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German Pages 240 Year 1997
LARS MÜNCH
Die gemeinsame Aktion als Mittel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
Schriften zum Europäischen Recht Herausgegeben von
Siegfried Magiera und Detlef Merten
Band 45
Die gemeinsame Aktion als Mittel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik
Von Lars Mönch
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Mönch, Lars: Die gemeinsame Aktion als Mittel der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik / von Lars Münch. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum europäischen Recht; Bd. 45) Zug!.: Potsdam, Univ., Diss., 1996/97 ISBN 3-428-09205-8
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1997 Duncker &
ISSN 0937-6305 ISBN 3-428-09205-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
e
Meinen Eltern
Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die aktualisierte Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1996/97 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam angenommen wurde. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Eckart Klein. Seine Hinweise und Gedanken waren mir eine wertvolle Unterstützung. Gleichzeitig gab er mir Freiraum rur eine eigenständige Erarbeitung des Themas. Frau Privatdozentin Dr. Katharina Sobota danke ich rur die Zweitbegutachtung meiner Dissertation. Mein Dank gilt Dr. Werner Schroeder (Universität Passau), der die Anregung zur Thematik dieser Arbeit gab. Ich danke vielen Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes sowie der Europäischen Union, mit denen ich über die Praxis der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sprechen konnte. Sie haben meine Überlegungen in vielfältiger Weise gefördert. Beim Auswärtigen Amt gilt mein besonderer Dank HansWerner Bussmann, Dr. Eberhard Kölsch, Dr. Christian Kudlich, Dr. Hans Werner Lautenschlager, Hans-Günter Löffler, Roland Mauch sowie Jörn Rohde. Bei der Europäischen Union bin ich vor allem Dr. Thomas Grunert, Reinhold Hack, Dr. Barbara-Christine Ryba, Gerd Tebbe sowie Roland Zinzius zu Dank verpflichtet. Dem Land Brandenburg danke ich fur die Gewährung eines Stipendiums rur die Zeit der Arbeit an meiner Dissertation.
Berlin, im August 1997
Lars Münch
Inhaltsverzeichnis A. Einführung ............................................................................................................ 21 B. Grundlagen der GASP ....... ....... ........................ ...... ...... ........ ....... ............. ........... 24
I. Geschichte der außenpolitischen Zusammenarbeit ...................... ................ ...... 24 11. Der Vertrag über die Europäische Union ...................................... .............. ....... 30 1. Die Vertrags bestimmungen ....... ............... .................... ............................. ..... 30 a) Struktur des Unions vertrages .... ............................................................ ..... 31 b) Die Bestimmungen zur GASP ................................................................... 32 2. Rechtsnatur der GASP-Bestimmungen .......................................................... 34 3. Die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates nach Abschluß des Unions vertrages als mögliche Auslegungshilfen ........................................... 35 a) Die Schlußfolgerungen nach Inkrafttreten des Unions vertrages ...... .......... 36 b) Die Schlußfolgerungen vor Inkrafttreten des Unionsvertrages .................. 36
C. Struktur der GASP ................. ...... ........................ ....... ................. ................ ........ 40 I. Akteure der GASP ... ........ ......... ............. ............. ........ ....... ............... ....... ........... 40 Exkurs: Organträgerschaft .......... .................................................. ......... ..... ........ 40 1. Hauptakteure ..... ............ ......... ......................................... ..... ............... ........... 42 a) Europäischer Rat und die Mitgliedstaaten ................................................. 42 aa) Europäischer Rat.. ..... ........ ................. .. ...... ......... ...... ........... ....... ......... 42 bb) Mitgliedstaaten .................................................................................... 43 b) Rat ............................................................................................................. 44 c) Vorsitz und Troika ..................................................................................... 46 aa) Vorsitz ................................. ................... ........................ ........... ..... ..... 46 bb) Troika .................................................................................................. 48 d) Kommission... ...... ...... ..... .... ................... .... ................. ....... ............. ........ ... 49 aa) GASP-spezifische Organisation ........................................................... 50 bb) Beteiligung an der GASP ........ .......................... ...... .............. .............. 51
10
Inhaltsverzeichnis 2. Unterstützende Akteure .. ....... ................... ....... ...... .... ....... .... ................. ......... 54 a) Politisches Komitee und Ausschuß der Ständigen Vertreter .. ........... ......... 54 aa) Politisches Komitee ............... ........................ ........ .... ............ .... ....... ... 54 bb) AStV .............................................................................................. ..... 55 cc) Verhältnis von AStV und Politischem Komitee .................................. 56 b) Arbeitsgruppen .......................................................................................... 58 c) Generalsekretariat des Rates ...................................................................... 60 3. Europäisches Parlament ................................................................................. 62 a) Beteiligung an der GASP .... .... ............. ....... ...... ........... ...... .... ........... ......... 62 b) Forderungen des Europäischen Parlamentes ............................................. 66 c) Zwischenergebnis ....................................................................................... 66 4. Westeuropäische Union .................................................................................. 67 a) Struktur und operationelle Rolle .......... ......... .... ................. ............... ......... 67 b) Zusammenarbeit von WEU und Europäischer Union ................................ 69 II.Verfahren der GASP ........................................................................................... 70 I. Zentrale Verfahren ...... ..... .... ........... ............... ................... ................ ......... .... 70 a) Regelmäßige Zusammenarbeit ................................................................... 71 aa) Gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung ..................................... 71 bb) Gemeinsame Erklärungen und Demarchen ......................................... 72 (1) Gemeinsame Erklärungen ............................................................... 72
(2) Demarchen ...................................................................................... 74 cc) Gemeinsame Standpunkte ................ ........ ............................................ 75 (I)Inhalt .............................................................................................. 75 (2) Verfahren ........................................................................................ 76 (3) Bindungswirkung ............................................................................ 76 b) Gemeinsame Aktionen ............................................................................... 78 2. Sonstige Verfahren ......................................................................................... 78 a) Außenvertretung durch Vorsitz .................................................................. 78 b) Gegenseitige Unterrichtung über Fragen von gemeinsamem Interesse in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen .... ... 80 c) Abstimmung der diplomatischen Dienste .................................................. 82
Inhaltsverzeichnis
II
3. Gemeinsame Verteidigung ............................................................................. 84 a) Gemeinsame Verteidigung(spolitik) .......................................................... 84 b) Maßnahmen mit verteidigungspolitischem Bezug ..................................... 85 c) Sonderregelungen ...................................................................................... 87 aa) Art. J.4 IV HS.I EUV .......................................................................... 87 bb) Art. J.4 IV HS.2 EUV .................. ............ .... ........ .. ...... ....................... 89 cc) Art. J.4 V EUV .................................................................. .... ........ ...... 89 dd) Sonderregelungen für Dänemark ...................................... ................... 89 D. Die gemeinsame Aktion ............ ........... ....... ...... .... ........ .......... ............. ........... ... ... 92
I. Inhalt .................................................................................................................. 92 11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion ......... ............. ........... ..... ... 95 1. Anwendungsbereich .................. .................... ...... ......... ............... ............. ... ... 95 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................................. 95 aa) Frage der Außen- und Sicherheitspolitik ............................................. 95 bb) Inhaltliche Vorgaben durch den Europäischen Rat ............................. 99 (I) Ziele der Union ............................................................................... 99
Exkurs: Handlungspflicht bei Verletzung der genannten Ziele? ......... 100 (2) Besitzstand der Union .................................................................... 101 (3) Vereinbarkeit mit anderen Aktionen und Positionen der Union .... 102 cc) Verteidigungspolitik und verteidigungspolitische Bezüge ...... ....... ..... 102 b) Territoriales Bezugsfeld ............................................................................ 104 aa) Die Vertragsbestimmungen ................. ............... ......... ...... ....... ........... 105 (1) Außenpolitik .................................................................................. 105 (2) Sicherheitspolitik ........................................................................... 105 bb) EPZ-acquis und Präzisierungen durch den Europäischen Rat ............ 107 c) Zwischenergebnis ................................................................... .................. 108 2. Allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates ... ........ ....... ........... ................ 109 a) Verfahren zum Beschluß allgemeiner Leitlinien ........ ....... ............ .... ........ 109 b) Bindung des Rates durch die allgemeinen Leitlinien ................................ 111 c) Bedeutung der allgemeinen Leitlinien für den Ratsbeschluß .................... 112
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Inhaltsverzeichnis d) "Allgemeine Leitlinien" vor dem Inkrafttreten des Unions vertrages .... ..... 113 3. Wichtige gemeinsame Interessen ................................................................... 114 a) Bestimmung wichtiger gemeinsamer Interessen ... .............................. ...... 115 aa) Vertragliche Bestimmungen ............................................................... 115 bb) Definitionskompetenz des Europäischen Rates .................................. 116 b) Wichtige gemeinsame Interessen: Ungenauigkeiten im Verhältnis von gemeinsamer Aktion zum gemeinsamen Standpunkt ...... ............ ....... ....... 118 4. Beteiligung der Kommission .......... .................................................. ....... ...... 119 5. Beschluß der gemeinsamen Aktion durch den Rat ........................................ 121 a) Einleitungsverfahren ................................................................................. 121 b) Hauptverfahren ......................................................................................... 123 aa) Beschluß der gemeinsamen Aktion. ... .......... ....... ........ .... ...... ....... ....... 123 (1) Abstimmung .................................................................................. 123 (2) Einstimmigkeit ...... .......................................... ... ................... ......... 123 (3) Rat "Allgemeine Angelegenheiten" als zuständiges Organ ........... 124 (4) Schriftliches Verfahren und COREU ............................................ 126 bb) Notwendiger Inhalt des Ratsbeschlusses über eine gemeinsame Aktion ................................................................................................ 127 cc) Sonderfragen .......................................................... ..................... ....... 128 (I) Mehrheitsentscheid ..... .......... ........... ..... ...... .... ............................... 128 (2) Eigenständigkeit des Rates als EG-Organ? .................................... 129 c) Abschlußverfahren .................................................................................... 130 6. Beteiligung des Europäischen Parlamentes ..... ................................... ..... ...... 131 III. Durchführung ................................................................................................... 132
1. Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion .................................................. 132 a) Art. 1.3 Nr.4 EUV ..................................................................................... 133 b) Art. 5 EGV ................................................................................................ 134 c) Art. 1.1 IV 1 und 2 EUV ........................................................................... 136 d) Politische Bindung ................................................................................... 137 e) Völkerrechtswidrige gemeinsame Aktionen ............................................. 137 f) Zwischenergebnis ......................... ......... ...... ............................ .................. 139
Inhaltsverzeichnis
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2. Umsetzung der gemeinsamen Aktion .... ..... ..... .... ...... ...... ............... ....... ........ 139 a) Umsetzung durch den Vorsitz ................................................................... 139 b) Rolle der Kommission .............................................................................. 141 c) Sonderregelungen ............................................. ........................................ 142 aa) Änderung der Umstände ....................................................................... 142 bb) Mitteilung einzelstaatlicher Maßnahmen oder Stellungnahmen ........... 143 cc) Erforderliche Sofortmaßnahmen ........................................................... 144 dd) Größere Schwierigkeiten bei der Durchführung ................................... 144 ee) Zwischenergebnis ................................................................................. 146 3. Durchführungsüberwachung ......................................................................... 146 a) GASP-Gremien ......................................................................................... 146 aa) Vorsitz ................................................................................................ 146 (1) Informationsrecht .......................................................................... 147
(2) Weisungsrecht ............................................................................... 147 (3) Sanktionsrecht ............................................................................... 148 (4) Ergebnis ......................................................................................... 148 bb) Politisches Komitee ............................................................................. 149 cc) Kommission ........................................................................................ 149 dd) Rat ...................................................................................................... 150 ee) Europäischer Rat ..................................................... .. ................ .......... 151 ff) Zwischenergebnis .............. .............. ...... ............... ........ ............... ......... 151 b) Gerichtliche Kontrolle .............................................................................. 151 aa) EuGH .................................................................................................. 151 (1) Unmittelbare Befassung des EuGH ............................................... 151
(2) Mittelbare Befassung des EuGH ........ ...... .............................. ........ 152 bb) Internationaler Gerichtshof ................................................................. 158 cc) Bundesverfassungsgericht ................................................................... 159 IV. Finanzierung .................................................................................................... 161 1. Verwaltungsausgaben und operative Ausgaben ....................... ............ ......... 161 2. Rolle des Europäischen Parlamentes bei der Finanzierung ....... ............... ..... 164
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Inhaltsverzeichnis a) Einflußmöglichkeiten ................................................................................ 164 b) Recht des Rates zur Abänderung eines getroffenen Finanzierungsbeschlusses? .. .... ...... ..................... ...... ......... .... ............... ...... .... ........ ............ 166 c) Vorteile der Finanzierungsarten ................................................................ 167 d) Ergebnis .. ...... .... ................. .............. .......................... ............ ............ ....... 168 V. Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion ........................................... .. .................. 169
E. Kohärenz .............................................................................................................. 173 I. EG und GASP ................. ............ ...... ..... ........ ................. ...................... ............ 173
11. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen .................. 175 1. Begriff und Inhalt .......................................................................................... 175 2. Adressaten des Kohärenzgebotes .................................................................. 176 a) Direkte Adressaten ................. ...... .................... ............................ ............. 177 b) Indirekte Adressaten ................ ...... ........................................................... 179 3. Kohärenz am Beispiel von Wirtschafts sanktionen .......... .................. ............ 180 a) Beschlußverfahren ................. ............... ........... ................... ......... ..... ........ 180 b) Zugrundeliegender GASP-Beschluß ......................................................... 181 4. Globale Aktion ................ ............ ...... ......... ............... ...... ................ ....... ........ 182 a) Inhalt .......... ............................ ................. ................. .......................... ....... 182 b) Rechtliche Fragestellungen ....................................................................... 183
F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen ........................................................... 185 I. Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union ........................................... 185
11. Faktischer Verkehr der Union im internationalen Rahmen ............................... 191 G. Verhältnis gemeinsamer Aktionen zur einzelstaatlichen Politik ...................... 194 I. Souveränität der Mitgliedstaaten ....................................................................... 194
11. Subsidiarität ....... .......... ............ ..................... ................. ................ ....... ..... .. ..... 196
H. Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die gemeinsamen Aktionen .............. 199 I. Bedingungen zur Teilnahme an der GASP ........................................................ 199 11. Strukturierter Dialog mit den assoziierten Staaten ............................................ 200 I. Kontakte mit der GASP ................................................................................. 200 2. Teilnahme an GASP-Maßnahmen ................................................................. 202
Inhaltsverzeichnis
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111. Ausblick... ....... ............. ........ ......... ....................... ............ ....... ........ ......... ........ 203 I. Schluß betrachtung ....... .... ............. ......... ........... .............. ........ ......... .... ... .............. 204 I. Überlegungen zur Reform der gemeinsamen Aktion. ............. ...... .......... ... ......... 204 1. Vorschlag und Vorbereitung ..... .... ......... ................ ..................... ............ ... ... 204 2. Annahme ...... .... ............ ........... ..... .... ......... .... ...... ..... ........ ...... ......... .. ............ 205 3. Durchführung ................................................................................................ 207 4. Beurteilung und Kontrolle .......... .................................... .................... ........... 208 11. Bewertung der Ergebnisse und Ausblick ............ ................................ .............. 208 1. Die wichtigsten Ergebnisse ................................ ................................ ........... 208 2. Bewertung und Ausblick ............................................................................... 212
Anhang I: Maßnahmen der Europäischen Union im Rahmen der GASP ............ 215 I. Gemeinsame Aktionen ...................................................................................... 215 11. Gemeinsame Standpunkte ................................................................................ 221
III. Beschlüsse aufgrund von Art. J.4 Abs.2 EUV ................................................. 225
Anhang 11: Reihenfolge des Ratsvorsitzes bis ins Jahr 2003 ................................. 226 Anhang 111: Ratsarbeitsgruppen mit GASP.Zuständigkeit ............ ...................... 227 Anhang IV: GASP·Haushalt 1995, 1996 und 1997 ................................................ 228 Literaturverzeichnis ........................ .... ..... .... .............. ........ .... ........... ......... ..... ..... .... 230
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
AA
Auswärtiges Amt
a.a.O.
am angegebenen Ort
AAPSS
The Annals of the American Academy of Political and Social Science
Ab!. EG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Abs.
Absatz
a.E.
am Ende
a.F.
alter Fassung
Alt.
Alternative
Anm.
Anmerkung
AR
Allgemeiner Rat bzw. Rat "Allgemeine Angelegenheiten" (= Rat der Außenminister)
Art.
Artikel
AStV
Ausschuß der Ständigen Vertreter (auch: COREPER, s. dort)
Aufl.
Auflage
AVR
Archiv des Völkerrechts
Bd.
Band
BGB!.
Bundesgesetzblatt
BullBReg.
Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung
Bull. EGIEU
Bulletin der Europäischen GemeinschaftenlEuropäischen Union
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
bzw.
beziehungsweise
CFSP
Common Foreign and Security Policy
Abkürzungsverzeichnis
17
COREPER
Comite des Representants Pennanents (auch: AStV, s. dort)
COREU
Correspondance Europeenne
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
dies.
dieselbe/dieselben
Diss.
Dissertation
Dok
Dokumentation
EA
Europa-Archi v
EA,D
Europa-Archiv, Dokumente
EAG
Europäische Atomgemeinschaft
EAGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
ebda.
ebenda
EEA
Einheitliche Europäische Akte
EFfA
European Free Trade Association
EG
Europäische Gemeinschaft
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGKSV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV
Vertrag zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft
EJIL
European Journal of International Law
EP
Europäisches Parlament
EPC
European Political Co-operation
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
EPZ
Europäische Politische Zusammenarbeit
ER
Europäischer Rat
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
2 Mönch
18
Abkürzungsverzeichnis
EuR
Europarecht
EUV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Union
EWGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
Uff.
folgende/fort folgende
FAZ
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Fn.
Fußnote
FR
Frankfurter Rundschau
FS
Festschrift
GASP
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
GG
Grundgesetz
GD
Generaldirektion
GOR
Geschäftsordnung des Rates
HER
Handbuch des Europäischen Rechts
Hrsg.
Herausgeber
hrsg. v.
herausgegeben von
HS.
Halbsatz
IA
International Affairs
IGH
Internationaler Gerichtshof
insb.
insbesondere
ISIA
Irish Studies in International Affairs
iVm.
in Verbindung mit
JEI
Jahrbuch der Europäischen Integration
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
lit.
litera (Buchstabe)
MdEP
Mitglied des Europäischen Parlamentes
MOEL
Mittel- und osteuropäische Länder
mwN.
mit weiteren Nachweisen
NATO
North Atlantic Treaty Organization
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis
19
Nr.
Nummer
NZWehrr
Neue Zeitschrift für Wehrrecht
OSZE
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
PESC
Politique Etrangere et de Securite Commune
PoKo
Politisches Komitee
RdNr.
Randnummer
RMCUE
Revue du Marche commun et de I'Union europeenne
Rs.
Rechtssache
Rspr.
Rechtsprechung
s.
siehe
S.
Seite
Sart.II
Sartorius 11
SEW
Sociaal-Economische Wetgeving
Sig.
Sammlung
sog.
sogenannte(r)
StlGH
Statut des Internationalen Gerichtshofs
SVN
Satzung (Charta) der Vereinten Nationen
u.a.
unter anderem
UA.
Unterabsatz
UNIUNO
United Nations/United Nations Organization
u.U.
unter Umständen
vgl.
vergleiche
VN
Vereinte Nationen
Vorbem.
Vorbemerkung
VR
Völkerrecht
WEU
Westeuropäische Union, Western European Union
WVRK
Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
2'
20
Abkürzungsverzeichnis
z.B.
zum Beispiel
ZBn
Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres
ZfRV
Zeitschrift für Rechtsvergleichung
z.T.
zum Teil
zug!.
zugleich
A. Einführung Der Rat der Europäischen Union beschloß am 12. Mai 1995 eine gemeinsame Aktion, die der Bekämpfung von Antipersonenminen dienen soll I. Sie umfaßt zu diesem Zweck drei Aspekte: (I) ein gemeinsames Exportmoratorium für Antipersonenminen, (2) die aktive Vorbereitung der Konferenz zur Revision des Übereinkommens von 19802 und (3) einen Beitrag der Europäischen Union zu den internationalen Minemäumaktionen. Beachtenswerterweise wurde diese gemeinsame Aktion von Staaten beschlossen, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit untereinander bekriegt haben. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war es kaum vorstellbar, daß europäische Staaten sich an dessen Ende nicht nur einfach politisch konsultieren oder sogar koordinieren, sondern gemeinsame Aktionen durchführen, also gemeinsam handeln würden 3 • Die EU-Mitgliedstaaten haben erkannt, daß gemeinsames Handeln für sie von Vorteil ist, weil dadurch ihr Gewicht und Einfluß im internationalen Geschehen erhöht wird. Zudem macht die (Außen)Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft (EG) zugleich die Führung einer abgestimmten Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten notwendig. Denn bei der EG als Wirtschaftsgemeinschaft spielen stets auch außenpolitische Fragen eine Begleitmusik, d.h. wirtschaftliche und politische Aspekte ließen und lassen sich nicht trennen. Ein außenpolitisches Gesamtkonzept ist die notwendige Ergänzung der globalen Wirtschafts- und Handelsinteressen der EG4 • I AbI. EG NT. L 115/1 vom 22.5.1995 (95/170/GASP). Siehe hierzu und zu weiteren GASP-Maßnahmen den Anhang I. 2 = Übereinkommen über das Verbot bzw. die Beschränkung des Einsatzes bestimmter konventioneller Waffen, bei denen man davon ausgehen kann, daß sie übermäßige Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken. 3 Darauf verweisen auch Alfred Pijpers, Elfriede Regelsberger und Wolfgang Wessels (in: Eine gemeinsame Außenpolitik für Europa, S. 321). 4 Europa in einer Welt im Wandel- Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Reihe: "Europäische Dokumentation", 1993, S. 6 und 16.
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A. Einführung
Diesen beiden Zwecken dient die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). Der erstmals im Unionsvertrag verwandte Begriff Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist nicht bedeutungsgleich mit den Begriffen einer z.B. "Gemeinsamen" Agrarpolitik oder "Gemeinsamen" Handelspolitik im Sinne einer vergemeinschafteten Materies: bei der GASP handelt es sich um zwischenstaatliche Verfahren6 . Die GASP-Bestimmungen errichten eine Plattform, die den EU-Mitgliedstaaten dazu dienen soll, gemeinsame Ziele zu erreichen, indem sie ihre einzelstaatlichen Politiken koordinieren und/oder zusammenfUhren. Es gibt keinen übergeordneten Hoheitsträger mit supranationalen Befugnissen. Mit dem Vertrag über die Europäische Union (EUV, auch: Unionsvertrag oder Maastrichter Vertrag) wurde das Verfahren der gemeinsamen Aktion in die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Unions staaten eingefUhrt. Gegenüber den Verfahren der EPZ soll sie vor allem eine aktive und nicht nur reaktive Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ermöglichen? Das bedeutet zweierlei: erstens soll mittels gemeinsamer Aktionen steuernd auf das internationale Geschehen Einfluß genommen werden, und zweitens soll die Europäische Union als Handlungsträger in den Vordergrund treten. Einige sahen damals gerade die gemeinsame Aktion als Neuerung, die einen "qualitativen Sprung" gegenüber der vorherigen EPZ bedeutete8 . Von anderen wurde wegen der Beibehaltung der zwischenstaatlichen Natur der Zusammenarbeit ein derartiger "Sprung" verneint, da dadurch auch bei der GASP das Erreichen der Ziele weiterhin abhängig vom politischen Willen der Partner bliebe 9 . Die Frage, ob und inwieweit die gemeinsame Aktion wirklich etwas Neues ist und insbesondere was sie zu leisten vermag, wird in der vorliegenden Arbeit untersucht. Anhand einer rechtlichen Analyse der GASP-Bestimmungen wird der Inhalt, das Beschlußverfahren, die DurchfUhrung (einschließlich der Bin5 Vgl. Regelsberger Integration 1992, S. 83 (85f.); BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (5); Borkenhagen Europa braucht GASP, S. 142. 6 Häufig wird auch von intergouvernementalen Verfahren gesprochen. 7 Der Wille hierzu wurde bei Treffen des Europäischen Rates bestätigt (vgl. z.B. Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Voraussichtliche Entwicklung der GASP, Dok AA, S. 123). 8 Vgl. z.B. Kinkel Europäische Außenpolitik, FS Stercken, S. 11 und 23f.; Wesseis Integration 1992, S. 2 (13f.). 9 Vgl. Regelsberger JEI 1993/94, S.237; Fink-Hooijer EJ/L 1994, S. 173f.; Algieri Integration 1993, S. 173 (178); Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69; Hurd 1A 1994, S. 421 (422).
A. Einführung
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dungswirkung) und die Finanzierung sowie die Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion dargestellt. Zum besseren Verständnis gehören zum Untersuchungsprogramm auch allgemeine Fragen der GASP, wie deren Grundlagen und Struktur (Akteure und Verfahren) sowie - bezogen auf die gemeinsame Aktion - die Kohärenz, die Handlungsträgerschaft, das Verhältnis zur einzelstaatlichen Politik einschließlich der Auswirkungen der EU-Erweiterung.
B. Grundlagen der GASP I. Geschichte der außenpolitischen Zusammenarbeit Die geschichtliche Entwicklung der außenpolitischen Zusammenarbeit der Gemeinschaftsstaaten nach dem zweiten Weltkrieg spiegelt den bis heute fortlebenden Streit wider, ob die Form der Zusammenarbeit auf zwischenstaatlicher Basis oder als integrierte (vergemeinschaftete) Materie erfolgen soll. Ein erster Versuch zu einer integrierten Zusammenarbeit der sechs Gründerstaaten der EGKS 1 in außen- und verteidigungspolitischen Fragen wurde mit dem Entwurf eines Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschajt (EVG) im Jahre 1953 unternommen2. Ziel war u.a. die Koordinierung der Außen- und Verteidigungspolitik. Es bestand die Absicht, EGKS und EVG in der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG)3 zu verbinden, so daß es zu einer integrierten europäischen Außenpolitik kommen sollte. Zudem sollte eine europäische Armee unter supranationalem Kommando aufgestellt werden. Die Konzeption der EVG war ehrgeiziger als jeder spätere Versuch einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik4 • Dieser Vertrag wurde jedoch Ende August 1954 von der französischen Nationalversammlung abgelehnt. Damit scheiterte auch das Projekt EPG aufgrund der engen Verbindung zueinander. Der Widerstand Frankreichs beruhte damals auf dem Schreckgespenst, daß Hoheitsrechte abgetreten werden sollten5 . Nach Gründung der EWG und EAG durch die Römischen Verträge (25. März 1957) mit dem Ziel einer Teilintegration europäischer Staaten wurde zu Beginn der 60er Jahre ein weiterer Versuch zur Annäherung, Vereinheitlichung und Koordinierung der Außen- und Verteidigungspolitik unternommen. Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg, Niederlande und Deutschland. Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, abgedruckt in BGBI. 195411, S. 343-379. 3 Ein im März 1953 von einer Ad hoc-Versammlung ausgearbeiteter Satzungsentwurf forderte die Bildung der Europäischen Politischen Gemeinschaft (vgl. P. Fischer EPG, S. 107). 4 Rummel AAPSS 1994, S.112 (114). Vgl. Jürgens GASP, Diss.1994, S.54f. mwN.; Tebbe EU und GASP, S.88; KoeniglPechstein EU, Kap. I RdNr. 21; Burghardtn'ebbe EuR 1995, S. I (3). 5 Näher zur EVG Nuttall EPC, S. 33ff. Siehe auch Seidl-HohenveldemlLoibl IntOrg, RdNr. 0231-0234. I
2
I. Geschichte der außenpolitischen Zusammenarbeit
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Grundlage des neuen Vorstoßes bildeten die sog. Fauchet-Pläne. Diese waren im Auftrag der Gemeinschaftsstaaten durch einen Botschafterausschuß unter dem Vorsitz des französischen Diplomaten Christian Fouchet in den Jahren 1961/62 entstanden. Als Lehre aus dem Scheitern der EVG sollte ein neuer Ansatz für "die außenpolitische Zusammenarbeit der EG-Mitgliedstaaten eingeftihrt werden: die zwischenstaatliche Form der Zusammenarbeit (als eine organisierte Kooperation) - im Gegensatz zur Integration6 • Der Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in der Außen- und Verteidigungspolitik sollte lediglich ein Rahmen gegeben werden, der mit den in die Gemeinschaftskompetenz fallenden Bereiche verbunden werden sollte? Die auf der Grundlage der Fouchet-Pläne geführten Verhandlungen scheiterten jedoch im März/April 1962 an der unnachgiebigen Haltung Frankreichs gegenüber den fünf anderen Staaten. Diese widersetzten sich einerseits einer Auflösung des Integrationswillens der bestehenden Verträge zugunsten eines zu vagen Gesamtkomplexes, andererseits lehnten sie - insbesondere die Niederlande - politische Fortschritte ohne Einbeziehung Großbritanniens ab 8 • Nach dem Rücktritt des französischen Präsidenten Charles de Gaulle im April 1969 kam mit seinem Nachfolger George Pompidou neue Dynamik in die europäische politische Zusammenarbeit9 , die sich seit dem Scheitern der Fouchet-Pläne in einer Krise befand. Im Dezember 1969 beauftragte das Gipfeltreffen von Den Haag "die Außenminister mit der Prüfung der Frage, wie [... ] am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden können. ,,10 Das Ergebnis dieses Auftrages war der sog. Luxemburger Bericht ll vom 27. Oktober 1970 (auch: Davignon Beriche z), die Geburtsstunde der europäiBurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (4); Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 59. BBPS EU, S. 526 (16.1.2). 8 BBPS EU, S. 580 (17.2.2). Näher zu den Fouchet-Plänen und zur Rolle VOll Charles de Gaulle hierbei Nuttall EPC, S.37-46. Vgl. auch Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 59f.; Servantie, HER IA 10, Art. 30 EEA, RdNr. 4. 9 KoeniglPechstein EU, Kap. 1 RdNr. 25. 10 Kommunique der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der EGMitgliedstaaten vom 2.12.1969 in Den Haag, Dok AA, S. 30. 11 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Dok AA, S. 31 ff. Siehe zu der damaligen politischen Situation und den verschiedenen Interessenlagen Nuttall EPC, S. 46-49; vgl. zu der sich aus dem Luxemburger Bericht ergebenden EPZPraxis Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 29-31; dies. Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 86. 6 7
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B. Grundlagen der GASP
sehen außenpolitischen Zusammenarbeit. Dieser Bericht fiihrte zu der Aufnahme der als Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ - politisch ist gleichbedeutend mit außenpolitisch) bezeichneten regelmäßigen Treffen der Außenminister und/oder ihrer Politischen Direktoren. Ziel der Treffen war es, über den Austausch von Informationen und durch Konsultationen zu außenpolitischen Fragen eine bessere Abstimmung oder Koordinierung der einzelstaatlichen Außenpolitiken zu erreichen 13 . Die außenpolitische Zusammenarbeit war von vornherein als allmählicher Prozeß angelegt. Der Bau Europas sollte "in aufeinanderfolgenden Stufen" betrieben werden 14 . Erst "nach und nach [sollten] die geeignetste Methode und die geeignetsten Instrumente" entwickelt werden, "die ein gemeinsames politisches Vorgehen ermöglichen,,15. Die 1970 gegründete EPZ war eine in strikter Abgrenzung von den Gemeinschaftsverträgen geschaffene, rein zwischenstaatliche Form außenpolitischer Zusammenarbeie 6 • Der Luxemburger Bericht ist der erste von drei "Berichten" (= rechtlich unverbindliche Absprachen der Außenminister 17) zu den Verfahren der EPZ, bevor diese in der EEA 1987 erstmals festgeschrieben worden sind. Der zweite "Bericht" war der sog. Kopenhagener Bericht 18 , der am 23. Juli 1973 im Auftrag der Staats- und Regierungschefs der mittlerweile neun Gemeinschaftsstaaten von den Außenministern vorgelegt worden ist. Darin wurde eine überwiegend positive Bilanz der bisherigen Zusammenarbeit gezogen. Mit diesem Bericht nahmen die zuvor in Luxemburg vereinbarten Formen der Zusammenarbeit konkretere Gestalt an. Der Text enthielt spezifische Aussagen zu den Ministertagungen, zu dem Politischen Komitee, zu der Korrespondentengruppe, zu den Arbeitsgruppen und zur Rolle des Vorsitzes.
12 Benannt nach dem damaligen Politischen Direktor des belgischen Außenministeriums und späteren EG-Kommissar Vicomte Etienne Davignon. !3 GrunertlLecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 3. 14 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Erster Teil, Nr. 8, Dok AA, S. 32. 15 Ebda. 16 Näher Nuttall EPC, S. 51-55; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 63. 17 BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (4); Tebbe EU und GASP, S. 88. Vgl. auch Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 169f. und 179f. 18 Kopenhagener Bericht: Zweiter Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 23.7.1973, Dok AA, S. 37ff.
I. Geschichte der außenpolitischen Zusammenarbeit
27
Der Kopenhagener Bericht bildete lange Zeit die eingehendste Grundlage der EPZ I9 . Der (erfolglos gebliebene) sog. Tindemans-Bericht20 vom 29. Dezember 1975 über die Europäische Union, der nach Aufforderung des Pariser Gipfels vom 10. Dezember 1974 erstellt worden war, bezweckte die Änderung des nicht bindenden Charakters der EPZ und den allmählichen Übergang zu einer integrierten (vergemeinschafteten) Außenpolitik21 • Alle außenpolitischen Aspekte sollten - wenn auch nach getrennten Verfahren - in einem gemeinsamen Entscheidungszentrum zusammengeführt werden22 • Die Unterscheidung von Ministertreffen in der EPZ einerseits und von Ministertreffen im Rat (EG) andererseits sollte aufgehoben werden. Weiterhin sollten in der EPZ auch sämtliche Fragen der Sicherheitspolitik diskutiert werden dürfen. Der Tindemans-Bericht blieb zunächst ohne praktische FOlgen23 . Erst in den Bestimmungen zur GASP knapp zwanzig Jahre später finden sich Elemente dieses Berichtes wieder. Der sog. Londoner Bericht24 der damals zehn EG-Außenminister über die EPZ vom 13. Oktober 1981 war der dritte Bericht der Verfahrensregeln zur EPZ enthielt. Er nahm einige konkrete Verbesserungen an den EPZ-Verfahren vor (z.B. im Hinblick auf Entscheidungen in plötzlichen Krisensituationen) und stellte die volle Beteiligung der Kommission sicher. Weiterhin wurde die EPZTagesordnung auf die "politischen" Aspekte der Sicherheit ausgeweitet25 • Besonders wurde die wichtige Rolle des Vorsitzes hervorgehoben26 • Die Initiative des deutschen Außenministers Hans-Dietrich Genseher und seines italienischen Kollegen Emilie Colombo von 1981 27 versuchte den InteEbenso Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 65. VgJ. Die Europäische Union, Bericht von Leo Tindemans an den Europäischen Rat vom 29.12.1975, EA 1976,0 55ff. 2\ Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 6. 22 Die Europäische Union, Bericht von Leo Tindemans an den Europäischen Rat vom 29.12.1975, EA 1976,0 59f. 23 Näher zu dem Tindemans-Bericht Nuttall EPC, S. 143ff. 24 Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Dok AA, S. 59ff. 25 Dazu näher Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 69f. 26 VgJ. den Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Dok AA, S. 61 ff. VgJ. dazu auch RegelsbergerWesteuropa als internationaler Akteur- Diss. 1991, S. 87ff.; dies. EPZ in den achtziger Jahren, S.43 und 47; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 68f.; Nuttall EPC, S. I 75ff.; Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 7. 27 Anfang November 1981 unterbreiteten die Regierungen Italiens und der Bundes19
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B. Grundlagen der GASP
grationsprozeß zu vertiefen und zu beschleunigen. Erklärtes Ziel war die Schaffung einer Europäischen Union. Die Genscher-Colombo-Initiative mündete in der "Feierlichen Deklaration zur Europäischen Union ,,28, die von dem am 17.19. Juni 1983 in Stuttgart tagenden Europäischen Rat29 angenommen wurde. In der Erklärung bekräftigten die damaligen EG-Mitgliedstaaten ihre Absicht, die Europäische Politische Zusammenarbeit durch das Erarbeiten und Festlegen gemeinsamer Positionen und durch gemeinsames Vorgehen auf der Grundlage verstärkter Konsultationen zu intensivieren. Die EPZ wurde auf die "politischen" und "wirtschaftlichen" Aspekte der Sicherheit ausgedehnt. Die Bedeutung größerer Kohärenz zwischen EPZ und Gemeinschaftspolitik wurde betont. Die Bestimmungen signalisierten eine größere Offenheit gegenüber dem Europäischen Parlament und enthielten eine Anerkennung des Europäischen Rates als höchste Autorität rur EG- und EPZ-Fragen. Diese Deklaration stellte einen Katalog der bisherigen Entwicklungen dar und enthielt mit Ausnahme des Abschnitts über die Sicherheit kaum wirkliche Neuerungen30 • Die Erklärung blieb damit hinter den Forderungen der Genscher-Colombo-Initiative zurück31 , die die Schaffung einer Europäischen Union anstrebte. Dies zeigt sich schon darin, daß der Titel "Feierliche Erklärung" gewählt wurde, um jeden Anklang an einen verbindlichen Rechtstext zu verrneiden32 • Am 14. Februar 1984 brachte der Italiener Altiero Spinelli einen "Entwurf eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union" in das Europäische
republik Deutschland den von ihren Außenministern erarbeiteten 'Entwurf einer europäischen Akte' (Gemeinsamer deutsch-italienischer Vorschlag für die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Europäischen Union, Entwurf vom 4.11.1981 für eine Europäische Akte und eine Erklärung zu Fragen der wirtschaftlichen Integration (Genscher-Colombo-Initiative), abgedruckt in EA 1982, D 50-55). Gefordert wurde u.a. die förmliche Verbindung von EPZ und EG (einheitlicher institutioneller Rahmen, zentrale Rolle des Rates) und eine vertraglich verbindliche außenpolitische Abstimmung der EPZ-Partner. 28 Feierliche Deklaration zur Europäischen Union vom 19.6.1983 in Stuttgart, Dok AA, S. 67ff. Zu der damaligen politischen Situation und den verschiedenen Interessen siehe Nuttall EPC, S. 183ff.; Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 49. 29 Der Begriff eines regelmäßig tagenden Europäischen Rates wurde im Dezember 1974 in Paris geschaffen. 30 Ebenso Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 7. 31 Vgl. Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 71f. 32 KrenzIer EuR 1986, S.384 (385). A.A. Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 170 und 180.
1. Geschichte der außenpolitischen Zusammenarbeit
29
Parlament ein33 . Dieser Entwurf wurde mit großer Mehrheit vom Parlament angenommen (237 Stimmen gegen 32 mit 34 Enthaltungen34). Nach seinem Inhalt sollte u.a. die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten allmählich in eine gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union überfiihrt werden (vgl. Art. 63-69 des Entwurfs, insb. Art. 68 [Erweiterung des Bereichs der Zusammenarbeit und Übergang der Zusammenarbeit in die gemeinsame Aktion35 ]). Der Entwurf Spinellis ist nicht geltendes Recht geworden. Er erzeugte jedoch ein politisches Momentum, das die Mitgliedstaaten veranlaßte, knapp drei Jahre später eine Rechtsgrundlage fiir die europäische politische Zusammenarbeit zu schaffen36 . Dies geschah mit der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) am 28. Februar 1986 in Den Haag 37 , die am 1. Juli 1987 in Kraft getreten ist. Die EEA institutionalisierte die EPZ 38 . Es blieb jedoch bei der Grundentscheidung einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit: Art. 30 EEA enthielt allgemeine Verpflichtungen der EG-Mitgliedstaaten in bezug auf die außenpolitische Zusammenarbeit anläßlich der Ministertreffen, Ausfiihrungen zu der Zusammenarbeit in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen sowie im Verhältnis zu Drittstaaten und in bezug auf die Institutionen der Gemeinschaft, zur Kohärenz, zur Rolle des Vorsitzes sowie zu praktischen Fragen (Tagungen, Sekretariat und die Zusammenarbeit zwischen den
AbI. EG Nr. C 77/33 vom 19.3.1984. Siehe dazu auch Nuttall EPC, S. 239f. AbI. EG Nr. C 77/53 vom 19.3.1984. 35 Die "gemeinsame Aktion" iSd. Art. 1.3 EUV ist nicht identisch mit der "gemeinsamen Aktion" iSd. genannten Entwurfs. Danach war unter gemeinsamer Aktion "die Gesamtheit der - internen und internationalen - Rechtshandlungen auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Verwaltung, der Finanzen und der Gerichtsbarkeit sowie der Programme und Empfehlungen der Union zu verstehen, die von ihren Institutionen ausgehen und sich entweder an diese selbst, an die Staaten oder an einzelne richten" (Art. 10 Abs.2 des Entwurfs). 36 Jürgens GASP, Diss. 1994, S.71f.; Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (19); Krenzier EuR 1986, S. 384 (385). 37 Abgedruckt in: Dok AA, S. 75ff. Der Name stammt daher, daß erstmals die die EG und die EPZ betreffenden Vereinbarungen der Mitgliedstaaten in einem einheitlichen Dokument verabschiedet wurden. Zu den Vorarbeiten durch den Dooge-Ausschuß siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 71-74. Siehe zur EEA Nuttall EPC, S. 240-259; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 183f.; Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 53. 38 Seidl-HohenveldernlLoibl IntOrg, RdNr. 0248p. 33
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B. Grundlagen der GASP
Vertretungen)39. Im wesentlichen wurden die auf den Berichten von Luxemburg (1970), Kopenhagen (1973) und London (1981) sowie auf der Feierlichen Deklaration zur Europäischen Union von Stuttgart (1983) beruhenden Praktiken festgeschrieben40. Erstmals wurde der außenpolitischen Zusammenarbeit mit der EEA eine völkervertragsrechtliche Grundlage gegeben, auch wenn sich die rechtliche Bindung der EG-Mitgliedstaaten darauf beschränkte, sich einander in allen außenpolitischen Fragen von allgemeinem Interesse zu unterrichten und zu konsultieren (Art. 30 Nr.2 lit.a EEA), bevor sie ihre endgültige Haltung festlegten (Art. 30 Nr.2 lit.b EEA)41. Am 1. November 1993 lösten die GASP-Bestimmungen mit Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union 42 Art. 30 EEA als Grundlage der europäischen politischen Zusammenarbeit ab (gemäß Art. P II EUV wird der Titel III der EEA (= Art. 30 EEA) aufgehoben).
11. Der Vertrag über die Europäische Union 1. Die Vertragsbestimmungen
Mit der Tagung des Europäischen Rates am 9./10. Dezember 1991 in Maastricht wurden die Verhandlungen der einjährigen Regierungskonferenz über eine Politische Union abgeschlossen43. Der in Maastricht von den Staatsund Regierungschefs angenommene Vertragstext wurde anschließend rechtlich und sprachlich überarbeitet. Am 7. Februar 1992 wurde der Unionsvertrag von 39 Vgl. die Einheitliche Europäische Akte (EEA), Den Haag, 28.2.\986, Dok AA, S. 78ff. und den Beschluß der im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit versammelten Außenminister anläßlich der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte vom 28.2.1986, Dok AA, S. 82ff. Siehe dazu näher Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 183ff. 40 KrenzIer EuR 1986, S. 384 (388); Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 59; Hurd JA 1994, S.421 (422); Jagow Integration 1993, S. 225 (227); BBPS EU, S. 526 (16.1.2). 4\ Zur Struktur und Arbeit der EPZ vgl. Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, insb. S. 11 ff. und 90ff. Eine Chronologie der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) der Jahre 1969-1989 (zusammengestellt von Elfriede Regelsberger) ist abgedruckt in: Die EPZ in den achtziger Jahren: Eine gemeinsame Außenpolitik für Westeuropa?, Pijpers/RegelsbergeriWessels (Hrsg.), S. 333-438. 42 Der Vertragstext ist abgedruckt im AbI. EG Nr. C 191/1 vom 29.7.1992 = BullBReg. Nr. 16 (12.2.1992), S. 113ff. 43 Zur Vorgeschichte des Unionsvertrages und den nationalen Jnteressenlagen der Beteiligten siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S.296ff.; HilflPache, in: Grabitz/Hilf, EUV-Vorbem., RdNr. 6ff.
II. Der Vertrag über die Europäische Union
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den Außen- und Finanzministern der damals zwölf EG-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Der Vertragstext ist gut eineinhalb Jahre später am 1. November 1993 nach Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten in Kraft getreten44 . a) Struktur des Unions vertrages
Gemäß Art. A III 1 EUV bilden die Grundlage der Union die drei Europäischen Gemeinschaften, die durch die mit diesem Vertrag eingeftihrten Politiken und Formen der Zusammenarbeit (GASP sowie Justiz und Inneres) ergänzt werden. Demnach ist die Europäische Union mit einem Tempel vergleichbar, der aus drei Pfeilern besteht45 : den ersten bilden die bestehenden Europäischen Gemeinschaften46 , den zweiten die GASP und schließlich den dritten die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres 47 • Der Vertrag über die Europäische Union setzt sich aus insgesamt acht Bestandteilen zusammen: Präambel und sieben Titeln. Der allgemeine Teil (Titel I , Art. Abis F EUV) enthält Aussagen über die Grundlagen der Union, über ihre Ziele und Struktur, zu ihren Institutionen, zu ihrer rechts staatlichen Verpflichtung und zu ihrem Verhältnis zu den Mitgliedstaaten sowie zur Kohärenz des Gemeinschaftshandelns mit der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Die folgenden Titel sind den Grundlagen der Union gewidmet: den Europäischen Gemeinschaften (Titel 11 bis IV, Art. G, H, I: Änderungsbestimmungen der Gemeinschaftsverträge), der Gemeinsamen Au44 Gemäß Bek. vom 19.10.1993, BGBI. 1993 II, S. 1947, da die Ratifikation durch die Bundesrepublik Deutschland erst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 12.10.1993 zur Verfassungsmäßigkeit des Unionsvertrages (BVerfGE 89, I 55ff. = NJW 1993, 3047ff.) erfolgen konnte. Zu den Problemen bei der Ratifikation siehe näher Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 309ff. (Übersicht auf Seite 321 f.); KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (786f.). 45 Vgl. BVerfGE 89, 155, 159 (I.l.a); Jürgens GASP, Diss. 1994, S.326; Wessel SEW 1995, S. 554 (555); Hurd IA 1994, S.421 (422); Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 449; Algieri Integration 1992, S. 246; HilflPache, in: GrabitzlHilj, EUVVorbem., RdNr. 27f. In Bezug auf die EEA hatte man noch von zwei Säulen gesprochen (PijperslRegelsbergeriWessels Eine gemeinsame Außenpolitik für Europa, S. 328). 46 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), Europäische Gemeinschaft (EG - vor dem 1.11.1993: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, vgl. Art. G A I EUV), Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM oder EAG). 47 Eckart Klein und Andreas Haratsch (in: DÖV 1993, S. 785 (787» sprechen von fonfPfeilem: den drei Europäischen Gemeinschaften, der GASP und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. Die Unterschiede in der Zählweise sind jedoch ohne Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung.
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B. Grundlagen der GASP
ßen- und Sicherheitspolitik (Titel V, Art. J EUV) und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (Titel VI, Art. K EUV). Titel VII enthält die Schlußbestimmungen, die z.T. wichtige institutionelle Fragen regeln (Art. L EUV: Zuständigkeit des Gerichtshofes und Art. M EUV: Verhältnis des Unionsvertrages zum Gemeinschaftsrecht)48. Dem Vertrags text sind 17 Protokolle zu verschiedenen Themen beigefügt. Die Schlußakte enthält 33 Erklärungen zu unterschiedlichen Vertragsgegenständen.
b) Die Bestimmungen zur GASP Titel V EUV (= Art. J mit 11 Unterartikein) enthält die Regelungen zur GASP. Wesentlich für das Verständnis der GASP sind darüber hinaus: (1) die gemeinsamen Bestimmungen (Titel I - siehe insb. Art. A III 1, B S.l Spiegelstrich 2 und C EUV), (2) die Schlußbestimmungen (Titel VII - siehe insb. Art. L, NIlund P 11 EUV) und (3) Art. 73g und 228a EGV (Kohärenz der GASP mit Wirtschaftssanktionen derEG). Daneben lassen sich weitere interpretative Aussagen zu den GASPBestimmungen entnehmen aus: (1) dem 9. Erwägungsgrund der Präambel zum Unionsvertrag, (2) fünf zusätzlichen Erklärungen anläßlich der Regierungskonferenz in Maastricht zum Vertrag über die Europäische Union49 (Erklärung Nr. 2730, enthalten in der Schlußakte) und (3) weiteren Aussagen des Europäischen Rates zur GASP, abgegeben anläßlich seiner Treffen (enthalten in seinen jeweiligen Schlußfolgerungen)5o. Das Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion ist in Art. J.3 EUV festgelegt. Kein anderes GASP-Verfahren ist so detailliert geregelt, was die Bedeutung der gemeinsamen Aktion innerhalb der GASP unterstreicht. 48 Vgl. Streinz ZfRV 1/95, S. I (2). 49 Nach einhelliger Meinung handelt es sich dabei um Auslegungshilfen gemäß Art. 31 1,11 lit.a WVRK (vgl. Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 205). 50 Siehe zu der Rechtsqualität dieser Erklärungen des Europäischen Rates unten B.lI.3.
II. Der Vertrag über die Europäische Union
33
Die GASP-Bestimmungen sind nicht das Ergebnis einer einmaligen rechtlichen Vereinbarung zwischen den Mitgliedstaaten, sondern müssen als Ergebnis eines allmählichen Prozesses gesehen werden. Eine relativ unbestimmte Vereinbarung im Jahre 1970 (Luxemburger Bericht) erlaubte die Entwicklung von Entscheidungsstrukturen und -verfahren, die den jeweiligen politischen Umständen angepaßt waren. Die im Laufe der Zeit vereinbarten Anpassungen konnten dadurch um so leichter von allen Beteiligten anerkannt werden sl , bis diese mit der EEA (1987) das erste Mal festgeschrieben worden sind52 . Die GASP übernahm wesentliche Strukturen und Verfahren der EPZ, entwickelte aber auch neue Methoden. Die wichtigsten Unterschiede zum bisherigen System der EPZ sinds3 : (1) Einführung der gemeinsamen Aktion als verbindliche Fonn gemeinsamen Handeins, (2) Erweiterung der Zusammenarbeit auf alle Bereiche der Sicherheitspolitik, (3) Einführung eines einheitlichen institutionellen Rahmens und die (4) Möglichkeit der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit. Im übrigen wurden im Titel V EUV viele Verfahren festgeschrieben, die sich innerhalb der EPZ entwickelt haben, aber vertraglich nicht niedergelegt waren. Die GASP-Bestimmungen sind zugleich das Ergebnis eines politischen Kompromisses bei den Vertragsverhandlungen, die z.T. sehr kontrovers geführt worden sind54 • Sie sind unvollständig, weil unterschiedliche nationale Interessen bestimmte Regeln nicht zuließen. Das ist auch der Hauptgrund dafür, daß einige Fonnulierungen des Unionsvertrages kein hervorragendes Beispiel der Vertragskunst sind55 , was die Wortauslegung z. T. schwierig bis unmöglich So auch Serre Nationale Anpassung an die EPZ, S. 238. Vgl. Bonvicini Strukturen und Verfahren der EPZ, S. 73f. 53 Vgl. Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 60; BBPS EU, S. 528 (16.1.2); Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 61 f., RdNr. 144. 54 Regelsberger EPZ und GASP, S. 188. Zur Vorgeschichte siehe dies. Integration 1992, S. 83ff. 55 Ebenso Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 378; Morgan How Common will Foreign and Security Policies be?, S. 189 und 190; Torsten Stein The Legal Framework of the European Security Policy, Vortrag (13.1.1995) anläßlich der Eisa-Konferenz in Passau vom 12.-15.1.1995 ("Prospects for a common european defence policy"), S.5 (unveröffentlicht); Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S.41 (44); von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (7). 51
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B. Grundlagen der GASP
macht. So ist es beispielsweise irreführend, wenn gemäß Art. J EUV eine "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik eingeführt" wird. Die GASP wird nämlich durch diesen Vertrag nicht im Sinne eines Neuanfangs eingeführt, da der Titel V EUV die Fortsetzung von Art. 30 EEA ist. Die Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik wird aber ebensowenig eingeführt in dem Sinne, daß mit ihr schon der Endzustand erreicht wäre. Art. J EUV ist nur ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Vergemeinschaftung bzw. zur Autbebung nationaler Außen- und Sicherheitspolitik zugunsten der Union56 •
2. Rechtsnatur der GASP-Bestimmungen Zweckmäßigerweise läßt sich das in dem Bereich der Europäischen Union bestehende Recht als Unionsrecht bezeichnen57 . Damit sind auch die die GASP bestimmenden Regeln Bestandteil dieses Unionsrechts. Diese Regeln lassen sich weiter unterscheiden nach dem primären GASP-Recht (einrichtendes, institutionelles oder formelles Recht) und dem sekundären (materiellen) GASPRecht 58 . Das primäre GASP-Recht bilden die im Unionsvertrag enthaltenen Bestimmungen. Das sekundäre GASP-Recht ist das Ergebnis dieser Bestimmungen (z.B. gemeinsame Aktionen 59 ). Als Teil eines zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossenen Vertrages müßte das primäre GASP-Recht völkerrechtlicher Natur sein, da es von souveränen sozialen Verbänden durch Koordination geschaffenes Recht darstellt. Das primäre GASP-Recht ist nicht gemeinschaftsrechtlicher Natur. Zwar spricht für eine Zurechnung zum Gemeinschaftsrecht, daß die EGOrgane wegen des einheitlichen institutionellen Rahmens in den Dienst der
56 Leche!er AVR 1994, S. I (J 9f.); Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S.447; Koenig/Pechstein EU, Kap.5 RdNr. I; Streinz ZfRV 1/95, S. I (2f.). Vgl. auch Mechtersheimer Aus Politik und Zeitgeschichte B 1-2/96, S. 27. 57 Vgl. hierzu Koenig/Pechstein EU, Kap.4 RdNr. Iff. Zu der Einheit der "Unionsrechtsordnung" siehe von Bogdandy/Nettesheim EuR 1996, S. 3 (17-20), wonach das unter EG-, EGKS-, EAG-Vertrag entstandene Recht weiterhin als Gemeinschaftsrecht bezeichnet werden kann, um es wegen der bestehenden Unterschiede zu den Rechtsbestimmungen des EUV oder dem auf dessen Bestimmungen erlassenen Sekundärrechts abzugrenzen (a.a.O., Fn. 97). 58 Das Primärrecht enthält die Ermächtigung zur Rechtserzeugung. Die durch primärrechtliche Ermächtigung erzeugten Akte werden als Sekundärrecht bezeichnet (vgl. Meng Das Recht der internationalen Organisationen, S. 75; Seid!-Hohenveldern/Loib! IntOrg, RdNr. 1502f.). 59 Zur Rechtsqualität gemeinsamer Aktionen siehe unten D.V.
II. Der Vertrag über die Europäische Union
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GASP gestellt werden. Darüber hinaus werden gemäß Art. 1.11 I EUV bestimmte institutionelle Vorschriften des Gemeinschaftsrechts für die GASP als anwendbar erklärt. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß dadurch gerade die Trennung der Rechtsräume zwischen der GASP einerseits und der Gemeinschaft andererseits betont wird. Andernfalls wäre Art. 1.11 I EUV überflüssig. Dies unterstreicht Art. E EUV, indem diese Vorschrift die im Rahmen der GASP handelnden EGOrgane auf die Befugnisse in den getrennten Verträgen verweist. Schließlich bleiben die EG-Organe Institutionen der EG und werden nicht zu Unionsorganen (siehe unten C.L). Das primäre GASP-Recht begründet auch keine Rechtsordnung sui generis. Eine derartige Qualifikation wird überwiegend für das Gemeinschaftsrecht angenommen, weil dieses ein supranationales Gefüge schafft60 (insbesondere wegen der direkten Anwendung von EG-Recht in den Mitgliedstaaten und der gerichtlichen Kontrolle durch den EuGH). Vergleichbare Strukturen schafft das einrichtende GASP-Recht jedoch nicht (vgl. z.B. Art. LEUV). Als eine zwischen den EU-Mitgliedstaaten vereinbarte Plattform zur Koordinierung der einzelstaatlichen Politiken erzeugt das primäre GASP-Recht keine üblicherweise über im Völkervertragsrecht begründbare Rechte und Pflichten. Da das primäre GASP-Recht auch keine Rechtsordnung sui generis begründet, ist es völkerrechtlicher Natur ohne gemeinschaftsrechtliche Qualität61 •
3. Die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates nach Abschluß des Unionsvertrages als mögliche Auslegungshilfen Seit der Unterzeichnung des Unionsvertrages am 7. Februar 1992 hat der Europäische Rat in seinen Schlußfolgerungen z.T. sehr konkrete Aussagen zu einzelnen Vorschriften der GASP gemacht. Daher ist die Rechtsqualität dieser Aussagen und damit ihre Auswirkung auf die Vertragsbestimmungen von Bedeutung rur den Fortgang der vorliegenden Untersuchung. Bei den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates ist formell danach zu unterscheiden, daß sie entweder vor (z.B. ER von Lissabon - 26.127.6.1993) Vgl. Streinz Europarecht, S. 33ff., RdNr. 107ff.; BBPS EU, S. 68ff. (2.5.). Ebenso BBPSEU, S.525 (16.1.1) und S.527 (16.1.2); HilflPache, in: GrabitzlHilf, EUV-Vorbem., RdNr. 1; Müller-Grafflntegration 1993, S. 147 (149); KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (796); KrenzlerlSchneiderEuR 1994, S. 144 (157); dies. CFSP Forum 1994/2, S. 4; Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15. A.A. von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (22f.). 60 61
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B. Grundlagen der GASP
oder nach (z.B. ER von Korfu - 24./25.6.1994) Inkrafttreten des Unionsvertrages am 1. November 1993 abgegeben worden sind.
a) Die Schlußfolgerungen nach Inkrafttreten des Unionsvertrages Der Vertrag über die Europäische Union enthält als ausdrückliche Regelung über die Bedeutung nachfolgender Aussagen des Europäischen Rates zur GASP den Art. J.8 I, 11 UA.l S.l EUV. Danach bestimmt der Europäische Rat die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien dieses Politikbereiches. Weiterhin bilden gemäß Art. 1.3 Nr.1 UA.l EUV die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates die Grundlage für den Beschluß einer gemeinsamen Aktion. Soweit die Schlußfolgerungen ab dem 1. November 1993 Aussagen zu Grundsätzen der GASP oder allgemeine Leitlinien enthalten, macht der Europäische Rat von seiner Befugnis Gebrauch, der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und die allgemeinen politischen Zielvorstellungen (vgl. Art. D I EUV) sowie verfahrensrechtliche Voraussetzungen für den Beschluß gemeinsamer Aktionen zu geben. Die Bedeutung weiterer Aussagen zu GASP-Bestimmungen nach Inkrafttreten des Vertrages, die nicht Grundsätze bzw. allgemeine Leitlinien der GASP enthalten, ergibt sich aus Art. 31 III WVRK [Allgemeine Auslegungsregelt 2 . Diese Erklärungen des Europäischen Rates sind als spätere Übereinkunft (Art. 31 III lit.a WVRK) bei der Anwendung des Unionsvertrages zu sehen. Von der in dieser Vorschrift geforderten Übereinstimmung der Vertragsparteien ist auszugehen, da im Europäischen Rat das Konsensprinzip gilt.
b) Die Schlußfolgerungen vor Inkrafttreten des Unionsvertrages Bei den Schlußfolgerungen von Lissabon63 und den bis zum 1. November 1993 folgenden Schlußfolgerungen des Europäischen Rates 64 handelt es sich um Dokumente, die nach Abschluß, aber vor Inkrafttreten des Unionsvertrages angenommen wurden.
62 Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, ob die WVRK auf den Unionsvertrag anwendbar ist oder nicht, da die WVRK kodifiziertes Gewohnheitsrecht bildet (vgI. nur Meng Das Recht der internationalen Organisationen, S. 32). 63 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6. I 992), Dok AA, S. I 15ff. 64 Schlußfolgerungen ER-Birmingham (16.10.1992), ER-Edinburgh (11./12.12. 1992), ER-Kopenhagen (21.122.6.1993) und ER-Brüssel (29.10.1993).
11. Der Vertrag über die Europäische Union
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Soweit diese Schlußfolgerungen allgemeine Leitlinien iSd. Art. J.3 Nr.l UA.I EUV enthalten, ist von einer vorläufigen Anwendung der entsprechenden Teile des Unionsvertrages auszugehen, Art. 25 I lit.b WVRK (siehe dazu näher die AusfUhrungen bei D.II.2.d.). In den anderen Fällen kann auf Art. 1.3 Nr.l UA.I, J.8 I, 11 UA.I S.1 EUV nicht abgestellt werden, da diese Vorschriften vor dem 1. November 1993 noch nicht in Kraft waren. Hier stellt sich die Frage, was fUr diesen Teil der Schlußfolgerungen (d.h. keine allgemeinen Leitlinien, sondern Aussagen zu einzelnen GASP-Bestimmungen) gilt. Hier könnte Art. 31 III WVRK einschlägig sein. Fraglich ist, was unter "später" iSd. Vorschrift zu verstehen ist. Zu prüfen ist, ob damit auch der Zeitpunkt nach Abschluß aber vor Inkrafttreten des Vertrages erfaßt wird. Das Wort "später" wird in der WVRK nicht definiert. Aus der Formulierung in Art. 31 III lit.b WVRK (" ... Übung bei der Anwendung des Vertrages ... ") folgt jedoch, daß mit "später" nur Akte nach Inkrafttreten des Vertrages gemeint sein können, da diese Formulierung notwendig die Geltung des Vertrages voraussetzt65 • Dieses Ergebnis wird gestützt von Art. 31 111 lit.a WVRK, wenn dort von der "Anwendung seiner Bestimmungen" die Rede ist. Art. 31 111 WVRK gilt also nur fUr die Zeit nach Inkrafttreten des Vertrages 66 und ist hier daher nicht anwendbar. Statt dessen könnte Art. 31 I, 11 lit.a WVRK Anwendung finden. Entscheidender Zeitpunkt ist hier der Vertragsabschluß. Auch dieser Begriff ist in der WVRK nicht definiert. Nach dem Wortlaut bezieht sich "Vertragsabschluß" auf den tatsächlichen Akt und Zeitpunkt der Willensbekundung. Demgemäß wäre die Unterzeichnung des Vertrages der alleinige Zeitpunkt, zu dem die Vertragsparteien zusätzliche Übereinkünfte abschließen könnten, die hinsichtlich der Auslegung Wirkung entfalteten. Diese Interpretation wird vom deutschen Text gestützt ("anläßlich,,)67. Erfaßt sind daher unproblematisch die fUnf zusätzlichen Erklärungen anläßlich der Regierungskonferenz in Maastricht zum Unionsvertrag (Erklärungen Nr. 27-30). Das ist aber noch keine Antwort auf die Frage, welche Rechtswirkung den Aussagen des Europäischen Rates in seinen Schlußfol-
So schon Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 25f. (nicht veröffentlicht). Von diesem Verständnis geht auch ohne nähere Begründung Sir fan Sinclair aus (The Vienna Convention on the Law of Treaties, S. 135 und 246). 67 Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 27 (nicht veröffentlicht). 65 66
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B. Grundlagen der GASP
gerungen nach Abschluß des Unionsvertrages am 7. Februar 1992, aber vor dessen Inkrafttreten am 1. November 1993 zukommt. Die Lösung dieser Frage enthält das im völkerrechtlichen Vertragsrecht geltende Konsensprinzip68. Es verstieße gegen dieses Prinzip, wenn man den Dokumenten, die den inhaltlichen Konsens der Vertragsparteien widerspiegeln, aber nicht zeitgleich mit dem Vertragsabschluß zusammenfallen, jede Rechtswirkung verweigern wollte. Dies ließe den ausdrücklichen Willen aller Vertragsparteien vor Inkrafttreten unberücksichtigt, obschon nach Inkrafttreten des Vertrages Auslegungsklarstellungen (gemäß Art. 31 III WVRK) durch Übereinkünfte zugelassen sind69 . Der englische Wortlaut (als authentischer Text, Art. 85 I, 33 IV WVRK) des Art. 31 I, 11 lit.a WVRK stützt diesen Ansatz. Dort wird die Formulierung " ... in connexion with ... ,,70 verwendet, wonach die zeitliche Verknüpfung mit dem Vertragsabschluß nicht so strikt gefordert wird, wie es der deutsche Wortlaut nahelegt. Der Begriff "anläßlich" enthält somit keine Zeit- und/oder Ortskomponente, sondern nur eine thematische Verknüpfung71 . Daher sind die Aussagen des Europäischen Rates zu GASP-Bestimmungen zwischen Abschluß und Inkrafttreten des Unionsvertrages als Auslegungshilfen gemäß Art. 31 I, 11 lit.a WVRK anzusehen, da diese Erklärungen den Konsens aller Vertragsparteien wiedergeben. Das gilt aber nur in bezug auf die Aussagen, die nicht als allgemeine Leitlinien iSd. Art. 1.3 Nr.l UA.l EUV vom Rat herangezogen werden (da insoweit von einer vorläufigen Anwendung der entsprechenden Teile des Unionsvertrages auszugehen ist (vgl. Art. 25 Ilit.b WVRK), siehe näher unten D.II.2.d.). Zu den vorgenannten Schlußfolgerungen des Europäischen Rates, die als Auslegungshilfen iSd. Art. 31 I, 11 lit.a WVRK heranzuziehen sind, zählen auch die Schlußfolgerungen des Allgemeinen Rates vom 26. Oktober 1993 in Brüssel 72 . Diese hat sich der Europäische Rat von Brüssel (29. Oktober 1993)
fiX Das Völkerrecht ist Koordinationsrecht, d.h. es entsteht durch die Koordination der Willen der beteiligten Völkerrechtssubjekte. Vgl. auch Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 27 (nicht veröffentlicht); Sinclair The Vienna Convention on the Law ofTreaties, S. 129. 69 Ebenso Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 28 (nicht veröffentlicht). 70 Der englische Text ist abgedruckt bei Sinclair The Vienna Convention on the Law of Treaties, S. 127 und bei Wetzet Materialien zur Entstehung der Wiener Vertragsrechtskonvention, S. 237. 71 Ebenso Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 28 und 30 (nicht veröffentlicht). 72 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Dok AA, S. 133ff.
II. Der Vertrag über die Europäische Union
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nämlich zu eigen gemacht, indem er "die vom Rat am 28. Oktober 1993 73 verabschiedeten Schlußfolgerungen zu den rechtlichen und praktischen Einzelheiten der Durchführung des Vertrags gebilligt" hae4 • Auch dies ist von Bedeutung rur den Fortgang der Untersuchung, weil die genannten Schlußfolgerungen des Allgemeinen Rates in ihrem Kapitel IV wichtige Aussagen zur GASP und speziell zur gemeinsamen Aktion enthalten.
73 Bei dem im BullBReg. Nr. 99 (16.11.1993), S. 1107 genannten Datum handelt es sich offensichtlich um einen Druckfehler, da der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" seine Schlußfolgerungen bereits am 26.10.1993 verabschiedet hat und andere Schlußfolgerungen nicht gemeint sein können. 74 Schlußfolgerungen ER-Brüssel (29.10.1993), Durchführung des Vertrags über die Europäische Union, BullBReg. Nr. 99 (16.11.1993), S. 1107.
c. Struktur der GASP I. Akteure der GASP Mit der Einführung eines einheitlichen institutionellen Rahmens der Union durch den Unionsvertrag kommt es zu einer weitgehenden Identität der an der Gestaltung der Außen- und Sicherheitspolitik beteiligten Institutionen mit den Organen der Europäischen Gemeinschaften. Durch diese Neuerung sind - außer dem EuGH und dem Rechnungshof - allen Organen der Europäischen Gemeinschaften eine Rolle innerhalb der GASP zugewiesen. Dadurch soll die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Erreichung der Unionsziele unter gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstandes sichergestellt werden (Art. C I EUY). Die frühere Unterscheidung des Art. 3 EEA zwischen den Organen der Gemeinschaften einerseits und den für die EPZ zuständigen Institutionen und Organen andererseits wird nicht fortgesetztl. Wegen des einheitlichen institutionellen Rahmens finden die üblichen Arbeitsverfahren des Rates und der anderen an der GASP beteiligten EGOrgane sowie die Yorschriften bezüglich deren Organisation - soweit wie möglich - auf die GASP Anwendung 2 . Der einheitliche institutionelle Rahmen umfaßt nicht nur die Organe der Gemeinschaften, sondern bezieht den Europäischen Rat in den Dienst für die Union mit ein3 .
Exkurs: Organträgerschaft Mit der Einführung des einheitlichen institutionellen Rahmens stellt sich die Frage, ob es sich bei den an der GASP beteiligten Institutionen um Organe der Gemeinschaft oder der Union handelt, sobald diese für die GASP tätig werden. Dafür, daß die an der GASP beteiligten Organe der Gemeinschaften zugleich Organe der Union sind, spricht Art. E EUy 4 • Danach üben die Organe I Vgl. auch Müller-GraffIntegration 1993, S. 147 (ISO); IschingerGASP und die Bundesrepublik Deutschland, S. 59; BBPS EU, S. 527 (16.1.2). 2 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Effizienteres Beschlußfassungsverfahren, Dok AA, S. 138. 3 Müller-GraffIntegration 1993, S. 147 (ISO).
I. Akteure der GASP
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ihre Befugnisse einerseits nach Maßgabe der Gemeinschaftsverträge und andererseits nach Maßgabe des Unionsvertrages aus. Im ersten Falle handelten sie als EG-Organe und im zweiten Falle als Unionsorgane. Für die Annahme von Unionsorganen könnte zudem die Einfuhrung des einheitlichen institutionellen Rahmens (Art. C I EUV) sprechen5. Dies impliziert nämlich, daß die Organe nur noch einem Organträger - nämlich der Europäischen Union - zugeordnet sind6 . Dies setzt aber voraus, daß die Europäische Union über eine eigene Rechtsfähigkeit verfugt. Da dies jedoch - wie noch gezeigt wird - zumindest gegenwärtig nicht der Fall ist, sind die EG-Organe nicht der Europäischen Union, sondern den Europäischen Gemeinschaften als Rechtspersönlichkeit zuzuordnen 7• Zudem wiegt auch die koordinationsrechtliche Struktur der GASP schwer gegen die Auffassung, daß die EG-Organe im Bereich der GASP zu Organen der Union werdenS. Die GASP-Bestimmungen errichten eine völkerrechtliche Plattform, die die Koordination der einzelstaatlichen Außen- und Sicherheitspolitik außerhalb des Gemeinschaftsrechts ermöglicht. Die GASP wird hierbei von den Mitgliedstaaten formuliert, die sich, soweit erforderlich, der Organe der bestehenden Europäischen Gemeinschaften bedienen. Das zeigt sich insbesondere darin, daß der Union keine eigenen Entscheidungsbefugnisse zugewiesen sind. Damit werden die EG-Organe auch dann nicht zu Unions organen, wenn sie im Rahmen der GASP tätig werden. Sie werden nur an die Mitgliedstaaten fur deren Zwecke im Rahmen der GASP "ausgeliehen". Man muß hier daher von einer Organleihe9 sprechen lO • Etwas anderes gilt fur den Europäischen Rat, der kein Organ der Europäischen Gemeinschaften ist (vgl. Art. 4 I EGV). Er kann daher nicht dem Organträger Europäische Gemeinschaften zugerechnet werden.
So auch KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (788); Wessei SEW 1995, S. 554 (556). VgJ. Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (36). 6 Entsprechend nennt sich der Rat seit November 1993 "Rat der Europäischen Union" (Beschluß des Rates vom 8.11.1993 über seine Bezeichnung im Anschluß an das Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union (93/591/EG, EGKS, Euratom), AbI. EG Nr. L 281/18 vom 16.11.1993). 7 Vgl. Hilf/Pache, in: GrabitziHilf, Art. E, RdNr. 7. 8 Vgl. Streinz ZfRV 1/95, S. I (9). 9 Organleihe ist die Inanspruchnahme des von einer anderen Organisation unterhaltenenen Organs. 10 Diesen Begriff schlägt Hans-Joachim Glaesner vor (in: Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 70). Siehe auch KoeniglPechstein EU, Kap. 3 RdNr. 16ff. und 23ff.; Hilf/Pache, in: GrabitzlHilj, Art. E, RdNr. 7; Streinz ZfRV 1/95, S. 1 (9). A.A. Wessei European Foreign Affairs Review 1997, S. 1 (7). 4
5
42
C. Struktur der GASP
Es wurde vorgeschlagen ll , den Europäischen Rat als Organ der Union zu bezeichnen, wobei deren mangelnde Rechtspersönlichkeit der Verwendung eines allgemein verstandenen Organbegriffs nicht entgegenstehe. Dieser Meinung ist jedoch nicht zu folgen, da ein Organ immer nur für jemand anderen also für einen Organträger - handelt. Dieser muß daher über eine Rechtspersönlichkeit verfügen, was bei der Europäischen Union nicht der Fall ist. Das Ausweichen auf einen "allgemein verstandenen Organbegriff.I 2 hilft hier nicht weiter und ist irreführend. Man kommt daher nicht umhin, den Europäischen Rat als Regierungskonferenz der EU-Mitgliedstaaten unter Beteiligung des Kommissionspräsidenten zu klassifizieren, welche mittels Art. D EUV in das Unionsgefüge verankert worden ist 13 • Die Einführung des einheitlichen institutionellen Rahmens bewirkte einen Umstrukturierungsprozeß innerhalb jener Institutionen, die traditionellerweise verantwortlich für die politischen Außenbeziehungen im Rahmen der EPZ zeichneten. Diese Neuorientierungen haben nicht nur einen formalen Charakter, sondern auch inhaltliche Auswirkungen l4 . Daraus ergibt sich das im folgenden dargestellte Bild. 1. Hauptakteure
a) Europäischer Rat und die Mitgliedstaaten
aa) Europäischer Rat Der Europäische Rat tritt mindestens zweimal jährlich in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie des Präsidenten der Kommission zusammen (Art. D 11 EUV). Die Treffen finden in dem Mitgliedstaat statt, der den Vorsitz innehat. Die Konferenzergebnisse des Euro-
Streinz ZfRV 1/95, S. I (6). Ebda. 13 So auch KoeniglPechstein EU, Kap. 3 RdNr. 5ff. A.A. Streinz ZfRV 1/95, S. I (6); KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (788); Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (36 und 39); WesseI Foreign Affairs Review 1997, S. 1 (7), der den Europäischen Rat als ein Unionsorgan klassifiziert. 14 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (I 85f.); Morgan How Common will Foreign and Security Policies be?, S. 189. 11
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1. Akteure der GASP
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päischen Rates, die den Konsens der Teilnehmer widerspiegeln, werden als "Schlußfolgerungen des Vorsitzes" veröffentlicht. Der Europäische Rat bestimmt die Unionspolitik auf höchster Ebene: er gibt der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse und legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung fest (Art. D I EUV). Speziell im Hinblick auf die GASP bestimmt der Europäische Rat die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien dieses Politikbereiches (Art. 1.8 I, II UA.1 S.l EUV)l5. Demnach ist es der Europäische Rat, der die GASP initiiert: nur wenn die Staats- und Regierungschefs im Grundsatz ein gemeinsames außen- bzw. sicherheitspolitisches Handeln beschlossen haben, wird der in Titel V EUV vorgesehene GASP-Mechanismus in Gang gesetzt. Das wird besonders deutlich in Art. 1.8 I, II UA.1 S.1 EUV, der zwischen der Leitfunktion des Europäischen Rates und der Durchführungs- und Beschlußfunktion des Ministerrates unterscheidet. In Art. 1.3 Nr.1 UA.1 EUV wird das für die gemeinsame Aktion nochmals besonders betone 6 .
bb) Mitgliedstaaten Zwischen EG und GASP besteht Partneridentität, d.h. alle EG-Mitgliedstaaten sind zugleich an der GASP beteiligt. Dies ergibt sich schon aus Art. 1.1 I EUV, wonach die "Union und ihre Mitgliedstaaten" eine GASP erarbeiten und verwirklichen. In einem zwischenstaatlichen System wie der GASP kommt den beteiligten Staaten die maßgebliche Bedeutung ZU l7 . Sie dominieren den Europäischen Rat, das "Leitgremium" der GASP. Der Kommissionspräsident verfügt hier über keine entscheidende Rolle l8 . Der Einfluß der Mitgliedstaaten auf die GASP zieht sich durch alle Ebenen, von denen der Europäische Rat die höchste ist. Die dominierende Rolle der Mitgliedstaaten läßt sich gut in den Bestimmungen zu den zwei wichtigsten Instrumenten der GASP (gemeinsamer Standpunkt und gemeinsame Aktion) ablesen:
15 Zur Entwicklung, Funktion und Wirkungsweise des Europäischen Rates als EPZEinrichtung siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 74ff. Siehe auch Nuttall EPC, S. 14; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 76-78. 16 Vgl. Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S. 41 (44). 17 So auch Tebbe EU und GASP, S. 95. 18 Zu seiner Ro11e bei der Festlegung al1gemeiner Leitlinien durch den Europäischen Rat siehe unten D.II.2.a.
44
C. Struktur der GASP
Der gemeinsame Standpunkt ist die Folge gegenseitiger "Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten" im Rat (Art. 1.2 I, 11 EUV). Entsprechend verhält es sich mit der gemeinsamen Aktion. Grundlage der für eine gemeinsame Aktion erforderlichen Ratsentscheidung bilden die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates (Art. 1.3 Nr.l UA.l EUV), die den Konsens der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten wiedergeben. Auch hier ist der Imperativ der Mitgliedstaaten für die GASP-Politik erkennbar. Daran ändert auch Art. 1.1 I EUV nichts. Gemäß dieser Vorschrift erarbeiten und verwirklichen die "Union und die Mitgliedstaaten" eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Diese Formulierung ist redundant, da der Hinweis in Art. J.l I EUV auf die Union neben den Mitgliedstaaten entbehrlich ist. Schon aus Art. A I EUV geht hervor, daß die Union aus den Mitgliedstaaten besteht. Der Begriff "Union" meint die Gesamtheit der Mitgliedstaaten, da der Union keine Völkerrechtssubjektivität zukommt (siehe dazu unten F.I.). Letzten Endes sind es also die Mitgliedstaaten, die die GASP erarbeiten und verwirklichen. Sie bleiben, insbesondere wegen ihrer Leitfunktion im Europäischen Rat, die Initiatoren der GASP-Beschlüsse. Der Union sind keine eigenen Entscheidungsbefugnisse zugewiesen. Wenn Organe der Gemeinschaft, insbesondere der Rat, handeln, geschieht dies im Auftrag der Mitgliedstaaten. b) Rat
Der Rat setzt sich aus je einem Vertreter pro Mitgliedstaat auf Ministerebene zusammen, der befugt ist, für die Regierung des Mitgliedstaates verbindlich zu handeln (Art. 146 I EGV, Art. 1.11 I EUV) 19. Wegen Art. J.9 EUV tritt zudem der zuständige Kommissar dem Rat hinzu. Neben den allmonatlichen Ratssitzungen in Brüsse1 oder Luxemburg gibt es informelle Treffen der Außenministelo. Diese informellen Sitzungen ("Gymnich-Treffen") finden einmal an einem Wochenende während der Periode eines Vorsitzes statt21 • Ihr Name stammt von dem ersten Treffen dieser Art auf Schloß Gymnich bei Bonn am 20./21. April 1974. Der Zweck dieser Ta19 Dies können auch Landesminister sein (vgl. KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (793f.); Streinz ZfRV 1195, S. 1 (7)), was aber für die GASP wegen Art. 32 GG nicht von Bedeutung ist. 20 Tebbe EU und GASP, S. 92. 21 Siehe dazu auch den Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Tagungen des Gymnicher Modells, Dok AA, 59ff. (61 f.). Vgl. auch Servantie, HER lAI 0, Art. 30 EEA, RdNr. 54.
I. Akteure der GASP
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gungen ist die Erörterung allgemeiner politischer Themen durch die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten. Weil das Verfahren informell ist, werden keine Entscheidungen getroffen und keine offiziellen Schlußfolgerungen erstellt. Nur der Politische Direktor des Vorsitzes und der Generalsekretär des Rates wohnen den Treffen bei 22 . Mit Einftihrung der GASP finden keine gesonderten EPZ-Außenministertreffen mehr statt23 . GASP-Beschlüsse werden nun - wegen des einheitlichen institutionellen Rahmens - im "Rat der Europäischen Union,,24 gefaßt (vgl. Art. J.8 II UA.I S.l EUV). Speziell für die gemeinsame Aktion bestimmt das Art. 1.3 Nr.l UA.1 EUV. Alle Fragen der auswärtigen Beziehungen der Europäischen Union werden im Rat "Allgemeine Angelegenheiten,,25 zusammengeftihrt, ob es sich um ,,( außen)politische" oder um "gemeinschaftliche" Angelegenheiten handelt. Somit gibt es jetzt das, was im Tindemans-Bericht als "Einheitliches Entscheidungszentrum,,26 bezeichnet wird27 . Die Fusion von Außenministertreffen und Rat (als EG-Organ) war bereits als Möglichkeit ("können") in Art. 30 Nr.3 lit.a S.2 EEA angelegt und entspricht der sich seit Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre durchsetzenden Praxis 28 . Mit der im Unionsvertrag bestimmten Zusammenlegung der 22 Nuttall EPC, S. 15; siehe auch Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 36; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 79. 23 Das zu EPZ-Zeiten für außenpolitische Konsultationen und Abstimmungen zuständige Gremium bestand aus den Außenministern der EG-Mitgliedstaaten und einem Kommissionsmitglied (Art. 30 Nr.3 lit.a EEA). Die vierteljährlichen Treffen dieses Gremiums fanden außerhalb des institutionellen Rahmens der Gemeinschaften statt, sie tagten also nicht als "Rat". Die strikte Trennung von Gemeinschaft und EPZ führte im Juli 1973 zur Absurdität eines Ministertreffens im Rahmen der EPZ morgens in Kopenhagen und einer anschließenden Tagung derselben Minister als Ministerrat der EG nachmittags in Brüssel (Beispiel nach Krenzier EuR 1986, S. 384 (388); Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 33f.; Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 15. Zu den Ministertreffen während der EPZ siehe Nuttall EPC, S. 14f.; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 88ff.; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 78f.). 24 Der Rat hat am 8.11.1993 im Hinblick auf das Inkrafttreten des Unionsvertrages beschlossen, sich fortan "Rat der Europäischen Union" zu nennen (Beschluß des Rates über seine Bezeichnung im Anschluß an das Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union (93/5911 EG, EGKS, Euratom), AbI. EG Nr. L 281/18 vom 16.11.1993). 25 Auch: "Allgemeiner Rat". In ihm kommen die Außenminister der EU-Mitgliedstaaten zusammen. 26 Die Europäische Union, Bericht von Leo Tindemans an den Europäischen Rat vom 29.12.1975, EA 1976, D 59ff. 27 Schoutheete Integration 1991, S. 3 (6). 28 Algieri Integration 1992, S. 246 (247); Regelsberger Integration 1992, S. 83 (90).
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c. Struktur der GASP
Treffen wird diese Praxis bestätigt, so daß ein Gemeinschaftsorgan zentrales Organ der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit für alle Fragen der auswärtigen Angelegenheiten geworden ist: Im Rat "Allgemeine Angelegenheiten" findet die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten statt (Art. J.2 I EUV), er gibt gemeinsame Erklärungen ab und beschließt über Demarchen, er legt einen gemeinsamen Standpunkt fest (Art. J.2 11 EUV), er beschließt die gemeinsamen Aktionen und entscheidet über die hierfür notwendigen Durchführungsdetails (Art. J.3 EUV), er ist für ein kohärentes Vorgehen der Union verantwortlich (Art. C 11 2, J 1 IV 3, J.8 11 2 EUV) und er trifft im Einvernehmen mit der WEU die erforderlichen praktischen sicherheitspolitischen Regelungen (Art. J.4 11 2 EUV). Andere Institutionen haben keine Entscheidungskompetenzen29 • Der Rat ist also zentrales Organ, was den Beschluß und die Durchführung der GASP angeht. Zu beachten ist jedoch, daß der Rat sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, die interessengebunden handeln und daß er nur im Rahmen der Vorgaben des Europäischen Rates tätig wird 30 . Er bleibt ihm untergeordnet. c) Vorsitz und Troika
aa) Vorsitz Der Vorsitz 31 im Rat wird von den Mitgliedstaaten nacheinander nach einer festgelegten Reihenfolge für je sechs Monate wahrgenommen (Art. 14611 EGV 32 , Art. J.11 I EUV). Der Vorsitz spielt in der GASP eine zentrale Rolle, die zwar noch nicht im Luxemburger Bericht vom Oktober 197033 enthalten war, dafür aber schrittweiVgl. auch StoUer NZWehrr 1992, S.221 (225); Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 15. 29 Vgl. Janning Außen- und Sicherheitspolitik nach Maastricht, S. 61. 30 Zu der Frage der Eigenständigkeit des Rates gegenüber den Mitgliedstaaten siehe unten D.II.5.b.cc.(2). 31 Häufig ist auch von der Präsidentschaft die Rede. Inhaltlich sind die Begriffe dekkungsgIeich. Die unterschiedliche Diktion ist übersetzungsbedingt (englisch: presidency; französisch: La presidence). 32 Unter Berücksichtigung der neuen Mitgliedstaaten Österreich, Finnland und Schweden wurde die in Art. 14611 EGV festgelegte Reihenfolge des Ratsvorsitzes geändert. Die neue Festlegung ist im Anhang II abgedruckt. 33 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Dok AA, S. 31ff.
I. Akteure der GASP
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se seit dem Pariser Gipfel von 1974 in den entsprechenden Dokumenten entwickelt worden ise 4 . Daher waren dem Vorsitz schon zu EPZ-Zeiten wichtige Befugnisse zugewiesen, die im Unionsvertrag bestätigt wurden35 . Der Vorsitz beruft den Rat ein und stellt die Tagesordnung auf (Art 147 EGV, Art. 1.11 I EUV, Art. 2 GOR36). Wenn eine schnelle Entscheidung erforderlich ist, beruft er eine außerordentliche Ratstagung ein (innerhalb von 48 Stunden oder bei absoluter Notwendigkeit in noch kürzerer Zeit), Art. J.8 IV EUV. Dieser Krisenmechanismus ist seit dem Londoner Bericht vorgesehen37 • Hauptmotiv fiir die Einführung dieser Regelung war der sowjetische Einfall in Afghanistan kurz nach Weihnachten 197938 . Der Vorsitz vertritt die Union in Angelegenheiten der GASP (Art. J.5 I EUV). Er ist für die Durchführung der gemeinsamen Aktionen verantwortlich und er legt grundsätzlich in internationalen Organisationen sowie auf internationalen Konferenzen den Standpunkt der Union dar (Art. J.5 11 EUV). Gemäß Art. J. 7 I 1 EUV hört der Vorsitz das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der GASP und hat darauf zu achten, daß die Auffassungen des Parlamentes gebührend berücksichtigt werden. Er unterrichtet - neben der Kommission - das Parlament regelmäßig über die Entwicklung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (Art. J.7 I 2 EUV). Der Vorsitz ist schließlich der Hauptsprecher gegenüber der Presse39 . Das ist zwar kein Exklusivrecht, denn jedem Mitgliedstaat steht es frei, Journalisten über GASP-Angelegenheiten zu informieren. Allerdings wird dem Vorsitz ein gewisser Vorrang eingeräumt. Im Falle informeller Gyrnnich-Treffen wird die Presse in der Regel nur vom Vorsitz informiert40 . Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 94; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 83. Zur Rolle der Präsidentschaft bei der früheren EPZ siehe Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 95ff.; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 94f.; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 82f.; Schoutheete Präsidentschaft, S. 95ff. 36 Der Rat hat arn 6.12.1993 seine neue Geschäftsordnung festgelegt (93/662/EG), die am 7.12.1993 in Kraft getreten ist. Diese Geschäftsordnung ist abgedruckt im AbI. EG NT. L 30411 vom 10.12.1993 (93/662/EG). 37 Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Verfahren im Krisenfall, Dok AA, S. 59ff. (66). 38 Pijpers Zivilrnacht Europa, S. 193f. Vgl. auch GrunertlLecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 10. 39 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Erklärungen, Dok AA, S. 141. 34
35
C. Struktur der GASP
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Art. 14611 EGV spricht von dem "Vorsitz im Rat", der von einem Mitgliedstaat wahrgenommen wird. Diese Formulierung ist irrefUhrend, weil die Funktion des Vorsitzes nicht an ein bestimmtes Gremium - etwa den Ratgebunden ist. Die Aufgabe des im Rat vorsitzfUhrenden Mitgliedstaates zur Ausübung des Vorsitzes zieht sich vielmehr durch alle Ebenen hindurch, sei es beim Europäischen Rat, beim Ministerrat, beim AStV, beim Politischen Komitee oder auf Arbeitsgruppenebene. Das bedeutet, daß auf allen Ebenen das Mitglied den Vorsitz ausübt, dessen Herkunftsland den Vorsitz im Rat fUhrt. So hat z.B. der Politische Direktor, dessen Herkunftsland den Vorsitz im Rat innehat, im Politischen Komitee den Vorsitz auszuüben, d.h., er hat die Treffen vorzubereiten und zu leiten.
bb) Troika Während der Zeit des Vorsitzes ist der Arbeitsanfall fUr den auswärtigen Dienst des entsprechenden EU-Mitgliedstaates sehr hoch41 • Nicht zuletzt deswegen wird der Vorsitz gegebenenfalls von dem Mitgliedstaat, der dieses Amt vorher ausübte, und dem Mitgliedstaat, der dem Vorsitz in seiner Funktion nachfolgt, unterstützt (Art. 1.5 III 1 EUV). Dann treten diese Mitgliedstaaten als sog. Troika auf. Abhängig von der Einstellung des amtierenden Vorsitzes zur Arbeitsteilung, die häufig auch von seinen "Möglichkeiten" bestimmt wird (etwa, wenn ein kleiner Mitgliedstaat mit nur wenigen Beamten den Vorsitz innehat), können Troika-Partner wertvolle praktische Unterstützung leisten42 • Das Troika-Format wird (parallel zur Rolle des Vorsitzes) auf allen politischen Ebenen genutzt43 . Häufig wird übersehen, daß die Troika in Wirklichkeit eine Quadriga von drei Mitgliedstaaten und der Kommission ist44 • Seit einem Gyrnnich-Treffen
Schoutheete Präsidentschaft, S. 107f. Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995. 42 So Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (186) - mit Beispielen. 43 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (186). Gut erkennbar ist diese Feststellung in der Übersicht zu dem "Political Dialogue during the German Presidency", CFSP Forum 1994/4, S. 6. Daraus läßt sich ersehen, was die Hauptakteure der GASP von Juli bis Dezember 1994 unternommen haben. 44 So hielten sich z.B. im März 1995 die Außenminister Frankreichs, Deutschlands und Spaniens zu zweitägigen Gesprächen in Ankara auf. Die Außenminster-Troika der 40 41
I. Akteure der GASP
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der Außenrninister im April 1983 besteht Einvernehmen, daß die Kommission in der Regel an allen außenpolitischen Aktivitäten der Troika beteiligt wird45 • Dieses Recht auf Beteiligung ist seit Maastricht in Art. 1.5 III 2 EUV speziell 46 gerege 1t . Das Troika-Format ist im internationalen Verkehr von Vorteil, etwa um die kollektive Persönlichkeit europäischer Außenpolitik zu veranschaulichen und ihr damit mehr Nachdruck zu verleihen47 • Weiterhin dient das Troika-Format der besseren Koordinierung der Tätigkeiten der EU-Mitgliedstaaten sowie der Kontinuität und Konsistenz der GASP beim Übergang von einem auf den anderen Vorsitz48 • Das zeigte sich auch darin, daß sich verschiedene Vorsitze vorab auf gemeinsame Schwerpunkte ihrer Arbeit geeinigt haben49 • d) Kommission
Gemäß Art. 157 I EGV, Art. 1.11 I EUV besteht die Kommission aus 20 Mitgliedern. Jeder Mitgliedstaat ist durch mindestens ein (maximal zwei) Mitglied( er) vertreten. Kein Kommissionsmitglied unterliegt Anweisungen der nationalen Regierungen. Die Kommission wird angeführt von dem Kommissionspräsidenten (vgl. Art. 15811 EGV, Art. J.11 I EUV), der gegenüber den anderen Kommissionsmitgliedern keinerlei Weisungsbefugnisse besitzt. Er ist .. 50 przmus znter pares .
Europäischen Union wurde begleitet von dem Kommissar Hans van den Broek ("Schwere Vorwürfe gegen die türkischen Soldaten im Nordirak", in: FAZ vom 23.3 .1995 (Do.), Nr. 70, S. 2). 45 Nuttall Kommission, S. 136. 46 Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitliche Darstellung nach außen und stärkere Präsenz, Dok AA, S. 137; Burghardt CFSP Forum 1994/3, S. 4 (5); Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (186). 47 Vgl. Nuttall EPC, S. 19; ders. Kommission, S. 140; Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 47 (siehe auch S. 108ff.). 48 Vgl. Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 83. 49 So beschlossen Deutschland und Frankreich, sich über die Gestaltung ihrer Vorsitze so eng wie möglich abzustimmen. Spanien und Italien, die ihnen nachfolgten, wurden in die Bemühungen um Kohärenz und Kontinuität einbezogen. Damit waren einheitliche Richtlinien für zwei Jahre europäischer Außenpolitik (1994-1996) gegeben ("Deutschland und Frankreich bleiben Motor der europäischen IntegrationGemeinsame Verantwortung in schwieriger Zeit", von den Außenministern Klaus Kinkel und A lain Juppe, in: FAZ vom 12.1.1995 (Do.), Nr. 12, S. 3). 50 Vgl. KoeniglPechstein EU, Kap. 3 RdNr. 3.
4 Münch
50
C. Struktur der GASP
Die Kommission nennt sich nach dem Inkrafttreten des Unionsvertrages "Europäische Kommission"; in juristischen und formellen Texten soll jedoch die Bezeichnung "Kommission der Europäischen Gemeinschaften" bestehen bleiben51 •
aa) GASP-spezifische Organisation Mit Einführung der GASP wurde eine neue Generaldirektion fur Politische Außenbeziehungen (GD LA) errichtet. Diese setzte sich zunächst im wesentlichen aus dem ehemaligen EPZ-Personal des Generalsekretariates der Kommis. 52 ston zusammen . Die Errichtung dieser neuen Generaldirektion brachte mit der damit verbundenen Trennung von politischen und wirtschaftlichen Außenbeziehungen Koordinierungsprobleme mit sich, da die Grenze zwischen Außenhande1- und Außenpolitik schwer zu ziehen war (und ist). Daraufhin erfolgte eine Neuorganisation, bei der die GD LA erhalten blieb. Die Verantwortung fur die politischen und wirtschaftlichen auswärtigen Beziehungen wurde nach geographischen Gesichtspunkten unter vier Kommissaren aufgeteilt 53 • Bei Fragen der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Generaldirektionen treffen die Außenkommissare mit dem Kommissionspräsidenten in der "Relex-Gruppe" (Relation Exterieur) zusammen. Bei Streitigkeiten entscheidet der Kommissi"'dent 54 . onsprasl Indessen wurde die Eigenständigkeit der GASP dadurch berücksichtigt, daß die GD LA (neben dem zugewiesenen geographischen Aufgabengebiet) zuständig bleibt für grundsätzliche Fragen der GASP (insbesondere Planungsabteilung und Europäischer Korrespondent) sowie den auswärtigen Dienst der Kommission 55 .
51 Streinz ZfRV 1/95, S. I (6); HilflPache, in: GrabitzlHilf, Art. E, RdNr. 9. Zu den Ungereimtheiten bei den Bezeichnungen der Institutionen siehe von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (5f.). 52 Rometsch JEI 1992/93, S. 73; Nuttall CFSP Forum 1995/2, S. 3 (4). 53 Zu Einzelheiten siehe BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (J 0); Nuttall CFSP Forum 1995/2, S. 3 f. 54 Zwar ist der Kommissionspräsident primus inter pares, so daß aJle Beschlüsse koJlegial zu treffen sind. AJlerdings kann er über die interne Organisation der Kommission entscheiden. Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 5.10.1995. Vgl. auch Art. 158 11 UA.2 EGV. 55 BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (J 0).
1. Akteure der GASP
51
bb) Beteiligung an der GASP Zu Beginn der außenpolitischen Zusammenarbeit im Jahre 1970 wurde die Kommission nur nach vorherigen Konsens der Mitgliedstaaten zur Teilnahme an der Beratung über bestimmte Punkte der Tagesordnung eingeladen, die für die Gemeinschaft von Interesse waren. Entsprechend hieß es im Luxemburger Bericht56 : "Sofern die Arbeiten der Minister Auswirkungen auf die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaften haben, wird die Kommission zur Stellungnahme aufgefordert." Erst 1981 fanden sich die Außenminister der EGMitgliedstaaten im Londoner Bericht zu der Aussage bereit, daß der "vollen Beteiligung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf allen Ebenen der Politischen Zusammenarbeit Bedeutung" beigemessen wird 57 . Seit 1983 schließlich wurde die Kommission auch zur Teilnahme an allen TroikaTreffen mit Drittländern oder Staatengruppen eingeladen58 . Erst 1987 mit der EEA konnte sie sich als anerkannter Teilnehmer etablieren - wenngleich nicht als gleichberechtigtes weiteres "Mitglied,,59. Die Kommission hat im Rahmen der GASP eine andere Rolle als im Rahmen der Gemeinschaft, wo sie zu gleicher Zeit Initiatorin der politischen Beschlüsse, Exekutivorgan und Hüterin der Verträge ist60 • Dies zeigt sich auch daran, daß Art. 155 EGV, der die Aufgaben der Kommission im Bereich der Gemeinschaften beschreibt, in Art. J.11 I EUV für die GASP nicht für anwendbar erklärt wird. Die Zuständigkeiten der Kommission bei der GASP haben sich gegenüber der EPZ61 nicht wesentlich verändert62 • Grundlegende Vorschriften für die Rolle der Kommission sind neben Art. 1.9 EUV die Art. 1.5 III und J.8 III EUV. 56 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Dok AA, S. 31 ff. (35). 57 Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Teil II, Nr. 12: Beziehungen zwischen den Tätigkeiten der Politischen Zusammenarbeit und denen der Europäischen Gemeinschaft, Dok AA, S. 59ff. (66). 58 Siehe oben C.I.I.c.bb. 59 Regelsberger EPZ und GASP, S. 182; Nuttall Kommission, S. 133. 60 Europa in einer Welt im Wandel- Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Reihe: "Europäische Dokumentation", 1993, S. 14. 61 Ausführlich zu der Rolle der Kommission bei der EPZ Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 11 Off. 62 Ebenso Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 356; Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (77).
4*
52
C. Struktur der GASP
Wie schon Art. 30 Nr.3 lit.b EEA für die EPZ, so bestimmt auch Art. 1.9 EUV, daß die Kommission in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der GASP beteiligt wird63 • Kommissionsvertreter nehmen auf allen Ebenen an der Gestaltung der europäischen Außenpolitik teil64 • Die Kommission wird dabei von den EU-Mitgliedstaaten bei den GASP-Beratungen nicht zuletzt wegen ihrer wirtschaftlichen Kompetenz als vollwertiges Mitglied empfunden65 • Art. 1.5 III 2 EUV sieht eine Beteiligung an der Vertretung der Union nach außen und an der Durchführung der gemeinsamen Aktionen vor. Gemäß Art. C 11 2 EUV ist die Kommission neben dem Rat für die Kohärenz verantwortlich. Die Kommission verfügt weiterhin über ein vertraglich zugesichertes, nicht-exklusives Initiativrecht (Art. 1.8 III EUV). Diese Regelungen, die für die Kommission eine Bestätigung ihrer in der EPZ-Praxis bisher akzeptierten Handlungsmöglichkeiten bedeuten, sind mit dem Unionsvertrag zum ersten Mal niedergeschrieben worden66 • Neu gegenüber der früheren EPZ ist gemäß Art. 1.8 IV EUV das Recht der Kommission, außerordentliche Ratssitzungen zu beantragen67 • Neu ist zudem eine Berichtspflicht der Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament (Art. J.7 12 EUV). Z.T. wird bezweifelt68 , daß die Kommission wirklich gemäß Art. J.9 EUV in vollem Umfang an der gemeinsamen Sicherheitspolitik beteiligt wird. Dies sei insbesondere dort zweifelhaft, wo der Bereich der WEU tangiert werde. Die Kommission sei ein Organ der Gemeinschaft und könne nur tätig werden in den Grenzen der Zuständigkeit der Gemeinschaft. Zu dieser Zuständigkeit gehöre die militärische Seite der Sicherheitspolitik aber nicht.
63 Warum Florika Fink-Hooijer (in: EJIL 1994, S. 173 (190)) von einer neuen Definition der Rolle der Kommission spricht, wonach Art. J.9 EUV nun ausdrücklich klarstelle, daß die Kommission in vollem Umfang an der Arbeit der GASP beteiligt wird, ist schon wegen des klaren Wortlautes der beiden Vorschriften nicht verständlich. 64 An den Tagungen des Europäischen Rates nimmt der Kommissionspräsident teil. Im Rat ist die Kommission durch den jeweils zuständigen Kommissar (d.h. einen der vier) vertreten. An den Sitzungen des AStV nimmt der Generalsekretär der Kommission (bzw. sein Stellvertreter) teil. Im Politischen Komitee ist die Kommission durch den Generaldirektor der Generaldirektion LA (politische Außenbeziehungen) vertreten. Soweit erforderlich kommen die Generaldirektoren der anderen drei Generaldirektionen (siehe oben) hinzu. In den Arbeitsgruppen ist die Kommission durch die zuständigen Referatsleiter oder Referenten vertreten. 65 Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995. 66 Regelsberger Integration 1992, S. 83 (91). 67 Vgl. Monar Das duale System von EG und EPZ/GASP, S. 82f. 68 Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (77f.); Lange JZ 1996, S. 442 (443).
I. Akteure der GASP
53
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Zwar bleibt die Korrunission Gemeinschaftsorgan, sie wird aber durch Organleihe auch im Bereich der GASP (d.h. der Europäischen Union) tätig (vgl. Art. E EUV und siehe oben). Es ist auch zuzugeben, daß die Ausarbeitung und Durchführung der militärischen Seite der Sicherheitspolitik der Europäischen Union entzogen ist, wie aus Art. J.4 EUV hervorgeht. D.h. aber nicht, daß die Union keinerlei Befassungskompetenz zu diesen Fragen hätte. Vielmehr ist die Europäische Union gerade dazu ermächtigt, die WEU zu ersuchen, entsprechende Entscheidungen und Aktionen der Union auszuarbeiten und durchzuführen (Art. J.4 11 1 EUV). Dieser Befassungskompetenz folgt notwendig ein Initiativrecht. An diesen Arbeiten der Union ist die Korrunission in vollem Umfang zu beteiligen, wie Art. J.9 EUV klarstellt. Die Korrunission kann sich dabei auf Art. E EUV berufen, wonach sie ihre Befugnisse nach Maßgabe u.a. des Unionsvertrages - also auch Art. J.9, J.4 11 1 EUV - ausübt. Damit f,illt der militärische Teil der Sicherheitspolitik auch in die Befassungskompetenz der Korrunission. Sie ist demnach an den entsprechenden "Initiativen" der Union im Hinblick auf die WEU zu beteiligen. Art. E EUV erweitert die Kompetenz der Kommission vom Gemeinschaftsrahmen auf den Unionsrahmen. Anders verhält es sich hinsichtlich der vollen Beteiligung der Korrunission im Bereich des schriftlichen Verfahrens. Auf Veranlassung des Vorsitzes kann der Rat zur Durchführung der GASP im Wege des vereinfachten schriftlichen Verfahrens (CORE{f9) tätig werden. In diesem Fall gilt der Vorschlag nach Ablauf einer vom Vorsitz bestirrunten Frist als angenorrunen, wenn kein Mit-
COREU = Correspondance Europeenne. Seit dem Kopenhagener Bericht (1973) sind die Außenministerien, seit 1982 die Kommission und seit 1987 das für außenpolitische Fragen zuständige Sekretariat durch COREU miteinander verbunden. Nachrichten können empfangen und gesendet werden. Dabei handelt es sich um eine elektronische "Hotline", die es den Mitgliedstaaten erlaubt, vertrauliche Informationen mit ho her Geschwindigkeit auszutauschen. Es soll auch schnelle Entscheidungen in außenpolitischen Fragen ermöglichen. Die meisten COREUs werden neben der automatischen Übennittlung an die 15 Außenministerien, an die Kommission und an das Ratssekretariat zusätzlich an die Vertretungen der EUMitgliedstaaten in Genf und New York verteilt sowie an die Ständigen Vertreter in Brüssel; dies erfolgt dann aber manuell und nicht automatisch. COREUs werden (wahlweise) in Englisch oder Französisch übennittelt (vgl. insoweit auch die in der Schlußakte zum Unions vertrag enthaltene Erklärung Nr. 29 zum Gebrauch der Sprachen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik). Via COREU wurden seit 1990 folgende Anzahl von Meldungen pro Jahr übennittelt: 7.548 Meldungen 1990, 10.184 Meldungen 1991, 11.394 Meldungen 1992, 11.714 Meldungen 1993 und 12.699 Meldungen 1994 (Quelle: CFSP Forum I 9951l , S.8). 12.000 Meldungen pro Jahr bedeuten eine tägliche Durchlaufquote von etwa 33 Meldungen. 69
54
C. Struktur der GASP
glied des Rates einen Einwand erhebt (Art. 8 IV GOR 70 ). Gemäß Art. 811 dieser Geschäftsordnung ist die Zustimmung der Kommission zu diesem Verfahren aber nur dann erforderlich, wenn die schriftliche Abstimmung einen Gegenstand betrifft, mit dem die Kommission den Rat befaßt hat. Sie wird demnach im schriftlichen Verfahren nur dann im vollen Umfang an den Arbeiten beteiligt, wenn sie die betreffende Frage dem Rat unterbreitet hat. Die einschlägigen GASP-Vorschriften implizieren aber, daß die Kommission am Entscheidungsprozeß bis zur letzten Abstimmung beteiligt werden muß. Es muß daher darüber nachgedacht werden, ob der Kommission zumindest ein Vetorecht zur möglichen Verhinderung des schriftlichen Verfahrens zugestanden werden sollte 7l . Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die Kommission kein ,,16. Mitglied" ist. Durch ihre Kompetenz in Wirtschaftsfragen bringt sie aber eigenes Gewicht in die GASP-Beratungen mit ein, wo sie - bis auf das Recht zur Teilnahme an Entscheidungen - als vollwertiges Mitglied empfunden wird.
2. Unterstützende Akteure a) Politisches Komitee und Ausschuß der Ständigen Vertreter Das Politische Komitee und der Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV)72 bereiten auf der sog. Arbeitsebene die Treffen des Rates vor.
aa) Politisches Komitee Das Politische Komitee besteht gemäß Art. 1.8 V EUV aus den Politischen Direktoren der Außenministerien der Mitgliedstaaten und - wegen Art. 1.9 EUV - zusätzlich aus dem Generaldirektor der Kommission für Politische Außenbeziehungen 73 bzw. einem anderen der vier zuständigen Generaldi70 AbI. EG Nr. L 30411 vom 10.12.1993 (93/662/EG). Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 143. 71 So auch Fink-Hooijer CFSP Forum 1994/4, S. 4 (5). 72 Auch: COREPER (= Comite des Representants Permanents). 73 Zu den Ursprüngen des Politischen Komitees vgl. den Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EGMitgliedstaaten vom 27.10.1970, Das Politische Komitee, Dok AA, S. 31 ff. (34). Zur Rolle des Politischen Komitees zu EPZ-Zeiten siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 90f.; Nuttall EPC, S. 15f.; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 79.
1. Akteure der GASP
55
rektoren. Das Politische Komitee tritt - außer im Ferienmonat August - grundsätzlich einmal monatlich in Brüssel zusammen 74 • Es hat zur Aufgabe, die Treffen des Rates im Bereich der GASP vorzubereiten. Zu diesem Zweck verfolgt das Politische Komitee die internationale Lage, richtet gegebenenfalls Stellungnahmen zur Festlegung gemeinsamer Politiken an den Rat und überwacht die Durchfiihrung vereinbarter Politiken (Art. 1.8 V EUV). Zur Unterstützung der Politischen Direktoren koordinieren die Europäischen Korrespondenten 75 die Arbeiten der EU-Außenministerien und der Kommission 76 • Die Europäischen Korrespondenten, die im Unionsvertrag nicht erwähnt werden, sind Verbindungsbeamte zwischen den entsprechenden internen Einheiten, d.h. auf Ebene der Mitgliedstaaten sowie bei der Kommission, und dem europäischen GASP-Netzwerk. Sie sind für den schnellen Austausch aller die GASP betreffenden Informationen und Nachrichten innerhalb der Europäischen Union verantwortlich77 • Die Europäischen Korrespondenten bereiten daher auch die Treffen des Politischen Komitees vor. Dabei bilden sie eine Art Filter, indem sie - soweit möglich - GASP-Fragen schon auf ihrer Ebene außer Streit stellen, so daß diese dann ohne weitere Diskussion im Politischen Komitee angenommen werden können 78 • Sie wohnen allen GASP-Ministersitzungen und den Treffen der Politischen Direktoren bei 79 .
bb) AStV Der AStV, der an der EPZ nicht beteiligt war 80, hat nach der Ordnung des Gemeinschaftsrechts die Aufgabe, die Arbeiten des Rates vorzubereiten und die ihm vom Rat übertragenen Aufträge auszufiihren. Das gilt seit Einführung
74 Morgan How Common will Foreign and Security Policies be?, S. 195. Vgl. auch Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 122.
75 Europäische Korrespondenten gibt es in jedem Außenministerium der EUMitgliedstaaten sowie in der Kommission (GD LA). 76 Zur Rolle der europäischen Korrespondentengruppe während der EPZ siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 91 f.; Nuttall EPC, S. 22; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 79f. 77 Tebbe EU und GASP, S. 93. 78 Vgl. den Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Die Korrespondentengruppe, Dok AA, 59ff. (62). 79 Nuttall EPC, S. 22; Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 124. 80 Siehe Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 65.
56
c. Struktur der GASP
der GASP auch für diesen Politikbereich. Denn der Rat ist als EG-Organ zentrale Institution der GASP geworden, was ein neues Verfahren erforderte. Im Bereich der GASP teilt der AStV jedoch die Aufgabe zur Vorbereitung der Ministertreffen mit dem Politischen Komitee. Die Arbeitsteilung zwischen dem Politischen Komitee und dem AStVergibt sich aus den Eingangsworten des Art. J.8 V EUV: "Unbeschadet des Artikels 151 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ... " sowie aus der Verweisung auf Art. 151 EGV in Art. J.ll I EUV. Damit kommt es bei der Vorbereitung der Ratstreffen auf der Arbeitsebene zu einem (ungünstigen81 ) Nebeneinander des AStV und des Politischen Komitees 82 •
cc) Verhältnis von AStV und Politischem Komitee In der Erklärung Nr. 28 zu den praktischen Einzelheiten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (enthalten in der Schlußakte zum Unionsvertrag) ist festgehalten, daß die Arbeitsteilung zwischen dem Politischen Komitee und dem AStV "später" geprüft werden soll. Dementsprechend beschäftigte sich der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" am 26. Oktober 1993 mit dem Verhältnis von AStV und Politischem Komitee. Er bestimmte in seinen Schlußfolgerungen83 , daß die Ausarbeitung der GASP-Beschlüsse zwischen den Tagungen des Rates insbesondere anläßlich von Tagungen des Politischen Komitees (oder im COREU-Rahmen) erfolgt. Weiter heißt es aber, daß der AStV berechtigt ist, die Empfehlungen oder Stellungnahmen des Politischen Komitees zu kontrollieren, bevor diese an den Rat weitergeleitet werden. Zudem entscheidet der AStV über die Stellung der Vorlagen des Politischen Komitees auf der Tagesordnung des Rates 84 . Der AStV spielt also nicht die Rolle eines "Briefkastens" fur das Politische Komitee. Vielmehr kann er seine eigenen Beobachtungen, Empfehlungen oder Stellungnahmen hinzufügen. Gleichzeitig bemüht er sich, soweit erforderlich, um eine Einigung auf seiner 81 So die Hochrangige Expertengruppe für die GASP, Erster Bericht: "Die Voraussetzungen für eine glaubwürdige GASP im Jahr 2000", Brüssel, den 19.12.1994, S. 10 (unveröffentlicht). 82 Elfriede Regelsberger spricht von einem "Kompetenzgerangel" (in: JE! 1994/95, S.219). 83 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 142. 84 Vgl. BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (9).
I. Akteure der GASP
57
Ebene, die dem Rat zur Billigung unterbreitet wird85 • Im Rahmen der GASP erhält der AStV damit die vollen Verantwortlichkeiten, die im Art. 151 I EGV hinsichtlich der Vorbereitung von Treffen des Rates vorgesehen sind. Entgegen früheren Vorschlägen während der Regierungskonferenz tritt der AStV damit zwar nicht an die Stelle des Politischen Komitees, der "EPZOperationszentrale,,86. Dennoch ist er gemäß Art. 151 I EGV, Art. J.8 V, J.l1 I EUV ftir die Vorbereitung der Ratstagungen letzten Endes verantwortlich. Fraglich ist, wie sich das Nebeneinander des Politischen Komitees und des AStV auswirkt und welches Gremium die GASP in der Praxis stärker beeinflussen kann 87 . Für einen Vorrang des AStV spricht, daß die Ständigen Vertreter in Brüssel stärker als die Politischen Direktoren in den Hauptstädten in die laufende politische Arbeit der Europäischen Union einbezogen sind. Wegen ihrer örtlichen Nähe zu Rat, Kommission und Europäischem Parlament haben sie einen "Platzvorteil" gegenüber den politischen Abteilungen der Außenministerien in den Hauptstädten88 . Andererseits dürfte sich wegen der Materialftille sowie der sich aus den anderen Materien der Gemeinschaftsverträge und des Unionsvertrages ergebenden Arbeitsbelastung der Gestaltungsanspruch und "Zugriff' des AStV nicht voll entfalten. Das Verhältnis zwischen beiden Gremien und seinen Mitgliedern wird weiterhin von deren jeweiligem "Zugang" zur politischen Spitze bestimmt. Regelmäßig wird dem Politischen Direktor eine besondere "Nähe" zu seinem Außenminister bescheinigt, die ihm entsprechende Einflußmöglichkeiten sichert89 • Der Politische Direktor ist zudem an der Formulierung der natio85 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 142; Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (189). Zu weiteren Einzelheiten der Organisation und Arbeitsweise von AStV und Politischem Komitee innerhalb der GASP (Abfolge, Zeitpunkt, Vorbereitung etc. der Treffen der beiden Gremien) siehe die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 142. Vgl. auch Regelsberger JEI 1993/94, S.237 (244 und Fn. 32); KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (149). 86 Vgl. zu dieser Bezeichnung Regelsberger Westeuropa als internationaler AkteurDiss. 1991, S. 453f.; dies. Integration 1992, S. 83 (90f.); Nuttall EPC, S. 16. 87 Die Vorbereitung der Ratstreffen ist nicht zu unterschätzen, da darin eine wichtige Steuerungsfunktion liegt. 88 So auch Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 65; Algieri Integration 1992, S. 246 (247). 89 Ebenso Regelsberger JEI 1993/94, S.237 (244); Morgan How Common will Foreign and Security Policies be?, S. 196.
C. Struktur der GASP
58
nalen Außenpolitik direkt beteiligt90 • Nach wie vor wird aber die GASP ganz überwiegend in den Mitgliedstaaten formuliert. Schließlich wird die auch schon zu EPZ-Zeiten gehandhabte Praxis fortgeführt, daß die Politischen Direktoren am Rande der Ratstagungen zusammentreten91 • Im Bedarfsfall können sie dann ad-hoc von den Ministern gebeten werden, zweckdienliche Stellungnahmen über die neuesten Entwicklungen des internationalen Geschehens abzugebenam AStV vorbei. Daher ist davon auszugehen, daß das Politische Komitee bis zu einer anderen Regelung seine vorrangige Rolle - als "Operationszentrale" - spielen und die GASP auch weiterhin entscheidend beeinflussen wird.
b) Arbeitsgruppen Arbeitsgruppen sind seit der Begründung der EPZ durch den Luxemburger Bericht vom 27. Oktober 1970 vorgesehen. Deren Einsetzung wird grundsätzlich vom Politischen Komitee beschlossen, welches auch das Mandat festlegt 92 • Die ersten Arbeitsgruppen wurden im Juli 1973 eingesetzt, um die Ministerkonsultationen besser vorzubereiten93 • Zu EPZ-Zeiten gab es Arbeitsgruppen für die EPZ94 sowie Arbeitsgruppen der Europäischen Gemeinschaften, die sich jeweils in ihrem Kompetenzbereich mit außenpolitischen Fragen beschäftigten. Damit gab es für die Gemeinschaft wie für die EPZ getrennte Arbeitsgruppen mit gleichem Aufgabengebiet. Als Konsequenz des mit dem Unionsvertrag eingeführten einheitlichen institutionellen Rahmens (Art. C I EUV) wurden alle bestehenden Arbeitsgruppen zu Arbeitsgruppen des Rates 95 •
Darauf verweist auch Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (220). Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 142. Vgl. auch RegelsbergerJEI 1993/94, S. 237 (244f.); Fink-HooijerEJIL 1994, S. 173 (189); KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (149). 92 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Das Politische Komitee, Dok AA, 31 ff. (34); Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 126. 93 Vgl. den Kopenhagener Bericht: Zweiter Bericht der Außenminister an die Staatsund Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 23.7.1973, Arbeitsgruppen, Dok AA, S. 37ff. (41 und 46); Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 31. 94 Zur Arbeit und Organisation der EPZ-Arbeitsgruppen siehe Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 80f.; Nuttall EPC, S. 17; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 92ff. 95 Eine Übersicht der Ratsarbeitsgruppen ist im Anhang III abgedruckt. 90 91
I. Akteure der GASP
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Die Hauptaufgabe der Arbeitsgruppen ist es, Informationen auszutauschen und politische Entwicklungen zu analysieren. Sie können Vorschläge zu gemeinsamem Vorgehen ausarbeiten96 • Obwohl diese schriftlich abgefaßt sind, werden sie "mündliche Berichte" (oral reports) genannt. Diese Vorschläge werden dem Politischen Komitee und dem AStV zugeleiter. Sie selber treffen keine Entscheidungen98 . Die Arbeitsgruppen leisten eine für die GASP unerläßliche Arbeit. Sie erledigen einen Großteil der GASP-Arbeit, wobei ihnen z.T. quasi-ministerielle Aufgaben zugewiesen werden99 • Die Ratsarbeitsgruppen können im Hinblick auf die GASP-Arbeit in zwei · untertel·1t werden 100 : K ategonen (1) Fusionierte Arbeitsgruppen: (2) Vereinigung der Arbeitsgruppen von EG und EPZ mit gleichen geographischen Zuständigkeitsbereichen. Diese so fusionierten Arbeitsgruppen befassen sich mit GASP-Fragen, Gemeinschaftsfragen und gemischten Fragen (= Fragen, die sowohl dem Bereich der GASP wie der EG unterfallen). (3) Nicht fusionierte Arbeitsgruppen: Getrennt fortbestehende Arbeitsgruppen, bei denen die Kohärenz ihrer Aktivitäten dadurch gewährleistet wird, daß gemeinsame Sitzungen abgehalten werden, wenn gemischte Fragen zur Diskussion stehen. BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (8). Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Annäherung der Arbeitsgruppen, Dok AA, S. 145. Zu EPZ-Zeiten war lediglich das Politische Komitee Empfänger der Berichte der Arbeitsgruppen (Schoutheete Präsidentschaft, S. 102). 98 BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (8f.). Zu weiteren Einzelheiten (Einberufungen der Sitzungen, Formalisierung der Arbeitsgruppenberichte) siehe Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Annäherung der Arbeitsgruppen, Dok AA, S. 145. 99 Ein Beispiel dafür bildet die vom Rat der Europäischen Union am 12.5.1995 beschlossene gemeinsame Aktion über Antipersonenminen (AbI. EG NT. L 115/1 vom 22.5.1995 (95/170/GASP». Demnach hat die zuständige Arbeitsgruppe, die von einer regionalen Organisation oder von einem Drittland gestellten Anträge zur Minenräumung zu prüfen. Sie arbeitet die Prioritäten für die Verwendung des EU-Beitrags zum freiwilligen Treuhandfonds der Vereinten Nationen für die Unterstützung bei der Minenräumung aus. Sie legt die Durchführungsbedingungen für die spezifischen Aktionen der Europäischen Union in einem Drittland fest. 100 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Annäherung der Arbeitsgruppen, Dok AA, S. 143f.; KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (149f.). Siehe auch Anhang III. 96
97
c. Struktur der GASP
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Aber auch die fusionierten Arbeitsgruppen sind in der Praxis meistens lediglich nominell vereinigt lOl • Nach dem Fusionierungsbeschluß traf sich z.B. die Ratsarbeitsgruppe fUr Asien nur zu Beginn in ihrer GASP- wie EG-Zusammensetzung (d.h. als fusionierte Arbeitsgruppe ). Sowohl die EG- wie auch die GASP-Vertreter waren mit dieser Verfahrensweise unzufrieden, da die GASP-Vertreter kein Interesse an den Gemeinschaftsfragen hatten und umgekehrt. Zudem wünschten die EGVertreter, z.T. umfassender über wirtschaftliche Fragen zu diskutieren. Das fUhrte zu einem de facto-Beschluß dieser Arbeitsgruppe, vorläufig getrennt zu tagen und nur dann zusammenzukommen, wenn gemischte Fragen behandelt werden (also so zu verfahren, wie nicht fusionierte Arbeitsgruppen). Ansonsten behandelt diese Arbeitsgruppe Gemeinschaftsfragen in der EG-Zusammensetzung (= Beamte aus Brüssel insbesondere vom AStV) und GASP-Fragen in der GASP-Zusammensetzung (Referatsleiter aus den Hauptstädten), wobei die Arbeitsgruppe beide Male denselben Namen fUhrt (nämlich als Ratsarbeitsgruppe Asien). Die Zusammensetzung ist also eine Frage der Tagesordnung. Der Vorsitz kann die Art der Treffen dadurch beeinflussen, indem er die Themen fUr die Tagesordnung bestimmt. Wählt er nach Pfeilern getrennte Themen, so kommt es auch zu einem getrennten Treffen, da die Mitgliedstaaten nicht einen politischen Experten zu einer Wirtschaftsfragen betreffenden Sitzung schicken werden. Diese de-facto Regelung gilt fUr die Mehrzahl der fusionierten Arbeitsgruppen. Einige treffen sich aber schon regelmäßig als einheitliche Arbeitsgruppe
102
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c) Genera/sekretariat des Rates
Art 151 11 EGV (Art. 1.8 V, 1.11 I EUV) und Art. 21 I GOR 103 bestimmen, daß der Rat von einem Generalsekretariat in Brüssel unterstützt wird. Vor dem Inkrafttreten des Unionsvertrages war es die Aufgabe des Sekretariates der Politischen Zusammenarbeit (ebenfalls mit Sitz in Brüssel), den Vorsitz bei der "Vorbereitung und DurchfUhrung der Arbeit der Europäischen Politischen Zusammenarbeit sowie in Verwaltungsfragen" zu unterstützen
Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. 103 AbI. EG Nr. L 30411 vom 10.12.1993 (93/662/EG).
101
102
J. Akteure der GASP
61
(Art. 30 Nr.l 0 lit.g EEA)I04. Dieses Sekretariat entlastete erheblich die einzelnen Außenämter, die vordem jeweils "ihren" Vorsitzenden zu unterstützen hatten lO5 und steigerte damit die Effizienz der außenpolitischen Zusammenarbeit lo6 . Die Zusammenlegung des Sekretariats der Politischen Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat des Rates (auch: Ratssekretariat) war wegen des einheitlichen institutionellen Rahmens (Art. C I EUV) geboten, da der Rat als Gemeinschaftsorgan das Entscheidungszentrum der GASP wurde lO7 • Innerhalb des Ratssekretariates ist eine spezielle Einheit für Fragen der GASP zuständig lO8 • Diese GASP-Einheit setzt sich je zur Hälfte aus nationalen Beamten (zwei pro Mitgliedstaat) und aus EU-Beamten zusammen (z.Zt. gut 60 Beamte). Die Beschickung mit nationalen Beamten und der damit verbundenen Fluktuation (Wechsel idR. alle vier Jahre) hat u.a. zur Folge, daß die GASP-Einheit im Generalsekretariat nicht voll integriert ist. Dazu kommt, daß die nationalen Beamten, auch wenn sie in Briisse1 tätig sind, ihren Regierungen verbunden bleiben, zumal sie später in die nationalen Laufbahnen zuriickkehren. Demgegenüber steht eine weitestgehende Unabhängigkeit der übrigen EUBeamten im Ratssekretariat bzgl. ihrer Herkunftsländer. Dem Generalsekretariat steht ein Generalsekretär vor. Er wird vom Rat durch einstimmigen Beschluß ernannt. Über die Organisation des Generalsekretariates entscheidet der Rat. Die Einrichtung eines Sekretariats war seit Beginn der europäischen außenpolitischen Zusammenarbeit umstritten, weil dadurch von einigen Mitgliedstaaten eine stärkere Integration oder sogar eine Verselbständigung der gemeinsamen Außenpolitik befürchtet wurde, die sie verhindern wOll(t)en I09 . Die Frage des Sekretariats war daher zu keinem Zeitpunkt nur ein organisatorisches Pro\04 Zur Arbeit des EPZ-Sekretariates vgl. Sanchez da Costa Pereira EPZ-Sekretariat, S. I I 1-132; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 269ff.; Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 114ff.; Nuttall EPC, S. 19ff.; Wesseis Integration 1986, S. 126 (128). 105 D.h., die durch die EPZ zusätzlich anfallende Arbeit wurde bis zur EEA 1987 von den Außenämtern des jeweiligen Vorsitzes erledigt, was insbesondere kleineren Mitgliedstaaten sehr große Schwierigkeiten bereitete. 106 Vgl. Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S. 58; Schoutheete Präsidentschaft, S. 10 I; Czempiel Ansätze und Perspektiven der Außen- und Sicherheitspolitik, S. 17; Nuttall EPC, S. 19; Serre Nationale Anpassung an die EPZ, S. 242. 107 Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (189f.). 108 Ein Organigramm des Generalsekretariates des Rates enthält CFSP Forum 1994/3, S. 2. 109 Vgl. Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 81.
62
C. Struktur der GASP
blem. Sie enthielt stets starke politische Untertöne. Die Alternativen wurden gewöhnlich mit "schweres" Sekretariat (mit einer politischen Rolle) und "leichtes" Sekretariat (mit einer mehr oder weniger rein administrativen Rolle) umschrieben. Die zweite Tendenz hat sich im Hinblick auf das EPZ-Sekretariat der EEA durchgesetze 10 (vgl. auch den Wortlaut des Art. 30 Nr.IO lit.g EEA). Daran hat sich durch die Zusammenlegung des EPZ-Sekretariates mit dem Generalsekretariat des Rates (GASP-Einheit) nichts geändert. Auch das Generalsekretariat des Rates (GASP-Einheit) ist ein "leichtes" Sekretariat, d.h. seine Aufgaben sind administrativer und nicht politischer Art.
3. Europäisches Parlament Das Europäische Parlament besteht aus 626 Vertretern der Mitgliedstaaten (Art. 137, 13811 EGV, Art. 1.11 I EUV), die mehr als 370 Mio. Unionsbürger repräsentieren. Die Teilhabe des Parlamentes an der außenpolitischen Zusammenarbeit wurde im Luxemburger Bericht damit begründet, daß "der politischen Einigung demokratischer Charakter zu geben" seilli. Mitentscheidungsbefugnisse wurden dem Parlament zu keiner Zeit gewährt.
a) Beteiligung an der GASP
An der Regelung des Art. 30 Nr.4 EEA, wonach die Vertragsparteien gewährleisten sollten, daß das Europäische Parlament eng an der Europäischen Politischen Zusammenarbeit beteiligt wird, hat sich im Rahmen der GASP nichts Wesentliches geändert ll2 . Für die Abgeordneten bringt der Unionsver110 Vgl. den Beschluß der im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit versammelten Außenminister anläßlich der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte am 28.2.1986, Sekretariat der Europäischen Politischen Zusammenarbeit: Aufgaben und Organisation, Dok AA, S. 82ff. (85f.). Vgl. auch Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 81f.; Sanchez da Cos{a Pereira EPZ-Sekretariat, S. 111; Pijpers/Regelsberger/Wessels Eine gemeinsame Außenpolitik für Europa, S. 319; Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 131. Die deutliche Trennung von EPZ-Sekretariat und Gemeinschaft fand seinen Ausdruck auch darin, daß es nach seiner Einrichtung in dem Gebäude des Ratssekretariates von diesem strikt räumlich getrennt war. Für das EPZ-Sekretariat war ein eigener Bereich vorgesehen. 111 Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Die Europäische Parlamentarische Versammlung, Dok AA, S. 3lff. (35).
J. Akteure der GASP
63
trag nicht die von ihnen gewünschten stärkeren Beteiligungsrechte insbesondere bzgl. einer Vorabkonsultation und Mitsprache bei der inhaltlichen Festlegung von GASP-Positionen l13 . Art. 1.7 EUV bestätigt nur die seit Jahren geübte Praxis von ex-post Anhörung und Fragerecht. Gemäß Art. J.7 11 I EUV kann das Europäische Parlament Anfragen oder Empfehlungen an den Rat richten l14 , von denen der Rat anläßlich seiner Tagung vom Vorsitz unterrichtet wird 115. Der Vorsitz antwortet auf die Fragen des Parlaments, nachdem seine Vorschläge zur Beantwortung von den anderen Mitgliedstaaten (eventuell auch über COREU) gebilligt worden sind 116. Die Anzahl der GASP-Anfragen ist im Verhältnis zu den sonstigen parlamentarischen Anfragen sehr gering ll7 . Ursächlich hierfUr ist, daß die Anfragen der Abgeordneten regelmäßig Themen betreffen, die die Bürger direkt angehen llg , was bei Fragen der GASP im Zweifel nicht der Fall ist. Die Empfehlungen des Europäischen Parlamentes binden den Rat in keiner Weise. Es besteht nicht einmal eine Verpflichtung fUr den Rat, die Empfehlungen auf seine Tagesordnung zu setzen. Gemäß Art. D III EUV erstattet der Europäische Rat (durch seinen Vorsitzenden) dem Parlament nach jedem seiner Treffen Bericht und legt ihm alljährlich einen schriftlichen Bericht über die Fortschritte der Union vor. Ebenfalls alljährlich fUhrt das Europäische Parlament eine Aussprache über die Fortschritte bei der DurchfUhrung der GASP (Art. 1.711 2 EUV) I 19. Gemäß Art. 1.7 I 1 EUV hört der Vorsitz das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der Gemein112 Zur Rolle des Europäischen Parlaments zu EPZ-Zeiten siehe Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 11 Off. und 276f.; Bonvicini Strukturen und Verfahren, S. 87. 113 Vgl. die Entschließung des Europäischen Parlamentes zur Entwicklung einer Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union im Hinblick auf Ziele, Instrumente und Verfahren, A3-0109/94, RdNr. 3 (abgedruckt in Dok AA, S. 447ff. (451) = GrunertlLecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 38ff. (41)). 114 Siehe hierzu auch Art. 92 der Geschäftsordnung des Europäischen Parlamentes, abgedruckt in: AbI. EG Nr. L 49/1 vom 19.2.1997. 115 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IlI: Intensivierte Beziehungen zum Europäischen Parlament, Dok AA, S. 146. 116 Schoutheete Präsidentschaft, S. 103. 117 Während der französischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1995 gab es lediglich 68 GASP-Anfragen. 118 Gespräch mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Europäischen Parlamentes in Brüssel am 25.9.1995. 119 Siehe hierzu Art. 92 IV der Geschäftsordnung des Europäischen Parlamentes, abgedruckt in: AbI. EG Nr. L 49/1 vom 19.2.1997.
64
C. Struktur der GASP
samen Außen- und Sicherheitspolitik und achtet darauf, daß die Auffassungen des Europäischen Parlamentes gebührend berücksichtigt werden. Wie und wann diese Anhörung zu erfolgen hat, ist im Vertrag nicht festgelegt. Dazu hat jedoch der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" bestimme 20, daß der Vorsitz das Europäische Parlament hört, sobald er dieses über GASPAngelegenheiten unterrichtet, bei der im Unionsvertrag vorgesehenen jährlichen Aussprache oder wenn der Europäische Rat allgemeine Leitlinien für gemeinsame Aktionen genehmigt hat. Im Zusammenhang mit den allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates ist hervorzuheben, daß das Europäische Parlament im Gegensatz zum Rat diese nicht als verbindlich anerkennen muß 121. Empfehlungen des Parlamentes (vgl. Art. 1. 7 11 1 EUV) zur GASP können also den allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates widersprechen. In diesem Falle wird es dem Vorsitz schwer fallen, seiner Verpflichtung gegenüber dem Europäischen Parlament aus Art. J.7 11 EUV nachzukommen, nämlich darauf zu achten, "daß die Auffassungen des Europäischen Parlaments gebührend berücksichtigt werden." Das Europäische Parlament ist regelmäßig vom Vorsitz und von der Kommission über die Entwicklung der Außen- und Sicherheitspolitik der Union zu unterrichten, Art. 1.7 12 EUV. Der Vorsitz unterhält demnach regelmäßig Kontakte zum Europäischen Parlament, indem er außer an den zwei Kolloquien auch an Sitzungen des parlamentarischen Ausschusses rür auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit teilnimmt, soweit sich dies als nützlich oder notwendig erweist. Er nimmt gegebenenfalls an den Debatten bei Plenarsitzungen des Parlamentes teil. Der Vorsitz hält daran fest, daß zu Beginn jeder Sitzung des parlamentarischen Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Sicherheit ein Vertreter des Generalsekretariates des Rates anwesend ist. Schließlich macht der Vorsitz von der Möglichkeit schriftlicher Information Gebrauch 122 • Die Kommission und der Vorsitz unterrichten unabhängig voneinander das Parlament. Die von ihnen entsandten Vertreter sind in der Regel die zuständigen Referatsleiter, die zu diesem Zweck in den Ausschuß für auswärtige Ange-
120 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage III: Intensivierte Beziehungen zum Europäischen Parlament, Dok AA, S. 146. 121 Vgl. für den Rat Art. 1.8 11 VA. 1 S.I, 1.3 Nr.l VA. 1 EUV - siehe dazu näher unten D.II.2.b. 122 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage III: Intensivierte Beziehungen zum Europäischen Parlament, Dok AA, S. 145f.
I. Akteure der GASP
65
legenheiten, Sicherheit und Verteidigungspolitik gehen, ohne daß es ein vorgeschriebenes Verfahren gibt. Die Häufigkeit und der Rang der Repräsentation sind daher eine Frage der "Höflichkeit". Mindestens einmal in der Periode eines Vorsitzes wird der Ausschuß von dem im Rat vorsitzführenden Außenminister unterrichtet 123. Mittlerweile hat die Kommission bei der Unterrichtung des Parlamentes gegenüber dem Vorsitz die Führung übernommen l24 . Damit besteht für die Kommission die Chance, parlamentarische Unterstützung für ihre Standpunkte zu • 125 gewmnen Außerhalb der GASP-Bestimmungen hat das Europäische Parlament über seine in Maastricht verabschiedeten, erweiterten Zustimmungsrechte beim Abschluß von Gemeinschaftsabkommen mit Dritten (Art. 228 EGV) indirekte Zugriffsmöglichkeiten auf die Politik der Fünfzehn l26 . Seine Zustimmung macht das Parlament regelmäßig von der Beachtung der Menschenrechte in dem betreffenden Drittstaat abhängig. Schließlich kann das Parlament über das Haushaltsverfahren Einfluß auf die GASP nehmen. Denn in diesem Verfahren verfügt es über eine mitentscheidende Rolle, die ihm mehr Einflußmöglichkeiten gibt, als dem Parlament in Art. J.7 EUV zugestanden werden sollten (siehe dazu näher D.IV.2.). Neben den in Art. J.7 EUV vorgesehenen Möglichkeiten läßt es sich das Europäische Parlament nicht nehmen, außerhalb der formalen GASP- oder Gemeinschaftsverfahren Stellung zu außenpolitischen Themen zu beziehen. So hat das Europäische Parlament z.B. im April 1995 die militärische Intervention der Türkei im nördlichen Irak in einem mit großer Mehrheit angenommenen gemeinsamen Entschließungsantrag von acht Fraktionen verurteilt 127 • Weiterhin hat das Europäische Parlament am 20. September 1995 einen Atombombenversuch Frankreichs auf dem Mururoa-Atoll verurteilt. Dadurch und mittels Aufnahme informeller außenpolitischer Kontakte kann das Europäische Parlament (wenn auch nur indirekt) die offizielle GASP beeinflussen.
Tebbe EU und GASP, S. 95. Gespräch mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Europäischen Parlaments am 25.9.1995 in Brüssel. 125 Tebbe GASP, S. 73. 126 Ebenso Regelsberger Integration 1992, S. 83 (91); Algieri Integration 1993, S. 173 (175); Monar Das duale System von EG und EPZJGASP, S. 79f. 127 "Das Europäische Parlament verurteilt die türkische Intervention", in: FAZ vom 123
124
7.4.1995 (Fr.), Nr. 83, S. I.
5 Mönch
66
C. Struktur der GASP
b) Forderungen des Europäischen Parlamentes
Das Parlament fordert eine stärkere Beteiligung an den Arbeiten der GASp I28 • In letzter Konsequenz strebt es ein Zustimmungsrecht hinsichtlich der GASP-Entscheidungen an l29 (vergleichbar mit dem "konstitutiven" Zustimmungsbeschluß des Deutschen Bundestages bei Einsätzen der Bundeswehr). Hinsichtlich der Beteiligung des Europäischen Parlamentes an der GASP bestehen jedoch zwei schwerwiegende Probleme. Zum einen werden GASPFragen regelmäßig vertrauliche und sensible Bereiche betreffen, die einer Diskussion in der Öffentlichkeit entgegenstehen l3 o. Des weiteren beabsichtigt das Europäische Parlament, sich zeitlich vor dem Rat (also vor der eigentlichen Entscheidung) mit den anstehenden Fragen zu beschäftigen, denn nur so wäre überhaupt eine Beeinflussung der GASP durch das Parlament möglich. GASPEntscheidungen müssen aber häufig in großer Eile getroffen werden l31. In seinen Vorschlägen vom 6. Dezember 1994 für eine interinstitutionelle Vereinbarung 132 forderte das Europäische Parlament dennoch u.a. ein Recht, wonach es vor jedem wichtigen Beschluß im Rahmen des Titels V EUV konsultiert werden muß. Weiterhin forderte das Europäische Parlament eine bessere Information durch den Rat und die Kommission. Zu einer derartigen interinstitutionellen Vereinbarung ist es aber noch nicht gekommen. c) Zwischenergebnis
Abschließend ist festzustellen, daß das Europäische Parlament nur indirekt die GASP beeinflussen kann. Die Funktion des Europäischen Parlamentes beschränkt sich darauf, die GASP allgemein zu bewerten, anstatt an den Beschlüssen des Rates aktiv mitzuwirken und sie zu beeinflussen 133 • Nur die Fi128 Vgl. den Bericht des MdEP F. Willockx für den Haushaltsausschuß des Europäischen Parlamentes vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A4-0028/94. Siehe auch Pöttering CFSP Forum 1994/4, S. 3. 129 Vgl. Pöttering GASP - Illusion oder Wirklichkeit?, S. 3 und 10. 130 Der Allgemeine Rat von Brüssel (26.10.1993) spricht von "dem heiklen Charakter bestimmter Informationen und Erörterungen" (Intensivierte Beziehungen zum Europäischen Parlament, Dok AA, S. 145). 131 Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (193). 132 Projet d'accord interinstitutionnel entre le Parlament europeen, le Conseil et la Commission sur les procedures de mise en oeuvre de la politique etrangere et de securite commune, 6.12.1994, PE 207.087/rev.3. 133 Ebenso Grunert/Lecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 9.
I. Akteure der GASP
67
nanzierung gibt dem Parlament einen Hebel in die Hand, um zumindest bei der Durchführung gemeinsamer Aktionen Einfluß auf diese zu gewinnen (siehe dazu unten D.lV.2.). 4. Westeuropäische Union Die WEU ist kein Akteur der GASP ieS. Zwar wird sie in den Vertragsvorschriften genannt (vgl. Art. JA EUV), sie ist aber eine eigenständige internationale Organisation 134 • Dennoch ist sie "integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union", wie aus Art. JA 11 1 EUV und der in der Schlußakte zum Unionsvertrag enthaltenen Erklärung Nr. 30 der WEU-Mitgliedstaaten zur Westeuropäischen Union hervorgehe 35 • Wenn die WEU dazu ersucht wird, kann sie schon heute Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, durchführen (siehe dazu näher C.lI.3.b.). Weil es nicht in einem Schritt erreichbar war, eine Zuständigkeit der Europäischen Union für militärische Fragen zu begründen, wurde die WEU deshalb quasi unter das Dach der Europäischen Union gebrache 36 • Die WEU ihrerseits ist bereit, sich im vollen Umfang am Aufbau der europäischen Sicherheitsarchitek tur zu betel'1'1gen 137 . a) Struktur und operation elle Rolle Die WEU wurde am 17. März 1948 gegründet 138 . Ihr gehören heute zehn der fünfzehn EU-Mitgliedstaaten an 139 • Ziel ist die Mitgliederidentität von WEU 134 Siehe dazu auch Regelsberger Integration 1992, S. 83 (87); Ehrhart GASP und die Nuklearwaffenfrage, S.47; vgl. auch den Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 66, RdNr. 159. 135 In dieser Erklärung haben die Mitgliedstaaten der WEU, die sämtlich zugleich Mitglieder der Union sind, als Antwort auf Art. J.4 EUV bekundet, ihre Organisation "als Verteidigungskomponente der Europäischen Union und als Mittel zur Stärkung des europäischen Pfeilers der Atlantischen Allianz" zu entwickeln, auf Ersuchen der Europäischen Union tätig zu werden und entsprechende organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Besonderes Gewicht wurde dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit den Organen der Europäischen Union einerseits und der NATO andererseits gelegt. 136 Vgl. Pöttering GASP - Illusion oder Wirklichkeit?, S. 7. . 137 Tagung des Ministerrates der Westeuropäischen Union am 7.5.1996 in Birrningharn, BullBReg. Nr. 48 (13.6.1996), S. 517. 138 Zur Organisation der WEU siehe Lange JZ 1996, S.442 (446). Umfassend zur WEU (Ursprung und Entwicklung), zu ihren neuen Aufgaben sowie zu einem möglichen Revisionsbedarf des Brüsseler-Vertrages siehe Saalfeld WEU, Diss. 1992. Ein Organigramm der WEU enthält das CFSP Forum 1994/4, S. 2.
5*
68
C. Struktur der GASP
und Europäischer Union, die Voraussetzung für eine echte gemeinsame europäische Verteidigungspolitik ise 40 • Entsprechend luden die Staats- und Regierungschefs der WEU-Staaten anläßlich der Konferenz von Maastricht die anderen EU-Mitgliedstaaten ein, gleichfalls Mitglied der WEU oder, falls sie dies wünschten, Beobachter zu werden. Die übrigen europäischen Mitgliedstaaten der NATO wurden eingeladen, assoziierte Mitglieder der WEU zu werden 141. Die MOEL mit EU-Beitrittsperspektive (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechische Republik und Ungarn) wirken seit der Kirchberg-Erklärung l42 in der WEU bereits als "assoziierte Partner" mie 43 . Die europäischen Staaten, die nicht Mitglieder der Europäischen Union, aber NATO-Partner sind (Island, Norwegen und Türkei), sind in der WEU als "assoziierte Mitglieder" beteiligt. Beachtenswert ist, daß die WEU zwar als "integraler Bestandteil der Entwicklung der Europäischen Union" eingestuft wird, sie aber eine eigenständige . . bl'b O rgamsahon el t 144 . Grundvoraussetzung für die Entwicklung einer europäischen Sicherheitsund Verteidigungsidentität ist der weitere Ausbau der operationellen Rolle der \39 Dänemark und die neutralen Staaten Irland, Österreich, Finnland und Schweden sind nicht Mitglieder der WEU geworden. Sie haben statt dessen einen Beobachterstatus, wobei ihre baldige Mitgliedschaft nicht wahrscheinlich ist (Brengelmann CFSP Forum 1995/2, S. 5). Vgl. auch Jopp JEI 1995/96, S. 221 (225). Eine Übersicht zu den WEU-Mitgliedstaaten enthält CFSP Forum 1994/3, S. 5. Zum Vergleich finden sich dort ebenfalls die Mitgliedschaften in allen anderen wichtigen europäischen Organisationen. 140 Ebenso Ischinger GASP und die Bundesrepublik Deutschland, S. 61. 141 Erklärung Nr. 30 zur Westeuropäischen Union in der Schlußakte zum Unionsvertrag, Teil II. 142 Kirchberg-Erklärung der Westeuropäischen Union (WEU) vom 9.5.1994, EA 1994, 0 489-495 (494). 143 Diese Teilnahme erfolgt im WEU-Konsultationsforum. Dort treffen sich die Außen- und Verteidigungsminister der neun MOEL mit dem WEU-Ministerrat. Das Ziel ist die Stärkung der Beziehungen und Strukturierung des Dialogs, der Konsultationen und der Zusammenarbeit zwischen der WEU und den Staaten Zentraleuropas (Kommunique des Konsultationsforums der Westeuropäischen Union, Tagung des WEU-Konsultationsforums am 20.5.1993 in Rom, BullBReg. Nr. 46 (2.6.1993), S.499). Näher zu der Teilnahme der MOEL an den Arbeiten innerhalb der WEU und insbesondere zur Rolle des WEU-Konsultationsforums siehe Ischinger GASP und die Bundesrepublik Deutschland, S. 62. 144 Die WEU wird sich auch 1998 nicht automatisch "auflösen". In Art. XII Abs.3 des Brüsseler Vertrages ist vielmehr vorgesehen, daß seit dem 17.3.1997 der Vertrag von jedem Vertragspartner gekündigt werden kann (mit einer einjährigen Kündigungsfrist). Von einer derartigen Absicht eines Mitgliedstaates ist derzeit nichts bekannt.
I. Akteure der GASP
69
WEU. Die WEU muß in die Lage versetzt werden, neben ihrer originären Aufgabe (kollektive Verteidigung) die auf sie zukommenden neuen Aufgaben zu erfüllen. Zu den möglichen Einsätzen zählen gemeinsame Verteidigung (Art. V des Vertrages von Brüssel), humanitäre Aufgaben und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben sowie Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich Maßnahmen zur Herbeiführung des Friedens. Durch geeignete Strukturen und Mittel, die insbesondere einen WEU-Planungsstab und der WEU zugeordnete militärische Einheiten umfassen, soll die operative Rolle der WEU eine deutliche Stärkung erfahren 145.
b) Zusammenarbeit von WEU und Europäischer Union
Eine enge Zusammenarbeit zwischen WEU und Europäischer Union ist erforderlich, um die WEU in einzelnen Schritten als Verteidigungskomponente der Europäischen Union aufzubauen 146. Es soll an einem Ort, zur gleichen Zeit, mit denselben Leuten effizienter entschieden werden l47 . Der Allgemeine Rat von Brüssel hat daher im Oktober 1993 im Hinblick auf die Zusammenarbeit von Europäischer Union und WEU verschiedene Regelungen festgeleg 48 . Danach haben die Vorsitze der jeweiligen Organisation die anderen Gremien laufend zu unterrichten. Eine enge Zusammenarbeit soll die Kohärenz und die Effizienz der Arbeiten der beiden Organisationen sicherstellen l49 .
e
145 Tagung des Ministerrates der Westeuropäischen Union am 19.6.1992 auf dem Petersberg zu Bonn, BullBReg. Nr. 68 (23.6.1992), S. 649-655 (652). Zu der operativen Entwicklung der WEU vgl. Jopp JEI 1994/95, S.385 (388f.) und ders. JEI 1995/96, S.221. 146 Vgl. Tagung des WEU-Ministerrates am 19.5.1993 in Rom, BullBReg. NT. 46 (2.6.1993), S. 497; Tagung des WEU-Ministerrates am 7.5.1996 in Birrningham, BullBReg. Nr.48 (13.6.1996), S.517 und 519; Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 136. Siehe auch WesseI Transaktie 1995, S. 340 (347ff.); Jopp JEI 1994/95, S. 385 (387). 147 Vgl. Pöttering GASP - Illusion oder Wirklichkeit?, S. 9. 148 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. I47f. Zu den Beziehungen von WEU und Europäischer Union siehe auch Jopp JEI 1994/95, S. 385ff. und ders. JEI 1995/96, S. 221 (224f.). 149 Die engere Zusammenarbeit bezieht sich auf den Vorsitz und das Generalsekretariat der WEU einerseits und auf den Vorsitz, das Ratssekretariat und die Kommission der Europäischen Union andererseits. Vgl. dazu näher die Schlußfolgerungen ARBrüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. 146ff. und Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (196).
C. Struktur der GASP
70
Im Hinblick auf eine aktive Beteiligung an der Weiterentwicklung der GASP hat die WEU ihrerseits verschiedene Beschlüsse gefaßt, die ihre Integration in eine spätere Verteidigungspolitik der Europäischen Union deutlich machen sollen (beispielsweise die Verlegung ihres Sitzes im Januar 1993 von London nach Brüssel und den Beschluß zur Harmonisierung des Vorsitzes mit demjenigen der Union)lso. Es wurde ein ständiger Rat geschaffen, der wöchentlich zusammentritt, um die notwendigen Kontakte zur Europäischen Union zu fördern lsl . Zwar scheinen diese Maßnahmen auf den ersten Blick rein administrativen Charakter zu haben; gleichwohl ist von ihnen eine engere Verknüpfung der Entscheidungsprozesse zu erwarten 152 .
11. Verfahren der GASP 1. Zentrale Verfahren
Dem Rat ist bei der Ausführung der GASP der Rückgriff auf die in Art. 189 EGV genannten gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Rechtsakte (z.B. die Verordnung) verwehrt, da Art. 1.11 I EUV diese Vorschrift für den Bereich der GASP ausklammert. Damit sind die für die GASP möglichen Verfahren und Beschlüsse ausschließlich dem Titel V EUV zu entnehmen. Die zentralen Verfahren der GASP sind gemäß Art. J.l III EUV (a) die regelmäßige Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik (= Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten, gemeinsame Erklärungen (und Demarchen) sowie gemeinsame Standpunkte) und (b) die Durchführung gemeinsamer Aktionen. Diese Verfahren stehen in einem abgestuften Verhältnis zueinander. Die erste Stufe bildet im Rahmen der regelmäßigen Zusammenarbeit der Informationsaustausch der Mitgliedstaaten untereinander und die gemeinsamen Analysen und Bewertungen der jeweiligen außenpolitischen Umstände (= gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung im Rat, Art. J.2 I EUV). Auf einer zweiten Stufe kann die regelmäßige Zusammenarbeit zu gemeinsamen Erklärungen, Demarchen oder gemeinsamen Standpunkten (Art. 1.2 11 EUV) und schließlich auf dritter Stufe zu einem Handeln im Namen der Union (= gemeinsame Aktion, Art. J.3 EUV) führen 153 • ISO
S.15.
Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18); Grunert/Ucureuil Perspektiven für eine GASP,
151 Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 62, RdNr. 145. 152 Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 368.
H. Verfahren der GASP
71
Das Verhältnis der einzelnen Verfahren zueinander ist aber nicht so zu verstehen, daß das eine Verfahren die notwendige Voraussetzung für das andere wäre. Vielmehr können z.B. gemeinsame Aktionen beschlossen werden, ohne daß es vorher zur Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes gekommen wäre.
a) Regelmäßige Zusammenarbeit
Die Union verfolgt die Ziele der GASP gemäß Art. J.2 EUV durch Einrichtung einer regelmäßigen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik (Art. 1.1 III Spiegelstrich 1 EUV). Die regelmäßige Zusammenarbeit bildete das traditionelle Instrument der EPZ 154 und zielt auf die Koordinierung der nationalen Außenpolitiken ab.
aa) Gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung Im Rat findet zwischen den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung statt. Damit soll ein möglichst wirksamer - weil vereinterEinfluß durch konvergierendes Verhalten erreicht werden (Art. J.2 I EUV). Entscheidend für das Ausmaß der gegenseitigen Unterrichtung und Abstimmung der Mitgliedstaaten ist die Bestimmung der "Fragen von allgemeiner Bedeutung". Aus dem Londoner Bericht der Außenminister von 1981 geht hervor, daß die Mitgliedstaaten zu "allen wichtigen Fragen der Außenpolitik, die die Zehn als Ganzes berühren", einander konsultieren 155 • Im Kopenhagener Bericht hieß es, daß Konsultationen zu den Themen stattfinden, welche die "Interessen Europas [... ] auf solchen Gebieten berühren, wo eine gemeinsame Stellungnahme erforderlich oder wünschenswert wird.,,156 An diese Gedanken knüpft die Formulierung in Art. J.2 I EUV an, da diese Vorschrift im wesentlichen den bis-
153
154
Vgl. Kinkel Europäische Außenpolitik, FS Stercken, S. 12f.
Burghardt/l'ebbe EuR 1995, S. 1 (8).
155 Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Dok AA, S. 59ff. (60). 156 Kopenhagener Bericht, zweiter Bericht der Außenminister an die Staats- und Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 23.7.1973, Dok AA, 37ff. (44).
C. Struktur der GASP
72
herigen EPZ-acquis wiedergibt. Eine Konsultation findet daher zu allen Fragen statt, die alle Mitgliedstaaten als Ganzes angehen und die nicht ausschließlich einzel staatliche Interessen berühren. Zu den Fragen von allgemeiner Bedeutung ist also das gesamte Spektrum internationaler Außen- und Sicherheitspolitik zu rechnen, soweit nicht Fragen mit ausschließlich einzelstaatlicher Bedeutung betroffen sind. Inzwischen werden praktisch alle bedeutsamen Vorgänge auf der weltpolitischen Bühne in der einen oder anderen Form zur Sprache gebracht. Die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung im Rat bei Fragen von allgemeiner Bedeutung hat zur Folge, daß die Auslandsvertretungen der EUMitgliedstaaten zu den anderen EU-Partnerländern bei der Meinungsbildung in der GASP zumeist nur noch Hilfsfunktionen wahrnehmen. In Direktkontakte zwischen den Regierungschefs, Ministern und hohen Ministerialbeamten (auch via COREU) werden sie immer seltener eingeschaltee 57 .
bb) Gemeinsame Erklärungen und Demarchen Ein konkretes Ergebnis der regelmäßigen Zusammenarbeit der EUMitgliedstaaten können gemeinsame Erklärungen und Demarchen sein. Diese Verfahren bzw. Mittel der GASP, die nicht ausdrücklich im Unionsvertrag genannt werden, sind traditionell Bestandteil der außenpolitischen Zusammenarbeit i58 , so daß man von einer gewohnheitsrechtlichen Verfestigung dieser Verfahren sprechen kann. In aller Regel werden sie vom Vorsitz ausgearbeitet l59 . (1) Gemeinsame Erklärungen
Eine Erklärung, die vom Europäischen Rat, vom Rat oder via COREU gebilligt wurde 160, erfolgt mehr oder weniger öffentlich und gibt die gemeinsame (politische) Sichtweise der Europäischen Union, d.h. der Gesamtheit der EUMitgliedstaaten, zu einer bestimmten internationalen Frage wieder. In erster Linie stellen gemeinsame Erklärungen eine politische Reaktion auf internatioVgl. Kastrup Zukunft des Auswärtigen Amtes, FS Stercken, S. 84. Ryba RMCUE 1995, S. 14 (23); Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 64, RdNr. 154. 159 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. 160 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Erklärungen, Dok AA, S. 141. 157
158
11. Verfahren der GASP
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nale Geschehnisse dar l61 • Sie haben keine rechtliche Bedeutung l62 . Die Art der Veröffentlichung richtet sich nach dem Gewicht der Erklärung und nach der Stellung des erklärenden Organs. Alle Erklärungen werden an den Generalsekretär der Vereinten Nationen weitergegeben 163. Der Rat entschied Anfang November 1993, daß alle seine politischen Erklärungen im Namen der 'Europäischen Union' abgegeben werden l64 . Dahingegen wurde noch zu Zeiten der EPZ bei formellen Erklärungen (oder Demarchen) die Formel 'Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten' benutze 65 • Die ersten im Rahmen der EPZ erarbeiteten Erklärungen wurden 1972 veröffentlicht l66 • Heute werden im Schnitt zwei Erklärungen pro Woche abgegeben, was zu einer beachtlichen Allgegenwart der europäischen "Stimme" auf der internationalen Bühne ftihrt 167 • Der Wert gemeinsamer Erklärungen wird unterschiedlich gesehen. Häufig wird sie als wenig effektiv bezeichnet, da Worte allein nicht ausreichten, um auf die Politik anderer internationaler Akteure dauerhaften Einfluß zu nehmen und die Wirkung von Worten sich durch häufiges Wiederholen abnutze l68 • Entsprechend beschloß der Rat ("Allgemeine Angelegenheiten"), die Anzahl der Erklärungen "in Grenzen" zu halten, um der eigenen Stimme mehr Gewicht zu geben l69 . Diese Selbstverpflichtung war aber nur wenig hilfreich, da 1994 wieder mehr als 100 Erklärungen abgegeben worden sind l70 • Andererseits darf die Wirkung einer Erklärung etwa bzgl. eines afrikanischen Landes auf dieses Land nicht unterschätzt werden. Hier kann eine entsprechende Erklärung beträchtliche Wirkungen zeitigen 171. Dementsprechend
Wessei SEW 1995, S. 554 (569). Vgl. Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 39. 163 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (I79f.). 164 Beschluß des Rates vom 8.11.1993 über seine Bezeichnung im Anschluß an das Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union (93/59I1EG, EGKS, Euratom), AbI. EG Nr. L 281/18 vom 16.11.1993. 165 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (177). 166 Vgl. Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 39. 167 Regelsberger JEI 1995/96, S. 211 f. 1993 gab es 116 Erklärungen der Europäischen Union zu außenpolitischen Fragen. Eine Ubersicht der EPZ/GASP Erklärungen im Jahre 1993 findet sich im CFSP Forum 1994/3, S. 8. 168 Regelsberger JEI 1993/94, S. 237 (238). 169 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Erklärungen, Dok AA, S. 141. 170 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 28.9.1995. 171 Vgl. Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (225). 161
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C. Struktur der GASP
wird die Europäische Union sogar teilweise von Drittländern gebeten, Erklärungen abzugeben, die sich auf sie oder Dritte beziehen I72 • Gemeinsame Erklärungen dürfen also nicht ohne weiteres als nichtssagend und unbedeutend abgetan werden. Ihre Wirkung ist abhängig von der jeweiligen Lage, dem jeweiligen Adressaten und der etwaigen Verbindung mit konkreten wirtschaftlichen Maßnahmen (EG)I73. (2) Demarchen
Eine Demarche ist eine diplomatische Aktion als Handwerkzeug der Diplomatie. Sie kann zweierlei enthalten: erstens kann sie Wohlwollen und Unterstützung ausdrücken. Zum anderen dient sie dazu, das gemeinsame Mißfallen der Europäischen Union an der Politik eines Dritten und den Wunsch nach einem Wandel in dessen Verhalten zu äußern l74 . Sie ist eine unauffällige, zuweilen bewußt vertrauliche I75 Form des Vorstelligwerdens der Europäischen Union bei Vertretern eines Drittstaates oder anderer internationaler Organisationen. Die ersten gemeinsamen Demarchen der EG-Mitgliedstaaten erfolgten während der Zypemkrise (1974). Meistens handelt es sich um Demarchen von Botschaften des Vorsitzes, mitunter allein, mitunter in Form der Troika 176, mitunter auch aller Botschaften zusammen (gemeinsame Demarchen), mitunter auch in der Form paralleler Demarchen. Im allgemeinen erfolgt die Demarche in der Hauptstadt des betreffenden Staates, seltener bei dem beim Vorsitz akkreditierten Botschafter des betreffenden Staates. Gemeinsame Demarchen werden nur in außerordentlich ernsten und dringenden Fällen unternommen, damit diese diplomatische Maßnahme nicht ihre Wirksamkeit verliert I77 • Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. Vgl. Regelsberger JEI 1992/93, S. 223 (226). 174 Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 41 Of. 175 Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 40. 176 So führte die Europäische Union in 52 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen Troika-Demarchen mit dem Ziel durch, diese Länder zu einer fristgerechten Meldung ihrer konventionellen Waffentransfers der sieben Kategorien des VN-Waffenregisters gemäß VN-Resolution46/36L vom 9.12.1991 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen zu veranlassen bzw. Fehlanzeige zu erstatten. Von den angesprochenen Staaten reagierten die meisten positiv auf die Demarche, viele sagten Prüfung des EUAnliegens zu (Deutscher Bundestag (13. Wahlperiode), Drucksache 13177, Unterrichtung durch die Bundesregierung, 54. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1.1. bis 30.6.1994), S. 74). 177 Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 40. 172
173
11. Verfahren der GASP
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Obwohl man sich darum bemühte, existieren für die Demarchen keine niedergeschriebenen Verfahrensregeln. Aber auch dieses Mittel muß - wie gemeinsame Erklärungen - mittlerweile als gewohnheitsrechtlich verfestigt angesehen werden.
ce) Gemeinsame Standpunkte Gemeinsame Standpunkte werden durch den Rat festgelegt, wenn er dies für erforderlich hält (Art. J.2 11 1 EUV). (1) Inhalt Der Vertragstext definiert nicht, was unter einem gemeinsamen Standpunkt iSd. Art. J.2 11 1 EUV zu verstehen ist. Aus Art. J.2 I EUV geht jedenfalls hervor, daß der gemeinsame Standpunkt Ergebnis der gegenseitigen Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer regelmäßigen Zusammenarbeit ist. Daraus läßt sich schließen, daß gemeinsame Standpunkte die Koordinierung nationaler Außenpolitiken bezwecken. Sie sind - im Gegensatz zu gemeinsamen Erklärungen - nicht nur so passiv zu verstehen, als stünde man lediglich "auf einem Fleck". Vielmehr legen die EUMitgliedstaaten in gemeinsamen Standpunkten Richtlinien zu außen- und/oder sicherheitspolitischen Fragen fest, die sie zu einheitlichem Vorgehen (z.B. in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen) verpflichten (vgl. Art. J.2 III 2 EUV). Gemeinsame Standpunkte enthalten ein verbindliches Konzept für die jeweilige Außen- und Sicherheitspolitik der EUMitgliedstaaten in bezug auf eine bestimmte Frage geographischer oder thematischer Art. Ziel ist die Koordinierung einzelstaatlicher Politiken. Der Anwendungsbereich für gemeinsame Standpunkte ist, wie die Praxis zeigt, sehr weit: er reicht von Festlegungen im Hinblick auf die Verhängung von Wirtschaftssanktionen bis hin zu der Annahme einer umfassenden politischen Strategie im Hinblick auf ein Land oder eine Region 178 . Der Begriff "gemeinsamer Standpunkt" wird auch in den anderen Pfeilern der Europäischen Union verwendet. Zum einen in Art. 189b und 189c EGV, die Fragen des Rechtsetzungsverfahrens im Gemeinschaftsrecht regeln und zum anderen in Art. K.3 11 lit.a EUV, der bzgl. der Koordinierung der Justiz- und Innenpolitik von einem "gemeinsamen Standpunkt" redet. Diese l7X
Vgl. die Übersicht im Anhang I.
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C. Struktur der GASP
"gemeinsamen Standpunkte" sind aber nicht inhalts gleich mit dem im Art. 1.2 11 EUV genannten. Der mehrfache Gebrauch derselben Bezeichnung bei unterschiedlichen Sachverhalten ist irreflihrend und kann zu Interpretati. . k' onsschwleng elten fl'hr u en 179 . (2) Verfahren
Für die Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes gilt folgendes Verfahren: In der Regel erarbeitet der Vorsitz ein Positionspapier, das die gemeinsame Auffassung aller beteiligten Partner zum Ausdruck bringen soll 180. Das Positionspapier kann als gemeinsamer Standpunkt nur einstimmig durch den Rat festgelegt werden, da die qualifizierte Mehrheit lediglich fur Verfahrensfragen oder hinsichtlich der gemeinsamen Aktion vorgesehen ist (Art. 1.3 Nr.2 und Art. 1.8 II UA.2 EUV). Der gemeinsame Standpunkt wird regelmäßig - trotz seiner gemeinschaftsfremden Natur - im Amtsblatt der EG (bisher ausschließlich Reihe L(egislatio» veröffentlicht '81 . Der Beschluß über die Veröffentlichung wird in jedem Einzelfall einstimmig vom Rat getroffen (Art. 18 III GOR I82 ). Die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten (Art. J.2 I EUV) enthält keine Verpflichtung, einen gemeinsamen Standpunkt festzulegen: der Rat kann einen gemeinsamen Standpunkt festlegen, muß es aber nicht. Daher ist es eine Frage der politischen Macht, ob nationale Interessen sich durchsetzen oder ob ein gemeinsamer Standpunkt gefunden wird l83 • (3) Bindungswirkung
Es ist eine logische Konsequenz der erforderlichen einstimmigen Annahme eines gemeinsamen Standpunktes, daß alle Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, daß ihre nationale Politik mit dem gemeinsamen Standpunkt überein179 Demgegenüber ist die Formulierung in Art. K.3 11 lit.b EUV ("gemeinsame Maßnahmen") sprachlich klarer von der gemeinsamen Aktion iSd. Art. 1.3 EUV abgegrenzt. 180 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. 181 Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (73). 182 AbI. EG NT. L 30411 vom 10.12.1993. 183 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (180).
II. Verfahren der GASP
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stimmt. Dies ist im Unionsvertrag klarer als in der EEA geregelt l84 • Während in der EEA die Festlegung gemeinsamer Standpunkte lediglich als "Bezugspunkt" flir die nationalen Politiken beschrieben wurde, der "in gebührendem Maße" zu berücksichtigen sei (Art. 30 Nr.2 lit.c EEA), müssen die Mitgliedstaaten nun "daflir Sorge [tragen], daß ihre einzelstaatliche Politik mit den gemeinsamen Standpunkten in Einklang steht", Art. 1.2 II 2 EUV I85 . Sie müssen diesen daher ... 1% WIe emen eIgenen vertreten . Ein besonderer Ausdruck der Bindungswirkung gemeinsamer Standpunkte ist gemäß Art. 1.2 III UA.I S.2 EUV die Verpflichtung der EU-Mitgliedstaaten, in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen flir die gemeinsamen Standpunkte einzutreten. Wenn dort nicht alle Mitgliedstaaten vertreten sind, setzen sich diejenigen, die dort vertreten sind, flir die gemeinsamen Standpunkte ein (Art. 1.2 III UA.2 EUV). Die Formulierung dieser Vorschrift ist gegenüber der EPZ-Regelung in Art. 30 Nr.7 lit.b EEA bestimmter. Die Mitgliedstaaten sollten danach "in vollem Umfang die im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit vereinbarten Standpunkte" "berücksichtigen". Auch hier ist die Sprache der GASP deutlicher geworden, was als Ausdruck des Willens zu bindenderer Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu sehen ist. Allgemeiner formuliert Art. 1.2 III UA.I S.l EUV, daß die Mitgliedstaaten ihr Handeln in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen koordinieren. Wenn es der Europäischen Union gelingt, eine geschlossene Haltung einzunehmen, kann sie mit ihrem politischen und wirtschaftlichen Gewicht eine wichtige Rolle in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen spielen l87 • So stellen die EU-Mitgliedstaaten z.B. in der Generalversammlung der Vereinten Nationen wegen eines hohen Koordinationsgrades ihres HandeIns ein etabliertes, flihrendes Element im UNEntscheidungsprozeß dar l88 • Gemeinsamen Initiativen in der GeneralversammSo auch Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (180). Günter Burghardt und Gerd Tebbe (EuR 1995, S. 1 (12)) sprechen daher von einem "Instrument der Selbstdisziplin". VgJ. dazu auch KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (151). 186 Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 136. BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (13). 187 Ebenso GrunertlLecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 31. 188 Stadler EG/EPZ in der UN-GV, S. 109. Die hohe Anzahl der EU-Koordinationssitzungen und Stellungnahmen ist ein Indiz für die Intensität und den hohen Kooperationsgrad der EU-Mitgliedstaaten. Während der 46. UN-Generalversammlung 184
185
78
C. Struktur der GASP
lung steht aber nach wie vor das Interesse der Mitgliedstaaten entgegen, innerhalb der Vereinten Nationen ein eigenständiges Profil zu bewahren. b) Gemeinsame Aktionen
Die Union verfolgt die Ziele der GASP gemäß Art. J.3 EUV durch die stufenweise Durchftihrung gemeinsamer Aktionen in den Bereichen, in denen wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen (Art. 1.1 III Spiegelstrich 2 EUV). Fraglich ist, was unter "stufenweise" iSo dieser Vorschrift zu verstehen ist. Der Allgemeine Rat von Briissel erklärte hierzu, daß die Vertragsparteien ein schrittweises Vorgehen wollten, an dessen Anfang wenige gemeinsame Aktionen stehen und dessen Umfang im Laufe der Zeit entsprechend der gemachten Erfahrungen erweitert wird l89 • Stufenweise heißt also, daß bei den gemeinsamen Aktionen, die seit Maastricht ein neues Mittel darstellen, auf den Erfahrungen aufgebaut werden soll. Der daraus entstehende GASP-acquis soll die Ausgangsbasis für weitere gemeinsame Aktionen bilden, so daß gemeinsame Gebiete immer größer werden. Zu dem Verfahren der gemeinsamen Aktion in seinen Einzelheiten siehe weiter unten Kapitel D.
2. Sonstige Verfahren a) Außenvertretung durch Vorsitz
Bei der Darstellung der vereinbarten Politik besteht die Gefahr, daß Dritte durch die Vielzahl von Sprechern, die ftir die Union nach außen hin auftreten können (Vorsitz, Kommission, einige oder gar alle Mitgliedstaaten), irritiert werden 190. Dem versucht der Unionsvertrag entgegenzuwirken, indem er im (1991) gab es über 300 Koordinationssitzungen und fast 120 gemeinsame Stellungnahmen (ebda., S. 112). 189 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 137. Diese Schlußfolgerungen des Allgemeinen Rates sind als Auslegungshilfen iSd. Art. 31 I, 11 lit.a WVRK im Hinblick auf die GASP-Bestimmungen zu sehen (siehe oben B.II.3.b.). 190 Auf das Problem der Vielzahl von Sprechern nahm Henry Kissinger 1970 Bezug, als er fragte: "Who speaks for Europe, who do I telephone?" (zitiert nach Wessei SEW 1995, S. 554 (559».
11. Verfahren der GASP
79
Vergleich zur EEA (vgl. Art. 30 Nr.7 und 10)191 die Rolle des Vorsitzes bei der Darstellung der Union stärkt 192 . Der Vorsitz vertritt die Union in Angelegenheiten der GASP (Art. J.5 I EUV). Die in Art. J.5 I EUV festgeschriebene Außenvertretung durch den Vorsitz haben die Staats- und Regierungschefs der damals neun EG-Mitgliedstaaten bereits im Dezember 1974 in Paris angelegt l93 • Dort bestimmten sie, daß der Vorsitz die Rolle des Sprechers wahrzunehmen hat und auf diplomatischer Ebene für die anderen Mitgliedstaaten auftritt. Über die Jahre wurde diese Aufgabe beständig weiterentwickelt. Die Außenvertretung durch den Vorsitz findet hauptsächlich in der bilateralen diplomatischen Tätigkeit seinen Ausdruck l94 . Der Vorsitz wird - wann immer dies angebracht ist - von der Troika unterstützt, wobei die Kommission an diesen Aufgaben in vollem Umfang beteiligt wird (Art. J.5 III, J. 9 EUV). Ein weiterer Bereich der Außen vertretung durch den Vorsitz ist der mit mehr als 30 Staaten und Regionen geführte politische Dialog l95 , der an Umfang beständig zugenommen hat l96 • Aber auch in internationalen Organisationen und
191 Zur Außen vertretung bei der EPZ siehe Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 20f. 192 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Dok AA,
S.137.
193 Kommunique der Konferenz der Staats- und Regierungschefs vom 10.12.1974 in Paris, Nr. 4, Dok AA, S. 55ff. (56). 194 Beispiel: Frankreich als damaliger Ratsvorsitzender forderte im Namen der Europäischen Union den schnellen Rückzug der türkischen Truppen aus dem Nordirak (,,Europäische Union fordert Rückzug", in: FAZ vom 6.4.1995 (Do.), Nr. 82, S. 4). 195 Verpflichtungen zum politischen Dialog bestehen gegenüber Drittstaaten und Staatengruppen. Diese sind: Albanien, ASEAN, Australien, Baltische Staaten, Blockfreie Staaten, China, EWRIEFTA, Golfkooperationsrat, Indien, Japan, Kanada, Malta, MOEL, Neuseeland, OAU, Pakistan, Rio Gruppe, Rußland, Südkorea, Türkei, Ukraine, USA, Zentralamerika und Zypern. Es handelt sich also um ein weltumspannendes Netz. Ein ,,kritischer Dialog" wurde mit dem Iran geführt. Siehe auch die Übersicht zu den Verpflichtungen im Rahmen des politischen Dialogs (Stand: 31.12.1994) bei Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (226) und die Übersicht im CFSP Forum 1996/3 und 4, S. 19 (Stand: Oktober 1996). 196 Vgl. Regelsberger JEI 1994/95, S.219 (225). Zu Ergebnissen und Planungen des politischen Dialogs vgl. beispielhaft die Schlußfolgerungen ER-Madrid (15.116.12.1995), Außenbeziehungen, BullBReg. Nr. 8 (30.1.1996), S. 68ff.
80
C. Struktur der GASP
auf internationalen Konferenzen wird der Standpunkt der Union grundsätzlich vom Vorsitz dargelegt (Art. 1.5 11 HS.2 EUV)197. Praktische, von den EUMitgliedstaaten vereinbarte Regeln ermöglichen es dem Vorsitz, bei Eröffnungen solcher Tagungen vor seinen EU-Partnern das Wort zu ergreifen l98 . Ist der Vorsitz in diesen Organisationen oder auf diesen Konferenzen nicht vertreten, so ist es die Aufgabe der dort vertretenen EU-Mitgliedstaaten oder der Kommission, den gemeinsamen Standpunkt darzulegen (Art. J.5 IV UA.2 S.2, J.5 III 2, J.9 EUV). Eine außen- und sicherheitspolitische Unionsidentität kann von Dritten nur dann wahrgenommen werden, wenn die übrigen EU-Mitgliedstaaten weitgehend auf ein eigenständiges Auftreten auf der internationalen Bühne verzichten l99 . Dies soll durch eine enge Abstimmung der EU-Mitgliedstaaten in allen wesentlichen Fragen gewährleistet werden. Ohne diese Abstimmung (häufig über COREU) wird der Vorsitz in wichtigen Fragen nicht tätig. In weniger wichtigen Fragen wird dem Vorsitz jedoch ein gewisser Handlungsspielraum zugestanden (marge de manoeuvre importante). Dabei hat er sich stets an den gemeinsamen Interessen zu orientieren, da der Vorsitz den anderen Mitgliedstaaten verantwortlich bleibt. Sollte der Vorsitz außerhalb der "gemeinsamen Linie" handeln, bleibt er den anderen EU-Mitgliedstaaten gegenüber verantwortlich2OO • b) Gegenseitige Unterrichtung über Fragen von gemeinsamem Interesse in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen
Die Pflicht der Mitgliedstaaten, in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen die GASP-Politik zu vertreten (vgl. Art. J.2 III, J.3 Nr.4 EUV), wird in Art. J.5 IV UA.I EUV wiederholt und um die Verpflichtung ergänzt, die dort nicht vertretenen Mitgliedstaaten laufend über alle Fragen von gemeinsamem Interesse zu unterrichten. Wegen Art. J.9 EUV ist auch die Kommission in diesen Informationsfluß mit einzubeziehen. 197 Seit 1975 spricht der jeweilige Vorsitz vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Namen der EGIEU-Mitglieder. Die Rede besteht aus zwei Teilen: zum einen GASP und zum anderen Gemeinschaftsangelegenheiten. Vgl. Chronologie der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) der Jahre 1969-1989 (zusammengestellt von Elfriede Regelsberger), in: Die EPZ in den achtziger Jahren: Eine gemeinsame Außenpolitik für Westeuropa?, Pijpers/RegelsbergerlWessels (Hrsg.), S. 333-438; Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 97; Nuttall EPC, S. 13; Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (187). 19R Schoutheete Präsidentschaft, S. 106. 199 So auch KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (157). 21XI Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995.
11. Verfahren der GASP
81
Speziell für den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bestimmt Art. 1.5 IV UA.2 S.1 EUV, daß sich die EU-Mitgliedstaaten, die dort auch Mitglied sind, abstimmen und die übrigen Mitgliedstaaten und die Kommission (Art. 1.9 EUV) in vollem Umfang unterrichten werden. Im Satz 2 heißt es, daß die Mitgliedstaaten, die ständige Mitglieder des Sicherheitsrates sind, sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben unbeschadet ihrer Verantwortlichkeiten aufgrund der Satzung der Vereinten Nationen für die Standpunkte und Interessen der Union einsetzen werden. Art. 1.5 IV UA.2 EUV unterscheidet die "Mitgliedstaaten, die auch Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen" sind (S. 1), von denjenigen "Mitgliedstaaten, die ständige Mitglieder" sind (S. 2). Großbritannien und Frankreich, als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Art. 23 I 2 SVN), sind also besonders dazu verpflichtet, sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben für die Standpunkte und Interessen der Europäischen Union einzusetzen; dies gilt jedoch nur "unbeschadet ihrer Verantwortlichkeiten aufgrund der Charta der Vereinten Nationen ... " (Art. 1.5 IV UA. 2 S.2 EUV). Dadurch wird die Verpflichtung Frankreichs und Großbritanniens beschränkt, sich für die Standpunkte und Interessen der Union einzusetzen. Ihnen wird die Freiheit gegeben, entgegen der Unionspolitik zu entscheiden, wenn sie einer Verantwortlichkeit aufgrund der Charta der Vereinten Nationen nachkommen müssen. Diese Interpretation wird gestützt durch Art. 103 SVN201 . Danach drückt Art. 1.5 IV UA.2 S.2 EUV eine Selbstverständlichkeit aus, soweit es sich um echte Verpflichtungen Frankreichs oder Großbritanniens im Rahmen der Vereinten Nationen handelt. Gleichwohl ist es selbst bei diesen Verpflichtungen nicht ausgeschlossen, daß sich die EUMitgliedstaaten "freiwillig" abstimmen und daß Frankreich und Großbritannien die Auffassungen der EU-Mitgliedstaaten berücksichtigen. Wo eine Verantwortlichkeit aufgrund der Charta der Vereinten Nationen der Unionspolitik entgegenstehen könnte, ist freilich nicht ersichtlich, da sich die Unionspolitik ja gerade an "den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen" orientiert (Art. 1.1 11 Spiegel strich 3 EUV). Eine dazu im Widerspruch stehende Politik der Europäischen Union ist nur schwer vorstellbar. Daher bedeutet die in Art. 1.5 IV UA.2 S.2 EUV formulierte Einschränkung, daß im Zweifel die nationalen Interessen dieser beiden Staaten im Sicherheits-
2UI Art. 103 SVN lautet: "Widersprechen sich die Verpflichtungen von Mitgliedern der Vereinten Nationen aus dieser Charta und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften, so haben die Verpflichtungen aus dieser Charta Vorrang."
6 Münch
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C. Struktur der GASP
rat der Vereinten Nationen Vorrang vor den Interessen der Union haben 202 • Frankreich und Großbritannien wollen sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht die Hände binden lassen203 • Daher waren lange Zeit Regeln tabu, die sich auf die Rolle Frankreichs und Großbritanniens im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bezogen204 • Zwar gab es in den zurückliegenden Jahren bereits den Trend, daß die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates im Kreis der EU-Mitgliedstaaten gelegentlich auf ihren Sonderstatus verzichteten und die Europäische Politische Zusammenarbeit berücksichtigten205 . Dies geschah aber ohne konkrete vertragliche Grundlage, also freiwillig. Mit der vorliegenden Bestimmung wird der Versuch unternommen, der mangelnden Abstimmung hinsichtlich der GASP im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 206 mit einer vertraglichen Regelung zu begegnen. Dies hat der Allgemeine Rat von Brüssel im Oktober 1993 bekräftigt, wonach sich Großbritannien und Frankreich stärker als bisher miteinander abstimmen sollen, um die Standpunkte und Interessen der Union zu verteidigen207 • Dem steht jedoch nach wie vor bei Frankreich und Großbritannien das Interesse entgegen, ihr politisches Eigengewicht und ihre besondere Verantwortung im System der Vereinten Nationen zur Geltung zu bringen 208 , was diesen beiden Staaten wegen des in Art. J.5 IV UA.2 S.2 EUV enthaltenen Schlupfloches auch möglich ist. c) Abstimmung der diplomatischen Dienste
Die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und die Delegationen der Kommission 209 in dritten Ländern und auf internationalen Konferenzen sowie ihre Vertretungen bei internationalen Organisationen
202 Diese Vermutung stellt auch Florika Fink-Hooijer an (in: EJIL 1994, S. 173 (188)). 203 Vgl. Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 101. 204 Nut/all EPC, S. 28. 205 Regelsberger Integration 1992, S. 83 (86f.). 206 Klaus-Dieter Stadler spricht sogar von der "Impotenz" der Europäischen Union im Sicherheitsrat (in: EG/EPZ in der UN-GV, S. 124). 207 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitliche Darstellung nach außen und stärkere Präsenz, Dok AA, S. 138. 208 Vgl. Stadler EG/EPZ in der UN-GV, S. 121. 209 Die Kommission unterhält inzwischen 120 Auslandsvertretungen (Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 20.9.1995).
II. Verfahren der GASP
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stimmen sich ab, um die Einhaltung und Umsetzung der vom Rat festgelegten gemeinsamen Standpunkte und gemeinsamen Aktionen zu gewährleisten. Sie verstärken ihre Zusammenarbeit, indem sie Informationen austauschen, gemeinsame Bewertungen vornehmen und sich an der Durchführung des Art. 8c EGV 210 beteiligen (Art. 1.6 EUV). Diese Vorschrift schließt an die Praxis zu EPZ-Zeiten an2l1 . Schon damals gab es eine Zusammenarbeit der Auslandsvertretungen der EG-Mitgliedstaaten sowie der Delegationen der Kommission in Drittländern und bei internationalen .. 212 OrgamsatlOnen . Die Delegationen werden im Unionsvertrag dazu verpflichtet, die Ausführung der GASP (Erklärungen und Demarchen sowie gemeinsame Standpunkte und Aktionen) vor Ort sicherzustellen (vgl. Art. 1.6 I EUV). Daneben übermitteln die Delegationen Einschätzungen und Analysen oder Strategien in bezug auf die politische Entwicklung 213 • Sie teilen diese Aufgaben mit den Auslandsvertretungen der Mitgliedstaaten214 . Die erforderlichen Koordinierungstreffen finden auf der Ebene der "HOMs" (Heads of Missions) statt. Diese Treffen werden von dem Missionschef geleitet, dessen Entsendestaat den Vorsitz im Rat führt 215 • Den Delegationen wird also neben ihrer traditionellen Aufgabe als AußendienststeIle der Kommission eine politische Aufgabe zugewiesen216 • 210 Art. 8c EGV gewährt diplomatischen und konsularischen Schutz für Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines dritten Staates, in dem sein Herkunftsland nicht vertreten ist, durch jeden anderen EU-Mitgliedstaat. 211 Vgl. Art. 30 Nr.9 EEA und den Beschluß der im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit versammelten Außenminister anläßlich der Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte am 28.2.1986, Zusammenarbeit der Vertretungen der Mitgliedstaaten und der Delegation der Kommission in Drittländern und bei internationalen Organisationen, Dok AA, 82ff. (84f.). 212 Nuttall EPC, S. 25ff.; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 97f. 213 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (191). 214 Ein Beispiel für die verbesserte Kooperation der Delegationen der Kommission und der diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten ist die direkte Beteiligung aller an der Umsetzung der vom Rat der Europäischen Union beschlossenen gemeinsamen Aktion zur Entsendung von Beobachtern zu den Parlamentswahlen in der Russischen Föderation (= technische Unterstützung für die Wahlen in Rußland), AbI. EG Nr. L 286/3 vom 20.11.1993 (93/604/GASP). Vgl. auch Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (191). 215 Vgl. den Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Verfahren für die Politische Zusammenarbeit in Drittländern, Dok AA, 59ff. (64). Gespräch mit einem EUBeamten in Brüssel am 20.9.1995. 216 Völkerrechtliche Handlungsb~fugnisse, die an spezifische Merkmale des Staates wie die Staatsangehörigkeit anknüpfen, können die Gemeinschaften wegen des Fehlens eines 'Staatsvolkes' jedoch nicht ausüben. Daher sind die Delegationen nicht zur Aus-
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C. Struktur der GASP
3. Gemeinsame Verteidigung a) Gemeinsame Verteidigung(spolitik)
Die GASP umfaßt sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte (Art. JA I EUV217 ). Entgegen dem Wortlaut des Art. JA I EUV diskutiert Torsten Stein eine grundsätzliche Kompetenz der Europäischen Union für eine gemeinsame Verteidigung 2l8 . Dafür spreche, daß der Titel V EUV keine übereinstimmende Terminologie aufweise. Alle Artikel dieses Titels müßten daher als Ganzes interpretiert werden. Die Gesamtbeurteilung mache aber klar, daß die Mitgliedstaaten der Union die Kompetenz für den gesamten Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik geben wollten. Die Formulierung des Art. JA EUV beruhe lediglich darauf, daß die Organisation einer gemeinsamen Verteidigung eine schwierige und langwierige Aufgabe sei. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Ihr ist entgegenzuhalten, daß die Europäische Union mangels Rechtsfähigkeit (siehe unten F.I.) nicht Kompetenzträger sein kann. Aber selbst wenn man eine Rechtsfähigkeit bejahte, gelangte man auch nach den vertraglichen Regelungen zu keinem anderen Ergebnis. Der Wortlaut des Art. JA EUV differenziert zwischen Verteidigungspolitik, gemeinsamer Verteidigung und Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen. Zwar beziehen sich alle Begriffe im weiteren Sinne auf "Verteidigung". Mit dem Hinweis auf eine uneinheitliche Terminologie läßt sich aber nicht die Unterschiedlichkeit der Begriffe übergehen2l9 . Zudem wird nur im Zusammenhang mit Fragen der Festlegung der gemeinsamen Verteidigungspolitik der Konjunktiv benutzt (Art. JA I a.E. EUV), was das offene Ende dieser Entwicklung verdeutlicht 220 • Weiterhin macht der Hinweis in Art. J.4 VI EUV auf eine
führung konsularischer oder diplomatischer Funktionen ieS. berechtigt. Insoweit prophezeit aber Thomas Oppermann gewisse Änderungen bei einer fortschreitenden Entwicklung zum "Europa der Bürger" (Europarecht, S. 619f. (RdNr. 1616». 217 Diese Vorschrift wiederholt die Formulierung des 9. Erwägungsgrundes der Präambel zum Vertrag über die Europäische Union und des Art. B S.1 Spiegelstrich 2 EUV. 218 Torsten Stein The Legal Framework of the European Security Policy, Vortrag (13.1.1995) anläßlich der EIsa-Konferenz in Passau vom 12.-15.1.1995 ("Prospects fOT a comrnon european defence policy"), S. 5f. und 7 (unveröffentlicht). 219 Vgl. Morgan How Comrnon will Foreign and Security Policies be?, S. 192. 220 Vgl. Jopp EU, WEU und NATO, S. 127.
II. Verfahren der GASP
85
mögliche Revision dieses Artikels anläßlich der Revisionskonferenz 1996 (vgl. Art. N 11 EUV) die Perspektive der Regelungen über die Verteidigungspolitik in Art. J.4 EUV deutlich. Demnach ist gerade die gemeinsame Verteidigung eine der wesentlichen Entwicklungsfragen der GASp 221 . Auch in der Erklärung Nr. 30 zur Westeuropäischen Union, die in der Schlußakte enthalten ist, sprechen die WEU-Mitgliedstaaten von einem "schrittweisen Prozeß mit mehreren aufeinanderfolgenden Phasen". Daraus läßt sich gerade nicht auf den Willen der Erklärenden schließen, der Union die Kompetenz auch für die Verteidigungspolitik zu geben. Für eine mangelnde Identität der Begriffe spricht schließlich, daß nach Art. J.4 11 1 EUV ausdrücklich Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen von der Europäischen Union der WEU vorgelegt werden können 222 . Von einer gemeinsamen Verteidigung(spolitik) ist hier nicht die Rede. Eine Zuständigkeit der Europäischen Union (iSd. der Gesamtheit der EUMitgliedstaaten) für die gemeinsame Verteidigung ist nach dem Unionsvertrag mithin derzeit in jedem Falle zu verneinen. Die gemeinsame Verteidigung(spolitik) gehört also noch nicht zu den Aktiva der GASP 223 . b) Maßnahmen mit verteidigungspolitischem Bezug
Bei Maßnahmen mit verteidigungspolitischen Bezügen handelt es sich um Situationen, in denen es um den Einsatz einerseits von Militär (außerhalb der Abwehr bewaffneter Angriffe) oder andererseits von Personen, die Hoheitsgewalt ausüben (insbesondere Polizei und Zoll), geht (siehe näher unten D.II.1.a.cc.). Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen können schon heute von der Europäischen Union der WEU vorgelegt werden. Dann "ersucht [die Union] die Westeuropäische Union (WEU) [ ... ] die Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, auszuarbeiten und durchzuführen" (Art. J.4 11 I EUV). Ein derartiges Ersuchen erfordert gemäß Art. J.8 11 UA.2 EUV einen einstimmigen Beschluß des Rates. Mit dem Wort "ersucht" in Art. J.4 11 I EUV ist klargestellt, daß der Rat gegenüber der WEU lediglich rechtlich unverbindliche Empfehlungen ausspre-
221
Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 61.
Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 37 (nicht veröffentlicht). Zu vergleichbaren Fragen bei der EPZ Serre Nationale Anpassung an die EPZ, S.247. 222 223
C. Struktur der GASP
86
chen kann224 • Daraus folgt jedoch zumindest ein entsprechendes Befassungsund Initiativrecht seitens der Union (iSd. der Gesamtheit der Mitgliedstaaten)225. Die Konstruktion des Art. JA 11 1 EUV bewirkt, daß die Initiative von der Europäischen Union ausgeht, während die WEU "ausfUhrendes Organ" ist. Dem korrespondiert im Anhang zum Unionsvertrag die Erklärung der WEUMitgliedstaaten, worin diese von Art. JA EUV Kenntnis nehmen und sich bereit erklären, dem jeweiligen Ersuchen der Union nachzukommen226 . Entsprechend unterscheidet die WEU selber ihrerseits zwischen dem Beitrag militärischer Einheiten der WEU-Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Verteidigung einerseits und zu sonstigen Zwecken (z.B. im Hinblick auf Art. JA 11 1 EUV) andererseits 227 • Sonstige Zwecke können demnach sein: der Einsatz militärischer Einheiten fUr humanitäre Aufgaben sowie Rettungseinsätze, fur friedenserhaltende Aufgaben und fUr Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung, einschließlich der Maßnahmen zur HerbeifUhrung des Friedens (PetersbergMissionen). Diese Zwecke korrespondieren weitgehend mit der Aufzählung des Rates "Allgemeine Angelegenheiten" in Brüssel am 26. Oktober 1993, der seinerseits in Zusammenhang mit Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen ausdrücklich auf die WEU Bezug genommen hat (siehe unten D.lI.I.a.cc.)228. Durch Rückgriff auf die WEU verfUgt die Europäische Union im verteidigungspolitischen Bereich damit auch jetzt schon über Handlungsmöglichkeiten, dies allerdings nur dann, wenn es um die Vorbereitung und DurchfUhrung von Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen geht229 . Die WEU ist insoweit der So schon Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 369. Vgl. Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 57 (nicht veröffentlicht). 226 Dies haben die WEU-Mitgliedstaaten immer wieder bekräftigt, z.B. anläßlich der Tagung des WEU-Ministerrates am 19.11.1996 in Oostende, Beziehungen zur Europäischen Union, BullBReg. Nr. 104 (17.12.1996), S. 1122. 227 Tagung des WEU-Ministerrates am 19.6.1992 auf dem Petersberg zu Bonn, Stärkung der operationellen Rolle der WEU (Abschnitt I1, Nr.4), BullBReg. Nr. 68 (23.6.1992), S. 652. 228 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. 146f. 229 Die Zusammenarbeit von WEU und Europäischer Union hat bislang folgendes erbracht: a) vor Inkrafttreten des Unionsvertrages: Kontrolle des Embargos gegen Serbien und Montenegro durch WEU-Schiffe und -Flugzeuge (auf der Donau und in der Adria) und b) nach Inkrafttreten des Unionsvertrages: Bereitstellung einer Polizeitruppe für die Verwaltung von Mostar. Hier wurde nicht direkt auf den Art. 1.4 11 EUV bezug genommen. Ein erster Anwendungsfall für Art. JA 11 EUV findet sich im AbI. EG Nr. L 312/3 vom 2.12.1996 (siehe Anhang I). 224
225
H. Verfahren der GASP
87
"militärische Arm" der Europäischen Union. Dies ist auch deswegen einsichtig, weil die Europäische Union nicht über eigene Truppen verfügt und eine eventuelle Zuweisung von Truppen der EU-Mitgliedstaaten oder anderer internationaler Organisationen nach dem Unionsvertrag nicht geregelt ise30 . Dabei handelt die WEU selbständig nach Maßgabe ihrer eigenen Beschlußfassungsverfahren, allerdings mit der (für sie unverbindlichen) durch den Rat genannten Auflage, im Einklang mit dem politischen Gesamtrahmen der Europäischen Union zu bleiben 231 • Dies wird jedoch faktisch dadurch gewährleistet, daß alle WEU-Mitgliedstaaten gleichzeitig EU-Mitglieder sind232 . Die Umsetzung der Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen gehört nicht zu dem Handlungsinstrumentarium der GASP. Die Union kann lediglich durch einstimmigen Beschluß die WEU (als selbständige Organisation) dazu ersuchen, Entscheidungen und Aktionen der Union auszuarbeiten und durchzuführen. Als irreführend muß nach alledem der Wortlaut des Art. J.4 11 1 EUV angesehen werden, wonach es sich um "Entscheidungen und Aktionen der Union" handelt, die "verteidigungspolitische Bezüge haben". Denn die Union ist danach nominell Handlungsträger der Entscheidungen und Aktionen, kann sich aber nicht eigener Handlungsmittel, insbesondere der gemeinsamen Aktion, bedienen. Vielmehr hat sie, soweit es um Aktionen geht, mit diesen Fragen eine eigenständige, außerhalb der Europäischen Union stehende Organisation zu befassen.
c) Sonderregelungen
aa) Art. J.4 IV HS.l EUV Gemäß Art. J.4 IV HS.l EUV berührt die Unionspolitik nach dem Art. J.4 EUV nicht den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten. Aus der Entstehungsgeschichte läßt sich herleiten, daß diese Klausel Irland die Beibehaltung seiner Neutralitätspolitik im Rahmen der GASP erlauben soll233 .
Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 42f. (nicht veröffentlicht). Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. 147. 232 Eine Übersicht zu den WEU-Mitgliedstaaten enthält CFSP Forum 1994/3, S. 5. Zum Vergleich finden sich dort ebenfalIs die Mitgliedschaften in alIen anderen wichtigen europäischen Organisationen. 230
231
88
C. Struktur der GASP
Auch die noch relativ jungen234 bzw. zukünftigen Beitrittsstaaten können sich auf diese Klausel berufen. Dies geht schon aus dem Wortlaut dieser Sonderregelung hervor, der allgemein nur von "bestimmten Mitgliedstaaten" spricht. Danach ist die Anwendung dieser Vorschrift auf die Mitgliedstaaten nicht ausgeschlossen, die erst nach Abschluß des Unionsvertrages Mitglied der Union werden. Wenn diese Ausnahme auf spezielle Mitgliedstaaten hätte begrenzt werden sollen, hätte dies seinen Ausdruck im Wortlaut finden müssen 235 . Art. JA IV HS.l EUV bezieht sich auf die "Politik der Union nach diesem Artikel". Damit sind nur Verteidigungsfragen (gemeinsame Verteidigung(spolitik) und Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen) erfaßt. Eine erweiterte Anwendung auf sonstige Handlungsbereiche der Union außerhalb von Art. JA EUV im Rahmen der GASP scheidet aus 236 • Aus der Entstehungsgeschichte leitet Horst Fischer her237 , daß Art. JA IV HS.l EUV ausschließlich auf die Neutralitätspolitik bestimmter Mit-
gliedstaaten gerichtet sei. Diese Schlußfolgerung gibt der Wortlaut jedoch nicht her. Auch hier hätte eine derartige, umfassende Beschränkung seinen Ausdruck in der Formulierung der Vorschrift finden müssen. Darin ist aber von dem "besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten" die Rede. Darunter fällt auch die Nuklearpolitik Frankreichs und Großbritanniens. Art. JA IV HS.l EUV ermöglicht es also diesen beiden EUMitgliedstaaten, ihre besondere Atomwaffenpolitik fortzusetzen 238 . Folglich können die Atomwaffen Großbritanniens und Frankreichs wegen Art. JA IV HS.l EUV auch im Rahmen einer gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik unter nationaler Kontrolle bleiben. Die in dieser Vorschrift steckenden Möglichkeiten für Sonderwege können sich derzeit aber nur bedingt entfalten, da die gemeinsame Verteidigung und die gemeinsame Verteidigungspolitik noch keine Aktiva der GASP sind.
233 Ebenso Grunert/Lecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 5; Regelsberger Integration 1992, S. 83 (84 und 87); Klein/Haratsch DÖV 1993, S. 785 (796); Tebbe EU und GASP, S. 98. 234 Österreich, Finnland und Schweden. 235 So auch Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 68f. (nicht veröffentlicht). 236 Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 68 (nicht veröffentlicht). 237 Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 69 (nicht veröffentlicht). m So auch Grunert/Lecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 5; Tebbe GASP, S. 72.
II. Verfahren der GASP
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bb) Art. J.4 IV HS.2 EUV Eine weitere Ausnahmeregelung enthält Art. J.4 IV HS.2 EUV. Danach hat die Union die Verpflichtungen einiger Mitgliedstaaten aus dem Nordatlantikvertrag zu achten. Die Unionspolitik muß ferner mit der in jenem Rahmen festgelegten gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vereinbar sein. Damit wird der NA TO-Politik Vorrang eingeräumt239 .
cc) Art. J.4 V EUV Art. J.4 V EUV gestattet, daß neben der vereinbarten sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit auch eine engere Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten möglich ist, soweit sie der GASP nicht zuwiderläuft und diese nicht behindert. Diese Regelung ist von Bedeutung etwa für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit in dem gemeinsamen Korps in Münster sowie für die militärische Kooperation mehrerer EU-Staaten, die in der Bildung des Euro-Korps ihren sichtbaren Ausdruck fand 240 .
dd) Sonderregelungen für Dänemark Dänemark beteiligt sich nach dem Beschluß des Europäischen Rates von Edinburgh 241 nicht an der Ausarbeitung und Durchführung von Beschlüssen und Maßnahmen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben. Dänemark ist aber im Gegenzug dazu verpflichtet, die anderen Mitgliedstaaten nicht an der Entwicklung einer engeren Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu hindern. Gleichzeitig hat Dänemark auf sein Recht verzichtet, den Vorsitz zu übernehmen, wenn es um die Ausarbeitung und Durchführung von Beschlüs-
So auch Tebbe GASP, S. 72. Siehe zum Euro-Korps näher Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 376ff.; Mahncke CFSP Forum 1995/1, S. 4f.; GrunertlLecureuil Perspektiven ftir eine GASP, S. 18ff. 241 Die Sonderregelungen hat der Europäische Rat von Edinburgh am 11. und 12.12.1992 beschlossen, um ein erneutes Referendum der Dänen zu dem Vertrag über die Europäische Union zu ermöglichen. Sie sind abgedruckt in seinen Schlußfolgerungen, Teil B: Beschluß der im Rat vereinigten Staats- und Regierungschefs zu bestimmten von Dänemark aufgeworfenen Problemen betreffend den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere Abschnitt C: Verteidigungspolitik, BullBReg. NT. 140 (28.12.1992), S. I 289ff. (= AbI. EG NT. C 348 vom 31.12.1992, S. 1 bis 3). 239 240
C. Struktur der GASP
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sen und Maßnahmen der Union mit verteidigungspolitischen Bezügen geht. In diesem Fall gelten die normalen Regeln rur die Ersetzung des Vorsitzes im Falle seiner Verhinderung. Dies gilt auch für die Außenvertretung der Union. Der Europäische Rat von Edinburgh sah die dänische Erklärung als Vorbehalt an (vgl. Art. 19ff. WVRK), der mit der Edinburgh-Erklärung begegnet wurde 242 . Ein Vorbehalt ist eine von einem Staat bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung eines Vertrages abgegebene einseitige Erklärung, durch die der Staat bezweckt, die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf diesen Staat auszuschließen oder zu ändern; die Formulierung oder Bezeichnung der Erklärung ist unerheblich (vgl. Art. 2 I lit.d WVRK). Durch diesen Vorbehalt werden die Rechtswirkungen zu verteidigungspolitischen Fragen bei der Anwendung des Unionsvertrages in bezug auf Dänemark ausgeschlossen (vgl. Art. 21 I WVRK). Die Wertung als Vorbehalt ergibt sich daraus, daß die dänische Erklärung als Begleitdokument der Ratifikationsurkunde angesehen worden ist. So heißt es in dem Beschluß von Edinburgh, daß der Europäische Rat die Ratifikation und das Inkrafttreten des Unionsvertrages ohne Neuverhandlungen des bestehenden Textes beabsichtigte 243 • Demzufolge habe sich der Europäische Rat auf Absprachen verständigt, die mit dem Vertrag vereinbar seien und ausschließlich fur Dänemark gelten, nicht aber fur andere Mitgliedstaaten. Weiter heißt es dort, daß die für Dänemark bestehenden Sonderprobleme im Einklang mit dem Unionsvertrag zu regeln seien. Der Europäische Rat habe von den einseitigen Erklärungen, die Dänemark abgegeben hat und die seiner Ratifikationsurkunde beigefügt wurden, Kenntnis genommen. Diese Sonderregelungen enthalten jedoch keine Blockierungsmöglichkeit für Dänemark hinsichtlich der GASP, da sich Dänemark verpflichtet hat, nicht die Zusammenarbeit der anderen Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet, z.B. ein Ersuchen an die WEU gemäß Art. JA 11 1 EUV, zu verhindern 244 • Die WEU wiederum arbeitet unabhängig und nach ihrem eigenen Beschlußfassungsverfahren die Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen aus und führt diese
Ebenso Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 29 (nicht veröffentlicht). Schlußfolgerungen ER-Edinburgh (11./12.12.1992), Teil B, BullBReg. NT. 140 (28.12.1992), S. 1289f. (= AbI. EG Nr. C 348/1-2 vom 31.12.1992). 244 V gl. als Beispiel die Erklärung der dänischen Delegation im Anschluß an die gemeinsame Aktion über Antipersonenminen (AbI. EG NT. L 260/1 vom 12.10.1996 (96/588/GASP) - siehe Anhang I). Darin erklärt Dänemark, daß der dargelegte Standpunkt "dem Erlaß entsprechender Entscheidungen des Rates [gemäß Art. J.4 II EUV] somit nicht im Wege" steht. 242 243
II. Verfahren der GASP
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auch durch. Da Dänemark bei der WEU nur Beobachter und eben kein Mitglied ist, nimmt es auch nicht an dem Entscheidungsprozeß innerhalb der WEU teil 245 • Folglich kann es auch keine Entscheidungen innerhalb der WEU blokkieren.
245
Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (196f.).
D. Die gemeinsame Aktion I. Inhalt Die gemeinsame Aktion ist das Handlungsmittel der GASP. Sie soll die gemeinsame Politik geschlossener und handlungsorientierter gestalten. Schon Art. 30 Nr.2 lit.a EEA sah vor, daß sich die Mitgliedstaaten einander in allen außenpolitischen Fragen von allgemeinem Interesse zu unterrichten und zu konsultieren hatten, um u.a. mit der "Durchftihrung gemeinsamer Maßnahmen ihren gemeinsamen Einfluß so wirkungsvoll wie möglich" auszuüben. Dieses Konzept wurde zu EPZ-Zeitenjedoch nicht zu einem wirklich funktionsfähigen Instrument ausgebaut. EPZ-Maßnahmen waren nämlich nicht verpflichtend und mußten prinzipiell auf der zuständigen nationalen Ebene umgesetzt werden I. Die EPZ konzentrierte sich auf das Abstimmen der einzelstaatlichen Politiken2 • Zwar handelten die Zwölf damals auch zusammen3, aber das war ungewöhnlich. Erstmals ist mit der gemeinsamen Aktion ein Verfahren vorhanden, das regelt, wie die Mitgliedstaaten zu gemeinsamem Vorgehen gelangen können4 • Dieses Verfahren begründet daher eine der wesentlichsten Neuerungen und eines der wichtigsten Aktiva der GASP 5. Im Zusammenhang mit der gemeinsamen Aktion wird häufig von einem Instrument der GASP gesprochen. Diese Bezeichnung ist jedoch mißverständlich und bedarf daher näherer Erläuterung. Bei der gemeinsamen Aktion handelt es sich nämlich nicht um ein Instrument, das schlechterdings zur Lösung außen- und sicherheitspolitischer Fragen Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (181). Vgl. zum EPZ-Instrumentarium die Auflistung bei Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 39ff. Danach waren EPZ-Maßnahmen: Erklärungen, Demarchen, Missionen auf Ministerebene, Textvorschläge in Gremien (etwa KSZE) und Sanktionen (= Abbruch politischer Kontakte oder Wirtschaftssanktionen einschließlich finanzieller Maßnahmen). 3 Z.B. bei der Errichtung einer "European Community Monitoring Mission" (ECMM) im ehemaligen Jugoslawien. Siehe dazu Ryba RMCUE 1995, S. 14 (17); Jagow Integration 1993, S. 225 (227); ders. Krisenmanagement, S. 88. 4 Vgl. Hurd JA 1994, S. 421 (425); Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (174). 5 Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (180); Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 452; ders./Lecureuil Perspektiven für eine GASP, S. 7. I
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1. Inhalt
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eingesetzt werden könnte. Es ist eben kein kategorisiertes Instrument, wie z.B. eine Demarche. Ihre jeweiligen Inhalte können vielmehr unterschiedlicher Natur sein und u.u. sogar ein ganzes Bündel von Maßnahmen enthalten. Art. 1.3 EUV regelt ein Verfahren zwischenstaatlicher Zusammenarbeit, an dessen Ende der Beschluß einer gemeinsamen Aktion (mit jeweils unterschiedlichem Inhalt) stehen kann. Auch Art. 1.3 und J.4 III EUV sprechen selber von einem "Verfahren". Bei der Bezeichnung "gemeinsame Aktion" ist also zu unterscheiden: zum einen ist damit das Verfahren iSd. Unionsvertrages gemeint und zum anderen bezeichnet es das Ergebnis dieses Verfahrens, einen konkreten Beschluß. Zunächst wird der mögliche Inhalt einschließlich der mit dem Verfahren verfolgten Zweckrichtung des Beschlusses einer gemeinsamen Aktion untersucht. Im nächsten Kapitel (D.lI.) wird das Beschlußverfahren rur gemeinsame Aktionen behandelt. Der Vertragstext läßt offen, was Gegenstand gemeinsamer Aktionen sein kann. Nach der Wortbedeutung ist darunter ein Handeln zu verstehen, das von allen gemeinsam unternommen wird6 • Der Europäische Rat von Lissabon? definierte die gemeinsame Aktion als ein Mittel, mit dem die Union ihre Politik zu einer spezifischen Frage im Rahmen der GASP festlegt und durchführt. Das kann eine gemeinsame Politik oder eine spezifische Handlung sein. Daher ist die gemeinsame Aktion ein flexibles Mittel, das geeignet ist, sowohl der schnellen Antwort auf eine plötzliche politische Krise als auch einer mittel- bis langfristig angelegten Politik zu dienen8 • Dabei sind die gemeinsamen Aktionen rur die Mitgliedstaaten bindend, Art. 1.3 Nr.4 EUV. Da gemeinsame Aktionen völkerrechtlicher Natur sind (siehe unten D.V.), richtet sich die Bindungswirkung nach dem Völkerrecht. Versucht man mit Blick auf die Praxis eine Definition, so steht man vor einem vielfältigen und uneinheitlichen Bild: die beschlossenen gemeinsamen Aktionen9 reichen von Ad-hoc-Maßnahmen wie der Beobachtung und Unterstützung von Wahlen über Rechtsvorschriften (z.B. Kontrolle der Güter mit
6 Noch konkreter ist der niederländische Wortlaut. Dort ist von "gemeenschappelijk optreden" die Rede (nach Art. S EUV ist u.a. niederländisch authentischer Vertragstext). 7 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I: Bericht des Rates an den Europäischen Rat, Dok AA, S. 125. Die Erklärungen des Europäischen Rates nach Abschluß aber vor Inkrafttreten des Unionsvertrages sind gemäß Art. 31 I, 11 lit.a WVRK als Auslegungshilfen für die GASP-Bestimmungen zu werten (siehe oben B.II.3.b.). 8 So auch Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (181). 9 Siehe zu den gemeinsamen Aktionen der Europäischen Union Anhang 1.
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D. Die gemeinsame Aktion
doppeltem Verwendungszweck) und Diplomatie (Stabilitätspakt, Atomwaffensperrvertrag, etc.) bis hin zum Einsatz von substantiellen Ressourcen (z.B. humanitäre Hilfe flir Bosnien-Herzegowina, Verwaltung von Mostar). Jede gemeinsame Aktion kann ein Bündel von einzelnen Maßnahmen enthalten (Personal-, Geld- und Sachmittel, Rechtsvorschriften, Demarchen bis hin zu Initiativen flir völkerrechtliche Abkommen). Ihr Inhalt ist aber in jedem Falle wegen Art. JA III EUV - politischer (und nicht etwa militärischer) Art. Während die gemeinsame Aktion der Europäischen Union ein Mittel zum gemeinsamen Handeln geben soll, bezweckt ein gemeinsamer Standpunkt die Koordinierung nationaler Außenpolitiken (was auch Inhalt der EPZ war). Die jeweilige "einzelstaatliche Politik" soll mit dem gemeinsamen Standpunkt im Einklang stehen (Art. 1.2 II UA.2 EUV). Demgegenüber bewirkt die gemeinsame Aktion, daß die nationalen Außenpolitiken zu einem gemeinsamen Handeln der Union (bestehend aus den Mitgliedstaaten) verbunden werden. Dabei tritt die Union als Handlungsträger in den Vordergrund (ohne jedoch selbst mit Rechtspersönlichkeit ausgestattet zu sein, siehe unten Kapitel F). Diese Unterscheidung der Verfahren geht auch aus der Formulierung des Art. J.1 III EUV hervor. Danach ist der gemeinsame Standpunkt das Ergebnis "einer regelmäßigen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei der Führung ihrer Politik"IO (Art. J.l III Spiegelstrich 1 EUV). Demgegenüber dient die gemeinsame Aktion der Union zur Verfolgung der GASP-Ziele (Art. 1.1 III Spiegelstrich 2 EUV). Sowohl bei der Aktion als auch beim Standpunkt tritt die Union nach außen hin auf (so wird es auch von Dritten empfunden). Nur im "Innenverhältnis" bewirkt der gemeinsame Standpunkt die Koordinierung der einzelstaatlichen Politiken, während die gemeinsame Aktion die außenpolitischen Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zu einem Handeln der Union zusammenfaßt. In der Praxis wurden die Grenzen zwischen diesen beiden Verfahren jedoch (leider) nicht immer beachtee I. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die gemeinsame Aktion ein für die Mitgliedstaaten bindendes, politisches Handlungsmittel der Europäischen Union ist. Die gemeinsame Aktion, bei der die Union - im Sinne der Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten - als Handlungsträger auftritt, steht außerhalb der GeHervorhebung v. Verf. Das Verfahren der gemeinsamen Aktion sollte entsprechend seiner Bestimmung besser genutzt werden: für Beschlüsse bei wichtigen gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten mit einem deutlichen handlungsorientierten Charakter sollte stets das Verfahren des Art. 1.3 EUV gewählt werden und nicht ein gemeinsamer Standpunkt wie im Falle der Ukraine, Ruanda und Burundi (so auch WesseI SEW 1995, S.554 (576); RegelsbergerJEI 1994/95, S. 219 (221». 10
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H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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meinschaftsrechtsordnung, sie ist völkerrechtlicher Natur. Sie bezweckt die Bewältigung einer bestimmten außen- und/oder sicherheitspolitischen Situation durch eine gemeinsame Politik oder eine spezifische Handlung der Union. Hierzu legt sie die Ziele und die zur Verfügung zu stellenden Mittel fest. Daher kann sie ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Mitteln umfassen. Die gemeinsame Aktion soll aktiv gestaltend wirken und nicht nur eine Reaktion auf außen- und sicherheitspolitische Ereignisse sein.
11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion Auf Initiative der EU-Mitgliedstaaten oder der Kommission (Art. 1.8 III EUV) beschließt der Rat auf der Grundlage allgemeiner Leitlinien des Europäischen Rates und unter (nicht rechtsverbindlicher) Berücksichtigung der Auffassungen des Europäischen Parlamentes (vgl. Art. J.7 EUV) die gemeinsamen Aktionen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik (Art. J.3 Nr.1 EUV). Die Kommission hat bei dem Annahmebeschluß kein Stimmrecht. Im einzelnen gilt folgendes Verfahren: 1. Anwendungsbereich
a) Sachlicher Anwendungsbereich
aa) Frage der Außen- und Sicherheitspolitik Eine gemeinsame Aktion kann nur in den Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik angenommen werden (Art. 1.3 EUV). Durch Außenpolitik werden Interessen des Politikträgers gegenüber dem internationalen Umfeld wahrgenommen. Dazu gehören sowohl die Reaktion auf von außen kommende Einflüsse und Handlungen als auch die von eigenen Interessen bestimmte Einwirkung auf die Umwelt. Außenpolitik erschöpft sich nicht in einzelnen Handlungen, sondern unterliegt in der Regel einer Gesamtstrategie. Die verschiedenen Mittel der Außenpolitik orientieren sich an der jeweiligen Interessenlage l2 • Sicherheitspolitik strebt die Gewährleistung von Leben, Werten und Ordnung an. Sie hat zur Aufgabe, den Bestand und die Werte einer Gemeinschaft aufrechtzuerhalten. Auf einen Staat bezogen heißt dies, daß er durch den Ab-
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Vgl. Seide/mann, in: Handwörterbuch Internationale Politik, S. 37.
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D. Die gemeinsame Aktion
schluß von Verträgen oder Bündnissen, Entspannungs- und Abrüstungsmaßnahmen oder mit Hilfe militärischer Streitkräfte den Schutz seines Territoriums und der Interessen seiner Bürger vor Bedrohung von außen gewährleisten muß. Sicherheitspolitik umfaßt die politischen Ziele, Strategien und Mittel, die der Kriegsverhinderung unter Wahrung der Fähigkeit zur politischen Selbstbestimmung dienen 13. Sicherheit ist nicht mehr in erster Linie eine militärische Aufgabe. Es stehen zunehmend politische, wirtschaftliche, soziale, ethnische, religiöse und andere nicht-militärische Faktoren wie z.B. Ökologie im Vordergrund!4. Während die (europäische) Außenpolitik bereits zu EPZ-Zeiten in vollem Umfang Gegenstand der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit war (vgl. Art. 30 Nr.l EEA), war dies bei der Sicherheitspolitik nur zum Teil der Fall. Art. 30 Nr.6 lit.a EEA begrenzte den sachlichen Anwendungsbereich der Sicherheitspolitik auf die "politischen und wirtschaftlichen Aspekte". Titel V EUV läßt demgegenüber keine Zweifel daran, daß nunmehr alle Sicherheitsaspekte erfaßt sind!5. Angesichts der allenfalls theoretischen Abgrenzbarkeit von außen- und sicherheitspolitischen Fragen ist diese Neuerung des Unionsvertrages für die Praxis von großer Bedeutung!6. Der Beschluß, neben der Außenpolitik sämtliche Fragen der Sicherheit aufzunehmen, wurde im Vorfeld des Unionsvertrages getroffen und ergab sich aus dem veränderten Kräfteverhältnis in Europa nach der Vereinigung Deutschlands und der Rückkehr der Länder Mittel- und Osteuropas zur Demokratie. Es wurde deutlich, daß die vorhandenen Strukturen der NATO und OSZE auf mögliche neue Situationen in Europa nicht angemessen reagieren können!? Vgl. Woycke, in: Handlexikon zur Politikwissenschaft, S. 447. RummelISIA 1993/4, S. 17 (18); Jopp EU, WEU und NATO, S. 130; Kinkel Europäische Außenpolitik, FS Stercken, S. 18f. und 21; "Alte Bekenntnisse verlangen nach neuen Begründungen", Wolfgang Ischinger und RudolfAdam, in: FAZ vom 17.3.1995 (Fr.), NT. 65, S. 9. 15 Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, DokAA, S. 135; HurdIA 1994, S.421 (425); TorstenStein The Legal Framework ofthe European Security Policy, Vortrag (13.1.1995) anläßlich der Eisa-Konferenz in Passau vom 12.-15.1.1995 ("Prospects for a common european defence policy"), S. 4 (unveröffentlicht). 16 KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (148). Vgl. auch Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (194). 17 Europa in einer Welt im Wandel - Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Reihe: "Europäische Dokumentation", 1993, S. 17. Torsten Stein vermutet darüber hinaus, daß die Sicherheitspolitik hinzugefügt worden ist, um dem "unguten" Gefühl einiger Partner Deutschlands bei dessen Vereinigung am 3. I O. I 990 zu begegnen. Durch europäische Einbindung sollte der Machtzuwachs 13
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11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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Im Titel V EUV wird der Begriff der Sicherheit in zweierlei Hinsicht benutzt: gemeinsame (oder europäische) Sicherheit und internationale Sicherheit mit (vorrangiger) Wirkung außerhalb der Europäischen Union. In Art. 1.1 11 Spiegelstrich 3 EUV wird auf die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen verwiesen, was auf den Sicherheitsbegriff iSo einer weltweiten Friedenssicherung hindeutet (internationale Sicherheit). Demgegenüber bezieht sich Art. J.4 I und III sowie Art. J.l 11 Spiegelstrich 1 und 2 EUV auf die Interessen und die Sicherheit der Union (gemeinsame Sicherheit). Bei gemeinsamer Sicherheitspolitik geht es im besonderen darum, Risiken und Unsicherheiten, die die territoriale Unversehrtheit und die politische Unabhängigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten, ihre demokratische Verfassung, die Stabilität ihrer Wirtschaft und die Stabilität ihrer Nachbarregionen gefahrden könnten, zu verringern l8 . Die internationale Sicherheitspolitik der Europäischen Union will darüber hinaus den Interessen der Völkergemeinschaft im allgemeinen dienen l9 . Damit ist die internationale Sicherheit iSo der Sicherung des Weltfriedens gemeint. Erfaßt sind damit Maßnahmen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen (vgl. Art. 1 Nr.l SVN). Art. J.4 EUV hat eine gemeinsame, europäische Sicherheitspolitik zum Inhalt. Hier sind gemeinsame Aktionen nicht möglich (Art. J.4 III EUV). Dahingegen eröffnet Art. J.3 iVm. Art. J.l 11 Spiegelstrich 3 EUV den sachlichen Anwendungsbereich für gemeinsame Aktionen in bezug auf eine weltweite Friedenssicherung. Zu diesem Zweck können gemeinsame Aktionen beschlossen werden. Entsprechend hat der Europäische Rat von Lissabon in bezug auf die (internationale) Sicherheitspolitik der Europäischen Union vier Bereiche ange-
Deutschlands kompensiert werden (Torsten Stein The Legal Framework of the European Security Policy, Vortrag (13.1.1995) anläßlich der EIsa-Konferenz in Passau vom 12.15.1.1995 ("Prospects for a common european defence policy"), S. 6 (unveröffentlicht». Vgl. auch KleiniHaratsch DÖV 1993, S. 785 (798); Rummel ISIA 1993/4, S. 17 (20). IX Schlußfolgerungen ER-Briissel (29.10.1993), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. 150; Schlußfolgerungen AR-Briissel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 135. 19 Schlußfolgerungen ER-Briissel (29.10.1993), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. 150.
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D. Die gemeinsame Aktion
geben, die Gegenstand gemeinsamer Aktionen sein können20 • Dazu zählt der OSZE-Prozeß, die Politik der Abriistung und Rüstungskontrolle in Europa (einschließlich der vertrauensbildenden Maßnahmen), die Nichtverbreitung von Atomwaffen und chemischen Produkten und schließlich die wirtschaftlichen Aspekte der Sicherheit, insbesondere die Überwachung des Transfers militärischer Technologie an Drittländer und die Überwachung der Waffenexporte. Der Allgemeine Rat von Briissee 1, dessen Schlußfolgerungen der Europäische Rat von Briissel am 29. Oktober 1993 gebilligt hat (siehe oben B.n.3.b.), nennt ergänzend das Krisenmanagement und die Förderung der Grundsätze der Vereinten Nationen 22 . Von der Außen- und Sicherheitspolitik iSd. Titels V EUV sind die Gegenstände ausgeschlossen, die dem 1. und dem 3. Pfeiler unterfallen23 • Für den 3. Pfeiler ergibt sich das schon aus der inhaltlichen Abgrenzung der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres zur Außen- und Sicherheitspolitik (vgl. Art. K.l EUV). Mit Blick auf den 1. Pfeiler folgt dies aus Art. M EUV [Unberiihrtheitsklausel]. Demnach darf die GASP nicht den (personellen, sachlichen, räumlichen und zeitlichen) Geltungsbereich der drei Gemeinschaftsverträge mit Ausnahme der in Art. M EUV genannten Vorbehalte beeinflussen, weder erweiternd noch einengend 24 • Gemeinschaftsangelegenheiten sollen nicht im 2. Pfeiler geregelt werden. Diese Auffassung wird gestützt durch den Wortlaut des Art. C n EUV. In seinem ersten Satz wird unterteilt zwischen Maßnahmen im Rahmen der "Außen-, Sicherheits-, Wirtschaftsund Entwicklungspolitik". Die Außen- und Sicherheitspolitik der EUMitgliedstaaten innerhalb der GASP ist also zu unterscheiden von der (Außen)Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschafes. Wenn Art. 1.3 EUV von der Außen- und Sicherheitspolitik spricht, so sind damit nur die Fragen der klassischen Außen- und Sicherheitspolitik gemeint und eben nicht die (Außen)Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft. 20 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, IV. Bereiche der Sicherheit, Dok AA, S. 132. Vgl. auch Hurd IA 1994, S. 421 (426). In Maastricht nannte man diesen Katalog die Asolo-Liste (nach einem Ort in der Nähe von Venedig). Die Asolo-Liste, die unter italienischem Vorsitz entstand, wurde in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon übernommen. Vgl. auch Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 457; Tebbe GASP, S. 71. 21 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 135. 22 Zu gemeinsamen Aktionen im Bereich internationaler Sicherheit siehe Anhang I. 23 Vgl. auch Wessei SEW 1995, S. 554 (558). 24 Vgl. Klein Handkommentar EUV/EGV, Art. M, RdNr. 5. 25 Vgl. auch BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (8).
H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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Das heißt aber nicht, daß es keine "Brücken" zwischen den Pfeilern gibt, wie Art. 228a EGV zeigt. Bei dieser Vorschrift bildet ein GASP-Beschluß die Voraussetzung für einen in der Kompetenz der EG liegenden Sanktionsbeschluß. Einen dementsprechenden (d.h. wirtschaftspolitischen) Inhalt hat auch der zugrundeliegende GASP-Beschluß, so daß dieser ebenfalls Gemeinschaftszuständigkeiten berührt. Dieser GASP-Beschluß selber vermag es aber nicht, rechtswirksam die Sanktionen zu beschließen. Hierfür bleibt ein EG-Rechtsakt (1. Pfeiler) erforderlich26 .
bb) Inhaltliche Vorgaben durch den Europäischen Rat Der Europäische Rat von Lissabon hat den in bezug auf die traditionelle Außen- und Sicherheitspolitik sachlich unbeschränkten Anwendungsbereich präzisiert27 : der Gegenstand einer gemeinsamen Aktion muß demnach notwendig erweise den in Art. B und insbesondere in Art. J.l 11 EUV genannten Zielen der Union entsprechen (1), den Besitzstand der Union berücksichtigen (2) und schließlich mit anderen Aktionen und Positionen der Union vereinbar bleiben (3). (1) Ziele der Union Die in Art. B S.1 Spiegelstrich 2 und 1.1 11 EUV ausformulierten GASPZiele sind gegenüber der EPZ neu28 . Nur in der Präambel der EEA wurden einige Punkte kursorisch und knapp aufgeführt29 • Gemäß Art. B S.l Spiegelstrich 2 EUV zielt die GASP auf die Behauptung der Unionsidentität auf internationaler Ebene ab 30 . Dieses sehr allgemeine Ziel wird durch die in Art. J.l 11 EUV genannten Ziele konkretisiert. Siehe näher unten E.II.3. Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26.127.6.1992), Anlage I, H. Rahmen, Dok AA, S. 125. Diese Erklärung des Europäischen Rates vor Inkrafttreten aber nach Abschluß des Unionsvertrages ist als Auslegungshilfe gemäß Art. 3 I I, H lit.a WVRK im Hinblick auf die GASP-Bestimmungen anzusehen (siehe oben B.II.3.b.). 28 VgJ. KleinlHaratsch DÖV 1993, S.785 (796); Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 60; BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (7). 29 So hieß es im fünften Erwägungsgrund der Präambel zur EEA: " ... für die Grundsätze der Demokratie und die Wahrung des Rechts und der Menschenrechte einzutreten ... " sowie" ... ihren eigenen Beitrag zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit zu leisten". 30 VgJ. hierzu HilflPache. in: GrabitziHilf, Art. B, RdNr. 10. 26
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Ziel der GASP ist demnach die Wahrung der gemeinsamen Werte, der grundlegenden Interessen und der Unabhängigkeit der Union (Art. J.l II Spiegelstrich 1 EUV). Die GASP soll der Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten in allen ihren Formen dienen (Art. J.l 11 Spiegelstrich 2 EUV). Durch geschlossenes Handeln will die Union Frieden wahren und die internationale Sicherheit entsprechend den Grundsätzen der Satzung der Vereinten Nationen sowie den Prinzipien der Schlußakte von Helsinki 31 und den Zielen der Charta von Paris32 stärken (Art. J.l 11 Spiegelstrich 3 EUV). Ziel der GASP ist weiterhin die Förderung der internationalen Zusammenarbeit (Art. J.l 11 Spiegelstrich 4 EUV). Schließlich will die Europäische Union zur Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Wele 3 sowie zur Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten beitragen (Art. J.l 11 Spiegelstrich 5 EUV). Die Liste in Art. J.l 11 EUV ist zwar erschöpfend, aber sie gibt wegen ihrer allgemeinen Formulierungen einen weiten Auslegungsspielraum. Die genannten Ziele decken praktisch den gesamten völkerrechtlich erlaubten Bereich außenund sicherheitspolitischen Handeins ab, da die Union nicht auf den Schutz europäischer Interessen beschränkt ise 4 • Nicht erfaßt sind lediglich Fragen der Verteidigung.
Exkurs: Handlungspflicht bei Verletzung der genannten Ziele? Z.T. wird die Ansicht vertreten 35 , daß die in Art. 1.1 11 EUV genannten Ziele keine Verpflichtung enthalten, zu ihrer Verwirklichung tätig zu werden. Demnach enthielten sie auch keine Pflicht zum Handeln, wenn eines der Ziele verletzt ist. Für eine derartige Pflicht spricht aber, daß die Mitgliedstaaten die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik aktiv und vorbehaltlos zu unterstützen
31 Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Schlußakte, Helsinki 1975, abgedruckt in: BullBReg. Nr. 102 (15.8.1975), S. 965-1000. 32 Charta von Paris für ein neues Europa, Erklärung des KSZE-Treffens der Staatsund Regierungschefs in Paris vom 21.11.1990, BullBReg. Nr. 137 (24.11.1990), S. 1409-1421. 33 Z.B. durch die Unterstützung und Förderung guter Regierungsführung (Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26.127.6.1992), Anlage I, 11. Rahmen, Dok AA, S. 125). 34 Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (176). 35 BurghardtIFebbe EuR 1995, S. 1 (7).
II. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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haben (Art. 1.1 IV 1 EUV). Was Ziel der Außen- und Sicherheitspolitik ist, nennt gerade Art. 1.1 11 EUV. Der Allgemeine Rat von Brüssel hat bestätige 6, daß die GASP "auf die Verwirklichung der in Artikel 1.1 des Vertrages genannten Unionsziele [abzielt]". Daraus ergibt sich die Pflicht der Mitgliedstaaten, bei Verletzung eines der in Art. 1.1 11 EUV genannten Ziele zu handeln37 • Diese Ansicht wird gestützt durch die Formulierung in Art. 1.2 I EUV, wo es heißt, daß zu ,jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung [... ] im Rat eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung [stattfindet]". Dies ist keine "Kann"-Bestimmung. Allerdings enthalten die Vertragsbestimmungen nicht die Pflicht für die Mitgliedstaaten, bestimmte Verfahren bzw. Mittel der GASP zu ergreifen. Damit bleibt es ihnen selbst überlassen, welches Verfahren der Zusammenarbeit sie wählen. Auf der untersten Stufe ist das die gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung zwischen den EU-Mitgliedstaaten im Rat (Art. J.2 I EUV), die in der Praxis ständig erfolges. Bei einer Verletzung der in Art. 1.1 11 EUV genannten Ziele haben die EUMitgliedstaaten also die Pflicht zum Handeln, die Wahl der GASP-Verfahren ist aber ihnen überlassen. (2) Besitzstand der Union
Der Europäische Rat von Lissabon hat weiterhin festgelegt, daß der Gegenstand einer gemeinsamen Aktion den Besitzstand der Union berücksichtigen muß. Bemerkenswert ist, daß auf den Besitzstand der Union (acquis de rUnion) Bezug genommen wird. Zum einen steht das im Gegensatz zu der Formulierung in Art. B S.l letzter Spiegelstrich EUV, wonach Ziel der Union u.a. die volle Wahrung des gemeinschaftlichen Besitzstandes und seine Weiterentwicklung ist. Zum anderen handelt es sich bei der "Union" lediglich um einen politischen Begriff, der diesem Gebilde keine Rechtspersönlichkeit verleiht (siehe F.I.). Gemeint ist mit dieser Formulierung jedenfalls die bisherige EPZ- wie
36 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 135. 37 Diese Pflicht setzt Florika Fink-Hooijer voraus, wenn sie schreibt, daß die Union, d.h. die Gesamtheit der Mitgliedstaaten, wegen Art. L EUV nicht zwecks Verwirklichung der in Art. 1.1 II EUV genannten Ziele vor dem EuGH verklagt werden kann (Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (I 77f.)). 38 Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995.
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D. Die gemeinsame Aktion
GASP-Praxis, die den Rahmen für zukünftige gemeinsame Aktionen der Europäischen Union vorgeben so1l39. Der acquis de I'Union bindet die GASP-Partner aber nicht in der Weise, daß sie nicht von ihm abweichen könnten, sobald sie zu einer Neueinschätzung der Lage gekommen sind40 • Er bildet lediglich einen Orientierungspunkt, der der GASP eine gewisse Beständigkeit geben soll. Entsprechend formuliert der Europäische Rat von Lissabon, daß der Besitzstand der Union bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion zu berücksichtigen sei 41 • (3) Vereinbarkeit mit anderen Aktionen und Positionen der Union Der Europäische Rat von Lissabon hat schließlich bestimmt, daß gemeinsame Aktionen mit anderen Aktionen und Positionen der Union vereinbar sein müssen. Gemeinsame Aktionen müssen also mit anderen EU-Maßnahmen (EG und ZBJI) mit dem Zweck abgestimmt sein, eine widerspruchslose Außenpolitik zu ermöglichen42 • Sie dürfen z.B. EG-Maßnahmen im Außenhandel oder bei der Entwicklungspolitik nicht widersprechen. Das ist eine Frage der Kohärenz, die in einem eigenen Kapitel behandelt wird (siehe unten Kapitel E).
cc) Verteidigungspolitik und verteidigungspolitische Bezüge Da die gemeinsame Verteidigung noch kein Aktivposten der GASP ist (siehe oben C.l1.3.a.), sind gemeinsame Aktionen in diesem Bereich ausgeschlossen. 39 Vgl. Ischinger GASP und die Bundesrepublik Deutschland, S. 58f. Eine umfassende Analyse von Kontakten der EG bzw. der EG-Mitgliedstaaten zu Drittstaaten und Staatengruppen während der EPZ unternimmt Regelsberger Westeuropa als internationaler Akteur - Diss. 1991, S. 119ff. Siehe auch dies. EPZ in den achtziger Jahren, S. 29-61. Eine detaillierte Chronologie der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) der Jahre 1969-1989 (zusammengestellt von Elfriede Regelsberger) ist abgedruckt in: Die EPZ in den achtziger Jahren: Eine gemeinsame Außenpolitik für Westeuropa?, Pijpers/Regelsberger/Wessels (Hrsg.), S. 333-438. 40 Vgl. Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (179). 41 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, 11. Rahmen, Dok AA, S.125. 42 Vgl. KrenzleriSchneider EuR 1994, S.144 (145); Burghardt/Tebbe EuR 1995, S. I (6); Müller-Grafflntegration 1993, S. 147.
H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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Dasselbe gilt rür Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen. Dieses Ergebnis legt der Wortlaut des Art. J.4 III EUV nahe, wonach Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen nicht mittels gemeinsamer Aktionen verfolgt werden können. Demgegenüber wird jedoch auch vertreten43, daß Art. J.4 III EUV bzgl. der Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen nicht die gemeinsamen Aktionen als solche verbiete. Ausgeschlossen sei nur das "Verfahren" des Art. J.3 EUV, weil in Art. J.4 III EUV das "Verfahren des Artikels 1.3", aber nicht ausdrücklich die gemeinsame Aktion ausgeschlossen werde. Demnach würde Art J.4 III EUV lediglich bewirken, daß die Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen nicht nach dem Mehrheitsprinzip entschieden werden könnten. Gemeinsame Aktionen blieben aber grundsätzlich denkbar. Diese Auslegung des Art. JA III EUV ist abzulehnen, da der Beschluß einer gemeinsamen Aktion iSd. Unions vertrages notwendig das Verfahren des Art. J.3 EUV voraussetzt. So heißt es ausdrücklich in Art. J.3 EUV: "Für die Annahme einer gemeinsamen Aktion [... ] gilt folgendes Verfahren: ... ". Wird daher eine "gemeinsame Aktion" außerhalb des Verfahrens des Art. J.3 EUV beschlossen, kann es keine gemeinsame Aktion iSd. Titel V EUV sein. Zwar könnte es sich inhaltlich um eine zwischen den EU-Mitgliedstaaten verabredete gemeinsame Maßnahme handeln. Diese Maßnahme ist aber bzgl. des Verfahrens ihres Zustandekommens von der Vorschrift des Art. J.3 EUV zu trennen. Sie steht außerhalb des Unionsvertrages, der gerade keine Anwendung findet. Gemeinsame Aktionen scheiden daher gemäß Art. JA III EUV aus, wenn sie sich auf Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen beziehen. Dies hat zur Folge, daß der Anwendungsbereich fiir gemeinsame Aktionen wegen Art. JA III EUV um so stärker begrenzt wird, je weiter der Begriff der "verteidigungspolitischen Bezüge" gefaßt wird. Entscheidend ist daher, was unter verteidigungspolitischen Bezügen zu verstehen ist. Der Unionsvertrag enthält keine Begriffserläuterung. Der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" hat sich jedoch u.a. hiermit anläßlich seines Treffens zur Vorbereitung des Inkrafttretens des Unionsvertrages am 26. Oktober 1993 in Brüssel beschäftigt44 . Beispielhaft zählte der Rat Situationen mit verteidigungspolitischen Bezügen aufS. Danach liegen diese vor, wenn die Sicherheitsinter43 Torsten Stein in seinem Vortrag (The Legal Framework of the European Security Policy) am 13.1.1995 an läßlich der EIsa-Konferenz in Passau ("Prospects for a common european defence policy") vom 12.-15.1.1995, S. 8 (unveröffentlicht). 44 Die anläßlich dieses Treffens beschlossenen Schlußfolgerungen sind als Auslegungshilfe iSd. Art. 31 I, IJ Iit.a WVRK im Hinblick auf die GASP-Bestimmungen zu werten, siehe oben B.II.3.b. 45 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. 146f.
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D. Die gemeinsame Aktion
essen der Union selber unmittelbar berührt werden oder wenn die Union politisch und wirtschaftlich in eine spezielle Krise oder einen speziellen Konflikt verwickelt ist und daher zusätzliche Unterstützung seitens der WEU fUr erforderlich hält (militärische Beobachter, Waffenstillstand, Friedenssichenmg, Überwachung von Sanktionen und Wahrung des Friedens). Verteidigungspolitische Bezüge sind ebenfalls anzunehmen, wenn die Union von den Vereinten Nationen oder der OSZE um einen Beitrag ersucht wird. Auch hierbei könnte dann die WEU im Rahmen einer sinnvollen Arbeitsteilung einen spezifischen Beitrag leisten. Schließlich ist im Falle, daß humanitäre Beistandsmaßnahmen logistische Unterstützung benötigen, ebenfalls von verteidigungspolitischen Bezügen auszugehen. Der Allgemeine Rat von Brüssel hat darauf hingewiesen, daß hinsichtlich verteidigungspolitischer Bezüge der Einsatz von Militär zwar die Regel ist, daß darüber hinaus aber auch andere Mittel eingesetzt werden können46 , um in den vorgenannten Situationen angemessen zu handeln. Welche anderen Mittel das sein können, läßt er offen. Aus der Praxis ergibt sich jedoch, daß damit nur der Einsatz von Polizei- und Zollbeamten gemeint sein kann, also von Beamten, die Hoheitsgewalt ausüben (wie die Polizei in Mostar und die Zollbeobachtung auf der Donau). Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen sind also gegeben, wenn es um den Einsatz einerseits von Militär (außerhalb der Abwehr bewaffneter Angriffe) oder andererseits von Personen geht, die Hoheitsgewalt ausüben (insbesondere Polizei und Zoll))47. Auch wenn die Europäische Union keine gemeinsame Aktionen hinsichtlich der Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen durchfUhren kann, so bleibt es ihr dennoch unbenommen, durch gemeinsame Aktionen militärische Einsätze anderer internationaler Organisationen oder Staaten zu begleiten. b) Territoriales Bezugs/eid
Ein souveräner Staat kennt bzgl. seiner Außenpolitik grundsätzlich keine geographischen Beschränkungen. Weil die Union aber kein außenpolitischer Akteur im traditionellen Sinne ist, stellt sich bei der GASP die Frage, ob die Vertragsstaaten des Unionsvertrages gemeinsame Aktionen nur in bestimmten geographischen Bereichen durchfUhren wollen. Die Union (iSd. Gesamtheit der
46 V gl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage IV: Beziehungen der Union zur WEU, Dok AA, S. 146. 47 Vgl. auch BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (15); Fischer Völkerrechtsprobleme der GASP, S. 57 (nicht veröffentlicht).
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EU-Mitgliedstaaten) kann nämlich nur dort und insoweit tätig werden, als dies dem Willen der Mitgliedstaaten entspricht.
aa) Die Vertragsbestimmungen (1) Außenpolitik
Bei gemeinsamen Aktionen mit rein außenpolitischem Inhalt sind in den Vertragsbestimmungen keine räumlichen Grenzen erkennbar. (2) Sicherheitspolitik
Nach einer Auffassung 48 schränkt Art. J.4 I EUV den Umfang der gemeinsamen Sicherheitspolitik in geographischer Hinsicht auf das "nähere Umfeld" der Union ein. Das sei denkbar, weil Art. J.4 I EUV als Beschränkung des Anwendungsbereiches der GASP auf "sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen,,49, gesehen werden könne. Dies könnte bedeuten, daß die Union keine Kompetenz bzgl. internationaler Krisen in einigen Teilen der Welt habe, die weder direkt noch indirekt, die Sicherheit der Union betreffen wie z.B. in den Konflikten zwischen Indien und Pakistan oder zwischen den beiden koreanischen Staaten. Gemeinsame Aktionen, die Fragen der Sicherheit betreffen, dürften demnach nur im "näheren Umfeld" beschlossen werden, nämlich dann, wenn die Sicherheit der Europäischen Union betroffen wäre. Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Die diskutierte Einschränkung steht im Widerspruch zu dem in Art. J.3 EUV angelegten und durch Art. J.11I Spiegelstrich 3 EUV sowie Art. 1.1 I EUV bestätigten weltweiten Engagement der Europäischen Union. Auch im 9. Erwägungsgrund der Präambel ist von "Sicherheit und Fortschritt in Europa und in der Welt" die Rede. Entscheidend für die Frage der beschränkten Kompetenz ist also die Bezugnahme auf Fragen der "Sicherheit der Union" in Art. J.4 I EUV gegenüber dem Postulat eines weltpolitischen Engagements in Art. 1.3 EUV. Zu klären ist, in welchem Verhältnis diese beiden Vorschriften zueinander stehen.
48 Torsten Stein in seinem Vortrag (The Legal Framework of the European Security Policy) am 13.1.1995 anläßlich der Eisa-Konferenz ("Prospects for a common european defence policy") in Passau (\2.-15. \.1995), S. 5f. (unveröffentlicht). 49 Hervorhebung v. Verf.
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D. Die gemeinsame Aktion
Für einen Vorrang von Art. J.4 I EUV könnte Art. J.l 11 Spiegelstrich 1 EUV sprechen, wonach u.a. Ziel der GASP die Wahrung der grundlegenden Interessen und der Unabhängigkeit der Union sind. Der Bezugspunkt "Union" könnte auch hier die Vermutung bekräftigen, daß ein begrenzter räumlicher Anwendungsbereich gewollt war, nämlich das "nähere Umfeld". Diese Interpretation wird gestützt, wenn als weiteres Ziel die Stärkung der Sicherheit der Union und ihrer Mitgliedstaaten genannt wird (Art. J.l 11 Spiegelstrich 2 EUV). Andererseits heißt es aber in demselben Zielkatalog, daß sich die Europäische Union die "Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit" zum Ziel setzt (Art. J.l 11 Spiegel strich 3 EUV). Ein Schluß aus den zuvor genannten zwei Vorschriften auf einen speziell begrenzten geographischen Anwendungsbereich ist daher nicht möglich, weil all diese Vorschriften im Vertrags text gleichrangig nebeneinander, d.h. auf gleicher Stufe, stehen. Gegen einen Vorrang des Art. J.4 EUV spricht, daß der Unionsvertrag in Art. J.l und in Art. J.4 EUV zwei unterschiedliche Sicherheitsbegriffe meint (Art. J.4 EUV regelt einen gemeinsamen (EU-bezogenen) Sicherheitsbegriff, während Art. J.l bzw. J.3 EUV einen internationalen Sicherheitsbegriff meint, siehe näher oben D.II.l.a.aa.). Die zwei Vorschriften haben also einen unterschiedlichen Regelungsbereich. Gegen eine räumliche Beschränkung gemeinsamer Aktionen entsprechend dem gemeinsamen Sicherheitsbegriff nach Art. J.4 EUV spricht zudem, daß gemäß Art. J.4 III EUV gemeinsame Aktionen für den in Art. J.4 EUV geregelten Bereich ohnehin ausgeschlossen sind. Das bedeutet, daß hinsichtlich der Kompetenz in Sicherheitsfragen der Europäischen Union keine Grenzen gesetzt sind. Gemeinsame Aktionen in Sicherheitsfragen sind weltweit denkbar50 . Dieses Ergebnis wird gestützt von den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von LissabonsI. Dort erklärten die Staats- und Regierungschefs, daß die
50 Von dieser weltweiten Zuständigkeit in Sicherheitsfragen in Hinblick auf die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit hat die Europäische Union z.B. mit der vom Rat am 12.5.1995 beschlossenen gemeinsamen Aktion über Antipersonenminen Gebrauch gemacht (AbI. EG Nr. L 115/1 vom 22.5.1995 (95/170/GASP». Mit dieser gemeinsamen Aktion soll ein Beitrag zur Bekämpfung des wahllosen Einsatzes und der weltweiten Verbreitung von Antipersonenminen geleistet werden. So will die Union - neben einem Engagement in der Verhandlungs- und Vertragsdiplomatie - die internationalen Minenräumaktionen unterstützen. Diese gemeinsame Aktion kann seine Wirkung also auch in Regionen entfalten, die die Sicherheit der Europäischen Union nicht einmal indirekt betreffen. Vgl. zu weiteren Beispielen den Anhang 1. 51 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, 11. Rahmen, Dok AA,
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Union über die Schaffung einer gemeinsamen europäischen Sicherheit hinaus zur "Verhinderung und Beilegung von Konflikten", d.h. zur Wiederherstellung des Friedens, beitragen wolle. In Brüssel wiederholten sie am 29. Oktober 1993, daß die Union nicht auf den Schutz ihrer fundamentalen Interessen beschränkt sei. Ausgehend von der These, daß die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Rahmen sei, "der es der Union ermöglichen soll, die Hoffnungen zu erfüllen, die nach dem Ende des kalten Krieges geweckt wurden", bekräftigte der Europäische Rat das Ziel der GASP, wirksam im Dienste der Unionsinteressen und im Dienste ,jener [Interessen] der Völkergemeinschaft im allgemeinen zu handeln,,52. Weiter heißt es, daß die Außen- und Sicherheitspolitik alle Aspekte der Sicherheit abdecke. Vom territorialen Bezugsfeld ausgeschlossen ist allerdings das Gebiet der Europäischen Union (d.h. der Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten) selbst, denn die GASP ist nach außen gerichtet53 . Fragen der inneren Sicherheit werden im Titel VI EUV [Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres] behandelt. Damit gibt es zwar noch nationale Außenpolitik zwischen den EU-Partnern, aber nicht Außenpolitik der Europäischen Union gegenüber einzelnen Mitgliedstaaten.
bb) EPZ-acquis und Präzisierungen durch den Europäischen Rat Auch wenn das territoriale Bezugsfeld für gemeinsame Aktionen nach außen rechtlich gesehen unbegrenzt ist, bestehen dennoch auf Seiten der Union gewisse geographische Prioritäten. So bilden Gebiete, in denen bereits Maßnahmen im Rahmen der EPZ durchgeführt worden sind, einen natürlichen geographischen Ausgangspunkt für gemeinsame Aktionen. Da die EPZ-Außenbeziehungen aber praktisch ein weltweites Engagement erfaßten, hat der Europäische Rat 1992 bei seinem Treffen in Lissabon Gebiete genannt, die für gemeinsame Aktionen in bezug auf einzelne Staaten oder Staatengruppen in Betracht kommen 54 . Zu diesen Bereichen gehören Mittel- und Osteuropa (insbesondere Rußland und die anderen GUS-Staaten sowie das ehemalige S. 125. Zu der rechtlichen Qualifikation dieser Erklärung als Auslegungshilfe der GASP-Bestimmungen gemäß Art. 31 1,11 lit.a WVRK siehe oben B.1I.3.b. 52 Schlußfolgerungen ER-Brüssel (29.10.1993), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. ISO. 53 Vgl. für die EPZ Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 36. 54 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. 127-131.
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D. Die gemeinsame Aktion
Jugoslawien und die Balkanländer) einerseits sowie der Maghreb 55 und der Nahe Osten andererseits. Diese Bereiche wurden vom Europäischen Rat in Briissel am 29. Oktober 1993 wiederholt und um Südafrika ergänzt56 • Der Europäische Rat hat damit das vertraglich unbeschränkte territoriale Bezugsfeld präzisiert, welches trotz und wegen des Bezuges auf bestimmte Gebiete einen beachtlichen Einzugsbereich für gemeinsame Aktionen darstellt. Diese Bereiche sind aber nicht in dem Sinne beschränkt, daß in anderen Gebieten keine gemeinsamen Aktionen durchgeftihrt werden könnten. Der Europäische Rat ist hier in seiner Entscheidung frei, wie aus den Art. 1. 8 I, 11 U A.I S.I, J.3 Nr.I EUV hervorgeht. Die genannten Erklärungen des Europäischen Rates enthalten also Präzisierungen für die zu beschließenden gemeinsamen Aktionen iSv. allgemeinen Leitlinien (siehe unten), ohne das territoriale Bezugsfeld der GASP zu zementieren. Mit Blick auf die Praxis ist hierbei zu beriicksichtigen, daß der GASP politische Grenzen gesetzt sind, die sich räumlich auswirken. So hat z.B. das Vereinigte Königreich spezielle Interessen und Verantwortlichkeiten, die andere Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres teilen, wie etwa im Verhältnis zu Hongkong und China57 sowie zu den Falkland-Inseln. Ähnlich dürfte es sich mit den besonderen Beziehungen Frankreichs zu seinen Kolonien (etwa im Südpazifik (Neukaledonien» verhalten. Über diese Gebiete wird zwischen den fünfzehn nicht beraten, weil sie den einzel staatlichen Zuständigkeitsbereich eines Partners betreffen58 . Das sind politische Grenzen, die von den Mitgliedstaaten akzeptiert werden. c) Zwischenergebnis Für den sachlichen Anwendungsbereich der gemeinsamen Aktionen gilt nach alledem folgendes: ( 1) Gemeinsame Aktionen dürfen keine Gegenstände des 1. oder 3. Pfeilers regeln; sie müssen jedoch zu anderen EU-Maßnahmen (insbesondere (Außen)Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der EG) kohärent sein.
55 Maghreb [arab. 'Westen'}, die alt-arabische Bezeichnung zunächst für die gesamte islamische Welt westlich von Agypten, heute eingeschränkt auf Algerien, Marokko und Tunesien. 56 Schlußfolgerungen ER-Brüssel (29.10.1993), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. 150f. 57 Vgl. Hurd IA 1994, S. 421 (423). 58 Vgl. auch Servantie, HER I A 10, Art. 30 EEA, RdNr. 14.
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(2) Gemeinsame Aktionen können nicht den Einsatz von Militär und anderer
Beamter, die Hoheitsgewalt ausüben, enthalten. (3) In allen sonstigen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik kann die Europäische Union gemeinsame Aktionen beschließen, allerdings unter Berücksichtigung der Unionsziele sowie des acquis de I 'Union.
Das territoriale Bezugsfeld ist außerhalb des Gebietes der Europäischen Union (d.h. der Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten) unbeschränkt eröffnet. Gemeinsame Aktionen können weltweit durchgeführt werden. Dem Anwendungsbereich sind jedoch politische Grenzen gesetzt. Daher wird dieser durch allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates präzisiert.
2. Allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates Gemäß Art. J.3 Nr.l UA.I EUV beschließt der Rat eine gemeinsame Aktion auf der Grundlage allgemeiner Leitlinien des Europäischen Rates 59 • a) Verfahren zum Beschluß allgemeiner Leitlinien
In regelmäßigen Abständen entscheidet der Europäische Rat nach Überprüfung der internationalen Lage, ob er neue Leitlinien festlegt 60 • Veränderungen in bereits ermittelten Bereichen sollen so berücksichtigt und in anderen Bereichen die erforderlichen neuen Leitlinien für gemeinsame Aktionen festgelegt werden61 • Art. D EUV sieht kein besonderes Verfahren für Beschlüsse des Europäischen Rates vor. In der Praxis jedoch bereitet grundsätzlich der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" die Treffen des Europäischen Rates vor. Bei seinen idR. halbjährlichen Treffen arbeitet der Europäische Rat dann auf einen Konsens hin. Eine Abstimmung im Sinne einer Stimmabgabe findet nicht statt62 . Die vom Europäischen Rat angenommenen Schlußfolgerungen werden vom Vorsitz zusammengefaßt. Die allgemeinen Leitlinien für die GASP sind in Dieses Leitlinienerfordernis gilt nicht für gemeinsame Standpunkte. Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I, Das GASP-Instrumentarium: Gemeinsame Aktion, Dok AA, S. 139; KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (153). 61 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, II. Rahmen, Dok AA, S.126. 62 Gespräch mit einern EU-Beamten in Brüssel am 22.9.1995. 59
60
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D. Die gemeinsame Aktion
diesen Schlußfolgerungen enthalten, ohne daß diese in aller Regel unter einer besonderen Überschrift aufgeführt werden würden. Aus den Vorschriften des Unionsvertrages geht nicht hervor, auf welche Weise der Kommissionspräsident an der Konsensfindung im Europäischen Rat teilnimmt. Im Art. D 11 EUV heißt es lediglich, daß im Europäischen Rat die "Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie der Präsident der Kommission" zusammenkommen. Die Frage ist, ob er gegenüber den Staatsund Regierungschefs ein gleichberechtigtes Mitglied ist. Der Wortlaut des Art. D 11 EUV könnte diesen Schluß zulassen. Diese Auslegung wird durch die starke Stellung des Kommissionspräsidenten bei Fragen des 1. Pfeilers gestützt. In diesem Bereich ist es praktisch undenkbar, daß der Europäische Rat Schlußfolgerungen annimmt, die dem erklärten Willen des Kommissionspräsidenten widersprächen. Anderes wäre auch deswegen nicht praktikabel, weil die Kommission im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft über eigene Rechte verfügt. Dies findet seinen besonderen Ausdruck in dem exklusiven Initiativrecht der Kommission im Bereich des 1. Pfeilers (vgl. Art. 189a ff. EGV). Der Europäische Rat kann die Kommission nicht zu einem bestimmten Handeln zwingen, da ihm insoweit keine Weisungsbefugnis zukommt. Widerspricht eine durch den Europäischen Rat beschlossene Politik dem Willen der Kommission, so kann diese durch Nichtunterbreitung von Vorschlägen die beschlossene Politik leerlaufen lassen. Dies gilt aber nur im Hinblick auf den I. Pfeiler. Im Bereich der GASP können sich die Mitgliedstaaten gegen den Willen der Kommission durchsetzen. Das ergibt sich daraus, daß die Kommission bei dem Beschluß einer gemeinsamen Aktion kein Stimmrecht hat (siehe unten D.I1.4.). Dies findet seinen Ausdruck in Art. 1.9 EUV, wonach die Kommission nur an der GASP zu beteiligen ist. Art. J.9 EUV regelt als speziellere Vorschrift die Rolle der Kommission im 2. Pfeiler. In bezug auf die GASP ist der Kommissionspräsident daher nicht gleichberechtigtes Mitglied des Europäischen Rates. Insoweit kann er den Beschluß allgemeiner Leitlinien für gemeinsame Aktionen nicht verhindern bzw. blockieren. Es ist also ohne Belang, ob der Kommissionspräsident den für eine gemeinsame Aktion erforderlichen allgemeinen Leitlinien zustimmt oder nicht63 • Dieses Ergebnis entspricht dem Regelungsgehalt der GASP-Bestimmungen, wonach eine Plattform zur Koordinierung der nationalen Politiken errichtet wird. Die GASP unterliegt dem Imperativ der Mitgliedstaaten. Die zwischen-
63
Ebenso KoeniglPechstein EU, Kap. 3 RdNr. 3.
II. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
II1
staatliche Zusammenarbeit wird daher von den Mitgliedstaaten und nicht von der Kommission bestimmt, die nur "beteiligt" ist (Art. 1.9 EUV). b) Bindung des Rates durch die allgemeinen Leitlinien
Fraglich ist, ob der Ministerrat rechtmäßig eine gemeinsame Aktion gegen oder ohne allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates beschließen kann. Art. D EUV, der als einzige Vorschrift des Unionsvertrages Regelungen zum Europäischen Rat vorsieht, enthält keine Angaben über die Rechtswirkung der "Impulse" und "Zielvorstellungen". In gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht sind von allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates abweichende Beschlüsse des Ministerrates rechtsgültig, da der Europäische Rat keine· gemeinschaftsrechtlich verbindliche Weisungsbefugnis gegenüber den Gemeinschaftsorganen oder den Mitgliedstaaten besitzt64 . Etwas anderes gilt für den Bereich der GASP. Art. E EUV bestimmt, daß der Rat seine Befugnisse jeweils nach Maßgabe der Gemeinschaftsverträge und des Unionsvertrages ausübt. Daraus folgt, daß der Rat vertragswidrig - weil außerhalb seiner vertraglich vorgesehenen Befugnisse - handelt, wenn er entgegen dem Wortlaut des Art. 1.3 Nr.l UA.l EUV nicht auf Grundlage allgemeiner Leitlinien des Europäischen Rates beschließt. Ein Beschluß gegen oder ohne die entsprechenden allgemeinen Leitlinien wäre daher vertrags-, d.h. völkerrechtswidrig 65. Das heißt aber gleichzeitig, daß den Beschlüssen des Europäischen Rates eine durch den Titel V EUV angeordnete (also völkerrechtliche) bindende Wirkung gegenüber dem Rat zukommt66 • Dem Europäischen Rat wird - im Gegensatz zu der gemeinschaftsrechtlichen Ordnung - innerhalb der GASP die Befugnis zu verbindlichem Handeln gegenüber dem Rat verliehen. Es gibt aber keine gerichtliche Instanz, die einen Vertragsverstoß des Rates ahnden könnte 67 . Hier müßte politisch diskutiert werden68 • Ebenso Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S. 41 (43f.); Streinz ZfRV 1/95, S. I (7). Vgl. auch KoeniglPechstein EU, Kap. 4 RdNr. 15 sowie Kap. 5 RdNr. 13; Wessei SEW 1995, S. 554 (562). 66 So auch HilflPache, in: GrabitziHilf, Art. D, RdNr. 33. 67 Art. J EUV ist wegen Art. L EUV von der Jurisdiktion des EuGH ausgeschlossen. Auch ist der Internationale Gerichtshof in Den Haag nicht anrufbar, da nur Staaten berechtigt sind, als Parteien vor dem Gerichtshof aufzutreten (Art. 34 I StIGH) und demnach der Rat nicht vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt werden könnte. 68 Siehe aber zur Bindungswirkung völkerrechtswidriger gemeinsamer Aktionen unten D.IILI.e. 64
65
112
D. Die gemeinsame Aktion
c) Bedeutung der allgemeinen Leitlinien für den Ratsbeschluß Zu klären bleibt, wie konkret die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates sein müssen bzw. wie groß der eigene Gestaltungsbereich des Rates beim Beschluß einer gemeinsamen Aktion ist. Durchgehend hat der Europäische Rat bisher mittels der allgemeinen Leitlinien das Thema der gemeinsamen Aktionen vorgegeben. Die administrative Umsetzung überließ er dem Rat, wobei seine inhaltlichen Vorgaben von unterschiedlicher Qualität waren (z.T. sehr generell 69 , z.T. sehr detailliert7o). In den allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates findet sich also beides: spezifische und generelle Vorgaben, wobei in letzter Zeit eine Tendenz zu spezifischen Leitlinien vorherrscht. Der Wortlaut des Art. J.3 Nr.1 UA.I EUV selber gibt nicht vor, daß die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates derart speziell sein müßten. Dort heißt es lediglich, daß der Rat "auf der Grundlage" allgemeiner Leitlinien des Europäischen Rates eine gemeinsame Aktion beschließt. Von "Aufforderung" oder "im Auftrag" ist nicht die Rede. Auch nach der Praxis ist es nicht erforderlich, daß sich der Rat auf konkrete allgemeine Leitlinien iSo eines Auftrages berufen müßte. Der Rat muß also nicht auf eine Aufforderung durch den Europäischen Rat zum Beschluß einer gemeinsame Aktion warten. Damit wird ihm aufgrund der Vertragsformulierungen eine gewisse Autonomie verliehen, ohne daß sich der Rat jedoch von den Vorgaben des Europäischen Rates entfernen dürfte. Sollte der Rat nur nach Aufforderung durch den Europäischen Rat tätig werden können, wären rasche und flexible Beschlüsse von gemeinsamen Aktionen nur schwerlich möglich, da der Europäische Rat in der Regel nur zweimal im Jahr tagt. Das würde das Konzept der gemeinsamen Aktion ad absurdum fuhren. Es muß also genügen, wenn sich der Rat bei den Beschlüssen von gemeinsamen Aktionen im Rahmen der allgemeinen Leitlinien iSv. Grundregeln bewegt, wobei er mit einer gewissen Autonomie ausgestattet ist.
69 Ein Beispiel für nur generelle Vorgaben des Europäischen Rates gibt die vom Rat am 12.5.1995 beschlossene gemeinsame Aktion über Antipersonenminen (AbI. EG Nr. L 115/1 vom 22.5.1995 (95/170/GASP». Der Rat stützte diesen Beschluß auf die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates von Lissabon (26./27.6.1992), in denen von "Antipersonenminen" mit keinem Wort die Rede ist. 70 Besonders detailliert sind die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates anläßlich seines Treffens auf Korfu im Hinblick auf die Vorbereitung der Konferenz zum Atomwaffensperrvertrag (Schlußfolgerungen ER-Korfu (24./25.6.1994), Leitlinien für eine gemeinsame Aktion zur Vorbereitung der für 1995 geplanten Konferenz der Vertragsparteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, BullBReg. Nr. 73 (4.8.1994), S. 692). Der Inhalt dieser gemeinsamen Aktion wurde dadurch z.T. konkret vorgegeben.
11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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Dadurch, daß die Beschlüsse von gemeinsamen Aktionen aber letzten Endes an allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates gekoppelt bleiben müssen, sichern sich die Mitgliedstaaten ihren Einfluß auf die GASP.
d) "Allgemeine Leitlinien" vor dem Inkrafttreten des Unionsvertrages Bei den in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon (Juni 1992) und Brüssel (Oktober 1993) enthaltenen allgemeinen Leitlinien handelt es sich um Erklärungen des Europäischen Rates zu einem Zeitpunkt, an dem der Unionsvertrag noch nicht in Kraft war. Dennoch zieht sie der Rat als "allgemeine Leitlinien" für den Beschluß verschiedener gemeinsamer Aktionen heran7 ), obwohl der Unionsvertrag - und damit auch die Regelungen über die allgemeinen Leitlinien - erst am 1. November 1993 in Kraft trat (vgl. dazu auch Art. R 11 Alt.2 EUV iVm. Art. 24 I WVRK72 ). Eventuell findet hier Art. 24 IV WVRK Anwendung, wonach sich notwendigerweise vor dem Inkrafttreten des Vertrages ergebende Fragen von dem Zeitpunkt an gelten, zu dem der Vertragstext angenommen worden ist73 . Dann müßte die Bestimmung allgemeiner Leitlinien durch den Europäischen Rat eine Frage sein, deren Festlegung vor dem Inkrafttreten des Vertrages notwendig gewesen war. Aus dem - wegen der Formulierung in Art. 24 IV WVRK: " ... sonstige [... ] Fragen" - gebotenen Vergleich zu den in dieser Vorschrift genannten Beispielen ergibt sich, daß es sich hinsichtlich der "Vorgeltung" bestimmter Vertragsbestimmungen nur um technische Fragen, insbesondere in bezug auf das Inkrafttreten des Vertragstextes, handelt. Dies ist im Falle allgemeiner Leitlinien iSd. Unionsvertrages nicht gegeben, so daß sich die Anwendung des Art. 24 IV WVRK auf den vorliegenden Sachverhalt verbietet. Auch Art. 25 I lit. a WVRK, wonach ein Vertrag oder ein Teil des Vertrages vorläufig anwendbar ist, wenn der Vertrag dies vorsieht, gelangt nicht zur An71 In den gemeinsamen Aktionen betreffend der Güter mit doppeltem Verwendungszweck und betreffend die Tretminen wurde auf die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates von Lissabon (26.127.6.1992) Bezug genommen. Auf die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates von Brüssel (29.10.1993) wurde in den gemeinsamen Aktionen zu Rußland, zum Stabilitätspakt, zum Nahen Osten, zu Südafrika und zu der humanitären Hilfe für Bosnien-Herzegowina Bezug genommen. 72 Die WVRK ist kodifiziertes Gewohnheitsrecht. 73 Vgl. dazu auch Rosenne EPIL 7, S. 528. Ursprünglich sah der Entwurf der International Law Commission vor, daß der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig in Kraft treten sollte. Dieses Konzept wurde aber mit dem Argument abgelehnt, daß der Vertrag nicht zweimal in Kraft treten könne (vgl. Sinclair The Vienna Convention on the Law ofTreaties, S. 247).
8 Mönch
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D. Die gemeinsame Aktion
wendung. Denn im Unionsvertrag ist die vorläufige Anwendung dieses Vertragsteils nicht vorgesehen. Zu prüfen ist, ob bezüglich der allgemeinen Leitlinien eine vorläufige Anwendung des entsprechenden Teils des Unionsvertrages gemäß Art. 25 I lit.b WVRK gegeben ist. Demnach kann ein Vertragsteil vorläufig angewendet werden, wenn die Verhandlungsstaaten dies auf andere Weise vereinbart haben. Diese Vorschrift ist Ausdruck des völkerrechtlichen Koordinationscharakters. Eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung der Vertragsparteien des Unionsvertrages ist nicht ersichtlich. Da völkerrechtliche Handlungen aber an keine bestimmte Form gebunden sind, können sie auch konkludent erfolgen74 . Von einer schlüssigen Rechtshandlung ist auszugehen, wenn das Verhalten der EUMitgliedstaaten den Schluß auf einen entsprechenden Willen zuläßt. Ein derartiger Wille ist aber anzunehmen, wenn die Staats- und Regierungschefs der EUMitgliedstaaten im Europäischen Rat bereits vor Inkrafttreten des Unionsvertrages allgemeine Leitlinien für gemeinsame Aktionen festlegen. In dem sich daraus ergebenden Konsens der Mitgliedstaaten liegt eine konkludente Vereinbarung, daß der Unionsvertrag, soweit er Bestimmungen zu den allgemeinen Leitlinien enthält, vorläufig anwendbar sein soll. Art. 25 I lit.b WVRK bewirkt, daß die einschlägigen Bestimmungen des Unionsvertrages zu den allgemeinen Leitlinien bis zum 1. November 1993 (vorläufig) anwendbar waren. Gemäß dieser Vorschrift ist die Bezugnahme des Ministerrates auf die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates von Lissabon und Brüssel zulässig, obschon der Unionsvertrag erst später in Kraft trat.
3. Wichtige gemeinsame Interessen Gemäß Art. J.l III Spiegel strich 2 EUV werden gemeinsame Aktionen nur in den Bereichen durchgeführt, "in denen wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen". Diese Voraussetzung schließt eine gemeinsame Aktion aus, wenn ein Gegenstand ausschließlich von (nationalen) Partikularinteressen erfaßt ist75 . Wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten werden im Beschluß einer gemeinsamen Aktion nicht besonders hervorgehoben, etwa dergestalt, daß auf sie im Beschlußtext Bezug genommen werden würde. Von ihrem Vor-
74
75
von Münch VR, S. 86f. Vgl. auch Schoutheete Integration 1991, S. 3 (6f.).
11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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liegen ist vielmehr auszugehen, sobald eine gemeinsame Aktion beschlossen worden ist. a) Bestimmung wichtiger gemeinsamer Interessen
aa) Vertragliche Bestimmungen Es wurde vorgeschlagen, wichtige gemeinsame Interessen anzunehmen, wenn eine Frage betroffen sei, die von den in Art. 1.1 11 EUV genannten Zielen erfaßt wird 76 • In diesem Fall solle es den Mitgliedstaaten nicht mehr möglich sein, die Erforderlichkeit einer gemeinsamen Aktion in Frage zu stellen, weil diese im wichtigen gemeinsamen Interesse der Europäischen Union stehe?? Dadurch werden die Ziele, die in dem Katalog des Art. 1.1 11 EUV enthalten sind, mit den "wichtigen gemeinsamen Interessen" gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung ist unzulässig, weil Art. 1.1 III Spiegelstrich 2 EUV gerade eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Begriffen macht. Demnach verfolgt die Union die Ziele des Art. 1.1 11 EUV in den Bereichen, in denen wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen. Die Vorschrift unterscheidet also in ihrer Formulierung zwischen den Zielen einerseits und den wichtigen gemeinsamen Interessen andererseits. Die Begriffe können daher nicht dasselbe meinen. Fraglich ist, ob die "gemeinsamen Interessen" iSd. Art. J.1 III Spiegelstrich 2 EUV, wenn man von dem Adjektiv "wichtig" absieht, identisch sind mit den "Interessen der Union" (Art. 1.1 IV 2 EUV). Dies ließe sich vermuten, wenn man den Begriff der "Union" lediglich als politischen Begriff verstünde, der als falsa demonstratio die Gesamtheit der Mitgliedstaaten meinte. Unter dieser Voraussetzung wäre hinsichtlich der "Interessen der Union", die der Vertrags text nicht ausdrücklich definiert, allenfalls zu denken an Art. B S.l Spie ge Istrich 2 EUV. Diese Vorschrift nennt als Ziel der Union allgemein die Behauptung ihrer Identität auf internationaler Ebene. Dieser Punkt vermag jedoch nicht zu beschreiben, was "wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten" sind, weil jede GASP-Maßnahme der Behauptung der Unions identität in irgendeiner Form dienen soll, was sich schon aus dem
76 So ist Florika Fink-Hooijer (EJIL 1994, S. 173 (178)) zu verstehen, auch wenn sie mißverständlich von dem wichtigen gemeinsamen Interesse der Europäischen Union spricht (" ... fundamental (common) interest to the European Union"). 77 Ebda.
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D. Die gemeinsame Aktion
Wortlaut der genannten Vorschrift ergibes. Setzt man also "Interessen der Union" mit den "Interessen der Mitgliedstaaten" gleich, könnte jede Frage der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ohne weiteres Gegenstand einer gemeinsamen Aktion sein. Das steht aber im Widerspruch dazu, daß gemeinsame Aktionen nur bei "wichtigen gemeinsamen Interessen" - also nicht in jedem Fall- durchgeftihrt werden sollen. Das Kriterium "wichtige gemeinsame Interessen" wäre andernfalls verzichtbar. Diese Auslegung ist also abzulehnen. Die "gemeinsamen Interessen" iSd. Art. 1.1 III EUV sind nicht identisch mit den "Interessen der Union" isd. Art. J.l IV 2 EUV. Damit ist aus dem Vertragstext nicht ersichtlich, was unter "wichtigen gemeinsamen Interessen" zu verstehen ist oder wie diese zu ermitteln sind.
bb) Definitionskompetenz des Europäischen Rates In der Praxis wurde und wird allenthalben gefordert, die gemeinsamen europäischen Interessen im außenpolitischen Bereich zu definieren 79, wie es auch grundsätzlich jeder Staat tut. Für eine solche Definition ist der Europäische Rat das geeignete Organ, da er die Leitlinien der Außen- und Sicherheitspolitik - insbesondere hinsichtlich der gemeinsamen Aktion - bestimmt (vgl. Art. D 1,1.3 Nr.!, 1.8 I EUV/o. Entsprechend hat der Europäische Rat von Lissabon Ende Juni 1992 Faktoren zur Bestimmung wichtiger gemeinsamer Interessen vorgegeben, die bei der Ermittlung der Fragen und Bereiche ftir gemeinsame Aktionen berücksichtigt werden solltenSI. Danach bestimmen sich wichtige gemeinsame Interessen nach der geographischen Nähe einer bestimmten Region oder eines bestimmten Landes zu dem Gebiet der EU-Mitgliedstaaten. Ein weiterer Faktor ist ein wichtiges Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Stabilität in einer Region oder 78 Demnach setzt sich die Union zum Ziel: " ... die Behauptung ihrer Identität auf internationaler Ebene, insbesondere durch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ... ". 79 Z.B. KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (147); Kinkel CFSP Forum 1994/3, S. 3; Hili Integration 1991, S. 115 (121); Weiden/eid (Hrsg.) Europa '96: EU-Reformprogramm, S. 46. 80 Vgl. auch "Existiert Europa?", von dem Staatsminister im Auswärtigen Amt Werner Hoyer und dem Staatsminister flir europäische Angelegenheiten beim Minister flir auswärtige Angelegenheiten der Französischen Republik Michel Barnier, in: FAZ vom 7.12.1995 (Do.), Nr. 285, S. 3. 81 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Dok AA, Anlage I, II. Rahmen, S. 126. Zu der rechtlichen Qualifikation dieser Erklärung als Auslegungshilfe iSd. Art. 31 I, II Iit.a WVRK siehe oben B.lI.3.b.
IJ. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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in einem Land. Als letzten Faktor zur Bestimmung wichtiger gemeinsamer Interessen werden Gefahren für die Sicherheitsinteressen der Union genannt. Dieser Katalog erhebt keinen Ausschließlichkeitsanspruch. Im Einzelfall könnten auch andere Maßstäbe angelegt werden 82 • Jedenfalls liefern die genannten Faktoren einen Orientierungspunkt dafür, wo wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen. Der Europäische Rat von Brüssel nannte gut ein Jahr später konkrete Handlungsfelder, die "nach Maßgabe der Wichtigkeit der gemeinsamen Interessen aller Mitgliedstaaten schrittweise und pragmatisch" anzugehen seien83 . Die dort genannten Bereiche 84 stellen eine Präzisierung einiger der zuvor vom Europäischen Rat in Lissabon genannten Faktoren dar. Damit sind diese Handlungsfelder als von "wichtigen gemeinsamen Interessen" geprägt anzusehen 85 • Bei der Nennung dieser Handlungsfelder durch den Europäischen Rat wurden also wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten vorausgesetzt. Das bedeutet, daß "wichtige gemeinsame Interessen" implizit in den jeweiligen allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates für gemeinsame Aktionen enthalten sind. Ob und wo wichtige gemeinsame Interessen vorliegen, unterfällt daher der Definitionskompetenz des Europäischen Rates. Dieser bestimmt die wichtigen gemeinsamen Interessen, indem er sich auf allgemeine Leitlinien für gemeinsame Aktionen einigt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ein bestimmtes Interesse für einige Mitgliedstaaten größere Bedeutung hat als für andere. Um in solchen Situationen handlungsfähig zu bleiben, appelliert der Europäische Rat von Lissabon an die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten86, die in Art. J.l IV 1 EUV ausdrücklich genannt wird.
Ebenso Regelsberger JEI 1992/93, S. 223 (229). Schlußfolgerungen ER-Brüssel (29.10.1993), Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S. 150. 84 Förderung von Stabilität und Frieden in Europa, Friedensprozeß im Nahen Osten, Unterstützung des Übergangs zu einem demokratischen Südafrika, Bemühungen für eine Verhandlungslösung im ehemaligen Jugoslawien und Unterstützung für den in Rußland eingeleiteten demokratischen Prozeß. 85 Ebenso Regelsberger JEI 1993/94, S. 237 (238). 86 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, H. Rahmen, Dok AA, S.125. 82 83
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D. Die gemeinsame Aktion b) Wichtige gemeinsame Interessen: Ungenauigkeiten im Verhältnis von gemeinsamer Aktion zum gemeinsamen Standpunkt
In der Praxis gab es Ungenauigkeiten bei der Beachtung dieser Verfahrensvoraussetzung 87 , die eines der Unterscheidungsmerkmale des Beschlusses einer gemeinsamen Aktion gegenüber einem gemeinsamen Standpunkt bildet (vgl. Art. J.l III Spiegelstrich 2 EUV): bei Fragen von allgemeiner Bedeutung legen die Mitgliedstaaten erforderlichenfalls einen gemeinsamen Standpunkt durch regelmäßige Zusammenarbeit fest (Art. 1.2 I, 11 EUV), während sie bei wichtigen gemeinsamen Interessen das Mittel der gemeinsamen Aktion (Art. 1.3 EUV) ergreifen (sollen). Gleichwohl hat der Rat gemeinsame Standpunkte beschlossen, die objektiv "wichtige gemeinsame Interessen" der Mitgliedstaaten widerspiegeln. Ein Beispiel ist der gemeinsame Standpunkt vom 28. November 1994 zu den Zielen und Prioritäten der Europäischen Union in bezug auf die Ukraine 88 . Zu diesen Zielen und Prioritäten gehören, wie es in dem Beschluß heißt, die Entwicklung intensiver politischer Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union, welche zugleich die wirtschaftliche Stabilisierung und die Wirtschaftsreform in der Ukraine unterstützen wolle. Weiterhin wolle die Union die Mitarbeit der Ukraine im Rahmen des Stabilitätspaktes 89 fördern und den Prozeß der nuklearen Abrüstung der Ukraine unterstützen. Von besonderer Bedeutung fUr die Union sei schließlich die nukleare Sicherheit und die Reform des Energiesektors, die insbesondere zur Stillegung von Tschernobyl fUhren solle. Diese Ziele und Prioritäten entsprechen weitgehend den vom Europäischen Rat von Lissabon Ende Juni 1992 vorgegebenen Faktoren zur Bestimmung wichtiger gemeinsamer Interessen, die bei der Ermittlung der Fragen und Bereiche fUr gemeinsame Aktionen berücksichtigt werden sollten (siehe oben). Das Bemühen der Europäischen Union zur Schaffung von stabilen Beziehungen zur Ukraine ist in Zusammenhang mit diesen Faktoren zu sehen. Also ist in bezug auf die Ukraine von wichtigen gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten auszugehen. Dennoch hat sich die Union nicht einer gemeinsamen Aktion sondern eines gemeinsamen Standpunktes bedient. Ein gemeinsamer Standpunkt ist demnach auch dann denkbar, wenn wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen. Das bedeutet, daß sich der Rat in diesem Fall sowohl eines gemeinsamen Standpunktes als auch einer gemeinsamen Aktion bedienen kann. 87 Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (181); Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 64, RdNr. 152. 88 Abi. EG Nr. L 313/1 vom 6.12.1994 (94/779/GASP). 89 Zum Stabilitätspakt siehe Anhang J.
11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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Für gemeinsame Aktionen sind wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten jedoch unbedingte Verfahrensvoraussetzung. Die wichtigen gemeinsamen Interessen sind das Grundkriterium für die Annahme einer gemeinsamen Aktion 90 . In letzter Zeit scheinen sich die Mitgliedstaaten an dieses von ihnen im Unionsvertrag selbst aufgestellte Abgrenzungskriterium zwischen Aktion und Standpunkt zu halten (vgl. Anhang I). 4. Beteiligung der Kommission
Gemäß Art. J.9 EUV ist die Kommission in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der GASP zu beteiligen. Im Gegensatz zum Rat ist die Kommission dabei nicht an die "allgemeinen Leitlinien" des Europäischen Rates gebunden91 • Allerdings ist die Kommission nicht an der abschließenden Abstimmung über die gemeinsame Aktion beteiligt. Dies geht aus Art. J.3 Nr.l EUV hervor, wo es heißt, daß "der Rat" die gemeinsame Aktion beschließt. Deren Annahme liegt also in der alleinigen Verantwortung des Rates. Die Kommission nimmt jedoch an den Vorarbeiten teil. Von den Mitgliedstaaten wird sie dabei als vollwertiges Mitglied empfunden, so daß ihr ein gewichtiger Einfluß an dem Inhalt der gemeinsamen Aktion zugeschrieben werden kann92 . Wie die Beteiligung der Kommission bei den Vorarbeiten zu einer gemeinsamen Aktion konkret aussieht, ist im Unions vertrag nicht geregelt. Nur allgemein bestimmt Art. 162 I EGV, Art. 1.11 I EUV, daß sich Rat und Kommission bei ihrer Arbeit gegenseitig zu Rate ziehen und einvernehmlich die Art und Weise ihrer Zusammenarbeit regeln. In der Praxis ist ein Kommissionsvertreter auf allen Ebenen bei der Vorbereitung einer gemeinsamen Aktion beteiligt. An den Tagungen des Europäischen Rates nimmt der Kommissionspräsident teil. Bei der Diskussion im Rat ist die Kommission durch einen Kommissar vertreten. WeIcher der vier grundsätzlich zuständigen Kommissare (siehe oben C.I.l.d.) die Kommission vertritt, richtet sich nach der zu behandelnden Frage. Die Abgrenzung erfolgt grund-
90 So die Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26.127.6.1992), Anlage I, 11. Rahmen, Dok AA, S. 125. Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV, Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 134. Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (183); Kinkel Europäische Außenpolitik, FS Stercken, S. 13. 91 Ebenso Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S. 41 (46). 92 Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995.
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D. Die gemeinsame Aktion
sätzlich nach geographischen Gesichtspunkten. An den Sitzungen des AStV nimmt der Generalsekretär der Kommission (bzw. sein Stellvertreter) teil. Im Politischen Komitee ist die Kommission durch den Generaldirektor der Generaldirektion I.A (Politische Außenbeziehungen) vertreten. Soweit erforderlich kommen die Generaldirektoren der anderen drei Generaldirektionen (siehe oben C.1.1.d.) hinzu. In den Arbeitsgruppen ist die Kommission durch die zuständigen Referatsleiter oder Referenten vertreten93 • Die Kommission kann auch durch die Nutzung ihres Initiativrechtes (Art. 1.8 III EUV) Einfluß auf den Inhalt gemeinsamer Aktionen nehmen. Das Initiativrecht der Kommission ist zwar nicht in der Sache, aber doch in der vertraglichen Festschreibung neu 94 . Dadurch wird der Status der Kommission im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit verbessert, was ihr Gewicht in den Beratungen stärkt95 . Von ihrem Initiativrecht macht die Kommission zunehmend Gebrauch96 • Kommissionsinitiativen werden in den wöchentlichen Sitzungen der Kommissare abgestimmt. Der jeweilige Vorschlag wird von dem zuständigen Kommissar erläutert97 . Abstimmungen innerhalb der Kommission werden mit der Mehrheit der in Art. 157 EGV bestimmten Anzahl ihrer Mitglieder gefaßt (Art. 163 I EGV, Art. J.11 I EUV; vgl. auch Art. 6 der Geschäftsordnung der Kommission vom 17.2.1993 98 ). Das sind zur Zeit zwanzig. Nur in seltenen Fällen kommt es aber zu einer echten Abstimmung, da der Vorschlag bereits auf verschiedenen Ebenen (auch zwischen den zuständigen Generaldirektionen) vorbereitet worden ist und er damit verschiedene "Filter" durchlaufen hat99 • Ein (exklusives) Initiativrecht vergleichbar mit jenem der Kommission aus dem EG-Vertrag enthält Art. J.8 III EUV aber nicht (vgl. auch den Wortlaut: im Gegensatz zum EG-Vertrag heißt es hier nicht "auf Vorschlag der Kommission", sondern die Kommission kann "Vorschläge unterbreiten" und den Rat mit einer Frage der GASP "befassen"). Den Rat trifft hier allenfalls
Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 5.10.1995. Regelsberger Integration 1992, S. 83 (91); Burghardt/Tebbe EuR 1995, S. I (11). Vgl. für die EPZ Servantie, in: GTE, Art. 30 EEA, RdNr. 56. 95 Vgl. Monar Das duale System von EG und EPZ/GASP, S.82f.; WesseI SEW 1995, S. 554 (563). 96 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. 97 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 4.10.1995. 98 AbI. EG Nr. L 230/15 vom 11.9.1993. 99 Vgl. Art. 15,20 der Geschäftsordnung der Kommission. 93
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11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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eine Befassungspflicht 1OO, da er entgegen der Regelung im EG-Vertrag an Initiativen der Kommission nicht gebunden ist lOl und jeder Mitgliedstaat initiativberechtigt ist. 5. Beschluß der gemeinsamen Aktion durch den Rat
Der Rat beschließt die gemeinsame Aktion (Art. J.3 Nr.1 VA. I EUV). a) Einleitungsverfahren Gemäß Art. J.8 III EUV kann jeder Mitgliedstaat oder die Kommission den Rat mit einer Frage der GASP befassen und ihm Vorschläge unterbreiten. Damit sind die Mitgliedstaaten und die Kommission gleichermaßen initiativberechtigt. In der Praxis wird zunächst auf die Initiative des Vorsitzes gewartet, nachdem dieser von einem anderen Initiativberechtigten auf eine bestimmte Frage aufmerksam gemacht worden ist lO2 • Das schließt nicht aus, daß nicht auch die anderen Initiativberechtigten von ihrem Initiativrecht Gebrauch machen, wenn sie dies wünschen 103 . Der Rat wird von dem Vorsitz aus eigenem Entschluß oder auf Antrag eines seiner Mitglieder oder der Kommission einberufen (Art. 147 EGV, Art. J.II I EVV). Gemäß Art. 2 I GOR 104 stellt der Vorsitz die vorläufige Tagesordnung auf und übersendet diese den anderen Ratsmitgliedern und der Kommission. Die vorläufige Tagesordnung kann bereits konkrete Vorschläge zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion enthalten. Diese Vorschläge wurden regel-
Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (78) mwN.; Streinz ZfRV 1195, S. 1 (8). Vgl. auch Algieri Integration 1993, S. 173 (175). 1112 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. 1113 Beispiel: Der Vorschlag Frankreichs hinsichtlich eines Stabilitätspaktes, der unter belgischer Präsidentschaft angenommen worden ist (AbI. EG Nr. L 33911 vom 31.12.1993 (93/728/GASP». 1114 Der Rat hat am 6.12.1993 seine neue Geschäftsordnung festgelegt (93/6621EG), die am 7.12.1993 in Kraft getreten ist. Diese Geschäftsordnung ist abgedruckt im AbI. EG Nr. L 30411 vom 10.12.1993. Die Schaffung des einheitlichen institutionellen Rahmens durch den Unions vertrag bedeutet, daß die üblichen Arbeitsverfahren des Rates - soweit wie möglich - auf die GASP Anwendung finden. Daher ist bzgl. des Beschlußverfahrens für die gemeinsame Aktion die Geschäftsordnung des Rates (GOR) einschlägig. 11X)
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122
D. Die gemeinsame Aktion
mäßig von den Arbeitsgruppen, den Europäischen Korrespondenten, dem Politischen Komitee und dem AStV vorbereitet (siehe auch oben C.1.2.a. und b.). Das Politische Komitee hat zur Aufgabe, die GASP-relevanten Teile der Tagesordnung inhaltlich vorzubereiten und entsprechende Stellungnahmen auszuarbeiten. Dies geschieht anläßlich seiner Tagungen oder via COREU I05 • Das Politische Komitee, das aus den Politischen Direktoren der Mitgliedstaaten einschließlich eines Kommissionsvertreters 106 besteht (Art. J.8 V 1, J.9 EUV), besitzt den dafür notwendigen (außen)politischen Sachverstand. In dieser Aufgabe wird es von den Arbeitsgruppen unterstützt, da deren Vorarbeit die Grundlage der Entscheidungen des Politischen Komitees bildet. Der Rat bedient sich dieser Gremien zum Zwecke einer gemeinsamen europäischen Analyse und als Filter dafür, was auf europäischer Ebene "gemeinsam machbar" ist. Die Weiterleitung der Vorarbeiten an den Rat erfolgt über den AStV, der ihm nützlich erscheinende Bemerkungen und Empfehlungen beifügen kann 107 • Der AStV bemüht sich, auf seiner Ebene Einvernehmen zu erzielen. Die Minister werden dann inhaltlich nur mit Fragen befaßt, über die man sich auf der sog. Arbeitsebene nicht einigen konnte und die deshalb einer Diskussion auf Ministerebene bedürfen. Sollte im AStV Konsens der Mitgliedstaaten festgestellt werden, wird die Ratsentscheidung im sog. A-Punkt-Verfahren vom nächsten Rat ohne Diskussion beschlossen (vgl. Art. 2 VI GOR, wonach die auf der Tagesordnung als A-Punkt vermerkten Fragen - im Gegensatz zu B-Punkten ohne Aussprache angenommen werden können). Deshalb wird der AStV zuweilen auch als filtre unique oder sogar als conseil en miniature bezeichnet. In dringenden Fällen kann der Rat einstimmig beschließen, auf die vorherige Prüfung des AStV zu verzichten (Art. 19 GOR). Der Rat setzt die Tagesordnung zu Beginn jeder Tagung fest. Vorschläge für gemeinsame Aktionen, die nicht auf der vorläufigen Tagesordnung standen, können jetzt nur durch einstimmigen Beschluß aufgenommen werden (vgl. Art. 2 V GOR). Es besteht demnach die Möglichkeit für einzelne Mitgliedstaaten, Vorschläge, die eine rasche Behandlung erfordern, dergestalt zu blockieren, daß sie noch nicht einmal auf der Tagesordnung erscheinen und somit auch
lOS Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage II: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S.142. 1116 Das ist der geographisch zuständige Generaldirektor. 107 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP, Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA, S. 142; Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (189); Regelsberger JEI 1993/94, S. 237 (244).
H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
123
nicht behandelt werden können. Dieses Problem hat der Rat beim Beschluß seiner Geschäftsordnung gesehen. Daher fugte er ihr eine Anlage 11 (Erklärungen ftir das Ratsprotokoll) bei, in der es u.a. heißt, daß Art. 2 GOR nicht die erforderliche rasche und effiziente Behandlung von GASP-Fragen behindern soll. Diese Erklärungen ftir das Ratsprotokoll haben aber keinen zwingenden Charakter.
b) Hauptverfahren
aa) Beschluß der gemeinsamen Aktion (1) Abstimmung
Die Abstimmung über eine gemeinsame Aktion erfolgt auf Veranlassung des Vorsitzes oder wenn sich eine Mehrheit im Rat daftir ausspricht (Art. 7 I GOR). Die Ratsmitglieder stimmen in der in Art. 146 EGV 108 vorgesehenen Reihenfolge der Mitgliedstaaten ab, beginnend mit dem Mitglied, das nach dieser Reihenfolge dem Vorsitz nachfolgt (Art. 711 GOR). Für eine Abstimmung im Rat ist die Anwesenheit von mindestens sechs Ratsmitgliedern erforderlich (Art. 7 IV GOR). Jedes Mitglied kann sich das Stimmrecht höchstens eines anderen Mitgliedes übertragen lassen (Art. 150 EGV, Art. 1.11 I EUV, Art. 7 III GOR). (2) Einstimmigkeit
Die Annahme einer gemeinsamen Aktion erfolgt einstimmig (Art. J.3 Nr.l UA.l, 1.8 11 UA.2 EUV). . Die Vertragspartner zum Unionsvertrag sahen das darin liegende Problem einer möglichen Blockierung. Daher bestimmten sie in der Erklärung Nr. 27 zu den Abstimmungen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die in der Schlußakte enthalten ist, daß die Mitgliedstaaten bei einstimmigen Entscheidungen soweit wie möglich davon absehen, diese zu verhindern, sofern eine qualifizierte Mehrheit besteht. Dieser seit der EEA zum acquis
108 Unter Berücksichtigung der neuen Mitgliedstaaten Österreich, Finnland und Schweden wurde die in Art 146 Il EGV festgelegte Reihenfolge des Ratsvorsitzes neu festgelegt (siehe Anhang II).
124
D. Die gemeinsame Aktion
politique gehörende Grundsatz l09 hat als Erklärung in der Schlußakte zum Vertrag über die Europäische Union keine rechtliche Bindungswirkung 11o • Das einzige Anwendungsbeispiel betrifft, wie aus dem Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe ftir die Regierungskonferenz 1996 hervorgehe 11, die am 12. Mai 1995 beschlossene gemeinsame Aktion über Antipersonenminen ll2 .
Einstimmigkeit bedeutet Einvernehmen zwischen allen Mitgliedstaaten. Fraglich ist, ob dieses Einvernehmen durch mindestens eine Stimmenthaltung verhindert werden kann. Ein rechtmäßiger Beschluß könnte trotz Stimmenthaltung eines Mitgliedstaates zustande kommen, wenn Art. 1481II EGV hier Anwendung findet. Nach dieser Vorschrift steht die Stimmenthaltung dem Zustandekommen von Ratsbeschlüssen, zu denen Einstimmigkeit erforderlich ist, nicht entgegen. Art. 1.11 I EUV, der einige Bestimmungen des EG-Vertrages ftir den Titel V EUV ftir anwendbar erklärt, verweist aber gerade nicht auf den Art. 148 III EGV. Daß die Vertragsparteien Art. 148 EGV nicht übersehen haben, beweist Art. 1.3 Nr.2 UA.2 EUV, der auf Art. 14811 EGV verweise 13. Also kann der Beschluß einer gemeinsamen Aktion durch Stimmenthaltung verhindert werden 114. (3) Rat "Allgemeine Angelegenheiten" als zuständiges Organ
Für den Beschluß der gemeinsamen Aktion bestimmt Art. J.3 Nr.l UA.1 EUV, daß der Rat das dafür zuständige Organ ist. Für Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik ist der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" (also der Rat in der Zusammensetzung der Außenminister) zuständig. 109 Bei Art. 30 NT.3 lit.c EEA hieß es ähnlich: "Um rasch gemeinsame Standpunkte einnehmen und gemeinsame Maßnahmen durchführen zu können, verzichten die Hohen Vertragsparteien im Rahmen des Möglichen darauf, die Herausbildung eines Konsenses und das gemeinsame Handeln, das hieraus hervorgehen könnte, zu behindern." IIOEbenso KrenzleriSchneiderEuR 1994, S.144 (154); Fink-HooijerEJIL 1994, S. 173 (180). Vgl. auch Klein/Haratsch DÖV 1993, S. 785 (796). 111 Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996,S. 64, RdNT. 153. 112 AbI. EG NT. L 115/1 vom 22.5.1995 (95/170/GASP). 113 Stein GASP und Sanktionen, S. 12; ders. EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (72); ders. The Legal Framework ofthe European Security Policy, Vortrag (13.1.1995) anläßlich der Eisa-Konferenz in Passau vom 12.-15.1.1995 ("Prospects for a common european defence policy"), S. 8 (unveröffentlicht); Glaesner Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 70. 114 Ebenso Streinz ZfRV 1/95, S. I (8).
H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
125
Scheinbar atypisch wurden aber auch gemeinsame Aktionen z.B. vom Rat .. 115 0 der sogar vom Rat der Lan d' fi .. 116 b e· der Fmanzmmlster Wlrtsch atsmIllIster schlossen. Diese scheinbar fehlerhafte Zusammensetzung des Rates ist für die Beschlußfassung durch den "Rat" ohne Bedeutung. Bei der Annahme von sog. A-Punkten spielt es keine Rolle, ob der Rat als Außenminister-, Agrarministeroder Finanzministerrat tagt. Entscheidend ist, daß es sich um die Beschlußfassung durch den Rat handelt, da die institutionellen Bestimmungen der Verträge nur den Rat als Organ kennen (vgl. Art. E EUV und Art. 4 I EGV) und in Art. J.3 Nr.1 UA.1 EUV auch nur von dem "Rat" die Rede ist. Jedem formellen Beschluß einer gemeinsamen Aktion geht jedenfalls die inhaltliche Diskussion und die politische Annahme durch den zuständigen Außenministerrat voraus. Erst wenn dieser eine gemeinsame Aktion politisch angenommen hat, werden die Übersetzungen des betreffenden Textes von Juristen und Linguisten in den Amtssprachen 117 fertiggestellt und inhaltlich kontrolliert, um anschließend von dem zum nächsten Zeitpunkt tagenden Rat (als A-Punkt) formell beschlossen zu werden. Wenn nicht der Außenministerrat eine "außenpolitische" Maßnahme entscheidet, sondern z.B. der Rat der Agrarminister, so handelt es sich also nur um ein praktisches organisatorisches Arrangement, bedingt durch die unvermeidlichen Fristen bei der Korrektur der verschiedenen Sprachfassungen 118 • Von der Möglichkeit, daß gemeinsame Aktionen durch andere Ministerräte beschlossen werden können, wird vornehmlich in Eilfällen Gebrauch gemacht, nachdem eine inhaltliche Diskussion, Z.B. über COREU, stattgefunden hat.
115 Die Finanzminister haben z.B. die gemeinsame Aktion zur Vorbereitung der für den 12.5.1995 geplanten Konferenz der Vertragsparteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (AbI. EG NT. L 20511 vom 8.8.1994 (94/509/GASP)) beschlossen. 116 Die Landwirtschaftsminister haben z.B. beschlossen: Verlängerung der gemeinsamen Aktion zur Unterstützung der Beförderung der humanitären Hilfe in BosnienHerzegowina (AbI. EG Nr. L 326/1 vom 17.12.1994 (941789/GASP)) und die gemeinsame Aktion zur weiteren Unterstützung der Verwaltung der Stadt Mostar durch die Europäische Union (AbI. EG NT. L 326/2 vom 17.12.1994 (941790/GASP)). 117 Amtssprachen sind die Sprachen der EU-Mitgliedstaaten bis auf gälisch, also Dänisch, Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch, Schwedisch und Spanisch. Vgl. auch Art. 217 EGV iVm. Art. 1.11 I EUV. 118 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 28.9.1995.
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D. Die gemeinsame Aktion
(4) Schriftliches Verfahren und COREU Außerhalb von Ratstagungen oder wenn in absehbarer Zeit kein Rat tagt (während der Ferien im August oder von Weihnachten bis Neujahr), ist in besonders dringenden Fällen ein Ratsbeschluß auch im schriftlichen Verfahren denkbar (Art. 8 I GOR). Danach können Beschlüsse des Rates über eine dringende Angelegenheit durch schriftliche Abstimmung gefaßt werden, wenn der Rat oder der AStV dieses Verfahren einstimmig beschließen. Der Vorsitz kann ebenfalls vorschlagen, auf dieses Verfahren zurückzugreifen; dann müssen sich die anderen Mitgliedstaaten damit einverstanden erklären. Im schriftlichen Verfahren wird der Beschluß durch den Austausch von Telexen herbeigeführt (künftig auch elektronisch)1l9. Dazu, ob gemeinsame Aktionen auch via COREU beschlossen werden können, bestimmt Art. 8 IV 1 GOR, daß auf Veranlassung des Vorsitzes der Rat auch zur Durchführung der GASP im Wege des vereinfachten schriftlichen Verfahrens (COREU) tätig werden kann. Gegen die Verwendung von COREU zum Beschluß gemeinsamer Aktionen spricht jedoch die Formulierung des Art. 8 I GOR, wo von "Beschlüssen des Rates" die Rede ist. In Art. 8 IV GOR wird diese Formulierung nicht verwandt. Statt dessen ist dort von der "Durchführung der GASP" die Rede. Die Durchführung der GASP setzt aber gerade einen vorhergehenden Beschluß etwa einer gemeinsamen Aktion voraus. COREU wurde zudem ursprünglich nicht zur Beschlußfassung konzipiert, sondern zum Austausch von Informationen. In Eilfällen sollte auf das schriftliche Verfahren (vgl. Art. 8 I GOR) zurückgegriffen werden. Demnach wären Beschlüsse von gemeinsamen Aktionen via COREU nicht möglich. Gegen diese Auslegung ist einzuwenden, daß der Rat "Allgemeine Angelegenheiten" in seinen Schlußfolgerungen vom 26. Oktober 1993 ausdrücklich die Möglichkeit nennt, daß zwischen zwei Tagungen des Rates (Allgemeine Angelegenheiten) auf Veranlassung des Vorsitzes die Beschlüsse des Rates im Wege des vereinfachten schriftlichen Verfahrens mittels COREU gefaßt werden können l2o . Daher ist der Beschluß von gemeinsamen Aktionen auch im Wege des
Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage 11: Die Organe der GASP. Die Zusammenarbeit zwischen dem AStV und dem Politischen Komitee, Dok AA. S. 143. Diese Schlußfolgerungen wurden vom Europäischen Rat von Brüssel (29.10.1993) gebilligt. Daher sind auch die Schlußfolgerungen des Allgemeinen Rates von Brüssel als Auslegungshilfen (Art. 31 I. 11 lit.a WVRK) im Hinblick auf die GASPBestimmungen zu sehen (siehe oben B.II.3.b.). 119
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11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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vereinfachten schriftlichen Verfahrens (COREU) möglich, obschon in der Praxis davon bislang kein Gebrauch gemacht wird 12l • Jedenfalls gibt dieses Verfahren dem Vorsitz die Möglichkeit, bei Veränderungen der politischen Lage rasch Entscheidungen herbeizuführen, ohne daß formelle Treffen der Minister oder ihrer Vertreter erforderlich wären. In diesem Fall gilt der Vorschlag nach Ablauf der vom Vorsitz entsprechend der Dringlichkeit der Angelegenheit festgesetzten Frist als angenommen, wenn kein Ratsmitglied einen Einwand erhebt (Art. 8 IV 2 GOR).
bb) Notwendiger Inhalt des Ratsbeschlusses über eine gemeinsame Aktion Der Rat beschließt nicht nur, daß eine Sache Gegenstand einer gemeinsamen Aktion wird ("ob"), sondern er definiert auch die wichtigsten politischen und operationellen Komponenten der Aktion ("wie"). Neben einem etwaigen Präambel-Teil umfaßt daher der Beschluß einer gemeinsamen Aktion einen verfügenden, "operativen" Teil, der für jeden Einzelfall den notwendigen Inhalt des Ratsbeschlusses über eine gemeinsame Aktion darlegt 122 • Darin legt der Rat den genauen Umfang der Aktion, deren allgemeine und besondere Ziele, die Mittel, Verfahren und Bedingungen sowie erforderlichenfalls den Zeitraum für ihre Durchführung fest (Art. J.3 Nr.l UA.2 EUV). Gegebenenfalls bestimmt der Rat die Fragen, über die mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden ist (Art. J.3 Nr.2 UA.l EUV). Der Rat entwickelt also eine komplette Strategie J23 . Hierbei berücksichtigt er die Vorschläge für Gemeinschaftsbeschlüsse, die die Kommission zur Umsetzung der gemeinsamen Aktion für notwendig erachtet, sowie die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten, aus denen hervorgeht, welche Maßnahmen oder Standpunkte sie als Beitrag zur gemeinsamen Aktion ergreifen wollen. Dabei entscheidet der Rat, ob die Mitgliedstaaten ersucht werden sollen, die ihnen zur Verfügung stehenden nationalen Mittel bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion einzubringen und ob die gemeinsame Aktion in Abstimmung mit Drittstaaten oder internationalen Organisationen durchgeführt werden SOlll24. Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Das GASP-Instrumentarium (Gemeinsame Aktion), Dok AA, S. 139ff.; vgl. auch KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (153). 123 Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (182). 124 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Das GASP-Instrumentarium (Gemeinsame Aktion), Dok AA, S. 140; vgl. auch KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (153). 121
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D. Die gemeinsame Aktion
Fallen operative Ausgaben (Art. J.11 11 2 EUV) an, so wird im Beschluß über die gemeinsame Aktion zusätzlich angegeben, ob sie zu Lasten des Haushalts der Europäischen Gemeinschaften oder nach einem festzulegenden Schlüssel zu Lasten der Mitgliedstaaten gehen 125 (siehe zur Finanzierung der gemeinsamen Aktion D.lV.).
cc) Sonderfragen (J) Mehrheitsentscheid
Gemäß Art. J.8 11 UA.2 EUV beschließt der Rat einstimmig, außer in Verfahrensfragen und im Fall des Art. J.3 Nr.2 EUV 126 • Damit ist zum ersten Mal in der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit eines Mehrheitsentscheides vorgesehen. Der bei dem Beschluß der gemeinsamen Aktion einschlägige Art. J.3 Nr.2 EUV besagt, daß der Rat bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion und in jedem Stadium ihres Verlaufs bestimmen kann, ob eine Einzelentscheidung mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden soll. Diese Vorschrift verweist bzgl. der Stimmengewichtung auf Art. 14811 EGV 127 • Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit kommen gemäß Art. J.3 Nr.2 UA.2 EUV mit einer Mindeststimmenzahl von zweiundsechzig Stimmen 128 zustande, welche die Zustimmung von mindestens zehn Mitgliedern umfassen l29 . Beim näheren Hinsehen handelt es sich bei der Möglichkeit, mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden, um eine verdeckte Einstimmigkeit 130. Erst nach 125 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Das GASP-Instrumentarium (Gemeinsame Aktion), Dok AA, S. 141. 126 Der bis Maastricht diskutierte Wortlaut ging davon aus, daß die Einzelheiten bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion prinzipiell mit Mehrheit entschieden werden sollten. Dieser Grundsatz mußte urnformuliert werden, weil er Großbritannien zu weit ging, aber auch andere Mitgliedstaaten haben ihn letztlich nicht akzeptieren können. Näher dazu: Regelsberger Integration 1992, S. 83 (88) sowie liiufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 69. 127 Die Stimmen der Ratsmitglieder werden demnach wie folgt gewogen: Belgien 5, Dänemark 3, Deutschland 10, Griechenland 5, Spanien 8, Frankreich 10, Irland 3, Italien 10, Luxemburg 2, Niederlande 5, Österreich 4, Portugal 5, Finnland 3, Schweden 4 und Vereinigtes Königreich 10. 12R Das sind vier Stimmen mehr als für eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich wären. 129 Das bedeutet eine Sperrminorität von mindestens 26 Stimmen, also z.B. drei große oder zwei große und zwei kleine Mitgliedstaaten. Mindestens sechs Mitgliedstaaten (unabhängig von ihrem Stimmengewicht) können den Mehrheitsbeschluß verhindern.
11. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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dem einstimmigen Grundsatzbeschluß über die Annahme einer gemeinsamen Aktion ("ob") sind Mehrheitsentscheidungen, z.B. hinsichtlich von Durchführungs- oder Modifikationsfragen ("wie"), denkbar, und auch das nur dann, wenn diese Möglichkeit vorn Rat vorher durch Konsens beschlossen worden ist. Für die beteiligten Diplomaten hat die Einführung des Mehrheitsprinzips in gewisser Weise dennoch den Charakter eines quasi "revolutionären" Aktes. Klassische Grundmuster der Diplomatie, wonach Eingriffe in den Kembereich staatlicher Politik durch Mehrheitsentscheid anderer Staaten nicht möglich sind, werden zumindest in Frage gestellt, was einen Umdenkungsprozeß erfordert 131 • Der Rat hat in seiner bisherigen Praxis von der Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen noch keinen Gebrauch gemacht. (2) Eigenständigkeit des Rates als EG-Organ?
Der Rat ist Gemeinschaftsorgan auf der einen und Organ der Zusammenarbeit auf der anderen Seite. Er erscheint dabei als "Diener zweier Herren,,132. Es stellt sich die Frage, ob dem Rat beim Beschluß einer gemeinsamen Aktion eine Eigenständigkeit gegenüber den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP zukommt oder ob er ausschließlich diesen zu dienen hat. Für eine Eigenständigkeit des Rates gegenüber den Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP spricht, daß seit Maastricht bei der Abstimmung über eine gemeinsame Aktion Mehrheitsentscheidungen möglich sind (Art. J.3 Nr.2 EUV) 133. Damit ist es dem Rat möglich, eigenständig entgegen einer dem Beschluß widersprechenden Minderheit von Staaten zu entscheiden. Diesem Argument ist entgegenzuhalten, daß es sich dabei - wie eben dargestellt - um eine verdeckte Einstimmigkeit handelt. Zudem ist der Rat an die allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates gebunden (Art. J.8 I, J.3 Nr.l EUV), welche mitunter auch konkrete inhaltliche Vorgaben enthalten.
130 Ebenso Läufer Ziele und Verfahren, PS Stercken, S.69. Vgl. auch KleinlHaratsch DÖV 1993, S. 785 (796); BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (15). 131 Regelsberger EPZ und GASP, S. 188. Vgl. auch Läufer Ziele und Verfahren, FS
Stercken, S. 68.
132 Torsten Stein spricht daher von einem dedoublement fonctionnel (in: EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (78». 133 So WesseI SEW 1995, S. 554 (567).
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D. Die gemeinsame Aktion
Es ist noch zu bedenken, ob der einheitliche institutionelle Rahmen eine Eigenständigkeit des Rates zu begründen vermag. Nach diesem institutionellen Konzept finden die üblichen Arbeitsverfahren des Rates und die Vorschriften bezüglich seiner Organisation - soweit wie möglich - auf die GASP Anwendung J34 . Entsprechend erklärt Art. 1.11 I EUV einige Artikel des EG-Vertrages im Bereich der GASP für anwendbar. Dabei handelt es sich aber lediglich um Vorschriften zur Organisation (z.B. Zusammensetzung des jeweiligen Organs) oder zu Verfahrensfragen, nicht aber zu den den Organen in den Gemeinschaftsverträgen übertragenen Befugnisse (vgl. insoweit Art. E EUV). Das bedeutet, daß die jeweiligen Befugnisse des Rates für die GASP dem Titel V EUV zu entnehmen sind 135 • Somit bleibt es in bezug auf die Handlungsbefugnisse des Rates (also der materiellen Zuständigkeiten) trotz der organisatorischen Umgestaltung (einheitlicher institutioneller Rahmen) bei der alten Trennung zwischen Gemeinschaftszuständigkeit und zwischenstaatlicher Aufgabenzuweisung J36 . Der Rat dient auf diese Weise dem Europäischen Rat und damit den Mitgliedstaaten bei seiner Arbeit im Rahmen der GASP als Entscheidungszentrum. Demzufolge ist der Rat innerhalb der GASP kein eigenständiges EG-Organ. c) Abschlußverfahren
Die gemeinsamen Aktionen sind in Form und Duktus dem traditionellen EGAnsatz sehr ähnlich \37. Hier hat man sich - trotz der gemeinschaftsfremden Qualität der gemeinsamen Aktion - zweckmäßigerweise bestehender Muster bedient. Der Beschluß der gemeinsamen Aktion ist durch den Vorsitzenden und den Generalsekretär des Rates zu unterzeichnen 138 • Gemäß Art. 18 I 2 GOR notifiziert der Generalsekretär die gemeinsamen Aktionen, d.h. er schickt eine Mitteilung über deren Beschluß an die Mitgliedstaaten. Gemäß Art. 17 I GOR
134 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Effizienteres Beschlußfassungsverfahren, Dok AA, S. 138. 135 Vgl. Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 449. 136 Vgl. Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (20); ders. Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 69f.
Regelsberger JEI 1993/94, S. 237 (238). Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Das GASP-Instrumentarium (Gemeinsame Aktion), Dok AA, S. 141; vgl. auch KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (153). 137
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H. Verfahren zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion
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sollen die gemeinsamen Aktionen die Überschrift tragen: 'Gemeinsame Aktion des Rates aufgrund von Art. J.3 des Vertrags über die Europäische Union' 139. In jedem Einzelfall wird bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion einstimmig vom Rat beschlossen, ob diese sowie die Maßnahmen zu ihrer Durchführung im Amtsblatt veröffentlicht werden sollen (Art. 18 III GOR). Bislang ist jede gemeinsame Aktion im Amtsblatt der Gemeinschaften (Reihe L(egislatio) - Rechtsakte ) veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung der gemeinsamen Aktion im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ist deswegen bemerkenswert, weil es sich bei ihr nicht um einen Rechtsakt der Gemeinschaft bzw. Gemeinschaftsrecht handelt. Die Abstimmungsprotokolle werden nur nach einstimmigem Beschluß des Rates auf Antrag eines seiner Mitglieder veröffentlicht (Art. 1.7 V GOR). Die Erklärung Nr. 29 aus der Schlußakte zum Gebrauch der Sprachen im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik stellt klar, daß für die GASP die Sprachenregelung der Europäischen Gemeinschaften gile 4o • Das bedeutet, daß auch hier Englisch und Französisch als Arbeitssprachen gelten. Der Beschluß der gemeinsamen Aktion wird unverzüglich und zeitgleich in die Amtssprachen übersetzt.
6. Beteiligung des Europäischen Parlamentes Die für die Beteiligung des Parlamentes beim Beschluß einer gemeinsamen Aktion möglicherweise einschlägige Vorschrift findet sich nicht in Art. 1.3 EUV, sondern in einem gesonderten Artikel. In Art. 1.7 I 1 EUV heißt es, daß der Vorsitz das Europäische Parlament zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der GASP hört und darauf achtet, daß die Auffassungen des Europäischen Parlamentes gebührend berücksichtigt werden. Ob eine Beteiligung des Parlamentes im Beschlußverfahren einer gemeinsamen Aktion notwendig ist, bestimmt sich also danach, ob die gemeinsame Aktion zu den wichtigsten Aspekten und den grundlegenden Weichenstellungen der GASP gehört. Das ist abzulehnen, da eine gemeinsame Aktion entspre139 Die Überschriftspraxis in der deutschen Übersetzung ist dennoch uneinheitlich. Es finden sich Formulierungen wie: " ... vom Rat aufgrund Artikel 1.3 des Vertrags über die Europäische Union beschlossene gemeinsame Aktion" oder" ... aufgrund von Artikel1.3 des Vertrags über die Europ.äische Union angenommene gemeinsame Aktion". Diese Uneinheitlichkeit ist auf die Ubersetzung zurückzuführen, wie der Vergleich mit den englischen Texten zeigt. 140 Die zitierte Erklärung ist wegen Art. 1.11 I EUV, Art. 217 EGV [Sprachenfrage] überflüssig.
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D. Die gemeinsame Aktion
chende Weichenstellungen und vorhergehende Konsultationen voraussetzt. Eine Pflicht zur Anhörung des Europäischen Parlamentes vor dem Beschluß einer gemeinsamen Aktion besteht also niche 41 . Gemäß Art. 1.7 I I EUV hat der Vorsitz die Auffassungen des Europäischen Parlamentes gebührend zu berücksichtigen. Der Unionsvertrag enthält keinen Hinweis darauf, was unter "gebührender Berücksichtigung" zu verstehen ist. Weil das GASP-Verfahren aber zwischenstaatlicher Natur ist, ist davon auszugehen, daß keine Pflicht in dem Sinne besteht, wonach die Meinung des Parlamentes einen konkreten Niederschlag bzw. die Aufnahme in den Text der gemeinsamen Aktion finden müßte. Ohnehin wäre hierbei der Vorsitz, der nur einen unter vielen Mitgliedstaaten im Rat repräsentiert, überfordert, müßte er die Auffassungen des Parlamentes rechtsverbindlich berücksichtigen. D.h., daß auch eine mangelhafte Beachtung der Auffassungen des Europäischen Parlamentes den Beschluß des Rates nicht rechtswidrig mache 42 • Damit bleiben große Unterschiede zwischen der Politik des Rates und den außenpolitischen Positionen des Parlamentes möglich. Derzeit spielt das Europäische Parlament sowohl bei der Entscheidungsfmdung als auch bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion direkt keine zentrale Rolle. Indirekt kann das Europäische Parlament aber über das Haushaltsverfahren Einfluß auf den Inhalt einer gemeinsamen Aktion nehmen (siehe dazu näher unten D.lV.2.). 111. Durchführung 1. Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion
Voraussetzung flir die effektive Durchflihrung einer gemeinsamen Aktion ist, daß ihr gegenüber den Mitgliedstaaten bindende Wirkung zukommt.
141 So wurde das Europäische Parlament bei der Annahme der ersten gemeinsamen Aktion im Rahmen der GASP am 8.11.1993 (AbI. EG NT. L 286/1 vom 20.11.1993 (93/603/GASP» vom Rat nicht konsultiert (Grunert/Lecureuil Perspektiven rur eine GASP, S. 9, Fn. 10). Es hat daher am 2.12.1993 die Empfehlung A3-0371193 abgegeben (abgedruckt im AbI. EG NT. C 342/17 vom 20.12.1993). Darin empfiehlt das Parlament dem Rat, "es in Zukunft zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu konsultieren, bevor er Beschlüsse im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (entsprechend Art. 1.7 EUV) faßt". 142 Ebenso Pöttering GASP - Illusion oder Wirklichkeit?, S. 12.
III. Durchführung
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a) Art. J.3 Nr.4 EUV Gemäß dem Vertrag über die Europäische Union sind GASP-Entscheidungen für die Mitgliedstaaten verbindlich l43 • Speziell für die gemeinsame Aktion bestimmt Art. J.3 Nr.4 EUV, daß die "gemeinsamen Aktionen [ ... ] für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend" sind. Art. 30 Nr.2 lit.a EEA forderte demgegenüber für die EPZ lediglich, daß der gemeinsame Einfluß durch die Durchführung gemeinsamer Maßnahmen "so wirkungsvoll wie möglich" ausgeübt werden sollte l44 . Adressaten der Bindungswirkung einer gemeinsamen Aktion sind nur die Mitgliedstaaten, aber nicht die Kommission. Etwas anderes wäre auch nicht mit Art. M EUV und mit der Unabhängigkeit und der Stellung der Kommission im institutionellen Gefüge der EG vereinbar l45 . Art. 15711 EGV verbietet den Kommissionsmitgliedern ausdrücklich, von einer Regierung oder einer anderen Stelle Anweisungen entgegenzunehmen. Der Kommission müßte, sollte auch sie verpflichtet sein, konsequenterweise ein Mitabstimmungsrecht hinsichtlich der gemeinsamen Aktion eingeräumt werden. Bemerkenswert ist, daß die Union zwar als Handlungsträger der GASP bezeichnet (vgl. Art. J.l I EUV, siehe näher unten F.I1.), sie aber nicht - unabhängig von ihrer mangelnden Rechtsfähigkeit - als Adressat der Bindungswirkung genannt wird. Das ist ein weiterer Ausdruck für die Konstruktion der GASP als Form einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit. Aus dem Vergleich zu den Formulierungen der Bestimmungen für gemeinsame Standpunkte im Titel V EUV wird deutlich, daß die Vertragsparteien von Maastricht der gemeinsamen Aktion eine hohe Bindungswirkung geben wollten. Der Allgemeine Rat vom 26. Oktober 1993 in Brüssel hebt hervor l46 , daß 143 Vgl. auch die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 136; Schlußfolgerungen ER-Lissabon (26.127.6.1992), Anlage V: Bericht der Kommission "Europa und die Problematik der Erweiterung", BullBReg. Nr. 71 (1.7.1992), S. 686. 144 Peter-Christian Müller-GraJf (in: Integration 1993, S. 147 (154)) und Ramses Wessel (in: Transaktie 1995, S. 340 (342f.» verweisen darauf, daß hinsichtlich der Aufgabenverbindlichkeit generell die Sprache von der EPZ zur GASP bestimmter geworden ist. 145 Vgl. Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (79). 146 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 136. Zu der rechtlichen Qualifikation dieser Erklärung als Auslegungshilfe iSd. Art. 31 I, 11 lit.a WVRK siehe oben B.Il.3.b.
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D. Die gemeinsame Aktion
die bindende Wirkung bei der gemeinsamen Aktion gegenüber dem gemeinsamen Standpunkt "noch stärker zutage" tritt 147 . Beim gemeinsamen Standpunkt heißt es z.B., daß die Mitgliedstaaten "dafür Sorge" zu tragen haben, daß ihre nationale Politik mit den gemeinsamen Standpunkten im Einklang steht (Art. 1.2 11 UA.2 EUV). Ähnlich vage ist der Art. J.2 III UA.2 EUV. Danach "setzen sich" die in internationalen Organisationen und auf internationalen Konferenzen vertretenen Mitgliedstaaten für die gemeinsamen Standpunkte ein. Auch die umfassenden Verfahrensregeln, die zum Beschluß einer gemeinsamen Aktion führen, betonen, daß der gemeinsamen Aktion gegenüber dem gemeinsamen Standpunkt eine hohe Disziplinierungsfunktion der Mitgliedstaaten beigegeben wurde. Soll von der Durchführung der gemeinsamen Aktion abgewichen werden, so ist dies nur nach bestimmten Verfahren möglich (= Art. 1.3 Nr.3, Nr.5, Nr.6 oder Nr.7 EUV, siehe dazu D.III.2.c.). Entsprechende Sonderregelungen für den gemeinsamen Standpunkt gibt es nicht. Aber selbst die bindendsten Formulierungen können nichts daran ändern, daß Art. 1.3 Nr.4 EUV nicht der Jurisdiktion des EuGH unterliegt, wie Art. L EUV bestimmt. Zwar sind die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der GASP völkerrechtlicher Natur 148 , dennoch ist eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag in der Praxis derzeit ausgeschlossen (siehe näher unten D.III.3.b.bb.). Damit ist es keiner neutralen Stelle möglich, die Einhaltung der von Art. J.3 Nr.4 EUV vorgegebenen Verbindlichkeit zu kontrollieren.
b) Art. 5 EGV Der Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV) gilt nicht für die GASP. Art. 5 EGV legt den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auf, alle Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, die sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag oder aus den Handlungen der Gemein-
147 Freilich mutet diese Formulierung des Allgemeinen Rates widersprüchlich an: denn entweder ist etwas bindend oder es ist eben nicht bindend. Eine "geringere" oder "stärkere" Bindungskraft im rechtlichen Sinne ist nur schwer vorstellbar. Der Allgemeine Rat kann daher nur eine stärkere politische Bindungskraft bzw. eine höhere Disziplinierungsfunktion der gemeinsamen Aktionen in bezug auf die Mitgliedstaaten gemeint haben (siehe dazu weiter unten). 148 BVerfGE 89, 155, 176f. (B 2 c2 und B 2 c5) = NJW 1993, 3047, 3049. Siehe zur Rechtsqualität der gemeinsamen Aktion näher unten D.V.
III. Durchführung
135
schaftsorgane ergeben l49 • Darüber hinaus haben die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zu unterlassen, die die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrages gefährden könnten. Art. 5 EGV gilt unstrittig für den Bereich der auswärtigen Beziehungen der Mitgliedstaaten, soweit es um die Durchführung von gemeinschaftlichen Maßnahmen (d.h. Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft und nicht der Europäischen Union innerhalb der GASP) geht, wie beispielsweise handels- oder sanktionspolitische Maßnahmen nach Art. 228a EGV. Für den Kompetenzbereich der Gemeinschaft besteht somit eine gemeinschaftsrechtliche Bindungswirkung im Hinblick auf gemeinschaftliche (Außen)Maßnahmen gemäß Art. 5 EGV. Nach einer Ansicht 150 soll sich auch für die GASP eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten. nach Art. 5 EGV ergeben, wenn GASP-Maßnahmen (also auch gemeinsame Aktionen) mit gemeinschaftlichen Maßnahmen zu einer globalen Aktion der Union 151 verbunden sind. Dies sei denkbar, weil es zu einer starken Interaktion zwischen Mitteln der Gemeinschaft und der GASP komme, da der Unionsvertrag versuche, gemeinschaftliche Aktionen (EG) stärker mit gemeinsamen Aktionen (GASP) zu verknüpfen. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als Art. 5 EGV sich - wie oben dargestellt - auf die gemeinschaftlichen Maßnahmen einer globalen Aktion bezieht. Im Hinblick auf GASP-Maßnahmen entfaltet diese Vorschrift keine Wirkung. Denn Art. 5 EGV setzt voraus, daß der sachliche Anwendungsbereich des EGVertrages eröffnet ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der betreffende Sachverhalt von Bestimmungen des EG-Vertrages erfaßt wird. Dies ist nicht der Fall, wenn jeder Bezug zu einem der Tatbestände fehlt, die das Gemeinschaftsrecht regele 52. Die Vorschriften zur GASP stehen aber außerhalb des Gemeinschaftsrechts, was auch dem Willen der Vertragsparteien von Maastricht entspricht, wonach die verschiedenen Pfeiler der Europäischen Union grundsätzlich voneinander getrennte Rechtsräume darstellen (v gl. Art. A III 1, E, M EUV). Eine Bindungswirkung außerhalb des Anwendungsbereiches des EG-Vertrages kann Art. 5 EGV auch deswegen nicht entnommen
149 Die Rechtsentwicklung hat die frühere Auffassung überholt, daß Art. 5 EGV keine Rechtspflichten begründen könne (von Bogdandy, in: Grabitz/Hilj, Art. 5 EGV, RdNr. 3,6 und 10). 150 KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (I 57ff.). Vgl. auch den Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 59, RdNr. 136. 151 Globale Aktionen der Union fassen die Möglichkeiten der Union in wirtschaftlicher (EG) und politischer (GASP) Hinsicht zusammen. Siehe dazu näher unten E.II.4. 152 Vgl. von Bogdandy, in: Grabitz/Hilj, Art. 5 EGV, RdNr. 12ff. (14).
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D. Die gemeinsame Aktion
werden, da dies mit der Grundentscheidung in Art. 3b I EGV nicht zu vereinbaren wäre 153. Zudem enthält der Titel V EUV gegenüber Art. 5 EGV eine speziellere Vorschrift, nämlich die Loyalitätsklausel des Art. J.1 IV S.l und 2 EUV. Aus der Existenz der GASP-Loyalitätsklauselläßt sich schließen, daß die Vertragsparteien der Ansicht waren, daß Art. 5 EGV rur die GASP gerade nicht greift.
c) Art. J. J IV J und 2 EUV Neben der speziellen Bestimmung des Art. J.3 Nr.4 EUV enthält Art. J.1 IV S.l und 2 EUV eine allgemeine Loyalitätsklausel, wonach die Mitgliedstaaten die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv, vorbehaltlos, loyal und solidarisch unterstützen. Sie haben jede Handlung zu unterlassen, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte. Der Rat trägt rur die Einhaltung dieser Grundsätze Sorge (Art. 1.1 IV 3 EUV). Art. 1.1 IV S.l und 2 EUV wurde, in Anlehnung an die klassischen "Loyalitätsklauseln" des internationalen Organisationsrechts, jetzt eigens rur die GASP aufgestelle 54 • Art. J.1 IV 2 EUV bewirkt, daß diejenigen Mitgliedstaaten, die einzelstaatliche Handlungen außerhalb der GASP vornehmen, auch dabei an die Interessen der Union - iSd. Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten - gebunden sind l5S • Diese Vorschrift enthält also eine Unterlassungspflicht, nach der einzelstaatliche Maßnahmen im Einklang stehen müssen mit den Interessen der Union und wonach diese Maßnahmen nicht der Wirksamkeit der Union als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden dürfen l56 • Art. J.1 IV S.l und 2 EUV soll also nicht nur positiv die Koordinierung aller Mittel mit dem Ziel der Kohärenz gewährleisten. Vielmehr wird auch das Gebot aufgestellt, zur GASP widersprüchliches Verhalten zu vermeiden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es der Union gelingt, eine gemeinsame Politik festzulegen (Art. J.1 IV 1 EUV). Fraglich ist daher, ob abweichende nationale Handlungen dann zulässig sind, wenn es der Europäischen Union nicht gelingt eine gemeinsame Unionspolitik (insbesondere gemeinsame Aktion oder gemeinsamer Standpunkt) zu beschließen oder festzulegen. Entscheidend ist,
Ebenso von Bogdandy, in: Grabitz/Hilj, Art. 5 EGV, RdNr. 14. Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 66. 155 Vgl. auch KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (146); Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (178f.). 156 Vgl. auch Jagow Integration 1993, S. 225. 153
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III. Durchführung
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ob die nationale Handlung den Interessen der Union zuwiderläuft (Art. J.l IV 2 Alt.l EUV). Demnach sind nationale Handlungen nur dann zulässig, wenn diese nicht gegen das Gesamtinteresse der Union gerichtet sind. Somit entfaltet Art. J.l IV 2 Alt. 1 EUV auch dann Wirkung, wenn es zu keinem GASPBeschluß gekommen ist. Orientierungspunkt einzelstaatlicher Politiken sind dann die Interessen der Union. Darunter ist all das zu verstehen, was für die Union, d.h. für die Gesamtheit der Mitgliedstaaten, von Vorteil ist, also was ihr bzw. ihnen nützt. d) Politische Bindung
Neben der vertraglich vorgesehenen Bindungskraft einer gemeinsamen Aktion gemäß Art. J.3 NrA EUV spielen die politischen Wirkungen des Beschlusses eine große Rolle 157 • Durch den einstimmigen Beschluß einer gemeinsamen Aktion wird eine Erhöhung der Schwelle zum Alleingang bewirke s8 . Neben der völkerrechtlichen entsteht eine moralische (Eigen)Verpflichtung, die die Akteure dazu drängt, die gemeinsame Aktion korrekt zu befolgen 1s9 • Auch die Tatsache, daß der Europäische Rat allgemeine Leitlinien für eine gemeinsame Aktion in einem bestimmten Bereich festgelegt hat, verleiht der Aktion ein größeres politisches Gewicht und verpflichtet die Mitgliedstaaten politisch zur Durchführung der gemeinsamen Aktion l60 . e) Völkerrechtswidrige gemeinsame Aktionen
Eine Bestimmung, die eine völkerrechtswidrige gemeinsame Aktion rur nichtig erklärte, fehlt in den Vorschriften zur GASP. Ungelöst bleibt damit das Problem der Bindungswirkung einer völkerrechtswidrigen gemeinsamen Aktion. In einem solchen Falle könnten sich die Mitgliedstaaten in einem Konflikt mit Art. J.3 Nr.4 EUV befinden: jede Handlungsaltemative wäre völkerrechtswidrig, wenn auch völkerrechtswidrige gemeinsame Aktionen für die Mitgliedstaaten Bindungswirkung entfalteten. 157 158
(75).
So auch Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 453. Müller-GraJJIntegration 1993, S. 147 (156); Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69
159 WesseIs hat zu der Frage, wie der politische Wille der Mitgliedstaaten zu mehr Gemeinsamkeit entsteht, 1986 im Hinblick auf die EPZ drei Hypothesen aufgestellt (siehe dazu WesseIs Integration 1986, S. 126 (130)). 160 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 137.
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D. Die gemeinsame Aktion
Als Argument für eine Bindungswirkung läßt sich der Wortlaut des Art. 1.3 Nr.4 EUV anführen. Dort ist von "gemeinsamen Aktionen" die Rede. Es wird nicht zwischen deren Völkerrechtsmäßigkeit bzw. -widrigkeit unterschieden. Entsprechendes ergibt sich aus Art. 1.1 IV S.l und 2 EUV. Auch diese Loyalitätsklausel enthält keinen Bezug auf die Beachtung des Völkerrechts. Statt dessen werden dort die Loyalität, die gegenseitige Solidarität, die Unionsinteressen und die Kohärenz betont. Andererseits implizieren die Ziele der GASP (insbesondere Art. 1.1 11 Spiegelstrich 3-5 EUV) ein välkerrechtsmäßiges Handeln der Europäischen Union bzw. der Gesamtheit der Mitgliedstaaten im Rahmen der GASP. Dafür spricht vor allem der Verweis auf die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen in Art. 1.1 11 Spiegelstrich 3 EUV: wenn diese Grundsätze als Verfassung der Staatengemeinschaft Orientierungspunkt der GASP sind, bedeutet das, daß die Vertragsparteien von Maastricht im Rahmen der GASP nur völkerrechtsmäßig handeln wollen 161 . Fraglich ist jedoch, ob die Beachtung der GASP-Ziele eine für den Beschluß einer gemeinsamen Aktion notwendige Voraussetzung bildet. Zwar nennt der Art. 1.3 EUV nicht ausdrücklich diese Verfahrensvoraussetzung. Der Europäische Rat von Lissabon hat aber festgelegt 162 , daß eine gemeinsame Aktion "notwendigerweise [u.a. den] in Art. 1.1 11 EUV genannten Zielen der Union entsprechen" muß. Ebenso deutlich formuliert der Allgemeine Rat von Brüssel (26. Oktober 1993), daß die GASP "auf die Verwirklichung der in Art. J.l des Vertrags genannten Unionsziele ab[zielt]"163. Die Beachtung der GASP-Ziele, die ein völkerrechtsmäßiges Handeln implizieren, bildet also eine Verfahrensvoraussetzung für den Beschluß einer gemeinsamen Aktion (siehe auch oben D.II.l.a.bb.). Die GASP-Ziele werden dadurch zu einer inhaltlichen Kontrolle für gemeinsame Aktionen aufgewertet. Sie bilden eine Art höherrangiges Recht. Damit bleibt aber weiterhin offen, ob eine völkerrechtswidrige gemeinsame Aktion, die dadurch auch gegen den Zielkatalog verstößt und daher verfah-
161 Vgl. hier insbesondere die Präambel der Satzung der Vereinten Nationen und deren Art. I. 162 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, II. Rahmen, Dok AA, S. 125. Diese Schlußfolgerungen sind gemäß Art. 31 I, II lit.a WVRK als Auslegungshilfe in bezug auf die GASP-Bestimmungen heranzuziehen (siehe oben B.II.3.b.). 163 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Sicherheitsaspekte der GASP, Dok AA, S. 135.
III. Durchführung
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renswidrig zustandegekornrnen ist, Bindungswirkung für die Mitgliedstaaten entfaltet. Für eine Bindungswirkung spricht das Erfordernis der Rechtssicherheit. Dazu gibt es im deutschen Recht Parallelen, wonach rechtswidrige Hoheitsakte zunächst Rechtswirkung entfalten und zwar bis zu einer anderslautenden Entscheidung einer dafür zuständigen Stelle. So ist z.B. ein Bundesgesetz grundsätzlich bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes über dessen Verfassungswidrigkeit anzuwenden. Ähnliches gilt für einen Verwaltungsakt, der - soweit nicht offenkundig fehlerhaft (§44 Verwaltungsverfahrensgesetz) solange rechtliche Wirkung entfaltet, bis von der Behörde oder von dem Gericht anders entschieden wurde. Diese Argumentation setzt indes voraus, daß es eine neutrale Stelle gibt, die das verletzte Recht wiederherstellen kann. Eine solche Stelle fehlt aber gerade im institutionellen Gefüge der GASP (siehe unten D.III.3.b.). Daher ist eine Bindungswirkung von völkerrechtswidrigen gemeinsamen Aktionen für die Mitgliedstaaten zu verneinen. Art. 1.3 Nr.4 EUV findet in diesem Fall ausnahmsweise keine Anwendung. Dieses Ergebnis wird dadurch gestützt, daß eine Verletzung der in Art. 1.1 11 EUV genannten Ziele eine Pflicht für die Mitgliedstaaten enthält, im Rahmen der GASP zu handeln (siehe oben D.II.1.a.bb.). Würde man also die Bindungswirkung für völkerrechtswidrige gemeinsame Aktionen bejahen, so hätte das die widersinnige Konsequenz, daß die Mitgliedstaaten sofort zur Korrektur ihres Handelns verpflichtet wären. j) Zwischenergebnis
Gemeinsame Aktionen sind für die Mitgliedstaaten bindend, soweit ihr Inhalt nicht völkerrechtswidrig ist. Ihre Bindungswirkung richtet sich nach den Regeln des Völkerrechts (pacta sunt servanda, vgl. Art. 26 WVRK)164. 2. Umsetzung der gemeinsamen Aktion
a) Umsetzung durch den Vorsitz Nachdem der Rat die gemeinsame Aktion beschlossen hat, ist der Vorsitz gemäß Art. 1.5 11 HS.1 EUV rür deren Durchführung verantwortlich. Dies hat
164
Siehe zu der Klassifizierung der gemeinsamen Aktion als Völkerrecht unten D.V.
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D. Die gemeinsame Aktion
den Vorteil, daß durch eine einheitliche Darlegung und Durchführung von Aktionen nach außen eine bessere Wahrnehmbarkeit der Union auf der internationalen Bühne gefOrdert wird l65 . Jede Außenpolitik sowie jede nach außen gerichtete Sicherheitspolitik benötigt zu ihrer Umsetzung einen diplomatischen Apparat. Art. J.5 11 HS.l EUV bewirkt, daß für die Umsetzung der gemeinsamen Aktion der diplomatische Dienst des Mitgliedstaates zuständig ist, der den Vorsitz innehat. Bei Demarchen, Erklärungen, Briefen oder Kontakten ist das leicht nachvollziehbar: hier ist der jeweilige Vertreter des Vorsitzes auf politischer oder administrativer Ebene gefordert. Komplexer ist demgegenüber die Durchführung einer gemeinsamen Aktion, weil diese idR. ein Bündel von Maßnahmen enthält. Deren notwendige Durchführungsdetails werden jedoch in dem entsprechenden Beschluß des Rates genannt: der Umfang, die allgemeinen und besonderen Ziele, sowie die Mittel, Verfahren und Bedingungen und erforderlichenfalls der Zeitraum der Aktion werden für jeden Einzelfall gesondert beschlossen (vgl. Art. J.3 Nr.l UA.2 EUV). Bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion tritt der Vorsitz (d.h. insbesondere sein Außenamt) als "Manager der GASP" auf. Der Vorsitz wird damit als "Exekutivorgan" tätig, indem er die Umsetzung der gemeinsamen Aktion organisiert. Für das Handeln nach außen sind dem Vorsitz dieselben Grenzen gesetzt, wie sie auch für jeden Staat gelten, der außenpolitisch auftritt. D.h., der Vorsitz ist als Verantwortlicher bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion an die geltenden Bestimmungen des Völkerrechts gebunden. So bedarf er z.B. bei der Entsendung von EU-Wahlbeobachtern in ein Drittland der Einwilligung des betroffenen Staates im Sinne des Völkerrechts. Art. J.6 I EUV bestimmt zusätzlich, daß der Vorsitz (und damit sein diplomatischer Dienst) Unterstützung bei der Umsetzung der gemeinsamen Aktion durch alle sonstigen diplomatischen Mittel der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten erfährt (d.h. durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der anderen Mitgliedstaaten und durch die Delegationen der Kommission in dritten Ländern und auf internationalen Konferenzen sowie mittels ihrer Vertretungen bei internationalen Organisationen). Der Vorsitz wird bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion von dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Vorsitz unterstützt (Art. J.5 III 1 165 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitliche Darstellung nach außen und stärkere Präsenz, Dok AA, S. 138.
III. Durchführung
141
EUV). Dadurch soll eine gewisse Kontinuität bei der Umsetzung von gemeinsamen Aktionen erreicht werden. b) Rolle der Kommission
Auch die Kommission ist gemäß Art. 1.5 III 2 EUV an der Umsetzung der gemeinsamen Aktion in vollem Umfang zu beteiligen. Insoweit wird der Kommission - neben ihren Aufgaben im wirtschaftlichen Bereich - eine echte politische Rolle zuerkannt. Sobald die gemeinsame Aktion aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert wird, gewinnt die Kommission bei deren Umsetzung zusätzlich an Bedeutung, da sie für die Ausführung des Haushaltsplanes verantwortlich ist. Art. 205 EGV stellt fest, daß die Kommission "in eigener Verantwortung" über die Ausführung des Haushaltsplanes entscheidet. Dann handelt die Kommission mit Entscheidungsbefugnis für die GASPI66. D.h., die (wichtige) Verwaltung der Finanzen einer gemeinsamen Aktion fallt in die Zuständigkeit der Kommission, obschon nominell der Vorsitz für die "Durchführung der gemeinsamen Aktion verantwortlich" (Art. J.5 11 1 EUV) ise 67 . Voraussetzung dafür ist, daß die jeweilige gemeinsame Aktion aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert wird, was bisher bis auf eine Ausnahme der Fall war. Es ist davon auszugehen, daß der Rat sich auch zukünftig in aller Regel für die Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt entscheiden wird (siehe näher unten D.lV.2.c.). Darin liegt ein möglicher Konfliktstoff zwischen Kommission und Rae 68 : die Durchführungsverantwortung der vom Rat beschlossenen gemeinsamen Aktion ist dem Vorsitz zugewiesen. Zwar soll daran die Kommission beteiligt werden, doch das wird nicht der zentralen Rolle der Kommission bei der Verwaltung des Haushaltes gerecht.
166 Vgl. auch die Entschließung des Europäischen Parlaments zur Finanzierung der GASP vom 26.10.1994, A4-0028/94. 167 Vgl. in diesem Zusammenhang z.B. die gemeinsame Aktion zur weiteren Unterstützung der Verwaltung der Stadt Mostar durch die Europäische Union (AbI. EG NT. L 298/4 vom 11.12.1995 (95/517/GASP)). Dort heißt es zur Finanzierung, daß der Vorsitz zwar über die tranchenweise Freigabe der benötigten Beträge (unter Beteiligung einer beratenden Gruppe aus Vertretern der Mitgliedstaaten) entscheidet. Dabei hat er jedoch "in Absprache mit der Kommission" zu handeln. 168 Barbara-Christine Ryba spricht hier von einer Situation "contradictoire et conflictuelle" (in: RMCUE 1995, S. 14 (20)).
142
D. Die gemeinsame Aktion
In der Verantwortung für die Ausführung des Haushaltsplanes besteht für die Kommission die Möglichkeit, GASP-Ausgaben zu blockieren, zumal sie selber nicht im Rahmen der GASP verpflichtet werden kann. Auf diese Weise kann die Kommission ihren Einfluß aurdie Formulierung der GASP verstärken.
c) Sonderregelungen
aa) Änderung der Umstände Bei einer Veränderung der Umstände mit erheblichen Auswirkungen auf den Gegenstand einer gemeinsamen Aktion überprüft der Rat die Grundsätze und Ziele dieser Aktion (Art. J.3 Nr.3 S.l EUV). Diese Vorschrift unterstreicht die Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion. Abänderungen sind nur nach einem speziellen Verfahren möglich. Als das für den Beschluß zuständige Organ, muß es dem Rat möglich sein, seine Entscheidung zu überdenken, sobald Änderungen der Umstände eintreten. Der Rat trifft dann die erforderlichen Entscheidungen (Art. J.3 NT.3 S.l a.E. EUV). Andernfalls bestünde die Gefahr, daß die gemeinsame Aktion fehlgehen könnte. Gleichwohl ist an der Durchführung der gemeinsamen Aktion solange festzuhalten, bis der Rat einen Beschluß gefaßt hat (Art. J.3 Nr.3 S.2 EUV). Damit bildet diese Vorschrift keine Ausnahme zu den Durchführungsgrundsätzen, sondern betont die zentrale Rolle des Rates bei dem Beschluß einer gemeinsamen Aktion. Diese Vorschrift ist wegen der darin liegenden Blockademöglichkeit sehr problematisch, da (auch) für einen Abänderungsbeschluß des Rates grundsätzlich Einstimmigkeit erforderlich ist (vgl. Art. J.3 Nr.2 UA.l, J.8 11 UA.2 EUV)169. D.h., bei einer Veränderung der Umstände mit erheblichen Auswirkungen auf den Gegenstand einer gemeinsamen Aktion und einer damit einhergehenden Neueinschätzung der Situation durch z.B. 14 Mitgliedstaaten kann schon ein auf der alten Position verharrender Mitgliedstaat den Abänderungsbeschluß verhindern und demnach ein ,,zurück" der Union blockieren. Zwar waren die bisher beschlossenen gemeinsamen Aktionen regelmäßig zeitlich begrenzt. Die mit dem Zeitablauf verbundene Aufhebung der Bindungswirkung vermag aber keine Abhilfe im Hinblick auf dieses Problem zu verschaffen, weil der in der gemeinsamen Aktion liegende Handlungsbefehl zu
169 Auf dieses Problem weist auch Thomas Jürgens hin (in: GASP, Diss. 1994, S.347).
III. Durchftihrung
143
dem vorbestimmten Zeitpunkt bereits umgesetzt sein muß und die gemeinsame Aktion damit Wirkung entfaltet. Da die Effizienz einer gemeinsamen Aktion abnimmt, die wegen einer Neueinschätzung eines Großteils der Mitgliedstaaten nicht mehr die volle Unterstützung aller genießt, ist es ratsam, in dem vorgenannten Fall die qualifizierte Mehrheit rur die Entscheidung im Rat einzuruhren. Derzeit ist dies nur fakultativ möglich: gemäß Art. 1.3 Nr.2 UA.I, 1.811 UA.2 EUV kann der Rat (einstimmig) beschließen, daß ab der Annahme einer gemeinsamen Aktion in jedem Stadium ihres Verlaufs bestimmte Fragen mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden können. Art. 1.3 Nr.2 UA.1 EUV erfaßt auch den vorliegenden Fall (d.h. einen Abänderungsbeschluß gemäß Art. 1.3 Nr.3 EUV), da in dieser Vorschrift nichts spezielleres bzw. gegenteiliges geregelt ise 70 .
bb) Mitteilung einzelstaatlicher Maßnahmen oder Stellungnahmen Gemäß Art. 1.3 Nr.5 S.l EUV muß jede einzelstaatliche Stellungnahme oder Maßnahme, die im Rahmen einer gemeinsamen Aktion geplant ist, so rechtzeitig mitgeteilt werden, daß erforderlichenfalls eine vorherige Abstimmung im Rat stattfinden kann. Diese Vorschrift untermauert die Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion, wonach die Mitgliedstaaten bei ihren eigenen außenpolitischen Maßnahmen in dem von einer gemeinsamen Aktion erfaßten Bereich detaillierte Regeln befolgen müssen (nämlich Information und vorherige Abstimmung) 17I . Sie konkretisiert die Loyalitätsklausel des Art. 1.1 IV S.l und 2 EUV für den Fall, daß eine gemeinsame Aktion beschlossen worden ist. Die Unterrichtungspflicht gilt jedoch nicht bei einer bloßen praktischen Umsetzung der Entscheidung des Rates auf einzelstaatlicher Ebene (Art. 1.3 Nr.5 S.2 EUV), also bei Umsetzungsmaßnahmen zu der beschlossenen gemeinsamen Aktion. Die Bindungswirkung der gemeinsamen Aktion wird durch Art. 1.3 Nr.5 EUV über deren konkreten Inhalt hinaus ausgeweitet und bewirkt damit eine äußere Kohärenz iSo eines gemeinsamen Auftretens der Mitgliedstaaten (und damit der Union) nach außen.
A.A. Wessei SEW 1995, S. 554 (570). Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 136f. 170 171
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D. Die gemeinsame Aktion
cc) Erforderliche Sofortmaßnahmen Bei zwingender Notwendigkeit aufgrund der Entwicklung der Lage und mangels einer Entscheidung des Rates können die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele der gemeinsamen Aktion die erforderlichen Sofortmaßnahmen ergreifen (Art. 1.3 Nr.6 S.l EUV). Gegenüber Art. 1.3 Nr.5 EUV ist hier die einzelstaatliche Maßnahme schon nicht mehr nur "geplant". Das "Ergreifen" der Sofortmaßnahme ist freilich nur zulässig, wenn die Maßnahme aufgrund der Entwicklung der Lage und mangels einer Entscheidung des Rates zwingend notwendig ist. Dann hat der betreffende Mitgliedstaat den Rat sofort über die von ihm getroffenen Maßnahmen zu unterrichten (Art. 1.3 Nr.6 S.2 EUV). Diese Vorschrift könnte eine Ausnahme zu den Durchfiihrungsbestimmungen und dem bindenden Charakter der gemeinsamen Aktion darstellen. Es darf aber nicht übersehen werden, daß in diesem Falle jeder Mitgliedstaat die allgemeinen Ziele der gemeinsamen Aktion zu berücksichtigen hat. D.h., er muß die Sofortmaßnahme an den in dem Beschluß über die gemeinsame Aktion . Z'le1en ausnc . hten 172 . genannten a11gememen Diese Auslegung wird gestützt durch das Wort "erforderlich". Sofortmaßnahmen dürfen demnach nur getroffen werden, wenn sie unter Berücksichtigung der allgemeinen Ziele notwendig sind. Hinzu kommt, daß der einzelne Mitgliedstaat auch nur dann eigenverantwortlich (aber im Sinne der gemeinsamen Aktion) handeln darf, wenn der Rat als zuständiges Organ - aus welchem Grunde auch immer - nicht entschieden hat (vgl. Art. J.3 Nr.6 S.l EUV). Damit gewährt Art. J.3 Nr.6 EUV keine echte Ausnahme bei der Durchfiihrung einer gemeinsamen Aktion. Vielmehr bildet diese Vorschrift eine Bestätigung der Idee der Sachwalterschaft der Europäischen Union, sobald eine gemeinsame Aktion beschlossen worden ist.
dd) Größere Schwierigkeiten bei der Durchfiihrung Wenn sich bei der Durchfiihrung einer gemeinsamen Aktion größere Schwierigkeiten ergeben, befaßt ein Mitgliedstaat den Rat damit (Art. 1.3 Nr. 7 EUV). Der Rat berät darüber und sucht nach angemessenen Lösungen. Diese
172
Ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (182).
III. Durchführung
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dürfen nicht im Widerspruch zu den Zielen der gemeinsamen Aktion stehen oder ihrer Wirksamkeit schaden. Bei größeren Schwierigkeiten kann der Beschluß der gemeinsamen Aktion in Teilen also in Frage gestellt werden. Wann größere Schwierigkeiten vorliegen, sagt der Unionsvertrag nicht. Mit dieser Formulierung haben sich die Mitgliedstaaten bei den Vertragsverhandlungen durchgesetzt, die die in der sog. Luxemburger-Vereinbarung l73 enthaltene Formulierung "vitale nationale Interessen" vermeiden wollten. Letztlich ist aber genau das gemeint l74 . Größere Schwierigkeiten sind also anzunehmen, wenn bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion vitale einzelstaatliche Interessen beeinträchtigt werden. Art. J.3 Nr. 7 EUV könnte daher eine Durchbrechung der vertraglich vorgesehenen Bindungswirkung enthalten: für den Fall "größerer Schwierigkeiten" eines Vertragspartners bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion könnte diese Vorschrift das subjektive Recht eines Mitgliedstaates zum "opting-out" vorsehen t75 . Dies ist indes abzulehnen, weil der einzelne Staat sich nicht einfach der Durchführung. der gemeinsamen Aktion entziehen kann. Er hat vielmehr den Rat zu befassen, der nach "angemessenen Lösungen" sucht, die wohlgemerkt nicht "im Widerspruch zu den Zielen der gemeinsamen Aktion stehen oder ihrer Wirksamkeit schaden" dürfen l76 • Nur der Rat verfügt über das alleinige Entscheidungsrecht. Er ist zwar verpflichtet, nach angemessenen Lösungen zu suchen, dabei bleibt er aber den Zielen und der Wirksamkeit der gemeinsamen Aktion verpflichtet. Demnach ist das "opting-out" eines Mitgliedstaates nur dann möglich, wenn dadurch die Durchführung der gemeinsamen Aktion nicht ernsthaft beeinträchtigt wird. Damit ist diese Vorschrift aber keine echte Ausnahme bzgl. der Bindungswirkung 177 .-
173 Durch die Luxemburger-Vereinbarung (29.1.1966) wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, aufgrund vitaler nationaler Interessen den - an und für sich rechtlich und faktisch möglichen - Mehrheitsbeschluß durch eine Art Veto zu verhindern (weil in diesem Falle dann nur einstimmig abgestimmt werden darf). Obgleich der Luxemburger-Vereinbarung als solcher keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt, wird diese Praxis bis heute eingehalten. Näher dazu Streinz Europarecht, S. 75f., RdNr. 264ff. 174 Gespräch mit einem EU-Beamten am 21.9.1995 in Brüssel. 175 Vgl. Regelsberger Integration 1992, S. 83 (89). 176 Vgl. auch BurghardtlTebbe EuR 1995, S. 1 (14). 177 A.A. Lange JZ 1996, S. 442 (444).
\0 Münch
146
D. Die gemeinsame Aktion ee) Zwischenergebnis
Art. J.3 Nr.3, Nr.5, Nr.6 und Nr.7 EUV unterstreichen im Ergebnis die Bindungswirkung gemeinsamer Aktionen, da diese Vorschriften Sonderregelungen ftir die Fälle enthalten, daß die Mitgliedstaaten entweder kollektiv oder individuell von der gemeinsamen Aktion abweichen wollen. Die Mitgliedstaaten können sich also nicht einfach aus der Umsetzung der gemeinsamen Aktion "herausstehlen" . Parallele Regeln gibt es bei dem gemeinsamen Standpunkt nicht. Bislang sind diese Vorschriften noch nicht zur Anwendung gelangt. Grund dafur ist, daß die beschlossenen gemeinsamen Aktionen noch keine sensiblen Bereiche berührten. Die Mitgliedstaaten waren sich in ihren Positionen bisher stets weitgehend einig. 3. Durchführungsüberwachung Sinnvollerweise ist bei der Durchftihrung gemeinsamer Aktionen zwischen politischen und gerichtlichen Kontrollmechanismen zu unterscheiden. a) GASP-Gremien
Für die Kontrolle der Durchftihrung gemeinsamer Aktionen kommen aus politischer Sicht der Vorsitz, das Politische Komitee, die Kommission, der Rat und der Europäische Rat in Betracht.
aa) Vorsitz Der Vorsitz ist gemäß Art. J.5 II HS.l EUV fur die Durchfuhrung der gemeinsamen Aktionen verantwortlich. Fraglich ist, welche Kompetenzen und Mittel dem Vorsitz bei seiner Aufgabe nach innen, d.h. im Verhältnis zu den anderen GASP-Akteuren, zustehen, wenn die gemeinsame Aktion nicht beschluß gerecht - etwa wegen unbotmäßigen oder einfach nur säumigen Verhaltens eines anderen EU-Mitgliedstaates - durchgeftihrt wird. Denkbar sind ein Informations-, ein Weisungs- oder sogar ein Sanktionsrecht als schärfste Form. Unter Sanktion ist in diesem Zusammenhang jegliche Gegenmaßnahme mit Zwangscharakter zu verstehen 178 • 178
Vgl. Combacau EPIL 9, S. 337 und 339.
III. Durchführung
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(1) Informationsrecht
Obwohl es hierzu keine ausdrückliche Bestimmung im Unionsvertrag gibt, läßt sich dennoch wegen der Bindungswirkung gemeinsamer Aktionen (Art. J.3 Nr.4 EUV) die Überlegung anstellen, ob dem Vorsitz ein Informationsrecht gegenüber den Mitgliedstaaten bei der Durchführung gemeinsamer Aktionen zusteht. Dafür spricht die dem Vorsitz gemäß Art. J.5 11 HS.l EUV zugedachte, besondere Rolle bei der Durchführung einer gemeinsamen Aktion. Diese von den Vertragsparteien in Maastricht festgelegte Aufgabe erkennen die anderen GASP-Akteure implizit bei jedem Beschluß einer gemeinsamen Aktion erneut an. Damit der Vorsitz seiner Verantwortung bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion aber überhaupt gerecht werden kann, muß er zumindest über ein Informationsrecht gegenüber den EU-Partnern im Hinblick auf deren einzelstaatliche Umsetzungsmaßnahmen verfügen (wozu sie wegen Art. 1.3 Nr.4 EUV verpflichtet sind). Auf Anfrage durch den Vorsitz müssen die anderen Mitgliedstaaten wegen Art. 1.5 11 HS.l und Art. 1.3 Nr.4 EUV ihre einzelstaatlichen Umsetzungsmaßnahmen nennen sowie - konsequenterweise - die Gründe für eine mögliche Nicht- bzw. eine nicht planmäßige Umsetzung. Aus den genannten Vorschriften ergibt sich ein Informationsrecht des Vorsitzes gegenüber den anderen Mitgliedstaaten über den "Stand der Dinge" verbunden mit einer Pflicht des Säumigen zur Begründung seines Verhaltens. (2) Weisungsrecht
Die Frage ist, ob dem Vorsitz wegen seiner Verantwortung bei der Durchführung der gemeinsamen Aktion auch ein Weisungsrecht im Verhältnis zu den anderen EU-Mitgliedstaaten zukommt. Hier ist zu berücksichtigen, daß eine dem Vorsitz zustehende Weisungsmöglichkeit - entgegen einer bloßen Information - einen nachhaltigen Eingriff in die Souveränität eines anderen EU-Mitgliedstaates darstellt 179 • Dies kann ohne eine ausdrückliche vertragliche Grundlage nicht möglich sein. Art. J.5 11 HS.l EUV enthält diese Grundlage nicht. Die Vorschrift spricht von der Verantwortung des Vorsitzes für die Durchführung der gemeinsamen Aktion. Diese Verantwortung nimmt er im Auftrag der anderen Mitgliedstaaten wahr. Dadurch räumen diese aber dem Vorsitz nicht das Recht ein, in ihre
179 Zur Souveränität der EU-Mitgliedstaaten bei dem Beschluß und der Durchführung gemeinsamer Aktionen siehe unten G.I.
10*
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D. Die gemeinsame Aktion
souveräne Entscheidungsfähigkeit mittels einer Weisung einzugreifen. Da es keine andere einschlägige Grundlage im Unionsvertrag gibt, kommt dem Vorsitz kein Weisungsrecht gegenüber unbotmäßigen oder säumigen Mitgliedstaaten zu. (3) Sanktionsrecht
Zu klären bleibt, ob der Vorsitz über Sanktionsmöglichkeiten verfUgt (iS. jeglicher Gegenmaßnahmen mit Zwangscharakter gegenüber einem unbotmäßigen EU-Mitgliedstaae so). Die Bestimmungen des Unionsvertrages selber enthalten nicht die erforderliche Befugnisnorm fUr den Vorsitz Sanktionen bzgl. eines Mitgliedstaates, welcher seine Verpflichtungen aus der GASP mißachtet, zu verhängen ISI. Da jedoch die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten völkerrechtlicher Natur sind l82 , gelten auch die Sanktionsmöglichkeiten des Völkerrechts. Es besteht also die Möglichkeit, nach Völkerrecht zulässige Sanktionen (Retorsion oder Repressalie) zu ergreifen oder den unbotmäßigen Staat vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Direkte Sanktionen oder eine Klage gegen einzelne Mitgliedstaaten sind jedoch derzeit nicht vereinbar mit dem Stil und dem Charakter der außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, die auf den Ausgleich der nationalen Interessen und der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten angelegt ist. Ebenso ist zu beachten, daß mit einem Vertrag nicht der faktische Rückzug aus der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit verstellt ist. Ein Staat aber, der nicht mehr mit den anderen zusammenarbeiten will, ist innerhalb der GASP, die auf Konsens angelegt ist, schädlicher als außerhalb des Systems lS3 . Damit besteht nur theoretisch die Möglichkeit, Mittel zur Sanktionierung abweichender Mitgliedstaaten einzuleiten. (4) Ergebnis
Dem Vorsitz steht gegenüber den Mitgliedstaaten ein Informationsrecht bzgl. deren Maßnahmen zur DurchfUhrung der gemeinsamen Aktion zu, das mit Z.B. in finanzieller oder wirtschaftlicher Hinsicht. Vgl. auch WesseIs Integration 1992, S.2 (14); Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S. 61 . IS2 8VerfGE 89, ISS, 176f. (82 c2 und 82 eS) = NJW 1993, 3047, 3049. Siehe zur Rechtsqualität der gemeinsamen Aktion näher unten D.V. 183 Ebenso WesseIs Integration 1986, S. 126 (129f.) - damals noch zur EPZ. 180
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III. Durchführung
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einer Verpflichtung des Säumigen zur Nennung von Gründen verbunden ist. Ein Weisungsrecht steht dem Vorsitz hingegen nicht zu. Es besteht aber zumindest theoretisch die Möglichkeit, nach Völkerrecht zulässige Sanktionen (Retorsion oder Repressalie) zu ergreifen oder den "Abweichler" vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen l84 • In der Praxis ist der Vorsitz bei Problemen mit unbotmäßigen EUMitgliedstaaten auf seine eigenen politischen Einflußmöglichkeiten (gegebenenfalls im Verbund mit anderen Mitgliedstaaten) bzw. auf den "guten" Willen der anderen Mitgliedstaaten und der Kommission angewiesen.
bb) Politisches Komitee Neben dem Vorsitz kommt das Politische Komitee als Gremium mit vertraglich zugewiesener Überwachungsaufgabe in Betracht. Gemäß Art. J.8 V 2 EUV überwacht das Politische Komitee die Durchführung vereinbarter Politiken unbeschadet der Zuständigkeiten des Vorsitzes und der Kommission. Diese Aufgabe ist aber lediglich auf die Protokollierung und Meldung unbotmäßigen Verhaltens von Mitgliedstaaten beschränkt, weil das Politische Komitee weder nach den Bestimmungen des Titels V EUV noch nach seiner institutionellen Stellung mit der erforderlichen Autorität ausgestattet ist, um sich gegenüber Mitgliedstaaten durchzusetzen. Daher ist es zu einer effektiven Durchführungsüberwachung verbunden mit einer möglichen Einflußnahme auf die Politik der Mitgliedstaaten nicht geeignet.
cc) Kommission Die Kommission ist an der Durchführung der gemeinsamen Aktion gemäß Art. J.5 III 2 EUV in vollem Umfang zu beteiligen. Diese Bestimmung ist gegenüber Art. J.9 EUV in diesem Zusammenhang die speziellere Vorschrift. Bei der Durchführung gemeinsamer Aktionen entscheidet die Kommission eigenverantwortlich über das, was ihrer Zuständigkeit unterfällt. Das sind insbesondere wirtschaftliche oder haushaltsrechtliche Fragen. Eine politische Kontrolle ist darin direkt nicht enthalten. Indirekt allerdings kann die Kommission durch die Wahrnehmung ihrer haushaltsrechtlichen Befugnisse auf die Durchführung gemeinsamer Aktionen Einfluß nehmen (siehe oben). Dadurch
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Siehe dazu näher unten D.III.b.bb.
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D. Die gemeinsame Aktion
kann die Kommission die Durchführung gemeinsamer Aktionen bei unbotmäßigem Verhalten einzelner Mitgliedstaaten blockieren. Diese Möglichkeit ist jedoch im Sinne einer effektiven Durchführungsüberwachung nicht hilfreich, da es sich um eine destruktive und nicht um eine gestaltende, positive Einflußnahme der Kommission handelt. Denn die Durchführung der gemeinsamen Aktion würde gerade durch eine derartige Maßnahme der Kommission in Frage gestellt, anstatt befördert. Daher scheidet die Kommission als effektive Kontrollinstanz aus.
dd) Rat Der Rat trägt nach Art. J.l IV 3 EUV für die Einhaltung der Loyalitätsklausel (Art. J.l IV S.l und 2 EUV) Sorge. Speziell nach Art. J.8 11 UA.1 S.2 EUV ist der Rat für ein einheitliches, kohärentes und wirksames Vorgehen der Union verantwortlich. Zwar ergeben sich aus diesen Vorschriften keine formelle Kompetenz zur Prüfung 185. Die Verantwortung des Rates ist aber als politische Kontrollinstanz der GASP zu verstehen. Der Rat agiert dabei leise hinter verschlossenen Türen, was den Disziplinierungserfolg nicht notwendigerweise reduziert l86 . So werden z.T. bei Ratstreffen selbst die engsten Mitarbeiter der Minister zeitweilig von der Teilnahme ausgeschlossen, damit die Minister im kleinen und vertraulichen Kreis Druck auf "Abweichler" ausüben können l87 . Diese Methode ist rechtlich nicht erfaßbar. Im Falle des Konflikts zwischen Griechenland und Mazedonien über den Namen "Mazedonien" ist es dem Rat allerdings nicht gelungen, eine Lösung herbeizuführen. Dies zeigt die Grenzen dieses Verfahrens. Dennoch ist dieser Methode in der Regel ein größtmöglicher Erfolg gegeben. Ein ähnlicher Erfolg könnte schon im AStVals Rat en miniature in weniger wichtigen Fällen erreicht werden. Der Rat beschäftigt sich nämlich nur mit den Problemen, die wegen ihres Gewichts nicht im AStV gelöst werden können (siehe oben D.II.5.a.).
Vgl. Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (178). Regelsberger Integration 1992, S. 83 (86). 187 Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes in Bonn am 13.9.1995. 185 186
III. Durchführung
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ee) Europäischer Rat Eine dem Rat vergleichbare Wirkung dürfte auch dem Europäischen Rat zukommen, der die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien der GASP bestimmt. Als die höchste politische Autorität der Europäischen Union trägt seine Beteiligung nicht nur politisches Gewicht zu der Annahme von gemeinsamen Aktionen bei, sondern verpflichtet auch die Mitgliedstaaten dazu, die beschlossene Unionspolitik zu verfolgen 188 • Anläßlich seiner Treffen kann ähnlich wie im Rat Druck auf "Abweichler" ausgeübt werden. ff) Zwischenergebnis In letzter Konsequenz bleibt die Durchführung gemeinsamer Aktionen in der Verantwortung jedes Mitgliedstaates. Eine Kontrolle wird derzeit von den an der GASP beteiligten Gremien lediglich politisch ausgeübt. Dafür geeignete Institutionen sind der Europäische Rat und der Ministerrat (bzw. der AStV) sowie in begrenzter Weise auch der Vorsitz (Informationsrecht). b) Gerichtliche Kontrolle
Zur gerichtlichen Kontrolle gemeinsame Aktionen kommen der Europäische Gerichtshof (EuGH), der Internationale Gerichtshof und - für Deutschland - das Bundesverfassungsgericht in Betracht.
aa) EuGH (1) Unmittelbare Befassung des EuGH
Die Art. 164 EGV, Art. 31 EGKS und Art. 136 EAG legen die Jurisdiktion des EuGH auf die Auslegung und die Anwendung der drei Gemeinschaftsverträge fest. Für den Bereich des Unionsvertrages bestimmt dessen Art. L, daß der EuGH hier nur für die im Unionsvertrag enthaltenen Änderungsbestimmungen hinsichtlich der Gemeinschaftsverträge sowie für Art. K.3 11 lit.c UA.3 und für die Artikel L bis S EUV zuständig ist. Art. J ff. EUV, also auch die 188 Vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993) in Brüssel, Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok AA, S. 137; ebenso Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (178).
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D. Die gemeinsame Aktion
Bestimmungen zur gemeinsamen Aktion, fallen damit nicht in die Jurisdiktion des EuGH. Damit steht dem EuGH - wie schon zu EPZ-Zeiten (Art. 31 EEA) keine direkte Jurisdiktion rur den Bereich der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu. Art. L EUV gehört zu den sehr bewußt getroffenen politischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten, die mit der Justitiabilitätsverweigerung ihren eigenen politischen Einfluß auf die Handhabung wichtiger Normen des Unionsvertrages nicht aufgeben wollten l89 . Weil die GASP den Kembereich nationaler Identität betrifft, ließe sich überlegen, daß Art. F I EUV, der diese Identität schützen soll, einen Ansatzpunkt rur die unmittelbare Jurisdiktion des EuGH liefern könnte. Art F EUV ist aber ebenso gemäß Art. L EUV der Jurisdiktion des EuGH entzogen. Gemeinsame Aktionen können daher nicht direkt vom EuGH gerichtlich überprüft werden. Der Gerichtshof ist damit von großen Tätigkeitsfeldern der .. ' hen U' Europalsc mon ausgesc hl ossen 190. (2) Mittelbare Befassung des EuGH
Es lassen sich jedoch verschiedene Fallkonstellationen denken, in denen sich der EuGH mittelbar mit Fragen einer gemeinsamen Aktion befassen könnte. 1. Fall:
Eine Möglichkeit wird im Hinblick auf Art. 5 EGV diskutiert l91 . Zwar findet der Grundsatz der Gemeinschaftstreue (Art. 5 EGV) nicht auf den Bereich der GASP dergestalt Anwendung, daß er eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung hinsichtlich der GASP-Beschlüsse bewirken kann (siehe Klein Handkommentar EUV/EGV, Art. L, RdNr. I und 6. Dies beklagt Edward EuR 1995 (Beiheft 2), S. 23 (24). Wegen Art. L EUV haben damit in bezug auf die GASP weder der Vorsitz bzw. der Rat ein Mittel zur Durchsetzung ihrer vertraglichen Befugnisse noch die Mitgliedstaaten ein Mittel, sich gegen zu weitreichende Inpflichtnahmen juristisch zu wehren (vgl. Lecheier AVR 1994 (32), S. I (21 ». Ebensowenig kann das Fehlen eines Willens zum gemeinsamen Handeln durch eine Klage vor dem EuGH geheilt werden (Fink-Hooijer EJlL 1994, S. 173 (I 77f.); Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18». 191 Horst G. Krenzier und Henning C. Schneider diskutieren die lustitiabilität des Kohärenzgebotes wegen Art. 5 EGV, dessen Wirkung sie auch für die GASP in Betracht ziehen (KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (I 58f.». Ebenso Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21); ders. Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 73f.; Wessei SEW 1995, S. 554 (565); von Bogdandy/Neuesheim EuR 1996, S. 3 (22). 189
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III. Durchführung
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oben D.IIl.l.b.). Es ist aber zu beachten, daß die Mitgliedstaaten nicht nur dann gemäß Art. 5 EGV ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag erfüllen müssen; wenn sie im Rahmen dieses Vertrages handeln, sondern darüber hinaus alle sonstigen Maßnahmen, also auch solche im Rahmen der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit, zu unterlassen haben, die die Ziele des EG-Vertrages gefahrden könnten 192. Die Mitgliedstaaten bleiben also auch im Rahmen der GASP durch die allgemeine Verpflichtung aus Art. 5 EGV gebunden, auch wenn diese Verpflichtung selber nicht im Bereich der GASP gilt. Sie haben somit bei Beschlüssen von gemeinsamen Aktionen zu berücksichtigen, daß diese der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag oder aus dem EGSekundärrecht entsprechen und solche Maßnahmen nicht die Verwirklichung der Ziele des EG-Vertrages gefahrden. Es obliegt dem EuGH im Rahmen des Art. 169f. EGV nachzuprüfen, ob diese Verpflichtungen von den Mitgliedstaaten eingehalten werden. Die Rechtsprechung des EuGH hat klargestellt, daß es sich bei Art. 5 EGV um eine echte Verpflichtung handelt, deren Nichtbeachtung eine Vertragsverletzung bedeuten kann l93 . Bei einer Verletzung des Art. 5 EGV anläßlich des Beschlusses oder der Umsetzung von gemeinsamen Aktionen ist daher ein Verfahren vor dem EuGH möglich. Dieses Verfahren bezieht sich dann auf eine Verletzung dieser Vorschrift. Mittelbar dürfte aber auch der Inhalt der gemeinsamen Aktion eine Rolle für die Entscheidung des EuGH im Hinblick auf die Verletzung des Art. 5 EGV spielen. 2. Fall:
Der Weg zum EuGH ist für GASP-Gegenstände auch denkbar über einen Rechtsstreit, der das Haushaltsverfahren nach Art. 203 EGV betrifft l94 . Art. J.l1 11 EUV sieht nämlich vor, daß die Verwaltungsausgaben automatisch, die operativen Ausgaben fakultativ (aber in der Praxis fast durchgehend) in den Haushalt der Gemeinschaften eingestellt werden. Die Organe der Gemeinschaften üben im Haushaltsverfahren diejenigen Befugnisse aus, die ihnen aufgrund des Art. 203 EGV zustehen l95 . Für Streitigkeiten, die die Finanzierung einer gemeinsamen Aktion beträfen, wäre dann der EuGH zuständig (vgl. Art. 175f. EGV).
Glaesner Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 73f. Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21); Zuleeg, in: GTE, Art. 5 EGV, RdNr. 3; von Bogdandy, in: Grabitz/Hilj, Art. 5 EGV, RdNr. 3, 6 und 10. 194 So auch Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18); Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21). 195 Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21). 192
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D. Die gemeinsame Aktion
In diesem Falle kommen aber allenfalls nur technische Verfahrens fragen in bezug auf die Finanzierung gemeinsamer Aktionen in Betracht, die sich nicht auf deren inhaltliche Fragen beziehen dürften. Daher ist davon auszugehen, daß das außenpolitische Motiv der gemeinsamen Aktion bei einem derartigen Verfahren vor dem EuGH unberücksichtigt bliebe. Demnach eröffnet Art. 203 EGV auch nicht mittelbar die Jurisdiktion des EuGH zu inhaltlichen Fragen einer gemeinsamen Aktion.
3. Fall: Eventuell ist eine mittelbare Befassung des EuGH mit einer gemeinsamen Aktion bzw. mit anderen Fragen der GASP im Rahmen einer interinstitutionellen Vereinbarung möglich. Die Praxis der Gemeinschaft hat mit interinstitutionellen Vereinbarungen ein Instrument entwickelt, das die Anwendung von Befugnissen der Institutionen konkretisiert, zur Erleichterung ihrer Zusammenarbeit beiträgt und Konflikte zwischen den Institutionen zu vermeiden hilft l96 . Diese Vereinbarungen bilden auch häufig die Grundlage fiir eine spätere Weiterentwicklung der Verträge, soweit sich diese in der Praxis bewährt haben. Die rechtliche Bewertung dieser Vereinbarungen und ihre Stellung im System der Gemeinschaftsrechtsordnung ist noch im Fluß 197 • Sie unterliegen aber jedenfalls dann der Rechtrnäßigkeitskontrolle durch den EuGH, wenn sie dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen l98 . Solche Vereinbarungen betreffend Verfahren und Befugnisse beim Beschluß einer gemeinsamen Aktion könnten daher Gegenstand eines Verfahrens vor dem EuGH sein. Zu beachten ist insoweit aber, daß sich diese Vereinbarungen im Rahmen der von den Verträgen vorgesehenen Befugnisse halten müssen l99 . D.h., sie können keine darüber hinaus gehenden Befugnisse verleihen. Wenn, etwa, Art. 1.7 I EUV dem Parlament ein Konsultations- und Unterrichtungsrecht einräumt, kann eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament und Vgl. Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21); BBPS EU, S. 200 (6.2.5.6). Zu Möglichkeiten der rechtlichen Qualifikation siehe Gauweiler Rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen - Diss. 1988, S. 52ff. 198 BBPS EU, S.200 (6.2.5.6) und 268 (7.4.2.2). Vgl. auch Marijke Gauweiler, die eine Justitiabilität dieser Vereinbarungen im Einzelfall dann annimmt, wenn die Verletzung einer interinstitutionellen Absprache gegen die Rechtsnorm der Organtreue verstößt (in: Gauweiler Rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher AbsprachenDiss. 1988, S. 133 und 150f.). Gleichzeitig verneint sie aber nicht die Möglichkeit der rechtlichen Bindung, wenn die betreffenden Organe von einem rechtlichen Bindungswillen getragene übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben (a.a.O., S.59). 199 Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21). 196 197
111. Durchführung
155
dem Rat z.B. nicht ein Zustimmungsrecht für das Parlament in bezug auf Beschlüsse gemeinsamer Aktionen begründen. Während die in Art. J.7 EUV genannten Befugnisse aber wegen Art. L EUV von der Jurisdiktion ausgeschlossen sind, wäre das bei einer interinstitutionellen Vereinbarung (mit beigegebener Rechtswirkung) nicht der Fall. Bisher wurden im Rahmen der GASP noch keine interinstitutionellen Vereinbarungen geschlossen. Erst nach dem Abschluß derartiger Vereinbarungen in bezug auf den Beschluß gemeinsamer Aktionen wäre eine Jurisdiktion des EuGH dazu denkbar und auch das nur dann, wenn - wie ausgeführt - Rechtswirkungen erzeugt werden sollen (es sich also nicht nur etwa um ein "Gendemen's Agreement" handelte2OO).
4. Fall: Ein weiterer Fall ist denkbar im Hinblick auf Embargoverordnungen nach Art. 228a EGV201 • Diese Verordnungen fallen in die Gerichtsbarkeit des EuGH. Da aber die Bestimmungen des Art. J EUV wegen des Art. L EUV nicht vom EuGH überprüft werden können, könnte der EuGH hierbei nicht prüfen, ob der zugrundeliegende GASP-Beschluß (gemeinsamer Standpunkt oder gemeinsame Aktion) verfahrens gemäß zustandegekommen ist. Der EuGH müßte sich darauf beschränken, festzustellen, daß der Embargoverordnung ein GASP-Beschluß (Standpunkt oder Aktion) zugrunde liegt, der ein entsprechendes Tätigwerden der Gemeinschaft vorsieht. Das eröffnete dem EuGH aber nicht die Möglichkeit einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Fragen der GASP. Daneben gehört jedoch zur Rechtmäßigkeit einer Verordnung nach Art. 228a EGV u.a. auch die Einhaltung der Regeln des völkerrechtlichen Repressalienrechts, an die die Union, d.h. die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten, gebunden ist202 . Nur schwerlich wird es dem EuGH gelingen, das einer solchen Verordnung zugrundeliegende außenpolitische Motiv aus seiner Überprüfung auszuklammern203 . Indirekt könnten also auch diese Motive bei der Bewertung der Embargoverordnung eine Rolle spielen. Dies geschieht aber ungeachtet einer Überprüfung der gemeinsamen Aktion oder des gemeinsamen Standpunktes im
2(M) Vgl. dazu Gauweiler Rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen - Diss. 1988, S. 6lff. 2m Vgl. Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 (21); Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (29 (Fn. 7»; Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (75); von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (22). 202 Siehe dazu auch Klein AVR 1992, S. 1Ü1 (1 Ü8ff.). 203 Stein EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (75).
156
D. Die gemeinsame Aktion
Hinblick auf deren Beschlußverfahren, Inhalt oder Umsetzung. Art. 228a EGV eröffnet also auch nicht mittelbar die Möglichkeit der Kontrolle einer gemeinsamen Aktion durch den EuGH. 5. Fall: Rechtliche Fragen, die in die Jurisdiktion des EuGH fallen könnten, werden auch von Art. 1.11 I EUV gestellt. Diese Vorschrift erklärt bestimmte Regelungen des EG-Vertrages bezüglich der GASP für anwendbar. Bei diesen Regelungen handelt es sich aber nur um Verfahrens- und Organisations bestimmungen, die auf das Beschlußverfahren einer gemeinsamen Aktion praktisch ohne Einfluß sind, da Art. J.3 EUV sein eigenes Verfahren vorsieht. Folglich ist dadurch eine mittelbare Jurisdiktion des EuGH zu verfahrensmäßigen oder inhaltlichen Fragen einer gemeinsamen Aktion nicht eröffnet (geschweige denn zu Fragen der Umsetzung). 6. Fall: Außenpolitische Implikationen hat auch Art. 228 VI 1 EGV 204 , demzufolge der "Rat, die Kommission oder ein Mitgliedstaat [... ] ein Gutachten des Gerichtshofs über die Vereinbarkeit eines geplanten Abkommens" mit dem EGVertrag einholen können. Der Gerichtshof kann bei der Interpretation von Vorschriften des EGVertrages - also innerhalb seines Zuständigkeits bereiches - Vorschriften des Unionsvertrages nicht außer acht lassen 205 • Denn die Europäische Union muß über ein einheitliches Rechtssystem verfügen, wonach sich die Rechtswirklichkeit innerhalb der drei Pfeiler nicht widersprechen darf. Hinzu kommt, daß bei Entscheidungen des Gerichtshofes die teleologische Auslegung der Vertrags bestimmungen im Vordergrund steht. Was aber das telos gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen ist, wird aus vielen Erkenntnisquellen, zu denen auch Erklärungen des Europäischen Rates gehören, gewonnen werden müssen206 • Wenn aber schon Erklärungen des Europäischen Rates für den Gerichtshof von Bedeutung sein können, dann erst recht Vorschriften des Unionsvertrages, die den Willen der Mitgliedstaaten bei Abschluß des Vertrages widerspiegeln. Auf diesem Wege können die Vorschriften des Unionsvertrages indirekt bei Entscheidungen des Gerichtshofes von Bedeutung sein. Ebenso Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 449. SO auch BurghardtITebbe EuR 1995, S. 1 (5); von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (22). 2U6 Vgl. auch Seidl-HohenveldernlLoibl Intürg, RdNr. 1601; Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S. 41 (46). Zu der rechtlichen Qualität von Erklärungen des Europäischen Rates als Auslegungshilfen in bezug auf die GASP siehe oben B.II.3.b. 2U4 2US
III. Durchführung
157
Daher müßte der EuGH bei der Erstellung eines Gutachtens iSd. Art. 228 VI 1 EGV auch GASP-Bestimmungen beachten, wenn es darauf ankommt. Ganz allgemein könnten auch Erwägungen eine Rolle spielen, die sich auf den Inhalt einer gemeinsamen Aktion beziehen. Dadurch wird eine konkrete gemeinsame Aktion (Beschluß, Inhalt, Durchführung) aber nicht zum Gegenstand des Verfahrens. Bezogen auf die Vorschriften des Titels V EUV und speziell auf Art. 1.3 EUV eröffnet Art. 228 VI 1 EGV daher nicht die Zuständigkeit des EuGH. 7. Fall: Der EuGH kann jedoch überprüfen, ob eine gemeinsame Aktion in das Gemeinschaftsrecht eindringt und dadurch z.B. die Rechte der Kommission beschneidet207 • Diese Überlegung wird gestützt durch die Unberührtheitsklausel in Art. M EUV, der - anders als Titel V EUV - gemäß Art. L EUV direkt der richterlichen Kontrolle unterstellt ist208 . Nach Art. M EUV darf der Unionsvertrag nicht die Gemeinschaftsverträge (also etwa die Rechte der EG-Organe aus dem EG-Vertrag) beeinträchtigen. Dieser Grundsatz muß - argumentum a fortiori et a maiore ad minus - auch für das sekundäre GASP-Recht (also etwa für die gemeinsame Aktion) gelten 209 • In diesem Falle müßte der Inhalt der gemeinsamen Aktion durch den EuGH überprüft werden, nämlich insofern, ob diese das Gemeinschaftsrecht beeinträchtigt2lo . Diese Fallkonstellation dürfte den Hauptfall für eine mögliche mittelbare Jurisdiktion des EuGH zu Fragen der GASP darstellen. So ist es z.B. bei dem gemeinsamen Standpunkt zu Ruanda 211 bereits zu einem Konflikt zwischen der Kommission und dem Rat gekommen (der jedoch nicht vor dem EuGH ausgetragen worden ist)212. Der genannte gemeinsame Standpunkt erfaßt nämlich nicht nur politische sondern auch wirtschaftliche Fragen. Letztere betreffen aber Rechte der Kommission (EG). Ergebnis dieses Konfliktes der beiden Organe war ein klärender Beschluß des Rates 213 (sog. mode d'emploi), wonach
207 Vgl. Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (177); Algieri Integration 1992, S. 246 (247); Edward EuR 1995 (Beiheft 2), S. 23f.; Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18), mwN.; KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (159); Streinz ZfR V 1/95, S. I (9 und 12); WesseI SEW 1995, S. 554 (565). 208 Vgl. auch KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (159). 209 KoeniglPechstein EU, Kap. 4 RdNr. 10. 210 So auch KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (159). 211 AbI. EG Nr. L 283/1 vom 29.10.1994 (94/697/GASP). 212 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüsse1 am 2.10.1995. 213 Beschluß des Rates vom 23.2.1995 - nicht veröffentlicht. Siehe dazu auch die Ausführungen unten bei E.1.
D. Die gemeinsame Aktion
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ein gemeinsamer Standpunkt sowohl wirtschaftliche wie politische Aspekte erfassen kann. Die wirtschaftlichen Aspekte dürfen aber in dem GASPBeschluß nicht in einer Form angesprochen werden, daß sich daraus schon der Anschein einer Verpflichtung für ein EG-Organ (insbesondere die Kommission) ergeben könnte. Trotz dieses mode d'emploi verbleibt ein Konfliktpotential, das gleichermaßen für gemeinsame Standpunkte wie gemeinsame Aktionen besteht und sich in Zukunft entladen könnte. Hierfür wäre - wegen Art. M EUV - die Jurisdiktion des EuGH eröffnet.
Zwischenergebnis: Eine mittelbare Jurisdiktion des EuGH auch zu inhaltlichen Fragen der GASP ist denkbar im Falle der Verletzung von Art. 5 EGV und - wegen Art. M EUV - wenn eine gemeinsame Aktion in Bereiche des 1. Pfeilers eindringt. Für den Fall, daß es zum Abschluß einer interinstitutionellen Vereinbarung kommt, die mit Rechtswirkung Verfahrensfragen einer gemeinsamen Aktion regelte, wäre auch hier eine mittelbare Jurisdiktion des EuGH denkbar.
bb) Internationaler Gerichtshof Eine gemeinsame Aktion (Beschlußverfahren, Inhalt und Durchführung) kann von dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag überprüft werden, da sowohl das primäre (einrichtende) wie das sekundäre (materielle) GASP-Recht völkerrechtlicher Natur sind. Daher ist die gemeinsame Aktion ein zulässiger Gegenstand eines Verfahrens vor dem IGH (vgl. Art. 38 I lit.a des Statuts des Internationalen Gerichtshofes - StIGH). Dann müßte der Vorsitz (stellvertretend für die übrigen Mitgliedstaaten, vgl. Art. J.5 I EUV) gegen den abweichenden Staat klagen. Auch wenn die Europäische Union rechtsfähig wäre214 , könnte sie gleichwohl nicht die Klage erheben, da gemäß Art. 34 I StIGH nur Staaten parteifahig sind. Nach dem Stil der Beziehungen der EU-Mitgliedstaaten zueinander ist derzeit eine Klage gegen einzelne Mitgliedstaaten nicht vereinbar mit der Art und dem Charakter der außen- und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, die auf den Ausgleich der einzelstaatlichen Interessen und der Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten angelegt ist215 • Interne Angelegenheiten werden nicht auf diese Weise nach außen getragen. Dies kann sich jedoch mit der zu erwartenden EU-Erweiterung ändern. Rund 30 EU-Mitgliedstaaten stellten
214 215
Siehe dazu unten F.I. Ähnlich MÜller-Gra.fJIntegration 1993, S. 147 (156).
III. Durchführung
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dann einen nur schwer überschaubaren Kreis dar, in dem Abweichler immer schwerer (politisch) diszipliniert werden könnten, insbesondere bei einer möglicherweise zunehmenden Lobbybildung innerhalb des Rates. Daher könnte es verstärkt zu Konflikten auch in der GASP kommen. Dies um so mehr, weil durch das derzeit diskutierte Abgehen vom Konsensprinzip im Rat - GASPBeschlüsse auch gegen den Willen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten möglich werden könnten. Als Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind die Unionsstaaten vor dem IGH parteifahig (vgl. Art. 34 I, 35 I StlGH). Jedenfalls müßte die IGHJurisdiktion von den Streitparteien anerkannt werden216 (vgl. Art. 36 StlGH). Da eine dessen Zuständigkeit begründende (kompromissarische) Klausel im Unionsvertrag nicht vorhanden ist (vgl. Art. 36 I Alt.3 StlGH), kann dies nur durch Erklärung der Parteien geschehen. Hierfür sieht Art. 36 11 StlGH die Abgabe einer Unterwerfungserklärung vor, mit der die Parteien die Zuständigkeit des Gerichtshofs ohne besondere Übereinkunft gegenüber jedem anderen Staat anerkennen, der dieselbe Verpflichtung übernimmt (sog. Fakultativklausel). Entsprechende Unterwerfungs erklärungen haben bereits elf EUMitgliedstaaten abgeben217 . Im Verhältnis dieser elf EU-Mitgliedstaaten zueinander wäre also die Jurisdiktion des IGH bei Streitigkeiten über eine gemeinsame Aktion grundsätzlich gegeben. In bezug auf die vier anderen Staaten müßte gemäß Art. 36 I Alt. 1 StlGH eine ad hoc Anerkennung in einem schwebenden Streit durch beide Parteien gleichzeitig oder die spätere Zustimmung zu einem Verfahren durch eine Partei (auch stillschweigend möglich) erfolgen, nachdem die andere Partei die Sache bereits vor den IGH gebracht hat. Rein rechtlich gesehen ist damit im Konfliktfall eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in bezug auf eine gemeinsame Aktion (z.B. Art. J.3 NrA EUV) schon heute möglich. cc) Bundesverfassungsgericht Der Ausschluß der Jurisdiktion des EuGH gemäß Art. L EUV in bezug auf Art. J ff. EUV entzieht die Überprüfung gemeinsamer Aktionen nicht den na216 Vgl. zur notwendigen Anerkennung der Zuständigkeit des IGH durch die Streitparteien Ipsen VR, §60, RdNr. 48. 217 Mit Stand vom 10.7.1995 haben sich 59 Staaten der Gerichtsbarkeit des IGH auf der Grundlage der Gegenseitigkeit unterworfen. Dazu gehören elf EU-Mitgliedstaaten (Belgien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich). Nicht dazu gehören Deutschland, Frankreich, Italien und Irland (Gespräch mit einem Beamten des Auswärtigen Amtes am 19. \.1996).
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D. Die gemeinsame Aktion
tionalen Gerichten, soweit sie nach ihren Zuständigkeitsregeln zur Auslegung und Anwendung berufen sind218 • Zu klären ist daher, ob eine Überprüfung gemeinsamer Aktionen durch das Bundesverfassungsgericht nach den nationalen Regeln möglich ist219 . Hierbei ist zu unterscheiden zwischen einerseits der gemeinsamen Aktion, die aufgrund Art. J.3 EUV beschlossen wird, und andererseits von Deutschland diesbezüglich getroffenen Durchfuhrungsmaßnahmen. Für gemeinsame Aktionen enthalten die Vorschriften des Unionsvertrages keine Ermächtigung zu EU-Maßnahmen mit Durchgriffswirkung auf den deutschen Grundrechtsträger22o . Da in dem Bereich zwischenstaatlicher Zusammenarbeit die Union nicht auf die supranationalen Handlungsformen des Gemeinschaftsrechts zurückgreifen kann, kann durch gemeinsame Aktionen auch kein in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht gesetzt werden. Die Union ist nicht berechtigt, gemeinsame Aktionen zu beschließen, die unmittelbar in Grundrechte eingreifen könnten. Nur dann ließe sich aber eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichtes annehmen. Etwas anderes gilt im Hinblick auf einzelstaatliche Umsetzungsmaßnahmen 221 • Wird die Bundesrepublik Deutschland durch eine gemeinsame Aktion zu grundrechtserheblichen Eingriffen verpflichtet (Art. J.3 Nr.4 EUV), so können diese Maßnahmen, wenn sie in Deutschland vorgenommen werden, von der deutschen Gerichtsbarkeit voll überprüft werden. Der Grundrechtsschutz des Grundgesetzes ist hier nicht durch supranationales Recht, das Vorrang beanspruchen könnte, überlagert, da eine völkerrechtliche Verbindlichkeit Deutschlands den der deutschen Staatsgewalt gegenüber bestehenden Grundrechtsschutz nicht mindern kann. Für den Fall also, daß die innerstaatliche Durchführung einer gemeinsamen Aktion Grundrechte verletzen würde, ist die Durchführungsmaßnahme daher verfassungsrechtlich untersagt. Insoweit könnte also das Bundesverfassungsgericht eine gemeinsame Aktion (unter dem Blickwinkel einer Grundrechtsverletzung) überprüfen. Prüfungsgegenstand wäre aber nicht die gemeinsame Aktion, sondern die einzelstaatliche Umsetzungsmaßnahme. Damit kann das Bundesverfassungsgericht gemeinsame Aktionen nicht überprüfen.
Vgl. Klein Handkommentar EUV/EGV, Art. L, RdNr. 7. Das BVerfG hat sich indirekt mit dieser Frage im Zusammenhang mit dem sog. Maastricht-Urteil beschäftigt (Urteil des 2. Senats vom 12.10.1993, 2 BvR 2134, 2159/92; BVerfGE 89, I 55ff. = NJW 1993, 3047ff). 220 Ebenso BVerfGE 89, ISS, 175f (B 2 c, B 2 cl, B 2 c2) =NJW 1993,3047,3049. 221 BVerfGE 89, ISS, 177f. (B 2 c5) = NJW 1993,3047, 3049f 218
219
IV. Finanzierung
161
IV. Finanzierung Eng verbunden mit dem Beschluß einer gemeinsamen Aktion ist die Frage deren Finanzierung222 . Daher muß der Beschluß einer gemeinsamen Aktion darüber eine Entscheidung enthalten223 • Regeln zu Fragen der Finanzierung enthält Art. 1.11 11 EUV. Die Bestimmungen dieser Vorschrift werden konsequenterweise in den Finanzvorschriften des EG-Vertrages wiederholt (Art. 19911 EGV). 1. Verwaltungsausgaben und operative Ausgaben
Art. J.11 11 EUV unterscheidet - wie bei internationalen Organisationen üblich - zwischen Verwaltungsausgaben und operativen Ausgaben. Was konkret den Verwaltungsausgaben unternil1t, sagt der Unionsvertrag nicht. Aus der Haushaltspraxis der Gemeinschaft und den bisherigen GASPBeschlüssen geht aber hervor, daß sich die Verwaltungsausgaben auf die Finanzierung der für die Arbeit der GASP erforderlichen Organisation in personeller wie in sachlicher Hinsicht beziehen. Erfaßt sind z.B. die Ausgaben in bezug auf die GASP-spezifische Arbeit des Generalsekretariates des Rates (GASP-Einheit). Es ist auch denkbar, daß für die Beschlußfassung des Rates erforderliche Reise-/Aufenthaltskosten des Vorsitzes, der Troika, der Mitglieder des Rates oder von Personen, die im Auftrag des Rates handeln224 sowie Sachverständigenkosten als Verwaltungsausgaben eingestuft werden225 • Gemäß Art. 1.11 11 VA. 1 EUV gehen die GASP-Verwaltungsausgaben automatisch zu Lasten des Haushalts der Gemeinschaften. Daher ist seit dem Haushaltsjahr 1994 ein spezieller und ständiger Haushaltstitel zu diesem Zweck geschaffen worden.
Siehe zum GASP-Haushalt 1995, 1996 und 1997 Anhang IV. Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Anlage I: Das GASP-Instrumentarium, Gemeinsame Aktion, Dok AA, S. 140 und 141; Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (184); PötteringCFSP Forum 1994/4, S. 3. 224 So wurden in der gemeinsamen Aktion zur Entsendung von Beobachtern zu den Parlamentswahlen in der Russischen Föderation (AbI. EG Nr. L 286/3 vom 20.11.1993 (93/604/GASP)) die Ausgaben rur die von der Europäischen Union zur Unterstützung der nationalen Wahlbeobachter entsandte Sondereinheit ausdrücklich als VerwaItungsausgaben klassifiziert. 225 Vgl. den Bericht des MdEP F. Willockx rur den HaushaItsausschuß des Europäischen Parlamentes vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A4-0028/94; vgl. auch AbI. EG Nr. C 287/7 vom 30.9.1996. 222 223
11 Münch
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D. Die gemeinsame Aktion
Hierzu sei angemerkt, daß zwischen Rat und Europäischem Parlament ein sog. "Gentlemen's Agreement" besteht226 • Aufgrund dieser Übereinkunft verzichten Rat und Parlament auf eine Einmischung in den Verwaltungshaushaltsplan des anderen Organs 227 • Daher kann jedes Organ seine Verwaltungsausgaben selber bestimmen. Die anderen Haushaltsbehörden werden dieser Festlegung nicht widersprechen, soweit diese nicht als willkürlich - besonders mit Blick auf die operativen Ausgaben - zu sehen ist. Die Klassifizierung als Verwaltungs- oder operative Ausgabe ist von besonderer Bedeutung, weil die Verwaltungs ausgaben aufgrund dieses "Gentlemen's Agreement" im Gegensatz zu den operativen Ausgaben dem Einfluß des Europäischen Parlamentes entzogen sind (soweit die Klassifizierung nicht willkürlich erfolgt). Bei den operativen Ausgaben hat das Parlament das letzte Wort (siehe unten). Während es sich bei den Verwaltungsausgaben regelmäßig um ständige Ausgaben handelt, entstehen operative Ausgaben nur, wenn eine konkrete, finanzierungsbedürftige Maßnahme im Rahmen der GASP beschlossen und durchgeführt wird. Operative Ausgaben können sowohl im Rahmen einer gemeinsamen Aktion als auch im Rahmen eines gemeinsamen Standpunktes entstehen. Denn Art. J.11 11 UA.2 EUV nimmt auf Ausgaben "in Zusammenhang mit der Durchführung der genannten Bestimmungen" Bezug. Aus systematischen Erwägungen können damit nur die in Art. J.11 11 UA.1 EUV genannten "Bestimmungen über die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" gemeint sein, die sowohl die gemeinsame Aktion wie den gemeinsamen Standpunkt gleichermaßen erfassen. Die operativen Ausgaben werden entweder auf Beschluß des Rates ebenfalls in den Haushalt der Gemeinschaften eingestellt oder aber mittels einer Umlage durch die Mitgliedstaaten gedeckt228 . Die diesbezügliche Entscheidung erfordert Einstimmigkeit im Rat (Art. J.11 11 UA.2 EUV). Bisher wurden bis auf eine Ausnahme 229 die operativen Ausgaben dem Gemeinschaftshaushalt zuge230 schlagen . 226 Bei einem "Gentlemen 's Agreement" handelt es sich um eine politische Abmachung, deren Einhaltung nicht mit rechtlichen Mitteln erzwungen werden kann. Ihre (politische) Bindungswirkung beruht auf dem Grundsatz der Gegenseitigkeit, so daß die Nichteinhaltung durch eine Partei nur mit der Nichteinhaltung seitens der anderen Partei sanktioniert werden kann (Gauweiler Rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen - Diss. 1988, S. 62). 227 Bericht des MdEP F. Willockx für den Haushaltsausschuß des Europäischen Parlamentes vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A4-0028/94. Vgl. auch Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (224). 228 Vgl. die Leitlinien des Rates über die Finanzierung der GASP, in: Bulletin EU 61994, S. 97, Ziffer 1.3.2. Siehe auch Schwarze EuR 1995 (Beiheft 2), S. 49 (63). 229 Beschluß des Rates vom 27.7.1994 zur Ergänzung des Beschlusses 93/603/GASP (AbI. EG NT. L 286/1 vom 20.11.1993) über die vom Rat aufgrund von Art. 1.3 EUV
IV. Finanzierung
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Bislang wurde noch kein allgemein gültiger Beitragsschlüssel für die Umlage aufgestellt. Das ist sinnvoll, weil auf diese Weise mögliche einzelstaatliche Maßnahmen (etwa Entsendung von Truppen eines Mitgliedstaates außerhalb des GASP-Rahmens in ein Krisengebiet) in den Beitragsschlüssel mit einbezogen werden können (hurden sharing). Als allgemeine Regel geht der Rat jedoch von einer Umlage nach dem Bruttosozialprodukt aus 231 , was dem Anteil der Mitgliedstaaten an dem Gemeinschaftshaushalt entspricht232 • Die Bundesrepublik Deutschland steuert mit derzeit durchschnittlich 27 bis 30% den größten Anteil bei 233 • Es werden Überlegungen angestellt, wonach zukünftig die gemeinsamen Aktionen und die sonstigen GASP-Maßnahmen ausschließlich durch den Gemeinschaftshaushalt finanziert werden sollen234 . Darin läge aber eine Benachteiligung all jener Staaten, die sich national in dem in Frage stehenden Gebiet bereits engagieren, Z.B. durch Leistung humanitärer Hilfe oder durch die Entsendung von Militär. Ein Beispiel ist das besondere militärische sowie humanitäre Engagement eiriiger EU-Mitgliedstaaten in Bosnien-Herzegowina. Bei einer parallelen EU-Maßnahme liegt es im Interesse der bereits dort engagierten Staaten, daß ihr bisheriges Engagement durch eine finanzielle Entlastung bei der Finanzierung der EU-Maßnahme berücksichtigt wird (hurden sharing). Dies kann aber nicht mehr geschehen, wenn GASP-Maßnahmen ausschließlich durch den Gemeinschaftshaushalt finanziert werden235 . Die Finanzierung nach einem Beitragsschlüssel erscheint dann als der bessere Weg. Daher ist eine Regelung, wie sie im Art. J.11 11 Spiegelstrich 2 EUV vorgesehen ist, sinnvoll und sollte beibehalten werden, solange parallele GASP- und einzelstaatliche Maßnahmen möglich bleiben.
beschlossene gemeinsame Aktion zur Unterstützung der Beförderung der humanitären Hilfe in Bosnien-Herzegowina (Abl. EG Nr. L 205/3 vom 8.8.1994 (94/510/GASP), siehe auch Abl. EG Nr. L 298/3 vom 11.12.1995 (95/5 I 6/GASP». 230 Vgl. auch Ryba RMCUE 1995, S. 14 (20); Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 65, RdNr. 157. 231 Vgl. die Leitlinien des Rates über die Finanzierung der GASP in: Bulletin EU 61994, S. 97, Ziffer 1.3.2. Siehe als Beispiel die Beiträge der Mitgliedstaaten zur Finanzierung der Verwaltung von Mostar abgedruckt im Abl. EG Nr. C 287/16 vom 30.9.1996. 232 Bericht des MdEP F. Willockx für den Haushaltsausschuß des Europäischen Parlamentes vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A4-0028/94. 233 Ryba RMCUE 1995, S. 14 (19). 234 Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 25.9.1995. 235 Ebenso Ryba RMCUE 1995, S. 14 (19).
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D. Die gemeinsame Aktion
2. Rolle des Europäischen Parlamentes bei der Finanzierung a) Einflußmöglichkeiten
Das Europäische Parlament gewinnt auf die Durchfiihrung gemeinsamer Aktionen Einfluß, wenn diese aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert werden. Denn in diesem Fall stellt das Europäische Parlament den Haushaltsplan als endgültig fest (vgl. Art. 203 VI, VII, VIII EGV)236. Dies kann es deswegen, weil die GASP-Ausgaben als nicht zwingend eingestuft werden237 • Bei zwingenden Ausgaben238 ist das Parlament nämlich nach Art. 203 IV VA.2 EGV nur dazu "berechtigt, den [Rats-]Entwurf des Haushaltsplans mit der Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder abzuändern und mit der absoluten Mehrheit der abgegebenen Stimmen dem Rat Änderungen dieses Entwurfs in bezug auf die Ausgaben vorzuschlagen". Nur bei Änderungen hinsichtlich zwingender Ausgaben ist das Parlament demnach auf ein Vorschlagsrecht beschränkt. Bei nicht zwingenden Ausgaben hingegen hat das Europäische Parlament das letzte Wort bei der Bestimmung des Haushalts, da die Feststellung des Haushaltsplans der Zustimmung des Europäischen Parlamentes bedarf, Art. 203 IV VA.3 S.l EGV (zur fingierten Zustimmung vgl. Art. 203 IV VA.3 S.2 EGV)239. Damit bestehen zwischen den sachbezogenen Befugnissen fiir die GASP (sie liegen in erster Linie beim Europäischen Rat und beim Rat) und den haushaltsrechtlichen Befugnissen (sie liegen bei beiden Teilen der Haushaltsbehörde, beim Rat und beim Europäischen Parlament) ein Spannungsverhältnis240 . Gegenüber der im Vnionsvertrag im Hinblick auf die GASP nur schwach ausgeprägten Kontrollfunktion des Europäischen Parlamentes steht die traditionell starke Rolle des Parlamentes im Haushaltsverfahren der Europäischen Gemeinschaften. Diesem Problem hätten die Maastrichter Vertragsparteien ausweichen
236 Vgl. auch Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (185); Hagleitner Financing the CFSP, CFSP Forum 1995/2, S. 6. 237 Ryba RMCUE 1995, S. 14 (20); Pöttering CFSP Forum 1994/4, S. 3; Entschließung des Europäischen Parlaments zur Finanzierung der GASP vom 26.10.1994, A40028/94. 238 Zwingende Ausgaben sind "echte europäische Ausgaben", d.h. sie entsprechen einer unbedingten Leistungspflicht der Gemeinschaft oder einem Leistungsanspruch eines Dritten und sind dem Grunde und der Höhe nach durch den EG-Vertrag oder sein Sekundärrecht bestimmt oder objektiv bestimmbar (vgl. KoeniglPechstein EU, Kap. 6 RdNr. 6). 239 Siehe hierzu KoeniglPechstein EU, Kap. 6 RdNr. 6 f. 240 Ebenso der MdEP F. Willockx in seinem Bericht für den HaushaItsausschuß des Europäischen Parlamentes vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A40028/94.
IV. Finanzierung
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können, wenn man im Art. 1.11 11 Spiegelstrich 1 EUV vorgesehen hätte, daß es sich bei den operativen Ausgaben um zwingende Ausgaben handelt. Offenbar hat man diese Frage bei den Vertragsverhandlungen übersehen241 , zumal nach dem GASP-Regelwerk das Parlament gerade keine über in Art. 1.7 EUV vorgesehenen Einflußmöglichkeiten auf die Formulierung der GASP erhalten sollte. Statt dessen setzt nun das Europäische Parlament in der Praxis den "haushaltsrechtlichen Hebel" geschickt an, um seinen Auffassungen zur GASP auf diese Weise verstärkt Gehör zu verschaffen242 • Das Europäische Parlament hat die Möglichkeit, durch Einsetzung entsprechender Haushaltslinien243 oder durch Verzögerungen im Haushaltsverfahren auf die Durchführung gemeinsamer Aktionen einzuwirken244 • Ein weiteres Mittel des Parlamentes zur Einflußnahme auf die GASP ist, daß es bei der Haushaltslegung für das kommende Jahr neben den sofort verfügbaren Mitteln weitere Gelder in die sog. Reserve (BO-40) einstellen kann24S • Für die Nutzung der in die Reserve eingestellten Haushaltslinien durch den Haushaltsverwalter (= Kommission) ist es erforderlich, daß die dort vorgesehenen Mittel auf eine operative Haushaltslinie übertragen werden246 • Die Mittelübertragung wird von der Kommission mit entsprechender Begründung beantragt. Der Rat nimmt zu diesem Antrag Stellung bevor er durch das Europäische Parlament im Rahmen des üblichen Haushaltsverfahrens behandelt wird. Auch bei der Mittelübertragung hat das Europäische Parlament das letzte Wort247 • Damit kann das Parlament vor einer Mittelübertragung aus der Reserve z.B. Rechenschaft über den Verlauf der gemeinsamen Aktion verlangen248 , zumal es zur Freigabe nicht verpflichtet ist. Auf diese Weise erzwingt das Europäische Parlament ein gegenüber Art. 1.7 I 2 EUV verstärktes Informationsrecht und
Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüsse1 am 26.9.1995. So schon Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18). Vgl. auch Wessei SEW 1995, S. 564; RegelsbergerJEI 1994/95, S. 219 (224f.). 243 Eine Übersicht der Haushaltslinien für operative GASP-Ausgaben 1995, 1996 und 1997 findet sich im Anhang IV. 244 Vgl. Glaesner Der einheitliche institutionelle Rahmen, S.73; Ryba RMCUE 1995, S. 14 (20). 245 Zur Diskussion innerhalb des Europäischen Parlamentes bei der Annahme des Haushalts 1995 siehe Pöttering CFSP Forum 1994/4, S. 3; Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (224). 246 Vgl. den Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 65, RdNr. 157. 247 Gespräch mit einem MdEP (Haushaltskontrollausschuß) in Brüssel am 4.10.1995. 248 Vgl. den Bericht des MdEP F. Willockx für den Haushaltsausschuß des Europäischen Parlamen~es vom 18.10.1994 über die Finanzierung der GASP, A4-0028/94. 241
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D. Die gemeinsame Aktion
gewinnt Einfluß auf die Formulierung der GASP 249 . Dasselbe gilt hinsichtlich der Haushaltslinie für weitere "sonstige gemeinsame Aktionen,,250, die bei der bereits erfolgten Haushaltslegung im Vorjahr noch nicht beschlossen waren. Hierfür sah der Haushaltsplan 1995 keine frei verfügbaren Mittel vor, während die Reserve einen Posten von 48,5 Mio. ECU umfaßte. Diese können nur durch eine Entscheidung des Parlaments freigegeben werden, das damit an Einfluß auf den Beschluß dieser gemeinsamen Aktion gewinnt. Einschränkend ist jedoch darauf hinzuweisen, daß sich die Möglichkeiten zur Einflußnahme im Haushaltsverfahren erst dann ergeben, wenn der Rat eine gemeinsame Aktion beschlossen hat - also erst bei deren Durchfiihrung und nicht bei deren Vorbereitung und Beschluß. Weiter muß hinzukommen, daß die operativen Ausgaben überhaupt in den Haushaltsplan eingestellt werden. Dazu ist der Rat aber nicht verpflichtet, wie aus dem Wortlaut des Art. 1.11 II UA.2 EUV in bezug auf die operativen Ausgaben hervorgeht ("Der Rat kann ... entweder [Gemeinschaftshaushalt] ... oder [Beitragsschlüssel] ... "). Das Parlament hat also keine positiven Gestaltungsmöglichkeiten. Es kann allenfalls negativ GASP-Politik blockieren und dadurch Einfluß nehmen. b) Recht des Rates zur Abänderung seines getroffenen Finanzierungsbeschlusses ?
Für den Fall, daß es bei der Finanzierung einer gemeinsamen Aktion durch den Gemeinschaftshaushalt zu Konflikten zwischen Parlament und Rat kommt, stellt sich die Frage, ob der Rat seine gemäß Art. 1.11 II UA.2 Spiegelstrich 1 EUV einmal getroffene Entscheidung zur Haushaltsfinanzierung zugunsten einer Umlage-Finanzierung durch die Mitgliedstaaten ändern kann. Dann verlöre das Europäische Parlament die Möglichkeit der Einflußnahme. Art. 1.3 NT.3 EUV enthält keine Lösung zu der gestellten Frage (siehe zu dieser Vorschrift auch oben D.III.2.c.aa.). Diese Bestimmung bezieht sich auf den Inhalt und nicht auf den Finanzierungsmodus einer gemeinsamen Aktion, wie aus der Formulierung: " ... Grundsätze und Ziele dieser Aktion ... " hervorgeht. Zudem soll die gemeinsame Aktion in dem oben genannten Fall als solche ja gerade bestehen bleiben, sie soll nur auf eine andere Art und Weise finanziert werden.
249 Vgl. Ryba RMCUE 1995, S. 14 (20). 250 Diese Haushaltslinie dient zur Finanzierung der im jeweiligen Haushaltsjahr zu
beschließenden gemeinsamen Aktionen, die während der Haushaltslegung noch nicht in Aussicht waren.
IV. Finanzierung
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Der oben beschriebene Konflikt zwischen Parlament und Rat ist auch nicht als größere Schwierigkeit iSd. Art. 1.3 Nr.7 EUV zu sehen. Wie dargestellt meinen "größere Schwierigkeiten" vitale Interessen der Mitgliedstaaten (siehe oben D.III.2.c.dd.). Das genannte Problem wird hiervon nicht erfaßt. Für das Recht des Rates, die ursprüngliche Finanzierungsentscheidung für den Haushalt zugunsten einer Umlage abzuändern, spricht das institutionelle Gefüge der GASP. Der Rat ist zentrales Entscheidungsorgan bei der gemeinsamen Aktion, sowohl was den Grundsatzbeschluß, deren Inhalt als auch deren Finanzierung angeht (vgl. Art. 1.3 Nr.1, 1.1111 UA.2 EUV). Er bedarf hierbei nicht der Zusammenarbeit mit oder der Zustimmung von anderen Stellen, soweit allgemeine Leitlinien des Europäischen Rates vorliegen. Das Europäische Parlament hingegen soll aufgrund der GASP-Bestimmungen gerade keine mitbestimmende Stellung einnehmen (vgl. Art. J.7 EUV). Die parlamentarischen Rechte im Haushaltsverfahren mit faktischer Auswirkung auf die GASP stellen insoweit ein systemwidriges, indirektes Einfallstor dar. Daher muß der Rat in der Lage sein, gemäß Art. J.11 11 UA.2 EUV seine einmal getroffene Entscheidung zur Finanzierung einer gemeinsamen Aktion aus dem Gemeinschaftshaushalt zugunsten einer Umlage auf die EU-Mitgliedstaaten zu ändern. Dies gilt aber nur solange er keine inhaltlichen Änderungen der gemeinsamen Aktion anstrebt, da hierfür Sonderregelungen bestehen (siehe oben D.III.2.c.). Für den abändernden Ratsbeschluß ist Einstimmigkeit erforderlich (vgl. Art. 1.11 11 UA.2 EUV). Wenn der Rat aber schon die Finanzierungsart von dem Haushalt durch erneuten Beschluß auf die Mitgliedstaaten umlenken kann, muß ihm dies auch in umgekehrter Richtung möglich sein. Daher kann der Rat in beide Richtungen seinen einmal getroffenen Finanzierungsbeschluß wieder abändern. c) Vorteile der Finanzierungsarten
Es wurde verrnutet251 , daß den Mitgliedstaaten die Frage der Finanzierung gleichgültig sein dürfte, denn sie zahlten in jedem Fall. Dies ist nur scheinbar richtig. Entscheidend dürfte vielmehr sein, daß bei einer Finanzierung durch den Gemeinschaftshaushalt die Mitgliedstaaten - entgegen einer nachträglichen Umlage während des laufenden Haushaltsjahres - bereits ihre Beiträge geleistet haben. Gegen eine Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt könnten auf Seiten der Mitgliedstaaten die "Unannehmlichkeiten" des gewöhnlichen Haus251
Schwarze EuR 1995 (Beiheft 2), S. 49 (63).
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D. Die gemeinsame Aktion
halts verfahrens der Gemeinschaft sprechen, das sich mitunter als zu langsam und zeitraubend erweisen könnte, wenn eine schnelle Reaktion erforderlich ist252 . Eine Verzögerung könnte aber andererseits gerade dem politischen Wunsch der Mitgliedstaaten entsprechen. Zudem können die Mittel bei einer Finanzierung durch den Gemeinschaftshaushalt dann schneller mobilisiert werden, wenn der Gemeinschaftshaushalt einen entsprechenden Posten vorsieht und damit auf eine bereits bestehende Haushaltslinie zurückgegriffen werden kann 253 • Das wird angesichts der regelmäßig angespannten nationalen Haushaltslagen der EU-Mitgliedstaaten einen großen Unterschied machen 254 . Denn die Mitgliedstaaten werden in der Regel nachträglich nur widerstrebend Mittel für gemeinsame Aktionen zur Verfügung stellen. In diesem Falle sind schnelle (einstimmige) Entscheidungen von gemeinsamen Aktionen im Rat, die notwendigerweise den Finanzierungsbeschluß einschließen müssen, nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichen. Notwendige Beschlüsse gemeinsamer Aktionen könnten also dadurch verzögert werden. Hierbei sind jedoch die Fälle nicht aus den Augen zu verlieren, in denen eine Umlage nach einem Beitragsschlüssel sinnvoll ist, nämlich, wenn ein zu GASPMaßnahmen paralleles, nationales Engagement finanziell berücksichtigt werden soll (burden sharing). Dabei werden jedoch regelmäßig Schwierigkeiten entstehen, wenn sich die Mitgliedstaaten auf einen adäquaten Beitragsschlüssel zu einigen versuchen 255 . Es spricht also vieles für die grundsätzliche Finanzierung gemeinsamer Aktionen aus dem Gemeinschaftshaushalt. Im Sinne des burden sharing sollte aber auch auf die Möglichkeit der Umlage auf die Mitgliedstaaten nicht verzichtet werden. d) Ergebnis
Die Struktur des Unionsvertrages, nach der im Rahmen des 2. Pfeilers gefaßte Beschlüsse regelmäßig im Rahmen des 1. Pfeilers finanziert werden, hat ein Vgl. Fink-Hooijer EJIL 1994, S. 173 (184). Vgl. Regelsberger JEI 1994/95, S. 219 (225); Pöttering CFSP Forum 1994/4, S. 3; Hagleitner CFSP Forum 1995/2, S. 6. 254 Ebenso Pöttering CFSP Forum 1994/4, S. 3; Ryba RMCUE 1995, S. 14 (20 und 252 253
21).
255 Beispiel Bosnien: dort militärisch engagierte Staaten werden darauf bestehen, bei der Finanzierung paralleler GASP-Maßnahmen entsprechend besser gestellt zu werden. Hierbei ist es nicht einfach, den bereits geleisteten Beitrag geldmäßig einzustufen, da der Einsatz von Militär nicht nur finanzielle Implikationen hat.
V. Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion
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zusätzliches Konfliktelement in die GASP eingeführt256 , zumal das Parlament hier systemwidrig an Einfluß gewinnt. Eine interinstitutionelle Vereinbarung zwischen Rat und dem Europäischen Parlament bzgl. der Zusammenarbeit bei der Finanzierung ist bislang noch nicht zustande gekommen. Daher müssen sich Rat und Parlament bei jeder Haushaltslegung neu arrangieren. Die Mitgliedstaaten sind grundsätzlich an der Finanzierung aus dem Gemeinschaftshaushalt interessiert, da die nationalen Haushalte dadurch nicht (erneut und zusätzlich) belastet werden. Im Sinne von hurden sharing kann aber auch eine Umlage auf die Mitgliedstaaten sinnvoll sein. Bei auftretenden Konflikten hinsichtlich der Finanzierungsart kann der Rat einstimmig einen Abänderungsbeschluß treffen.
V. Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion Der Beschluß der gemeinsamen Aktion stellt eine Art "GASP-Rechtsakt" dar und läßt sich damit im Gegensatz zum primären (oder eimichtenden) GASP-Recht (siehe oben B.l1.2.) als sekundäres oder auch materielles GASPRecht bezeichnen257 . Wie gezeigt, ist das eimichtende GASP-Recht völkerrechtlicher Natur. Es fragt sich, welche Rechtsqualität der gemeinsamen Aktion als sekundäres GASP-Recht zukommt. Gegen eine Zuordnung zum einzelstaatlichen Recht spricht, daß die GASPBestimmungen keinen Durchgriff in die nationale Rechtsordnung vorsehen258 • Die gemeinsame Aktion entfaltet keine unmittelbare Wirkung im nationalen Recht. Verpflichtet werden Staaten und nicht Bürger (vgl. Art. J.3 Nr.4 EUV). Wegen des einheitlichen institutionellen Rahmens (vgl. Art. elEUV) und der sich daraus ergebenden Beteiligung der EG-Organe (insbesondere des Rates) beim Beschluß einer gemeinsamen Aktion liegt es nahe, diese zumindest formal als Teil des Gemeinschaftsrechts zu sehen. Dies ist jedoch abzulehnen, da Art. M EUV den materiell-rechtlichen Besitzstand der Gemeinschaft schützen 5011 259 , was eine Zurechnung der gemeinsamen Aktion zum Gemeinschaftsrecht verbietet. Hinzu kommt, daß die gemeinsame Aktion keine EG-Organe verpflichten kann (vgl. Art. J.3 NrA, J.1 IV S. 1 und 2 EUV). Daher ist sie auch
256 Ebenso der Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 65, RdNr. 157. 257 Zu der Einheit der "Unionsrechtsordnung" siehe von BogdandylNettesheim EuR 1996, S. 3 (17-20). 258 Ebenso BVerfGE 89, 155, 176f. (B 2 c2) = NJW 1993,3047,3049. 259 von BogdandylNeltesheim EuR 1996, S. 3 (14).
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D. Die gemeinsame Aktion
nicht in fonnaler Hinsicht ein Rechtsakt der Europäischen Gemeinschaft und somit auch nicht Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Da die Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion also weder nationaler noch gemeinschaftsrechtlicher Art ist, verbleiben als mögliche Qualifikation das Völkerrecht einerseits oder die Zuordnung zu einer Rechtsordnung sui generis andererseits. Die gemeinsame Aktion gehört dem Völkerrecht an, wenn sie dem Recht zwischen souveränen sozialen Verbänden (Relativität), das von ihnen selbst geschaffen worden ist (Koordinationscharakter260 ), zuzuordnen wäre 261 • Die EU-Mitgliedstaaten sind als Völkerrechtssubjekte souveräne soziale Verbände. Problematisch ist aber schon, ob die gemeinsame Aktion von ihnen selbst geschaffen worden ist. Dagegen spricht, daß die Mitgliedstaaten die Verantwortung zu deren Beschlußfassung einem Organ einer mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Organisation übertragen haben, nämlich dem Rat. Dieser beschließt nicht nur das "ob" der gemeinsamen Aktion sondern auch das "wie", d.h. die Einzelheiten im Hinblick auf die Durchführung (Art. 1.3 Nr.l UA.2 EUV). Schließlich sind erstmals in der europäischen außenpolitischen Zusammenarbeit Mehrheitsentscheidungen möglich, wodurch der im Völkerrecht geltende Koordinationscharakter durchbrochen worden sein könnte 262 • Dadurch besteht die Möglichkeit, daß Durchführungsbestimmungen zu gemeinsamen Aktionen gegen den Willen eines oder mehrerer Mitgliedstaaten beschlossen werden können. Demgegenüber ist einzuwenden, daß es sich bei dem in Art. 1.3 Nr.2 EUV vorgesehenen Mehrheitsprinzip in Wahrheit um eine "verdeckte Einstimmigkeit" handelt, weil erst ein einstimmiger Beschluß der Minister im Rat die Möglichkeit eines Mehrheitsentscheides eröffnet (und dann auch nur zum "wie" und nicht zum "ob" der gemeinsamen Aktion, Art. J.3 Nr.2 UA.l EUV siehe oben D.II.5.b.cc.(l).). Damit bleibt der Koordinationscharakter des Völkerrechts gewahrt. Der Koordinationscharakter bleibt auch insofern beachtet, soweit der Rat das zentrale beschließende Organ der GASP geworden ist. Denn auch wenn sich die Mitgliedstaaten beim Beschluß der gemeinsamen Aktion
260 Völkerrecht entsteht nur durch die Koordinierung der Willen der beteiligten Völkerrechtssubjekte. 261 Vgl. zur Definition des Völkerrechts Meng Das Recht der internationalen Organisationen, S. 29f. 262 Vgl. Bernhardt Qualifikation und Anwendungsbereich des internen Rechts internationaler Organisationen, S. 22.
V. Rechtsnatur der gemeinsamen Aktion
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dieses EG-Organes bedienen, so bleibt dennoch der Imperativ bzw. das Mandat der Mitgliedstaaten bzgl. der zu treffenden Beschlüsse erkennbar. Das ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß gemeinsamen Aktionen stets "allgemeine Leitlinien" des Europäischen Rates (d.h. der Mitgliedstaaten, da eine Zustimmung des Kommissionspräsidenten entbehrlich ist - vgl. Art. 1.9 EUV, der lediglich eine "Beteiligung" vorsiehe63 ) zugrunde liegen müssen. Auch beim Beschluß der Durchftihrungsdetails (Art. J.3 Nr.l UA.2 EUV) kann man nicht von einer Selbständigkeit des Rates sprechen, weil dieser letzten Endes nur den Willen des Europäischen Rates, d.h. der EU-Mitgliedstaaten, umsetzt. Daher ist der Rat bei seiner Arbeit innerhalb der GASP kein eigenständiges Organ (siehe oben D.l1.5.b.cc.(2).). Er wird vielmehr im Rahmen eines völkerrechtlichen Systems tätig 264 . Der Rat ist damit ausführendes Organ der Mitgliedstaaten, denen er als Entscheidungszentrum dient. Dieses Ergebnis entspricht dem Regelungsgehalt der GASP-Bestimmungen, die eine Koordinierungsplattform errichten wollen, d.h. die ein Verfahren vorgeben, um die einzelstaatlichen Willen der Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Handeln zu verbinden. Die gemeinsame Aktion ist daher Koordinationsrecht zwischen den Mitgliedstaaten. Auch der Relativitätscharakter des Völkerrechts ist gewahrt, da die gemeinsame Aktion nur zwischen den beteiligten Staaten bindende Kraft hat und darüber hinaus keine Rechtswirkungen entfaltet (Art. 1.3 Nr.4 EUV). Zwar wird die Teilnahme an gemeinsamen Aktionen auch anderen Staaten ermöglicht, doch das erfolgt dann freiwillig 265 • Es darf auch in formaler Hinsicht nicht übersehen werden, daß der Geltungsgrund der gemeinsamen Aktion - also die Bestimmungen, die dem Beschluß der gemeinsamen Aktion zugrunde liegen (primäres GASP-Recht)Völkerrecht ist. Diese Bestimmungen binden den Rat bei seiner Entscheidung als Verfahrensvoraussetzungen. Auch das spricht für den völkerrechtlichen Charakter des Produktes dieser Bestimmungen, der gemeinsamen Aktion266 • Gegen die Qualifikation der gemeinsamen Aktion als Recht sui generis spricht zudem, daß die GASP-Bestimmungen keine dem EG-Recht vergleichbaren Strukturen schaffen. Das Gemeinschaftsrecht wird überwiegend als RechtsordSiehe oben D.II.2.a. Ebenso Glaesner EuR 1995 (Beiheft 2), S. 15 und 20. 265 Der Europäische Rat von Essen hat beschlossen, daß die assoziierten Länder sich gemeinsamen Aktionen anschließen können (Schlußfolgerungen ER-Essen (9./10.12.1994), BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1081). Dies haben die assoziierten Länder auch schon verschiedentlich getan. Siehe unten H.II.2. 266 Vgl. Meng Das Recht der internationalen Organisationen, S. 2IOff.; SeidlHohenveldern/LoibllntOrg, RdNr. 1503. Siehe auch Bernhardt EPIL 5, S. 142 (144). 263
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D. Die gemeinsame Aktion
nung sui generis klassiflziert267 , weil es - entgegen völkerrechtlicher Musteru.a. eine direkte Anwendung von Gemeinschaftsrecht in den Mitgliedstaaten anordnet (Gesetzgebungsrecht) und eine effektive gerichtliche Kontrolle durch den EuGH vorsieht (Gerichtsbarkeit). Ähnliche Strukturen sind nach dem Titel V EUV rur die GASP nicht vorgesehen. Für den völkerrechtlichen Charakter gemeinsamer Aktionen spricht schließlich deren Inhalt, der auf ein gemeinsames Handeln in den Bereichen Auswärtiges und äußere Sicherheit gerichtet ist. Beides sind traditionelle Gegenstände des Völkerrechtl 68 • Daraus folgt, daß die gemeinsame Aktion als sekundäres GASP-Recht völkerrechtlicher Natur ist269 • Zweckmäßigerweise kann man die GASPBestimmungen als Teil des Unionsrechtes bezeichnen. Die gemeinsame Aktion ließe sich demnach dem sekundären Unionsrecht zuordnen.
Vgl. Streinz Europarecht, S. 33ff., RdNr. 107ff.; BBPS EU, S. 68ff. (2.5.). Vgl. Miehsler Qualifikation und Anwendungsbereich des internen Rechts internationaler Organisationen, S. 62f. 269 Ebenso BVerfGE89, 155, 176f. (B2c2 und B2c5)=NJW 1993,3047,3049; KoeniglPechstein EU, Kap. 4 RdNr. 13 sowie Kap. 5 RdNr.15; WesseI SEW 1995, S. 554 (570). 267 268
E. Kohärenz I. EG und GASP Die EG bildet einen einheitlichen Wirtschaftsraum, der eine abgestimmte Außenwirtschaftspolitik erfordertl. Daher verfiigt sie über auswärtige Befugnisse. Diese ergeben sich z.B. aus den Art. 113, 130u-130y, 13l-136a, 238 EGV und seit Maastricht auch aus den Art. 109 1,11 und Art. 73g EGV. Neben den im EG-Vertrag enthaltenen ausdrücklichen Kompetenzzuweisungen gilt, daß in allen Fällen einer internen Zuständigkeit der Gemeinschaft zugleich die notwendige externe Zuständigkeit besteht, um Verträge mit Drittstaaten abzuschließen, die zur Verwirklichung der vertraglichen Zielsetzungen erforderlich sind (implied powers). Es gilt das Prinzip der "Parallelität zwischen Innen- und Außenkompetenz" (sog. AETR-Formef). Damit wurde die Vertragsschlußkompetenz der EG potentiell auf den gesamten Anwendungsbereich des EGVertrages ausgedehnt. Die EG entfaltet heute weltweit außenpolitische Aktivitäten3 . Dabei wird die Abgrenzung zwischen wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen immer BBPSEU, S. 523 (16.1.1). EuGH, Rs. 22/70 - KommissionIRat (AETR), Rspr. 1971, S. 263 (274), Tz. 13/14. Vgl. Streinz Europarecht, S.185 (RdNr. 593ff.) und S. 189 (RdNr.601); Oppermann Europarecht, S. 621 f. (RdNr. 1625); Leche/er A VR 1994 (32), S. I (8 und 12). 3 Die EG unterhält insbesondere zu folgenden Organisationen Beziehungen: (I) Seit 1974 genießt sie bei den Vereinten Nationen und ihren verschiedenen Sonderorganisationen den Status eines Beobachters (vgl. Art. 229 I EGV). Auch bei Konferenzen der Vereinten Nationen verfUgt die Gemeinschaft über einen Beobachterstatus. Z.T. (z.B. UNCTAD) wurde der Gemeinschaft sogar der Mitgliedsstatus eingeräumt. Seit November 1991 ist die EG Vollmitglied der FAO (Food and Agriculture Organization). AusfUhrlich dazu Cameron Die EG und ihre Mitgliedstaaten bei KSZE und VN, S. 103f.; vgl. auch Streinz Europarecht, S. 191 (RdNr. 610). Zur Rolle der EG in den Vereinten Nationen siehe auch Stad/er EG/EPZ in der UN-GV, S. 107-125. (2) In der WTO ist sie de-facto-Mitglied (vgl. Art. 229 I EGV), so daß sie ihre ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Handelspolitik (Aushandlung und Abschluß der Abkommen) in vollem Umfang wahrnehmen kann (vgl. noch zu GATT Cameron Die EG und ihre Mitgliedstaaten bei KSZE und VN, S. 104)). (3) Europarat (Art. 230 EGV). (4) OECD (Art. 231 EGV). (5) OSZE (Art. 229 II EGV). Zur Rolle der EG in der KSZE/OSZE siehe Cameron Die EG und ihre Mitgliedstaaten bei KSZE und VN, S. 96ff. 1 Vgl.
2
174
E. Kohärenz
schwieriger, auch wenn die Intention oder die Instrumente relativ unproblematisch als "wirtschaftspolitisch" charakterisiert werden können4 • Zu eng sind heute die Verknüpfungen zwischen Wirtschaftspolitik und Außenpolitik. Die Außenwirtschaftspolitik und insbesondere die Entwicklungspolitik der Europäischen Gemeinschaft haben regelmäßig politische Implikationen. Demgegenüber sind viele außenpolitische Aktivitäten (etwa im Rahmen der GASP) nur aus den dahinter stehenden wirtschaftlichen Interessen zu erklären und umgekehrt5• Das bedeutet zwangsläufig, daß die gemeinschaftliche Außenwirtschaft sich auf die Außenpolitik auswirkt und daß sowohl die nationale wie die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik auch auf Aktivitäten der Gemeinschaft treffen 6 . Europäische Außenpolitik wird daher nicht nur im Rahmen der GASP von den EU-Mitgliedstaaten gemacht, sondern auch von der Europäischen Gemeinschaft selber7, was auch Art. eIl 3 EUV unterstreicht. Die GASP und die auswärtigen Aktivitäten der EG dürfen daher nicht völlig losgelöst voneinander gesehen werden 8 . Wegen der parallelen Zuständigkeiten besteht die Möglichkeit, daß von EG und GASP widersprüchliche "europäische Außenpolitik" gemacht wird. Nur durch Koordinierung der beiden Politikbereiche kann es der Europäischen Union gelingen, effektiv und einheitlich nach außen aufzutreten. Der erforderliche Gleichklang soll über das Gebot der Kohärenz (Art. C II 1 EUV) erreicht werden9 . Demzufolge achtet die Union auf die Kohärenz aller von ihr ergriffenen außenpolitischen Maßnahmen im Rahmen ihrer Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Die EG ist als jeweils einziger "Nichtstaat" Partei bei über 50 internationalen Übereinkommen. Mit ihren wichtigsten Handelspartnern unter den Industrieländern steht die EG in engem Kontakt, hauptsächlich durch regelmäßige, institutionalisierte Konsultationen zwischen der Kommission und den Behörden des jeweiligen Landes (Europa in einer Welt im Wandel- Die Außenbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft, Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.), Reihe: "Europäische Dokumentation", 1993, S. 22). 4 Vgl. BBPSEU, S. 524 (16.1.1). 5 Vgl. Ryba RMCUE 1995, S. 14 (22). 6 Lecheier AVR 1994 (32), S. I (6f.). 7 V gl. KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (150); Monar Das duale System von EG und EPZ/GASP, S. 75f.; Keatinge Integration 1993, S. 230 (231). 8 Ebenso Lecheier AVR 1994 (32), S. I (18 und 22). 9 Vgl. auch Müller-GraffIntegration 1993, S. 147 (I 5 \).
11. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen
175
11. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen Speziell für die gemeinsame Aktion hat der Europäische Rat von Lissabon bestimmt, daß diese notwendigerweise "mit anderen Aktionen und Positionen der Union vereinbar bleiben [müssen]" 10. Dieses Gebot entspricht der im Unionsvertrag geforderten Kohärenz. 1. Begriff und Inhalt
Der Unionsvertrag verwendet das Wort Kohärenz in unterschiedlicher Bedeutung!!: für innere Kohärenz iSd. Zusammenhalts der Union im Inneren 12 , namentlich in Gestalt des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der EG (Stichwort: Kohäsion) sowie für inhaltliche Kohärenz!3 im Sinne einer inhaltlichen Übereinstimmung von Einzelmaßnahmen (Maßnahmenkohärenz)!4. Die inhaltliche Kohärenz kann sich zum einen auf das Verhältnis zwischen der Union und den Mitgliedstaaten beziehen (vertikale Kohärenz, GASP-Politik) oder zum anderen auf das Verhältnis der EG-Außenbeziehungen und der GASP (horizontale Kohärenz, EU-Außenpolitik)!5. Die Wortbedeutung für "kohärent" wird im Duden mit "zusammenhängend" beschrieben. Weiterhelfen kann auch die Physik, die als kohärente Strahlen solche Lichtbündel bezeichnet, die die "gleiche Wellenlänge und Schwingungsart" haben!6. Überträgt man dieses Bild in den Bereich der europäischen
10 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26./27.6.1992), Anlage I, Dok AA, S. 125. Siehe auch oben D.II.1.a.bb.(3). 11 Siehe hierzu Müller-GraffIntegration 1993, S. 147; KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144; Algieri Integration 1993, S. 173 (174). 12 Vgl. A III 2 EUV. 13 Vgl. C 11 1 EUV. 14 Peter-Christian Müller-Graff (in: Integration 1993, S. 147) und Franco Algieri (in: Integration 1993, S. 173 (174» sprechen noch zusätzlich von einer äußeren Kohärenz. Damit meinen sie das gemeinsame Auftreten gegenüber Drittstaaten. Diese weitere Differenzierung ist jedoch nicht erforderlich, da die Maßnahmenkohärenz in Bezug auf die europäische Außenpolitik zugleich die äußere Kohärenz mit erfaßt, weil die äußere Kohärenz (iS. eines gemeinsamen Auftretens nach außen) das Ergebnis der inhaltlichen Kohärenz ist. Erst die inhaltliche Abstimmung der Maßnahmen macht ein einheitliches Erscheinungsbild von EG und GASP nach außen möglich. Da die äußere Kohärenz notwendige Folge der inhaltlichen Kohärenz ist, ist auch nur letztere Gegenstand dieser Untersuchung. 15 Vgl. KrenzleriSchneiderEuR 1994, S. 144.
176
E. Kohärenz
Außenpolitik, so kann Maßnahmenkohärenz definiert werden als das Gebot for ein aufeinander abgestimmtes, zusammenhängendes Verhalten der EG einerseits und der Mitgliedstaaten bei der GASP andererseits, mit dem Zweck, eine widerspruchslose Außenpolitik zu ermöglichen l7 . Der Gedanke der Kohärenz ist keine Erfmdung des Unionsvertrages. Bereits in ihrer Präambel betonte die EEA von 1987 das Erfordernis eines einheitlichen europäischen Standpunktes bei der Verteidigung außenpolitischer Interessen 18. Von besonderer Bedeutung war Art. 30 Nr.5 EEA. Nach dieser Vorschrift mußten die "auswärtigen Politiken" der Europäischen Gemeinschaft "kohärent" mit den im Rahmen der EPZ vereinbarten Politiken sein. Im Vergleich zur EPZ kommt es durch den Unionsvertrag zu einer inhaltlich und strukturell stärkeren Verknüpfung der GASP mit den auswärtigen Aktivitäten der EG I9 . Entscheidend rür eine verbesserte Kohärenz spricht die Einführung des einheitlichen institutionellen Rahmens (vgl. Art. CI EUV): die zentralisierte Vorbereitung gemeinsamer Aktionen durch den AStV und die Übertragung der Gesamtverantwortung fiir die Außenpolitik der Union auf den Rat "Allgemeine Angelegenheiten" bedeutet eine personelle und inhaltliche Identität der getroffenen Entscheidungen2o • Die fiir die gemeinsame Aktion geforderte Kohärenz wird zudem durch die in Art. J.3 Nr.4 EUV vorgesehene Bindungswirkung gefördert, weil dadurch eine Ausrichtung der einzelstaatlichen Außenpolitiken an den Entscheidungen der Union, d.h. der Gesamtheit der EUMitgliedstaaten, bewirkt wird.
2. Adressaten des Kohärenzgebotes
Die Bedeutung des Kohärenzgebotes fiir gemeinsame Aktionen als Abstimmungsgebot wirft die Frage nach den daraus Verpflichteten, also nach den Adressaten auf. 16 Duden, Fremdwörterbuch, 5. Aufl., 1990, S.405. Vgl. auch Krenz/eriSchneider EuR 1994, S. 144 (145). 17 Vgl. KrenzleriSchneider EuR 1994, S.144 (145); BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (6); Müller-GraffIntegration 1993, S. 147. 18 Vgl. den 5. Erwägungsgrund der Präambel zur EEA: " ... immer mehr mit einer Stimme zu sprechen und geschlossen und solidarisch zu handeln, um seine [Europas] gemeinsamen Interessen [... ] wirkungsvoller zu verteidigen." 19 Läufer Ziele und Verfahren, FS Stercken, S.60; Müller-GraffIntegration 1993, S. 147 (155). 20 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitlichkeit und Kohärenz, Dok AA, S. 135; BBPS EU, S. 527 (16.1.2).
H. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen
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a) Direkte Adressaten Gemäß Art. C 11 2 EUV sind der Rat und die Kommission für die Kohärenz der außenpolitischen Maßnahmen im Rahmen der Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik verantwortlich. Noch im Londoner Bericht wurde die Verantwortung für die Kohärenz nur dem Vorsitz auferlegt. Er war dafür verantwortlich, daß EPZ- und Gemeinschaftsfragen koordiniert zu erörtern waren, wenn der Inhalt dies erforderlich machte 21 . Mit der EEA (1987) wurde auch die Kommission in die Verantwortung für die Kohärenz der auswärtigen Politiken der EG einerseits und der EPZ andererseits mit einbezogen (Art. 30 Nr.5 UA.2 EEA), obwohl die EPZ organisatorisch von den Gemeinschaftsorganen getrennt war (Art. 3 und 30 Nr.l0-ll EEA)22. Vorsitz und Kommission standen bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe gleichwertig nebeneinander23 . Der Unionsvertrag nennt nun neben der Kommission nicht mehr den Vorsitz als Verantwortlichen für die Kohärenz, sondern den Rat als Ganzes (vgl. Art. eIl 2 EUV). Dadurch wird die zu EPZ-Zeiten dem Vorsitz zugewiesene Aufgabe auf alle im Rat vertretenen Mitgliedstaaten aufgeteilt. Das könnte im Hinblick auf die Effektivität Bedenken auslösen, da die Aufteilung der Verantwortung nicht den operationellen Erfordernissen der GASP-Struktur zu entsprechen scheine 4• Zudem erschien die frühere Verantwortlichkeit von Kommission und Vorsitz sinnvoll, weil sie im außenpolitischen Bereich als Hauptakteure wahrgenommen wurden und werden25 . Andererseits ist die Übertragung der Verantwortung für die Kohärenz vom Vorsitz auf den Rat deswegen konsequent, weil dieser durch den einheitlichen institutionellen Rahmen zentrales Beschlußorgan in Außenfragen der Union (sowohl GASPwie EG-Angelegenheiten) geworden ist. Der Rat befindet sich damit in geeigneter Position, um seiner Verantwortung für die Kohärenz (sowohl in horizontaler wie in vertikaler Hinsicht) nachzukommen26 . Daher ist er zur Einhaltung der Kohärenz besser in der Lage als der Vorsitz, der nur eines unter vielen Ratsmitgliedern ist. 21 Londoner Bericht: Bericht der Außenminister der Zehn vom 13.10.1981 in London über die Europäische Politische Zusammenarbeit, Dok AA, S. 59ff. (66). 22 Vgl. BBPSEU, S. 527 (16.1.2). 23 KrenzIer EuR 1986, S. 384 (389); Monar Das duale System von EG und EPZ/GASP, S. 81; Servantie, HER IA 10, Art. 30 EEA, RdNr. 69. 24 Vgl. Monar Das duale System von EG und EPZ/GASP, S. 82; Nuttall Kommission,S.139. 25 Vgl. KrenzIer EuR 1986, S. 384 (386). 26 Vgl. Glaesner Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 71.
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Münch
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E. Kohärenz
Die Verantwortung der Kommission für die horizontale Kohärenz (EUAußenpolitik) nimmt diese in vieIniltiger Weise wahr. In der täglichen Routine muß die Kommission dafür sorgen, daß alle GASP-Akteure volle Kenntnis der relevanten Gemeinschaftsvorgänge haben. Derselbe Prozeß läuft auch in umgekehrter Richtung ab: die Beteiligung der Kommission an der GASP (und damit auch an den Arbeiten zur gemeinsamen Aktion) gibt ihr die Möglichkeit, Gemeinschaftspolitiken in Kenntnis der GASP-Meinungsbildung vorzuschlagen und durchzuführen. Entscheidend sind nicht so sehr die in der GASP beschlossenen politischen Vorgaben (iS. eines GASP-acquis) als vielmehr das Zustandekommen gemeinsamer Sichtweisen, auf deren Basis die Beteiligten tätig werden27 • Es gibt jedoch in der GASP kein Initiativmonopol der Kommission etwa dergestalt, daß sie durch Vorschläge den Rat zur Entscheidung zwingen könnte. Die Kommission kann somit nur versuchen, durch ihr politisches Gewicht und durch materielle Beiträge für die Verhandlungen innerhalb des Rates auf Kohärenz hinzuwirken28 • Problematisch könnte im Hinblick auf die Gleichberechtigung von Rat und Kommission bei ihrer Verantwortung für die Kohärenz sein, daß Art. C 11 2 EUV Rat und Kommission als Adressaten des Kohärenzgebotes nennt, während Art. J.l IV 3 EUV nur den Rat zum Adressaten dieser Aufgabe macht. Die Kommission wird nicht erwähnt, obwohl es auch hier um die Maßnahrnenkohärenz geht. Einige 29 sprechen daher von Änderungen in der Gewichtung der Adressaten des Kohärenzgebotes durch den Unionsvertrag. Hierbei wird jedoch übersehen, daß Art. J.l IV 3 EUV nur die GASP-Politik meint, d.h. die koordinierte Außen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedstaaten (vertikale Kohärenz) und nicht die Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der EG mit einschließt (horizontale Kohärenz). Die Kommission ist bei der GASP aber nur "in vollem Umfang [... ] beteiligt" (Art. J.9 EUV), ohne selbst Entscheidungsbefugnisse zu haben, so daß sie in diesem Bereich auch nicht den Gleichklang der nationalen Maßnahmen bewirken könnte. Dazu ist allein der Rat berufen. Daß auch der Unionsvertrag zwischen den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen von Rat und Kommission unterscheidet, belegt Art. C 11 3 EUV. Danach stellen Rat und Kommission jeweils "in ihrem Zuständigkeitsbereich die Durchführung der betreffenden Politiken sicher". Die GASP aber unterf,illt dem alleinigen Verantwortungsbereich des Rates, da die Kommission an der Beschlußfassung nicht teilnimmt (siehe oben D.II.4.). Ebenso verhält es sich mit Art. J.8 11 UA.1 Nuttall EPC, S. 24f.; ders. Kommission, S. 137f. Glaesner Der einheitliche institutionelle Rahmen, S. 70f. 29 KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (I 47f.).
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11. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen
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S.2 EUV. Auch dort ist nur die Verantwortung in bezug auf die GASP-Politik (vertikale Kohärenz) gemeint, was schon die systematische Stellung belegt. Daher ist auch hier die Zuweisung der alleinigen Verantwortung an den Rat wie eben begründet - konsequeneo. Kommission und Rat sind daher, was die horizontale Kohärenz angeht (EU-Außenpolitik), gemäß Art. C 11 2 EUV gleichberechtigte Adressaten des Kohärenzgebotes. b) Indirekte Adressaten
Der Europäische Rat, der AStV und die Arbeitsgruppen sind nicht durch das Kohärenzgebot ieS. verpflichtet. Da sie aber durch ihre Arbeit zu einer besseren Abstimmung der verschiedenen Politikbereiche beitragen, können sie als indirekte Adressaten des Kohärenzgebotes bezeichnet werden. So hat der Europäische Rat zur Aufgabe, die Entwicklung der Union (dazu gehören iSd. Unionsvertrages auch die Gemeinschaften (Art. A III 1 EUV» durch Impulse und Zielvorstellungen zu steuern (Art. D I EUV). Schon in der Feierlichen Deklaration zur Europäischen Union vom 19. Juni 1983 in Stuttgart3 ! haben die Staats- und Regierungschefs hervorgehoben, daß der Europäische Rat über Fragen der Europäischen Union unter ihren verschiedenen Aspekten berät und "für deren Übereinstimmung Sorge [trägt)". Seine Schlußfolgerungen enthalten deshalb regelmäßig Grundsätze und Leitlinien, die gleichermaßen für EG und GASP gelten32 . Dadurch trägt der Europäische Rat in entscheidender Weise zur Kohärenz zwischen der GASP und der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik der EG bei33 • Der Rat wird vom AStV unterstützt. Auch das hat einen positiven Effekt auf die Kohärenz, weil die Hauptverantwortung für die Vorbereitung gemeinsamer Aktionen einem Gremium zugewiesen ist, das gleichermaßen EG- wie GASPFragen behandelt34 • Entsprechend trägt auch die Verschmelzung der Arbeits-
A.A. Monar Das duale System von EG und EPZIGASP, S. 82. Abgedruckt in: Dok AA, S. 67ff. (70). 32 So erklärte der Europäische Rat von Brüssel (29. 10.1993) in seinen Schlußfolgerungen, die sich speziell auf gemeinsame Aktionen bezogen, daß der Friedensprozeß im Nahen Osten "durch Einsatz der politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Mittel der Union" begleitet werden soll (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Dok AA, S.151). 33 VgJ. auch BurghardtlTebbe EuR 1995, S. I (5f.). 34 Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitlichkeit und Kohärenz, Dok AA, S. 135; BBPS EU, S. 527 (16.1.2). 30 31
12*
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E. Kohärenz
gruppen zu Ratsarbeitsgruppen, die gemischte Fragen behandeln, zur Verbesserung der Kohärenz bei 35 •
3. Kohärenz am Beispiel von Wirtschaftssanktionen Ein konkretes Beispiel für den Prozeß der Kohärenzfindung, das zugleich das Zusammenspiel der GASP und der Gemeinschaft verdeutlicht, ist der in Maastricht eingeführte Art. 228a EGV. Diese Vorschrift enthält die Rechtsgrundlage für Wirtschaftssanktionen, die einen wichtigen Bestandteil der EUAußenpolitik bilden und deren Verhängung den auswärtigen Kompetenzen der EG unterfallt. Da Art. 228a EGV die erforderliche Kohärenz der gemeinschaftlichen Außenbeziehungen mit der GASP bezwecke6 , bildet diese Vorschrift eine vertraglich vereinbarte Brücke zwischen dem 1. Pfeiler (Gemeinschaftskompetenz) und dem 2. Pfeiler (Zwischenstaatlichkeit), sog. Passerelle 37 •
a) Beschlußveifahren Art. 228a EGV bestätigt das bisher geübte zwei stufige Verfahren und schreibt es feses. Als Tatbestandsvoraussetzung für den Art. 228a EGV faßt der Rat - zwischenstaatlich - auf der ersten Stufe einstimmig den Beschluß über die Festlegung eines gemeinsamen Standpunktes oder einer gemeinsamen Aktion. Der Beschluß sieht die Verhängung von Wirtschaftssanktionen durch die Gemeinschaft vor. Auf der zweiten Stufe wird auf gemeinschaftsKrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (l49f.). Vgl. KrenzlerlSchneiderEuR 1994, S. 144 (147); Fink-HooijerCFSP, EJIL 1994, S.175. 37 La passerelle = Laufsteg, Brücke. 38 Der jetzige Art. 228a EGV ist das Ergebnis verschiedener Phasen der EGSanktionspolitik (zu den Anfangen der EG-Sanktionspolitik siehe Regelsberger EPZ in den achtziger Jahren, S.45f.; Stein GASP und Sanktionen, S.2lff.; Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 234ff.; Fink-HooijerCFSP Forum 1994/4, S. 4f.; NuttallEPC, S. 26lff.; ders. Kommission, S. 143). Zunächst stützten sich der Rat und die Mitgliedstaaten auf Art. 224 EWGV, der die Sanktionspolitik in die nationale Verantwortung legte. Ab 1982 wurde auf Art. 113 EWGV Bezug genommen, nachdem zuvor eine korrespondierende, politische Entscheidung durch die Mitgliedstaaten (EPZ oder nach Konsultationen gemäß Art. 224 EWGV) getroffen worden war. Für dieses zweistufige Verfahren gab es keine rechtliche Verpflichtung. Der vorhergehende politische Beschluß der Mitgliedstaaten wurde jedoch als erforderlich angesehen, da es sich hierbei vorrangig um eine außenpolitische Zielsetzung handelte und die insoweit bei den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenz nicht durch Art. 113 EWGV überspielt werden sollte. 35
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11. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen
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rechtlicher Grundlage die Sanktion durch den Rat als EG-Organ erlassen. In aller Regel geschieht dies durch den Erlaß einer Verordnung. Eine Beteiligung des Europäischen Parlamentes ist nicht vorgesehen. Die Wirtschafts sanktionen, die innerhalb kurzer Zeit verhängt werden können39 , haben zur Folge, daß Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder völlig eingestellt werden. Der Rat beschließt auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit (vgl. Art. 14811 EGV). Wegen des vorhergehenden einstimmigen GASPBeschlusses handelt es sich aber auch hier um eine verdeckte Einstimmigkeit. Damit wirken die Verfahren der GASP auf die Durchfiihrung der Art. 228a und 73g EGV ein40 . b) Zugrundeliegender GASP-Beschluß
Auffallend ist, daß sich der Rat bei Erlaß von Wirtschaftssanktionen bisher stets gemeinsamer Standpunkte - und noch nie gemeinsamer Aktionen - bedient hat (siehe Anhang I). Als möglichen Grund hierfiir wurde genannt41 , daß bei einem gemeinsamen Standpunkt die "volle Bindungswirkung" erst auf der zweiten Stufe durch die Umsetzung, meist in der Form einer Verordnung, erlangt werde, während bei der gemeinsamen Aktion die Verbindlichkeit unmittelbar gemäß Art. 1.3 Nr.4 EUV eintrete. Die gemeinsame Aktion bewirke eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ohne die Gemeinschaft zu verpflichten. Wegen Art. 228a EGV können Wirtschaftssanktionen aber nicht von den Mitgliedstaaten, sondern nur von der EG verhängt werden. Bei einer gemeinsamen Aktion wären die Mitgliedstaaten also zu etwas verpflichtet, was sie ohne entsprechenden EG-Beschluß gar nicht umsetzen könnten, zumal der Rat in diesem Fall nur auf Vorschlag der Kommission beschließen könne. Dieser Überlegung liegt zugrunde, daß der gemeinsame Standpunkt auf der ersten Stufe keine Bindungswirkung entfaltet. Dies ist aber - wie gezeigt - nicht der Fa1l42 . Der Grund dafiir, warum sich der Rat stets gemeinsamer Standpunk-
Im Falle des Iraks vergingen lediglich zwei Tage (Nuttall EPC, S. 264). Dies beklagt die Kommission in dem Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 57, RdNr. 132. Siehe dazu näher unten. 41 Stein GASP und Sanktionen, S. 39; ders. EuR 1995 (Beiheft 2), S. 69 (77). 42 Siehe oben C.II.l.cc.(3). und vgl. die Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10.1993), Kapitel IV: Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Die Mitgliedstaaten bindende Entscheidungen der Union, Dok A~, S. 136: "Nach dem Vertrag über die Europäische Union sind Entschei39
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E. Kohärenz
te bediente, ist darin zu suchen, daß deren gegenüber der gemeinsamen Aktion informellere und daher einfachere Beschlußverfahren in diesem Falle vorzugswürdig ist. 4. Globale Aktion
Die Pfeilerstruktur der Europäischen Union bereitet dann Probleme, wenn es um die Vereinbarung einer umfassenden Unionspolitik gegenüber Dritten (global approach) geht und es sich nicht um speziell geregelte Fälle (wie Art. 228a oder 73g EGV) handelt. Dann kommt es zu sog. globalen Aktionen, für die es kein vertraglich vorgesehenes Verfahren gibt. a) Inhalt Man spricht von einer globalen Aktion, wenn in einer Maßnahme der Europäischen Union die Wirkungsmöglichkeiten aus verschiedenen Pfeilern zu einem gemeinsamen Ziel verbunden werden43. Sie umfaßt also abgestimmte, auf ein gemeinsames Ziel gerichtete Maßnahmen von EG und GASP, die nach den jeweiligen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren beschlossen werden. Die globale Aktion ist damit ein besonderer Ausdruck des in Art. C 11 1 EUV normierten Abstimmungsgebotes zwischen den Pfeilern und bewirkt in spezieller Weise die Kohärenz in den Außenbeziehungen der Union.
dungen der Union für die Mitgliedstaaten verbindlich." A.A. Stein GASP und Sanktionen, S. 39. 43 Ein Beispiel für eine globale Aktion ist die Verordnung (EG) Nr. 3381/94 vom 19.12.1994 (Ab\. EGNr. L367/1 vom 3\.12.1994, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 837/95, Ab\. EG Nr. L 90/1 vom 2\.4.1995) über eine Gemeinschaftsregelung zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck, die in Verbindung mit der ebenfalls am 19.12.1994 beschlossenen gemeinsamen Aktion zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck steht (siehe Anhang I). Die Verordnung (EG) bezweckt eine gemeinsame Grundlage für ein wirksames Ausfuhrkontrollsystem für Güter mit doppeltem Verwendungszweck (das sind Güter, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken zugeführt werden können). Die entsprechende gemeinsame Aktion enthält die zur Durchführung der Verordnung erforderlichen Listen der betroffenen Güter, der Bestimmungsziele und der Leitlinien als wesentlicher Bestandteil der gemeinschaftlichen Kontrollregelung. Da die Beschlüsse über den Inhalt dieser Listen als "strategisch" eingestuft werden, fallen sie in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten (GASP). Die gemeinsame Aktion und die Verordnung "stellen ein integriertes System dar, an dem sich der Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten nach ihren jeweiligen Zuständigkeiten beteiligen" (Ab\. EG Nr. L 367/8 vom 31.12.1994 (94/942/GASP».
H. Kohärenz von EG-Außenbeziehungen und gemeinsamen Aktionen
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Gemeinsame Aktionen (GASP) und entsprechende gemeinschaftliche Maßnahmen (EG) stehen dabei zueinander nicht in einem Über-/Unterordnungsverhältnis, sondern sind gleichrangig 44. Sie sollen sich gegenseitig ergänzen, um als globale außenpolitische Maßnahmen ein effektives Handeln der Union im auswärtigen Bereich zu ermöglichen (vgl. Art. eIl EUV)45.
b) Rechtliche Fragestellungen
Bei einer globalen Aktion greifen die Verfahrensvoraussetzungen des 2. Pfeilers in den 1. Pfeiler über (Gefahr der Kontamination), weil es nur dann zu einer globalen Aktion kommt, wenn es sowohl in der EG wie auch in der GASP einen entsprechenden Beschluß daftir gibt. So wirkt sich die Einstimmigkeitsregel des 2. Pfeilers auf die dazugehörige, in den Bereich der Gemeinschaft fallende Maßnahme aus 46 . Denn ein mehrheitlich möglicher EGBeschluß kann nur nach dem einstimmigen Beschluß der entsprechenden gemeinsamen Aktion seine Wirksamkeit im Rahmen einer globalen Aktion voll entfalten. Neben diesem formalen Aspekt kann es auch inhaltlich zu Konflikten zwischen EG und GASP kommen. Derartige Konflikte sind bereits bei gemeinsamen Standpunkten zu einem Gesamtrahmen ftir die künftigen Beziehungen der Union zu bestimmten Ländern aufgetreten47 . Da diese gemeinsamen Standpunkte auch Hinweise auf Gemeinschaftsangelegenheiten enthalten, werfen sie das Problem einer klaren Unterscheidung der Kompetenzverteilung zwischen dem 1. und dem 2. Pfeiler auf. Diese Frage gilt gleichermaßen ftir gemeinsame Standpunkte wie ftir gemeinsame Aktionen.
44 Ebenso KrenzleriSchneider EuR 1994, S. 144 (152). 45 Entsprechend spricht der Allgemeine Rat von Brüssel von einem "Gesamtkonzept
für die externen Maßnahmen der Union"; Diplomatie werde bei der Verfolgung außenpolitischer Ziele der Union häufig mit handels- und entwicklungspolitischen Maßnahmen verknüpft werden müssen (Schlußfolgerungen AR-Brüssel (26.10. I 993), Kapitel IV; Von der Politischen Zusammenarbeit zur gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), Einheitlichkeit und Kohärenz, Dok AA, S. 135). 46 Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 65f., RdNr. 158. 47 Beispiele sind die gemeinsamen Standpunkte zu den Zielen und Prioritäten der Europäischen Union in bezug auf Ruanda (94/697/GASP) vom 24. I O. I 994 (AbI. EG Nr. L 283/1 vom 29.10.1994) und zu den Zielen und Prioritäten der Europäischen Union in bezug auf die Ukraine (941779/GASP) vom 28.11.1994 (AbI. EG Nr. L 313/1 vom 6.12.1994).
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E. Kohärenz
Diesem Spannungsfeld haben der Rat und die Kommission mit einer Art Verhaltenskodex vom 23. Februar 1995 (sog. mode d'empl0l48) Rechnung getragen49 . GASP-Akte dürfen demnach nicht Rechte der Kommission beeinträchtigen. Das hat zur Folge, daß der Kommission ein de-facto-Vetorecht im Hinblick auf globale Aktionen zugestanden wird. Dieses mode d'emploi ist aber nicht einklagbar, weil keine rechtliche Bindungswirkung daran geknüpft worden ist. Sein Inhalt ist gleichwohl nur deklaratorischer Art, wie Art. M EUV klarstellt. Weil Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik in die Zuständigkeit der Kommission fallen, können GASP-Akte, die ein Tätigwerden der Kommission vorsehen, ohnehin nicht umgesetzt werden, wenn diese nicht zustimmt50. Denn die Kommission ist nicht durch den GASP-Beschluß verpflichtet und der Rat kann die Kommission nicht zum Handeln zwingen51 • Nur sie besitzt die Zuständigkeit zur Umsetzung der in dem GASP-Beschluß vorgesehenen Maßnahmen in der Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik. Im Konfliktfall ist eine Klage vor dem EuGH wegen Art. M EUV denkbar (siehe dazu oben D.III.3.b.aa.(2).7. Fall). Abschließend ist festzuhalten, daß die Kommission bei globalen Aktionen an Einfluß gewinnt, weil sie ihre Zuständigkeit in Wirtschaftsfragen voll einbringen kann 52 . Das hat zur Folge, daß eine entsprechende gemeinsame Aktion nur dann ihre volle Wirkung entfalten kann, wenn die Kommission dieser (im Hinblick auf die darin enthaltenen EG-Maßnahmen) faktisch zustimmt. Die daraus resultierende Notwendigkeit zur Abstimmung zwischen Rat und Kommission stellt die geforderte Kohärenz sicher.
Dieses mode d'emploi ist nicht veröffentlicht. Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 21.9.1995. VgI. auch RegelsbergerJEI 1994/95, S. 219 (222f.). 50 Daher ist in GASP-Beschlüssen immer wieder folgende Passage zu lesen: "Der Rat und die Kommission treffen im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten die erforderlichen Maßnahmen [... ]" (vgI. z.B. AbI. EG Nr. L 245/1 vom 12.10.1995 (95/413/GASP». 51 VgI. oben D.I1I.1.a. 52 Ebenso Ryba RMCUE 1995, S. 14 (18). 4R
49
F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen Im Unionsvertrag wird die Union mehrfach als Akteur der GASP genannt). Daher stellt sich die Frage, wer Handlungsträger gemeinsamer Aktionen ist. Die Europäische Union jedenfalls könnte überhaupt nur dann Handlungsträger sein, wenn sie rechtsfähig wäre.
I. Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union Völkerrechtssubjektivität meint die Fähigkeit, Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu sein 2• Die Frage der Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union ist umstritten. Unstrittig ist lediglich, daß die Europäische Union als Zusammenschluß von Staaten über keine eigene Staatlichkeit verfügt, da jedenfalls der Staatscharakter fehlt3 . Daher kann die Europäische Union nur dann ein Völkerrechtssubjekt sein, wenn es sich bei ihr um eine internationale Organisation handelt4 . Eine internationale Organisation entsteht durch I Es heißt z.B. nicht mehr "Die Hohen Vertragsparteien [... ] bemühen sich, gemeinsam eine europäische Außenpolitik auszuarbeiten und zu entwickeln" (Art. 30 Nr.l EEA), sondern "Die Union und ihre Mitgliedstaaten erarbeiten und verwirklichen eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" (Art. J.l I EUV). Darüber hinaus besagt Art. J.l IV 1 EUV: "Die Mitgliedstaaten unterstützen die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos ... "; ähnlich spricht Art. J.4 IV HS.l EUV von der "Politik der Union". Gemäß Art. 1.5 I EUV vertritt der Vorsitz die Union in Angelegenheiten der GASP. 2 Vgl. Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, Advisory Opinion: I.C.J. Reports 1949, S. 174 (179). 3 Näher KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. Iff. 4 Bei internationalen Organisationen ist zwischen deren Rechtspersönlichkeit im Völkerrecht und deren Rechtspersönlichkeit im Rahmen des innerstaatlichen Rechts zu unterscheiden (Seidl-HohenveldemlLoibllntOrg, RdNr. 0301). Da es hier um die Außenbeziehungen der Europäischen Union geht. ist auch nur deren Rechtspersönlichkeit im Völkerrecht Gegenstand dieser Untersuchung. Die internationale Organisation erwirbt ihre Völkerrechtssubjektivität im Verhältnis zu ihren Mitgliedstaaten aus dem Gründungsvertrag (direkt oder indirekt). Gegenüber Drittstaaten wird die internationale Organisation Völkerrechtssubjekt mittels Anerkennung. die auch stillschweigend erfolgen kann (Seidl-HohenveldemlLoibl IntOrg. RdNr. 0321 und RdNr. 07l0ff.). Eine stillschweigende Anerkennung ist anzunehmen, wenn Handlungen vorgenommen werden, die nur im Zusammenhang mit einem Völkerrechtssubjekt gebracht werden können (z.B. Abschluß völkerrechtlicher Verträge oder Aufnahme diplomatischer Beziehungen). Die Völkerrechtssubjektivität ist beschränkt auf
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F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen
eine dauerhafte, völkerrechtliche Verbindung von Völkerrechtssubjekten, welche mit mindestens einem Organ ausgestattet ist. Dieses Organ muß befugt sein, den auf die Erreichung des gemeinsamen Zieles gerichteten Willen der Mitgliedstaaten zu vertreten5 • Die Vertragsparteien müssen es diesem Gebilde also ermöglichen, selbst Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten zu sein6 • Die internationale Organisation wird somit nur dann Völkerrechtssubjekt, wenn der Inhalt und Umfang ihrer völkerrechtlichen Rechte und Pflichten sich aus dem Willen der Gründerstaaten ergibt7• Das ist - mit Blick auf die Europäische Union - deswegen problematisch, weil der gesamte Unionsvertrag keine Vorschrift enthält, die den ausdrücklichen RechtsHihigkeitsbestimmungen in den Gemeinschaftsverträgen entspräche (wie z.B. Art. 210 EGV). Die Tatsache aber, daß keine Regelung zur Völkerrechtssubjektivität innerhalb des Unionsvertrages getroffen worden ist, hat nur indizielle Wirkung, wie der Vergleich mit den Vereinten Nationen zeigt8 . Das Gegenteil wird somit bei entsprechenden Anhaltspunkten im Gründungsvertrag oder der nachfolgenden Praxis nicht ausgeschlossen9 . Zur Begründung eines Willens der Vertragsparteien, der Europäischen Union Völkerrechtssubjektivität zu verleihen, läßt sich anführen, daß sich die Europäische Union und die Mitgliedstaaten nach den Formulierungen im Unionsvertrag gegenüber stehen lO • Dies zeigt sich darin, daß in den Vertragsvorschriften mehrfach die Europäische Union als Subjekt der GASP genannt wird: z.B. unterstützen die Mitgliedstaaten "die Außen- und Sicherheitspolitik der Union" (Art. J.l IV 1 EUV) und die "Union und ihre Mitgliedstaaten erarbeiten und den Aufgabenbereich der Organisation, der sich aus dem Gründungsvertrag ergibt. Man spricht hier von funktioneller oder auch von partikulärer oder partieller Völkerrechtssubjektivität (Seidl-HohenveldernlLoibLIntOrg, RdNr.0309 und RdNr.0314). Vgl. auch Faßbender Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht 37 (1986), S. 17 (25fo. 5 Vgl. Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, Advisory Opinion: 1.c.J. Reports 1949, S. 174 (178ff.). 6 Seidl-HohenveldernlLoibl IntOrg, RdNr. 0102 und 0105. 7 Seidl-HohenveldernlLoibl IntOrg, RdNr. 0310; Faßbender Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht 37 (1986), S. 17 (46). Vgl. auch KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 5, die bei RdNr. 13 darauf hinweisen, daß dies auch im Hinblick auf Drittbeziehungen gilt. K Vgl. KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 4. Siehe auch Reparation for injuries suffered in the service of the United Nations, Advisory Opinion: I.C.J. Reports 1949, S. 174 (178ff.) 9 Ebenso Lecheier AVR 1994 (32), S. 1 (16f.); vgl. auch Seidl-HohenveldernlLoiblIntOrg, RdNr. 0307; Müller-GraffIntegration 1993, S. 147 (152f.); Algieri Integration 1993, S. 173 (174). 10 Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27f. und 34.
I. Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union
187
verwirklichen eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" (Art. J.l I EUV). Ebenso spricht das Bundesverfassungsgericht, obschon es die Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union ablehntlI, mehrfach von Handlungen und Maßnahmen der Europäischen Union so, als ob es sich um eine juristische Person handelte. Dies entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch 12 • Wegen des Regelungsgehalts der GASP-Vorschriften (diese bewirken einen zwischenstaatlichen Charakter der Zusammenarbeit) besteht aber eine "eigene" GASP der Union gerade nicht 13 • Dies zeigt sich besonders darin, daß ausschließlich die Mitgliedstaaten - und eben nicht die Union - als Adressaten der Bindungswirkung genannt werden (Art. J.2 11 2, J.3 NrA EUV). Für den Willen der Maastrichter Vertragsparteien, der Europäischen Union Völkerrechtssubjektivität zu verleihen, könnte weiterhin sprechen, daß die drei rechtsfähigen l4 Europäischen Gemeinschaften (EG, EAG und EGKS) von der Union unter einem Dach zusammengefaßt und ergänzt werden l5 . Diesem Argument ist nicht zu folgen. Nach Art. A III 1 EUV sind die Europäischen Gemeinschaften nur Teil der Grundlage der Union, nicht aber diese selbst l6 . Ein Rückschluß auf die Völkerrechtssubjektivität der Union ist daraus somit abzulehnen. Gemäß Art. J.5 I EUV vertritt der Vorsitz die Union in GASPAngelegenheiten. Dies könnte als Hinweis auf den Willen der Vertragsstaaten gedeutet werden, der Europäischen Union die Völkerrechtssubjektivität zu verleihen. Auch hier läßt sich der Regelungsgehalt der GASP-Bestimmungen als Gegenargument anführen (siehe oben). Danach vertritt der Vorsitz die außen- und 11 BVerfGE 89, 155, 195 (C 11 2 bl) = NJW 1993, 3047, 3053, wonach "der UnionsVertrag an keiner Stelle den übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien erkennbar werden läßt, mit der Union ein selbständiges Rechtssubjekt zu gründen." 12 Die Bezeichnung "Europäische Union" hat sich durchgesetzt und den früheren Begriff "Europäische Gemeinschaft" abgelöst. 13 Ebenso KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 6. 14 Die völkerrechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit der drei europäischen Gemeinschaften, die Grundlage der Europäischen Union sind (Art. A III 1 EUV), wird heute nicht mehr bestritten (vgl. Art. 210 EGV, Art. 611 EGKSV, Art. 184 EAGV). So auch der EuGH im AETR-Urteil (EuGH, Rs. 22/70 - KommissionlRat, Rspr.1971, S.263 (274), Tz. 13/14). Siehe auch Oppennann Europarecht, S. 619 (RdNr. 1615f.); BBPS EU, S.529 (16.2.1); Streinz Europarecht, S. 184 (RdNr.591); Seidl-HohenveldernlLoibLIntOrg, RdNr. 0113; Lecheler AVR 1994 (32), S. 1 (7f.); KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 4. 15 KleiniHaratsch DÖV 1993, S. 785 (788). Vgl. auch Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (28). I~ Vgl. KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 10.
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F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen
sicherheitspolitischen Positionen, die unter Beteiligung der Kommission von den Mitgliedstaaten und nicht von der Union erarbeitet worden sind 17 • Deswegen ist der Vorsitz bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe auch den anderen Mitgliedstaaten und nicht der Union gegenüber verantwortlich (siehe oben C.I1.2.a.). Ein weiterer Anhaltspunkt könnte die Unionsbürgerschaft l8 sein. Durch sie ließe sich eine Rechtsbeziehung zwischen dem einzelnen und dem Rechtsträger, dem er zugeordnet ist, also entweder dem Staat oder im Fall der Unionsbürgerschaft der Union begründen l9 • Diese Argumentation ist aber nicht zwingend, weil die Unionsbürgerschaft ebenso auch nur der EG zugerechnet werden kann. Sie wird nämlich in deren Vertragsvorschriften (Art. 8-8e EGV) geregeleo. Der Name Unionsbürgerschaft wäre dann nur eine far;on de par/er, da es sich in Wirklichkeit um eine Gemeinschaftsbürgerschaft handelte. Die Unionsbürgerschaft kann somit weder als Zeuge für noch gegen die Rechtspersönlichkeit der Europäischen Union herangezogen werden 21 • Ein weiteres Indiz für einen die Völkerrechtssubjektivität begründenden Willen der Vertragsparteien könnte Art. 0 EUV sein22 , der die bisherigen Beitrittsklauseln der drei Europäischen Gemeinschaften ersetzt (Art. 237 EWGVa.F., Art. 205 EAGV a.F., Art. 98 EGKSV a.F.). Nach Art. 0 EUV erfolgt die Aufnahme weiterer Mitglieder zur Union und nicht mehr jeweils zu den einzelnen Gemeinschaften separat23 . Ein direkter Beitritt allein zu den drei Gemeinschaften scheint daher nicht mehr möglich zu sein. Aber auch aus Art. 0 EUV folgt nicht die Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union. Art. 0 11 1 EUV sieht nämlich vor, daß die Aufnahme des
Vgl. KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 6. Zur durch den Unionsvertrag eingeführten Unionsbürgerschaft siehe näher KoeniglPechstein EU, Kap. 9 RdNr. Hf.; KleiniHaratsch DÖV 1993, S. 785 (788ff.). 19 Vgl. Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (35). 20 Vgl. dazu KleinIHaratsch DÖV 1993, S. 785 (788). 21 Ebenso Hans Claudius Taschner während der Diskussion auf dem Kolloquium zu Ehren von Hans-Joachim Glaesner (70. Geburtstag), EuR 1995 (Beiheft 2), S. 86f. 22 Vgl. Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (39). 23 So sind Österreich, Finnland und Schweden der Europäischen Union beigetreten (vgl. Gesetz zu dem Vertrag vom 24.6.1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union, BGBL 199411, S. 2022-2320). Zum Aufnahmeverfahren gemäß Art. 0 EUV siehe Klein Handkommentar EUVIEGV, Art. 0, RdNr. l3ff. 17
IH
I. Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union
189
antragstellenden Staates durch ein Abkommen der Mitgliedstaaten der Union mit ihm zu erfolgen hat. Ein Beleg für die Völkerrechtssubjektivität der Union wäre Art. 0 EUV nur dann, wenn der Beitritt durch ein Abkommen der Union mit dem antragstellenden Staat zustandekäme. Art. 0 EUV muß daher so verstanden werden, daß ein Beitritt nur noch gleichzeitig zu allen drei Gemeinschaften unter zusätzlicher Beteiligung auch an der GASP (und der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, Art. K EUV) möglich ist24 • Zum Teil 25 wird die Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union auch damit begründet, daß sich aus Art. A III 1 iVm. Art. J EUV Kompetenzen der Europäischen Union im weiteren Sinne ergeben würden. Wenn eine GASPMaßnahme beschlossen sei und durchgeführt werde, dann habe die Europäische Union Kompetenzen ausgeübt26 • Hiergegen ist jedoch wiederum der Regelungsgehalt der GASPBestimmungen einzuwenden. Danach bildet die GASP eine völkerrechtlich vereinbarte Plattform zur Koordinierung der einzelstaatlichen Politiken. Nur die Mitgliedstaaten - aber nicht die Union - sind aus ihr verpflichtet. Nicht der Europäischen Union sondern der Gesamtheit der Mitgliedstaaten sind bestimmte Koordinierungsverfahren nach dem Vertragswerk vorgegeben 27 . Die Europäische Union könnte weiterhin durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu ihr als Völkerrechtssubjekt anerkannt worden sein. Das Recht, Gesandte zu akkreditieren und zu entsenden (passives und aktives Legationsrecht) wird heute allgemein nicht nur Staaten, sondern auch internationalen Organisationen innerhalb ihres Aufgabenbereiches zugebilligt28 • So hat z.B. der amerikanische Botschafter in Brüssel im Mai 1994 den Namen der amerikanischen Mission von "bei den Europäischen Gemeinschaften" zu einer Mission bei der "Europäischen Union" geändert29 . Rechtlich gesehen liegen die Dinge jedoch anders: nach wie vor nehmen der Ratsvorsitzende und der Kommissionspräsident30 von den Leitern der Missionen "bei den EuropäiSo auch KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 7f. Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (28 und 30 (Fn. 14». 26 Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S.27 (30 (Fn. 14». Vgl. auch Lecheier AVR 1994
24 25
(32), S. 1 (16f.). 27 Vgl. BBPSEU, S. 527 (16.1.2); Wessei SEW 1995, S. 554 (560). 2R BBPSEU, S.531 (16.2.2). Vgl. auch Seidl-HohenveldernlLoiblIntOrg, RdNr. 0710. 29 Jean-Louis Dewost während der Diskussion auf dem Kolloquium zu Ehren von Hans-Joachim Glaesner (70. Geburtstag), EuR 1995 (Beiheft 2), S. 97. Vgl. auch Ryba RMCUE 1995, S. 14 (34). 311 Das Legationsrecht wird vom Rat und von der Kommission gemeinsam ausgeübt (BBPS EU, S. 531 (16.2.2).
190
F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen
schen Gemeinschaften (EG, EGKS, EAG),,31 deren Beglaubigungsschreiben entgegen. Damit handelt es sich bei den neuen Namen um eine politische Geste ohne rechtliche Wirkung. Eine weitere Form der rechtlichen Anerkennung einer Organisation erbringt der Abschluß solcher völkerrechtlicher Verträge, bei denen die Organisation selbst entweder allein oder neben ihren Mitgliedstaaten als Vertragspartner auftritt32 . Die Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union wäre also anzunehmen, wenn sie eine eigene Vertragsschlußkompetenz in Anspruch genommen hätte. Dies könnte erstmals bei dem Vertrag mit der bosnischen Regierung über die Verwaltung von Mostar durch die Europäische Union geschehen sein. Diese internationale Vereinbarung wurde am 5. Juli 1994 in Genf von dem Vorsitz der Europäischen Union und der Westeuropäischen Union (WEU) sowie von den Behörden der Republik Bosnien und Herzegowina und der bosnisch-kroatischen Föderation unterzeichnet33 . Hierbei handelte der Vorsitz jedoch nicht für die Europäische Union sondern für die Gesamtheit der Mitgliedstaaten. Sie und nicht die Union wurden Vertragspartner34 . Daher ist auch auf diese Weise keine Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union anerkannt worden. Ein Wille der Vertragsparteien, der Europäischen Union Völkerrechtssubjektivität zu verleihen, ist also nicht erkennbar. Die Vertragsparteien haben sich nicht den Art. 6 des Entwurfs eines Vertrages zur Gründung der Europäischen Union 35 zu eigen gemacht, in dem es heißt: "Die Union besitzt Rechtspersönlichkeit. [00'] Im Rahmen der internationalen Beziehungen ist die Union rechtsund geschäftsfahig, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Erreichung ihrer Ziele erforderlich ist." Es muß respektiert werden, daß die Vertragsparteien die Union weder nach innen noch nach außen für rechtsfahig erklärt haben, obwohl sie die Frage, wie die Regelungen bei der EZB
31 VgI. die entsprechenden Formulierungen im AbI. EG Nr. C 78/11 vom 30.3.1995 (95/C 78/02) - Auswärtige Beziehungen: Akkreditierungen. 32 Seidl-HohenveldernlLoibl IntOrg, RdNr. 0318 und 0711. VgI. auch Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (40). 33 VgI. BuH. EU 6, 1994, Ziffer 1.3.6., Vereinbarung über die Verwaltung von Mostar, Annahme durch den Rat "Allgemeine Angelegenheiten ", S.98. AbI. EG Nr. L 298/4 vom 11.12.1995 (95/517/GASP). 34 In der Präambel zum Memorandum 0/ Understanding on the European Union Administration 0/ Mostar heißt es: "The Member States of the European Union acting within the framework ofthe Union ... "). 35 Von dem Italiener Altiero Spinelli am 14.2.1984 in das Europäische Parlament eingebracht und von diesem mit großer Mehrheit angenommen (AbI. EG Nr. C 77/33 vom 19.3.1984).
11. Faktischer Verkehr der Union im internationalen Rahmen
191
(Art. 106 11 EGV) und beim EWI (Art. 109f. EGV) zeigen, gesehen haben 36 . Daher ist eine Vökerrechtssubjektivität der Europäischen Union abzulehnen 37 • Der Begriff "Europäische Union" in den GASP-Bestimmungen ist daher politischer und nicht rechtlicher Natur. Es handelt sich um eine falsa demonstratio bzw. um eine faron de parler. Gemeint ist die Gesamtheit der Mitgliedstaaten.
11. Faktischer Verkehr der Union im internationalen Rahmen Trotz der mangelnden Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Union darf nicht übersehen werden, daß mit Inkrafttreten des Unionsvertrages die Union an verschiedenen TextsteIlen als Akteur der GASP ins Spiel kommt, was sich auch in der Praxis zeigt. Z.B. war der vorsitzführende (damalige) spanische Ministerpräsident Felipe Gonzdlez anläßlich der Unterzeichnung des Abkommens über die Ausweitung der palästinensischen Autonomie im Westjordanland nach Washington gereises, um als Zeuge der Unterschriftsleistung im Namen der Europäischen Union zu fungieren 39 (vgl. Art. J.5 I EUV). Rechtlich gesehen vertrat Felipe Gonzdlez die Gesamtheit der Mitgliedstaaten. Faktisch ist er aber für die Europäische Union aufgetreten. Ebenso hat Felipe Gonzdlez für die Europäische Union den "Allgemeinen Rahmenvertrag für den Frieden in Bosnien-Herzegowina" am 14. Dezember 1995 in Paris unterzeichnet. Daß die Europäische Union sogar als Signatarmacht neben den USA, Frankreich, Rußland, Großbritannien und Deutschland bezeichnet wurde4o, war wegen deren manSo auch Everling EuR 1995 (Beiheft 2), S. 41 (43). Ebenso BVerfGE 89, 155, 195 (C 11 2 b2) = NJW 1993, 3047, 3053f.; BBPS EU, S. 527 (16.1.2); KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 10; Streinz Europarecht, S. 39f. (RdNr. 121b); ders. ZfRV 1/95, S. 1 (4f.); TebbeEU und GASP, S. 91; Fink-Hooijer EJlL 1994, S. 173 (177); Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 330f.; Hilf, in: Grabitz/Hilf, Art. A EUV, RdNr.25; Beitrag von Jean-Louis Dewost während der Diskussion auf dem Kolloquium zu Ehren von Hans-Joachim Glaesner (70. Geburtstag), EuR 1995 (Beiheft 2), S. 84; Ulrich Everling während der Diskussion auf dem Kolloquium zu Ehren von Hans-Joachim Glaesner (70. Geburtstag), EuR 1995 (Beiheft 2), S. 91 ; Beitrag von Antonio Sacchettini während der Diskussion auf dem Kolloquium zu Ehren von Hans-Joachim Glaesner (70. Geburtstag), EuR 1995 (Beiheft 2), S.94; Pechstein EuR 1996, S. 137 (139). A.A. Ress EuR 1995 (Beiheft 2), S. 27 (34); Dörr EuR 1995, S. 334 (343f.); von BogdandylNettesheim EuR 1996, S.3 (23-25); Wessei European Foreign Affairs Review 1997, S. 1 (21). 3M "Bei der Unterzeichnung des Autonomieabkommens überwiegt die Hoffnung auf Frieden im Nahen Osten", in: FAZ vom 29.9.1995 (Fr.), Nr. 227, S. I. 39 Gespräch mit einem EU-Beamten am 28.9.1995 in Brüssel. 40 So in "Nach langen Kriegsjahren ein Signal der Hoffnung", in: FAZ vom 15.12.1995 (Fr.), Nr. 292/50, S. 1. 36 37
F. Handlungsträger gemeinsamer Aktionen
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gelnder Völkerrechtssubjektivität zwar unzutreffend, zeigt aber das allgemeine Verständnis. Daraus ist zu schließen, daß die Union durch den Unionsvertrag selbst als Träger einer Außen- und Sicherheitspolitik gedacht und ins Auge gefaßt wird, ohne daß deshalb den Mitgliedstaaten ihre ihnen völkerrechtlich zukommende Zuständigkeit genommen wird41 . Gleichzeitig ist dabei jedoch zu beachten, daß auch der faktische Verkehr im internationalen Rahmen nur dann zur Völkerrechtssubjektivität führt, wenn die Vertragsparteien des Unionsvertrages den Willen haben, der Europäischen Union Rechtsfähigkeit zu verleihen42 . Ein derartiger, übereinstimmender Wille der EU-Mitgliedstaaten ist aber - wie ausgeführt - nicht erkennbar. Peter-Christian Müller-Graff führt daher den Begriff einer Politikträgerschaft43 ein, den er von der Frage der Völkerrechtssubjektivität trennt. Demnach treten nach Einführung der GASP nicht mehr die Mitgliedstaaten nach außen als "Macher" europäischer Außen- und Sicherheitspolitik auf, sondern die Europäische Union. Das Konzept einer Politikträgerschaft der Union wird gestützt durch die Erklärungen des Europäischen Rates, in denen zunehmend von der "Europäischen Union" als Politikträger die Rede ist44 • Dem entspricht der Beschluß des Rates vom 8. November 1993 über seine Bezeichnung im Anschluß an das Inkrafttreten des Vertrages über die Europäische Union45 . Demnach werden alle politischen Erklärungen, die der Rat im Rahmen der GASP annimmt, im Namen der 'Europäischen Union' abgegeben46 . 41
Müller-GraJfIntegration 1993, S. 147 (152f.); zustimmend
1993, S. 173 (174).
Algieri Integration
42 KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 5, 10 und 13. VgI. auch Seidl-HohenveldemlLoibl IntOrg, RdNr. 0310. 43 Müller-GraJfIntegration 1993, S. 147 (152). Im Ergebnis zustimmend aber ohne diese Diktion KrenzlerlSchneider EuR 1994, S. 144 (147). Ablehnend KoeniglPechstein
EU, Kap. 5 RdNr. 9. 44 So hat der Europäische Rat auf seiner Tagung in Cannes am 26./27.6.1995 (zum wiederholten Male) eine Erklärung zum ehemaligen Jugoslawien abgegeben (Schlußfolgerungen ER-Cannes (26./27.6.1995), BullBReg. Nr. 62 (8.8.1995), S. 619f.). Während bei vorherigen Erklärungen dieser Art der "Europäische Rat" (eventuell in Kombination mit "Europäischer Union") als Erklärender genannt wurde, so war es hier ausschließlich die "Europäische Union". Entsprechend tritt die Europäische Union als Erklärende bei den in den Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Madrid abgegebenen Erklärungen auf (vgI. Schlußfolgerungen ER-Madrid (15./16.12.1995), BullBReg. Nr.8 (30.1.1996), S. 83ff. 45 AbI. EG Nr. L 281/18 vom 16.1l.1993 (93/591/EG, EGKS, Euratom). 46 Entsprechend wurde z.B. die Europäische Union als Erklärende bei der Verurteilung wegen der Mißachtung von Menschenrechten durch das Militärregime in Nigeria
11. Faktischer Verkehr der Union im internationalen Rahmen
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Ein besonderer Ausdruck der Politikträgerschaft ist speziell das Verfahren der gemeinsamen Aktion. Ihr ist immanent, daß das gemeinsame Handeln der Mitgliedstaaten nach außen als eine Aktion der Europäischen Union erscheint (siehe oben D.I.). Die Europäische Union besitzt damit zwar keine eigene Völkerrechtssubjektivität, sie ist aber Politikträger der GASP - und somit auch gemeinsamer Aktionen - geworden. Ihr werden entsprechende Maßnahmen faktisch zugerechnet, wenngleich die falsa demonstratio "Europäische Union" rechtlich gesehen für die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten steht. Faktisch bedeutet dies, daß hier ein Völkerrechtssubjekt im Wartestand ("short of') besteht, zu dessen Rechtsfahigkeit (wohl doch) noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Bei der derzeitigen Praxis ergeben sich jedoch aus juristischer Sicht Probleme: die Europäische Union handelt als Politikträger, die völkerrechtliche Verantwortung dafür kann sie aber nicht übernehmen. Weil dieses Konzept umständlich sowie rechtlich gesehen widersprüchlich und damit juristisch unbrauchbar ist, wird innerhalb der Europäischen Union nach Lösungen gesucht47 . Die Verleihung der Völkerrechtssubjektivität erscheint dabei als unumgänglich, wobei das im Unionsvertrag festgelegte Konzept der Politikträgerschaft ein positives Bewußtsein für die weitere Entwicklung der Integration bewirken kann.
im Zusammenhang mit der am 10.11.1995 vollzogenen Hinrichtung von Herrn Ken Saro-Wiwa und seinen acht Mitangeklagten genannt (Gemeinsamer Standpunkt vom
20.11.1995 zu Nigeria, vom Rat aufgrund von Art. 1.2 EUV festgelegt (AbI. EG Nr. L 298/1 vom 11.12.1995 (95/515/GASP))). Auch im Zusammenhang mit bereits beschlossenen und nunmehr zu ergreifenden Maßnahmen hinsichtlich Nigerias wurde wiederum die Europäische Union als Politikträger genannt (vgl. als weitere Beispiele die im Bull. EU 9, 1995, S. 51-51 abgedruckten Erklärungen des Vorsitzes im Namen der Europäischen Union). 47 Zum Treffen des Europäischen Rates am 13./14.12.1996 in Dublin unterbreitete der irische Vorsitz den "Allgemeinen Rahmen für einen Entwurf zur Revision der Verträge" (CONF/2500/96). Darin wurde vorgeschlagen, die Union - durch einen neuen Artikel - mit Rechtspersönlichkeit auszustatten.
13 Münch
G. Verhältnis gemeinsamer Aktionen zur einzelstaatlichen Politik I. Souveränität der Mitgliedstaaten Die Souveränität der Mitgliedstaaten wird durch den Beschluß und die Durchführung gemeinsamer Aktionen nicht eingeschränkt. Souveränität, die nur Staaten zuerkannt wirdI, hat zwei Bedeutungen. Einerseits besagt dieser Begriff, daß ein Staat für seine Angehörigen innerhalb seines Staatsgebietes den höchsten Herrschaftsverband darstellt (innerstaatliche Souveränität), andererseits, daß der Staat im Verhältnis zu anderen Staaten keiner überstaatlichen Autorität, sondern lediglich dem vom zwischenstaatlichen Konsens getragenen Völkerrecht untergeordnet ist (äußere oder völkerrechtliche Souveränitätl Im Verhältnis nach außen ist ein Staat somit souverän, wenn er nicht anderem fremden Recht als dem Völkerrecht unterliege. An diesen Maßstäben sind die einschlägigen GASP-Bestimmungen zu messen. Im Hinblick auf Art. J.3 Nr.4 EUV, wonach gemeinsame Aktionen für die Mitgliedstaaten bindend sind, bestehen keine Bedenken. Denn gemeinsame Aktionen geben gerade wegen des Einstimmigkeitserfordernisses den zwischenstaatlichen Konsens der EU-Mitgliedstaaten wieder, die ihre Souveränität auf diese Weise gemeinsam ausüben. Eine Beeinträchtigung staatlicher Souveränität liegt darin nicht. Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht durch Art. J.3 Nr.2 EUV, der in bestimmten Situationen eine qualifizierte Mehrheit vorsieht. Bei näherer Betrachtung handelt es sich hierbei nämlich um eine "verdeckte Einstimmigkeit,,4. Die staatliche Souveränität wird auch nicht durch Art. J.2 I EUV beeinträchtigt. Diese Vorschrift begründet als Grundlage der GASP (und damit auch im Hinblick auf gemeinsame Aktionen) allgemein eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Unterrichtung und Abstimmung im Rat,wenn die 1 Steinberger EPIL 10, S. 397 (408). Zur Geschichte des Souveränitätsbegriffes siehe a.a.O., S.397-408. Siehe auch Klein WeltTrends Nr. 8 (1995), S. 135 (l36ff.) und Faßbender Zur Bedeutung des Souveränitätsbegriffes für die europäische Einigung, S. 161ff. 2 VerdrosslSimma VR, §35 (S. 29). 3 Steinberger EPIL 10, S. 397 und 408. 4 Siehe oben D.II.5.b.cc.
I. Souveränität der Mitgliedstaaten
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anstehende Frage von "allgemeiner Bedeutung"S ist. Aus dieser Verpflichtung ergibt sich aber nicht, daß die Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Handeln (etwa mittels einer gemeinsamen Aktion) gelangen müßten, verbunden mit der Folge, daß sie bei Fragen von allgemeiner Bedeutung keine nationale Politik mehr führen dürften. Die GASP-Verfahren sehen gerade nicht vor, daß die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Erklärung/Demarche, einen gemeinsamen Standpunkt oder eine gemeinsame Aktion beschließen müssen. Vielmehr kann jeder Mitgliedstaat nach wie vor seine eigenen Entscheidungen - auch nach erfolgter gegenseitiger Abstimmung und Unterrichtung - treffen. Eine Beeinträchtigung staatlicher Souveränität findet durch Art. J.2 I EUV daher nicht statt. Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht Art. 1.1 IV 2 Alt.1 EUV. Danach enthalten sich die Mitgliedstaaten jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft. Diese Vorschrift entfaltet ihre Wirkung auch dann, wenn es der Union nicht gelingt, eine gemeinsame Aktion zu beschließen (siehe oben D.III.1.c.). Jedes Verhalten von Mitgliedstaaten soll ausgeschlossen werden, das von Nachteil für die Union ist bzw. ihr nicht nützt, weil es den Interessen der Union, d.h. der Gesamtheit der Mitgliedstaaten, zuwiderläuft. Dabei ist jedoch zu beachten, daß nicht jede Einschränkung der Handlungsfreiheit zugleich den Entzug der Souveränität bewirkt. Völkerrechtliche Verpflichtungen beschränken die staatliche Handlungsfreiheit und daher auch die Ausübung der Souveränität, aber sie berauben den Staat nicht seiner Souveränität als einen völkerrechtlichen Status. Die vielfältigen rechtlichen Verpflichtungen von Staaten sind gerade ein Ausdruck souveränen Handelns6 • Deshalb kann nur dann von einer "echten" Souveränitätsbeeinträchtigung die Rede sein, wenn wegen der vertraglichen Bindung die staatliche Handlungsfreiheit nicht nur in einzelnen Ausübungsarten, sondern derart in ihrer Substanz gemindert wird, daß der betroffene Staat Befehlen oder Weisungen Dritter unterliegt? Dies ist hier nicht der Fall, weil der Union, die keine Völkerrechtssubjektivität besitzt (siehe oben F.I.), aus Art. J.l IV 2 Alt.l EUV keine eigenen Befugnisse erwachsen. Insbesondere kann weder der Rat (vgl. Art. 1.1 IV 3 EUV) noch der Vorsitz (vgl. Art. J.5 11 HS.l EUV) namens der Union Befehle oder Weisungen an unbotmäßige Mitgliedstaaten erteilen (siehe dazu oben D.III.3.a.). Auch eine gerichtliche Kontrolle ist nicht vorgesehen (vgl. Art. L EUV und siehe oben D.III.3.b.).
Siehe hierzu oben C.II.l.a.aa. SteinbergerEPIL 10, S. 397 (408 und 413). 7 Vgl. Jürgens GASP, Diss. 1994, S. 243f.
5 6
13*
196
G. Verhältnis gemeinsamer Aktionen zur einzel staatlichen Politik
Außen- und Sicherheitspolitik bleibt grundsätzlich Gegenstand einzelstaatlicher Politik. Wenn sich die Mitgliedstaaten auf den Beschluß und die Durchführung gemeinsamer Aktionen einigen, üben sie ihre Souveränität aufgrund einer völkerrechtlichen Vereinbarung gemeinsam aus. Dieses Ergebnis wird gestützt von den Willen der Maastrichter Vertragsparteien. Wie aus dem Regelungsgehalt des Art. J.3 EUV hervorgeht, wurde mit dem Verfahren der gemeinsamen Aktion eine Plattform zur Verbindung der einzelstaatlichen Politiken zu einem gemeinsamen Handeln errichtet. Dies betonten auch die Staats- und Regierungschefs anläßlich des Europäischen Rates vom 11.112. Dezember 1992 in Edinburgh8, wonach im Rahmen des Unionsvertrages "unabhängige und souveräne Staaten aus freien Stücken beschlossen haben, im Einklang mit den bestehenden Verträgen einige ihrer Befugnisse gemeinsam auszuüben." Entsprechend nimmt der Unionsvertrag in Art. F I EUV auf die Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedstaaten Bedacht, indem er die Union, d.h. die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten, zur Achtung der nationalen Identität ihrer Mitgliedstaaten verpflichtet.
11. Subsidiarität Eine Besonderheit für das Verhältnis gemeinsamer Aktionen zur nationalen Politik ist die Einführung des Subsidiaritätsprinzips auch für die GASP9 • Art. B S.2 EUV legt fest, daß die Ziele der Union (also auch die Behauptung ihrer Identität auf der internationalen Ebene durch eine GASP, Art. B S.l Spiegelstrich 2 EUV) unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips, wie es in Art. 3b EGV bestimmt ist, verwirklicht wird. Bei der GASP kommt es also zu einer entspre.chenden Anwendung des Art. 3b EGV. Diese Vorschrift besteht aus drei wesentlichen Elementen IO , so daß jede gemeinsame Aktion (und andere GASP-Maßnahmen) eine dreifache Hürde nehmen muß: x Schlußfolgerungen ER-Edinburgh (11./12.12.1992), BullBReg. Nr. 140 (28.12.1992), S. 1290. 9 Dies betont auch der Europäische Rat von Edinburgh (11./12.12.1992) in seinen Schlußfolgerungen: Gesamtkonzept für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips und des Art. 3b EGV durch den Rat, Grundprinzipien, BullBReg. Nr. 140 (28.12.1992), S. 1280: "Die Europäische Union beruht auf dem Subsidiaritätsprinzip, [... ]." Siehe zu den Grundsätzen, den Leitlinien und dem Verfahren bei der Durchführung des Art. 3b EGV ebda., S. 1280ff. Siehe näher zum Subsidiaritätsprinzip Lecheier Subsidiaritätsprinzip, S. 12ff.; KoeniglPechstein EU, Kap. 2 RdNr. 65ff. (insbesondere RdNr. 72ff.). Vgl. auch KleiniHaratsch DÖV 1993, S. 785 (790f.). 10 Vgl. Lecheier Subsidiaritätsprinzip, S. 14; Fink-Hooijer EIIL 1994, S. 173 (178).
11. Subsidiarität
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Erstens muß bestimmt werden, ob die Europäische Union (d.h. die Gesamtheit der Mitgliedstaaten) innerhalb der von Titel V EUV bestimmten Verfahren und gesetzten Ziele handelt (vgl. Art. 3b I EGV, Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung) 1I. Entscheidend ist dafür der Anwendungsbereich für gemeinsame Aktionen, der soweit es nicht um militärische Maßnahmen geht, weltweit praktisch unbeschränkt ist (siehe näher oben D.II.1.). Zweitens darf die gemeinsame Aktion nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (vgl. Art. 3b III EGV). Sie muß also geeignet und erforderlich sowie in ihrer Intensität verhältnismäßig zu dem verfolgten Zweck sein (Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder Intensität). Auch die GASP wird damit diesem rechtsstaatlichen Prinzip unterstellt. Schließlich muß das Handeln der Europäischen Union im Rahmen der GASP an statt nationalen Handeins gerechtfertigt sein (vgl. Art. 3b 11 EGV). Geantwortet werden muß auf die Frage, ob die Europäische Union überhaupt tätig werden soll. Diese Frage wird vom Subsidiaritätsprinzip (im streng rechtlichen Sinne) erfaßt. Dies bedeutet, daß "Europa" nur dann handelt, wenn es zur Verwirklichung der gemeinsamen Ziele deswegen notwendig ist, weil die anstehende Frage auf diese Weise besser gehandhabt werden kann als durch nationales Handeln 12 • Das Subsidiaritätsprinzip hat darüber hinaus in den Verfahrens vorschriften zur gemeinsamen Aktionen seinen speziellen Niederschlag gefunden. So bestimmt Art. J.l III Spiegelstrich 2 EUV, daß eine gemeinsame Aktion nur dann beschlossen wird, wenn "wichtige gemeinsame Interessen der Mitgliedstaaten bestehen". Diese Formel bedeutet, daß es Interessen gibt, die auf der nationalen Ebene zu vertreten sind, weil sie keine "gemeinsamen Interessen" sind 13 • Aber auch in anderen GASP-Verfahren findet sich das Subsidiaritätsprinzip in den Verfahrensvorschriften wieder. In Art. J.2 I EUV heißt es etwa, daß zu jeder außen- und sicherheitspolitischen Frage von "allgemeiner Bedeutung" im Rat eine gegenseitige Unterrichtung und Abstimmung stattfindet. Dazu gehören aber nur jene Fragen, die nicht ausschließlich von einzelstaatlicher Bedeutung sind (siehe oben C.lI.1.a.aa.). Fragen mit nur partikulärer Bedeutung sind auf der nationalen Ebene zu behandeln. Weiter heißt es bei Art. J.2 11 1 EUV für den gemeinsamen Standpunkt: "In allen Fällen, in denen er dies als erforderlich erachtet, ... ,,14. Gemeinsame Standpunkte sollen also nur dann festgelegt wer-
Vgl. Lecheier Subsidiaritätsprinzip, S. 14ff. Vgl. Hili Integration 1991, S. 115 (120). 13 So auch Schoutheete Integration 1991, S. 3 (6f.). 14 Hervorhebung v. Verf.
II
12
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G. Verhältnis gemeinsamer Aktionen zur einzel staatlichen Politik
den, wenn sich dies infolge der gegenseitigen Unterrichtung und Abstimmung im Rat als notwendig erweist. Der GASP-Mechanismus ist demnach nur dann zu aktivieren, wenn er eine gegenüber einzelstaatlichem Vorgehen bessere Lösung der anstehenden Fragen verspricht. Darüber entscheidet in der Praxis der Europäische Rat bzw. der Ministerrat, indem ein gemeinsames Vorgehen oder eine gemeinsame Position beschlossen wird. Damit unterliegt die Frage der Subsidiarität deren Definitionskompetenz. Eine gerichtliche Kontrolle für den Fall des Nichtbeachtens des Subsidiaritätsprinzips innerhalb der GASP besteht nicht (vgl. Art. L EUV).
H. Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die gemeinsamen Aktionen Eine große Herausforderung für die Europäische Union ist die derzeit diskutierte Ost-Erweiterung. Die Union könnte an deren Ende knapp fünfmal so viele Mitglieder haben wie bei ihrer Gründung 1957: mit zehn Staaten bestehen Europa-Abkommen einschließlich der Aussicht auf spätere Mitgliedschaft!. Dies bedeutete bereits eine Europäische Union von 25 Staaten. Daneben sind noch die mit der Union seit langem assoziierte Türkei sowie Malta und Zypern zu erwähnen, die ebenfalls einen Anspruch auf Mitgliedschaft geltend machen. Damit könnte die Union schließlich 28 Mitglieder haben.
I. Bedingungen zur Teilnahme an der GASP Damit - nach einer Erweiterung - ein "mehr" nicht letzten Endes ein "weniger" bedeutete, hat der Europäische Rat von Essen im Dezember 1994 festgelegt2, daß neue Beitrittsverhandlungen erst dann beginnen können, nachdem "ein reibungsloses Funktionieren der Union auf der Regierungskonferenz im Jahre 1996 geschaffen" worden ist. Speziell für die GASP (und damit auch für gemeinsame Aktionen) bestimmte der Europäische Rat von Lissabon schon im Juni 19923, daß die Bewerberländer bereit und fähig sein sollten, die GASP zu akzeptieren und umzusetzen. Ein Bewerberland, das aufgrund seiner Verfassung oder seines Gebarens im Bereich der internationalen Beziehungen nicht in der Lage sei, an dieser zwischenstaatlichen Zusammenarbeit mitzuwirken, könnte nicht zufriedenstellend in die Uni1 Die Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation mit Rumänien, Bulgarien, der Tschechischen Republik und der Slowakei traten zu Beginn des Jahres 1995 in Kraft und folgten auf das Inkrafttreten der Abkommen mit Ungarn und Polen im Jahr 1994. Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation mit den drei baltischen Staaten Estland, Lettland sowie Litauen wurden am 12.6.1995 und mit Slowenien am 10.6.1996 unterzeichnet ("EU und Slowenien schließen Assoziierungsabkommen", in: FAZ vom 11.6.1996 (Di.), Nr. 133, S. 1). 2 Schlußfolgerungen ER-Essen (9.110.12.1994), Beziehungen zu den Staaten Mittelund Osteuropas, BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1073. 3 Schlußfolgerungen ER - Lissabon (26.127.6.1992), Anlage V: Bericht der Kommission "Europa und die Problematik der Erweiterung", BullBReg. Nr. 71 (1.7.1992), S.684ff.
200
H. Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die gemeinsamen Aktionen
on eingegliedert werden. Bei Beitrittsbewerbern dürfen im Hinblick auf die Umsetzung der GASP-Bestimmungen und -Beschlüsse keine Zweifel bestehen. Sie müssen daher spezifische und verbindliche Zusicherungen in bezug auf ihr politisches Engagement und ihre rechtliche Fähigkeit zur Erfüllung dieser Verpflichtungen abgeben4 • Dies haben die Anfang 1995 beigetretenen Staaten Österreich, Finnland und Schweden in der Erklärung der Bevollmächtigten zur Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik, die der Schlußakte beigelegt ist, getan5 • Dort wurde ausdrücklich bestätigt, daß "die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und flihig sein werden, sich in vollem Umfang und aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik [... ] zu beteiligen". Sie übernehmen "mit dem Beitritt alle Ziele des Vertrages [über die Europäische Union], die Bestimmungen in Titel V des Vertrages und die ihm beigefügten einschlägigen Erklärungen vollständig und vorbehaltlos ... ". Mittlerweile sind diese drei Staaten voll in die GASP-Verfahren integriert. Einzig problematisch erscheint allenfalls deren Neutralität. Insoweit kommt ihnen aber die Sonderregelung des Art. JA IV HS.l EUV zugute. Diese VOfschrift erlaubt eine Integration neutraler Staaten in die GASP, wie das Beispiel Irlands zeigt (siehe zu Art. JA IV HS.l EUV näher oben C.II.3.c.aa.). Neutrale Beitrittstaaten müssen daher ihre Neutralitätspolitik nach der derzeitigen Rechtslage nicht ändern, um den politischen und rechtlichen Verpflichtungen, die sich aus dem Unionsvertrag ergeben, entsprechen zu können 6 •
11. Strukturierter Dialog mit den assoziierten Staaten 1. Kontakte mit der GASP
Schon heute bestehen Kontakte zwischen der GASP und den assoziierten MOEL aufgrund der Europa-Abkommen7 und aufgrund des sog. strukturierten Ebda. Vg!. Ab!. EG Nr. C 2411381 vom 29.8.1994 (= Gesetz zu dem Vertrag vom 24.6. 1994 über den Beitritt des Königreichs Norwegen, der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden zur Europäischen Union, BGB!. 199411, S.2309). 6 A.A. Fink-HooijerEJIL 1994, S. 173 (197). 7 Zu den Europa-Abkommen siehe näher Schlußfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates zur Ratstagung am 9.110.12.1994 in Essen, Beziehungen zu den Staaten Mittel- und Osteuropas, BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1073; BBPS EU, S.568f. (16.7.3); Streinz Europarecht, S. 136ff. (RdNr. 428ff.) und S. 190 (RdNr. 608); Borkenhagen Europa braucht GASP, S. 74f.; Lecheler AVR 1994 (32), S. I (10); Deutscher 4
5
11. Strukturierter Dialog mit den assoziierten Staaten
201
Dialoges. Der im März 1994 durch Ratsbeschluß eingeführte strukturierte DialogS basiert auf einer engen Zusammenarbeit im Bereich aller EU-Politiken, speziell bei der GASP zwischen den für Außen- und Sicherheitspolitik jeweils zuständigen Institutionen. Die Außenminister der assoziierten mittel- und osteuropäischen Staaten kommen zweimal jährlich am Rande der Ratssitzungen mit den Außenministern der EU-Mitgliedstaaten zusammen. Ferner finden regelmäßige Troika-Konsultationen mit den assoziierten Ländern vor wichtigen Tagungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen und der OSZE statt. Hinzu kommen parallele Gespräche der Politischen Direktoren und von Experten der betroffenen Arbeitsgruppen 9 . Damit findet auf allen Ebenen ein intensiver Dialog über Fragen von gemeinsamem Interesse statt. All diese Treffen haben nur beratenden Charakter. Beschlüsse werden nicht gefaßt lO • Ziel dieser Begegnungen ist die Heranführung der Beitrittskandidaten an die GASP-Verfahren, mit denen die assoziierten Länder vertraut gemacht werden sollen. Ferner werden auch aktuelle Fragen der Außenpolitik diskutiertlI. Gleichzeitig sollen diese Beziehungen auch als Mittel zu Überwindung des weitverbreiteten Gefühls der Unsicherheit in Mittel- und Osteuropa dienen 12 •
Bundestag (13. Wahlperiode), Drucksache 13/77, Unterrichtung durch die Bundesregie-
rung, 54. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Union, Beziehungen der Europäischen Union zu einzelnen dritten Staaten, (Berichtszeitraum: 1.1. bis 30.6.1994), S. 75. H Grundlage des strukturierten Dialoges bilden insbesondere die Schlußfolgerungen des Europäischen Rates von Kopenhagen, die auf einen britisch-italienischen Anstoß (Andreatta-Hurd-Initiative) zurückgehen (Schlußfolgerungen ER-Kopenhagen (21./22.6.1993), Anlage 11: Zusammenarbeit mit den assoziierten Ländern mit Blick auf die spätere Mitgliedschaft, BullBReg. Nr. 60 (8.7.1993), S. 632 und 636f.; vgl. Hurd IA 1994, S. 421 (426f.)). 9 Vgl. hierzu die Schlußfolgerungen ER-Madrid (15./16.12.1995), Erweiterung, BullBReg. NT. 8 (30.1.1996), S. 8lf. 10 Schlußfolgerungen ER-Kopenhagen (21./22.6.1993), Anlage II: Zusammenarbeit mit den assoziierten Ländern mit Blick auf die spätere Mitgliedschaft, Strukturierte Beziehungen zu den Institutionen der Europäischen Union, BullBReg. Nr. 60 (8.7.1993), S.636; Schlußfolgerungen ER-Essen (9./10.12.1994), Anhang IV: Bericht des Rates an den Europäischen Rat von Essen über die Strategie zur Vorbereitung des Beitritts der assoziierten MOEL, BullBReg. NT. 118 (19.12.1994), S. 1079. II So wurden z.B. anläßlich der Außenministertagung am 31.10.1995 die Lage im ehemaligen Jugoslawien (einschließlich Wiederaufbau), die verschiedenen Aspekte des Nahost-Friedensprozesses, die Beziehungen der Europäischen Union zu den USA, die Vorbereitung der Regierungskonferenz 1996 und schließlich die Abwicklung des strukturierten Dialogs behandelt (vgl. die Schlußfolgerungen ER-Madrid (15./16.12.1995), Erweiterung, BullBReg. NT. 8 (30.1.1996), S. 82). 12 Schlußfolgerungen ER-Essen (9./10.12.1994), Anhang IV: Bericht des Rates an den Europäischen Rat von Essen über die Strategie zur Vorbereitung des Beitritts der
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H. Auswirkungen der EU-Erweiterung auf die gemeinsamen Aktionen
Mit den regelmäßigen Konsultationen auf allen politischen Ebenen (einschließlich der Staats- und Regierungschefs) werden diese Staaten langfristig vom Objekt der GASP zu deren Mitakteur 13 . Hier wird eine ähnliche Strategie verfolgt wie beim Luxemburger Bericht (1970) im Hinblick auf den späteren Beitritt von Dänemark, Irland und Großbritannien am 1. Januar 1973 14 •
2. Teilnahme an GASP-Maßnahmen Der Europäische Rat von Essen 15 hat den assoziierten Ländern angeboten, sich aus eigenem Entschluß bestimmten GASP-Maßnahmen - wie Erklärungen, Demarchen und gemeinsamen Aktionen - anzuschließen. Leitlinien für die praktische Durchführung solcher Maßnahmen wurden bereits vereinbart l6 . In der Praxis führte dieses Angebot dazu, daß sich die assoziierten Länder einer wachsenden Zahl von gemeinsamen Demarchen und Aktionen wie auch Erklärungen der Union anschließen 17 • So haben sie zusammen an der gemeinsamen Aktion teilgenommen, die eine bedingungslose und unbefristete Verlängerung des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen anstrebte l8 . Sie haben sich ferner an den verschiedenen Demarchen der Union gemäß der gemeinsamen Aktion betreffend Tretrninen 19 im Rahmen der Vorbereitung der Konferenz zur Überprüfung des sogenannten Übereinkommens über unmenschliche Waffen von 1980 beteiligt. Die Teilnahme an den gemeinsamen Aktionen (und an anderen GASP-Maßnahmen) ist für die assoziierten Länder freiwillig 20 und hat daher für sie keine verpflichtende Wirkung.
assoziierten MOEL (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik), BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1080f. 13 lschinger GASP und die Bundesrepublik Deutschland, S. 63f. 14 Vgl. den Luxemburger Bericht: Erster Bericht der Außenminister an die Staatsund Regierungschefs der EG-Mitgliedstaaten vom 27.10.1970, Vierter Teil: Vorschläge zur Mitwirkung der beitrittswilligen Staaten, Dok AA, 31 ff. (36f.). 15 Schlußfolgerungen ER-Essen (9.110.12.1994), BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1078ff. Vgl. auch die Schlußfolgerungen ER-Madrid (15.116.12.1995), Erweiterung: GASP, BullBReg. Nr. 8 (30.1.1996), S. 82. 16 Siehe hierzu Emmanouilidis CFSP Forum 1996/3 und 4, S. 16. 17 Schlußfolgerungen ER-Cannes (26.127.6.1995), BullBReg. Nr.62 (8.8.1995), S. 618; Emmanouilidis CFSP Forum 1996/3 und 4, S. 16f. IR AbI. EG Nr. L 205/1 vom 8.8.1994 (94/509/GASP). 19 AbI. EG Nr. L 11511 vom 22.5.1995 (951170/GASP). 20 Vgl. die Schlußfolgerungen ER-Essen (9.110.12.1994), BullBReg. Nr. 118 (19.12.1994), S. 1078ff.
III. Ausblick
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111. Ausblick Wegen des großen Interesses der beitritts willigen Staaten, in den Genuß europäischer Sicherheitsgarantien zu gelangen, dürfte sich die Erarbeitung gemeinsamer Aktionen in sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen mit den bisherigen Mitgliedstaaten als verhältnismäßig unproblematisch erweisen. Insoweit bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der vom Europäischen Rat in Lissabon eigens aufgestellten Bedingungen (siehe oben). Bei außenpolitischen Fragen ist die Interessenlage weniger eindeutig: das jetzige Beschlußverfahren für gemeinsame Aktionen, deren Annahme Einstimmigkeit voraussetzt, wird durch eine Erweiterung nicht einfacher, weil weitere nationale Interessen die Konsensfindung erschweren werden. Dies müßte zu einer Lähmung der Europäischen Union bei außenpolitischen Fragen führen, wenn nicht vom Einstimmigkeitserfordernis abgegangen wird 21 • Nur unter dieser Voraussetzung, dürfte es durch die zu erwartende EU-Erweiterung nicht zu einer Schwächung der GASP kommen, weil dadurch die Handlungsfahigkeit der Europäischen Union erhalten bliebe. Die Teilnahme von weiteren Staaten an gemeinsamen Aktionen und anderen GASP-Maßnahmen bedeutete dann vielmehr eine Stärkung der Europäischen Union auf internationaler Ebene.
21
Ebenso van den Broek CFSP, S. 31 (38).
I. Schlußbetrachtung I. Überlegungen zur Reform der gemeinsamen Aktion Am Ende dieser Untersuchung stellt sich die Frage, auf welche Weise die gemeinsame Aktion, d.h. sowohl deren Beschlußverfahren als auch deren möglicher Inhalt, effektiver gestaltet werden kann. Nach dem derzeitigen Stand der Diskussion ist davon auszugehen, daß es selbst mittelfristig nicht zu einer vergemeinschafteten, also integrierten GASP kommen wird). Da eine Änderung der Pfeilerstruktur derzeit auszuschließen ist, muß die Effizienz der vorhandenen Struktur dadurch erhöht bzw. erreicht werden, daß Elemente der Gemeinschaftsmethode in den zweiten Pfeiler eingeführt werden. Dazu lassen sich in bezug auf die gemeinsame Aktion folgende Überlegungen anstellen: 1. Vorschlag und Vorbereitung •
Einer besseren Vorbereitung von GASP-Maßnahmen diente eine zentrale Planungs- und Analyseeinheit, deren Einrichtung schon seit längerem diskutiert wird 2. Eine kleine, professionelle Gruppe, die sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten, der Kommission sowie der WEU zusammensetzte, sollte die internationale Lage analysieren und dadurch eine echte europäische Sichtweise entwickeln, um hieraus für den Rat Handlungsoptionen zu entwerfen. Notwendige Folge dieser Aufgaben wäre ein Initiativrecht - neben den Mitgliedstaaten und der Kommission. Konsequenterweise würde die Planungseinheit das Politische Komitee (vgl. Art. 1.8 V EUV) ersetzen und damit selber "Operationszentrale" der GASP werden. Zwar bliebe die Planungs-
I Gespräch mit einem EU-Beamten in Brüssel am 20.9.1995. Vgl. auch den Progress Report (Refleetion Group), SN 50911/95 REV I (REFLEX 10), S.26f. (unveröffentlicht). 2 Vgl. die Schlußfolgerungen ER - Madrid (15.116.12.1995), Anlage 15: Die Regierungskonferenz (Westendorp-Bericht), BullBReg. Nr. 8 (30.1.1996), S. 103; Schlußfolgerungen ER - Turin (29.3.1996), BullBReg. Nr. 35 (7.5.1996), S.346; Bericht der Kommission an die Reflexionsgruppe für die Regierungskonferenz 1996, S. 67, RdNr. 163; BurghardtIFebbe EuR 1995, S. I (19); van den Broek CFSP; S. 31 (35). Kritisch Hurd IA 1994, S. 421 (427).
I. Überlegungen zur Refonn der gemeinsamen Aktion
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einheit verpflichtet, ihre Vorlagen durch den Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV) an den Rat zu richten. Dabei müßte jedoch der Prüfungsmaßstab des AStV auf die erforderliche Kohärenz zwischen GASP und EGPolitik beschränkt bleiben. Die Planungseinheit sollte daneben zu direkten Vorlagen an den Rat berechtigt sein, wenn der Rat darum nachsucht oder wenn dies die internationale Lage erfordert. •
Als nächsten wichtigen Punkt einer Reform müßten gemeinsame Aktionen auch militärische Maßnahmen mit einschließen können. Da die Europäische Union nicht über eigene Truppen verfügt, müßte sich die WEU dazu verpflichten, dieser bei Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen als ausführendes Organ zu dienen. Konkret ist dazu auf Seiten der Union insbesondere im Hinblick auf Art. JA EUV erforderlich: Erstens, der Absatz 3 dieser Vorschrift, der das Verfahren der gemeinsamen Aktion für den militärischen Bereich ausschließt, müßte gestrichen werden; zweitens, statt einer rechtlich unverbindlichen Empfehlung an eine selbständige Organisation, wie es in Art. JA 11 1 EUV mit dem Wort "ersucht" zum Ausdruck kommt, müßte es dort heißen: " ... Die WEU führt diejenigen Entscheidungen und Aktionen der Union durch, die verteidigungspolitische Bezüge haben." Die WEU ihrerseits müßte sich verpflichten, den Entscheidungen der Union zu folgen. Das ist nicht so problematisch, wie es klingt, weil alle WEUMitgliedstaaten zugleich EU-Mitgliedstaaten sind und daher an dem Entscheidungsprozeß innerhalb der Europäischen Union teilnehmen. Schließlich sollen, wie oben erwähnt, auch Vertreter der WEU der zentralen Planungseinheit angehören. Jedenfalls müßte die WEU ihre operationellen Fähigkeiten weiter stärken. 2. Annahme
•
Vom Einstimmigkeitsprinzip bei der GASP sollte zum Prinzip der "Einstimmigkeit minus eins" übergegangen werden, wobei auch der überstimmte Mitgliedstaat an die getroffene Entscheidung gebunden wäre. Nur für den Fall, daß es um den Einsatz von Streitkräften im Rahmen einer GASPMaßnahme geht, sollte dem Staat, dessen Truppen betroffen wären, ein Vetorecht zustehen. Mit diesem Abstimmungsmodus wäre es möglich, schneller Beschlüsse zu fassen, um z.B. auf plötzlich auftretende Krisen besser reagieren zu können.
206
I. Schlußbetrachtung
Dadurch würde eine aktivere EU-Außenpolitik gefördert. Gleichzeitig ist im Gegensatz zu der vielfach geforderten Einführung einer qualifizierten Mehrheie eine hohe Unterstützung der beschlossenen Maßnahmen gewährleistet. Bei einer qualifizierten Mehrheit ist nämlich zu bedenken, daß eine unterschwellige Opposition nicht nur eines Mitgliedstaates sondern der überstimmten Minderheit die konsequente Durchführung der beschlossenen gemeinsamen Aktion gefährden könnte. Zudem umgeht die "Einstimmigkeit minus eins" auch das Problem einer qualifizierten Mehrheit bzgl. der Stimmengewichtung, dessen Lösung der Quadratur des Kreises nahe käme4 • Auch die Möglichkeit eines "opting-out"S für opponierende Mitgliedstaaten verspricht keine Lösung6 , weil es sich fortan nicht mehr um eine "gemeinsame", sondern um eine partiell parallele Außen- und Sicherheitspolitik handelte. Dies spaltete die Mitgliedstaaten innerhalb der GASP mehr, als daß es sie zusammenführte. Zudem würde die Maßnahmeneffektivität gemindert, weil nach außen erkennbar wäre, daß nur ein Teil der EUMitgliedstaaten die Maßnahmen (innen wie außen) trägt. Nur für den speziellen Fall des Art. J.3 Nr.3 EUV, der bei schwerwiegenden Veränderungen der Umstände derzeit nur einstimmige Abänderungsbeschlüsse bei der Durchführung gemeinsamer Aktionen vorsieht, sollte ein Entscheid mit qualifizierter Mehrheit eingeführt werden. Dadurch könnte eine mögliche Blockade vermieden werden, wenn die überwiegende Mehrheit der GASP-Partner zu einer Neueinschätzung der Lage gekommen ist und deswegen ein "Zurück" wünscht.
3 Die Einführung einer qualifizierten Mehrheit wird befürwortet von Kinkel Europäische Außenpolitik, FS Stercken, S. 18; Burghardt CFSP Forum 1994/3, S. 4 (5); Pättering CFSP Forum 1994/4, S. 3; Algieri Integration 1992, S. 246 (250). Ablehnend Hurd IA 1994, S. 421 (422). 4 So auch Burghardtlfebbe EuR 1995, S. I (20). Viele kleine Mitgliedstaaten haben Angst im Bereich der GASP von den großen "über den Tisch gezogen zu werden"; umgekehrt befürchten die großen Mitgliedstaaten eine zu hohe Beeinflussung der GASP durch Staaten, die geringeres politisches Gewicht in die gemeinsame Waagschale einbringen. 5 Auch sog. positive Enthaltung. Darunter ist das Recht für den opponierenden EUMitgliedstaat zu verstehen, sich nicht an einer von der Mehrheit beschlossenen gemeinsamen Aktion zu beteiligen. 6 Dafür aber Algieri Integration 1992, S. 246 (250); Grunert Außen- und Sicherheitspolitik, S. 463.
I. Überlegungen zur Reform der gemeinsamen Aktion
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3. Durchführung •
Eine vielfach diskutierte Reform ist die Einführung eines "Herrn oder Frau GASP,,7. Derzeit ist der Vorsitz "Manager" der GASP (vgl. Art. J.5 I EUV). Das wirft Probleme wegen der damit verbundenen Belastung des jeweils betroffenen Außenamtes auf, was insbesondere bei kleineren Mitgliedstaaten regelmäßig zu einer Überlastung führt. Zudem erschwert der halbjährliche Wechsel das sich Einstellen von Routine und Kontinuität bei der Durchführung insbesondere mittel- bis langfristig angelegter Politik8. Daher sollte ein "Herr oder Frau GASP" mit der Durchführungsverantwortung betraut werden, wobei er oder sie dem Rat unterzuordnen wäre, also die Position eines GASPGeneralsekretärs ausfüllte. Konsequenterweise wäre diese Person mit der politischen Außen vertretung sowie mit der Leitung der zentralen Planungseinheit zu befassen. Sie wäre vom Europäischen Rat - als höchste Autorität der Europäischen Union - für eine Amtszeit von fünf Jahren (parallel zur Kommission) zu ernennen. Mit Blick auf die oben vorgeschlagene Aufnahme militärischer Möglichkeiten in die GASP, bietet es sich an, den "Herrn oder die Frau GASP" in Personalunion mit dem WEU-Generalsekretär vorzusehen. Dadurch würde die Schaffung weiterer Ämter vermieden und eine wichtige institutionelle Verzahnung mit der WEU erreicht.
•
Der Durchführungsverantwortliche sollte dazu berechtigt sein, spezifische Aufgaben an die Außenämter der Mitgliedstaaten zu delegieren, um etwa deren besondere Beziehungen und Erfahrungen zu Dritten zu nutzen. Damit der Durchführungsverantwortliche seinen Aufgaben nachkommen kann, sollte ihm zudem ein Weisungsrecht zur Durchsetzung der beschlossenen GASP-Maßnahmen gegenüber den GASP-Partnern sowie eine Klagebefugnis vor dem EuGH eingeräumt werden (zur Gerichtsbarkeit siehe näher unten).
7 Vgl. die Schlußfolgerungen ER - Madrid (15./16.12.1995), Anlage 15: Die Regierungskonferenz (Westendorp-Bericht), BuliBReg. Nr. 8 (30.1.1996), S. 103; Algieri Integration 1993, S. 173 (178); Regelsberger EPZ und GASP, S. 190. R Siehe hierzu die vom Rechnungshof geübte Kritik an der Durchführung der gemeinsamen Aktion zur Verwaltung der Stadt Mostar im AbI. EG Nr. C 287/9 vom 30.9.1996 (Sonderbericht Nr. 2/96 über die Buchführung des Administrators und die Verwaltung von Mostar durch die Europäische Union (VMEU) zusammen mit den Antworten der Kommission und des Administrators von Mostar).
I. Schlußbetrachtung
208
•
Die Europäische Union müßte mit Völkerrechtssubjektivität ausgestattet werden. Obschon die EU-Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Maastricht keine Völkerrechtssubjektivität verleihen wollten, ist sie schon jetzt im Text des Unionsvertrages an verschiedenen Stellen als Träger der GASP gedacht und ins Auge gefaßt worden. Entsprechend tritt die Union immer häufiger im internationalen Verkehr faktisch als Politikträger auf (siehe oben F.I1.). Die Verleihung der Völkerrechtssubjektivität wäre deshalb nur konsequent9 •
4. Beurteilung und Kontrolle
•
Die oben genannte zentrale Planungseinheit sollte eine gemeinsame Beurteilung und Kontrolle bei der Durchführung der gemeinsamen Aktionen vornehmen.
•
Weiterhin sollten gemeinsame Aktionen und andere GASP-Akte auch Gegenstand der Gerichtsbarkeit des EuGH sein können, dies allerdings nur nach Zustimmung der betroffenen Parteien,- also eine fakultative Zuständigkeit. Aktivlegitimiert sollten der "Herr bzw. die Frau GASP", die Kommission sowie die EU-Mitgliedstaaten sein. Der EuGH könnte dann z.B. überprüfen, ob die vertraglich vorgesehenen Verfahren entsprechend ihrer Bestimmung genutzt wurden. Eine Jurisdiktion des EuGH ist auch besonders wichtig mit Blick auf den "Herrn oder die Frau GASP", weil diese Person, auch wenn sie dem Rat untergeordnet bliebe, eine entscheidende Rolle innerhalb des GASP-Rahmens einnehmen dürfte.
11. Bewertung der Ergebnisse und Ausblick 1. Die wichtigsten Ergebnisse
1.
Die mit dem Unionsvertrag eingeführte gemeinsame Aktion ist das für die EU-Mitgliedstaaten bindende Handlungsmittel der Europäischen Union. Sie ist das wichtigste politische Mittel der GASP, weil es die Europäische Union zu einer aktiven, handlungsorientierten Außen- und Sicherheitspo9
Kritisch zur Verleihung der Völkerrechtssubjektivität Pechstein EuR 1996, S. 137
(144).
11. Bewertung der Ergebnisse und Ausblick
209
litik befähigt. Sie soll aktiv gestaltend wirken und nicht nur eine Reaktion auf außen- und sicherheits politische Ereignisse sein. Die gemeinsame Aktion bezweckt die Bewältigung einer bestimmten außen- und/oder sicherheitspolitischen Situation durch eine gemeinsame, mittel- bis langfristig angelegte Politik oder eine spezifische Handlung etwa als schnelle Antwort auf eine plötzliche Krise. Hierzu legt sie die Ziele und die zur Verfügung zu stellenden Mittel fest. Sie kann ein ganzes Bündel von Maßnahmen und Mitteln enthalten (z.B. Personal-, Geld- und Sachmittel, Rechtsvorschriften, Demarchen bis hin zu völkerrechtlichen Abkommen; aber nicht: militärische Maßnahmen). 2.
Die gemeinsame Aktion ist das Ergebnis einer zwischenstaatlichen Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten. Die Kommission wird auf allen Ebenen hieran beteiligt, stimmt aber nicht mit darüber ab. Das gilt auch für die Rolle des Kommissionspräsidenten im Europäischen Rat. Der Rat, der an die GASP "ausgeliehen" wird, ist zwar zentrales Entscheidungsorgan bei der gemeinsamen Aktion, dabei dient er jedoch nur den EUMitgliedstaaten. Dies zeigt sich besonders darin, daß der Rat an die z.T. sehr speziellen allgemeinen Leitlinien des Europäischen Rates gebunden ist. Die EU-Mitgliedstaaten sind daher die Herren der gemeinsamen Aktion.
3.
Sowohl das Verfahren wie der Beschluß einer gemeinsamen Aktion sind ihrer Rechtsnatur nach dem Völkerrecht zuzuordnen. Die GASP-Bestimmungen kann man als Teil des Unionsrechtes bezeichnen. Das Verfahren gehört demnach dem primären und der Beschluß dem sekundären Unionsrecht an.
4.
Für den sachlichen Anwendungsbereich gemeinsamer Aktionen gilt: a) Gemeinsame Aktionen dürfen keine Gegenstände des 1. oder 3. Pfeilers regeln; sie müssen jedoch zu anderen EU-Maßnahmen (insbesondere (Außen)Wirtschafts- und Entwicklungspolitik der EG) kohärent sein. b) Gemeinsame Aktionen können nicht den Einsatz von Militär und anderer Beamter, die Hoheitsgewalt ausüben, enthalten. c) In allen sonstigen Bereichen der Außen- und Sicherheitspolitik kann die Europäische Union gemeinsame Aktionen beschließen, allerdings unter Berücksichtigung der Unions ziele sowie des acquis de I 'Union.
5.
Das territoriale Bezugsfeld gemeinsamer Aktionen ist außerhalb des Gebietes der Europäischen Union, d.h. der Gesamtheit der EU-
14 Münch
210
I. Schlußbetrachtung
Mitgliedstaaten, unbeschränkt, also weltweit eröffnet. Einschränkungen bestehen jedoch wegen spezifischer Interessen einzelner EUMitgliedstaaten in bezug auf bestimmte Länder oder Regionen der Welt. 6.
Der Europäische Rat bestimmt die zum Beschluß gemeinsamer Aktionen verfahrensmäßig erforderlichen "wichtigen gemeinsamen Interessen der Mitgliedstaaten", indem er sich auf allgemeine Leitlinien einigt. Ob und wo wichtige gemeinsame Interessen bestehen, liegt damit in seiner Definitionskompetenz.
7.
Der auf eine Initiative eines Mitgliedstaates oder der Kommission zurückgehende Beschluß einer gemeinsamen Aktion wird idR. von der zuständigen Arbeitsgruppe, den Europäischen Korrespondenten, dem Politischen Komitee und dem AStV vorbereitet. Hierbei besteht zwischen dem Politischen Komitee und dem AStV ein "Kompetenzgerangel" , das derzeit rein faktisch zugunsten des Politischen Komitees entschieden wird.
8.
Für die Annahme einer gemeinsamen Aktion ist Einstimmigkeit erforderlich. Diese kann auch durch Stimmenthaltung verhindert werden. Art. J.3 Nr.2 EUV sieht zwar ab der Annahme einer gemeinsamen Aktion im Hinblick auf Durchführungs- oder Modifikationsfragen die Möglichkeit eines Mehrheitsentscheides vor. Hierbei handelt es sich jedoch - wegen des vorherigen erforderlichen Konsenses zwischen den EUMitgliedstaaten zu diesem Verfahren - um eine verdeckte Einstimmigkeit.
9.
Gemeinsame Aktionen sind für die Mitgliedstaaten bindend, soweit sie nicht völkerrechtswidrig sind.
10.
Der Vorsitz ist für die Durchführung gemeinsamer Aktionen verantwortlich. Hieran ist die Kommission zu beteiligen. Wegen ihrer Verantwortung für die Ausführung des Haushaltsplanes (Art. 205 EGV) gewinnt die Kommission Einfluß auf die Durchführung der gemeinsamen Aktion, die sie sogar auf diese Weise blockieren kann.
11.
Die in den Art. J.3 Nr.3, Nr.5, Nr.6 und Nr.7 EUV vorgesehenen Sonderregelungen unterstreichen die hohe Bindungswirkung gemeinsamer Aktionen. Die in Art. J.3 Nr.3 EUV enthaltene Regelung ist gleichwohl wegen der sich daraus ergebenden Blockademöglichkeit (für z.B. nur einen Mitgliedstaat) im Hinblick auf den erforderlichen einstimmigen Abänderungsoder Rücknahmebeschluß problematisch.
11. Bewertung der Ergebnisse und Ausblick 12.
211
Eine Kontrolle bei der Durchführung gemeinsamer Aktionen kann derzeit von GASP-Gremien nur politisch ausgeübt werden. Dafür geeignete Institutionen sind der Europäische Rat und der Ministerrat (z.T. auch der AStV) sowie in begrenzter Weise der Vorsitz (Informationsrecht). a) Gemeinsame Aktionen können nicht direkt vom EuGH kontrolliert werden. Eine mittelbare Überprüfung ist jedoch denkbar im Falle der Verletzung von Art. 5 EGV und wenn eine gemeinsame Aktion regelnd in Bereiche des 1. Pfeilers eindringt. Für den Fall, daß es zum Abschluß einer interinstitutionellen Vereinbarung kommt, die mit Rechtswirkung Verfahrensfragen hinsichtlich einer gemeinsamen Aktion regelte, wäre auch hier eine mittelbare Jurisdiktion des EuGH möglich. b) Das Bundesverfassungsgericht kann gemeinsame Aktionen nicht überprüfen. c) Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag ist eine Klage im Konfliktfall in bezug auf eine gemeinsame Aktion schon heute möglich.
13.
Gemeinsame Aktionen wurden bisher fast ausschließlich aus dem Gemeinschaftshaushalt finanziert. Im Falle der Finanzierung durch die Mitgliedstaaten geht der Rat als allgemeine Regel von einer Umlage nach dem Bruttosozialprodukt der Mitgliedstaaten aus.
14.
Derzeit spielt das Europäische Parlament sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei der Annahme einer gemeinsamen Aktion keine direkte Rolle. Das Parlament gewinnt jedoch - wegen seiner haushaltsrechtlichen Befugnisse - bei der Durchführung (Finanzierung) gemeinsamer Aktionen indirekt an Einfluß. Im Konfliktfall ist der Rat jedoch in der Lage, einstimmig einen Abänderungsbeschluß hin zu einer Umlagefinanzierung vorzunehmen.
15.
Die Europäische Union ist kein Völkerrechtssubjekt, sondern eine falsa demonstratio für die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten. Mit dem Unionsvertrag ist die Union im internationalen Verkehr faktisch aber Politikträger der GASP (und damit auch gemeinsamer Aktionen) geworden. Die dadurch entstehenden rechtlichen Widersprüche müssen durch die Verleihung der Völkerrechtssubjektivität an die Europäische Union überwunden werden.
16.
14*
Die Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten in der GASP, die zum Beschluß gemeinsamer Aktionen führen kann, beeinträchtigt nicht die Formulierung einer eigenen nationalen Politik in den Bereichen Auswärtiges,
212
I. Schlußbetrachtung
Sicherheit und Verteidigung. Im Verhältnis von GASP-Maßnahmen zu nationalen Maßnahmen gilt das Subsidiaritätsprinzip, das - wegen fehlender Kontrollmöglichkeit einer neutralen Stelle - der Definitionskompetenz des Europäischen Rates bzw. des Ministerrates unterliegt. 17.
Durch die zu erwartende EU-Erweiterung wird es nicht zu einer Schwächung der GASP kommen, wenn von dem Einstimmigkeitserfordernis abgegangen und damit die Handlungsfahigkeit der Europäischen Union erhalten wird. Nur unter dieser Voraussetzung bedeutete die Teilnahme von weiteren Staaten an der GASP eine Stärkung der Europäischen Union auf internationaler Ebene.
2. Bewertung und Ausblick Bei der Bewertung der gemeinsamen Aktion (und mittelbar auch der GASp lO) sind deren Defizite wie auch das bisher Erreichte zu berücksichtigen und zusammenzufassen. Der Fall des Krieges im ehemaligen Jugoslawien macht dies deutlich. Hier wird häufig ein Versagen auch der Europäischen Union angenommen, weil sie es nicht vermochte, dort Frieden und Stabilität zu begründen. Erst die USA leisteten den entscheidenden Beitrag, der zur Unterzeichnung des in Dayton geschlossenen Abkommens in Paris am 14. Dezember 1995 führte. Andererseits brachte die GASP die Politik der Fünfzehn hinsichtlich des ehemaligen Jugoslawiens auf eine Linie und bewirkte damit einen hohen Grad an Geschlossenheit. Trotz mancher nationaler Divergenzen der EUMitgliedstaaten in der Jugoslawienkrise gab es keinen Rückfall in rein nationales Vorgehen 11. Schließlich ist es auch den von der Europäischen Union beschlossenen gemeinsamen Aktionen 12 zu danken, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen regional beschränkt blieben und daß das Leid der Menschen gelindert wurde. Mit der Schaffung der gemeinsamen Aktion als verbindliches Handlungsmittel haben die Vertragsparteien von Maastricht hohe Erwartungen begründet, da dieses Verfahren der Europäischen Union die Fähigkeit zu einer aktiven Außen- und Sicherheitspolitik gegeben hat. Dadurch wurde die Hoffnung ge10 Bei der Bewertung der gemeinsamen Aktion darf man die GASP insgesamt nicht aus dem Auge verlieren, weil die gemeinsame Aktion zwar das wichtigste, aber eben doch nur ein Mittel der GASP ist. 11 Ebenso HurdIA 1994, S. 421 (424); AlgieriIntegration 1993, S. 173 (177). Vgl. auch Mechtersheimer Aus Politik und Zeitgeschichte B 1-2/96, S. 27 (34). 12 Siehe Anhang I.
11. Bewertung der Ergebnisse und Ausblick
213
nährt, die Union werde dezidierter das internationale Geschehen mitbeeinflussen. Diese Erwartungen blieben unerfüllt. Man darf jedoch nicht übersehen, daß die GASP-Regeln nicht die Lösung zu allen außen- und/oder sicherheitspolitischen Problemen enthalten können. Die zur Verfügung stehenden Verfahren liefern nur den verfahrenstechnischen Ansatz für einen späteren Erfolg. Entscheidend ist der gemeinsame politische Wille, diese auch wirklich ihrem ganzen Potential nach zu nutzen 13 . Das zeigt das Dilemma, in dem sich die gemeinsame Aktion und andere GASP-Verfahren befinden: gerade wegen des Einstimmigkeitsprinzips sind sie von dem politischen Willen der souveränen EUMitgliedstaaten zur Zusammenarbeit abhängig. Mit Blick auf das Potential der gemeinsamen Aktion ist es daneben wichtig herauszustellen, daß dieses Handlungsmittel nicht den Einsatz von Militär oder anderen Personen, die Hoheitsgewalt ausüben, enthalten darf. Der Inhalt gemeinsamer Aktionen ist vielmehr politischer - und nicht militärischer - Art. Gerade die Situation im ehemaligen Jugoslawien hat aber gezeigt, daß Frieden effektiv nur durch die glaubwürdige Androhung und gegebenenfalls konsequente Anwendung militärischer Gewalt erhalten und geschaffen werden kann. Hier wird also z.T. in der Öffentlichkeit von der Union etwas erwartet, was sie gar nicht zu leisten vermag. Die Defizite der gemeinsamen Aktion liegen also im Wesentlichen in dem nur stellenweise vorhandenen Willen der Mitgliedstaaten zum gemeinsamen Handeln und ihrer (lediglich) politischen Natur. Damit erweist sich die gemeinsame Aktion als Fortsetzung der EPZ mit anderen Mitteln l4 • Der erhoffte qualitative Sprung ist in der GASP-Praxis ausgeblieben. Nach wie vor handelt es sich um eine rein außenpolitische Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten. Ursächlich dafür ist, daß die in Art. J.3 EUV liegenden Möglichkeiten nicht genutzt worden sind. Es ist also nicht die Frage, ob das Verfahren der gemeinsamen Aktion versagt hätte, sondern ob es überhaupt genutzt wurde. Bei allem darf aber auch nicht übersehen werden, daß seit den ersten tastenden Anfängen der außenpolitischen Zusammenarbeit 1970 auf informeller Grundlage (EPZ-Berichte von Luxemburg 1970, Kopenhagen 1973 und London 1981) über die rechtlich festere Form der EEA (1986) bis hin zur GASP als 2. Unionspfeiler mit den Bestimmungen über die gemeinsame Aktion ein beträchtlicher Weg zurückgelegt worden ist l5 .
13 Darauf verweist auch Fink-Hooijer EJlL 1994, S. 173 (197). V gl. auch Mechtersheimer Aus Politik und Zeitgeschichte B 1-2/96, S. 27 (30). 14 V gl. BurghardtfFebbe EuR 1995, S. 1 (18).
214
I. Schlußbetrachtung
Eine effektive GASP mit gemeinsamen Aktionen, die die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen, kann nicht durch einen Federstrich errichtet werden. Bevor eine "echte" - also eine integrierte GASP, die ihren Namen verdiente möglich wird, müssen sich die EU-Mitgliedstaaten zunächst gemeinsamer Zielund Wertvorstellungen bewußt werden 16 . Es geht also darum, einen europäischen Verjassungspatriotismus 17 zu schaffen, d.h. die einhellige Zustimmung zu europäischer Zusammenarbeit im Hinblick auf gemeinsame Ziel- und Wertvorstellungen, wie Menschenrechte, Demokratie und sozialer Rechtsstaat. Wenn sich hier eine Tradition gemeinsamer erfolgreicher Analysen und Aktionen herausbildet, dürfte der politische Wille der GASP-Partner zum gemeinsamen Handeln wachsen. Dies ist jedoch ein langer Prozeß, für den eine ständige und übermäßige EU-Erweiterung nicht förderlich ist. Bei der Betrachtung der beschlossenen gemeinsamen Aktionen und der heutigen GASP gibt es keinen Grund zur Euphorie. Es besteht aber Grund dafür, in der effektiven Nutzung und Fortentwicklung der GASP-Verfahren eine Voraussetzung für Stabilität, Sicherheit und Frieden in Europa und in der Welt zu sehen.
15 So schon Läufer Ziele und Verfahren, PS Stercken, S. 73f.; Regelsberger EPZ und GASP, S. 185f.; Jagow Integration 1993, S. 225 (226); ders. Krisenmanagement, S. 87f. lfi Vgl. Kinkel Europäische Außenpolitik, PS Stercken, S. 24. 17 Diesen Begriffführt Eckart Klein ein (in: WeitTrends Nr. 8 (1995), S. 135 (148)).
Anhang I Maßnahmen der Europäischen Union im Rahmen der GASP [Stand: 16.7.1997]
I. Gemeinsame Aktionen I.Humanitäre Hilfe im ehemaligen Jugoslawien
08.11.1993 L 286/1 (20.11.1993) 93/603/GASP
Unterstützung für den Transport humanitärer Hilfe in Bosnien-Herzegowina
20.12.1993 L 339/3 (31.12.1993) 93/729/GASP
Ergänzung (Finanzierung)
07.03.1994 L 70/1 (12.03.1994) 941158/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 08.11.1993
16.05.1994 L 134/1 (30.05.1994) 94/308/GASP
Anpassung und Verlängerung des Beschlusses vom 08.11.1993
27.07.1994 L 205/3 (08.08.1994) 94/510/GASP
Ergänzung
12.12.1994 L326/1 (17.12.1994) 941789/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 08.11.1993
04.12.1995 L 298/3 (11.12.1995) 95/516/GASP
Anpassung und Verlängerung des Beschlusses vom 08.11.1993
216
2.Mostar
Anhang I
16.05.1994 L 134/1 (20.05.1994) 941308/GASP
Unterstützung der Verwaltung von Mostar
12.12.1994 L 326/2 (17.12.1994) 941790/GASP
Weitere Unterstützung der Verwaltung von Mostar
06.02.1995 L 33/1 (13.02.1995) 95/23/GASP
Ergänzung
04.12.1995 L 298/4 (11.12.1995) 95/5 I 7/GASP
Weitere Unterstützung der Verwaltung von Mostar
19.12.1995 L 313/1 (27.12.1995) 95/552/GASP
Ergänzung
15.07.1996 L 185/2 (24.07.1996) 96/442/GASP
Sonderbeauftragter für Mostar
26.07.1996 L 195/1 (06.08.1996) 96/476/GASP
Abbau der EU-Verwaltung
09.08.1996 L 212/1 (21.08.1996) 96/508/GASP
Der Beschluß vom 15.07.1996 wird zum 05.08.1996 wirksam
20.12.1996 L 340/1 (30.12.1996) 961744/GASP
Einstellung der Maßnahmen; Abwicklungsstab
Anhang I
3.Friedensregelung für BosnienHerzegowina
217
11.12.1995 L 309/2 (21.12.1995) 95/545/GASP
Beteiligung an der Umsetzung der Friedensregelung für Bosnien-Herzegowina
10.06.1996 L 168/1 (06.07.1996) 96/406/GASP
Unterstützung der Wahlen in BosnienHerzegowina
20.12.1996 L 340/3 (30.12.1996) 96/745/GASP
Der Beschluß vom 11.12.1995 wird bis zum 31.12.1998 verlängert
24.02.1997 L 63/1 (04.03.1997) 97/153/GASP
Der Beschluß vom 20.12.1996 (Art. 3 Abs.2) wird präzisiert
24.03.1997 L 90/1 (04.04.1997) 97/224/GASP
Der Beschluß vom 10.06.1996 wird ergänzt
4.Parlamentswahlen in der Russischen Föderation
09.11.1993 L 286/3 (20.11.1993) 93/604/GASP
Entsendung von Beobachtern
5.Südafrika
06.12.1993 L316/45 (17.12.93) 93/678/GASP
Unterstützung des demokratischen Übergangs
6.Stabilitätspakt
20.12.1993 L 339/1 (31.12.1993) 93/728/GASP
Eröffnungskonferenz
14.06.1994 L 165/2 (01.07.1994) 94/367/GASP
Fortsetzung
218
7.Friedensprozeß im Nahen Osten
8. Nichtverbreitung von Kernwaffen
Anhang I
19.04.1994 L 119/1 (07.05.1994) 94/276/GASP
Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten
01.06.1995 L 130/1 (14.06.1995) 95/205/GASP
Finanzierung der Vorbereitung und Beobachtung der palästinensischen Wahlen
25.09.1995 L 238/4 (06.10.1995) 95/403/GASP
Koordinierung und Beobachtung der Wahlen zum Palästinensischen Autonomierat
25.11.1996 L 315/1 (04.12.1996) 96/676/GASP
Ernennung eines EU-Sonderbeauftragten
29.04.1997 L 120/2 (12.05.1997) 97/289/GASP
Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde bei der Terror-Bekämpfung
25.07.1994 L 205/1 (08.08.1994) 94/509/GASP
Vorbereitung der Konferenz der Vertragsparteien des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen
29.04.1997 L 120/1 (12.05.1997) 97/288/GASP
EU-Beitrag zu stärkerer Transparenz bei Ausfuhrkontrollen von Kernmaterial
Anhang I
9.Güter mit doppeltem Verwendungszweck
219
19.12.1994 L 367/8 (31.12.1994) 94/942/GASP
Kontrolle der Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck
10.04.1995 L 90/2 (21.04.1995) 95/127/GASP
Änderung des Beschlusses vom 19.12.1994
10.04.1995 L 90/3 (21.04.1995) 95/128/GASP
Änderung des Beschlusses vom 19.12.1994
16.02.1996 L52/1 (01.03.1996) 96/173/GASP
Änderung des Beschlusses vom 19.12.1994
27.06.1996 L 176/1 (13.07.1996) 96/423/GASP
Änderung des Beschlusses vom 19.12.1994
22.10.1996 L 278/1 (30.10.1996) 96/613/GASP
Die Listen der Güter in dem Beschluß vom 19.12.1994 werden auf den neuesten Stand gebracht
20.01.1997 L 34/1 (04.02.1997) 97/100/GASP
Änderung des Beschlusses vom 22.10.1996
L 34/3 (04.02.1997)
Berichtigung des Beschlusses vom 22.10.1996
26.06.1997 L 178/1 (07.07.1997) 97/419/GASP
Die Listen der Güter in dem Beschluß vom 19.12.1994 werden auf den neu esten Stand gebracht
220
10.Antipersonenminen
Anhang I
12.05.1995 L 115/1 (22.05.1995) 95/170/GASP
Vorbereitung der Konferenz zur Revision des Übereinkommens von 1980 sowie Beschränkung von Produktion, Vertrieb usw.
25.03.1996 L 8713 (04.04.1996) 96/2511GASP
Unterstützung der Minenräumaktion in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien
01.10.1996 L 260/1 (12.10.1996) 96/588/GASP
Spezifizierung der EU-Initiativen im Rahmen des Beschlusses vom 12.05.1995
II.KEDO
05.03.1996 L63/1 (13.03.1996) 96/195/GASP
Beteiligung an der Organisation für die Entwicklung der Energie auf der Koreanischen Halbinsel (KEDO)
12.Region der Großen Seen
25.03.1996 L 87/1 (04.04.1996) 961250/GASP
Ernennung eines Sonderbeauftragten
15.07.1996 L 185/1 (24.07.1996) 96/44l1GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 25.03.1996
01.10.1996 L 260/5 (12.10.1996) 96/589/GASP
Finanzierung der Verlängerung
11.11.1996 L 300/1 (25.11.1996) 96/656/GASP
Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Zaire
22.11.1996 L 312/1 (02.12.1996) 96/669/GASP
Ausarbeitung und Umsetzung der gemeinsamen Aktion
16.07.1997 L 197/1 (24.07.1997) 97/448/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 25.03.1996
Anhang I
13. "ExtraterritoriaIe" Rechtsakte
22.11.1996 L 30917 (29.11.1996) 96/668/GASP
221
Schutz vor der extraterritorialen Anwendung von Rechtsakten sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen (Rechtsakte betreffen: USSanktionen gegen Kuba, Iran und Libyen)
11. Gemeinsame Standpunkte l.Libyen
22.11.1993 L 29517 (30.11.1993) 93/614/GASP
Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen
2.Sudan
15.03.1994 L 75/1 (17.03.1994) 94/165/GASP
Embargo für Waffen, Munition und militärische Ausrüstung
3.Haiti
30.05.1994 Einschränkung der Wirtschafts beziehungen L 139/10 (02.06.1994) 94/315/GASP 14.10.1994 L 27113 (21.10.1994) 94/6811GASP
Aufhebung der Einschränkungen
4.Ehemaliges Jugoslawien
13.06.1994 L 165/1 (01.07.1994) 94/366/GASP
Verbot der Erfüllung von Ansprüchen gemäß § 9 der UN-Resolution 757 (1992)
10.10.1994 Einschränkung der Wirtschafts- und FiL 266/10 (15.10.1994) nanzbeziehungen zu den von bosnisch94/672/GASP serbischen Streitkräften kontrollierten Gebieten der Republik Bosnien-Herzegowina 10.10.1994 Aussetzung einiger Einschränkungen des L 266/11 (15.10.1994) Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawi94/673/GASP en (Serbien und Montenegro) 23 .01.1995 L 20/2 (27.01.1995) 95/IIIGASP
Weitere Aussetzung einiger Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
28.04.1995 L 99/2 (29.04.1995), 95/150/GASP
Weitere Aussetzung einiger Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
12.06.1995 L 138/2 (21.06.1995) 95/213/GASP
Aussetzung bestimmter Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
07.07.1995 L 160/2 (11.07.1995) 95/254/GASP
Weitere Aussetzung einiger Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
19.09.1995 L 227/2 (22.09.1995) 95/378/GASP
Weitere Aussetzung einiger Einschränkungen des Handels mit der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro)
04.12.1995 L 297/4 (09.12.1995) 95/5111GASP
Aussetzung der Handelsbeschränkungen zur Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien und Montenegro) und zu dem serbischbosnischen Gebietsteil
26.02.1996 L 58/1 (07.03.1996) 96/184/GASP
Beschränkung von Waffenexporten
09.12.1996 L 328/5 (18.12.1996) 961708/GASP
Aufhebung der Beschränkungen der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen
17.03.1997 L 8111 (21.03.1997) 9711 93/GASP
Einreiseverbot für Personen, die in Mostar am 10.02.1997 Gewalttaten begangen haben
Anhang I
223
5.Ruanda
24.10.1994 L 283/1 (29.10.1994) 94/697/GASP
Ziele und Prioritäten der EU in bezug auf Ruanda
6.Ukraine
28.11.1994 L 313/1 (06.12.1994) 941779/GASP
Ziele und Prioritäten der EU in bezug auf die Ukraine
7.Burundi
24.03.1995 L 72/1 (01.04.1995) 95/9l/GASP
Unterstützung von Burundi
06.06.1995 L 130/2 (14.06.1995) 95/206/GASP
Durchführung des Beschlusses vom 24.03.1995
06.10.1995 Nicht veröffentlicht
Gemeinsamer Standpunkt betreffend den möglichen Zusammenschluß der diplomatischen Missionen
9.Blendlaser
18.09.1995 L 227/3 (22.09.1995) 95/379/GASP
Vorbereitung eines Zusatzprotokolls zum sog. Übereinkommen von 1980 betreffend Blendlaser
10.Biologische und Toxinwaffen
25.06.1996 L 168/3 (06.07.1996) 96/408/GASP
Vorbereitung der Vierten Konferenz zur Überprüfung des Übereinkommens über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen
II.Angola
02.10.1995 L 245/1 (12.1 0.1995) 95/413/GASP
Ziele der EU in bezug auf und Förderung von Angola
8.Diplomatische Missionen
224
12.Nigeria
Anhang I
20.11.l995 L 298/1 (l1.l2.1995) 95/515/GASP
Maßnahmen wegen der Hinrichtung von Ken Saro-Wiwa und acht Mitangeklagten
04.12.1995 L 309/1 (21.12.1995) 95/544/GASP
Weitere Maßnahmen
03.06.1996 L 143/1 (15.06.1996) 96/361/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 04.12.1995 bis zum 04.12.1996
25.1l.l996 L 315/3 (04.12.1996) 96/677/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 04.12.1995 bis zum 04.06.1997
02.06.1997 L 153/6 (11.06.1997) 97/368/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 04.12.1995 bis zum 04.12.1997
13.0st-Timor
25.06.1996 L 16812 (06.07.1996) 96/407/GASP
Ziele und Maßnahmen der EU in bezug auf Ost-Timor
14.Birma/ Myanmar
28.10.1996 L 287/1 (08.11.l996) 96/635/GASP
Maßnahmen zur Förderung von Menschenrechten und Demokratie
L 315/4 (04.12.1996)
Berichtigung des Beschlusses vom 28.10.1996
29.04.1997 L 120/4 (12.05.1997) 971290/GASP
Verlängerung des Beschlusses vom 28.10.1996
15.Kuba
02.12.1996 L 322/1 (12.12.1996) 96/697/GASP
Ziele und Maßnahmen der EU in bezug auf Kuba
16.Afghanistan
17.12.1996 L 342/1 (31.12.1996) 961746/GASP
Embargo für Waffen, Munition und militärische Ausrüstung
Anhang I
225
17.Irak
17.12.1996 L 337/5 (27.12.1996) 96174l1GASP
Ausnahmen von dem Embargo (Mineralöl)
18.Afrika
02.06.1997 L 153/1 (11.06.1997) 971356/GASP
Unterstützung von Konfliktverhütung und Konfliktlösung
19.Albanien
02.06.1997 L 153/4 (11.06.1997) 97/357/GASP
Unterstützung bei der Rückkehr zu politischer und wirtschaftlicher Stabilität
111. Beschlüsse aufgrund von Art. J.4 Abs.2 EUV Region der Großen Seen
15 Münch
22.1l.l996 L 31213 (02.12.1996) 96/670/GASP
Ausarbeitung und Durchführung der gemeinsamen Aktion (L 312/1 (02.12.1996), 96/669/GASP): Die Union ersucht die WEU, zu prüfen, wie die WEU zur optimalen Nutzung der zur Verfügung stehenden operativen Mittel beitragen kann
Anhang 11 Reihenfolge des Ratsvorsitzes bis ins Jahr 2003 Unter Berücksichtigung des Beitritts von Österreich, Finnland und Schweden zur Europäischen Union wurde die in Art. 14611 EGV festgelegte Reihenfolge des Ratsvorsitzes durch einen Ratsbeschluß vom 1. Januar 1995 wie folgt angepaßt!:
Kalenderjahr
1. Halbjahr
2. Halbjahr
1995
Frankreich
Spanien
1996
Italien
Irland
1997
Niederlande
Luxemburg
1998
Vereinigtes Königreich
Österreich
1999
Deutschland
Finnland
2000
Portugal
Frankreich
2001
Schweden
Belgien
2002
Spanien
Dänemark
2003
Griechenland
1 AbI.
EG Nr. L 11220 vom 1.1.1995.
Anhang 111 Ratsarbeitsgruppen mit GASP.Zuständigkeit1 Fusionierte Arbeitsgruppen
Nicht fusionierte Ratsgruppen
Asien
Abrüstung
Ex-Jugoslawien
Afrika
OSZE
Drogen
Lateinamerika
Fernmeldewesen
~ashre~aghreb
Konsularfragen
~itteleuropa
~enschenrechte
Naher Osten/Golf
Nichtverbreitung (B- und C-Waffen)
Nahost-Friedensprozeß
Nichtverbreitung (nuklear)
Osteuropa und ~ittelasien
Planungsstäbe
Stabilitätspakt
Protokoll
Südliches Afrika
Sicherheit
Südosteuropa
Terrorismus Vereinte Nationen Verwaltungsangelegenheiten Völkerrecht Waffenexporte
I
15*
Quelle: Dok AA, S. 27.
Anhang IV GASP-Haushalt 1995, 1996 und 1997
Haushaltsjahr 1995 Haushaltslinien für operative GASP-Ausgaben im Haushalt der Europäischen Gemeinschaften 1995 J:
Haushaltslinie
Gemeinsame Aktion
Finanzmittel (Mio. ECU)
Reserve, BO-40 (Mio. ECU)
B8 -100
Mostar
10
50
B8 - 101
Stabilitätspakt
1
-
B8 - 102
Atomwaffensperrvertrag
0.5
-
B8 - 103
Sonstige gemeinsame Aktionen 2
p.m.
48,5
I AbI. EG Nr. L 369/1553-1565 vom 31.12.1994 (endgültige Feststellung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1995) und AbI. EG Nr. L 276/618-620 vom 20.1 0.1995 (endgültige Feststellung des Berichtigungs- und Nachtragshaushaltsplans Nr. 1 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1995). 2 Die in Vorbereitung befindlichen gemeinsamen Aktionen, für die im Laufe des betroffenen Haushaltsjahres eine Entscheidung erwartet wird, sowie die Aktionen, die durch die Entwicklung der internationalen politischen Lage erforderlich werden, werden in einer eigenen Haushaltslinie mit einem "p.m."-Vermerk (pro memoria) zusammengefaßt. Sie werden nach erfolgter Mittelübertragung aus der GASP-Reserve finanziert.
Anhang IV
229
Haushaltsjahr 1996 Haushaltslinien für operative GASP-Ausgaben im Haushalt der Europäischen Gemeinschaften 19963 : Haushaltslinie
Gemeinsame Aktion
Finanzmittel (Mio. ECU)
Reserve, BO-40 (Mio. ECU)
B8 -010
Mostar
32
-
B8 - Oll
Stabilitätspakt
-
-
B8 -012
Atomwaffensperrvertrag
-
-
B8 - 013
Sonstige gemeinsame Aktionen
p.m.
30
Haushaltsjahr 1997 Haushaltslinien für operative GASP-Ausgaben im Haushalt der Europäischen Gemeinschaften 19974 : HaushaItslinie
Gemeinsame Aktion
Finanzmittel (Mio. ECU)
Reserve, BO-40 (Mio. ECU)
B8 -010
Mostar
p.m.
p.m.
B8 - 013
Sonstige gemeinsame Aktionen
p.m.
7
3 AbI. EG Nr. L 22/1619-1627 vom 29.1.1996 (endgültige Feststellung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1996). 4 AbI. EG Nr. L 44/1215-1217 vom 14.2.1997 (endgültige Feststellung des Gesamthaushaltsplans der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 1997).
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Dieser Aufsatz ist ebenfalls abgedruckt bei: EPZlGASP im System der Europäischen Union - Kohärenzgebot aus rechtlicher Sicht, in: Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union: Profilsuche mit Hindernissen, Elfriede Regelsberger (Hrsg.), Bonn 1993, S. 53-68 Münch, Ingo von, Völkerrecht (ohne Internationale Organisationen und Kriegsvölkerrecht) in programmierter Form mit Vertiefungshinweisen, 2. Aufl., Berlin, New York 1982 (zitiert: von Münch VR) Nuttall, Simon J., European Political Co-Operation, Oxford 1992 (zitiert: Nuttall EPC)
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