Die messianische Weissagung und ihre Erfüllung: Mit besonderer Beziehung auf ihre Behandlung in der Schule 9783111651286, 9783111267647


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German Pages 96 [100] Year 1905

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
A. Die messianischen Weissagungen im Alten Testament
B. Das Verhältnis der Weissagung zur Erfüllung
C. Praktische Folgerungen für den Unterricht
D. Lehrbeispiele
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Die messianische Weissagung und ihre Erfüllung: Mit besonderer Beziehung auf ihre Behandlung in der Schule
 9783111651286, 9783111267647

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DIE

MESSIANICHE WEISSAGUNG UND IHRE ERFÜLLUNG MIT BESONDERER BEZIEHUNG

AUF

I H R E BEHANDLUNG IN DER SCHULE VON

DR. JULIUS RICHTER O B E R L E H R E R AM W Ö H L E R R E A L G Y M N A S I U M IN F R A N K F U R T A H H A I N

VERLAG

VON A L F R E D

TÖPELMANN

(VORMALS J . RICKER) — GIESZEN — 1 9 0 5

Druck von C. G. Röder, G. m. b. H., Leipzig.

Vorwort. Die folgende Arbeit möchte eine Handreichung für den Religionsunterricht auf höheren Schulen sein. Mir schien das Bedürfnis danach ein dringendes zu sein, da meines Erachtens die wertvollen Ergebnisse der neueren theologischen "Wissenschaft gerade für die Fiage nach der "Weissagung und Erfüllung bis jetzt in unsern Lehrbüchern oder Hilfsmitteln für den Religionsunterricht noch wenig oder gar nicht verwertet worden sind. Ich habe viele Religionslehrbücher daraufhin durchgesehen und habe gewiß manch wertvolles Gut unserer "Wissenschaft darin verarbeitet gefunden; zumal die Behandlung des Prophetismus steht unter dem Einfluß der neueren Forschung. Aber gerade über die messianische Weissagung scheinen mir noch immer vielfach veraltete Anschauungen umzulaufen, die wegen ihrer Rückständigkeit einmal abgetan werden müssen. Das „Protevangelium" behauptet immer noch seinen Platz unter den Weissagungen, immer noch herrscht die Anschauung, daß die messianische Weissagung fortschreite von den Uranfängen der Menschheit zum auserwählten Volke, zum Stamme Juda, zum Davidshause, zu der einen Person des Messias, immer noch findet man in verhältnismäßig harmlosen Andeutungen des Alten Testaments schon die ganze Fülle des neutestamentlichen Heiles vorausgesehen. Ist es nicht an der Zeit, diesen ,Urväterhausrat" endlich einmal abzuschütteln? Und noch unsicherer dürfte im allgemeinen die Antwort sein auf die so wichtige Frage nach der Erfüllung. Haben sich die messianischen Weissagungen überhaupt er*

IV füllt? Und wenn das der Fall ist, in welchem Maße, in welchem Sinne? Etwa in „höherem, geistigen* Sinne, oder ist die Erfüllung im Gegenteil hinter der Weissagung zurückgeblieben? Und um auf den Kern zu kommen: Jesus, ist er der Messias gewesen, den das Alte Testament erwartete, oder war er es nicht? In welchem Sinne konnte er sich die Messianität beilegen? In welchem Sinne ist er für uns der Messias, welche Bedeutung hat überhaupt der Begriff der Messianität für das Christentum? Wir sehen, welch eine Menge von Fragen zusammenhängt mit dem Begriff der messianischen Erfüllung. Werden sie beantwortet in unserm Religionsunterricht? Die alttestamentliche wie die neutestamentliche Wissenschaft gibt uns nun genug Ergebnisse an die Hand, um einen Weg für die Behandlung dieser Fragen zu finden. So ist denn im folgenden der Versuch gemacht, die wissenschaftlichen Ergebnisse so darzustellen, daß sie für den Unterricht verwertbar werden. Manchem wird vielleicht die Vorsicht übertrieben erscheinen, mit der ich mich nur auf die sicher messianischen Weissagungen beschränkt habe. Mir schien solche Vorsicht geboten im Gegensatz zu der andern Richtung, die unbesehen den ganzen alten Vorrat von Weissagungen übernimmt und überall messianische Gedanken wittert. Es ist gewiß besser und methodisch richtiger, sich an das unbestreitbar Sichere zu halten, als auf unsicherem Grunde zu bauen. Wie oft wird auch heute noch der Weissagungsbeweis für die Wahrheit des Christentums geführt, und wie wankend und morsch sind die Stützen, die die kostbare Last tragen sollen! Damit dient man nicht der Sache des Christentums, sondern man gefährdet sie. Und ihr zu dienen ist doch die höchste Aufgabe unseres Unterrichts.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Einleitung

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.

1—8

A. Die messianischen Weissagungen im Alten Testament 9—49 I. D i e v o r p r o p h e t i s c h e n „ W e i s s a g u n g e n " . . 1. Gen. 49. Der Jakobsegen 2. Num. 23. 24. Die Bileamsprüche 3. Gen. 3. Das Protevangelium 4. Die Abrahamverheißungen 5. II. Sam. 7 13 ff. Die Weissagung an David . 6. Ergebnisse II. D i e p r o p h e t i s c h e n m e s s i a n i s c h e n sagungen 1. Arnos 2. Hosea 3. Jesaia 4. Micha 5. Jeremja 6. Ezechiel 7. Deuterojesaia 8. Tritojesaia 9. Haggai und Sacharja 10. Maleachi 11. Sacharja 9 und 12 12. Joel • III. D i e m e s s i a n i s c h e Psalmen 1. Ps. 2 . . • 2. Ps. 72 3. Ps. 110 4. Ps. 132 5. Ps. 89 VI. D a n i e l Y. E r g e b n i s s e

Weissagung

Weis-

in

den

9—21 9 12 13 16 17 19 21—43 22 24 25 30 31 34 35 38 39 40 40 42 43—46 43 44 44 45 46 46—48 48—49

VI Seite

B. Das Verhältnis der Weissagung zur Erfüllung 50—69 I. Die neu testamentliche A u f f a s s u n g der Weissagung und ihrer Erfüllung II. Die E r f ü l l u n g s g e s c h i c h t e 1. Jesu Reichsgedanke a) Die innere Seite b) Die äußere Seite 2. Jesu messianischer Beruf a) Die innere Seite b) Die äußere Seite c) Die Notwendigkeit des Leidens und Sterbens 3. Ergebnisse 4. Vorbereitende Weissagung und vollendende Erfüllung

50—63 58—69 53 54 66 58 58 68 58 61 67

C. Praktische Folgerungen für den Unterricht 70—76 I. Behandlung der messianischen Weissagung im Zusammenhang mit den einzelnen Propheten . . II. Die Frage nach der Erfüllung als Abschluß der Behandlung der Weissagung III. Die Erörterung der vorprophetischen „Weissagungen"

D. Lehrbeispiele I. Hosea II. Jesaia III. Deuterojesaia

70—72 72—74 74

77—90 77 81 85

Einleitung. 1. Die g e s c h i c h t l i c h e B e d e u t u n g der m e s s i a n i schen W e i s s a g u n g e n geht nicht auf in der Wirkung, die sie ausgeübt haben auf die Zeit, in der sie gesprochen worden sind, ihre höhere Bedeutung besteht vielmehr in ihrer Abzielung auf das Christentum, in ihrer Geltung für die Gedanken und die Geschichte des Neuen Testaments. In diesem Sinne gehört zur Weissagung die Erfüllung als das Ziel, dem jene zustrebt. E s ist nun eine der wichtigsten Fragen für das Verständnis des Christentums, zumal seiner Entstehung aus der israelitischen Religion heraus, wie das Verhältnis zwischen Weissagung und Erfüllung zu bestimmen ist, in welchem Sinne man von einer Erfüllung der Weissagung reden kann. 2. Aus der über die Zeitgeschichte hinausragenden Bedeutung der messianischen Weissagung folgt für den c h r i s t lichen R e l i g i o n s u n t e r r i c h t , daß die Weissagungen nicht lediglich für sich zu behandeln sind, ohne daß ihre Abzielung aufs Christentum ins Auge gefaßt würde. Denn für den christlichen Religionsunterricht hat das Alte Testament nicht wie etwa für die Religionswissenschaft den selbständigen Wert einer Urkunde der Religion Israels, sondern es kommt lediglich in seiner vorbereitenden Bedeutung für das Christentum in Betracht. Diese Bedeutung aber tritt sonst nirgendwo so deutlich hervor, der Zusammenhang zwischen Altem und Neuem Testament leuchtet an keinem anderen Punkt so ein, wie in der messianischen R i c h t e r , messian. Weissagung.

1

2 Weissagung. Ist es also die Hauptaufgabe des Religionsunterrichts, das Verständnis des Christentums zu wecken und zu fordern, so geschieht das bei der Behandlung der messianischen Weissagung dadurch, daß ihre Bedeutung für das Neue Testament, mit anderen Worten, ihre Erfüllung ins Auge gefaßt wird1). 3. Ein gründliches und sicheres Verständnis der alttestamentlichen Weissagung in ihrer Bedeutung für das Neue Testament wird nun aber nicht dadurch erreicht, daß die Weissagungen von vornherein nur im Lichte der Erfüllung, also im Lichte des Neuen Testaments, angesehen werden. Darin besteht gerade der Fehler früherer Betrachtungsweisen, daß man ausging vom Neuen Testament, um das Alte zu verstehen. So las man vielfach das Neue in das Alte hinein, anstatt umgekehrt erst einmal den ursprünglichen Sinn des Alten Testaments festzustellen und dann nach seiner Erfüllung im Neuen zu fragen. Der Fortschritt der alttestamentlichen Wissenschaft im vorigen Jahrhundert spiegelt sich naturgemäß auch in der Auffassung dieses Verhältnisses zwischen Weissagung und Erfüllung wider. Wir unterscheiden drei Hauptstufen, von denen jede durch die nachfolgende korrigiert, bezw. überwunden wird. a) Die d o g m a t i s c h e B e t r a c h t u n g s w e i s e HENGSTENBERGS und seiner Schüler, niedergelegt in seiner „Christologie des Alten Testaments* 1829—35. HENGSTENBERG fragte lediglich vom Standpunkt seiner im engsten Anschluß an das Neue Testament gewonnenen Dogmatik aus nach der G-rundidee, die der G e i s t Gottes in den Weissagungen der Propheten habe aussprechen wollen. Wenn er auch eine erste zeitliche Realisierung von dieser Grundidee unterschied, so blieben für die Bestimmung der letzteren doch ') Im Gegensatz hierzu wird in den meisten Religionslehrbüchem der Begriff der Erfüllung nicht behandelt, höchstens beiläufig erwähnt, gewöhnlich in dem Sinne, daß die Erfüllung noch Höheres gebracht habe als die Weissagung. H E I D R I C H S Handbuch II Tl. bildet eine Ausnahme.

3 im Grande die ursprünglichen Vorstellungen der prophetischen Männer und die geschichtliche Abzweckung ihrer Predigt gleichgültig. Die Verbindung zwischen dem Alten und Neuen Testament wurde nur künstlich durch das Wirken des Gottesgeistes hergestellt, der einerseits in den Propheten, andererseits im Christentum wirkte. b) Die t y p o l o g i s c h e A n s c h a u u n g H O F M A N N S ("Weissagung und Erfüllung 1841—44) unterschied sich von der H E N G S T E N B E R G S dadurch, daß sie im ganzen Gange der alttestamentlichen G e s c h i c h t e eine Verheißung auf die Vollendung des christlichen Gottesreichs sah, indem jener dieses in immer deutlicherer und reinerer Form vorausbilden sollte. Die alttestamentlichen Gestalten, Ereignisse, Vorstellungen sind Typen, Präformationen für ihre Antitypen im Neuen Testament. Die prophetische "Wortweissagung trat neben und hinter dieser typologischen Betrachtung zurück. Der Vorzug dieser großzügigen Betrachtungsweise vor der früheren war der, daß sie absichtsvoll auf den Entwicklungsgang der alttestamentlichen Geschichte gerichtet war, daß sie die enge geschichtliche Beziehung zwischen dem Alten und Neuen Testament, den organischen Zusammenhang zwischen der alttestamentlichen und neutestamentlichen Religion erfaßte, der bei H E N G S T E N B E R G ersetzt wurde durch das Bindeglied des Gottesgeistes. Aber die Gefahr wurde doch auch hier nicht vermieden, daß die alttestamentliche Geschichte zu sehr unter neutestamentliche Beleuchtung gestellt wurde, daß der Typus erst vom Antitypus und nur von ihm her gedeutet wurde. c) Erst seit in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die alttestamentliche "Wissenschaft mit ihrer philologisch-historischen Methode, ohne Rücksicht auf das Neue Testament oder auf dogmatische Voraussetzungen, die Schriften des Alten Testaments bearbeitete, ihr geschichtliches Entstehen untersuchte und die zeitgeschichtliche Bedingtheit und Begrenzung ihrer Gedanken herausstellte, mußte auch eine rein h i s t o r i s c h e B e h a n d l u n g der messianischen "Weissagung an die Stelle der durch das 1*

4 Neue Testament gebundenen treten. Zugleich arbeitete sich auch in der neutestamentlichen Wissenschaft immer mehr die Erkenntnis heraus, wie sehr die neutestamentliche Wertung der messianischen Weissagungen, die bisher vielfach, wie wir sahen, maßgebend gewesen war, im Banne des zeitgeschichtlichen jüdischen Denkens, besonders apokalyptischer Anschauungen, stand, die überall im Alten Testament Anspielungen auf den Messias und sein [Reich fanden (H. SCHULTZ: Über doppelten Schriftsinn 1866). Grundlegend für die neue geschichtliche Behandlung der Weissagung war namentlich R I E H M (Zur Charakteristik der mess. Weissagung, Stud. u. Krit. 1865—69) mit seinem Grundsatz: Der Inhalt der W e i s s a g u n g e n , d. h. der Sinn, in welchem die P r o p h e t e n d i e s e l b e n selbst verstanden und von ihren Z e i t g e n o s s e n verstanden w i s s e n wollten, sei wohl zu u n t e r s c h e i d e n von der durch Gottes Ratschluß g e o r d n e t e n o f f e n b a r u n g s g e s c h i c h t l i c h e n A b z i e l u n g auf die E r f ü l l u n g durch Christus. Danach muß also zuerst genau der ursprüngliche Sinn der alttestamentlichen Worte herausgestellt werden, und erst dann kann zweitens festgestellt werden, worin ihre höhere Bedeutung, ihre Abzielung auf das Christentum besteht. 4. Dieser wissenschaftliche Grundsatz dürfte gegenwärtig wohl in allgemeiner Geltung stehen. Es bleibt aber noch die Frage, woraus denn die Erkenntnis jener höheren nach Gottes Ratschluß geordneten Abzielung auf die Erfüllung gewonnen wird. Die Antwort darauf lautet immer noch vielfach: nur aus der Auffassung, die Jesus und die Apostel von den alttestamentlichen Schriftstellern hatten. RIEHM selbst hielt den Sinn, den die Apostel in der Schrift fanden, im allgemeinen nicht für eingetragen, sondern für objektiv berechtigt, weil ihr Verständnis dem faktischen Idealgehalt der alttestamentlichen Weissagung entspreche, weil sie zwar nicht den zeitgeschichtlichen Sinn derselben, wohl aber ihre eigentliche innere und letzte Abzielung ins Auge faßten. Demnach wäre das Urteil der

5 Apostel über die A b z i e l u n g der alttestamentlichen Worte für uns immer noch maßgebend. Sie also hätten darüber zu entscheiden, welche "Worte des Alten Testaments auf Christus abgezielt haben, für diese Frage trüge der zeitgeschichtliche Sinn derselben nichts bei Auch O R E L L I (Die alttestamentliche Weissagung von der Vollendung des Reiches Gottes 1882) behauptet das objektive Recht, also auch die objektive, allgemeingültige Wahrheit der apostolischen A u f f a s s u n g von der Erfüllung, wenn er auch den Einfluß der jüdischen Schulbildung auf sie nicht leugnet. Ob die Worte der Propheten tiefere Wahrheit enthalten haben, das können wir nicht von ihnen selbst wissen, es ist ihnen oft gar nicht bewußt gewesen, Jesus gibt den Worten der Propheten erst ihren wahren Inhalt. Mag David z. B. in den Leidenspsalmen zunächst nur von sich gesprochen haben, die Idee des leidenden Gottesknechtes und Gotteskönigs ist erst in Christo verwirklicht, also gehen jene Worte auf ihn, erfüllen sich in ihm. Also den tieferen Sinn der Weissagung könnten wir nur aus den neutestamentlichen Anschauungen darüber gewinnen, die alttestamentliche Untersuchung hat nach O R E L L I nur grammatisch-historischen Wert, sie führt uns nur bis zur zeitgeschichtlichen Abzweckung der Weissagungen. Glücklicherweise hat aber R I E H M doch wenigstens zugegeben, daß die neutestamentlichen Schriftsteller in der „Plerophorie ihrer Überzeugung", daß das ganze Alte Testament von Christus weissage, manchmal weiter gegangen seien, als eine r i c h t i g e g e s c h i c h t l i c h e A u s l e g u n g der altt e s t a m e n t l i c h e n S c h r i f t w o r t e anerkennen könne, besonders wenn im Neuen Testament die jüdisch hermeneutische oder allegorische Methode der Schriftauslegung angewandt werde. Was folgt aber daraus anderes, als daß die a l t t e s t a m e n t l i c h e U n t e r s u c h u n g selbst zur Kontrolle der n e u t e s t a m e n t l i c h e n Vorstellungen v o n der E r f ü l l u n g dienen muß! Also die höhere Abzielung der Weissagung wird nicht bloß aus dem Neuen Testament erkannt, sie muß schon in der Weissagung

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selbst irgendwie beabsichtigt und angedeutet sein, die Richtung auf das messianische Ziel muß schon in ihr hervortreten 1 ). Die neutestamentlichen Vorstellungen darüber können uns keine unbedingte Autorität sein, weil sie unter dem Einfluß der jüdischen Hermeneutik vielfach einen fremden Sinn in die alttestamentlichen Worte eintragen. Nun kann aber doch offenbar die höhere Bedeutung der alttestamentlichen Worte, ihre genaue Abzielung, nur vom erreichten Ziele aus, also doch wohl vom Neuen Testament aus voll erfaßt und verstanden werden. Wie denn nun, wenn die Vorstellungen der neutestamentlichen Verfasser über diesen Punkt vielfach unzuverlässig sind? Woher wissen wir dann, ob und wie sich alttestamentliche Weissagungen erfüllt haben? Die Antwort auf diese Frage wird lauten: indem wir uns nicht lediglich an die Vors t e l l u n g e n der neutestamentlichen Schriften über die Erfüllung alttestamentlicher Worte halten, sondern an die G e s c h i c h t e der E r f ü l l u n g selbst. Denn es ergibt sich schon aus dem Vorangehenden, und wir werden es später noch deutlicher erkennen, daß diese beiden Begriffe sich keineswegs decken. Aus dem hier Gesagten folgt für unsere Arbeit, 1. daß schon die alttestamentliche Untersuchung wird entscheiden können und müssen, welche Worte des Alten Testamentes als messianische Weissagungen anzusehen sind und welche nicht; 2. daß erst der Blick auf die Erfüllungsgeschichte uns lehren kann, in welchem S i n n e sie abzielen auf ihre Erfüllung, inwiefern man auch von ihrer Erfüllung reden darf. 5. Wenn man nun auch neuerdings die messianische Weissagung nach den angegebenen Grundsätzen behandelt — mit oder ohne Klarheit über die befolgte Methode —, ') So H Ü H N , Die messi&nischen Weissagungen des israelitischjüdischen Volkes I S. 3: „Echte messianische Weissagungen sind blofl diejenigen prophetischen Aussprüche, welche wirklich n a c h der Abs i c h t i h r e r U r h e b e r auf eine selige Endzeit hindeuten".

7 so fragt sich doch, ob der Weg, der oft dabei eingeschlagen wird, der richtige ist. Wir können vielleicht ein Schema aufstellen, das vielfach angewandt wird trotz mancher Abweichungen im einzelnen, a) Bei der alttestamentlichen Darstellung zunächst befolgt man die „ heilsökonomische" Betrachtungsweise, welche die Weissagung vom Menschengeschlecht im weitesten Umfange ausgehen läßt, sie in immer engeren konzentrischen Kreisen durch das Volk Israel, den Stamm Juda, die Familie Davids hindurchführt, bis sie endlich die Einzelperson des Messias erreicht1). b) Bei der Frage nach der Erfüllung hebt man zunächst das Mangelhafte des zeitgeschichtlichen Sinnes der Weissagung hervor, die Lückenhaftigkeit oder das Ausbleiben ihrer zeitgeschichtlichen Erfüllung, und weist schließlich die höhere, vergeistigte Erfüllung in Christus nach, indem man in ihm die „ewige Idee" oder den „Kern" der Weissagung erkennt"). Es wird sich fragen, und wir werden im folgenden darauf zurückkommen, ob diese Behandlungsweise (a) dem richtigen Verständnis des Alten Testaments entspricht, und ob sie (b) dem wahren Verhältnis zwischen Weissagung und Erfüllung gerecht wird. 6. Die A n o r d n u n g des Stoffes ergibt sich aus dem, was im Vorangehenden ausgeführt ist. Es wird zunächst im I. Teil festgestellt, wo im Alten Testament von messianischen Weissagungen gesprochen werden kann und was der Inhalt derselben ist. Sodann wird im II. Teil nach Maßgabe der im Neuen Testament enthaltenen Geschichte das Verhältnis zwischen Weissagung und Erfüllung ') vgl. z. B . H O L L E N B E R G (Hilfsbuch): Der Erlöser wird ausgehen vom Weibessamen — — aus Abrahams Samen, aus Judas Stamm, aus Isais und Davids Haus. *) Das unter a) und b) beschriebene Verfahren scheint uns im ganzen z. B . auch D E L I T Z S C H („Messian. Weissagungen" 1891) angewandt zu haben. Typisch dafür dürfte besonders eine neuere Arbeit sein, die gerade den Religionslehrern eine Handreichung bieten will: R I C H . B U S C H : Die messianische Weissagung in der Schule (Tübingen und Leipzig 1901).

8 bestimmt. Endlich werden sich im HL Teil aas den so gewonnenen Resultaten bestimmte Folgerungen für die Behandlung der messianischen Weissagungen im Unterricht ergeben. In einem IV. Teile sollen einige Lehrbeispiele dartun, wie der Verfasser sich die unterrichtliche Behandlung der Weissagungen denkt.

A. Die messianischen Weissagungen im Alten Testament. I. Die vorprophetischen „Weissagungen".

An die Spitze unserer Erörterung über die messianischen Weissagungen im Alten Testament stellen wir den Satz, daß vor der Zeit des P r o p h e t i s m u s von einer e i g e n t l i c h e n m e s s i a n i s c h e n W e i s s a g u n g nicht geredet werden kann. Wir schließen uns dabei an den herrschenden Sprachgebrauch an, der alle Hindeutungen auf einen künftigen Abschluß der Geschichte, auf eine Zeit der V o l l e n d u n g , als „messianisch" faßt1). Die durchgängige Verbindung dieser allgemeinen Weissagung mit dem besonderen Hinweise auf den „Messias" ist freilich grundleglich erst in den jüdischen Apokalypsen vollzogen, wo dieser Name für den erhofften Erlöser erst allgemein gebräuchlich wird. Der aufgestellte Satz ergibt sich sowohl aus einer konsequent durchgeführten kritisch-historischen Wertung der Weissagungsstücke, als auch aus der genauen inhaltlichen Erfassung ihres Sinnes. Er wird sich an den sog. „ Weissagungen" erweisen lassen, ohne daß sie im einzelnen der eingehendsten exegetischen Untersuchung unterzogen werden müssen. 1. Eins der ältesten Weissagungsstücke ist ohne Zweifel der J a k o b s s e g e n Gen. 49. Wahrscheinlich hat schon der *) Vgl. H Ü H N a. a. 0.: Die messianischen "Weissagungen sind der Ausdruck der auf eine vollkommene Endzeit gerichteten prophetischen Erwartungen.

10 j ah wis tische Redaktor ihn als altisraelitische Überlieferang vorgefunden und seiner Erzählung einverleibt. Die Aussprüche weisen nun offenbar auf eine Zeit, in der die israelitischen Stämme schon seßhaft waren in Kanaan, in der einzelne sogar schon ihre Geschichte hinter sich hatten. Der Weissagungscharakter, die futurische Wendung der Worte kommt nicht gegen den Eindruck auf, daß gegenwärtige Verhältnisse geschildert werden. E r ist also offenbar nur eine Form. Man kleidete das, was man den Stämmen über ihre gegenwärtige Lage zu sagen hatte, in die Form der Weissagung eines alten Ahnherrn des Volks und gab ihm dadurch einen besonders feierlichen Ausdruck und erhöhte Bedeutung. Dem Stamm Juda im besonderen wird nun v. 8—12 eine Herrscherstellung über seine Bruderstämme zugewiesen. Und zwar wird diese Stellung näher bezeichnet durch das Szepter und den Herrscherstab, den Juda in den Händen haben soll. Viel umstritten sind die Worte in v. 10 'äd ki jäbh'ö silöh, welche allem Anschein nach den Zeitpunkt angeben sollen, bis zu welchem die Machtstellung Judas ins Auge gefaßt ist. Die Erklärungsversuche sind so zahlreich und verschieden, daß sie uns nicht ermutigen, irgend einem von ihnen beizustimmen1). l ) Die wichtigsten Deutungen der Worte sind folgende: 1. Man übersetzt „bis er — sc. Juda — nach Siloh kommt" und denkt dabei an die Versammlung der in Kanaan eingewanderten Stämme zu Siloh Jos. 18. Dem Stamme Juda wäre dann das Herrschervorrecht über seine Brüder während des Wüstenzuges und der Eroberung des Landes zugestanden, bis mit dem Reichstage von Siloh die Einnahme des Landes vollendet war. Dazu würden die gleich angeschlossenen Worte passen: „und ihm der Gehorsam der Völker" d. h. bis die Völker — sc. die Völker des eroberten Landes — sich ihm als dem Führer der Stämme unterworfen hatten. Nach dieser Deutung aber wäre von der bereits vergangenen Machtstellung Judas die Rede, während die sonstigen Sprüche sich offenbar auf die gegenwärtige Lage der Stämme beziehen. Außerdem wird nirgends berichtet, daß Juda wirklich während des Wüstenzuges die Herrschaft über die Bruderstämme geführt habe. Die Bemerkungen Num. 2 3. 9 sowie das Jud. 1 Erzählte reichen doch dazu nicht aus. Vollends kann von einer Herrschaft, die durch das Szepter als eine fürstliche gekenn-

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Wir können uns also nur an den übrigen klaren Inhalt des Spruches halten. Die Erwähnung des Szepters weist dann am einfachsten auf die Zeit, da der Stamm Juda durch die Königsherrschaft Davids die Oberhoheit über die anderen Stämme gewonnen hatte. Die Unterwerfung der „Völker* (v. 10 Schi.) ist durch die glücklichen Kriege Davids erklärt (II. Sam. 5. 8. 12), und auch die Schilderung des behaglichen und reichen Genusses (v. 11 und 12) ist verständlich, wenn der Spruch an den Frieden und die Macht denkt, die David sich und seinem Lande zu erkämpfen suchte, während sie keineswegs etwa auf zeichnet ist (vgl. Ps. 45