127 57 16MB
German Pages 172 Year 2001
JOHANNES BURKARO
Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ihre Berührungspunkte mit der Europäischen Gemeinschaft
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 80
Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ihre Berührungspunkte mit der Europäischen Gemeinschaft
Von J ohannes B urkard
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Burkard, Johannes:
Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und ihre Berührungspunkte mit der Europäischen Gemeinschaft I von Johannes Burkard.- Berlin: Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zum europäischen Recht ; Bd. 80) Zug!.: Mainz, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10291-6
Alle Rechte vorbehalten
© 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-10291-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Vorwort Die Juristische Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz hat die vorliegende Arbeit im Januar 2000 als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Oktober 1999 abgeschlossen und ist im Mai 2000 aktualisiert worden. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dieter Dörr, danke ich ganz herzlich für die wissenschaftliche Betreuung der Arbeit und seine wohlwollende Förderung. Herrn Prof. Dr. Walter Rudolf danke ich für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Mein Dank gilt in besonderer Weise den Professoren des Studienganges Wirtschaftsrecht der Fachhochschule Mainz, die mir großzügige Arbeitsbedingungen während meiner Zeit als Assistent gewährten und so den Fortgang der Arbeit gefördert haben. Schließlich danke ich meinem Vater, Herrn Dr. Franz Joseph Burkard, für seine Ermutigungen und seine tatkräftige Unterstützung bei der Korrektur und der sprachlichen Überarbeitung des Manuskriptes. Die Arbeit ist Julia gewidmet. Johannes Burkard
Inhaltsübersicht Eimtihrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Erster Teil: Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik . . . . . .
21
1. Kapitel: Erste Bemühungen um eine außenpolitische Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2. Kapitel: Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit . . . . . . . . .
25
3. Kapitel: Die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik . . . . . .
33
Zweiter Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
1. Kapitel: Die Struktur der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
2. Kapitel: Die Rolle der Institutionen im Rahmen der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
3. Kapitel: Handlungsformen der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
Dritter Teil: Die Berührungspunkte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
1. Kapitel: Berührungspunkt im Bereich außenpolitisch motivierter Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . .. .. . .. . . .
71
2. Kapitel: Berührungspunkt im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . .. . .. . . . . .. . . . .. . .. . . .
96
3. Kapitel: Berührungspunkt im Bereich der Finanzierung der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . 130
Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Zusammenfassung... . . . .. . ..... . . . .. ... . . .... . . . ... . ... . .. . . . .... .. .......... . ...... . 156
Literaturverzeichnis . .. .. ... .. . .. . . ........... .... ... . .. . . .. . .......... ... . . .. . ....... 159
Inhaltsverzeichnis Einrührung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
Erster Teil
Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
21
1. Kapitel Erste Bemühungen um eine außenpolitische Kooperation
21
I. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Europäische Politische Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
II. Der Fouchet-Plan . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .
23
2. Kapitel Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
25
I. Der Luxemburger Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
II. Der Kopenhagener Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
III. Das Pariser Gipfeltreffen im Dezember 1974
29
IV. Der Tindemans Bericht
30
V. Der Londoner Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
3. Kapitel Die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik I. Die Feierliche Erklärung zur Europäischen Union ... ... .... . . . . . .... . .......... . . . li. Der Vertragsentwurf des Europäischen Parlamentes zur Gründung der Euro-
päischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33
35
10
Inhaltsverzeichnis
III. Die Einheitliche Europäische Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .
36
IV. Der Vertrag über die Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
V. Der Vertrag von Amsterdam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
Zweiter Teil
Struktur und Funktionsweise der GASP
47
I. Kapitel
Die Struktur der GASP
47
I. Stellung der GASP im System des Unionsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
II. Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union im Rahmen der GASP . . . . . . . . . . . . .
49
III. Rechtsnatur der GASP-Bestimrnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52
IV. Rechtliche Verbindlichkeit und Justitiabilität der GASP-Bestimrnungen . . . . . . . . . . .
54
V. Umfang und Ziele der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
2. Kapitel Die Rolle der Institutionen im Rahmen der GASP
56
I. Der Europäische Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
II. Der Rat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
111. Die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
IV. Das Europäische Parlament . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . .
63
V. Der Europäische Gerichtshof . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . .
64
3. Kapitel Handlungsformen der GASP
64
I. Die Bestimmung allgemeiner Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
II. Der Beschluß gemeinsamer Strategien . . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . .. . .. .. .. . . . . . . . . . .. . .
66
Inhaltsverzeichnis
11
III. Die Annahme gemeinsamer Aktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
IV. Die Annahme gemeinsamer Standpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
V. Gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung..... ... ... . .. . ...... . ............. . .
69
Dritter Teil
Die Berührungspunkte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit der Europäischen Gemeinschaft
71
1. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich außenpolitisch motivierter Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
71
I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
II. Wirtschaftssanktionen als Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft . . . . . . . .
72
UI. Der Anwendungsbereich des Art. 301 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
1. "Wirtschaftsbeziehungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .
75
2. ,,Zu einem oder mehreren dritten Ländern" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75
3. "Sofortmaßnahmen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
4. Verhältnis des Art. 301 EGV zu Art. 133 EGV und den Art. 296, 297 EGV . . . . .
78
5. Art. 301 EGV als materielle Rechtsgrundlage .. . . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. . . .. . . . . .. .
81
IV. Das zweistufige Verfahren des Art. 301 EGV .. .. . .. . . . . . . .. .. . .. .. . .. .. . . . . . . . .. .
82
1. Das Verfahren auf der Ebene der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. .. . .. . . . .. . . . .. . .. .
82
2. Das Verfahren auf der Ebene der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft im Verfahren des Art. 301 EGV
85
1. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im Verfahren des Art. 301 EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
2. Intergouvemementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im Verfahren des Art. 301 EGV . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . .. . . . . . .. . . . .. . . . . .. .. . .. . . . .. . . .
86
a) Widerspruch der Ratsbeschlüsse in GASP und Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . .
86
b) Bedeutung des Initiativrechts der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
3. Ergebnis . . . . .. . . . . . .. .. .. . . .. . . . . . . .. . . .. .. .. . . . . . . . . . .. . .. . .. . . . . .. . . . . . . .. . . .
93
12
Inhaltsverzeichnis
VI. Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
VII. Ergebnis . . . . . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . .. . . . . .. . .. . . . .
95
2. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck I. Vorbemerkung .. . . .. . . . .. .. . . .. . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . .. . . .. . . . . . .. .. . . .. . . . . . .
II. Exportkontrolle strategischer Waren als Berührungspunkt von GASP und Gemein-
schaft... . .. ...................... . . .............. . . . .. . . ..................... . ... .
96 96
99
III. Umfang der Gemeinschaftskompetenz bei der Exportkontrolle strategischer Waren 101 I. Art. 30 I EGV als Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I 2. Art. 133 EGVals Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Die Auslegung des Art. 133 EGV . .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 103 b) Die Urteile "Wemer" und "Leifer" des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . 105
c) Die Exportkontrolle strategischer Waren als Maßnahme der Handelspolitik nach Art. 133 EGV ... .... ..... .............. . .................. ...... . .. .. . 107 3. Ergebnis...................... . ................................................ 110 IV. Das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . llO
I. Konstruktion . .. . .. . .. . .. . . . . .. . .. . .. . .. . .. .. . . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . . .. . . . 110 2. Inhalt der Regelung . .. .. . . . . . . . .. . . . . . . . .. .. . . .. . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. . . . ll2 V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft im integrierten System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
I. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im integrierten System . . 114 2. Intergouvemementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im integrierten System................... . .................... . ..................... . ..... 114 a) Entscheidungsumfang der Mitgliedstaaten bei der Exportkontrolle im integrierten System .. .... . .. .. .... .. . .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. . . . . .. . .. .. 115 b) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß durch Art. 14 Abs. 3
EUV .......... ..... ...... . .................. . ..................... . .. . ..... 116
Inhaltsverzeichnis
l3
c) Bindung der Gemeinschaft an den Duai-Use-Beschluß durch das integrierte System selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 d) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß durch das Kohärenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Die Gemeinschaft als Adressatin des Kohärenzgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Inhalt des Kohärenzgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Bindung der Gemeinschaft an den Duai-Use-Beschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 dd) Einschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft .. . . .... .... . . .. . . . .. .... ... . .. ... . . .. . . . . . . . . .. .... . ... ... . . . .. . . 124 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 VI. Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 3. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich der Finanzierung der GASP
130
I. Vorbemerkung . . . . . .. .. .. . . . .. . .. . . . . . .. . .. . . .. . . . . . . . .. .. .. .. .. . . . . . . .. . . .. .. .. . . 130 II. Die Finanzierung der GASP im Vertrag von Maastricht als Berührungspunkt zwischen GASP und Gemeinschaft . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 III. Die Finanzierung der GASP im Vertrag von Amsterdam
135
IV. Bedeutung der Interinstitutionellen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft bei der Finanzierung der GASP . . . . . 140
1. Intergouvemementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im Verfahren der Finanzierung der GASP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen durch Art. 28 EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen durch Art. 268 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 28 EUV .. .. . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . .. 143 c) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen durch das Kohärenzgebot der Art. I Abs. 3 Satz 2 und Art. 3 Abs. 2 EUV . . 146 2. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im Verfahren der Finanzierung der GASP .. . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . .. . . . . . . 147 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 VI. Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
14
Inhaltsverzeichnis
VII. Ergebnis . . .. .. . .. .. .. . .. .. . .. . . . .. . .. . . . .. . . .. .. . . . . . .. . . . .. . .. .. . . . .. . . . . . . .. . .. . 152
Endergebnis . . . . .. .. .. . . . . . .. . . . . . . . .. . .. . . . . .. . .. .. . . . . . . .. . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . . 154
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156
Literaturverzeichnis . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . . . .. .. . .. . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . . .. . .. . . . . .. . . . . 159
Abkürzungsverzeichnis a.A.
andere Auffassung
a.a.O.
am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Archiv des Völkerrechts Artikel Auflage August
ABLEG ArchVR Art. Auf!. Aug. AwPrax
Aus Politik und Zeitgeschehen Zeitschrift für Außenwirtschaft in Recht und Praxis
Bd. BGBI.
Band Bundesgesetzblatt
Bull. EG BVerfGE
Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
AusPuZ
CDE
Cahiers de droit europien
CFSP CMLRev.
Common Foreign and Security Policy Common Market Law Review
CoCom
Coordinating Commitee for Multilateral Strategie Export Controls
DB
Der Betrieb
Dez.
Dezember
dies.
dieselben
Diss. DÖV
Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Dual-U se-Beschluß Dual-Use-Verordnung Deutsche Verwaltungspraxis Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (in der Fassung vor den Änderungen durch den Vertrag von Maastricht) Einheitliche Europäische Akte
DUB DUV DVP EA EAG EAGVa EEA EG
Europäische Gemeinschaft
EGKS EGKSVa
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (in der Fassung vor den Änderungen durch den Vertrag von Maastricht)
16
Abkürzungsverzeichnis
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der konsolidierten Fassung des Amsterdamer Vertrages)
EGVa
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (in der Fassung des Vertrages von Maastricht)
EJIL E.L.Rev.
European Journal Of International Law European Law Review Europäische Politische Gemeinschaft Encyclopedia of Public International Law
EPG EPIL EPZ
EWS
Europäische Politische Zusammenarbeit Europäische Rundschau Europäische Union Europäischer Gerichtshof Europarecht Vertrag über die Europäische Union (in der konsolidierten Fassung des Amsterdamer Vertrages) Vertrag über die Europäische Union (in der Fassung des Vertrages von Maastricht) Europäische Zeitschriftfür Wirtschaftsrecht Europäische Verteidigungsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht
f. /ff.
folgende
Feb. Fn.
Februar Fußnote
FS GASP
Festschrift Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
G/T/E
Groeben!Thiesing I Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU I EG-Vertrag
GYIL Hrsg.
German Yearbook of International Law Herausgeber
IGH
Internationaler Gerichtshof
ER EU EuGH EuR EUV EUVa EuZW EVP EWGV
I.L.M.
International Legal Materials
IP
JuS
Internationale Politik in Verbindung mit Januar Journal of Common Market Studies Juristische Ausbildung Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
lit.
littera Neue Juristische Wochenschrift November Nummer
i.V.m. Jan. JCMS Jura
NJW Nov. Nr.
Abkürzungsverzeichnis Okt.
Oktober
PJZS
Polizeiliche und Justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue Generale De Droit International Public Recht der Internationalen Wirtschaft Revue du Marche commun et de I' Union europeenne
RGDIP RIW
RMC Rn.
Randnummer
Rs.
Rechtssache
RTDeur.
Revue trimestrielle de droit europeen
Rz.
Randzahl
s.
Siehe
s.
17
Seite I Seiten
Sept.
September
Slg.
Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts erster Instanz
s.o.
siehe oben
UN vgl.
United Nations
vo
vergleiche Verordnung
YEL
Yearbook of European Law
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ZBJI
Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres
ZEuS
Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Rechtsvergleichung Internationales Privatrecht und Europarecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Urheber und Medienrecht Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft
ZfRV ZfZ ZÖR ZUM ZVglRWiss
2 Burkard
Einführung In der Geschichte der Einigung Europas kommt zwei unterschiedlichen Entwicklungsmodellen besondere Bedeutung zu: der Koordination und der Integration. 1 Während die Integration die Übertragung nationaler Hoheitsgewalt auf eine internationale Organisation bewirkt, behalten die Staaten bei der Koordination ihre Kompetenzen, üben sie aber gemeinsam nach zwischenstaatlich vereinbarten Regeln aus. Mehr als in anderen Politikbereichen waren und sind die europäischen Staaten im Feld der Außenpolitik auf die Wahrung ihrer Hoheitsrechte bedacht. 2 Dies zeigt sich daran, daß es zu keiner Zeit von seiten der Mitgliedstaaten ernsthafte Vorschläge gab, die auf eine echte Integration der europäischen Außenpolitik, eine Übertragung der außenpolitischen Kompetenzen auf die Gemeinschaft, zielten, daß auch die kühnsten Entwürfe nur eine Koordination anstrebten, die die Souveränität der Staaten nicht berührte. So begann in den 50er Jahren der Prozeß, der die gemeinsame Außenpolitik außerhalb der Gemeinschaften ansiedelte und ihr ein von den Gemeinschaften unterschiedliches Modell der zwischenstaatlichen Koordination zugrunde legte, während die Handelspolitik nach dem Konzept der Integration "vergemeinschaftet" wurde. Die parallele Weiterentwicklung beider Modelle führte schließlich zu der heterogenen Struktur3 der heutigen Europäischen Union, die sich durch ein Nebeneinander von supranationalen Gemeinschaften und Formen zwischenstaatlicher Zusammenarbeit auszeichnet. Die vorliegende Arbeit behandelt rechtliche Konflikte zwischen GASP und Europäischer Gemeinschaft, die diese heterogene Struktur mit sich bringt. Es geht dabei nicht um eine allgemeine Betrachtung des Verhältnisses von GASP und Gemeinschaft, sondern um die nähere Beleuchtung konkreter Berührungspunkte. Der EG-Vertrag und der EU-Vertrag kennen zwei ausdrücklich geregelte Berührungspunkte von GASP und Gemeinschaft: die Verhängung von außenpolitisch motivierten Wirtschaftssanktionen gegen Drittstaaten gemäß Art. 301 EGV und die Regelungen über die Finanzierung der GASP in Art. 28 EUV und Art. 268 Abs. 2 EGV. Ein weiterer sich aus der sekundärrechtlichen Praxis von GASP und Gemeinschaft ergebender Berührungspunkt ist die Exportkontrolle von Gütern mit doppelMagiera, FS Geck, S. 507 (510 f.). Hallstein, S. 231. 3 Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1053 (1060 ff.); Streinz, EuZW 1998, S. 137 (138); Pechstein/ Koenig, Rn. 99 ff.; Badura, FS Hecke/, S. 695 f. 1
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Einführung
tem Verwendungszweck Die vorliegende Arbeit untersucht, wie sich die Berührung von GASP und Gemeinschaft in diesen Bereichen rechtlich auswirkt. Dabei wird von zwei denkbaren Konfliktsituationen ausgegangen. Zum einen könnte der Einfluß der Gemeinschaftsorgane auf die GASP dazu führen, daß die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten Kompetenzen entzieht und es so zu einer "Vergemeinschaftung" außenpolitischer Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten kommt. Zum anderen könnte die GASP so weitreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gemeinschaft gewinnen, daß dies eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten mit sich bringt. Beide Konstellationen führen an den Berührungspunkten von GASP und Gemeinschaft zur Überordnung der einen Seite über die andere. Die Antwort auf die Frage nach den rechtlichen Auswirkungen der Berührungspunkte auf das Verhältnis von GASP und Gemeinschaft besitzt für die Entwicklung der Union längerfristige Bedeutung. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union werden, auch vor dem Hintergrund anstehender Erweiterungen, auf absehbare Zeit nicht bereit sein, ihre außenpolitischen Kompetenzen umfassend auf die Gemeinschaft zu übertragen. Es wird daher innerhalb der Union noch auf lange Sicht ein Nebeneinander supranationaler Integration und intergouvernementaler Koordination geben.
Erster Teil
Die Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik 1. Kapitel
Erste Bemühungen um eine außenpolitische Kooperation I. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Europäische Politische Zusammenarbeit Der erste und inhaltlich schon weitgehende Entwurf einer außenpolitischen Kooperation stammt aus dem Jahre 1953. Die Versammlung der noch jungen Montanunion (EGKS) 1 übernahm in ihrer ersten Sitzungsperiode am 15. September 1952 den Auftrag, Vorarbeiten zur Schaffung einer obersten politischen Autorität Europas zu erbringen.2 Der dazu eingesetzte Verfassungsausschuß erarbeitete unter Heinrich von Brentano einen Entwurf für die Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG), 3 den die Versammlung am 10. März 1953 annahm. 4 Die Initiative zur Errichtung der EPG muß vor dem Hintergrund der Diskussion um die deutsche Wiederbewaffnung gesehen werden, zu der die OS-Administration unter Präsident Truman drängte.5 Der französische Ministerpräsident Rene Pleven und sein Außenminister Robert Schuman schlugen einen deutschen Verteidigungsbeitrag im Rahmen einer einheitlichen europäischen Armee vor, die unter der Kontrolle einer noch zu gründenden Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) stehen sollte. 6 Die EVG war als eine supranationale, also dem Konzept der t Der Pariser Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion) wurde am 18. Aprill951 unterzeichnet und trat am 23. Juli 1952 in Kraft. 2 Kurzberichte, EA 1952, S. 5193. 3 Entwurf einer Satzung für die Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft, abgedruckt in: Dokumente, herausgegeben. von der Forschungsstelle für Volkerrecht und ausländisches öffentliches Recht der Universität Hamburg, Heft X.: "Die Europäische Politische Gemeinschaft", S. 17.
Kurzberichte, EA 1953, S. 5613. s. Darstellung in Höhn, S. 22. 6 Art. 9-18 EVG-Vertrag, EVG-Vertrag abgedruckt in: Dokumente und Berichte des Enropa-Archivs, Bd. 10: "Die Vertragswerke von Bonn und Paris", S. 181 ff.; Steininger; AusPuZ 1985, B 17, S. 3 ff. 4
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I. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
Integration unterliegende Organisation geplane und orientierte sich in ihrer Struktur mit den Organen Rat, Versammlung, Kommissariat und Gerichtshof 8 an der Montanunion. Ähnlich wie die Montanunion im Hinblick auf die Nutzung und Produktion von Kohle und Stahl bezweckte auch die Verteidigungsgemeinschaft zugleich die Einbindung und Kontrolle Deutschlands.9 Zu diesem Konzept gehörte auch die EPG, die die sachlich beschränkten Teilgemeinschaften EGKS und EVG zusammenfassen und mit ihnen eine Rechtsgemeinschaft bilden sollte. 10 Der Satzungsentwurf der EPG sah die Errichtung einer "Europäischen Gemeinschaft übernationalen Charakters" 11 vor, einer supranationalen Organisation also, die auf gemeinschaftliche Integration staatlicher Zuständigkeitsbereiche angelegt war12 und die eine bundesstaatliche Entwicklungsperspektive haben sollteY Aufbau und Organe entsprachen im wesentlichen der Struktur von EGKS und EVG. 14 In Art. 2 des Satzungsentwurfs wurde als eines der Ziele der EPG eine "Koordinierung der Außenpolitik der Mitgliedstaaten" in den "Fragen, die den Bestand, die Sicherheit oder den Wohlstand der Gemeinschaft berühren können", formuliert. Diese Koordinierung sollte auf verschiedenen Wegen erreicht werden. So konnte nach Art. 69 des Entwurfs der Exekutivrat, der als "Regierung" 15 der EPG mit der heutigen EG-Kommission vergleichbar ist, zum gemeinsamen Beauftragten für außenpolitische Maßnahmen bestellt werden. Dies jedoch nur durch einstimmigen Beschluß des Ministerrates. Darüber hinaus wurde eine Informations- und Konsultationspflicht der Mitgliedstaaten untereinander in Fragen der Außenpolitik begründet16 und ein Konsultationsverfahren zur Festlegung einer gemeinsamen Haltung vor Beginn internationaler Konferenzen festgelegt. 17 Dieser erste ernsthafte Entwurf einer außenpolitischen Zusammenarbeit auf europäischer Ebene wagte zwar nicht den Schritt zur Integration der Außenpolitik, er legte aber die Mitgliedstaaten auf eine sehr weitgehende Koordination fest. Die Mitgliedstaaten behielten die außenpolitische Souveränität, unterwarfen sich jedoch strengen Regeln bei ihrer Ausübung. 18 Art. 9 EVG-Vertrag, a. a. 0. Art. 8 EVG-Vertrag, a. a. 0. 9 Falz, in Zorgbibe (Hrsg.), S. 95 (96). IO Art. 5, 56 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0 .; Art. 38, § 1 EVG-Vertrag, a. a. 0 .; Genzer, Die Satzung der Europäischen Gemeinschaft, EA 1953, S. 5653 (5655). ll Art. 1 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0 . 12 Art. 55-89 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0. 13 Genzer, EA 1953, 5653 (5654). 14 Art. 9-54 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0. 15 Art. 27 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0. 16 Art. 70, § 1 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0. 17 Art. 71, § 1 des Satzungsentwurfs der EPG, a. a. 0 . 18 Bindschedler, S. 382. 7
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I. Kap.: Erste Bemühungen um eine außenpolitische Kooperation
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Dem ambitionierten und von viel Enthusiasmus getragenen Projekt einer Europäischen Politischen Gemeinschaft wurde jedoch die Grundlage entzogen, als am 30. August 1954 die Ratifizierung des EVG-Vertrages in der Französischen Nationalversammlung scheiterte und daraufhin alle Pläne einer politischen Union in weite Ferne rückten. Im Bemühen um eine gemeinsame Außenpolitik bedeutete dies einen schweren Rückschlag. Die EPG sah ein Maß an außenpolitischer Kooperation vor, wie es in Teilen erst zwanzig Jahre später im Rahmen der EPZ und dann in den neunziger Jahren mit der GASPerreicht werden konnte. II. Der Fouchet-Pian
Nach dem Scheitern von EVG und EPG beschloß man, pragmatischere Wege zu gehen und das Ziel europäischer Einigung in kleinen Schritten über funktional begrenzte Gemeinschaftsorganisationen zu verwirklichen. Italien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg und Deutschland konzentrierten sich nun auf Bereiche, die konsensfähig waren, und sparten konfliktträchtige Fragen zunächst aus. Den Anstoß gaben im Mai 1955 die Benelux-Staaten mit einem Memorandum zur Erweiterung der Europäischen lntegration. 19 Von der erfolgreichen Zusammenarbeit in der Montanunion ermutigt, regten sie eine Integration des Verkehrswesens und der Energie- und Sozialpolitik an und schlugen die Schaffung eines gemeinsamen Marktes vor. Über die Integration im wirtschaftlichen Bereich erhoffte man sich auf lange Sicht auch einen Schub für eine politische Einheit, einen Prozeß, der unter dem Begriff des "spill-over-effect"20 die Diskussion prägte. Die Konzentration auf die konsensfähigen Fragen der Wirtschafts- und Energiepolitik führte zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) durch die Römischen Verträge am 25. März 1957. Die Verwirklichung einer gemeinsamen Außenpolitik, die als .,schwieriges Unterfangen " 21 galt, wurde zurückgestellt. Erst die beginnenden sechziger Jahre brachten erneut Bewegung in die Bemühungen um eine gemeinsame Außenpolitik. De Gaulle, seit 1958 wieder an der Macht in Frankreich, versuchte der Europäischen Einigung neue Impulse zu verleihen und regte eine Intensivierung der Zusammenarbeit an. 22 Er hatte jedoch andere Vorstellungen von einem einigen Europa als die meisten seiner Kollegen. 23 Ihm schwebte ein konföderales auf zwischenstaatlicher Zusammenarbeit aufgebautes
Abgedruckt in: Siegler; Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. I, S. 91. Hoos, S. 283 ff. 21 Hallstein, S. 231. 22 Pressekonferenz de Gaulies am 5. Sept. 1960, Textauszug in: Siegler, Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. 1, S. 378. 23 Spaak, S. 531. 19
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1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
"Europa der Vaterländer" vor. Seine Perspektive einer europäischen Entwicklung war ein,. imposanter Staatenbund". 24 Supranationale Strukturen lehnte er ab?5 Die Vorschläge de Gaulles wurden auf dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EWG am 18. Juli 1961 in Bonn diskutiert, undtrotzBedenken gegen den französischen Standpunkt setzte das Gremium einen Ausschuß ein, der Pläne ausarbeiten sollte, ,.auf Grund derer die Einigung der Völker so bald wie möglich in der Art eines Statuts ihren Ausdruck finden könnte". 26 Im November legte der Ausschuß unter dem Vorsitz des französischen Diplomaten Christian Fouchet einen Vertragsentwurf zur Griindung einer europäischen ,. Staatenunion" vor,27 den sogenannten Fouchet-Plan, der die konföderalen Vorstellungen Oe Gaulles widerspiegelte. Der Fouchet-Plan entwarf eine Organisation für Europa ohne supranationale Elemente mit der intergouvernementalen Struktur klassischer internationaler Organisationen. Als maßgebliches Organ war der Rat der Staats- und Regierungschefs vorgesehen, der regelmäßig zusammentreten sollte und dessen Beschlüsse einstimmig gefällt wurden. 28 Die Vorbereitung und Durchführung der Ratsbeschlüsse sollte Aufgabe der Politischen Kommission sein, 29 einer Institution mit Sitz in Paris, die sich aus weisungsgebundenen hohen Beamten der Außenministerien der Mitgliedstaaten zusammensetzte. 30 Die Politische Kommission stellte daher kein unabhängiges Organ dar, und der Rat war nicht an seine Vorschläge gebunden. Dariiber hinaus sollte eine parlamentarische Versammlung mit lediglich beratender Funktion gebildet werden? 1 Ziel dieser "Staatenunion" war neben der wissenschaftlichen, kulturellen und militärischen Zusammenarbeit und der Verteidigung von Menschenrechten und Demokratie auch die Annahme einer gemeinsamen Außenpolitik? 2 Hier füllte der Fouchet-Plan eine Lücke, die die drei Gemeinschaften ließen und war insofern als Fortschritt zu werten. 33 Er erreichte jedoch nicht das Maß außenpolitischer Zusammenarbeit, wie es zehn Jahre zuvor im EPG-Statut vorgesehen war. Der Entwurf der Fouchet-Kommission stieß auf breite Kritik. Die fünf Partner Frankreichs in der EWG befürchteten durch die zur Debatte stehende Verstärkung 24 Fernsehansprache de Gaulies arn 31. Mai 1960, abgedruckt in: Siegler, Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. I, S. 366. 25 Pressekonferenz de Gaulies arn 5. Sept. 1960, a. a. 0 .; de Gaulle, S. 239 f. 26 Erklärung der Staats- und Regierungschefs der EWG über die politische Zusammenarbeit vom 18. Juli 1961, abgedruckt in: Siegler, Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. 1, S. 437. 27 Statutenentwurf der Fauchet-Kommission vom November 1961, abgedruckt in: Siegler, Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. 2, S. 43. 28 Art. 6 des Statutenentwurfs der Fauchet-Kommission, a. a. 0. 29 Art. 10 des Statutenentwurfs der Fauchet-Kommission, a. a. 0. 30 Art. 9 des Statutenentwurfs der Fauchet-Kommission, a. a. 0. 31 Art. 7 des Statutenentwurfs der Fauchet-Kommission, a. a. 0. 32 Art. 2 des Statutenentwurfs der Fauchet-Kommission, a. a. 0. 33 Bleckmann, in Zorgbibe (Hrsg.), S. 19 (22).
2. Kap.: Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
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der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit Rückschritte im Rahmen der bereits bestehenden supranationalen Gemeinschaften und negative Auswirkungen auf eine dem Konzept der Integration folgende Weiterentwicklung des europäischen Einigungswerkes?4 Entsprechende Bedenken äußerte auch das Europäische Parlament in seiner Empfehlung vom 21. Dezember 1961.35 Der Entwurf der Fouchet-Kommission wurde in der Folgezeit mehrfach revidiert, fand jedoch nie die Akzeptanz aller beteiligten Staaten. Auf der Konferenz der Außenminister der EWG-Staaten am 17. April 1962 wurden die Verhandlungen über die "Staatenunion" ausgesetzt und nicht wieder aufgenommen. Mit dem Scheitern des Fouchet-Planes waren zunächst auch alle Pläne einer gemeinsamen Außenpolitik von der europäischen Agenda gestrichen. Inwieweit die intergouvernementalen Ansätze des Fouchet-Planes das Zusammenwachsen Europas begünstigt hätten, mag dahingestellt bleiben, 36 im Hinblick auf eine gemeinsame Außenpolitik ist hier eine wertvolle Chance vertan worden. 37
2. Kapitel
Die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit I. Der Luxemburger Bericht
Walter Hallstein 1 zieht aus den schwierigen Verhandlungen über den FouchetPlan die Lehre, die Politische Union müsse "zweckmiißigerweise in Etappen" verwirklicht werden? Eine entscheidende Etappe auf dem Weg zu einer gemeinsamen Außenpolitik nach fast zwei Jahrzehnten vergeblicher Entwürfe, Beratungen und Initiativen war der Luxemburger Bericht der Außenminister der EG-Staaten vom 27. Oktober 1970. 3 Auf dem Gipfeltreffen in Den Haag im Dezember 1969 hatten die Staats- und Regierungschefs der EG ihre Außenminister mit der Prüfung der Frage beauftragt, wie "in der Perspektive der Erweiterung am besten Fortschritte Koppe, EA 1962, S. 263 (265). Empfehlung des Europäischen Parlaments vom 21. Dezember 1961, abgedruckt in: Siegler, Dokumentation der Europäischen Integration, Bd. 2, S. 61. 36 s. Spaak, S. 542 f. 37 Vgl. Bleckmann, in Zorgbibe (Hrsg.), S. 19 ( 22). I Prof. Dr. Walter Hallstein (* 27. 11. 1901 Mainz, t 29. 3. 1982 Stuttgart), erster Präsident der EWG-Konunission (1958-1967). 2 Hallstein, S. 231. 3 Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27. Oktober 1970 (Luxemburger Bericht), in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 25. 34
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1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden können. "4 In ihrem Bericht, den der unter dem Vorsitz des Abteilungsleiters im belgiseben Außenministerium Etienne Vicomte Davignon tagende Ausschuß entworfen hatte, schlugen die Außenminister eine dem Konzept der Koordination folgende gemeinsame Außenpolitik vor. Nach den enttäuschenden Erfahrungen mit gescheiterten Projekten wie der EPG und dem Fauchet-Plan schreckte man vor allzu hochgesteckten Zielen zuriick und versuchte zunächst eine praktische Zusammenarbeit auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners zu realisieren. 5 Der Bericht nennt lediglich zwei Ziele einer Kooperation in der Außenpolitik: ,.- durch regelmäßige Unterrichtung und Konsultation eine bessere gegenseitige Verständigung über die großen Probleme der internationalen Politik zu gewährleisten; - die Harmonisierung der Standpunkte, die Abstimmung der Haltung und, wo dies möglich und wünschenswert erscheint, ein gemeinsames Vorgehen zu begünstigen und dadurch die Solidarität zu festigen. " 6
Zur Erreichung dieser beiden Ziele verabredeten die Außenminister im Luxemburger Bericht ein festes Verfahren regelmäßiger Konsultationen. Der Bericht sah sich als erste Stufe einer politischen Zusammenarbeit und wollte daher zunächst praktische Voraussetzungen für die Harmonisierung der mitgliedstaatliehen Auffassungen auf dem Gebiet der internationalen Politik schaffen. 7 Die sechs Außenminister treffen sich in halbjährlichem Rhythmus und können dabei von den Staats- und Regierungschefs ersetzt werden, wenn " schwerwiegende Umstände oder die Wichtigkeit der anstehenden Themen dies rechtfertigt" 8 • Ein "Politisches Komitee", bestehend aus den Leitern der politischen Abteilungen der Außenämter, bereitet die Treffen vor und tagt mindestens viermal jährlich. 9 Themenbereich der Konsultationen sind "alle wichtigen Fragen der Außenpolitik" 10• Dariiber hinaus können die Mitgliedstaaten allgemein-politische Fragen zur Konsultation vorschlagen.11 Die Verabredungen des Luxemburger Berichts entfalteten jedoch keine rechtliche Bindungswirkung. Sie hatten lediglich den unverbindlichen Charakter eines "Gentlemen's Agreement" 12 ohne jegliche verpflichtende rechtliche Grundlage.
4 Kommunique der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 2. Dezember 1969 in Den Haag, Ziff. 15, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 21 (24). s Höhn, S. 104. 6 Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. I, a. a. 0. 7 Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. I, Ziff. 10., a. a. 0 . s Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. II, Ziff. 1., a. a. 0 . 9 Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. III, Ziff. 1., a. a. 0 . 10 Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. IV, a. a. 0 . 11 Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. IV, a. a. 0 . 12 Zorgbibe, in Zorgbibe(Hrsg.), S. 35 ( 36).
2. Kap.: Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
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Das Verfahren außenpolitischer Zusammenarbeit nach dem Luxemburger Bericht war eine rein intergouvernementale Kooperation, die die außenpolitische Souveränität der Mitgliedstaaten nicht berührte. Es besaß keine institutionelle Verbindung zu den EG-Organen. Die EG-Kommission war lediglich anzuhören, wenn gemeinschaftsrelevante Fragen besprochen wurden; 13 der Politische Ausschuß des Europäischen Parlamentes sollte sich halbjährlich mit den Außenministern zu einem Kolloquium über Fragen der außenpolitischen Zusammenarbeit 14 treffen. Darüber hinaus bestanden keine Beziehungen zwischen den Institutionen der Gemeinschaft und der außenpolitischen Zusammenarbeit. Die Außenminister hatten sich entschieden, die gemeinsame europäische Außenpolitik außerhalb der Europäischen Gemeinschaften und ihrer supranationalen Strukturen anzusiedeln, und legten damit die zukünftige Entwicklung bis in die heutigen Zeiten der GASP auf das Modell der Zwischenstaatlichkeit fest. Sie wollten die Außenpolitik als "high politics" weiterhin im Bereich der nationalen Souveränität wissen. 15 Die erste im Rahmen des Berichts von Luxemburg abgehaltene Versammlung und damit zugleich Beginn der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) war das Außenministertreffen am 19. November 1970 in München, bei dem die Vorbereitung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die Erörterung der Lage im Mittleren Osten im Mittelpunkt standen. 16
II. Der Kopenhagener Bericht Der Bericht von Luxemburg sah vor, daß die Außenminister einen zweiten Bericht über die politische Zusammenarbeit spätestens zwei Jahre nach Beginn der außenpolitischen Konsultationen vorlegen sollen. 17 Auf dem Pariser Gipfel vom 21. Oktober 1972 vereinbarte man die Vorlage des zweiten Berichts bis zum 30. Juni 1973. 18 Dieser wurde mit leichter Verspätung am 23. Juli 1973 auf der Gipfelkonferenz in Kopenhagen von den Staats- und Regierungschefs angenommen. 19 Neben der Genugtuung über die bisher erreichten Ergebnissen in den ersten drei Jahren der Zusammenarbeit äußert der Kopenhagener Bericht den verstärkten Wunsch nach Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. V, a. a. 0. Luxemburger Bericht, Zweiter Teil, Nr. VI, a. a. 0 . 15 s. Höhn, S. 117 f. 16 Bull. EG 1- 1971, S. 15 f. 17 Luxemburger Bericht, Dritter Teil, Ziff. 5, a. a. 0. 18 Erklärung der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 21. 10. 1972 in Paris, (Pariser Erklärung), Ziff. 14, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 32 (36). 19 Zweiter Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitg1iedstaaten vom 23. Juli 1973 (Kopenhagener Bericht), in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 38. 13
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l. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
einer weiteren Intensivierung der EPZ. Dabei ging es im wesentlichen um die offizielle Festlegung der bereits bestehenden Übung. 20 Denn viele der Vorschläge des Berichts für eine Verbesserung der Zusammenarbeit wurden bereits praktiziert, wie man aus dem Anhang des Kopenhagener Berichts unter dem Titel "Ergebnisse der EPZ auf dem Gebiet der Außenpolitik"21 ersehen kann. So wurde die Entscheidung des Pariser Gipfels festgeschrieben, die Außenministertreffen in vierteljährlichem statt halbjährlichem Rhythmus abzuhalten. 22 Die bereits regelmäßig tagende Korrespondentengruppe aus Beamten der Außenministerien wurde nun offiziell eingesetzt. Ihre Aufgabe bestand darin, die Kooperation der einzelstaatlichen Verwaltungen zu erleichtern, "Organisationsprobleme und Fragen allgemeiner Art"23 der EPZ zu lösen und die Arbeit des Politischen Komitees zu unterstützten. Dem gleichen Zweck diente die Möglichkeit, jederzeit Arbeitsgruppen zu konkreten Fragen aus den jeweilig zuständigen Fachbeamten der Außenämter zu bilden.24 Darüber hinaus wurden die Konsultationsverfahren präzisiert: Die Staaten verpflichteten sich in Fragen, die die Interessen Europas betreffen, eine eigene Haltung nicht festzulegen, ohne ihre Partner in der EPZ konsultiert zu haben.25 Bei dieser Verpflichtung handelt es sich jedoch um eine rein politische und keine rechtliche. 26 Durch die Errichtung eines eigenen europaweiten Kommunikationsnetzes zwischen den Außenministerien der Mitgliedstaaten, soll der technische Kontakt vereinfacht werden. 27 Im Kopenhagener Bericht setzen sich die Außenminister zum ersten mal ausführlich mit der Frage des Verhältnisses der gemeinsamen Außenpolitik zu den Gemeinschaften auseinander. 28 In der Erklärung der Pariser Gipfelkonferenz hieß es lediglich, "bei Fragen, die sich auf die Tiitigkeit der Gemeinschaft auswirken", sei "enge Verbindung zu den Organen der Gemeinschaft" zu halten. 29 Danach waren Befürchtungen geäußert worden, die Gipfelkonferenzen im Rahmen der EPZ könnten die Verfassungsstruktur der Gemeinschaftsverträge verfälschen, wenn die Mitgliedstaaten der Versuchung nachgäben, auf der höchsten Ebene der Gipfeltreffen strittige Fragen über den Kopf der Gemeinschaftsorgane zu regeln. 30 Maßgeblich unter dem Einfluß Frankreichs, das, dem gaullistischen Ansatz folgend, die "high politics" unter nationaler Kontrolle zu halten, 31 auf eine deutliche Trennung Vgl. Allen/Wallace, in Rummel/Wessets (Hrsg.), S. 51 (61 f.). Anhang zum Kopenhagener Bericht, in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 46. 22 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff I, a. a. 0. 23 Kopenhagener Bericht, Teil li, Ziff 3, a. a. 0. 24 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 4, a. a. 0 . 25 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 11, a. a. 0. 26 /festos, S. 168. 27 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 9, a. a. 0. 28 Ifestos, S. 171. 29 Pariser Erklärung, Ziff. 14, a. a. 0. 30 Bandilla, EuR 1973, S. 124 (124 f.); Bandilla, EuR 1974, S. 176 (177 f .). 20
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2. Kap.: Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
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von EPZ und Gemeinschaften drängte, erklärt der Kopenhagener Bericht: "Die Politische Zusammenarbeit, die auf zwischenstaatlicher Ebene Probleme der internationalen Politik behandelt, unterscheidet sich von der Politik der Gemeinschaft"32. Von diesem Grundsatz ausgehend, verfolgen beide das Ziel, "zur Entwicklung des europäischen Einigungsprozesses beizutragen"33 . Die geforderte enge Verbindung zu den Gemeinschaftsorganen soll praktisch hergestellt werden durch Stellungnahmen der Kommission, durch die Beschäftigung des Rates mit gemeinsamen Schlußfolgerungen der EPZ und durch Studien der Organe der Politischen Zusammenarbeit über bestimmte politische Aspekte der im Rahmen der Gemeinschaften zu treffenden Entscheidungen. 34 Die "inhaltsleere Formel'.35 , daß die "außenpolitische Zusammenarbeit in der Perspektive der Europäischen Union stehen muß", und die beliebige Aussage, daß das "Bemühen um gemeinsame Auffassungen wesentliche Bedeutung" 36 verdiene, mit denen der Kopenhagener Bericht schließt, sind in ihrer Unbestimmtheit bemüht, Differenzen der Mitgliedstaaten in der Frage des Verhältnisses der EPZ zu den Gemeinschaften zu verwischen.
111. Das Pariser GipfeltretTen im Dezember 1974 In dieser ersten Periode der EPZ, die sich vom Gipfeltreffen in Den Haag bis zum Kopenhagener Protokoll erstreckt, war die Zusammenarbeit wesentlich geprägt von der Beschäftigung mit institutionellen Fragen und der Entwicklung von Verfahrensarten. 37 Erste politische Themen, an denen die Staaten ihre neuen Mechanismen außenpolitischer Kooperation testen konnten, waren die Vorbereitung der KSZE, der arabisch-israelische Konflikt und die Zusammenarbeit in internationalen Organisationen. In allen drei Bereichen bewährte sich das System der EPZ. Als besonderer Erfolg wird das kontinuierlich abgestimmte Vorgehen im Zusammenhang mit der KSZE und den Treffen im NATO-Rat gesehen. 38 Am Ende ihrer ersten Periode hatte sich die EPZ zu einem stabilen Netz des Meinungsaustauschs, der Abstimmung und gemeinsamer Handlungen entwickelt. Die Politik der strikten Trennung von EPZ und Gemeinschaften führte zu ganz seltsamen Auswüchsen, wenn sich, wie beispielsweise im Juli 1973, die neun Außenminister erst in Kopenhagen trafen, um EPZ-Fragen zu erörtern, und sich dann Wallace, in Wallace/Wallace/Webb (Hrsg.), S. 373 (381). Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 12 a), a. a. 0. 33 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 12 a), a. a. 0. 34 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 12 c), a. a. 0. 35 Allen/Wallace, in Rummel/Wessets (Hrsg.), S. 51 (62). 36 Kopenhagener Bericht, Teil II, Ziff 12 c), a. a. 0. 37 Wallace, in Wallace/Wallace/Webb (Hrsg.), S. 373 (377); Regelsberger; in Regelsberger/Pijpers/Wessels (Hrsg.), S. 21 (33). 38 Höhn, S. 131 ff.; van Weil, EA 1973, S. 581 (587); Regelsberger; in Regelsberger/Pijpers/Wessels (Hrsg.), S. 21 (34). 31
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1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
nachmittags auf den Weg nach Brüssel machten, wo sie als Rat weitertagten. Die außen- und sicherheitspolitischen Spannungen sowie die wirtschaftlichen Probleme39 der europäischen Staaten in den Jahren 1973-74 förderten die Einsicht, daß eine Kooperation von EPZ und Gemeinschaften zur BündeJung der Kräfte erforderlich ist. Dies kommt zum ersten Mal auf der Konferenz vom Dezember 1974 in Paris zum Ausdruck. Die Staats- und Regierungschefs einigten sich, ihre Sitzungen künftig je nach Materie und im Rahmen der bestehenden vertraglichen Bedingungen zugleich als Organ der Gemeinschaft und als Konferenz im Rahmen der EPZ abzuhalten. 40 Man etablierte mit diesem dreimal im Jahr tagenden Europäischen Rat ein Gremium, dessen hohe Autorität Entscheidungen für die Gemeinschaften und die EPZ treffen konnte und damit zu einer wachsenden Verbindung der Strukturen führte. Bedenken, der Europäische Rat könne sich zu einer Art "Über-Rat" entwickeln, der die Arbeit der anderen Organe behindere, bestätigten sich nicht. 41 Diese zweite Pariser Gipfelkonferenz griff auch wieder die Pläne für eine Europäische Union auf und beauftragte den belgischen Ministerpräsidenten Leo Tindemans, vor 1975 einen Bericht über eine neue Gesamtkonzeption der Union vorzulegen.42
IV. Der Tindemans-Bericht Tindemans hatte sich wie alle bisherigen Gremien, die sich um Ansätze einer Europäischen Union bemühten, mit dem grundsätzlichen Problem auseinanderzusetzen, inwieweit eine supranationale Organisationsform in anderen als den bereits zur Gemeinschaft gehörenden Politikbereichen zu verwirklichen ist. 43 Die desillusionierenden Beispiele nicht verwirklichter Unionsvisionen vor Augen, bemühte er sich um Vorschläge, die er für "realistisch und realisierbar" hielt, wie er in seinem, dem Bericht vorangestellten Schreiben an seine Kollegen erklärte. 44 Der am 29. Dezember 1975 dem Europäischen Rat übermittelte Tindemans-Bericht45 wurde als pragmatischster aller bisherigen Entwürfe einer Europäischen Union beKarpenstein, Die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, EuR 1975, S. 354. Komrnunique der Konferenz der Staats- und Regierungschefs vom 10. Dezember 1974 in Paris (Pariser Komrnunique), Ziff. 3, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 61. 41 Everling, Die Europäische Gemeinschaft nach der zweiten Pariser Konferenz, EA 1975, s. 59 (62). 42 Pariser Komrnunique, Ziff. 13, a. a. 0. 43 lfestos, S. 193. 44 Schreiben des belgischen Ministerpräsidenten, Leo Tindemans, an seine Kollegen im Europäischen Rat, abgedruckt in: EA 1976 (Dokumente) S. 53. 45 Tindemans-Bericht über die Europäische Union vom 29. Dezember 1975, abgedruckt in: EA 1976 (Dokumente) S. 55 ff. 39 40
2. Kap.: Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit
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zeichnet,46 weil er eine institutionelle Weiterentwicklung ohne Änderung der Verträge nur durch organisatorische Anpassung versucht. 47 Ein Schwerpunkt seiner Unionspläne ist der Ausbau der EPZ zu einer gemeinsamen Außenpolitik. Die Europäische Union müsse die Möglichkeit haben, sich mit "allen Aspekten" der Außenbeziehungen48 zu befassen, gleichgültig ob es sich um klassische Außenpolitik, Wirtschafts-, Sicherheits- oder Entwicklungspolitik handelt. Die gegenwärtige Koordinierung der Außenpolitik habe schrittweise einer gemeinsamen Politik zu weichen. 49 Dazu schlägt er vor, "noch bestehende Unterschiede bei den Ministertagungen, bei denen es um politische Zusammenarbeit geht, und den Tagungen, auf denen über Fragen aus dem Bereich der Verträge beraten wird, aus der Welt zu schaffen "50 und den Organen der Union zuzugestehen, über alle Probleme beraten zu können, "sofern sie die Belange Europas berühren". 51 Die "uner/äßliche Kohärenz des Handeins" verlange dieses gemeinsame Entscheidungszentrum für die Gemeinschaften und die EPZ, damit die "verschiedenen Facetten der oft komplexen Probleme ... zumindest auf Ministerebene von denselben Personen an ein und demselben Ort gemeinsam behandelt werden können". 52 Die politische Verpflichtung zur Konsultation im Rahmen der EPZ, so Tindemans' Vorschlag, sollte zu einer juristischen verstärkt werden. 5 3 Dariiber hinaus empfahl er, die Staaten darauf zu verpflichten, die "großen Linien ihrer Politik" im Rat festzulegen. Hier sei allerdings dann vorauszusetzen, daß sich nach Abschluß der Beratungen die Minderheit der Mehrheit anschließt. 54 Gerade mit den beiden letzten Empfehlungen trat Tindemans der Souveränität der Einzelstaaten nahe, ein Schritt, ohne den sich letztlich eine gemeinsame Außenpolitik nicht realisieren läßt, der aber von einzelnen Mitgliedstaaten entschieden abgelehnt wurde. Der Bericht Tindemans' erhielt nicht die Unterstützung, die sein pragmatischer Ansatz hatte erwarten lassen, und stieß bei seinen Ratskollegen lediglich auf "höfliches Desinteresse". 55 Die Außenminister besprachen den Bericht im Verlauf des Jahres 1976 zwar mehrfach, gelangten jedoch zu keiner Entscheidung. Insbesondere die französische Regierung hatte Rücksicht auf die gaullistische Majorität in der Nationalversammlung zu nehmen, für die Mehrheitsentscheidungen und juristische Handlungsverpflichtungen im Bereich der Außenpolitik nicht in Frage kamen. 56 46
47 48
49 50
51 52 53 54
55
lfestos, S. 193. Scheuner, EuR 1976, S. 193 (212).
Tindernans-Bericht, Kapitel II A, a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II B, a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II A a), a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II Ab), a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II A, a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II A, a. a. 0. Tindernans-Bericht, Kapitel II B, a. a. 0 . Kahler, FS Sasse, S. 21 (23).
32
1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
Auf der Sitzung des Europäischen Rates zu Fragen der Europäischen Union vom 29./30. November 1976 in Den Haag wurde der Tindemans-Bericht nur kurz diskutiert, um schließlich mit einer lauwarmen Absichtserklärung57 verabschiedet und zugleich begraben zu werden. Damit war das auf dem Pariser Gipfel von 1972 erklärte "vornehmste Ziel, vor dem Ende dieses Jahrzehnts ... die Gesamtheit der Beziehungen der Mitgliedstaaten in eine Europäische Union umzuwandeln"58 , gescheitert. Die Ideen Tindemans' lebten jedoch in den Plänen und Entschlüssen der Zukunft, wie dem Bericht des Dreier-Ausschusses 1979 und der Einheitlichen Europäischen Akte 1986, weiter. 59 V. Der Londoner Bericht
Dem Scheitern bedeutender Reformvorhaben auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik folgte immer, nach einer Phase politischer Paralyse, der Versuch, in kleinen Schritten voranzugehen. Die Initiative, vier Jahre nach der Ablehnung des Tindemans-Berichtes ging vom britischen Außenminister Lord Carrington aus, der, unter dem Eindruck der Ohnmacht der europäischen Staaten angesichts der Krisenherde Afghanistan und Iran, in seiner Rede vor dem Übersee-Club in Harnburg arn 17. November 1980 den Zustand der EPZ untersuchte und auf der Grundlage eines streng intergouvernementalen Ansatzes Verbesserungen anregte.60 Seine Vorschläge fanden weitgehend Eingang in den Londoner Bericht der Außenminister vom 13. Oktober 1981,61 den die Staats- und Regierungschefs auf ihrer Sitzung am 26. I 27. November 1981 in London annahmen. 62 Die Außenminister strebten mit den Maßnahmen ihres Berichts eine effektivere praktische Zusammenarbeit an, "die ein kohärentes und geschlossenes Vorgehen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in den internationalen Angelegenheiten "63 sicherstellen sollte. Es wurde beschlossen, daß die amtie56 Schoutheete, Politique Etrangere 1986, S. 527 (528); Wallace, in Wallace/Wallace/ Webb (Hrsg.), S. 373 (391). 57 Erklärung des 6. Europäischen Rates vom 29. I 30. November 1976 in Den Haag zur Europäischen Union, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 80. 58 Pariser Erklärung, Ziff. 16, a. a. 0. 59 Schoutheete, Politique Etrangere 1986, S. 527 (537). 60 Rede des britischen Außenminister Lord Carrington vor dem Übersee-Club in Harnburg am 17. November 1980, abgedruckt in: EA (Dokumente) 1981, S. 17 (22). 61 Bericht der Außenminister der Zehn vom 13. Oktober 1981 in London über die EPZ (Londoner Bericht), abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), S. 183. 62 Erklärung des 21. Europäischen Ratsam 26. /27. November 1981 in London zur Europäischen Union etc., Teil I, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), s. 205. 63 Londoner Bericht, Teil I, a. a. 0.
3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
33
rende Präsidentschaft von einem "kleinen Stab" aus Beamten der vorangegangenen und nachfolgenden Präsidentschaft unterstützt wird. 64 Die Konsultationsverfahren sollten durch strenge Prioritätensetzung bei formellen Tagungen,65 Vertraulichkeit bei informellen Sitzungen66 und die Stärkung der zentralen Rolle des Politischen Komitees 67 gestrafft werden. Die Entscheidung das Politische Komitee oder eine Ministertagung innerhalb von 48 Stunden einberufen zu können, zielte auf eine schnellere Reaktion der Staaten in Krisenzeiten. 68 Darüber hinaus betont der Londoner Bericht die volle Beteiligung der Kommission auf allen Ebenen der politischen Zusammenarbeit. 69 Damit wird die im nationalen Interesse einzelner Staaten liegende strikte Trennung zwischen den wirtschaftlichen Fragen der Gemeinschaft und den im Rahmen der EPZ zu behandelnden außenpolitischen Themen zwar nicht aufgehoben, aber immerhin auf der Ebene einer praktischen Zusammenarbeit abgemildert. Wie seinen beiden Vorgängern, den Berichten von Luxemburg und Kopenhagen, gelingt es dem Londoner Bericht die EPZ behutsam weiterzuentwickeln und unter Wahrung ihres intergouvernementalen Charakters eine engere Kooperation zu erreichen.70 3. Kapitel
Die Entwicklung der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik I. Die Feierliche Erklärung zur Europäischen Union
Schon Anfang des Jahres 1981 hatte der deutsche Außenminister Genscher "einen neuen politischen Impuls" 1 für eine Europäische Union gefordert und zusammen mit seinem italienischen Kollegen Colombo eine Initiative unter dem Titel "Europäische Akte"2 erarbeitet. Darin bekennen sich beide zu dem Leitgedanken Londoner Bericht, Teil II, Nr. 10, a. a. 0. Londoner Bericht, Teil II, Nr. I, A., a. a. 0. 66 Londoner Bericht, Teil II., Nr. 6, a. a. 0 . 67 Londoner Bericht, Teil II, Nr. 2, a. a. 0. 68 Londoner Bericht, Teil II, Nr. 13, a. a. 0. 69 Londoner Bericht, Teil II, Nr. 12, a. a. 0 . 70 Wessels, in Weidenfeld/Wessels (Hrsg.), S. 293 (304); Jfestos, S. 296. 1 Rede des Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher auf dem Dreikönigstreffen der wiirtembergischen FDP in Stuttgart am 6. Januar 1981, Auszug abgedruckt in: EA 1981 (Dokumente), S. 164; vgl. Hansen, EA 1981, S. 141 (142 f.). 2 Gemeinsamer deutsch-italienischer Entwurf für eine Europäische Akte vom 4. November 1981, abgedruckt in: EA 1982 (Dokumente), S. 50. 64
65
3 Burkard
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1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
der europäischen Integration und fordern unter anderem institutionelle Änderungen. Insbesondere sollen die weiter auszubauende EPZ und die Gemeinschaft einen einheitlichen Rahmen erhalten.3 Auf der Sitzung des Europäischen Rates Ende November 1981 in London, die den Londoner Bericht annahm, wurden die Außenminister ersucht, die deutsch-italienischen Vorschläge zu prüfen und auf einer künftigen Tagung Bericht zu erstatten. 4 Es vergingen zwei Jahre zäher Verhandlungen, in denen man die "Europäische Akte" zu einer bloßen "Deklaration" herabstufte, bemüht den Anschein einer Verbindlichkeit des Rechtstexts zu vermeiden. 5 Das Ergebnis präsentierte sich als "Feierliche Deklaration zur Europäischen Union", die die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft auf der Tagung des Europäischen Ratesam 19. Juni 1983 in Stuttgart unterzeichneten. 6 Die Deklaration betont zwar den Willen zu einer Verbesserung der EPZ, enthält aber über dieses rein rhetorische Bekenntnis hinaus keine inhaltliche Substanz. In dem neunteiligen Maßnahmenkatalog unter dem Kapitel "Außenpolitik" wird im wesentlichen die bereits gängige Praxis umschrieben 7 mit der einzigen Neuerung, nunmehr auch die Positionen der Mitgliedstaaten zu den "politischen und wirtschaftlichen Aspekten der Sicherheit" koordinieren zu wollen.8 Der Ausdruck "Gemeinsame Außenpolitik" läßt sich im gesamten Text der Deklaration, anders als noch im Entwurf für eine Europäische Akte der Genscher-Colombo-Initiative, nicht finden. Das Verhältnis EPZ/EG, für das die Initiative eine "Zusammenfassung der Strukturen "9 verlangt hatte, bleibt unverändert. Die Feierliche Deklaration bedeutet keinen Fortschritt für die Entwicklung der Europäischen Politischen Zusammenarbeit. 10 In Stuttgart, gut zwölf Jahre nach Beginn der EPZ, zeigt sich jedoch, daß aus dem undurchsichtigen Gestrüpp von Initiativen, Konferenzen, Gipfeltreffen, Deklarationen, Konsultationen und Berichten ein festes Geflecht außenpolitischer Zusammenarbeit gewachsen ist. Die EPZ ist zu Beginn der achtziger Jahre etablierter Bestandteil europäischer Diplomatie geworden und läßt sich ohne nachhaltigen Schaden für die Gemeinschaft als ganze nicht mehr abschaffen. 11 Die Staaten erkennen mehr und mehr gemeinsame euro3 Gemeinsamer deutsch-italienischer Entwurf für eine Europäische Akte vom 4. November 1981, Zweiter Teil, Nr. 1, a. a. 0. 4 Erklärung des 21. Europäischen Rats am 26. I 27. November 1981 in London zur Europäischen Union etc., Teil I, abgedruckt in: Auswärtiges Amt (Hrsg.), EPZ (Dokumentation), s. 205. s Krenzler, EuR 1986, S. 384 (385). 6 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union vom 19. Juni 1983, abgedruckt in: EA 1983 (Dokumente), S. 420. 7 /psen, EuR 1984, S. 1 (7); /festos, S. 303 ff. s Feierliche Deklaration zur Europäischen Union vom 19. Juni 1983, Tei13.2., a. a. 0. 9 Gemeinsamer deutsch-italienischer Entwurf für eine Europäische Akte vom 4. November 1981, Zweiter Teil, a. a. 0. 10 A.A. Stabreit, EA 1983, S. 445 (452). 11 Hili, AusPuZ 1983, B 51-52, S. 3 (4).
3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
35
päische Interessen und scheinen trotz einzelner Vorbehalte bereit, sich für eine außenpolitische Kooperation zu engagieren. 12 II. Der Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments zur Gründung der Europäischen Union Parallel zu den Anstrengungen der Regierungen bemühte sich auch das Europäische Parlament seit Anfang der achtziger Jahre um eine Reform der Gemeinschaft. 1979 erstmals direkt gewählt und mit dem entsprechenden Selbstbewußtsein ausgestattet, beanspruchte es Einfluß bei einer institutionellen Neugestaltung. 13 Auf Initiative des Abgeordneten Altiero Spinelli beschloß es 1981 die Einsetzung eines Parlamentsausschusses, der als "Institutioneller Ausschuß" im folgenden Jahr seine Arbeit aufnahm und weitere zwei Jahre später das Ergebnis seiner Bemühungen, den .,Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union" 14 , vorlegte. Am 14. Februar 1984 verabschiedete das Buropaparlament mit großer Mehrheit das Dokument. Der Ausschuß hatte die Möglichkeit verworfen, die bestehenden Verträge lediglich zu ändern, und sich für eine Neuschöpfung entschieden, für einen Vertrag, .,der die Union ex novo einsetzt". 15 Herzstück dieses von den Parlamentariern zur Unterstreichung seines bundesstaatlichen Charakters gerne als ., Verfassung" 16 bezeichneten Dokuments ist das Zweikammersystem, in dem sich Europaparlament und Ministerrat gleichberechtigt die Rechtssetzungsbefugnis teilen. 17 Die Union macht sich den gemeinschaftlichen Besitzstand zu eigen, 18 bezieht zugleich aber gänzlich neue Politikbereiche wie die Umweltpolitik, die Forschungs- und Technologiepolitik und die Bildungsund Kulturpolitik mit ein. 19 Die bisher außerhalb der Gemeinschaft angesiedelte Europäische Politische Zusammenarbeit wird ebenfalls Teil dieser Union. Im Hinblick auf den hier zu untersuchenden Bereich der Außenpolitik zeigt der Vertragsentwurf des Parlaments einen neuen Ansatz. Sämtliche internationale Beziehungen im Bereich der Handelspolitik, der Entwicklungspolitik und der klassischen Außenpolitik werden in einem Titel zusammengefaßt. 20 Auswärtige Handels- und Entwicklungspolitik soll im Rahmen gemeinsamer Aktion unter FederSloan, EA I 983, S. 205 (209). Nicolaysen, EuR 1984, S. 94 (95 f.). 14 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments für eine Europäischen Union vom 14. Februar 1984, abgedruckt in: EA 1984 (Dokumente), S. 209. 15 Spinelli, EA 1983, S. 739 (743). 16 Spinelli, EA 1983, S. 739 (745). 17 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Dritter Teil, Titel II, a. a. 0. 18 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Art. 7, a. a. 0. 19 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Vierter Teil, Titel li, a. a. 0 . 20 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Vierter Teil, Titel III, a.a.O 12 13
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I. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
führungder Kommission betrieben werden, 21 für die klassische Außenpolitik, den Bereich der EPZ, ist die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten auf Regierungsebene vorgesehen. 22 Insofern beläßt es der Entwurf zunächst bei der bestehenden Regelung, er ermöglicht jedoch die allmähliche Überführung des Bereichs intergouvernementaler Zusammenarbeit in die gemeinsame Aktion, 23 um so schrittweise zu einer gemeinsamen Außenpolitik der Union zu kommen?4 Zumindest in dem sensiblen Bereich der Außenbeziehungen gingen die Parlamentarier behutsam vor und boten flexible Lösungen. 25 Dennoch mußten sie erleben, daß ihr Entwurf ein eher ablehnendes Echo fand. 26 Ihnen wurde vorgeworfen, ihre Vorschläge seien utopisch27 und zielten nur auf die Ausweitung eigener Machtbefugnisse. 28 Die Regierungen konntentrotzBedenken den Parlamentsentwurf nicht einfach übergehen, besaß er doch breite Unterstützung in allen Fraktionen und hatte die Autorität direkt gewählter Vertreter der europäischen Völker. So erklärte der französische Staatspräsident Fran~ois Mitterrand in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 24. Mai 1984, daß Frankreich mit den "Grundideen" des Vorschlags übereinstimme. In seiner Eigenschaft als Präsident des Europäischen Rates regte er Gespräche an, die in eine Regierungskonferenz münden sollten, deren Arbeitsgrundlage neben der Feierlichen Erklärung der Entwurf einer Europäischen Union des Europaparlaments sein könnte. 29 Die Bedeutung der Parlamentsinitiative zeigte sich in den folgenden Jahren an ihrem spürbaren Einfluß auf die Ausarbeitung der Einheitlichen Europäischen Akte30 und des Maastrichter Vertrages über die Europäische Union. 111. Die Einheitliche Europäische Akte
Der Anregung Mitterrands folgend, setzte der Europäische Rat auf seiner Sitzung in Fontainebleau am 25. und 26. Juni 1984 einen Ad-hoc-Ausschuß aus persönlichen Vertretern der Staats- und Regierungschefs ein mit dem Auftrag, "Vorschläge zum besseren Funktionieren der europäischen Zusammenarbeit im Gemeinschaftsbereich wie auch im Bereich der Politischen Zusammenarbeit ... zu Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Art. 64, 65, a. a. 0. Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Art. 66, 67, a. a. 0 . 23 Vertragsentwurf des Europäischen Parlaments, Art. 67, Nr. 2, a. a. 0. 24 Vgl. Krenzler; EuR 1986, S. 384 (385). 25 Vg!.lfestos, S. 333. 26 Seeler; EuR 1984, S. 41 (47). 27 lpsen, FS Carstens, S. 155 f. 28 Pescatore, EuR 1986, S. 153 (154); zur Reaktion auf den Entwurf siehe auch Wessels, EA 1984, S. 239 (239 f.). 29 Rede des französischen Staatspräsidenten Fran~ois Mitterrand vor dem Europäischen Parlament am 24. Mai 1984, abgedruckt in: EA 1984 (Dokumente), S. 331 (338). 30 de Zwann, CML Rev. 23 (1986), S. 747 (748). 21
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3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
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unterbreiten". 31 Unter dem Vorsitz des irischen Senators James Dooge erarbeitete der Ausschuß einen Bericht, in dem er die Einberufung einer Regierungskonferenz vorschlug, um einen "Vertrag über die Europäische Union" auszuhandeln. 32 Der Bericht des Dooge-Ausschusses enthält sachliche Vorbehalte der Vertreter Dänemarks, Griechenlands und Großbritanniens, die noch bestanden, als sich der Europäische Rat Ende Juni 1985 auf seiner Tagung in Mailand gegen das Votum dieser drei Mitgliedstaaten für die Einberufung der Regierungskonferenz aussprach. Der Regierungskonferenz wurden zwei Aufgaben gestellt: die Kodifizierung des Systems der EPZ in einem Vertrag über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und institutionelle Änderungen des EWG-Vertrages, beides vor dem Hintergrund der Frage, wie "konkrete Fortschritte auf dem Weg zur Europäischen Union" herbeigeführt werden können? 3 Die Außenminister einigten sich anläßlich der Ratstagung Ende Juli auf die Einsetzung zweier Arbeitsgruppen. Die Revision des EWG-Vertrages vertrauten sie einem Vorbereitungsausschuß aus den Ständigen Vertretern unter dem Vorsitz des Luxemburgers Jean DondeHnger an; den Politischen Direktoren der Mitgliedstaaten wurde die Bearbeitung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik übertragen. Bestrebungen, der bisherigen Trennung zwischen Gemeinschaft und Politischer Zusammenarbeit Rechnung tragend, beide Fragen auf jeweils unterschiedlichen internationalen Konferenzen zu verhandeln, erteilten sie eine Absage, indem sie betonten, beide Materien im gemeinsamen Rahmen einer einzigen Regierungskonferenz beraten zu wollen. 34 Der Iuxemburgische Ratsvorsitz rief die Regierungskonferenz für den 9. September 1985 ein. Anfang Dezember 1985 nahm der Europäische Rat die erarbeiteten Vorschläge in seinen wesentlichen Punkten an; noch offene Fragen verwies er an die am 16. und 17. Dezember tagenden Außenminister. 35 Umstritten blieb, ob beide Verhandlungsmaterien, wie es die gemeinsame Konferenz impliziert, in einem gemeinsamen Vertragswerk niedergelegt werden sollten. Die Kornmission hatte sich von Anfang an für eine solche Lösung eingesetzt und dies auch in einer Note zu Beginn der Arbeiten der Regierungskonferenz er31 Schlußfolgerung des Vorsitzes des Europäischen Rates über die 38. Tagung des Europäischen Rates in Fontainebleau arn 25. und 26. Juni 1984, Art. VIII, abgedruckt in: EA 1984 (Dokumente), S. 440 (443). 32 Bericht des Ad-hoc-Ausschussses für institutionelle Fragen an den Europäischen Rat in Brüssel arn 29. und 30. März 1985, Art. IV, abgedruckt in: EA 1985 (Dokumente), S. 240 (251). 33 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates über die 31 . Tagung des Europäischen Rates in Mailand arn 28. und 29. Juni 1985, abgedruckt in: EA 1985 (Dokumente), S. 456. 34 Beschluß des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Juli 1985, abgedruckt in: Bull. EG 7 I 8-1985, Ziff. 1. 1. 13. 35 Schlußfolgerungen des Ratspräsidenten zu den Arbeiten der Konferenz der Regierungsvertreter der EG-Mitgliedstaaten über die Einheitliche Europäische Akte in Luxemburg am 2. und 3. Dezember 1985, abgedruckt in: EA 1986 (Dokumente), S. 157.
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l. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
klärt. 36 Ihr ging es inhaltlich darum, wie sie es in einer Stellungnahme im Juli 1985 ausdrückte, "Voraussetzungen für eine Osmose der wirtschaftlichen, sozialen, finanziellen und monetären Faktoren .auf der einen und der Außenpolitik auf der anderen Seite" zu schaffen. 37 Sie strebte jedoch für die nahe Zukunft noch keine Auflösung der Dualität beider Bereiche an und wollte den zwischenstaatlichen Charakter der Politischen Zusammenarbeit zunächst unberührt lassen. 38 Auf der Tagung der Außenminister am 16. und 17. Dezember konnte sich die Vorstellung der Kommission von einem einzigen Rechtsakt schließlich durchsetzen. 39 Als Konzession an die Mitgliedstaaten, die sich für einen separaten Vertrag eingesetzt hatten, nannte man die Bestimmungen der Politischen Zusammenarbeit im Text "Vertragsbestimmungen ", um so zumindest einen formalen Unterschied zu den Regelungen in den anderen Bereichen sicherzustellen. 40 Der Entscheidung der Außenminister vom Dezember 1985 verdankt das Vertragswerk seinen programmatischen Namen. Es ist eine "Einheitliche Europäische Akte", in der die Reform der Europäischen Gemeinschaften und die Kodifizierung der Politischen Zusammenarbeit verknüpft werden und sich beide trotz ihrer nach wie vor unterschiedlichen Struktur auf das gleiche Ziel verpflichten, nämlich wie es Art. 1 Abs. 1 beschreibt, " ... gemeinsam zu konkreten Fortschritten auf dem Wege zur Europäischen Union beizutragen. " Am 17. Februar 1986 unterzeichneten neun der mittlerweile zwölf Mitgliedstaaten die Akte in Luxemburg. Nach der Zustimmung der Dänen im Referendum vom 27. Februar holten Dänemark, Griechenland und Italien am darauffolgenden Tag in Den Haag ihre Unterzeichnung nach. Das Inkrafttreten der Akte wurde jedoch durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der Republik Irland behindert, in der er rügte, Teile der Einheitlichen Europäischen Akte stünden nicht im Einklang mit der irischen Verfassung. 41 Insbesondere ließe sich die völkerrechtliche Verpflichtung zur außenpolitischen Zusammenarbeit in Titel III EEA nicht mit der den Staat auf Souveränität, Unabhängigkeit und Demokratie verpflichtenden Verfassung vereinbaren. 42 Nur nach einem positiven Referendum über eine Verfassungsergänzung sei die Ratifikation möglich. In der Volksabstimmung vom 26. Mai 1987 votierten mehr als zwei Drittel der Iren für eine Verfassungsergänzung und die Ratifizierung der EEA. Bull. EG 9 - 1985, Ziff. 1.1.2. Stellungnahme der Kommission zur Einberufung einer Regierungskonferenz vom Juli 1985, abgedruckt in: Bull. EG 7 I 8 - 1985, Ziff. l. l. 12. 38 Bull. EG 9- 1985, Ziff. 1.1.2.; vgl. Nuttall, YEL 1985, S. 203 (207). 39 Bull. EG 12-1985, Ziff. 1.1.3. 40 de Zwann, CML Rev. 23 (1986), S. 747 (760); Krenzler, EuR 1986, S. 384 (388). 41 Crotty v. An Taoiseach and Others, Urteil des Supreme Court of Ireland vom 9. April 1987, E.L.Rev. 12 (1987), S. 301 ff. 42 Crotty v. An Taoiseach and Others, E.L.Rev. 12 (1987), S. 301 (304 f.); Temple Lang, CML Rev. 24 (1987), S. 709 (713 f.); Murphy /Cras, CDE 24 (1988), S. 276 (295 f.). 36
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3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
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Die Einheitliche Europäische Akte43 gliedert sich in vier Titel. Eingerahmt von den ,. Gemeinsamen Bestimmungen" in Titel I und den ,.Allgemeinen und Schlußbestimmungen" des Titel IV, sind die Verhandlungsergebnisse der beiden Beratungsmaterien in den Titeln II und III niedergelegt. Mit den Änderungen der Gemeinschaftsverträge befaßt sich Titel II. Der Schwerpunkt liegt auf einer Reform der Institutionen, durch die die Mitwirkung des Parlaments ausgeweitet (Art. 6), das Ratsverfahren beschleunigt (Art. 7) und die Durchführungskompetenz der Kommission gestärkt werden (Art. 10). Dem Europäischen Gerichtshof wird zur Unterstützung ein Gericht erster Instanz beigeordnet (Art. 11). Darüber hinaus verpflichtet sich die Gemeinschaft auf die Verwirklichung des Binnenmarktes bis zum Jahr 1992 (Art. 13-19). Die Kompetenzen der Gemeinschaft werden in den Bereichen der Währungspolitik (Art. 20), des Arbeitsschutzes (Art. 21), der Forschung und technologischen Entwicklung (Art. 24) und der Umweltpolitik (Art. 25) erweitert. In Titel III sind die Bestimmungen über die ,.Zusammenarbeit in der Außenpolitik" niedergelegt. Nach fast 20 Jahren EPZ haben die Staaten ihre außenpolitische Kooperation auf eine vertragliche Grundlage gestellt. In der Substanz allerdings verbirgt sich hinter Titel III, der nur aus einem einzigen Artikel besteht, wenig neues.44 Sieht man von der Einrichtung eines EPZ-Sekretariats in Brüssel ab (Art. 30 Ziff. lOg), werden im wesentlichen nur die bestehenden Usancen der EPZ fixiert. Die Regierungen sind nach wie vor darauf bedacht, im Bereich der Außenpolitik ihre Souveränität keinen Beschränkungen zu unterwerfen. So findet sich in Titel III neben vielen Absichtserklärungen nur an einer Stelle eine juristisch faßbare Verpflichtung. In Art 30 Ziff. 2a und Ziff. 2b verpflichten sich die Vertragsparteien, ,.einander in allen außenpolitischen Fragen von allgemeinem Interesse zu unterrichten und zu konsultieren", bevor sie ihre ,. endgültige Haltung festlegen". Immerhin stehen Gemeinschaft und Politische Zusammenarbeit hinsichtlich ihres rechtlichen Status nun erstmals auf einer Ebene. Daraus leitet sich jedoch in der Sache noch keine Annäherung der EPZ an die Verfahren und Institutionen der Gemeinschaftsrechtsordnung ab. Die durch die unterschiedliche Struktur beider - hier supranationale Organisation, dort gleichrangige Kooperation - vorgegebene Dualität wird weder durch die gemeinsame Behandlung im Rahmen eines Vertragswerkes noch durch inhaltliche Regelungen abgeschwächt oder gar überwunden. Dies wird besonders deutlich in den ,. Gemeinsamen Bestimmungen" des Titels I, wenn Art. 1 hier die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen betont und Art. 3 auf die jeweils verschiedenen Organe mit ihren eigenen Verfahren hinweist. Die Dualität zeigt sich auch in der Regelung des Art. 31, der die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes nicht auch auf die EPZ erstreckt. Die EPZ gründet sich auf eine völkerrechtliche Vereinbarung außer43 Einheitliche Europäische Akte vom 28. Februar 1986, abgedruckt in EA 1986 (Dokumente), S. 163. 44 Krenzler, EuR 1986, S. 384 (388); Glaesner, EuR 1986, S. II9 (125).
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I. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
halb der Gemeinschaftsrechtsordnung. 45 Den Mitgliedstaaten bleibt so bei Verstößen gegen Verpflichtungen des Art. 30 nur die Möglichkeit, die vom allgemeinen Völkerrecht vorgesehenen Sanktionen zu ergreifen. Völlig beziehungslos stehen EPZ und Gemeinschaft dennoch nicht nebeneinander. Für eine gewisse Verklammerung werden die Organe in die Verantwortung genommen. Präsidentschaft und Kommission sind beauftragt, in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen für die "Kohärenz" der auswärtigen Politiken der Europäischen Gemeinschaft und der im Rahmen der EPZ vereinbarten Politiken Sorge zu tragen (Art. 30 Ziff. 5). Das neu einzurichtende EPZ-Sekretariat unterstützt sie hierbei (Art. 30 Ziff. lOg). Durch die Beteiligung der Kommission an der Arbeit der EPZ (Art. 30 Ziff 3b) wird eine Gesamtschau der außenpolitischen Aktivitäten sichergestellt. Die EEA schreibt die organisatorische Trennung von Gemeinschaft und EPZ fest, versucht aber zugleich durch punktuelle Verknüpfungen ein weiteres Auseinandertriften der beiden Systeme zu verhindem. 46 Indem die Regierungen der EPZ eine völkerrechtliche Grundlage außerhalb des Gemeinschaftsrechts geben, legen sie sich auf ein zweigleisiges System der Außenpolitik fest. Sie sind zu einem Souveränitätsverzicht im Bereich der Außenkompetenzen nicht bereit und entscheiden sich daher gegen eine Vergemeinschaftung. Dabei nehmen sie die rechtlichen und praktischen Schwierigkeiten in Kauf, die sich daraus ergeben, daß sowohl die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten als auch die EPZ jeweils in ihren Zuständigkeitshereichen Außenbeziehungen pflegen. Die EEA kann nicht als "großer Sprung" auf eine neue Ebene europäischer Integration bezeichnet werden. 47 Sie ist lediglich Etappe einer Entwicklung, die sich realisierbare Ziele setzt und auf bereits Bestehendes baut. Die mehljährigen Verhandlungen auf dem Weg zur EEA zeigten, daß überehrgeizige Reformprojekte wenig Aussicht auf Erfolg haben, wenn sie nicht im Einklang mit dem politischen Willen der Mitgliedstaaten stehen.
IV. Der Vertrag über die Europäische Union Die Regierungen vereinbarten, fünf Jahre nach Inkrafttreten der EEA priifen zu wollen, ob Titel III einer Revision bedarf (Art. 30 Nr. 12 EEA). Zugleich bekräftigen sie in der Präambel der Akte ihr Vorhaben, "die Gesamtheit der Beziehungen zwischen den Staaten . . . in eine Europäische Union umzuwandeln". Einen ersten Schritt auf dieses Ziel hin bedeutete die Sondertagung des Europäischen Rates in Dublin am 28. April 1990. Dort beauftragten die Staats- und RegieGlaesner, EuR 1986, S. 119 (125). Krenzler, EuR 1986, S. 384 (390). 47 Hrbek/Läufer, EA 1986, S. 173 (180); Pescatore, CML Rev. 24 (1987), S. 9; Nuttall, YEL 1985, S. 203 (216). 45
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3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
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rungschefs ihre Außenminister, eine eingehende Prüfung über die Notwendigkeit von Vertragsänderungen vorzunehmen und Vorschläge für eine Verbesserung der außenpolitischen Zusammenarbeit auszuarbeiten. 48 Auf dem darauffolgenden Treffen am 25. und 26. Juni 1990 in Dublin besprach der Europäische Rat die Vorschläge der Außenminister und entschied schließlich, neben der bereits geplanten Regierungskonferenz zur Wirtschafts- und Währungsunion für Mitte Dezember 1990 auch eine Regierungskonferenz zur politischen Union einzuberufen. 49 Man war zu der Erkenntnis gelangt, daß eine wirtschaftliche Union ohne einen entsprechenden politischen Rahmen keine Zukunft haben könne. Förderlich wirkte sich die deutsche Wiedervereinigung im Jahr 1990 auf die Bemühungen um die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die politische Union aus, 50 da alle Mitgliedstaaten, auch Deutschland, eine verstärkte wirtschaftliche und politische Einbindung der vergrößerten Bundesrepublik wünschten. Die Staats- und Regierungschefs erzielten auf ihrem Gipfeltreffen in Maastricht Einigung über die Entwürfe der Regierungskonferenzen und beschlossen, beide in einem umfassenden Vertragswerk zusammenzuführen.51 Am 7. Februar 1992 unterzeichneten die Außenminister das Dokument. Durch die Volksabstimmungen in Dänemark und Frankreich und die Verfassungsbeschwerde in Deutschland verzögerte sich jedoch die Ratifikation. Im Oktober 1993 billigte das Bundesverfassungsgericht den Vertrag, 5 2 und als letzter Mitgliedstaat ratifizierte ihn daraufhin die Bundesrepublik Deutschland. Zum 1. November 1993, zehn Monate später als geplant, trat der " Der Vertrag überdie Europäische Union "53 in Kraft. Der Vertrag über die Europäische Union gliedert sich in 7 Titel. 54 Die "Gemeinsamen Bestimmungen" des Titels I (Art. A - F) bilden zusammen mit den "Schlußbestimmungen" des Titels V (Art. L-S) den Rahmen des Vertragswerkes. Die Titel II - IV (Art. G - I) enthalten die Änderungen der Gründungsverträge. Titel V führt die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) (Art. J- 1.11) ein, Titel 48 Schlußfolgerung des Europäischen Rates zur Sondertagung des Europäischen Rates am 28. April 1990 in Dublin, Nr. 7 (Politische Union), abgedruckt in: EA 1990 (Dokumente), S. 284 (286). 49 Schlußfolgerung des Europäischen Rates zur Tagung des Europäischen Rates am 25. und 26. Juni 1990 in Dublin, Fortschritte auf dem Weg zur Europäischen Union, Nr. 2 (Wirtschafts- und Wlihrungsunion), Nr. 3 (Politische Union), abgedruckt in: EA 1990 (Dokumente), S. 396 (398). so Asholt/ Kolboom, EA 1992, S. 179 (181); Schmuck, EA 1992, S. 97 (98). 51 Schlußfolgerung der Tagung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs vom 9. und 10. Dezember 1991 in Maastricht, abgedruckt in: EA 1992 (Dokumente), S. 91. 52 Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993, BVerfGE 89, S. 155 ff. 53 Der Maastrichter Vertrag über die Europäische Union, abgedruckt in: EA 1992 (Dokumente), S. 97. 54 Ausführlich zu den Neuerungen des Vertrages: Klein/Haratsch, DÖV 1993, S. 785 ff.; Schmuck, EA 1992, S. 97 ff.
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l. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
VI schließlich regelt die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZBJI) (Art. K- K.9). Durch die Änderungen des EG-Vertrages erhält die Europäische Gemeinschaft neue, allerdings begrenzte Handlungsvollmachten in den Bereichen Bildung und Kultur (Art. 126-128 EGVa), Gesundheitswesen (Art. 129 EGVa), Verbraucherschutz (Art. 129 a EGVa), sowie den transeuropäischen Netzen (Art. 129 b- 129 d EGVa) auf den Feldern der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energiestruktur. Ausgeweitet werden die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Sozialpolitik (Art. 117-122 EGVa) und der Umweltpolitik (Art. 130 r- 130 t EGVa). Dem Handeln der Gemeinschaft werden jedoch durch das neu eingeführte Subsidiaritätsprinzip (Art. B EUVa, Art. 3b Abs. 2 EGVa) Schranken gesetzt. Neben den neu eingefügten Bestimmungen über die stufenweise Verwirklichung der Wirtschafts- und Wahrungsunion (Art. 3 a EGVa i. V.m. Art. 102 a - 109 m EGVa) verdienen die institutionellen Neuerungen besondere Beachtung. Die Befugnisse des Europäischen Parlamentes im Rechtssetzungsverfahren werden ausgeweitet. Im Rahmen des neuen Mitentscheidungsverfahrens (Art. 189 b EGVa) kann nun der Rat Rechtsakte nur noch erlassen, wenn das Parlament nicht widerspricht. Das wachsende Gewicht des Parlamentes wird auch an seiner Beteiligung im Verfahren zur Ernennung des Kommissionspräsidenten und der übrigen Mitglieder der Kommission deutlich (Art. 158 EGVa). Art. J des EU-Vertrages erklärt: "Hiermit wird eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt . .. " und verkündet damit vollmundig die Erreichung des seit den 50er Jahren angestrebten Zieles. Die Inhalte der nachfolgenden Bestimmungen lassen eine nüchterne Betrachtungsweise angeraten erscheinen. 55 Letztlich wird mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nichts Neues eingeführt,56 sondern die Europäische Politische Zusammenarbeit lediglich vorsichtig fortgeschrieben. Es gelingt, die Außenpolitik erneut ein Stück näher an die Gemeinschaft heranzurücken und einige verfahrenstechnische Verbesserungen einzuführen. Eine "gemeinsame" europäische Außenpolitik ist damit noch nicht verwirklicht. 57 Eine wesentliche Neuerung gegenüber dem System der EPZ ist die Einführung der gemeinsamen Aktion als verbindliche Form gemeinsamen Handeins (Art. J.3 EUVa). Gemäß Art. C EUV verfügt die Union über einen "einheitlichen institutionellen Rahmen". Dies hat auch im Bereich der GASP Konsequenzen. So fallt nun anstelle des Außenministertreffens gemäß Art. J.8 Abs. 2 EUVa der Rat die erfor55 Forster/Wallace, in Wallace/Wallace (Hrsg.), S. 411 (412); Oppermann/Claasen, NJW 1993, S. 5 (10). 56 Lecheler, ArchVR, 34 (1994), S. 1 (19 f.,); Pechstein/Koenig, Rn. 256; Münch, S. 34; Edwards/Nuttall, in Duff/Pinder/Pryce (Hrsg.), S. 84; Grabitz/Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. J, I. 57 Morgan, in Dehousse (Hrsg.), S. 189 (190 ff.); Schmuck, EA 1992, S. 97 ff.; Grabitz/ Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. J, II.
3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
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derliehen Entscheidungen auf der Grundlage der vom Europäischen Rat der Staatsund Regierungschefs (Art. D EUVa) festzulegenden allgemeinen Leitlinien. Während die EPZ auf die wirtschaftlichen Aspekte der Sicherheitspolitik beschränkt war, erstreckt sich die GASP "auf alle Bereiche der Außen- und Sicherheitspolitik" (Art. J.l Abs. 1 EUVa). Eine Neuheit ist auch die Einführung von Mehrheitsentscheidungen im Rat durch Art. J .3 Nr. 2 EUVa. Sie gelten allerdings außer in Verfahrensfragen nur bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion, wenn der Rat vorher bei der Annahme der gemeinsamen Aktion einstimmig beschlossen hat, einzelne Fragen mit qualifizierter Mehrheit zu verabschieden. Diese Koppelung der Mehrheitsentscheidung an einen vorherigen einstimmigen Beschluß wurde zu Recht als" verdeckte Einstimmigkeit" kritisiert. 5 8 Ebenso wie die EPZ wird auch die GASP nicht in das Gemeinschaftsrecht eingegliedert, sondern bleibt ein intergouvernementales Verfahren mitgliedstaatlicher Kooperation; sie findet aber ihren Platz unter dem gemeinsamen Dach der Europäischen Union.59 Der Vertrag über die Europäische Union stellt die bisher bedeutsamste Änderung und Erweiterung der Europäischen Vertragswerke dar.60 Mit der förmlichen Grundung der Europäischen Union (Art. A Abs. 1 EUVa) wird zwar noch nicht die von Walter Hallstein schon in den sechziger Jahren angestrebte "Politische Union" im Sinne der "Zusammenfassung aller Politiken und der Ausbau der im Ansatz schon föderalen Institutionen zu bundesstaatliehen Organen "61 verwirklicht. Zum ersten Mal gelingt es aber, zwei unterschiedliche Rechtsmassen, das supranationale auf Integration grundende Gemeinschaftsrecht und das dem Modell der Koordination folgende Völkerrecht, in einem einheitlichen institutionellen Rahmen zusammenzufassen62 und damit die Grundlage zu legen für eine Entwicklung hin zu einer föderalen Europäischen Union.63
V. Der Vertrag von Amsterdam Nach Art. N Abs. 2 des Vertrages über die Europäische Union sollte im Jahr 1996 eine Regierungskonferenz einberufen werden, um diejenigen Materien des Vertrages zu überarbeiten, für die ausdrucklieh eine Revision vorgesehen war, wie beispielsweise die GASP oder die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Art. B EUVa i.V.m. Art. N Abs. 2 EUVa). 64 Zur Vorbereitung der RegieMünch, ZÖR 52 (1997), S. 389 (392); Läufer, FS Stercken, S. 57 (69). Klein/ Haratsch, DÖV 1993, S. 785 (796); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69. 60 Oppemumn, Rn. 44. 61 Hallstein, S. 225 f. 62 Streinz, EuZW 1998, S. I 37 (139 f.); Schweitzer I Hummer Rn. 58. 63 Oppermann/Claasen, NIW 1993, S. 5 (11). 64 Eine Zusammenstellung der Materien, "für die eine Revision vorgesehen ist", bietet Schweitzer/Hummer. Rn. 69. 58 59
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I . Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
rungskonferenz setzte der Europäische Rat auf seinem Treffen in Korfu im Juni 1994 eine Reflexionsgruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der Kommission und des Europäischen Parlamentes unter der Leitung des Spaniers Carlos Westendorp ein.65 In der wachsenden Erkenntnis, daß eine sinnvolle Revision des Unionsvertrages nicht auf die im Vertrag selbst dafür vorgesehenen Bereiche beschränkt bleiben konnte, erteilte der Europäische Rat der Reflexionsgruppe ein umfassendes Mandat. Sie sollte sich nun auch mit Themen befassen, wie der Fortentwicklung der Politiken in den Bereichen Umweltschutz und Beschäftigung und der Reform der Institutionen und ihrer Verfahren. Vor dem Hintergrund des ebenfalls im Juni 1994 vereinbarten Beitritts Österreichs, Finnlands und Schwedens66 und der geplanten Erweiterung der Union um Staaten Mittel- und Osteuropas erschien es an der Zeit zu beraten, über welche Strukturen und Verfahrensweisen die Organe verfügen müssen, damit eine wachsende Union ihre Funktionsfähigkeit behält.67 Die Reflexionsgruppe nahm ihre Arbeit im Juni 1995 auf und legte ihr Ergebnis dem Europäischen Rat auf seinem Treffen in Madrid am 15. I 16. Dezember 1995 vor,68 der daraufhin das Mandat für die Regierungskonferenz formulierte. 69 Am 29. März 1996 trat die Regierungskonferenz in Turin zusammen. Unter dem Ratsvorsitz zunächst der Italiener, dann der Iren und schließlich der Niederländer verhandelten die Staaten rund 14 Monate, bevor sie auf dem Treffen des Europäischen Rates in Amsterdam am 16.117. Juni 1997 die politischen Beratungen abschlossen. Nach eingehender rechtstechnischer und sprachlicher Überarbeitung konnte die endgültige Fassung des Vertrages am 2. Oktober 1997 unterzeichnet werden. 70 Die wohl größten Fortschritte enthält der Amsterdamer Vertrag im Bereich Justiz und Inneres. Wesentliche Teile dieses im Vertrag von Maastricht in der Form intergouvernementaler Zusammenarbeit geregelten Politikbereiches werden nun "vergemeinschaftet", also der mitgliedstaatliehen Hoheitsgewalt entzogen und in die Zuständigkeit der Gemeinschaft überführt. Dazu gehören die Visapolitik, das Asylrecht und die Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik, die nunmehr in einem neuen Titel IV des EG-Vertrages zusammengefaßt werden. 71 6s Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 24./25. Juni 1994 in Korfu, wiedergegeben in: Bull. EU, Nr. 6-1994, Ziff. 1.25. 66 Akte über die Bedingungen des Beitritts Norwegen, Österreichs und Finnlands (94/C 241 /08) vom 24. Juni 1994 (Abi. EG Nr. C 241/21 vom 29. August 1994). 67 Streinz, Jura 1998, S. 57 (58); Schönfelder/Silberberg, integration 1997, S. 203. 68 Abschlußbericht der mit der Vorbereitung der Regierungskonferenz beauftragten Reflexionsgruppe, wiedergegeben in: Bull. EU 12-1995, Ziff. 1.97, 1.110. 69 Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 15./16. Dezember 1995 in Madrid, wiedergegeben in: Bull. EU 12-1995, Ziff. 1.48. 70 Der Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997, abgedruckt in: BGBI. 1998 II vom 10. Aprill998, S. 387 ff. 71 Ausführlich hierzu: Streinz, EuZW 1998, S. 137 (141 ff.); Thun-Hohenstein, S. 28 ff.
3. Kap.: Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
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Die vor dem Hintergrund der Erweiterung der Union angestrebten institutionellen Reformen werden im Amsterdamer Vertrag nicht verwirklicht. 72 Neuerungen gibt es im wesentlichen nur für das Europäische Parlament, dessen Stellung im institutionellen Gefüge der EG gestärkt wird. So ist der Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens erweitert worden (Art. 251 EGV). Zugleich erfährt das Mitentscheidungsverfahren zur Beschleunigung der Rechtssetzung eine erhebliche Vereinfachung. Die gesteigerte Bedeutung des Parlaments zeigt sich auch darin, daß die Ernennung des Kommissionspräsidenten in Zukunft der Zustimmung des Parlamentes bedarf (Art. 214 EGV). Darüber hinaus bringt der Amsterdamer Vertrag punktuelle Weiterentwicklungen in den Bereichen der Umwelt- (Art. 6 EGV) und Beschäftigungspolitik (Art. 125 -130 EGV), sowie der Sozialpolitik, hier insbesondere durch die primärrechtliche Absicherung des Gebots der Gleichbehandlung von Frau und Mann (Art. 3 Abs. 2 EGV).73 Die Überarbeitung der Bestimmungen der GASP war ein Schwerpunkt der Arbeit der Regierungskonferenz. Zwar war man sich einig, daß die GASP in der Praxis gegenüber der EPZ einen Fortschritt bedeutete,74 zugleich offenbarte die Jugoslawienkrise weiterhin bestehende Unzulänglichkeiten.75 Es zeigte sich die Notwendigkeit, die Handlungsfähigkeit der GASP zu erhöhen und ihre Entscheidungsmechanismen effizienter zu gestalten. So wird nach dem Amsterdamer Vertrag das Instrumentarium der GASP um die gemeinsamen Strategien ergänzt, die der Europäische Rat in einstimmigem Beschluß dem Rat zur Durchführung auferlegt. (Art. 13 Abs. 2, 3 UAbs. 2 EUV). Der Generalsekretär des Rates soll künftig als Hoher Vertreter für die GASP identitätsstiftend wirken und Kontinuität garantieren (Art. 26 EUV). Die Möglichkeit der Mehrheitsentscheidungen im Rat wird ausgedehnt (Art. 23 Abs. 2 EUV) und zugleich wieder abgemildert durch die Einführung eines Vetorechtes .,aus wichtigen Gründen der nationalen Politik", das eine Abstimmung im Rat verhindert (Art. 23 Abs. 2 Satz 2 EUV). Die Finanzierung der GASP erfolgt nun in der Regel aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft (Art. 28 Abs. 2, 3 EUV). 76
n Lecheler, JuS 1998, S. 392 (394); Schönfelder/Silberberg, integration 1997, S. 203 (208 f.); Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (4 f .). 73 Zu den materiellen Änderungen der sektoriellen Politiken im EG-Vertrag, s. Koenig, in Hummer (Hrsg.), S. 219 ff. 74 Rhein, IP 1996, S. 55 ff.; Jopp, integration 1995, S. 133. 75 Hilf/Pache, NJW 1998, S. 705 (709); Axt, ER 1997, Heft 4, S. 3; Schönfelder I Silberberg, IP 1997, S. 18 (19 f.). 76 Ausführlich zu den Neuerungen im Bereich der GASP: Regelsberger I Jopp, integration 1997, S. 255 ff.; Thun-Hohenstein, S. 62 ff.; Dehousse, EJIL 9 (1998), S. 525 (530 ff.); Piepenschneider, S. 24 f.
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1. Teil: Entwicklung einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik
Am intergouvernementalen Charakter der GASP rührt der Amsterdamer Vertrag nicht. 77 Mehr, als die GASP des Maastrichter Vertrages behutsam weiterzuentwikkeln, vermag er nicht. 78 Nach der Ratifikation in allen Mitgliedstaaten trat der Amsterdamer Vertrag am 1. Mai 1999 in Kraft.
77 Streinz, EuZW 1998, S. 137 (140); Lecheler, JuS 1998, S. 392 (395); Langrish, E.L.Rev 23 (1998), s. 3 (14). 78 Dehousse, EJIL 9 (1998), S. 525 (538); Pechstein/ Koenig, Rn. 49; Regelsberger/ Jopp, integration 1997, S. 255 (262).
Zweiter Teil
Struktur und Funktionsweise der GASP 1. Kapitel
Die Struktur der GASP I. Stellung der GASP im System des Unionsvertrages Der Amsterdamer Vertrag läßt die Konstruktion der Europäischen Union, wie sie der Vertrag von Maastricht geschaffen hat, weitgehend unberührt. Er nimmt lediglich geringfügige Erweiterungen und leichte Modifikationen der einzelnen Bauelemente vor. 1 Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ebenso wie die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres gehören weiterhin zu den .. Politiken und Formen der Zusammenarbeit", die gemäß Art. 1 Abs. 3 EUV die Europäischen Gemeinschaften ergänzen, während die Europäischen Gemeinschaften selbst die .. Grundlage der Union " darstellen. Auch wenn diese Formulierung des Vertrages von Maastricht, die der Amsterdamer Vertrag unverändert gelassen hat, wenig aussagekräftig ist, so läßt sich ihr doch entnehmen, daß Union und Gemeinschaft nicht identisch sind. Weiter folgt aus ihr, daß die GASP als Politik der Union nicht Teil der Europäischen Gemeinschaften ist. 2 Die Stellung der GASP im Unionsvertrag kann daher auch nach dem Amsterdamer Vertrag anschaulich am Bild eines griechischen Tempels beschrieben werden, der die Union darstellen soll und dessen Giebel auf drei Säulen ruht. 3 Die erste Säule bilden die Europäischen Gemeinschaften, die zweite die GASP und die dritte die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, die seit dem Amsterdamer Vertrag "Polizeiliche und Justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen" (PJZS) I Streinz, EuZW 1998, S. 137 (138); Koenig, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 139; Thun-Hohenstein, S. 14. f. 2 Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. l (5); Cremona, in O'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 247 (255); Hailbronner I Klein-Klein zu Art. L Rn. 1. 3 Pechstein/ Koenig, Rn 99; Thun-Hohenstein, S. 14 f.; Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151; Editorial Comments, CML Rev. 34 (1997), S. 767; Klein/Haratsch, DÖV 1993, S. 785 (787), gehen von fünf Säulen aus, weil für sie jede der drei Europäischen Gemeinschaften eine eigene Säule bildet. Streinz, Rn. 69 unterscheidet zwei "Stützen", die supranationale und die intergouvernementale mit jeweils drei bzw. zwei Säulen. Für die rechtliche Bewertung sind diese Unterschiede in der Anzahl der Säulen jedoch ohne Belang.
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
genannt wird. Verbunden sind die Säulen durch Architrav und Fundament, die für die sogenannten "Klammerbestimmungen"4 des EU-Vertrages stehen, also die Regelungen der Titel I (Gemeinsame Bestimmungen) und VIII (Schlußbestimmungen). Wie jedes Modell, das eben immer nur einen Teil der Wirklichkeit abzubilden vermag, weist auch das Säulenmodell erhebliche Mängel auf, 5 dennoch verdeutlicht es am besten, die heterogene Struktur6 der Union: Die Europäischen Gemeinschaften und die Formen der Zusammenarbeit besitzen formell getrennte Organisationsstrukturen. Die Gemeinschaften folgen dem Modell der Integration, sie sind supranational aufgebaut und verfügen über eigene Kompetenzen. Die GASP und die PJZS sind intergouvernemental ausgestaltet. Zurechnungssubjekte und Rechtsträger ihrer Handlungen sind die Mitgliedstaaten.7 Als Bindeglied zwischen den Säulen wirkt der .,einheitliche institutionelle Rahmen" (Art. 3 Abs. 1 EUV), nach dem die in den Bereichen der Zusammenarbeit agierenden Institutionen identisch sind mit den Organen der Europäischen Gemeinschaften, allerdings dort nur im Rahmen der in der GASP bzw. der PJZS vorgegebenen Zuständigkeitsverteilung tätig werden können. 8 Der einheitliche institutionelle Rahmen steht im Dienst des Gebotes der Kohärenz und Kontinuität (Art. 3 EUV),9 das sicherstellen soll, daß die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele der Union koordiniert werden und sich an der Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes orientieren. 10 Diese Verbindung der Säulen durch den einheitlichen institutionellen Rahmen und das Gebot der Kohärenz und Kontinuität hat in der Literatur zu der Auffassung geführt, Union und Gemeinschaften seien miteinander verschmolzen und bildeten nun eine einheitliche Rechtsordnung." Die Säulen der Union bezeichneten lediglich unterschiedliche Handlungsfelder mit zum Teil eigenen Handlungsformen und Verfahrensweisen innerhalb eines Verbandes. Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151. Pechstein/Koenig, Rn. 100 ff.; v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (8); Semrau, S. 18. 6 So Badura, in FS Hecket, S. 695. 7 Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (100); Oppermann/Classen, NJW 1993, S. 5 (10). s Münch, S. 40; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (101); Grabitz/HilfHilf/Pache zu Art. C Rn. 4 ff.; Burghardt!Tebbe, EuR 1995, S. 1 (6). 9 Streinz, Jura 1998, S. 57, (61); Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151 (154 f.). 10 Thun-Hohenstein, S. 16; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (100 ff.); Siems, S. 33 ff.; Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (145 ff.); Müller-Graf!, integration 1993, s. 147 ff. 11 Diese sog. "Verschrnelzungsthese" oder "Einheitsthese" wird vertreten von v. Bogdandy, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 165 ff.; v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 ff.; dies. , NJW 1995, S. 2324 ff.; Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151 (152 f.). 4
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1. Kap.: Die Struktur
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Für diese Betrachtungsweise spricht zwar das Erscheinungsbild der Union nach außen, 12 mit den vertraglichen Grundlagen ist sie jedoch nicht vereinbar. Nach Art. 47 EUV läßt der EU-Vertrag den EG-Vertrag, abgesehen von den Änderungsbestimmungen, unberührt und geht damit ganz selbstverständlich von einer grundsätzlichen Trennung beider Rechtssysteme aus. 13 Darauf deuten auch der Ausschluß der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes im Bereich der GASP und seine eingeschränkte Zuständigkeit im Rahmen der PJZS nach Art. 46 EUV hin. Der Ansicht, EG und EU bildeten einen einheitlichen Verband mit eigener Rechtsordnung, widerspricht schließlich Art. I Abs. 3 EUV, der zwischen den Gemeinschaften als "Grundlage der Union" und den Formen der Zusammenarbeit als deren Ergänzung unterscheidet. Wenn tatsächlich mit dem Maastrichter Vertrag eine Verschmelzung von EU und EG gewollt gewesen wäre, hätte man nun im Amsterdamer Vertrag beide in einem einheitlichen Vertragswerk zusammengefaßt. Darauf hat man mangels übereinstimmenden politischen Willens verzichtet und durch die Vergemeinschaftung beachtlicher Teile der bisher zur dritten Säule gehörenden Asyl-, Visa- und Einwanderungspolitik die grundsätzliche Trennung von EG und EU bestätigt. 14 Es ist daher eindeutig zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem materiellen Unionsrecht, als dem Recht der GASP und der PJZS, zu unterscheiden. 15 Das heißt jedoch nicht, daß es zwischen beiden Rechtsmassen keine Berührungspunkte und Wechselwirkungen gäbe. Fälle ausdrücklich geregelter Berührungspunkte zwischen Unions- und Gemeinschaftsrecht sind Art. 301 EGV (Wirtschaftssanktionen) und Art. 268 Abs. 2 EGV (Finanzierung der GASP), 16 die im Verlauf der Arbeit näher untersucht werden.
11. Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union im Rahmen der GASP In Art. 11 Abs. I EU-Vertrag, der einleitenden Bestimmung des Titel V. über die GASP, heißt es: "Die Union erarbeitet und verwirklicht eine Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik .. . ". Demnach, so scheint es, tritt die Union in der Außenpolitik als eigener Akteur auf. Sie kann jedoch auf völkerrechtlicher Ebene nur handeln, wenn sie Völkerrechtssubjekt ist. Das setzt voraus, daß sie selbständiger Träger von Rechten und Pflichten sein kann, 17 mithin Völkerrechtspersönlichkeit besitzt. Dörr, 0. , NJW 1995, S. 3162. Pechstein!Koenig, Rn. 11; Streinz. EuZW 1998, S. 137 (140); Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 22; Semrau, S. 20. 14 Streinz. Jura 1998, S. 57 (61). 15 BVerfGE 89, S. 155 (176 f.); Streinz, Jura 1998, S. 57 (61); Pechstein/ Koenig, Rn. 104. 16 Pechstein/ Koenig, Rn. 121 17 Zur Definition der Völkerrechtssubjektivität s. Verdross/Simma, § 375; Hailbronner, in GrafVitzthum, Rn. 2. 12
13
4 Burkard
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
Ob die Union Volkerrechtspersönlichkeit besitzt, ist umstritten. Das Bundesverfassungsgericht und die Mehrzahl der Stimmen in der Literatur sprechen sich dagegen aus. 18 Die durch den Amsterdamer Vertrag neu in den EU-Vertrag eingefügte Bestimmung des Art. 24 Abs. 1 EUV, die nun den Abschluß von Übereinkünften mit Staaten und internationalen Organisationen regelt, hat der Ansicht Auftrieb verliehen, die Union verfüge über eine, wenn auch eng beschränkte, völkerrechtliche Persönlichkeit. 19 Die Union kann nur Rechtspersönlichkeit besitzen, wenn die Mitgliedstaaten sie ihr übertragen haben. Internationale Organisationen, und eine solche wäre die Europäische Union, besäße sie Volkerrechtssubjektivität, verfügen nicht originär, sondern nur abgeleitet von den sie gründenden Staaten über Rechtspersönlichkeit 20 Der Wille der Gründerstaaten ist bestimmend für ihren rechtlichen Status.21 Während die Mitgliedstaaten in Art. 281 EGV der Europäischen Gemeinschaft ausdrücklich Rechtspersönlichkeit zuerkannt haben, fehlt im EU-Vertrag für die Europäische Union eine solche Bestimmung. Möglicherweise haben die Mitgliedstaaten der Union jedoch implizit diesen Status verliehen. Dies wäre der Fall, wenn der EU-Vertrag Regelungen enthielte, aus denen geschlossen werden könnte, daß die Mitgliedstaaten bei Abschluß des Gründungsvertrages beabsichtigten, der Union Rechtspersönlichkeit zu übertragen. 22 Als Bestimmung, die auf einen solchen Willen der Mitgliedstaaten hindeutet, kommt der schon erwähnte Art. 24 Abs. 1 EUV in Betracht, 23 der die Kompetenz des Rates für den Abschluß völkerrechtlicher Verträge im Rahmen der GASP be18 BVerfGE 89, S. 155 (195); Streinz, Rn. 121b; Pechstein/Koenig, Rn. 56 ff.; Epiney, EuZW 1999, S. 5 (8); Vignes, in FS Seidl-Hohenveldem, S. 757 ff.; Glaesner; in Glaesner/ Gilsdorf/Thürer/ Hafner; S. 9 (20 f.); Grabitzl Hilf-Hilf zu Art. A Rn. 25 ff.; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99; Huber; FS Heymanns Verlag, S. 349 (358); Müller-Graf!, integration 1993, S. 147 (152); Münch, S. 185; Eaton, in O 'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 215 (224); Hafner; in Hummer/Schweitzer (Hrsg.), S. 123 (128 f.); Lecheler; FS Heymanns Verlag, S. 383 (393); Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1052 (1061); Busse, S. 308 ff., der die Volkerrechtssubjektivität der Union zwar ablehnt, zugleich der GASP aber den Charakter einer Internationalen Organisation beimißt A.A.: v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (23 ff.); Ukrow, ZEuS 1998, S. 141 (173); Semrau, S. 22 ff. ; Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151 (152 f.); Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 ff.; Magiera, Jura 1994, S. 1 (6); wohl auch Bleckmann, DVBI. 1992, S. 335. 19 Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (13 f.); Thun-Hohenstein, S. 75; für eine Verstärkung der "Tendenz zur Anerkennung einer eigenen Rechtspersönlichkeit" der Union durch Art. 24 Abs. 1 EUV: Hilf/Pache, NJW 1998, S. 705 (709); Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 239 (255). 20 Schermers/Blokker, 1565 f. ; Seidl-Hohenveldem/Loibl, Rn. 0307; Sack, FS Grabitz, s. 631 (632). 21 Seidl-Hohenveldem/Loibl, Rn. 0310. 22 Pechstein/ Koenig, Rn. 77; Münch, S. 186 ff. ; Streinz, Rn. 12lb. 23 Vignes, in FS Seidl-Hohenveldem, S. 757 (759 f.); Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (13 f.); Thun-Hohenstein, S. 74 f.; Hilf/Pache, NJW 1998, S. 705 (709); Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 239 (255).
l. Kap.: Die Struktur
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griindet. Allein die Existenz einer Bestimmung dieses Gegenstandes vermag noch nicht auf das Bestehen der Rechtspersönlichkeit hinzuweisen. Vielmehr ist entscheidend, wer Vertragspartner dieser vom Rat abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge ist: die Mitgliedstaaten oder die Union. Nur wenn die Union in Art. 24 Abs. 1 EUV als Vertragspartner vorgesehen ist, läßt sich auf eine von den Mitgliedstaaten gewollte Rechtspersönlichkeit der Union schließen. Der Wortlaut des Art. 24 Abs. 1 EUV trifft keine Festlegung. Bei der Auslegung einer Vertragsbestimmung sind jedoch gemäß Art. 31 Abs. 2 lit.(a) Wiener Vertragsrechtskonvention Übereinkünfte zu beriicksichtigen, die im Zusammenhang mit dem Abschluß des zu interpretierenden Vertrages von allen Vertragsparteien getroffen wurden. In der Erklärung Nr. 4 der Schlußakte zum Amsterdamer Vertrag bekräftigen die Mitgliedstaaten, daß Art. 24 Abs. I EUV "keine Übertragung von Zuständigkeiten von den Mitgliedstaaten auf die Europäische Union" bedeute. 24 Da der Wortlaut des Art. 24 Abs. I EUV ausdriicklich dem Rat eine Abschlußkompetenz überträgt, kann sich die Erklärung nur auf materielle Kompetenzen beziehen. 25 Diese würden beriihrt, wenn die Mitgliedstaaten nicht direkt als Vertragspartner und damit nicht aus eigenem Entschluß an internationale Abkommen gebunden wären, sondern indirekt über eine völkervertragsrechtliche Verpflichtung der Union. Aus der Erklärung läßt sich somit schließen, daß die Mitgliedstaaten auch bei einem durch den Rat im Rahmen der GASP gemäß Art. 24 EUV abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag weiterhin Vertragspartei sein wollen. Sie beabsichtigten folglich nicht, der Union über Art. 24 EGV implizit Volkerrechtspersönlichkeit zu verleihen?6 Als eine weitere Bestimmung, die auf einen die Rechtspersönlichkeit begrundenden Willen der Mitgliedstaaten hinweist, kommt Art. 49 EUV in Betracht, nach dem jeder europäische Staat "Mitglied der Union" werden kann. 27 Diese Regelung hatte die Beitrittsklauseln der drei Europäischen Gemeinschaften, die Art. 237 EWGV, Art. 205 EAGVa und Art. 98 EGKSVa ersetzt. Ein Beitritt scheint, nach dem Willen der Mitgliedstaaten daher wohl nur noch zur Union als ganzer möglich zu sein?8 Dennoch läßt auch Art. 49 EUV den Schluß auf eine Rechtspersönlichkeit nicht zu. 29 Nach Art. 49 Abs. 2 EUVerfolgt die Aufnahme in die Union durch ein Abkommen zwischen dem beitretenden Staat und den Mitgliedstaaten. Daran wird deutlich, daß die Mitgliedstaaten und nicht die Union hier verantwortliche Handlungsträger sind und der Union folglich auch keine Volkerrechtssubjektivität zukommen soll. 24 Erklärung Nr. 4 (Erklärung zu den Art. J.14 und K.IO des Vertrages über die Europäische Union) der Schlußakte zum Amsterdamer Vertrag vom 2. Okt. 1997, ABI. EG Nr. C 340/131 vom 10. Nov. 1997. 25 Streinz, in Hummer (Hrsg.), S. 47 (59). 26 Streinz, in Hummer (Hrsg.), S. 47 (59 f.); a.A. Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (13 f.); Thun-Hohenstein, S. 74 f. 27 Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 (35); Streinz, Rn. 12lb. 28 G IT I E-Meng zu Art. 0 Rn. 2, 4. 29 Münch, S. 188 f.; Streinz, Rn. 12lb; Pechstein/Koenig, Rn. 79.
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
Als Indiz für den Willen der Mitgliedstaaten, der Union Völkerrechtspersönlichkeit zu verleihen, werden ferner Art. 11 Abs. I EUV, demzufolge die Union eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik "erarbeitet und verwirklicht", und Art. 18 Abs. 1 EUV, nach dem der Vorsitz die Union "vertritt", angeführt, ebenso Art. 11 Abs. 4 EUV, der gar von der "Außen- und Sicherheitspolitik der Union" spricht. 30 Alle diese Formulierungen lassen die Union als etwas Eigenständiges, selbst Handelndes erscheinen. Fraglich ist jedoch, ob sich daraus schon auf einen Willen der Mitgliedstaaten, die Union solle über Rechtspersönlichkeit verfügen, schließen läßt. Dagegen spricht vor allem der allgemeine, politisch-deklaratorische Charakter der genannten Bestimmungen. Schaut man auf die die GASP rechtlich ausgestaltenden Regelungen, zeigt sich, daß entgegen den Formulierungen in den obigen Bestimmungen nach rechtlichen Gesichtspunkten nicht die Union handelt, sondern vielmehr die Mitgliedstaaten die Träger der GASP sind. So binden beispielsweise gemeinsame Aktionen nach Art. 14 Abs. 3 EUV ausdrücklich die Mitgliedstaaten und nicht etwa die Union; die Mitgliedstaaten setzen die gemeinsamen Standpunkte um, indem sie ihre Politik mit ihnen in Einklang bringen (Art. 15 EUV). Die im EU-Vertrag festgeschriebene intergouvernementale Natur der GASP läßt ein eigenständiges Agieren der Union auf völkerrechtlicher Ebene nicht zu. 31 Diese Auffassung wird gestützt durch die Tatsache, daß sich auf der Regierungskonferenz Vorschläge, die die Übertragung von Völkerrechtssubjektivität vorsahen, nicht durchzusetzen vermochten. Offensichtlich geht auch das Europäische Parlament noch von einem Fehlen der Rechtspersönlichkeit aus, sonst würde es ihre Verleihung an die Union nicht fordern. 32 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weder ausdrücklich noch implizit Völkerrechtspersönlichkeit verliehen haben. Die Union kann nicht Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein und ist daher auch kein Völkerrechtssubjekt
111. Rechtsnatur der GASP-Bestimmungen In Anlehnung an die Differenzierung des Gemeinschaftsrechts kann man das Unionsrecht in primäres und sekundäres Recht unterteilen. Primäres Unionsrecht ist demnach das Recht des Unionsvertrages; zum sekundären Unionsrecht sind die auf der Grundlage des Unionsvertrages erlassenen Akte zu verstehen, wie etwa die gemeinsamen Standpunkte und die gemeinsamen Aktionen. 33 30 Semrau, S. 36; v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (9); Münch, S. 186; Krenzier I Schneider, EuR 1994, S. 144 (147); Streinz, Rn. 121b. 31 Pechstein/Koenig, Rn. 78; a.A. Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (147). 32 Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Beziehungen zwischen dem Völkerrecht, dem Gemeinschaftsrecht und dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten vom 13. Jan. 1998, Ziff. 16, abgedruckt in EuZW 1998, S. 165. 33 Münch, S. 34; Pechstein/Koenig, Rn. 193 ff.
1. Kap.: Die Struktur
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Die Vorschriften der GASP formulieren ein Verfahren der Kooperation der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten. Sie sind Teil eines zwischen den Mitgliedsstaaten auf gleicher Ebene geschlossenen Vertrages und besitzen daher völkerrechtlichen Charakter.34 Vereinzelt wird vertreten, die GASP ließe sich weder dem Gemeinschaftsrecht noch dem Völkerrecht zuordnen. Als eine Form politischer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, die gemäß Art. 1 Abs. 3 EUV die Union "ergänzt" und die so zum Teil einer Union wird, deren Ziel nach Art. 1 Abs. 2 EUV eine immer engere Verbindung der Völker Europas ist, sei die GASP zwischen Völkerrecht und Gemeinschaftsrecht anzusiedeln. Die GASP besäße eine Rechtsnatur sui generis etwa als "Völkerrecht auf dem Weg zum Gemeinschaftsrecht". 35 Auf diese Weise soll die gegenwärtige Struktur der Union als eine Stufe in einem andauerndem lntegrationsprozeß unterstrichen werden.36 Diese Ansicht vermag jedoch nicht zu überzeugen. Das besondere Verhältnis des Unionsrechts zum Gemeinschaftsrechts hat keine Bedeutung für seine Rechtsnatur. Als Rechtsordnung sui generis hat man das Gemeinschaftsrecht in Abgrenzung zum Völkerrecht qualifiziert, um damit zu verdeutlichen, daß es neben vertragsrechtlichem auch verfassungsrechtlichen Charakter habe. 37 Die Natur des Unionsrechts kann vor diesem Hintergrund nicht die Bildung einer eigenen Kategorie rechtfertigen. 38 Auch scheint vieles darauf hinzudeuten, daß die gegenwärtige Unionsstruktur kein Übergangsstadium, sondern von einiger Dauer sein wird. 39 Von daher besteht kein Anlaß, durch eine derartige Qualifizierung eine etwaige integrationspolitische Perspektive des Unionsrechts zu unterstreichen. Die Neuerungen durch den Amsterdamer Vertrag, insbesondere die erweiterte Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, sowie die Festigung des institutionellen Rahmens und der Verfahrensweisen haben zu der Auffassung geführt, die GASP sei mittlerweile "mehr als ein rein intergouvernementales Kooperationsforum ".40 Es ist sicher richtig, daß der Amsterdamer Vertrag die GASP ein Stück näher an die Gemeinschaft gerückt hat, an ihrem völkerrechtlichen Charakter vermag das jedoch nichts zu ändern. Nach wie vor sind die Mitgliedstaaten Rechtsträger und Zurechnungssubjekte der GASP. 41
34 Oppermann, Rn. 304; GIT/E-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. J bis J. ll Rn. 24; Münch, ZÖR 52 (1997), S. 389 (390); Pechstein, EuR 1999, S. 1; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, s. 69. 35 G/TI E-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. J bis J.11 Rn. 24. 36 Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1052 (1059 ff.). 37 Streinz, Rn. 109; Schweitzer!Hummer, Rn. 75 f. 38 Münch, S. 35. 39 Koenig, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 139 (150). 40 Streim;, Rn. 121a; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 f. 41 Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (100).
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
IV. Rechtliche Verbindlichkeit und Justitiabilität der GASP-Bestimmungen
Die GASP-Bestimmungen besitzen als Völkervertragsrecht rechtliche und nicht nur politische Verbindlichkeit. 42 Dies bedeutet, daß die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Außenpolitik rechtlich verpflichtet sind, gemäß der Regelungen der GASP zu agieren. Von der Frage der rechtlichen Verbindlichkeit zu unterscheiden ist die Frage nach der Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle. Da die Bestimmungen der GASP nicht zum Gemeinschaftsrecht zählen, ist eine unmittelbare Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes nach dem EG-Vertrag nicht gegeben. Nach Art. 220 EGV sichert der Gerichtshof die Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Der Umfang der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes im Bereich des Unionsrechts regelt dagegen Art. 46 EUV. Er bestimmt ausdrücklich, auf welche Bestimmungen des EU-Vertrages sich die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes erstreckt. Die Bestimmungen der GASP sind nicht genannt. Damit unterliegt die GASP nicht der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes. 43 Folglich können Verstöße der Mitgliedstaaten gegen primärrechtliche oder sekundärrechtliche Verpflichtungen der GASP nicht vor dem Europäischen Gerichtshof gerügt werden. Der Ausschluß der GASP von der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes ist Ausdruck des auch in der intergouvernementalen Struktur der GASP deutlich werdenden Willens der Mitgliedstaaten, ihre außenpolitischen Kompetenzen ohne Kontrolle durch eine unabhängige gerichtliche Instanz ausüben zu können. 44 Dennoch ist die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs auch für die GASP nicht gänzlich ohne Bedeutung. Seine Zuständigkeit gemäß Art. 220 EGV für die Anwendung und Auslegung des Gemeinschaftsrechtes umfaßt die Feststellung des Kompetenzumfanges der Gemeinschaft. 45 Dies gibt ihm die Möglichkeit, von der Seite der Gemeinschaft die Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsrecht und Maßnahmen im Rahmen der GASP vorzunehmen. 46 Der insofern nur deklaratorische Art. 46 lit. e) EUV unterstreicht das, indem er Art. 47 EUV und damit die grundsätzliche Unberührbarkeit der Gemeinschaft durch primäres und sekundäres A.A. G/TIE-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. J bis J.ll Rn. 25. Streinz, Rn. 332a; Münch, S. 151 f.; Semrau, S. 141 ff.; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. L Rn. 9; G/T/E-Krück zu Art. L Rn. 8; Ryba, RMC 1995, S. 14 (18); Hailbronnerl Klein-Klein zu Art. L Rn. 6; Fink-Hooijer; EJIL 5 (1994), S. 173 (177 f.); a.A. Müller-Graff EuR 1998Beiheft 2- 1998; S. 67 (77). 44 Pechstein, EuR 1999, S. 1 (7). 45 Pechstein/Koenig, Rn. 520. 46 Grabitzl Hilf-Paehe zu Art. L Rn. 22; Streinz, ZfRV 1995, S. 1 (9); Müller-Graff CML Rev. 31 (1994), S. 493 (505 f.); Pechstein/Koenig, Rn. 521 f.; Eaton, in O'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 215 (221); Ryba, RMC 1995, S. 14 (18); Edward, EuR -Beiheft 2 1995, S. 23 (25); Fink-Hooijer; EJIL 5 (1994), S. 173 (177 f.). 42
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1. Kap.: Die Struktur
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Unionsrecht der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs unterwirft. Der Gerichtshof kann folglich angerufen werden, wenn die Mitgliedstaaten im Bereich einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz die Handlungsformen der GASP wählen, etwa um den engen Bindungen der Gemeinschaftsverfahren, insbesondere der Beteiligung bestimmter Organe, zu entgehen. In einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EGV müßte der Europäische Gerichtshof dann über die Reichweite der Gemeinschaftskompetenzen entscheiden und würde dabei mittelbar auch über den Umfang des Anwendungsbereichs der GASP-Bestimmungen Stellung zu nehmen haben. 47 Inwieweit darüber hinaus eine inzidente gerichtliche Kontrolle der GASP durch den Gerichtshof an den Berührungspunkten von GASP und Gemeinschaft möglich ist, wird im Verlauf dieser Arbeit untersucht. Im übrigen steht den Mitgliedstaaten aufgrund des völkerrechtlichen Charakters der GASP-Bestimmungen bei Meinungsverschiedenheiten prinzipiell das Instrumentarium völkerrechtlicher Streitbeilegung zur Verfügung. So ist grundsätzlich auch eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag denkbar.48 Voraussetzung wäre allerdings eine Unterwerfung sämtlicher Mitgliedstaaten unter die Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofes gemäß Art. 36 IGH-Statut. Dennoch erscheint die Einschaltung des Internationalen Gerichtshofs zur Beilegung rechtlicher Streitigkeiten im Rahmen der GASP wenig opportun. 49 Das System der GASP verfolgt die Ausbildung eines gemeinsamen Erscheinungsbildes der Mitgliedstaaten auf der internationalen Bühne. Dabei soll die Identität der einzelnen Staaten geschützt und widerstreitende nationale Interessen zum Ausgleich gebracht werden. In den Verfahren der GASP wird allen Beteiligten ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft und Kompromißfähigkeit abverlangt. Der dazu erforderliche politische Wille50 läßt sich auch vor einem internationalen Gerichtshof nicht einklagen.
V. Umfang und Ziele der GASP Nach Art. 11 Abs. 1 EUV erstreckt sich die GASP " auf alle Bereiche der Außenund Sicherheitspolitik". Das Aufgabenfeld der GASP wird durch den EU-Vertrag nicht ausdrücklich begrenzt. 51 Aufgrund ihres intergouvernementalen Charakters kann die GASP jedoch nur in den Bereichen tätig werden, in denen die MitgliedA.A. Semrau, S. 143. Eaton, in O'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 215 (222); Münch, S. 158. 49 Münch, S. 158 f.; Müller-Graf!, integration 1993, S. 147 (156); G/T/E-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. I bis I.11 Rn. 26. 50 GIT/E-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. I bis I .ll Rn. 26; Rhein, IP 1996, S. 55 (58). 51 Fink-Hooijer; EJIL 5 (1994), S. 173 (176). 47
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
staaten Kompetenzen besitzen. 5 2 Nicht von der GASP umfaßt sind daher die wirtschaftlichen Außenbeziehungen, soweit sie in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, wie beispielsweise die Außenhandelspolitik des Art. 133 EGV. Schwer zu bestimmen ist der Umfang der GASP -ebenso wie der der gemeinschaftlichen Außenkompetenz- an den Berührungspunkten von GASP und Gemeinschaft auf dem Gebiet außenpolitisch motivierter Wirtschaftssanktionen und der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Der Art. 11 Abs. 1 EUV konkretisiert für die GASP die allgemeinen Ziele der Europäischen Union, wie sie in Art. 2 EUV niedergelegt sind.53 Demnach richtet sich die GASP auf die Wahrung der gemeinsamen Werte und grundlegenden Interessen sowie die Stärkung der Sicherheit der Union. Sie setzt sich zum Ziel, den Frieden zu wahren, die internationale Sicherheit zu stärken und internationale Zusammenarbeit zu fördern; Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sollen gestärkt und entwickelt werden. Auch wenn es sich hier um .,materielle Ziele" 54 handelt und nicht mehr, wie noch im Rahmen der EPZ, die Zusammenarbeit an sich das Ziel ist55 , so sind sie doch derart weit und unscharf formuliert, daß sie nicht als in der Praxis taugliche Handlungsmaximen in Frage kommen. 56 Andererseits eröffnen diese diffusen Zielvorgaben der GASP einen von Beschränkungen weitgehend freien Handlungsspielraum.
2. Kapitel
Die Rolle der Institutionen im Rahmen der GASP Die Europäische Union verfügt über einen einheitlichen institutionellen Rahmen (Art. 3 Abs. I EUV). Die Gemeinschaftsorgane Rat, Kommission, Parlament und Gerichtshof üben ihre Befugnisse nach der Maßgabe des EG-Vertrages und des EU-Vertrages aus (Art. 5 EUV); sie werden also sowohl für die Gemeinschaft als auch im Rahmen der GASP (und der PJZS) tätig. Der institutionelle Rahmen wird daher in seinen Auswirkungen von einigen so verstanden, daß Rat, Kommission, Parlament und Gerichtshof Gemeinschaftsorgane und zugleich Organe der Union seien. 1 Organe sind Gremien, deren Hand52 G/T/E-Burglwrdt/Tebbe zu Art. J.l Rn. 8; Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 239 (246 f.); Streinz, Rn. 627. 53 Grabitz/ Hilf-Kauftrumn-Bühler zu Art. J.l Rn. 2. 54 Pechstein/ Koenig, Rn. 262. 55 Art. 30 Abs. I, 2 EEA. 56 Grabitzl Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. J.l Rn. 9. I Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 (36); Busse, S. 162 ff.; Semrau, S. 35; v. Bogdandy I Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (13); Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998; S. 151 (152).
2. Kap.: Die Rolle der Institutionen
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Iungen einer Organisation als eigene zugerechnet werden. 2 Sie bedürfen somit immer eines Zurechnungssubjekts, das Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Die Union kann jedoch mangels Rechtspersönlichkeit nicht Zurechnungssubjekt eines Organhandeins sein und folglich. auch keine Organe besitzen. Die nach der Konzeption des einheitlichen institutionellen Rahmens im Bereich der GASP tätigen Gemeinschaftsorgane lassen sich daher nicht als Unionsorgane begreifen.3 .
I. Der Europäische Rat
Eine hervorgehobene Rolle unter den im Rahmen der GASP tätigen Institutionen nimmt der Europäische Rat ein. Er hat sich aus den Gipfeltreffen der Staatsund Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten entwickelt4 und wurde in der Einheitlichen Europäischen Akte erstmals vertraglich verankert5 • Der Europäische Rat ist kein Gemeinschaftsorgan;6 seine rechtliche Stellung beschreibt der EU-Vertrag. Dennoch kann auch der Europäische Rat mangels Rechtspersönlichkeit der Union nicht als Organ der Union bezeichnet werden. 7 Am treffendsten läßt er sich als "Vertragsorgan" charakterisieren, 8 weil er fast ausschließlich auf der Grundlage des EU-Vertrages tätig wird9 und Zurechnungssubjekt seiner Handlungen die Vertragsparteien des EU-Vertrages sind. Der Europäische Rat setzt sich gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten und dem Präsidenten der Kommission zusammen, die von den Außenministern und einem weiteren Kommissionsmitglied unMeng, S. 47. Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 10; Pechstein/Koenig, Rn. 191; Kapteyn/Ver· Loren van Themaat, S. 50; Huber; FS Heymanns Verlag, S. 349 (358). 4 Zur Entwicklung des Europäischen Rates s. Glaesner; EuR 1994, S. 22 ff.; Everling, EuR -Beiheft 2- 1995; S. 41 f.; G/T/E-Jacquezu Art. D Rn. 2 ff.; Semrau, S. 113 ff. s Art. 2EEA. 6 Sonst wäre er in Art. 7 EGV, der die Organe der Gemeinschaft nennt, aufgeführt. 7 Pechstein I Koenig, Rn. 171; Münch, S. 42; a.A. trotz Ablehnung einer Rechtspersönlichkeit der Union: Streinz, Rn. 279; Hailbronner/Klein-Klein zu Art. D Rn. 3; Oppermann, Rn. 299; Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 50. s Hailbronner/Klein-Klein zu Art. D Rn. 3; Grabitz/Hilf-Hilf/Pache zu Art. D Rn. 9; a.A. Pechstein/Koenig, Rn. 172 ff.; Münch, S. 42, die dem Europäischen Rataufgrund des vorherrschenden Einstimmigkeitsprinzips jegliche Organeigenschaft absprechen und ihn als Regierungskonferenz qualifizieren. 9 Ausnahme ist Art. 99 Abs. 2 UAbs. 2 EGV. Die Art. 121 EGV und Art. 122 Abs. 2 EGV sprechen vom "Rat in der Zusammensetzung der Staats· und Regierungschefs ". Damit ist nicht der Europäische Rat gemeint (a.A. Glaesner; EuR 1994, S. 22 (26)); Mitglieder des Europäischen Rates sind, anders als beim Rat in der Zusammensetzung der Staatsund Regierungschef, neben den Staats- und Regierungschefs auch der Präsident der Kommission. 2
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
terstützt werden. Er tritt mindestens zweimal jährlich zusammen und tagt in dem Mitgliedstaat, der den Vorsitz 10 inne hat. 11 Strittig ist der Status des Präsidenten der Kommission im Europäischen Rat. So wird die Ansicht vertreten, der Kommissionspräsident sei ein vollwertiges, stimmberechtigtes Ratsmitglied, ebenbürtig den Staats- und Regierungschefs. 12 Dagegen wird eingewandt, die funktionelle Bedeutung des Amtes des Kommissionspräsidenten, der lediglich "Behördenchef" einer Gemeinschaftsinstitution sei und auch im Europäischen Rat nicht die Gemeinschaft repräsentieren könne, rechtfertige nicht eine Gleichrangigkeil mit den höchsten Vertretern der Mitgliedstaaten. 13 Er besitze daher lediglich ein in Art. 4 Abs. 2 EUV primärrechtlich garantiertes Anwesenheitsrecht. Gegen letztere Auffassung spricht der Wortlaut des Art. 4 Abs. 2 EUV, der keine Unterscheidung zwischen dem Status der Staats- und Regierungschefs und dem des Präsidenten der Kommission vornimmt. Dennoch wird man ihr zumindest für die Tätigkeit des Europäischen Rates im Bereich der GASP zustimmen müssen. Das folgt aus dem intergouvernementalen Charakter der GASP, nach dem alle Entscheidungen den Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben. Die Kommission wird gemäß Art. 27 EUV zwar "in vollem Umfang" an der GASP beteiligt; diese Beteiligung ist jedoch so ausgestaltet, daß sie die Souveränität der Mitgliedstaaten nicht beeinträchtigt. 14 Die Rolle der Kommission und ihres Präsidenten im Rahmen der GASP richtet sich nach dem, was die Bestimmungen des Titel V. EUV, insbesondere Art. 27 EUV, vorgeben. Sie sind insofern Leges speciales zu Art. 4 Abs. 2 EUV. 15 Selbst wenn man also auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 2 EUV den Kornmissionspräsidenten generell als vollwertiges stimmberechtigtes Mitglied des Europäischen Rates betrachtet, wird man aufgrundder speziellen, der Zwischenstaatlichkeil der GASP Ausdruck verleihenden Regelungen des Titels V. EUV, dem Kommissionspräsidenten im Europäischen Rat, wenn dieser im Rahmen der GASP agiert, nicht den vollwertigen Status eines stimmberechtigten Mitglieds einräumen können. Er besitzt hier lediglich ein Anwesenheitsrecht und unterstützt die Staatsund Regierungschefs mit dem wirtschaftlichen Sachverstand seiner Behörde. 16 Dem Europäischen Rat kommt schon aufgrund seiner hochrangigen Besetzung die politische Leitung der Union zu. 17 Nach Art. 4 Abs. 1 EUV gibt er der Union die "für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse" und legt "die allgemeinen poliNäheres zu den Aufgaben und Funktionen des Vorsitzes s. Münch, S. 46 ff. Streinz, Rn. 232; Münch, S. 42; Semrau, S. 120. 12 Semrau, S . 117 ff. 13 Pechstein/ Koenig, Rn. 167 ff. 14 G/TIE-Burghardt/Tebbe zu Art. J.9 Rn. 5. 15 Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. D Rn. 15. 16 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. D Rn. 15 f. 17 Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (104); Oppermann, Rn. 301; Grabitz/HilfHilf/Pache zu Art. D Rn. 13. 10
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2. Kap.: Die Rolle der Institutionen
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tischen Zielvorstellungen" fest. Im Hinblick auf die Gemeinschaft besitzen die Entscheidungen des Europäischen Rates jedoch keine rechtliche Bindungswirkung, 18 da dieser im EG-Vertrag nicht als Organ der Gemeinschaft aufgeführt ist und somit außerhalb der gemeinschaftlichen Rechtsordnung steht. Dennoch ist das politische Gewicht der Staats- und Regierungschefs so mächtig, daß ein Abweichen des Rates von der Vorgabe des Europäischen Rates in der Praxis nur schwer denkbar ist. 19 Für den Bereich der GASP erweitert Art. 13 EUV die Aufgaben und Funktionen des Europäischen Rates. Demnach bestimmt er die .. Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik". Daneben kann er gemeinsame Strategien festlegen. Entscheidungen des Rates über Gemeinsame Leitlinien und gemeinsame Strategien besitzen in der GASP als Grundsatzbeschlüsse rechtliche Verbindlichkeit. 20 Der Rat hat gemäß Art. 13 Abs. 2, 3 EUV auf der Grundlage und im Rahmen dieser Vorgaben zu handeln. Der EU-Vertrag sieht für den Europäischen Rat keine Verfahrens- und Abstimmungsregeln vor. Er entscheidet daher im Rahmen der GASP ausschließlich nach dem völkerrechtlichen Einstimrnigkeitsprinzip? 1 In der Praxis meidet der Europäische Rat jedoch förmliche Abstimmungen und faßt seine Beschlüsse nach dem consensus- Verfahren22: Der Vorsitz stellt am Ende eingehender Beratungen fest, es sei Einigkeit erreicht. Wenn keiner der Beteiligten Widerspruch erhebt, gilt der Beschluß als zustande gekommen. Auf diese Weise wird eine Meinungsunterschiede belegende Abstimmung vermieden. Dies geht allerdings zu Lasten eindeutiger Stellungnahmen in den Beschlüssen, da die auf dem oft langwierigen Beratungsweg des consensus-Verfahrens erreichten Ergebnisse häufig nicht mehr darstellen als den kleinsten gemeinsamen Nenner der Vorstellungen aller Beteiligten. 23
18 Streinz, Rn. 279; Glaesner; EuR 1994, S. 22 (31); Hailbronner!Klein-Klein zu Art. D Rn. 8; Everling, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 41 (44 f.); a.A. Pechstein/ Koenig, Rn. 175 ff. 19 Pechstein/Koenig, Rn. 175; Semrau, S. 124; Everling, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 41 (45); Grabitzl Hilf-HilfI Pache zu Art. D Rn. 34. 20 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. D Rn. 8; Pechstein/Koenig, Rn. 223 f.; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (104); Grabitz/Hilf-Hilf/Pache zu Art. D Rn. 33; a.A. Everling, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 41 (44). 21 Semrau, S. 120. 22 Zum consensus-Verfahren im Volkerrecht s. Verdross/Simma, § 122; Klein, in Graf Vitzthum (Hrsg.), Rn. 135; Parry/Grant, S. 72; Ballreich, FS Mosler; S. I ff.; Suy, EPIL 7 (1984), s. 49 ff. 23 Suy, EPIL 7 (1984), S. 49 (50).
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
II. Der Rat Vom Europäischen Rat streng zu unterscheiden ist der Rat der Europäischen Union, der in EG- und EU-Vertrag aus Vereinfachungsgründen stets schlicht "der Rat" genannt wird und der sich mit der Bezeichnung Ministerrat am anschaulichsten bezeichnen läßt. Er besteht gemäß Art. 203 EGV aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene. Der Rat gehört zu den Organen der Gemeinschaft, die in Art. 7 EGV abschließend aufgezählt sind. Er wird auch auf der Grundlage des EU-Vertrages im Bereich der GASP tätig. Dennoch ist er, wie oben ausgeführt, kein Organ der Europäischen Union; in der GASP agiert er vielmehr im Wege einer Organleihe zugunsten der Mitgliedstaaten. 24 Im Rahmen der GASP tagt der Rat in der Zusammensetzung der Außen- bzw. Verteidigungsminister der Mitgliedstaaten. Dem intergouvernementalen Charakter der GASP entsprechend ist der aus weisungsgebundenen Vertretern bestehende Rat für die GASP maßgebliches Beratungs- und Entscheidungsorgan.25 Er ist umfassend zuständig und verantwortlich in allen Aspekten der GASP. Ihm obliegt es, für die Einhaltung der Solidaritätspflichten der Mitgliedstaaten, wie sie Art. 11 Abs. 2 EUV vorschreibt, Sorge zu tragen. Der Rat trifft die für die Festlegung und Durchführung der GASP erforderlichen Entscheidungen auf der Grundlage der vom Europäischen Rat festgelegten allgemeinen Leitlinien (Art. 13 Abs. 3 EUV). Handlungsformen des Rates sind der Beschluß gemeinsamer Aktionen (Art. 14 EUV) und die Festlegung gemeinsamer Standpunkte (Art. 15 EUV). Sein Aktionsradius ist beschränkt durch den vom Europäischen Rat vorgegebenen Rahmen. 26 Der Rat entscheidet gemäß Art. 23 Abs. 1 EUV grundsätzlich einstimmig. Enthaltungen stehen dem Zustandekommen eines Beschlusses nicht mehr entgegen. 27 Der Beschluß bindet einen sich enthaltenden Staat in gleicher Weise wie einen zustimmenden.28 Diese Bindung entfällt jedoch, wenn der Staat seine Enthaltung im Rat mit einer förmlichen Erklärung gemäß Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 EUV verknüpft. 24 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 10; Grabitz/Hilf-Hilf/Pache zu Art. ERn. 7; Huber, FS Heymanns Verlag, S. 349 (358); Glaesner, EuR 1994, S. 22 (31); Dörr, 0., EuR 1995, S. 334 (337); Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 50; a.A.: Ress, EuR -Beiheft 21995, S. 27 (36); Semrau, S. 31 ff.; Pechstein/Koenig, Rn. 186 f. , lehnen eine Organleihe ab, weil ihr Zweck, eine Verfahrensvereinfachung, nicht erreicht sei und betrachten den Rat daher als Vertragsorgan. 25 Grabitz/Hilf-Meyer-Landrut zu Art. J.8 Rn. 6; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (104); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (71); Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (8). 26 Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (104); Münch, S. 46. 27 Nach dem Maastrichter Vertrag war im Falle einer Stimmenthaltung wegen eines fehlenden Verweises des Art. J. ll Abs. 1 EUVa auf Art. 148 Abs. 3 EGVa die Annahme eines Beschlusses blockiert, s. Pechstein/ Koenig, Rn. 289. 28 Thun-Hohenstein, S. 71; Pechstein/ Koenig, Rn. 289; Streinz, EuZW 1998, S. 137 (141).
2. Kap.: Die Rolle der Institutionen
61
Zwar ist der Beschluß für die Union dann verpflichtend, der sich enthaltende Staat selbst wird aber nicht gebunden. Er verzichtet gleichwohl "im Geiste der Solidarität", die Durchführung des Beschlusses zu behindern. Geben mehr als ein Drittel der Ratsmitglieder eine förmliche Erklärung nach Art. 23 Abs. 1 UAbs. 2 EUV ab, kommt indes kein Beschluß zustande. Dieses Instrument der konstruktiven Enthaltung eröffnet den Mitgliedstaaten, die einen einstimmig zu fassenden Beschluß nicht mittragen können, eine weitere Option neben der Ablehnung und damit der Verhinderung des Beschlusses. Auf diese Weise wird der Rat vor lähmenden Selbstblockaden bewahrt und die Handlungsfähigkeit der GASP erhöht. 29 Das Prinzip der Einstimmigkeit in der GASP wird in den Fällen des Art. 23 Abs. 2 EUV durchbrachen. Entscheidet der Rat auf der Grundlage einer zuvor vom Europäischen Rat verabschiedeten gemeinsamen Strategie, so genügt zum Zustandekommen eines Beschlusses die qualifizierte Mehrheit von 62 Stimmen und der Zustimmung von mindestens zehn Staaten. Die Stimmen werden gemäß Art. 205 Abs. 2 EGV gewogen. Das gleiche gilt für Entscheidungen über die Durchführung gemeinsamer Aktionen und gemeinsamer Standpunkte. Jedes Ratsmitglied kann jedoch eine Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit verhindern, wenn es erklärt "aus wichtigen Gründen der nationalen Politik" den zufassenden Beschluß abzulehnen. Mit qualifizierter Mehrheit kann der Rat in dieser Frage dann eine Entscheidung des Europäischen Rates verlangen. Dieses dem Luxemburger Kompromiß30 nachgebildete Verfahren31 stößt zwar auf Kritik32, entspricht jedoch vollkommen dem intergouvernementalen Charakter der GASP. Indem die mit qualifizierter Mehrheit zu fassende Beschlüsse immer an eine vorherige einstimmige Grundsatzentscheidung gebunden sind und die Mitgliedstaaten zugleich ein faktisches Vetorecht besitzen, handelt es sich auch hier weiterhin um eine" verdeckte Einstimmigkeit". 33 Kein eigenständiges Organ, sondern Teil der Binnenorganisation des Rates ist sein Generalsekretär, der gemäß Art. 26 EUV als Hoher Vertreter für die GASP den Rat bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unterstützt. 34 Der Ho29
Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (107 f.).
Zum Luxemburger Komprorniß s. Lahr; EA 1983, S. 223 ff.; Oppermann, Rn. 29 f.; Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 232 ff. 31 HilfI Pache, NJW 1998, S. 705 (709); Editorial Comments, CML Rev. 34 (1997), S. 767 (772); Streinz, Jura 1998, S. 57 (64); Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (13); des Nerviens, RTD eur. 33 (1997), S. 801 (808). 32 Kugelmann, EUR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (108 f.) hält das Vetorecht des Art. 23 Abs. 2 EUV für einen Systembruch, weil es in den Rahmen der im Bereich der PJZS (Art. 40 EUV) und der Gemeinschaften (Art. ll EGV) geübten "verstärkten Zusammenarbeit" gehöre, die für die GASP nicht vorgesehen sei. Darüber hinaus führe diese Blockadeoption zu einer Einbuße an Effektivität, a.A. Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 240 (250 f.). 33 So Münch, ZÖR 52 (1997), S. 389 (392) und Läufer; FS Stercken, S. 57 (69) zu den Mehrheitsentscheidungen des Rates im Rahmen der GASP vor den Neuerungen des Amsterdamer Vertrages. 30
62
2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
he Vertreter soll durch seine Person der GASP nach außen eine einheitliche Erscheinung geben und die Kontinuität vermitteln, die der zweimal jährlich wechselnde Vorsitz nicht zu geben verrnag?5
111. Die Kommission Anders als der Rat, der aus weisungsgebundenen Vertretern der Mitgliedstaaten besteht, ist die Kommission ein weisungsfreies Gemeinschaftsorgan.36 Gemäß Art. 213 Abs. 2 EGV üben die zwanzig Kommissionsmitglieder "ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit" aus. Während der Rat die Interessen der Mitgliedstaaten vertritt, ist die Kommission dem Wohl der Gemeinschaft verpflichtet. Die Kommission spielt daher auch in der supranationalen Europäischen Gemeinschaft eine bedeutende Rolle. Sie verfügt über ein Initiativmonopol, das es dem Rat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur gestattet, einen Beschluß zu fassen, wenn ihm zuvor die Kommission einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet hat. 37 Die Kommission handelt auch im Rahmen der GASP, sie ist jedoch, wie bereits ausgeführt, kein Unionsorgan, sondern wird hier, wie auch der Rat, im Wege einer Organleihe tätig. 38 Dem intergouvernementalen Charakter der GASP entsprechend kommt der Kommission jedoch wegen ihrer Weisungsunabhängigkeit in der GASP nicht dieselbe Bedeutung zu, wie sie sie in der Gemeinschaft besitzt. 39 Ein Initiativmonopol oder sogar verbindliche Entscheidungsbefugnisse der Kommission widersprächen der Zwischenstaatlichkeit der GASP und verletzten die außenpolitische Souveränität der Mitgliedstaaten. Art. 27 EUV legt fest, daß die Kommission "in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligt" wird. Daraus werden ein Anwesenheitsrecht bei Ratssitzungen40 sowie Informations- und Anhörungsrechte dem Rat gegenüber abgeleitet. 41 Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 240 (251 f.); Piepenschneider, S. 28. Hilf/Pache, NJW 1998, S. 705 (709); Streinz, Jura 1998, S. 57 (63); Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (13). 36 Streinz. Rn. 288; Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 12; Oppermann, Rn. 335; GI TI E-Schmitt von Sydow zu Art. 157 Rn. 24. 37 GITIE-Schoo zu Art. 189 a Rn. 3; Schweitzer!Hummer; Rn. 203; Beutler/Bieber/Pipkom/Streil, S. 140; Streinz. Rn. 292. 38 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 11 ff.; Münch, S. 53; Grabitz /Hilf-Hilf/Pache zu Art. ERn. 7; Huber, FS Heymanns Verlag, S. 349 (358); Pechstein/ Koenig, Rn. 192; Kapteyn!VerLoren van Themaat, S. 50; a.A.: Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 (36); Semrau, S.31ff. 39 Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 58; Koenig, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 139 (146); Kugelmann EuR -Beiheft 2- 1998, S . 99 (105); Siems, S. 167; Zoller; in Constantinesco /Kovar/Simon (Hrsg,), S. 798. 40 Pechstein/ Koenig, Rn. 189; Semrau, S. 134. 41 Streinz, Rn. 300. 34
35
2. Kap.: Die Rolle der Institutionen
63
Daneben kann die Kommission gemäß Art. 22 Abs. 1 EUV den Rat mit einer Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik befassen und Vorschläge unterbreiten. Dieses Initiativrecht teilt die Kommission mit den Mitgliedstaaten. Der Rat ist an die Vorschläge der Kommission zwar nicht gebunden,42 hat aber die Pflicht, sich zumindest mit ihnen zu befassen.43 Die Aufgabe der Kommission im Rahmen der GASP beschränkt sich darauf, das spezifische Interesse der Europäischen Union zu Gehör zu bringen und einer Dominanz nationaler Einzelinteressen entgegenzuwirken.44
IV. Das Europäische Parlament Das Europäische Parlament spielt in der GASP ebenfalls eine nur untergeordnete Rolle. Seine Mitglieder sind gemäß Art. 189 EGV Vertreter der Völker Europas und nicht ihrer Regierungen. Sie sind unabhängig und nicht an Weisungen gebunden. Rechtsverbindliche Gestaltungsmöglichkeiten des Parlamentes lassen sich daher nicht mit dem intergouvernementalen Charakter der GASP vereinbaren. 45 Wie Rat und Kommission wird das Parlament in der GASP im Wege einer Organleihe zugunsten der Mitgliedstaaten tätig. 46 Seine Befugnisse beschreibt Art. 21 EUV. Demnach hört der Rat das Europäische Parlament "zu den wichtigsten
Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik". Er hat die Auffassungen des Parlamentes "gebührend zu berücksichtigen". Was dies im einzelnen bedeutet, läßt der EU-Vertrag offen. Eine bloße Berücksichtigung der Auffassung des Parlamentes bedeutet jedenfalls weniger als das Erfordernis einvernehmenliebes Handeln zu gewährleisten. Der Rat ist daher nicht gehindert, einen dem Standpunkt des Parlaments widersprechenden Beschluß zu fassen. 47 Eine "gebührende" Berücksichtigung der Parlamentsauffassung ist im übrigen schon deshalb schwer möglich, weil die Anhörungen nach dem Wortlaut des Art. 21 EUV auch nachträglich durchgeführt werden können48 und dies bei eiligen Angelegenheiten nicht selten geschieht.
Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 59; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (78). Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (105); Semrau, S. 135; Lange, JZ 1996, S. 442 (443); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (78). 44 Lange, JZ 1996, S. 442 (443); Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (11); Hafner, in Hummer/Schweifzer (Hrsg.), S. 123 (128 f.). 45 Koenig, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 139 (146); Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 58; Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 12. 46 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. ERn. 11 ff.; Grabitz/ Hilf-Hilf/ Pache zu Art. ERn. 7; Huber; FS Heymanns Verlag, S. 349 (358); Pechstein/Koenig, Rn. 192; Kapteyn/VerLoren van Themaat, S. 50; a.A.: Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 (36); Semrau, S. 31 ff. 47 Koenig, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 139 (146); G/TI E-Burghardt/Tebbe zu Art. J.7 Rn. 2. 48 Hilf-Schorkopf, EuR 1999, S. 185 (195); Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (105); G/T/E-Burghardt/Tebbe zu Art. J.7 Rn. 2; Longe, JZ 1996, S. 442 (443); Neuwahl, in O'Keeffe /Twomey (Hrsg.), S. 227 (243). 42 43
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
Daneben wird das Parlament vom Vorsitz des Rates und der Kommission regelmäßig über die Entwicklung der GASP unterrichtet. Das Parlament kann Anfragen und Empfehlungen außenpolitischen Bezugs an den Rat richten. Darüber hinaus hält es einmal jährlich eine Aussprache über die Fortschritte bei der Durchführung derGASP. Neben diesen einflußarmen Beteiligungs- und Mitwirkungsrechten des Art. 21 EUV besitzt das Parlament durch seine sehr weitgehenden Befugnisse im gemeinschaftlichen Haushaltsverfahren jedoch indirekte Einwirkungsmöglichkeiten auf die GASP. 49 Da die Kosten der GASP nach Art. 28 Abs. 2, 3 EUV in der Regel aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden, kann das Parlament im Bewilligungsverfahren mittelbar Einfluß auf die Gestaltung der GASP nehmen. Inwieweit es dadurch zu einem systemwidrigen Eingriff des "supranationalen" Organs Parlament in die intergouvernementale GASP kommt, wird im Verlauf der Arbeit untersucht.
V. Der Europäische Gerichtshof Der Europäische Gerichtshof ist das Gemeinschaftsorgan, dem im Rahmen der GASP die geringste Bedeutung zukommt. Hat er in der Gemeinschaft gemäß Art. 220 EGV die Wahrung des Rechts zur Aufgabe und verfügt er hier über Jurisdiktionshoheit50, so gibt ihm der EU-Vertrag keine Kompetenzen innerhalb der GASP. Art. 46 EUV, der die Bestimmungen des EU-Vertrages nennt, die der Zuständigkeit des Gerichtshofes unterworfen sind, läßt die Regelungen der GASP unerwähnt. Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Justitiabilität der GASP-Bestimmungen näher behandelt, kann er allerdings kraft seiner Zuständigkeiten im Gemeinschaftsrecht von der Seite der Gemeinschaft die Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsrecht und Maßnahmen der GASP vornehmen. 3. Kapitel
Handlungsformen der GASP Die GASP gebraucht zwar zur Verfolgung ihrer Ziele die Organe der Gemeinschaft, sie kann sich dabei jedoch nicht des gemeinschaftlichen Instrumentariums bedienen, weil Art. 28 EUV die Anwendung des Art. 249 EGV auf die GASP-Bestimmungen nicht vorsieht. Die Rechtsakte der Gemeinschaft, wie Verordnungen 49 G/TIE-Burghard-Tebbe zu Art. 1.7 Rn. 7; Jarzembowski, in FS Gündisch, S. 113 (135); Grabitz /Hilf-Meyer-Landrut zu Art. J.7 Rn. 6; Semrau, S. 140 f.; Münch, S. 64. so Dörr; D., in Dörr; D. I Dreher (Hrsg.), S. 73 (76).
3. Kap.: Handlungsformen
65
und Entscheidungen mit ihrer direkten innerstaatlichen Bindungswirkung passen nicht zu der Zwischenstaatlichkeit der GASP. Die GASP besitzt eigene, ihrer Natur entsprechende Handlungsformen, die der Art. 12 EUV nennt.
I. Die Bestimmung allgemeiner Leitlinien Am Anfang stehen "die Grundsätze und allgemeinen Leitlinien", die der Europäische Rat gemäß Art. 13 Abs. l EUV in Ausübung seiner politischen Führungsrolle bestimmt. Die "Grundsätze" bilden dabei keine eigenständige Kategorie, sondern gehen in den allgemeinen Leitlinien auf. 1 Der Europäische Rat formuliert in allgemeinen Leitlinien die prinzipielle Ausrichtung der GASP, ohne detaillierte Festlegungen zu treffen. Sie sind daher meist längerfristig angelegt und bleiben solange gültig, bis der Europäische Rat in einer weiteren Leitlinie eine Neuorientierung vornimmt. Die allgemeinen Leitlinien bilden den Rahmen für sämtliche Tätigkeiten der GASP. 2 Sie erfordern keine besondere Form; der Europäische Rat ist nicht einmal verpflichtet, die allgemeinen Leitlinien als solche zu bezeichnen, 3 es reicht aus, wenn sich aus ihrer Formulierung zweifelsfrei ergibt, daß sie als Handlungsvorgaben für die Aktivitäten der GASP dienen sollen. Meistens sind sie Teil der am Ende jeder Tagung des Europäischen Rates veröffentlichten Schlußfolgerungen des Vorsitzes. Adressat der allgemeinen Leitlinien ist der Rat. Er trifft auf der Grundlage der allgemeinen Leitlinien "die für die Festlegung und Durchführung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik notwendigen Entscheidungen" (Art. 13 Abs. 3 EUV). Der Rat ist hinsichtlich der Ziel- und Prioritätensetzung an die allgemeine Leitlinie gebunden,4 er hat aber einen eigenen Ermessensspielraum im Hinblick auf ihre Ausgestaltung und die Wahl der Mittel ihrer Umsetzung. 5 Die allgemeinen Leitlinien richten sich ausschließlich an den Rat, die anderen in der GASP tätigen Organe werden durch sie nicht gebunden. So kann das Europäische Parlament Entschließungen erlassen, die den allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates widersprechen.6
I
Pechstein!Koenig, Rn. 223; GIT/E-Burghardt-Tebbe zu Art. J.8 Rn. 2; Münch, EuR
1996, 415 (416).
Thun-Hohenstein, S. 63. G/TIE-Burghardt-Tebbe zu Art. J.3 Rn. 8. 4 Grabitz/Hilf-Hilf/Pache zu Art. D Rn. 33; Münch, S. 111; Pechstein!Koenig, Rn. 223; Semrau, S. 76; a.A. Everling, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 41 (44). 5 Pechstein! Koenig, Rn. 223. 6 Münch, S. 64. 2
3
5 Burkard
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
II. Der Beschluß gemeinsamer Strategien
Wahrend der Europäische Rat dem Rat durch die Bestimmung allgemeiner Leitlinien lediglich einen groben Handlungsrahmen setzt, ist er durch den Beschluß gemeinsamer Strategien in der Lage, ihm erheblich präzisere Vorgaben aufzuerlegen. Gemäß Art. 13 Abs. 2 UAbs. 2 EUV sind in den gemeinsamen Strategien jeweils "Zielsetzung, Dauer und die von der Union und den Mitgliedstaaten bereitzustellenden Mittel anzugeben". Der Rat führt die gemeinsame Strategie durch, indem er auf ihrer Grundlage gemeinsame Aktionen und gemeinsame Standpunkte annimmt (Art. 13 Abs. 3 UAbs. 2 EUV). Wenn er so in dem engen, vom Europäischen Rat bestimmten Spielraum agiert, kann der Rat seine Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit fassen (Art. 23 Abs. 2 EUV). Handelt er ohne die Grundlage einer gemeinsamen Strategie, gilt weiterhin das Einstimmigkeitsprinzip (Art. 23 Abs. 1 EUV). 7 Der Rat empfiehlt gemäß Art. 13 Abs. 3 UAbs. 2 EUV dem Europäischen Rat gemeinsame Strategien. Hierbei handelt es sich lediglich um ein Initiativrecht, kein InitiativmonopoL Der Europäische Rat kann also auch ohne eine entsprechende Empfehlung des Rates gemeinsame Strategien beschließen. 8 Der Rat ist zur Umsetzung verpflichtet unabhängig davon, ob die gemeinsame Strategie aufgrund seiner Empfehlung verabschiedet wurde. 9 Zweck des Instrumentes der gemeinsamen Strategie ist es, auf höchster politischer Ebene ein Einvernehmen in umstrittenen Fragen der GASP zu erreichen, das es dann erlaubt, bei der Umsetzung durch den Rat einzelne Mitgliedstaaten zu überstimmen 10 und auf diese Weise die Handlungsfähigkeit des Rates, als dem Exekutivorgan 11 der GASP, zu erhöhen. 111. Die Annahme gemeinsamer Aktionen
Die allgemeinen Leitlinien und die gemeinsamen Strategien sind Handlungsformen des Europäischen Rates, die sich ausschließlich an den Rat richten. 12 Erst nach der Umsetzung der in ihnen zum Ausdruck gebrachten politischen Vorgaben durch den Rat in der Form gemeinsamer Aktionen oder gemeinsamer Standpunkte werden auch die Mitgliedstaaten in die Pflicht genommen. Piepenschneider, S. 26; Thun-Hohenstein, S. 65. G/T/E-Meyer-Landrut zu Art. J.8 Rn. 5. 9 Thun-Hohenstein, S. 63. 10 Thun-Hohenstein, S. 63; G /TI E- Meyer-Landrut zu Art. J.8 Rn. 5. II Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S 239 (248). 12 A.A. Thun-Hohenstein, S. 64, der unter bestimmten Voraussetzungen einen ,.eigenständigen Verpjlichtungscharakter" gemeinsamer Strategien den Mitgliedstaaten gegenüber annimmt. Der EU-Vertrag bietet für diese Meinung jedoch keine Anhaltspunkte. 7
8
3. Kap.: Handlungsformen
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Die Annahme gemeinsamer Aktionen ist die intensivste Form mitgliedstaatlieber Kooperation im Rahmen der GASP. Nach Art. 14 EUV betrifft sie "Situationen, in denen eine operative Aktion der Union für notwendig erachtet wird". Die Mitgliedstaaten gehen hier über eine rein konzeptionelle Koordinierung ihrer Positionen hinaus und verabreden konkrete Maßnahmen. Art. 14 Abs. I EUV verlangt daher, bei der Annahme gemeinsamer Aktionen, Ziele, Umfang, die der Union zu Verfügung zu stellenden Mittel sowie die Bedingungen und erforderlichenfalls den Zeitraum für ihre Durchführung zu bestimmen. Voraussetzung für die Annahme gemeinsamer Aktionen ist die Fest1egung entsprechender allgemeiner Leitlinien oder der Beschluß einschlägiger gemeinsamer Strategien durch den Europäischen Rat. Ohne einen solchen Handlungsrahmen oder außerhalb dessen kann der Rat das Instrument der gemeinsamen Aktionen nicht einsetzen. Die gemeinsamen Aktionen sind gemäß Art. 14 Abs. 3 EUV "für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend". Dabei handelt es sich nicht um eine lediglich politische Bindung; die Mitgliedstaaten unterliegen einer völkerrechtlichen Verpflichtung, sich an die Vorgaben der gemeinsamen Aktion zu halten. 13 Dies bedeutet nicht nur, alles zu unterlassen, was der gemeinsamen Aktion widerspricht, sondern auch aktiv an ihrer Durchführung mitzuwirken.14 Nicht gebunden durch die gemeinsame Aktion sind die Gemeinschaft und ihre Organe. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 14 EUV und steht im Einklang mit Art. 47 EUV, nach dem der EU-Vertrag den EG-Vertrag vorbehaltlich ausdriicklicher Änderungsbestimmungen unberiihrt läßt. 15 Die Bindung der Mitgliedstaaten an die gemeinsame Aktion wird aufgeweicht durch die Regelung des Art. 14 Abs. 7 EUV, die den Mitgliedstaaten unter engen Voraussetzungen einen Sonderweg zugesteht. Hierbei handelt es sich nicht um eine einseitige Ausstiegsklausel, ein sogenanntes "opting-out". 16 Den Mitgliedstaaten wird vielmehr die Möglichkeit eingeräumt, mit dem Rat in ein Verfahren einzutreten, in dem nach einer angemessenen Lösung für den Fall gesucht wird, daß sie größere politische, wirtschaftliche, finanzielle oder andersartige Schwierigkeiten bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion haben. Wie eine solche angemes13 Thun-Hohenstein, S. 64; Koenig I Pechstein, Rn. 270; Calliess I Ruffert-Cremer zu Art. 14EUV Rn. 8. 14 Semrau, S. 80; G/TIE-Kaufmann-Bühler zu Art. 1.3 Rn 13. 15 Münch, S. 133; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (79); Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 239 (249); Busse, S. 197. 16 G/TI E-Burghardt/Tebbe zu Art. 1.3 Rn. 19; Grabitz/ Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. 1.3 Rn. 19; Pechstein/Koenig, Rn. 272. A.A. Lange, 1Z 1996, S. 442 (444); Stein, EuR -Beiheft 2-, S. 69 (75). Münch, S. 145; Semrau, S. 81; Hafner, in Hummer/Schweifzer (Hrsg.), S. 123 (139) verwenden zwar den Begriff "opting-out", verstehen ihn jedoch nicht im Sinne eines einseitigen Ausstiegsrechtes.
5*
2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
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sene Lösung im einzelnen auszusehen hat, beschreibt der EU-Vertrag nicht. Er stellt lediglich fest, sie dürfe "nicht im Widerspruch zu den Zielen der gemeinsamen Aktion stehen oder ihrer Wirksamkeit schaden". Demnach kann ein betroffener Staat allenfalls einvernehmlich von seiner aktiven Mitwirkungspflicht freigestellt werden; er ist aber weiterhin insoweit gebunden, als er nichts unternehmen darf, was der gemeinsamen Aktion zuwiderläuft.
IV. Die Annahme gemeinsamer Standpunkte Anders als die gemeinsamen Aktionen mit ihrer operativen Zielsetzung besitzen gemeinsame Standpunkte rein konzeptionellen Charakter. Mit den durch den Rat anzunehmenden gemeinsamen Standpunkten wird gemäß Art. 15 EUV "das Konzept der Union für eine bestimmte Frage geographischer und thematischer Art" festgelegt. Die Mitgliedstaaten geben sich eine "Leitschnur" 17 für ihr außenpolitisches Handeln, die sicherstellen soll, daß sie in wichtigen Fragen übereinstimmend auftreten. 18 Voraussetzung für die Annahme eines gemeinsamen Standpunktes ist wie für die Annahme einer gemeinsamen Aktion eine allgemeine Leitlinie oder eine gemeinsame Strategie des Europäischen Rates. Ohne eine entsprechende Vorgabe des Europäischen Rates kann der Rat keine außenpolitischen Festlegungen in Form eines gemeinsamen Standpunktes treffen. 19 Inwieweit gemeinsame Standpunkte für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, ist umstritten. Wahrend der EU-Vertrag die Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion ausdrücklich anordnet, fehlt hinsichtlich gemeinsamer Standpunkte ein entsprechender Passus. Den Mitgliedstaaten ist gemäß Art. 15 EUV lediglich aufgegeben, Sorge zu tragen, "daß ihre einzelstaatliche Politik mit den gemeinsamen Standpunkten im Einklang steht". Aus dieser sprachlichen Differenzierung des EU-Vertrages wird geschlossen, die Annahme eines gemeinsamen Standpunktes verpflichte die Mitgliedstaaten nicht rechtlich, allenfalls politisch. 20 Dagegen steht jedoch die Formulierung des Art. 19 Abs. 1 EUV, der die Wirkung gemeinsamer Standpunkte für die Mitgliedstaaten weiter konkretisiert. Demnach haben die Mitgliedstaaten in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen für die gemeinsamen Standpunkte Grabitz!Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. J.2 Rn. 7. Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (106); Busse, S. 179; G/T/E-Burghardt!Tebbe zu Art. J.2 Rn. 5. 19 Thun-Hohenstein, S. 63; a.A. Hafner, in Hummer/Schweitzer (Hrsg.), S. 123 (139) nach dem gemeinsame Standpunkt, im Unterschied zu gemeinsamen Aktionen, keine allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates voraussetzen. 2o GIT/E-Burghardt/Tebbe Vorbemerkung zu den Art. J bis J.ll Rn. 25; Garron, S. 117; Stein, FS Bemhardt, S. 1129 (1136); Streinz. Rn. 423b; a.A. Calliess/Ruffe rt-Cremer zu Art. 15 EUV Rn. 2. 17
18
3. Kap.: Handlungsformen
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einzutreten. Daraus folgt, daß ein gemeinsamer Standpunkt mehr ist als ein politischer Appell, daß seine Annahme eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten bedeutet, die Festlegungen des gemeinsamen Standpunktes bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene zu beachten. Doch auch ohne die Präzisierung des Art. 19 EUV wäre von einer völkerrechtlichen Bindung der Mitgliedstaaten an gemeinsame Standpunkte auszugehen. Wegen des völkerrechtlichen Charakters der GASP-Bestimmungen unterliegen die Mitgliedstaaten hier dem im Volkerrecht als Estoppel-Prinzip21 verankerten Verbot eines venire contra factum proprium und sind somit völkerrechtlich verpflichtet, alles zu vermeiden, was Ziel und Zweck des Annahmebeschlusses eines gemeinsamen Standpunktes im Rat widerspricht. 22 Der Rat selbst geht offensichtlich ebenfalls von der Verbindlichkeit der gemeinsamen Standpunkte aus. Darauf deutet die Praxis des Rates hin, die Beschlüsse, durch die gemeinsame Standpunkte angenommen wurden, im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, Teil L, zu veröffentlichen. 23 Die Bindungswirkung der gemeinsamen Standpunkte bezieht sich jedoch nur auf die Mitgliedstaaten; die Gemeinschaft und ihre Organe werden nicht gebunden?4 Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 15 EUV, der die Gemeinschaft nicht nennt und entspricht der Regelung des Art. 47 EUV. Den Status unter den Handlungsformen der GASP und den Charakter gemeinsamer Standpunkte beschreibt zutreffend die in der Literatur verschiedentlich verwendete Formulierung, nach der die Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes im Rat die ,.Intensivierung" der Unterrichtung und Abstimmungsverpflichtung des Art. 16 EUV darstellt. 25
V. Gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung Die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung ist die einfachste Form außenpolitischer Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP. 26 Zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage "von allgemeiner Bedeutung" haben sich die Mitgliedstaaten im Rat zu unterrichten und abzustimmen. Dadurch soll gemäß 21 Zum Estoppel-Prinzip s. Verdross/Simma, § 615; Parry/Grant, S. 113; Müller!Cottier, EPIL 7 (1984), S. 78 ff.; Vallee, RGDIP 77 (1973); S. 949 ff. 22 Pechstein/Koenig, Rn 234; Hummer/Schweitzer, Rn. 973; Siems, S. 155 f.; Bleckmann/Pieper, in Bleckmann, Rn. 73. 23 Grabitz/Hilf-Kaufmann-Bühler zu Art. J.2 EUV Rn. 7; Pechstein/Koenig, Rn. 233; Busse, S. 183. 24 Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S . 249; Busse, S. 199 ff.; Streinz, Rn. 423b; Calliess I Ruffert-Cremer zu Art. 15 EUV Rn. 3. 25 Semrau, S. 64. 26 Pechstein/Koenig, Rn. 277.
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2. Teil: Struktur und Funktionsweise der GASP
Art. 16 EUV gewährleistet werden, "daß der Einfluß der Union durch konzertiertes und konvergierendes Handeln möglichst wirksam zum Tragen kommt". Unter welchen Voraussetzungen eine Frage "von allgemeiner Bedeutung" im Sinne des Art. 16 EUV ist, bestimmt der EU-Vertrag nicht näher. Zum Teil wird daher unter Hinweis auf die Praxis der EPZ die Meinung vertreten, von der Konsultationspflicht ausgenommen seien Fragen, die bilaterale Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten betreffen?7 Andere sind der Auffassung, eine außenpolitische Angelegenheit sei dann "von allgemeiner Bedeutung", wenn sie eine Mehrheit der Mitgliedstaaten interessiere, wobei die Beurteilung, ob ein Interesse gegeben ist, jedem Staat selbst obliegen müsse.28 Nach einer weiteren Ansicht genüge schon, wenn sie im Interesse mehr als nur eines Mitgliedstaates liege. 29 Vor dem Hintergrund des Art. l1 Abs. 1 EUV, nach dem sich die GASP " auf alle Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik erstreckt", wird man die Formulierung" von allgemeiner Bedeutung" des Art. 16 EUV so zu verstehen haben, daß es nicht zu einer Einschränkung des Anwendungsbereiches der GASP kommt. In der Praxis stellt sich diese Problematik nicht. Sobald eine außenpolitische Frage im Rahmen der GASP behandelt wird, besitzt sie "allgemeine Bedeutung". 30 Jeder Mitgliedstaat, der von seinem Initiativrecht des Art. 22 Abs. 1 EUV Gebrauch macht und den Rat mit einer außenpolitischen Angelegenheit befaßt, hebt sie in den Rang "allgemeiner Bedeutung" und löst damit die Unterrichtungs- und Abstimmungspflicht des Art. 16 EUVaus. Die gegenseitige Unterrichtung erfordert einen umfassenden Austausch von Informationen und Bewertungen, der es den Mitgliedstaaten ermöglichen soll, ihre Positionen abzustimmenY Die Abstimmung der Positionen verlangt von den einzelnen Mitgliedstaaten nicht, ihren Standpunkt aufzugeben. Dem Abstimmungsgebot ist bereits genüge getan, wenn die anderen Auffassungen bei der eigenen Willensbildung berücksichtigt wurden. 32 Die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung ist eine Rechtspflicht der Mitgliedstaaten;33 sie beinhaltet jedoch nicht die Verpflichtung, im Wege der Abstimmung auch zu einer gemeinsamen Position zu kommen.
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31 32 33
Semrau, S. 59 ff. Pechstein I Koenig, Rn. 277. Münch, S. 72. G/T/E-Burghardt/Tebbe zu Art. J.2 Rn. 2. G/T/E-Burghardt/Tebbe zu Art. 1.2 Rn. 3. Semrau, S. 61 f. Semrau, S. 62; Pechstein/ Koenig, Rn. 277.
Dritter Teil
Die Berührungspunkte der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik mit der Europäischen Gemeinschaft 1. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich außenpolitisch motivierter Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten I. Vorbemerkung
Seit dem Rhodesienkonflikt der späten sechziger Jahre beschäftigt die Gemeinschaft die Frage der Kompetenz für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen. 1 Nachdem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gedrängt von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien auf die einseitig proklamierte Unabhängigkeit Rhodesiens mit einem umfassenden Embargo reagiert hatte/ sah sich die Gemeinschaft in der Situation, erstmals über den Erlaß eigener Sanktionen nachdenken zu müssen. Damals waren Rat und Kommission der Auffassung, Wirtschaftssanktionen seien als rein politisches Druckmittel Sache der Mitgliedstaaten. Die Gemeinschaft besäße keine Zuständigkeit. 3 Im Zusammenhang mit dem Embargo gegen den Iran nach der Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran Ende 1979, als man ein geschlossenes Auftreten der Mitgliedstaaten für geboten hielt, bemühte sich die Kommission, die Gemeinschaft zur Verhängung von Sanktionen zu bewegen. Als Rechtsgrundlage wurde Art. 113 EWGV vorgeschlagen, mit der Begründung, die Wirtschaftssanktion sei ein handelspolitisches Instrument und falle daher in die ausschließliche ZuI Kuijper, CML Rev. 12 (1975) S. 231 (233 f.); einen Überblick über die Sanktionspraxis vor Inkraftreten des Vertrages von Maastricht bieten: Stein, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, S. 21 ff.; Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (784 f.) ; Meng, ZaöRV 42 (1982), s. 780 (783 ff.). 2 Resolution des UN-Sicherheitsrates 232 (1966) vom 16. 12. 1966, abgedruckt in I.L.M. 6 (1967), S. 141 ff.; Resolution des UN-Sicherheitsrates 253 (1968) vom 29. 5. 1968, abgedruckt in I.L.M. 7 ( 1968), S. 897 ff. 3 Schriftliche Anfrage Nr. 526/75 von Herrn Patijn an den Rat betreffend die Durchführung von Sanktionen gegen Rhodesien durch die EWG, ABI. EG Nr. C 89/6 v. 16. 4. 1976; Schriftliche Anfrage Nr. 526/75 von Herrn Patijn an die Kommission betreffend die Durchführung von Sanktionen gegen Rhodesien durch die EWG, ABI. EG Nr. C 89/9 v. 16. 4. 1976; Kuijper, CML Rev. 12 (1975), S. 231 (237 ff.).
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
ständigkeit der Gemeinschaft. 4 Dieser Standpunkt setzte sich jedoch damals nicht durch. Die Mitgliedstaaten konnten sich lediglich darauf einigen, im Rahmen der EPZ koordinierte nationale Sanktionen zu erlassen5 . Nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Jahre 1981 und als Reaktion auf die sowjetische Verwicklung beschloß die Gemeinschaft, sich dem bereits seit dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 bestehenden amerikanischen Embargo gegen die UdSSR anzuschließen und erstmals eigene Wirtschaftssanktionen zu verhängen. Sie stützte ihre Verordnung zur Reduzierung des Warenverkehrs mit der UdSSR auf Art. 113 EWGV.6 Art. 113 EWGV setzte sich in der Folgezeit als Rechtsgrundlage zwar durch, dennoch verstummte die Diskussion um die Kompetenz zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen nie. 7 Der Grund, warum sich Mitgliedstaaten und Gemeinschaft in dieser Frage schwer taten, liegt in der besonderen Natur der Wirtschaftssanktionen und erschließt sich, wenn man den Sanktionenbegriff inhaltlich näher betrachtet.
II. Wirtschaftssanktionen als Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft Bei Wirtschaftssanktionen handelt es sich um einseitige staatliche Maßnahmen, durch die die wirtschaftlichen Beziehungen zu Drittstaaten beeinträchtigt werden sollen, mit dem Ziel politischen Druck auszuüben. 8 Dies umfaßt neben einer Reihe von Einzelmaßnahmen, wie beispielsweise der Kündigung von Handelsverträgen und der Veränderung von Kontingenten im wesentlichen das, was das Volkerrecht seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Begriff des Handelsembargos beschreibt.9
4 Antwort der Staatsministerin Frau Dr. Hamrn-Brücher vom 11. Mai 1982 auf die schriftliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Czaja, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache 9/1657, S. 1 f.; Kampf. RIW 35 (1989), S. 792 (793); Meng, ZaöRV 42 (1982), s. 780 (783). s Bull. EG 5-1980, Ziff. 1.5.2.-1.5.5; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (783). 6 VO (EWG) 596/82 des Rates vom 15. 3. 1982 zur Änderung der Einführung für bestimmte Waren mit Ursprung in der UdSSR, ABI. EG Nr. L 72/15 v. 16. 3. 1982; Friedrich, RIW 28 (1982), S. 333 f. 7 Kampf. R1W 35 (1989), S. 792 (793 f.); Fink-Hooijer, CFSP-Forum 4/94, S. 4; zur Frage der Rechtsgrundlage gemeinschaftlicher Wirtschaftssanktionen vor dem Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht: s. Zeleny, ZÖR 52 (1997) S. 198 (201); Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (784 ff.); Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (792). s Amold, in Dauses (Hrsg.), K. I, Rz. 106 f.; ausfuhrlieh zum Begriff der Wirtschaftssanktionen s. Kißler, S. 32 ff.; zur Geschichte der Wirtschaftssanktionen s. Carter, S. 8 ff. 9 Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (789).
1. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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Ein Handelsembargo ist die Maßnahme eines Staates 10 auf dem Gebiet des Außenwirtschaftsverkehrs, durch die der Handel mit einem anderen Staat ganz oder teilweise verboten wird. 11 Gegenstand eines Embargos können die Ein- oder Ausfuhr von Gütern, der Zahlungsverkehr und das Erbringen von Dienstleistungen sein. Das Embargo ist ein Mittel der Außenpolitik und besitzt keine primär wirtschaftliche Zielsetzung. Als staatliche Zwangsmaßnahme bezweckt es, Druck auf einen anderen Staat auszuüben, um ihn so zu einem bestimmten gewünschten Verhalten zu veranlassen.'2 Hierin unterscheiden sich Wirtschaftssanktionen von Kampfmitteln der Wirtschafts- oder Außenhandelspolitik wie beispielsweise den handelspolitischen Schutzmaßnahmen 13, die zwar auch eine Beschränkung der Ein- oder Ausfuhr bewirken, allerdings aus überwiegend wirtschaftlichen Beweggründen, etwa um schädigende Auswirkungen fremder Wirtschaften von der eigenen abzuwehren. 14 Wirtschaftssanktionen kommt also gleichsam eine Zwitternatur zu. Wahrend die Motivation der Verhängung von Wirtschaftssanktionen zur Außenpolitik gehört, ist das Instrumentarium dem wirtschaftlichen Bereich der Handelspolitik zuzurechnen. 15 Diese besondere Stellung der Wirtschaftssanktionen an der Schnittstelle von Handels- und Außenpolitik erklärt auch die Schwierigkeit der Gemeinschaft bei der Suche nach einer geeigneten Rechtsgrundlage für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen.16 Der EG-Vertrag räumt in seinem Art. 133 der Gemeinschaft die Kompetenz für die Gestaltung der gemeinsamen Handelspolitik ein. Art. 133 EGV gibt der Gemeinschaft eine ausschließliche Kompetenz. 17 Den Mitgliedstaaten ist somit jede Zuständigkeit in diesem Bereich entzogen. Die Außenpolitik dagegen obliegt als wesentliches Element staatlicher Souveränität weiterhin den Mitgliedstaaten. Im Rahmen der früheren EPZ und heutigen GASP haben sich die Staaten lediglich zu einer außenpolitischen Zusammenarbeit verpflichtet, die jedoch noch keine Übertragung von Kompetenzen auf die Gemeinschaft bedeutet. 18 Wirtschaftssanktionen 10 Zum Embargo durch Internationale Organisationen: s. Klein, ArchVR 1992, S. 101 ff.; Lindemeyer RIW 1981, S. 10 (13 ff.). II Grabitz/ Hilf· Vedder zu Art. 113 Rn. 51; Amold, in Dauses (Hrsg.), K. I, Rz. 106 f. 12 Lindemeyer; S. 183; Meng, ZaöRV 57 (1997), S. 269 (273). 13 Grabitzl Hilf· Vedder zu Art. 113 Rn. 50; Nicolaysen, FS Schlochauer; S. 855 (862 f.). 14 Lindemeyer, S. 191 ff. 15 Klein, ArchVR 1992, S. 101 (110); Schmitter; in Constantinesco/Kovar/Simon (Hrsg.), s. 758 ff. 16 Nicolaysen, FS Schlochauer; S. 855 (872 f.). 17 Gutachten 1175 des EuGH vom ll. 11. 1975 (Lokale Kosten), Slg. 1975, S. 1355 (1363 f.); Urteil des EuGH in der RS. C-124/95 vom 14. I. 1997, The Queen ex parte: Centro-Com Srl./HM Treasury und Bank of Eng1and, Slg. 1997, S. I-ll4, Rn. 23; Grabitz /HilfVedder zu Art. ll3 Rn. 3; Lenz/ Müller-/hold zu Art. 133 Rn. I; Pieper; in Blecklrwnn Rn. 1427; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (790 f.); a.A.: von Bogdandy/Nettesheim, EuZW 1993, S. 465 (466 f.); Oppermann, Rn. 1710.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
liegen demnach nicht nur an der Schnittstelle von Handels- und Außenpolitik, sondern zugleich aufgrund der besonderen Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten an der Schnittstelle gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Kompetenzen. Um der Gemengelage nationaler und gemeinschaftlicher Kompetenzen gerecht zu werden, haben sich Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bei der Verhängung von Sanktionen seit 1982 auf ein zweistufiges Verfahren verständigt 19 : Zunächst einigten sich die Mitgliedstaaten auf der politischen Ebene und beschlossen im Rahmen der EPZ die Maßnahme im Grundsatz; die Gemeinschaft setzte diesen Beschluß dann gestützt auf ihre handelspolitische Kompetenz aus Art. 113 EWGV mittels einer Verordnung gemäß Art. 189 EWGV in Kraft. Auf diese Weise konnten sowohl die außenpolitischen Interessen der Mitgliedstaaten als auch die handelspolitischen Belange der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Dieses pragmatische, jedoch rechtlich unverbindliche Verfahren20 hat der Vertrag von Maastricht durch die Einfügung der Art. 228 a und Art. 73 g in den EG-Vertrag kodifiziert. Nach Art. 301 EGV (Art. 228 a EGVa) obliegt es dem Rat auf der Grundlage gemeinsamer Standpunkte oder Aktionen der GASP, mit qualifizierter Mehrheit "Wirtschaftsbeziehungen zu ... dritten Ländern auszusetzen, einzuschränken oder vollständig einzustellen". Art. 60 EGV (Art 73 g EGVa) verweist für Maßnahmen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs auf das Verfahren des Art. 301 EGV. Die Regelung des Art. 301 EGV ist einer der vertraglich geregelten Berührungspunkte von GASP und Gemeinschaft. Das hier festgelegte Zusammenspiel von Mitgliedstaaten und Gemeinschaft bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen hat notwendigerweise Wechselwirkungen zwischen der GASP und der Gemeinschaft zur Folge. Es ist daher nun zu prüfen, zu welchen Konsequenzen für das Verhältnis von GASP und Gemeinschaft die Regelung des Art. 301 EGV führt. Dabei soll geklärt werden, wie sich das Zusammenwirken von intergouvernementalen und gemeinschaftlichen Entscheidungsmechanismen auf GASP und Gemeinschaft auswirken. Dies erfordert zunächst eine Untersuchung des Anwendungsbereichs und des Verfahrens von Art. 301 EGV.
18 Streinz, EuZW 1998, S. 137 (140); Lecheler, JuS 1998, S. 392 (395); Langrish, E.L.Rev 23 (1998), S. 3 (14); Münch, ZÖR 1997, S. 389 (392 ff.); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69. 19 Amold, in Dauses (Hrsg.), K. I, Rz. 118; Kampf, RIW 35 (1989), S. 792 (795 f .). 20 Stein, FS Bemhardt, S. 1129 (1132 f.); Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (785).
I. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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111. Der Anwendungsbereich des Art. 301 EGV
1. .. Wirtschaftsbeziehungen" Art. 301 EGV soll seinem Wortlaut zufolge für alle Eingriffe der Gemeinschaft in die "Wirtschaftsbeziehungen" zu anderen Staaten gelten. Bei der Ausarbeitung des Vertrages von Maastricht hat man bewußt diesen inhaltlich weitgefaßten Begriff gewählt, um dem Art. 301 EGV einen möglichst breiten Anwendungsbereich zu sichern. Man wollte eine Rechtsgrundlage für alle Arten und Bereiche von Wirtschaftssanktionen schaffen und damit den jahrelangen Streit über den Umfang der Gemeinschaftskompetenz in dieser Frage beenden. 21 Die umfassende Formulierung des Art. 301 EGV geht über Maßnahmen auf dem Gebiet des Warenverkehrs hinaus. Auch die Lirnitierung oder vollständige Unterbindung des Dienstleistungsverkehrs22 und des Kapital- und Zahlungsverkehrs23 stellen Eingriffe in die Wirtschaftsbeziehungen dar.
2. "Zu einem oder mehreren dritten Ländern"
Art. 301 EGV regelt nur Eingriffe in Wirtschaftsbeziehungen der Gemeinschaft zu dritten Ländern. Wirtschaftssanktionen gegenüber den Mitgliedstaaten fallen nicht in seinen Anwendungsbereich. 24 Durch die Formulierung " Länder" wird sichergestellt, daß auch solche Gebiete mit Wirtschaftssanktionen belegt werden können, die noch kein Staat im völkerrechtlichen Sinne sind. 25 Dieser Wortlaut schließt jedoch Embargomaßnahmen gegenüber anderen internationalen Organisationen aus. Insofern bedeutete der Art. 301 EGV eine Einschränkung der Möglichkeiten der Gemeinschaft, die sie vor Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages besessen hatte. Art. 133 EGV differenziert nicht zwischen Staaten und internationalen Organisationen. Eine Verkürzung der HandlungsmögGrabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 3. Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (788); Kuijper, in Maresceau (Hrsg.), S. 387 (390); Osteneck, ZEuS 1998, S. 103 ( lll ); Krenzler, in Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, S. Q 37(Q 49); Vaucher, RTD eur. 29 (1993), S. 39 (58). 23 Der Verweisung des Art. 60 Abs. 1 EGV kommt insofern nur klarstellende Bedeutung zu. 24 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 4; zur Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen der Gemeinschaft gegen ihre Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des Vertrages von Maastricht s. Klein, RIW 1985, S. 291 (293 ff.). 2s Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 198 (2ll); s. VO (EG) Nr. 2471194 vom 10. 10. 1994 (ABI. EG Nr. L 266/1 vom 15. 10. 1994) und Beschluß des Rates Nr. 94/672/GASP vom 10. 10. 1994 (ABI. EG Nr. L 266/ 10 vom 15. 10. 1994) über die Einschränkung der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zu den von den bosnisch-serbischen Streitkräften kontrollierten Gebieten der Republik Bosnien-Herzegowina. 21
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
lichkeiten der Gemeinschaft in dieser Frage widerspräche allerdings dem Motiv der Einführung des Art. 301 EGV, der Gemeinschaft eine möglichst breite Basis zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen zu geben. Vor dem Hintergrund der mangelnden Sanktionspraxis der Gemeinschaft gegenüber internationalen Organisationen liegt es nahe, die nicht ausdrückliche Erwähnung internationaler Organisationen im Wortlaut des Art. 301 EGV als Objekt von Wirtschaftssanktionen auf ein Versehen bei der Formulierung der Bestimmung zurückzuführen.26 Es ist daher entgegen dem Wortlaut von einer Anwendbarkeit des Art. 301 EGV auch auf Sanktionen der Gemeinschaft gegenüber internationalen Organisationen auszugehen. Letztlich ist diese Frage jedoch weitgehend akademischer Natur. Sie wird nur praktisch in den äußerst seltenen Fällen, wenn Wirtschaftssanktionen gegen eine internationale Organisation verhängt werden sollen, die eigene Wirtschaftsbeziehungen pflegt. Ein Embargo rein politisch oder kulturell ausgerichteter Organisationen dagegen geht ins Leere. Schließlich läßt sich der Zweck des Embargos, Druck auf eine internationale Organisation auszuüben, ohnehin am wirkungsvollsten durch den Erlaß von Wirtschaftssanktionen gegenüber den Mitgliedstaaten erreichen.
3 . .,Sofortmaßnahmen" Gemäß Art. 301 EGV trifft der Rat die .,erforderlichen Sofortmaßnahmen". Dabei ist umstritten, welche Bedeutung für den Anwendungsbereich der Bestimmung dem Begriff ., Sofortmaßnahmen" beizumessen ist. Es wird die Meinung vertreten, mit dieser Formulierung solle keine zeitliche Begrenzung für den Erlaß einer Maßnahme ausgesprochen werden27 etwa derart, daß Art. 301 EGV nur auf Wirtschaftssanktionen anwendbar sei, die in engem zeitlichem Kontext zu dem gerügten Verhalten stehen, während längerfristige Maßnahmen nicht auf Art. 301 EGV gestützt werden könnten. Unter Hinweis auf die englische und französische Fassung des Textes, deren Formulierungen ., urgent necessary measures" und .,mesures urgentes necessaires" auch im Sinne von "wichtige" oder "ernstliche Maßnahme" verstanden werden könnten, geht diese Ansicht davon aus, .,Sofort-" bedeute vielmehr eine modale Erweiterung des Anwendungsbereichs auf besonders einschneidende Sanktionsmaßnahmen. 28 Die Annahme, Art. 301 EGV beinhalte eine temporäre Begrenzung, verstoße gegen das Kohärenzgebot und das Gebot zur Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes aus Art. 3 Abs. 1 EUV. Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 4. Kuijper, in Maresceau (Hrsg.), S. 387 (390); Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 5; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219); Egger, S. 163 f.; GaFfon, S. 122. 28 Kuijper, in Maresceau (Hrsg.), S. 387 (390); Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn.5. 26
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1. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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Dem widerspricht eine zweite Auffassung?9 Sie wendet Art. 301 EGV nur auf die kurzfristigen Sanktionsmaßnahmen an. Die langfristigen handelspolitischen Beschränkungen sollen, auch wenn Sie rein politisch motiviert sind, nicht in den Anwendungsbereich des Art. 301 EGV fallen. Zur Begründung wird ebenfalls der Wortlaut angeführt, der hier in seinem engeren Sinn verstanden wird. Für die erste Ansicht, den Anwendungsbereich nicht zeitlich einzuschränken, spricht der fließende Übergang von kurzfristigen Embargomaßnahmen und langfristigen Exportbeschränkungen und die insofern problematische Unterscheidung. Waren noch im Zeitalter des kalten Krieges bedingt durch die stabilen Machtblöcke Exportbeschränkungen meistens permanenter Natur, so hat die Auflösung der starren Gegensätze auch hier Veränderungen bewirkt. Eine Unterscheidung ist jedoch nach wie vor möglich. Eine rein zeitliche Sichtweise wird dem jedoch nicht gerecht. Wirtschaftssanktionen sind zunächst politische Zwangsmittel und haben strafenden Charakter, während Exportbeschränkungen in erster Linie die Verbreitung gewisser Güter, beispielsweise Rüstungsgüter oder strategische Waren, verhindem wollen. Als Druckmittel, das ein Staat zu einem bestimmten Handeln veranlassen soll, stellt die Wirtschaftssanktion meist eine Reaktion auf einen konkreten Anlaß, ein bestimmtes Verhalten eines Staates dar und erfordert zu seiner Wirksamkeit in der entsprechenden Krisensituation ein promptes Tatigwerden. Exportbeschränkungen dagegen reagieren in der Regel nicht auf ein bestimmtes Ereignis und verlangen daher kein zeitgebundenes plötzliches Vorgehen. Vor dem Hintergrund dieser Unterscheidung ist die Bedeutung des Wortgliedes "Sofort-" zu bestimmen. Indem Art. 301 EGV zum Erlaß von "Sofortmaßnahmen" ermächtigt, bewirkt dies eine Verkürzung des Anwendungsbereiches des Art. 301 EGV. Er soll nur für Maßnahmen gelten, die aufgrundihres disziplinierenden Charakters ein schnelles Einschreiten verlangen. Dabei meint "Sofort-" nur den Beginn der Maßnahme. Ihre Dauer spielt für den Anwendung der Bestimmung keine Rolle. Der Art. 301 EGV ist somit durch die Formulierung "Sofortmaßnahmen" tatbestandlieh ganz auf Wirtschaftssanktionen zugeschnitten. Handelspolitische Exportbeschränkungen mit ihrer weniger eiligen Natur werden demnach nicht von Art. 301 EGV erlaßt. Dies verstößt nicht, wie von der ersten Auffassung vertreten, gegen das Kohärenzgebot Es ist zwar zutreffend, daß Art. 301 EGV der Wahrung der Kohärenz von Gemeinschaft und Union dienen soll. 30 Daraus läßt sich jedoch noch nicht schließen, daß ein Verfahren außerhalb des Art. 301 EGV, auf das für die Verhängung von handelspolitischen Exportbeschränkungen zu verweisen ist, dem Kohärenzgebot nicht ebenfalls genügt. 29 Govaere/Eeckhout, CML Rev. 29 (1992), S. 941 (963 f .); Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (790); G/TIE-Gilsdorf/Kuijper zu Art. 228 a Rn. 5, 12. 30 Bermbach, S. 47; Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 1.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Auch stellt die Nichtanwendbarkeit des Art. 301 EGV auf handelspolitische Exportbeschränkungen keine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Besitzstandes dar, denn damit ist lediglich eine mögliche Rechtsgrundlage ausgeschlossen, jedoch nicht generell die Kompetenz der Gemeinschaft in dieser Frage beseitigt. Zusammenfassend soll festgehalten werden, daß der ersten Auffassung nicht gefolgt werden kann in der Aussage, der Begriff "Sofortmaßnahmen" des Art. 301 EGV bewirke keine zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereiches. Dem Verständnis einer zeitlichen Begrenzung, wie sie die zweite Ansicht vertritt, in dem Sinne Art. 301 EGV sei nur für kurzfristige Sanktionsmaßnahmen anwendbar, ist ebenfalls nicht zuzustimmen. Eine rein zeitlich orientierte Betrachtungsweise ist hier nicht angemessen. Vielmehr muß der Bedeutungsgehalt des Begriffs " Sofortmaßnahmen" in der Perspektive des Unterschieds von Wirtschaftssanktionen und Exportbeschränkungen bestimmt werden. Demnach wird der Anwendungsbereich des Art. 301 EGV durch die Formulierung "Sofortmaßnahmen" auf Maßnahmen festgelegt, die aufgrund ihres repressiven Charakters ein zügiges Einschreiten verlangen. Art. 301 EGV betrifft damit praktisch ausschließlich Wirtschaftssanktionen.
4. Verhältnis des Art. 301 EGV zu Art. 133 EGV und den Art. 296, 297 EGV Vor diesem Hintergrund ist das Verhältnis zwischen Art. 301 EGV und Art. 133 EGV zu untersuchen. Es wird die Auffassung vertreten, 3 1 Art. 133 EGV sei auch nach Einfügung des Art. 301 EGV weiterhin für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen anwendbar. Art. 133 EGV solle Rechtsgrundlage für Embargomaßnahmen bleiben, wenn auf der Ebene der GASP kein Beschluß über eine gemeinsame Aktion oder einen gemeinsamen Standpunkt getroffen wird und somit Art. 301 EGV nicht zum Zuge kommt. Art. 301 EGV sei insofern keine abschließende Regelung. Zur Begrundung wird angeführt, daß ansonsten "die Gemeinschaft in der Freiheit, ihre Handelspolitik ... in einer offenen und flexiblen Weise zu führen", 32 so stark eingeschränkt werde, daß dies nicht vom Regelungszweck des Art. 301 beabsichtigt sein könnte. Diese Auffassung muß sich jedoch fragen lassen, welchen Sinn die Einführung des Art. 301 EGV haben soll, wenn man die Regelung nicht als eine abschließende versteht. Der Art. 301 EGV schreibt ein Verfahren fest, das die außenpolitischen Belange und Kompetenzen der Mitgliedstaaten mit den wirtschaftlichen der Ge31 Reuter; RIW 1996, S. 719 (720); Thun-Hohenstein, ZfRV 1996, S. 239 (242); Dürr; Economy-Fachmagazin 1993, S. 199 (204); so wohl auch Amold, in Dauses (Hrsg.), K. I, Rz. 196. 32 Dürr; Economy-Fachmagazin 1993, S. 199 (204); ebenso Garron, S. 130 ff., die unter Verweis auf das Gebot der Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes, davon ausgeht, daß die Gemeinschaft vor Inkraftreten des Maastrichter Vertrages aus Art. 113 EGVa (Art. 133 EGV) die alleinige Kompetenz zum Erlaß von Wirtschaftssanktionen besaß.
I. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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meinschaft in Einklang bringen soll. Dieses Ziel wird nicht erreicht, wenn bei Fehlen der Voraussetzungen des Art. 301 EGV, Wirtschaftssanktionen auf der Grundlage des Art. 133 EGV, der die außenpolitischen Interessen der Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt, erlassen werden können. Es ist zwar zutreffend, daß die Gemeinschaft durch das Verfahren des Art. 301 EGV in der Freiheit ihrer Handelspolitik eingeschränkt33 wird, denn sie kann nur Sanktionen erlassen, wenn zuvor ein entsprechender GASP-Beschluß vorliegt; auf der anderen Seite entspricht dies genau dem Besitzstand an Kompetenzen der Gemeinschaft, der allgemein außenpolitische Zuständigkeiten eben nicht umfaßt. Im Hinblick auf Wirtschaftssanktionen ist Art. 301 EGV folglich Iex specialis und abschließende Regelung. 34 Art. 133 EGV findet als Rechtsgrundlage für Embargomaßnahmen neben Art. 301 EGV keine Anwendung. Art. 133 EGV gilt aber weiterhin für Maßnahmen, die nicht von Art. 301 EGV erlaßt werden, wie beispielsweise handelspolitische Exportbeschränkungen oder gemeinschaftliche Ausfuhrkontrollen.35 Komplexer gestaltet sich das Verhältnis von Art. 301 EGV zu Art. 297 EGV. Der Art. 297 EGV gestattet unter engen Tatbestandsvoraussetzungen nationale Alleingänge und verlangt, daß sich die Mitgliedstaaten dann zur Vermeidung der Beeinträchtigung des Gemeinsamen Marktes ins Benehmen setzen. Unproblematisch ist das Verhältnis der Bestimmungen für den Fall, daß im Verfahren des Art. 301 EGV kein Beschluß auf der Ebene der GASP zustande kommt. Da die Gemeinschaft ansonsten keine Kompetenz zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen hat, sind nun die Mitgliedstaaten zuständig. Kommt es dabei zu Beeinträchtigungen des Gemeinsamen Marktes, findet Art. 297 EGV Anwendung. Schwieriger stellt sich die Situation dar, wenn ein GASP-Beschluß über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen vorliegt und einzelne Mitgliedstaaten unter Hinweis auf Art. 297 EGV ausscheren möchten. Hier wird die Ansicht vertreten, beim Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 301 EGV sei jede Anwendung des Art. 297 EGV ausgeschlossen.36 Dies ergebe sich aus dem ausschließlichen Charakter der Iex specialis des Art. 301 EGV. Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß auch neben Art. 133 EGV, der ebenfalls eine ausschließliche Kompetenz be33 Dies ist jedoch nicht Regelungszweck, sondern Folge des Art. 301 EGV; so auch Schweitzer, FS Everling, S. 1379 (1385). 34 Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 19; Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 6; Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (788 f.); Stein, EuR -Beiheft 2 - 1995, S. 69 (80); Schweitzer, FS Everling, S. 1379 (1385). 35 So wurde die Verordnung zur Kontrolle der Ausfuhr von Dual-Use-Gütem (VO (EG) Nr. 3381/94 vom 19. 12. 1994, ABI. EG Nr. L 367/1 vom 31. 12. 1994) konsequenterweise auf Art. 113 EGVa (Art. 133 EGV) und nicht auf Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) gestützt. 36 Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 7; Gilsdorf, in Glaesner/Gilsdoif/Thürer/Hafner (Hrsg.), S. 33 (42 f., 62 f.) läßt eine Maßnahme nach Art. 224 EGVa (Art. 297 EGV) unter Hinweis auf den Grundsatz der Gemeinschaftstreue nur zu, wenn sich die Umstände im Verhältnis zum Zeitpunkt des GASP-Beschlusses nachhaltig geändert haben.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
gründet, nach einhelliger Meinung Art 297 EGV anwendbar ist?7 Ein vollständiger Ausschluß des Art. 297 EGV bei Vorliegen des Art. 301 EGV läßt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der Bestimmungen begründen. Vielmehr erscheint es angemessen, die Option nationaler Sonderwege in den begrenzten Fällen sicherheitsbedrohender Notstandssituationen nach Art. 297 EGV zuzulassen.38 Die durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs gebotene restriktive Auslegung der Vorschrift39 und die Bindung an den vorherigen GASP-Beschluß lassen die Anwendung des Art. 297 EGV neben Art. 301 EGV in der Praxis ohnehin zur seltenen Ausnahme werden. Ähnlich stellt sich das Verhältnis von Art. 301 EGV zu Art. 296 EGV dar. Bei Art. 296 EGV handelt es sich ebenfalls um eine Schutzklausel zur Wahrung der sicherheitspolitischen Interessen der Mitgliedstaaten. Sie ermöglicht ihnen unter strengen tatbestandliehen Bedingungen, Wirtschaftssanktionen im Hinblick auf Waffen, Munition und Kriegsmaterial zu verhängen. Da der Vertrag keine Anhaltspunkte für eine alternative Stellung der beiden Bestimmungen besitzt, erscheint es angezeigt, nationale Wirtschaftssanktionen aus sicherheitspolitischen Gründen nach Art. 296 EGV auch im Fall paralleler Embargomaßnahmen der Gemeinschaft nach dem Verfahren des Art. 301 EGV zuzulassen. 40 Obgleich Art. 301 EGVund Art. 296 EGV somit nebeneinander stehen, ist doch in der Praxis durch die engen Tatbestandsvoraussetzungen und deren restriktive Auslegung41 die Anwendbarkeit des Art. 296 EGV neben Art. 301 EGV nur sehr begrenzt denkbar. Mitgliedstaaten und Rat scheinen davon auszugehen, die Verhängung von Waffenembargos läge außerhalb der Gemeinschaftskompetenz. Sie 37 Grabitzl Hilf-Vedder zu Art. 113 Rn. 60; G IT I E-GilsdorfI Kuijper zu Art. 224 Rn. 5; s. ebenso Schlußanträge des Generalanwalts Francis G. Jacobs vom 6. April 1995 in der Rs. C120/94, Kanunission der Europäischen Gemeinschaften gegen Griechische Republik, Slg. 1995, s. 1-1514, Rn. 44 ff. 38 GITIE-GilsdorfiKuijper zu Art. 224 Rn. 25; GrabitziHilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 1; HailbronneriKlein-Klein zu Art. 224 Rn. 6.; Schmitter, in ConstantinescoiKovariSimon (Hrsg.), S. 761; Geiger zu Art. 224 Rn. 9; Ga!fon, S. 137 ff. Wirbel, S. 130 ff., macht eine Ausnahme im Hinblick auf den dritten Tatbestand des Art. 224 EGVa (Art. 297 EGV). Zu dessen Anwendungsbereich stelle Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) eine abschließende Regelung dar, die einen Rückgriff auf Art. 224 EGVa (Art. 297 EGV) nicht mehr zulasse. Dürr; Economy-Fachmagazin 1993, S. 199 (203), begründet die Anwendbarkeit des Art. 224 EGVa (Art. 297 EGV) beim Vorliegen von GASP-Beschlüssen zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen damit, daß sich die verbindliche Wirkung von gemeinsamem Standpunkt und gemeinsamer Aktion der Art. J.2 EUVa (Art. 15 EUV) und Art. 1.3 Abs. 3 EUVa (Art. 14 EUV) nur auf den Bereich des Unionsvertrages beziehe und sich nicht im EG-Vertrag auswirke. 39 Urteil des EuGH in der Rs. 222/84 vom 15. 5. 1986, Johnston/Chief Constable of the RUC, Slg. 1986, S. 1663 (1684), Rn. 26 f. 40 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 20; a.A. Gilsdorf, in Glaesner I GilsdorfIThüreriHafner (Hrsg.), S. 33 (39 f., 58 f.); Lenz-Röttinger zu Art. 296 Rn. 9. 41 Urteil des EuGH in der Rs. 222/84 vom 15. 5. 1986, Johnston I Chief Constable of the RUC, Slg. 1986, S. 1663, Rn. 26.
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haben nämlich Waffenembargos allein auf der Grundlage des Art. J.2 EUVa (Art. 15 EUV) als gemeinsame Standpunkte verhängt, ohne daß es anschließend zu einer Umsetzung durch die Gemeinschaft nach Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) kam.42 5. Art. 301 EGV als materielle Rechtsgrundlage
Art. 301 EGV ist nicht als bloße Verfahrensvorschrift zu verstehen, sondern stellt eine eigene materielle Rechtsgrundlage im Sinne einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz dar. 43 Dabei ist zu beachten, daß Art. 301 EGV nur die Kompetenz für das Handeln der Gemeinschaft auf der zweiten Stufe des Verfahrens, der Umsetzung des GASPBeschlusses durch eine Verordnung begründet. Die Zuständigkeit für ein Tätigwerden der Mitgliedstaaten auf der ersten Stufe im Rahmen der GASP läßt sich nicht aus Art. 301 EGV ableiten. Sie folgt aus den Bestimmungen über die GASP im Titel V. des EU-Vertrages. Die Komprornißformel des Art. 301 EGV verleiht der Gemeinschaft die Embargokompetenz, beläßt aber zugleich die außenpolitische Grundentscheidung bei den Mitgliedern. Da das Handeln der Gemeinschaft auf der zweiten Stufe immer durch ein vorheriges Tätigwerden im Rahmen der GASP auf der ersten Stufe bedingt ist,44 liegt es ganz in der Hand der Mitgliedstaaten, ob die Gemeinschaft ihre Kompetenz ausüben kann. Trotz der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz des Art. 301 EGV bleiben die Mitgliedstaaten somit letztlich für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen zuständig. Es ist daher bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen immer sowohl auf den Art. 30 l EGV als auch auf die entsprechende Vorschrift des Unionsvertrages zu verweisen. Dies wird durch die Sanktionspraxis seit lnkrafttreten des Maastricht-Vertrages bestätigt. Die Embargoverordnungen geben in ihrer Präambel sowohl Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) und als auch J.2 EUVa (Art. 15 EUV) als Rechtsgrundlage an.45 Das gleiche gilt für die vollständige46 oder teilweise Aufhebung47 eines Embargos. 42 Embargo für Waffen, Munition und militärische Ausriistung gegen Nigeria, Beschluß des Rates Nr. 98/614/GASP vom 30. 10. 1998 (ABI. EG Nr. L 293177 vom 31. 10. 1998); Embargo für Waffen, Munition und militärische Ausriistung gegen Afghanistan, Beschluß des Rates Nr. 961746/GASP vom 17. 12. 1996 (ABI. EG Nr. L 342/1 vom 31. 12. 1996); Embargo für Waffen, Munition und militärische Ausriistung gegen den Sudan, Beschluß des Rates Nr. 941165/GASP vom 15. 3. 1994 (ABI. EG Nr. L 75/1 vom 17. 3. 1994). 43 Grabitz!Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 1; Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (788 f.). 44 Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. I (12); Fink-Hooijer, EJIL 5 (1994), S. 173 (175). 45 s. etwa: Flugverbot zwischen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Europäischen Gemeinschaft für jugoslawische Fluggesellschaften, VO (EG) Nr. 1901/98 vom 7. 9. 1998 (ABI. EG Nr. L 248/1 vom 8. 9. 1998); Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu Haiti,
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IV. Das zweistufige Verfahren des Art. 301 EGV Die Regelung des Art. 301 EGV kodifizierte das bereits auf langjähriger Übung beruhende zweistufige Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen mit dem Ziel, Kohärenz zwischen dem außenpolitischen und dem außenwirtschaftliehen Handeln von Union und Gemeinschaft sicherzustellen.48 Durch die Verknüpfung intergouvernementaler außenpolitischer Zusammenarbeit und supranationaler gemeinschaftlicher Handlungsformen schlägt sie eine "vertraglich einmalige Brükke"49 zwischen GASP und EG-Vertrag und versucht der Gemengelage nationaler und gemeinschaftlicher Kompetenzen in diesem Bereich gerecht zu werden. Auf der ersten Stufe des Verfahrens nach Art. 301 EGV faßt der Rat in seiner Funktion als Gremium der Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten einen Beschluß über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen. Die erste Stufe unterliegt den für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik im EU-Vertrag festgeschriebenen Regeln. Auf der zweiten Stufe erläßt der Rat als Ministerrat dann die Sanktionsmaßnahme auf der Grundlage des für die Gemeinschaft im EG-Vertrag bestimmten Verfahrens.
1. Das Verfahren auf der Ebene der GASP Der auf der ersten Stufe nach Art. 301 EGV erforderliche Beschluß im Rahmen der GASP kann ein gemeinsamer Standpunkt (Art. 15 EUV) oder eine gemeinsame Aktion (Art. 14 EUV) sein. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde zwar das Instrumentarium der GASP um die gemeinsamen Strategien (Art. 13 Abs. 2 EUV) erweitert, man hat jedoch den Art. 301 EGV nicht entsprechend modifiziert, so daß auch nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages der nach Art. 301 EGV erforderliche GASP-Beschluß weiterhin ein gemeinsamer Standpunkt oder eine gemeinsame Aktion sein muß.5° VO (EG) Nr. 1263/94 vom 30. 5. 1994 (ABI. EG Nr. L 139/1 vom 2. 6. 1994); Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu Libyen, VO (EG) Nr. 3274/93 vom 29. 11. 1993 (ABI. EG Nr. L 295/1 vom 30. 11. 1993). 46 s. etwa: Aufhebung der Beschränkungen der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zur Bundesrepublik Jugoslawien, VO (EG) Nr. 2382/96 vom 9. 12. 1996 (ABI. EG Nr. L 328/1 vom 18. 12. 1996); Aufhebung der Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu Haiti, VO (EG) Nr. 2543/94 vom 19. 10. 1994 (ABI. EG Nr. L 271/1 vom 21. 10. 1994). 47 s. etwa: Unterbrechung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zu Irak, VO (EG) Nr. 2465/96 vom 17. 12. 1996 (ABI. EG Nr. L 33711 vom 27. 12. 1996). 48 Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (152); Bermbach, S. 47; Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 1; Fink-Hooijer, EJIL 5 (1994), S. 173 (175); Garron, S. 115. 49 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 7; Fink-Hooijer, EJIL 5 (1994), S. 173 (175). so Zu den Neuerungen für die GASP durch den Vertrag von Amsterdam s. Hilf/Pache, NJW 1998, S. 705 (709 f.); Thun-Hohenstein, S. 62 ff. ; Streinz, EuZW 1998, S. 137 (140 f.); Kugelmann, EUR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (106 ff.); Langrish, E.L.Rev. 23 (1998), S. 3 (12);
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Während der Europäische Rat seine Beschlüsse immer einstimmig faßt, können Entscheidungen des Rates im Rahmen der GASP in bestimmten Fällen mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden. So sieht der EU-Vertrag Mehrheitsentscheidungen für die Annahme von gemeinsamen Standpunkten und gemeinsamen Aktionen vor, die der Rat auf der Grundlage gemeinsamer Strategien des Europäischen Rates fällt (Art. 23 Abs. 2 EUV). Wenn gemeinsame Aktionen oder Standpunkte allerdings nicht auf gemeinsamen Strategien beruhen, entscheidet der Rat einstimmig.51 Das gleiche gilt, sofern Ratsbeschlüsse einen militärischen oder verteidigungspolitischen Bezug aufweisen (Art. 23 Abs. 2 UAbs. 4 EUV). Ein derartiger Bezug ist jedoch bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen per se noch nicht gegeben. Es kann also bei der Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes oder Annahme einer gemeinsamen Aktion als Voraussetzung einer gemeinschaftlichen Embargoverordnung gemäß Art. 301 EGV grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden. Anders als im Rahmen der Gemeinschaft wird der Rat selbst im Regelfall von sich aus tätig, bedarf also nicht eines Vorschlags durch die Kommission. 52 Nach Art. 22 EUV vermag die Kommission jedoch den Rat jederzeit mit Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu befassen.53 Auf diese Weise ist es auch der Kommission möglich, zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 301 EGV initiativ zu werden. Der EU-Vertrag legt formale Kriterien fest, die der Annahmebeschluß einer gemeinsamen Aktion erfüllen muß. Gemäß Art. 14 Abs. I EUV hat der Beschluß einer gemeinsamen Aktion die Ziele und den Umfang der Aktion, die der GASP zur Verfügung zu stellenden Mittel, die Bedingungen und erforderlichenfalls den Zeitraum für ihre Durchführung festzulegen. Der Rat darf sich nicht mit allgemeinen Angaben begnügen, sondern er hat Zweck und Mittel der Aktion detailliert zu bestimmen, da ein gemeinsames außenpolitisches Handeln nur auf der Grundlage präziser Vorgaben realisierbar ist. 54 An den Beschluß gemeinsamer Standpunkte stellt der EU-Vertrag keine formalen Anforderungen. Man wird jedoch sagen können, daß gemeinsame Standpunkte zumindest ausdrücklich als solche zu bezeichnen sind. 55 Dies erscheint notwendig, um gemeinsame Standpunkte mit ihrer in Art. 15 S. 2 EUV bestimmten Bindungsdes Nerviens, RTD eur. 33 (1997), S. 801 (805 ff.); Schö'![elder/Silberberg, IP 11/1997, S. 18 (20 ff.); Axt, ER 411997, S. 3 ff. 51 Piepenschneider; S. 26; Thun-Hohenstein, S. 65. 52 Lange, JZ 1996, S. 442 (443); Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (10 f.). 53 Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (105); Semrau, S. 135; Lange, JZ 1996, S. 442 (443); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (78). 54 G/TI E-Burghardt/Tebbe zu Art. J.3 Rn. 10; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (214); Krenzler/Schneider; EuR 1994, S. 144 (152 f.). 55 A.A. G/T/E-Burghardt/Tebbe zu Art. J.2 Rn. 6; Semrau, S. 66.
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wirkung für die Mitgliedstaaten von anderen nicht bindenden Entscheidungsformen des Rates abzugrenzen. Neben den formalen Voraussetzungen des EU-Vertrages muß ein GASP-Beschluß im Rahmen des zweistufigen Verfahrens zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen auch die inhaltlichen Voraussetzungen des Art. 301 EGV erfüllen. Demnach hat der GASP-Beschluß ausdrücklich ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorzusehen und dabei genau anzugeben, welcher Art diese Maßnahme zu sein hat. Er muß bestimmen, ob die Wirtschaftsbeziehungen ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden sollen.56 Nur wenn ein GASP-Beschluß sowohl den formalen Erfordernissen des EU-Vertrages als auch den inhaltlichen Kriterien des Art. 301 EGV entspricht, stellt er eine geeignete Grundlage für den Erlaß einer gemeinschaftlichen Embargoverordnung dar. 57
2. Das Veifahren auf der Ebene der Gemeinschaft Voraussetzung für das Tätigwerden der Gemeinschaft ist immer das Vorliegen des GASP-Beschlusses. 58 Ohne eine vorausgehende außenpolitische Grundentscheidung der Mitgliedstaaten zugunsten von Wirtschaftssanktionen, kann die Gemeinschaft kein Embargo verhängen. Das Verfahren zum Erlaß der Embargoverordnung nach Art. 301 EGVentspricht ganz der üblichen Vorgehensweise der Gemeinschaft. Es wird eingeleitet durch einen Vorschlag der Kommission und abgeschlossen mit einem Beschluß des Rates (Art. 301 2. Halbs. EGV). Eine Beteiligung des Parlaments ist nicht vorgesehen. Dies läßt sich mit der regelmäßigen Dringlichkeit der Embargomaßnahme rechtfertigen.59 Der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit. Die für die Annahme des Beschlusses erforderliche Stimmenzahl bestimmt sich nach Art. 205 Abs. 2, UAbs. 2, 1. Alt. EGV. Demnach bedarf ein Beschluß des Rates, der auf Vorschlag der Kommission zu fassen ist, eines Votums von mindestens 62 Stimmen. Eine Zustimmung von mindestens 10 Mitgliedstaaten, wie in Art. 205 Abs. 2, UAbs. 2, 2. Alt. EGV vorgesehen, ist nicht erforderlich. Weicht der Rat allerdings in seiner Entscheidung 56 Calliess I Ruffert-Cremer zu Art. 301 EGV Rn. 7; G IT I E-Gilsdorfl Kuijper zu Art. 228 a Rn. 4; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (211); a.A. Ga1fon, S. 118, die entgegen dem Wortlaut eine ausdrückliche Aufforderung zum Tätigwerden nicht für notwendig erachtet. Sie begründet dies mit dem in Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) zum Ausdruck kommenden Kohärenzgebot, das ein übereinstimmendes Handeln von Gemeinschaft und GASP verlange und insofern eine ausdrückliche Aufforderung der GASP an die Gemeinschaft überflüssig mache. 57 Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (214). 58 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 9. 59 GITIE- BurghardtiTebbe zu Art. 228 a Rn. 6; GrabitziHilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 14.
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vom Vorschlag der Kommission ab, so muß er gemäß Art. 250 Abs. 1 EGV einstimmig beschließen. Der Ratsbeschluß hat in der Rechtsform einer Verordnung zu ergehen.60 Art. 301 EGV bestimmt dies zwar nicht ausdrücklich. Der dringliche Charakter von Wirtschaftssanktionen verlangt jedoch eine Rechtsform, die allgemeine Geltung besitzt und unmittelbare Bindungswirkung in jedem Mitgliedsstaat entfaltet. Diesen Anforderungen kann nur die Verordnung gerecht werden. Es ist nun zu untersuchen, wie sich das Zusammenspiel supranationaler und intergouvernementaler Entscheidungsmechanismen im Rahmen des Art. 301 EGV auf das Verhältnis von GASP und Gemeinschaft auswirkt.
V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft im Verfahren des Art. 301 EGV Im zweistufigen Verfahren sind zwei Arten von Konflikten zwischen GASP und Gemeinschaft vorstellbar: Zum einen könnte die GASP auf die Gemeinschaft einwirken und außenpolitische Zuständigkeiten der Gemeinschaft intergouvernementalisieren, also in den von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP nunmehr gemeinsam ausgeübten nationalen Zuständigkeitsbereich zurückführen.61 Zum anderen könnte die Zusammenarbeit einen verstärkten Einfluß der Gemeinschaftsorgane auf die GASP zur Folge haben und möglicherweise im Ergebnis zu einer "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen führen. 62
1. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im Verfahren des Art. 301 EGV Für eine "Vergemeinschaftung" gibt es im Verfahren des Art. 301 EGV keine Anhaltspunkte. Dies hängt damit zusammen, daß die Entscheidung der GASP auf der ersten Stufe angesiedelt ist und die Gemeinschaft auf der zweiten Stufe erst tätig werden kann, wenn die GASP die Initiative ergriffen hat. 63 Der Gemeinschaft kommt somit bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen eher eine reagierende, der GASP eine eher agierende Rolle zu. Der Einfluß der Gemeinschaftsorgane auf die GASP ist deshalb gering.
Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 5; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (223). Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (7 f.); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (81); Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (152); Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 7. 62 Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (81). 63 Bermbach, S. 54 ff.; Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 9; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219); Schweitzer. FS Everling, S. 1379 (1384). 60 61
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2. Intergouvernementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im Verfahren des Art. 301 EGV Umgekehrt ist aber gerade durch die beschriebene Rollenverteilung der Einfluß der GASP auf die Gemeinschaft und ihre Organe besonders stark. Im folgenden soll daher nun untersucht werden, ob durch das Verfahren des Art. 301 EGV die Gefahr einer Aushöhlung der Gemeinschaftskompetenzen zugunsten der GASP besteht. Die Überlegungen konzentrieren sich auf die Frage, inwieweit durch Art. 301 EGV die Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft und damit ihrer Organe beschnitten wird. Dies wäre der Fall, wenn die Gemeinschaft verpflichtet wäre, den im Rahmen der GASP gefällten Sanktionsbeschluß mit den Mitteln des Gemeinschaftsrechts umzusetzen. Im Mittelpunkt steht hier die Rolle der Gemeinschaftsorgane Kommission und Rat. So wird zunächst geprüft, ob der Rat bei seiner Entscheidung auf der zweiten Stufe von dem GASP-Beschluß der ersten Stufe abweichen kann. Danach soll geklärt werden, welchen Umfang das Initiativrecht der Kommission bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen besitzt, insbesondere ob die Kommission verpflichtet ist, einen Vorschlag zu unterbreiten. a) Widerspruch der Ratsbeschlüsse in GASP und Gemeinschaft Die institutionelle Verschränkung von GASP und Gemeinschaft und die daraus folgende doppelfunktionale Stellung des Rates als im Rahmen der GASP agierendes Gemeinschaftsorgan nötigt dem Rat im Verfahren des Art. 301 EGV ein fast "schizophrenes Verhalten" ab. 64 Zunächst trifft er im Rahmen der GASP die grundsätzliche Entscheidung zum Erlaß von Sanktionen in Form eines gemeinsamen Standpunktes oder einer gemeinsamen Aktion. Seiner "inter-gouvernementalen Robe" entkleidet, verhängt er dann auf Vorschlag der Kommission in seinem "Gemeinschaftsgewand" die erforderlichen Wirtschaftssanktionen als Verordnung. Fraglich ist nun, inwieweit der Rat im Gemeinschaftsverfahren nach Art. 301 EGV an seine vorangegangene GASP-Entscheidung gebunden ist. Ein Abweichen der beiden Beschlüsse ist keinesfalls eine dogmatische Spielerei, sondern in der Praxis durchaus möglich. Das ergibt sich aus ihrem unterschiedlichen Entscheidungsgegenstand.65 So ist es denkbar, daß ein Mitgliedstaat zwar prinzipiell mit der Verhängung von Wirtschaftssanktionen einverstanden ist, sich aber bei der Festlegung der Modalitäten auf Gemeinschaftsebene mit den anderen Staaten nicht zu einigen vermag und dann abweichend von seinem Abstimmungsverhalten in der GASP nun gegen Wirtschaftssanktionen votiert. Es wird die Ansicht vertreten, der Beschluß im Rahmen der GASP könne die Mitgliedstaaten bei ihrer Abstimmung im Rat rechtlich nicht binden. 66 Als Grund Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 3; Lange, IZ 1996, S. 442 (445). Pechstein/ Koenig, Rn. 212; GI Tl E-Gilsdorfl Kuijper zu Art. 228 a Rn. 5. 66 Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (74 f.); Grabitz!Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 13; Lange IZ 1996, S. 442 (445); Garron, S. 123 f. 64
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I. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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wird angeführt, der Wortlaut des Art. 301 EGV sei nicht bestimmt genug.67 Außerdem könne kein Hierarchieverhältnis zwischen GASP-Beschluß und Entscheidung über die Gemeinschaftsmaßnahme bestehen, das letztere zu einem Formalakt herabstufe.68 Schließlich ergebe die ausdrückliche Festschreibung der qualifizierten Mehrheit bei der Ratsentscheidung in Art. 301 EGV keinen Sinn, wenn ihr nicht gegenüber dem GASP-Beschluß eine eigenständige Bedeutung zukomme. 69 Bei einer sorgfaltigen Prüfung des Wortlautes von Art. 301 EGV läßt sich diese Ansicht jedoch nicht halten. Wenn es heißt .,Ist ... ein Tätigwerden der Gemeinschaft vorgesehen, ... so trifft der Rat ... " wird eine Verpflichtung zur Setzung eines entsprechenden Rechtsaktes zum Ausdruck gebracht. 70 Adressat dieser Verpflichtung ist der Rat. Mögliche Zweifel, ob das Wort .,trifft" imperativ zu verstehen ist, werden zerstreut, vergleicht man den Art. 301 EGV mit dem ebenfalls durch den Vertrag von Maastricht in den EG-Vertrag eingefügten Art. 73 g EGVa (Art. 60 EGV), der die Verhängung von Wirtschaftssanktionen auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs regelt. Hier hat man unter sonstigem Verweis auf das Verfahren des Art. 301 EGV dem Rat durch die Formulierung " . . . kann der Rat . . . ergreifen." ein Ermessen bei der Umsetzung des GASP-Beschlusses eingeräumt.71 Indem man bei Art. 301 EGV davon abgesehen hat, das Wort "kann" zu ergänzen, hat man zum Ausdruck gebracht, daß der Rat hier kein Ermessen besitzt und verpflichtet sein soll, den GASP-Beschluß urnzusetzen. 72 Das Argument der Gegenansicht, zwischen GASP-Beschluß und Ratsentscheidung auf Gemeinschaftsebene könne kein Hierarchieverhältnis bestehen, ist insoweit zuzustimmen, als der EU-Vertrag einen generellen Vorrang der GASP gegenüber der Gemeinschaft nicht zuläßt. Zwar heißt es in Art. 14 Abs. 3 EUV, daß gemeinsame Aktionen für die Mitgliedstaaten bindend sind und in Art. 15 EUV, daß die Mitgliedstaaten für den Einklang ihrer Politik mit den gemeinsamen Standpunkten zu sorgen haben, jedoch ist diese Bindung keine gemeinschaftsrechtliche, sondern eine völkerrechtliche 73 und als solche für das Verhalten der MitgliedstaaGrabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 13. Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (74); in diesem Sinne auch Gaffon, S. 123 f., die für den Fall einer Bindung der Mitgliedstaaten im Rat durch den GASP-Beschluß von einer "totalen Gleichschaltung" der Gemeinschaft spricht. 69 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 13. 70 Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219 f.); im Ergebnis ebenso Busse, S. 198 f. 71 Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (222 f.). 72 Dies konzedierend Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 13, wenn er schreibt, daß "der Wonlaut des An. 228 a EGV im Vergleich zu dem des An. 73 g EGV eine gewisse Bindung nahelegt. " 73 Der Auffassung, nach der nur die Annahme einer gemeinsamen Aktion aufgrund Art. 14 Abs. 3 EUV rechtliche Bindungswirkung besitzt, wogegen der Annahme eines gemeinsamen Standpunktes allein politische Bedeutung zukomme, s. Bleckmann I Pieper; in Bleckmann, Rn. 73 f.; Gaffon, S. 117; Stein, FS Bemhardt, S. 1129 (1136), ist nicht zu folgen. Auch wenn die Annahme eines gemeinsamen Standpunktes gemäß Art. 15 EUV den Mitgliedstaaten lediglich auferlegt, Sorge zu tragen, "daß ihre einzelstaatliche Politik mit den gemeinsamen 67
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ten auf Gemeinschaftsebene von untergeordneter Bedeutung. Ein Hierarchieverhältnis von Unionsakten und Gemeinschaftsakten würde gegen Art. 47 EUV verstoßen, nach dem der EU-Vertrag den EG-Vertrag unberührt läßt. Dieses Prinzip muß -argumentum a maiore ad minus - auch für das aus dem EU-Vertrag abgeleitete sekundäre Recht gelten. 74 Dem widerspricht jedoch nicht, für einzelne Verfahren den Ausgang gemeinschaftlicher Entscheidungsprozesse an GASP-Beschlüsse zu binden. Diese Verknüpfung geschieht hier durch eine Vorschrift des EG-Vertrages und bezieht sich nur auf den konkreten Fall der Verhängung von Wirtschaftssanktionen. Sie begründet daher auch keine generelle Unterordnung von Rechtsakten der Gemeinschaft unter die der GASP und verstößt nicht gegen die in Art. 47 EUV zum Ausdruck kommende grundsätzliche Trennung zwischen dem Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union. 75 Dadurch wird die Ratsentscheidung über die Gemeinschaftsmaßnahme auch nicht zu einem Formalakt herabgestuft Zwar ist der Rat durch den GASP-Beschluß verpflichtet, eine Entscheidung zu treffen, die Verpflichtung erstreckt sich jedoch nicht auf den Inhalt der Entscheidung. 76 Der Rat ist frei zu bestimmen, auf welche Art er die Vorgabe der GASP umsetzt und welche "die erforderlichen Sofortmaßnahmen" sind. Auch wenn man im Verfahren des Art. 301 EGV von einer Bindung der Mitgliedstaaten auf Gemeinschaftsebene an den GASP-Beschluß ausgeht, besitzt die Ratsentscheidung eine eigenständige Bedeutung. Die Argumente der Ansicht, der GASP-Beschluß könne die Mitgliedstaaten bei ihrer Abstimmung im Rat rechtlich nicht binden, sind folglich abzulehnen. Es kann somit zunächst festgehalten werden, daß Art. 301 EGV ein Abweichen der Ratsbeschlüsse in GASP und Gemeinschaft im Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen nicht zuläßt. 77 Wenn also im Rahmen der GASP die grundsätzliche Entscheidung über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen getroffen ist, sind die Mitgliedstaaten auch auf Gemeinschaftsebene verpflichtet, im Rat für die Umsetzung dieser Entscheidung, den Erlaß einer Embargoverordnung, zu sorgen. Diese Verpflichtung folgt nicht aus dem Recht des EU-Vertrages etwa aus Art. 14 Abs. 3 EUVoder Art. 15 EUV, sondern folgt aus der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Art. 301 EGV. Standpunkten im Einklang steht", widerspricht dies nicht einer Rechtsbindung. Vielmehr unterliegen die Mitgliedstaaten hier dem im Völkerrecht als Estoppel-Prinzip verankerten Verbot eines venire contra factum proprium, und sind somit völkerrechtlich verpflichtet alles zu vermeiden, was Ziel und Zweck des gemeinsamen Standpunktes widerspricht, s. Pechstein/ Koenig, Rn. 234; Hummer/Schweitzer, Rn. 973; Lange, JZ 1996, S. 442 (444). 74 Streinz. ZfRV 1995, S. 1 (11); Klein/Haratsch, JuS 1995, S. 7 (8); Pechstein/Koenig, Rn. 211; Hailbronner/Klein-Klein zu Art. M Rn. 7. 75 G /TI E-Krück zu Art. M Rn. 2. 76 G/T/E-Gilsdorf/Kuijper zu Art. 228 a Rn. 5; Pechstein/Koenig, Rn. 212; a.A. Dürr; Economy-Fachmagazin 1993, S. 199 (204); Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 4. 77 Ebenso G/T/E-Gilsdorf/ Kuijper zu Art. 228 a Rn. 4 ff.; Pechstein/ Koenig, Rn. 214 f.; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219 ff.).
1. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
89
b) Bedeutung des Initiativrechts der Kornmission Gemäß Art. 301 EGV beschließt der Rat die erforderlichen Sofortmaßnahmen "auf Vorschlag der Kommission". Diese Formulierung weist auf das im Rahmen des EG-Vertrags geltende Initiativmonopol der Kommission hin. Demnach darf der Rat, von wenigen Ausnahmen abgesehen, erst entscheiden, wenn zuvor die Kornmission einen entsprechenden Vorschlag eingebracht hat. 78 Die Kommission kann nicht nur den Zeitpunkt und den Inhalt des Vorschlages bestimmen, sie ist auch frei in der Entscheidung, ob sie überhaupt tätig werden möchte. 79 Auf diese Weise kommt der Kommission eine Schlüsselstellung im gemeinschaftlichen Rechtssetzungsverfahren zu. Die starke Position der vom direkten Einfluß der Mitgliedstaaten freien Kommission soll sicherstellen, daß das Gemeinschaftsinteresse ausreichend Berücksichtigung findet. 80 Der Wortlaut scheint auch im Verfahren des Art. 301 EGV der Kornmission die Entscheidungsfreiheit einzuräumen, einen Vorschlag zu unterbreiten oder nicht. Wenn aber das Initiativmonopol bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen unbeschnittene Gültigkeit besäße, wäre die Gemeinschaft nicht verpflichtet, den im Rahmen der GASP gefällten Sanktionsbeschluß umzusetzen, weil die Kommission dann davon absehen könnte, dem Rat einen Vorschlag zu unterbreiten.81 Das weitere Rechtssetzungsverfahren wäre blockiert, da der Rat ohne Kommissionsvorschlag keinen Beschluß fassen dürfte. Es sind jedoch Zweifel angebracht, ob die Kornmission im Verfahren des Art. 301 EGV ihr Initiativmonopol ausüben kann oder ob nicht vielmehr von einer die Entscheidungsfreiheit der Kornmission begrenzenden Vorschlagspflicht auszugehen ist. Dafür spricht, daß der Art. 301 EGV in seinem Wortlaut ein Tätigwerden der Gemeinschaft rechtlich mit einem GASP-Beschluß verknüpft hat. Wie oben dargestellt, ist der Rat in seiner Entscheidung auf der zweiten Stufe an den GASPBeschluß der ersten Stufe gebunden. 82 Er ist dem Wortlaut folgend Adressat der Verpflichtung, auf Gemeinschaftsebene tätig zu werden. Da der Rat jedoch nur "aufVorschlag der Kommission " entscheiden kann, liefe die Verpflichtung des Ra78 G/TIE-Schoo zu Art. 189 a Rn. 3; Schweitzer/Hummer, Rn. 203; Beutler/Bieber/Pipkom/Streil, S. 140; Streinz, Rn. 292. 79 Allerdings hat die Kommission nicht die Möglichkeit, keinen Vorschlag zu unterbreiten, wenn durch ihre Passivität die Verwirklichung eines grundlegenden Vertragszieles, wie z. B. der Freizügigkeit, behindert wird (Rechtssache C-445/93, ABI. EG Nr. C 1/12 vom 4. 1. 1994). Auch kann der Rat die Kommission gemäß Art. 208 EGV verbindlich auffordern einen Vorschlag zu unterbreiten (GIT/E-Hamier zu Art. 152 Rn. 4; Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 262; Geiger zu Art. 152 Rn. 2; a.A. Schweitzer!Hummer, Rn. 203). 80 Geiger zu Art. 189 a Rn. 2. 81 So Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 10; Siems, S. 167 f.; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (79); Neuwahl, in O'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 227 (239); Vaucher, RTD eur. 29 (1993), s. 39 (59). 82 GI Tl E-Gilsdorf/ Kuijper zu Art. 228 a Rn. 4 ff. ; Pechstein/ Koenig, Rn. 211 f.; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219 ff.).
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
tes ins Leere, wäre nicht die Kommission ihrerseits verpflichtet, dem Rat einen Vorschlag zu unterbreiten. 83 Die Gegenauffassung lehnt die Vorschlagspflicht der Kommission ab. Sie begründet dies mit dem Wortlaut des Art. 301 EGV, dem eine solche Verpflichtung nicht zu entnehmen sei. 84 Die englische Fassung des Vertragstextes wird als Beleg angeführt. Während es in dem bisher einschlägigen Art. 113 Abs. 2 EGVa (Art. 133 Abs. 2 EGV) heißt "shall submit proposals", habe man in Art. 301 EGV die schwächere Formulierung "on a proposal" gewählt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die entscheidende Formulierung in Art. 301 EGV nicht etwa " auf Vorschlag" ist, sondern das Wort "trifft", durch dessen imperativen Indikativ der verpflichtende Charakter der Vorschrift zum Ausdruck gebracht wird. Wenn eine Verpflichtung nicht Intention der Vertragsparteien beim Verfassen des Art. 301 EGV gewesen wäre, so hätte man leicht durch die Einfügung des Wortes "kann", wie in Art. 60 EGV, den Gemeinschaftsorganen einen Ermessensspielraum zugestehen können. Daß dies gerade nicht geschehen ist, unterstreicht den Willen der Vertragsparteien, die Gemeinschaft zu verpflichten. Weiter wird vorgebracht, eine Vorschlagspflicht verstoße gegen die in Art. 213 EGV garantierte institutionelle Unabhängigkeit der Kommission und sei daher abzulehnen. 85 Dagegen spricht jedoch, daß der Terminus "Unabhängigkeit" des Art. 213 Abs. 2 EGV dem Wortlaut nach zunächst die Freiheit des einzelnen Kornmissionsmitglieds vor Weisungen der Mitgliedstaaten meint. 86 Die institutionelle Unabhängigkeit, die Autonomie des Organs gegenüber anderen Organen, folgt daraus erst in zweiter Linie. 87 Sie bildet kein grundlegendes Prinzip des EG-Vertrages, sondern stellt lediglich eine generelle Regelung dar, die durch spezielle Bestimmungen des Vertrages, wie beispielsweise Art. 208 EGV, durchbrochen wird. 88 Eine solche Art. 213 EGV derogierende Bestimmung bildet Art. 301 EGV für das Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen. 89 Die Vorschlagspflicht des Art. 301 EGV verstößt somit nicht gegen den Status der Unabhängigkeit der Korn-
83 Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (220); für eine Vorschlagspflicht der Kornmission auch Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 4; Dürr; Economy-Fachmagazin 1993, S. 199 (204); ebenso Ga1fon, S. 121; Calliess/Ruffert-Cremer zu Art. 301 EGV Rn. 10; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 (115), die eine Vorschlagspflicht aus dem Gebot der Kohärenz ableiten; auch G/T/E-Gilsdorf/Kuijper zu Art. 228 a Rn. 6, die der Kommission nur in " Extremfällen" das Recht einräumen, von einem Vorschlag gänzlich abzusehen. 84 Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 10; Hafner; in Hummer/Schweitzer (Hrsg.) s. 123 (147). 85 Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 10; Glaesner; EuR 1994, S. 22 (32); Everling, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 41 (46); Monar; in Regelsberger (Hrsg.), S. 75 (81). 86 Lenz-Breier zu Art. 213 Rn. 5; Geiger zu Art. 157 Rn. 7. 87 G ITI E-Schmitt von Sydow zu Art. 157 Rn. 22. 88 Grabitz/ Hilf-Hummer zu Art. !57 Rn. 15. 89 Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (220 f.).
I. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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mission. Sie bedeutet vielmehr eine nach dem Gemeinschaftsrecht zulässige, auf einen Spezialfall bezogene Einschränkung dieser Unabhängigkeit. Gegen eine Vorschlagspflicht wird weiter angeführt, die Kommission könne durch einen gemeinsamen Standpunkt nicht gebunden werden. Eine derartige Einschränkung des Initiativrechts der Kommission von außerhalb der Gemeinschaft sei mit dem rechtlich-institutionellen Gefüge der Gemeinschaft nicht vereinbar, in dem die Entscheidungsautonomie der Kommission eine maßgebliche Rolle einnehme.90 Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als es keine generelle Bindung der Kommission an gemeinsame Standpunkte oder gemeinsame Aktionen geben kann. Dies ergibt sich aus Art. 47 EUV, nach dem der EU-Vertrag den EG-Vertrag unberührt läßt und folglich auch das aus dem EU-Vertrag abgeleitete sekundäre Recht den EG-Vertrag nicht berühren darf. 91 Hier geht es jedoch nicht um eine generelle Bindung der Gemeinschaft an Unionsakte. Vielmehr handelt es sich um eine punktuelle Verknüpfung intergouvernementaler Entscheidungsprozesse mit gemeinschaftlichen Rechtssetzungsverfahren für den speziellen Fall der Verhängung von Wirtschaftssanktionen. Diese Verknüpfung schreibt eine Norm des Gemeinschaftsrechtes vor, so daß die sich aus der Verknüpfung ergebende Bindung der Kommission ihren Grund nicht außerhalb der Gemeinschaft, sondern im EG-Vertrag selbst hat. Die Balance des institutionellen Gefüges der Gemeinschaft vermag dadurch nicht beeinträchtigt zu werden. Auch läßt sich gegen eine Vorschlagspflicht nicht einwenden, es bestünde für sie im Rahmen des Art. 301 EGV keine Notwendigkeit, da der Rat die Option habe, die Kommission gemäß Art. 208 EGV verbindlich aufzufordern, 92 ihr einen Vorschlag zu unterbreiten. 93 Art. 208 EGV gestattet dem Rat nur, Vorschläge einzufordern, die sich auf die Verwirklichung der "gemeinsamen Ziele" beziehen. Damit sind nicht etwa, wie man den Wortlaut verstehen könnte, Ziele des Rates und der Kommission gemeint, sondern die Gemeinschaftsziele, an die auch der Art. 308 EGV anknüpft. 94 Gemeinschaftsziele in diesem Sinn sind alle insbesondere in der Präambel und in den Art. 2, 3 und 4 EGV bezeichneten Aufgaben der Gemeinschaft.95 Die Verwirklichung einer intergouvernementalen Zusammenarbeit im Bereich der Außenpolitik ist zwar nach Art. 2 EUV ein Unionsziel, stellt jedoch keine Aufgabe der Gemeinschaft dar und gehört nicht zu den Gemeinschaftszielen. Der 90 Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (79); Siems, S. 160; Lange, JZ 1996, S. 442 (443); Monar; in Regelsberger (Hrsg.), S. 75 (81); Glaesner; EuR 1994, S. 22 (32); Everling, EuRBeiheft 2- 1995, S. 41 (46); Neuwahl in O 'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 227 (239). 91 Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. M Rn. 7; Streinz, ZfRV 1995, S. I (11); Pechstein/ Koenig, Rn. 211 ; Klein/Haratsch, JuS 1995, S. 7 (8). 92 Zur Bindungswirkung der Aufforderungs. G/TIE-Hamier zu Art. 152 Rn. 4; Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 262; Geiger zu Art. 152 Rn. 2; a.A. Schweitzer I Hummer, Rn. 203. 93 Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 22 a Rn. 10. 94 G IT I E-Hamier zu Art. 152 Rn. 2. 95 Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. 235 Rn. 8 ff.; Lenz-Röttinger zu Art. 308 Rn. 8 ff.; Geiger zu Art. 235 Rn. 3 ff.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Rat kann daher die Kommission, gestützt auf Art. 208 EGV im Rahmen des Verfahrens nach Art. 301 EGV, nicht verbindlich auffordern, ihm einen Vorschlag zu unterbreiten. 96 Der Hinweis auf Art. 208 EGV vermag somit nicht die Notwendigkeit einer Vorschlagspflicht der Kommission bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen zu beseitigen. Die mögliche Existenz einer "de facto"-Verpflichtung der Kommission97 in Anbetracht der vorangegangenen politischen Entscheidung schließlich hat für die rechtliche Bewertung dieser Frage keine Konsequenz. 98 Die Anhänger der Auffassung, aus Art. 301 EGV lasse sich keine Vorschlagspflicht der Kommission ableiten, verschaffen der Kommission, wie bereits oben dargelegt, die Möglichkeit, das Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen zu blockieren. Dadurch könnte der Gemeinschaft außenpolitischer Schaden zugefügt werden, etwa wenn die GASP verpflichtet wäre, einen Sanktionsbeschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen umzusetzen. Einige Vertreter dieser Ansicht verweisen daher in einem solchen Fall auf die Verantwortung der Kommission für die Kohärenz gemäß Art. 3 Abs. 2 EUV, die sie verpflichte, einen Vorschlag zu unterbreiten, um Schaden von Gemeinschaft und Union abzuwenden. 99 Dem allgemeinen Kohärenzgebot des Art. 3 Abs. 2 EUV kommt jedoch im Rahmen des Art. 301 EGV keine eigenständige Bedeutung zu. Die Regelung des Art. 301 EGV stellt eine gemeinschaftsrechtliche Umsetzung des Kohärenzgebotes für die Problematik der Wirtschaftssanktionen dar, 100 und bietet folglich darüber hinaus keinen Raum für eine zusätzliche Anwendung des allgemeinen Kohärenzgebotes aus Art. 3 Abs. 2 EUV. Die Argumente gegen eine Vorschlagspflicht der Kommission können nicht überzeugen. Die Kommission besitzt im Verfahren des Art. 301 EGV kein InitiativmonopoL Sie ist verpflichtet, wenn ein GASP-Beschluß über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen ergangen ist, dem Rat auf Gemeinschaftsebene den Erlaß einer entsprechenden Embargoverordnung vorzuschlagen. Diese Verpflichtung ergibt sich unmittelbar aus Art. 301 EGV.
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Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S . 69 (79); a.A. Thun-Hohenstein, ZfRV 1996, S. 238
(243).
Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. I 0. Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (221); Fink-Hooijer, CFSP-Forum 4/94, S. 4 (5). 99 Hafner, in Hummer/Schweitzer (Hrsg.) S. 123 (147); Lange, JZ 1996, S. 442 (444); a.A Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (79), der bei einer Divergenz zwischen GASP-Standpunkten und den Erfordernissen des Binnenmarktes, auch vor dem Hintergrund ihrer Kohärenzverantwortung eine Loyalität der Kommission zu Letzteren annimmt. 100 Geiger zu Art. 228 a Rn. 3; Hailbronner/Klein-Klein zu Art. C Rn. 27; Krenzlerl Schneider, EuR 1994, S. 144 (147); Garron, S. 115; In einigen Ausgaben des EG-Vertrages trägt der Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) die nicht amtliche Überschrift .,Kohärenz mit der GASP", so zum Beispiel in der Edition des Bundespresseamtes, Der Vertrag, 1998. 97
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1. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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3. Ergebnis Durch Art. 301 EGV wird die Gemeinschaft verpflichtet, einen im Rahmen der GASP als gemeinsame Aktion oder gemeinsamen Standpunkt gefaßten Beschluß, Wirtschaftssanktionen zu verhängen, mit den Mitteln des Gemeinschaftsrechts umzusetzen. Dies wird deutlich an der Rolle der Gemeinschaftsorgane im Verfahren des Art. 301 EGV. Die Entscheidungsfreiheit der Organe ist weitgehend eingeschränkt. So kann der Rat bei seiner Entscheidung auf der zweiten Stufe nicht von der GASP-Entscheidung der ersten Stufe abweichen. Die Konunission besitzt kein Initiativrecht und ist verpflichtet, dem Rat zur Umsetzung des GASP-Beschlusses einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. VI. Justitiabilität In Anbetracht des Übergewichts der intergouvernementalen Elemente und der damit verbundenen Beschränkung der Gemeinschaftsorgane im Verfahren des Art. 301 EGV stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Verhängung von Wirtschaftssanktionen der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof unterworfen ist. 101 Dies ist problematisch, weil die Kompetenzen des Gerichtshofs im Bereich des Unionsvertrages weitgehend eingeschränkt sind. So ist gemäß Art. 46 EUV der Titel V. des EU-Vertrages über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Zuständigkeit und damit der Überprüfbarkeit des Gerichtshofes entzogen. 102 Das Gemeinschaftsrecht und seine Normen dagegen unterliegen gemäß Art. 220 EGV "bei der Auslegung und Anwendung" der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Daraus folgt zunächst, daß für die zweite Stufe des Verfahrens, den Erlaß der Embargoverordnung, eine Kontrollkompetenz des Europäischen Gerichtshofs besteht, da es sich hier um einen rein gemeinschaftsrechtlichen Vorgang handelt. Formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung können in einem zulässigen Verfahren, etwa nach Art. 230 oder Art. 234 EGV vom Gerichtshof überprüft wer101 Der Europäischen Gerichtshof hat bisher über drei Vorabentscheidungsverfahren gern. Art. 234 EGV im Zusammenhang mit Sanktionen gegen Jugoslawien (Serbien, Montenegro) zu entscheiden gehabt (Urteil des EuGH in der Rs. C-177/95 vom 27. 2. 1997, Ebony Maritime SAu. a./Profetto della Provincia di Brindisi, Slg. 1997, S. 1-1131; Urteil des EuGH in der Rs. C-124/95 vom 14. 1. 1997, The Queen ex parte: Centro-Com Srl./HM Treasury und Bank of England, Slg. 1997, S. 1-114; Urteil des EuGH in der Rs. C-84/95 vom 30. 7. 1996, Bosphorus Hava Yollari Turizm ve Ticaret AStMinister for Transport, Energy and Communications u. a., Slg. 1996, S. 1-3978). Alle drei Urteile beziehen sich auf die Verhängung von Embargos vor Inkrafttreten des EU-Vertrages und der Einfügung der Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) und Art. 73 g EGVa (Art. 60 EGV) in den EG-Vertrag arn 1. 11. 1993. Sie befassen sich mit der Auslegung der Embargoverordnungen; s. Peers, YEL 16 (1996), S. 611 (622 ff.). 102 Streinz, Rn. 332a; Münch, S. 152; Semrau, S. 141; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. L Rn. 9; G/T/E-Krück zu Art. L Rn. 8.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
den. 103 Ihre Einhaltung durch die Mitgliedstaaten kann Gegenstand von Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 und 227 EGV sein. 104 Das Verhalten der Mitgliedstaaten im Rat ist ebenfalls justitiabel. Denkbar sind auch hier Klagen nach Art. 226 und 227 EGV. Voraussetzung ist ein Verstoß gegen eine Verpflichtung aus dem EG-Vertrag. Die Bestimmung des Art. 301 EGV verpflichtet die Mitgliedstaaten, wie oben bereits ausgeführt, unmittelbar, im Rat für eine Umsetzung des Embargobeschlusses, also für den Erlaß einer Embargoverordnung zu stimmen. Zwar sind die Mitgliedstaaten auch durch den GASP-Beschluß über eine gemeinsame Aktion nach Art. 14 EUV bzw. über die Annahme eines gemeinsamen Standpunktes nach Art. 15 EUV gebunden, jedoch ist dies keine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung. Sie geht aus dem zwischenstaatlichen Verfahren der GASP hervor und hat lediglich völkerrechtliche Bindungswirkung. Nach Art. 46 EUV besitzt der Gerichtshof für diesen Bereich jedoch keine Zuständigkeit. Darüber hinaus ist das Handeln der Organe auf Gemeinschaftsebene der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs in einem Klageverfahren nach Art. 232 Abs. 1 EGV unterworfen. Kommt etwa die Kommission ihrer Verpflichtung nicht nach, auf den entsprechenden GASP-Beschluß hin dem Rat einen Vorschlag über die Verhängung von Wirtschaftssanktionen zu unterbreiten, kann mit einer Untätigkeitsklage gemäß Art. 232 Abs. 1 EGV gegen sie vorgegangen werden.105 Die Klage nach Art. 232 Abs. 1 EGV gibt den anderen Organen und den Mitgliedstaaten ein Mittel in die Hand, Verstöße gegen gemeinschaftliche Handlungsverpflichtungen durch den Gerichtshof feststellen zu lassen und das Organ zum Handeln zu zwingen. 106 Voraussetzung ist jedoch, daß das Organ unter Verletzung des EG-Vertrages untätig geblieben ist. Für die Kommission träfe dies zu bei einer Weigerung, einen Embargovorschlag im Rahmen des Verfahrens nach Art. 301 EGV zu unterbreiten, 107 da die Verpflichtung der Kommission zur Initiative nicht aus einer völkerrechtlichen Bindungswirkung des intergouvernementalen GASP-Beschlusses folgt, sondern sich, wie oben dargestellt, unmittelbar aus Art. 301 EGV ergibt. Fraglich ist jedoch, inwieweit diese Kontrollkompetenz sich auch auf die intergouvernementale erste Stufe erstreckt. Die Embargoverordnung der zweiten Stufe läßt sich nicht losgelöst von ihrer Voraussetzung, dem GASP-Beschluß der ersten Stufe, auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen. Art. 301 EGV kann nur dann Rechtsgrundlage für eine Embargoverordnung sein, wenn im Rahmen der GASP ein ge103 So ausdrücklich das Bundesverfasssungsgericht in seinem Urteil zum Vertrag von Maastricht vom 12. Oktober 1993, BerfGE 89, 155 (178); GITIE-Krück zu Art. L Rn. 12; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (75); Lenz-Röttinger zu Art. 301 Rn. 5. 104 Ga~fon, S. 127; Stein, FS Bemhardt, S. 1129 (1138). 105 Ebenso Ga~fon, S. 126 f.; a.A. Hafner, in Hummer/Schweitzer, S. 123 (147). 106 Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 896 ff. 107 A.A. wohl Neuwahl in 0 'Keeffe /Twomey (Hrsg.), S. 227 (245).
1. Kap.: Im Bereich Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten
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meinsamer Standpunkt festgelegt oder eine gemeinsame Aktion angenommen wurde108 und darin ausdriicklich ein" 1ätigwerden der Gemeinschaft" verlangt wird. Als eine Norm des Gemeinschaftsrechts fallt Art. 301 EGV mit seinem gesamten Regelungsgehalt unter die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Die Kontrollkompetenz des Gerichtshofs erstreckt sich folglich so weit auf das Unionsrecht, wie dieses die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 301 EGV berührt. Es ist daher vom Gerichtshof bei der Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Embargoverordnung inzident zu prüfen, ob ein GASP-Beschluß vorliegt, der die formalen Voraussetzungen des EU-Vertrages erfüllt und zugleich den inhaltlichen Erfordernissen gerecht wird, die Art. 301 EGVan ihn stellt. 109 Nicht justitiabei dagegen sind die Motive und Bewertungen der Mitgliedstaaten, die zu der GASP-Entscheidung geführt haben. 110 Ebenso ist ihre Verpflichtung gemäß Art. 11 Abs. 2 EUV, die Außen- und Sicherheitspolitik der Union "aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität" zu unterstützen, nicht einklagbar. 111 Hierbei handelt es sich nicht um Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 301 EGV, für die der Europäischen Gerichtshofs Gerichtsbarkeit besitzt. In diesem Bereich schließt Art. 46 EUV jede Zuständigkeit des Gerichtshofes aus. Der Gerichtshof kann folglich die formelle Seite eines GASP-Beschlusses zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen mittelbar überprüfen; 112 die materielle Seite des GASP-Beschlusses liegt außerhalb seiner Zuständigkeit.
VII. Ergebnis Im zweistufigen Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 301 EGV ist die GASP der Gemeinschaft gegenüber vorrangig. Die Entscheidung über den Erlaß der Sanktionen liegt allein bei den Mitgliedstaaten. Ihre im Rahmen der intergouvernementalen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union getroffene Entscheidung bindet die Gemeinschaft. Der Gemeinschaft bleibt lediglich eine begrenzte, sich an den Vorgaben des GASP-Beschlusses zu orientierende inhaltliche Gestaltungsfreiheit beim Erlaß der Embargoverordnung. Der Vorrang der GASP driickt sich zum einen in der Bindung des Rates auf Gemeinschaftsebene an die zuvor von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP getroffene Entscheidung. Zum anderen zeigt er sich in der Wandlung des generell im Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 9. Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 15; Hailbronner!Klein-Klein zu Art. C Rn. 27; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. L Rn. 20; v. Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (22); so wohl auch Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1052 (1063); a.A. Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99 ( 117). 110 Fink-Hooijer, EJIL 5 (1994), S. 173 (178). 111 Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (4). 112 Grabitz/Hilf-Pache zu Art. L Rn. 20; Ga1fon, S. 126. 108
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
EG-Vertrag vorherrschenden Initiativrechts der Kornmission in eine an das Vorliegen eines GASP-Beschlusses geknüpfte Initiativpflicht Die Priorität der GASP bindet die supranationale Gemeinschaft beim Erlaß von Sanktionen an intergouvernementale Entscheidungen und bewirkt auf diese Weise eine faktische Intergouvernementalisierung der Gemeinschaft in diesem Bereich. In seinen Wirkungen ein wenig abgeschwächt wird dies durch ein Kontrollrecht des ansonsten nicht im Bereich der intergouvernementalen GASP zuständigen Europäischen Gerichtshofes. Er kann inzident das Vorliegen der formellen Voraussetzungen eines gemäß Art. 301 EGV erforderlichen GASP-Beschlusses zum Erlaß von Embargomaßnahmen überpriifen, wenn er über die Rechtmäßigkeit einer gemeinschaftlichen Embargoverordnung zu befinden hat. Das entscheidende Element im Verfahren der Verhängung von Wirtschaftssanktionen, die Motivation der Mitgliedstaaten, ist der rechtlichen Bewertung durch den Europäischen Gerichtshof jedoch entzogen.
2. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck I. Vorbemerkung Der Zusammenbruch des Ostblocks und das Entstehen von Demokratien in Osteuropa in den achtziger und neunziger Jahren erforderten eine Neuordnung der Exportkontrolle der europäischen Staaten. Lag bis zum Wegfall des Ost-West-Gegensatzes der Zweck der Exportkontrollen vornehmlich darin, die Sowjetunion und ihre Verbündeten von westlicher Hochtechnologie, insbesondere Rüstungstechnologie, fernzuhalten, so richtete sich nun das sicherheitspolitische Augenmerk mehr auf die Staaten der Dritten Welt. Die Erfahrungen der Golfkriege und Libyenkrisen ließen erahnen, welche Gefahren für den Weltfrieden sich in Zukunft durch das erfolgreiche Bestreben skrupelloser Machthaber der Dritten Welt, in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen, ergeben können. Zugleich bereiteten die zahlreichen regionalen Konflikte mit ethnischen und religiösen Hintergriinden und ihre mögliche Eskalation Sorge. Welches politische Spannungspotential in der mangelnden Kontrolle der Verbreitung nuklearer Waffen liegen kann, zeigte sich jüngst in der Bedrohung des Friedens durch den atomaren Rüstungswettlauf zwischen Indien und Pakistan. Während man das vom Kalten Krieg geprägte Exportregime für Osteuropa CoCom 1 zunächst lockerte und schließlich ganz abschaffte und auf diese Weise die I Das CoCom (Coordinating Commitee for Multilateral Stratetic Export Controls) wurde 1949 von den Nato-Staaten mit dem Ziel gegründet, den Ostblock wirtschaftlich zu isolieren
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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wirtschaftliche Entwicklung der osteuropäischen Staaten zu unterstützen suchte, wurde das Bedürfnis nach strengeren Kontrollen des Exports rüstungsrelevanter Güter in Dritteweltstaaten immer stärker. Im Bereich der Massenvernichtungswaffen vereinbarte man Regelungen über die Verbreitung von nuklearen Gütern (Nuclear Suppliers Group) 2 , von chemischen und biotechnischen Produkten (Australische Gruppe) 3 sowie über den Handel mit Trägertechnologie (Missile Technology Control Regime) 4 • Das Wassenaar Arrangement vom 19. Dezember 1995 befaßt sich mit der Weitergabe konventioneller Rüstungsgüter.5 Das seit April 1997 sich in Kraft befindende Chemiewaffenübereinkommen stellt Regeln für die Ausfuhr bestimmter waffenfähiger Substanzen auf. 6 Damit bestehen nun für nahezu alle wichtigen Bereiche Exportkontrollregime. 7 Ein wesentlicher von diesen Übereinkommen nur am Rande berührter Bereich betrifft die Verbreitung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, sogenannten strategischen Waren, für die sich auch der Begriff Dual-Use-Güter eingebürgert hat. 8 Hierbei handelt es sich um Waren, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können. Der Kreis der Güter mit doppeltem Verwendungszweck ist und eine Stärkung seiner militärischen Macht zu verhindern. Das CoCom besaß keine international verpflichtende Grundlage. Die getroffenen Absprachen der zuletzt 17 Mitgliedstaaten hatten nur informellen Charakter, wurden jedoch in nationales Recht umgesetzt. Mit dem Zusammenbruch des Ostblocks verlor das CoCom seine Funktion und löste sich zum 31. März 1994 auf; näheres s. Egger; S. 5 ff.; Wolffgang/Hölscher, in FS Großfeld, S. 1329 (1336 f.); Huc/w, S. 13; Oeter; RabelsZ 1991, S. 436 (440); Großfeld I Junker; S. 14 ff. 2 Das Exportkontrollregime der "Gruppe der nuklearen Lieferländer" (Nuclear Suppliers Group) gründet sich auf den Vertrag zur Nichtverbreitung von Kernwaffe aus dem Jahre 1968. Sie besitzt 35 Mitgliedstaaten und ist damit das älteste und mitgliedstärkste Regime; näheres s. Wemer, RIW 1998, S. 179 (180 ff.). 3 Die "Australische Gruppe" (Australian Group on Chemical Weapons Precursors Export Controls) bildete sich unter dem Eindruck des irakiseben Chemiewaffenangriffs auf die Kurden im Jahre 1984. Ihr gehören 30 Staaten sowie die europäische Kommission an; näheres s. Vogel-Middeldorf, AwPrax 1996, S. 84 ff. ; Egger, S. 11 f. 4 Mit dem "Trägertechnologieregime" ,,Missile Technology Control Regime" besteht seit 1987 ein Kontrollregime für den Bereich der Raketensysteme. Die mittlerweile 29 Mitgliedstaaten verständigten sich auf einheitliche Genehmigungspflichten für die Ausfuhr von Anlagen und Bestandteilen zur Konstruktion von Raketen mit einer Reichweite von über 300 km; näheres s. Wemer; AwPrax 1996, S. 382 ff.; Wolffgang/Hölscher, in FS Großfeld, S. 1329 (1354 f.). 5 Das "Wassenaar Arrangement on Export Controls for Conventional Arms and Dual useGoods and Technologies" ist am l. Nov. 1996 in Kraft getreten. Die 33 Teilnehmerstaaten streben einen umfassenden Informationsaustausch an. Sie haben sich auf eine gegenseitige Notifizierung verständigt, wenn sie relevante Exporte in Staaten genehmigen oder verweigern, die nicht dem Arrangement angehören; s. Wolffgang I Hölscher; in FS Großfeld, S. 1329 (1338 ff.); Hucko, S. 13 f.; Wemer; AwPrax 1996, S. 49 ff. 6 Abgedruckt in EA 1993 (Dokument), S. 397 ff.; Müller; EA 1993, S. 327 ff. ; Bundscherer; AwPrax 1996, S. 7 ff. 7 Wemer, RIW 1998, S. 179 (180 ff.). 8 Zur Terminologie s. Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (780).
7 Burkard
3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
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nur schwer überschaubar. 9 Selbst völlig unverdächtige Produkte können strategische Bedeutung erlangen. Anschauliches Beispiel sind chemische Substanzen, aus denen normalerweise Haarshampoo hergestellt wird und die sich bei entsprechender Verarbeitung auch als Vorprodukte für die Fabrikation von Giftgas eignen. 10 Im Rahmen der Dual-Use-Güter besteht besonderes strategisches Interesse an meta11verarbeitenden Maschinen sowie Informations- und Kommunikationssystemen. In Anbetracht des relativ dichten Exportregimes für Rüstungsgüter wuchs die Nachfrage nach dieser Art "ziviler Technologie", deren Verbreitung sich aufgrund ihrer doppelten Verwendbarkeit wesentlich schwerer kontrollieren läßt als etwa die der klassischen militärischen Güter. 11 Bis Anfang 1994 erfüllte das CoCom für die westlichen Industrienationen diese Aufgabe. 12 Danach ste11te jeder Staat seine eigenen Maßstäbe und Kriterien für die Ausfuhr strategischer Waren auf. Nicht immer konnten hier weltpolitische Verantwortung rein wirtschaftliche Erwägungen verdrängen. In Buropa entwickelte sich daher, nicht unmaßgeblich gefördert von deutscher Initiative, 13 das Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung im Rahmen der Europäischen Union. Nur eine Harmonisierung ist in der Lage, wirksame Kontro11e zu gewährleisten, und nur so lassen sich Wettbewerbsverzerrungen zwischen den europäischen Exporteuren vermeiden.14 Trotz dieser offensichtlichen Vorteile dauerte es fast drei Jahre, bis sich die Staaten der Europäischen Union auf ein einheitliches Exportkontrollregime für strategische Waren einigen konnten. 15 Die zum 1. Juli 1995 in Kraft getretene "Verordnung des Rates über eine Gemeinschaftsregelung der Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck" 16 führt einheitliche Genehmigungspflichten und Genehmigungsverfahren für die Ausfuhr von Dual-Use-Gütem ein. Der zum gleichen Zeitpunkt Gültigkeit erlangende "Beschluß des Rates über die Annahme einer gemeinsamen Aktion zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem VerwenEgger, S. 65 f. Hucko, in Ehlers!Wolffgang (Hrsg.), S. 39 (41); Hehn, DVP 1997, S. 492. l1 Hehn, DVP 1997, S. 492 ff. 12 Oeter, RabelsZ 1991, S. 436 (440), Großfeld I Junker, S. 14 ff. 13 Bericht über den Stand der Bemühungen um EG-Harmonisierungen bei den Exportkontrollen von zivil und militärisch verwendbaren Gütern, Unterrichtung durch die Bundesregierung vom 18. Sept. 1992, Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Drucksache 12/3275, s. 1 ff. 14 Bermbach, S. 6 ff. 15 Über den Verlauf der Verhandlungen s. Hahn, ZfZ 1993, S. 314 (315 ff.); Pietsch, EWS 1994, S. 298 (299); Jestaedt, EWS 1992, S. 53 (54); zu den Plänen einer umfassenden Revision der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck s. Rieclc, R1W 1999, s. 115 ff. 16 Dual-Use-Verordnung (DUV), VO (EG) Nr. 3381/94 vom 19. Dez. 1994 (ABI. EG Nr. L 367 I 1 vom 31. Dez. 1994) geändert durch VO (EG) Nr. 837/95 vom 10. April. 1995 (ABI. EG Nr. L 90/1 vom 21. April1995). 9
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2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Duai-Use-Gütern
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dungszweck" 11 ist eine im Rahmen der GASP gefaßte Entscheidung und bildet mit der Verordnung ein "integriertes System", wie es in beiden Rechtsakten heißt. 18 Der Dual-Use-Beschluß enthält Listen, in denen die Dual-Use-Güter verzeichnet sind, für die das Exportkontrollregime gelten soll, 19 und in denen die Länder aufgeführt werden, für die vereinfachte Formalitäten vorgesehen werden können,20 sowie eine Zusammenstellung gemeinsamer Leitlinien, die die zuständigen Behörden bei derErteilungeiner Ausfuhrgenehmigung zu berücksichtigen haben.2 1 II. Exportkontrolle strategischer Waren als Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft
Die lange Dauer der Verhandlungszeit über ein einheitliches europäisches Kontrollregime für den Export strategischer Waren hängt zusammen mit der Gemengelage nationaler und gemeinschaftlicher Kompetenzen in diesem Bereich und der daraus resultierenden ·Uneinigkeit der Mitgliedstaaten über die Zuständigkeiten. 22 Die Schwierigkeit bei der Einordnung von Dual-Use-Gütern mit ihrem besonderen Charakter als sicherheitsrelevante Wirtschaftsgüter spiegelt den Gegensatz zwischen der ursprünglich rein handelspolitischen Zielrichtung der Gemeinschaft und den außen- und sicherheitspolitischen Interessen der Mitgliedstaaten wider. Die Europäische Gemeinschaft verfügt nach Art. 133 EGV über die Kompetenz zur Gestaltung einer gemeinsamen Handelspolitik. Als ihrer Natur nach zivile Waren fallen Dual-Use-Güter in den Zuständigkeitsbereich gemeinschaftlicher Handelspolitik. Zugleich berührt der Export dieser auch militärisch verwendbaren Waren die außenpolitische Verantwortung und die sicherheitspolitische Konzeption der Staaten. Die Außen- und Sicherheitspolitik obliegt, anders als die Handelspolitik, als wesentliches Element staatlicher Souveränität aber weiterhin den Mitglied17 Dual-Use-Beschluß (DUB), Beschluß des Rates 94/942/GASP vom 19. Dezember 1994 (ABI. EG Nr. L 367/8 vom 31. Dez. 1994), geändert durch die Beschlüsse 95/127/ GASP und 95/128/GASP vom 10. April 1995 (ABI. EG Nr. L 90/2 ff. vom 21. April 1995), durch Beschluß 96/613/GASP vom 22. Oktober 1996 (ABI. EG Nr. L 278/1 vom 30. Okt. 1996, ), durch Beschluß 97/100/GASP vom 20. Jan. 1997 (ABI. EG Nr. L 34/1 vom 4. Feb. 1997), durch Beschluß 97/633/ GASP vom 22. Sept. 1997 (ABI. EG Nr. L 266/ 1 vom 29. Sept. 1997), durch Beschluß 98/106/GASP vom 26. Jan. 1998 (ABI. EG Nr. L 32/1 vom 6. Feb. 1998), durch Beschluß 98/232/ GASP vom 16. März 1999 (ABI. EG Nr. L 92/1 vom 25. März 1998), durch Beschluß 1999/54/GASP vom 18. Jan. 1999 (ABI. EG Nr. L 18/1 vom 23. Jan. 1999) sowie durch Beschluß 1999/193/GASP vom 9. März 1999 (ABI. EG Nr. L 71/1 vom 19. März 1999). 18 s. Präambel der DUV; s. Art. I Abs. 2 DUB. 19 s. Anhang I des DUB. 2o s. Anhang ll des DUB. 21 s. Anhang III des DUB. 22 Hahn, Ztz 1993, S. 314 (315 f.); Rieck, RIW 1999, S. 115 (117); Reuter, Rn. 188; Hukko, DB 1995, S. 513.
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staaten. Die im Vertrag von Maastricht eingeführte und durch den Amsterdamer Vertrag modifizierte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik bewirkt keine Übertragung dieser Kompetenzen auf die Gemeinschaft, sondern verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich, diese auf europäischer Ebene nach bestimmten Verfahren gemeinsam auszuüben. 23 Der Ausfuhrkontrolle strategischer Güter kommt somit ähnlich wie den Wirtschaftssanktionen gleichsam eine Zwitternatur zu. Sie stellt ein handelspolitisches Instrument dar, eine Eingriffsmöglichkeit in den Export, die Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden und damit die Einheitlichkeit des Binnenmarktes zu sichern hilft. Gleichzeitig ist ihre Zielsetzung jedoch eine außen- und sicherheitspolitische, denn sie möchte die Verbreitung von militärisch verwendbarem Material regulieren und auf diese Weise verhindern, daß es expansionistischen Machthabern gelingt, mittels westlicher Hochtechnologie in den Besitz von Massenvernichtungswaffen zu gelangen und internationale Konflikte auszulösen. Um dieser Zwitternatur der Ausfuhrkontrolle gerecht zu werden, haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Einführung des integrierten Systems verständigt. Ähnlich dem zweistufigen Verfahren des Art. 301 EGV für den Komplex der Wirtschaftssanktionen stellt das integrierte System für die Exportkontrolle strategischer Waren einen Kompromiß zwischen nationalem Souveränitätsbewußtsein und supranationalem Harmonisierungsstreben dar. 24 Das eingesetzte Instrumentarium gehört zu den gemeinschaftlichen Handlungsformen, während die außenpolitische Grundentscheidung den Mitgliedstaaten obliegt. 25 Durch die Verschränkung einer EG-Verordnung nach Art. 133 EGV mit einem intergouvernementalen Beschluß im Rahmen der GASP sollen nationale und gemeinschaftliche Zuständigkeiten verbunden werden und als Grundlage einer einheitlichen Regelung zur Kontrolle der Ausfuhr von strategischen Gütern dienen. 26 Das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck bildet so einen weiteren Beriihrungspunkt von GASP und Gemeinschaft. Das hier festgelegte Zusammenwirken von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bringt notwendigerweise Wechselwirkungen zwischen der GASP und der Gemeinschaft mit sich. Es ist daher im folgenden zu priifen, welche Konsequenzen sich im integrierten System für das Verhältnis von Gemeinschaft und GASP ergeben. Im Mittelpunkt stehen die Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft, die aus der Verbindung eines gemeinschaftlichen und eines intergouvernementalen Rechtsaktes resultieren. 23 Streinz. EuZW 1998, S. 137 (140); Lecheler, JuS 1998, S. 392 (395); Langrish, E.L.Rev 23 (1998}, S. 3 (14); Münch, ZÖR 1997, S. 389 (392 ff.); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69. 24 Rieck, RIW 1999, S. 115 (117); Reuter, Rn. 190; Hucko, DB 1995, S. 513; äußerst kritisch hierzu Koutrakos, E.L.Rev. 23 (1998), 235 (242 f.). 25 Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (809). 26 GI Tl E-Gilsdorfl Kuijper zu Art. 224 Rn. 28.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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Dies erfordert zunächst eine genaue Bestimmung des Umfangs der Gemeinschaftskompetenzen in diesem Bereich und eine Untersuchung von Konstruktion und Regelungsgehalt des integrierten Systems.
111. Umfang der Gemeinschaftskompetenz bei der Exportkontrolle strategischer Waren Das integrierte System der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern ist nur dann sinnvoll, wenn die Gemeinschaft nicht die alleinige Kompetenz in dieser Frage besitzt. Sofern der EG-Vertrag der Gemeinschaft eine Rechtsgrundlage für diesen Bereich zur Verfügung stellte, wäre das integrierte System praktisch hinfällig, weil dann die Gemeinschaft aus eigener Kompetenz jederzeit die Möglichkeit hätte, eine neue Regelung aufzustellen, und auf die Kooperation der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP nicht angewiesen wäre. Sie könnte dann durch einfache Verordnung auch über die Materie entscheiden, die jetzt vom Dual-Use-Beschluß der GASP erlaßt ist. Als mögliche Rechtsgrundlagen kommen Art. 301 EGV und Art. 133 EGV in Betracht.
1. Art. 301 EGVals Rechtsgrundlage Art. 301 EGV gilt für alle Eingriffe der Gemeinschaft in die" Wirtschaftsbeziehungen" zu anderen Staaten. Diese bewußt gewählte weite Formulierung umfaßt jede Limitierung oder vollständige Unterbindung des Handels-, Dienstleistungs-, Kapitals- und Zahlungsverkehrs. 27 Der Wortlaut ist somit nicht allein auf Wirtschaftssanktionen beschränkt. Er erlaßt auch Exportkontrollmaßnahmen, deren Zweck es ist, die Ausfuhr bestimmter Güter zu verhindern oder an Genehmigungen zu knüpfen; denn auch dadurch wird in die "Wirtschaftsbeziehungen" zwischen den Staaten eingegriffen. Allerdings verleiht Art. 301 EGV nur die Kompetenz zum Erlaß der "erforderlichen Sofortmaßnahmen ". Dies verengt seinen Anwendungsbereich auf kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen; längerfristige können dagegen nicht auf Art. 301 EGV gestützt werden. 28 Während Wirtschaftssanktionen als politische Zwangsmittel immer, um Wirksamkeit entfalten zu können, ein schnelles Eingreifen erfordern, ist dies bei Ausfuhrkontrollen nicht der Fall. 29 Exportkontrollen dienen dazu, die VerZeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (212 f.). Govaere/Eeckhout, CML Rev. 29 (1992), S. 941 (963 f.); Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (790); G/T/E-Gilsdorf/ Kuijper zu Art. 228 a Rn. 5, 12; a.A. Grabitz/ Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 5; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219); Egger, S. 163 f. 29 Emiliou, E.L.Rev. 22 (1997), S. 68 (70). 27
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breitung bestimmter gefährlicher Güter zu verhindern. Sie stellen keine Reaktion auf einen konkreten Anlaß dar und besitzen eher präventiven als repressiven Charakter. Demzufolge sind Exportkontrollen grundsätzlich längerfristig angelegt, so daß sie nicht unter den Begriff "Sofortmaßnahmen" fallen. 30 Art. 301 EGV kann somit schon tatbestandlieh nicht als Rechtsgrundlage einer gemeinschaftlichen Ausfuhrkontrolle für Dual-Use-Güter dienen. Ferner ist zu beachten, daß Art. 301 EGV der Gemeinschaft ohnehin nur die Kompetenz zur Umsetzung eines GASP-Beschlusses einräumt. Zwar handelt es sich um eine ausschließliche Zuständigkeit, 31 sie kann jedoch nur wahrgenommen werden, wenn die Mitgliedstaaten zuvor eine entsprechende politische Grundentscheidung getroffen haben? 2 Aus diesem Grund könnte Art. 301 EGV, auch für den Fall seiner Anwendbarkeit, niemals der Gemeinschaft die Kompetenz verleihen, die Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck umfassend zu regeln.
2. Art. 133 EGVals Rechtsgrundlage Seit dem Ablauf der Übergangszeit am 31. 12. 1969 besitzt die Gemeinschaft gemäß Art. 133 EGV die Kompetenz, eine gemeinsame Handelspolitik nach einheitlichen Grundsätzen zu gestalten. Art. 133 EGV weist der Gemeinschaft eine ausschließliche Kompetenz zu. 33 Dies bedeutet, daß in seinem sachlichen Anwendungsbereich die Mitgliedstaaten keine Regelungsbefugnis mehr besitzen, gleichgültig, ob die Gemeinschaft ihrerseits von der Kompetenz Gebrauch gemacht hat.34 Weil eine ausschließliche Kompetenz somit für die Mitgliedstaaten einschneidende Auswirkungen hat, muß ihr Anwendungsbereich eindeutig definiert sein. Die Bestimmung des genauen Umfangs der gemeinsamen Handelspolitik bereitet jedoch Schwierigkeiten. Besonders problematisch ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Begriff der Handelspolitik nur Maßnahmen umfaßt, die handelspolitischen Zwecken dienen, oder auch solche Maßnahmen betrifft, mit denen aus.o.; Bermbach, S. 79 f. Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 1; Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (788 f.). 32 Grabitz /Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 9; Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (12); Fink-Hooijer; EJIL 5 (1994), S. 173 (175). 33 Gutachten 1175 des EuGH vom 11. 11. 1975 (Lokale Kosten), Slg. 1975, S. 1355 (1363 f.); Urteil des EuGH in der Rs. C-124/95 vom 14. 1. 1997, The Queen ex parte: Centro-Com Srl./HM Treasury und Bank of England, Slg. 1997, S. 1-114 (1-122), Rn. 23; Grabitz/Hilf-Vedder zu Art. 113 Rn. 3; Lenz I Müller-/hold zu Art. 133 Rn. 1; Pieper; in Bleckmann Rn. 1427; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (790 f.). A.A.: von Bogdilndy/Nettesheim, EuZW 1993, S. 465 (466 f.); Oppermann, Rn. 1741, der für den .,Kern der gemeinsamen Handelspolitik" eine ausschließliche, für den .,handelspolitischen Bereich im weiteren Sinne" eine konkurrierende Kompetenz annimmt. 34 Schweitzer I Hummer Rn. 343. 30
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2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
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ßen- und sicherheitspolitische Zielsetzungen verfolgt werden, wie dies beim Erlaß eines Exportregimes für Güter mit doppeltem Verwendungszweck der Fall ist.
a) Die Auslegung des Art. 133 EGV Die Auslegung des Begriffes der gemeinsamen Handelspolitik ist durch zwei gegensätzliche Ansätze geprägt, die Rat und Kommission in ihren Stellungnahmen im Gutachten I I 78 des Europäischen Gerichtshofes zum Internationalen Naturkautschuk-Übereinkommen35 vertreten. Der Rat interpretiert hier den Art. 133 EGV final, das heißt eine Maßnahme gehört zur gemeinsamen Handelspolitik, wenn sie "eine Änderung des Handelsvolumens oder des Handelsstroms" bezweckt. 36 Eine auf den Handelsverkehr sich auswirkende Maßnahme, die dieses Ziel nicht oder nur neben anderen verfolge, wäre nach dieser Auffassung nicht unter den Begriff der gemeinsamen Handelspolitik zu subsumieren. Die Kommission dagegen bestimmt den Begriff der Handelspolitik instrumental. Eine Maßnahme fällt demnach unter Art. 133 EGV, wenn sie ein "Instrument zur Regelung des internationalen Handels" darstellt. 37 Mögliche außenpolitische Motive der Maßnahme spielten bei der Beurteilung keine Rolle. Beide Ansätze werden der Komplexität des Sachverhalts nicht gerecht. 38 Die zweckorientierte Auslegung des Rates beachtet nicht, daß in der Praxis jede Maßnahme der Handelspolitik eine Vielfalt von Motivationen aufweist. Die Auffassung des Rates beschränkt die Anwendbarkeit des Art. 133 EGV und läßt ihn seine Funktion, eine außenwirtschaftliche Absicherung des gemeinsamen Marktes und dessen Öffnung nach außen zu bewirken,39 nicht mehr erfüllen. Der instrumentale Ansatz der Kommission dagegen greift zu weit. Die Kommission muß sich entgegenhalten lassen, sie mißachte den Normzweck und stelle allein auf den Regelungsinhalt ab, obwohl sich nur durch beide der Umfang einer Norm bestimmen läßt.40
Gutachten 1178 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), S1g. 1979, S. 2871 ff. Stellungnahme des Rates, in Gutachten 1178 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2884); in der Literatur ebenso: Lörcher; S. 129; d 'Orville, S. 43 ff. 37 Stellungnahme der Kommission, in Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2884); in der Literatur ebenso: Schumacher; EuR 1977, S. 26 (32 f.); Nicolaysen, FS Schlochauer; S. 855 (876). 38 s. Kritik von Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (793); Marauhn, ZaöRV 54 (1994), S. 779 (782); Bermbach, S. 37 ff.; vermittelnde Ansicht: Bleckmann, RIW 1986, S. 194 (195 ff.); Ehlermann, FS Teitgen, S. 145 (152 f.). 39 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2915), Rn. 50; Gutachten 1/75 des EuGH vom 11. 11. 1975 (Lokale Kosten), Slg. 1975, S. 1355 (1362 f.); Weissenberg, S. 65 ff.; d 'Orville, S. 36. 40 Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (793). 35
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Der Gerichtshof hat es unterlassen, sich für einen der beiden Standpunkte zu entscheiden. Er hat in seiner Rechtsprechung jedoch Leitlinien zur Auslegung des Art. 133 EGV entwickelt. So folgert er aus der nicht abschließenden Aufzählung der Objekte der Handelspolitik im Art. 133 EGV, daß "die Frage der Außenhandelsbeziehungen in einer offenen Perspektive" zu regeln sei,41 die Gemeinschaft also nicht auf die Instrumente der klassischen Handelspolitik beschränkt bleiben dürfe. Vielmehr sei der Umfang der gemeinsamen Handelspolitik nach der Funktion der Kompetenzübertragung im Art. 133 EGV, der außenwirtschaftliehen Absicherung und Öffnung des gemeinsamen Marktes,42 zu bestimmen. Art. 133 EGV könne folglich nicht eng ausgelegt werden, weil dies die Unterschiede in den Wirtschaftsbeziehungen zu Drittstaaten bestehen ließe und Störungen im innergemeinschaftlichen Handel bewirke. 43 Die Gemeinschaft müsse in der Lage sein, ihre Außenhandelsbeziehungen vollständig und zusammenhängend zu regeln,44 ebenso wie dies auch jeder Staat beim Betreiben seiner eigenen Handelspolitik tun könne. Eine in diesem Sinn verstandene Handelspolitik kann nicht unter völligem Ausschluß anderer politischer Aspekte verfolgt werden. Sie hat notwendigerweise Berührungspunkte mit den verschiedensten Politikbereichen. 45 Vor diesem Hintergrund ist es schwer denkbar, daß eine Maßnahme, bei der neben der handelspolitischen noch weitere Intentionen eine Rolle spielen, nicht auf Art. 133 EGV gestützt werden kann. So hat der Gerichtshof festgestellt, die der Gemeinschaft in Art. 133 EGV zugewiesene Kompetenz gelte auch, wenn wirtschafts- und entwicklungspolitische Interessen einbezogen würden. 46 Im Tschernobyl-Fall entschied er, daß eine dem Umweltschutz und dem Schutz der Gesundheit dienende Maßnahme, die eine Beschränkung des Handelsverkehrs zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten zum Gegenstand hat, als Maßnahme der gemeinsamen Handelspolitik seine Grundlage in Art. 133 EGV findet. 47 41 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2913), Rn. 45. 42 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2915), Rn. 50; Gutachten 1/75 des EuGH vom 11. 11. 1975 (Lokale Kosten), Slg. 1975, S. 1355 (1362 f.); Weissenberg, S. 65 ff.; d'Orville, S. 36. 43 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2913), Rn. 45; Urteil des EuGH in der Rs. 8/73 vom 12. 7. 1973, Hauptzollamt Bremerhaven/Massey-Ferguson GmbH, S1g. 1973, S. 897 (907), Rz. 4; Urteil des EuGH in der Rs. C70/94 vom 17. 10. 1995, Fritz Wemer Industrie-Ausrüstungen GmbH/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, S. 1-3189 (1-3223), Rn. 9; Urteil des EuGH in der Rs. C-83/93 vom 17. 10. 1995, Strafverfahren gegen Peter Leifer u. a., Slg. 1995, S. 1-3231 (1-3244), Rn. 9. 44 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2910), Rn. 38; Urteil des EuGH in der Rs. 8/73 vom 12. 7. 1973, Hauptzollamt Bremerhaven I Massey-Ferguson GmbH, Slg. 1973, S. 897 (907), Rn. 4. 45 Gilsdorf. EuR 1996, S. 145 (165). 46 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2911 ff. ), Rn. 41 ff.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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Eine besonders enge Verknüpfung besteht zwischen handelspolitischen und außenpolitischen Zielsetzungen. 48 Dies hängt damit zusammen, daß internationale Wirtschaftsbeziehungen und internationale politische Beziehungen stark verwoben sind49 und daher die Wirtschaftspolitik schon immer als wirksames Instrument zur Erreichung außenpolitischer Ziele eingesetzt wurde. 50 Eine Handelspolitik, die die außenwirtschaftliche Sicherung des gemeinsamen Marktes und seine Öffnung nach außen bezweckt, hat sich notwendigerweise auch einer außenpolitischen Sichtweise zu bedienen. Betriebe die Gemeinschaft ihre Handelspolitik außenpolitisch blinden Auges, müßte sie ihre Handelspartner nach reinem Gewinninteresse auswählen. 51 Sie wäre dann nicht in der Lage, den Außenhandel und seine Konditionen an besonderen politischen Situationen und Beziehungen auszurichten. In dieser Beschränkung nähmen Einfluß und politische Bedeutung sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten Schaden. 52 Der Gerichtshof hat daher in seiner Rechtsprechung wiederholt erklärt, daß nationale Maßnahmen, die die Beschränkung der Ausfuhr bestimmter Güter bewirken, dem Bereich der gemeinsamen Handelspolitik des Art. 133 EGV nicht mit der Begrundung entzogen werden können, daß mit ihr außen- oder sicherheitspolitische Zwecke verfolgt würden. 53 Die rechtliche Einordnung einer Regelung, so der Gerichtshof in friiherer Rechtsprechung, habe sich an seinem wesentlichen Gegenstand zu orientieren. 54
b) Die Urteile "Werner" und "Leifer" des Europäischen Gerichtshofs Der Gerichtshof hat zu der Frage, ob die Kontrolle der Ausfuhr von Dual-UseWaren eine Maßnahme der Handelspolitik darstellt und folglich ihre Rechtsgrundlage in Art. 133 EGV findet, in zwei Urteilen des Jahres 1995 Stellung genommen.55 Beide beziehen sich noch auf die Rechtslage vor Erlaß der Dual-Use-Ver47 Urteil des EuGH in der Rs. C-62188 vom 29. 3. 1990, Griechische Republik/Rat der Europäischen Gemeinschaften, S1g. 1990, S. 1-1527 (1-1549 ff.), Rn. 15 ff. 48 s. Bermbach, S. 40 f. 49 Gutachten 1178 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), S1g. 1979, S. 2871 (2911), Rn. 39. 50 Nicolaysen, S. 190. 51 So argumentierend: Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (794). 52 s. Bermbach, S. 40, nach der die Beschränkung der Handelspolitik auf ökonomische Ziele zu einer" völligen Handlungsunfähigkeit der Gemeinschaft" führen könne. 53 Urteil des EuGH in der Rs. C-124/95 vom 14. 1. 1997, The Queen ex parte: CentroCom Srl./ HM Treasury und Bank of England, Slg. 1997, S. I-ll4 (1-123), Rn. 26; Urteil des EuGH in der Rs. C-70/94 vom 17. 10. 1995, Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH/ Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, S. I-3189 (I-3223), Rn. 10. 54 Gutachten 1178 des EuGH vom 4. 10. 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2917), Rn. 56.
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ordnung. Er betont darin, daß weder die besondere Natur der Güter mit doppeltem Verwendungszweck56 noch die außen- und sicherheitspolitische Zielsetzung der Exportkontrolle in diesem Bereich zu einer Unanwendbarkeit des Art. 133 EGV führe. 57 Art. 133 EGV sei dahin auszulegen, daß "Regelungen zur Beschränkung der Ausfuhr von Dual-Use-Waren in Drittländer in seinen Geltungsbereich fallen und daß die Gemeinschaft auf diesem Gebiet über eine ausschließliche Zuständigkeit verfügt". 58 Diese apodiktische, aber ohne nähere Begründung getroffene Feststellung, läßt am Standpunkt des Gerichtshofes keinen Zweifel. Dennoch erstaunt es, wie selbstverständlich der Gerichtshof hier eine Gemeinschaftskompetenz annimmt, zieht man in Betracht, daß es bisher zu einer Übertragung von außen- oder sicherheitspolitischen Kompetenzen auf die Gemeinschaft noch nicht gekommen ist. 59 Es stellt sich daher die Frage, ob vor diesem Hintergrund der Entscheidungen "Werner" und "Leifer" das gegenwärtige Exportkontrollregime für Güter mit doppeltem Verwendungszweck, das integrierte System aus gemeinschaftlicher Dual-Use-Verordnung und mitgliedstaatlichem Dual-Use-Beschluß, rechtswidrig ist. Zwar geht der Gerichtshof nunmehr ganz offensichtlich von einer ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft zur umfassenden Regelung des Exports der Dual-Use-Güter aus, er hat es jedoch bisher vennieden, sich über die Bedeutung des Art. 297 EGV in dieser Frage zu äußern. 60 Könnten sich die Mitgliedstaaten aber auf Art. 297 EGV berufen, wären sie ermächtigt, abweichend von den allgemeinen Vorschriften des Vertrages die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.61 Die Gemeinschaft könnte eine etwaige ausschließliche Kompetenz nicht in Anspruch nehmen. 62 Die 55 Urteil des EuGH in der Rs. C-70 I 94 vom 17. 10. 1995, Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, S. 1-3189; Urteil des EuGH in der Rs. C-83193 vom 17. 10. 1995, Strafverfahren gegen Peter Leifer u. a., Slg. 1995, S. I-3231; zu den Urteilen s. Govaere, CML Rev. 34 (1997), S. 1019; Kokottl Rudolf, AJIL 1996, S. 286; Reuter; RIW 1996, S. 719; Emiliou, E.L.Rev. 22 (1994), S. 68. 56 Urteil des EuGH in der Rs. C-83 I 93 vom 17. 10. 1995, Strafverfahren gegen Peter Leifer u. a., Slg. 1995, S. I-3231 (I-3244), Rn. 11. 57 Urteil des EuGH in der Rs. C-70 I 94 vom 17. 10. 1995, Fritz Werner Industrie-Ausrüstungen GmbH/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, S. 1-3189 (I-3223), Rn. 10 f. 58 Urteil des EuGH in der Rs. C-83 I 93 vom 17. 10. 1995, Strafverfahren gegen Peter Leifer u. a., Slg. 1995, S. I-3231 (I-3245), Rn. 13. 59 Govaere, CML Rev. 34 (1997), S. 1019 (1032); a.A. Koutrakos, E.L.Rev. 23 (1998), 235 (243 ff.). 60 Urteil des EuGH in der Rs. C-83193 vom 17. 10. 1995, Strafverfahren gegen Peter Leifer u. a., Slg. 1995, S. I-3231 (I-3249), Rn. 31; s. Stellungnahme von Govaere, CML Rev. 34 (1997), s. 1019 (1036 f.) 61 G IT I E-GilsdorfI Kuijper zu Art. 224 Rn. 2. 62 GITIE-GilsdorfiKuijper zu Art. 224 Rn. 5; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (798); D'Orville, S. 171 f. ; Schröder; GYIL 23 (1980), S. 111 (116 f.); Bruha, DVBI. 1982, S. 674 (678). Es besteht in der Literatur weitgehende Einigkeit darüber, daß Art. 297 EGV die ausschließliche Kompetenz des Art. 133 EGV durchbricht (a.A Meier; RIW 1979, S. 247 (249)). Unein-
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Mitgliedstaaten setzen sich in diesem Fall "miteinander ins Benehmen", um ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. Das kann auf der Ebene der GASP geschehen.63 Während die außenpolitischen Aspekte in diesem Rahmen entschieden werden, könnten die Mitgliedstaaten die handelspolitische Umsetzung der Gemeinschaft übertragen. Diese Vorgehensweise entspräche somit genau der Kompetenzverteilung, die das integrierte System zu Grunde legt. Zwar ist der Art. 297 EGV der Rechtsprechung des Gerichtshofs zufolge eng auszulegen, 64 sein Anwendungsbereich als Ausnahmeregel gewinnt jedoch an Bedeutung, je weiter der Umfang des Art. 133 EGV ausgedehnt wird. Ginge man also von einer Anwendbarkeit des Art. 297 EGV aus, so wäre das geltende integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Urteilen "Wemer" und "Leifer" rechtmäßig.
c) Die Exportkontrolle strategischer Waren als Maßnahme der Handelspolitik nach Art. 133 EGV Auf die Rolle des Art. 297 EGV kommt es jedoch nicht an, wenn man die Auffassung vertritt, die Gemeinschaft besäße nicht die ausschließliche Kompetenz aus Art. 133 EGV zur umfassenden Regelung der Ausfuhrkontrolle strategischer Waren. Dafür gibt es gute Gründe. Folgt man der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, so können, wie oben dargestellt, auch Maßnahmen zur Handelspolitik gehören, die eine außen- und sicherheitspolitische Zielsetzung besitzen.65 Zugleich ist jedoch bei der rechtlichen Einordnung einer Regelung auf den "wesentlichen Gegenstand" abzustellen. 66
heitlich beurteilt wird jedoch die Frage, auf welche Weise dies geschieht. Nach D'Orville, S. 171 f.; Gori, in Clauder (Hrsg.), S. 288 (292); BruluJ, DVBL 1982, S. 674 (678) begründet Art. 297 eine ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten. Für G ITI E-GilsdorfI Kuijper zu Art. 224 Rn. 5; Meng, ZaöRV 42 (1982), S. 780 (798); Wirbel, S. 63 ff.; Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 1 (21 f.); Schröder; GYIL 23 (1980), S. 111 (118) stehen in diesem Fall mitgliedstaatliche Kompetenz und Gemeinschaftskompetenz in einem Konkurrenzverhältnis. 63 GITIE-GilsdorfiKuijper zu Art. 224 Rn. 29. 64 Urteil des EuGH in der Rs. 222/84 vom 15. 5. 1986, Johnston I Chief Constable of the RUC, Slg. 1986, S. 1663 (1684), Rn. 26 f. 65 Urteil des EuGH in der Rs. C-124/95 vom 14. 1. 1997, The Queen ex parte: CentroCom Srl./HM Treasury und Bank of England, Slg. 1997, S. 1-114 (1-123), Rn. 26; Urteil des EuGH in der Rs. C-70/94 vom 17. 10. 1995, Fritz Wemer Industrie-Ausriistungen GmbH/ Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, S. 1-3189 (1-3223), Rn. 10. 66 Gutachten 1/78 des EuGH vom 4. Oktober 1979 (Naturkautschuk), Slg. 1979, S. 2871 (2917), Rn. 56.
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"Wesentlicher Gegenstand" der Errichtung eines Exportkontrollregimes von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck sind außen- und sicherheitspolitische Erwägungen.67 Es geht darum, die Verbreitung von Gütern zu vermeiden, die in falschen Händen zur Herstellung von Vernichtungswaffen eingesetzt werden können. Ein Exportkontrollregime dient dazu, die Gefahr für Frieden und Sicherheit, die diese Güter in sich tragen, nicht zum Ausbruch kommen zu lassen, indem auf außenpolitischen Erwägungen beruhende Entscheidungen dariiber getroffen werden, welche dieser Güter an welchen Staat geliefert werden können. 68 Eine solche strategische Entscheidung gehört ganz in die außen- und sicherheitspolitische Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. 69 Die handelspolitischen Umsetzung dieser Entscheidung fällt in den Rahmen des Art. 133 EGV. Sie istjedoch lediglich eine technische Frage und nicht wesentlicher Gegenstand der Regelung.
Die Einstufung der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck als handelspolitische Maßnahme widerspricht ihrer Motivation und politischen Bedeutung. Gerade weil die Kontrolle der Verbreitung dieser Güter der weltpolitischen Verantwortung der Mitgliedstaaten für Frieden und Sicherheit entspringt, kann ihr eine handelspolitische Sichtweise nicht gerecht werden. Vielmehr werden Gewinninteresse und Streben nach Weltmarktanteilen außenpolitischen Wertentscheidungen, nämlich, wem welche Güter gefahrlos in die Hände gegeben werden können, hintangestellt und damit der Primat der Außen- und Sicherheitspolitik in dieser Frage zum Ausdruck gebracht. Der Gerichtshof begründet seine Entscheidung in den Rechtssachen "Werner" und "Leifer", indem er feststellt, ein Mitgliedstaat könne den Geltungsbereich der Handelspolitik nicht dadurch einschränken, daß er nach seinen außen- oder sicherheitspolitischen Bedürfnissen frei bestimmt, ob eine Maßnahme unter Art. 133 EGV fallt. 70 Hier ist dem Gerichtshof insofern zuzustimmen, als es bei einer Maßnahme, die neben anderen auch außenpolitische Aspekte berührt, zu einer weitgehenden Begrenzung der gemeinschaftlichen Handlungsspielraumes führte, könnten die Mitgliedstaaten unter Berufung auf ihre Außenkompetenzen entgegen dem überwiegend handelspolitischen Schwerpunkt ein gemeinschaftliches Vorgehen verhindern. Bei dem Fall des Exportregimes für Güter mit doppeltem Verwendungszweck stellt sich die Situation jedoch gerade anders dar. Hier werden außenpolitische Aspekte nicht nur am Rande berührt, hier liegen sie, wie oben dargestellt, im Zentrum. Der handelspolitischen Seite kommt eher eine untergeordnete Rolle zu. Bei konsequenter Anwendung der Argumentation des Gerichtshofs in 67 Ebenso für den parallelen Fall der Wirtschaftssanktionen: Klein, ArchVR 1992, S. 101 (110); Grabitz/ Hilf-Vedder zu Art. ll3 Rn 62 f.; a.A. Bermbach, S. 84 ff. 68 s. Art. 1 des Dual-Use-Beschlusses (DUB), Beschluß des Rates 9419421GASP vorn 19. Dezember 1994 (ABI. EG Nr. L 36718 vorn 31. Dez. 1994). 69 s. 4. Erwägungsgrund der Dual-Use-Verordnung (DUV), VO (EG) Nr. 3381194 vorn 19. Dez. 1994 (ABI. EG Nr. L 367 I 1 vorn 31. Dez. 1994). 70 Urteil des EuGH in der Rs. C-70 I 94 vorn 17. 10. 1995, Fritz Wemer Industrie-Ausrüstungen GmbH I Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1-3189 (1-3223 ), Rn. 11.
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den Rechtssachen "Werner" und "Leifer" wäre eine alleinige Kompetenz der Gemeinschaft für die Verhängung von Exportkontrollen für Dual-Use-Waren abzulehnen. Denn so wie bei handelspolitischen Maßnahmen mit außenpolitischen Aspekten die Mitgliedstaaten unter Berufung auf ihre Außenkompetenz der Gemeinschaft nicht die Zuständigkeit entziehen können, so darf andererseits auch nicht die Gemeinschaft bei außenpolitischen Maßnahmen mit handelspolitischen Implikationen den Mitgliedstaaten unter Berufung auf ihre handelspolitische Kompetenz die außenpolitische Zuständigkeit entziehen. Dieser Standpunkt wird unterstützt, wirft man einen Blick auf den parallel liegenden Fall der Wirtschaftssanktionen. 71 Auch hier wurde lange darum gestritten, ob Art. 133 EGVals alleinige Rechtsgrundlage in Betracht kommt. 72 Die Literatur bejahte dies vielfach mit der Begründung, die außenpolitische Zielsetzung der Wirtschaftssanktionen könne den handelspolitischen Charakter der Maßnahmen nicht beeinträchtigen.73 Dennoch hat der Maastrichter Vertrag mit Art. 301 EGV eine eigene Rechtsgrundlage ftir die Verhängung von Wirtschaftssanktionen eingeführt und damit deutlich gemacht, daß Art. 133 EGVals gemeinschaftliche Rechtsgrundlage Wirtschaftssanktionen nicht umfaßt. 74 Das zweistufige Verfahren des Art. 301 EGV legt sich für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen auf eine Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten fest, nach der die außenpolitische Grundentscheidung von den Mitgliedstaaten getroffen wird und ihre Umsetzung als handelspolitische Maßnahme der Gemeinschaft obliegt. Der Regelung des Art. 301 EGV kommt insofern Modellcharakter zu für Bereiche, in denen außenpolitische Ziele mit handelspolitischen Mitteln verwirklicht werden sollen, und kann daher auch als Hinweis auf die Kompetenzverteilung bei der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck dienen. 75 Von einer solchen Kompetenzverteilung geht ganz offensichtlich auch der Rat aus. Im 4. Erwägungsgrund der Präambel der Dual-Use-Verordnung erklärt er, die Entscheidung, an welchen Staat welche Dual-Use-Güter geliefert werden dürfen, seien "strategischer Art" und fielen daher "in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten". 76 Denselben Standpunkt vertritt die Kommission in ihrem entsprechenden Verordnungsvorschlag. 77
Jestaedt, EuZW 1994, S. 383 (384). s. den Überblick bei Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (201 ff.). 73 Dürr, Econorny-Fachrnagazin 1993, S. 199 (201); Schröder, GYIL 23 (1980), S. lll (ll4 ff.); Petersmann, ZVglRWiss 80 (1981), S. 1 (19 ff.); Meier, RIW 1979, S. 247 (249). 74 A.A. Reuter, RIW 1996, S. 719 (720). 75 Jestoedt/von Behr, EuZW 1995, S. 137 (138). 76 s. 4. Erwägungsgrund der Dual-Use-Verordnung (DUV), VO (EG) Nr. 3381/94 vom 19. Dez. 1994 (ABI. EG Nr. L 367/1 vorn 31. Dez. 1994). 77 s. 3. Erwägungsgrund des Vorschlags der Kornmission für eine Verordnung des Rates über die Kontrolle bei der Ausfuhr bestimmter Güter und Technologien mit doppeltem Verwendungszweck, (92/C253/05) vorn 31. 8. 1992 (Abi. EG Nr. C 253/13 vorn 30. 9. 1992). 71
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Art. 133 EGVreicht somit als Rechtsgrundlage für die Einführung eines Exportkontrollregimes für Güter mit doppeltem Verwendungszweck nicht aus. 78 Bei einer Maßnahme, der wie hier fast ausnahmslos außenpolitische Motive zugrunde liegen, bedeutete es einen schweren Eingriff in die Souveränität der Mitgliedstaaten, würde man der Gemeinschaft eine umfassende Kompetenz zusprechen. Die Gemeinschaft kann auf der Grundlage des Art. 133 EGV zwar die handelspolitische Seite der Maßnahme regeln, die dem vorausgehende außenpolitische Grundentscheidung bleibt jedoch den Mitgliedstaaten vorbehalten.
3. Ergebnis Weder Art. 301 EGV noch Art. 133 EGV verleihen der Gemeinschaft die umfassende Kompetenz zum Erlaß strategischer Exportbeschränkungen. Die Außenkompetenz der Mitgliedstaaten wird durch Bestinunungen des EG-Vertrages nicht beeinträchtigt. Die Gemeinschaft ist jedoch auf Grundlage des Art. 133 EGV ausschließlich ermächtigt, Exportbeschränkungen handelspolitisch umzusetzen. Das integrierte System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck aus Dual-Use-Verordnung und Dual-Use-Beschluß entspricht somit der im EG-Vertrag vorgegebenen Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten. Es steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in den Urteilen "Werner" und "Leifer", die zwar von einer ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz in dieser Frage ausgehen, jedoch eine Anwendung des Art. 297 EGV nicht ausschließen.
IV. Das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck 1. Konstruktion Das am 1. Juli 1995 in Kraft getretene einheitliche europäische Kontrollregime für den Export strategischer Waren79 trägt in seiner besonderen Konstruktion dem langjährigen Meinungsstreit zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten über die Kompetenzverteilung in diesem Bereich Rechnung.
78 A.A. Bermbach, S. 84 ff.; Calliess/Ruffen-Cremer zu Art. 14 EUV Rn. 14; Reuter, RIW 1996, S. 719 (720). 79 s. zur Erläuterung des Exportkontrollregimes: Jestaedt /von Behr, EuZW 1995, S. 137 ff. und RIW 1995, S. 716 ff.; Hucko, DB 1995, S. 513 ff. ; Pietsch, EWS 1994, S. 298 ff.; Reuter, NJW 1995, S. 2191 ff.; ausfuhrlieh Bermbach S. 96 ff.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
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Die Regelung besteht aus zwei selbständigen Rechtsakten, einem Ratsbeschluß auf der Ebene der GASP nach Art. J.3 EUVa (Art. 14 EUV)80 und einer Verordnung auf der Rechtsgrundlage des Art. 113 EGVa (Art. 133 EGV). 81 Beide beziehen sich aufeinander und ergänzen sich inhaltlich. Gemeinsam bilden sie, wie es in beiden Rechtsakten heißt, ein "integriertes System". 82 Die Dual-Use-Verordnung bestimmt den sachlichen Umfang der Exportkontrolle, definiert Begriffe und legt das Verfahren fest. Inhaltlich verweist sie auf den Dual-Use-Beschluß. Wesentlicher Teil des Dual-Use-Beschlusses sind seine 5 Anhänge. Sie verzeichnen die zu kontrollierenden Dual-Use-Güter, 83 nennen Staaten, für die vereinfachte Genehmigungsverfahren gelten sollen,84 und stellen Genehmigungsgrundsätze auf, die von Mitgliedstaaten zu berücksichtigen sind.85 Da Verordnung und Beschluß auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen, unterliegt ihr Erlaß und damit auch ihre Änderung unterschiedlichen Verfahren. Der Dual-Use-Beschluß und seine Anhänge können als Rechtsakt der GASP durch einfachen Ratsbeschluß verändert werden und bedürfen nicht des aufwendigen Verfahrens, das für die Änderung einer Verordnung in Gang gesetzt werden muß. Das integrierte System ist daher ein äußerst flexibles Werkzeug und in der Lage, sich neuen Entwicklungen rasch anzupassen. 86 Der Zweck dieser ungewöhnlichen Konstruktion ist die oben dargestellte besondere Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Bereich der Ausfuhrkontrolle von Dual-Use-Gütem. Das integrierte System stellt den Versuch dar, in Anlehnung an das zweistufige Verfahren des Art. 301 EGV zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen nationale und gemeinschaftsrechtliche Kornpelenzbereiche miteinander zu verbinden, um auf diese Weise eine Harmonisierung zu erreichen, ohne nationale Zuständigkeiten zu verletzen. 87
80 Dual-Use-Besch1uß (DUB), Beschluß des Rates 94/942/GASP vom 19. Dezember 1994 (ABI. EG Nr. L 367/8 vom 31. Dez. 1994). 81 Dual-Use-Verordnung (DUV), VO (EG) Nr. 3381194 vom 19. Dez. 1994 (ABI. EG Nr. L 367/1 vom 31. Dez. 1994). 82 s. Präambel der DUV; s. Art. 1 Abs. 2 DUB. 83 Anhänge I, IV und V des DUB. 84 Anhang II des DUB. 85 Anhang III des DUB.
86 Dies bestätigt die Praxis in der Vielzahl von Änderungen seit Inkraftreten des DualUse-Beschlusses, s. Fn. 17. Die von Krenzler, in Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, S. Q 37 (Q 49) geäußerten Befürchtungen der Schwerfälligkeit des Systems bewahrheiteten sich insofern nicht. 87 Bennbach, S. 33.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
2. Inhalt der Regelung
Das Ausfuhrregime bezieht sich sowohl auf den innergemeinschaftlichen Handel88 als auch auf den Export aus der Gemeinschaft. Letzterer bildet jedoch den Schwerpunkt der Regelung und ist wegen der sich nur in diesem Zusammenhang ergebenden besonderen Zuständigkeitsproblematik hier ausschließlich von Interesse. Die Dual-Use-Verordnung stellt für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck aus der Gemeinschaft zwei Genehmigungstatbestände auf. Sie normiert in ihrem Art. 3 eine Genehmigungspflicht für den Export jener Gütern, die im Anhang I des Dual-Use-Beschlusses verzeichnet sind. Die Warenliste des Anhanges I enthält alle Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die nach der Vorstellung der Mitgliedstaaten aufgrund ihres besonderen Gefahrdungspotentials keine wahllose Verbreitung finden dürfen. Die Zusammensetzung der Liste beruht auf dem politischen Konsens der Mitgliedstaaten und kann durch einen Beschluß des Rates auf der Ebene der GASP ergänzt oder gekürzt werden. Bei der Verweisung des Art. 3 DUV handelt es sich um eine dynamische Verweisung, so daß eine Änderung der Warenliste des Dual-Use-Beschlusses zugleich den Regelungsgehalt der Dual-U se-Verordnung modifiziert. An die Seite dieser warenbezogenen Genehmigungspflicht stellt die Dual-UseVerordnung einen weiteren sich am Verwendungszweck orientierenden Genehmigungstatbestand. Nach Art. 4 DUV sind Güter, die nicht in Anhang I DUB aufgeführt sind, genehmigungspflichtig, wenn sie nach Kenntnis der Behörde oder des Ausführers zur Verwendung in den Bereichen der Herstellung von Massenvernichtungswaffen oder ihrer Trägertechnologie bestimmt sind oder bestimmt sein könnten. Die verwendungsbezogene Genehmigungspflicht hat in der Praxis einen geringen Anwendungsbereich, da nur in den seltensten Fällen Behörden und Ausführer wissen können, wozu die ausgeführten Waren im Bestimmungsland dienen werden.89 Neben den Genehmigungstatbeständen besitzt die Dual-Use-Verordnung Bestimmungen über Genehmigungsverfahren und Genehmigungskriterien. Unter den Verfahrensvorschriften ist besonders Art. 6 Abs. 1 DUV zu erwähnen. Demnach ist zwar grundsätzlich bei jeder Ausfuhr eine Einzelgenehmigung erforderlich, zugleich sind jedoch für besondere Fälle vereinfachte Formalitäten vorgesehen. So können gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. a DUV für einzelne oder alle Güter der Liste des Anhanges I allgemeine Genehmigungen erteilt werden. Voraussetzung ist jedoch, daß das Bestimmungsziel einer der im Anhang II des Dual-Use-Beschlusses verzeichneten Staaten ist. Auf diese Weise kann es im Verhältnis zu den auf der Liste 88 Art. 19-21 DUV; zur Kontrolle des innergemeinschaftlichen Handels s. Jestaedt /von Behr, EuZW 1995, S. 137 (139); Hucko, DB 1995, S. 513 (514); Reuter, NJW 1995, S. 2190 (2192); Bermbach, S. 175 ff. 89 Hucko, DB 1995, S. 513.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
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des Anhanges II eingetragenen Staaten zu einer weitgehenden Liberalisierung des Handels mit Dual-Use-Gütern kommen. Über die Zusammensetzung der Liste entscheidet der politische Konsens der Mitgliedstaaten. Ihr außenpolitisches Urteil bestimmt, welchem Land Vertrauen in ausreichendem Maß entgegengebracht wird, mit sicherheitsrelevanten Gütern verantwortungsvoll umzugehen. Ändert sich die Einschätzung der Mitgliedstaaten, so kann dem durch eine entsprechende Anpassung der Liste mit einem einfachen GASP-Beschluß Rechnung getragen werden. Da die Ausfuhrgenehmigungen wie zuvor von den mitgliedstaatliehen Behörden ausgestellt werden, ist die Einheitlichkeit der Entscheidungen nur zu wahren, wenn alle dieselben Genehmigungskriterien zugrunde legen. Nach Art. 8 DUV haben die zuständigen Behörden bei der Erteilung der Ausfuhrgenehmigungen die gemeinsamen Leitlinien in Anhang III des Dual-Use-Beschlusses zu berücksichtigen. Hier sind zunächst die Verpflichtungen aufgeführt, die sich aus internationalen Vereinbarungen über die Nichtverbreitung sicherheitsempfindlicher Güter und aus Sanktionen der Vereinten Nationen ergeben. Als weitere Kriterien werden Überlegungen der nationalen Außen- und Sicherheitspolitik genannt. Schließlich sollen auch Erwägungen über den "beabsichtigten Endverbleib" der Güter in Betracht gezogen werden. Alle in Anhang III aufgeführten Leitlinien sind außen- und sicherheitspolitischer Natur und das Ergebnis mitgliedstaatliehen Einvernehmens im Rahmen der GASP. Die Leitlinien des Anhanges III können durch einen Ratsbeschluß nach Art. 14 EUV modifiziert werden. Aufgrund der dynamischen Verweisung des Art. 8 DUV sind die gemeinsamen Leitlinien in ihrer jeweils geltenden Fassung zu berücksichtigen. Es ist nun zu prüfen, welche Konsequenzen sich im integrierten System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck für das Verhältnis von GASP und Gemeinschaft ergeben. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft, die hier aus der Verbindung eines supranationalen und eines intergouvernementalen Rechtsaktes resultieren.
V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft im integrierten System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck Ähnlich der Situation im zweistufigen Verfahren sind auch beim integrierten System grundsätzlich zwei Arten von Konflikten zwischen GASP und Gemeinschaft denkbar. 90 Zum einen könnte die Verschränkung von gemeinschaftlichen Rechtsakten und Rechtsakten der GASP zur Folge haben, daß die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten Kompetenzen entzieht, es also zu einer "Vergemeinschaftung" natio90 Zu den Konflikten zwischen GASP und Gerneinschaft im zweistufigen Verfahren der Verhängung von Wirtschaftssanktionen nach Art. 301 EGV s. auch Ga1fon, S. 120 ff.; Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219 ff.); Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (7 f.); Krenzler/Schneider; EuR 1994, S. 144 (152); Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (81); Grabitz/Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 7.
8 Burkard
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
naler Zuständigkeiten kommt. Zum anderen ist auch die entgegengesetzte Entwicklung denkbar. Die GASP könnte im integrierten System ein so großes Gewicht der Gemeinschaft gegenüber gewinnen, daß dies im Ergebnis eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten bewirkt.
1. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im integrierten System Eine "Vergemeinschaftung" nationaler Zuständigkeiten im Bereich der Außenpolitik läge vor, wenn die EG in der Verordnung des integrierten Systems Entscheidungen auf dem Gebiet nationaler Kompetenzen träfe und die Mitgliedstaaten daran gebunden wären. 91 Als möglicherweise betroffene nationale Zuständigkeit kommt die allgemeine Außenpolitik in Betracht. Die Untersuchung des integrierten Systems der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck hat ergeben, daß die Dual-Use-Verordnung sich inhaltlich auf die Normierung der Genehmigungspflicht, der Festlegung des Genehmigungsverfahrens und der Definition von Begriffen beschränkt. In allen Fragen, die außenpolitische Wertentscheidungen voraussetzen, wie die Zusammenstellung der Waren, für die die Ausfuhrkontrolle gelten soll, oder der Staaten, welche in den Genuß vereinfachter Verfahren kommen sollen, verweist die Dual-Use-Verordnung auf den Beschluß der GASP. Damit wird sichergestellt, daß die Gemeinschaft nicht in den Zuständigkeitshereich der Mitgliedstaaten eingreift. Im integrierten System, genau wie im zweistufigen Verfahren des Art. 301 EGV, kommt es nicht zu einer "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten.92
2. lntergouvemementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im integrierten System Möglicherweise bewirkt jedoch die Verbindung eines supranationalen und eines intergouvernementalen Rechtsaktes umgekehrt eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten. Im integrierten System würden Kompetenzen der Gemeinschaft intergouvernementalisiert, also in den von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP nunmehr gemeinsam ausgeübten nationalen Zuständigkeitsbereich zurückgeführt, wenn die Gemeinschaft hier zu einem "Durchführungsorgan"93 der GASP degradiert würde. Dies wäre der Fall, sofern die Gemeinschaft in Semrau, S. 49 ff.; Pechstein, EuR 1995, S. 247 (255 ff.). A.A. Bermbach, S. 77 f., für die das gesamte integrierte System, also auch der DualUse-Beschluß der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs untersteht und die darin einen Kompetenzübergriff der Gemeinschaft in den Zuständigkeitsbereich der M itgliedstaaten sieht; zur Justitiabilität des integrierten Systems s. VI. 93 Bermbach, S. 60. 91
92
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
115
ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit durch Beschlüsse der GASP derart eingeschränkt würde, daß ihr für die Ausübung ihrer Kompetenzen kein eigener Spielraum bliebe. Das setzt zweierlei voraus. Erstens müßten die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP allein bestimmen können, ob und in welchem Umfang der Export von Dual-Use-Gütern einer Kontrolle unterliegen soll. Zweitens müßte die Gemeinschaft an diese Vorgaben der Mitgliedstaaten rechtlich derart gebunden sein, daß sie über die handelspolitische Umsetzung nicht mehr frei bestimmen könnte.
a) Entscheidungsumfang der Mitgliedstaaten bei der Exportkontrolle im integrierten System Zur Bestimmung des Entscheidungsumfanges der Mitgliedstaaten im integrierten System lohnt sich der Blick auf das zweistufige Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen nach Art. 301 EGV. Hier besitzen die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP, wie oben dargelegt, die alleinige Entscheidungskompetenz über den Erlaß der Sanktionen. Die Gemeinschaft hat keinerlei Einfluß in dieser Frage; ihr bleibt nur, die Vorgaben der Mitgliedstaaten umzusetzen. Diese Rangfolge zwischen GASP und Gemeinschaft im zweistufigen Verfahren folgt aus dem Wortlaut des Art. 301 EGV. Er sieht den Erlaß zweier aufeinander folgender Rechtsakte von GASP und Gemeinschaft vor, die im wesentlichen inhaltsgleich sind und parallel zueinander stehen. Es muß immer zunächst ein GASP-Beschluß vorliegen, bevor die Gemeinschaft tätig werden kann. Schon der Begriff" zweistufiges Verfahren" impliziert eine Reihen- und Rangfolge der beiden Rechtsakte. 94 Aus der dominanten Stellung der GASP im zweistufigen Verfahren läßt sich jedoch nicht folgern, daß dies im integrierten System ebenso ist. Das zweistufige Verfahren und das integrierte System weisen zwar viele Gemeinsamkeiten auf, besitzen aber auch starke strukturelle Unterschiede. So hängt der gemeinschaftliche Rechtsakt im integrierten System nicht von einem zuvor erlassenen Rechtsakt der GASP ab. Beide Rechtsakte sind miteinander verschränkt, sie stehen nicht parallel nebeneinander, sondern ergänzen sich und beziehen sich inhaltlich aufeinander. Der gemeinschaftliche Rechtsakt folgt nicht auf den der Union, sondern beide sind als einheitliches System zum gleichen Zeitpunkt erlassen worden. Bei flüchtiger Betrachtung scheint hier anders als im Verfahren des Art. 301 EGV zwischen GASP-Beschluß und Verordnung kein Rangverhältnis existieren zu können, das der Gemeinschaft eine eher reagierende und der GASP eine eher agierende Rolle zuweist. Schaut man sich jedoch den Inhalt der beiden Rechtsakte des integrierten Systems genauer an, kommt man zu einem anderen Ergebnis. Kern eines jeden Exportkontrollregimes ist die Bestimmung der zu kontrollierenden Waren und der einer Kontrolle zu unterwerfenden Exportziele.95 Diese 94
8*
Zeleny, ZÖR 52 (1997), S. 197 (219 f.); Pechstein/Koenig, Rn. 211.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Festlegung entscheidet über die Reichweite und den Charakter eines Exportkontrollregimes.96 Im integrierten System trifft der Dual-Use-Beschluß der Mitgliedstaaten die Entscheidung über den Gegenstand der Exportkontrolle. Er enthält in seinem Anhang I die Liste der Waren mit doppeltem Verwendungszweck, auf die sich das Exportkontrollregime beziehen soll. In seinem Anhang li nennt der DualUse-Beschluß die Staaten, in die der Export dieser Güter weniger strengen Genehmigungsverfahren unterliegt. Da die Gemeinschaft an der Beschlußfassung der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP nicht beteiligt ist, 97 liegt die Bestimmung der zu kontrollierenden Waren und Exportziele somit allein in der Hand der Mitgliedstaaten. Die gemeinschaftliche Dual-Use-Verordnung bezieht sich auf diese Vorgaben und regelt lediglich das Verfahren. Durch die Verweisung der Dual-UseVerordnung auf die Festlegungen in den Anhängen des Dual-Use-Beschlusses gestaltet der mitgliedstaatliche Beschluß die Verordnung in dieser entscheidenden Frage inhaltlich aus. Die Mitgliedstaaten bestimmen auf diese Weise über den Dual-Use-Beschluß und seine Anhänge den Regelungsgehalt der Dual-Use-Verordnung. Die Verordnung allein wäre gegenstandslos, eine Hülle ohne Inhalt. Es sind folglich allein die Mitgliedstaaten, die durch den GASP-Beschluß entscheiden, ob und in welchem Umfang Dual-Use-Güter der Exportkontrolle unterliegen. Während die Mitgliedstaaten Charakter und Reichweite der Exportkontrolle bestimmen können, überläßt das integrierte System der Gemeinschaft nur die Festlegung des Verfahrens. Dies deckt sich mit der oben dargestellten Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, wie sie der EG-Vertrag vorsieht. Als nächster Schritt ist nun zu klären, in welchem Umfang die Gemeinschaft im integrierten System rechtlich an die Vorgabe der GASP gebunden ist. Insbesondere soll geprüft werden, ob dadurch die Gemeinschaft in ihrer handelspolitischen Handlungs- und Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Eine rechtliche Bindung der Gemeinschaft könnte sich aus den Regelungen des EU-Vertrages über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere Art. 14 Abs. 3 EUV ergeben, aus dem integrierten System selbst folgen sowie durch das im EU-Vertrag normierte Kohärenzgebot bewirkt werden. b) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß durch Art. 14 Abs. 3 EUV Die Verpflichtung der Gemeinschaft, entsprechend den Vorgaben der GASP im Dual-Use-Beschluß tätig zu werden, könnte sich aus den Bestimmungen über Bennbach, S. 61. Reuter, NJW 1995,2190. 97 Die Kommission wird gemäß Art. 18 Abs. 4 EUV lediglich an den Aufgaben des Vorsitzes, dem Vertreten der Union und ihrer Standpunkte nach außen, beteiligt und kann nach Art. 14 Abs. 4 EUV auf Ersuchen des Rates Vorschläge zur Durchführung einer Gemeinsamen Aktion unterbreiten. 95
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2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
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die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik des EU-Vertrages ergeben. Der Dual-Use-Beschluß ist in Form einer Gemeinsamen Aktion gemäß 1.3 EUVa (Art. 14 EUV) erlassen worden. Nach Art. 14 Abs. 3 EUV sind gemeinsame Aktionen für die Mitgliedstaaten "bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend". Diese Verpflichtung richtet sich jedoch nur an die Mitgliedstaaten und nicht an die Gemeinschaft.98 Sie ist am Zustandekommen der GASP-Beschlüsse, abgesehen von eingeschränkten Initiativrechten der Kommission gemäß Art. 14 Abs. 4 EUV, nicht beteiligt. Die Regelungen der GASP im EU-Vertrag sehen keine Verpflichtung der Gemeinschaft durch Rechtsakte der GASP vor. Das folgt auch aus Art. 47 EUV, nach dem, abgesehen von den Änderungsbestimmungen, der EG-Vertrag durch den Unionsvertrag "unberührt" bleibt. Für sekundäres Unionsrecht muß dies erst recht gelten. 99 Der Dual-Use-Beschluß ist für die Gemeinschaft nicht verbindlich. Auf der Grundlage der GASP-Bestimmungen im EU-Vertrag ist die Gemeinschaft somit nicht verpflichtet, entsprechend den Vorgaben der GASP tätig zu werden.
c) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß durch das integrierte System selbst Im Rahmen des zweistufigen Verfahrens zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen ergibt sich, wie oben dargestellt, die Bindung der Gemeinschaft an den GASP-Beschluß direkt aus Art. 301 EGV. Diese Bestimmung regelt nicht nur das Verfahren, sondern sie verpflichtet auch die Gemeinschaft, den Vorgaben der Union gemäß zu handeln. Eine solche Verpflichtung könnte sich dementsprechend im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck direkt aus dem integrierten System ergeben. In mehreren ihrer Artikel bezieht sich die Dual-Use-Verordnung auf den DualUse-Beschluß und knüpft ihre Rechtsfolge an die im Dual-Use-Beschluß und seinen Anhängen vorgegebenen Voraussetzungen. 100 Durch den dynamischen Charakter der Verweisungen verändert sich der Inhalt der Dual-Use-Verordnung mit jeder Modifizierung des Dual-Use-Beschlusses. Auf diese Weise bestimmt die GASP wie oben bereits festgestellt praktisch Gegenstand und Umfang der gemeinschaftlichen Exportkontrollverordnung. Die Gemeinschaft ist somit durch das integrierte System verpflichtet, den Vorgaben des Dual-Use-Beschlusses der Mitgliedstaaten zu folgen. Wie bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 301 EGV ist die Gemeinschaft auch im Bereich des integrierten Systems zur 98
(11).
Pechstein/Koenig, Rn. 270; Hummer/Schweitzer; Rn. 976 f.; Streinz, ZfRV 1995, S. I
99 Streinz, ZfRV 1995, S. 1 (11); Klein/Haratsch, JuS 1995, S. 7 (8); Pechstein/Koenig, Rn. 211; Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. M Rn. 7. wo So etwa Art. 3 Abs. 1, Art. 4, Art 6 Abs. 1, Art. 8 DUV.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck an die Entscheidungen der GASP gebunden. Hier unterscheidet sich jedoch das integrierte System vom zweistufigen Verfahren. Während das Verfahren zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen im Primärrecht, in Art. 301 EGV, geregelt ist, stellt das integrierte System eine sekundärrechtliche Konstruktion dar. Die Verpflichtung der Gemeinschaft im integrierten System beruht auf der von ihr erlassenen Verordnung und hat daher auch lediglich den Charakter einer Selbstbindung. Die Gemeinschaft kann sich dem leicht durch den Erlaß eines abweichenden Rechtsaktes entziehen, der dann nach dem lex-posterior Grundsatz gegenüber einer Verpflichtung aus einem früheren Rechtsakt, hier der Dual-Use-Verordnung, Vorrang besäße. 101 Auch wenn sich aus dem integrierten System eine Bindung der Gemeinschaft an die Vorgaben der GASP ergibt, kann diese Bindung nicht zu einer Beschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft führen, da es sich hier auf sekundärechtlieber Ebene lediglich um eine Selbstverpflichtung handelt, von der sich die Gemeinschaft faktisch jederzeit befreien könnte. d) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß durch das Kohärenzgebot Eine Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß der GASP könnte sich aber aus dem Kohärenzgebot des Unionsvertrages ergeben. Das Kohärenzgebot findet im EU-Vertrag zwei Ausprägungen. 102 Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV beschreibt die innere Kohärenz. Sie richtet sich darauf, den Zusammenhalt der Union im Innern zu wahren, 103 und spielt bei der hier zu behandelnden Frage keine Rolle. Von Bedeutung ist die zweite Ausprägung des Kohärenzgebotes, die äußere Kohärenz der Art. 3 Abs. 2 und 11 Abs. 2 EUV, die ein gemeinsames Auftreten gegenüber Drittstaaten sicherstellen will und zur Erreichung dieses Zieles den außenpolitischen Akteuren ein gegenseitiges Abstimmungsgebot auferlegt. 104 101 Zum "Iex posterior" Grundsatz im Gemeinschaftsrecht s. Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 528 ff. 102 Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. A Rn. 59. Müller-Graf!, integration 1993, S. 147, Siems, S. 24 und Pechstein/ Koenig, Rn. 133 machen unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1 EUV noch eine eigenständige dritte Kategorie aus, die inhaltliche Kohärenz "im Sinne einer Maßnahmenkohärenz, also konzeptgeleiteter, zueinander stimmiger, jedenfalls nicht widersprüchlicher Einzelaktgestaltung ", für die der Wortlaut des Unionsvertrag jedoch keine Anhaltspunkte bietet, da Art. 3 Abs. 1 EUV lediglich bestimmt, der einheitliche institutionelle Rahmen habe die Kohärenz (in ihren beiden Formen) sicherzustellen, aber kein zusätzliches Kohärenzgebot begründet. Die sogenannte inhaltliche Kohärenz ist Teil der inneren bzw. äußeren Kohärenz. 103 Müller-Graf!, integration 1993, S. 147; Pechstein/Koenig, Rn. 133. 104 Siems, S. 23; Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (145 f.); Müller-Graf!, integration 1993, S. 147; Pechstein/ Koenig, Rn. 133; Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. A Rn. 60.
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Adressatin dieses Gebotes ist nach der Formulierung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EUV die Union. Da die Union jedoch mangels Völkerrechtssubjektivität nicht Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten sein kann, 105 werden die Mitgliedstaaten der Union als im Rahmen der GASP verantwortliche außenpolitische Akteure in die Pflicht genommen. 106 Entscheidend für die hier zu klärende Frage der Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß ist nun, ob auch die Gemeinschaft Adressatin dieses unionsvertraglichen Kohärenzgebotes sein kann. Denn nur, wenn die Gemeinschaft ihre Entscheidungen an den Erfordernissen äußerer Kohärenz zu orientieren hätte, könnte sie im Ergebnis verpflichtet sein, den Vorgaben der GASP zu folgen. In einem ersten Schritt soll daher zunächst die Adressatenschaft der Gemeinschaft untersucht werden. In einem zweiten Schritt wird der Inhalt des Gebotes äußerer Kohärenz des Art. 3 Abs. 2 EUV bestimmt und im Anschluß daran gepriift, inwieweit sich daraus eine Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß der GASP ergeben könnte, schließlich ob dadurch die Gemeinschaft in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. aa) Die Gemeinschaft als Adressatin des Kohärenzgebotes Die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur geht, zum Teil ganz selbstverständlich und ohne weitere Erklärung, von einer Gültigkeit des unionsvertraglichen Kohärenzgebotes auch für die Gemeinschaft aus. 107 Dieser Standpunkt bedarf jedoch einer soliden Begriindung. So genügt allein der Verweis auf den Wortlaut des Art 3 Abs. 2 Satz 2 EUV, der Rat und Kommission die Verantwortung für die Wahrung des Kohärenzgebotes auferlegt, nicht zur Erklärung. 108 Rat und Kommission als Gemeinschaftsorgane können keine Kompetenzen innehaben, wenn nicht der Verband, die Gemeinschaft also, die Kompetenz dazu übertragen bekommen 105 Das überwiegende Schrifttums geht davon aus, daß der Europäischen Union die Völkerrechtssubjektivität fehlt: Streinz. Rn. 121b; Pechstein/ Koenig, Rn. 36 ff.; Epiney, EuZW 1999, S. 5 (8}; Glaesner, in Glaesner!Gilsdorf/Thürer/Hafner, S. 9 (20 f.); Grabitz/HilfHilf zu Art. A Rn. 25 ff.; Kugelmann, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 99; Huber, FS Heymanns Verlag, S. 349 (358); Müller-Graf!, integration 1993, S. 147 (152); Lecheler, FS Heymanns Verlag, S. 383 (393); Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1052 (1061); a.A.: Semrau, S. 22 ff.; Zuleeg, EuR -Beiheft 2- 1998, S. 151 (152 f.); Ress, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 27 ff.; Magiera, Jura 1994, S. 1 (6); von Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (23 ff.); wohl auch Bleckmann, DVBI. 1992, S. 335. 106 Pechstein/Koenig, Rn. 135 f.; Siems, S. 25; Streinz, ZfRV 1995, S. 1 (5 f.); a.A. Semrau, S. 49; Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (147), die die Union als "eigenständig verantwortlichen Akteur" der Außenpolitik betrachten. 107 Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 15; Schweitzer/Hummer Rn. 958; Pechstein/Koenig, Rn. 134 ff.; Bennbach, S. 62 f.; Semrau, S. 49 ff.; a.A wohl Neuwahl in O'Keeffe/Twomey (Hrsg.), S. 227 (234). 108 So aber Bennbach, S. 62.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
hat. Die Organkompetenz hat immer der Verbandskompetenz zu folgen und nicht umgekehrt, da Organe regelmäßig ihre Kompetenz vom Verband ableiten und auf dieser Grundlage für den Verband handeln. Der Annahme, das Kohärenzgebot des Art. 3 Abs. 2 EUV verpflichte die Gemeinschaft direkt, steht jedoch Art. 47 EUV entgegen. Nach dieser Vorschrift läßt der EU-Vertrag den EG-Vertrag vorbehaltlich der Änderungsbestimmungen "unberührt". Eine ausdrückliche Änderungsbestimmung stellt Art. 3 Abs. 2 EUV nicht dar. Ohne eine Änderung des EG-Vertrages ist jedoch eine Verpflichtung der Gemeinschaft nicht möglich. Die Gültigkeit des Kohärenzgebotes für die Gemeinschaft ließe sich somit nur begründen, wenn man annähme, der EU-Vertrag habe den EG-Vertrag wenn nicht explizit, so doch implizit geändert. 109 Dafür sprechen überzeugende Argumente. Der EU-Vertrag, dessen Vertragsparteien mit denen des EG-Vertrages identisch sind, ist in weiten Teilen ein Änderungsvertrag des EG-Vertrages und erfüllt die Voraussetzungen der mittlerweile außer Kraft getretenen Änderungsbestimmung des Art. 236 EWGV. Art. 47 EUV übernimmt es als Kollisionsnorm, das Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum Recht des Unionsvertrages zu klären. 110 Sein Zweck ist es, die Unterscheidung zwischen der supranational strukturierten Europäischen Gemeinschaft und den Bereichen der intergouvernementalen Zusammenarbeit der Union sicherzustellen. Daher begründet er die Unberiihrbarkeit des Gemeinschaftsrechtes durch das Unionsrecht, vorbehaltlich der Änderungsbestimmungen. Der Wortlaut des Art. 47 EUV legt sich aber nicht darauf fest, eine Änderung des EGVertrages durch den EU-Vertrag könne nur in Form einer ausdrücklichen Änderung geschehen. Er spricht lediglich von " ... Bestimmungen zur Änderung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ... ". Damit sind neben den expliziten Änderungsbestimmungen, den Art. 8, 9 und 10 EUV, die die zu ändernden Artikel der Gemeinschaftsverträge enumerativ aufführen, auch implizite Änderungen des EG-Vertrages denkbar. 111 Eine solche implizite Änderung stellt Art. 3 Abs. 2, S. 2 EUV dar. Indem er Rat und Kommission die Verantwortung für die Wahrung des Gebotes äußerer Kohä109 Pechstein/ Koenig, Rn. 107 ff.; a.A. Siems, S. 41 ff., die zwar eine Bindung der Gemeinschaft an das Kohärenzgebot annimmt, eine implizite Änderung des Gemeinschaftsrecht aber ablehnt. Nach ihrer Auffassung fällt das Kohärenzgebot nicht unter das Berührungsverbot des Art. 47 EUV, da es mangels Eingriff in die materielle Kompetenzverteilung der Gemeinschaft und den gemeinschaftlichen Besitzstand nicht zu einer "Berührung" des EG-Vertrages im Sinne von Art. 47 EUV durch das Kohärenzgebot komme. 110 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. M Rn. 1; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 1; G/TI E-Krück zu Art. M Rn. 1. 111 A.A. BVerfGE 89, S. 155 (196); Siems, S. 48 ff.; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 10 ff. lehnt ebenfalls eine implizite Änderung des EG-Vertrages ab. Dies sei mit dem Wortlaut des Art. 47 EUV nicht vereinbar, der nur ausdrückliche Anderungen zulasse. Dennoch wird dogmatisch nicht ganz konsequent eine Bindung der Gemeinschaft an das Kohärenzgebot des Art. 3 Abs. 2 EUV angenommen (Rn. 15).
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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renz "in ihrem Zuständigkeitsbereich" überträgt, verpflichtet Art. 3 Abs. 2, S. 2 EUV zwei Gemeinschaftsorgane und damit implizit die Gemeinschaft selbst. Daß Rat und Kanunission hier tatsächlich in ihrer Rolle als Gemeinschaftsorgane angesprochen werden, erschließt sich aus dem Sinnzusammenhang. Zwar könnte dem Wortlaut nach auch Rat und Kanunission "in ihrem Zuständigkeitsbereich" im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik gemeint sein. Dies erscheint jedoch nicht schlüssig, da die Kanunission im Bereich der GASP praktisch keine eigenen Zuständigkeiten besitzt. Für eine solche implizite Änderung des EG-Vertrages durch Art. 3 Abs. 2 EUV sprechen auch Sinn und Zweck dieser Regelung. Das Gebot der Kohärenz, die Verpflichtung zu einer gegenseitigen Abstimmung zwischen Union und Gemeinschaft, kann nur dann die gewünschte Wirksamkeit entfalten, wenn beide, die Union (d. h. die Mitgliedstaaten) und die Gemeinschaft, gleichermaßen daran gebunden sind. Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß Art. 3 Abs. 2 EUV den EGVertrag implizit ändert. Dem steht die Bestimmung des Art. 47 EUV nicht entgegen. Das Kohärenzgebot des Art. 3 Abs. 2 EUV wird dadurch zum ungeschriebenen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Die Gemeinschaft ist Adressatin des unionsrechtlichen Gebotes äußerer Kohärenz. bb) Inhalt des Kohärenzgebotes Im folgenden muß geklärt werden, welchen Inhalt das Gebot äußerer Kohärenz besitzt und ob es im Ergebnis eine Bindung der Gemeinschaft an den Dual-UseBeschluß bewirken kann. Art. 3 Abs. 2 EUV verlangt die Kohärenz aller außenpolitischen Maßnahmen. Der Begriff Kohärenz ertahrt keine Definition in den Verträgen. Es ist seinem lateinischen Ursprung nach am besten mit ,,Zusammenhang" oder ,,Zusammenhalt" zu übersetzen. 112 Das Gebot der Kohärenz zielt demnach darauf, den ,,Zusammenhalt" und ,,Zusammenhang" der Union in ihrem heterogenen Charakter als "Verbund von Staaten und internationalen Organisationen" 113 zu wahren. Als Handlungs- und Rechtsgestaltungsprinzip 114 richtet es sich somit auf die Herbeiführung konzeptioneller Stinunigkeit der Einzelmaßnahmen in unterschiedlichen Kompetenzen zuzuordnenden Politikbereichen und auf die Vermeidung unabgestimmter und gegenläufiger außenpolitischer Maßnahmen. 115 Art. 11 Abs. 2 EUV formt das Menge-Güthling, S. 136 (cohaerentia- cohaereo). Pechstein, EuR 1995, S. 247 (251); im Ergebnis ebenso Bleckmann/Pieper in Bleckmann Rn. 164; BVerfGE 89, S. 155 (188) wählt die engere Formulierung: " ... Staatenverbund zur Verwirklichung einer immer engeren Union der - staatlich organisierten - Völker Europas .. . ";für den Begriff "Staatenverbund" auch Dörr; D., ZUM 1995, S. 14 (16). 114 Ress, JuS 1992, S. 985 (987). 115 Müller-Graff, integration 1993, S. 147 (150); Grabitz/Hilf-Pache zu Art. C Rn. 9; Semrau, S. 49. 112 113
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Kohärenzgebot im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik für das Verhältnis von Mitgliedstaaten und Union im Hinblick auf außenpolitische Aktivitäten genauer aus. 116 Demnach soll die Kohärenz durch Zweierlei gesichert werden: zum einen durch aktives Tun in Form von Koordination, das heißt Abstimmung der außenpolitischen Aktivitäten (". . . arbeiten zusammen ... "), zum anderen durch Unterlassen widersprüchlichen Verhaltens(" ... enthalten sichjeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft . .. "). Wie Art. ll EUV das Gebot äußerer Kohärenz für das Verhältnis zwischen der GASP der Union und den Mitgliedstaaten beschreibt, hat es auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 EUV auch für das Verhältnis zwischen der Union und der Gemeinschaft zu wirken. Das Kohärenzgebot verpflichtet also auch hier die Akteure, ihre außenpolitischen Maßnahmen abzustimmen und auf widersprüchliches Handeln zu verzichten, um auf diese Weise gegenüber Drittstaaten einheitlich auftreten zu können. Die Befolgung des Kohärenzgebotes geht notwendigerweise mit einer Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten auf seiten der Beteiligten einher, da zur Verwirklichung der Kohärenz auf bestimmte Optionen verzichtet werden muß. Alle Adressaten sind grundsätzlich in gleichem Maße zu kohärentem Handeln verpflichtet.117 Die durch das Kohärenzgebot bewirkten Einschränkungen der Handlungsmöglichkeiten haben die Beteiligten gleichrangig zu treffen.
cc) Bindung der Gemeinschaft an den Dual-Use-Beschluß Vor diesem Hintergrund scheint es nicht denkbar, daß das Kohärenzgebot die Gemeinschaft an die Vorgaben des Dual-Use-Beschlusses der GASP zu binden vermag. Denn dann würde das Kohärenzgebot der Union keine Einschränkungen auferlegen, während die Gemeinschaft auf der anderen Seite durch Verzicht auf eigene Handlungsoptionen als einziger Beteiligter zur Verwirklichung der Kohärenz in die Verantwortung genommen würde. Die Gleichrangigkeil der Adressaten des Kohärenzgebotes wäre nicht gewahrt. Es fragt sich jedoch, ob eine gleichrangige Verpflichtung der Beteiligten, auf die Verwirklichung der Kohärenz hinzuwirken, ausnahmslos gilt, oder ob in bestimmten Konstellationen das Kohärenzgebot im Ergebnis auch nur einen der Beteiligten verpflichten kann. Zur Ergrundung der Wirkungsweise des Kohärenzgebotes bietet sich die Betrachtung des Art. 301 EGV an, der für den Bereich der Verhängung von Wirtschaftssanktionen die Kohärenz zwischen den Außenbeziehungen der Gemeinschaft und der GASP der Union sicherstellen soll. Gegenstand der Konzeption des in Art. 301 EGV vorgeschriebenen Verfahrens ist die gemeinschaftsrechtliche Umsetzung des Kohärenzgebotes für die Problematik der Wirtschaftssanktio116
117
Krenzler/Schneider, EuR 1995, S. 144 (146). Pechstein/Koenig, Rn. 137 ff.; Siems, S. 27 f.; Semrau, S. 51.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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nen.U 8 Dennoch wird bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 301 EGV, wie oben bereits ausgeführt, die Gemeinschaft verpflichtet, den Vorgaben der GASP zu folgen; die GASP auf der anderen Seite bleibt in ihrer Entscheidungsfreiheit unbeschränkt. Es zeigt sich somit, daß bei der Umsetzung des Kohärenzgebotes im Art. 301 EGV die gleichrangige Verpflichtung der Akteure, kohärent zu handeln, nicht verwirklicht wurde. Daraus läßt sich zwar nicht schließen, das Kohärenzgebot richte sich generell nicht mit gleicher Intensität an alle Adressaten, es wird jedoch deutlich, daß bei seiner Umsetzung je nach der Konstellation die eine oder andere Seite größeren Einschränkungen unterliegen kann. Wenn das Kohärenzgebot die gegenseitige Abstimmung politischer Maßnahmen verlangt, sind zwar alle Adressaten des Gebotes gleichermaßen rechtlich in die Pflicht genommen, ein zeitliches Auseinanderfallen der Entscheidungen bewirkt jedoch, daß im Ergebnis dem nachfolgenden Entscheidungsträger, will er die Kohärenz wahren, nur der Vollzug des zuvor getroffenen Be~chlusses des anderen Entscheidungsträgers bleiben dürfte und somit faktisch jener einen größeren Beitrag zur Verwirklichung der Kohärenz zu leisten hat. 119 Da im Bereich außenpolitischer Maßnahmen, bei denen Union und Gemeinschaft zusammenwirken, die vorangehende politische Entscheidung, eine bestimmte Maßnahme zu ergreifen, durch die GASP, also im Rahmen der Union gefallt wird, hat die Gemeinschaft oft keine andere Möglichkeit konkret zu handeln, als sich der Entscheidung der GASP anzupassen. Die Gemeinschaft bringt folglich als nachfolgende EntscheidungsträgeTin den größeren Beitrag zur Realisierung der Kohärenz. Dies gilt im Rahmen des Art. 301 EGV für die Verhängung von Wirtschaftssanktionen, und das trifft ebenso auf das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck zu. Auch hier sind Union und Gemeinschaft in gleichem Maße Adressaten des Kohärenzgebotes. Die Verpflichtung der Union läuft jedoch weitgehend ins Leere, da zu dem Zeitpunkt, in dem die Gemeinschaft tätig werden kann, die GASP sich bereits auf eine bestimmte politische Grundentscheidung festgelegt haben muß. Die Kohärenz kann dann nur noch verwirklicht werden kann, wenn die Gemeinschaft den Vorgaben der Union folgt und zugleich alles unterläßt, was zu dem Dual-UseBeschluß im Widerspruch steht. Dazu verpflichtet sie das Kohärenzgebot Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß die Gemeinschaft durch das Gebot äußerer Kohärenz des Art. 3 Abs. 2 EUV an den Dual-Use-Beschluß der GASP gebunden wird. Die gleichrangige Verpflichtung der Akteure zu kohärentem Handeln steht dem nicht entgegen.
118 Geiger zu Art. 228 a Rn. 3; Krenzler!Schneider, EuR 1994, S. 144 (147); Garron, S. 115; In einigen Ausgaben des EG-Vertrages trug der Art. 228 a EGVa (Art. 301 EGV) die nicht amtliche Überschrift "Kohärenz mit der GASP", so beispielsweise in der Ausgabe des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Der Vertrag, 1998. 119 Pechstein!Koenig, Rn. 139.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
dd) Einschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft Im folgenden ist nun zu untersuchen, welcher Art diese Bindung durch das Kohärenzgebot ist und inwieweit die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft dadurch beeinträchtigt wird. Das Kohärenzgebot bezweckt, ein widersprüchliches Verhalten der außenpolitischen Akteure zu vermeiden, um gegenüber Drittstaaten einheitlich auftreten zu können. 120 Dies kann nur erreicht werden, wenn die Gemeinschaft die Waren und Länder, die der Dual-Use-Beschluß bezeichnet, der gemeinschaftlichen Exportkontrolle unterwirft. Das bedeutet zunächst, daß die Gemeinschaft die Exportkontrolle nur über Waren und Länder ausüben kann, die von den Mitgliedstaaten durch den Dual-UseBeschluß im Rahmen der GASP festgelegt wurden. Es ist ihr verwehrt, andere Länder und Waren der gemeinschaftliche Ausfuhrkontrolle zu unterwerfen. 121 Ändern die Mitgliedstaaten den Inhalt des Dual-Use-Beschlusses und beziehen andere Länder und Waren ein oder streichen bereits gelistete wieder, so bindet das Kohärenzgebot die Gemeinschaft hieran. Wenn die Gemeinschaft also auf der Grundlage des integrierten Systems eine Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck ausübt, so kann dies nur den Vorgaben der GASP gemäß geschehen. Es fragt sich jedoch, ob die Gemeinschaft eine Exportkontrolle der im DualUse-Beschluß genannten Waren und Länder durchführen muß oder ob sie die Freiheit hat, darauf zu verzichten. Die Gemeinschaft handelte im Widerspruch zur GASP, würde sie es unterlassen, eine Ware, die die Mitgliedstaaten im Dual-Use-Beschluß als ein Gut mit doppeltem Verwendungszweck qualifiziert haben und dessen unkontrollierte Ausfuhr aus diesem Grund verhindert werden soll, handelspolitisch nicht umzusetzten. Ein uneinheitliches Auftreten von Gemeinschaft und GASP wäre die Folge. Das Kohärenzgebot verpflichtet seine Adressaten, dies durch gegenseitige Abstimmung und sofern das nicht mehr möglich ist durch Unterlassen eines gegenläufigen Verhaltens zu vermeiden. Die Gemeinschaft muß folglich zur Wahrung der Kohärenz die Güter und Länder, die ihr die GASP vorgibt, der Exportkontrolle unterwerfen. Sie hat nicht die Freiheit zu entscheiden, ob sie die Vorgaben des Dual-Use-Beschlusses handelspolitisch umsetzt. Sie ist gebunden. Fraglich ist, ob dadurch die der Gemeinschaft zustehende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist. Dies hängt davon ab, welchen Umfang die gemeinschaftliche Handlungs- und Entscheidungsfreiheit hat. Die Gemeinschaft besitzt, wie bereits oben dargelegt, gemäß Art. 133 EGV die ausschließliche Kompetenz, Exportbeschränkungen handelspolitisch umzusetzen. Ist die Gemeinschaft 12o Müller-Graff, integration 1993, S. 147 (150); Grabitz/Hilf-Pache zu Art. C Rn. 9; Semrau, S. 49. 121 Bermbach, S. 63.
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mit einer ausschließlichen Kompetenz ausgestattet, so übt sie die alleinige Regelungsbefugnis in diesem Bereich aus. Dies urnfaßt zweierlei. So kann sie zum einen die für die Regelung des Sachverhaltes erforderlichen Rechtsakte erlassen, es steht der Gerneinschaft jedoch auch frei, nicht tätig zu werden. Verpflichtet sie nun das Kohärenzgebot im vorliegenden Fall zur handelspolitischen Umsetzung der Vorgaben des Dual-Use-Beschlusses, so kann sie nicht mehr frei darüber entscheiden, ob sie tätig werden will. Die Gerneinschaft wird folglich in ihrer Handlungsund Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß das Kohärenzgebot des Unionsvertrages die Gerneinschaft an den Dual-Use-Beschluß der Union bindet und dadurch die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft eingeschränkt wird.
3. Ergebnis Das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck bewirkt keine Beeinträchtigung der mitgliedstaatliehen Kompetenzen durch die Gemeinschaft. Umgekehrt ist die Gemeinschaft im integrierten System jedoch verpflichtet, die Vorgaben der GASP handelspolitisch umzusetzen. Das folgt aus dem Kohärenzgebot des Art. 3 Abs. 2 EUV, das einen ungeschriebenen Bestandteil des Gemeinschaftsrechts darstellt. Diese Verpflichtung ist umfassend. So muß die Gemeinschaft die Exportkontrolle im Hinblick auf die von der GASP vorgegebenen Waren und Ländern ausüben. Zugleich ist sie aber auch darauf beschränkt und kann darüber hinaus keine eigenen zusätzlichen Exportkontrollmaßnahmen für Dual-UseGüter ergreifen. Das bedeutet eine weitgehende Einschränkung ihrer Handlungsund Entscheidungsfreiheit, die die Gemeinschaft als "Durchführungsorgan" der GASP erscheinen läßt und eine faktische Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppelten Verwendungszweck mit sich bringt.
VI. Justitiabilität Vor dem Hintergrund der dominierenden Stellung der GASP bei der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck stellt sich die Frage, in welchem Umfang das integrierte System der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof unterworfen ist. Dies ist unproblematisch im Hinblick auf die Dual-Use-Verordnung des integrierten Systems. Das Gemeinschaftsrecht und folglich auch die Dual-Use-Verordnung als sekundäres Gemeinschaftsrecht unterstehen gemäß Art. 220 EGV der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. So entscheidet der Gerichtshof über
126
3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
die Gültigkeit und Auslegung der Dual-Use-Verordnung in einem Verfahren nach Art. 234 Abs. l b) EGV und überwacht ihre Rechtmäßigkeit gemäß Art. 230 EGV. Er kann in einem zulässigen Klageverfahren nach den Art. 230, 231 EGV Exportkontrollmaßnahmen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die die Gemeinschaft selbständig, also außerhalb des integrierten Systems erläßt wegen des Mangels gemeinschaftlicher Zuständigkeit für nichtig erklären und sichert auf diese Weise die Einhaltung des integrierten Systems durch die Gemeinschaft. Ebenso ist das Verhalten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf den gemeinschaftsrechtlichen Teil justitiabel. In einem Vertragsverletzungsverfahren nach den Art. 226, 227 EGV können Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie gegen eine Bestimmung der Dual-Use-Verordnung verstoßen. Denkbar wäre hier beispielsweise ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschriften der Art. 6 ff. DUV, etwa eine Mißachtung der in Art. 7 Abs. 2 DUV vorgeschriebenen Konsultationspflicht für den Fall, daß sich Ausführer und auszuführende Güter in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden. Auch die Bindung der Gemeinschaft an die Vorgaben des Dual-Use-Beschlusses unterliegen der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Die Bindung folgt aus dem Gebot äußerer Kohärenz des Art. 3 Abs. 2 EUV. Hierbei handelt es sich zwar um das unionsrechtliche Kohärenzgebot; dieses verpflichtet jedoch, wie oben dargelegt, auch die Gemeinschaft, da Art. 3 Abs. 2 EUV eine implizite Änderung des Gemeinschaftsrechts bewirkt, die Art. 47 EUV in seiner Auslegung zuläßt. Das Gebot äußerer Kohärenz ist somit im Hinblick auf seine Verpflichtungswirkung für die Gemeinschaft ungeschriebenes Gemeinschaftsrecht und unterliegt daher der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs gemäß Art. 220 EGV. 122 Wenn die Gemeinschaft es nun zum Beispiel unterließe, eine Änderung der Waren- oder Länderliste des Dual-Use-Beschlusses durch Bereitstellung des entsprechenden Exportkontrollverfahren umzusetzen, könnten die Gemeinschaftsorgane im Rahmen einer Untätigkeitsklage gemäß Art. 232, 233 EGV dazu verpflichtet werden. Das gleiche würde gelten, wenn die Gemeinschaft die Bestimmungen der Dual-Use-Verordnung nur auf bestimmte Güter oder Länder der Anlage des Dual-Use-Beschlusses anwendete. Ist die Frage der Justitiabilität des integrierten Systems für den gemeinschaftsrechtlichen Teil unstreitig, so ergeben sich für den unionsrechtlichen Teil erhebliche Schwierigkeiten. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs ist im Bereich des Unionsvertrages nach Art. 46 EUV nur für wenige Regelungsbereiche gegeben. Die Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Art. 11 ff. EUV nennt Art. 46 EUV nicht. Damit unterliegt die GASP nicht der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes. 123 Der Dual-Use-Beschluß, eines der beiden Elemente des integrierten Systems, wäre demnach als gemeinsame Aktion der GASP der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof entzogen. Pechstein/ Koenig, Rn. 514 ff. Streinz, Rn. 332a; Münch, S. 152; Semrau, S. 141 ; Grabitz/ Hilf-Paehe zu Art. L Rn. 9; G/T/E-Krück zu Art. L Rn. 8. 122 123
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütem
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Dennoch wird vertreten, das integrierte System unterliege als ganzes der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof. 124 Dies wird begründet mit der engen Verknüpfung der Dual-Use-Verordnung und des Dual-Use-Beschlusses im integrierten System, die eine klare Begrenzung der Zuständigkeit des Gerichtshofs nicht zulasse. Weiter wird argumentiert, das integrierte System sei als gemischter Rechtsakt mitgliedstaatlicher und gemeinschaftlicher Elemente vergleichbar mit dem gemischten Abkommen, bei dem die Mitgliedstaaten neben der Gemeinschaft in die vertraglichen Verpflichtungen eintreten. 125 . Der Europäische Gerichtshof habe schon mehrfach über die Auslegung gemischter Abkommen in vollem Umfang entschieden, ohne vorher eine Abgrenzung zwischen dem gemeinschaftlichem und mitgliedstaatlichem Zuständigkeitsbereich vorzunehmen, da nur eine umfassende gerichtliche Kontrolle der gemischten Abkommen eine einheitliche Anwendung sicherstellen könne. 126 Für das integrierte System müsse wegen seiner ähnlichen Struktur als gemischter Rechtsakt das gleiche gelten. Die Auffassung, die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs bezöge sich auf das gesamte gemischte Abkommen, 127 stößt auf starken Widerspruch.128 So wird argumentiert, die Gemeinschaft könne auf diese Weise in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingreifen. Es bestünde die Gefahr der Aushöhlung der mitgliedstaatliehen Außenkompetenz. Dieser Streit soll hier nicht entschieden werden, da er für die zu lösende Frage des Umfangs der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs im integrierten System keine Rolle spielt. Nur weil möglicherweise im Bereich gemischter Abkommen eine umfassende Gerichtsbarkeit besteht, müsse dies auch im integrierten System gelten, ist keine überzeugende Schlußfolgerung. Beide Konstruktionen weisen erhebliche strukturelle Unterschiede auf, die eine zwingende Gleichbehandlung keinesfalls nahelegen. So handelt es sich bei gemischten Abkommen um ein einheitliches Regelungswerk 129 und nicht, wie beim integrierten System um eine Verbindung mehrerer Rechtsakte. Es ist daher bei gemischten Abkommen erheblich schwieriger festzustellen, welche der Bestimmungen dem gemeinschaftlichen Kompetenzbereich zuzurechnen sind und somit der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs unterliegen und welche in die mitgliedstaatliche Zuständigkeit fallen und folglich der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof entzogen sind. Vor diesem Hintergrund ist auch die von Bermbach Bermbach, S. 67. Bermbach, S. 70 f. 126 Bermbach nennt hier: Urteil des EuGH in der Rs. 104/81 vom 26. 10. 1982, Hauptzollamt Mainz/C.A, Kupferberg & Cie KG a.A., Slg. 1982, S. 3641; Urteil des EuGH in der Rs. 181/73 vom 30. 4. 1974, R. & V. Haegemann/Belgischer Staat, Slg. 1974, S. 449. 127 Ebenso Neuwahl, CML Rev. 28 (1991), S. 717 (733 ff.); Stein, Klaus D., S. 187 ff.; Rosas, in Koskenniemi (Hrsg.), S. 125 (141); Bleckmann, EuR 1976, S. 301 (309 f.); Bebr, EuR 1983, S. 128 (149 ff.). 128 Schweitzer/Hummer, Rn. 671; GIT/E-Tomuschat zu Art. 228 Rn. 89; Meesen, EuR 1980, S. 36 (47 ff.); Amold, ArchVR 1980/81, S. 419 (455). 129 Bleckmann, EuR 1976, S. 301 (310). 124 125
3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
128
angeführte Rechtsprechung zu sehen. 130 Der Gerichtshof hat zwar gemischte Abkommen in ihrer Gesamtheit ausgelegt, dies aber nur um die Grenzlinie zwischen gemeinschaftsrechtlicher Zuständigkeit und mitgliedstaatlicher Zuständigkeit richtig bestimmen zu können. Das integrierte System gestattet durch seine Zweiteiligkeit eine Zuordnung der gerichtlichen Kontrolle auf der Grundlage der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten. Die enge inhaltliche Verschränkung als Ergebnis der gegenseitigen Verweisungen erschwert zugegebener Maßen die Zuordnung, läßt sie aber gleichwohl bei genauer Prüfung noch zu. Es besteht daher kein Anlaß, wie die oben dargelegte Auffassung mit dem Argument der engen Verknüpfung der beiden Rechtsakte und der unterstellten Untrennbarkeit eine umfassende gerichtliche Kontrolle des gesamten integrierten Systems anzunehmen und damit die eindeutige Bestimmung des Art. 46 EUV zu unterlaufen. Die im Dual-Use-Beschluß und seinen Anhängen durch die GASP festgelegten Regelungen unterliegen somit nicht der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Die Festlegung der Mitgliedstaaten in Anlagen I, IV und V DUB, welche Güter als Duai-Use-Waren zu klassifizieren sind, deren Verbreitung friedensgefährdend ist und daher Gegenstand einer strengen Exportkontrolle zu sein hat, stellt eine außenpolitische Wertentscheidung dar, die den Mitgliedstaaten vorbehalten ist und vom Europäischen Gerichtshof nicht auf ihre Gültigkeit überprüft oder ausgelegt werden kann. Die politische Bewertungen, Motive und Intentionen der Mitgliedstaaten, die zu dieser Entscheidung geführt haben sind als Ausdruck der außenpolitischen Souveränität der Mitgliedstaaten nicht justitiabel. Das gleiche gilt für Festlegung der Staaten in Anlage II DUB, für die vereinfachte Genehmigungsverfahren gelten sollen. Ebenso sind die in Anhang III DUB aufgeführten gemeinsamen Leitlinien, die die zuständigen nationalen Behörden gemäß Art. 8 DUV bei einer Entscheidung über die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung zu berücksichtigen haben, der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof entzogen. Die Verpflichtung zur Anwendung der Leitlinien unterliegt als Verordnungsbestimmung selbstverständlich der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs. Ein Mitgliedstaat, der die Leitlinien außer acht ließe, könnte durch eine Aufsichtsoder Vertragsverletzungsklage gemäß Art. 226, 227, 228 EGV zu ihrer Anwendung verpflichtet werden. Der Inhalt der allgemeinen Leitlinien ist jedoch rein außenpolitischer Natur. Die Überprüfung ihrer Gültigkeit und ihre Auslegung liegen, da es sich um eine GASP-Materie handelt, außerhalb der Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs. Dagegen wird eingewandt, die Aufspaltung des integrierten Systems in einen unionsrechtlichen und einen gemeinschaftsrechtlichen Teil laufe den Zielen einer gemeinschaftlichen Ausfuhrkontrolle zuwider. Die Unzuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes im Bereich der GASP führe zu unterschiedlichen Interpretationen des Dual-Use-Beschlusses. Dies bewirke innergemeinschaftliche Wettbe130
s. Fn. 126.
2. Kap.: Im Bereich der Exportkontrolle von Dual-Use-Gütern
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werbsverzerrungen und hätte eine ineffektive Durchführung der gemeinschaftlichen Exportkontrolle zur Folge, beeinträchtige mithin die Einheit der gesamten Handelspolitik. 131 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Einheit der Handelspolitik durch die gerichtliche Kontrolle der handelspolitischen Umsetzung ausreichend gewahrt ist. Reine Praktikabilitätserwägungen sind nicht geeignet die EG-Vertrag und EU-Vertrag zu Grunde liegende Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten außer Kraft zu setzen. Die Bestimmung des Art. 46 EUV ist insofern eindeutig. Darüber hinaus besteht der Inhalt des Dual-Use-Beschlusses ohnehin im wesentlichen aus den listenartigen Anhängen, die für unterschiedliche Interpretationen wenig Raum lassen, keineswegs jedoch zu einer Beeinträchtigung der Einheit der gesamten Handelspolitik führen können. Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, daß nicht das gesamte integrierte System justitiabei ist. Der Europäische Gerichtshof besitzt gemäß Art. 220 EGV nur Gerichtsbarkeit über den gemeinschaftrechtlichen Teil des Systems, die Dual-Use-Verordnung. Für eine gerichtliche Kontrolle des unionsrechtlichen Teils des Systems, des Dual-Use-Beschlusses, fehlt dem Gerichtshof jedoch gemäß Art. 46 EUV die Zuständigkeit.
VII. Ergebnis Im integrierten System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck ist die GASP der Gemeinschaft gegenüber vorrangig. Die Mitgliedstaat bestimmen im Rahmen der GASP allein über Gegenstand und Umfang der Exportkontrolle. Die Gemeinschaft ist rechtlich verpflichtet, diesen Vorgaben zu folgen. Ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit wird weitgehend eingeschränkt. So kann die Gemeinschaft weder inhaltlich von der Entscheidung der GASP im Dual-Use-Beschluß abweichen, noch kann sie daneben weitere eigene Exportkontrollen veranlassen, noch steht es ihr zu, überhaupt nicht tätig zu werden. Die starke Bindung der Gemeinschaft an die GASP läßt sie im integrierten System der Exportkontrolle für Güter mit doppeltem Verwendungszweck lediglich als handelspolitisches "Durchführungsorgan" der GASP erscheinen und bewirkt faktisch eine Intergouvemementalisierung der Gemeinschaft in diesem Bereich. Der Vorrang der GASP wird durch den eingeschränkten Umfang der gerichtlichen Kontrolle des integrierten Systems noch verfestigt. So ist die Bindung der Gemeinschaft an die Vorgaben der GASP zwar in vollem Umfang durch den Europäischen Gerichtshof justitiabel. Dasselbe gilt für Inhalt und Verfahren der DualUse-Verordnung. Zugleich sind jedoch die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP getroffenen Entscheidungen des Dual-Use-Beschlusses, ihre außenpolitischen Bewertungen und Beweggründe, die das Herzstück des Systems der Ex131
Bennbach, S. 72 f.
9 Burkard
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
portkontrolle darstellen, der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofs entzogen. 3. Kapitel
Berührungspunkt im Bereich der Finanzierung der GASP I. Vorbemerkung Anders als im Zusammenhang mit den Wirtschaftssanktionen oder der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck liegen die Berührungspunkte von GASP und Gemeinschaft bei der Finanzierung der GASP nicht im Grenzbereich der gemeinschaftlichen Außenkompetenz und der GASP. Sie ergeben sich vielmehr aus der nun im Amsterdamer Vertrag als Regelfall vorgesehenen Inanspruchnahme des EG-Haushaltes zur Finanzierung von GASP-Maßnahmen. 1 Gleichwohl stellt die Frage der Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten auch hier das größte Konfliktpotential dar, weil es durch die "säulenübergreifende" Kostentragung des Amsterdamer Vertrages genau wie bei den Wirtschaftssanktionen und der Exportkontrolle zu einer die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten berührenden gegenseitigen Einflußnahme kommen könnte. Vor der Einführung der GASP, zu Zeiten der Europäischen Politischen Zusammenarbeit, bestand diese Gefahr nicht. Die Einheitliche Europäische Akte2 beachtete eine strikte organisatorische Trennung von Gemeinschaft und EPZ. 3 Es konnte daher zur Finanzierung der EPZ nicht auf Mittel der Gemeinschaft zurückgegriffen werden. Da die EEA keine Vorschriften über die Kostentragung enthielt4 und die EPZ auch kein eigenes Budget besaß, hatten die Mitgliedstaaten für die Finanzierung selbst aufzukommen.5 Dies geschah im Rahmen eines aufwendigen Umlageverfahrens, das die Kosten nach einem für jede Aktion neu zu bestimmenden Beitragsschlüsselauf die Mitgliedstaaten verteilte. 6 • Schwarze, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 49 (63). Einheitliche Europäische Akte (EEA) vorn 28. Februar 1986, abgedruckt in EA 1986 (Dokumente), S. 163. 3 Krenzler, EuR 1986, S. 119 (125). 4 Lediglich im Hinblick auf das nach Art. 30 Ziff. 10 g) EEA einzurichtende EPZ-Sekretariat beschlossen die Außenminister arn 17. Feb. 1986 die Frage der Ausstattungs- und Betriebskosten in einem späteren Übereinkommen gesondert zu regeln (111. 4. des Beschlusses der im Rahmen der EPZ versammelten Außenminister, gefaßt anläßlich der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte, Bull. EG 2-1986, Ziff. 3.4.1.). s Semrau, S. 107; Grabitz/Hilf-Meyer-Landrut zu Art. J.ll Rn. 7; G/TIE-Burghardt/ Tebbe zu Art. J.ll Rn. 4. 6 Grabitz/Hilf-Meyer-Landrut zu Art. J.ll Rn. 7. 2
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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Mit der Einführung der GASP im Vertrag von Maastricht erfuhr die außenpolitische Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten eine weitere Vertiefung. Neben der Einführung neuer Instrumente wird sie nun auch institutionell eingebunden. Die GASP bildet eine der drei Säulen der neu gegründeten Europäischen Union. Durch die Schaffung eines "einheitlichen institutionellen Rahmens" in Art. C Abs. 1 EUVa überwindet der EU-Vertrag die zur Zeit der EPZ bestehende strenge organisatorische Trennung zwischen gemeinsamer Außenpolitik und Gemeinschaft und ermöglicht nun auch eine neue, "säulenübergreifende" Regelung der Finanzierung. Eine solche Regelung ist in ihrer Konsequenz für das Verhältnis der GASP zu der Gemeinschaft nicht unproblematisch, besteht doch immer die Gefahr, daß eine Seite über die Frage der Kostentragung auf Bereiche der anderen einwirkt, in denen sie keine Zuständigkeit besitzt. Bevor diese Wechselwirkung zwischen erster und zweiter Säule hier näher untersucht werden kann, soll zunächst ein Blick auf die bisherige Praxis der Finanzierung der GASP unter den Regelungen des Vertrages von Maastricht geworfen werden, um diesen Aspekt als einen weiteren wichtigen Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft zu illustrieren. II. Die Finanzierung der GASP im Vertrag von Maastricht als Berührungspunkt zwischen GASP und Gemeinschaft Der Vertrag von Maastricht regelt die Finanzierung der GASP in den Art. J.ll Abs. 2 EUVa und Art. 199 Abs. 2 EGVa. Er unterscheidet zwischen Verwaltungsausgaben und operativen Ausgaben. Gemäß Art. J.ll Abs. 2 Satz 1 EUVa gehen die Verwaltungsausgaben, die den Organen aus den Bestimmungen über die GASP entstehen, immer zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes. Die Finanzierung der operativen Ausgaben ist flexibler ausgestaltet. Der Rat kann nach Art. J.ll Abs. 2 Satz 2 EUVa über die Tragung der operativen Kosten entscheiden. Er hat die Möglichkeit einstimmig zu beschließen, daß sie von der Gemeinschaft zu zahlen sind (Art. J.ll Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. EUVa)7 , oder feststellen, daß sie nach einem noch festzulegenden Beitragsschlüssel den Mitgliedstaaten auferlegt werden (Art. J.ll Abs. 2 Satz 2, 2. Alt. EUVa). Heide Wege stehen nicht streng alternativ zueinander; es ist auch möglich, die operativen Kosten teils zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes, teils zu Lasten der Mitgliedstaaten gehen zu lassen.8 7 s. etwa Gemeinsame Aktion betreffend die Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten für den Kosovo, angenommen durch Beschluß des Rates 1999/239/ GASP vom 30. März 1999 (ABI. EG L 89/1 vom 1. April 1999). s So hat der Rat für die Finanzierung der operativen Kosten der ersten gemeinsamen Aktion unter dem Vertrag von Maastricht, die die Beförderung humanitärer Hilfe nach BosnienHerzegowina zum Gegenstand hatte (Beschluß des Rates 93/603 /GASP vom 8. Nov. 1993, ABI. EG Nr. L 286/1 vom 20. Nov. 1993) eine gemischte Kostentragung durch Gemeinschaft und Mitgliedstaaten festgelegt (Beschluß des Rates 93/729/ GASP vorn 20. Dez. 1993, ABI. EG Nr. L 339/3 vom 31. Dez. 1993); s. hierzu auch M onar, JCMS 35 (1997), s. 57 (61 f .).
9*
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Entscheidend für die Kostentragung ist also die Differenzierung zwischen operativen Ausgaben und Verwaltungsausgaben. Jedoch definieren weder der EU-Vertrag noch der EG-Vertrag diese Ausgabenarten. So läßt sich Art. J.ll Abs. 2 EUVa und Art. 199 Abs. 2 EGVa lediglich entnehmen, daß zu den Verwaltungsausgaben, die den Organen im Rahmen der GASP entstandenen Aufwendungen zu zählen sind, während die bei der Durchführung von GASP-MaBnahmen angefallenen Kosten als operative Ausgaben angesehen werden sollen. Dies sind aber allenfalls Anhaltspunkte, die eine scharfe Abgrenzung nicht gestatten.· Gerade in der Anfangszeit der GASP hat die unklare Differenzierung der beiden Ausgabenarten zu erheblichen Unsicherheiten geführt. Im Zusammenhang mit der zweiten gemeinsamen Aktion der GASP, die die Entsendung von Beobachtern zu den Parlamentswahlen in der Russischen Föderation zum Gegenstand hatte, erklärte der Rat, die Kosten für die Aufstellung der hierbei erforderlichen .,Sondereinheit für Koordinierung und Betreuung" hätten als Verwaltungsausgaben zu gelten. 9 Vor dem Hintergrund der Formulierung in Art. J.11 Abs. 2 Satz 2 EUVa ist es sachlich schwer nachzuvollziehen, warum die Kosten für eine im Ausland tätige Sondereinheit, deren Aufgabe die Umsetzung einer GASP-MaBnahme ist, nicht als operative Kosten betrachtet werden. Der Rat hat sich hier ganz offensichtlich die nicht eindeutig geklärte Abgrenzung der Ausgabenarten zu Nutze gemacht und durch eine Deklarierung der Kosten als Verwaltungsausgaben eine Entscheidung nach J.ll Abs. 2 Satz 2 EUVa über die Kostentragung operativer Ausgaben umgangen. 10 Auf Drängen des Parlamentes, das zwar prinzipiell eine weitgehende Kostentragung aus dem Gemeinschaftsbudget befürwortete, 11 jedoch die dynamische Interpretation des Umfangs der Verwaltungsaufgaben durch den Rat nicht teilte, 12 präzisierte der Rat, welche Aufwendungen nach seiner Auslegung der Art. J .11 Abs. 2 EUVa und Art. 199 Abs. 2 EGVa als Verwaltungsausgaben zu behandeln seien und welche zu den operativen Ausgaben zu zählen sind. 13 Demnach gehören zu den Verwaltungskosten im wesentlichen Gehälter, Reisekosten und andere Personalkosten, sowie die laufenden Kosten der GASP-spezifi9 Beschluß des Rates 93/604/GASP vom 9. Nov. 1993, ABI. EG Nr. L 286/3 vom 20. Nov. 1993. lO Monar, JCMS 35 (1997), S. 57 (62); Semrau, S. 107. I I Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Finanzierung der GASP vom 26. Okt. 1994, ABI. EG Nr. C 323/73 vom 21. Nov. 1994, Abschnitt H. Ziff. 1; Sonderbericht des Rechnungshofes Nr. 2/96 über die Buchführung des Administrators und der Verwaltung von Mostar durch die Europäische Union etc. 96/C 287/1, ABI. EG Nr. C 287/1 vom 30. Sept. 1996, Ziff. 43 f.; Monar, JCMS 35 (1997), S. 57 (63). I2 Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Finanzierung der GASP vom 26. Okt. 1994, ABI. EG Nr. C 323/73 vom 21. Nov. 1994, Abschnitt H. Ziff. 9; Grabitz/Hilf-MeyerLandrut zu Art. J.ll Rn. 9. n Leitlinien des Rates über die Finanzierung der GASP vom 13. Juni 1994, Dok. 76221 94, wiedergegeben in Bull. EU 6/1994, Ziff. 1.3.2.
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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sehen Tätigkeit des Generalsekretariats des Rates, ferner die Kosten, die bei der Vorbereitung der gemeinsamen Aktionen entstehen. Zu den operativen Ausgaben werden alle Kosten gezählt, die im Rahmen der Durchführung der GASP-Bestimmungen entstanden sind und nicht unter die Verwaltungskosten fallen. Während es sich bei den Verwaltungsausgaben folglich im wesentlichen um laufende Kosten handelt, fallen operative Ausgaben nur an, wenn eine bestimmte Kosten verursachende Maßnahme durchgeführt wird. 14 Abgesehen von den anfänglichen Unsicherheiten bei der genauen Definition des Umfanges der Verwaltungsausgaben, war die Finanzierung dieser Kosten weitgehend unproblematisch und stieß auf wenig Widerspruch. Denn auch bisher hatten die Organe die Verwaltungskosten, die ihnen durch die EPZ entstanden waren, aus den ihnen für Verwaltungszwecke zugewiesenen Mitteln des Gemeinschaftshaushaltes bestritten. 15 Anders stellte sich die Situation im Hinblick auf die operativen Ausgaben dar. Hier bestanden erhebliche Meinungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten über die Rolle der Gemeinschaft in der intergouvernementalen GASP. Bei einer Finanzierung durch den Gemeinschaftshaushalt kommt gemäß Art. J.11 Abs. 2 Satz 2 1. Alt. EUVa das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren des EG-Vertrages (Art. 199 ff. EGVa) zur Anwendung. 16 Dadurch gewinnen die Gemeinschaftsorgane, insbesondere Parlament und Kommission, durch ihre besondere Stellung bei Aufstellung und Umsetzung des Haushaltes 17 erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Durchführung der GASP-Maßnahmen. 18 Dies nährte die Befürchtung, die Finanzierung der GASP durch die Gemeinschaft könne eine schleichende "Vergemeinschaftung" der GASP und den Verlust nationaler Souveränität zur Folge haben. Einige Mitgliedstaaten plädierten daher dafür, der Rat solle, wenn er über die Finanzierung einer GASP-MaBnahme gemäß Art. J.ll Abs. 2 Satz 2 EUVa zu entscheiden habe, immer eine Kostentragung durch die Mitgliedstaaten beschließen. 19 Münch, S. 162. Burghardt/Tebbe zu Art. J. 11 Rn. 5. 16 Art. J.ll Abs. 2 Satz 2 1. Alt EUVa bestimmt nur frir die operativen Ausgabe die Anwendung des Haushaltsverfahrens der Gemeinschaft. Im Hinblick auf die Verwaltungsausgaben existiert keine Regelung dieser Art. Dennoch ist davon auszugehen, daß auch für die Verwaltungsausgaben das Haushaltsverfahren der Gemeinschaft gilt, da alle von der Gemeinschaft zu bestreitenden Ausgaben dem gleichen Budget entnommen werden, für das das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren nach Art. 203 EGVa Anwendung findet (s. Monar, JCMS 35 (1997), S. 57 (59 f.); Semrau, S. 109). 17 Rossi, S. 70 f.; Häde, EuZW 1993, S. 401 (402); Hölscheidt, DÖV 1989, S. 537 (539); GITI E-Bieber zu Art. 203 Rn. 25; Grabitz / Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 14. 18 Hagleitner, CFSP-Forum 2/95, S. 6; Fink-Hooijer, EJIL 5 (1994), S. 173 (185); G/T/ E-Burghardt!Tebbe zu Art. J.ll Rn. 7; Ryba, RMC 1995, S. 14 (20); Monar, JCMS 35 (1997), S. 57 (64); Dehousse, EJIL 9 (1998), S. 525 (535). 19 So Dänemark und Großbritannien, s. Hagleitner, CFSP-Forum 2/95, S. 7. 14
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Nur so könne eine Abhängigkeit von den Geldmitteln der Gemeinschaft vermieden werden und sei der zwischenstaatliche Charakter der GASP zu wahren. Es zeigte sich jedoch in der Folgezeit, daß die Mitgliedstaaten, auch wenn sie den Einfluß der Gemeinschaft auf die GASP nicht wünschten, die eigene Kostenlast scheuten. 20 Die Kommission und das Parlament bekundeten dagegen ihre Bereitschaft, sich an den Kosten der GASP zu beteiligen. 21 Sie versprachen sich davon eine Möglichkeit, auf dem Wege über die Finanzierung der GASP ihre bescheidene Rolle in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auszudehnen. 22 Das Europaparlament schlug daher vor, einen eigenen Haushaltstitel speziell für die GASP einzurichten. 23 Er solle Teil des Einzelplans der Kommission sein, aus dem auch die Ausgaben der gemeinschaftlichen Außenbeziehung finanziert werden. Darüber hinaus regte das Parlament an, eine GASP-Reserve zu schaffen, aus der kurzfristige Kosten bestritten werden könnten. Die Mitgliedstaaten wehrten sich dagegen, daß die Mittel im Einzelplan der Kommission und nicht in dem des Rates ausgewiesen werden sollten?4 Von der Verwaltung der Mittel durch die Kommission fürchteten sie weitere Einflußnahmen. Dennoch setzte sich das Parlament in den Beratungen zu dem Haushaltsjahr 1995 mit seinen Vorstellungen weitgehend durch. 25 Im Einzelplan der Kommission fügte man in Teil B, Operationelle Mittel, einen Teileinzelplan B8, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, ein mit allgemeinen Mittelansätzen für die Vorbereitung neuer GASP-Aktionen sowie spezielle Posten für die verschiedenen bereits laufenden Aktionen. 26 Daneben wurde in den Titel B0-4, Reserven und Rückstellungen, ein Posten für unvorhergesehene GASP-Ausgaben eingerichtet, der gemäß dem gemeinschaftlichen Haushaltsverfahren während des Haushaltsjahres durch das Parlament zur Verfügung gestellt werden konnte. 27 Über die Jahre entwickelte sich so auf der Grundlage von Art. J.ll EUVa und Art. 199 EGVa zwischen den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten eine 20 Für die Finanzierung der gemeinsamen Aktion zur Unterstützung der Beförderung humanitärer Hilfe nach Bosnien-Herzegowina hatte der Rat am 20. Dez. 1993 eine gemischte Kostentragung durch Gemeinschaft und Mitgliedstaaten beschlossen (s. Fn. 8). Im Oktober des darauf folgenden Jahres waren erst drei der Mitgliedstaaten (Irland, Griechenland, Dänemark) ihrer Beitragspflicht nachgekommen. (s. Monar; JCMS 35 (1997), S. 57 (62); Hagleitner; CFSP-Forum 2/95, S. 6). 21 Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Finanzierung der GASP vom 26. Okt. 1994, ABI. EG Nr. C 323/73 vom 21. Nov. 1994, Abschnitt H. Ziff. 1. 22 Pöttering, CFSP-Forum 4/94, S. 3. 23 Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Finanzierung der GASP vom 26. Okt. 1994, ABI. EG Nr. C 323/73 vom 21. Nov. 1994, Abschnitt H. Ziff. 8. 24 G/T/E-Burglwrdt/Tebbe zu Art. J.ll Rn. 7. 2s Monar; JCMS 35 (1997), S. 57 (69 f.). 26 Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1995, 94/943/ EGKS/EG/Eura-tom vom 15. Dez. 1994, ABI. EG Nr. L 369/1551 vom 31. Dez. 1994. 27 Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1995, 94/943/ EGKS/EG/Euratom vom 15. Dez. 1994, ABI. EG Nr. L 369/1609 vom 31. Dez. 1994.
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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einheitliche Praxis der Finanzierung der GASP-Aktionen.Z8 Dennoch bestand bei allen Beteiligten Unzufriedenheit über die gefundene Lösung.Z9 Die Mitgliedstaaten fürchteten um den politischen Spielraum des Rates bei der Gestaltung der GASP. Sie bezweifelten, daß die Regelung eine prompte Reaktion auf akute Krisen zulasse, sahen sich jedoch selbst nicht in der Lage, gemäß Art. J.11 Abs. 2 Satz 2 EUVa die GASP aus eigener Kraft zu finanzieren. Die Gemeinschaft war bereit, für die Ausgaben aufzukommen, erwartete jedoch im Gegenzug einen erhöhten politischen Einfluß auf die Entscheidungen der GASP. Zugleich war sie bestrebt, Eingriffe in die parlamentarischen Haushaltsrechte von seiten der GASP abzuwehren. Die Hoffnungen aller Beteiligten richteten sich daher auf die für 1996 einberufene Regierungskonferenz. 30 Einhergehend mit einer Reform der Institutionen und der intergouvernementalen Zusammenarbeit, sollte auch der Komplex der GASPFinanzierung grundlegend neu geordnet werden. Der Vertrag von Amsterdam vom November 1997 blieb jedoch auch in dieser Frage hinter hohen Erwartungen zuriick.
111. Die Finanzierung der GASP im Vertrag von Amsterdam Die Mitgliedstaaten konnten sich in den Verhandlungen der Regierungskonferenz nicht auf eine grundlegende Neuordnung der Finanzierung der GASP verständigen. Anknüpfend an die bisherige Praxis nimmt der Amsterdamer Vertrag lediglich geringfügige Modifikationen der bestehenden Regelung vor. Die Änderungen beziehen sich nicht auf die Verwaltungsausgaben. Sie sind, wie schon unter dem Vertrag von Maastricht, ausnahmslos aus dem Haushalt der Europäischen Gemeinschaft zu finanzieren (Art. 28 Abs. 2 EUV). Neuerungen ergeben sich im Amsterdamer Vertrag für die operativen Ausgaben. Gemäß Art. 28 Abs. 3 EUV gehen sie nun in der Regel ebenfalls zu Lasten des EG-Haushaltes. Eine Finanzierung der operativen Ausgaben über den EG-Haushalt ist ausgeschlossen, wenn es sich um Kosten aufgrund von ,.Maßnahmen mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen"31 handelt oder wenn der Rat einstimmig beschließt, daß die Kosten zu Lasten der Mitgliedstaaten gehen sollen. In diesen Semrau, S. 110 f. Abschlußbericht der mit der Vorbereitung der Regierungskonferenz beauftragten Reflexionsgruppe, wiedergegegben in Bull. EU 12-1995, Ziff. 1.97, 1.110; Monar; JCMS 35 (1995), S. 57 (76 ff.). 30 Pöttering, CFSP-Forum 4/94, S. 3; Hagleitner, CFSP-Forum 2/95, S. 6 (7); Gilsdorf, in Hummer (Hrsg.), S. 239 (253). 31 Man hat diese einengende Formulierung bewußt gewählt, um den Handlungsspielraum im Bereich der Sicherheitspolitik, die einen größeren Rahmen umfaßt, zu wahren (s. Grabitz/ Hilf-Meyerl Landrut zu Art. J.ll Rn. 11). 28
29
3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
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Fällen sind sie nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 EUV von den Mitgliedstaaten im Verhältnis der Höhe ihres Bruttosozialprodukts zueinander zu tragen ("Bruttosozialproduktschlüssel"). Eine andere Verteilung ist nur durch einstimmigen Beschluß des Rates möglich. Hat sich ein Mitgliedstaat bei einer Entscheidung im Rahmen der GASP gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 EUV konstruktiv enthalten, so ist er nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 EUV nur dann nicht verpflichtet einen Anteil der Kosten zu übernehmen, wenn es sich um Maßnahmen mit militärischem oder verteidigungspolitischem Bezug handelt. Bei allen anderen Maßnahmen muß er sichtrotz konstruktiver Enthaltung an den Kosten beteiligen. 32 Wesentliches Element der Neufassung der Finanzierung der GASP ist also die Umkehr der grundsätzlichen Kostentragungspflicht für operative Ausgaben. Müssen nach dem Maastrichter Vertrag in der Regel die Mitgliedstaaten die Kosten übernehmen und können sie diese nur durch einstimmigen Beschluß dem EGHaushalt anlasten, gehen nach dem Amsterdamer Vertrag die operativen Ausgaben grundsätzlich zu Lasten des EG-Haushaltes und sind nur durch einstimmigen Beschluß des Rates auf die Mitgliedstaaten übertragbar. Für die Ausgaben, die aus dem EG-Haushalt finanziert werden, gilt das nach dem EG-Vertrag vorgesehene gemeinschaftliche Haushaltsverfahren (Art. 28 Abs. 4 EUV). Die Einigung auf diese Regelung wurde nur möglich, weil die Organe der Europäischen Gemeinschaft sich zugleich auf eine interinstitutionelle Vereinbarung verständigen konnten, die die widerstreitenden Interessen der Organe in Einklang zu bringen versuchte. 33 Diese im Rahmen der Regierungskonferenz 1996/97 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission abgeschlossene "/nterinstitutionelle Vereinbarung zur Finanzierung der GASP" 34 orientierte sich an dem bereits auf der Grundlage des Maastrichter Vertrages praktizierten Verfahren.35 So qualifizierte sie die operativen Ausgaben der GASP bestehender Übung entsprechend als nichtobligatorische Ausgaben?6 Von der Differenzierung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben hängt gemäß Art. 272 EGV der Umfang der Befugnisse von Rat und Parlament im Haushaltsverfahren ab?7 32
Grabitz/Hilf-Meyer-l.Andrut zu Art. J.ll Rn. 12; Calliess/Ruffen-Cremer zu Art. 28
EUVRn. 8.
Thun-Hohenstein, S. 76 f. Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Europäischen Kommission über Vorschriften zur Finanzierung der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik, ABI. EG 1997 Nr. C 286/80 vom 22. Sept. 1997. 33 34
35
Dehousse, EJIL 9 (1998), S. 525 (535); Pechstein/ Koenig, Rn. 418.
36
Art. B der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 22. Sept. 1997, s. Fn. 34.
Grabitz/Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 23; Griese, EuR 1998, S. 462 (467); zu den Schwierigkeiten der Differenzierung: Strasser, S. 186 ff.; Fugmann, S. 377 ff.; G/T/E-Bieber zu Art. 203 Rn. 25 ff.; Grabitz/Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 24; Hailbronner/KleinMüller-Graffzu Art. 203 Rn. 25 ff. 37
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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Wcihrend der Rat im Hinblick auf die obligatorischen Ausgaben die letzte Entscheidung trifft, hat das Parlament hinsichtlich der nichtobligatorischen Ausgaben das letzte Wort. 38 Rat, Parlament und Kommission verständigen sich mit der Qualifizierung der operativen Ausgaben als nichtobligatorische Ausgaben somit auf ein weitgehendes Haushaltsrecht des Parlaments in diesem Bereich. Daneben räumte die Interinstitutionelle Vereinbarung dem Europäischen Parlament weitgehende Anhörungs- und Unterrichtungsrechte ein. 39 Die ,.lnterinstitutionelle Vereinbarung zur Finanzierung der GASP" wurde zum I. Januar 2000 durch die umfassende "Interinstitutionelle Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens"40 abgelöst. Die GASP-Ausgaben gelten auch nach der neuen Vereinbarung weiterhin als nichtobligatorische Ausgaben im Sinne von Art. 272 EGV. 41 In Teil II der Interinstitutionellen Vereinbarung, die unter Buchstabe H. die Finanzierung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik behandelt, werden daher Modalitäten für das Haushaltsverfahren festgelegt, die gewährleisten sollen, daß das Europäische Parlament die GASP-Ausgaben nicht blockiert. Demnach bemühen sich die Organe anband des Haushaltsplanvorentwurfs der Kommission jedes Jahr eine Einigung über die Höhe der operativen GASP-Ausgaben, die zu Lasten des EG-Haushaltes gehen, zu erreichen. Wenn hierbei keine Einigung erzielt werden kann, vereinbaren Parlament und Rat, den Betrag des vorherigen Haushaltsjahres oder, falls dieser niedriger ist, den im Vorentwurf des Haushaltsplans veranschlagten Betrag anzusetzen.42 Der Gesamtbetrag wird in ein eigenes GASPKapitel des Haushaltsplanes eingestellt. Sein Umfang muß so gestaltet sein, daß er den tatsächlich vorhersehbaren Mittelbedarf deckt und eine angemessene Marge für unvorhergesehene Aktionen bietet. Wenn sich im Laufe des Haushaltsjahres die eingesetzten Mittel zur Deckung der notwendigen Ausgaben als unzureichend herausstellen, verständigen sich Rat und Parlament auf Vorschlag der Kommission, mit Dringlichkeit eine Lösung zu erarbeiten. 43 In Anhang III der Interinstitutionellen Vereinbarung wird ein sich auf alle Ausgaben beziehendes Konzertierungsverfahren festgelegt, mit dessen Hilfe Einvernehmen zwischen Rat und Parlament auch in Streitigkeiten über den Umfang der GASP-Ausgaben hergestellt werden soll.
38 Rossi, S. 70 f.; Häde, EuZW 1993, S. 401 (402); Hölscheidt, DÖV 1989, S. 537 (539); G ITI E-Bieber zu Art. 203 Rn. 25. 39 Art. L ff. der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 22. Sept. 1997, s. Fn. 34. 40 Interinstitutionelle Vereinbarung vom 6. Mai 1999 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens, ABI. EG 1999 Nr. C 172/1 vom 18. Juni 1999. 41 Anhang IV der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999, s. Fn. 40. 42 Nr. 39 Abs. 1 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999, s. Fn. 40. 43 Nr. 39 Abs. 3 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 6. Mai 1999, s. Fn. 40.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
IV. Bedeutung der Interinstitutionellen Vereinbarung Aus dem oben dargestellten Inhalt der Interinstitutionellen Vereinbarung läßt sich ersehen, daß ihr zur Regelung des formalen Ablaufs der Finanzierung der GASP erhebliche praktische Bedeutung zukommt. Rechtliche Konsequenzen für das Verhältnis von Gemeinschaft und Union ergeben sich aus ihr jedoch nur, wenn sie in der Lage ist, auf rechtlich verbindliche Weise die Bestimmungen über die Finanzierung der GASP in Art. 28 EUV inhaltlich auszugestalten. Interinstitutionelle Vereinbarungen sind zulässig44 und werden häufig angewandt, um bei komplexen Entscheidungsmaterien zwischen den Organen auf einem pragmatischen Weg eine konzertierte und einvernehmliche Vorgehensweise sicherzustellen.45 So hat beispielsweise der Gerichtshof Rat und Parlament aufgefordert, sich über die Abgrenzung von obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben, der entscheidende Bedeutung für den Einfluß des Parlaments im Haushaltsverfahren zukommt, mittels einer interinstitutionellen Vereinbarung zu einigen.46 Inwieweit interinstitutionelle Vereinbarungen jedoch rechtliche Bindungswirkung besitzen können, ist umstritten. So wird die Ansicht vertreten, bei interinstitutionellen Vereinbarungen handele es sich um Gemeinschaftsrecht mit Außenwirkung, dessen Rang zwischen primärem und sekundärem Recht einzuordnen sei und das Verbindlichkeit besitze. 47 Es bände die Organe und sei bei Nichtigkeitsklagen zu berücksichtigen. Ebenso sei ihre Einhaltung durch Untätigkeitsklagen vor dem Europäischen Gerichtshof erzwingbar. Die Vertreter dieser Meinung räumen zwar ein, daß der EG-Vertrag solche Vereinbarungen nicht ausdrücklich gestattet, gehen aber gleichwohl davon aus, daß sie im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens der Gemeinschaft zulässig sein müßten. Zur Begründung wird auf die Vielzahl interinstitutioneller Vereinbarungen48 im Hinblick auf das Haushaltsverfahren seit den frühen siebziger Jahren verwiesen. Diese seien weder von den Mitgliedstaaten noch den Organen in Frage gestellt worden, so daß man als Rechtsgrundlage der interinstitutionellen Vereinbarungen unter schweigender Zustimmung der Mitgliedstaaten entstandenes Organisationsgewohnheitsrecht annehmen könne. Nach einer anderen Auffassung lösen interinstitutionelle Vereinbarungen lediglich eine Selbstbindung der Organe aus. 49 Diese ergebe sich aus dem Grundsatz 44
Monar, CML Rev. 31 (1994), S. 693 (695 f.); I.iiufer, S. 232 ff.
45 Schwarze, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 49 (50 ff.); Griese, EuR 1998, S. 462 (468). 46 Urteil des EuGH in der Rs. 34/86 vom 3. Juli 1986, Rat der Europäischen Gemeinschaft/Europäisches Parlament, S1g. 1986, S. 2155 (2212), Rn. 50. 47 Bleckmann, in Bleckmann, Rn. 475; Pechstein/ Koenig, Rn. 393. 48 Eine Übersicht bieten: Schwarze, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 49 (56 ff.); Monar, CML Rev. 31 (1994), S. 693 f.; Magiera, FS Grabitz, S. 409 (423 ff.); I.iiufer, S. 72 ff.; Gauweiler, s. 6 ff.
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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des Vertrauensschutzes und der Organtreue. Sie dürfe allerdings nicht zur Bindung an ein Verhalten führen, das nicht im Einklang mit dem EG-Vertrag stehe, und werde beschränkt durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Die Einhaltung dieser Schranke sei durch den Europäischen Gerichtshof überprüfbar. Gegen die Auffassung, interinstitutionelle Vereinbarungen besäßen rechtsverbindlichen Charakter, spricht, daß die Organe hierfür nicht über die erforderliche Abschlußkompetenz verfügen. Nach dem in Art. 7 Abs. 1 EGV niedergelegten Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung können die Organe der Gemeinschaft nur Recht setzen, wenn sich den Gründungsverträgen eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung entnehmen läßt.5° Auch kann Organisationsgewohnheitsrecht hier nicht als Rechtsgrundlage dienen. Es ist zwar allgemein anerkannt, daß sich auch innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung und hier auch im institutionellen Bereich Gewohnheitsrecht entwikkeln kann,51 dennoch sind die Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht noch nicht erfüllt. Sie verlangt neben dem objektiven Element der allgemeinen Übung (consuetudo) auch das subjektive Element der Rechtsüberzeugung (opinio iuris sive necessitatis).52 Eine allgemeine Übung für das Schließen interinstitutioneller Vereinbarungen hinsichtlich des Haushaltsverfahrens kann angenommen werden, betrachtet man die Vielzahl dieser Vereinbarungen in den letzten zwanzig Jahren53 . Sie ist jedoch nicht von der Rechtsüberzeugung der Organe getragen. Rat, Kommission und Parlament kann nicht unterstellt werden, daß sie sich auf Dauer an die in den Vereinbarungen getroffenen Regelungen binden wollten. Vielmehr scheint der Zweck der interinstitutionellen Vereinbarungen zu sein, für eine Übergangszeit zwischen den Organen einen modus vivendi in einem äußerst komplexen Bereich zu schaffen, der die Zeit überbrücken soll, bis durch entsprechende Vertragsänderungen bestehende Unklarheiten beseitigt werden. Schon von ihrer Anlage her haben diese Vereinbarungen mithin einen vergänglichen Charakter. Eine Rechtsüberzeugung der Organe im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit und rechtliche Bindung interinstitutioneller Vereinbarungen ist daher nicht nachzuweisen. Interinstitutionelle Vereinbarungen können somit nicht auf der Grundlage von Organisationsgewohnheitsrecht Verbindlichkeit erlangen.54 49 Schweitzer/Hummer, Rn. 939; Schwarze. EuR -Beiheft 2- 1995, S. 49 (54 f.); Monar, CML Rev. 31 (1994), S. 693 (700 ff.); Griese, EuR 1998, S. 462 (468); Gauweiler; S. 52 ff. ; nach Jacque, in Bieber/Ress (Hrsg.), S. 377 (403 f.) und Fugmann, S. 362 hängt die rechtliche Bindungswirkung im Einzelfall von der Natur der Vereinbarung und dem Willen der kontrahierenden Parteien ab. 50 Streinz. Rn. 436 f. 51 Bleckmann, EuR 1981, S. 101 (110 ff.); Fugmann, S. 361 f.; Schweitzer/Hummer, Rn. 17; Gauweiler, S. 87 ff.; a.A. Beutler/Bieber/ Pipkom/Streil, S. 190 f. 52 GrafVitzthum, in GrafVitzthum (Hrsg.), Rn. 132; Verdross/Simma, § 551 ; Seidl-Hohenveldem, Rn. 467. 53 s. Fn. 48. 54 Ebenso Gauweiler, S. 94.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
Es ist folglich davon auszugehen, daß interinstitutionelle Vereinbarungen keine gemeinschaftsrechtliche Verbindlichkeit entfalten, sie jedoch eine Selbstbindung der Organe bewirken. Diese Selbstbindung ist aber insoweit begrenzt, als sie nicht dazu führen darf, daß ein Organ nicht mehr seine ihm vertraglich zugewiesenen Befugnisse wahrnehmen kann. 55 Sie fußt auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit, nach dem ein Organ die Einhaltung der Vereinbarung nur durch die Drohung, bei einem Verstoß seinerseits von ihr abzuweichen, erzwingen kann. Der Klageweg steht nicht zu Gebote. Die Interorganabsprachen können aus diesem Grund kein bindendes Recht schaffen, das in der Lage wäre, das im EG-Vertrag festgelegte Verhältnis zwischen den Organen zu ändern. Die Interinstitutionelle Vereinbarung über die Finanzierung der GASP vermag daher auch nicht auf rechtlich verbindliche Weise die Bestimmungen über die Finanzierung der GASP in Art. 28 EUV inhaltlich auszugestalten. Sie ist somit für die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Regelung der "säulenübergreifenden" Kostentragung in Art. 28 EUV für das Verhältnis zwischen Union und Gemeinschaft ergeben, ohne Bedeutung. Im folgenden sind nun diese Konsequenzen zu untersuchen. Im Zentrum der Betrachtung stehen mögliche Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft, wie sie sich aus der Finanzierungsregelung des Art. 28 EUV ergeben könnten. V. Konflikte zwischen GASP und Gemeinschaft bei der Finanzierung der GASP
Wie schon im Zusammenhang mit der Verhängung von Wirtschaftssanktionen und dem integrierten System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck sind auch hier grundsätzlich zwei Arten von Konflikten zwischen GASP und Gemeinschaft denkbar. 56 Zum einen könnte die in Art. 28 Abs. 3 EUV vorgesehene "säulenübergreifende" Kostentragung zur Folge haben, daß die Gemeinschaft den Mitgliedstaaten Kompetenzen entzieht, es also zu einer ,,Vergemeinschaftung" nationaler Zuständigkeiten kommt. Zum anderen ist auch die gegenläufige Entwicklung vorstellbar. Die Regelung der Finanzierung der GASP in Art. 28 Abs. 3 EUV könnte einen verstärkten Einfluß der in der GASP zusammenarbeitenden Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft mit sich bringen und im Ergebnis eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten bewirken. Im Mittelpunkt der folgenden Betrachtung steht die Finanzierung der operativen Ausgaben. Die Verwaltungsausgaben gehen nach Art. 28 EUV Abs. 2 Satz 1 EUV zwar ebenfalls zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes, dies birgt jedoch nicht die Bieber, S. 195; Schweitzer/Hummer, Rn. 940. Burghardt/Tebbe, EuR 1995, S. 1 (7 f.); Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (152); Grabitzl Hilf-Schneider zu Art. 228 a Rn. 7; Stein, EuR -Beiheft 2- 1995, S. 69 (81). 55
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3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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Gefahr von "Vergemeinschaftung" oder lntergouvemementalisierung, da es sich bei den Verwaltungsausgaben im wesentlichen um Kosten handelt, die den Gemeinschaftsorganen entstehen, und es sich folglich hierbei streng genommen nicht um eine "säulenübergreifende" Finanzierung handelt. 57
1. lntergouvemementalisierung von Kompetenzen der Gemeinschaft im Verfahren der Finanzierung der GASP Die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP durch die Gemeinschaft, wie sie Art. 28 Abs. 3 EUV als Regelfall vorsieht, könnte eine Intergouvemementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten, also ihre Rückführung in den von den Mitgliedstaaten im Rahmen der Gemeinschaft gemeinsam ausgeübten nationalen Zuständigkeitsbereich bewirken. Das wäre der Fall, wenn die GASP einen so starken Einfluß auf die Gemeinschaft und ihre Organe gewönne, daß sie in ihrer Handlungs- und Entscheidungsfreiheit eingeschränkt würden und letztlich Entscheidungen, die von der Gemeinschaft nach ihren Zuständigkeiten getroffen werden müßten, durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP entschieden würden. Gemäß Art. 28 Abs. 3 EUV trägt der Gemeinschaftshaushalt die operativen Ausgaben der GASP. Die Gemeinschaft gewährt die erforderlichen Mittel nach Art. 28 Abs. 4 EUV in Anwendung ihres Haushaltsverfahrens. Die Art. 268 ff. EGV sehen im Haushaltsverfahren für nichtobligatorische Ausgaben im Sinne von Art. 272 Abs. 4 Satz 2 EGV eine weitreichende Entscheidungskompetenz des Europäischen Parlamentes vor. So hat das Parlament die Möglichkeit, Ausgabenansätze vollständig zurückzuweisen. 58 Dieses Recht würde beschnitten, wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP die Gemeinschaft verpflichten könnten, die operativen Kosten der GASP zu übernehmen. Bei einer Verpflichtung der Gemeinschaft durch die GASP wäre das Parlament als Organ der Gemeinschaft daran gebunden. Zur Beantwortung der Frage, ob es im Verfahren der Finanzierung der GASP zu einer Intergouvemementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten kommt, ist also im folgenden zu prüfen, ob die Gemeinschaft verpflichtet ist, die Kosten jeder von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP beschlossenen Maßnahme zu tragen. Eine Verpflichtung zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen könnte sich aus Art. 28 EUV, aus Art. 268 EGV i.V.m. Art. 28 EUV sowie aus dem in Art. 1 Abs. 3 Satz 2 und Art. 3 Abs. 2 EUV niedergelegten Kohärenzgebot ergeben.
Busse, S. 204. Pechstein/Koenig, Rn. 386; Grabitz/Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 14; Rossi, S. 70 f.; Häde, EuZW 1993, S. 401 (402). 57
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
a) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen durch Art. 28 EUV Möglicherweise verpflichtet Art. 28 EUV die Gemeinschaft, die Kosten der Durchführung der GASP-MaBnahmen zu tragen. Dafür spricht der Wortlaut. Die operativen Ausgaben, so bestimmt es Art. 28 Abs. 3 EUV, "gehen ... zu Lasten des Haushaltes der Europäischen Gemeinschaft". Fraglich ist aber, ob eine Bestimmung des EU-Vertrages die Gemeinschaft zu binden vermag. Davon wäre auszugehen, wenn das Recht des EU-Vertrages dem Gemeinschaftsrecht gegenüber eine normative Höherrangigkeit59 oder zumindest einen Anwendungsvorrang besäße. Ein solches Rangverhältnis läßt sich jedoch dogmatisch nicht begriinden. Obgleich das Gemeinschaftsrecht und das Recht des EU-Vertrages durch den in Art. 3 Abs. 1 EUV beschriebenen einheitlichen institutionellen Rahmen verbunden sind und verschiedene Beriihrungspunkte aufweisen, stellen sie doch zwei weitgehend voneinander getrennte Rechtssysteme dar, die nicht übereinander, sondern nebeneinander stehen. 60 Dies kommt zum Ausdruck in Art. 47 EUV, nach dem der Unionsvertrag den EG-Vertrag vorbehaltlich der Änderungsbestimmungen "unberührt" läßt. Ein Hierarchieverhältnis zwischen dem Recht des Unionsvertrages und dem Gemeinschaftsrecht ist damit nicht vereinbar. Der Art. 28 EUV könnte der Gemeinschaft unter dieser Prämisse nur Verpflichtungen auferlegen, wenn er den EG-Vertrag abänderte. Dann müßte es sich bei Art. 28 EUV um eine Änderungsbestimmung im Sinne von Art. 47 EUV handeln. Änderungsbestimmungen im Sinne von Art. 47 EUV sind zunächst die Art. 8, 9 und 10 EUV, in denen die zu modifizierenden Artikel der Gemeinschaftsverträge enumerativ aufgeführt werden. 61 Neben diesen expliziten sind jedoch auch implizite Änderungsbestimmungen denkbar, zumindest schließt Art. 47 EUV sie nicht aus. 62 Eine solche Änderung des Gemeinschaftsrechts ohne Textänderung der Verträge ist allerdings nur in engen Grenzen möglich. Nicht jede Norm des EU-Vertrages, die auch gemeinschaftlich geregelte Bereiche betrifft, bewirkt eine implizite Änderung der Gemeinschaftsverträge. Dies untergriibe den Zweck des Art. 47 EUV, als Kollisionsnorm eine Unterscheidung zwischen dem Gemeinschaftsrecht und dem Recht des Unionsvertrages sicherzustellen, da sich auf diese Weise eine schwer zu überschauende Anzahl impliziter Änderungen des Gemeinschaftsrechts ergäbe.63 Implizite Änderungen des Gemeinschaftsrechts können nur solche grundsätzlichen Bestimmungen des EU-Vertrages bewirken, deren Inhalt sich auf die beSo von Bogdandy/Nettesheim, EuR 1996, S. 3 (11); a.A. Pechstein/Koenig, Rn. 106. GIT/E-Krück zu Art. M Rn. 2; Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 1; Hailbronner/ Klein-Klein zu Art. M Rn. 1; Everling, CML Rev. 29 (1992), S. 1053 (1063); Streinz, ZfRV 59
60
1995, s. 1 (9).
Grabitzl Hilf-Paehe zu Art. M Rn. 6; Hailbronner I Klein-Klein zu Art. M Rn. 2. Pechstein!Koenig, Rn. 110 ff.; a.A. BVerfGE 89, S . 155 (196); Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 10 ff.; Dörr, 0., EuR 1995, S. 334 (346). 63 Ebenso Grabitz!Hilf-Pache zu Art. M Rn. 12. 61
62
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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sondere Architektur der Union und ihren Zusammenhalt richtet und die nur einen Sinn ergeben, wenn alle Glieder der Union an sie gebunden sind. Dazu zählen die Regelungen über das Kohärenzgebot der Art. I Abs. 3 Satz 2 EUV und Art. 3 EUV, die Zielvorschriften des Art. 2 EUV sowie die Regelung des Art. 3 Abs. I, 2 und 3 EUV, nach der die Union auf den Grundsätzen der Freiheit und Demokratie beruht und die Grundrechte und die nationale Identität der Mitgliedstaaten achtet.64 Die Gemeinschaft ist an diese Bestimmungen des EU-Vertrages gebunden, weil diese für den Zusammenhalt sorgen, den die in Art. I Abs. 3 EUV beschriebene Konstruktion erfordert, nach der die Gemeinschaften und die Fonneo der Zusammenarbeit die Grundlage der Union bilden. Dariiber hinaus enthält der EU-Vertrag keine impliziten Änderungsbestimmungen. Art. 28 EUV bewirkt somit weder eine explizite noch eine implizite Änderung des EG-Vertrages und vennag daher die Gemeinschaft auch nicht zu binden. Die Gemeinschaft kann durch Art 28 EUV nach all dem nur verpflichtet werden, wenn eine Bestimmung des EG-Vertrages die Gültigkeit des Regelungs~ehaltes des Art. 28 EUV für die Gemeinschaft ausdrücklich festschreibt. Eine derartige ausdrückliche Bindungsübernahmeklausel könnte Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV darstellen.
b) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-Maßnahmen durch Art. 268 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 28 EUV Möglicherweise verpflichtet Art. 268 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 28 EUV die Gemeinschaft, die Kosten der Durchführung der GASP-Maßnahmen zu tragen. Die operativen Ausgaben, so legt es Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV fest, "können unter den in diesen Bestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen dem Haushalt angelastet werden." Mit " diesen Bestimmungen", das ergibt sich aus dem Zusammenhang der Fonnulierung des Satzes I, meint Art. 268 EGV die Artikel des EU-Vertrages über die GASP, also die Regelungen des Art. 11 ff. EUV, insbesondere den Art. 28 EUV. Ob der Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV allerdings eine Verpflichtung der Gemeinschaft, die operativen Kosten der GASP zu finanzieren, begründet, ist fraglich. Der Wortlaut des Art. 268 EGV ist insofern nicht eindeutig. Er gestattet zwei unterschiedliche Interpretationen. Zum einen läßt sich Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EUV so verstehen, daß, sofern die Voraussetzungen des Art. 28 EUV gegeben sind, die Gemeinschaft auf jeden Fall für die Kosten aufzukommen hat. Das Wort " ... können ... " beschreibt dann nur die Möglichkeit des Nichtvorliegens dieser Voraussetzungen65. Zum anderen ist es denkbar, daß die Fonnulierung "können .. . angelastet Pechstein/ Koenig, Rn. 116. Die beiden Voraussetzungen, die Art. 28 Abs. 3 EUV für eine Finanzierung durch die Gemeinschaft aufstellt, sind negativer Art. So darf es sich erstens nicht um Ausgaben für 64
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
werden" der Gemeinschaft gerade einen Entscheidungsspielraum in der Frage der Finanzierung einräumen will. Weder die englische noch die französische Textfassung vermögen hier zur Klärung beizutragen. 66 Die wörtliche Auslegung des Art. 268 EGV führt nicht weiter. 67
Betrachtet man den Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV im Kontext anderer Bestimmungen des Vertrages, zeigt sich, daß eine die Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft beschränkende Bindung der Gemeinschaft an Vorgaben des EU-Vertrages kein Einzelfall wäre. Wie bereits oben untersucht, wird die Gemeinschaft durch Art. 301 EGV verpflichtet, die von der GASP beschlossenen Embargomaßnahmen gegenüber Drittstaaten handelspolitisch umzusetzen. Auch Art. 268 Abs. 2 Satz 1 EGV bindet die Gemeinschaft, die Kosten für die Verwaltungsausgaben zu tragen. Sie kann sich dem nicht durch eine ablehnende Entscheidung, etwa eine Nichtbewilligung durch das Parlament, entziehen. 68 Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV unterscheidet sich jedoch von diesen beiden Fällen durch syinen nicht eindeutig eine Verpflichtung der Gemeinschaft ausdrückenden Wortlaut. Gerade wenn man die Formulierung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV ("können ... dem Haushalt angelastet werden") mit denen des Satzes 1 ("gehen zu Lasten des Haushaltes") vergleicht, scheint alles dafür zu sprechen, daß eine Verpflichtung der Gemeinschaft nicht gewollt ist. Denn sonst hätte man den Satz 2 entsprechend der unmißverständlichen Fassung des Satzes 1 formulieren können. Dagegen läßt sich jedoch einwenden, daß der Wortlaut des jetzigen Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV im Amsterdamer Vertrag keine Änderung erfahren hat obwohl, wie oben dargestellt, die Voraussetzungen für die Finanzierung der operativen Ausgaben geändert wurden. Sah der Maastrichter Vertrag als Regelfall noch die Finanzierung der operativen Ausgaben durch die Mitgliedstaaten vor, so soll nach dem Amsterdamer Vertrag grundsätzlich der Gemeinschaftshaushalt diese Kosten tragen. Mit der Neufassung der Finanzierungsregeln im EU-Vertrag korrespondiert jedoch keine Modifizierung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV. Dies könnte auf ein redaktionelles Versehen zurückzuführen sein. Unterstellt man also, der unklare Wortlaut des Satzes 2 sei darin begründet, daß dieser sich auf die Finanzierungsregelung des Maastrichter Vertrages beziehe, so müßte man im Hinblick auf die Äneine Maßnahme mit militärischen oder verteidigungspolitischen Bezügen handeln; zweitens darf der Rat einstimmig nicht etwas anderes entschieden haben. Zu dem weitergefaßten Bedeutungsgehalt des Begriffs" Voraussetzungen" in Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV s. Fn. 69. 66 Die englische Formulierung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV lautet: "The operational expenditure occasioned by the implementation of the said provisions may, under the condition referred to therein, be charged to the budget." Die französische Fassung lautet: "Les depenses operationelles entralnees par la mise en ceuvre des dites dispositions peuvent, selon /es conditions visees par celles-ci, etre mises Ia charge du budget. " 67 Zu den Auslegungsmethoden im Europäischen Gemeinschaftsrecht s. Bleckmann, in: Bleckmann, Rn. 537 ff.; Grundmann, S. 192 ff. 68 Pechstein/ Koenig, Rn. 386.
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derungen durch den Amsterdamer Vertrag den Satz 2 im Zuge einer systematischen Auslegung so verstehen, wie der Satz I aufgrund seines eindeutigen Wortlautes verstanden wird, nämlich als Verpflichtung der Gemeinschaft, die Kosten der GASP zu übernehmen. Eine solche Auslegung übersieht jedoch den nach wie vor gemäß Art. 28 EUV bestehenden Unterschied zwischen der Finanzierung der beiden Kostenarten. Bei den operativen Ausgaben, anders als bei den Verwaltungsausgaben, hat der Rat die Möglichkeit, durch einstimmiges Votum eine Finanzierung zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes zu verhindert und durch die Mitgliedstaaten vornehmen zu lassen. Auch wenn für beide Kostenarten nun nach dem Amsterdarner Vertrag die Regelfinanzierung durch den Gemeinschaftshaushalt vorgesehen ist, so rechtfertigt der weiterhin bestehende Unterschied eine differenzierte Behandlung. Es ist daher nicht zulässig, die abweichende Formulierung in Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV als redaktionellen Fehler abzutun. Im Gegenteil deutet die andersartige Textfassung gerade darauf hin, daß für die operativen Kosten der GASP, anders als für die Verwaltungsausgaben, keine Verpflichtung der Gemeinschaft durch die GASP gewollt ist. Gegen eine Verpflichtung der Gemeinschaft spricht auch die Regelung des Art. 28 Abs. 4 EUV, nach der das Haushaltsverfahren der Gemeinschaft auf die zu Lasten der Gemeinschaft gehenden Ausgaben angewendet werden soll. Der Art. 28 Abs. 4 EUV gilt als unionsvertragliche Norm nicht direkt für die Gemeinschaft, sondern in Verbindung mit der Bindungsübernahmeklausel des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV. 69 Allerdings bedürfte es nicht der ausdriickliche Bestimmung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV i. V.m. Art. 28 Abs. 4 EUV, da die allgemeinen Regeln des Art. 268 Abs. 1 i.V.m. Art. 272 EGV für alle Ausgaben aus dem Gemeinschaftshaushalt ohnehin die Anwendung des Haushaltsverfahrens vorsehen. 70 Dennoch kann der Art. 28 Abs. 4 EGV als Indiz für eine weitgehende Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft in der Frage der Finanzierung operativer Ausgaben der GASP verstanden werden. Wenn eine Bindung der Gemeinschaft intendiert worden wäre, hätte man auf den Hinweis des Art. 28 Abs. 4 EUV verzichtet. Das in den Art. 268- 280 EGV niedergelegte Haushaltsverfahren sieht die Beteiligung von Rat, Kommission und Parlament vor. Diese Beteiligungsrechte würden nicht durch den Bezug auf das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren in Art. 28 Abs. 4 69 Dies folgt aus der Formulierung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV: ,. ... können unterden in diesen Bestimmungen vorgesehenen Voraussetzungen dem Haushalt angelastet werden.". Der Begriff .. Voraussetzungen" ist hier nicht im engen Wortsinn als "Bedingung" zu verstehen, denn dann würde er sich nicht auf Art. 28 Abs. 4 EUV beziehen können, da es sich hierbei nicht um eine Bedingung für die Finanzierung der GASP handelt. Er umfaßt vielmehr in seinem weiteren Sinngehalt auch die Bedeutung des Wortes "Umstände". Dies erschließt sich aus einem Vergleich mit der englischen (,.conditions") und französischen Textfassung (,.conditions"), die diesen weitergefaßten Bedeutungsgehalt besitzen. Zu den in Art. 28 EUV genannten Umständen für die Finanzierung der GASP-MaBnahmen gehört gemäß Art. 28 Abs. 4 EUV auch die Anwendung des gemeinschaftlichen Haushaltsverfahrens. 70 Monar; JCMS 35 (1997), S. 57 (60).
10 Burkard
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
EUV herausgestellt, wollte man ihnen nur formale Bedeutung beimessen. Wenn also für die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP in Art. 28 Abs. 4 EUV auf die Anwendung des gemeinschaftlichen Haushaltsverfahrens hingewiesen wird, ergibt das nur Sinn, sofern die Gemeinschaft nicht durch die GASP zur Finanzierung verpflichtet werden soll, sondern eine eigene Entscheidungsfreiheit besitzt. Dagegen läßt sich nicht einwenden, Art. 28 Abs. 4 'EUV beziehe sich gleichermaßen auf die operativen Ausgaben und die Verwaltungsausgaben. Es sei daher widersprüchlich, daraus für die Finanzierung der operativen Ausgaben eine Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft zu folgern, während man im Hinblick auf die Verwaltungsausgaben gleichwohl von einer Bindung der Gemeinschaft ausginge. Dieser Einwand greift nicht, weil der Wortlaut des EG-Vertrages hinsichtlich der Bindung der Gemeinschaft bei der Finanzierung der Verwaltungsausgaben eindeutig ist und es daher keiner Interpretation des Wortlautes unter Zuhilfenahme des Art. 28 Abs. 4 EUV bedarf, wie dies die unklare Formulierung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV erfordert. Auch Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV i.V.m. Art. 28 EUV vermag die Gemeinschaft nicht zu binden. Eine Verpflichtung, die Kosten der Durchführung der GASP-Maßnahmen zu tragen, läßt sich dem Wortlaut des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV nicht entnehmen.
c) Verpflichtung der Gemeinschaft zur Finanzierung der GASP-MaBnahmen durch das Kohärenzgebot der Art. 1 Abs. 3 Satz 2 und Art. 3 Abs. 2 EUV Eine Verpflichtung der Gemeinschaft, die GASP-MaBnahmen zu finanzieren, könnte sich jedoch aus dem Kohärenzgebot ergeben. In seinen beiden Ausprägungen71 erfüllt das Kohärenzgebot die Funktion, den Zusammenhalt der Union bei der Verwirklichung der Unionsziele sicherzustellen. 72 Dies soll durch gegenseitige Abstimmung und gemeinsames Vorgehen in den verschiedenen Politikbereichen und Formen der Zusammenarbeit erreicht werden. Die Adressaten des Kohärenzgebotes sind die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft mit ihren Organen?3 Ihnen 71 Der Unionsvertrag unterscheidet zwei Ausprägungen des Kohärenzgebotes, das Gebot innerer Kohärenz (Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV) und das Gebot äußerer Kohärenz (Art. 3 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 EUV), so auch Hailbronner/Klein-Klein zu Art. A Rn. 59; a.A MüllerGraf!, integration 1993, S. 147; Siems, S. 24; Pechstein/ Koenig, Rn. 133. Sie gehen von drei Ausprägungen des Kohärenzgebotes aus. 72 Krenzler/Schneider, EuR 1994, S. 144 (145 f.); Hailbronner/Klein-Klein zu Art. A Rn. 60; Pechstein/Koenig, Rn. 128 f . 73 Grabitz/Hilf-Pache zu Art. M Rn. 15; Schweifzer/Hummer Rn. 958; Siems, S. 35 ff., 41 ff.; Pechstein/Koenig, Rn. 135 f.; Streinz, ZfRV 1995, S. 1 (5 f.); a.A: Semrau S. 49 und Krenzler/Schneider; EuR 1994, S. 144 (147), die, von der Volkerrechtsfähigkeit der Union ausgehend, in ihr einen "eigenständig verantwortlichen Akteur" der Gemeinsamen Außen-
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obliegt es, bei der Gestaltung ihrer Politik keine einander widersprechenden Maßnahmen zu ergreifen.74 Voraussetzung für die Anwendung des Kohärenzgebotes ist also, daß die verschiedenen Träger der Politik unter dem Dach der Union sich in miteinander zusammenhängenden Politikbereichen engagieren, denn nur dann kann die von dem Kohärenzgebot zu bannende Gefahr widersprüchlicher Sachpolitik entstehen. Bei der Finanzierung der GASP ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Hier steht nicht der Zusammenhang der GASP mit irgendeinem Sachbereich der Gemeinschaftspolitik in Frage, sondern lediglich der rein institutionelle Aspekt der Anwendung des gemeinschaftlichen Haushaltsverfahrens zur Finanzierung außergemeinschaftlicher Maßnahmen. 75 Das Kohärenzgebot kann in diesem Kontext folglich keine Wirkung entfalten. Eine Verpflichtung der Gemeinschaft, die GASP-MaBnahmen zu finanzieren, läßt sich somit auch nicht aus dem Kohärenzgebot ableiten. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß weder Art. 28 EUV, noch Art. 268 Abs. 2 EGV i.V.m. Art. 28 EUV noch das Kohärenzgebot des EU-Vertrages die Gemeinschaft zu verpflichten vermag, die operativen Kosten der GASP zu tragen. Die Gemeinschaft ist nicht an die Vorgabe der GASP gebunden. Sie muß nicht die Kosten jeder von den Mitgliedstaaten beschlossenen GASP-MaBnahme eo ipso übernehmen. Die GASP gewinnt somit durch ihr Finanzierungsverfahren keinen verstärkten Einfluß auf die Gemeinschaft und ihre Organe. Die Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft wird nicht eingeschränkt. Die Mitgliedstaaten treffen im Rahmen der GASP keine Entscheidung, die der Zuständigkeit nach von der Gemeinschaft beschlossen werden müßte. Eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten durch das Verfahren der Finanzierung der GASP ist nicht ersichtlich.
2. Vergemeinschaftung mitgliedstaatlicher Kompetenzen im Verfahren der Finanzierung der GASP Das Verfahren zur Finanzierung der GASP könnte aber zu einer "Vergemeinschaftung" außenpolitischer Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten führen, wenn die Gemeinschaftsorgane durch ihre Beteiligung an der Finanzierung der GASP über die Durchführung geplanter GASP-MaBnahmen bestimmen könnten und die Gemeinschaft auf diese Weise weitergehende Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen und Sicherheitspolitik sehen und daher die Union und nicht die Mitgliedstaaten als Adressaten des Kohärenzgebotes betrachten. 74 Schweitzer/HummerRn. 958; Siems, S. 23 f. 75 Pechstein I Koenig, Rn. 386. 10*
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der zweiten Säule erlangte als ihr nach den Regelungen des EU-Vertrages zukommen. Die Mitgliedstaaten verfügen weiterhin über ihre außenpolitischen Kompetenzen. Sie haben sich in den Bestimmungen über die GASP im EU-Vertrag lediglich verpflichtet, diese auf europäischer Ebene nach bestimmten Verfahren gemeinsam auszuüben. Die außenpolitischen Kompetenzen der Mitgliedstaaten sind nicht in die supranationale Zuständigkeit der Gemeinschaft überführt worden und somit weiterhin Teil ihrer staatlichen Souveränität. Entscheidungsrechte der Gemeinschaft über die Durchführung außenpolitischer Maßnahmen im Bereich der intergouvernementalen GASP würde die Ausübung der mitgliedstaatliehen Außenkompetenz von supranationalen Beschlüssen abhängig machen und sie folglich in entsprechendem Umfang "vergemeinschaften". Die Beantwortung der Frage, inwieweit es im Verfahren der Finanzierung der GASP zu einer solchen "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen kommt, hängt also davon ab, ob die Gemeinschaft Entscheidungsrechte im Bereich der GASP erlangt. Das ist der Fall, wenn die Gemeinschaft das letzte Wort über die Bereitstellung finanzieller Mittel hat, die zur Umsetzung einer GASPMaBnahme nötig sind. Diese Untersuchung hat gezeigt, daß die Gemeinschaft weder nach den Bestimmungen des EU-Vertrages noch nach denen des EG-Vertrages verpflichtet ist, eine von den Mitgliedstaaten beschlossene GASP-MaBnahme zu finanzieren. Die Auslegung des Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV i.V.m. Art. 28 Abs. 3, 4 EUV ergab vielmehr, daß die Gemeinschaft bei der Frage der Finanzierung operativer Ausgaben im Zusammenhang mit der Durchführung einer GASP-MaBnahme in ihrer Entscheidung frei ist. Die Gemeinschaft kann also ohne Rücksicht auf Vorgaben der GASP bestimmen, ob und in welchem Umfang sie Mittel für eine bestimmte Maßnahme bereitstellen will. Da das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren gemäß Art. 268 Abs. 2 Satz 2 EGV i.V.m. Art. 28 Abs. 4 EUV auf die operativen Ausgaben der GASP anzuwenden ist, hängt der Entscheidungsumfang der Organe von dem Maß der Beteiligung ab, die das Haushaltsverfahren in den Art. 268-280 EGV den Organen zuweist. Hier ist nach den verschiedenen Ausgabenarten zu differenzieren. Bei den nichtobligatorischen Ausgaben besitzt das Europäische Parlament eine sehr weitgehende Haushaltsmacht, weil es ihm gemäß Art 272 Abs. 6, 7, 8 EGV obliegt, den Haushaltsplan endgültig festzustellen. Das Parlament kann, Ausgabenansätze im Entwurf des Haushaltsplanes abändern oder auch vollständig zurückweisen.76 Anders verhält es sich bei den obligatorischen Ausgaben, also solchen, "die sich zwingend aus dem Vertrag oder den aufgrunddes Vertrages erlassenen Rechtsakten ergeben "17• Hier hat der Rat das Recht, die endgültige Entscheidung 76 Pechstein/ Koenig, Rn. 386; Grabitz l Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 14; Griese, EuR 1998, s. 462 (467). n Art. 272 Abs. 4 UAbs. 2 EUV.
3. Kap.: Im Bereich der Finanzierung
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zu treffen,78 während das Parlament darauf beschränkt ist, lediglich Änderungen vorzuschlagen. Die GASP-Ausgaben werden zu den nichtobligatorischen Ausgaben gezählt. 79 Die daraus folgende weitgehende Haushaltsmacht des Europäischen Parlaments bei der Bewilligung der GASP-Ausgaben gestatten es ihm, sich gegen eine Bereitstellung von Mitteln für eine GASP-Maßnahme zu entscheiden und dadurch eine bereits von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP beschlossene Maßnahme zu verhindern. Das Parlament hat so das letzte Wort über die Finanzierung der GASP und damit indirekt auch über die Durchführung einer GASP-Maßnahme.80 Auf diese Weise gewinnt ein Gemeinschaftsorgan und mit ihm die Gemeinschaft selbst in einem Maß Einfluß auf die intergouvernementale GASP, das ihm nach den Bestimmungen des EU-Vertrages nicht zukommt. Als weisungsunabhängiges Gemeinschaftsorgan, in dem der supranationale Charakter der Gemeinschaft seine besondere Ausprägung findet, hat das Parlament, ähnlich wie die Kommission, in der intergouvernementalen GASP nach dem EU-Vertrag nämlich keine Entscheidungsbefugnisse.81 Gemäß Art. 21 EUV stehen dem Parlament lediglich Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte geringen Einflusses in Form der Anhörung und der Unterrichtung zu. Dennoch wird man auch hier nicht von einer "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen reden können. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen. Zum einen gewinnt das Parlament durch die Entscheidung über die Finanzierung keine Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der GASP, sondern es kann die GASP lediglich blockieren. 82 Die Gemeinschaft tritt erst auf den Plan, nachdem der Rat im Rahmen der GASP über die Maßnahme sachlich bereits entschieden hat. Sie kommt mit ihrer Entscheidung über die Tragung der Kosten erst im Stadium der Durchführung der GASP-MaBnahme zum Zuge und vermag folglich keinen inhaltlichen Einfluß zu nehmen. Zum anderen, und das ist das gewichtigere Argument, besitzt die GASP die Möglichkeit der Eigenfinanzierung. Gemäß Art. 28 Abs. 3 UAbs. 1 EUV kann der Rat einstimmig beschließen, daß die operativen Ausgaben der GASP hinsichtlich einer bestimmten Maßnahme nicht zu Lasten des Haushaltes der Europäischen Gemeinschaft gehen sollen, sondern von den Mitgliedstaaten selbst getragen werden. Damit ist die Gemeinschaft jeglicher Entscheidung über die Finanzierung der Grabitzl Hilf-Magiera zu Art. 203 Rn. 23; Hölscheidt, in Bleckmann, Rn. 1289. Pechstein/Koenig, Rn. 384 ff.; GITIE-Burghardt/Tebbe zu Art. J.ll Rn. 7; Grabitz/ Hilf-Meyer-Landrut zu Art. J.ll Rn. 11; Ryba, RMC 1995, S. 14 (20); Hagleitner, CFSP-Forum 2/95, S. 6; Semrau, S. 109; Münch, S. 164; ebenso Art. B der InterinstitutioneHen Vereinbarung vom 22. Sept. 1997, s. Fn. 34. 80 Glaesner, in Regelsberger (Hrsg.), S. 69 (73). 81 Hafner, in Hummer/Schweitzer (Hrsg.), S. 123 (134); Hilf!Schorkopf, EuR 1999, S. 185 (194 f.) Semrau, S. 139; Koenig, EuR -Beiheft 2-1998, S. 139 (146). 82 Münch, S. 166. 78
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GASP enthoben und verliert zugleich ihren Einfluß auf die Durchführung der GASP-Maßnahme. Das Europäische Parlament vermag dann nicht mit dem Instrument der Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP eine bereits beschlossene GASP-MaBnahme zu verhindern. Es liegt somit an den Mitgliedstaaten selbst zu bestimmen, welchen Einfluß der Gemeinschaft auf die GASP sie zulassen wollen.
3. Ergebnis Die in Art. 28 EUV vorgesehene "säulenübergreifende" Kostentragung führt nicht zu einem verstärkten Einfluß der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft mit der Folge einer Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten. Die Gemeinschaft ist nicht verpflichtet für die operativen Ausgaben der GASP aufzukommen. Sie ist vielmehr frei in der Entscheidung, ob sie die Kosten einer im Rahmen der GASP beschlossenen Maßnahme tragen will. Diese Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft gibt ihr die Möglichkeit, über das Instrument der Finanzierung Einfluß auf die Durchführung von GASP-MaBnahmen zu nehmen. Dennoch kommt es hier nicht zu einer "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen, da es die Mitgliedstaaten ihrerseits in der Hand haben, durch einen einstimmigen Beschluß nach Art. 28 Abs. 3 Satz I EUV die operativen Ausgaben der GASP selbst zu übernehmen und damit der Gemeinschaft jegliche Einflußmöglichkeiten zu entziehen.
VI. Justitiabilität Auch wenn die Regelung über die Finanzierung der GASP keine "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Zuständigkeiten bewirkt, erlangt die Gemeinschaft, wie bereits oben ausgeführt, starke Einflußmöglichkeiten auf die GASP. Können sich die Mitgliedstaaten nicht auf einen Beschluß gemäß Art. 28 Abs. 3 Satz 1 EUV einigen, die Kosten einer GASP-MaBnahme selbst zu tragen, bestimmt die Gemeinschaft über die Finanzierung und kann auf diese Weise eine bereits beschlossene Maßnahme verhindern. Im Fall einer solchen "säulenübergreifenden" Finanzierung stellt sich die Frage, ob die Entscheidung der Gemeinschaft über die Kosten der GASP der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof unterliegt. Dies ist insofern problematisch, als die Entscheidung der Gemeinschaft sich ausschließlich auf die GASP bezieht und sich allein dort auswirkt, der Europäische Gerichtshof gemäß Art 46 EUV aber keine Zuständigkeit im Bereich der GASP besitzt. Nach Art. 220 EGV sichert der Gerichtshof die Wahrung des Rechts "bei der Anwendung und Auslegung" des EG-Vertrages. Er ist also nach Maßgabe der
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Art. 230 EGV und Art. 232 EGV für die rechtliche Überprüfung der rechtsverbindlichen Handlungen, die auf der Grundlage des EG-Vertrages vorgenommen werden, zuständig.83 Zwar bestimmt Art. 28 Abs. 3 EUV, daß die operativen Kosten der GASP zu Lasten des Haushaltes der Gemeinschaft gehen, mangels Bindungswirkung der unionsvertraglichen Regelung für die Gemeinschaft84 handeln die Gemeinschaftsorgane bei ihrer Entscheidung über die Finanzierung der GASP jedoch nicht auf Grundlage des Unionsvertrages, sondern auf der Basis der inhaltlich entsprechenden gemeinschaftsrechtlichen Regelung des Art. 268 Abs. 2 EGV. Die Vorgehensweise der Gemeinschaftsorgane bei der Bereitstellung der Mittel richtet sich nach dem gemeinschaftlichen Haushaltsverfahren der Art. 272 ff. EGV. Die Gemeinschaftsorgane werden bei ihrer Entscheidung über die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP folglich auf der Grundlage des EG-Vertrages und nicht des EU-Vertrages tätig. Entscheidung und Entscheidungsverfahren unterliegen daher gemäß der Art. 220, 230 und 232 EGV der Jurisdiktion des Gerichtshofes. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Entscheidung der Gemeinschaft sich in dem nach Art. 46 EUV der Zuständigkeit des Gerichtshofes entzogenen Bereich der GASP auswirkt. Die Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes hängt nicht davon ab, wo sich das Handeln eines Organes auswirkt, sondern auf welcher Grundlage es tätig wurde. 85 Art. 46 EUV vermag daher die Justitiabilität der Haushaltsakte der Gemeinschaft im Hinblick auf die Finanzierung der GASP nicht zu sperren.86 Der Gerichtshof kann demnach im Rahmen einer Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EGV die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane bei der Bereitstellung der Mittel für die operativen Ausgaben der GASP überprüfen und gegebenenfalls gemäß Art. 231 EGV für nichtig erklären. Eine Entscheidung des Parlamentes, die Kosten einer GASP-Maßnahme nicht zu Lasten des Gemeinschaftshaushaltes gehen zu lassen, kann allerdings nicht wegen Verletzung des EGVertrages für nichtig erklärt werden, weil sich aus dem EG-Vertrag keine Verpflichtung der Gemeinschaft ergibt, die operativen Kosten der GASP zu übernehmen. Sie besitzt in dieser Frage eine von ihren Organen auszuübende Entscheidungsfreiheit. Mangels Handlungspflicht der Gemeinschaft können die Gemeinschaftsorgane im Zuge einer Untätigkeitsklage nach Art. 232 EGV auch nicht gemäß Art. 233 Abs. 1 EGV verpflichtet werden, eine Entscheidung über die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP zu treffen. Anders stellt sich die Situation jedoch dar, wenn das Haushaltsverfahren eingeleitet worden ist und die operativen Kosten 83 Lenz zu Art. 220 Rn. 2, 6 ff.; Geiger zu Art. 164 Fn. 16; Brandt, JuS 1994, S. 300 (303); Oppermann, Rn. 740 ff. 84 Hailbronner/Klein-Klein zu Art. M, Rn. 5; Pechstein/Koenig, Rn. 103 ff. ss G/T/E-KrückzuArt. 173Rn.13. 86 Pechstein/Koenig, Rn. 411.
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3. Teil: Die Berührungspunkte der GASP mit der EG
der GASP bereits in den Haushaltsplan eingestellt worden sind. Eine justitiable Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane, dann entsprechend am Haushaltsverfahren teilzunehmen, folgt aus den Bestimmungen über das gemeinschaftliche Haushaltsverfahren in den Art. 272 ff. EGV. Hinsichtlich der Verwaltungsausgaben der GASP besteht gemäß Art. 268 Abs. 2 EGV eine Kostentragungspflicht der Gemeinschaft. Demnach können hier Entscheidungen von Gemeinschaftsorganen im Haushaltsverfahren, die die Übernahme der Kosten ablehnen, für nichtig erklärt werden. Kommen die Gemeinschaftsorgane ihrer Pflicht, die Verwaltungsausgaben zu übernehmen, nicht nach, können sie mit einer Untätigkeitsklage dazu gezwungen werden.
VII. Ergebnis Durch die Regelungen über die Finanzierung der GASP, wie sie der EU-Vertrag und der EG-Vertrag vorsehen, kommt es nicht zu einer die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten berührenden gegenseitigen Einflußnahme. Die "säulenübergreifende" Finanzierung der GASP aus dem Gemeinschaftshaushalt ließ einen systemwidrigen Einfluß der weisungsunabhängigen Gemeinschaftsorgane Kommission und Parlament im Bereich der intergouvernementalen GASP befürchten. Da sich weder aus dem EG-Vertrag, noch aus dem EUVertrag eine Verpflichtung der Gemeinschaft ergibt, die operativen Kosten der GASP zu tragen, besitzen die Gemeinschaftsorgane in der Tat einen erheblichen Einfluß auf die Durchführung der GASP-Maßnahmen. Das Parlament kann sich im Haushaltsverfahren gegen eine Bereitstellung der Mittel einer von den Mitgliedstaaten bereits beschlossenen GASP-MaBnahme entscheiden und damit die Durchführung der Maßnahme verhindern. Dieser Einfluß hat gleichwohl keine "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen zur Folge, weil den Mitgliedstaaten jederzeit die Möglichkeit der Eigenfinanzierung offensteht Entscheiden sich die Mitgliedstaaten, die operativen Kosten der GASP selbst zu tragen, ist der Gemeinschaft und ihren Organen die Möglichkeit, über das Instrument der Finanzierung die Durchführung einer GASP-MaBnahme zu beeinflussen, genommen. Im Gegenzug vermögen es jedoch die Mitgliedstaaten durch die "säulenübergreifende" Finanzierung nicht, Gemeinschaftskompetenzen zu intergouvernementalisieren, also wieder in den mitgliedstaatliehen Zuständigkeitsbereich zu überführen. Die den Gemeinschaftsorganen bei der Tragung der operativen Ausgaben der GASP zustehende Entscheidungsfreiheit schirmt sie wirkungsvoll von jedem, ihre Rechte beschneidenden Einfluß der Mitgliedstaaten ab. Die im Rahmen des Haushaltsverfahrens zu treffende Entscheidung der Gemeinschaftsorganeüber die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichts-
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hof. Auch wenn sich die Entscheidung der Gemeinschaftsorgane auf die GASP bezieht, erlangt der Gerichtshof auf diese Weise keine Gerichtsbarkeit in dem seiner Zuständigkeit gemäß Art. 46 EUV entzogenen Bereich der GASP.
Endergebnis Die Untersuchung der Berührungspunkte von GASP und Gemeinschaft ergibt kein einheitliches Resultat. Es läßt sich nicht feststellen, daß bei einem Aufeinandertreffen von GASP und Gemeinschaft im Rahmen der Europäischen Union regelmäßig eine bestimmte Seite die andere dominiert mit der Folge einer "Vergemeinschaftung" oder lntergouvernementalisierung. Dies hängt mit dem unterschiedlichen Charakter der Berührungspunkte zusammen. Bei den Wirtschaftssanktionen und der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck bezeichnet der Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft zugleich die Schnittstelle gemeinschaftlicher und mitgliedstaatlicher Kompetenzen in den Bereichen der Handels- und der Außenpolitik. Bei der Regelung der Finanzierung der GASP liegt der Berührungspunkt dagegen nicht in einem kompetenziellen Grenzbereich, sondern folgt aus einer organisatorischen Verknüpfung von GASP und Gemeinschaft mit dem Ziel der Finanzierung der einen Seite durch die andere. Berücksichtigt man bei der Betrachtung der Ergebnisse dieser Untersuchung aber den unterschiedlichen Charakter der Berührungspunkte, so läßt sich ein einheitliches Resultat erkennen. Dort wo es wie bei den Wirtschaftssanktionen und der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck zu einem Zusammenwirken von intergouvernementalen und supranationalen Entscheidungsmechanismen im Grenzbereich der Handels- und Außenpolitik kommt, führt dies zu einem Vorrang der GASP gegenüber der Gemeinschaft. Es zeigt sich, daß die handelspolitischen Maßnahmen der Gemeinschaft dann von der außenpolitischen Grundsatzentscheidung der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP abhängig sind. Die Gemeinschaft hat sich der GASP unterzuordnen und wird dadurch in der Ausübung ihrer Kompetenzen beschränkt. Die Berührung von GASP und Gemeinschaft an diesen Punkten bewirkt somit faktisch eine Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten. Die Befürchtungen einzelner Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung des Maastrichter Vertrages, die Verknüpfungen von GASP und Gemeinschaft könnten im Gegenteil eine schleichende "Vergemeinschaftung" ihrer außenpolitischen Zuständigkeiten zur Folge haben, verwirklichten sich nicht. Anders stellt sich das Ergebnis bei dem Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft im Bereich der Finanzierung der GASP dar. Hier kommt es nicht zu einem Vorrang der GASP gegenüber der Gemeinschaft. Vielmehr erlangt die Gemeinschaft ihrerseits Einwirkungsmöglichkeiten auf die GASP. Diese vermögen jedoch nicht die Dominanz der GASP über die Gemeinschaft im Bereich der Wirt-
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Schaftssanktionen und der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck zu beschränken. Die Mitgliedstaaten können der Gemeinschaft alle Einflußmöglichkeiten entziehen, indem sie im Rahmen der GASP beschließen, die Kosten der GASP selbst zu tragen.
Zusammenfassung I. Die Entwicklungsgeschichte der Europäischen Union belegt in ihren unzähligen Entwürfen und Konzepten die Schwierigkeit der Mitgliedstaaten, auf dem Gebiet der Außenpolitik die angemessene Form und das geeignete Maß der Zusammenarbeit zu finden. Während die Handelspolitik und andere Bereiche dem Modell der Integration folgend "vergemeinschaftet" wurden, konnte man sich im Feld der Außenpolitik lediglich auf ein Verfahren intergouvernementaler Koordination verständigen. 2. Dies führte zu der durch den Maastrichter Vertrag geschaffenen und im Amsterdamer Vertrag konsolidierten Konstruktion einer Europäischen Union, die unter ihrem Dach verschiedene Formen der Zusammenarbeit vereinigt. Die Europäischen Gemeinschaften sind supranational aufgebaut und verfügen über eigene Kompetenzen. GASP und PJZS dagegen sind intergouvernemental ausgestaltet; die Mitgliedstaaten koordinieren ihre weiterhin bestehenden Zuständigkeiten in diesen Bereichen. Verbunden sind die verschiedenen Elemente der Union durch einen einheitlichen institutionellen Rahmen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Gemeinschaftsorgane zugleich Organe der GASP sind. Mangels Rechtspersönlichkeit kann die GASP keine eigenen Organe besitzen und bedient sich daher der Gemeinschaftsorgane im Wege einer Organleihe. Die GASP-Bestimmungen sind völkerrechtlicher Natur. Sie unterliegen nicht wie das Gemeinschaftsrecht der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofes. Die intergouvernementale GASP und die supranationale Europäische Gemeinschaft besitzen vertraglich geregelte Berührungspunkte. 3. Einer der vertraglich geregelten Berührungspunkte von GASP und Gemeinschaft ist Art. 301 EGV, der sich mit der Verhängung außenpolitisch motivierter Wirtschaftssanktionen gegenüber Drittstaaten befaßt. Art. 301 EGV schreibt ein zweistufiges Verfahren vor. Zunächst treffen die Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP die außenpolitische Grundentscheidung, die dann von der Gemeinschaft handelspolitisch umgesetzt wird. Sinn dieser Regelung ist es, der Gemengelage nationaler und gemeinschaftlicher Kompetenzen in diesem Bereich gerecht zu werden. Bei dem in Art. 301 EGV vorgesehenen Zusammenspiel supranationaler und intergouvernementaler Entscheidungsmechanismen dominiert die GASP die Gemeinschaft. Der GASP-Beschluß bindet die Gemeinschaft und ihre Organe. Die Gemeinschaft ist verpflichtet, den GASP-Beschluß über die Ver-
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hängung von Wirtschaftssanktionen mit ihren Mitteln handelspolitisch umzusetzen. Dadurch wird die Entscheidungsfreiheit der Organe beeinträchtigt. So darf der Rat auf der zweiten Stufe nicht von der Vorgabe der GASP auf der ersten Stufe abweichen. Die Kommission kann ihr Initiativrecht nicht ausüben, sondern ist verpflichtet, dem Rat einen dem GASP-Beschluß entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten. Diese Dominanz der intergouvernementalen GASP über die supranationale Gemeinschaft bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen bewirkt faktisch eine lntergouvernementalisierung der 1 Gemeinschaft in diesem Bereich. In seinen Wirkungen nur unwesentlich abgeschwächt wird dies durch ein eingeschränktes Kontrollrecht des Europäischen Gerichtshofes im ihm ansonsten entzogenen Bereich der GASP. Der Gerichtshof kann, wenn er über die Rechtmäßigkeit einer gemeinschaftlichen Embargoverordnung zu entscheiden hat, inzident prüfen, ob die formellen Voraussetzungen eines gemäß Art. 301 EGV zur Verhängung von Wirtschaftssanktionen erforderlichen GASP-Beschlusses vorliegen. Das entscheidende Element im Verfahren der Verhängung von Wirtschaftssanktionen, die außenpolitische Motivation der Mitgliedstaaten, ist der rechtlichen Bewertung des Gerichtshofes jedoch entzogen. 4. Ein weiterer Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft ist das integrierte System der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck. Anders als bei der Verhängung von Wirtschaftssanktionen gemäß Art. 301 EGV handelt es sich hier nicht um einen im EG-Vertrag ausdrücklich geregelten Berührungspunkt. Das integrierte System ist eine sekundärrechtliche Konstruktion bestehend aus einer Verordnung der Gemeinschaft und einem GASP-Beschluß. Es verbindet nationale und gemeinschaftliche Zuständigkeiten um als Grundlage einer einheitlichen Regelung der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck an der Schnittstelle gemeinschaftlicher Handelspolitik und mitgliedstaatlicher Außenpolitik dienen zu können. Auch hier zeigt sich eine Dominanz der GASP gegenüber der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft ist im integrierten System verpflichtet, die außenpolitischen Vorgaben der GASP handelspolitisch umzusetzen. Dies folgt aus dem Kohärenzgebot, das ungeschriebener Bestandteil des Gemeinschaftsrechtes ist. Es bindet die Gemeinschaft, die Exportkontrolle hinsichtlich der im GASP-Beschluß vorgegebenen Länder und Warengruppen durchzuführen und verbietet ihr darüber hinaus eigene Exportkontrollmaßnahmen für Güter mit doppeltem Verwendungszweck zu ergreifen. Die damit einhergehende Einschränkung der Handlungs- und Entscheidungsfreiheit der Gemeinschaft und ihrer Organe bringt eine faktische Intergouvernementalisierung gemeinschaftlicher Zuständigkeiten im Bereich der Exportkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck mit sich.
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Zusammenfassung
Dieser Vorrang der GASP gegenüber der Gemeinschaft im integrierten System wird gefestigt durch den geringen Umfang der gerichtlichen Kontrolle. So unterliegt zwar der gemeinschaftliche Rechtsakt des integrierte Systems und die Bindung der Gemeinschaft an die Vorgaben der GASP der Gerichtsbarkeit der Europäischen Gerichtshofes. Die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP getroffene Entscheidung und ihre außenpolitische Motivation, die das Herzstück des Exportkontrollregimes darstellen, sind der Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshofes jedoch entzogen. 5. Neben dem in Art. 301 EGV beschriebenen Verfahren der Verhängung von Wirtschaftssanktionen bildet die Regelung der Finanzierung der GASP in Art. 28 EUV und Art. 268 Abs. 2 EGV einen zweiten vertraglich geregelten Berührungspunkt von GASP und Gemeinschaft. Diese Bestimmungen sehen vor, daß die operativen Ausgaben der GASP im Regelfall zu Lasten des Haushaltes der Europäischen Gemeinschaft gehen. Für die Untersuchung, inwieweit diese "säulenübergreifende" Kostentragung zu einer die Kompetenzverteilung zwischen GASP und Gemeinschaft berührenden gegenseitigen Einflußnahme kommen kann, besitzt die von den Organen der Europäischen Gemeinschaft abgeschlossene "lnterinstitutionelle Vereinbarung zur Finanzierung der GASP" keine Bedeutung. Die interinstitutionelle Vereinbarung entfaltet keine gemeinschaftsrechtliche Verbindlichkeit und vermag daher auch nicht die Bestimmungen über die Finanzierung der GASP in rechtlich verbindlicher Weise auszugestalten. Die Finanzierung der operativen Ausgaben der GASP aus dem Gemeinschaftshaushalt eröffnet der Gemeinschaft und ihren Organen, besonders dem im gemeinschaftlichen Haushaltsverfahren einflußreichen Parlament, erhebliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die GASP. So kann das Parlament die Bewilligung von Mitteln für eine GASP-MaBnahme verweigern und auf diese Weise eine bereits von den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP beschlossene Maßnahme verhindern. Dennoch führt dies nicht zu einer "Vergemeinschaftung" mitgliedstaatlicher Außenkompetenzen, da die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 3 EUV beschließen können, die operativen Kosten der GASP-MaBnahme selbst zu tragen und es damit in der Hand haben, der Gemeinschaft ihre Einflußmöglichkeiten zu entziehen. Die Entscheidung der Gemeinschaftsorgane über die Finanzierung der GASP unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof. Dennoch gewinnt der Gerichtshof auf diese Weise keine Gerichtsbarkeit in der seiner Zuständigkeit gemäß Art. 46 EUV entzogenen GASP.
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