtlich verbindlich sind bisher nur nationale Verfahren, so dass nun auch bislang fehlende Koordinationsmechanismen oder gar multilaterale Ansätze diskutiert werden sollten. 5. Beschreibung der verschiedenen Untersuchungsmethoden Für die Methodik rät die OECD zu einer Kombination verschiedener Analysetechniken, denn „most likely a different mix of methodologies will be needed for different types of trade measures and agreements with various types of effects.“280 Im Allgemeinen sollten flexible und praktikable Herangehensweisen für die Umweltprüfung gewählt werden. Die Umweltprüfung wird in weitem 278 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 10. 279 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 10. 280 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 10.
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Maß von den Informationen aus der ökonomischen Analyse der Handelsmaßnahme oder des Handelsübereinkommens abhängen, die wiederum selbst schwierig durchzuführen ist und meist nur grobe Vorhersagen über die Richtung der wirtschaftlichen Veränderungen liefern kann. Vorhersagen über die erwarteten Auswirkungen auf die Handelsströme, auf die Veränderungen der Produktions-, Verbrauchs- und Investitionsstruktur werden notwendig sein, um Umweltauswirkungen vorhersagen zu können. Daher empfiehlt die OECD, ökonomische Analysen möglichst vor bzw. frühzeitig in der Umweltprüfung durchzuführen. Die USA beziehen ihre Daten etwa von der US International Trade Commission und bauen darauf ihre environmental reviews auf. Bei der Analyse der Umwelteffekte könnte auf Methoden aus Umweltverträglichkeitsprüfungen zurückgegriffen werden. Allerdings wird auf den grundsätzlichen Unterschied hingewiesen, dass diese Methoden herkömmlicherweise nur für die Prüfung bestimmter Projekte verwendet werden. Die Umweltprüfung für Politiken ist erheblich komplexer und bezieht sich auf ein größeres geografisches Gebiet und eine weitere Bandbreite möglicher ökonomischer und ökologischer Effekte. Daher werden Umweltprüfungen von Handelspolitik niemals so detailliert wie eine UVP sein, sondern sich vielmehr auf die Richtung und das Ausmaß der zu erwartenden Umweltauswirkungen beschränken. Noch, so stellte die OECD 1994 fest, verbleibt erheblicher Forschungsaufwand, wie UVP-Methoden auf die Prüfung von Politiken, einschließlich der Handelspolitik, angewendet werden können. In diesem Abschnitt wird aber aufgezeigt, dass es sich bei der Umweltprüfung von Handelsübereinkommen um eine Weiterentwicklung der klassischen ProjektUVP handelt. Eine Entwicklungslinie in Bezug auf die Verfahrenskomponente des Vorsorgeprinzips ist deutlich zu erkennen. Alle beschriebenen Verfahren verwenden nicht nur den generellen Aufbau von UVPs, sondern nehmen auch Methodenanleihen beim normalen ProjektUVPVerfahren. Als praktische Herangehensweise wird vorgeschlagen, die Ausgangslage in Bezug auf die Umwelt mit dem verfügbaren Datenmaterial zu ermitteln. Modelle und andere Vorhersagetechniken könnten dann grobe Veränderungen beim Rohstoffverbrauch, Verschmutzungen oder für die Umweltqualität in direkten oder indirekten Bezug zu Handelsmaßnahmen bringen. Angesichts mangelnder Daten und Vorhersageunsicherheiten, könnten Szenarien bestimmte Hypothesen oder Vorhersagen von Umweltbeeinträchtigungen überprüfen helfen. Dieser Methode vertraut die EU bei der Durchführung ihrer Sustainability Impact Assessment. Allerdings geht sie über die vorgeschlagene Kontrolle der Vorhersagen hinaus und benutzt die Szenarien selbst um Vorhersagen zu machen. Fallstudien über bestimmte Umweltbeeinträchtigungen, einen bestimmten Wirtschaftssektor oder eine bestimmte geografische Region könnten durchgeführt werden. Diese Methode wurde bisher vor allem von UNEP, der NAFTA Commission for Environmental Cooperation (NACEC) und dem WWF ange-
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wendet und soll im Folgenden näher betrachtet werden. Um Alternativen zu politischen Entscheidungen abzuschätzen, könnten allgemeine Politikauswertungstechniken (policy evaluation techniques), etwa Kosten-Nutzen-Analysen und Techniken, die entwickelt wurden, um mit Unsicherheiten umzugehen, angewendet werden. Weiterhin sollten Umweltprüfungen, gerade auch von Freihandelsübereinkommen, eine Überprüfung der regulatorischen Auswirkungen (assessment of regulatory effects) beinhalten. Dabei sollten die Auswirkungen der Vertragsbestimmungen und -regelungen auf die Umweltpolitik und umweltpolitische Maßnahmen, etwa für Produktstandards, ökonomische Instrumente oder Subventionen, überprüft werden. Diese Art der Prüfung unterscheidet sich von Überprüfungen der Auswirkungen auf die physische Umwelt. Sie beinhaltet die rechtliche und politische Analyse, die nötig ist, um die rechtlichen und politischen Auswirkungen verschiedener Umweltmaßnahmen im Hinblick auf das jeweilige Handelsübereinkommen zu bestimmen. Abschließend schlägt die OECD den Staaten wiederum vor, auch ihre Methoden aufeinander abzustimmen, um größere Kohärenz zwischen den Prüfungen zu erreichen und so Mehraufwand zu vermeiden. Diese Empfehlung setzt vor allem die kanadische Regelung um. Hier werden nicht nur die Auswirkungen auf nationale Regelungsmöglichkeiten, sondern auch die Vereinbarkeit mit bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen aus MEAs überprüft. 6. Maßnahmen zum ex-post monitoring und follow-up Die Umweltprüfungen sollten auch Regelungen für die nachträgliche Umsetzungskontrolle der Ergebnisse beinhalten. Dabei muss gesichert werden, dass die Ergebnisse mit in den Verhandlungsprozess einbezogen werden und bei der weiteren Entwicklung beachtet werden. „It is important to monitor how the results of the environmental review are used, both during and after the decisionmaking process.“281 Dies ist eines der wichtigen Verfahrensprinzipien der UVP. Es geht nicht darum, das Ergebnis der Entscheidung durch die UVP zu ersetzen, sondern nur sicherzustellen, dass die Umweltbelange erkannt und beachtet werden. Alle beschriebenen Umwelt bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen weisen in diesem Punkt Defizite auf. Diese sind umso größer, je weniger das Verfahren vorgeschrieben ist. Insofern ist der EU-Ansatz hier am weitesten von der OECD-Empfehlung entfernt. Im follow-up process sollte entschieden werden, wie die negativen Auswirkungen, die in der Umweltprüfung erkannt worden sind, abgewendet werden können. Verschiedene politische Antworten könnten gegeben werden, wie bei281 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 11.
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spielsweise die Veränderung eines Aspekts der Handelsmaßnahme oder des Übereinkommens, die Vereinbarung von umweltpolitischen Schutzklauseln in der Maßnahme oder dem Übereinkommen oder die Einführung eines ergänzenden Umweltmechanismus, begleitend zur Maßnahme oder zum Handelsübereinkommen. Bei Veränderungen bestehender Freihandelsübereinkommen wäre auf die Einhaltung der ausgehandelten Balance zu achten und notwendigerweise ein kooperativer Ansatz zu wählen. Ergänzende Mechanismen könnten die Entwicklung oder Sicherstellung der Einhaltung von Umweltregelungen, Steuern oder Beiträge für einen Umweltfonds, oder finanzielle oder technische Hilfe für Umweltschutzmaßnahmen beinhalten. Im follow-up sollten die Umweltauswirkungen erneut untersucht werden. Da sich die Umstände verändern, entstehen unter Umständen neue Probleme oder sind Gegenmaßnahmen nicht mehr angemessen. Ein wichtiges Element ist dabei die Veröffentlichung der Ergebnisse der Umweltprüfung und der getroffenen Entscheidungen. Ein Umweltmonitoringausschuss könnte gegründet werden. Weiterhin könnte eine nachträgliche Überprüfung der Richtigkeit der ökonomischen und ökologischen Vorhersagen sinnvoll sein. „Follow-up reviews, which would vary in their level of detail, could explore environmental aspects that may have been overlooked or not treated in sufficient detail in the initial review.“282 Dies wurde insbesondere in Kanada befolgt, allerdings unterschied sich der Detaillierungsgrad des retrospective assessment der Uruguay-Rundenergebnisse nicht wesentlich von dem der ersten Überprüfung. Nachträgliche Überprüfungen könnten die Regierungen zu Veränderungen der Maßnahme oder des Übereinkommens oder des Nebenübereinkommens anregen und wichtige Erkenntnisse für zukünftige Umweltprüfungen liefern. Eine rechtliche Verpflichtung zur Beachtung, oder gar die Einklagbarkeit der Beteiligung der Öffentlichkeit, gibt es nach wie vor in keiner praktizierten Umweltprüfung. 7. Bewertung der OECD-Methodik Insgesamt sind die OECD-Vorschläge weiterhin aktuell. Kein Staat hat alle Verfahrensvorschläge aufgenommen, daraus lassen sich bisweilen Definzite der bestehenden Regelungen erklären. Allerdings sind die Vorschläge sehr auf die Mitgliedstaaten der OECD zugeschnitten. Entwicklungsländer werden meist nur wenig personelle und materielle Resourcen haben, um eine so aufwendige Prüfungsfolge in Bezug auf Handelspolitiken und -übereinkommen durchzuführen. Wenn ein Umweltministerium insgesamt nur zwei Mitarbeiter hat, wird ein so aufwendiger Prozess nicht durchführbar sein. Dennoch ist der OECD zuzugestehen, dass die aufgeworfenen Fragen und Vorschläge bis heute Gültigkeit beanspruchen können. An ihnen wird sich jede zukünftige Regelung messen lassen 282 OECD, Methodologies for Environmental and Trade Reviews, OCDE/GD (94)103, S. 12.
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müssen. Die OECD hat seit 1994 immer wieder wegweisende Arbeiten in Hinblick auf die Methodik geliefert. Insbesondere im Zuge der gescheiterten Verhandlungen zum Multilateral Investment Agreement (MAI) wurde von einigen Regierungen auch die Durchführung einer Umweltprüfung für das MAI gefordert. Mit dem Scheitern wurden diese Pläne jedoch nicht weiterverfolgt.283 Ein Beispiel für die weiterführenden Arbeiten der OECD bildet der Bericht „Assessing the environmental effects of services trade liberalisation: a methodology“, in dem genaue Hinweise auf eine Umweltprüfung im Dienstleistungsbereich gegeben werden. Neben einem genauen Verfahrensvorschlag enthält das Papier wieder eine Checkliste und Erklärungen in Bezug auf die Methodik.284 Zur weiteren Struktur für interne Diskussionen gibt es auch eine Checkliste für ex-ante Umweltprüfungen von Maßnahmen der Handelsliberalisierung.285 Mit elf Fragen soll die Diskussion um das Thema strukturiert und die praktische Anwendbarkeit erleichtert werden. „Delegations are encouraged therefore not to „reinvent the wheel“ each time by repeating their basic position on undertaking an environmental review, but to emphasise developments since the last report. Depending on how far national administrations have proceeded with their ECs, obviously not all questions are pertinent for all assessment processes.“ Noch ist die Diskussion in der OECD nicht abgeschlossen, aber der Druck auf die Mitglieder, eine Umweltprüfung durchzuführen, hat sich im Laufe der Jahre spürbar erhöht.
II. UNEPs Arbeiten zu Umweltprüfungen von Handelsregelungen Die parallelen Arbeiten des UN-Umweltprogramms (UN Environmental Programme (UNEP)) lassen sich in zwei Teile unterteilen: einerseits das umfassende „Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies“ und andererseits die Länderstudien, inbesondere zu Entwicklungsländern. Zunächst soll das Reference Manual näher beleuchtet werden, anschließend die Länderprojekte.
283 Gunnel Nycander, Environmental Assessment and the MAI Negotiations; Timing and Institutionals Issues, S. 53, 56. Vgl. auch Jonas Ebbeson, Environmental Assessment of the OECD Multilateral Agreement on Investment, beide in: OECD, Assessing the Environmental Effects of Services Trade Liberalisation: A Methodology, S. 63 ff. 284 OECD, Assessing the Environmental Effects of Services Trade Liberalisation: A Methodology, COM/TD/ENV(2000)123/FINAL vom 15.01.2002. 285 OECD, Checklist of Issues for ex-ante Environmental Assessments of Trade Liberalisation, COM/TD/ENV(2001)42/FINAL vom 15.01.2002.
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1. Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies UNEP erarbeitete das Handbuch im Zuge einer Serie von vier Seminaren während des Jahres 2000. Erklärtes Ziel des Manuals ist es, Leitfaden für die Durchführung einer integrierten Nachhaltigkeitsprüfung zu sein.286 Als integriertes Assessment (IA) wird hier definiert, „[a]n integrated assessment considers the economic, environmental and social effects of trade measures, the linkages between these effects, and aims to build upon this analysis by identifying ways in which the negative consequences can be avoided or mitigated, and ways in which positive effects can be enhanced.“287 UNEP schlägt den Anwendern vor, ebenso wie die EG eine Nachhaltigkeitsprüfung durchzuführen. Schon an dieser Stelle wird die Weiterentwicklung des ehemaligen Umweltinstruments zum Mechanismus für nachhaltige Entwicklung propagiert. Der Vorschlag kann als Umsetzung für die Verfahrenskomponente des Vorsorgeprinzips auf der Grundlage der nachhaltigen Entwicklung verstanden werden. Das Handbuch ist neben der Einleitung in vier Hauptkapitel unterteilt. Zuerst werden die Gründe für die Durchführung eines integrated assessment diskutiert. Im zweiten Kapitel werden Verfahrensvorschläge für ein integrated assessment gemacht. Dabei geht es vor allem um den Zeitpunkt, die Information an und Beteiligung der Öffentlichkeit, um Indikatoren und Vermittlung von Fachwissen (capacity building). Das dritte Kapitel behandelt die integrierten Ansätze und Methoden. Hier werden vor allem die verschiedenen Methodologien erläutert. Das vierte Kapitel behandelt sodann die integrierten politischen Antworten (integrated policy responses). Generell weisen die Autoren darauf hin, dass es keinen einzelnen, all umfassenden Ansatz für ein integrated assessment gibt, weswegen in der Folge verschiedene Ansätze in Theorie und Praxis vorgestellt werden. Das Handbuch soll Staaten helfen, ihr eigenes integrated assessment zu entwickeln, das ihren politischen Prioritäten und den Umständen am besten entspricht. Grundlage des Werkes ist die Erkenntnis, dass internationaler Handel sowohl positive als auch negative ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen haben kann. Ein integrated assessment dient nach Ansicht von UNEP einer ganzen Reihe von Zielen. Es sollen die Verbindungen zwischen Handel, der Umwelt und der Entwicklung erschlossen werden. Hinzu kommt aber die auch vor dem Hintergrund des Vorsorgeprinzips wichtige Informationsfunktion für die politischen 286 UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, Genf 2001, online: http://www.unep.ch/etu/etp/acts/manpols/refmania_final.pdf (März 2007), S. XV. 287 UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, S. ii.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Entscheider in den verschiedenen Ministerien und in den internationalen Verhandlungen. „Informing policy makers across government departments of the implications of proposed trade policies helps to coordinate actions across departments, to facilitate communication and cooperation across departments, and to build consensus and administrative capacity.“288 Ein integrated assessment kann nach diesen Ausführungen also auch einer kohärenteren Politik zwischen den einzelnen Fachministerien dienen und damit letztlich auch zu einer besseren Verwaltung beitragen. Ein besonderer Abschnitt ist der Information der Verhandlungsführer gewidmet. Diesen würden durch integrated assessments die wichtigsten environmental und social trade-offs vermittelt. Weiterhin könnten integrated assessment helfen, verschiedene Politikziele zu einem Paket in Bezug auf den internationalen Handel, die Umwelt und die Entwicklung zusammenzufassen. Diese könnten nationale Umwelt- bzw. Sozialpolitik flankierende oder ausgleichende Maßnahmen beinhalten.289 Schließlich können IAs auch der Transparenz der politischen Entscheidungen dienen. Hierdurch soll nicht nur das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Handelspolitik gestärkt werden, ein Ziel, das besonders im kanadischen strategic environmental assessment hervorgehoben wurde. Sondern es soll auch die Kapazität der interessierten Kreise gestärkt werden, an nationalen politischen Entscheidungsprozessen teilzunehmen. Bei der Entwicklung eines Verfahrens werden im Handbuch ex-ante, concurrent und ex-post integrated assessments unterschieden. Dabei können ex-ante integrated assessments helfen, die Art und den Zeitpunkt einer Handelsmaßnahme bzw. -übereinkommens zu planen, sowie ergänzende politische Entscheidungen anzuregen oder zu beeinflussen. Sie sollten möglichst frühzeitig durchgeführt werden, um effektiv zu sein.290 Concurrent integrated assessments haben zwar das Problem, dass das Ergebnis der Verhandlungen nicht feststeht. Sie können sich aber an einer konkreten Verhandlungsagenda orientieren. „A concurrent assessment is a good way of keeping trade negotiators informed of sustainable development issues.“291 Sie dienen besonders gut der Information der Verhandlungsführer. Ex-post integrated assessments liefern eine retrospektive Analyse der getroffenen Entscheidungen und können die Auswirkungen, die abgewendet werden sollten, identifizieren. „Ex-post assessments can also be part of regular trade monitoring mechanisms – such as the Trade Policy Review Mechanism – and can be used as a basis for assessing how well national govern288 UNEP, cies, S. 8. 289 UNEP, cies, S. 10. 290 UNEP, cies, S. 20. 291 UNEP, cies, S. 21.
Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related PoliReference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related PoliReference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related PoliReference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Poli-
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ments are meeting their commitments to sustainable development.“ Dies stellt einen innovativen Vorschlag der Autoren dar. Er taucht gleichwohl nicht in der Zusammenfassung auf und es werden keine konkreten Vorschläge gemacht, wie dies erreicht werden könnte.292 Alle Formen des integrated assessment stellen wichtige Grundlagen für zukünftige Nachhaltigkeitsprüfungen dar. Zentral für eine erfolgreiche Nachhaltigkeitsprüfung sei die sinnvolle Beteiligung interessierter Kreise.293 Hier wird ein wichtiges Element, das ursprünglich aus der Umweltverträglichkeitsprüfung stammt und wesentlicher Teil der Vorsorge durch Verfahren ist, ausführlich erläutert. Es können, so UNEP, Daten, Erkenntnisse und Informationen erlangt werden, die durch herkömmliche wirtschaftliche Analysemethoden nicht zu beschaffen wären. Es werden eine Reihe von Möglichkeiten der Beteiligung aufgezeigt. Dabei wird zwischen Konsultation und Partizipation unterschieden. Wobei das Handbuch allgemein empfiehlt: „Widespread consultation is an important component of any participatory process. But in the context of an integrated assessment, where the common goal of sustainable development is shared by many different sectors of society, full participation should be the aim.“ Diese Empfehlung von UNEP geht über das hinaus, was derzeit schon praktiziert wird. Mit Ausnahme der Studien der IGOs und NGOs ist bisher in den Instrumenten keine wirkliche Partizipation im Sinne von Mitbestimmung geregelt. Die Vorteile der Beteiligung liegen in der verstärkten Kooperation, der Wissensvermittlung und letztlich auch in der Akzeptanzsteigerung unter den am Prozess Beteiligten. Gerade dieser letzte Aspekt ist nicht unkritisch. Wenn dies die hauptsächliche Zielsetzung eines Assessments bildet, kann es leicht zu einem bestimmenden Faktor des Verfahrens werden. Das Ergebnis ist dann keine unvoreingenommene Analyse, sondern ein politisches Dokument, das Widerstände überwinden helfen soll. Ein großes Problem besteht in der Auswahl der richtigen Methodik für ein IA. Diese hängt von der zu untersuchenden Politik und den zu untersuchenden Auswirkungen ab. Wesentlich ist auch die Verfügbarkeit der Daten. Diese können von Sektor zu Sektor und von Land zu Land unterschiedlich sein. Das kann dazu führen, dass die Auswirkungen nicht oder nur schlecht abgeschätzt werden können. Auch wenn einige Modelltechniken für UVPs gut anwendbar sind, könnten sie sich für die sozialen Auswirkungen als ungeeignet erweisen. Daher sollten beim IA sowohl quantitative als auch qualitative Techniken für die Prüfung angewendet werden. Dieser methodologische Ansatz wird vor allem in den USA betrieben. Es wird in den guidelines ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Mischung verschiedener Untersuchungsmethoden hingewiesen.294 Als prob292
Siehe zum TPRM unten 3. Teil, B. I. 1. Das Manual verweist auf das 10. Prinzip der Rio Deklaration. Vgl. UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, S. 22. 294 Section V. A. 1. der U. S. Guidelines for the Implementation of EO 13.141. 293
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lematisch wird das Fehlen von Umwelt- und Sozialparametern gegenüber fest etablierten Wirtschaftsparametern eingeschätzt. Dies habe bisher eine einheitliche Methodologie für integrated assessments verhindert. Es scheint sich aber ein Konsens in dieser Frage anzudeuten, dass verschiedene Ansätze gemeinsam verwendet werden sollten. Als alternative Methoden zu formalen Modelltechniken und qualitativen Analysen erläutert das Handbuch, „benefit-cost analysis, risk assessment, multi-criteria analysis, extended domestic resource cost analysis, life cycle analysis, global commodity chain analysis and scenario building.“295 Ausführlich werden die Vor- und Nachteile dieser im Schwerpunkt volkswirtschaftlichen Analysemethoden erläutert. Dabei werden zur Abwägung hinsichtlich der richtigen Methodologie folgende Faktoren vorgeschlagen: Kosten vs. Glaubwürdigkeit. Die entstehenden Kosten werden immer eine Begrenzung des Analyseaufwandes bedeuten, der gegen die Glaubwürdigkeit abgewogen werden müsse. Die Datenverfügbarkeit und die Genauigkeit der Ergebnisse werden ebenso die Wahl der Methode beeinflussen, wie die Abwägung zwischen einem schnellen Überblick und einer umfassenden Studie. Von der Wahl des Diskontsatzes hängen die Ergebnisse ebenso ab, wie von der Kapazität auf dem Gebiet der Analysetechniken. Nur wenn die Durchführenden über ein solides Wissen verfügen, können bestimmte Analysetechniken angewendet werden.296 Das Ziel eines integrated assessment ist die Beeinflussung politischer Prozesse. Daher wird empfohlen, dass auf die Ergebnisse eines integrated assessment mit der Veränderung der Handelsübereinkommen bzw. -politik reagiert wird. Alternativ könnte ein Nebenabkommen geschlossen werden, um die negativen Umweltauswirkungen abzuwenden oder die positiven zu verstärken. Diese Maßnahmen könnten auf nationaler, regionaler oder globaler Ebene erfolgen. Sie sollten gleichzeitig ökonomische, ökologische und soziale Entwicklungsziele befördern. Dabei könnte entweder eine einzelne Maßnahme inhaltlich verändert oder zeitlich später umgesetzt werden. Für Umweltgüter und sozial wichtige Güter oder Dienstleistungen könnte die Liberalisierung auch beschleunigt werden. Als Ergebnis eines ex-ante IA könnte bei zu erwartenden großen ökologischen oder sozialen Auswirkungen ein Parallelregime erwogen werden. Als flankierende Maßnahmen, die auf nationaler Ebene eingeführt werden könnten, beschreiben die Autoren Marktinstrumente, wie Steuern, Subventionen, Umweltfonds, Umwelt(nutzungs)geführen und Geld- bzw. Kreditpolitik. Hinzu kommen klassische Verbots- und Erlaubnispolitiken, freiwillige Maßnahmen und institutionelle Maßnahmen (Gemeindeentwicklungsorganisationen, Transparenz, öffentliche Beteiligung).297 295 Vgl. UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, S. 44–51. 296 UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, S. 56.
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Schließlich sollte festgehalten werden, wie die Ergebnisse in der Praxis die Politik oder die Verhandlungen des Handelsübereinkommens beeinflusst haben. Daher sollte ein integrated assessment auch Vorschriften über die Auswertung und das Monitoring enthalten. Dieses Merkmal aus der UVP wurde bei den bisher praktisch durchgeführten Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen am wenigsten beachtet. Zwar wird in den USA und in Kanada eine umfangreiche Dokumentation vorgeschrieben. In der Praxis sehen sich Handelsdiplomaten, wie sich bei der kanadischen Position im WTO-Asbestfall gezeigt hat,298 aber kaum an die Ergebnisse der eigenen Umweltprüfung gebunden. 2. UNEP Länderstudien Um die Anwendung verschiedener Methoden in der Praxis zu testen, führte UNEP zunächst sechs Länderstudien über Handelsliberalisierung und Umwelt sowie über ökonomische Instrumente durch (Country Projects on Trade Liberalisation and the Environment and on the Design and Implementation of Economic Instruments).299 UNEP erarbeitete über einen Zeitraum von zwei Jahren (1998–1999) in Bangladesch, Chile, Indien, den Philippinen, Rumänien und Uganda Studien, die den Einfluss der Handelsliberalisierung auf nationale Umweltgüter untersuchten.300 Im Anschluss wurde ein Synthesenbericht erstellt, der gemeinsame Erkenntnisse aufarbeitet.301 Bei der Konzentration auf einen spezifischen Sektor mit nationaler Bedeutung zeichnete sich jedes Projekt nach Auskunft von UNEP dadurch aus, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung, eine Ressourcenbewertungsanalyse und die Beachtung von Einflüssen auf die Entwicklung und eine komplette Kosten-Nutzenanalyse der Handelsliberalisierung in dem ausgewählten Sektor durchgeführt wurden. Weiterhin wurden korrigierende politische Maßnahmenpakete, einschließlich ökonomischer Instrumente erarbeitet, die die negativen Umweltauswirkungen minimieren und die positiven Auswirkungen maximieren. Dabei wurden nationale Interessengruppen aller Art in nationalen Workshops konsultiert. Es wurde zusätzlich das Maßnahmenpaket
297 UNEP, Reference Manual for the Integrated Assessment of Trade-Related Policies, S. 63–69. 298 Siehe oben 2. Teil, A. I. 299 UNEP Economics and Trade Programme, Country Projects on Trade Liberalisation and the Environment and on the Design and Implementation of Economic Instruments, online: http://www.unep.ch/etu/etp/acts/capbld/cp.htm (Stand Mai 2007). 300 Folgende Sektoren wurden untersucht: The Shrimp Farming Industry in Bangladesh, Chile’s Mining Sector, The Automotive Industry in India, The Philippines’ Forestry Sector, Romania’s Water Sector, Uganda’s Fisheries Sector. 301 UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from Bangladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, Genf 1999.
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als Pilotprojekt umgesetzt. Alle Berichte sind auf der UNEP-Internethomepage frei zugänglich. Als Beispiele sollen hier nur zwei der Studien näher untersucht werden. In Bangladesh wurde die Shrimp-Farm-Industrie vom Centre for Policy Dialogue (CPD), Dhaka untersucht. Es wurde festgestellt, dass Shrimp-Aquikultur in Bangladesh eine der größten wirtschaftlichen Aktivitäten darstellt. ShrimpExporte stiegen im Jahr auf 260 Milionen US$, eine Zunahme von 70% gegenüber 1998. Während der ökonomische Erfolg anerkannt wird, gibt es deutliche Kritik an den negativen, oft unumkehrbaren Folgen für die Umwelt und auf sozialer Ebene, etwa bei den Grundbesitzlosen und mit Blick auf die Verschärfung von sozialen Ungerechtigkeiten. Als Methode wurde eine partielle KostenNutzen-Analyse (Partial cost-benefit analysis CBA) durchgeführt, um die Kosten für die Wüstenbildung, für die Einflüsse auf die menschliche Gesundheit und für die Mangrovenzerstörung zu ermitteln. Den Nutzen stellte demgegenüber das Einkommen für den Export von verarbeiteten Shrimps dar. Es wurde ermittelt, dass die Bodenschädigung einen Verlust von 0,11% des Bruttoinlandsproduktes bedeutete, Verluste in der Agrarproduktion von 0,22% des BIP und Verluste in der Rinderzucht in Höhe von 0,01% des BIP. Die Wasserverschmutzung von den Shrimpfarmen war gesundheitsgefährdend für Menschen, dieses verursachte Kosten in Höhe von etwa 0,09% des BIP. Für die Mangrovenzerstörung wurde ein jährlicher Einkommensverlust in Höhe von 0,02% des BIP errechnet und ein Verlust an Artenvielfalt in Höhe von 2,2 Millionen US$. Demgegenüber entsprachen die Erträge aus den Shrimpexporten etwa 1,1% des BIP. Das Kosten-Nutzen-Analyse-Verhältnis entsprach 0.21 auf der Basis der Produktionsverluste und 0.30 auf der Basis von Wiederherstellungskosten. Somit wurden Kosten in Höhe von 21–30% der gesamten Erträge ermittelt. Als Lösung wurden eine Landnutzungssteuer vorgeschlagen, eine Abgabe für Wasserverschmutzung, ein Bodenschutzfonds, gemischte Reis-Shrimp-Produktion und klare Bodennutzungspläne, Lizenzen für Shrimpfarmen, vorgeschriebene Mangrovenmaßnahmen, Verbot des Shrimpfanges mit Fischerbooten, Stärkung der Eigentumsrechte und eine Rechtsreform. Es wurde empfohlen, dass in Bangladesh alle Interessengruppen, speziell die lokalen Gemeinden, am Entscheidungsprozess beteiligt werden.302 Das Ergebnis dieser Studie überrascht wenig. Leider wurde von UNEP nur das Mittel der Expertenstudie gewählt. Eine breitere Beteiligung der betroffenen Bevölkerung hat es nicht gegeben. Nur um Daten zu erheben wurden Konsultationen durchgeführt. „Thus, the study is largely based on secondary data, selectively supplemented by primary evidence. Various published sources (na302 UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from Bangladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, Genf 1999, S. 16.
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tional and international) were consulted to give shape to the conceptual issues and leading hypotheses. Since country level data on the related issues are scarce in Bangladesh and available data lack consequential correlation with SAP policies, information has to be elicited from concerned government officials, NGO activists, farmers, entrepreneurs and other stakeholders through structured debriefing and focus group discussion.“303 Eine bloße Datenerhebung stellt kaum einen wirklichen Konsultationsprozess dar, in dem auch Vorschläge von Betroffenen und anderen Beteiligten gemacht werden können. Bei der chilenischen Studie wurde der Bergbausektor des Landes vom Centro de Investigación y Planificación del Medio Ambiente (CIPMA) untersucht. Kupferbergbau bildete 1995 die Grundlage für 41% aller Exporte, obwohl in ihm nur 2% aller Beschäftigten Chiles tätig sind. Der Erfolg ist nach Ansicht der Verfasser vor allem auf die zusätzliche Handelsliberalisierung zurückzuführen. Das Wachstum ging auf Kosten der Umweltqualtität und war nicht nachhaltig. Ausländische Direktinvestitionen nahmen im Bergbausektor ab. Das OECD Assessment Framework wurde bei der Studie angewendet. Man kam zu dem Ergebnis, dass die Handelsliberalisierung der Hauptfaktor für die Zunahme des Bergbaus darstellte. Allerdings wurde auch eine vermehrte Technologisierung festgestellt, die die Kosten reduzierte und die Wettbewerbsfähigkeit erhöhte. Dadurch konnte auch in entlegenen Gegenden abgebaut und andererseits die Emissionen und der Abfall reduziert werden. Es wurden dennoch Luftverschmutzung, Überverbrauch und Verschmutzung von Wasser, Bodenverunreinigung, Bodenerosion und die Beeinträchtiung der Tierwelt und ihrer Habitate als Umweltprobleme, die durch den Bergbau entstehen, festgestellt. Ein ausdrücklicher umweltpolitischer Rahmen für die Integration ökonomischer, ökologischer und sozialer Faktoren in die Entwicklungsperspektive wurde empfohlen. Weiterhin wurde die Ausdehnung von Umweltplanungen und -management auf das gesamte Ökosystem vorgeschlagen und schließlich ein größerer Technologietransfer und die Entwicklung von Alternativen zum Kupferbergbau angeregt.304 Die Studie ist nach dem UNEP-Ansatz als Expertenstudie erstellt worden. Interessant ist die Analyse der UVP-Mechanismen und ihre Anwendbarkeit in Handelsfragen.305 Hier folgen die Autoren weitgehend den Vorschlägen der 303 UNEP, Environmental Impacts of Trade Liberalization and Policies for the Sustainable Management of Natural Resources – A Case Study on Bangladesh’s Shrimp Farming Industry, Genf 1999, S. 5. 304 Vgl. UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from Bangladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, Genf 1999, S. 34 f. 305 UNEP, Environmental Impacts of Trade Liberalization and Policies for the Sustainable Management of Natural Resources – A Case Study on Chile’s Mining Sector, Genf 1999, S. 9 ff. auch online: http://www.unep.ch/etu/etp/acts/capbld/rdone/chile. pdf (März 2007).
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OECD. Sie weisen allerdings auf eine ganze Reihe von Problemen hin. An erster Stelle nennen sie fehlende Wirtschafts- und Umweltdaten. Das vorhandene Datenmaterial sei häufig unvollständig und es könne nicht auf die fehlenden Daten geschlossen werden. Die Ausführungen der Autoren zeigen hier deutlich, dass eine UVP im Handelsbereich als reine Expertenstudie ohne größere Öffentlichkeitsbeteiligung notwendigen Einschränkungen unterliegt. Auf ein weiteres Problem weisen die Autoren bei den Analysewerkzeugen hin. „General economic assumptions are undeniably coloured by a particular world view, and as such, are not to be questioned on purely analytical grounds; however, it is undeniable that assumption do indeed affect both the analysis and conclusions; these should therefore be approached with an open mind.“306 Den Hintergrund für diese Ausführungen bildet die durchaus kritische Haltung der Autoren gegenüber vollständiger Wirtschaftsliberalisierung. Alle Ergebnisse sind im Sythesenbericht zusammengefasst. In einem Kapitel werden dort die gemeinsamen Schlussfolgerungen aufgezeigt. So wurde festgestellt, dass obwohl die ökonomischen Ziele für die jeweiligen Sektoren erreicht wurden, negative Umweltauswirkungen und damit verbundene soziale Auswirkungen zu beobachten waren. Schon bei der Konzeption der Handelspolitik sollte versucht werden, Umweltbeeinträchtigungen zu vermeiden. Dazu müssen Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik aufeinander abgestimmt werden. Wird dies nicht beachtet, so können irreversible Schäden entstehen und reversible Schäden nur mit hohen Kosten beseitigt werden. Am effektivesten waren marktorientierte Mechanismen, während ordnungspolitische Maßnahmen (command-and-control policies), obwohl sie in der Vergangenheit sehr wirkungsvoll waren, sich als ineffektiv erwiesen. Dabei war die volle Kostenbewertung für Naturschätze eine der besten Komponenten neuer Instrumente. In den meisten Fällen wurde eine gerechte Mischung aus marktgerechten Instrumenten und festen Standards als angemessener Ansatz angesehen. Auch wenn die Bandbreite der untersuchten Wirtschaftssektoren überaus vielfältig war, so stellte sich doch die Wahl der Analysemethoden (wirtschaftliche Kostenschätzung und vollständige Kostenerfassung für die natürlichen Ressourcen) als ähnlich in allen Studien heraus. Allerdings wurden wegen der unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Ländern auch Analysemethoden unterschiedlich zusammengestellt. Es stellte sich für alle Studien die Frage, wie der Prozess von der Problemidentifikation über die politische Entscheidung bis hin zur Umsetzung derselben vorangetrieben werden sollte. Hier ergaben die Fallstudien, dass die Entscheidungsträger zunächst sehr zurückhaltend bei der Stärkung der Umweltpolitik waren, durch das verbesserte Verständnis der Verbindung von Handel, Umwelt und Entwicklung, sie sich aber in der Folge verstärkt für die 306 UNEP, Environmental Impacts of Trade Liberalization and Policies for the Sustainable Management of Natural Resources – A Case Study on Chile’s Mining Sector, Genf 1999, S. 9.
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Umweltpolitik einsetzten. „Country ownership of projects is an essential factor in ensuring this process is successfully implemented. Moreover, wide stakeholder participation further ensures that problem causes are accurately identified and that policies responding to a full spectrum of social and sectoral needs are developed.“307 Die tatsächliche Umsetzung der Maßnahmen spricht für die Durchführung nationaler Assessments. Ein endogener Prozess der Problemidentifikation hat sich für die Formulierung von Politikvorschlägen als sinnvoll herausgestellt. Außerdem gab es in jedem Fall ausreichendes Fachwissen innerhalb eines Landes, um die Handel-Umwelt-Probleme festzustellen und entsprechende Politikvorschläge zu machen. Als notwendig erwies sich vielmehr die Stärkung der Kapazitäten, um den nachfolgenden Prozess einzuleiten, zu integrieren und die Aktivitäten zu erhalten. Verfahrenshilfe würde am besten diesem Bedürfnis dienen. Dies sei auch die Strategie von UNEP gewesen, die sich als effektiv erwiesen habe. Dabei legte UNEP großen Wert auf learning by doing und nicht auf learning by showing. Grundlage für den Prozess war der Zugang zu Informationen für das nationale Team und für nationale wie internationale Expertennetzwerke. Methoden zur Datensammlung und für die integrierte Analyse sollten so verbessert werden, dass Umweltprobleme klarer identifiziert und die Vorteile von marktwirtschaftlichen Instrumenten systematisch errechnet werden können. In den Ländern gab es keinen Mangel an umweltorientierter Politik, sondern einen großen Bedarf für Brückenbildung und den Aufbau von Netzwerken unter den nationalen Akteuren. Nur so konnte dem Verfahren zum Erfolg verholfen werden. Für einen effizienten Prozess erwies sich darüber hinaus eine Koordination zwischen Regierungsministerien, der Industrie und den NGOs erforderlich. Kulturelle Präferenzen, häufig anders als rationale wirtschaftliche Präferenzen, bildeten einen der wichtigsten Faktoren für die Akzeptanz neuer Politiken. Die Konsultation mit verschiedenen Interessengruppen spielte im Ergebnis eine sehr wichtige Rolle für die Akzeptanz und die Nachhaltigkeit der Reformen. Nur wenig finanzielle Hilfe war nötig, um den Prozess anzustoßen und die Entwicklung zukünftiger Aktionen zu sichern. UNEP äußert in der Folge den Wunsch, dass der Synthesenbericht und die Länderstudien eine Multiplikatorenfunktion für das Verfahren habe, um sektorielle Handel-Umwelt-Probleme in den Staaten, Regionen und Gemeinden anzugehen.308 Bei den Schlussfolgerungen, die für alle Länderstudien gemeinsam gezogen werden, ist besonders die Betonung der breiten Beteiligung der Interessengrup307 UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from gladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, 1999, S. 88. 308 UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from gladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, 1999, S. 88.
BanGenf BanGenf
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pen auffällig. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch alle Studien. Allerdings fanden die Konsultationen nur als sogenannte multi-stakeholder Treffen statt. Dabei wurden jeweils Vertreter der Industrie, der Ministerien und der betroffenen Kommunen gemeinsam eingeladen. Dies mag in einigen Ländern die einzig praktikable Lösung sein. Besser erscheint indes ein offenes Verfahren, an dem jeder Interessierte teilnehmen kann. Auch das Mittel der Befragung sollte erwogen werden. Ansonsten zeigen die UNEP-Studien, dass integrierte Umweltprüfungen nicht nur in Industriestaaten möglich sind, sondern auch in Entwicklungsländern gut umgesetzt werden können. Besonders der Hinweis auf das vorhandene Fachwissen macht dies deutlich. Die nationale Urheberschaft der Prüfungen wurde von UNEP als besonders wichtig hervorgehoben. Nur so sei sichergestellt, dass die Ergebnisse auch umgesetzt würden. Dies erscheint für Ausgleichsmaßnahmen auf nationaler Ebene von zentraler Bedeutung. Bei multilateralen Verhandlungen scheinen auch multilaterale Konsultationen betroffener Kreise denkbar. Auf Wunsch weiterer Staaten begann UNEP eine zweite Runde für nationale Projekte im Frühjahr 2000. Hierbei werden der argentinische Fischereisektor, der chinesische Baumwollsektor, der ecuadorische Bananensektor, der nigerianische Fruchtexportsektor, der senegalesische Fischereisektor und der tansanische Forstsektor näher untersucht. Somit werden die Methoden noch weiter verfeinert. Inzwischen liegt auch für diese Phase eine Publikation vor, die die einzelnen Studien zusammenfasst.309 Insgesamt haben die Arbeiten von UNEP die technische Seite der Diskussion erheblich vorangetrieben. Die Frage nach dem Sinn der Nachhaltigkeitsprüfungen von Handelsregelungen erscheint daher kaum berechtigt. Ergänzend muss auf die Beteiligung der UN Conference on Trade and Development hingewiesen werden. Zwar gibt es keinen ausdrücklichen Beschluss der Organisation zur Durchführung von Umweltprüfungen. Dennoch hat sich die UNCTAD das Ziel gesetzt, Entwicklungsländern bei der Integration von Umweltbelangen in deren Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Dabei stand den nationalen Teams auch ein Beratungsteam der UNCTAD zur Verfügung.310 Es sollte noch erwähnt werden, dass UNCTAD-Mitarbeiter mit verschiedenen Beiträgen zur Diskussion beigetragen und vor allem auf die Belange der Entwicklungsländer hingewiesen haben.311 309 UNEP, Synthesis Report of UNEP Country Projects – Round II, 2002, online http://www.unep.ch/etu/publications/Ctry_studies_2.htm (März 2007). 310 UNEP, Trade Liberalisation and the Environment – Lessons learned from Bangladesh, Chile, India, Philippines, Romania and Uganda – A Synthesis Report, Genf 1999, S. IX. 311 Vgl. Rene Vossenaar, Approaches to Sustainability Assessments & Opportunities for Cooperation and Coordination between Intergovernmental Organisations, in: WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on
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III. Die Arbeit der UN Commission on Sustainable Development (CSD) Erwähnenswert ist auch die Arbeit der UN Commission on Sustainable Development (CSD). Auf der achten Jahressitzung, dieses durch den Nachhaltigkeitsgipfel UNCED in Rio geschaffenen Unterausschusses des ECOSOC wurde das Thema der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfungen ausführlich diskutiert. Schon 1994 beschlossen die versammelten Umweltminister im Rahmen der weiteren Umsetzung der Agenda 21, dass „[t]he Commission notes the importance of developing a framework to facilitate the assessment of the environmental impact of trade policies, taking into account the special needs and conditions of developing countries. Any such assessment should be carried out within the overall perspective of promoting sustainable development. In this context, there is a need to foster a better understanding of the trade implications of a number of environmental concepts and principles, such as the polluter pays principle, the precautionary principle and life-cycle management. In this context, there is also a need to consider the interactions between trade, technological cooperation and changes in production and consumption patterns. Further work in this area by UNEP and UNCTAD, in cooperation with other relevant organizations, would represent a valuable contribution to the objective of making trade and environment policies mutually supportive in promoting sustainable development.“312 Innerhalb des vorgeschlagenen Assessment fordert die Commission on Sustainable Development die Überprüfung wichtiger umweltpolitischer Prinzipien. Einen deutlichen Hinweis auf einen möglichen internationalen Rahmen enthält die Commission on Sustainable Development-Abschlusserklärung von 1995. „The Commission invites the joint UNEP/UNCTAD programme to carry out further work, in cooperation with UNDP and other relevant international organizations, on the development of a framework to facilitate the assessment of the environmental impact of trade policies, taking into account the special needs of developing countries and countries with economies in transition. Such work should take into account the different elements mentioned in paragraph 33 of the 1994 Commission on Sustainable Development decision.“313 Zusätzlich wurde die Arbeit der OECD erwähnt, und die OECD wurde aufgefordert ihre Ergebnisse der Commission on Sustainable Development mitzuteilen. Als dritte Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 75 ff. und ders., UNCTAD Work on Strategic Environmental Assessment, in: Fauchald/Greaker (Hrsg.), Environmental assessment of trade agreements and policy, Nordic Council of Ministers, Kopenhagen 1998, S. 74 ff. 312 United Nations Commission on Sustainable Development, Second Session, New York, 16–27 May 1994, para. 33. 313 United Nations Commission on Sustainable Development, Third Session, New York, 11–28 April 1995, para. 67.
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Ebene enthielt diese Erklärung den Hinweis auf die nationalen Verfahren. „The Commission encourages Governments to develop or strengthen processes to assess the environmental effects of trade policies, enhance coordination between environmental and trade policies, including cooperation between environmental and trade officials in the policy development process, and promote transparency and openness to the public in these processes.“314 Der Hinweis auf die Transparenz und Öffnung der Verfahren war zum damaligen Zeitpunkt wegweisend. Wie schon erwähnt, wurden bei der Achten Sitzung der Commission on Sustainable Development die verschiedenen Modelle und Methoden vorgestellt. Die UNEP-Länderstudien, die in Zusammenarbeit mit UNCTAD erarbeitet wurden, das OECD-Seminar über die Methodologien für Umweltprüfungen von Handelsliberalisierung, 26. und 27. Oktober 1999, sowie das internationale Expertentreffen des WWF über „sustainability assessment of trade liberalization“ in Quito, 6. bis 8. März 2000, wurden der Kommission vorgestellt. In seinem Bericht an die Commission on Sustainable Development beschrieb der UN-Generalsekretär, dass die „[e]mphasis has shifted from environmental impact assessments to sustainable impact assessments, which weigh costs and benefits in economic terms. This shift reflects an attempt to integrate economic, environmental and social development concerns.“ Es sei generell anerkannt, dass sowohl die Durchführung einer solchen Prüfung als auch die Veranwortung für die politischen Entscheidungen auf nationaler Ebene liegen. „However, there could be a certain degree of international cooperation, for example with regard to methodological aspects or concerning capacity-building by multilateral institutions. A challenge is to anticipate potentially adverse scale effects of trade liberalization and, where possible, to avoid or mitigate such effects through appropriate environmental policies. Such assessments should also include the distribution of the gains from trade between developed and developing countries. Priority should be given to key sectors where changes in production patterns associated with trade liberalization and expansion is most likely to have an environmental impact.“315 Hier wird deutlich weniger auf ein internationales Kooperationsmodell bei der Durchführung der Nachhaltigkeitsprüfungen gesetzt als noch vier Jahre zuvor. In der eigentlichen Erklärung taucht die Frage nur am Rande auf. Dies ist vor dem Hintergrund der Vorgänge in Seattle im Dezember 314 United Nations Commission on Sustainable Development, Third Session, New York, 11–28 April 1995, para. 69. 315 Report of the Secretary-General, Economic growth, trade and investment, New York, 31.01.2000, para. 32. The present report was prepared by the United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) secretariat as task manager for trade, environment and sustainable development, in accordance with arrangements agreed to by the Inter-Agency Committee on Sustainable Development (IACSD). It is the result of consultation with the United Nations Environment Programme (UNEP), the Department of Economic and Social Affairs of the United Nations Secretariat and the World Trade Organization (WTO).
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1999 zu sehen. Dort hatten sich Gewerkschaften mit Umweltverbänden für strikte Standards eingesetzt. Dies wurde von Entwicklungsländern abgelehnt.316 In der Abschlusserklärung heißt es daher warnend, „[t]he Commission noted that the tool of environmental impact assessment, following previous recommendations, is being used by many countries and that some are developing other assessment tools. The Commission also noted the work under way in UNEP and UNCTAD on this issue. In response to the concerns expressed by many countries, the Commission stressed that the assessments of trade policies should be conducted with a view to promoting sustainable development and should not serve as a disguised barrier to trade.“317 Aus dieser Erklärung wird das Misstrauen der Entwicklungsländer gegenüber Nachhaltigkeitsprüfungen als neue Handelsbarrieren sehr deutlich. Die Commission on Sustainable Development hat sich seither verschiedentlich mit dem Thema Handel und nachhaltige Entwicklung beschäftigt. Da sie auch als Vorbereitungskonferenz für den World Summit on Sustainable Development (WSSD) dient, kann ihr insofern auch der Textentwurf für die Ministererklärung zugeordnet werden. Darin heißt es in dem Abschnitt über Globalisierung knapp, dass Maßnahmen auf allen Ebenen notwendig sind, um „[p]rovide assistance to developing countries to promote impact assessments that identify trade, environment and development linkages and related policy measures.“318 Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die Befürchtungen des Jahres 2000, assessments könnten den Handel für Entwicklungsländer erschweren, auch aufgrund der Doha-Ministererklärung langsam abnehmen. Als Forum im Wesentlichen der Umweltminister hat die Commission on Sustainable Development damit über Jahre hinweg dem Institut auch international zu Beachtung verholfen. Insbesondere die Bedenken der Entwicklungsländer, die befürchteten, aus den assessments würden Bedingungen abgeleitet, wie sie zum Teil von der Weltbank verlangt werden, sollten nicht unterschätzt werden.
316 Vgl. Kenneth G. Ruffing, The Role of International Organisations, in: WWF/ Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000. 317 Commission on Sustainable Development, Report on the eighth session (30 April 1999 and 24 April–5 May 2000), – Decision 8/6, Economic growth, trade and investment, UN-Dokumente E/2000/29 und E/CN.17/2000/20, New York Juli 2000, para. 26. 318 United Nations General Assembly, Commission on Sustainable Development acting as the preparatory committee for the World Summit on Sustainable Development, Fourth session, Revised Chairman’s paper, Bali, Indonesia, 27 May–7 June 2002, UN-Dokument A/CONF.199/PC/L.1/Rev.1, para. 42 (m).
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
IV. WWF-Vorschläge zur Methodik von SIAs Der World Wide Fund for Nature (früher World Wildlife Fund) ist eine der NGOs, die sich nicht auf die allgemeine Forderung nach einer Einführung des Instruments der Nachhaltigkeitsprüfung beschränkt hat, sondern detaillierte methodische Vorschläge erarbeitet und Fallstudien durchgeführt hat.319 Der WWF hat das bisher einzige internationale Expertentreffen über Nachhaltigkeitsprüfungen der Handelsliberalisierung durchgeführt.320 1. Methodik Das WWF Assessment Framework beruht im Wesentlichen auf zwei Publikationen aus den Jahren 1998 und 1999.321 Es wurde durch die erwähnten Fallstudien verfeinert und im Jahr 2000 einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Als Gründe für die Erarbeitung dieser Methodik unterstreicht der WWF vor allem das bessere Verständnis der Verbindungen und der Natur des Verhältnisses von Handel, Umwelt und Entwicklung. Auf einer spezielleren Ebene könne so geklärt werden, wie Handel und Wirtschaft die Umweltschutzarbeit des WWF beeinflussten. Weiterhin sollen konkrete Lösungen und Methoden gefunden werden, um negative Einflüsse oder Beschränkungen für den Umweltschutz und die nachhaltige Entwicklung zu verhindern. Neben den Umwelteinflüssen legt der WWF auch großen Wert auf die Untersuchung der sozialen Einflüsse. Es soll nicht nur gefragt werden, wie NAFTA die Maisproduktion in Mexiko verändert hat und so die Bodennutzung und die Artenvielfalt betroffen wurde, sondern vielmehr auch, wie die sozialen Strukturen der Maisbauern verändert wurden. Für beide Folgen sollen Lösungsmöglichkeiten und Gegenmaßnahmen erarbeitet werden. Der WWF betont die Umsetzbarkeit seiner Vorschläge und den Einfluss auf die politischen Entscheidungen. Die Nachhaltigkeitsprüfung (Sustainability Assessment) sei ein Werkzeug, um die sozialen und die Umweltfolgen der Handelsliberalisierung aufzudecken und ihnen zu begegnen. Aus den Ergebnissen der Prüfung sollen konkrete politische Empfehlungen entwickelt werden, damit Handel und nachhaltige Entwicklung sich gegenseitig ergänzen.
319 Vgl. sehr umfangreiche Informationen auf der Internetseite des WWF, online: http://www.balancedtrade.panda.org/ (März 2004). 320 WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, sowie WWF, Background Material – Prepared for The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000. 321 WWF, Developing a Methodology for the Environmental Assessments of Trade Liberalisation Agreements – A WWF Diskussion Paper, Gland 1998 und WWF, Initiating an Environmental Assessment of Trade Liberalisation in the WTO, Gland 1999.
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 205
Die WWF-Methodik beinhaltet drei Elemente. Sie enthält Empfehlungen für das Verfahren, also die Durchführung der Umweltprüfung, außerdem für die eigentliche Methodik, die anzuwendenden Analysewerkzeuge, und drittens für die Umsetzung, also die politische Relevanz der Empfehlungen. Für das Verfahren schlägt der WWF vor, die Nachhaltigkeitsprüfung so früh wie möglich durchzuführen. Aus seiner Sicht steigert dies die Wahrscheinlichkeit, dass die Ergebnisse politische Entscheidungen beeinflussen. Die Nachhaltigkeitsprüfung sollte ausreichend frühzeitig im Verhandlungsprozess über das Übereinkommen stattfinden, damit es die Verhandlungsführer informieren und deren Position beeinflussen könne. Außerdem sollten auch bestehende Übereinkommen überprüft werden, weil so die konkreten (im Gegensatz zu nur möglichen oder vorhergesagten) Effekte der Handelsliberalisierung auf die Umwelt und die Gesellschaft untersucht werden können. Außerdem können so Informationen für die Vorbereitung neuer und kommender Verhandlungen zur Verfügung gestellt werden. Als ebenso wichtiges Verfahrenselement schätzt der WWF die Beteiligung der Betroffenen und der Öffentlichkeit ein, da sie die Effektivität und die Legitimität des Verfahrens bestimme. Alle relevanten Interessengruppen sollten an den verschiedenen Stufen des Verfahrens beteiligt werden. Diese Gruppen reichen von lokalen Gemeinschaften über die relevanten Regierungsstellen (Handel, Umwelt, Entwicklungszusammenarbeit) bis hin zu NGOs. Die effektive Umsetzung der Partizipation sei ein bestimmendes Entwicklungselement der Methodik insgesamt.322 Methodisch im engeren Sinne empfiehlt der WWF eine Konzentration auf sektorielle Überprüfungen, da die Methodik für sektorübergreifende Auswirkungen noch unterentwickelt sei. Die Methodik, die der WWF vorschlägt, ist keine quanitative, auch wenn der Wert von quantitativen Analysen und Modellen ausdrücklich anerkannt wird. Sie konzentriere sich vielmehr auf einen Katalog qualitativer Fragen, die die wirtschaftlichen, sozialen und Umweltauswirkungen der Handelsübereinkommen aufdecken sollen, wenn Import-Export-Muster, Produktion, Verbrauch und Technologie untersucht werden. Der WWF schlägt vor, mit den zu erwartenden wirtschaftlichen Auswirkungen der Handelsliberalisierung zu beginnen und erst in einem zweiten Schritt auch die sozialen und ökologischen Folgen zu untersuchen. Allerdings müssten auch die ökonomischen Analysemethoden, von Modellen, über Fallstudien bis zu Szenarien, noch weiter entwickelt werden, um soziale und Umweltfolgen absehbar zu machen.323 Als qualitative Fragen auf der wirtschaftlichen Seite werden für die Produktebene 322 Mireille Perrin, WWF’s Work on Sustainability Assessment of Trade, in: WWF/ Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 87. 323 WWF, Initiating an Environmental Assessment of Trade Liberalisation in the WTO, Gland 1999, S. 10.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
vorgeschlagen: „Wird die Handelsliberalisierung die Importe oder Exporte eines bestimmten Produktes beeinflussen und wenn ja, wie sehr?“ oder „Wird die Handelsliberalisierung die Verfahrens- und Produktionsmethoden dieses Produktes verändern.“ Für die sektorielle Analyse empfiehlt der WWF: „Wird die Handelsliberalisierung die Importe oder Exporte dieses Wirtschaftszweiges beeinflussen, wenn ja, wie?“ oder „Wie wird die Handelsliberalisierung die regionalen/geografischen Produktions- und Verbrauchsmuster verändern?“ Für die soziale Seite werden Fragen nach der Beschäftigungsrate, der Mobilität, dem Bildungsniveau, den Migrationsbewegungen, der Gesundheit, der Einkommensverteilung und der geschlechtsspezifischen Auswirkungen (die Verteilung der Arbeit nach Geschlechtern und der Zugang für Frauen zum Handel) angeregt. Für die Umweltauswirkungen schlägt der WWF eine Trennung in Produkt- und Sektorebene vor: „Wird die Liberalisierung vor allem umweltfreundliche oder umweltfeindliche Produkte begünstigen?“ oder „Wird die Handelsliberalisierung den Transfer sauberer Techniken befördern?“ Für Wirtschaftszweige schlägt der WWF ähnliche Fragen vor. Zwei weitere Elemente der Nachhaltigkeitsprüfung erörtert der WWF. So sollen auch die regulatorischen Auswirkungen der Liberalisierung überprüft werden. Dabei könnte etwa für den Produktlevel gefragt werden, wie der erhöhte Handel für ein bestimmtes Produkt die Harmonisierung von Umweltstandards beeinflussen kann und wie sich der vermehrte Handel auf die Effektivität dieser Standards auswirkt. Für die sektorielle Analyse wird gefragt, ob die Liberalisierung zu einer Harmonisierung der Umweltregelungen in dem Wirtschaftszweig auf ein höheres oder niedrigeres Niveau führt. „Wie wird außerdem die schon existierende Umweltgesetzgebung in diesem Bereich beeinflusst werden?“324 Als letzten Prüfungspunkt schlägt der WWF vor, die internationalen Auswirkungen zu untersuchen. Gerade die Commission on Sustainable Development (CSD) hat wiederholt betont, dass ein internationaler Rahmen für die Nachhaltigkeitsprüfung geschaffen werden sollte und die internationale Zusammenarbeit unter den relevanten Organisationen wie WTO, UNEP, UNCTAD, UNDP, WHO und der Commission on Sustainable Development notwendig sei. Dabei kann ein internationaler Rahmen sich an der Methodik für nationale oder sektorielle Nachhaltigkeitsprüfungen orientieren. Für internationale Prüfungen sollte mit einem speziellen Sektor (und mit seinen Hauptprodukten) begonnen werden, sowie mit den Staaten, deren Betroffenheit durch die Handelsveränderungen am wahrscheinlichsten ist. Sodann könnten die verschiedenen Organisationen die Handelseffekte innerhalb ihrer Mandate überprüfen. Mit anderen Worten, die WTO würde in Zusammenarbeit mit der Weltbank die ökonomischen bzw. Handelsauswirkungen ermitteln, UNEP die Umweltauswirkungen, UNCTAD die Entwicklungsauswirkungen und UNDP, WHO und ILO die weiteren sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen. Die regula324 WWF, Initiating an Environmental Assessment of Trade Liberalisation in the WTO, Gland 1999, S. 13.
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 207
torische Prüfung könnte gemeinsam vorgenommen werden, wobei der Commission on Sustainable Development eine besondere Rolle in der institutionellen Koordinierung zukommen würde. Besser als nachfolgende Assessments sollte auf internationaler Ebene ein interagency joint assessment process stattfinden,325 also eine gemeinsame Nachhaltigkeitsprüfung über die Grenzen der Organisationen hinweg. Weiterhin ist der Rahmen so zu gestalten, dass Nachhaltigkeitsprüfungen auf nationaler und internationaler Ebene durchgeführt werden. Um die regionalen, überregionalen und globalen Effekte zu ermitteln, könnte ein regionaler Koordinationsprozess begonnen werden. Die Regionalbüros des UNEP und der UN-Regionalwirtschaftskommissionen würden dann in enger Kooperation mit nationalen Regierungen die Prüfungen durchführen und regionale Prioritäten bei den Auswirkungen der Handelsliberalisierung erarbeiten. So ein Prozess könnte gerade für Staaten ohne ausreichende Ressourcen und Fachwissen für eigene Nachhaltigkeitsprüfungen sinnvoll sein. Außerdem würde so eine Verdoppelung der Arbeit für nationale und internationale Nachhaltigkeitsprüfungen vermieden.326 Ein dritter Schwerpunkt der Arbeit des WWF liegt auf dem Nachfolgeprozess. Hier soll gesichert werden, dass die Ergebnisse auch in den politischen Entscheidungsprozess einfließen. Dies könne vor allem durch konkrete politische Empfehlungen als Ergebnis der Nachhaltigkeitsprüfung geschehen. Dabei sollte die Nachhaltigkeitsprüfung nicht als rein akademische Übung verstanden werden sondern der Formulierung der Handelspolitik dienen.327 2. Fallstudien Der WWF hat bisher zwei konkrete Fallstudien durchgeführt. Jeweils in Zusammenarbeit mit Oxfam wurde 1996 der Maissektor auf den Philippinen328 und im Jahr 2000 die Maisproduktion in Mexiko329 untersucht. Das Ziel der letzteren Studie bestand darin, die Vorhersagen der Auswirkungen des NAFTAÜbereinkommens auf die mexikanische Maisproduktion zu überprüfen. Als Er325 WWF, Initiating an Environmental Assessment of Trade Liberalisation in the WTO, Gland 1999, S. 13. 326 WWF, Initiating an Environmental Assessment of Trade Liberalisation in the WTO, Gland 1999, S. 13. 327 Mireille Perrin, WWF’s Work on Sustainability Assessment of Trade, in: WWF/ Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 87. 328 Oxfam/WWF, Trade Liberalisation as a threat to Livelihood: The Corn Sector in the Philippines, Oxford/Gland 1996. 329 Alejandro Nadal, The Environmental & Social Impacts of Economic Liberalization on Corn Production in Mexico – A Study Commissioned by Oxfam GB and WWF International, Oxford/Gland 2000.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
gebnis wurde festgestellt, dass die Armut unter der mexikanischen Landbevölkerung seit Inkrafttreten der NAFTA zugenommen hat. Insbesondere die Situation der Maisbauern habe sich durch das NAFTA und durch andere Regierungsentscheidungen verschlechtert. Dadurch hat die Landflucht zugenommen und sich der Druck auf die Umwelt, die Wasserversorgung und die Wälder erhöht. Als alarmierend wurde die Zunahme der Gesamtmaisanbaufläche in Mexiko und die Abnahme des durchschnittlichen Ertrages gewertet. Dadurch kam es zu einem erhöhten Druck auf Mexikos Biosphärenreservate und Nationalparks. Langfristig und ohne die notwendigen politischen Maßnahmen, würde sich die sozio-ökonomische und die Umweltkrise in den ländlichen Gebieten immer weiter verstärken. Die Studie schlägt konkrete politische Maßnahmen vor, um die Probleme zu beseitigen. Makroökonomisch sollten ländliche Gebiete durch öffentliche Investitionen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Kommunikation und durch eine längere Übergangsfrist für die Liberalisierung der Maispreise unterstützt werden. Die Landwirtschaft sollte auf nachhaltige Weise, etwa durch zwei Fruchtfolgen pro Jahr intensiviert werden, begleitet von Erosionsmaßnahmen und Bodenschutzmaßnahmen. Es wird vorgeschlagen, spezielle Subventionen (sowohl als direkte Beihilfe als auch als technische Hilfe), die es den Maisbauern ermöglichen, die genetischen Ressourcen in diesem Bereich zu bewahren, einzuführen. Die Studie folgt im Wesentlichen der vom WWF vorgeschlagenen Methodik. Zuerst werden auf herkömmliche Weise die ökonomischen Folgen für den Maissektor durch die Marktöffnung unter NAFTA analysiert. Anschließend werden die sozialen und ökologischen Folgen gemeinsam untersucht. „This is in contrast to many other studies, which artificially separate them,“330 stellt der Autor selbstbewusst fest. Für die Studie wurden Untersuchungen vor Ort in sieben verschiedenen ländlichen Regionen durchgeführt. Insgesamt wurden dabei 38 Produzenten interviewt und die Ergebnisse für die Region aggregiert. Weitere Konsultationen fanden nicht statt. 3. Bewertung Im Unterschied zu anderen Initiativen versucht der WWF, eine effektive Nachhaltigkeitsprüfung zu entwerfen. Dabei soll nach eigener Auskunft ein integriertes Modell entwickelt werden, das keine UVP für Handelspolitik mit aufgesetztem „social bit“ ist.331 Positiv an den methodischen Vorschlägen des WWF ist die Empfehlung, möglichst frühzeitig mit der Nachhaltigkeitsprüfung anzusetzen. Dies ist ganz im Sinne des Vorsorgeprinzips, das in den Erwägungen des WWF im Übrigen nicht auftaucht. Das Problem an dieser Stelle ist aller330 Alejandro Nadal, The Environmental & Social Impacts of Economic Liberalization on Corn Production in Mexico – A Study Commissioned by Oxfam GB and WWF International, Oxford/Gland 2000, S. 11. 331 WWF, Q&A – Sustainability Assessment, Gland/Washington 2001.
C. Vorschläge Int. Organisationen und Int. Nicht-Regierungsorganisationen 209
dings, dass nur dann die Einbeziehung in den Entscheidungsprozess sichergestellt ist, wenn die Prüfung parallel zum Verhandlungsprozess stattfindet und die Ergebnisse sich konkret auf verhandelten Fragestellungen beziehen. Hierauf legt der WWF besonderen Wert, ebenso wie auf eine Folgestrategie. Bei den offiziellen Modellen wird auf diesen Punkt weniger Wert gelegt. Das Vorziehen der qualitativen Analyse erfolgt beim WWF-Modell ähnlich wie bei dem Modell der SEA in Kanada. Auch hier werden Fragen gestellt und eine regulatorische Analyse durchgeführt. Gerade Letztere ist sehr interessant für Juristen, wobei eine umfassende Abschätzung in den wenigsten Fällen möglich sein wird. Die Vorschläge für das internationale Assessment, das einen Rahmen für nationale und regionale Nachhaltigkeitsprüfungen bilden kann, sind hervorzuheben. Hierfür wurde der WWF bei dem Expertentreffen in Quito kritisiert. In dem zusammenfassenden Bericht heißt es hierüber: „The international level gave rise to a wider divergence of views. In some groups, there was little support for international processes of assessment. One group suggested that a general common framework for Sustainability Assessments could be developed, but the feasibility and desirability of this was questioned, especially from the perspective of developing countries.“332 In späteren Studien hat der WWF diesen Vorschlag daher auch bisher nicht wieder aufgegriffen, obwohl er nach wie vor bedenkenswert erscheint. Das Argument mangelnden Fachwissens in einzelnen Staaten kann angesichts der UNEP-Untersuchungen nicht überzeugen. Als Ziele für die weitere Arbeit hat der WWF Folgendes formuliert: 1. Institutionalise Sustainability Assessment (SA) Encourage national governments to adopt and implement politically effective stakeholder-oriented sustainability assessment processes. 2. Build Capacity and Conduct Advocacy Increase local capacity for stakeholders to undertake, participate and advocate the use and promotion of sustainability assessments. 3. Strengthen Analysis and Practical Application Encourage and promote appropriate trade reform by developing strong factbased arguments founded on sustainability assessments through both analysis and case studies.333 Gerade die Stärkung der Institutionalisierung der Nachhaltigkeitsprüfung erscheint vor dem Hintergrund dieser Arbeit begrüßenswert. Allerdings kann die Abwendung von dem ursprünglichen multilateralen Vorschlag beobachtet werden.
332 WWF/Fundación Futuro Latinoamericano, The International Experts’ Meeting on Sustainability Assessments of Trade Liberalisation – Quito, Ecuador 6–8 March 2000, Full Meeting Report, Gland 2000, S. 5. 333 WWF, Balanced Process, Balanced Results: Sustainability Assessment and Trade, Gland 2001.
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2. Teil: Einzelne Instrumente der Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfung
Die Fallstudie des mexikanischen Maissektors zeigt, dass die Methodik ausreicht, um die Auswirkungen des Handels zu analysieren und konkrete politische Maßnahmen vorzuschlagen. Problematisch an ihr ist nur die mangelnde breitere Beteiligung in der Öffentlichkeit. Hier erscheinen die multistakeholder consultations, die UNEP vorschlägt, vorzugswürdig. Interviews mit 38 Maisbauern können dieses Defizit leider nicht aufwiegen. Hier sollte sich der WWF an seinen eigenen Vorschlägen messen lassen. Allgemeinere Fallstudien hat der WWF zum Dienstleistungshandel334 und zum Multilateralen Investitionsübereinkommen335 durchführen lassen. Sie bilden Teil einer neuen Strategie von WWF International: „Balanced Process, Balanced Results: Sustainability Assessment and Trade“, die von 2001 bis Ende 2003 angelegt ist.336 Als weitere konkrete Studien sollen der Sojaanbau in Brasilien und der Fischereisektor in den Philippinen untersucht werden.
334 WWF, Preliminary Assessment of the Environmental & Social Effects of Liberalisation in Tourism Services – WWF International Discussion Paper, Gland 2001. 335 WWF, Enhancing the Environmental Review of the Draft Multilateral Agreement on Investment – A WWF Discussion Paper, Gland 1998. 336 WWF, Balanced Process, Balanced Results: Sustainability Assessment and Trade, Gland 2001.
3. Teil
Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO Die aufgezeigten Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen haben gezeigt, dass es selbst bei der Erstellung von Welthandelsregelungen sinnvoll sein kann, die Umweltverträglichkeit bzw. Nachhaltigkeit zu prüfen. Allerdings lassen sich aus den Ausführungen auch mögliche Einschränkungen einer Übertragbarkeit des Instrumentes auf die WTO ableiten. Diese müssen im Weiteren genauer untersucht werden. Grundsätzlich erscheinen zwei Ansatzpunkte denkbar. Zum einen könnte eine Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung in den Verhandlungsprozess für die Welthandelsregelungen integriert werden, zum anderen könnte die WTO bei der Überprüfung der Handelspolitik ihrer Mitglieder auch auf die Umweltauswirkungen bzw. Nachhaltigkeitsfolgen achten. In diesem Sinne sollen zunächst die Welthandelsverhandlungen und anschließend der Trade Policy Review Mechanism (TPRM) näher betrachtet werden.
A. Allgemeine Probleme der Welthandelsverhandlungen Um konkrete Vorschläge hinsichtlich des Verhandlungsprozesses und der Integration einer Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfung machen zu können, muss zunächst der Charakter der Handelsverhandlungen im Rahmen der WTO erläutert werden.
I. Ablauf der Weltwirtschaftsverhandlungen Bei den Welthandelsverhandlungen wurde grundsätzlich der Vertragscharakter, bestehend aus einem Geben und Nehmen, für das GATT 1947 betont. Damit wurde die strenge Verschwiegenheit der Verhandlungen begründet und die Erfolge der immer folgenden Zollsenkungen schienen den Verfechtern Recht zu geben. 1. Green Room Prozess Konkrete Zollzugeständnisse wurden üblicherweise nicht im Plenum, sondern nur in sogenannten Green Rooms gemacht. Hier wurden die Botschafter bzw.
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
bei den Ministerkonferenzen die Minister der betreffenden Staaten in den grünen Salon gerufen und die Zugeständnisse ausgehandelt. Wegen der Meistbegünstigungsverpflichtung des GATT wurden besonders günstige Zugeständnisse allerdings für alle Vertragsparteien wirksam. Somit mündete der Prozess schon bald in ein Muster, in dem die wichtigsten Handelspartner die wesentlichen Zugeständnisse aushandelten. Daraus entstand auch die sogenannte Quad, die vier Staaten mit dem größten Handelsvolumen. Seit der Gründung der EWG war diese gemeinsam mit den USA, Kanada und Japan in dieser exklusiven Runde im Wesentlichen für die Verhandlungsergebnisse verantwortlich. Die übrigen Staaten konnten diese Ergebnisse nur annehmen oder ablehnen. Einen wirklichen Einfluss auf die Verhandlungen hatten sie kaum. Auch nach Gründung der WTO hielt diese bestimmende Rolle an.1 2. Neuerungen zur Ministerkonferenz von Doha Die Rolle der Quad und des Verhandlungsprozesses insgesamt änderte sich erst mit dem Scheitern der Ministerkonferenz in Seattle 1999 und der Vorbereitung auf die Ministerkonferenz in Doha, Katar. a) Außergewöhnliche Umstände Die Situation, in der die vierte WTO-Ministerkonferenz im Nahen Osten stattfand, war für eine große Wirtschaftskonferenz ungewöhnlich. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York entschied sich die Regierung Bush zu einem Angriff auf die Taliban in Afghanistan und erhielt dabei die Unterstützung der NATO-Alliierten. Nur etwa tausend Kilometer von den Kampfhandlungen entfernt trafen sich die Handelsminister der Welt. Die Weltwirtschaft hatte mit besonderer Zurückhaltung auf die Ereignisse im September reagiert und wartete auf ein positives Signal aus Doha. Die großen Firmen, die amerikanische Regierung und verschiedene Organisationen hatten vor Reisen in den Nahen Osten gewarnt oder leitenden Angestellten eine Reise sogar verboten. Somit kamen erheblich weniger Teilnehmer, NGOs und Beobachter als erwartet. Die Verhandlungen wurden aufgrund der umfangreichen Vorbereitungen der katarischen Regierung und der Intervention des WTO-Generaldirektors Mike Moore nicht verschoben, obwohl sich kurzfristig Singapur als Ausweichort angeboten hatte.
1 Vgl. Statement by Renato Ruggiero on the „QUAD“ meeting, WTO-Dokument PRESS/27, vom 23.10.1995.
A. Allgemeine Probleme der Welthandelsverhandlungen
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b) Neue Verfahren für die Ministerkonferenz Schon bei der Vorbereitung auf die Ministerkonferenz wurden neue Verfahren bei der WTO eingeführt. Das Scheitern in Seattle, das stark von dem Gegensatz zwischen den USA und der EU bestimmt gewesen war, wurde als Zeichen für mehr Beteiligung innerhalb der WTO gewertet. Entwicklungsländer vertraten stärker als vorher ihre Positionen. Das führte insgesamt zu einem stärkeren Ausgleich zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, aber auch innerhalb der jeweiligen Staatengruppe. Die intensive Vorbereitung vor dem Hintergrund von Seattle und der built-in Agenda sollte sich als richtige Vorgehensweise erweisen. Im Allgemeinen Rat der WTO wurden intensive Konsulationen durchgeführt. Außerdem luden der Vorsitzende des Allgemeinen Rates, Hongkongs Botschafter Harbinson, und Generaldirektor Moore einzelne Staaten aus beiden Gruppen zu sogenannten mini minsterials, also kleinen Ministertreffen im August und im September 2001. Deshalb gab es für die Ministerkonferenz selbst einen Textentwurf, in dem nur wenige umstrittene Textabschnitte enthalten waren. Auch die Verfahrensabläufe in Doha selbst wurden gegenüber den bekannten green rooms verändert. Es tagte ein Committee of the Whole, in dem alle Minister mit jeweils zwei Beratern vertreten waren. Diese auch sprachliche Annäherung an die Vereinten Nationen war letztlich erfolgreich, da alle Staaten die Möglichkeit zur Stellungnahme hatten, was auch ausführlich wahrgenommen wurde. Leider war die Öffentlichkeit von diesen Sitzungen ausgeschlossen. Der vorsitzende Handelsminister von Katar ernannte mit Hilfe des WTO-Sekretariates sechs Minister als Friends of the Chair,2 die in kleineren Runden versuchen sollten, zwischen den Hauptkontrahenten bei einzelnen Abschnitten der Erklärung zu vermitteln. Es wurde auch hiermit nicht die ursprüngliche geschlossene Gesellschaft auf Umwegen wieder eingeführt, sondern alle interessierte Staaten konnten an den Konsultationen teilnehmen, auch wenn die Endentscheidung für die Vermittlung bei dem jeweiligen Friend of the Chair lag. Damit wurden die Entwicklungsländer stärker eingebunden als bei vorhergehenden Verhandlungen. Dennoch bleibt der WTO-Verhandlungsprozess mit gravierenden Problemen verbunden. Es gibt keine externe Transparenz, auch wenn einige Fortschritte in 2 Die jeweiligen Bereiche und die entsprechenden Minister: Agriculture: George Yeo, Minister for Trade and Industry, Singapore; Implementation: Pascal Couchepin, Minister of Economic Affairs, Switzerland; Environment: Heraldo Munoz Valenzuela, Under Secretary of Foreign Affairs, Chile; Rule-making: Alec Erwin, Minister of Trade and Industry, South Africa; New Issues: Pierre Pettigrew, Minister of International Trade, Canada; TRIPs: Luis Ernesto Derbez Bautista, Secretary of Finance, Mexico und später auch noch Labour Standards, TRIPs and Biodiversity, and Dispute Settlement Reform: Botswana’s Minister of Trade, Industry, Wildlife and Tourism Tebelelo Seretse, vgl. BRIDGES Doha 01 daily update, 11.11.01 online: http://www. ictsd.org/ministerial/doha/wto_daily/englishissue2.htm (März 2007).
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
dieser Hinsicht erzielt werden konnten. Die Beteiligung von am wenigsten entwickelten Staaten war nach wie vor problematisch. Einige WTO-Mitglieder hatten nur eine Delegation, bestehend aus zwei Personen. Für diese war es unmöglich, auch den Diskussionen, die von den Friends of the Chair geleitet wurden, zu verfolgen. Die Interessenvertreter der Wirtschaft waren stärker als andere Mitglieder der Zivilgesellschaft an dem Verhandlungsprozess beteiligt. Sie waren zum Teil als Mitglieder der Regierungsdelegation nach Doha gereist. Selbst Parlamentarier klagten zum Teil über zu wenig Zugang. c) Fortschritte bei der Transparenz und der Partizipation Die Geschichte der Transparenz hatte einen schlechten Start für die vierte Ministerkonferenz. Nur 647 NGOs wurden zugelassen3 und mangels Hotelkapazität, nur ein Vertreter pro NGO. Aufgrund der besonderen Begleitumstände für die Konferenz waren am Ende nur 420 NGO-Vertreter von 388 unterschiedlichen NGOs in Doha anwesend. Das Verhältnis zwischen Vertretern von Unternehmerverbänden und von multinationalen Unternehmen einerseits und Vertretern von sogenannten public interest-NGOs andererseits war aus diesem Grund ausgeglichener als bei früheren WTO-Ministerkonferenzen. Dies könnte das außergewöhnlich hohe Diskussionsniveau, das von offizieller Seite gelobt wurde, begründen. Das WTO-Sekretariat organisierte hochkarätig besetzte Workshops und viele Staatendelegierte nahmen ungewöhnlicherweise an NGO-Veranstaltungen teil. Daneben versuchten einzelne WTO-Mitglieder die externe Transparenz zu verbessern. So wurden, auch wegen der Sicherheitslage in Doha selbst, US-Bürger zur Teilnahme an den briefings des USTR verpflichtet. Die kanadische Delegation übertrug die Sitzungen per Telefonkonferenz zu einzelnen NGO-Vertretern über ganz Kanada verteilt. Die EU bot mehrere NGO-briefings mit den Kommissaren für Handel und Landwirtschaft Lamy und Fischler an. Demgegenüber waren die Informationssitzungen der EU-Mitgliedsstaaten weniger auskunftsreich, da die Mitgliedstaaten von der Kommission während des Tages nicht gesondert informiert wurden. Positiv muss weiterhin angemerkt werden, dass der erste neue Textentwurf nach wenigen Minuten öffentlich erhältlich war und im Internet veröffentlicht wurde. Dies ist für vertrauliche Verhandlungen recht ungewöhnlich. In Doha wurde das Bild des nicht-informierten Globalisierungsgegners für viele WTO-Mitgliedsvertreter berichtigt. Das Expertenwissen wurde allseits gelobt und z. T. sogar konsultiert und so ein erster Schritt in Richtung Partizipation gemacht. Der Zugang für NGOs zum Hauptversammlungssaal war während der ganzen Konferenz gewährleistet, außerdem wurde das Geschehen dort im 3 Zum Vergleich, in Cancún 2003 waren etwa 3000 NGOs mit jeweils drei Delegierten zugelassen worden.
A. Allgemeine Probleme der Welthandelsverhandlungen
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Fernsehen und sogar im Internet übertragen.4 Hier wurden allerdings nur die Reden der Minister gehalten. Die eigentliche Verhandlungszone war als restricted area nur für Staatenvertreter zugänglich. Die räumliche Nähe zum NGOZentrum (5 Min. Fußweg) und Zugang zum Pressezentrum für NGO-Vertreter waren für die WTO ungewöhnliche Umstände, die sich wohl nur aus der besonderen Situation heraus erklären lassen. Viele Regierungsvertreter stimmten sich in einem Maße mit NGO-Vertretern ab, das zuvor nur von Umweltkonferenzen bekannt war. Die vielfältigen Dialoge und briefings haben wahrscheinlich auch zu einigen Formulierungen in der Ministererklärung geführt.5 Die Diskussionen um das Thema Handel und Umwelt führten zu einem höheren Gewicht der Umwelt-NGO, die durch ihre Fachkompetenz Einfluss nehmen konnten. Es bleibt somit festzuhalten, dass es auch auf den Ministerkonferenzen der WTO Ansätze zu mehr externer Transparenz und zu Ansätzen von Partizipation gibt. Dies muss vor dem Hintergrund der Einführung einer Umweltprüfung bzw. Nachhaltigkeitsprüfung auf multilateraler Ebene beachtet werden.
II. Analyse der bisherigen Situation in der WTO Als zentral erweist sich immer wieder, dass die WTO eine weitgehend member-driven organisation ist. Das bedeutet, dass alle wesentlichen Entscheidungen von den Mitgliedsländern gefällt werden müssen. Das Sektretariat ist nur verhältnismäßig klein und auf wenige spezifische Aufgaben beschränkt. 1. Beachtung der geltenden Prinzipien Die analysierten Prinzipien, wie das Transparenzprinzip und die besondere und differenzierte Behandlung von Entwicklungsländern, haben sich intern nach der Ministerkonferenz in Doha weitgehend durchgesetzt. Das Vorsorgeprinzip hat noch keine allgemeine Gültigkeit, wird aber schon für die Interpretation der Übereinkommen genutzt und sollte daher auch bei neuen Regelungen beachtet werden.
4
Vgl. online: http://wto2.unbn.unit.net/index_e.cfm (Stand Juni 2002). Zumindest für den Satz in der Erklärung über Fischereisubventionen, die vorher in keinem Textentwurf enthalten war, aber von der Kampangne von WWF deutlich vorgetragen wurde, kann dies wohl bewiesen werden. Vgl. WWF International, online: www.panda.org. 5
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
2. Kooperation mit dem UNEP (Preamble Doha Ministerial Declaration) Für den Entwurf einer multilateralen Umweltprüfung sollte noch auf die Kooperation zwischen UNEP und der WTO hingewiesen werden.6 Abgesehen von der Weltbank und dem Weltwährungsfonds (vgl. Art. III:5 WTO-Übereinkommen) hatte die WTO vor dieser formalisierten Zusammenarbeit nur informelle Kontakte zu anderen Internationalen Organisationen. Die Tatsache, dass es gerade das Umweltprogramm der Vereinten Nationen war, mit dem die WTO kooperiert, weist auf den erhöhten Stellenwert hin, den diese Fragestellungen auch innerhalb der Organisation haben.7 3. High Level Symposia Einen Beitrag zur Öffnung der Organisation leisten auch die öffentlichen Symposien der WTO. Das erste zu Handel und Umwelt fand am 15. und 16. März 1999 in Genf statt. Eingehend wurde dabei über die Rolle der WTO in Bezug auf Handel und Umwelt diskutiert.8 Daneben wurden auch noch High Level Symposia über „Handel und Entwicklung“ und „Handel und Tourismusdienstleistungen“ abgehalten. Themenübergreifende Symposien für die civil society wurden in den Jahren 2001 und 2002 mit fast 1000 Teilnehmern abgehalten. Auch wenn das Seketariat hier die Organisation übernahm, so wurde der inhaltliche Teil doch vollständig von verschiedenen NGOs gestaltet. Diese Art des Erfahrungsaustausches deutet auch auf eine Einbindung der NGOs und ihrer Fachkompetenz hin.9 4. Doha Ministerial Declaration Den bisher wichtigsten Schritt im Sinne einer Umsetzung des Verfahrensanteils des Vorsorgeprinzips enthält die Ministererklärung von Doha. Dort wird neben der Erwähnung und Förderung nationaler Umweltprüfungen mit Paragraph 51 ein Ansatz zu einer Nachhaltigkeitsprüfung normiert. In der Ministererklärung von Doha bekräftigten die Minister erneut ihre Verpflichtung zur Um6
WT/PRESS/154 vom 29.11.1999. Vgl. Committee on Trade and Environment – MEA information session, Statement by the Executive Director of UNEP, Dr. Klaus Töpfer WTO-Dokument WT/ CTE/W/179 vom 28.11.2000. 8 Vgl. WTO Trade and Environment Devision, High Level Symposium on Trade and Environment, Geneva, 15–16 March 1999, Background document, und IISD, Report on the High Level Symposium on Trade and Environment, online: http://www. wto.org/english/tratop_e/envir_e/sumhlenv.pdf (März 2004). 9 Vgl. Diskussion über Nachhaltigkeitsprüfungen auf dem 2006 Public Forum: WTO, 2006 WTO Public Forum – „What WTO for the XXIst Century?“ Genf 2007, S. 197 ff. 7
A. Allgemeine Probleme der Welthandelsverhandlungen
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setzung einer nachhaltigen Entwicklung, wie dies in der Präambel des Marrakesch-Abkommens von 1994 vorgesehen ist. Paragraph 51 der Erklärung verlangt vom WTO-Ausschuss für Handel und Entwicklung (Committee on Trade and Development (CTD) und dem Ausschuss für Handel und Umwelt (Committee on Trade and Environment (CTE)), beide sollten „within their respective mandates, each act as a forum to identify and debate developmental and environmental aspects of the negotiations, in order to help achieve the objective of having sustainable development appropriately reflected.“ Das bedeutet, dass sie im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate, als ein Forum agieren sollen, um die Verhandlungsaspekte in Bezug auf Entwicklung und Umwelt zu definieren und die damit verbundenen Fragen zu erörtern, um so dazu beizutragen, eine angemessene Reflexion der Probleme nachhaltiger Entwicklung zu erreichen. Das Mandat könnte ein bedeutender erster Schritt zur Realisierung dieser Verpflichtung auf das Ziel nachhaltiger Entwicklung sein. Mit der Verabschiedung dieses Paragraphen 51 hat die WTO zum ersten Mal einen Mechanismus eingerichtet, um die Auswirkungen von Handelsregeln auf Umwelt und Entwicklung zu beurteilen. Ob dieser Auftrag an die Ausschüsse im Ergebnis zur Integration sozialer und ökologischer Anliegen in das Welthandelsystem (und darum zu einer nachhaltigen Entwicklung) beitragen kann, ist primär eine Frage der Ausgestaltung der Arbeitsweise. Diese wird von den beiden Ausschüssen beschlossen, wenn sie ihre neuen Mandate übernehmen.10 Sie soll hier näher untersucht werden. Doch zunächst muss die Entstehung des Abschnittes der Ministererklärung erläutert werden. a) Verhandlungsgeschichte Der ursprüngliche Vorschlag, die Verhandlungen mit Umweltaspekten anzureichern, wurde vor der Ministerkonferenz in Seattle von den USA eingebracht. Die USA schlugen vor, „Ministers call upon the Committee on Trade and Environment, acting within its mandate, to serve as a forum for the identification and discussion of links between elements of the negotiating agenda and the environment and public health. The CTE should look systematically and transparently at all the areas under negotiation on a rolling basis. After an initial run through all of the areas under negotiation, the CTE would continue to look at all of the issues so that the work of the CTE could evolve as the negotiations 10 Bis zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Manuskripts konnte sich sowohl das CTE als auch das CTD noch nicht auf ein gemeinsames Verfahren einigen. Die EU schlägt vor, dass das CTE und das CTD jeweils in getrennten Sondersitzungen die Verhandlungen diskutieren und schließlich eine gemeinsame Diskussion führen, vgl. BRÜCKEN Nr. 12, Mai 2002; diesem Vorschlag wurde gefolgt, jedoch ohne sich auf eine einheitliche Methodik einigen zu können.
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
evolve. The CTE would identify and discuss issues, but not try to reach conclusions or negotiate these issues in the CTE itself. Rather, it would provide a report of its discussions to Members and the relevant negotiating groups. Negotiations on these issues would be the responsibility of the relevant negotiating groups.“11 Hier wurden sogar schon konkrete Verfahrensvorschläge an die Ministerkonferenz unterbreitet. Das CTD wurde von den USA in ihrem Vorschlag dagegen nicht erwähnt. Kanada unterstützte die USA, indem es vorschlug, „[t]he WTO Committee on Trade and Environment (CTE) has carried out a useful ongoing discussion of the relationship between trade and environmental protection which has improved our understanding of trade and environment issues. The CTE should continue this discussion. It should also apply the understanding gained during these discussions by serving as a focal point for the integration of environmental considerations in the WTO negotiations without coming to conclusions or negotiating the issues.“12 Beide Staaten gingen damals in ihren Vorschlägen noch weiter und forderten die Mitglieder auf, nationale Umweltprüfungen durchzuführen. Die USA formulierten „At the national level, reviews of the round’s potential environmental effects, both positive and negative, are an important means of identifying trade and environment interlinkages. The United States will be performing a written review for the new round, sufficiently early in the process to be taken into account in formulating our national positions, based, among other things, on public input. We would encourage all WTO Members to do so and are pleased to note that a number of other Members have announced their intention to conduct such reviews. We believe that it would be useful to share the results of these reviews with one another.“13 Dies wurde ebenfalls von Kanada unterstützt: „Canada is committed to integrating sustainable development into domestic and foreign policy. The environmental review of policies and programmes, known as Strategic Environmental Assessment, is an important decision-making tool for promoting sustainable development. Canada will conduct a national Strategic Environmental Assessment of the upcoming round of multilateral trade negotiations at the WTO. We believe it would be useful for Members undertaking environmental assessments of the new round to exchange information on their approaches and their findings with other WTO Members. The benefit of this information exchange would be to highlight possible environmental impacts of the upcoming negotiations, both positive and negative, without focussing on specific countries. Another benefit 11 Vorschlag der USA für die Verhandlungsrunde in Seattle 1999, Using the CTE to promote a sustainable round, WTO-Dokument WT/GC/W/304. 12 Vorschlag Kanadas für die Verhandlungsrunde in Seattle 1999, WTO-Dokument WT/GC/W/358. 13 Vorschlag der USA für die Verhandlungsrunde in Seattle 1999, Using the CTE to promote a sustainable round, WTO-Dokument WT/GC/W/304.
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would be to avoid duplication of activity between various countries and maximize the use of scarce resources. Information exchange could also be useful in increasing policy coordination between trade and environment ministries in both developed and developing countries.“14 Schon Mitte 1999 haben damit die beiden Staaten, die sich auch selbst rechtlich zu einer eigenen Umweltprüfung der Verhandlungen in der WTO verpflichtet hatten, Vorschläge in Hinblick auf eine internationale Kooperation gemacht. Dabei muss beachtet werden, dass beide Staaten zwar vorschlugen, dass die WTO selbst die Verhandlungen begleiten solle. Richtige Umweltprüfungen wurden allerdings nur auf nationaler Ebene, verbunden mit einem Informationsaustausch, gefordert. Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurden diese Vorschläge allerdings zunächst nicht mehr erwähnt. Schon der erste Vorschlag für eine Ministererklärung von Doha enthielt dann aber beim Ablauf der Verhandlungen doch einen spezifischen Textvorschlag, der den Vorschlag der USA vor Seattle zu einem guten Teil widerspiegelt. In Absatz 41 heißt es: „The Committee on Trade and Development and the Committee on Trade and Environment will, within their respective mandates, each act as a forum to identify and debate developmental and environmental aspects of the negotiations, in order to help achieve the objective of having sustainable development appropriately reflected in the negotiations.“15 Schon zu diesem frühen Verhandlungszeitpunkt tauchten nicht nur das CTE, sondern auch das CTD als relevante forae auf. In dem zweiten Entwurf der Ministererklärung wurde der Absatz später noch verändert. „The Committee on Trade and Development and the Committee on Trade and Environment shall, within their respective mandates, each act as a forum to 14 Vorschlag Kanadas für die Verhandlungsrunde in Seattle 1999, WTO-Dokument WT/GC/W/358. 15 Harbinson I JOB(01)/140 26 September 2001, man beachte die zurückhaltende Einleitung zu dem ersten Textentwurf: „General Council Preparations for the Fourth Session of the Ministerial Conference Draft Ministerial Declaration The attached draft Ministerial Declaration is submitted for the consideration of delegations by the Chairman of the General Council in co-operation with the Director-General. It represents what they judge to be the best possible basis at the present time for reaching an eventual consensus on a balanced text to be put before Ministers in Doha. This draft does not of course purport to be agreed in any part, and it is understood that agreement must be reached on the text as a whole. The present draft presents options in certain areas, and in other areas text remains to be developed. These are indicated by notes in italics which are not to be read as part of the text proper. Further intensive consultations based on this draft are envisaged, with the aim of resolving outstanding differences before a revision is issued. This text is issued at the same time as the Draft Elements for Decision on Implementation-Related Issues and Concerns (Job(01)/139). The relationship between these two texts will need to be further developed as consultations on both proceed, in line with the indications in the texts.“
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
identify and debate developmental and environmental aspects of the negotiations, in order to help achieve the objective of having sustainable development appropriately reflected.“16 Aus dem zwingend formulierten „werden“ ist ein immer noch zwingendes „sollen“ geworden. Dies lässt beiden Ausschüssen etwas mehr Freiheit bei der Umsetzung. Allerdings bedeutete die Textänderung auch gleichzeitig eine Abschwächung der Verpflichtung. In Doha beschlossen die Minister schließlich diese Formulierung.17 Allerdings fügten sie auch die Erwähnung von nationalen Umweltprüfungen an zwei Stellen in die Ministererklärung ein und folgten so den Vorschlägen von Kanada und den USA. Die Vorentwürfe hatten solche Hinweise nicht enthalten. So heißt es in Para. 6 Satz 3 „We take note of the efforts by Members to conduct national environmental assessments of trade policies on a voluntary basis.“ und in Para. 33 Satz 2 „We also encourage that expertise and experience be shared with Members wishing to perform environmental reviews at the national level. A report shall be prepared on these activities for the Fifth Session.“ b) Interpretation des Paragraphen 51 Die Formulierung von Paragraph 51 erscheint auf den ersten Blick nicht sehr innovativ, da sie andeutet, dass die beiden Ausschüsse ihre Arbeit weiterhin getrennt „im Rahmen ihrer jeweiligen Mandate“ verrichten. Dabei sollten im Sinne der nachhaltigen Entwicklung Handel, Umwelt und Entwicklung gemeinsam betrachtet werden. Die sozialen und ökologischen Aspekte der Handelspolitik sind so mit deren ökonomischen Aspekten verbunden, dass die in der Erklärung getroffene thematische und strukturelle Unterscheidung nicht gerechtfertigt ist. Statt dessen würde sich empfehlen, dass die beiden Ausschüsse gemeinsam die Zielsetzung verfolgen, Belange einer nachhaltigen Entwicklung in den Handelsgesprächen zu erörtern, indem sie eine ganzheitliche und integrierte Arbeitsweise beschließen.18 Aus der rechtlichen Perspektive einer globalen nachhaltigen Entwicklung betrachtet, sollten die beiden Ausschüsse, statt der parallel aber getrennt geführten Diskussionen, die durch Paragraph 51 vorgegeben werden, eine gemeinsame Strategie für die Untersuchung von in den Verhandlungen aufgeworfenen „Fragen im Bereich nachhaltiger Entwicklung“ ausarbeiten. Ein möglicher Weg für die beiden Ausschüsse zum Zweck der Umsetzung des Man-
16 Revision des Entwurfes der Ministererklärung vom 27. Oktober 2001 JOB(01)/ 140/Rev.1 27 October 2001 General Council, para. 44. 17 Ministerial Conference Fourth Session Doha, 9–14 November 2001 Ministerial Declaration WT/MIN(01)/DEC/W/1 vom 14. November 2001, para. 51. 18 Markus W. Gehring/Alhagi Marong, Herausforderungen des Paragraphen 51 der Doha-Ministererklärung im Bereich Nachhaltigkeit, Brücken Nr. 11, März 2002, S. 22.
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dats aus Paragraph 51 könnte sein, als WTO-Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung gemeinsam zu tagen. In der WTO gibt es bereits Präzedenzfälle für eine solche „Metamorphose“ von Ausschüssen. So tagt der Allgemeine Rat als Streitschlichtungsgremium und als Überprüfungsgremium für die Handelspolitik, wenn auch mit jeweils anderen Vorsitzenden (Art. IV:3 und 4 WTO-Übereinkommen). c) Vorschläge zur Umsetzung des Paragraphen 51 Obgleich die Erklärung die Verwendung bestimmter Beurteilungstechniken nicht verlangt, sollten erprobte Mechanismen zur Beurteilung sozialer und ökologischer Auswirkungen von Handelsregeln bei der Umsetzung von Paragraph 51 angewendet werden. Die beiden Ausschüsse können auf die Bemühungen einzelner WTO-Mitglieder aufbauen, die Auswirkungen von Veränderungen von Handelsregeln auf die Umwelt zu bewerten oder eine Nachhaltigkeitsprüfung durchzuführen. Wie ausführlich erläutert wurde, haben Kanada, die USA, die EU, die Tschechische Republik und Norwegen bereits solche Studien durchgeführt.19 Bestehende integrierte Beurteilungsverfahren und -methoden sind zwar immer noch sehr unterschiedlich, und jeder Schritt in diese Richtung müsste von den WTO-Mitgliedern beschlossen werden. Eine methodische Vorgehensweise ist jedoch angezeigt, da die allgemeine politische Diskussion schon in den Verhandlungsgruppen stattfindet und so eine weitere allgemein-politische Diskussion im CTE und CTD nur zu Doppelungen führen würde. Die Methoden der Bewertung sind vielfältig und basieren in ihrer Mehrzahl auf einer breiten öffentlichen Beteiligung. Entsprechend dem ursprünglichen Vorschlag der USA müsste für eine Umsetzung des Mandates aus Paragraph 51 auch ein Weg zur Beteiligung der Zivilgesellschaft gefunden werden. Die Ausschüsse für Handel und Entwicklung und für Handel und Umwelt sollten, so wie es in Paragraph 51 angelegt ist, das Ziel der nachhaltigen Entwicklung bei ihrer Tätigkeit verfolgen. Dies muss bereits bei der Wahl der Methodik beachtet werden. Nur eine ganzheitliche und integrierte Arbeitsweise der beiden WTO-Ausschüsse wird dem Paragraph 51 der Ministererklärung gerecht. Der ganzheitliche Aspekt dieser Arbeitsweise impliziert statt einer thematisch getrennten Behandlung die integrierte Berücksichtigung sozialer, ökologischer und ökonomischer Auswirkungen und Implikationen von internationalen Handelsregeln. Im Interesse der Legitimität sollte der Prozess transparent und nicht ausschließend sein und unter Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden. Es gibt einen neuen internationalen Konsens, dass Normen, die durch partizipatorische 19 The USA first raised the issue in 1996 and called for national environmental reviews, see WT/CTE/W/37 23 July 1996. In discussions in the CTE during 2000, countries described their various efforts, WTO document WT/CTE/M/23, 5 April 2000.
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Beschlussfassungsprozesse geschaffen werden, als legitim wahrgenommen werden müssen und daher in größerem Maß eingehalten werden.20 Deshalb sollten die beiden Ausschüsse nicht nur wie der Ausschuss für Handel und nachhaltige Entwicklung zusammen tagen und Delegierte aus Entwicklungsländern und Industrieländern gleichermaßen einschließen, sondern die Verhandlungen sollten auch für Eingaben von entsprechenden Interessengruppen wie internationalen Organisationen mit Interesse oder Sachkenntnis bezüglich Umwelt- und/oder Entwicklungsfragen offen sein. Sie könnten von diesen Eingaben profitieren. Beispiele für derartig ,offene Diskurse‘ liefern UNCTAD, UNEP, Weltbank und UNDP in ihren jeweiligen Operationsbereichen. Besonders angesichts des Paragraphen 6 der Ministererklärung von Doha, der die fortgesetzte Zusammenarbeit der WTO mit dem UNEP und anderen staatlichen Umweltorganisationen begrüßt und die Bemühungen für eine Kooperation zwischen der WTO und anderen relevanten internationalen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen unterstützt, scheint diese Form der internationalen Kooperation und Mitwirkung besonders angemessen zu sein. Viele seriöse und angesehene NGOs und Persönlichkeiten könnten bei Angelegenheiten, bei denen es der WTO an spezifischem Fachwissen fehlt, ebenfalls Rat und Erfahrung anbieten. Der Ausschuss für Handel und Umwelt profitiert bereits von einer solchen Zusammenarbeit mit NGOs. Zudem sollten die Verhandlungen des neuen Ausschusses für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich sein. Eine größere interne und externe Transparenz ist nicht nur als Rechtsprinzip grundlegend für die WTO, sondern wird auch in Paragraph 10 der Ministererklärung von Doha ausdrücklich empfohlen. Indem sie die durch die Ministererklärung von Doha übertragene Aufgabe ausführen, würden die Ausschüsse für Handel und Entwicklung und für Handel und Umwelt praktisch die möglichen Auswirkungen von Handelsregeln und -gesetzgebung auf die Umwelt, die Gesellschaften, das Gemeinwesen und die Menschen berücksichtigen und erörtern. Dieser Prozess könnte am effektivsten durch eine transparente, integrierte und die Öffentlichkeit beteiligende Arbeitsweise umgesetzt werden, die eine Reihe von Interessengruppen einschließt, um den Prozess der Handelsgespräche für ein breiteres Spektrum der internationalen Gemeinschaft legitimer und akzeptabler zu gestalten, als dies bislang der Fall ist.
20 J. Brunnée/S. J. Toope, International Law and Constructivism: Elements of an Interactional Theory of International Law, 39 Colum. J. of Trans’l L. S. 19 (2000).
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III. Konkrete Entwicklungen zu einer Verhandlungsumweltprüfung bzw. Verhandlungsnachhaltigkeitsprüfung unter Einbeziehung der Lehren aus den dargestellten Instrumenten Zwar hat Paragraph 51 einen ersten konkreten Schritt in die Richtung der Einführung einer multilateralen Umwelt- bzw. Nachhaltikeitsprüfung getan. Die Analyse des Vorsorgeprinzips, des Transparenzprinzips und des Prinzips der besonderen und differenzierten Behandlung sowie die Erkenntnisse der untersuchten nationalen/regionalen Prüfungen legen darüber hinaus den Vorschlag einer Institutionalisierung des Instituts in der WTO nahe. Grundsätzlich sind bei der konkreten Entwicklung folgende Fragen näher zu untersuchen: • Wann ist der sinnvollste Zeitpunkt für eine Verhandlungsumwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung? • Wer sollte die Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung durchführen und wie sollte dies innerhalb der WTO institutionalisiert werden? • Wie können bestehende Ansätze in die konkrete Entwicklung eingebunden werden? • In welchem Umfang ist eine Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung zweckmäßig? 1. Zeitpunkt Der früheste logische Zeitpunkt einer mulitlateralen Prüfung bildet das Verhandlungsmandat. Vor diesem Zeitpunkt können nur retrospektive Prüfungen angestellt werden, da erst mit dem Verhandlungsmandat der Umfang und das Ausmaß der Verhandlungen feststeht. Die Prüfung sollte parallel zu den Verhandlungen stattfinden. Nach Abschluss der Verhandlungen sollte auch ein Abschlussbericht verfasst werden. Demgegenüber kann eine nachträgliche Umweltoder Nachhaltigkeitsprüfung multilateral nur sehr eingeschränkt sinnvoll sein. Es ist keineswegs absehbar, welche Form zukünftige Verhandlungen haben werden. Eine nachträgliche Untersuchung ist für die nationale Ebene besser geeignet, da hier der politische Rahmen feststeht, in dem sich auch die zukünftige Politik bewegt. 2. Institutionelle Anknüpfung Nach dem Ergebnis von Doha scheint die institutionelle Anknüpfung innerhalb der WTO das geringere Problem zu sein. Da der CTE und der CTD schon den Ansatz einer Assessement-Rolle für die neuen Verhandlungen haben, sollte
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
hier auch die institutionelle Anbindung erfolgen. Eine multilaterale Prüfung, wenn auch im Umfang erheblicher beschränkt als eine nationale, ist noch aus einem anderen Grund sinnvoll. Als grundlegendes Problem gelten seit langem die institutionellen Dissonanzen21 zwischen der Gemeinschaft der Handelsexperten auf der einen und der Gruppe der Umwelt-Experten auf der anderen Seite. Die Handelsseite weist eine lange Geschichte der Diplomatie, internationaler Vereinbarungen und gentlemen’s agreements zur Diskussion und Verhandlung von Fragen des Welthandels auf. Hinzu kommt die relativ klar abgrenzbare Klientel – Wirtschaft und Industrie. Im Gegensatz dazu ist die Umweltpolitik ein neues Feld. Bis vor kurzem wurde Umweltpolitik nur auf der nationalen Ebene betrieben. Dies steht in grobem Kontrast zu den immer wichtiger werdenden globalen Umweltproblemen, für die es bisher keine effektive Institution gibt. Überdies existiert wegen unterschiedlicher Philosophien und Ansätze keine abgrenzbare Klientel. Dies spricht zumindest für eine Umweltprüfung auf internationaler Ebene. Fraglich erscheint demgegenüber, wie mit den nationalen Umwelt- und Nachhaltigkeitsprüfungen verfahren werden könnte. Hier hatte Kanada für die SeattleVerhandlungsrunde einen detaillierten Vorschlag ausgearbeitet. Es sollte einen Informationsaustausch hinsichtlich der Methodologien und der Ergebnisse geben. Die Kanadier haben ihre Methodik schon der WTO in einer Mitteilung an den CTE bekanntgemacht.22 Darüber hinaus sollte der CTE, vorzugsweise gemeinsam mit dem CTD, als Ausschuss für nachhaltige Entwicklung (Committee on Trade and Sustainable Development, CTSD) das Mandat erhalten, die Ergebnisse auch multilateral zu diskutieren. 3. Einbindung bestehender WTO-Abläufe in eine integrierte Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung Die beschriebene Kooperation mit internationalen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen könnte für die Durchführung einer Verhandlungsprüfung genutzt werden. Insbesondere UNEP hat eine besondere Expertise in diesem Bereich entwickelt. Eine Auslagerung des Analyseteils der Prüfung würde die Glaubwürdigkeit erhöhen. Sie kann indes nicht die breitere Beteiligung der Öffentlichkeit ersetzen. Die Neuerungen im Verhandlungsablauf seit der Doha-Ministerkonferenz fügen sich gut in einen solchen Ansatz. Eine verstärkte Öffnung der WTO ist dringend notwendig. Die Symposien könnten Informationen zu einzelnen Themen erarbeiten oder insgesamt die Umwelt-/Nachhaltigkeitsprü-
21 Jan C. McAlpine/Pat Ledonne: The United States Government, Public Participation, and Trade and Environment, in: Zaelke/Orbuch/Houseman, S. 203, 205. 22 Kommunikation von Kanada, Framework for Conducting Environmental Assessments of Trade Negotiations, WTO-Dokument WT/CTE/W/183 vom 15. März 2001.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 225
fung in jeder Phase begleiten. Dem Sekretariat kommt dabei eher eine unterstützende Rolle zu. 4. Zweckmäßigkeit Nach der Ministererklärung von Doha stellt sich die Frage, ob eine Einführung einer Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung auf multilateraler Ebene überhaupt sinnvoll ist und wenn ja, in welchem Umfang. Die Schwierigkeiten für eine Prüfung sind nicht von der Hand zu weisen. Jedes Mitgliedsland setzt seine eigenen Prioritäten in Bezug auf die Umwelt durch Standards und in Bezug auf die nachhaltige Entwicklung durch Nachhaltigkeitsstrategien. Die Umwelt-/ Nachhaltigkeitsauswirkungen sind meistens erst auf lokaler Ebene zu spüren. Das bedeutet, je weiter die Untersuchungsebene entfernt ist, desto ungenauer werden auch die Untersuchungsergebnisse ausfallen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung, als Wesenselement dieser Prüfungen, ist auf internationaler Ebene nur schwer umsetzbar. Allerdings hat diese Untersuchung gezeigt, dass es auch Möglichkeiten der internationalen Mitwirkung und Beteiligung gibt. Für eine Prüfung auch auf mulitlateraler Ebene spricht, dass internationale Auswirkungen, gerade im Umweltbereich, hier am besten untersucht werden können. Die USA berücksichtigten internationale Auswirkungen nur sehr zurückhaltend, die Kanadier gar nicht und die EU wurde für die Einbeziehung der Entwicklungsländer kritisiert, da diese nicht konsultiert wurden. Das Problem lässt sich nur mit einer multilateralen Prüfung beheben. Dabei muss sie sich im Prüfungumfang allerdings auch auf die internationalen oder zumindest nicht bloß lokalen Auswirkungen beschränken. Die Hauptverantwortung innerhalb der WTO liegt nach wie vor bei den Mitgliedsstaaten. Diese müssen ihre eigene Handelspolitik festlegen. Dass auch hierfür Prüfungen sinnvoll sind, sollte diese Arbeit gezeigt haben. Einen weiteren Vorteil hat eine internationale Prüfung. Hier kann ein Staat, der mit einer nationalen Prüfung seine Verhandlungspostition hat beeinflussen lassen, nicht mehr sagen, dass seine Vorschläge per se umweltfreundlicher oder nachhaltiger seien. Bei einem internationalen Verfahren können Entwicklungsländer mitwirken, denen sonst vielleich die personellen und materiellen Resourcen für eine Prüfung fehlen. Mehr noch – auch deren Öffentlichkeit könnte international gehört werden, was potentiell zu einer Verbesserung der jeweiligen Verhandlungsposition führen dürfte.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen Neben der Überprüfung der Nachhaltigkeit bzw. Umweltfreundlichkeit der eigenen Vorgehensweise kann die WTO auch als Forum für die Koordination nationaler Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfungen agieren. In der Doha-Minis-
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
tererklärung wird auf die nationalen Mechanismen in der Präambel und bei der Verhandlungsagenda über Handel und Umwelt hingewiesen. Dabei erscheint der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitk am angemessensten zu sein, wenn es um die jeweilige Prüfung im speziellen geht. Die allgemeinen Ergebnisse sollten für mehrere Länder gemeinsam bzw. multilateral im neuen CTSD oder im CTE und CTD diskutiert werden.
I. Das TPRM allgemein 1. Praktische Bedeutung Die praktische Bedeutung des Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Mechanism (TPRM))23 lässt sich im Gegensatz zu anderen Bereichen nicht in Umsatzzahlen oder Steigerungen des Welthandels ablesen. Die Bedeutung liegt vielmehr auf einer praktischen Ebene. Nur durch die Untersuchung der Handelspolitik jedes einzelnen Mitgliedes lassen sich unabhängig von den WTO-Verträgen staatliche Praktiken, die das Funktionieren des Welthandelssystems stören, aufdecken. Daher sollte das Verfahren nicht gering geschätzt werden.24 Aus der Vielzahl der durchgeführten Überprüfungen lässt sich die Bedeutung nur indirekt ablesen. Werden die noch ausstehenden Überprüfungen betrachtet, so ergibt sich ein differenziertes Bild. Am Ende des Jahres 2000 waren 135 Überprüfungsverfahren fertiggestellt, dabei sind 88 WTO-Mitglieder überprüft worden. Das entspricht einem Anteil von 83 % des weltweiten Warenhandels und 60 % der WTO-Mitgliedschaft. Unter den überprüften Mitgliedern waren 11 am wenigsten entwickelte Staaten.25 Die im Übereinkommen angelegten unterschiedlichen Überprüfungszeiträume führten dazu, dass etwa die Handelspolitik Kanadas schon sechs, die der USA und der EG schon fünf Mal untersucht wurden. Im Gegensatz dazu wurde die Überprüfung bei 11% der WTO-Mitglieder noch nie durchgeführt.26 Dennoch erzeugen die Überprüfungen innerhalb des Welthandelssystems, soweit nachvollziehbar, eine Transparenz, und auch wenn die Berichte später nicht zur Grundlage von Streitbeilegungsverfahren gemacht werden können, bieten sie für die Praxis einen wertvollen Überblick über den Stand der Umsetzung der WTO-Verpflichtungen und die Ausrichtung der Handelspolitik der jeweiligen Mitglieder. 23 Vgl. zum Folgenden Markus Gehring, Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM) in: Hilf/Oeter, S. 567 ff.; das Buchkapitel und die folgenden Ausführungen sind gleichzeitig entstanden und teilen einige wesentliche Gedanken. 24 Marc Beise, Die Welthandelsorganisation, S. 215. 25 Vgl. USTR, Trade Policy Agenda 2001 and Annual Report 2000 of President of the United States on the trade agreements program, S. 80. 26 Vgl. WTO Annual Report 2001, S. 62.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 227
2. Vorgänger des heutigen TPRM Schon seit Beginn stellte die Überprüfung der Handelspolitik, etwa bei der Aufnahme neuer Vertragsparteien oder bei der Genehmigung eines Waivers, eine wichtige Aufgabe des GATT dar. Seit 1980 fanden Special Sessions des GATT-Rates über die Erfüllung der Notifizierungsverpflichtungen und über die generellen Entwicklungen im Handelssystem statt. Dafür bereitete das GATTSekretariat Berichte vor, die aus offiziellen Notifizierungen wie aus nicht-offiziellen Quellen, wie Zeitungsberichten, stammten. Verschiedene GATT-Ausschüsse, insbesondere der Ausschuss für Zahlungsbilanzbestimmungen, führten in ihren Bereichen ebenfalls eine Überprüfung der Handelspolitik durch. Andere internationale Organisationen wie der IMF und die OECD verfügen ebenfalls über ausgiebige Erfahrung mit Politiküberwachungsmechanismen.27 Nach der Empfehlung des sogenannten Leutwiler-Reports wurde die ,Functioning of the GATT System‘ (FOGS)-Verhandlungsgruppe28 durch die Ministererklärung von Punta del Este unter Absatz E ermächtigt, „. . . develop understandings and arrangements: (1) to enhance the surveillance in the GATT to enable regular monitoring of trade policies and practices of contracting parties and their impact on the functioning of the multilateral trading system.“ Eine schnelle Einigung auf den TPRM konnte schon für die Mid-Term Ministerkonferenz Ende 1988 in Montreal gefunden werden, zumal die Überprüfung in zeitlich unterschiedlichen Abständen je nach Einfluss auf den Welthandel gestaltet wurde, was der Position der Entwicklungsländer entsprach.29 Der Mechanismus wurde am 1. April 1989 formal in Kraft gesetzt.30 Die ersten Überprüfungen fanden dann am 12. Dezember 1989 für Australien, am 13. Dezember für Marokko und am 14. Dezember für die USA statt. Zu Beginn der Sitzung erinnerte der damalige GATT-Generaldirektor Arthur Dunkel die Vertragsparteien daran, dass die Überprüfung keine Kontrolle seitens des GATT-Sekretariates darstelle, sondern dass die Vertragsparteien untereinander die Entwicklung der Handelspolitik nachvollziehen und vergleichen sollen.“31 Es wurde also deutlich hervorgehoben, dass anders als in anderen Organisationen das Sekretariat nicht selbständig die Überprüfung vornimmt. Die erste Überprüfung der Handelspolitik der EG fand im Jahr 1991 statt.
27 Vgl. ausführlich Blackhurst, Strengthening GATT Surveillance of Trade-related Policies, S. 132 ff. 28 Zur Verhandlungsgeschichte ausführlich Mavroidis, Michigan Journal of International Law, 13 (1992) Nr. 2, S. 376 ff. 29 Qureshi, JWT 24 (1990) Nr. 3, S. 148 f. 30 Decision Creating a Trade Policy Review Mechanism, L/4903, 36th Supp. 203 (1989). 31 Trade Policy Review – Australia, 1989, S. 3.
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
3. Das TPRM-Übereinkommen Das TPRM-Übereinkommen (Anlage 3 zum WTO-Übereinkommen) bildet neben dem DSU das zweite Querschnittsübereinkommen für die drei Säulen der WTO, also das GATT, das GATS und das TRIPS.32 Daher wird seit Januar 1995 nicht nur die Handelspolitik im Bereich des Warenhandels überprüft, sondern auch in den Bereichen des GATS und des TRIPS sowie im Bereich der plurilateralen Handelsübereinkommen, soweit diese anwendbar sind. Das TPRM-Übereinkommen unterscheidet sich vom DSU in seiner heraus gehobenen Stellung nur dadurch, dass für eine Änderung des TPRM gemäß Art. X:8 WTO-Übereinkommen nicht zwingend Konsens vorgeschrieben ist. Neben dem erweiterten Anwendungsbereich war die einzige bedeutende Änderung, die gegenüber der vorläufigen Inkraftsetzung während der Verhandlungen der Uruguay-Runde im TPRM-Übereinkommen vereinbart wurde, die Umkehrung der Reihenfolge von Sekretariatsbericht und Mitgliedsbericht. Demgemäß wird nun zunächst der Mitgliedsbericht eingereicht. Diesem folgt der Sekretariatsbericht, wobei er Bezug auf den Mitgliedsbericht nimmt.33 Der Allgemeine Rat tritt personenidentisch als Organ zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Body (TPRB)) zusammen, Art. IV:4 WTO-Übereinkommen und Art. C i) TPRM-Übereinkommen. In dieser Funktion wählt der TPRB einen eigenen Vorsitzenden. Das WTO-Sekretariat dagegen hat im Vergleich etwa zur Weltbank nur eine kleine Trade Policy Review Devision, die neben ihrem Direktor aus nur 27 Mitarbeitern besteht.34 Der Zweck des TPRM ist eine verbesserte Einhaltung, improved adherence, der „Regeln, Disziplinen und Verpflichtungen“ (Art. A TPRM) der einzelnen WTO-Übereinkommen. Der Mechanismus soll dadurch zu einem reibungsloseren Funktionieren, smoother functioning, des multilateralen Handelssystems beitragen. Dies soll durch größere Transparenz und ein vertieftes Verständnis der Handelspolitiken und -praktiken der WTO-Mitglieder erreicht werden. Durch regelmäßige und kollektive Überprüfungen vor dem Hintergrund der generellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Art. A. II. TPRM) soll der Einfluss einzelner Mitglieder auf das Funktionieren des Welthandelssystems festgestellt werden. Im Sinne einer negativen Abgrenzung wird schon in den Zielen des TPRM aufgelistet, der Mechanismus solle nicht als Grundlage für eine Durchsetzung, enforcement, spezifischer Verpflichtungen oder gar als Grundlage für
32 Vgl. zum Folgenden Markus Gehring, Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (TPRM) in: Hilf/Oeter, S. 567 ff. 33 Siehe hierzu näher 3. c). 34 Weitere Informationen über die TPR Devision, online http://www.wto.org/ english/tratop_e/tpr_e/tprdiv_e.htm (März 2007).
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 229
ein Streitbeilegungsverfahren dienen. Erst recht sollen den Mitgliedern keine neuen politischen Zugeständnisse abverlangt werden. Schon die Ziele des TPRM machen den besonderen Charakter dieses Rechtsinstruments deutlich. Es handelt sich nicht um einen Durchsetzungsmechanismus im engeren Sinne, sondern bestenfalls um einen sogenannten ,compliance mechanism‘, also um ein Instrument der kooperativen ,compliance management‘.35 Zwar führen eine höhere Begründungslast und die Untersuchung des WTO-Sekretariates wohl selbst schon zu einer besseren Einhaltung der WTODisziplinen. Der Mechanismus ist jedoch vordringlich zur Information aller WTO-Mitglieder gedacht, einschließlich des untersuchten Mitgliedes, also zur Herstellung von Transparenz über die jeweilige nationalen Handels- und Wirtschaftspolitik. Neben dem üblichen Ablauf der Überprüfung der Handelspolitik ordnet das Übereinkommen die grundsätzliche Beurteilung des Mechanismus fünf Jahre nach Inkrafttreten an (Art. F TPRM). Der TPRB überprüfte demgemäß in zwölf Sondersitzungen während des Jahres 1999 die Anwendung der WTO-Vorschriften über den TPRM.36 In seiner Sitzung vom 5. Oktober 1999 beschloss der TPRB den entsprechenden Bericht an die Dritte WTO-Ministerkonferenz in Seattle. Als generelle Bewertung hob der Bericht das effektive Funktionieren des Mechanismus und das generelle Erreichen seiner Ziele hervor, auch wenn noch nicht alle Mitglieder überprüft wurden.37 Nach dieser Einschätzung hat der TPRM sich als im öffentlichen Interesse (public-good aspect) erwiesen insbesondere in Bezug auf die Transparenz. Außerdem habe der Mechanismus als Katalysator für das Überdenken der Handelspolitik der Mitglieder, als Ideengeber für die Formulierung der Handelspolitik sowie auch als Instrument zur Aufdeckung, der Notwendigkeit technischer Hilfeleistungen gedient.38 Weitere Beurteilungen sollen in noch festzulegenden Intervallen folgen, oder wenn dies die Ministerkonferenz verlangt, Art. F Satz 2 TPRM. Das TPRM-Übereinkommen enthält dagegen keinerlei Vorschriften über formelle Streitbeilegung, da diese beim TPRM grundsätzlich ausgeschlossen sein soll.39 Neben der Überprüfung 35 Anders Qureshi, der dem TPRM sogar eine enforcement Funktion zuschreibt, JWT 24 (1990) Nr. 3, S. 142, 160 und Abbot, der argumentiert, dass keine wirkliche compliance control stattfinde, sondern nur ein genereller Überblick verschafft werde, JWT 1993, Bd. 3, S. 118. 36 Vgl. TPRM, Report of the TPRB for 1999, WT/TPR/69 vom 7. Oktober 1999, para. 7 ff. 37 Appraisal of the Operation of the Trade Policy Review Mechanism – Report to Ministers, WT/MIN(99)/2 vom 8. Oktober 1999, para. 4. 38 Appraisal of the Operation of the Trade Policy Review Mechanism – Report to Ministers, WT/MIN(99)/2 vom 8. Oktober 1999. 39 Diese Vorschrift korrespondiert mit Anhang 1 zum DSU „Unter die Vereinbarung fallende Übereinkommen“, in dem die Anlage 3 nicht aufgeführt ist. Zwar wurde von den Vereinigten Staaten in mehreren Streitbeilegungsverfahren versucht, auf Erkennt-
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
der Handelspolitik beschließt der TPRB einen jährlichen Überblick über Entwicklungen der internationalen Handelsbeziehungen (Art. F TPRM), der im WTO-Jahresbericht veröffentlicht wird. a) Überprüfungsumfang Der Umfang der einzelnen Überprüfungen ist an dem Ziel ausgerichtet, möglichst genau den Einfluss eines Mitgliedes (oder einer Gruppe von Mitgliedern mit einer gemeinsamen Außenhandelspolitik) auf den Welthandel zu erfassen. Dabei wird zunächst von einer rein volkswirtschaftlichen Analyse ausgegangen. Nach dem Selbstverständnis des WTO-Sekretariates hat der TPRM „a non-confrontational and non-legalistic basis.“ Eine Grundregel des TPRM bildet dabei der Zwei-Berichte-Grundsatz. Danach berichtet das untersuchte WTO-Mitglied über seine Handelspolitik und das Sekretariat fertigt einen weiteren Bericht in eigener Verantwortung. Diese Art peer-review soll die Transparenz zusätzlich erhöhen. Der Bericht des Sekretariates setzt sich aus folgenden Teilen zusammen: I.
Das wirtschaftliche Umfeld (untersucht werden u. a. alle wesentlichen Wirtschaftsbereiche, die aktuelle Leistungsbilanz, also die Handelsbilanzen für Waren und Dienstleistungen, ferner die Entwicklung ausländischer Investitionen und handelsrelevante Aspekte des sog. foreign exchange regime;
II. Institutionelle Gesichtspunkte der handels- und investitionspolitischen Entscheidungsfindung, einschließlich der Mitgliedschaft in multilateralen und regionalen Übereinkommen und der Streitbeilegung in Handelsfragen; III. Handelspolitik und -praktiken geordnet nach verschiedenen Maßnahmen; IV. Handelspolitik und -praktiken geordnet nach Sektoren (Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, Bergbau, Industrie und Dienstleistungen). Die wirtschaftliche Analyse beruht auf dem verfügbaren Datenmaterial; dessen Kontrolle dient das formelle Überprüfungsverfahren von Seiten des Sekretariates.
nisse aus dem TPRM-Bericht zu verweisen. Diese Argumente wurden jedoch von den jeweiligen Panel nicht diskutiert. Vgl. India-Quantitative Restrictions on Imports of Agricultural, Textile and Industrial Products, WT/DS 90/R vom 6.4.1999, para. 3.10. Das deutet darauf hin, dass auch tatsächliche Erkenntnisse aus dem TPR-Verfahren nicht als Beweise im Streitbeilegungsverfahren dienen können. Dies wird zumindestens für den Sekretariatsbericht und die Diskussionen im TPRB gelten müssen. Die Auslegung nach dem Wortlaut des TPRM (to be based on) könnte eine eingeschränkte Nutzung des Mitgliederberichtes als Beweismittel gestatten.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 231
b) Überprüfungsintervall Die Häufigkeit der Überprüfung richtet sich nach dem Anteil am Welthandel. So sollen die vier größten Welthandelspartner (zur Zeit: USA, EU, Kanada und Japan) alle zwei Jahre überprüft werden, Art. C II TPRM. Da sich der Anteil am Welthandel ändern kann, etwa durch die Aufnahme Chinas und Taiwans, kann sich auch das Überprüfungsintervall ändern. Einen ähnlichen Einfluss können beispielsweise Schwankungen der Weltmarktpreise für bestimmte Staaten haben. Bisher gab es allerdings keine solche Änderung der Überprüfungsintervalle. Die nächstfolgenden 16 Mitglieder mit dem größten Welthandelsvolumen sollen gemäß TPRM-Übereinkommen alle vier Jahre überprüft werden und alle übrigen WTO-Mitglieder alle sechs Jahre. Für die WTO-Mitglieder, die zu den am wenigsten entwickelten Ländern zählen, können besondere Überprüfungsintervalle vereinbart werden. Nach den Rules of Procedure des TPRB soll bei der Festlegung des Überprüfungsprogramms ein sechs Monate umfassender flexibler Zeitraum für die einzelne Überprüfung eingeräumt werden.40 Dieser wird in der Praxis häufig noch überschritten. In der Vertragspraxis werden die vier Staaten mit dem größten Welthandelsvolumen formal alle zwei Jahre überprüft. Allerdings haben sich die Mitglieder darauf geeinigt, dass jede zweite Überprüfung nur als sogenannte Interimüberprüfung in geringerem Umfang stattfinden soll. Da keine Vorschrift des TPRM der Streitbeilegung unterfällt, kann kein WTO-Mitglied zur Überprüfung seiner Handelspolitik gezwungen werden. Daraus resultiert, dass der Überprüfungsturnus nicht immer eingehalten wird. Die Überprüfungen werden für das gesamte Jahr im voraus in einem Überprüfungsprogramm festgelegt (Art. C ii) TPRM). Dieses wird regelmäßig um die Mitte des vorausgehenden Jahres bestimmt. Um eine Doppelbelastung für die Regierungen (und das Sekretariat) zu vermeiden, stimmen sich der Vorsitzende des TPRB und des Ausschusses für Zahlungsbilanzbestimmungen in Bezug auf den jeweiligen Überprüfungsplan ab, Art. E TPRM. Der Beitritt Chinas zur WTO hat in dieser Hinsicht eine Neuerung eingeführt. China ist verpflichtet, in den ersten acht Jahren jährlich die Umsetzung seiner Verpflichtungen von der WTO überprüfen zu lassen.41 Dieser neue Transitional Review Mechanism lässt Gemeinsamkeiten mit dem TPRM nur ansatzweise erkennen, denn er stellt eine echte Umsetzungskontrolle dar. Daher ist auch nicht der TPRB, sondern die jeweiligen Fachausschüsse beispielsweise für Antidumping oder Zollwertbestimmung, und subsidiär auch der Allgemeine Rat zuständig. Die Überprüfung ist für die VR China rechtlich verbindlich und Be40
WTO, WT/TPR/6 vom 10. August 1995, Nr. 3. Accession of the People’s Republic of China, Ministerentscheidung vom 10.11. 2001, WTO-Dokument WT/L/432 vom 23.11.2001, para. 18. 41
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
standteil der Beitrittsverpflichtungen. Sie könnte zumindest bei größeren Handelspartnern, wie etwa Russland, in Zukunft regelmäßig vereinbart werden. c) Ablauf der Überprüfung Folgender grundsätzlicher Ablauf der Überprüfung der Handelspolitik hat sich in der Praxis herausgebildet: a) Zusammenstellung der notwendigen Informationen (collation of information), b) Untersuchung vor Ort (visit to the capital), c) Fertigstellung des Berichtes (final preparation of documents), d) TPRM-Sitzung (review meeting organized and conducted) und e) Veröffentlichung des Berichts (publication of documents). Das gesamte Verfahren dauert etwa zehn Monate.42 Eine Verkürzung dieses Zeitraumes wäre nur durch eine Aufstockung des Personals im WTO-Sekretariat erreichbar. Den Ausgangspunkt einer jeden Überprüfung bildet der Bericht des Mitgliedstaates. Er enthält die Daten (wie etwa offizielle Statistiken), die vom WTO-Sekretariat zur Grundlage seines nachfolgenden Berichtes gemacht werden. Es sendet zu diesem Zweck den Fragebogen gemäß Art. D TPRM, der die Struktur des späteren Berichtes widerspiegelt, an das zu überprüfende WTO-Mitglied. Das Sekretariat stellt auf Antrag Entwicklungsländern, insbesondere den am wenigsten entwickelten Mitgliedern, technische Hilfe zur Verfügung. Zunehmend werden von den Mitgliedern auch Informationen zu Bereichen wie Handel und Umwelt oder anderen Politikbereichen mit Einfluss auf die Handelspolitik zur Verfügung gestellt. Das WTO-Sekretariat greift diese Informationen in seinem nachfolgenden Bericht regelmäßig auf.43 Das Sekretariat hat zusätzlich die Möglichkeit, makroökonomische Daten von anderen internationalen Organisationen zu verwenden. Gemäß der Ministererklärung von Marrakesch „Contribution of the World Trade Organization to Achieving Greater Coherence in Global Economic Policymaking“ und Art. III:5 WTO-Übereinkommen soll das Sekretariat mit den Bretton-Woods-Institutionen zusammenarbeiten. In der Praxis werden daher insbesondere Informationen der Weltbank, des Weltwährungsfonds, aber auch der OECD verwendet, die umfassende Generalberichte zur makroökonomischen Situation der Staaten erarbeiten. Informationen von UNCTAD oder internationaler Organisationen mit sozial42 So die Einschätzung des WTO Sekretariats, online http://www.wto.org/english/ tratop_e/tpr_e/tprdiv_e.htm (März 2007). 43 Vgl. TPR – USA, WT/TPR/G/88, para. 76 und 83; sowie Bericht des Sekretariates, WT/TPR/S/88, para. 93.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 233
oder umweltpolitischem Schwerpunkt, wie etwa der ILO oder des UNEP, werden demgegenüber nicht verwendet. Im Beurteilungsbericht über das Funktionieren des TPRM wird die Zusammenarbeit als ressourcensparend gelobt, gleichzeitig wird jedoch angesichts der unterschiedlichen Aufgaben der internationalen Organisationen die Notwendigkeit einer eigenständigen Analyse der Handelspolitik durch das WTO-Sekretariat betont.44 Die Befugnis des Sekretariates, das zu untersuchende WTO-Mitglied zu besuchen und vor Ort weitere Daten für den TPRM zu sammeln, ist für das internationale Recht zumindest ungewöhnlich. Üblicherweise bildet der Fragebogen des Sekretariats die Grundlage für die etwa einwöchigen Gespräche im WTO-Mitgliedsland. Mit den zuständigen Ministerien und Regierungsstellen werden offene Fragen und die Richtigkeit der Daten besprochen. Zusätzlich führen WTO-Mitarbeiter Gespräche mit Vertretern der Privatwirtschaft und mit Forschungsinstituten. Der Bericht liegt in der alleinigen Verantwortung des WTO-Sekretariates. Dadurch soll verhindert werden, dass aus diplomatischer Etikette für die wirtschaftliche Situation unangemessene Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Handelspolitik des Mitgliedes soll einer objektiven Überprüfung unterzogen werden. Das überprüfte Mitglied hat durch die eigene Stellungnahme vor Fertigstellung des Sekretariatsberichtes die Möglichkeit, seine Interessen zu wahren. Aus dieser Reihenfolge der Berichte – zuerst der Mitgliedsbericht und nachfolgend der des Sekretariates – kommt dem Sekretariat nunmehr eine Kommentierungsfunktion zu,45 die allerdings nicht überbewertet werden sollte. Die bisherige Überprüfungspraxis zeigt, dass das Sekretariat meist erheblich über die recht kurzen Mitgliederberichte hinausgeht und sein Bericht in dieser Hinsicht eine gewisse Unabhängigkeit von den Berichten der Mitglieder aufweist. Für die Sitzungen des TPRB wurden eigene Verfahrensregeln verabschiedet.46 Danach sollen die relevanten Dokumente spätestens vier Wochen vor der Review-Sitzung fertiggestellt und in alle drei Amtssprachen übersetzt werden. Für die Sitzung selbst bestimmt der Vorsitzende des TPRB aus dessen Reihen einen oder mehrere Diskussionsteilnehmer, die im eigenen Namen sprechen und die Diskussion einleiten (Art. C iv) TPRM), somit also de facto wie ein Berichterstatter agieren. Die Einsetzung eines Berichterstatters gewährleistet in der Praxis einen wirklichen Austausch über die untersuchte Handelspolitik. Auch die Fragen der Mitglieder sollen soweit möglich eine Woche vor der Überprüfungssitzung dem untersuchten Mitglied schriftlich zugeleitet werden.
44 Appraisal of the Operation of the Trade Policy Review Mechanism – Report to Ministers, WT/MIN(99)/2 vom 8. Oktober 1999, para. 5. 45 Vgl. Stoll, S. 278, zustimmend Beise, Die Welthandelsorganisation, S. 215. 46 Rules of Procedure for Meetings of the Trade Policy Review Body, WTO Dokument WT/TPR/6 vom 10. August 1995.
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3. Teil: Möglichkeiten und Grenzen der Übertragbarkeit auf die WTO
Die Fragen der Mitglieder sind regelmäßig äußerst umfassend und keineswegs nur auf die Berichte beschränkt. So wurde beispielsweise in den TPR von 2001 fast immer gefragt, wie das Mitglied zu einer neuen Welthandelsrunde stehe.47 In den Diskussionen des TPRB werden zunehmend auch Fragen zu Querschnittsbereichen wie Handel und Umwelt gestellt.48 Neben dem eigentlichen TPR-Bericht des Sekretariats werden zusätzlich alle Protokolle, eine Stellungnahme des Vorsitzenden und die Stellungnahme des überprüften WTO-Mitgliedes veröffentlicht.49 Die Protokolle des TPRB werden sofort nach der Diskussion für die Öffentlichkeit freigegeben.
II. Konkrete Ansatzpunkte für Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen im TPRM Die Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung folgt dem gleichen Prinzip wie der TPRM. Es geht um Informationen und nicht so sehr darum, ein endgültiges Ergebnis herbeizuführen oder gar Vorschriften für die Umsetzung zu machen. Somit ist der TPRM der Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfung zumindest nicht wesensfremd.50 Sie folgt auch im Wesentlichen den gleichen Prinzipien. Bevor es zu einer Verletzung der WTO-Verpflichtungen kommt, soll die Handelspolitik eines Landes auf den Prüfstand kommen. Im weitesten Sinne ist auch das der Sinn von Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfungen bei der Umsetzung des Verfahrenanteiles des Vorsorgeprinzips. Die Ausrichtung des TPRM auf Transparenz, mit der sofortigen Veröffentlichung der Berichte, ist auch den untersuchten Mechanismen zu eigen. An verschiedenen Stellen des TPRM-Verfahrens können nationale Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfungen eine Rolle spielen. So können die Staaten schon bei der Abfassung des eigenen Berichtes diesem auch die Ergebnisse der jeweiligen Prüfung mithinzufügen. Die Schweiz hat dies bei ihrem letzten Bericht versucht. Das WTO-Sekretaritat sah sich jedoch außerstande, die Umweltaspekte mit zu überprüfen.51 Ein weiterer Anknüpfungspunkt lässt sich bei der Informationsbeschaffung des Sekretariates finden. Hier könnten neben 47 Vgl. TPR – Kamerun, WT/TPR/M/87, TPR – Brunei Darussalam, WT/TPR/M/ 84 oder TPR – Costa Rica, WT/TPR/M/83. 48 Vgl. beispielsweise Frage der USA beim TPR von Madagaskar, über die Umweltschädlichkeit von Aktivitäten im Bergbau, WT/TPR/M/80 oder die vielfältigen Referenzen zur Umweltpolitik im TPR von Norwegen, WT/TPR/M/70. 49 Das WTO Sekretariat stellt alle Bericht auf der Internetseite zur Verfügung. Den kommerziellen Vertrieb der Druckwerke hat der amerikanische Verlag Bernan übernommen. 50 So auch Santarius/Dalkmann/Steigenberger/Vogelpohl, Balancing Trade and Environment – An Ecological Reform of the WTO as a Challenge in Sustainable Global Governance, Wuppertal Papers 133, Februar 2004, S. 45. 51 Vgl. Trade Policy Review Body Joint Trade Policy Review Switzerland and Liechtenstein, am 4 und 6 Dezember 2000, Minutes of Meeting, WTO-Dokument WT/TPR/M/77/Add.1 vom 24. Januar 2001.
B. Koordinierungsfunktion der WTO für nationale Nachhaltigkeitsprüfungen 235
internationalen Wirtschaftsorganisationen auch internationale Umwelt- und Entwicklungsorganisationen mit Fachwissen über das jeweilige Land befragt und gehört werden. Die vorgeschriebene Veröffentlichung des Berichtes kommt den Umwelt-/Nachhaltigkeitsprüfungen nur entgegen. Hierdurch könnten sie zusätzliche Öffentlichkeitswirkung erlangen. Die Nachfragen der übrigen Mitglieder im TPRB könnten dem Erfahrungsaustausch auf dieser Ebene dienen und kritische Fragen könnten erörtert werden. Allerdings sollte die Zulassung von NGOs erwogen werden. Nach alledem erscheint der TPRM innerhalb der WTO der geeignete Anküpfungspunkt, da ein neuer Strategic Impact Assessment Body52 politisch eher nicht durchsetzbar erscheint, wenn er nicht wie ein Ausschuss für nachhaltige Entwicklung auf bisherigen institutionellen Strukturen aufbaut.
52 Santarius/Dalkmann/Steigenberger/Vogelpohl, Balancing Trade and Environment – An Ecological Reform of the WTO as a Challenge in Sustainable Global Governance, Wuppertal Papers 133, Februar 2004, S. 46 sehen dies gegenüber dem TPRM als weitergehenden Reformansatz für die WTO-Strukturen vor.
4. Teil
Schlussbetrachtung UVPs, Umweltprüfungen und auch Nachhaltigkeitsprüfungen sind Ausprägungen des Verfahrensteils des Vorsorgeprinzips. Sie sind rechtlich auf fast allen Regelungsebenen verankert, und inzwischen gilt die Durchführung zumindest einer UVP in verschiedenen Bereichen des Völkerrechts auch gewohnheitsrechtlich. Dabei entspricht die Integration sozialer und ökonomischer Aspekte in eine Umweltprüfung dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung. Es wurde nachgewiesen, dass das Vorsorgeprinzip eingeschränkt auch für das WTO-Recht gilt. Die Verfahrenskomponente ist bisher nicht sehr stark ausgeprägt, aber in Ansätzen erkennbar. Somit stellt das geltende WTO-Recht insgesamt kein Hindernis für die Einführung einer Nachhaltigkeitsprüfung dar. Flankierend kommt hinzu, dass das Transparenzprinzip für den internen WTO-Bereich volle Gültigkeit hat, für den Bereich der WTO-Außenbeziehungen beginnt es sich stärker zu entwickeln. Langfristig könnte es partizipatorische Elemente mit einschließen. Eine multilaterale Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfung muss das Transparenzprinzip beachten und auch eine nationale Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfung sollte dies wichtige Rechtsprinzip nicht ignorieren. Für die Einführung einer Nachhaltigkeitsprüfung auf WTO-Ebene sind die Belange der Entwicklungslandsmitglieder zu berücksichtigen. Die besondere und differenzierte Behandlung der Entwicklungsländer ist fester Bestandteil der WTORechtsordnung und als solche Ausdruck eines übergeordneten Rechtsprinzips. Auf nationaler Ebene ist zwischen rechtlich verbindlichen und rechtlich unverbindlichen Prüfungen sowie Verfahrensvorschlägen zu unterscheiden. Das Instrument entwickelt sich in einzelnen Staaten unterschiedlich, einige Gemeinsamkeiten lassen sich jedoch erkennen. Das kanadische Strategic Environmental Assessment of Trade Negotiations zeigt, dass eine rechtlich verbindliche Umweltprüfung sinnvoll und praktikabel ist. Die US-Environmental Reviews weisen die längste praktische Anwendung auf und bestätigen die Praktikabilität. Sie zeichnen sich durch Öffentlichkeitsbeteiligung und zügige Information an die Verhandlungsführer aus. Allerdings wirft die US-Praxis Fragen des politischen Gewichts der Umweltprüfung auf. Aus beiden Instrumenten können keine für den Bürger einklagbaren Rechte abgeleitet werden, was möglicherweise die bisher eingeschränkte Wirkung im Sinne ablesbarer Ergebnisse in Handelsabkommen erklärt. Hier könnte die Übernahme weitergehender Vorschriften aus
4. Teil: Schlussbetrachtung
237
der UVP Abhilfe schaffen. Die institutionelle Einbindung in den Entscheidungsund Verhandlungsprozess ist bemerkenswert. Sie scheint für den Erfolg des Konsultationsprozesses von entscheidender Bedeutung zu sein. Das Sustainability Impact Assessment der EU zeigt, dass neben der Umwelt- auch Nachhaltigkeitsprüfungen von Handelsregelungen möglich sind. Ohne rechtliche Verbindlichkeit und als reine Expertenuntersuchung weisen SIAs jedoch deutliche Defizite auf. Diese sind aufgrund der neuen internen Poltitik der Generaldirektion Handel der Europäischen Kommission zum Teil beseitigt worden, so dass sie nun fast einem Beachtungsgebot einer UVP entsprechen. Größere Rechtssicherheit wäre dennoch wünschenswert. Die Arbeiten von UNEP zur integrierten Umweltprüfung, die der OECD zu Umweltprüfungen von Handelsregelungen und auch des WWF und anderer NGOs haben methodologisch die Diskussion soweit vorangetrieben, dass über die Möglichkeit und Durchführbarkeit dieser Prüfungen wenig Zweifel bestehen. Gerade der Erfolg der multi-stakehoder dialogues bei den integrierten Umweltprüfungen von UNEP zeigt, dass das partizipatorische Element nicht unterbewertet werden darf. Bei einer institutionellen Festlegung muss es unbedingt im Sinne der Vorsorge durch Verfahren beachtet werden. Innerhalb der WTO könnten das Committee on Trade and Development und das Committee on Trade and Environment als Committee on Trade and Sustainable Development (CTSD) gemeinsam eine Nachhaltigkeitsprüfung durchführen. Dies wäre vom Mandat des Paragraphen 51 der Doha-Ministererklärung umfasst. WTO-Mitglieder sollten die Möglichkeit erhalten, ihre Ergebnisse multilateral diskutieren zu lassen. Das CTSD könnte dabei eine Koordinationsfunktion übernehmen. Die nationalen Handelspolitiken werden im TPRM überprüft. Hier sollten die Erkenntnisse aus nationalen Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsüberprüfungen diskutiert und überprüft werden. Durch eine Nachhaltigkeitsprüfung der Welthandelsverhandlungen und nachfolgende nationale Überprüfungen im TPRM könnte die Nachhaltigkeit durch Verfahren im Sinne des Vorsorgeprinzips im Welthandel verankert werden. Die Frage, wie sich der Verfahrensanteil des Vorsorgeprinzips im Welthandel umsetzen lässt, sollte durch die vorliegende Arbeit beantwortet werden. Wie könnte also Nachhaltigkeit durch Verfahren in der WTO umgesetzt werden? Die aufgezeigten und erörterten Prinzipien der Vorsorge, insbesondere durch Verfahren, der Transparenz und der bevorzugten Behandlung der Entwicklungsländer stützen die Einführung einer solchen Prüfung, auch wenn sie sie nicht zwingend erfordern. Dies bleibt die politische Entscheidung der WTO-Mitgliedsstaaten. Die Arbeit hat gezeigt, dass es inzwischen genügend Beispiele der Anwendung einer Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitsprüfung von Handelsregelungen gibt, sowohl auf nationaler, als auch regionaler Ebene. Die WTO steht als Organisation insofern mit ihren Mitgliedern in einem Dialog. Die WTO-Mit-
238
4. Teil: Schlussbetrachtung
glieder bestimmen durch ihre Verhandlungsvorschläge, wie das zukünftige Welthandelsrecht aussehen soll. Doch immer mehr Staaten wollen, dass ihre Vorschläge neben wirtschaftlichem Wachstum auch das Ziel der nachhaltigen Entwicklung befördern. Hier für bieten Umwelt- oder Nachhaltigkeitsprüfungen geeignete Verfahren auf nationaler Ebene. Aber damit das Endergebnis, der Verhandlungskompromiss letztlich auch dem Ziel entspricht, könnte die ergänzende Einführung einer multilateralen Prüfung, wenn auch eingeschränkt, zweckmäßig und sinnvoll sein. Es wurden konkrete Ansatzpunkte innerhalb der WTO zur Einführung aufgezeigt. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass durch eine Nachhaltigkeitsprüfung der Welthandelsverhandlungen und nachfolgende nationale Überprüfungen im TPRM die Nachhaltigkeit durch Verfahren im Sinne des Vorsorgeprinzips im Welthandel verankert werden könnte.
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Stichwortverzeichnis 133-er Ausschuss 165 Agenda 21 19 Appellate Body 63 Asbestos 73 Außenwirtschaft 89
GATS 165 GATT 63, 64 gemeinsame Rechtsprinzipien 79 Globalisierung 17, 26, 99, 203 Green Room 211
Basel-Konvention 57, 145 Brundtland-Kommission 22
Handelspolitik 88 Handelsübereinkommen 126, 134, 135, 175, 186 Hormones 66, 69
Commission on Environmental Cooperation 154 Council on Environmental Quality 122, 125 CSD 201, 206 CTD 217, 218 CTE 101, 175, 217
IGH 43, 47 IGH-Statut 39 ILA 27, 36, 45 Indikatoren 157, 167, 175, 191 integrated assessment 30, 191 internationaler Seegerichtshof 43
Doha 25, 79, 83, 86, 106, 146, 173, 203, 212, 216, 237
Kanada 183 Kiew-Protokoll 50, 60
Entwicklungsländer 82, 85, 190, 200, 203, 213, 225, 232 Environmental Assessment 53, 55, 90, 106, 175, 181, 218 Environmental Reviews 114, 136, 178, 236 Espoo-Konvention 50, 62 EU 162, 171, 213, 237 EuGH 164 ex-post 94, 179, 188, 192 Freihandelsübereinkommen 119, 172 FTAA 107 Gabcikovo-Nagymaros Case 43, 47 Gasoline 69
Landwirtschaftsübereinkommen 65, 102 Methodik 97, 104, 132, 155, 186, 204 Ministererklärung 24, 25, 216, 237 Ministerkonferenz 86, 212 Nachhaltige Entwicklung 17, 21, 23, 29, 118, 153, 163, 203, 204, 220 Nachhaltigkeit durch Verfahren 237 Nachhaltigkeitsprüfung 17, 20, 30, 60, 85, 87, 166, 191, 204, 207, 208, 209, 211, 216, 221, 223, 234, 236, 237 NAFTA 115, 151, 155 NGO 20, 53, 74, 83, 150, 177, 197, 215, 237 North Sea Continental Shelf Case 44 Nukleartestfall 38, 42
Stichwortverzeichnis OECD 98, 175, 177, 189, 201, 227, 232, 237 Öffentliche Beteiligung 51, 130 Öffentlichkeitsbeteiligung 92, 97, 109, 139, 161, 166, 178, 184, 198, 225, 236 Partizipation 193, 205, 214 Präambel 24 Rio-Deklaration 34, 38, 40, 62 Rio-Konferenz 23 Schutzprinzip 37, 48 scope 104, 120, 128, 140, 182 Seattle 97, 116, 162, 172, 202, 229 Shrimps 65 SIA 20, 162 Southern Blue Fin Tuna Cases 43 SPS-Übereinkommen 65 Stockholm Declaration on the Human Environment 22 Stockholm-Übereinkommen 39 Strategische Umweltprüfung 58 Sustainability Impact Assessment 20, 162, 237 Szenario 169, 173, 187 TBT 67, 73, 102, 139 TPRM 20, 192, 211, 226, 234, 237 Transparenz 62, 83, 92, 120, 176, 184, 192, 194, 202, 213, 226, 234 Transparenzprinzip 82, 215, 236 TRIPS 165 Umweltprüfung 28, 30, 59, 106, 107, 118, 136, 141, 146, 174, 176, 216, 236, 237 Umweltschutz 18
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Umweltverträglichkeitsprüfung 20, 28, 45, 174, 195 Umweltvölkerrecht 42, 72 UNCTAD 200, 201, 206, 222, 232 UNEP 22, 30, 58, 190, 199, 201, 206, 216, 222, 224, 233, 237 UN-Klimarahmenkonvention 39, 58 UN-Seerechtsübereinkommen 39 USA 29, 30, 110, 139, 144, 146, 213 US-Chile-Freihandelsabkommen 30 USTR 31, 113, 115, 119, 123, 137 UVP 20, 28, 38, 49, 51, 90, 115, 136, 208, 237 UVP-Richtline 46 Völkergewohnheitsrecht 39, 41, 78, 81 Vorsorge durch Verfahren 45, 178, 193, 237 Vorsorgeansatz 35 Vorsorgeorientierung 46, 72, 91 Vorsorgeprinzip 33, 63, 79, 81, 94, 236 Weltbank 20, 52, 53, 203, 206, 222, 228, 232 Welthandelsrunde 94, 116, 234 Welthandelsverhandlungen 211, 237 World Summit on Sustainable Development 26 WSSD 26, 36, 203 WTO-Recht 64, 82, 236 WTO-Rechtsordnung 42, 75, 236 WTO-Übereinkommen 24, 65, 69, 78, 83, 95, 216, 228, 232 WTO-Verträge 64, 95 WWF 202, 204, 208, 237 Zölle 117, 144, 176, 180