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German Pages 340 Year 1995
Eckart Conze gaullistische Herausforderung
Eckart Conze
Die gaullistische Herausforderung Die deutsch-französischen Beziehungen in der amerikanischen Europapolitik 1958-1963
R. Oldenbourg Verlag München 1995
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf alterungsbeständigem Papier D29
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Conze, Eckart: Die gaullistische Herausforderung : die deutsch-französischen Beziehungen in der amerikanischen Europapolitik 1958-1963 / Eckart Conze. - München : Oldenbourg, 1995 Zugl.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1992/93 ISBN 3-486-56106-5
© 1995 R. Oldenbourg Verlag GmbH, München Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Satz: Georg Meiereder, Schrobenhausen Druck und Bindung: R.Oldenbourg Graphische Betriebe GmbH, München ISBN 3-486-56106-5
Meinen Eltern
Inhalt Vorwort Einleitung 1. Thema und Fragestellung 2. Forschungsstand 3. Quellen
9 11 11 25 31
I. Im Schatten der Berlin-Krise 1.1. Ende der Harmonie: Berlin und die Risse im deutsch-amerikanischen Verhältnis 1.1.1. Dulles, Adenauer und Deutschland 1.1.2. Chruschtschows Ultimatum: Probe der Partnerschaft 1.1.3. Deutsch-amerikanische Vertrauenskrise 1959
35
1.2. Beginn einer Entente: De Gaulles Frankreich und die Krise um Berlin 1.2.1. De Gaulle, Deutschland und Europa bis 1958 1.2.2. Die Begegnung von Colombey 1.2.3. Deutsch-französisches Quid pro quo: Berlin und die Freihandelszone 1.3. Herausforderung de Gaulle: Die USA und Europa 1958/59 1.3.1. Die deutsch-französischen Beziehungen im Kontext der amerikanischen Europapolitik 1.3.2. Die sistierte Krise: Der Westen und die Genfer Außenministerkonferenz 1959 1.3.3. Washington im deutsch-französischen Dilemma
36 36 46 52 63 63 72 79 88 88 96 112
1.4. Der engagierte Beobachter: Die USA und die Bonner Präsidentschaftskrise 1959 1.4.1. Wohin treibt die Union? Washington und die innenpolitische Landschaft der Bundesrepublik 1.4.2. Adenauers Präsidentschaftskandidatur im Spiegel amerikanischer Einschätzungen 1.4.3. Ludwig Erhard: Sachwalter amerikanischer Interessen? . . .
130 140
1.5. Das Jahr 1960-Ruhe vor dem Sturm
151
121 121
8
Inhalt
II.
„Grand Design" und „Grand Dessein": Das Ringen um die europäische Ordnung 1961 bis 1963
163
11.1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy II. 1.1. Ein schwieriges Erbe II.1.2. Die europapolitische Agenda II. 1.3. Ein vielsprechender Beginn: Adenauer in Washington . . . . II.1.4. Kontrahenten nehmen Maß: Kennedy in Paris
164 164 173 180 196
11.2. Sperren in Berlin - Risse In der Allianz 11.2.1. Der „kalte Sommer" des Mauerbaus 11.2.2. Die amerikanische Entspannungspolitik und ihre europapolitischen Konsequenzen 11.2.3. Auf dem Weg zum „Europa der Vaterländer"
202 202
11.3. Kennedys „Grand Design": Aufstieg und Fall einer Vision 11.3.1. Hegemonie durch Partnerschaft 11.3.2. Zwischen Reims und Ludwigsburg: De Gaulies Werben um die Bundesrepublik 11.3.3. Nassau und die Folgen: Das Scheitern des „Grand Design" 11.4.1963-Das Jahr der „Atlantiker" 11.4.1.Ein neuer Anlauf: Die Neuorientierung der amerikanischen Europapolitik 1963 11.4.2. Washington, der Elysee-Vertrag und die deutschen „Atlantiker" 11.4.3. Verwelkende Rosen: Die USA und das Ende des deutschfranzösischen Bilateralismus im Sommer 1963
211 221 227 227 238 251 260 260 266 276
Schlußbetrachtung
295
Abkürzungen
301
Quellen- und Literaturverzeichnis
303
Register
334
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1992/93 von der Philosophischen Fakultät I der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Ohne mannigfaltige Unterstützung hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Mein Dank gilt zunächst und vor allem meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Michael Stürmer. Er hat die Arbeit angeregt sowie ihr Entstehen kritisch und konstruktiv, niemals einengend begleitet. Er hat mich zu fragen gelehrt, nicht nur zu antworten. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Professor Dr. Anselm Doering-Manteuffei. In unseren zahlreichen Gesprächen hat er der Studie wichtige Impulse gegeben, vor Abwegen gewarnt und mich, nicht zuletzt, fordernd motiviert. Dank schulde ich der Robert Bosch Stiftung für die großzügige Unterstützung des Forschungsprojekts. Ich danke ferner den Mitarbeitern der von mir besuchten Archive und Bibliotheken für ihre kompetente Hilfe bei Materialsuche und -auswertung. Eine Arbeit wie die vorliegende wäre nicht denkbar ohne ein wissenschaftliches Umfeld, in dem sie gedeihen kann. Das Nuclear History Program (NHP) hat mir über die deutschen Grenzen hinaus wertvolle Kontakte verschafft, von denen die Studie in vielerlei Hinsicht profitieren konnte. Für Gespräche, Anregungen und Ratschläge danke ich insbesondere den Freunden und Kollegen der Stiftung Wissenschaft und Politik (Ebenhausen) sowie des Seminars für Zeitgeschichte der Universität Tübingen. In großer Schuld stehe ich bei Frau Gabriele Metzler, die die undankbare Aufgabe des kritischen Korrekturlesens auf sich genommen hat. Zusammen mit anderen „Tübingern" hat sie mir darüber hinaus, wenn nötig, immer wieder den Rücken freigehalten. Auf ihre besondere Weise hat Saria zur Fertigstellung der Arbeit beigetragen. Ihr, der ich ohne diese Dissertation nie begegnet wäre, gilt mein lieber Dank. Zuletzt aber danke ich meinen Eltern, die es mir ermöglicht haben, den Weg zu gehen, den ich gegangen bin. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Tübingen, im Juni 1994
Eckart Conze
Einleitung 1. Thema und Fragestellung Der Vertrag von Maastricht vom Februar 1992 mit dem Endziel der Schaffung einer Europäischen Politischen Union schließt formell einen Integrationsprozeß ab, der vor mehr als 40 Jahren, 1951, mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) durch Frankreich, die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten begonnen hatte. Freilich lassen die politisch-gesellschaftlichen Veränderungen in der Welt seit 1989, das Ende des Kalten Krieges, die europäische Einigung in einem neuen Licht erscheinen. Nach dem Zerfall des östlichen, von der Sowjetunion beherrschten Blocks gewannen insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika Befürchtungen an politischem Gewicht, das sich einigende westliche Europa könne nun, angesichts der entfallenen kommunistischen Bedrohung, in ein weltweites Konkurrenzverhältnis zu den USA treten, das eben nicht mehr durch die Notwendigkeit einer gemeinsamen westlichen Defensivposition nach außen, sprich: Osten, domestiziert werde. Doch diese Befürchtungen sind nicht neu, sondern vielmehr auf amerikanischer Seite seit den Anfängen der europäischen Integration vorhanden gewesen. Seitdem die europäische Einigung nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine außenpolitische Maxime der USA wurde, war sich Washington der Ambivalenz dieser Politik, ihrer Risiken und Chancen bewußt: Die USA konnten von der Integration Europas „aufgrund ihrer strukturellen Überlegenheit eine Ausdehnung ihrer nationalen Einflußchancen, die Entlastung von Sicherheitskosten und damit eine Erweiterung ihrer globalen Handlungsfreiheit" erwarten. 1 Darüber hinaus ließ sich die Truman-Administration von der Überzeugung leiten, daß der Erhalt einer „dynamischen Wirtschaft" in den USA den Wiederaufbau der europäischen Handelspartner und deren Eingliederung in ein multilaterales Welthandelssystem erforderlich mache. 2 Strategische Überlegungen in der Anfangsphase des Kalten Krieges gesellten sich den politischen und wirtschaftlichen Argumenten hinzu: „American policymakers viewed 1
2
Mai, Gunther, Dominanz oder Kooperation im Bündnis? Die Sicherheitspolitik der U S A und der Verteidigungsbeitrag Europas 1945-1956, in: HZ 246 (1988), S. 327-364, hier S. 329/ 30. Vgl. Hogan, Michael J., The Marshall Plan. America, Britain, and the Reconstruction of Western Europe, 1947-1952, Cambridge 1987, S.26.
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Einleitung
European markets, sources of supply, manpower resources, and industrial capacity as strategic assets that must not be controlled by a hostile power or coalition." 3 Das Integrationskonzept, das bereits dem Marshall-Plan des Jahres 1947 innewohnte, verband wirtschaftliche und politisch-strategische Zielsetzungen. Es half Westeuropa ökonomisch zu revitalisieren - bei eindeutiger Ausrichtung des Handels auf die westliche Hemisphäre - , stabilisierte gleichzeitig bzw. in der Folge die westeuropäischen Staaten, die entstehende Bundesrepublik eingeschlossen, und immunisierte sie damit gegen sowjetische Expansions- und Durchdringungsversuche. 4 Der Marshall-Plan war, wie Gunther Mai gezeigt hat, nicht, entgegen vielfachen Behauptungen, Meilenstein auf dem amerikanischen Weg zu NATO und dauerhafter militärischer Präsenz in Europa, sondern er sollte vielmehr die Notwendigkeit des Militärpakts beseitigen, indem die Europäer ökonomisch und sozial in die Lage versetzt wurden, sich militärisch selbst zu verteidigen. 5 Noch 1948 favorisierte das State Department die Integration Europas als „Dritte Kraft": „ ( . . . ) not merely the extension of US influence but a real European organization strong enough to say 'no' both to the Soviet Union and to the United States, if our actions should seem so to require." 6 Der Begriff der „Dritten Kraft" ist insofern problematisch, als er Ende der vierziger Jahre noch nicht oder noch nicht eindeutig gaullistisch besetzt war. Er meinte zunächst nicht eine „Dritte Kraft" im Sinne eines Europa zwischen den Blöcken, sondern eher, und deshalb ist er mißverständlich, ein zweites, westeuropäisches Kraftzentrum innerhalb des westlich-atlantischen Rahmens. Seine Grenzen fand das Konzept der „Dritten Kraft" freilich an den bereits skizzierten wirtschaftlichen und politisch-strategischen Zielen amerikanischer Außenpolitik, welche allerdings in hohem Maße mit den Eigeninteressen der Westeuropäer übereinstimmten. Dies gilt auch für die Zeit nach 1948, als die Entstehung der NATO und die Ablösung rein wirtschaftlicher Aufbauhilfe durch Militärhilfe in der Folge des Koreakriegs den Gedanken der „Dritten Kraft" marginalisierten und statt dessen das Ziel einer Atlantischen Gemeinschaft als Sicherheitsgemeinschaft in der Vordergrund treten ließen. 7 3 4
5 6 7
Ebd. Zu den langfristigen Zielsetzungen des Marshall-Plans vgl. grundlegend: Maier, Charles S., Die konzeptuellen Grundlagen des Marshall-Plans, in: Haberl, Othmar Nikola/Niethammer, Lutz (Hrsg.), Der Marshall-Plan und die europäische Linke, Frankfurt a.M. 1986, S.47-58, v.a. S.47 und 53/54. Vgl. Mai, Gunther, Dominanz oder Kooperation, S. 334/35. Foreign Relations of the United States (FRUS) 1948, Bd. III, S. 11/12. Die Übereinstimmung amerikanischer und europäischer Interessen, die eine differenzierte Verwendung des Begriffs Hegemonie auch als heuristisches Instrument erforderlich macht, spiegelt sich in Lundestads These vom „empire by invitation" und Maiers nuancierendem Ausdruck „consensual American hegemony" wider. Vgl. Lundestad, Geir, Empire by Invitation? The United States and Western Europe, 1945-1952, in: SHAFR Newsletter 15 (September 1984), S. 1-21; Maier, Charles S., The Politics of Productivity: Foundations of American International Economic Policy after World War II, in: International Organization 31 (1977), S.607-633, v.a. S.630. Interessanterweise spricht auch Charles de Gaulle in
1. Thema und Fragestellung
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Die amerikanische Hegemonie 8 im Atlantischen Bündnis war zu keiner Zeit unangefochten. Die Amerikaner selbst waren sich seit dem Marshall-Plan der Tatsache bewußt, daß die fortschreitende Integration Europas durch die damit verbundene, von Washington jedoch gewollte und geförderte politische, ökonomische und militärische Stärkung des alten Kontinents am Ende auch den Einfluß der USA auf Westeuropa als Ganzes und seine Einzelstaaten reduzieren konnte und daß sich die Westeuropäer der aus der Integration geborenen Stärke zum Zwecke kollektiver Selbstbehauptung auch gegen den transatlantischen Hegemon bedienen konnten. 9 Im Kontext der deutsch-französischen Beziehungen, sowohl bilateral wie im Rahmen der westeuropäischen Integration, war diese Ambivalenz von besonderer Bedeutung. Die Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes und die Erfüllung französischer Sicherheitsbedürfnisse waren schon 1947 zentrale Anliegen wie Erfordernisse amerikanischer Europapolitik. Das Integrationskonzept band den deutschen Wiederaufbau in ein westeuropäisches, von den USA mittelbar garantiertes Gefüge ein, das den französischen Sicherheitsinteressen Rechnung trug. Die europäische Integration wurde so auch zum Instrument der „doppelten Eindämmung" 10 des sowjetischen Expansionismus und eines Wiedererstehens der deutschen Gefahr. Michael Hogan hat unterstrichen, wie sehr die US-Politik dabei in der Kontinuität amerikanischer Bemühungen der Zwischenkriegszeit stand, wirtschaftliche, politische und strategische Interessen in bezug auf Europa in einem Gesamtkonzept zu vereinen. 11 Die USA erkannten klar, daß ihre Bemühungen um europäische Integration zum Scheitern verurteilt sein würden, wenn es nicht zu einer langfristigen seinen Memoiren von der „schützenden Hegemonie" der USA. Vgl. de Gaulle, Charles, Memoiren der Hoffnung. Die Wiedergeburt 1958-1962, Wien/München/Zürich 1971, S.327. 8 Hegemonie kann in unserem Zusammenhang, Triepel folgend, zunächst definiert werden als „Führungsverhältnis zwischen einem Staat und einem oder mehreren anderen Staaten." Diese Führung ist, so Triepel, anzusetzen „in der Mitte zwischen bloßem Einflüsse und Herrschaft ( . . . ) mit Neigung zuweilen nach oben, zuweilen nach unten." Vgl. Triepel, Heinrich, Die Hegemonie. Ein Buch von den führenden Staaten, Stuttgart 1943 (Neudruck von 1961), S. 125 und 140. 9 Mai, Gunther, Osthandel und Westintegration 1947-1957. Europa, die USA und die Entstehung einer hegemonialen Partnerschaft, in: Herbst, Ludolf u.a. (Hrsg.), Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt, München 1990, S.203-225. 10 Vgl. Hanrieder, Wolfram, Germany, America, Europe. Forty Years of German Foreign Policy, New Häven/London 1989, S. 6-11. Zum Begriff der „doppelten Eindämmung", von Hanrieder geprägt, vgl. auch ders., West German Foreign Policy, 1949-1963: International Pressure and Domestic Response, Stanford 1967; Vom Doppelcontainment zum Umbruch in Europa: Konflikte und Konsolidierung im deutsch-amerikanischen Verhältnis, in: Friedrich, Wolfgang-Uwe (Hrsg.), Die USA und die Deutsche Frage 1945-1990, Frankfurt a.M./ New York 1991, S. 231-257. 11 Vgl. hierzu vor allem das glänzende Einführungskapitel in: Hogan, Michael J., The Marshall Plan, S. 1-23 sowie auch S.27.
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Einleitung
Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes kam. Die Förderung der deutsch-französischen Aussöhnung wurde daher neben und im Rahmen der Unterstützung der europäischen Integration europapolitische Priorität Washingtons. Weil die Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes und der Fortgang der europäischen Einigung voneinander so abhängig waren, wirft jede Untersuchung der amerikanischen Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen zwangsläufig ein Licht auf die Europapolitik der USA insgesamt. Im deutsch-französischen Bezugsrahmen mußte sich die Tauglichkeit des amerikanischen Integrationskonzepts erweisen. Wenn dieses nicht die Aussöhnung Deutschlands und Frankreichs förderte, war es auch im weiteren westeuropäischen Kontext zum Scheitern verurteilt. Ein integriertes Westeuropa wäre ohne Einbindung der Bundesrepublik weder wirtschaftlich lebensfähig noch politisch stabil noch strategisch zu halten gewesen. Die Beteiligung der Bundesrepublik jedoch bedurfte der französischen Zustimmung, denn Frankreich hegte nicht nur gravierende Sicherheitsbedenken gegenüber dem „Reich", sondern ein wesentliches Ziel französischer Politik nach 1945 war es auch, Deutschland als ökonomische Vormacht Europas, als bedeutendste europäische Exportnation, abzulösen. Die Integration, zunächst im Sechserkreis, erreichte beides: Sie bildete Basis und Rahmen für die Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes, und sie wies Frankreich die Rolle der westeuropäischen Führungsmacht, des westeuropäischen Föderators zu, die Großbritannien nicht wahrnehmen wollte,12 die Bundesrepublik nicht wahrnehmen konnte. Am Anfang dieser neuen europäisch-transatlantischen Rollenverteilung stand der Schuman-Plan vom 9. Mai 1950, den die amerikanische Regierung massiv unterstützte und dessen politisches Ergebnis, die EGKS, ohne den amerikanischen politischen Druck und ohne den Blanko-Scheck, den Washington Jean Monnet ausstellte, nicht zustande gekommen wäre. 13 Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) stand konzeptionell in der Kontinuität dieser Politik.14 Ihr Scheitern in der französischen Nationalversammlung bedeutete deshalb, trotz der dann erfolgreich umgesetzten NATO-Alternative, einen Rückschlag für die amerikanische Politik.15 Gerade weil aber Frankreich sich im NATO-Bündnis nun auf einen mit der Bundesrepublik gleichrangigen 12
13 14
15
Zu Großbritanniens bewußtem Verzicht auf eine Führungsrolle im europäischen Integrationsprozeß und damit in Westeuropa vgl. fallstudienartig, doch im Ergebnis weit über den konkreten Untersuchungsgegenstand hinausweisend, am Beispiel der Montanindustrie: Gillingham, John, Coal, Steel, and the Rebirth of Europe, 1945-1955. The Germans and French from Ruhr Conflict to Economic Community, Cambridge 1991, v.a. S.97-177. S. ebd., S.364-371. Vgl. hierzu vor allem: Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik: 1945-1956, hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Bd. 2, Die EVG-Phase, München 1990. Vgl. Mai, Gunther, Osthandel und Westintegration, S.222. Das Scheitern der EVG war zwar in der Tat ein Rückschlag der US-Politik. Mai dramatisiert jedoch, wenn er davon spricht, daß 1954 die USA vor einem „Scherbenhaufen ihrer Politik" standen. Immerhin
1. Thema und Fragestellung
15
Status, noch dazu unter nunmehr direkter amerikanischer Führung, zurückgeworfen sah, gehörte Paris seit 1955 zu den treibenden Kräften der „Relance Européenne", die 1957 zum Abschluß der Römischen Verträge führte. Die Aussicht auf die kontinentaleuropäische Führungsrolle, welche die NATOLösung Frankreich verweigert hatte, lag in der Fortführung der westeuropäischen Integration, der sich auch Bonn, wenn auch aus ganz anderen Motiven, dezidiert anschloß. Washington nahm die Weiterführung des Konzepts der frühen fünfziger Jahre positiv auf, auch aus ökonomischen Gründen, ohne zunächst die antiamerikanischen Züge der Relance klar zu erkennen. Während nämlich die Stärkung der kontinentaleuropäischen Gemeinschaft Frankreich die Chance bot, den eigenen Machtstatus zu erhöhen, war für die Bundesrepublik das eindeutige Bekenntnis zu Europa ein Mittel, der deutlich spürbaren Abhängigkeit von den USA zu entfliehen, doch auch der gerade Adenauer immer präsenten Gefahr eines amerikanischen Disengagement präemptiv entgegenzuwirken. Insofern diente die amerikanische Unterstützung der europäischen Integration auch partikularen und durchaus unterschiedlichen französischen und deutschen Interessen, ohne daß sich diese Verschiedenheit negativ auf den Integrationsprozeß ausgewirkt hätte. Dabei war Mitte der fünfziger Jahre deutlich, daß sowohl für die atlantische Verteidigungsallianz wie für die sich integrierende westeuropäische Staatengemeinschaft die feste Einbindung der Bundesrepublik von entscheidender Bedeutung war. Dies galt militärisch wegen der geostrategischen Lage Westdeutschlands und wegen seines Verteidigungsbeitrags; es galt aber auch ökonomisch wegen der stetig wachsenden deutschen Wirtschaftskraft. Solange europäische Einigung und atlantische Allianz nicht gegensätzliche Konzepte waren, solange insbesondere die Bundesrepublik sich gleichermaßen zu ihren transatlantischen Bindungen und ihren europäischen Verbindungen bekannte, solange stützte die Eisenhower-Administration, ganz im Sinne der politisch-konzeptionellen Grundüberlegungen aus der Zeit des Marshall-Plans, den Ausbau der europäischen Einigung und, in deren Zentrum, der deutsch-französischen Freundschaft. Washington war dafür sogar bereit, einen durchaus nicht unerheblichen ökonomischen Preis zu zahlen. Diese Konstellation bildet den europa- oder integrationspolitischen Rahmen, in den die Fragestellung dieser Arbeit eingepaßt ist. Die Frage, die am Beginn der Analyse steht, ist diejenige, wie sich die amerikanische Europapolitik und damit die amerikanische Politik bezüglich der deutsch-französischen Beziehungen entwickelte, nachdem 1958 Charles de Gaulle der IV. Französischen Republik ein Ende bereitete und als Staatspräsident am 8. Januar 1959 an die Spitze der V. Republik trat. Noch stärker als das Frankreich der Jahre vor 1958 instrumentalisierte de Gaulle die westeuropäische Integration zur konnte Washington zusammen mit London die NATO-Alternative durchsetzen, welche die U S A schon Anfang der fünfziger Jahre befürwortet hatten.
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Einleitung
Verfolgung nationaler französischer Ziele und Interessen: zum Schutz der französischen Landwirtschaft, zum Ausbau der französischen politischen Dominanz in Westeuropa und dadurch zur Erhöhung des französischen relativen Machtstatus, zur Europäisierung Europas und damit zur Reduzierung des amerikanischen Einflusses. Noch immer zielte die französische Europapolitik auch auf Bonn, auf die integrative Kontrolle des deutschen Potentials, doch de Gaulle verlieh ihr seit 1958 eine viel deutlichere Stoßrichtung gegen die USA, in deren Zentrum einmal mehr, nun freilich mit völlig anderen politischen Inhalten und Zielsetzungen als 1947/48, die Idee der „Dritten Kraft" Europa stand. Allerdings, und dessen war sich selbst de Gaulle bewußt, ging es auch jetzt weniger um eine „Dritte Kraft" zwischen den Blöcken als vielmehr um eine „Dritte Kraft" innerhalb des westlichen Lagers, wenn auch wesentlich unabhängiger von den Vereinigten Staaten. Die Rolle, welche die USA dem Frankreich de Gaulles 1958 zuwiesen, stand in der Kontinuität der europapolitischen Konzeption Washingtons. Nach wie vor hielten die USA aus politischen, ökonomischen und strategischen Gründen an der Unterstützung der Integration Westeuropas und der damit verbundenen Erhöhung des europäischen Gewichts fest. Nach wie vor wies Washington im sich integrierenden Westeuropa Frankreich die Rolle des Föderators zu. Die Eisenhower-Administration begrüßte nahezu vorbehaltlos die Machtübernahme de Gaulles, weil sie in ihr richtigerweise einen entscheidenden Beitrag zur Stärkung und Stabilisierung Frankreichs sah. Auch die sich sehr rasch abzeichnende Fortführung des deutsch-französischen Dialogs, ja seine Intensivierung, an deren Beginn die Begegnung Adenauers mit de Gaulle in Colombey-lesdeux-Eglises stand, wurde in den USA positiv bewertet. Der Anteil Washingtons am Zustandekommen des Dialogs Adenauer - de Gaulle, ganz im Sinne der europapolitischen Prioritäten der USA, ist nicht zu unterschätzen. Er war von großer Bedeutung für die Überwindung der in Bonn zunächst vorherrschenden Skepsis gegenüber dem General und seiner Politik wie auch von Befürchtungen Adenauers hinsichtlich einer Abkehr Frankreichs von der europäischen Integration und unter Umständen auch eines Rückfalls in ältere antideutsche Ressentiments. Statt dessen wurde, und das ist insbesondere am Beispiel der im November 1958 durch Chruschtschows Ultimatum ausgelösten Berlin-Krise zu zeigen, der deutsch-französische Schulterschluß enger. Die Bundesregierung, die sich angesichts entspannungsfreundlicher britischer, doch auch amerikanischer Tendenzen mit einem Zusammenbruch ihrer Berlinund Deutschlandpolitik konfrontiert sah, suchte und fand im Frankreich de Gaulles neuen Rückhalt. Die Übereinstimmung mit Paris erlaubte es Bonn, im innerwestlichen Konflikt um die Berlin- und Deutschlandpolitik, welcher in der Vorbereitung der Genfer Außenministerkonferenz 1959 gipfelte, seine Position mit kompromißloser Härte zu vertreten. Paris, das zwar in Berlin auch aus eigenem Interesse, beispielsweise um seinen Siegermachtstatus zu bewah-
1. Thema und Fragestellung
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ren, eine harte Linie vertrat, fand darüber hinaus jedoch in Bonn auch im Sinne eines politischen Quid pro quo Unterstützung bei der Verfolgung anderer Ziele: in der Algerien-Frage und - insbesondere - in der Europapolitik. Paris erwartete - und erhielt - von Bonn Rückhalt bei der Ablehnung der von Großbritannien initiierten Freihandelszone. Großbritannien hatte, gerade wegen seiner engen Bindungen an die USA, der special relationship, in der Europakonzeption de Gaulies keinen Platz. Nicht mit der Ablehnung der Freihandelszone an sich, wohl aber mit seiner gegen die Freihandelspolitik der USA und Großbritanniens gerichteten protektionistischen Haltung trat die französische Europapolitik deutlich in Gegensatz zu amerikanischen Interessen. Hier nahm der Konflikt seinen Anfang, der 1963 mit der französischen Ablehnung des britischen EWG-Beitritts und 1966 mit dem Austritt Frankreichs aus der Militärintegration der N A T O seine Höhepunkte finden sollte. Von dem Moment an, in dem sich die französische Europapolitik in offenen Konflikt zur amerikanischen Politik begab, mußte Washington die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen jedoch in einem anderen Licht betrachten. Ihre vorbehaltlose Förderung wich am Ende der Präsidentschaft Eisenhowers einer skeptischeren Einschätzung. Deren Entwicklung wird nachzuzeichnen sein, insbesondere unter der Fragestellung, wie sich in Washington die grundsätzliche Befürwortung eines engen deutschfranzösischen Verhältnisses mit der negativen Beurteilung der Europapolitik de Gaulies verband. Obwohl der Abbruch des ost-westlichen Dialogs nach dem Scheitern des Pariser Gipfels von 1960 dem Westen die Möglichkeit gegeben hätte, sich nun ohne den massiven sowjetischen Druck stärker mit internen Fragen zu beschäftigen, war das letzte Jahr der Eisenhower-Administration gerade für die USA eher eine Zeit des europapolitischen Stillstands. Zwar wurde man sich der Bedeutung der Herausforderung durch de Gaulle stärker bewußt als zuvor, der Präsidentschaftswahlkampf jedoch verhinderte eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit der europäischen Problematik, die durch die Gründung der Europäischen Freihandelszone (EFTA) noch verschärft wurde. Die amerikanische Beschäftigung mit sich selbst gab de Gaulle die Gelegenheit, sein eigenes europapolitisches Konzept, beispielsweise bei seiner Begegnung mit Adenauer in Rambouillet, voranzutreiben. Dies jedoch ohne größeren Erfolg, da die Vertrauenskrise zwischen den USA und der Bundesrepublik vorerst überwunden schien. Dennoch blieb zu erwarten, daß nach dem Intermezzo von 1960 schon im Jahr darauf sich die USA mit weltpolitischen Problemen, konzentriert um die Berlin-Frage, und europapolitischen Schwierigkeiten konfrontiert sehen würden. In den knapp drei Jahren der Kennedy-Administration prallten amerikanische und französische Europapolitik aufeinander. Im Zentrum des amerikanisch-französischen Konflikts stand zwangsläufig die Bundesrepublik, deren Gewicht zur Durchsetzung der jeweiligen Europakonzeption von entscheiden-
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Einleitung
der Bedeutung war. Die Forschung hat sich zwar schon mit dem sogenannten „Grand Design" der Europapolitik des amerikanischen Präsidenten beschäftigt16, dennoch muß auch diese Studie versuchen, es zu beschreiben und dann vergleichend in den Kontext der US-Europakonzeptionen der Nachkriegszeit einzuordnen. In diesem Vergleich wird sich zeigen, ob und inwiefern Kennedys „Grand Design" noch in der Tradition der Ideen des Marshall-Plans stand bzw. ob und inwiefern es den europakonzeptionellen Rahmen der Truman- und Eisenhower-Administration durchbrochen hatte. Es spricht einiges für die These, daß die amerikanische Europapolitik zu Beginn der Amtszeit Kennedys einem Wandel unterzogen wurde, der jedoch nur zum geringeren Teil einen grundsätzlichen politischen Kurswechsel einer neuen Administration widerspiegelte, zum weitaus größeren Teil jedoch eine Antwort auf die Herausforderung der französischen Politik unter de Gaulle darstellte. Die Richtigkeit dieser These ließe sich auch daran überprüfen, ob nicht schon in der Schlußphase der Regierung Eisenhowers, das heißt 1959/60, Ansätze einer Veränderung der amerikanischen Europapolitik - eben auf Grund des Faktors de Gaulle - sichtbar wurden; Ansätze, welche dann unter Kennedy lediglich verstärkt und in einen konzeptionellen Rahmen gestellt wurden. 17 „The Kennedy Administration talked Community, but practiced hegemony." 18 Dieser schlagwortartige Befund des amerikanischen Historikers Frank Costigliola unterscheidet sich zunächst nicht substantiell von der Situation gerade der ersten Hälfte der fünfziger Jahre. 19 Nur stand nun, Anfang der sechziger Jahre, dem Entwurf einer einheitlichen politischen, ökonomischen und militärisch-strategischen Konzeption der amerikanischen Europapolitik, eingebettet in die Vision der Atlantischen Gemeinschaft, ein gegenläufiges französisches Konzept gegenüber. Dieses forderte die Europäisierung Kontinentaleuropas unter französischer Führung und erteilte dem Gedanken einer Atlantischen Gemeinschaft eine Absage, weil es darin lediglich eine verbrämte Form amerikanischer Hegemoniebestrebungen erkannte. Die USA hätten, wie es sich auch 1958/59 abzeichnete, die gaullistische Restauration Frankreichs ak16
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Die Beiträge hierzu reichen, zumeist mit häufig schon am Titel abzulesenden eher skeptischen Bewertungen des „Grand Design", von der nahezu zeitgenössischen Darstellung bei: Schlesinger, Arthur, A. Thousand Days: John F. Kennedy in the White House, Boston 1965, insbesondere Kap. XXXII, The Not So Grand Design; bis hin zu den jüngeren Aufsätzen von Frank Costigliola: The Failed Design: Kennedy, de Gaulle, and the Struggle for Europe, in: Diplomatie History 8 (1984), S.227-251; The Pursuit of Atlantic Community: Nuclear Arms, Dollars, and Berlin, in: Paterson, Thomas G., Kennedy's Quest for Victory. American Foreign Policy, 1961-1963, New York/Oxford 1989, S.24-56. Für den Bereich der amerikanischen Militär- und insbesondere Nuklearstrategie hat Jane Stromseth nachgewiesen, daß entgegen den Behauptungen der Angehörigen der KennedyAdministration der Strategiewechsel bereits in den letzten Eisenhower-Jahren eingeleitet wurde. Vgl. Stromseth, Jane E., The Origins of Flexible Response. NATO's Debate over Strategy in the 1960s, Basingstoke 1988. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.25. Vgl. Mai, Gunther, Osthandel und Westintegration, S.204.
1. Thema und Fragestellung
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zeptiert und auch längerfristig gestützt, wenn Frankreich die USA weltpolitisch und weltwirtschaftlich unterstützt hätte. „Instead, an exasperated Kennedy official noted, de Gaulle's bid for European leadership 'cuts directly across US interests all along the board'." 20 De Gaulies Forderung nach weltpolitischer Gleichberechtigung mit den USA ging einher mit seinem Bemühen, die amerikanische Dominanz in Westeuropa zu beenden. Politisch stand die amerikanische Unterstützung des britischen EWG-Beitritts im Zentrum des „Grand Design". Hatten die USA in den fünfziger Jahren die Nichtbeteiligung Großbritanniens an der europäischen Integration in Kauf genommen, damit nicht durch britische Obstruktion und Londons Beharren auf einer Sonderstellung zwischen Europa und Amerika der europäische Einigungsprozeß erschwert oder aufgehalten würde, so wurde nun der britische Beitritt Ziel amerikanischer Politik. Washington sah angesichts der französischen Herausforderung in der special relationship zu einem in Europa integrierten Großbritannien ein probates Mittel, um den amerikanischen Einfluß in einem vereinten Europa zu erhöhen, 21 um eine Art special relationship zwischen Amerika und Europa zu schaffen. Weil er diese Zielsetzung erkannte, lehnte de Gaulle den britischen EWG-Beitritt ab. Er bediente sich dabei zunächst einer Verzögerungstaktik in den Beitrittsverhandlungen, später eines offenen Vetos und fand dabei die Unterstützung Adenauers, den die Enttäuschung über die mehr und mehr entspannungs- und status-quo-orientierte amerikanische Deutschland- und Berlinpolitik - in der Phase des Mauerbaus und danach - noch weiter in die Arme de Gaulles getrieben hatte. Ökonomisch stand die amerikanische Europapolitik des „Grand Design" ganz im Zeichen des Trade Expansion Act von 1962, der einen Gipfelpunkt des amerikanischen Multilateralismus seit Wilson darstellte. Eine Exporterhöhung durch Verminderung transatlantischer Zollschranken sollte dem wachsenden amerikanischen Zahlungsbilanz- und Außenhandelsdefizit entgegenwirken und gleichzeitig die Entstehung einer „Festung Europa" mit wachsendem Binnenhandel und zunehmender Abschottung nach außen verhindern. Die Schwäche der amerikanischen Wirtschaft rührte zu einem nicht unerheblichen Teil aus den hohen Verteidigungslasten und dem Abfluß beachtlicher Dollarsummen durch die Stationierung und den Unterhalt amerikanischer Truppen in Europa. Daß die US-Präsenz in Europa zu Lasten der wirtschaftlichen Stärke der USA ging, während sie zur gleichen Zeit die amerikanische militärische Macht erhöhte, war für Kennedy ein Dilemma, aus dem er sich unter anderem mit dem Trade Expansion Act und der 1963 eingeleiteten Kennedy-Runde des GATT zur Erreichung weltweiter Zollsenkungen und Handelserleichterungen zu befreien versuchte. Die Bundesrepublik, die aus Gründen ihrer Sicherheit und ihrer Schutzbedürftigkeit nicht auf die US-Militärpräsenz in Europa ver20 21
Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.33. Vgl. ebd., S.27.
20
Einleitung
ziehten konnte, versuchte 1961 bis 1965 auf der Basis des Gilpatric-StraußAbkommens durch Rüstungskäufe in den USA die Kosten auszugleichen, die den Amerikanern durch ihre Truppenstationierung in Deutschland entstanden. Auf der anderen Seite jedoch unterstützte die Bundesrepublik, obwohl grundsätzlich freihändlerisch orientiert, französische protektionistische Bestrebungen, vor allem auf dem Agrarsektor. Die Common Agricultural Policy (CAP) der EWG, die eine der wesentlichen Bedingungen für das Festhalten des auf Schutz der französischen Landwirtschaft angewiesenen de Gaulle an den Römischen Verträgen gewesen war, führte zu einem scharfen Handelskonflikt zwischen USA und EWG. „The struggle over the CAP symbolized Washington^ efforts to use its considerable political power to maintain American economic hegemony." 22 Offen brach der Konflikt aus, als im Mai 1962 die EWG landwirtschaftliche Zollschranken, von denen die Zollerhöhungen für „frozen chicken" am bekanntesten wurden, aufstellte. Im zweiten Teil der Arbeit wird näher zu untersuchen sein, warum im einzelnen nach 1962 die Bundesrepublik den französischen Agrarprotektionismus auch gegen die USA unterstützte. Ein wichtiger Grund lag zweifellos, wie schon 1958/59, in der von Adenauer als notwendig erachteten Verstärkung der Zweierallianz mit de Gaulle zur Abwehr der entspannungsfreundlichen angloamerikanischen Politik nach dem Mauerbau. Einmal mehr hatten die deutsch-französischen Beziehungen instrumenteilen Charakter in politischen Auseinandersetzungen der Bundesrepublik oder Frankreichs mit der Bündnisvormacht Amerika. Auf militärisch-sicherheitspolitischem Feld stand die nukleare Frage im Zentrum der transatlantischen Beziehungen. Dem amerikanischen Bestreben nach Erhalt bzw. Festigung einer Atlantischen Gemeinschaft unter Führung Washingtons korrespondierte auf dem nuklearen Sektor das Bemühen, weitere nukleare Proliferation, sprich: die Entstehung zusätzlicher unabhängiger Kernwaffenpotentiale zu verhindern und statt dessen nukleare Entscheidungen zu zentralisieren. Die Multilateral Force (MLF), die auf gedankliche Ansätze der Eisenhower-Zeit zurückging,23 sollte der Kanalisierung nach amerikanischer Einschätzung nicht zu verhindernder europäischer nuklearer Ambitionen dienen. Dabei mußte das MLF-Konzept jedoch in zweierlei Weise und Richtung wirken: Zum einen sollte es die bereits existierenden nationalen britischen und französischen Nuklearwaffenpotentiale in eine von der NATO und damit letzlich doch von Washington kontrollierte europäische Atomstreitmacht überführen und damit angesichts der ost-westlichen nuklearstrategischen Parität das Risiko eines Atomkriegs durch Zentralisierung der Entscheidungen reduzieren. Zum anderen jedoch sollte die MLF auch nukleare Ambitionen der Bundesrepublik auffangen helfen. Washington hielt diese für eine zwangsläufige 22
23
Borden, William S., Defending Hegemony: American Foreign Economic Policy, in: Paterson, Thomas G. (Hrsg.), S.57-85, hier S.78. Vgl. Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache: Die Nuklearfrage in der Allianzpolitik Deutschlands 1959-1966, Baden-Baden 1993, S. 31^44.
1. Thema und Fragestellung
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Folge der Existenz und des Ausbaus der britischen und französischen nuklearen Kapazitäten. Mit dem Abkommen von Nassau im Dezember 1962, das dem britischen Nuklearprogramm ein Ende bereitete, hatte Washington in bezug auf Großbritannien sein Ziel erreicht. Die Bundesrepublik, für die jede Form eines nuklearen Mitspracherechts einen Statusgewinn gegenüber Frankreich und England bedeutet hätte, konnte rasch für das MLF-Konzept gewonnen werden, zumal sich im nuklearen Bereich keine deutsch-französische Alternative bot. Allein Frankreich war nicht bereit, sein nukleares Großmachtattribut in einen amerikanisch kontrollierten Pool einzubringen. Gerade in der nuklearen Frage konnte Frankreich seinem Anspruch auf nationale Unabhängigkeit und auf eine kontinentaleuropäische Führungsrolle politischen Ausdruck verleihen. Darüber hinaus jedoch erwies sich für de Gaulle mit dem Abkommen von Nassau, daß Großbritannien im Zweifelsfall die special relationship zu Amerika den europäischen Bindungen vorziehen würde. In den Augen des französischen Präsidenten widersprach es dem britischen EWG-Beitritt, daß sich London gleichzeitig noch enger an die USA band. Während am 14. Januar 1963 Präsident Kennedy in seiner State of Union Message noch einmal die Atlantic Community im Sinne des auf Fortdauer der amerikanischen Hegemonie zielenden „Grand Design" beschwor, erteilte de Gaulle dieser am gleichen Tag mit der Ablehnung des britischen EWG-Beitritts eine schroffe Absage. Nur eine Woche später unterstrich der Elysée-Vertrag, wie weit sich das amerikanische und das französischen Europakonzept mittlerweile voneinander entfernt hatten. War das Scheitern des „Grand Design" möglicherweise auch das Ende der letzten amerikanischen Bemühungen, das Europakonzept des Marshall-Plans umzusetzen? Der Januar 1963 war eine europapolitische Zäsur. De Gaulies EWG-Veto und der deutsch-französische Vertrag führten in Washington zu einer europapolitischen Neuorientierung. Die amerikanische Administration nahm Abschied von den visionären Gedanken des „Grand Design", doch die europapolitischen Prioritäten und Ziele der fünfziger Jahre blieben erhalten. Dazu trugen auch die transatlantischen und westeuropäischen integrativen Strukturen bei, die seit Ende der vierziger und in den fünfziger Jahren entstanden waren und sich seitdem verfestigt hatten. Der Elysée-Vertrag war auch ein Erfolg der zentral auf die Bundesrepublik und auf Frankreich gerichteten Europapolitik der USA, die allerdings mit diesem Vertragsabschluß und angesichts der Politik de Gaulles in eine neue Phase eintrat, in der den deutschfranzösischen Beziehungen ein anderer politischer Stellenwert zukam als in den fünfziger Jahren. Dennoch hatte, unbestritten, in der französisch-amerikanischen Konkurrenz um die Bundesrepublik de Gaulle einen partiellen Erfolg erzielt. Wenn aber schon Frankreich nicht mehr für das amerikanische Europakonzept zu gewinnen war, so mußte Washington, wollte es nicht das atlantische Gefüge in seinen Grundfesten antasten, die Bundesrepublik zu einem klaren Bekenntnis zu NATO, transatlantischer Gemeinschaft und britischem EWG-
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Einleitung
Beitritt bewegen, nötigenfalls mit allen zu Gebote stehenden Druckmitteln. Mit und in der Präambel zum Elysée-Vertrag setzte der amerikanische Hegemon sich gegen das nach kontinentaleuropäischer Hegemonie strebende Frankreich durch. Daß die amerikanisch-französische Rivalität um Deutschland und damit die Durchsetzung des jeweiligen europapolitischen Konzepts auch innerhalb der Bundesrepublik Parallelen fand, wurde an der unmittelbar nach Unterzeichnung des Elysée-Vertrags aufbrechenden „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse deutlich, die tiefe Gräben insbesondere durch die regierenden Unionsparteien zog und innen- und parteipolitisch das Ende der Ära Adenauer überschattete. Einige historische Grundlagen und politische Bezüge dieser Kontroverse gilt es in den Abschnitten 1.4. und II.4. näher zu betrachten. In den fünfziger Jahren hatte die Außenpolitik der Regierungsparteien, insbesondere von CDU/CSU, zwei Denkschulen unterschiedlicher Provenienz zusammengeführt: Beide waren nach der „Diskreditierung des extremen Nationalismus"24 internationalistisch geprägt, beide verfolgten das Ziel eines außenpolitischen Neubeginns, eines klaren Bruchs mit der Außenpolitik des „Dritten Reiches" wie auch, in weiten Teilen, der zwanziger Jahre. Dieser Internationalismus negierte freilich nicht die Nation als politische Einheit generell wie auch als eine Determinante der Außenpolitik im besonderen. Vielmehr stand er gerade „unter dem Vorbehalt, daß die maßvoll vertretenen nationalen Interessen dadurch ebensowenig verletzt werden durften wie der Gleichberechtigungsanspruch der Bundesrepublik in der Staatengemeinschaft", 25 auch dies ein deutlicher Gegensatz zu der über weite Strecken durch Isolation Deutschlands gekennzeichneten internationalen Ordnung der Zwischenkriegszeit. Während ein am Ziel der europäischen Integration orientierter Internationalismus, ideengeschichtlich auch von konservativem Gedankengut christlichabendländischer Ausrichtung beeinflußt, auf deutschen Souveränitätsgewinn sowie rasche internationale Gleichberechtigung der Bundesrepublik zielte und darüber hinaus die europäische Einigung als Sicherheitsnetz für den Fall eines neoisolationistischen amerikanischen Rückzugs betrachtete, strebte der „liberal-freihändlerische Internationalismus mit starker atlantischer Komponente" 26 wirtschaftlich nach einem multilateralen Welthandelssystem, politisch und strategisch nach Stärkung der „freien Welt" im transatlantischen Verbund gegen die sowjetisch-kommunistische Bedrohung. Bereits in den fünfziger Jahren waren Konrad Adenauer und Ludwig Erhard Exponenten dieser unterschiedlichen außenpolitischen Ideenkreise, die bis 1958/59 gleichwohl nicht in direkten Widerstreit geraten waren. Europäische Integration und transatlantische Bindung galten als zwei Seiten einer kohärenten, sich an gleichen Zielen orien24
25 26
Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer, Gründerjahre der Republik 1949-1957, Stuttgart/ Wiesbaden 1981 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 2), S.453. Ebd. Ebd.
1. Thema und Fragestellung
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tierenden Politik. Der Kompromiß bzw. das Zusammenwirken der beiden außenpolitischen Denkansätze reflektierte die weiter oben beschriebene amerikanische Europakonzeption, wie sie seit der Zeit des Marshall-Plans Gestalt gewonnen hatte. Dies galt auch und insbesondere für die zentrale Bedeutung der Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes. Konflikte zwischen den beiden Denkschulen traten erst in dem Moment spürbar zutage, als die Politik de Gaulles das amerikanische Europakonzept in Frage stellte und es mit einem französischen Modell für eine europäische Ordnung konfrontierte. Anfänge dieses Gegensatzes lassen sich bereits im Herbst 1958 ausmachen, an der Problematik der von Großbritannien initiierten europäischen Freihandelszone (FTA). Erstmals traten nun auch Spannungen innerhalb der Bundesregierung bzw. des Unionslagers an die Oberfläche, sehr deutlich in der Auseinandersetzung zwischen Adenauer und Erhard über Weg und Ziel der europäischen Integration. 27 Diese fand auch ihren Ausdruck in der sogenannten Präsidentschaftskrise des Jahres 1959 und den seitdem nicht mehr endenden Bemühungen Adenauers, eine Kanzlerschaft Ludwig Erhards zu hintertreiben. 28 Zwar konnte der Widerstreit der divergierenden Ansätze immer wieder kurzfristig - zur Erhaltung der Geschlossenheit der Union im Zeichen von Wahlen - übertüncht bzw. kurzfristig beigelegt werden. Sobald jedoch, seit 1958, dem amerikanischen Europakonzept ein französisches gegenüberstand, waren auch die deutschen Parteien im Streit um Grundsätze außen-, außenwirtschafts- und sicherheitspolitischer Orientierung gespalten. Die Frage der Adenauer-Nachfolge, der Konflikt Adenauer - Erhard, wurde dabei Vehikel und Hauptaustragungsort der Differenzen. Die Europapolitik Kennedys, sein „Grand Design", das de Gaulle mit seiner Politik massiv zu konterkarieren suchte - wesentlich stärker als gegenüber Eisenhower - , verschärfte auch den Konflikt zwischen den beiden außenpolitischen Denkschulen innerhalb der Bundesrepublik, 29 der seit etwa 1962 auch, simplifizierend, jedoch nicht unzutreffend und wesentliche Züge des Streites charakterisierend, als „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse subsumiert wurde. Insbesondere in den Jahren 1962/63 kreuzten sich in der Bundesrepublik nicht nur das amerikanische und das französischen Europakonzept. Die politischen, ökonomischen und sicherheitspolitisch-strategischen Differenzen gipfel27
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Überaus Erhard-kritisch hierzu jüngst: Lappenküper, Ulrich, „Ich bin doch wirklich ein guter Europäer". Ludwig Erhards Europapolitik 1949-1966, in: Francia 18/3 (1991), S.85-120. Dazu noch immer: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt: Erhard und Adenauer, Stuttgart 1987. Eine vorhandene dritte außenpolitische Denkschule, die Hans-Peter Schwarz, Die Ära Adenauer 1949-1957, S. 453/54, als ,,linksliberal-sozialdemokratische[n] Internationalismus mit ( . . ) traditionellen Sympathien für weltweite internationale Organisationen, kollektive Sicherheitssysteme, globale Abrüstungspolitik und Entspannung, humanitäre Entwicklungshilfe und Dekolonisierung" bezeichnet, wird nicht ignoriert, hat aber im Kontext der „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse eine eher untergeordnete Bedeutung.
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Einleitung
ten in den Debatten um den britischen EWG-Beitritt, die MLF und den deutsch-französischen Vertrag. Sie wurden augenfällig in den um die Deutschen und Deutschland buhlenden Staatsbesuchen de Gaulles (1962) und Kennedys (1963). Darüber hinaus fand die amerikanisch-französische Konkurrenz um die Bundesrepublik ihr Echo und ihre Entsprechung in der Kontroverse zwischen „Atlantikern" und „Gaullisten" in der Bundesrepublik. Die „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse war jedoch nicht nur von Bedeutung für das Ende der Ära Adenauer, sondern auch für Verlauf und Ende der Kanzlerschaft Ludwig Erhards und den Weg in die Große Koalition. Die Debatte selbst und ihre politischen Rückwirkungen verdeutlichen das Gewicht und den Einfluß insbesondere der französischen und der amerikanischen Politik auf Außen- und Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Sie geben auch Aufschluß über den Grad internationaler Abhängigkeit der Bundesrepublik, über Handlungszwänge und -räume, außenpolitische Optionen und Restriktionen. Die Arbeit wird die Kontroverse als solche nur in ihren Grundzügen nachzeichnen. Sie wird jedoch am Beispiel der Präsidentschaftskrise 1959 und der Debatte um die Ratifizierung des deutsch-französischen Vertrags 1963 versuchen, nicht nur die amerikanische Einschätzung und Bewertung der Kontroverse innerhalb der Unionsparteien darzustellen, sondern auch Ansätze amerikanischer Einwirkung auf den „Atlantiker"-„Gaullisten"-Konflikt offenzulegen. Im Hintergrund steht dabei die Frage, inwiefern die transatlantische Führungsmacht ihre europapolitischen Interessen - gerade angesichts der Herausforderung de Gaulles - auch durch Partei- und Einflußnahme in dieser innerdeutschen Kontroverse zu wahren oder zu befördern suchte. Daß die Debatte der Union um die außenpolitische Grundorientierung seit 1958/59 verbunden war mit der offenen Adenauer-Nachfolge, verleiht der Frage nach den Positionen der USA zusätzlichen Reiz. Obwohl diese Arbeit sich mit dem Verhältnis der Vereinigten Staaten zu Frankreich und zur Bundesrepublik Deutschland beschäftigt, versteht sie sich nicht als eine traditionell diplomatiegeschichtliche Studie über die bi- oder trilateralen Beziehungen zwischen zwei oder drei Staaten. Die konkrete deutsche oder französische Politik bzw. politische Entscheidungsprozesse in Paris oder Bonn finden nur insoweit Berücksichtigung, als sie zur Erklärung amerikanischer Politikkonzepte und deren Umsetzung in politisches Handeln beitragen. Die Dreiecksbeziehung zwischen Washington, Paris und Bonn dient in erster Linie als analytischer Rahmen für die Untersuchung der amerikanischen Integrationspolitik gegenüber Westeuropa, in deren Zentrum, wie oben angedeutet, die dauerhafte Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes stand, ja stehen mußte. 30 30
Vgl. zu diesem Ansatz auch die methodischen Überlegungen bei: Leffler, Melvyn P., The Elusive Quest. America's Pursuit of European Stability and French Security, 1919-1933, Chapel Hill 1979, S . X / X I .
2. Forschungsstand
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2. Forschungsstand Mit der Untersuchung der deutsch-französischen Beziehungen hat die Forschung, gerade auch die politikwissenschaftliche, vergleichsweise früh begonnen. Dies ergibt sich aus der zentralen Bedeutung des deutsch-französischen Verhältnisses für die Entstehung und Festigung der europäischen Nachkriegsordnung im allgemeinen wie auch für den Prozeß der europäischen Integration und die Entwicklung der amerikanisch-europäischen Beziehungen im besonderen. Beginnend mit Willis' Arbeit „France, Germany and the New Europe"31 wird dabei der Zäsur des Jahres 1958 und der Persönlichkeit Charles de Gaulles wie seinen politischen Grundpositionen besonderer Stellenwert eingeräumt. Dabei reicht das Spektrum der Bewertungen freilich von ausgesprochen de-Gaulle-kritischen Darstellungen wie der in Teilen sehr polemischen von Gilbert Ziebura 32 bis hin zu geradewegs „gaullistischen" Sichtweisen.33 Eher vermittelnd ist die Betrachtung in Bessons „Außenpolitik der Bundesrepublik" (1970), einem der ersten und in vielem bis heute gültigen Versuche der Darstellung dieses Themas, welche noch immer von jedem, der sich mit der deutschen Außenpolitik bis zum Vorabend der sozialliberalen Koalition befaßt, berücksichtigt werden muß. 34 Die stark voneinander abweichenden Beurteilungen des französischen Präsidenten resultieren allerdings nicht nur aus der polarisierenden Persönlichkeit und Politik de Gaulles, sondern auch aus der Tatsache, daß die französischen Archive, insbesondere das des Quai d'Orsay, verschlossen blieben und die in Frankreich publizierten Quellen einseitigen Interpretationen nicht unbeträchtlichen Vorschub leisteten. Daß aber auch mit dem publizierten Material, jedoch nicht allein auf dessen Basis, im weiteren Verlauf der siebziger und in den achtziger Jahren, was die französische Politik betrifft, ausgewogenere und nüchternere Arbeiten entstehen konnten, beweisen die Werke von Hans-Peter Schwarz.35 Ausgewählten französischen Historikern wie Jacques Bariéty, Raymond Poidevin oder Georges-Henri Soutou öffneten sich im Laufe der letzten Jahre augenscheinlich die Pariser Archive. Dies führte zu einer Reihe wichtiger Aufsätze, die sich mit Teilaspekten der deutsch-französischen Beziehungen, gerade auch der Jahre 1958 bis 1963, befassen. 36 Die Tagungs31 32
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Willis, F. Roy, France, Germany and the New Europe, 1945-1967, London 1968. Ziebura, Gilbert. Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945. Mythen und Realitäten, Pfullingen 1970. Bandulet, Bruno, Adenauer zwischen West und Ost. Alternativen der deutschen Außenpolitik, München 1970. Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik. Erfahrungen und Maßstäbe, München 1970. Verwiesen sei an dieser Stelle nur auf die beiden wichtigen Monographien: Schwarz, HansPeter, Adenauer. Der Staatsmann: 1952-1967, Stuttgart 1991; ders.. Die Ära Adenauer, Epochenwechsel 1957-1963, Stuttgart/Wiesbaden 1983 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3). Beispielsweise: Bariéty, Jacques, La perception de la puissance française par le chancelier
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Einleitung
bände eines Kongresses, den das Institut Charles de Gaulle 1990 in Paris veranstaltete, spiegeln umfassend den internationalen Forschungsstand zu de Gaulle wider. Die Bände IV (La sécurité et l'indépendance de la France) und V (L'Europe) mit Aufsätzen auch zahlreicher bestens ausgewiesener deutscher und amerikanischer Wissenschaftler, ergänzt durch Einlassungen von Zeitzeugen, beschäftigen sich mit der Außenpolitik de Gaulles. 37 Die wichtigsten deutschen Beiträge wurden 1992 in einem von Robert Picht und Wilfried Loth edierten Sammelband in deutscher Sprache veröffentlicht. 38 Insgesamt ist die jüngste Literatur zum deutsch-französischen Verhältnis längst über die ältere Form eher diplomatiegeschichtlicher Darstellungen bilateraler Beziehungen hinausgewachsen und hat insbesondere der kaum zu unterschätzenden Bedeutung der europäischen Integration Rechnung getragen. 39 Erheblich zahlreicher geworden sind auch Darstellungen der bilateral deutsch-amerikanischen Beziehungen, die integrationspolitische Entwicklungen oder das deutsch-französische Verhältnis berücksichtigen. Seit Roger Morgans „Washington und Bonn" (1975) haben sich die Darstellungsansätze stark gewandelt. 40 Wiederum ist hier, gerade für die Ära Adenauer, auf Hans-Peter Schwarz zu verweisen, der sich sowohl in Aufsätzen wie auch in seinen großen Monographien mit den deutsch-amerikanischen Beziehungen im Kontext der deutschen Außenpolitik und vor dem Hintergrund der nicht immer kongruenten Strukturen von europäischer Integration und atlantischer Allianz beschäftigt. Ähnliches betreibt, wenn auch nicht nur für die Jahre 1949 bis 1963 und stärker politikwissenschaftlich orientiert, der Deutsch-Amerikaner Wolfram Hanrieder in einer Reihe von Darstellungen, zuletzt ausgesprochen umfassend und weiterführend in seinem Buch „Germany, America, Europe".4I Eine jüngere Studie von Detlef Feiken behandelt das bilaterale deutsch-amerikanische Verhältnis lediglich für die Jahre der Amtszeit von US-Außenminister John
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Adenauer de 1958 à 1963, in: Relations internationales 58 (1989), S.217-225; Poidevin, Raymond, Die Rolle der persönlichen Beziehungen zwischen Bundeskanzler Adenauer und General de Gaulle für die deutsch-französische Politik zwischen 1958 und 1963, in: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.), Adenauer und Frankreich. Die deutsch-französischen Beziehungen 1958 bis 1969, Bonn 1985 (Rhöndorfer Gespräche, Bd. 7), S. 12-27; Soutou, GeorgesHenri, Les problèmes de sécurité dans les rapports franco-allemands de 1956 à 1963, in: Relations internationales 58 (1989), S.227-251. Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), D e Gaulle en son siècle. Actes des Journées internationales tenues à l'Unesco, Paris 19-24 novembre 1990, 6 Bde., Paris 1992 (vor allem Bd. IV, La sécurité et l'indépendance de la France; Bd. V, L'Europe). Loth, Wilfried/Picht, Robert (Hrsg.), D e Gaulle, Deutschland und Europa, Opladen 1991. Zu de Gaulles Europapolitik vgl. die kürzlich erschienene Studie von Lucas, Hans-Dieter, Europa vom Atlantik bis zum Ural? Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle (1958-1969), Bonn/Berlin 1992. Morgan, Roger, Washington und Bonn. Deutsch-amerikanische Beziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg, München 1975. Hanrieder, Wolfram F., Germany, America, Europe.
2. Forschungsstand
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Foster Dulles.42 Den neuesten Stand zeithistorisch-archivalischer Forschung zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen liefert für die Jahre der Regierungen Kennedy und Johnson Adrian Schertz.43 Seine Arbeit war für die vorliegende Studie von erheblicher Bedeutung, zeichnet sie doch auf der Basis ähnlicher Quellen zumindest für einen Teil des Untersuchungszeitraums, die Entwicklung der amerikanischen Deutschlandpolitik nach. Wenn es auch, wie der Titel unterstreicht, nicht die Intention von Schertz' Buch ist, die Europapolitik der USA darzustellen, so wird doch an mancher Stelle klar, daß die amerikanische Politik gegenüber der Bundesrepublik Deutschland immer eingebettet war in den weiteren Rahmen der amerikanischen Politik gegenüber der europäischen Integration, in deren Zentrum wiederum, auch und gerade nach 1958, die deutsch-französischen Beziehungen standen. So gesehen, bestätigt Schertz die Fragestellung der vorliegenden Arbeit. Denn in dieser geht es ja im Kern um die amerikanische Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen, deren Entwicklung vor dem Hintergrund der konzeptionellen und langfristigen europa- und integrationspolitischen Interessen der USA seit Ende der vierziger Jahre von zentraler Bedeutung war. 44 Seit den sechziger Jahren ist die amerikanische Europapolitik Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen. Wegen der europapolitischen Dramatik der frühen Jahre dieser Dekade konzentrierten sich die Autoren dabei, zum Teil ausschließlich, auf die Jahre der Kennedy-Administration. 45 Die Anfänge der europäischen Integration traten demgegenüber in den Hintergrund. Beginnend jedoch mit einer Arbeit von John Gimbel über den Marshall-Plan46 rückten Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre die Zusammenhänge zwischen dem europapolitischen Konzept der USA, das dem Marshall-Plan zugrunde lag, und der ersten Phase der europäischen Integration bis zum Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1954 in die Aufmerksamkeit der Geschichtsschreibung. Wie bereits in der thematischen Einführung gezeigt, verbanden sich im Marshall-Plan ökonomische und politisch-strategische Zielsetzungen zu einem europapolitischen Grundkonzept der USA. Insbesondere 42
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Feiken, Detlef, Dulles und Deutschland. Die amerikanische Deutschlandpolitik 1953-1959, Bonn/Berlin 1993. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons. Unterschiedliche Ansätze innerhalb der amerikanischen Regierung, Köln/Weimar/Wien 1992. Den integrationspolitischen Ansatz rechtfertigt auch die Studie von: Arenth, Joachim, Der Westen tut nichts! Transatlantische Kooperation während der zweiten Berlin-Krise (1958-1962) im Spiegel neuer amerikanischer Quellen, Frankfurt a.M. u.a. 1993. Diese Arbeit stellt das Geflecht der jeweils bilateralen Beziehungen zwischen den USA, der Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien, zentriert um die Berlin-Frage, in den Mittelpunkt. Es geht dem Autor nicht oder allenfalls am Rande um die integrationspolitische Dimension der amerikanischen Außenpolitik. Beispielsweise: Beioff, Max, The United States and the Unity of Europe, Washington, D . C . 1963, (Neudruck, Westport 1976); Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe: The Politics of Partnership, Brügge 1969. Gimbel, John, The Origins of the Marshall Plan, Stanford 1976.
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Einleitung
Charles Maier hat in zahlreichen Aufsätzen „Die konzeptionellen Grundlagen des Marshall-Plans" behandelt. 47 Aufsätze, unter anderem von Melvyn Leffler und Michael Hogan, vor allem in der diese Thematik seit Anfang der achtziger Jahre immer wieder mit wichtigen Beiträgen aufgreifenden amerikanischen Zeitschrift mit dem irreführenden Titel „Diplomatie History", betonten den Zusammenhang zwischen der Integrationspolitik der USA seit 1947 und den auf Dominanz, wenn nicht Hegemonie zielenden amerikanischen Interessen an und in Europa. 48 Die Summe diesbezüglicher Forschung hat, aufbauend auf umfassende Quellenstudien, 1987 Michael Hogan in seinem Buch über den Marshall-Plan gezogen.49 Die Forschung hat seine Ergebnisse bisher nicht revidiert, sondern allenfalls bestätigt oder vertieft. Dies gilt insbesondere für John Gillinghams Studie „Coal, Steel, and the Rebirth of Europe", die sich mit der Entstehung und den ersten Jahren der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) befaßt. 50 Auch Gillingham legt seiner Arbeit den neuen integrationspolitischen Ansatz zugrunde. Von besonderer Relevanz, auch für die vorliegende Darstellung, ist seine Interpretation des britischen Ausscheidens aus dem europäischen Integrationskonzept, was Frankreich die Rolle des, so Gillingham, europäischen „Föderators" zuwies und damit die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen im Kern der europäischen Einigung weiter erhöhte. Ein von Gillingham und Francis Heller herausgegebener Sammelband führt diesen Ansatz nicht nur fort, sondern beschäftigt sich nun, auf der Grundlage der Erkenntnisse der achtziger Jahre, mit dem institutionellen wie konzeptionellen Gefüge, welches europäische Integration und nordatlantische Allianz schufen. 51 Wie sehr auch die NATO-Gründung im Rahmen der gleichen amerikanischen Hegemonialkonzepte gesehen werden muß, welche die amerikanische Politik gegenüber der europäischen Integration kennzeichneten, belegte jüngst ein dokumentarischer Beitrag aus niederländischer Feder mit dem schillernden Titel „Eine Lehrstunde in Machtpolitik". 52 Bereits 1988 hat Gunther Mai in der Historischen Zeitschrift einen grundsätzlichen Aufsatz zu den Hintergründen der amerikanischen NATO-Politik mit ähnlichem Tenor
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Vgl. zum Beispiel Maier, Charles S., Die konzeptuellen Grundlagen des Marshall-Plans; ders., The Two Postwar Eras and the Conditions for Stability in Twentieth-Century Western Europe, in: A H R 86 (1981), S.327-352. Hogan, Michael, J., The Search for a „Creative Peace". The United States, European Unity and the Origins of the Marshall Plan, in: Diplomatie History 6 (1982), S.267-285; Leffler, Melvyn R., The United States and the Strategie Dimensions of the Marshall Plan, in: Diplomatie History 12 (1988), S.277-306. Hogan, Michael J., The Marshall Plan. Gillingham, John R., Coal, Steel and the Rebirth of Europe. Heller, Francis H./Gillingham, John R. (Hrsg.), NATO: The Founding of the Atlantic Alliance and the Integration of Europe, New York 1992. Wiehes, Cees/Zeeman, Bert, Eine Lehrstunde in Machtpolitik. Die Vereinigten Staaten und ihre Partner am Vorabend der NATO-Gründung, in: VfZG 40 (1992), S. 413-423.
2. Forschungsstand
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publiziert. 53 Im Abstand von wenigen Jahren griff die deutsche Forschung den integrationspolitischen Ansatz konstruktiv auf und spitzte ihn auf die Bundesrepublik Deutschland der fünfziger Jahre zu. Dies belegt der von Herbst, Bührer und Sowade herausgebrachte Sammelband „Vom Marshall-Plan zur EWG". 5 4 Ein von Charles Maier und Günther Bischof edierter Band aus dem Jahre 1991 beschäftigt sich mit dem Thema „The Marshall Plan and Germany".55 Und auch die französische Forschung, die zunächst den amerikanischen Anteil an der europäischen Integration nicht in den Vordergrund stellte, konnte sich auf Dauer weder dem neuen Forschungsansatz noch seinen Ergebnissen verschließen, wie neuere Arbeiten von Gérard Bossuat zeigen. 56 Freilich ist zu bemerken, daß all diese integrationspolitischen Studien allenfalls bis in die Mitte der fünfziger Jahre, in Ausnahmefällen bis an die Schwelle der Regierungsübernahme de Gaulles, führen. Dafür dürfte in erster Linie der Quellenzugang ausschlaggebend sein. Aus der kurzen Darstellung des diesbezüglichen Forschungsstandes wird jedoch der Reiz deutlich, den eine Übertragung dieses jüngeren integrationspolitischen Ansatzes auf die späten fünfziger und frühen sechziger Jahre ausmacht. Das Feld der Forschung im Hinblick auf die Europapolitik der USA im allgemeinen sowie die Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen im besonderen ist bei weitem noch nicht so beackert wie dies für das Ende der vierziger und die erste Hälfte der fünfziger Jahre gilt. Deswegen ist hier vor allem auf jüngere Werke zur Außenpolitik der Administrationen Eisenhower und Kennedy zu verweisen. Interessant ist dabei die seit einiger Zeit eher positive Bewertung der Außenpolitik Eisenhowers, die in den letzten Jahren den Vorwurf mangelnder Flexibilität entkräften konnte. 57 Mit dieser Tendenzwende einher ging eine wesentlich kritischere Beurteilung der Außenpolitik der Kennedy-Regierung, wie sie seit Ende der siebziger Jahre, beispielsweise in einem Aufsatz von Thomas Paterson, sichtbar wurde. 5 8 Die in manchem nahezu „hagiographische" Kennedy-Darstellung aus den Jah-
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Mai, Gunther, Dominanz oder Kooperation. Herbst, Ludolf/Bührer, Werner/Sowade, Hanno (Hrsg.), Vom Marshallplan zur EWG. Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Welt, München 1990. Maier, Charles S./Bischof, Günther (Hrsg.), The Marshall Plan and Germany. West German Development within the Framework of the European Recovery Program, New York/ Oxford 1991. Bossuat, Gérard, L'Europe occidentale à l'heure américaine. Le plan Marshall et l'unité européenne, 1945-1952, Brüssel 1992; ders., La France, l'aide américaine et la construction européenne, 1944-1954, 2 Bde., Paris 1992. Vgl. in diesem Zusammenhang beispielsweise Ambrose, Stephen E., Eisenhower. The President, New York 1984; ders., Rise to Globalism. American Foreign Policy since 1938, New York 5 1988; Divine, Robert A., Eisenhower and the Cold War, New York/Oxford 1981. Paterson, Thomas G., Bearing the Burden: A Critical Look at JFK's Foreign Policy, in: Virginia Quarterly Review 54 (1978), S. 193-212.
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Einleitung
ren unmittelbar nach der Ermordung des Präsidenten 59 wurde im Laufe der achtziger Jahre zum Teil erheblich revidiert. Diese Revision sparte die Außenpolitik nicht aus, wie ein von Paterson herausgegebener Sammelband klar zeigt.60 Es mehrten sich die Stimmen, die von einem außenpolitischen Scheitern Kennedys sprachen. Diesbezüglich haben im Kontext der amerikanischen Europapolitik und vor dem Hintergrund der europapolitischen Rivalität der USA mit dem gaullistischen Frankreich Frank Costigliola und William Borden wichtige Beiträge geliefert. 61 Costigliolas Aufsätze sind darüber hinaus die einzigen, die sich zwar nicht ausschließlich, jedoch in Teilen mit ähnlichen Fragen befassen, wie sie auch dieser Arbeit zugrunde liegen. In ihnen spielt allerdings der integrationspolitische Ansatz nur am Rande eine Rolle. Doch ist mit Gewißheit in den nächsten Jahren mit weiteren Darstellungen zu dieser Thematik zu rechnen. Die „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse in der Bundesrepublik ist bisher weder in ihrer politischen Bedeutung noch in ihrem ideengeschichtlichen Zusammenhang monographisch gewürdigt worden. Erst recht fehlen Darstellungen zur Rezeption dieser Debatte in den USA und zu einem eventuellen amerikanischen Einwirken auf den Konflikt. So bleibt zunächst nur der Verweis auf die die Verbindung von Außen-, Innen- und Parteipolitik untersuchende wichtige Studie von Hans-Jürgen Grabbe. 62 Daneben bieten die entsprechenden Bände von Hans-Peter Schwarz und Klaus Hildebrand aus der Reihe „Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" einen Einstieg in die Thematik, ferner der zweite Teil von Schwarz' Adenauer-Biographie. 63 Erhards Auseinandersetzung mit Adenauer, ein wichtiger Teil der „Atlantiker"-„Gaullisten"Kontroverse, ist von Daniel Koerfer mit großer Sympathie für den „Volkskanzler" (Michael Caro) geschildert worden. 64 Überaus Erhard-kritisch und in seinem abschließenden Urteil womöglich zu hart ist dagegen ein jüngerer Aufsatz von Ulrich Lappenküper, der sich jedoch fast ausschließlich auf die Europapolitik Erhards konzentriert. 65
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Vgl. Salinger, Pierre, With Kennedy, Garden City 1966; Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days; Sorensen, Theodore C., Kennedy, New York 1965. Paterson, Thomas G. (Hrsg.), Kennedy's Quest for Victory. Borden, William S., Defending Hegemony; Costigliola, Frank, The Failed Design; ders., The Pursuit of Atlantic Community. Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, Sozialdemokratie und Vereinigte Staaten von Amerika 1945-1966, Düsseldorf 1983. Hildebrand, Klaus, Von Erhard zur Großen Koalition 1963-1969, Stuttgart/Wiesbaden 1984 (Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4); Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer. Gründerjahre der Republik 1949-1957; ders., Die Ära Adenauer, Epochenwechsel 1957-1963; ders., Adenauer. Der Staatsmann. Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt. Lappenküper, Ulrich, „Ich bin doch wirklich ein guter Europäer".
3. Quellen
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3. Quellen Da die dieser Arbeit zugrunde liegende Fragestellung prmär auf die amerikanische Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen zielt, bilden amerikanische Quellen die Basis der Analyse. Dabei unterscheiden sich, was die Verfügbarkeit von Dokumenten anbelangt, die zwei behandelten Phasen (1958/59 und 1961-1963) nicht unerheblich voneinander. Trotz der in den USA üblichen generellen Sperrfrist von 30 Jahren stehen in den Washingtoner National Archives Unterlagen, insbesondere aus dem State Department, nur für die Zeit bis einschließlich 1959 zur Verfügung. Die Aktenedition „Foreign Relations of the United States" hatte bis vor kurzem für die amerikanischeuropäischen Beziehungen die Schwelle des Jahres 1958 noch nicht erreicht. Die Dokumente des Nationalarchivs allerdings konnten umfassend gesichtet und ausgewertet werden. Als besonders wertvoll und aussagekräftig erwiesen sich dabei außenpolitische Grundsatzmemoranden, Gesprächsprotokolle sowie politische Lagebeurteilungen, sei es nun aus den US-Botschaften in Bonn oder Paris, sei es aus der Zentrale in Washington. Die langfristig-konzeptionelle Politik der USA in bezug auf Westeuropa insgesamt und gegenüber einzelnen Staaten war nie nur Sache des Außenministeriums. Daher waren die politischen Grundsatzpapiere (Policy Papers) des interinstitutionellen, beim Präsidenten angesiedelten National Security Council (NSC) Schlüsseldokumente für die Analyse. Eher am Rande wurden auch Dokumente aus dem US-Verteidigungsministerium herangezogen. Wichtige Unterlagen aus dem Weißen Haus Memoranden, Gesprächsaufzeichnungen sowie weitere NSC-Papiere - befinden sich in der Dwight D. Eisenhower Library in Abilene/Kansas. Angesichts der Bedeutung des Weißen Hauses als außenpolitisches Entscheidungszentrum und der weitreichenden außenpolitischen Kompetenzen des Präsidenten konnte auf eine Auswertung dieses Materials nicht verzichtet werden. In der Eisenhower Library werden im übrigen auch große Teile der Dulles- und HerterPapiere aufbewahrt. Leider stehen bis auf wenige, eher zufällige Ausnahmen für die Jahre 1960 bis 1963 die Archivalien der National Archives nicht zur Verfügung. Umso größere Bedeutung kam daher, insbesondere für den Untersuchungszeitraum 1961 bis 1963, dem Quellenmaterial aus der John F. Kennedy Library in Boston zu. Für den Historiker erweist es sich in diesem Zusammenhang als Vorteil, daß unter der Kennedy-Administration wesentlich stärker als unter der Präsidentschaft Eisenhowers außenpolitische Konzeptions- und Entscheidungsprozesse direkt im Weißen Haus, in den Stäben und Beratergremien des Präsidenten, angesiedelt waren. Ganz anders als das einflußreiche State Department unter John Foster Dulles war Dean Rusks Außenministerium nur eine von mehreren für außenpolitische Entscheidungen relevanten Institutionen. Wenn auch nicht kompensieren, so kann diese Tatsache doch den weitge-
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Einleitung
henden Wegfall von Dokumenten aus dem State Department relativieren. Aber auch andere Unterlagen, wie zum Beispiel die nahezu vollständige, noch nicht systematisch eingeordnete und bisher nicht ausgewertete Korrespondenz zwischen Adenauer und Kennedy, unterstreichen die zentrale Bedeutung der Kennedy Library. Nicht wettgemacht werden kann freilich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, das Fehlen von Akten aus den US-Botschaften in Paris und insbesondere Bonn. Dies erschwert für die Jahre 1961 bis 1963 Antworten auf die Frage nach der amerikanischen Rezeption der sich entfaltenden „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse erheblich und erklärt auch das sich hieraus ergebende leichte, aber doch merkbare Binnenungleichgewicht der Arbeit in diesem speziellen Punkt. Bestimmte Defizite allerdings konnten deutsche Quellenmaterialien überwinden helfen. Für den Konnex zwischen amerikanischer Außen- und deutscher Innenpolitik erwiesen sich die Akten des Archivs für Christlich-Demokratische-Politik (ACDP) in Sankt Augustin als hilfreich. Insbesondere konnte für die Arbeit auf die noch nicht publizierten Protokolle des CDU-Bundesvorstands, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie des Fraktionsvorstands aus den Jahren 1958 bis 1963 zurückgegriffen werden. Auch die Auswertung der zugänglichen Teile des Nachlasses von Heinrich Krone war nützlich. Eingesehen wurden ferner Aktenbestände des Auswärtigen Amtes (Referat 305 und Ministerbüro) - dies jedoch nur für die Jahre bis 1960 - , thematisch relevante Materialien der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (StBKAH) in Rhöndorf 66 sowie des Bonner Archivs des Nuclear History Program (NHP). Bei letzteren handelt es sich im wesentlichen um deklassifiziertes Material aus dem Bundesministerium für Verteidigung. Da, wie weiter oben angedeutet, diese Arbeit sich nicht als diplomatiegeschichtliche Untersuchung eines bi- oder trilateralen Beziehungsgeflechts zwischen zwei oder drei Staaten versteht, sondern die Entwicklung und Implementation der amerikanischen Integrationspolitik gegenüber Westeuropa im allgemeinen und der Bundesrepublik und Frankreich im besonderen ins Zentrum der Analyse stellt, wurde auf unveröffentlichte deutsche Quellen nur partiell, auf unveröffentlichte französische Quellen nicht zurückgegriffen. Ansatz und Anspruch der Studie rechtfertigen diesen Verzicht. Statt dessen stützt sich die Arbeit, wo notwendig und insbesondere im Hinblick auf Frankreich, auf publizierte Quellen sowie eine breite Palette auch jüngerer französischer Untersuchungen im Umfeld des Themas, in die natürlich, sofern dies die restriktiven französischen Archivbestimmungen zuließen, unpublizierte Materialien eingeflossen sind. Als besonders ertragreich haben sich in diesem Zusammenhang 66
Eine generelle Deklassifizierung des ausgesprochen wichtigen, bisher geheimen Rhöndorfer Adenauer-Nachlasses, der offenbar mit dem Erscheinen des diese Quellen auswertenden zweiten Bands der Adenauer-Biographie von Hans-Peter Schwarz in Gang gekommen ist, hat leider bis zum Beginn der Drucklegung der vorliegenden Studie noch keine konkreten Ergebnisse gezeitigt.
3. Quellen
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die 1992 vom Pariser Institut Charles de Gaulle herausgegebenen sechs Tagungsbände „De Gaulle en son siècle" erwiesen, in denen nicht nur der aktuelle internationale Forschungsstand zu Fragen der Biographie und Politik de Gaulles präsentiert wird, sondern in denen auch Zeitzeugen sowie Weggefährten des Generals durch ihre Einlassungen wertvolle Informationen vermitteln. 67 Ähnlich wichtig für jede Analyse der Rolle Frankreichs in den internationalen Beziehungen der Nachkriegszeit sind die an verschiedener Stelle publizierten Beiträge der französischen Sektion des internationalen Nuclear History Program (NHP), der Forschungsgruppe GREFHAN (Groupe d'Etudes français d'Histoire de l'Armement nucléaire).
67
Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), D e Gaulle en son siècle, insbesondere Bde. IV und V (s.o., Anm. 37).
I. Im Schatten der Berlin-Krise Die durch Chruschtschows Ultimatum vom 27. November 1958 ausgelöste Berlin-Krise beherrschte in den Jahren 1958/59 nicht nur das Ost-West-Verhältnis, sondern sie beeinflußte auch die Entwicklung des amerikanisch-westeuropäischen Verhältnisses. Zum einen wurde die Politik der USA gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen ganz erheblich durch die aus der Krise resultierenden objektiven und subjektiven Handlungszwänge oder -notwendigkeiten geprägt. Zum anderen war die Intensivierung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich sehr eng, zum Teil ursächlich verknüpft mit der Berlin- und Deutschlandpolitik Washingtons. Die vorliegende Arbeit wird und kann sich nicht mit der Berlin-Krise als solcher beschäftigen. Angesichts der oben angedeuteten Zusammenhänge bildet diese große Ost-West- und, wie zu zeigen sein wird, auch West-West-Krise jedoch gleichsam den Hintergrund, vor dem die integrationspolitische Analyse der Studie zu sehen und zu entfalten ist. Die ersten beiden Kapitel führen die zwei Stränge der deutsch-amerikanischen und der deutsch-französischen Beziehungen zusammen. Einer kurzen Auseinandersetzung mit John Foster Dulles' Deutschlandpolitik und seinem Deutschlandbild folgt ein Blick auf die Krise im deutsch-amerikanischen Verhältnis in den Monaten um die Jahreswende 1958/59. Parallel dazu skizziert das zweite Kapitel de Gaulies Deutschlandbild und die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen zwischen de Gaulles Rückkehr an die Macht 1958 und der Berlin-Krise. Dabei findet insbesondere der Anteil der USA am Zustandekommen des Dialogs Adenauer - de Gaulle Berücksichtigung wie auch der kausale Konnex zwischen der deutschamerikanischen Vertrauenskrise und dem an Intimität und Intensität gewinnenden Verhältnis zwischen Paris und Bonn. Der Zusammenhang zwischen europäischer Integration und Berlin-Frage schlägt die Brücke zum dritten Kapitel, das sich mit der Europapolitik der USA im Umfeld der Genfer Außenministerkonferenz 1959 beschäftigt. Dabei wird die grundsätzliche amerikanische Unterstützung der europäischen Integration deutlich, allerdings auch die für Washington durchaus ambivalenten Auswirkungen der Politik de Gaulles insbesondere gegenüber Europa und der Atlantischen Allianz; eine Ambivalenz, die sich auch in der Beurteilung der deutsch-französischen Beziehungen niederschlug. Die sich abzeichnende amerikanisch-französische Hegemonialrivalität spiegelte sich in Ansätzen in europapolitischen Kontroversen der deutschen Innenpolitik wider, den ersten Anfängen der „Atlantiker"-„Gaullisten"-Debatte innerhalb der Unionsparteien. Diesen Konflikt und seine erste Zuspit-
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
zung während der sogenannten Präsidentschaftskrise 1959 behandelt das letzte Kapitel. Gerade weil sich außenpolitische Grundorientierungen mit personalpolitischen Präferenzen in der Frage der Adenauer-Nachfolge verbanden, stießen diese innenpolitischen Auseinandersetzungen auf erhebliches Interesse der USA. Die Rezeption der Debatte sowie Ansätze amerikanischen Einwirkens aus europapolitischen Motiven - stehen am Ende des ersten Teils.
1.1. Ende der Harmonie: Berlin und die Risse im deutsch-amerikanischen Verhältnis I.l.l
Dulles, Adenauer und Deutschland
Das enge Verhältnis zwischen Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem amerikanischen Außenminister John Foster Dulles wird in der Literatur häufig auch als Indiz bzw. Indikator der Intensität und Tiefe der deutsch-amerikanischen Beziehungen der mittfünfziger Jahre interpretiert. 1 Für eine Reihe von Autoren personifizierte die Freundschaft Adenauer - Dulles die deutsch-amerikanische Freundschaft, Adenauer galt als der Elitedeutsche im amerikanischen politischen Establishment und in der öffentlichen Meinung, wie umgekehrt Dulles als „die Inkarnation des amerikanischen Einflusses auf die deutsche Politik und auf ihn (Adenauer; ec) selbst" gesehen wurde. 2 Diese Einschätzung konsequent vertretend, datiert ein großer Teil der Literatur den qualitativen Wandel der deutsch-amerikanischen Beziehungen, den Beginn einer langsamen Entfremdung auf den Rücktritt Dulles' von seinem Amt im April und auf seinen Tod im Mai 1959, auf dem Höhepunkt und kurz vor dem Verstreichen des sowjetischen Berlin-Ultimatums. 3 Indes ist diese Sichtweise nicht die einzige, und in der Tat hat die jüngere Forschung doch wesentlich klarer herausgearbeitet, daß der Tod Dulles' nicht den entscheidenden Wendepunkt in der Entwicklung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses vom engen Schulterschluß der Jahre 1954/55 bis hin zum Zerbröckeln der Vertrauens1
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Vgl. beispielsweise Bandulet, Bruno, Adenauer zwischen West und Ost, S. 50f.; Bark, Dennis L./Gress, David R., From Shadow to Substance 1945-1963 (A History of West Germany, Bd. 1), Oxford 1989, S.451; Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S. 142-146; Drummond, Roscoe/Coblentz, Gaston, Duel at the Brink, London 1961, S.58f. Bandulet, Bruno, Adenauer zwischen West und Ost, S.72. Vgl. hierzu u.a. Bark, Dennis, L./Gress, David R., From Shadow to Substance, S.451; Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.244; ders., Konrad Adenauer, John Foster Dulles, and West German-American Relations, in: Immerman, Richard H. (Hrsg.), John Foster Dulles and the Diplomacy of the Cold War, Princeton 1990, S. 109-132, hier S. 129; Hanrieder, Wolfram F., Germany, America, Europe, S.170; Schröder, Hans-Jürgen, Amerikanische Deutschlandpolitik im Kalten Krieg 1954-1961, in: Friedrich, Wolfgang-Uwe (Hrsg.), Die USA und die Deutsche Frage 1945-1990, Frankfurt a.M./New York 1991, S. 129-165, hier S. 154.
1. Ende der Harmonie
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basis in den Jahren 1961 bis 1963 markierte. 4 Zwar bietet sich das Frühjahr 1959 als Zäsur an, zumal in der Vorbereitungsphase der Genfer Außenministerkonferenz deutliche deutsch-amerikanische Positionsunterschiede zutage traten, doch die Risse im Verhältnis zwischen Bonn und Washington hatten sich schon früher abgezeichnet, hatten das bilaterale Klima schon eher belastet. Die persönliche Beziehung Adenauer - Dulles ist in diesem Prozeß allenfalls ein retardierendes Moment gewesen. Noch 1957 hatte die amerikanische Regierung den überwältigenden Wahlsieg der Unionsparteien bei den Bundestagswahlen begrüßt und in ihm die beste Voraussetzung für Stabilität und Kontinuität in den deutsch-amerikanischen Beziehungen gesehen. 5 Während nach der Suezkrise von 1956 das Verhältnis zwischen den USA auf der einen sowie Frankreich und Großbritannien auf der anderen Seite noch immer gespannt und beschädigt war - das amerikanisch-französische stärker als das amerikanisch-britische - , bildeten nach Überwindung der Radford-Krise des Sommers 19566 Washington und Bonn eine enge außenpolitische Koalition. Diese bewies ihre Geschlossenheit insbesondere in den stürmischen Auseinandersetzungen um Zonen verminderter Rüstung in Zentraleuropa, die Disengagement-Gedanken, sowie um die Stationierung nuklearer Kurz- und Mittelstreckenwaffen in Europa. Darüber hinaus hielten Bonn und Washington in jenen Jahren unbeirrbar an dem in Genf 1955 zustande gekommenen politischen Junktim zwischen der Frage der deutschen Wiedervereinigung und Abrüstungsschritten in Europa fest. Dementsprechend wurde jeder Vorschlag für konkrete Abrüstungsmaßnahmen in Europa abgelehnt, da solche Maßnahmen in deutscher Perzeption ja immer auch uno actu die deutsche Teilung politisch anerkannt hätten. Dies aber hätte der Bonner Deutschland- und vor allem Anerkennungspolitik in der Tat den Boden unter den Füßen weggezogen. Wenn auch beispielsweise der amerikanische Vertreter bei den Abrüstungsverhandlungen der Vereinten Nationen, Harold Stassen, auf Grund seiner Neigung, das Junktim fallen zu lassen, das höchste
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Vgl. hierzu insbesondere die entsprechenden Passagen bei Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 385-401 und 467-502. Vgl. Schröder, Hans-Jürgen, Amerikanische Deutschlandpolitik im Kalten Krieg 1954—1961, S.150. Ein Plan des Vorsitzenden der amerikanischen Joint Chiefs ofStaff, Radford, sah den Rückzug von 800.000 amerikanischen Soldaten aus Europa innerhalb von vier Jahren vor sowie die Kompensation dieses Abzugs durch Stationierung taktischer Nuklearwaffen. Für die Bonner Opposition, die sich 1956 massiv gegen den Aufbau der Bundeswehr wandte, war der Radford-Plan ein willkommenes Argument. Adenauer fühlte sich vom amerikanischen Verbündeten getäuscht. Zur Radford-Krise siehe Cioc, Marc, Pax atomica. The Nuclear Defense Debate in WestGermany during the Adenauer Era, New York 1988, S.33f.; Mahncke, Dieter, Nukleare Mitwirkung. Die Bundesrepublik Deutschland in der atlantischen Allianz 1954-1970, Berlin/ New York 1972, S.15f.; Neriich, Uwe, Die nuklearen Dilemmas der Bundesrepublik Deutschland, in: EA 17/1965, S.637-652, hier S.640.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
Mißtrauen Adenauers erregte, so blieb doch die Gewißheit, daß insbesondere Dulles und Präsident Eisenhower selbst solche Alleingänge nicht billigen würden. 7 Auf Dauer freilich erweckte die Bundesregierung mit ihrer starren Haltung in der eigenen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit den Eindruck, durch das Festhalten an dem Junktim bzw. der Priorität der Deutschlandfrage nicht nur die deutsche Einheit nicht mehr zu wollen, sondern auch Schritte hin zu mehr Sicherheit in Europa zu verhindern. Für die Bonner Regierung und insbesondere den Kanzler selbst gab es zwei Auswege aus dieser verfahrenen Situation, und beide wurden beschritten. Zum einen lancierte Adenauer seit 1958 beispielsweise gegenüber dem sowjetischen Botschafter Smirnow Gedanken, die eine zumindest temporäre Anerkennung des Status quo der deutschen Teilung implizierten. 8 Zum anderen kehrte die Bundesregierung schon Ende 1957 - deutlich zu erkennen auf dem NATO-Gipfel in Paris im Dezember ihre Prioritäten innerhalb des Junktims um. Bonn vertrat von nun an die Auffassung vom Vorrang einer „allgemeinen, kontrollierten Abrüstung" vor Schritten zur deutschen Wiedervereinigung. Washington war ob dieser plötzlichen und unabgestimmten Bonner Kehrtwende überrascht und sichtlich irritiert. 9 Neben der Deutschlandfrage begann jedoch auch die nukleare Frage die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu belasten. Sowohl das Gezänk um den Radford-Plan des Sommers 1956 wie auch die weltpolitischen Krisen um Suez und Ungarn demonstrierten der Bundesrepublik klar die dominierende Bedeutung des nuklearen Faktors in der Außenpolitik. Die Bundesrepublik, die ihren 1950 eingeschlagenen Weg zu größerer Gleichberechtigung fortsetzen wollte, mußte erkennen, daß im nuklearen Zeitalter die Verfügungsgewalt über nukleare Waffen oder zumindest ein Mitspracherecht über ihren Einsatz zum Etikett des politischen Status eines Landes geworden war. Zur Statusaufwertung mittels des Nuklearen verfolgte Bonn zwei Wege: den der Stationierung amerikanischer Nuklearwaffen auf ihrem Territorium verbunden mit der Ausrüstung der Bundeswehr mit nuklearen Trägersystemen auf der einen, 10 7
Vgl. hierzu Planck, Charles R., Sicherheit in Europa. Die Vorschläge für Rüstungsbeschränkung und Abrüstung 1955-1965, München 1968, S.126f.; Conze, Eckart, Von Genf nach Ottawa, Zum Zusammenhang von deutscher Einheit, europäischer Sicherheit und internationaler Abrüstung am Ende der 50er Jahre und heute, Ebenhausen 1990 (SWP-AP 2654), S.19-21. 8 S. hierzu Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, Stuttgart 1967, S.369-380; vgl. auch Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 425^130. 9 Vgl. Schöllgen, Gregor, „Kontrollierte Abrüstung". Konrad Adenauer, der Kalte Krieg und die Entspannungspolitik, in: ders., Die Macht in der Mitte Europas. Stationen deutscher Außenpolitik von Friedrich dem Großen bis zur Gegenwart, München 1992, S. 125-147; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.393f. 10 Vgl. hierzu Tuschhoff, Christian, Die MC 70 und die Einführung Nuklearer Trägersysteme in die Bundeswehr 1956-1959, Ebenhausen 1990 (Nuclear History Program, Arbeitspapier).
1. Ende der Harmonie
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den der Herstellung eigener nuklearer Waffen in Kooperation mit der IV. Französischen Republik und Italien auf der anderen Seite." Zwar informierte Adenauer Dulles frühzeitig und umfassend über letztgenanntes Unterfangen, erstmals noch vor dem NATO-Gipfel 1957 in Paris, doch das Mißtrauen der Amerikaner gegenüber diesem Projekt konnte er nicht ausräumen. Auch wenn General de Gaulle unmittelbar nach seiner Regierungsübernahme im Juni 1958 das trilaterale Unternehmen einstellen ließ, blieb in Washington ein Rest an Besorgnis zurück. Nicht ganz zu Unrecht, wie die immer deutlicher artikulierten Klagen Adenauers, beispielsweise gegenüber de Gaulle, über den Zustand der N A T O , die Politik der Amerikaner und die Schwäche der Europäer zeigten. Verstärkt wurden diese Faktoren durch die seit 1958 permanent vorhandene Besorgnis Adenauers, daß Eisenhower, um als Friedenspräsident in die Geschichte eingehen zu können, sich auf einen weltpolitischen Handel mit der Sowjetunion einlassen könnte - zu Lasten der Bundesrepublik und der von ihr vertretenen deutschen Interessen. Hier tauchte die alte Sorge Adenauers wieder auf, ein weltpolitisches Kondominium der beiden Supermächte könne die existentiellen Interessen der Europäer und insbesondere der Deutschen mißachten: „Die durch unverantwortliche Nachlässigkeit mancher maßgebender Persönlichkeiten in den USA (Eisenhower, Stassen, der bisherige Verteidigungsminister Wilson) im wesentlichen erreichte Rüstungsparität zwischen beiden großen Mächten gebe Chruschtschow eine gute Basis für diese Politik. Es müsse Aufgabe der Politik der Bundesrepublik sein, eine derartige Entwicklung zu verhindern." 1 2 Adenauers Ängste bezogen sich neben Präsident Eisenhower auf eine ganze Reihe anderer amerikanischer Politiker, zunächst jedoch nicht auf Außenminister Dulles: „Wir können Gott danken, daß Herr Dulles da ist." 13 Die durch Chruschtschows Ultimatum ausgelöste Berlin-Krise jedoch sollte deutlich machen, daß auch John Foster Dulles nicht unter allen Umständen kompromißlos an der Seite der Deutschen stand, daß auch er nur so lange Anwalt und Exponent deutsch-amerikanischer Geschlossenheit war, so lange diese den globalen Interessen der amerikanischen Außenpolitik zuträglich oder zumindest mit ihnen vereinbar war. Trotz solcher Einschränkungen ist das Verhältnis Adenauer - Dulles zu den wichtigsten und wohl auch wirksamsten Größen in den deutsch-amerikani11
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Zum trilateralen sogenannten FIG-Projekt siehe: Barbier, Colette, Les négociations francogermano-italiennes en vue de l'établissement d'une coopération militaire nucléaire au cours des années 1956-1958, in: Revue d'histoire diplomatique 1-2/1990, S.81-113; Conze, Eckart, La coopération franco-germano-italienne dans le domaine nucléaire dans les années 1957-1958: un point de vue allemand, in: ebd., S. 115-132; Nuti, Leopoldo, Le rôle de l'Italie dans les négociations trilatérales 1957-1958, in: ebd., S. 133-156. Vgl. außerdem Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 385-401. So Adenauer vor dem Bundeskabinett am 17.10.1957; zit. nach Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.386. So Adenauer vor dem CDU-Bundesvorstand am 17.1.1958; zit. nach: Schwarz, HansPeter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.46.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
sehen Beziehungen der fünfziger Jahre zu rechnen. Dabei ist die Frage schwer zu beantworten, ob aus der politischen Freundschaft der beiden „kongenialen Staatsmänner" 14 jemals eine wirklich freundschaftliche persönliche Bindung entstanden ist.15 Aus ihrer Herkunft und ihren Karrieremustern jedenfalls ergibt sich nicht notwendigerweise der Schlüssel zu ihrem engen Einvernehmen. Freilich, beide hatten es, Adenauer 1876, Dulles 1888 geboren, aus vergleichsweise bescheidenen Verhältnissen zu Wohlstand und an die Spitze des politischen Lebens ihres Landes gebracht. Doch gerade im Religiösen, das immer wieder als Wurzel der Gemeinsamkeit der beiden bemüht wird, unterschieden sie sich eher, als sie sich glichen. Während Adenauer aus der heiteren, lebensfrohen Welt des rheinischen Katholizismus kam, stammte John Foster Dulles aus einem Elternhaus calvinistisch-pietistischer - der Vater war Geistlicher Prägung. Auch seine Erziehung, zuerst in Princeton, dann für ein Jahr an der Sorbonne und schließlich an der George Washington Law School war die eines liberalen Protestanten der amerikanischen Ostküste, dem allerdings auch ob seiner Herkunft Tore in Außenpolitik und Diplomatie offenstanden: Sein Großvater John Watson Foster war amerikanischer Außenminister unter Präsident Benjamin Harrison (1892), sein Onkel Robert Lansing von 1915 bis 1921 Secretary of State im Kabinett Woodrow Wilsons. Solcherlei familiäre Brücken in die Politik fehlten dem in Köln als Sohn eines Sekretärs und späteren Kanzleirats am Oberlandesgericht geborenen Konrad Adenauer völlig. Seinem Abitur folgte nach einem wenig erfolgreichen Intermezzo im Kölner Bankhaus Seligmann das Studium der Jurisprudenz in Freiburg, München und Bonn. Während Dulles unmittelbar auf nationaler Ebene der Einstieg in die Politik gelang, führte Adenauers Aufstieg durch die Fährnisse der Kölner Kommunalpolitik nach oben. Obwohl von 1921 bis 1933 Präsident des preußischen Staatsrats, galt in den Weimarer Jahren weder sein persönliches noch sein sich aus seinen Ämtern ergebendes Interesse der Außenpolitik. Seine Bemühungen um einen deutsch-französischen Ausgleich, später zuweilen einseitig mit dem pauschalisierenden Vorwurf des Rheinstaatsseparatismus bedacht, 16 blieben Episode. Keinesfalls waren sie die außenpolitische Lehrzeit des späteren Bundeskanzlers. Erfahrungen mit Deutschland und den Deutschen sammelte Dulles bereits seit 1919, als er, der eigentlich Anwalt in der Wa//-Sfreei-Sozietät Sullivan & Cromwell war, der amerikanischen Delegation bei den Pariser Friedensver14
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Oberndörfer, Dieter, John Foster Dulles und Konrad Adenauer, in: Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers (Bd. 2, Beiträge der Wissenschaft), Stuttgart 1976, S. 229-248, hier S.229. Von einer echten persönlichen Freundschaft spricht sehr dezidiert und im Grunde auch kaum nuanciert im Urteil Dulles, Eleanor, Adenauer und Dulles, in: Konrad Adenauer und seine Zeit, Bd. 1, (Beiträge von Weg- und Zeitgenossen), S.377-389. Vgl. hierzu vor allem Köhler, Henning, Adenauer und die Rheinische Republik. Der erste Anlauf 1918-1924, Opladen 1986.
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tragsverhandlungen angehörte. 17 Zwar hatte er sich auch schon vorher kurzzeitig im Felde der Diplomatie betätigt, doch galt sein Interesse bis dahin eher dem Fernen Osten, vor allem China, wie auch Lateinamerika. In Paris fungierte er offiziell als Berater des Reparationsausschusses der amerikanischen Delegation, schlüpfte jedoch im Laufe der Verhandlungen immer stärker in die Rolle des konzeptionellen Denkers und selbst Sprechers der Reparationsexperten. In den Auseinandersetzungen zwischen den USA auf der einen sowie Großbritannien und Frankreich auf der anderen Seite über die von Deutschland zu leistenden Reparationen artikulierte Dulles wieder und wieder die amerikanischen Interessen und Befürchtungen bezüglich überzogener Reparations- und Kompensationsforderungen: „He perceived great danger both in seeking high damages and in failing to arrive at a reasonable fixed sum. By destroying economic incentive thusly, the willingness and ability of Germany to pay could only be adversely affected. In short, Dulles wanted Germany as a stabilizing, productive, and consuming factor in the world economy." 18 Das Ende der Pariser Konferenzen bedeutete für Dulles keineswegs das Ende seiner Beschäftigung in und mit Europa, in und mit Deutschland. Schon sehr bald, als Teilhaber von Sullivan & Cromwell, unternahm er in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren zahlreiche Reisen nach Deutschland: bis 1929, um amerikanische Dollars in die europäische Wirtschaft zu pumpen, danach, um von diesen Investitionen zu retten, was noch zu retten war. Besondere Sympathien für die Deutschen entstanden dabei nicht, doch zumindest „Vorurteilslosigkeit", sei, so Hans-Peter-Schwarz, das Ergebnis gewesen.19 Daß Dulles nicht zum Freund Deutschlands geworden war, belegte auch ein privates Memorandum, ein 1944 entstandener Aufteilungsplan für Deutschland, „ ( . . . ) dessen Inhalt den Morgenthau-Plan eher noch überbot." 20 Wäre Dulles' Plan Realität geworden, so wäre von Deutschland nicht mehr geblieben als ein kleiner Kern Preußens. Das Rheinland wäre an Frankreich gefallen, Süddeutschland an Österreich, Ostdeutschland an Polen. Des deutschen Potentials war sich Dulles, mittlerweile zum außenpolitischen Experten des internationalistischen Flügels der Republikaner um Senator Dewey avanciert, bewußt. Die Geschichte Europas nach dem Ersten Weltkrieg ließ für ihn nach 1945, um eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit zu vermeiden, nur eine Folgerung zu: Schon während des Zweiten Weltkriegs betonte er, daß das Prinzip der absoluten nationalen Souveränität überwunden werden müsse und daß nur durch die Aufgabe nationaler Souveränitätsrechte der Aufbau einer stabilen Weltfrie-
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Hierzu im einzelnen Pruessen, Ronald, John Foster Dulles. The Road to Power, New York/London 1982, S.29-105. Guhin, Michael, A., John Foster Dulles. A Statesman and his Times, New York/London 1972, S.29. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer, Der Staatsmann, S.54. Oberndörfer, Dieter, John Foster Dulles und Konrad Adenauer, S.236.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
densordnung möglich sei.21 Ein Besuch in Berlin wenige Monate nach dem 8. Mai 1945 bestärkte ihn in seiner Einschätzung des deutschen Machtpotentials und der daraus resultierenden Notwendigkeit einer europäischen Integration. Vor dem politischen Hintergrund des Jahres 1950 schilderte Dulles seine Eindrücke von 1945: „Ich war einige Monate nach dem Waffenstillstandstag in Berlin, und die Zerstörungen, die ich sah, spotteten jeder Beschreibung. Es war eine Szenerie von unaussprechlichem Grauen, eine vom Bombenregen seelisch schwer gestörte Einwohnerschaft ohne Beheizung oder Beleuchtung, in Ruinen und Schutt kampierend. Ich mußte an Toynbees Study of History denken, an seine These von Herausforderung und Antwort (challenge and response; ec), von Wirkung und Gegenwirkung. Ich sagte mir selbst: Wenn die Deutschen auf diese Herausforderung antworten, auf diese ungeheuerliche Zerstörung, die der Zweite Weltkrieg ihnen gebracht hat, dann wird die Replik in der Tat eine Antwort in großen Ausmaßen (formidable\ ec) sein. Dies geschieht nun, und es bleibt uns nur eine kurze Zeit übrig, um einen Geist in das Sammelbecken europäischer Kameradschaft einfließen zu lassen, der sonst die Form bösartigen Nationalismus annehmen wird." 22 Der Beginn des Kalten Krieges, die Verschärfung des Ost-West-Gegensatzes weltweit, aber doch insbesondere auch in Europa und in und um Deutschland, verstärkten Dulles' Überzeugung vom Sinn und Nutzen der Überwindung der Nationalismen des alten Kontinents im Rahmen europäischer Integrationskonzepte. Auch für Dulles hatte dabei die wirtschaftliche Integration Priorität, wie er 1947 zu erkennen gab, als er von der Moskauer Außenministerkonferenz, an der er als Mitglied der amerikanischen Delegation teilgenommen hatte, zurückkehrte: „Beim Studium des Problems, wie Deutschland in Europa unterzubringen sei, gelangten wir mehr und mehr zu der Überzeugung, daß es eine wirtschaftliche Lösung in rein nationalstaatlichen Komplexen nicht gibt. Eine erweiterte Wirtschaftseinheit ist absolute Voraussetzung eines europäischen Wohlstands." 23 Die USA hätten im Prozeß der europäischen Integration nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, Druck auf die Europäer auszuüben. Ein Recht insbesondere deswegen, weil die USA auf Verlangen der Europäer ungeheure Kapitalien in Westeuropa angelegt hätten. 24 Deutlich werden in dieser Haltung die Erfahrungen der Zwischenkriegszeit sichtbar. Ziel der Vereinigten Staaten müsse ein Europa sein, „das so viel eigene wirtschaftliche Kraft entfaltet, daß es selber prosperiert und nicht von Wirtschaftshilfen anderer abhängig ist. Wir wollen ein Europa, das genug moralische und intellektuelle Dynamik in sich trägt, um in der Tradition der Magna Charta und der Deklaration der Menschenrechte alle Fesseln abzustreifen, die man ihm anlegen möchte, um seine Selbstentfaltung zu verkümmern. Wir 21 22 23 24
Ebd., S.235. Dulles, John Foster, Krieg oder Frieden, Wien/Stuttgart 1950, S.231. Ebd., S. 112. Ebd., S.223.
1. Ende der Harmonie
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wollen ein Europa, das eine neue industrielle Revolution durchführt, um die Produktionskraft der menschlichen Arbeit noch einmal zu vervielfältigen, und wir wollen ein Europa, das wieder große Literatur hervorbringt, Musik und Künste, und das religiöse Bewegungen in sich erzeugt, wie sie früher die Welt inspiriert und bereichert haben." 25 Marshall-Plan und European Recovery Program stießen auf Zustimmung von Dulles, der, obwohl er 1948 abermals zur potentiellen Regierungsmannschaft Thomas Deweys gehörte, aus seiner Befürwortung einer überparteilich geführten Außenpolitik nie ein Hehl gemacht hatte. 26 Die ersten europapolitischen Gehversuche Monnets, mit dem er gut befreundet war, Schumans und Adenauers im Jahre 1950 verfolgte Dulles mit großer Sympathie und mehr und mehr von der Überzeugung geleitet, daß die Einigung Europas auch geboten sei, um dem weiteren Ausgreifen des sowjetkommunistischen Expansionismus Einhalt zu gebieten. Die gleiche Einsicht förderte auch die Annäherung von Dulles an Deutschland, dessen Machtpotential zwischen den Fronten des Kalten Krieges er klar erkannte: „Noch nie zuvor hatte ein so zahlreiches und potentiell so machtvolles Volk eine so einzigartige Chance, seine Stellung zwischen zwei gegnerischen Gruppen nutzbar zu machen." 27 Dieses Deutschland könne aber auch „ein großer Trumpf in den Händen des Westens sein. Indem es Ostdeutschland in den Machtbereich des Westens zieht, kann es eine vorgeschobene strategische Position in Mitteleuropa gewinnen, welche die sowjetkommunistischen militärischen und politischen Positionen in Polen, der Tschechoslowakei, in Ungarn und anderen angrenzenden Ländern unterminiert. So hat ein wiederbelebtes nationalistisches Deutschland dem Westen viel zu bieten - zu einem Gegenpreis." 28 Dieser Preis, den der Westen zahlen müsse, so entwickelte Dulles seinen Gedanken 1950 weiter, sei die deutsche Wiederbewaffnung. Diese werde zwar den Westen stärken, doch: Werde Frankreich damit einverstanden sein, und könne man sich wenige Jahre nach dem Krieg auf die Deutschen verlassen? „Können wir sicher sein, daß sie in die Richtung schießen, die wir für die richtige halten?" 29 Adenauers unmittelbar nach 1949 eingeleitete Politik der Westintegration der Bundesrepublik fügte sich jedoch stimmig in Dulles' Konzeption. Und obwohl der deutsche Kanzler nach dem Wahlsieg Eisenhowers 1952 lieber den amerikanischen Hochkommissar in Deutschland, John J. McCloy, als neuen Außenminister in Washington gesehen hätte 30 , war doch in Adenauers politischen Zielen und Dulles' Überzeugungen eine zumindest mittelfristige Übereinstimmung der deutschen und der amerikanischen Politik angelegt, auf deren 25 26 27 28 29 30
Ebd., S. 225. Ebd., S. 126-144. Ebd., S. 163. Ebd. Ebd., S. 164. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 51 f.
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Basis sich in den nun folgenden sechs Jahren die deutsch-amerikanischen Beziehungen fruchtbar entwickeln konnten. So entscheidend die konkreten Ziele der beiden Politiker für den Gleichklang der deutschen und amerikanischen Außenpolitik waren, so wenig dürfen bei der Beleuchtung des Verhältnisses zwischen Bonn und Washington die sich ähnelnden, zum Teil identischen Weltbilder Adenauers und Dulles' außer acht gelassen werden. Freilich sollten diese im Gefüge der deutsch-amerikanischen Nachkriegsbeziehungen auch nicht überbewertet werden. Trotz ihrer unterschiedlichen Konfessionen war beider Weltbild zutiefst im christlichen Glauben verankert. Es ist bezeichnend, daß die beiden erstmals bei einer Tagung des Weltkirchenrates im Jahre 1948 in Amsterdam aufeinandertrafen. Dulles, der seit den dreißiger Jahren führend in amerikanischen protestantischen Laienorganisationen engagiert war, hielt in Amsterdam eine Rede, deren Tenor dahin ging, in der Politik moralische Stärke mehr zu nutzen. 31 Mit dieser Einschätzung stieß der Amerikaner gewiß auf die Zustimmung des Deutschen, für den eine moralisch starke, auf christlich-abendländischen Fundamenten ruhende Politik spätestens nach 1945 zum unerschütterlichen Credo geworden war. Beider Haltung manifestierte sich konkret in ihrer Beurteilung des Kommunismus, der Sowjetunion und ihrer Politik sowie des Kalten Krieges, den beide weniger als „machtpolitischen Interessenkonflikt als vielmehr eine nur aus dem christlichen Glauben heraus zu durchstehende Auseinandersetzung zwischen dem sowjetischen atheistischen Machtbereich einerseits und dem westlichen Kulturbereich andererseits" ansahen. 32 Ohne weiteres hätte wohl Adenauer dem Plädoyer Dulles' für eine Wiederbelebung des christlichen Glaubens als Grundlage einer freien Gesellschaft zustimmen können: „Was uns am meisten nottut, ist ein wiedergewonnenes Vertrauen in unser geistiges Erbgut. Religiöser Glauben in die moralische Wesenheit des Menschen ist entscheidend für jegliche Gesellschaft, von jeher und für alle Zeiten. Er ist entscheidend auch unter den komplexen Daseinsbedingungen moderner Sozietät. Das müssen wir einsehen, wenn wir erfolgreich gegen die Methoden und die Praxis einer materialistischen Lehre kämpfen wollen." 33 Gewiß erleichterte diese gemeinsame Grundüberzeugung das Entstehen einer engen Beziehung zwischen dem US-Außenminister und dem Bundeskanzler, für den auch aus innenpolitischen Gründen der permanente Accord mit den Vereinigten Staaten so unschätzbar wichtig war. Dulles half Adenauer, diesen Accord nicht nur zu schaffen, sondern ihn auch auf Dauer zu festigen und ihn öffentlichkeits- und damit wählerwirksam zu demonstrieren. In ihrer gemeinsamen Amtszeit, den Jahren von 1953 bis zum Rücktritt Dulles' im Frühjahr 1959, gab es 15 Begegnungen zwischen den beiden Politikern. Die 31 32 33
Vgl. Dulles, Eleanor, Adenauer und Dulles, S.378. Oberndörfer, Dieter, John Foster Dulles und Konrad Adenauer, S.234. Dulles, John Foster, Krieg oder Frieden, S.269.
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konkrete politische und die tiefer gründende weltanschauliche Übereinstimmung, die Reinhold Niebuhr für Dulles einmal mit dem Begriff des „Christian realism" charakterisierte, 34 ließ in diesen Jahren zumindest eine „Zweckfreundschaft" entstehen. 35 Daß aus dieser ursprünglichen Zweckfreundschaft in späteren Jahren eine echte Freundschaft wurde, ist nicht auszuschließen. Dem Urteil Dieter Oberndorfers wird man wohl zustimmen können, wonach die Freundschaft der beiden in den letzten Jahren von Dulles' Amtszeit, „als sie ihre Analyse der Weltpolitik, als eines Kampfes für die christliche Vorstellung von der Würde und Einmaligkeit des einzelnen und gegen den sowjetischen materialistischen Kollektivismus, Schulter an Schulter gegen eine zunehmend feindselige Öffentlichkeit verteidigen mußten, dann doch in sehr viel tieferen emotionalen Schichten Wurzeln geschlagen" habe. 36 Gleichwohl zeigten gerade die Anfangsmonate der Berlin-Krise 1958/59, daß das persönliche Verhältnis der beiden Politiker nicht von vornherein einen Gleichklang der deutschen und der amerikanischen Politik garantierte, Spannungen und Konflikte im transatlantischen Verhältnis keineswegs ausschloß. Die weitreichende Unterstützung, die Adenauers Politik durch Dulles erfuhr, trug gewiß zur innen- und außenpolitischen Aufwertung seiner Position bei und leistete darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Bundesrepublik. Der Bemerkung Hans-Jürgen Schröders, daß diese Konstellation es dem Kanzler wesentlich erleichtert habe, zahlreiche politische Stürme zu überstehen, ist sicher beizupflichten. Daß dies „auch für die durch die BerlinKrise ausgelösten Turbulenzen" gegolten habe, scheint eher mit einem Fragezeichen zu versehen sein.37 Gerade weil die neuerliche Krise um Berlin unter politisch und strategisch ganz anderen Vorzeichen stand als beispielsweise die Blockadekrise 1948/49, weil sich das Ost-West-Verhältnis in den zehn Jahren seit der Gründung der Bundesrepublik entscheidend gewandelt hatte und weil es sich nun beim Kräftemessen um Berlin viel stärker als jemals zuvor um ein Ringen zwischen USA und UdSSR um Suprematie in der Bipolarität handelte, waren die Grundlagen der westdeutschen Außenpolitik, die auf der amerikanischen Suprematie beruhten, in erheblichem Maße in Frage gestellt.38 Vor diesem Hintergrund erscheint Waldemar Bessons Feststellung, daß seit dem 27. November 1958 für Adenauer die Welt wieder stimmte, weil „die Zeit der Entspannung vorüber [war] und die Bundesrepublik wieder, wie von Anfang an, als Damm gegen den Osten [galt]", eher unzutreffend. 39 An der Entwick34 35 36 37
38
39
Zit. nach Guhin, Michael A., John Foster Dulles, S.2. Vgl. Oberndörfer, Dieter, John Foster Dulles und Konrad Adenauer, S.234. Ebd. Schröder, Hans-Jürgen, Amerikanische Deutschlandpolitik im Kalten Krieg 1954-1961, S.154. Vgl. Doering-Manteuffel, Anselm. Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer. Außenpolitik und innere Entwicklung 1949-1963, Darmstadt 2 1988, S. 105. Besson, Waldemar, Außenpolitik, S.211f.
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lung der deutsch-amerikanischen Beziehungen wie am Verhältnis Adenauer Dulles läßt sich die These von der Krise zwischen Bonn und Washington verdeutlichen. 1.1.2. Chruschtschows Ultimatum: Probe der Partnerschaft Bereits vor Eingang des eigentlichen Ultimatums Chruschtschows hatte Adenauer den amerikanischen Außenminister vor Konzessionen und Nachgiebigkeit gegenüber der Sowjetunion gewarnt, die immer nur neue Forderungen nach sich ziehen würden. Obwohl der Kanzler damit im Grunde in Dulles' Horn stieß, der genau diese Ansicht wieder und wieder vertreten hatte, 40 zeigte sich bereits in den Tagen vor dem 27. November, daß die harte Position des Secretary of State ein gewisses Maß an Flexibilität und Elastizität im einzelnen nicht ausschloß. Erster Beleg dafür war die von Dulles am 26. November auf einer Pressekonferenz vertretene These, die Amerikaner könnten es akzeptieren, wenn die Sowjetunion ihre Kontrollrechte an den Verbindungswegen von und nach Berlin DDR-Stellen, die dann Handlungsbeauftragte - agents - der UdSSR wären, übertragen. Dulles' „Agententheorie" kam nicht aus heiterem Himmel, denn bereits 14 Tage vorher hatte es diesbezügliche Pressegerüchte gegeben, und auch innerhalb des State Department war diese Frage, beispielsweise in einem Memorandum für Dulles vom 15. November, aufgegriffen worden. Diesem Memorandum zufolge war die „agency theory" bereits seit 1954 Bestandteil der Berlin-Contingency-Plemung der drei Westmächte, in die allerdings die Bundesrepublik niemals eingeweiht, geschweige denn einbezogen worden war. 41 Das deutsche Entsetzen über den Vorschlag des Außenministers, der für Adenauer, aber auch für den Regierenden Berliner Bürgermeister Willy Brandt eine Anerkennung der DDR zu implizieren schien, sowie, noch wirksamer, der Widerspruch von Präsident Eisenhower, der sich gegen die Kontrolle der Sieger durch die Besiegten des Krieges wehrte, bewegten Dulles zum Einlenken und zur raschen Relativierung seines Vorstoßes. Am 1. Dezember 1958 gehörte es bereits zur offiziellen Position des State Department, die „Agententheorie" als nicht mehr sinnvoll anwendbar zu erklären, nachdem die Sowjetunion verneint habe, daß die DDR-Stellen bloße Handlungsbeauftragte seien.42 Die Tagung des Nordatlantikrats in Paris vom 16. bis zum 18. Dezember 40 41
42
Vgl. beispielsweise Dulles, John Foster, Krieg oder Frieden, S.37. Vgl. National Archives Washington (NA), 762.00/11-1558: Memorandum to the Secretary, 15.11.1958. Wo im Folgenden nicht ausdrücklich auf eine Record Group (RG) der National Archives verwiesen wird, bezieht sich die Angabe auf RG 59, die State Department Decimal Files. Vgl. N A , 762.00/12-158: Memorandum of Conversation, subject: Berlin Situation, 1.12.1958.
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1958 mit einem vorgeschalteten Treffen der Außenminister der drei Westmächte und der Bundesrepublik am 14. Dezember gab Gelegenheit zu direkten Gesprächen über die Linie des Westens angesichts des sowjetischen Ultimatums. Adenauer hatte sich jedoch schon vor diesen Unterredungen in schriftlicher Form an die Regierungen der drei Westmächte gewandt und erneut eine feste Haltung gegenüber der Sowjetunion gefordert. Was er insbesondere zu verhindern suchte, war die Wiederaufnahme von Ost-West-Verhandlungen weit über das Berlin-Thema hinausgehend über die Deutschlandproblematik insgesamt und Uber Fragen der Sicherheit und Abrüstung in Europa: „Ein Junktim in der Behandlung beider Fragen würde nämlich entweder die Freiheit Berlins in Frage stellen oder die Lösung des gesamtdeutschen Problems auf einen Weg führen, der zu einer mehr oder weniger verschleierten Kapitulation vor den sowjetischen Forderungen führen müßte." 43 Ein weiteres Mal stützte in Washington vor allem der Präsident selbst, dem Adenauer wieder und wieder ein für den Westen schädliches übermäßiges Entspannungsinteresse vorgeworfen hatte, die deutsche Position: „As regards the Adenauer message, he expressed his agreement", heißt es im Protokoll einer Besprechung zwischen Eisenhower, Dulles und dem Stab des Weißen Hauses am 12. Dezember, „that the issues of German unification and the Berlin crisis are separate and distinct, and should be dealt with separately." 44 Dulles stimmte dem zu und ergänzte, daß Verhandlungen mit der Sowjetunion auch über Berlin allein nicht unter dem Druck eines Ultimatums stattfinden könnten. Diese Position werde er auch in Paris vertreten. 45 Adenauer konnte zwar fürs erste zufrieden sein; sein Mißtrauen jedoch bezüglich neuer Weiterungen der amerikanischen Politik war noch lange nicht erloschen. Zwar fand das Vierertreffen zwischen den Außenministern Dulles, Lloyd, Couve de Murville und Brentano in Harmonie statt und schuf grundsätzliche Übereinstimmung. Dulles vermerkte freilich, daß von allen Teilnehmern die brisante Frage umgangen worden sei, was denn geschehen werde, falls DDRVertreter westliche Bewegungen von und nach Berlin aufhalten sollten.46 Von dieser Unsicherheit indes war im Kommunique der vier Minister nichts zu spüren. Dort hieß es: „Die Außenminister Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten bestätigen nochmals die Entschlossenheit ihrer Regierungen, ihre Position und ihre Rechte in bezug auf Berlin und das Recht auf freien Zugang dorthin zu wahren. Sie hielten eine einseitige Aufhebung der gegenüber den Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Kö43
44
45 46
So Adenauer an Dulles am 13.12.1958, zit. nach: Eckardt, Felix von, Ein unordentliches Leben. Lebenserinnerungen, Düsseldorf/Wien 1962, S.560. Dwight D. Eisenhower Library, Abilene/Kansas (DDEL), White House Office, Office of the Staff Secretary, Folder State Department - September 1958 - January 1959 (4): Summary of Conference of 12.12.1958, 16.12.1958. Ebd. Vgl. NA, 762A.00/12-1458: Dulles (Paris) an Eisenhower, 14.12.1958.
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nigreichs und der Vereinigten Staaten mit Bezug auf deren Anwesenheit in Berlin und die Freiheit des Zugangs dorthin bestehenden Verpflichtungen durch die Sowjetunion für unannehmbar. Das gleiche gilt nach ihrer Auffassung für die Ersetzung der Sowjetregierung durch deutsche Behörden der sowjetisch besetzten Zone." 47 In einer „Erklärung über Berlin" schloß sich der Nordatlantikrat am 16. Dezember der Haltung der vier Außenminister an. Gleichwohl mußte ein Passus dieser Erklärung den deutschen Bundeskanzler aufhorchen lassen. Gegen Schluß hieß es nämlich: „Der Rat ist der Auffassung, daß die Berlin-Frage nur in einem Übereinkommen mit der UdSSR über das ganze Deutschland-Problem gelöst werden kann. Er erinnert daran, daß sich die Westmächte wiederholt bereit erklärt haben, dieses Problem wie auch das der europäischen Sicherheit und Abrüstung zu prüfen." 48 Zwar war es ganz wesentlich auf das Betreiben Adenauers zurückzuführen, daß in die Erklärung auch der Punkt über die Notwendigkeit von Verhandlungen über Sicherheit und Abrüstung aufgenommen wurde - der Kanzler betonte seit 1958 die Notwendigkeit „allgemeiner kontrollierter Abrüstung" als Voraussetzung für Verhandlungen über die deutsche Frage - , doch die Position, ein Junktim zwischen Berlinfrage und der Wiedervereinigungsproblematik insgesamt zu vermeiden, die Adenauer, aber auch Eisenhower noch wenige Tage zuvor so vehement vertreten hatten, war offensichtlich bereits im Dezember 1958 ins Wanken geraten. Sie sollte schon bis zum Ende des Jahres, auch auf amerikanischer Seite, völlig zerfallen. So hieß es in der amerikanischen Antwort auf das sowjetische Ultimatum vom 31. Dezember 1958, daß „die Regierung der Vereinigten Staaten daran interessiert [wäre], zu erfahren, ob die sowjetische Regierung bereit ist, Besprechungen zwischen den vier betroffenen Mächten aufzunehmen. In diesem Falle würde es das Ziel der Regierung der Vereinigten Staaten sein, die Frage Berlins in dem weiteren Rahmen von Verhandlungen zur Lösung des deutschen Problems wie auch des Problems der europäischen Sicherheit zu erörtern." 49 Um den Druck von Berlin zu nehmen und um Moskau an den Verhandlungstisch zu bringen, bezogen die drei Westmächte also die Deutschland- und die Sicherheitsfrage in ihre Reaktion auf den sowjetischen Vorstoß ein. Adenauer, dessen Deutschlandpolitik Ende 1958 ohnehin einem „Kartenhaus" 50 glich, sah in seiner pessimistischen Art fast kein Halten mehr. Nicht nur attackierte die Bonner Opposition seine Deutschlandpolitik in schärfster Form, nicht nur nahm die Zahl der deutschlandpolitischen Dissidenten innerhalb der Union zu - nun wehte auch aus dem westlichen Ausland, zuvorderst aus den USA, vom Großbritannien Macmillans gar nicht zu reden, 47
48 49
50
Kommunique über Besprechungen der Außenminister der drei Westmächte und der Bundesrepublik in Paris vom 14. Dezember 1958, abgedruckt in: E A , 20.12.1958, S. 11313. Erklärung über Berlin vom 16.Dezember 1958, abgedruckt in: EA, 20.12.1958, S. 11313f. Note der amerikanischen Regierung an die Sowjetregierung vom 31. Dezember 1958, abgedruckt in: E A , 20.12.1958, S. 11315-11317, hier S. 11317. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 402-439.
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ein ganz anderer Wind. In den Augen Adenauers hatte der östliche Druck auf Berlin damit nicht zu einer Verhärtung der westlichen Positionen und größerer Standfestigkeit geführt, sondern zu einer erhöhten Kompromißbereitschaft und zur Preisgabe vormals vitaler Interessen zugunsten vermeintlicher Entspannungserfolge. Alles deutet darauf hin, daß die Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen der ersten Jahreshälfte 1959 nicht plötzlich hereinbrach. Sie bahnte sich zum einen bereits seit November 1958 an, zum anderen wurde sie, was schwerer wiegt, von den Amerikanern offensichtlich in Kauf genommen. Insbesondere das State Department brachte sich bewußt in Gegensatz zu den deutschlandpolitischen Vorstellungen Adenauers, wurde es doch von der amerikanischen Botschaft laufend über die Politik und die Haltung der Bundesregierung und vor allem des Kanzlers selbst zur Berlin- und Deutschlandfrage informiert. Die Bonner Botschaft analysierte die unterschiedlichen deutschlandpolitischen Positionen in der Bundesrepublik genau und gründlich. Den amerikanischen Beobachtern entging dabei der Gegensatz zwischen Regierung und Oppositionsparteien ebensowenig wie die Risse innerhalb der C D U / C S U . Dem amerikanischen Botschaftsrat William Tyler, der am 22. Dezember 1958 eine 18-seitige Analyse der „Basic Attitudes of German Political Leaders to the German Question; and the Present and Potential Reactions of These Leaders to the Soviet Threat to Berlin" verfaßte, 51 blieben dabei auch die Dilemmata der Politik des Bundeskanzlers nicht verborgen. Tyler erfaßte durchaus sehr präzise die Ängste und Sorgen Adenauers bezüglich Ost-West-Verhandlungen über die Deutschlandfrage allein. Solche Verhandlungen nämlich würden den Westen nur dem Druck aussetzen, gefährliche Konzessionen zu machen und Kompromissen zuzustimmen, die in Richtung Disengagement, Neutralisierung oder eines anderen Sonderstatus für Deutschland zielten, ohne dabei die Wiedervereinigung zu erreichen. 52 Genau diese Befürchung sei auch eine Ursache, so der Botschaftsbericht, für die Forderung Adenauers, nicht nur über Deutschland zu verhandeln, sondern zumindest gleichzeitig über eine „allgemeine kontrollierte Abrüstung" („universal controlled disarmament"). „What this boils down to as a practical matter is that Chancellor Adenauer and his followers in the C D U / C S U do not in fact want any negotiations on reunification and European security to take place unless there is simultaneously or previously a general East-West settlement of such a nature that Germany and western Europe as a whole would be secure even without the presence of United States forces." 53 Die Präsenz amerikanischer Truppen in Europa sei so 51
52 53
NA, 762.00/12-2258: Foreign Service Dispatch, US-Botschaft Bonn an Department of State, subject: Basic Attitudes of German Political Leaders to the German Question; and the Present and Potential Reactions of These Leaders to the Soviet Threat to Berlin, 22.12.1958. Ebd., S.10. Ebd.
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entscheidend, weil nur in ihr die Garantie nuklearer Abschreckung sowjetischer Übergriffe liege. Wenn nicht amerikanische Soldaten sofort und direkt in Kämpfe verwickelt würden, sei es wenig glaubhaft, daß die USA New York oder Chikago zum Schutze Deutschlands auf das Spiel setzten. Insgesamt zögen es die „Adenauerianer" also vor, Verhandlungen mit der Sowjetunion, wenn möglich, ganz zu vermeiden. Die Westmächte sollten auf ihren Rechten in Berlin insistieren - unter Umständen sogar gewaltsam - , Moskau werde dann den Rückzug antreten, der Status quo ante wiederhergestellt. Das Problem dieser Position liege allerdings darin, so Tyler weiter, daß die deutsche Bevölkerung nicht willens sei, Berlins wegen einen Krieg zu riskieren. Die Deutschen wollten weder Berlin aufgeben noch aber wünschten sie einen bewaffneten Konflikt, um es zu halten. Um diesem Dilemma zu entgehen, werde die Bundesregierung, weil man Verhandlungen doch nicht werde verhindern können, wahrscheinlich vorschlagen, solche Gespräche einzig auf die Berlin-Frage zu beschränken, mit der Zielsetzung, einen Modus vivendi zu finden. Dies bedeute jedoch nichts anderes als die De-facto-Anerkennung der DDR. „Thus the paradoxical situation may develop that the Adenauer Government, hitherto the staunchest voice against any dealings with the GDR, may advocate the risky course of a deal by the western powers with the GDR over access to Berlin, in order to avoid the (in its eyes) greater risk of broad negotiations with the USSR over Germany's future military status." 54 Die amerikanische Analyse schloß mit einer Einschätzung der Fähigkeit Adenauers und seiner Anhänger, politische Unterstützung für ihre Linie zu gewinnen. Weil der Kanzler wahrscheinlich einmal mehr in der Lage sein werde, die große Mehrheit der CDU/CSU-Wählerschaft und der Bundestagsabgeordneten der Union hinter sich zu bringen, werde die Entscheidung über den Kurs der Bundesrepublik angesichts der bevorstehenden Herausforderung bei ihm liegen. Innerhalb der eigenen Reihen werde er gleichwohl den Einfluß der Berliner CDU - Tyler nannte Gradl, Lemmer, möglicherweise auch Krone respektieren müssen, darüber hinaus auch die Position Gerstenmaiers und Kiesingers, die durchaus breit angelegten neuen Verhandlungen über Fragen deutscher und europäischer Sicherheit den Vorzug gäben. Dennoch werde sich wohl am Ende die Adenauersche Position, allenfalls über Berlin allein zu verhandeln und gegebenenfalls die De-facto-Anerkennung der DDR hinzunehmen, durchsetzen können. 55 Die amerikanische Botschaft erkannte sehr klar, daß in der Bundesrepublik die entscheidenden Debatten über den deutschen Kurs angesichts der BerlinKrise auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament weniger zwischen Regierung und Opposition als vielmehr in den Reihen der regierenden Unionsparteien stattfinden würden. Bei der Charakterisierung der mit Adenauer nicht 54 55
Ebd., S . l l f . Vgl. ebd., S. 17.
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unbedingt übereinstimmenden Personen und Gruppen in der Union ist nicht zu verkennen, daß die Botschaft mancherorts den Positionen der „Dissidenten" größere Realitätsnähe zuerkannte als den „Adenauerianern". Dies kam nicht von ungefähr, lagen doch die Gedanken der Abweichler häufig näher am Denken Washingtons und den dort erkannten Notwendigkeiten als die starre Linie der Kanzlerfraktion. Adenauers Politik stieß nach amerikanischer Auffassung innerhalb der Union vor allem bei den zwei bereits oben genannten Gruppen auf Kritik: bei den Abgeordneten der Berliner CDU unter der Führung Gradls sowie im Umfeld der außenpolitisch ambitionierten und versierten Politiker Kiesinger und Gerstenmaier. Der Botschaftsbericht rechnete im Regierungsapparat auch Pressesprecher Felix von Eckardt und Adenauers Vertrauten, den Bonner NATO-Botschafter Herbert Blankenhorn, sowie eine ganze Reihe von Beamten des Auswärtigen Amts zu dieser flexibleren Gruppe, deren wichtigstes Kennzeichen die Bereitschaft sei, vor der Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen Viermächteverhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung zuzustimmen. Darüber hinaus seien sie bereit, die sowjetische Zustimmung zur Wiedervereinigung mit dem Verzicht auf die deutschen Gebiete östlich von Oder und Neiße zu bezahlen. Daß diese Kräfte in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen waren, zeigten die beiden Bundestagsresolutionen vom 2. Juli und 1. Oktober 1958, die neue Ansätze in der Frage der Verhandlungen über die deutsche Wiedervereinigung forderten. Sogar SPD und FDP hatten diesen Entschließungen zugestimmt, eine parlamentarische Glanzleistung - gar nicht zur Freude des Kanzlers für die im wesentlichen Gerstenmaier, Kiesinger und Gradl verantwortlich waren. Mit jeder Verschärfung der Krise um Berlin und mit steigendem Risiko einer bewaffneten Auseinandersetzung werde das politische Gewicht dieser Gruppe steigen - auch langfristig gesehen - , selbst wenn sich, wie oben erwähnt, Adenauer diesmal noch durchsetzen könne. 56 Daß die Sympathien Washingtons eher der Gerstenmaier-Kiesinger-Gradl-Linie gehörten, liegt auf der Hand, denn nichts war im Washington der Jahreswende 1958/59 mehr willkommen als auch nur das kleinste Zeichen von Elastizität und Flexibilität im Angesicht der Krise. Das State Department deutete just zu dieser Zeit sogar die amerikanische Bereitschaft an, von den Formeln „socalled GDR" und „Pankow regime" Abstand zu nehmen. 57 Adenauer dürfte von solchen Überlegungen nichts erfahren haben. Doch auch so war sein Mißtrauen gegenüber der Linie, die Washington 1959 im Begriff stand einzuschlagen, groß genug.
56 57
Vgl. ebd., S. 15f. NA, Lot 61 D 30, Office of Westem European Affairs, Records Relating to France, Box 4: Memorandum of Conversation: Hervé Alphand, Livingston Merchant, 30.12.1958.
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1.1.3. Deutsch-amerikanische Vertrauenskrise 1959 Bereits in der ersten Januarhälfte 1959 sollte sich Adenauer erneut in seinem Mißtrauen, auch gegenüber Dulles, bestätigt sehen. Am 10. Januar hatte die Sowjetunion den politischen Druck auf den Westen noch weiter erhöht und in Noten an die Bundesrepublik, die DDR und die drei Westmächte ihren Entwurf eines Friedensvertrags mit Deutschland präsentiert, der im Kern von der Aufrechterhaltung des Status quo der Teilung ausging.58 In Bonn führte der erhöhte Druck jedoch keineswegs zu einem Einlenken Adenauers, zu Anzeichen von Kompromißbereitschaft oder einer flexibleren Haltung, sondern im Gegenteil zu einem Festhalten an den bekannten Positionen verbunden mit unablässigen Rückversicherungswünschen an die Adresse Washingtons. Gleich zwei Gespräche führte Adenauer am 13. Januar 1959 mit dem amerikanischen Botschafter in Bonn, David Bruce, eines davon in Anwesenheit von Außenminister Brentano und Verteidigungsminister Strauß. 59 Der Chor der drei außenpolitischen Granden der Republik warnte den Botschafter unisono vor jedem Nachgeben in der Berlin-Frage und forderte einen festen Stand, notfalls unter Einschluß von Gewalt gegen die ostdeutsche Polizei, angesichts der sowjetischen „Salamitaktik". Alle drei glaubten nicht, daß die Sowjetunion tatsächlich einen heißen Krieg beginnen werde, und gerade deswegen müsse der Westen umso mehr Stärke zeigen. Überraschend kündigte der Kanzler dem Botschafter im weiteren Verlauf der Unterredung die bereits vollzogene Entsendung seines Emissärs, des Ministerialdirektors Herbert Dittmann aus dem Auswärtigen Amt, zu kurzfristig anberaumten Gesprächen nach Washington an. Dittmann sollte im amerikanischen Außenministerium insbesondere das deutsche Unbehagen über den dortigen Empfang des stellvertretenden sowjetischen Ministerpräsidenten Anastas Mikojan zum Ausdruck bringen. Wenn nun schon auf dem Höhepunkt der Berlin-Krise dieser sowjetische Spitzenpolitiker in Washington empfangen werde, solle doch wenigstens Präsident Eisenhower von einem Gespräch mit ihm absehen. 60 Der Kanzler verblüffte in diesem Zusammenhang Botschafter Bruce und die beiden deutschen Minister mit einer realitätsfernen Beurteilung der Machtverhältnisse im Kreml. Chruschtschow werde bald sein Amt verlieren, prophezeite er den mehr als erstaunten Ministern und dem Botschafter, der Adenauers Äußerung in seinem Bericht schlichtweg als „foolish" bezeichnete. Am Ende der Unterredung versuchte 58
59 60
Vgl. Sowjetischer Entwurf vom 10.1.1959 für einen Friedensvertrag mit Deutschland einschließlich Begleitnote, abgedruckt in: EA 2-3/1959, S. D.21^10. Vgl. NA, 762.00/1-1359: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 13.1.1959. Dieser Part der Dittmann-Mission, das Zusammentreffen Eisenhower - Mikojan zu verhindern, scheiterte schon im Vorfeld der Reise, nachdem der US-Präsident zwischenzeitlich den Empfang des sowjetischen Politikers für den 17. Januar offiziell angekündigt hatte. Dittmann bat Dulles, den diesbezüglichen Brief Adenauers als nichtig zu betrachten. Vgl. NA, 762.00/1-1459: Memorandum of Conversation Dittmann, Grewe, Dulles, Murphy, Merchant, 14.1.1959.
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Bruce dennoch, den deutschen Regierungschef, der auf ihn müde und krank wirkte, zu beruhigen. Die amerikanische Entschlossenheit in der Berlin- oder Deutschlandfrage werde nicht nachlassen. Nahezu zeitgleich mit der Bonner Unterredung jedoch fiel in Washington, so erschien es zumindest am Rhein, Foster Dulles Adenauer erneut in den Rükken. Auf einer Pressekonferenz, ebenfalls am 13. Januar, überlegte der amerikanische Außenminister laut, die Formel „Wiedervereinigung durch freie Wahlen" müsse nicht der Königsweg zur deutschen Einheit sein. Ausgerechnet Dulles hatte damit coram publico Abstand genommen von der seit 1955 im Westen nicht mehr hinterfragten Prämisse, wonach freie gesamtdeutsche Wahlen allen Schritten in Richtung Wiedervereinigung vorauszugehen hätten. Bereits am 14. Januar sprach David Bruce wieder im Bonner Kanzleramt vor, und über die entsetzte Bonner Reaktion auf Dulles' Überlegung drahtete er über den Atlantik: „I would characterize his (Adenauers; ec) and Brentano's expressions as being little short of violence."61 In der Unterredung zwischen Adenauer-Emissär Dittmann, Botschafter Grewe und Dulles ebenfalls am 14. Januar erreichte Grewe eine wenn auch windungsreiche Klarstellung der Vortagesäußerung des Außenministers. Dulles führte aus: „One obviously could not take the position that reunification without free elections would not be accepted under any circumstances, as for example, in the case of a successful revolt in East Germany. ( . . . ) If reunification came in Germany it might well be by some other method than free elections. To seek free elections is our policy and we see no better method now to achieve German reunification." 62 Dulles freilich wollte seine Äußerungen nicht selbst dementieren, dies überließ er Botschafter Grewe. Daß darüber hinaus der amerikanische Außenminister nicht daran dachte, völlig auf die AdenauerLinie einzuschwenken, bewies seine unmißverständliche Forderung an die Bonner Adresse, doch in der Frage der Wiedervereinigung größere Flexibilität an den Tag zu legen. Vor allem halte er Vorschläge zur Etablierung direkter menschlicher Kontakte zwischen der Bevölkerung Ost- und Westdeutschlands für hilfreich und geboten. Dulles bekräftigte zwar gegenüber Dittmann und Grewe nochmals die amerikanische Position, angesichts des sowjetischen Drucks Härte zu zeigen, und verteidigte in diesem Zusammenhang seine Politik der „brinkmanship": „The Secretary said that he was accused by some of practicing what is called 'brinkmanship', i.e., when the Communists push us to the brink of war he did not believe in retreating. If we retreat under such circumstances they will keep pushing us from retreat to retreat until our moral position and Allies are gone." 63 Gleichzeitig jedoch räumte er ein, daß dieses Prinzip zwar generell gültig sei, seine Anwendung in der Berliner Situation 61 62 63
NA, 611.62A/1-1459. Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 14.1.1959. NA, 762.00/1-1459: Memorandum of Conversation, 14.1.1959, s.o., Anm. 60. Ebd.
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aber Probleme mit sich bringe, weil die Sowjetunion hier in der Lage sei, den Westen zur Abgabe des ersten Schusses zu zwingen. Um dies zu verhindern und um Zeit zu gewinnen, seien Verhandlungen über Deutschland mit der Sowjetunion, möglicherweise in Form einer Außenministerkonferenz, ein probates Mittel. In Anbetracht dieser Haltung blieb der deutschen Seite nicht viel übrig, als sich dem amerikanischen Verhandlungswillen zu fügen. Die deutsche Position allein war bei weitem nicht stark genug, um gegenüber der Schutzund Vormacht USA eine abweichende Meinung auf Dauer aufrechtzuerhalten. Und selbst der enge Schulterschluß mit Paris, der ja auch aus der Enttäuschung über Washington resultierte, vermochte nicht, den Bonner Argumenten größeres Gewicht oder gar Durchsetzungskraft zu verleihen. So beugte sich die Bundesregierung Washington teils aus der Erkenntnis ihres beschränkten Einflusses, teils aber auch, und dies gilt für Adenauer, aus der Angst, es könne wegen Berlin zu einem Weltkrieg kommen. Der britische Botschafter Sir Christopher Steel berichtete Premierminister Macmillan im Januar über die ambivalente Haltung des Bundeskanzlers: „About Berlin, etc., he stands (officially) for absolute rigidity and a solid front against Soviet Russia. Behind the scenes, he wrings his hands and says that Russia and the West are like two express trains rushing to a head-on collision."64 Die Ratlosigkeit Adenauers und die Verfahrenheit seiner Deutschlandpolitik führte, wie USBotschafter Bruce am 14. Januar 1959 in einer klugen Analyse feststellte, zu einer erheblichen Führungsschwäche des Kanzlers, die noch dadurch verstärkt wurde, daß kein anderer Unionspolitiker in dieser vertrackten Lage politisch initiativ wurde. Letztlich wisse es „der Alte" halt doch immer noch am besten: „Their Moses is dour, authoritative Adenauer. He has led them almost to the end of the wilderness, and, to shift the metaphor, though some would like few have the courage to suggest dropping the pilot." 65 Diese Situation führe letztlich dazu, daß die Bonner Regierung Washington nur noch kritisiere, anstatt konstruktiv neue Ideen zu entwickeln. Solches treffe insbesondere auf Konrad Adenauer zu, dessen Mangel an politischer Imaginationskraft bis dato gewiß ein Segen gewesen sei, sich nun aber als Problem erweise. Klar konstatierte Bruce das nimmer endende Mißtrauen des Kanzlers und sein ständiges Bedürfnis nach Beteuerungen amerikanischer Verläßlichkeit, das auch aus der Überzeugung geboren werde, „that, right or wrong, his country's destiny will be shaped by forces in Washington beyond his control except as he can preliminarily influence them." 66 Die Führung Washingtons werde er am Ende immer akzeptieren. „To expect innovations from him would be mistaken. His character is defensive and negative, perhaps because of increasing years, but perhaps more largely because such an attitude has hitherto served the interests of his 64
65 66
Macmillan, Harold, Riding the Storm, 1956-1959 (Erinnerungen, Bd. IV), London 1971, S.581 (Tagebucheintragung vom 16.1.1959). N A , 762.00/1-1459: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 14.1.1959. Ebd.
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country and his own regime." 67 All dies lege den Schluß nahe, daß man dem Kanzler letztlich doch vertrauen könne, jedoch sehr behutsam mit ihm umgehen müsse. In diesem Teil der ansonsten klarsichtigen Analyse zeichnete sich möglicherweise doch eine Fehleinschätzung der Haltung Adenauers ab. Denn die Gräben des Mißtrauens im Verhältnis Bonn - Washington, die gerade in den ersten Monaten der Berlin-Krise aufbrachen, sollten sich bis zum Ende der Regierungszeit Eisenhowers als nicht mehr komplett überbrückbar erweisen und sich dann unter der Kennedy-Administration noch vertiefen. Am Ende der Analyse von Bruce stand auch, wie schon in den Überlegungen Dulles', der Vorschlag einer Deutschlandkonferenz mit der Sowjetunion, frühestens Mitte April und am geeignetsten in Genf. Im Jahresbericht der Bonner US-Botschaft für das Jahr 1958 wurde einmal mehr die Notwendigkeit engster Verbindungen zwischen Bonn und Washington unterstrichen. Deren Wärme hänge auch davon ab, wie sehr der deutsche Kanzler sich von Washington informiert und konsultiert fühle. In diesem Kontext komme seiner Beziehung zu Foster Dulles besondere Wichtigkeit zu.68 Dessen Position schien sich auch Ende Januar wieder zu verhärten und sich damit zumindest in Teilen derjenigen Adenauers anzunähern, ohne daß damit alle deutsch-amerikanischen Differenzen ausgeräumt worden wären. Vom 2. bis zum 9. Februar 1959 reiste Dulles nach Europa, um in Paris, London und Bonn die Deutschland- und Berlinpolitik der USA zu koordinieren. Der an Krebs leidende Secretary of State war jedoch bereits vom Tode gezeichnet. Rücktritt und Tod waren offenbar nur noch eine Frage der Zeit. 69 In den Gesprächen, die Dulles mit Präsident de Gaulle und Außenminister Couve de Murville am 6. und 7. Februar in Paris führte, tauchte die Agententheorie des voraufgegangenen November noch einmal auf. Offensichtlich im Unterschied zu Großbritannien, das einer Substitution sowjetischen Kontrollpersonals durch Ostdeutsche durchaus zuzustimmen geneigt war, bestand zwischen Dulles und seinen französischen Gesprächspartnern Einigkeit, dies nicht billigen zu können. Mit dem alten Argument Eisenhowers, es gehe nicht an, daß die Besiegten die Sieger kontrollieren, wischte er jene Option unmißverständlich vom Tisch.70 In einem Bericht an den Präsidenten über seine Gespräche betonte der Außenminister auch, wieviel im Grunde für die reine Beibehaltung des Status quo spreche, da jede Veränderung mit größter Wahrschein67 68
69
70
Ebd. Vgl. N A , 762.00/2-259: Foreign Service Dispatch, US-Botschaft Bonn an Department of State, The Main Trends in 1958 and the German Scene at the Turn of the Year, 2.2.1959. Zu Dulles' Krankheit und Tod vgl. Drummond, Roscoe/Coblentz, Gaston, Duel at the Brink, S.230-258. Vgl. N A , 762.00/2-659: Dulles (Paris) an Eisenhower, 6.2.1959. Die Information über die britische Position findet sich in der in der Eisenhower Library zur Verfügung stehenden Kopie des gleichen Dokuments: D D E L , Ann Whitman Files, Dulles-Herter Papers, Box 8, Dulles, Feb. 1959.
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lichkeit eine Veränderung zuungunsten des Westens sein werde. Diese Position könne jedoch nicht bezogen werden, da sie in der Öffentlichkeit keinerlei Unterstützung finden würde. 71 Die von Adenauer seit 1958 wiederholt geäußerte Prämisse, jegliche Ost-West-Verhandlungen müßten sich zuerst mit der Frage einer allgemeinen und kontrollierten Abrüstung befassen, konnten weder Dulles noch die Franzosen teilen.72 Genau dies aber hatte der Bundeskanzler am 30. Janaur 1959 in einem noch vor seiner Europareise an Dulles übersandten Memorandum erneut unterstrichen. 73 Adenauer argumentierte darin ganz auf seiner alten Linie: Demnach gehe es bei dem sowjetischen Vorstoß lediglich darum, „daß die Bundesrepublik aus dem Vertragssystem der freien Völker herausgelöst werden soll." Wenn jedoch erst die Bundesrepublik kommunistischem Einfluß unterworfen sei, werde sich auch das übrige freie Westeuropa nicht mehr lange halten können, auf dessen Gewinnung der sowjetische Expansionismus letztlich ziele. Wer in der deutschen Teilung die Ursache aller Spannungen sehe und diese Teilung darum zu jedem Preis - beispielsweise durch die Zustimmung zu östlichen Konföderationsmodellen - zu überwinden suche, der übersehe die wirkliche Gefahr, den Ausdehnungsdrang der Sowjetunion. „Die Teilung Deutschlands ist nicht die Ursache, sondern die Folge der schon vor der Teilung entstandenen Spannung zwischen SU (sie!) und US (sie!)." Einen Funken Kompromißbereitschaft signalisierte Adenauer lediglich, als er, notgedrungen Verhandlungen zustimmend, die Möglichkeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Polen und der Tschechoslowakei erwog, allerdings nur im Gegenzug zu einer befriedigenden Lösung der Berlin-Frage. 74 Der Kanzler deutete in diesem status-quo-orientierten Memorandum mit keinem Wort ein deutsches Einlenken in der Frage der Anerkennung der DDR an, obwohl just dies zum gleichen Zeitpunkt im Bonner Kanzleramt geschah. Die Verfahrenheit der deutschlandpolitischen Situation in den Anfangsmonaten der Berlin-Krise, die verschiedenen Dilemmata, mit denen sich Adenauer konfrontiert sah, und der massive Druck Moskaus führten im Palais Schaumburg unter Adenauers Billigung und Beteiligung in Form des sogenannten Globke-Plans vom 5. Februar 1959 zu einem entscheidenden Einschnitt in der Deutschlandpolitik des Kanzlers.75 Vor dem Hintergrund der Berlin-Krise arbeitete Adenauers Staatssekretär Globke „einen integralen Plan für eine Interimslösung und eine Gesamtlö71 72 73 74 75
Ebd. Ebd. Teilweise abgedruckt in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.463-468. Vgl. ebd. Vgl. Der Globke-Plan zur Wiedervereinigung, abgedruckt in: Morsey, Rudolf/Repgen, Konrad (Hrsg.), Adenauer-Studien III. Untersuchungen und Dokumente zur Ostpolitik und Biographie, Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte (Reihe B, Band 15), Mainz 1974, S.202-209. Vgl. auch: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.478-491; Siebenmorgen, Peter, Gezeitenwechsel. Aufbruch zur Entspannungspolitik, Bonn 1990, S. 253-256.
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sung"76 der Berlin- und Deutschlandfrage aus, an dessen Ende - der Plan sah einen Zeitrahmen von fünf Jahren vor - eine Volksabstimmung über die Wiedervereinigung verbunden mit freien Wahlen zu einer gesamtdeutschen Volksvertretung stehen sollte. Innerhalb der fünf Jahre aber beinhaltete der Plan eine interimistische und an zahlreiche Bedingungen geknüpfte Anerkennung der DDR wie auch eine übergangsweise Freistadt-Regelung für ganz Berlin. Die bisherige Deutschlandpolitik Adenauers war damit, auch wenn der Globke-Plan bis 1974 nicht an die Öffentlichkeit gelangte, an ihrem Endpunkt angekommen. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Heinrich Krone notierte am 4. Februar in seinem Tagebuch: „Im Grunde die Hinnahme, daß Pankow existiert, daß mit einer Wiedervereinigung in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, und daß es uns deshalb zunächst auf eine Besserung der inneren, menschlichen Verhältnisse in der Zone ankommen muß. Die Forderung nach freien Wahlen in Ost und West wird nicht aufgegeben; doch sieht dieser Plan vor, daß der Termin für diese Wahlen um Jahre, etwa zehn Jahre, zurückgestellt wird." 77 Der Globke-Plan wurde 1959 nicht publik. Er zeigte allerdings klar die Erkenntnis Adenauers, daß bei den drohenden Deutschlandverhandlungen die Bundesrepublik eigene Ideen einbringen mußte, um Schlimmeres - Konföderationsmodelle oder eine De-iure-Anerkennung - zu verhindern. „Als sich Chruschtschow schließlich bereit findet", so Hans-Peter Schwarz, „das BerlinUltimatum verstreichen zu lassen, hat auch Adenauer vorerst keinen Grund mehr, von einem Interimsabkommen oder vom Globke-Plan zu sprechen. Doch immer dann, wenn die Berlin-Frage eine kritische Wendung zu nehmen droht, kommt er darauf zurück ( . . .)." 78 Indes, als Dulles am 7. und 8. Februar nach Bonn kam, blieb der Globke-Plan in der Schublade. Die Zuversicht des Kanzlers, die Berlin-Frage auch anders lösen zu können, schien wieder gewachsen zu sein. Sowohl die Gespräche zwischen Adenauer und Dulles unter vier Augen als auch die Unterredung im größeren Kreis befaßten sich nahezu ausschließlich mit Berlin und den bevorstehenden Ost-West-Verhandlungen, denen die Sowjetunion mittlerweile halboffiziell zugestimmt hatte. Thema dieser Verhandlungen, so informierte Dulles nach seinen Aufenthalten in London und Paris den Kanzler, werde Deutschland sein. Eine detaillierte Agenda werde es aber nicht geben, und damit sei jede Seite frei, beliebige Aspekte des Gesamtproblems vorzubringen. In ausgesprochen freundlichem Ton lobte der Secretary of State den Erfolg der Adenauerschen Politik seit 1949 und die positive Entwicklung der Bundesrepublik innerhalb der westlichen Welt. Doch den Komplimenten folgten Forderungen: Dulles erinnerte an die von Adenauer erwähnte Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Polen und der Tschechoslowakei 76 77
78
Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.478. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik 1954-1969, in: Adenauer-Studien III, S. 134-201, hier S.149. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.486.
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einschließlich einer für die Bundesregierung ausgesprochen heiklen Erklärung zur Oder-Neiße-Frage, forderte aber vor allem die Ausweitung der De-factoKontakte zwischen Bundesrepublik und DDR. Während Adenauer auf die Frage nach der Aufnahme neuer diplomatischer Beziehungen gar nicht einzugehen schien, schob er die Schuld für das vergleichsweise geringe Maß an direkten Kontakten zwischen der Bevölkerung von DDR und Bundesrepublik ausschließlich der DDR in die Schuhe, obwohl Dulles nur zu gut wußte, daß auch Bonn sich hier stärker hätte engagieren können, das aber eben nicht wollte. Adenauer wiederholte auch diesmal sein Ceterum censeo von der Notwendigkeit allgemeiner Abrüstung, auf das Dulles nicht reagierte. Er betonte statt dessen die Möglichkeit einer Interimsregelung für Berlin, wies aber jegliche Veränderungen am Status Berlins schroff von sich. Hinsichtlich der von Premierminister Macmillan für Ende Februar angekündigten „Voyage of Discovery" nach Moskau sah der darüber nicht informierte, entsetzte und Macmillan ohnehin zutiefst mißtrauende Adenauer schon die deutschen Felle davonschwimmen. Dulles beruhigte den Bundeskanzler zumindest insofern, als er betonte, daß die USA London zu dieser Reise weder ermutigt noch das Vorhaben gebilligt hätten. Insgesamt förderte die erste Unterredung zwischen Amerikanern und Deutschen zumindest keinen größeren neuen Konfliktstoff zutage. 79 Am folgenden Morgen allerdings sollten in einem Zweiergespräch zwischen dem deutschen Kanzler und dem amerikanischen Außenminister deutliche Meinungsunterschiede zutage treten. Dulles informierte den Kanzler in dieser Unterredung über die im Januar im engsten Beraterkreis des amerikanischen Präsidenten angestellten Contingency-Überlegungen. Sollte die Sowjetunion tatsächlich die Zugangswege nach Berlin blockieren, würden die USA zunächst mit einem Probevorstoß die Entschlossenheit Moskaus testen. Sollte die Probe auf Widerstand stoßen, werde man militärische Vorbereitungs- und Mobilisierungsmaßnahmen forcieren, um in einer dritten Stufe gewaltsam die westlichen Rechte bezüglich Berlins durchzusetzen. 80 Daß diese Gewaltanwendung auch den Einsatz nuklearer Waffen beinhalten könne, machte Dulles dem Bundeskanzler am 8. Februar unmißverständlich klar. Gerade weil die Sowjetunion konventionell so deutlich überlegen sei, sei ein Vorabverzicht auf die Anwendung von Kernwaffen ausgeschlossen. Adenauers schockierte Reaktion: „Um Gottes willen, nicht über Berlin!", konnte Dulles nicht beeindrucken. 81 Im Gegenteil, er forderte ausdrücklich die Beteiligung der Deutschen an den Maßnahmen des Westens. Es gebe nicht drei, wie Adenauer betonte, sondern vier 79 80
81
Vgl. N A , 762.00/2-759: Memorandum of Conversation, Bonn, 7.2.1959. Vgl. hierzu Ambrose, Stephen E., Eisenhower, S.503; Slusser, Robert M., The Berlin Crisis of 1961: Soviet-American Relations and the Struggle for Power in the Kremlin, JuneNovember 1961, Baltimore/London 1973, S.368f.; Divine, Robert A., Eisenhower, S.134f. Vgl. Gelb, Norman, The Berlin Wall, London 1986, S.87.
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Westmächte, und die Bundesrepublik sei ja wohl unmittelbar betroffen und involviert. Alle Windungen halfen dem Kanzler nicht. Dulles verlangte eine unzweideutige Stellungnahme. Adenauer stimmte den ersten beiden Stufen des amerikanischen Contingency-Plans zu; die Endstufe übergingen beide Seiten stillschweigend.82 Doch dieses Schweigen bedeutete deutsche Zustimmung; Bonn hatte sich dem Washingtoner Druck gebeugt, beugen müssen. Eine weitere Gesprächsrunde im größeren Kreis, deren Verlauf von dem Zusammenprall des Vormittags nichts ahnen ließ, beschäftigte sich dann in erster Linie mit prozeduralen Fragen: dem Termin der Ost-West-Deutschlandkonferenz und der westlichen Vorbereitung darauf. Während Dulles in diesem Zusammenhang nochmals auf die Wünschbarkeit verbesserter konkreter Kontakte zwischen Bundesrepublik und DDR hinwies, kehrte Adenauer einmal mehr, vielleicht jetzt erst recht, eine harte Position nach außen: „The West should make it absolutely clear that it will not make a single concession without obtaining a counter-concession. Concessions made without equivalent counterconcessions only serve to make the Soviets more greedy and more intransigent." Dulles stimmte dieser Formel und ihrer Verbreitung in der Presse zu. 83 Ein schwacher Trost freilich in Anbetracht der voraufgegangenen Meinungsunterschiede. Die neue Flexibilität Adenauers, über die Dulles nach seiner Rückkehr nach Washington berichtete, insbesondere bezüglich der Bonner Bereitschaft, sich konstruktiv an der Entwicklung der westlichen Politik zu beteiligen, resultierte sicher nicht aus einem grundlegenden Meinungswandel des Kanzlers, sondern eher aus der zu diesem Zeitpunkt noch manifesten Überzeugung, daß es zur Loyalität gegenüber den USA keine Alternative gebe. 84 Dulles hatte Adenauer auf Kurs gebracht, und auch das persönliche Verhältnis der beiden schien wiederhergestellt. Sie sollten sich nicht wiedersehen. Nur wenige Tage nach seiner Europareise erfuhr Dulles, daß er an Krebs in fortgeschrittenem Stadium litt und wahrscheinlich nur noch kurze Zeit zu leben hätte. Adenauer war spürbar betroffen, denn trotz der Spannungen der letzten Wochen sah er doch in Dulles noch immer eine nicht von anti-deutschen Vorbehalten geprägte Stütze seiner Politik und den zuverlässigsten Vertreter deutscher Interessen in Washington, den Bonn sich nur wünschen konnte. „Die Erkrankung und der Rücktritt von Dulles gehen mir sehr zu Herzen. Daß gerade er 82
83
84
Vgl. zu diesem Gespräch zwischen Adenauer und Dulles: DDEL, Dulles Papers, White House Memo Series, Box 7: Excerpt from a conversation between the Secretary and the President, 10.2.1959. Hans-Peter Schwarz verweist in diesem Zusammenhang auf den Tagebucheintrag Krones nach dem Bericht Adenauers über die Unterredung: „Dulles ging weiter, als der Kanzler zu gehen bereit ist." Zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.494. Vgl. zum Inhalt der Unterredung auch: DDEL, Herter Papers, Box 10, Miscellaneous Memoranda 1959: Memorandum of Conversation with Secretary Dulles, 6.3.1959. S. NA, 762.00/2-859: Memorandum of Conversation, Dulles, Adenauer et alii, Bonn, 8.2.1959; vgl. auch: Drummond, Roscoe/Coblentz, Gaston, Duel at the Brink, S.250. Vgl. DDEL, Ann Whitman Files, NSC Series, Box 11, 396th Meeting of NSC, 12.2.1959.
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bei solch entscheidenden Konferenzen ausfällt, ist ein schwerer Schlag für uns alle", schrieb der Kanzler im April 1959, wenige Tage nach dem Rücktritt des Secretary of State,85 Daß die Krankheit, gegebenenfalls der Tod von Dulles, sehr konkrete Auswirkungen auf die Bonner Außenpolitik haben würde, dessen war man sich auch in Washington bewußt. Botschafter Bruce brachte diese Konsequenzen auf den Punkt: „Adenauer has felt that Dulles thinking closely parallels his own. Importance he has attached to personal interchanges Secretary must not be underestimated. There have been occasional et tu Brute episodes, but all short-lived. If Secretary does not attend conferences, we must expect more hesitations than in past, but fundamental loyalties will remain, especially if President Eisenhower and Secretary from time to time send Chancellor reassuring personal messages."86 In den Wochen bis zu Dulles' Tod erwiesen sich Botschafter Bruce und der Präsident selbst immer stärker als Stützen des Bundeskanzlers. In mehreren Drahtberichten warnte Bruce nachdrücklich vor zu großer Flexibilität auf Seiten des Westens. Flexibilität allein sei noch keine Politik, allenfalls eine Ausflucht, betonte er an einer Stelle und erinnerte an München 1938.87 Und er sah deutlich die Gefahr einer Entfremdung der Bundesrepublik vom Westen, wenn dieser nicht gerade in Krisenzeiten Bonn als gleichwertigen Bündnispartner behandle. Von der Entfremdung der Bundesrepublik abgesehen, führe eine solche Politik auch zur Schwächung Adenauers, dessen unabänderliches Credo die Integration der Republik in die Atlantische Gemeinschaft sei. Gegner des Kanzlers innerhalb und außerhalb der Union seien nur zu bereit, die feste Verankerung der Bundesrepublik im Westen gegen temporäre Arrangements mit der Sowjetunion einzutauschen. 88 Auch Eisenhower unterstrich, wie wichtig es sei, Adenauer nicht in den Rücken zu fallen. Obwohl es nicht immer einfach sei, den Ideen des Kanzlers zu folgen, gebe es doch keine andere Möglichkeit, stellte er am 17. März 1959 in einer außenpolitischen Besprechung im Weißen Haus fest und kippte dabei die letzten Reste der Agenten-Theorie endgültig über Bord. 89 In der derzeitigen Situation sei es freilich besonders schwierig, die sich diametral gegenüberstehenden Positionen Londons und Bonns gleichzeitig zu unterstützen. Der britischen Linie, gegebenenfalls die deutsche Teilung anzuerkennen, könne er allerdings nur die Tatsache entgegenhalten, daß die Deutschen ein Volk seien und die Wiedervereinigung wünschten. Macmillan denke derzeit zu stark innenpolitisch und nehme deshalb sogar hin, daß Großbritannien gedemütigt - „slapped in the face" - wer85
86 87 88 89
Brief Adenauers an Dannie Heinemann vom 16.4.1959, zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer, Der Staatsmann, S.499. N A , 762.00/2-1659: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 16.2.1959. Vgl. ebd. Vgl. N A , 762.00/3-259: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 2.3.1959. Vgl. DDEL, D D E Diary, Box 40, Staff Notes March 15-31, 1959: Memorandum of Conversation with the President, 17.3.1959.
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de. 90 Dulles teilte die Sorgen des Präsidenten, wenngleich er einräumte, daß Washington an einem Wahlsieg Macmillans starkes Interesse haben müsse. Dennoch sprach aus seinen Äußerungen mehr als nur Skepsis gegenüber der Position Londons, wie beispielsweise aus seiner Reaktion auf die ihm kolportierte Bemerkung des britischen Botschafters in Washingtons, Caccia, daß sich das britische Volk wegen Berlins nicht werde atomisieren lassen: „JFD (sie!) said what are they willing to be 'atomized' for; if that is true we better cut them out." 91 Der Gesundheitszustand von Dulles verschlechterte sich im März 1959 zusehends. Doch in Bonn klammerte sich Adenauer an jeden kleinen Hoffnungsschimmer: „As your devoted friend and as a politican I may tell you that concern about your health has depressed me considerably. I am delighted over your improved condition", schrieb der Kanzler am 9. April ins Walter-ReedHospital in Washington. Im gleichen Brief informierte er Dulles über seinen Entschluß, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Es ist bezeichnend für die Intensität der Beziehungen, wie er gegenüber einem ausländischen Politiker seine Entscheidung darstellte: „My election would not mean that I retire from the political scene. I rather believe that I shall thereby get into a position where I can do more than I was able to do heretofore for the continuity of German policy. You know me, I believe, as only a few people do. Nevertheless, I want to state that this policy, the policy of human freedom and constructive buildup of Europe has, as far as I am concerned, deep ethical roots, and I shall always devote all my efforts to it." 92 Am 8. April hatte Dulles Adenauer noch brieflich in seinem Vorhaben bestärkt. 93 Doch der Rücktritt von Dulles am 25. April und sein Tod am 24. Mai waren später ausschlaggebende Faktoren für Adenauers Entschluß, im Kanzleramt verbleiben zu wollen.94 Als am 25. April Dulles' bisheriger Stellvertreter Christian A. Herter die Führung im Department of State übernahm, war dies, insbesondere für Adenauer, ein Einschnitt in den bilateralen Beziehungen. Herter „suchte einerseits in den Fußstapfen seines bedeutenden Vorgängers zu wandeln, andererseits aber eigenen, 'neuen' Ideen zu folgen. Er gab sich um uns redliche Mühe. An die Stelle des Gesprächs Adenauer - Dulles trat ein freundschaftlich gepflegter Dialog Herter - Brentano", so eine Charakterisierung Eugen Gerstenmaiers. 95 Die ersten Gespräche zwischen Herter und Adenauer sowie Brentano am 9. Mai bestätigten dies. Die Bonner Botschaft hatte Herter vor diesem Zusam90 91 92
Ebd. DDEL, Herter Papers, 6.3.1959, s . o . , Anm. 82. DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, International Series, Box 6, Germany - Vol. I (3): Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 10.4.1959.
93 94 95
Vgl. hierzu Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, Mainz 1972, S.39. S. hierzu ausführlicher Kapitel 1.4. Gerstenmaier, Eugen, Streit und Friede hat seine Zeit. Ein Lebensbericht, Frankfurt a. M./ Berlin/Wien 1981, S.444.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
mentreffen entsprechend unterrichtet und ihm vor allem empfohlen, die amerikanische Härte und Entschlossenheit zu betonen, aber auch geraten, eher formlos und ohne feste Agenda mit dem Kanzler zu parlieren. 96 Insgesamt betrachteten Bundesregierung und Amerikaner das Zusammentreffen als einen Erfolg: „Under the circumstances, American views, always decisive, assume an extraordinary importance and Secretary Herter is being scrutinized by all observers, his every statement is analyzed for nuances and interpretations tend to be extreme. His television speech before the Geneva meetings was acclaimed by all parties (by the opposition because of his stress on reunification) and both the fact and the warmth of his brief visit to the Chancellor have been a great reassurance to the CDU." 97 In dem gleichen Schreiben konstatierte die US-Botschaft in Bonn jedoch auch einmal mehr die Tatsache, daß die Stärke Adenauers als Kanzler und als Parteichef von seiner Fähigkeit abhänge, die Isolierung der Bundesrepublik im Westen zu vermeiden. Innerhalb der CDU werde, insbesondere in den norddeutschen Landesverbänden, bereits Adenauers schlechtes Verhältnis zu England kritisiert, und man sehe dort zunehmend die Gefahr, falls auch Amerika als Partner wegfalle, daß die Bundesrepublik allein noch de Gaulles Frankreich als Bundesgenossen habe. 98 Zumindest die Bonner Botschaft erkannte also zu diesem Zeitpunkt sowohl die ersten Ansätze einer parteiinternen Kritik an Adenauer, nicht zuletzt auf Grund dessen wachsender Distanz zu den angelsächsischen Alliierten, wie auch die entscheidende Bedeutung, die der amerikanischen Politik zukam, um den deutschen Kanzler zu beruhigen und eben die oben erwähnte zu starke Frankreich-Orientierung zu verhindern. Am 27. Mai, dem Ablauftag des sowjetischen Ultimatums, wurde John Foster Dulles auf dem Friedhof Arlington beigesetzt. Adenauer nahm an den Beisetzungsfeierlichkeiten teil, und der Abschied von Dulles ging ihm offenbar zu Herzen - persönlich wie politisch: „Der Abschied von unserem gemeinsamen Freund John Foster Dulles hat mich sehr bewegt", schrieb er, wieder in Bonn, an Dannie Heinemann. „Er war einer der treuesten und zuverlässigsten Freunde Deutschlands, und er hat, wie kaum jemand sonst, die Gefahr des Bolschewismus für die freie Welt erkannt." 99 Wenn man in der politischen Entwicklung bis zum Tode des amerikanischen Außenministers nach Gründen der zunehmend engeren Anlehnung der Bundesrepublik an Frankreich fragt, so stößt man dabei, wie im folgenden zu zeigen sein wird, zunächst nicht oder nicht primär auf breite Übereinstimmung zwischen Adenauer und de Gaulle. Vielmehr muß man wohl der mit dem November 1958 vor dem Hintergrund 96
97 98 99
Vgl. NA, 611.62A/110.11 HE/5-559: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 5.5.1959. N A , 762.A.00/5-1559: Tyler (US Embassy Bonn) an Department of State, 15.5.1959. Vgl. ebd. Brief Adenauers an Dannie Heinemann vom 1.6.1959, zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer, Der Staatsmann, S.502.
2. Beginn einer Entente
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des sowjetischen Drucks auf Berlin einsetzenden Krise der deutsch-amerikanischen Beziehungen, die selbst das Verhältnis Adenauer - Dulles erschütterte, aber auch der Krankheit, dem Rücktritt und dem Tod dieses amerikanischen Exponenten einer „Politik der Stärke" gewissermaßen negativ-katalytische Wirkung für die deutsch-französische Annäherung zumessen.
1.2. Beginn einer Entente: De Gaulles Frankreich und die Krise um Berlin 1.2.1. De Gaulle, Deutschland und Europa bis 1958 Daß die Bonner Außenpolitik auf Grund der außerordentlich komplexen Struktur der deutsch-französisch-amerikanischen Dreiecksbeziehung gerade in den letzten Jahren der Ära Adenauer nicht immer geradlinig verlief und zum Teil sogar Brüche aufwies oder zumindest aufzuweisen schien, darf nicht verwundern: „Wenn drei entscheidende Partner - Frankreich, die USA und Großbritannien - in wichtigen Fragen jeweils getrennte Wege gehen wollten, konnte die Außenpolitik der Bundesrepublik kein Muster an Eindeutigkeit sein." 1 Auch vor dem Hintergrund der Frage nach der Politik der USA gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen ist daher zunächst ein Blick auf die Entwicklung des deutsch-französischen Verhältnisses wichtig. Dies gilt auch und gerade für die Zeit der Ultimatumskrise um Berlin. Denn angesichts der Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen muß der analytische Blick zwangsläufig auf das Verhältnis zwischen Bonn und Paris in der gleichen Zeit fallen. Deswegen geht es in den folgenden Ausführungen um die Beantwortung der Frage, wie nahe Frankreich und die Bundesrepublik sich in der konkreten Situation der Berlin-Krise mit all ihren deutschland- und sicherheitspolitischen Weiterungen tatsächlich waren, aber auch darum, ob eine Übereinstimmung bzw. Ähnlichkeit ihrer Position grundsätzlicher Natur war oder eher politisch-taktisch determiniert. In noch viel stärkerem Maße als, sowohl in der Bonner Sicht der Dinge wie in der politischen Realität, John Foster Dulles Inbegriff der amerikanischen Politik war, stand Charles de Gaulle für die Haltung Frankreichs. Bevor sich die Arbeit darum konkret der Berlin-Krise zuwendet, ein kurzer Blick auf den General und insbesondere die Entwicklung seines Deutschland- und Deutschenbildes, seiner Deutschlandpolitik und seiner Sichtweise Europas. 2 1 2
Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.95. Die folgenden Ausführungen erheben ob ihrer Beschränkung auf eine knappe Entwicklung des Deutschland- und Europabilds de Gaulles keinen Anspruch auf biographische Vollständigkeit und sind auch nicht als biographische Skizze zu verstehen. Es sei dafür u. a. verwiesen auf: Kapferer, Reinhard, Charles de Gaulle. Umrisse einer politischen Biographie, Stuttgart 1985; Lacouture, Jean, De Gaulle (3 Bde.), Paris 1984-1986; Weisenfeld, Emst, Charles de
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
„Dès ses plus jeunes années jusqu'à son entrée dans l'histoire, Charles de Gaulle a l'Allemagne pour compagne, compagne obsédante et menaçante, toujours présente aux grands heures de son histoire et dont l'ombre ne cesse de peser sur sa pensée comme sur son oeuvre." 3 Wenngleich er in seiner Kindheit und frühen Jugend keine konkreten Deutschland-Erfahrungen sammeln konnte, wuchs der am 22. November 1890 im nordfranzösischen Lille geborene Charles de Gaulle, eines von fünf Kindern des Gymnasiallehrers Henri de Gaulle und seiner Frau Jeanne, in einer sowohl in der Familie wie in der Gesellschaft vorherrschenden Atmosphäre auf, in der, nach dem Krieg von 1870/71, Deutschland in Form des Revanche-Gedankens nahezu omnipräsent war. Dieser prägte auch seinen gymnasialen Geschiehts- und Deutschunterricht, welch letzterem er wohl interessiert, nicht aber fasziniert folgte. 4 Auch ein Sommerurlaub in Baden weckte kein außergewöhnliches Interesse an dem Land östlich der „ligne bleue des Vosges". Nach zwei Jahren im Kolleg Stanislas in Paris trat der 20-jährige de Gaulle 1910 als Kadett der Offiziersschule Saint Cyr in die französische Armee ein. Weiterer intensiver Beschäftigung mit der französischen und deutschen Geschichte in der Militärakademie folgte die Teilnahme des jungen Leutnants am Ersten Weltkrieg bis zu seiner Verwundung und Gefangennahme bei Fort Douaumont 1916. 32 Monate in deutscher Kriegsgefangenschaft, die längste Zeit davon in Ingolstadt, schlössen sich an, eine prägende Zeit auch wegen der ihm möglichen intensiven Beschäftigung mit deutscher Literatur, Geschichte, Strategie und Taktik sowie der damit verbundenen Verbesserung seiner Sprachkenntnisse. Ein Deutschenhaß scheint aus den Kriegs- und Gefangenenjahren nicht entstanden zu sein. Nur ein einziges Mal verwandte er in seinen Briefen, allerdings erst nach dem Krieg, als er auf der Reise nach Polen den Haß der Besiegten zu spüren bekam, den Begriff „boches'", der später nie wieder auftauchen sollte.5 Nach über einjähriger militärischer Beratertätigkeit in Polen wurde de Gaulle 1921 Dozent für Militärge-
3 4 5
Gaulle. Der Magier im Elysée, München 1990; Münchhausen, Thankmar von, Der Staatsmann als Symbol. Charles de Gaulle - war er seiner Zeit voraus?, in: FAZ, 17.11.1990. Zu de Gaulle und Deutschland vor allem: Binoche, Jacques, L'Allemagne et le Général de Gaulle (1924-1970), Paris 1975; Bled, Jacques, Le général de Gaulle et l'Allemagne durant la traversée du désert, in: Etudes gaulliennes 11-12 (1975), S. 115-124, ders., L'image de l'Allemagne chez Charles de Gaulle avant juin 1940, in: Etudes gaulliennes 17 (1977), S.59-66; ders., L'image de l'Allemagne chez le général de Gaulle de 1958 à 1963; in: Etudes gaulliennes 23-24 (1978); Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland. Der unvollendete Traum, Bonn/Berlin 1991; Möller, Horst, Charles de Gaulle et la question allemande: remarques sur les éléments traditionnels et l'évolution d'une pensée géostratégique, Paris 1990 (nicht publizierter Vortrag); Schunck, Peter, D e Gaulle et ses voisins allemands jusqu'à la rencontre avec Adenauer. Le problème politique et militaire d'une vie, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S. 325-342. Bled, Jacques, L'image de l'Allemagne chez Charles de Gaulle avant juin 1940, S.59. Vgl. Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S. 13. Vgl. Schunck, Peter, De Gaulle et ses voisins allemands, S.327f.
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schichte in Saint Cyr. 1924 erschien sein erstes Buch „La Discorde chez l'Ennemi", in dem er nach den Ursachen der deutschen Niederlage fragte. 6 In der Maßlosigkeit der deutschen militärischen und politischen Führung vermochte er einen entscheidenden Grund dafür zu erkennen, das deutsche Volk jedoch blieb frei von solchen Vorwürfen: „Cette distinction entre le peuple allemand, dont de Gaulle saluait les réalisations et les capacités à travers des paroles qu'on n'est pas accoutumé à entendre, et ses chefs, qui étaient certes capables d'agir avec audace et volonté mais ne connaissaient ni mesure ni limites, resta une constante fondamentale de la vision qu'avait de Gaulle de ses voisins allemands." 7 Mitte der zwanziger Jahre erhielt der begabte Offizier zwei relativ kurze Truppenkommandos im französisch besetzten Rheinland, in Mainz und in Trier. Schon in dieser Zeit machte ihn der Zustand und die Verfassung der französischen Okkupationsarmee besorgt, und dies insbesondere vor dem Hintergrund des langsamen deutschen Wiederaufstiegs und in Anbetracht der seiner Ansicht nach den Deutschen eigenen Fähigkeiten. Nach dem 30. Januar 1933 verdichtete sich diese Sorge zu tiefem Pessimismus. Seine 1934 publizierte Schrift „Vers l'Armée de Métier"8 entwickelte vor diesem pessimistischen Hintergrund ein neues und hochmodernes, auf die Feuerkraft und Mobilität gepanzerter Verbände setzendes strategisches Konzept für die französische Armee, welches sich jedoch in Frankreich nicht durchsetzen konnte. Zu den aufmerksamsten Lesern der Studie des Obristen de Gaulle gehörten aber die deutsche Generalität und Adolf Hitler selbst, die sehr rasch die Bedeutung dieser Gedanken erkannten. 9 Doch auch nach der deutschen Besetzung des Rheinlands 1936 und dem Münchner Abkommen verhallte de Gaulies Rufen ungehört. Düster prophezeite er, geradezu geschichtsdeterministisch, schon 1934 den nächsten Krieg zwischen Deutschen und Franzosen: „Zwischen den Galliern und den Germanen haben die wechselseitigen Siege nichts entschieden und nichts bereinigt. Manchmal, wenn sie vom Kampf erschöpft sind, scheinen sich beide Völker zu nähern, so als wenn sie sich, wie taumelnde Krieger, gegenseitig stützen wollten. Aber sobald sie wieder Kräfte gesammelt haben, lauert einer dem anderen auf ( . . . )." 10 Für de Gaulle kam alles, wie es kommen mußte: Dem deutschen Angriff im Mai 1940 folgte nach einem Blitzfeldzug die französischen Défaite im Juni, die er, nachdem er sich als Kommandeur einer Panzerdivision ausgezeichnet hatte und dafür zum Brigadegeneral befördert worden war, als Unterstaatssekretär für nationale Verteidigung im Kabinett Paul Reynaud miterlebte. Seiner Flucht nach London folgte am 18. Juni 1940, noch vor der Unterzeichnung des Waffenstillstands im Wald von Compiègne, seine Rundfunkansprache in der 6
De Gaulle, Charles, La Discorde chez l'Ennemi, Paris 1924 (Neuauflage Paris 1972). Schunck, Peter, De Gaulle et ses voisins allemands, S. 329. 8 De Gaulle, Charles, Vers l'Armée de Métier, Paris 1934. 9 Vgl. Schunck, Peter, De Gaulle et ses voisins allemands, S. 331. 10 Zit. nach: Weisenfeld, Ernst, Charles de Gaulle, S. 86. 7
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BBC, in der er die Franzosen zum Widerstand gegen die Besatzer und zur Fortsetzung des Kampfes gegen die Achsenmächte von den Kolonien aus aufforderte: „Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber Frankreich hat nicht den Krieg verloren", 11 hieß die vielen Beobachtern realitätsfern erscheinende Losung des Generals, der sich noch Ende Juni ohne faßbare Legitimation zum Träger der französischen Souveränität erklärte. Erst in London und dann von Algier aus zog er die Fäden von Widerstand und Gegenwehr. Dabei freilich verwiesen ihn die beiden angelsächsischen Mächte, vor allem England, dem er den Rückzug von Dünkirchen nicht verzieh, nur zu oft in seine Grenzen. 12 Zu keiner Zeit ließ er sich zu haßerfüllten Äußerungen über das deutsche Volk, dessen Führung er allerdings einmal mehr brandmarkte, hinreißen. In seinen Kriegsmemoiren äußerte er später: „L'Allemagne, séduite au plus profond d'elle-même, suivit son Führer d'un élan. Jusqu'à la fin, elle lui fut sumise, le servant de plus d'efforts qu'aucun peuple, jamais, n'en offrit à aucun chef." 13 Wenngleich der General also keinen Haß gegen die Deutschen als Volk entwickelte, so verwunderte es jedoch nicht, daß er in der Kriegszeit einer deutsch-französischen Verständigung für die Zukunft keine Chance mehr einräumte. „Nie mehr werden Sie nach diesem Krieg Franzosen und Deutsche an einen Tisch bringen", äußerte er 194314, und doch war ihm bereits kurz nach der Befreiung und seiner Regierungsübernahme klar, daß Deutschland für Frankreich und die Welt Herausforderung und Gefahr bleiben würde: „In Wirklichkeit ist das Schicksal Deutschlands das zentrale Problem des Universums. Für Frankreich ist es gleichzeitig eine Frage auf Leben oder Tod." 15 Seine deutschlandpolitischen Vorstellungen und Initiativen der Jahre 1944 und 1945 sowie der unmittelbaren Nachkriegszeit reflektierten diese Einschätzung, de Gaulies historische Erfahrung und das daraus resultierende französische Sicherheitsbedürfnis. Insbesondere letzteres erklärte die Deutschlandpläne des nunmehrigen Ministerpräsidenten, dessen Land durch Konvenienz von Amerikanern, Briten und Russen in den Rang einer vierten Siegermacht, wenn auch freilich den anderen dreien nicht ganz ebenbürtig, erhoben wurde. Kern 11 12
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Zit. nach: Münchhausen, Thankmar von, Der Staatsmann als Symbol. In äußerster Erregung hielt Churchill de Gaulle einmal vor: „Au lieu de faire la guerre à l'Allemagne, vous avez fait la guerre à l'Angleterre!" Zit. nach: Lacouture, Jean, De Gaulle, Bd. 1, S.567. Zu einem Vorschlag Himmlers bezüglich einer Verbindung gegen Angelsachsen und Russen - „du bord de la tombe", so de Gaulle - erlaubte sich der General doch die Bemerkung: „ ( . . . ) il y a, sans doute, du vrai dans l'aperçu qu'il dessine." Zit. nach: Schunck, Peter, De Gaulle et ses voisins allemands, S.324. Vgl. zum Verhältnis de Gaulles zu den beiden angelsächsischen Mächten auch: Newhouse, John, De Gaulle and the Anglo-Saxons, New York 1970. De Gaulle, Charles, Mémoires de Guerre (3 Bde.), Paris 1954-1959, Bd. 3, S.174. Zit. nach: Loth, Wilfried, De Gaulle und Europa. Eine Revision, in: HZ 253 (1991), S. 629-660, hier S.630. So de Gaulle auf einer Pressekonferenz am 25.10.1944. Zit. nach: Dankert, Jochen, Die Außenpolitik Frankreichs V. Republik, Berlin (Ost) 1989, S.211f.
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all seiner Pläne war die Verhinderung dessen, was Frankreich binnen 70 Jahren dreimal widerfahren war. Diesem Ziel sollten die absolute Dezentralisierung des Reiches dienen, die Abtretung der linksrheinischen Gebiete und die Internationalisierung der Ruhr. 16 De Gaulle selbst behauptete später, schon 1945 nicht mehr in Begriffen von deutsch-französischer Feindschaft oder Rache gedacht, sondern positive, neue Perspektiven erkannt zu haben: „Ainsi, au milieu des ruines, des deuils, des humiliations, qui submergeaient l'Allemagne à son tour, je sentais s'atténuer dans mon esprit la méfiance et la rigeur. Même, je croyais apercevoir des possibilités d'entente que le passé n'avait jamais offertes." 17 Einem „rheinländischen Deutschland", welches die preußische Vergangenheit hinter sich habe, so betonte er am 5. Oktober 1945, werde Westeuropa und vor allem Frankreich Hoffnung und Orientierung bieten: „Das geteilte, ruinierte, unterschiedlichen Autoritäten ausgelieferte Deutschland, von denen jede eine andere Konzeption hat, dieses Deutschland, das so dem Unglück ausgeliefert sein wird, ohne sich gleich wieder erheben zu können, wird sich natürlich auf das Land hin orientieren, das ihm die meisten Chancen für den Wiederaufbau bietet, die meisten Möglichkeiten, die Gelegenheit, wieder einen Platz in Europa einzunehmen. Wir werden genau darauf achten, wie sich diese Deutschländer entwickeln und was wir für sie tun können." 18 Aktiv freilich sollte General de Gaulle diese Entwicklung fürs erste nicht verfolgen und beeinflussen können. Dennoch versagte er sich im Laufe der Jahre, in denen er bis 1958 einsam in der öden Landschaft der östlichen Champagne, in der Boisserie von Colombey, „die Wüste durchquerte", nicht Einlassungen zum Thema Deutschland. Die Verbitterung über seinen Abschied aus der Politik der IV. Republik und die damit einhergehende Mißachtung seiner deutschlandpolitischen Vorstellungen ließen ihn zunächst zum entschiedenen Gegner der von den Westmächten 1948 beschlossenen deutschen Weststaatsgründung werden. In eindeutiger Absicht benutzte er nun den Begriff „Reich", als er beispielsweise am 9. Juni 1948 die Ergebnisse der Londoner Konferenz attackierte: „La solution de Bonn! Ne nous faisons pas d'illusion, c'est la reconstitution du Reich !"19 Noch einmal kramte de Gaulle den Reichsbegriff hervor, als er 1953/54 gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu Felde zog: „Man kann wohl verstehen, warum unter den Sechs gerade der Kanzler des Reichs den größten Wert auf die sogenannte 'europäische Armee' legt. Er erhält in der Tat nicht nur die Gleichberechtigung, son16
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Zur Deutschlandpolitik de Gaulles und Frankreichs in der Nachkriegszeit noch immer: Schwarz, Hans-Peter, Vom Reich zur Bundesrepublik. Deutschland im Widerstreit der außenpolitischen Konzeptionen in den Jahren der BesatzungsherTSchaft 1945 bis 1949, Neuwied 1966 (Neuauflage Stuttgart 1980), S. 179-199; s. auch: Maillard, Pierre, D e Gaulle und Deutschland, S.95-145. De Gaulle, Charles, Mémoires de Guerre, Bd. 3, S. 207. Zit. nach: Loth, Wilfried, De Gaulle und Europa, S.634f. De Gaulles, Charles, Discours et Messages (6 Bde.), Paris 1970, Bd. 2., S.292.
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dem auch den Zugang zur militärischen Hegemonie der Deutschen, die die Aussicht auf ein Reich eröffnet, das den Westen eines Tages zum Kreuzzug des 20. Jahrhunderts führt." 20 Man darf jedoch de Gaulle trotz all seiner deutschlandpolitischen Grundüberzeugungen nicht den Realitätssinn des in Machtkategorien denkenden Politikers absprechen. An der Existenz der Bundesrepublik war nicht zu rütteln, und der General fand sich nicht nur damit ab, sondern war, unabhängig von seiner Ablehnung der EVG, schon Anfang der fünfziger Jahre vom Recht der Westdeutschen auf Gleichberechtigung, auf eine eigene Armee, auf nationale Souveränität und die Behauptung seiner nationalen Interessen in einem festen Bündnis überzeugt. 21 Eine Direktive des Ministerpräsidenten de Gaulle an den neuen französischen Botschafter in Bonn, François Seydoux, kurz nach seiner Regierungsübernahme Anfang Juni 1958 ließ seine realistische Haltung klar erkennen: „Monsieur l'Ambassadeur, je désire que la France entretienne des relations aussi cordiales que possibles avec tous les peuples de la terre; mais s'il y a un peuple avec qui je désire entretenir des relations particulièrement chaleureuses, ce peuple, c'est le peuple allemand. Bien entendu, ( . . . ) beaucoup dépendra du chancelier Adenauer, mais si je trouve en ce grand homme des dispositions qui correspondent aux miennes, nous pourrons ensemble faire de grandes choses."22 De Gaulles Anerkennung der Existenz der Bundesrepublik und seine deutschlandpolitische Position zu Beginn seiner elf Jahre im Elysée-Palast hingen eng zusammen mit seinem Bild von Europa und seinen europapolitischen Ordnungsvorstellungen seit 1945. Deren genaue Analyse stützt nicht die noch immer weit verbreitete Meinung, daß für de Gaulle allein die Nation, die französische Nation, die politische relevante Größe war und Europa nur abhängige Variable seines nationalen Denkens gewesen sei.23 Dagegen ist es sicher richtig, eine klare Beziehung zu sehen zwischen dem Entstehen ostwestlicher Bipolarität im Zeichen des Kalten Krieges sowie dem damit einhergehenden relativen Machtverfall der europäischen Großmächte Großbritannien und Frankreich und dem Eintreten de Gaulles für die Schaffung eines wie auch immer gearteten geeinten Europas. Bei näherer Betrachtung lassen sich jedoch zwei deutlich voneinander zu scheidende Ebenen der europapolitischen Vorstellungen de Gaulles ausmachen. Da ist zum einen sein Bild eines Europa 20 21
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Ebd., S.571. Vgl. Rühl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis - eine schwierige Balance zwischen Paris und Washington, in: Konrad Adenauer und seine Zeit, Bd. 2, S.53-91, hier S.54. Zit. nach: Schunck, Peter, D e Gaulle et ses voisins allemands, S. 341. Wilfried Loth hat jüngst gezeigt, daß de Gaulle spätestens seit 1945 über ein geschlossenes Europa-Konzept verfügte und daß sich für ihn Denken in nationalen und in europäischen Kategorien nicht widersprach. Die zentrale These Loths lautet: „Eine genaue Lektüre der Europapolitik de Gaulles zeigt, daß das, was landläufig unter außenpolitischem Gaullismus verstanden wird, nichts weiter ist als das Produkt geschickter Selbstinszenierung vor dem Hintergrund eines relativen Scheiterns." S. Loth, Wilfried, De Gaulle und Europa, S.629.
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vom Atlantik zum Ural, welches eindeutig den gesamten Kontinent umfaßt. Zwar verwandte de Gaulle die Formel „entre l'Atlantique et l'Oural" erstmals 1950, bereits während des Zweiten Weltkriegs jedoch hatte er zu inhaltlich gleichen oder ähnlichen Formulierungen gegriffen wie zum Beispiel im November 1942 zu der von „l'Europe torturée ( . . . ) des Pyrénées à la Volga", mit der er fast genau die geographische Ausdehnung des deutschen Machtbereichs beschrieb. 24 Damit scheint die Verwendung dieses Europabildes auch die Funktion zu haben, angesichts konkreter politischer und/oder militärischer Bedrohungen und Gefahren an die Einheit des alten Kontinents zu appellieren. Leicht modifiziert läßt sich dieses Erklärungsmuster auch auf die Verwendung der Diktion „Europa vom Altantik bis zum Ural" während des Kalten Krieges übertragen. Somit erschiene es dann nicht mehr zufällig, daß diese Terminologie bei de Gaulle ausgerechnet 1950 auftauchte, als insbesondere die Gründung von Bundesrepublik und DDR die Teilung Europas bestätigten und ihr den Charakter einer unmittelbaren Kriegsfolge nahmen. Ihr kontinuierliches Aufgreifen nach 1958 und vor allem seit 1961, als der Bau der Berliner Mauer die Teilung Europas im wahrsten Sinne des Wortes zementierte, wäre so gesehen weniger als ein Aufruf zur Europäisierung Europas zu verstehen als vielmehr als ein hoffnungsstiftendes Signal insbesondere an die Bevölkerungen der ostmittel- und südosteuropäischen Satellitenstaaten der Sowjetunion vor dem doppelten Hintergrund der historisch engen Verbindungen Frankreichs zu diesen Staaten und der jüngeren Weigerung, die Herrschaft Moskaus über diese Länder anzuerkennen. Diese Motivation schlägt allerdings die Brücke zum Westeuropakonzept des Generals, wie es sich vor dem Hintergrund der weltpolitischen Realitäten nach 1945 ausprägte. Wie Ernst Weisenfeld betont, war auch die Annäherung der westeuropäischen Staaten ein demonstrativer Akt in Richtung Osten. Europa sei für de Gaulle „der Schlüssel zur Befreiung Europas" gewesen. Er sei davon überzeugt, erklärte er 1958 Konrad Adenauer, daß man die westeuropäische Einigung nicht zuletzt darum vollenden müsse, damit die Völker hinter dem Eisernen Vorhang hier im Westen etwas finden könnten, um ihre Hoffnung aufzurichten, „wenn Gott zu hoch und Amerika zu weit ist." 25 Implizit richtete sich damit de Gaulies Europakonzept gegen die beiden nach 1945 aufsteigenden Supermächte USA und Sowjetunion und zielte auf eine Stärkung, wenn nicht Wiederbelebung des Gewichts Europas in den internationalen Beziehungen. Nur ein solchermaßen starkes und unabhängiges Europa, nach 1945: Westeuropa, entsprach auch de Gaulles Auffassung von der Bedeutung der französischen Nation diesseits und jenseits der Zäsur von 1945. So ging mit seiner durchaus realistischen Erkenntnis, daß Frankreich allein im Kräftefeld 24
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Vgl. hierzu Cohen, William B., De Gaulle et l'Europe d'avant 1958, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S.53-65, hier S.56. Vgl. Weisenfeld, Ernst, Charles de Gaulle, S.90f.
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des Ost-West-Konflikts als ernstzunehmender und ernstgenommener Machtfaktor nicht würde bestehen können, die politische Fehleinschätzung einher, daß Westeuropa aus sich selbst heraus einen Kurs der Unabhängigkeit zwischen Washington und Moskau zu steuern vermögen würde. Dies verkannte nicht nur die genuine Schwäche Westeuropas nach dem Krieg, sondern auch die vitale Bedeutung der amerikanischen Nukleargarantie für die Sicherheit der westeuropäischen Staaten und die Tatsache, daß sich die Einigung Westeuropas nur unter dem Nuklearschirm der extended deterrence erfolgreich vollziehen konnte. Westeuropa war für de Gaulle schon 1945 „un complexe naturel ( . . . ) à la fois géographique, économique, politique et culturel", der sich gegenüber anderen Einheiten nicht in einer Inferioritätsposition befinde. 26 Gleichwohl umfaßte das Westeuropa des Generals zu jener Zeit geographisch ein Gebiet, das, wie er am 10. September 1945 darlegte, „im Norden, im Westen und im Süden vom Meer und im Osten von der Rheinsenke begrenzt wird." 27 Weder geographisch noch historisch-politisch gehörte also zu jener Zeit Deutschland oder auch nur dessen westlicher Teil nach de Gaulies Meinung zu Westeuropa. Allenfalls um das deutsche Potential zu kontrollieren, vermochte er sich bereits 1943 die Angliederung des rheinisch-westfälischen Industriereviers an eine westeuropäische Föderation vorzustellen. Ausschließen freilich wollte er die Einbeziehung Deutschlands, der „Deutschländer", wie er im März 1944 betonte, in eine solche Föderation nicht.28 Doch erst später, gegen Ende der vierziger Jahre, wurde Westdeutschland dem politischen, nicht dem geographischen, Westeuropa zugeordnet, zum einen, um das westeuropäische und damit auch gesamtwestliche Machtpotential gegenüber der Sowjetunion zu erhöhen, zum anderen auch, und im engen Zusammenhang damit, um ein neues Rapallo frühzeitig zu verhindern. Auch für de Gaulle entstand so, wie für alle anderen französischen Politiker der fünfziger Jahre, das Dilemma, einerseits um der Stärkung Westeuropas willen der deutschen Forderung nach Gleichberechtigung zuzustimmen, andererseits jedoch den wenige Jahre nach dem Krieg auch in der französischen Öffentlichkeit wichtigen Anspruch auf Kontrolle Deutschlands aufrechtzuerhalten. 29 Für die meisten Politiker der IV. Republik schien Monnets und Schumans Konzept der westeuropäischen Integration - mit Ausnahme der EVG - dieses Dilemma zu überwinden. De Gaulle jedoch lehnte Anfang der fünfziger Jahre die Monnet-Schuman-Konzeption ab, nicht weil er 26 27
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De Gaulle, Charles, Discours et Messages, Bd. 1, S.615. Zit. nach: Schwarz, Jürgen, Die französische Sicherheits- und Ostpolitik als Problem deutsch-französischer und europäischer Zusammenarbeit (Teil A: Die Force de Dissuasion und die französische Sicherheitspolitik; Teil B: Die französische Ostpolitik: Teil C: Die französische Europapolitik), Ebenhausen 1968 (SWP-AZ 145), hier Teil C, S.10. Vgl. Loth, Wilfried, De Gaulle und Europa, S.631f. S. Grosser, Alfred, Frankreich und seine Außenpolitik 1944 bis heute, München/Wien 1986, S. 182.
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Gegner der europäischen Einigung war, sondern weil sie ihm zum einen, wie Loth nachweist, zu wenig supranationale Elemente enthielt und es an tatsächlicher föderalistischer Durchgestaltung und wirklicher europäischer Qualität fehlen ließ,30 zum anderen natürlich auch aus seiner grundsätzlichen Opposition zur Politik der IV. Republik heraus. Die Befürwortung eines föderalen oder föderierten Europa stand keineswegs im Widerspruch zu seiner Vorstellung von der Bedeutung der französischen Nation. Dies hatte er schon 1944 klar gemacht: „In jedem Falle braucht jede Föderation einen Föderator. Das wird Frankreich sein; und das Ensemble, das in dieser Weise geschaffen wird, wird es uns erlauben, unsere Unabhängigkeit zu behaupten und dem amerikanisch-russischen Kondominium zu entkommen." 31 Letztere Überzeugung blieb für de Gaulle bis 1969 bestimmend, und seine Vorstellung von Europa als der „dritten Kraft" determinierte auch die Rolle, die er Großbritannien in seinem Entwurf Europas zuwies oder besser: nicht zuwies. Die enge und besondere Verbindung zwischen Großbritannien und den USA erkennend und vom Unwillen und der Unfähigkeit Londons ausgehend, sich zwischen Europa und Nordamerika klar entscheiden zu können, hatte England, für de Gaulle nicht erst 1963 das trojanische Pferd der Amerikaner, keinen Platz in einem engen westeuropäischen Zusammenschluß, der ja gerade zu mehr Unabhängigkeit von den USA führen sollte. Schon seit 1943 waren für de Gaulle allenfalls Assoziationslösungen vorstellbar. 32 Doch in Frankreich, Westeuropa und den USA galt de Gaulle auch in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, in der Zeit der Relance européenne, nicht nur als Gegner britischer Beteiligung an der europäischen Integration, sondern als erklärter Opponent der Einigung an sich. Obwohl dem, wie gezeigt, gar nicht so war, mußte man geradezu zwangsläufig zu dieser Einschätzung gelangen, kleidete der General doch seine Kritik an der konkreten Europapolitik der IV. Republik und insbesondere an den Römischen Verträgen in höchst nationalistische Töne, die keinen Raum für auch nur irgendein Integrationsmodell zu lassen schienen. Dies sollte nach seiner Rückkehr zur Macht eine anfangs erhebliche Belastung seiner Außenund Europapolitik werden. Insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht nur seit 1956 die Beziehungen zu Frankreich erheblich intensiviert und verbessert hatte, sondern auch gemeinsam mit dem westlichen Nachbarn zum Motor der Neubelebung der 1954 festgefahrenen Integrationsbestrebungen nach der Konferenz von Messina geworden war, blickte man nun gespannt, ja skeptisch und mißtrauisch nach Paris. Dies galt auch für Konrad Adenauer, der im Niedergang der IV. Republik und im Aufstieg de Gaulies zunächst keineswegs eine für Bonn und seine Politik positive Entwicklung zu erkennen vermochte. 30 31
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Vgl. Loth, Wilfried, De Gaulle und Europa, S.642f. So de Gaulle in einem Gespräch mit Pierre Mendès France am 18.3.1944; zit. nach: ebd., S.631f. Vgl. ebd.
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1.2.2. Die Begegnung von Colombey Der Bundeskanzler stand mit dieser Haltung allerdings nicht allein, sondern befand sich in seltener Übereinstimmung mit den allermeisten Vertretern von Regierungs- und Oppositionsparteien sowie der westdeutschen Medienlandschaft. 33 Die deutsche Skepsis bezog sich jedoch nicht nur auf die Europapolitik des Generals und die Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen, sondern, beispielsweise in weiten Teilen der Union, auf die „demokratischen Qualitäten" des ersten und letzten Ministerpräsidenten der IV. Republik. 34 Offen kritisierte Adenauer selbst gegenüber Journalisten an de Gaulle, daß dieser vollkommen versagt habe, als er nach der Rettung seines Landes Regierungschef gewesen sei.35 Doch für den Bundeskanzler, den „Antigaullisten" 36 des Sommers 1958 dürfte dieses Argument eher sekundär gewesen sein im Vergleich zu den weitreichenden Ängsten und Befürchtungen hinsichtlich einer generellen Neuorientierung der französischen Politik. Die historische Erinnerung an den Führer des Freien Frankreich und den französischen Ministerpräsidenten der Jahre 1944 bis 1946 mußte den deutschen Bundeskanzler alarmieren. Nicht nur hatte der General eine führende Rolle im Kampf gegen Deutschland gespielt; nicht nur hatte er später zu den entschiedensten Gegnern der Gründung der Bundesrepublik gezählt - de Gaulle hatte auch im Dezember 1944 die „bonne et belle alliance", den Bündnis- und Beistandsvertrag mit Stalins Sowjetunion geschlossen, dessen antideutsche Spitze nicht zu verleugnen war. Wie so oft war Adenauer zwar in kritischen politischen Situationen für Gerüchte stets besonders empfänglich, doch darf es nicht verwundern, daß er einer ihm über General Speidel und Verteidigungsminister Strauß zugetragenen Information, wonach Paris mit der Sowjetunion einen Neutralitätsvertrag abschließen wolle, durchaus Beachtung schenkte. Wenn auch die Gerüchte über ein französisch-sowjetisches Rapprochement möglicherweise von de Gaulle selbst ausgestreut worden waren, um die westlichen Alliierten und insbesondere Adenauer seinen Wünschen geneigter zu machen, so demonstrierte dieser Vorgang die Furcht des Bundeskanzlers vor einem „renversement des alliances",31 eine Furcht, die allerdings, wie gezeigt, auch auf französi33
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Zum deutschen Presseecho auf die Regierungsübernahme de Gaulies vgl. Noack, Paul, II est venu et reparti comme un étranger: Charles de Gaulle vu par les Allemands de l'Ouest entre 1958 et 1970, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S. 394-403, v.a. S.394f. Vgl. zum Beispiel Gerstenmaier, Eugen, Streit und Frieden, S.462. Gerstenmaier selbst rechnet sich allerdings ex post nicht der Gruppe der Zweifler zu. Der Kanzler jedoch habe ihr angehört. S. auch: Buchstab, Günter, Zwischen „Zauber und Donner". Die C D U / C S U und de Gaulle, in: Loth, Wilfried/Picht, Robert (Hrsg.), De Gaulle, Deutschland und Europa, S.95-107, hier S.95f. Vgl. Adenauer, Konrad, Teegespräche 1955-58, hrsg. von Morsey, Rudolf und Schwarz, Hans-Peter, bearb. von Küsters, Hanns Jürgen, Berlin 1986 (Rhöndorfer Ausgabe), S.218. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.441. Vgl. hierzu N A 611.62A/7-2658, Memorandum of Conversation Adenauer - Dulles, Bonn,
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scher Seite und auch von de Gaulle selbst gehegt wurde. Auch wenn der deutsche Geschäftsträger in Paris, Jansen, die weitere Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen, ohne Verkennung der Probleme und unter Betonung der nicht einzuschätzenden Veränderungen im französisch-sowjetischen Verhältnis, eher zuversichtlich beurteilte, 38 läßt doch die hier skizzierte Skepsis Adenauers sein Treffen mit dem französischen Ministerpräsidenten im September 1958 in umso bedeutenderem Licht erscheinen. Die Art und Weise des Zustandekommens jener Begegnung in Colombey zeigt die Vorbehalte des deutschen Regierungschefs, der sich zunächst gegen ein von französischer Seite gewünschtes39 rasches Zusammentreffen mit de Gaulle sträubte und dies unter anderem mit dem protokollarischen Argument begründete, daß eigentlich ihm als dem dienstälteren Regierungschef die Aufwartung zu machen wäre. Es bedurfte massiver Einwirkung der Amerikaner und insbesondere von Außenminister Dulles, um den Kanzler davon zu überzeugen, sich baldmöglichst, auch unter Mißachtung protokollarischer Gepflogenheiten, mit dem neuen Mann in Frankreich zu treffen. 40 Das amerikanische Eingreifen in diese deutsch-französische Angelegenheit zeigt freilich auch über den Einfluß Dulles' auf Adenauer hinaus die Bedeutung, die Washington einem guten deutschfranzösischen Verhältnis auch unter de Gaulle beimaß. Ganz im Sinne ihrer langfristigen europapolitischen Zielsetzungen mußte den USA nicht nur am Zustandekommen eines Dialogs Adenauer - de Gaulle gelegen sein, sondern darüber hinaus am Fortbestand der guten deutsch-französischen Beziehungen, wie sie sich seit 1955/56 entwickelt hatten. Zum einen kam dem bilateralen Verhältnis zwischen Paris und Bonn erhebliche Bedeutung für die feste Verankerung der Bundesrepublik im Westen zu, zum anderen war eine enge Verbindung zwischen den beiden Staaten außerordentlich wichtig, wenn nicht entscheidend für den Fortgang der europäischen Integration. 41 Die Römischen
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26.7.1958: In einer Unterredung mit dem amerikanischen Außenminister teilte Adenauer diesem seine Sorgen bezüglich einer sowjetisch-französischen Kooperation im Nuklearbereich mit. Dulles versuchte, den Kanzler zu beruhigen. Vgl. auch Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.96-99. Vgl. Archiv des Auswärtigen Amtes (AA), Ministerbüro 204, Beziehungen der BRD zu Frankreich, Belgien, Italien, Niederlande, Luxemburg, Bd. 55; Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Paris an Auswärtiges Amt, 19.6.1958. Bereits am 2.7.1958 regte der französische Außenminister Couve de Murville gegenüber Karl Carstens ein Zusammentreffen Adenauer - de Gaulle in der zweiten Julihälfte 1958 in Paris an. Vgl. AA, Ministerbüro 204, Beziehungen der BRD zu Frankreich, Belgien, Italien, Niederlande, Luxemburg, Bd. 55: Aufzeichnung Carstens an Brentano, 5.7.1958. NA, 611.62A/7-2658: Memorandum of Conversation Adenauer - Dulles, Bonn, 26.7.1958; vgl. auch: DDEL, Ann Whitman File, Dulles-Herter Papers, Box 8, Folder Dulles July 1958, Dulles to Acting Secretary for President, 27.7.1958. Vgl. hierzu beispielsweise NA, Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 1: Memorandum on de Gaulle's Prospective Foreign Policy and the United States, 6.6.1958. Dort heißt es: „The United States has a major interest in preserving the newly established friendship between France and Germany. Compared with the
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Verträge als solche waren zwar schon zum 1. Januar 1958 in Kraft getreten. Doch wichtige Schritte auf dem Weg zu einem gemeinsamen Markt, wie beispielsweise die Senkung der EWG-Binnenzölle, sollten sich erst nach und nach im Laufe der folgenden Jahre anschließen. Da bezüglich des europapolitischen Kurses de Gaulles in den USA durchaus die Skepsis überwog, 42 konnte ein möglichst enges Verhältnis Frankreichs zu der an der Fortsetzung der Integration stark interessierten Bundesrepublik nur im amerikanischen Sinne sein. Ganz davon abgesehen, war eine positive Weiterentwicklung des Integrationsprozesses ohne ein gutes deutsch-französisches Verhältnis und erst recht nicht ohne die generelle Beteiligung Frankreichs vorstellbar. Keineswegs wurde das Frankreich de Gaulles in Washington zu diesem Zeitpunkt als europapolitischer Konkurrent der USA angesehen. Die deutsch-französischen Beziehungen hatten 1958 noch nicht den Charakter einer außenpolitischen Alternativoption zur deutsch-amerikanischen Partnerschaft im NATO-Rahmen, wie das wenige Jahre später der Fall sein sollte. Nur wenige Tage nach der Unterredung zwischen Adenauer und Dulles und mehr als drei Wochen, bevor die Öffentlichkeit davon erfuhr, ließ der Kanzler über Botschafter Bruce dem US-Präsidenten und seinem Außenminister mitteilen, daß er für den September eine Einladung de Gaulles nach Colombeyles-deux-Eglises erhalten und diese bereits angenommen habe. 43 Am 14. September empfing der General den vom Corner See kommenden Bundeskanzler in der Boisserie in Colombey. 44 Das Treffen der beiden Staatsmänner in der Wahlheimat de Gaulles, in jener weiten und trostlosen ostfranzösischen Landschaft, in der der General die zwölf ihn so prägenden Jahre zwischen 1946 und 1958 verbracht hatte, wurde zur Weichenstellung im deutsch-französischen Verhältnis mit Auswirkungen über die Beziehung Bonn - Paris hinaus für den europäischen Integrationsprozeß und die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen, bilateral zwischen Bundesrepublik und USA sowie multilateral
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value of harmony on the Rhine, the particular forms of European collaboration are of secondary importance." Diese Skepsis wurde auch durch erste französischen Einschätzungen der europapolitischen Haltung de Gaulles genährt. Folgende Beurteilung des französischen Botschafters in Washington Hervé Alphand wurde am 22.5.1958 im Nationalen Sicherheitsrat diskutiert: „Alphand thought that General de Gaulle was not anti-American, but he might well prove to be anti-European. Thus he would certainly not quit NATO, but it was quite possible that he would reverse the trend of récent French policy in favor of a greater European intégration." S. DDEL, Ann Whitman File, NSC Series, Box 10: 336th Meeting of NSC, 22.5.1958. Vgl. N A 762A.il/7-3158: Ambassador Bruce an Secretary of State, 31.7.1958. Die erste Zeitung, die über die Einladung und das bevorstehende Treffen berichtete, war Le Monde am 22.8.1958. Der Artikel nannte bereits den 14.9. als voraussichtlichen Termin der Begegnung. Im Gegensatz zu Kapferer, Reinhard, Charles de Gaulle, S.239, handelte es sich m.E. bei dem Empfang in Colombey nicht um die „delikateste Ehrenerweisung im subtilen Protokoll der gaullistischen Republik", sondern um einen erst später Symbolkraft erlangenden Ausweg aus den protokollarischen Zwängen von Kanzler und Ministerpräsident.
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im NATO-Rahmen. Eine detaillierte Analyse der Gespräche unter vier Augen, aber auch der im größeren Kreise braucht hier nicht zu erfolgen; es bleibt jedoch festzuhalten, daß sowohl die sofort spürbare gegenseitige Sympathie im persönlichen Bereich, die Adenauers anfängliche Unsicherheit rasch schwinden ließ, als auch die sich herauskristallisierende politische Affinität in den wesentlichen Fragen - Ost- und Deutschlandpolitik, Europa, NATO - entscheidend zum Erfolg des Treffens und, darüber hinaus, zur Entstehung des engen deutsch-französischen Verhältnisses der nächsten Jahre beitrugen. 45 In den drei oben erwähnten Hauptfragen bestätigten oder erzielten die beiden Politiker einen Konsens. De Gaulle unterstützte das Recht der Deutschen auf staatliche Wiedervereinigung, wenngleich er diese nicht als konkrete und dringende politische Aufgabe verstanden wissen wollte und sie an zwei Bedingungen - Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als deutsche Ostgrenze und Verzicht auf ABC-Waffen - knüpfte. Dieses Paket schnürte der General nicht nur 1958, sondern erneut im März 1959, diesmal öffentlich und damit den Kanzler brüskierend. 46 Gewiß hatte sich Adenauer 1958 bereits mit dem Verlust der deutschen Ostgebiete abgefunden, gewiß mochte er selbst betreffs der Vereinigung der beiden deutschen Staaten Hintergedanken gehegt haben, und gewiß war in de Gaulies Beschreibung der Position des Kanzlers in Colombey zu dieser Frage ein Körnchen Wahrheit: „Obwohl er (Adenauer; ec) von ganzem Herzen wünscht, daß es eines Tages nur noch einen einzigen deutschen Staat gebe und die totalitäre Unterdrückung ein Ende finde, die die Kommunisten im Auftrag der Sowjets dem auferlegen, was er 'die Zone' nennt, so meine ich doch, bei diesem katholischen Rheinländer und Chef einer Partei traditioneller Demokraten die Vorstellung zu entdecken, die heutige Bundesrepublik könnte eventuell ein gewisses Mißbehagen empfinden, wenn sie übergangslos den preußischen, protestantischen und sozialistischen Komplex der abgetrennten Gebiete einverleiben würde." 47 Doch dieses „Mißbehagen" war nicht Grundlage der Politik Adenauers, sondern möglicherweise viel eher Ausdruck des Wunschdenkens de Gaulles. Es ist allerdings nicht auszuschließen, daß Adenauer in Colombey, um den Konsens nicht zu gefährden, also aus polittaktischen Erwägungen, zu manchen Urteilen oder Vorschlägen de Gaulles mit dem Kopf nickte, ohne völlig überzeugt gewesen zu sein. Insbesondere scheint dies für den Bereich der Europapolitik zuzutreffen. Adenauers Sorge in diesem Feld war eindeutig die Möglichkeit, daß de Gaulles Frankreich aus dem europäischen Integrationsprozeß wieder ausscheren könnte, um radikal eine Politik der nationalen Unabhängigkeit zu verfolgen. Der Kanzler unterschätzte dabei 45
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Zu dem ersten Treffen zwischen Adenauer und de Gaulle in Colombey-les-deux-Eglises vgl. u.a. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.439-467; Mailiard, Pierre, De Gaulle und Deutschlands, S. 181-211. Vgl. Ansprache von Staatspräsident de Gaulle in seiner Pressekonferenz am 25. März 1959 (Auszug), abgedruckt in: EA 9-10/1959, S. D 195-198, vor allem S. D 196. De Gaulle, Charles, Memoiren der Hoffnung, S.221.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
allerdings zum einen das wirtschaftspolitische Interesse Frankreichs am Zustandekommen der europäischen Integration und des Gemeinsamen Marktes, zum anderen verkannte er die für de Gaulle instrumentale Rolle Westeuropas für sein Ziel, Frankreich wieder größeres politisches Gewicht zu verleihen und dem Kondominium der Supermächte zu entfliehen. Während aus ökonomischen Erwägungen de Gaulle die Einbeziehung des Agrarsektors in den Gemeinsamen Markt forderte, ließ zum zweiten sein Konzept Europas als „dritte Kraft" im Europa der Sechs keinen Platz für Großbritannien, auch nicht für eine Assoziation zwischen EWG und der von London favorisierten europäischen Freihandelszone (FTA), das sogenannte Brücken-Konzept. Zwar betonte Adenauer seine Überzeugung von der Aufrichtigkeit Macmillans und dem deutschen Interesse am Fortgang der Verhandlungen, 48 doch massiven Widerstand brachte er de Gaulle nicht entgegen. Er schlug sich in beiden Fällen mehr oder weniger stillschweigend, um Frankreich an das Europa Schumans und Monnets zu binden, auf die Seite de Gaulles, wohl wissend, daß er damit nicht nur wichtige deutsche Interessen - in der Landwirtschaft - hintanstellte, sondern auch - in der Frage des englischen Beitritts und der Assoziation zwischen EWG und FTA - einen Konflikt in Kabinett und Partei, allen voran mit Wirtschaftsminister Erhard, riskierte. 49 Zum Teil, um den Accord mit de Gaulle nicht zu gefährden, zum Teil jedoch auch auf Grund seiner aktuellen Einschätzung legte der deutsche Bundeskanzler in Colombey eine in ihrer Offenheit erstaunlich kritische Einstellung hinsichtlich der Politik der USA und des Zustands der Nordatlantischen Allianz an den Tag. Die Situation der NATO, insbesondere der Mangel an Konsultation, befriedige ihn keineswegs, und er sehe auch mit Sorge, wie die USA die NATO in den letzten Jahren vernachlässigt hätten. 50 Generelle Kritik an der amerikanischen Außenpolitik, die der Kanzler in seinen Memoiren verschweigt, gesellte sich hinzu, und es steht außer Frage, daß er damit bei de Gaulle offene Türen einrannte. Während freilich Adenauer, trotz aller Kritik, das enge Bündnis mit den USA und den Erhalt der NATO aus verständlichen Gründen nicht in Frage stellte, war de Gaulle durchaus bereit, an den Grundfesten der Nordatlantischen Allianz zu rütteln. 51 In jedem Falle aber trug auch die beiderseitige Kritik an Washington und an der NATO zur breiten Übereinstimmung des Deutschen und des Franzosen bei, welche schließlich in einem im wesentlichen von de Gaulle verfaßten Kommuniqué Ausdruck fand, dessen Kernsatz lautete: „Wir sind der Überzeugung, daß die enge Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik 48
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50 51
Vgl. Poidevin, Raymond, De Gaulle et l'Europe en 1958, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S.79-88, hier S.85. Vgl. hierzu neben Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 439-467, und Maillard, Pierre, D e Gaulle und Deutschland, S. 181-211, auch Poidevin, Raymond, D e Gaulle et l'Europe en 1958. Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.427. Vgl. Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.200-202.
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Deutschland und der Französischen Republik die Grundlage jedes konstruktiven Aufbaus in Europa ist. Sie trägt zugleich zur Stärkung des Atlantischen Bündnisses bei und ist unentbehrlich." 52 Positiv beeindruckt und zuversichtlich kehrte der Bundeskanzler nach Bonn zurück. Ein solches Maß an Übereinstimmung hatte er sich nicht erhofft. Daß de Gaulle freilich nicht mit völlig offenen Karten spielte, daß er, bei allem Konsens, die Bundesrepublik auch für seine Ziele zu instrumentalisieren suchte und ihr keineswegs den Rang einer Frankreich ebenbürtigen Macht zuzuerkennen bereit war, bewies sein Memorandum vom 17. September 1958, in welchem er den USA und Großbritannien vorschlug, innerhalb der NATO ein französisch-britisch-amerikanisches Dreierdirektorium zu etablieren: „Es erscheint ihm (Frankreich; ec) notwendig, auf weltweiter politischer und strategischer Ebene eine Organisation einzurichten, die die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich umfaßt. Dieser Organisation oblägen einerseits die gemeinsamen Entscheidungen in den die Sicherheit der Welt berührenden Fragen, und andererseits die Aufstellung und gegebenenfalls Durchführung der Pläne für das strategische Vorgehen insbesondere beim Einsatz von Kernwaffen." Sollten die französischen Ideen nicht auf Zustimmung stoßen, so hieß es weiter, werde Paris die weitere Beteiligung an der NATO einer Überprüfung unterziehen müssen. 53 Nicht nur der Inhalt des Schreibens mußte Bonn vor den Kopf stoßen, sondern auch die Tatsache, daß de Gaulle ganz offensichtlich bereits zum Zeitpunkt des Treffens von Colombey die feste Absicht hatte, das Memorandum abzusenden, den Bundeskanzler jedoch mit keiner Silbe darüber informierte. Es scheint, daß NATO-Generalsekretär PaulHenri Spaak, der eine Kopie des Papiers erhalten hatte, dem Konzept de Gaulles aber eher skeptisch gegenüberstand, Herbert Blankenborn in Kenntnis gesetzt hatte, der wiederum am 8. Oktober 1958 Adenauer alarmierte. 54 Nahezu zeitgleich, unter Umständen sogar früher, müssen allerdings auch, möglicherweise auf Ersuchen Blankenborns, Couve de Murville und der Generalsekretär des Quai d'Orsay Joxe den deutschen Botschafter in Paris unterrichtet haben, ohne ihm indes eine Kopie des Textes zu überlassen. 55 Der Versuch 52 53
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Zit. nach: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.435. Memorandum der französischen Regierung vom 17.9.1958 an die britische und amerikanische Regierung, zit. nach: Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.386. Zur Entstehung des französischen Memorandums vgl. auch Vaïsse, Maurice, Aux origines du mémorandum de septembre 1958, in: Relations internationales 58 (1989), S.253-258. S. hierzu: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.457f. Dies geht aus dem Entwurf eines „Protestschreibens" Adenauers an de Gaulle mit der handschriftlichen Datierung 10.10. hervor. Im Text dieses Schreibens wird auf die Unterrichtung Blankenborns durch Couve und Joxe „vor wenigen Tagen" Bezug genommen. Vgl. AA, Ministerbüro 204, Beziehungen der BRD zu Frankreich, Belgien, Italien, Niederlande, Luxemburg, Bd. 56: Entwurf eines Schreibens des Bundeskanzlers an den französischen Ministerpräsidenten, handschriftliche Datierung: 10.10. Ausgeschlossen werden kann damit in jedem Falle die Vermutung Jacques Bariétys, Mac-
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
Adenauers, vom britischen Premierminister Macmillan, der am 8. und 9. Oktober 1958 in Bonn weilte, eine Kopie des Schreibens zu erhalten, scheiterte. Während die Briten offensichtlich durchaus geneigt waren, den Ideen de Gaulles näher zu treten und dies auch in Washington deutlich zu verstehen gaben, 56 zeigte sich die amerikanische Führung von Anfang an zurückhaltend. In klarer Erkenntnis der Intentionen de Gaulles, aber auch der politischen wie psychologischen Auswirkungen eines solchen Dreierdirektoriums auf die Bundesrepublik, stimmte Washington zwar informellen Gesprächen zu, lehnte aber die Errichtung darüber hinausgehender formalisierter trilateraler Konsultationsund Koordinationsstrukturen ab. Die Bundesrepublik und Italien, welches de Gaulles Vorschlag gleichfalls nicht gutheißen konnte, wurden ohne Verzug über die amerikanische Position informiert. 57 Präsident und Außenminister scheinen von Anfang an Gegner des Vorschlags de Gaulles gewesen zu sein, und Eisenhower teilte dies dem General am 20. Oktober 1958 in einer direkten Antwort auf dessen Schreiben vom 17. September auch schriftlich mit. 58 Auf der anderen Seite freilich, angesichts des notorischen Anti-Amerikanismus des Generals und angesichts des amerikanischen Interesses an fortdauernder französischer Beteiligung an der europäischen Integration, verbot sich jedoch eine brüske Abweisung der französischen Initiative. Washington stand, erstmals seit der Regierungsübernahme de Gaulles, vor einem europapolitischen Dilemma: Es konnte auf eine französische Forderung oder Initiative nicht eingehen, ohne Keile in die europäische und transatlantische Gemeinschaft insbesondere mit der Bundesrepublik zu treiben. Es konnte aber auf der anderen Seite das französische Vorgehen auch nicht ignorieren oder gar komplett zurückweisen, eben weil ein solchermaßen brüskiertes Frankreich möglicherweise der den USA so wichtigen europäischen Integration seine Unterstützung und Beteiligung verweigert hätte: „We cannot, ( . . . ) react completely negatively to de Gaulle. To do so would alienate a man with whom we will have
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millan habe während seines Bonn-Besuchs am 8./9.10.1958 Adenauer von dem Direktoriumsvorschlag informiert, um das Vertrauensverhältnis zwischen Adenauer und de Gaulle zu stören. Vgl. Bariety, Jacques, Die Rolle der persönlichen Beziehungen zwischen Bundeskanzler Adenauer und General de Gaulle, S.23. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.459f. Vgl. DDEL, White House Oftice, Office of the Staff Secretary, International Series, Box 5, Folder France I (1): Memorandum for the President, 15.10.1958. Schon das in Anmerkung 57 zitierte Memorandum Dulles' trägt den Vermerk des Präsidenten: „Foster - I agree we should not do this 3 power business unless we have to." (Hervorhebung im Text). In Eisenhowers Schreiben vom 20.10.1958 hieß es dann: „We cannot afford to adopt any system which would give to our other allies, or other free world countries, the impression that basic decisions affecting their own vital interests are being made without their participation. As regards NATO itself, I must in all frankness say that I see very serious problems, both within and outside NATO, in any effort to amend the North Atlantic Treaty so as to extend its coverage beyond the areas presently covered." Siehe: DDEL, Ann Whitman File, International Series, Box 12, Folder De Gaulle, June 1958 October 1958 (3): Brief Eisenhowers an de Gaulle, 20.10.1958.
2. Beginn einer Entente
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to deal for some time to come. We have proposed, therefore, after close consultation with the U.K., to answer his letter in such a way as expose our misgivings but accept his suggestion for an informal meeting on the Ambassadorial level here in Washington so that we may further explore what he has in mind. ( . . . ) We will need to be most cautious. There are many things at stake including the development of European economic institutions in which wholehearted French cooperation is essential." 59 Nachdem die USA de Gaulle trotzdem mehr oder weniger deutlich zu verstehen gegeben hatten, daß sie sein Konzept allenfalls informell unterstützen würden, mußte dem General daran gelegen sein, den bei Adenauer angerichteten Schaden möglichst rasch zu bereinigen. Mit einer Reihe von Maßnahmen, unter anderem einem Brief an den Kanzler und Besuchen von Joxe und Botschafter Seydoux bei Adenauer, gelang ihm dies auch. 60 Das November-Treffen von Kanzler und Ministerpräsident in Bad Kreuznach, in betont herzlicher Atmosphäre, stellte den deutsch-französischen Gleichklang wieder her. Dennoch zeigten die Ereignisse des Herbstes 1958 klar, daß die „Restauration französischer Macht, verbunden mit der Renaissance des nationalstaatlichen Denkens in Frankreich ( . . ) die Bedingungen der deutschen BUndnispolitik zwischen Paris, London und Washington von Grund auf (veränderte). ( . . . ) Zum erstenmal seit 1948 stand der Kanzler wirklich zwischen zwei Kraftpolen, denn nun strahlten beide Anziehungskraft und Wirkung aus." 61 Am 27. November, einen Tag nach Bad Kreuznach, ging das Berlin-Ultimatum Chruschtschows in den westlichen Hauptstädten ein. Die deutsch-französische Allianz stand vor ihrer ersten Bewährungsprobe.
1.2.3.
Deutsch-französisches Quid pro Berlin und die Freihandelszone
quo:
Die französische Berlin-Politik insgesamt ist nicht Gegenstand der Untersuchung. Im folgenden soll lediglich die Verbindung aufgezeigt werden zwischen der Politik de Gaulies während der Krise um Berlin, der Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses und der Intensivierung der deutschfranzösischen Beziehungen. Im Unterschied zur britischen, aber auch zur amerikanischen Haltung, die im November auf Grund des Hin und Her im Zusammenhang mit der „Agenten-Theorie" eher nervös und unsicher erschien, war es der französischen Führung schon in den Tagen zwischen Chruschtschows Moskauer Brandrede vom 10. November und der sowjetischen Note vom 59
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61
N A , Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 2: Department of State, Elbrick (European Desk) an Secretary, 16.10.1958. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.462. Zum Besuch von Louis Joxe in Bonn s. NA, 651.62A/10-3158: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 31.10.1958. Rühl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis, S.61.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
27. November 1958 darum zu tun, auch nur den geringsten Anschein von Nervosität zu vermeiden. Kategorisch lehnte Außenminister Couve de Murville aus diesem Grunde eine gemeinsame Note der drei Westmächte an die Bundesregierung zur Bestätigung der westlichen Geschlossenheit in der BerlinFrage ab. 62 Auch die ersten französischen Reaktionen unmittelbar nach Eingang der ultimativen Note, beispielsweise ein erster Entwurf einer Antwort darauf, 63 aber auch öffentliche Stellungnahmen, ließen eine harte Position erkennen, die dem sowjetischen Druck keinesfalls nachzugeben bereit war. In der wegen des offensichtlichen amerikanischen Schwankens verunsicherten Bonner Regierung sah man in Frankreich nun den einzig zuverlässigen Verbündeten. Doch mit der gleichen Härte, mit der Paris die sowjetischen Forderungen zurückwies, betonte es die exklusive Verantwortlichkeit der drei Westmächte bzw. der vier Siegermächte für die Berlin-Frage. In Konsultations- und Entscheidungsprozesse könne die Bundesrepublik erst an zweiter Stelle einbezogen werden, so wichtig die Abstimmung mit Bonn auch sei. So stimmte Paris zwar einem Außenministertreffen unter Einschluß Brentanos zur Koordination der westlichen Berlinpolitik vor dem NATO-Ratstreffen in Paris im Dezember 1958 zu, machte dessen Zustandekommen aber davon abhängig, daß vor dem Vierertreffen ein Treffen der Drei stattfinde. 64 In gleicher Weise plädierte Paris entschieden dafür, daß die gemeinsame westliche Antwort auf die sowjetische Note in einer der westlichen Hauptstädte, auf keinen Fall jedoch in Bonn ausgearbeitet werden solle: „The reasons are that Bonn is under the pressure of a very nervous public opinion and that one of the tripartite capitals is necessary to demonstrate to the Russians that we will operate on the assumption of quadripartite, i.e. US, UK, France and USSR, responsiblity for Germany." 65 Auch im Frühjahr 1959, als es um die Vorbereitung der GenferAußenministerkonferenz und die Konferenz selbst ging, bestand Frankreich konsequent auf dieser „Three-Powers-First-Haltung"66, der sich auch Washing62
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Vgl. NA, 762.00/11-2458: Memorandum of Conversation Alphand, Merchant et alii, 24.11.1958. Vgl. N A , 762.00/11-2758: Proposed Reply to the Soviet Note of November 27, 1958 (englische Übersetzung), undatiert. Vgl. N A , 762.00/11-2958: Kohler an Merchant, re: telephone call Ambassador Alphand, 29.11.1958. N A , 762.00/12-658: Memorandum of Conversation Manet, Kohler, 6.12.1958. Vgl. N A , 762.00/2-659: Dulles (Paris) an Acting Secretary of State (Section 2 of 2), 7.2.1959. Zur Teilnahme deutscher Berater an der Genfer Konferenz s. auch: N A , 762A.00/2-1659: Foy Kohler (EUR) an Livingston Merchant (EUR), subject: Four Power Working Group Meetings. Dort heißt es: „The major problem in connection with drafting replies to the Soviet note was the French position on the role to be played by the Germans, i.e., French reluctance to accept the position, favored by the Federal Republic, that German advisors should attend the proposed conference." In gleicher Weise verwahrte sich Paris auch gegen eine Beteiligung Willy Brandts in seiner Eigenschaft als Berliner Regierender Bürgermeister an der Dezembertagung der Außenminister. Wenn Brandt teilnehme, dann als Mitglied der deutschen Delegation, nicht als
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ton nicht zu widersetzen in der Lage sah. Weit über das Pariser Außenministertreffen des Dezember 1958 und das Folgetreffen in New York im März 1959 hinaus sollte de Gaulle diese Politik westlicher Gipfelbegegnungen oder Außenministertreffen unter Fernhaltung oder zumindest partiellem Ausschluß der Bundesrepublik konsequent fortsetzen. Dies mag auf der einen Seite auch im Interesse der Bundesregierung gewesen sein, die ja, wenn auch aus ganz anderen Motiven, ebenfalls stets die Zuständigkeit der Vier Mächte für Berlin und Deutschland als Ganzes betonte. Doch auf der anderen Seite traf es gerade den statusbewußten und in diesen Fragen höchst sensiblen Adenauer, wenn ihm wieder und wieder vor Augen geführt wurde, daß der Bundesrepublik selbst zehn Jahre nach ihrer Gründung noch immer der Eintritt in die höchsten Zirkel des Westens versagt blieb. Diese Tatsache revitalisierte des Kanzlers Ängste stets aufs Neue, die Alliierten könnten über seinen Kopf hinweg und gegen die deutschen Interessen Entscheidungen treffen. Umgekehrt schuf die BerlinKrise für de Gaulle eine politische Situation, in der Frankreich, wenn auch in anderer Form und mit klar umrissener Zuständigkeit, das von den USA abgelehnte Konzept des Dreierdirektoriums gleichsam durch die Hintertür realisieren konnte. Die Krise um Berlin wurde somit von de Gaulle klar als Mittel zur Rangerhöhung Frankreichs und zur Zurücksetzung der Bundesrepublik erkannt und genutzt. Dennoch baute Adenauer in den schwierigen Anfangsmonaten der Ultimatumskrise insbesondere auf die französische Politik und die Festigkeit der Position de Gaulles. Der Bundeskanzler erkannte - wohl eher instinktiv als langfristig berechnend - , daß Frankreich trotz aller Status- und Rangargumente aus einem anderen Grund Bonns verläßlichste Stütze in der Berlin-Frage sein würde: Wollte nämlich de Gaulle die in Colombey und Bad Kreuznach geschaffene deutschfranzösische Übereinstimmung nicht nur festigen, sondern ausbauen zu einer deutsch-französischen Entente, die das Europa der Sechs dominieren konnte, dann mußte er diesen Willen in seiner Berlin-Politik manifestieren. 67 Bereits in Bad Kreuznach hatte der General Adenauer zu verstehen gegeben: „Nous acceptons de nous concerter en matière de politique française et allemande ( . . . ) et d'adopter une position commune en vue d'agir ( . . . ) Nous sommes avec vous, sans réserve ( . . . ) Gardons la tête froide et attendons de voir ce qui va se passer ( . . . ) Je ne pense pas que les Russes veuillent pousser les choses jusqu'à
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Vertreter einer „fünften Macht", was den Eindruck erwecke, er wolle Druck auf die Westmächte ausüben. Wenn er mit diesen verhandeln wolle, sei Berlin der geeignete Ort dafür. Vgl. N A , 762.00/12-1058: Memorandum of Conversation, Olivier Manet (französische Botschaft Washington), Foy Kohler (EUR), James McFarland (GER), subject: Berlin, 10.12.1958. Insofern ist der These Waldemar Bessons, daß Adenauer Opfer der souveränen Taktik de Gaulles geworden sei, welcher die Sorgen der Bundesrepublik im Blick auf die Angelsachsen für seine Zwecke ausgebeutet habe, nicht in dieser Absolutheit zuzustimmen. Vgl. Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.225.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
l'épreuve de force ( . . . ) d'ailleurs ils ne sont pas assez forts."68 Es kann kaum verwundern, daß Paris sich von seiner festen Haltung in Sachen Berlin nicht nur eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen generell versprach, sondern auch konkrete Bonner Gegenleistungen erwartete. Und wo sollten diese Ende 1958 liegen, wenn nicht im Bereich der europäischen Integration und insbesondere der Schaffung der von London angestrebten Freihandelszone. 69 Zwar hatte de Gaulle die französische Ablehnung der Freihandelszone Adenauer schon in Colombey zu verstehen gegeben, doch damals zeigte der Kanzler, der sehr wohl um die innenpolitischen Auswirkungen einer solchen Entscheidung wußte, dem Franzosen allenfalls stillschweigend sein Einvernehmen. 70 Paris machte seine Position nun sehr klar: „Nous accepterons le traité de Rome mais pas la zone de libre échange." 71 In dieser Situation erwies sich für London der nachgiebige, kompromiß- und verhandlungsorientierte britische Kurs in der Berlin- und Deutschlandpolitik als kontraproduktiv. Kern der berlin- und deutschlandpolitischen Linie der Regierung Macmillan war insbesondere die Bereitschaft zur Anerkennung der D D R wie auch die Befürwortung von Disengagement-Konzepten.72 „En adoptant cette manière de voir", so Bernard Ledwidge zu Recht, „les Britanniques apportaient de l'eau au moulin de de Gaulle. Ils laissaient au Général le champ libre pour jouer le rôle de défenseur de l'Allemagne parmi les alliés Occidentaux, attribuant à Macmillan, du moins aux yeux d'Adenauer, le mauvais rôle." 73 Am 14.Dezember 1958 68
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Zit. nach: Ledwidge, Bernard, La crise de Berlin 1958-1961: Stratégie et tactique du général de Gaulle, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 4, S. 366-281, hier S. 369. Es sei am Rande bemerkt, daß Adenauer auffälligerweise seit dem November 1958 begann, sich insbesondere gegenüber amerikanischen Gesprächspartnern für die französische Algerienpolitik auszusprechen. Dem muß freilich kein konkretes Übereinkommen mit de Gaulle vorausgegangen sein, sondern eher die Erkenntnis des Kanzlers, sich auch dadurch der französischen Unterstützung in der Berlin- und Deutschlandfrage versichern zu können. Darüber hinaus muß es ihm vor dem Hintergrund des sowjetischen Drucks auch darum zu tun gewesen sein, einen Dissens zwischen den beiden ihm am wichtigsten Westmächten, wie er sich in der Algerienfrage abzeichnete, nach Möglichkeit zu verhindern. Vgl. hierzu NA, 033.5111/12-2058: Memorandum of Conversation, Michel Debré, Robert H. McBride (WE), 20.12.1958; DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, Subject Series, State Department Subseries, Box 3, Folder State Department - 1959 (May-September) (5): Memorandum of Conversation with the President, Eisenhower, Herter, Murphy, Merchant, White, Goodpaster, Major Eisenhower, 24.8.1959. S. insbesondere auch: Protokolle der Unterredungen Adenauer - Eisenhower am 27./ 28.8.1959, z.B.: D D E L , Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit, August 27-28, 1959: Memorandum of Conversation, Eisenhower, Hillenbrand, Adenauer, Weber, Bonn, 27.8.1959. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S. 434. Zit. nach: Ledwidge Bernard, La crise de Berlin, S.369. Vgl. ebd., S. 370, ein britisches Positionspapier schon vom 17.11.1958, das die kompromißbereite Haltung klar erkennen läßt. Ebd., S.371.
2. Beginn einer E n t e n t e
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einigten sich die Außenminister der drei Westmächte und der Bundesrepublik in Paris auf eine harte Haltung in der Berlin-Frage. Die britischen Vorstellungen, die nicht von vornherein auf amerikanische Ablehnung gestoßen waren, konnten sich nicht durchsetzen. D e Gaulle vergrößerte das Ausmaß der diplomatischen Niederlage Londons noch weiter, als Paris öffentlich erklärte, sich aus den Verhandlungen über eine europäische Freihandelszone ganz zurückzuziehen. 74 Bonn schloß sich an. Macmillan fühlte sich von Adenauer hintergangen: „It is really clear that the Germans have sold out to the French on every count. ( . . . ) the Germans and French have made an alliance against the British."75 Die Beziehungen zwischen dem britischen Premierminister und dem deutschen Bundeskanzler, ohnehin nie von besonderer Wärme gekennzeichnet, erreichten einen neuen Tiefstand. Neben dem Berlin-Argument ist allerdings auch die von Hans-Peter Schwarz vertretene These nicht von der Hand zu weisen, daß Adenauer den Konflikt zwischen London und Paris in der F T A Frage akzeptierte aus dem Interesse heraus, damit die Formation des von de Gaulle im September ventilierten Dreierdirektoriums aus U S A , Frankreich und Großbritannien zumindest zu erschweren. Dem gleichen Ziel habe auch das Bonner Bemühen gegolten, das bilaterale deutsch-französische Verhältnis so eng als möglich zu gestalten.76 Mitte Dezember 1958 jedoch hatte zunächst de Gaulle einen politischen Punktsieg errungen: nicht nur im Konflikt um die Freihandelszone und den Platz Großbritanniens in Europa, sondern auch in dem Bemühen, die in diesen Fragen der europäischen Wirtschaftspolitik durchaus nicht einige Bundesregierung auf seine Seite zu ziehen. Dabei hatte der General auf Adenauer zum Teil sogar massiven Druck ausgeübt, um die Position des die Freihandelszone und eine Anbindung Großbritanniens an die E W G befürwortenden Ludwig Erhard zu schwächen. Zwei Tage vor dem Kreuznacher Treffen hatte de Gaulle Herbert Blankenhorn, Adenauers Vertrautem und deutschem Botschafter an der Seine, deutlich zu verstehen gegeben, daß er nicht hoffe, „daß Herr Erhard zusätzliche neue Forderungen und Wünsche habe, denn es könnte sonst sein, daß Frankreich sich am Gemeinsamen Markt überhaupt desinteressiere." 77 Zwischen Adenauer und seinem Wirtschaftsminister hatte es bereits im Vorfeld der deutsch-französischen Gipfelbegegnung Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Europapolitik gegeben, nachdem Erhard wiederholt und dezidiert das französische Klein-Europa-Konzept als protektionistisch und den In-
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Vgl. ebd., S.373. Macmillan, Harold, Riding the Storm, S.573f. (Brief Macmillans an Außenminister Selwyn Lloyd, 28.11.1958). D e Gaulle hatte London den Unwillen der französischen Regierung, sich an den FTA-Verhandlungen weiter zu beteiligen, bereits Mitte N o v e m b e r 1958 zu verstehen gegeben. So erklärt sich die Datierung des Briefes an Lloyd.
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V g l . Schwarz, Hans-Peter, D i e Ä r a Adenauer 1957-1963, S.102f. So ein Tagebucheintrag Blankenhoms am 24.11.1958, zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. D e r Staatsmann, S.466.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
teressen der Handelsnation Bundesrepublik abträglich scharf kritisiert hatte. Der Bundeskanzler untersagte seinem Stellvertreter daraufhin schriftlich die Teilnahme an der OEEC-Ministerratstagung in Paris, 78 die dem Wirtschaftsminister als Plattform zur Vertretung seiner Ideen gedient hätte, was dem Kanzler angesichts seines Interesses an einem engen deutsch-französischen Schulterschluß und vor dem Hintergrund der heraufziehenden Berlin-Krise alles andere als recht sein konnte. Erhard wollte sich schriftlich gegen das Reiseverbot des Kanzlers wehren und ihm seine Position klar aufzeigen. Ein bereits geschriebener Brief des Ministers ging nicht ab. Interessant ist jedoch, daß Ludwig Erhard in diesem Schreiben vom 21. November 1958 nicht nur eng ökonomisch argumentierte, sondern darüber hinaus die generelle Frage erhob, „ob und wie lange sich Europa gefallen lassen wird, sich einem französischen Diktat zu unterwerfen, und ob wir gut daran tun, uns in den Fragen der europäischen Wirtschaftspolitik mit Frankreich solidarisch zu erklären." 79 Die grundsätzlichen Auffassungsunterschiede zwischen Adenauer und seinem Wirtschaftsminister, welche die Endphase der Ära Adenauer und die Regierungszeit des Kanzlers Erhard beherrschen und belasten sollten, zeichneten sich 1958 deutlich ab. 80 Die Austragung dieses Konflikts wurde allerdings vorerst sistiert durch die Krise um Berlin, welche die Energien der Bundesregierung fast völlig absorbierte, ohne daß sich indes die divergierenden Meinungen einander annäherten. Ganz im Gegenteil sollten sich, worauf noch einzugehen sein wird, in den Fragen der Berlin- und Deutschlandpolitik und dann vor allem im Kontext der Präsidentschaftskrise des Jahres 1959 die Risse zwischen den sich um Erhard und Adenauer scharenden Flügeln der Union vertiefen, die Fronten verhärten. Doch für die Bundesrepublik und speziell den Bundeskanzler zahlte sich das breite Einvernehmen mit Paris zunächst in der Berlin-Frage aus, in der Frankreich auch in den ersten Monaten des Jahres 1959 eine beispiellose Härte an den Tag legte. Diese entsprang freilich nicht ausschließlich politisch-taktischen Winkelzügen oder französischem Statusdenken, sondern hatte eine ihrer Wurzeln auch in den für de Gaulle und seine engere Umgebung so wichtigen und so prägenden historischen Erfahrungen Frankreichs. Couve de Murville erinnerte im Februar 1959 Dulles an das Jahr 1936, als Hitler das demilitarisierte Rheinland besetzte, ohne daß Frankreich Maßnahmen dagegen ergriffen hätte. Der Schluß für die gegenwärtige Situation sei eindeutig: „He feit that we should be prepared to react quickly with military force to any Soviet or GDR interference
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Vgl. hierzu ebd. S.465f. Nicht abgegangenes Schreiben Erhards an Adenauer, 21.11.1958, zit. nach: ebd., S.466. Vor diesem Hintergrund erscheint die Feststellung Poidevins eher fragwürdig, wonach Adenauer Mitte Dezember 1958 ausgerechnet Erhard nach Paris schickte, damit er sich in der Frage der Freihandelszone für einen Kompromiß zwischen Großbritannien und Frankreich verwende. Vgl. Poidevin, Raymond, D e Gaulle et i'Europe, S.87.
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with our access to and from Berlin." 81 Zu solcher französischen Entschlossenheit bemerkte der US-Außenminister in einem Telegramm an seinen Präsidenten nicht zu Unrecht: „Perhaps their zeal is due to the fact that it is we rather than they who would have to make most of the military effort as, I understand, they have very little military potential left in Germany." 82 Schon drei Tage zuvor, vor seinem Zusammentreffen mit der französischen Führung, hatte sich Dulles halb spöttelnd, halb ernsthaft über die Pariser Position geäußert: „Tomorrow I shall be meeting with the Great General and probably encounter plenty of decisiveness, although perhaps not precisely the kind we would like." 83 Nach Einschätzung der amerikanischen Botschaft in Paris erklärten über die bereits erwähnten hinaus noch eine Reihe weiterer Motive die „tough line" der Franzosen in der Deutschlandfrage: Neben einer grundsätzlich pessimistischen Beurteilung der Krisensituation betonte die Analyse der Botschaft die Sorge der Franzosen vor einem Rückzug der US-Truppen aus Europa, Skepsis hinsichtlich potentieller westlicher Gewinne durch eine Anerkennung der DDR, einen relativ geringen Druck der öffentlichen Meinung und der zersplitterten Opposition, doch zuvorderst wohl Zweifel an der Wünschbarkeit der deutschen Wiedervereinigung. 84 Trotz der guten deutsch-französischen Beziehungen hielt man in Paris weder auf der Beamten- noch auf der politischen Ebene die deutsche Wiedervereinigung für eine im langfristigen französischen Interesse liegende Entwicklung. „For them (die Franzosen; ec) the status quo is reasonably satisfactory and the prospect of changing it arouses no great enthusiasm."85 Die Botschaft verwies ausdrücklich darauf, daß dies auch die Haltung de Gaulles sei, der sich so schon am 6. Februar gegenüber Dulles geäußert habe: Er sei schon 1947 kein Befürworter der deutschen Wiedervereinigung gewesen, und dies sei noch heute der Fall.86 Nun muß man freilich keinen Widerspruch sehen zwischen der Bemerkung des Präsidenten über die Wiedervereinigung als das „normale Schicksal des deutschen Volkes" und seinen Dul81
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DDEL, Dulles Papers, General Coorespondence and Memoranda Series, Box 1, Folder: Memos of Conversation - General - A through D (4): Memorandum of Conversation with Couve de Murville, Paris, 7.2.1959. DDEL, Ann Whitman File, Dulles-Herter-Series, Box 8, Dulles, J.F., February 1959: Dulles (Bonn) an Eisenhower, 8.2.1959. De Gaulle hatte freilich, beispielsweise im März 1959 beim deutsch-französischen Gipfel in Marly auch gegenüber Adenauer, kein Hehl daraus gemacht, daß in der Berlin-Frage letztlich die Amerikaner zählten. Vgl. NA. 651.62A/3-559: Lyon (US-Botschaft Paris) an Secretary of State, re: Gespräch Adenauer - de Gaulle. Dem Bericht des amerikanischen Diplomaten lag eine vertrauliche Information durch den deutschen Chargé (¡'Affairs in Paris, Jansen, zugrunde. NA, 762.00/2-559: Dulles (Paris) an Eisenhower, 5.2.1959. Vgl. NA, 762.00/2-1859: Foreign Service Despatch, US-Botschaft Paris an Department of State, subject: Motivations for French Position on Negotiations with Soviets concerning German Reunification and European Security, 18.2.1959. Ebd. (Hervorhebung im Original). Ebd.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
les gegenüber geäußerten Vorbehalten. In der langfristigen Europa-Konzeption de Gaulles, in der Überwindung des Ost-West-Konflikts war auch Raum für die Wiedervereinigung; kurz- und mittelfristiges politisches Ziel konnte sie für Frankreich jedoch nicht sein. In der konkreten Krisensituation, am westlichen wie ost-westlichen Verhandlungstisch, allerdings war von der französischen Zweideutigkeit wenig zu spüren. Wenn Paris nun aber in den ersten Monaten 1959 davon ausging, daß Bonn in der Berlin- und Deutschlandfrage allgemein und hinsichtlich der Vorbereitung der Genfer Außenministerkonferenz im besonderen stets die gleiche Härte und Unnachgiebigkeit an den Tag legen würde wie die französische Seite, so mußte das Verhalten der deutschen Delegation in der Four Power Working Group zur Berlin- und Deutschlandfrage, die erstmals in zehn Sitzungen vom 4. bis zum 13.Februar 1959 in Washington zusammentrat, Irritationen hervorrufen. Zur gleichen Zeit, als in Bonn auf Verlangen Adenauers der Globke-Plan entstand, tagte in der amerikanischen Hauptstadt diese ViererArbeitsgruppe, welcher der amerikanische Unterstaatssekretär Douglas Dillon sowie die Washingtoner Botschafter der Bundesrepublik, Frankreichs und Großbritanniens angehörten. 87 Während Deutsche und Franzosen in den meisten Fragen übereinstimmten und die gewohnte Festigkeit an den Tag legten, 88 hatte sich die deutsche Position in bezug auf die Reihenfolge von Schritten bis zur Wiedervereinigung wie auch die Frage der Anerkennung der DDR offenbar geändert. Dabei kann allerdings auf Grund des Charakters des GlobkePlans als eines Auswegs für den äußersten deutschlandpolitischen Notfall ausgeschlossen werden, daß Weisungen des Bundeskanzlers, möglicherweise auf den Überlegungen Globkes basierend, das deutsche Verhalten in Washington determinierten. Viel eher schien hier eine kompromißbereitere Haltung Brentanos und des Außenamtes Konturen zu gewinnen, von der der überraschte Adenauer erst im März erfuhr, um sofort die deutsche Delegation, einschließlich des Ministers, zurückzupfeifen. 89 Im Februar jedenfalls hatte es in Washington den Anschein, als sei die Bundesrepublik bereit, direkten innerdeutschen Kontakten zuzustimmen wie auch von der absoluten Priorität der freien Wahlen als erstem Schritt zur Wiedervereinigung abzurücken. 90 Die französischen Vertreter in der Arbeitsgruppe waren ob dieser deutschen Kehrtwendung höchst besorgt und klammerten sich lediglich, und wie sich zeigen sollte mit Recht, an die Hoffnung, daß dies nicht die Position der Bonner Regierung 87 88
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S. hierzu: NHP-Zeitzeugenbefragung, „Berlin-Krise", Bonn, Januar 1989, v.a. S. 11-14. Vgl. N A , 762.00/2-1459: Department of State (Dillon) an US-Botschaften Bonn, London, Moskau, Paris und US-Vertretung Berlin, 14.2.1959 (amerikanische Zusammenfassung der ersten Sitzungsserie der Four Power Working Group). Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.498f. Vgl. auch ein, allerdings späteres, Schreiben des Bundeskanzlers an den Außenminister: A A , Ministerbüro, Wiedervereinigung, Bd. 117: Adenauer an Brentano, 16.5.1959. S. o. Anm. 88.
2. Beginn einer Entente
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sei. Jean Daridan, politischer Direktor des Quai d'Orsay, befürchtete eine entsetzte Reaktion de Gaulies, der ohnehin schon wegen Macmillans Reise nach Moskau, die der General als „nicht nötig und nicht hilfreich"91 bezeichnet hatte, verstimmt sei. Wenn der Präsident von dieser deutschen Haltung erfahre, so Botschafter Hervé Alphand, werde dies schädliche Auswirkungen auf die Entschlossenheit de Gaulles zeitigen, die engen Beziehungen mit Deutschland zu festigen.92 Die Sorgen der französischen Diplomaten schienen durchaus plausibel angesichts der Bedeutung, die der General der deutsch-französischen Übereinstimmung in der Berlin- und Deutschlandfrage auch als Mittel zur Stärkung der französischen Position gegenüber den beiden angelsächsischen Mächten beimaß. Wollte Bonn nun Paris im Regen stehen lassen? Für Adenauer konnte davon keine Rede sein - trotz Globke-Plan. Das deutsch-französische Treffen in Marly am 2. und 3. März 1959 ließ die Presse von einer „Achse Paris - Bonn" sprechen. Von Differenzen, etwa in bezug auf Berlin oder die deutsche Frage, konnte keine Rede sein.93 Statt dessen machten die beiden kontinentaleuropäischen Staaten demonstrativ Front gegen die weiche Haltung Großbritanniens, dessen Premier Macmillan just am Tage von Marly von seiner „Voyage of Discovery" aus der Sowjetunion zurückgekehrt war.94 Zwar hatte diese Reise keine greifbaren Resultate gebracht, sondern statt dessen eine Demütigung Macmillans. Die Gefahr eines Ausverkaufs westlicher Interessen schien für de Gaulle und Adenauer jedoch noch immer nicht gebannt. Für Paris und Bonn wie für den Westen insgesamt würde die Genfer Außenministerkonferenz, die mittlerweile im Einvernehmen mit der Sowjetunion auf den 11. Mai 1959 terminiert worden war, die Stunde der Wahrheit sein. Gerade für Bonn mußte sich in Genf zeigen, ob sich die deutsche Position im weltpolitischen Kräftemessen würde durchsetzen können, aber auch, welche der westlichen Mächte tatsächlich die deutschen Interessen - und welche deutschen Interessen - vertrat. Insbesondere in der Beantwortung letzterer Frage traten in der Bundesregierung und im Unionslager insgesamt durchaus Einschätzungsunterschiede zutage.
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N A , 762.00/2-859: Memorandum of Conversation, Hervé Alphand, Jean Daridan, Charles Lucet, Robert H. McBride (WE), subject: German Position in Four Power Working Group, 8.2.1959. Vgl. ebd. Auch in Washington war man der Ansicht, daß das Treffen von Marly für Adenauer ein großer Erfolg gewesen sei. Vgl: D D E L , D D E Diary, Box 40, Folder Briefings, March 1959: Synopsis of State and Intelligence material reported to the President, 9.3.1959. Zur „Voyage of Discovery" vgl. Macmillan, Harold, Riding the Storm, S. 557-656.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
1.3. Herausforderung de Gaulle: Die USA und Europa 1958/59 1.3.1. Die deutsch-französischen Beziehungen im Kontext der amerikanischen Europapolitik Die beiden vorangegangenen Kapitel haben sich schwerpunktmäßig mit dem bilateral deutsch-amerikanischen und dem deutsch-französischen Verhältnis beschäftigt. Sie bilden den Hintergrund, vor dem es nun wichtig ist, den Blick auf die amerikanische Europapolitik und die Politik Washingtons gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen in den Monaten nach de Gaulies Regierungsübemahme zu lenken. Welche Spannungen, wie in Ansätzen bereits deutlich geworden, die Berlin-Krise im westlichen Lager hervorrief, zeigte auch die Genfer Außenministerkonferenz 1959. Sie trug zusammen mit anderen Faktoren zur Vergrößerung des französisch-amerikanischen Gegensatzes bei. Der Wechsel im amerikanischen Außenministerium, die deutsch-amerikanische Vertrauenskrise des Winters 1958/59 sowie der sich intensivierende Prozeß der deutsch-französischen Annäherung lassen es angebracht erscheinen, über die konkrete Situation der Berlin-Krise hinaus die Aufmerksamkeit auf die Grundsätze der amerikanischen Politik gegenüber der europäischen Integration und den deutsch-französischen Beziehungen zu richten. Dabei muß in erster Linie danach gefragt werden, inwiefern die Regierungsübernahme de Gaulies, der Ost-West-Konflikt um Berlin, aber auch der Tod von John Foster Dulles die konzeptionelle amerikanische Europapolitik veränderten. Die enge Verbindung zwischen amerikanischer Europa- und Deutschlandpolitik 1 - Washingtons Deutschlandpolitik war immer auch Europapolitik und umgekehrt - , die seit dem Marshall-Plan bestand, blieb auch in der zweiten Amtszeit Eisenhowers erhalten. Außenminister Dulles ließ keinen Zweifel daran, daß ein wiedervereinigtes Deutschland, zu dem sich die USA gegenüber den Deutschen und auf der internationalen Bühne eindeutig bekannten, externer Kontrolle bedürfe, um eine Wiederholung von 1914 oder 1939 zu verhindern: „The United States [should not] accept a unified Germany except as part of an integrated Western European community. We simply could not contemplate reunifying Germany and then turning it loose to exercise its tremendous potentialities in Central Europe." 2 Unter anderen Auspizien sei selbst für die 1
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Eine fundierte Monographie zur amerikanischen Deutschlandpolitik zwischen 1955 und 1961 liegt leider bisher noch nicht vor. Verwiesen sei an dieser Stelle lediglich auf den Aufsatz von Schröder, Hans-Jürgen, Amerikanische Deutschlandpolitik im Kalten Krieg, die ältere, auf die Sicherheitspolitik beschränkte Studie von Pöttering, Hans-Gerd, Adenauers Sicherheitspolitik 1955-1963. Ein Beitrag zum deutsch-amerikanischen Verhältnis, Düsseldorf 1975 sowie Feiken, Detlef, Dulles und Deutschland. D D E L , Ann Whitman File, NSC Series, Box 9: 354th Meeting of NSC, 6.2.1958.
3. Herausforderung de Gaulle
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USA die deutsche Wiedervereinigung an sich kein erstrebenswertes politisches Ziel: „(• • •) We should get rid, once and for all, of the idea that the reunification of Germany is in and by itself an objective of U.S. policy." 3 Der enge Zusammenhang zwischen der amerikanischen Deutschlandpolitik und der Politik bezüglich der europäischen Integration war auch zentrale Aussage des außenpolitischen Grundsatzpapiers NSC (National Security Council) 5803 "U.S. Policy Toward Germany" vom 7. Februar 1958. Bereits einleitend hieß es dort: „Germany is of vital importance to the United States: ( . . . ) The future development and orientation of the Federal Republic will significantly affect the development of Europe as a whole. U.S. policy toward Germany cannot be separated from the larger issues of U.S. global policy or European policy: The development of a strong Western Europe will not be possible without German participation and cooperation in common European political, economic, and military institutions." 4 Die Untrennbarkeit von amerikanischer Europa- und Deutschlandpolitik diskredierte in amerikanischen Augen auch alle Modelle zur Neutralisierung Deutschlands, die gerade 1957/58 im Zuge der Disengagement-Debatte wieder lebhaft diskutiert wurden: „A neutralized Germany would have such different political interests from those of the NATO allies that it would not participate fully in the efforts to achieve greater Western European integration. Without such German participation, Western European integration is not likely to progress far enough to enable Western Europe to achieve the strength and prosperity which would best assure its independence over the long run." 5 Für Washington bedeutete die westeuropäische Integration unter Einschluß der Bundesrepublik immer dreierlei: Sie war ein Beitrag zur Stärkung des Westens angesichts der sowjetischen Bedrohung. Sie garantierte, zweitens, die feste Verankerung der Bundesrepublik im Westen: „West German participation in an effective Western Community constitutes the best guarantee that West German strength will be used constructively, rather than independently, for the achievement of narrow nationalistic aims." 6 Zum dritten jedoch erkannte Washington auch das politische Gewicht, das der westdeutsche Staat innerhalb der Europäischen Gemeinschaften ausspielen konnte, die entscheidende Rolle, die der Bundesrepublik bei der Entwicklung des künftigen Kurses der Gemeinschaften zukam: „To an increasing extent the Federal Republic has assumed a leading role in the movement for Western European integration, and is participating actively in the European Coal and Steel Community, the embryo European Economic (Common Market) Community, and the Atomic (EURATOM) Community. The West German attitude will be important in determining the future direction of these Communities, especially the rate at which the Six Members thereof move toward full economic union 3 4 5 6
Ebd. N A , RG 273: NSC 5803, U.S. Policy Toward Germany, 7.2.1958. Ebd. Ebd.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
and toward increased political unity. It will also be important in determining many related matters, such as the kind of commercial policy the Six Members adopt in their trading relations with the outside word, and the ultimate character of a broad free-trade area which has been proposed to associate the United Kingdom and other Western European countries with the Six."7 Grundlegendes Ziel („Basic Objective") der amerikanischen Deutschlandpolitik war auch 1958 noch, wie es 1952 der Artikel 7 des Deutschlandvertrages postuliert hatte, 8 ein wiedervereinigtes, doch dem Westen zugehöriges Deutschland: „Basic objectives: Restoration by peaceful means of Germany as a united state, firmly attached to the principles of the United Nations, with freedom of action in internal and external affairs, capable of resisting both Communism and neoNazism. Firm association with the West of the Federal Republic and ultimately of a united Germany through the North Atlantic community, preferably as a member of an integrated European community." 9 Aus diesem Ziel ergab sich der politische Imperativ: „Continue to promote effective actions by the Federal Republic to further European integration through such arrangements as the Coal and Steel Community, the Common Market, EURATOM, and ultimately the Free Trade Area." 10 Alle amerikanischen Analysen und Zieldefinitionen der Jahre 1957 und Anfang 1958 waren freilich von der Fortexistenz der IV. Französischen Republik als fester Größe der Europapolitik ausgegangen. Zwar waren die französischen Regierungen der Jahre 1944 bis 1958 notorisch instabil. Doch der Labilität der Regierungen und Koalitionen korrespondierte eine erstaunliche Kontinuität der hohen Pariser Ministerialbürokratie, welche insbesondere im außen- und sicherheitspolitischen Bezugsrahmen die Regierungswechsel zu Ereignissen von nur sekundärer politischer Bedeutung werden ließ. Als sich jedoch die französische Regierungskrise des Mai 1958 zur Staatskrise ausweitete und sich die Rückkehr de Gaulies an die Macht immer deutlicher abzeichnete, da standen für die Vereinigten Staaten zusammen mit den Konstanten ihrer Frankreichpolitik auch die Grundlinien ihrer Europapolitik in Frage. Denn so wie amerikanische Deutschland- und Europapolitik eng verknüpft waren, so war auch die Frankreichpolitik der USA seit 1944/47 integraler Bestandteil der Washingtoner Europapolitik gewesen. Dabei war de Gaulies europapolitische 7
Ebd. Der Text des Deutschlandvertrages ist abgedruckt in: Dokumente des geteilten Deutschland. Quellentexte zur Rechtslage des Deutschen Reiches, der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, hrsg. von Münch, Ingo von, Stuttgart 21976, S. 229-234, hier S.232. 9 NA, RG 273: NSC 5803, s.o., Anm. 4. 10 Ebd. Vgl. zum Ziel der Förderung der europäischen Integration auch ein Grundsatzpapier aus dem amerikanischen Verteidigungsministerium: DDEL, White House Office, OSANSA, NSC Series, Briefing Notes Subseries, Box 8, Folder U.S. Policy toward Europe, 1953-1959: Reassessment of U.S. Policy toward Europe, o . D . (April 1958). 8
3. Herausforderung de Gaulle
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Haltung zunächst eine weitgehend unbekannte Größe und dementsprechend Gegenstand politischer Mutmaßungen. Zwar gingen erste amerikanische Analysen - noch vor der offiziellen Regierungsübernahme des Generals - von einer möglicherweise nur kurzen Regierungszeit aus. Dennoch befürchtete beispielsweise das US-Außenministerium, daß der europäische Integrationsprozeß in dieser Zeit ins Stocken geraten könnte.' 1 Möglicherweise werde de Gaulle eher der britischen Idee einer politisch lockereren Freihandelszone Vorteile abgewinnen können als dem Konzept des auch auf politischen Zusammenschluß zielenden Gemeinsamen Marktes. 12 Nun war die westeuropäische Integration seit Jahren europapolitische Priorität der USA gewesen und entsprechend gefördert und unterstützt worden. Und eigentlich hätte gerade das Wiedererscheinen de Gaulies auf der politischen Bühne Frankreichs das diesbezügliche Engagement der USA erhöhen müssen. Indes, einer solchen Politik stand nun - und Washington war sich dessen bewußt - der Anti-Amerikanismus de Gaulies entgegen. Wollte man also auf dem Weg der europäischen Integration voranschreiten, so bedurfte es nun amerikanischer europapolitischer Zurückhaltung, um nicht Frankreich, Motor und Säule der Integration, aus anti-amerikanischem Affekt in anti-integrative Reaktionen zu treiben. Die Europäer selbst müßten de Gaulle von der Notwendigkeit überzeugen, den bisherigen Kurs fortzusetzen: „In fact, on many issues, even those of direct interest to us we may have to rely heavily on the Europeans, including the U.K., to try to exercise some salutary influence. ( . . . ) European Integration may have to be put into suspense during the period of de Gaulle's government. One way to save it might be to give to de Gaulle the initiative of launching a new concept of an association of European states. In this connection de Gaulle may tend to favor the Free Trade Area over the Common Market. He will probably oppose EURATOM. In any case, this is up to the Europeans; any activity on our part in support of European integration will only provoke a most adverse reaction in de Gaulle and thus prove counter-productive." 13 Sollte der politische Umbruch in Frankreich die erste Bewährungsprobe der europäischen Integration sein, so wie sie von den USA seit den späten vierziger Jahren - freilich vor allem mit Blick auf Deutschland und die Deutschen - konzipiert worden war? „The idea of organic unity through common institutions was designed to deal with the danger of nationalist challenge or an attempt to 'reverse alliances' in either Germany or France. The challenge comes sooner than we hoped, but it must now be met." 14 Im gleichen Memorandum hieß es an anderer Stelle: „The 11
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Vgl. NA, Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 1: Elbrick (European Desk) an Dulles, Policy Considerations toward a de Gaulle Government, 27.5.1958. Dort heißt es: „De Gaulle will not last forever and may decide to withdraw from the scene after a limited period of time." Vgl. ebd. Ebd. NA, Not 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 2:
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
solidarity of the Six may prove important. We should work as much as possible through France's five partners and through the institutions of the European Communities. This will probably prove more effective than any direct pressures on France, and will not present French nationalists with their largest and favorite target - the United States." 15 Vor diesem Hintergrund kam der Reise von Außenminister Dulles nach Paris vom 3. bis 6. Juli 1958 nicht nur für die bilateral französisch-amerikanischen Beziehungen, nicht nur für die Nordatlantische Allianz, sondern auch für die Politik der europäischen Integration entscheidende Bedeutung zu. Sollte de Gaulle Mißtrauen äußern gegenüber der amerikanischen Unterstützung der europäischen Integration, hieß es in einem vorbereitenden Memorandum für Dulles, so sei dem am besten mit dem Verweis auf zwei Ziele der amerikanischen Integrationspolitik zu begegnen: „ ( . . . ) our objectives are: (a) simply to help the countries of Western Europe build as much political and economic strength as possible within the Atlantic Community; and (b) to tie Germany firmly to the West. As you have indicated the German argument might be the most persuasive one to de Gaulle." 16 Das Memorandum führte aus: „Europe's desire to end age-old conflicts and to assure her place in a rapidly-changing world has struck a sympathetic chord in America. We have therefore supported European initiatives to this end. The Soviet peril is a powerful reason why the West must avoid divisions, but we in America see European unity as something desirable in its own right. The closest possible association of Germany with the West will we hope guarantee the end of the conflicts that have torn Western Europe (and the world) asunder three times in the past century." 17 Im Rahmen der europäischen Integration kam den deutsch-französischen
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Memorandum an Elbrick (European Desk), Implications of D e Gaulle's Come to Power for European Integration and United States Policy, 27.5.1958. Ebd. Vgl. auch N A , Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 1: French Situation, Brentano Talks, 5.6.1958. In diesem Memorandum zur Vorbereitung eines Washington-Besuchs von Bundesaußenminister von Brentano heißt es: „European Integration: The significant progress in this field may have to be suspended during the period of de Gaulle's Government. There is the possibility that he may wish to substitute a loose and less supranational association of Western European powers, to include the UK and Scandinavia, in place of the concept of integration. He may oppose EURATOM and France's present financial situation may require suspension of full application of the Common Market. We remain strongly attached to the principle of European integration. It is believed, however, that it would be tactically wiser for us to leave primarily to the Europeans the task of maintaining the impetus of European integration. Any evidence of strong and overt US support of this concept would only tend to confirm de Gaulle's suspicions that this is an American idea imposed on Western Europe." (Hervorhebung im Original). N A , Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 1: Secretary's Trip to Paris, July 3-6, 1958, European Integration (Position Paper), 26.6.1958. Ebd.
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Beziehungen von Anfang an ein besonderer Stellenwert zu. Gerade weil die Überwindung der deutsch-französischen „Erbfeindschaft" so schwierig war, war sie angesichts der politischen, ökonomischen und strategischen Bedeutung der Bundesrepublik und Frankreichs und angesichts der europäischen Abstinenz Großbritanniens so zentral wichtig für den Integrationsprozeß. Neben diesem Prozeß per se war darum in amerikanischer Perspektive seit 1947/49 eine positive Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen innerhalb des sich einigenden Europas ein politisches Ziel besonderen Ranges. 18 Die deutsch-französische Aussöhnung war beides: Sie war Triebkraft und Zentrum der westeuropäischen Integration, gleichzeitig aber auch eines ihrer wesentlichen Ziele. Nach der Regierungsübernahme de Gaulies waren den USA, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, sehr rasch deutsche Ängste kolportiert worden, die nun eines der wichtigsten Resultate der Westpolitik Adenauers gefährdet sahen: „European Integration: The Germans are worried that de Gaulle may sabotage European integration, to which the Chancellor has devoted his energies over the past years. ( . . . ) Bilateral Relations with France: The Germans are concerned that the nationalistic sentiment coincident with de Gaulle's return to power may be reflected in anti-German and anti-United States trends in France which could have serious effects on France's relations with both Germany and the United States." 19 Angesichts dieser Befürchtungen war es umso wichtiger, daß die amerikanische Führung Bundesaußenminister von Brentano bei seinen Gesprächen in Washington Anfang Juni 1958 beruhigen konnte: „We have been reassured from many quarters in any event that de Gaulle believes in the necessity of maintaining close French-German relations and would wish to avoid doing anything that might jeopardize the very significant progress that has been made so far in this field." 20 Natürlich beruhte das 18
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Insofern muß auch die These Oberndorfers zumindest relativiert werden, nach der Dulles besondere profranzösische Sympathien empfand und auch deshalb Adenauers Europapolitik bei ihm auf so große Resonanz stieß. Vgl. Oberndörfer, Dieter, John Foster Dulles und Konrad Adenauer, S.237. NA, Lot 61 D 30, Memorandum Brentano Talks, 5.6.1958, s.o., Anm. 15 (Hervorhebung im Original). Ebd. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Behandlung der deutschen Befürchtungen in einer Fortschreibung des Grundsatzpapiers NSC 5803 „U.S. Policy on Germany" vom 3.9.1958: „The accession of de Gaulle appeared to have raised a new problem for Franco-German relations and understanding, which previously had been developing in a very satisfactory fashion. Federal German leaders feared that de Gaulle might undertake a reorientation of French policy, laying more stress on French national interests and prestige, to the detriment of European cooperation. Specifically, the Germans were concerned about possible French attempts to reorganize NATO defense arrangements, about France's desire to become a fourth atomic power, about de Gaulle's known reservations regarding German reunification, about de Gaulle's desire to restore formal 'tripartism' (collaboration of the U.S., the U.K. and France) and the danger that Germany would thereby be relegated to a secondary position, and about de Gaulle's apparent reluctance to commit France to a solution of the
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amerikanische Engagement für eine Fortdauer des guten deutsch-französischen Verhältnisses auch auf dem Interesse an der Einbindung Deutschlands in die westliche Gemeinschaft, und dies erklärt auch den amerikanischen Beitrag zum Zustandekommen der Begegnung Adenauers mit de Gaulle in Colombey. 21 Doch es darf nicht verkannt werden, daß spätestens mit der Rückkehr de Gaulles an die Macht sich in den Augen Washingtons die verstärkte Notwendigkeit erwies, nun auch Frankreich fest im westlichen, im atlantischen Lager verankert zu halten. Die deutsch-französische Partnerschaft diente gleichzeitig beiden Zwecken und war auch deshalb seit 1958 als europapolitische Priorität der USA noch wichtiger und gebotener als zuvor. 22 Während des gesamten Herbstes 1958 verfolgte Washington die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der Bundesrepublik und Frankreich, zwischen Adenauer und de Gaulle mit besonderer Aufmerksamkeit. Die amerikanische Sorge um Erhalt und Ausbau der deutsch-französischen Freundschaft war umso verständlicher, als sich im gleichen Zeitraum zum einen die bilateral französisch-amerikanischen Beziehungen erheblich zu verschlechtern begannen, 23 zum anderen führende französische Politiker offen Zweifel am Integrationskonzept der Römischen Verträge anmeldeten. Beides hing natürlich zusammen, und als im Dezember 1958 der designierte französische Ministerpräsident Michel Debré die amerikanische Hauptstadt besuchte, machte er in seinen Gesprächen diesen Konnex auch deutlich: „He (Debré; ec) believes that all of these (European; ec) institutions were proposed for political motives only and are economic and/or military monstrosities. ( . . . ) Debré repeated that both the
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issue of a Free Trade Area. The problem was complicated by the fact that some Germans saw parallels between de Gaulle's and Hitler's accessions to power and that de Gaulle and Adenauer had not yet met." D D E L , White House Office, OSANSA, NSC Series, Policy Papers Subseries, Box 23, Folder NSC 5803 - US Policy Toward Germany (1): Operations Coordinating Board, Report on Germany (The Federal Republic), 3.9.1958. S.o. Kap. 1.2. Vgl. hierzu auch die Argumentation Hanrieders: „As the Federal Republic became the indispensable partner of America's own policy of double containment, German diplomatic leverage vis-à-vis France grew; and the major instrument with which American statecraft checked the Soviet Union and Germany - integrative military, economic, and political institutions - restrained France as well, depriving it of diplomatic maneuverability. Caught between America's dominance of the Western alliance and the double threat posed by the Soviet Union and Germany, the French effort at double containment led to contradictory and largely irreconcilable policies that fractured postwar French diplomacy. America's European policies contained not only Russia and Germany but also France." Hanrieder, Wolfram F., Germany, America, Europe, S.136. In einem Memorandum von Livingston Merchant (State Department, European Desk) vom 28.11.1958 hieß es: „ ( . . . ) I have been both struck and disturbed at the manifest deterioration of our relations with France. Of course for a number of years we had always expected that the return of General de Gaulle, if it occured, would make our problems with the French more difficult, and that France, under those conditions, would follow a more nationalistic line. Our fears have certainly not proved groundless." NA, 611.51/11-2858: Merchant an Acting Secretary, 28.11.1958.
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Common Market and Euratom represented the efforts of people like Maurice Faure and Maurice Schumann (sic!) to serve U.S. desires. ( . . . ) The French mood, he says, is opposed to concepts of integration at present. It objects to the Community of Six because this represents an economic integration, while it opposes the N A T O command system because it is an integrated one." 2 4 Wenn sich aber der französische Anti-Amerikanismus verstärkte und sich darüber hinaus mit erheblicher Skepsis am Konzept der europäischen Integration paarte, dann mußten in den Augen Washingtons die deutsch-französischen Beziehungen, wie gezeigt, als Instrument zur Einbindung Frankreichs in Europäische Gemeinschaft und Atlantische Allianz an Bedeutung gewinnen. Wenn Washington aus eigener Kraft Frankreichs Ausscheren aus den Institutionen und Organisationen des Westens nicht verhindern konnte - und gerade dazu führte ja die gegen die USA gerichtete Position de Gaulles - , dann wurde Bonn indirekt zum Sachwalter amerikanischer Interessen. Die deutsch-französischen Beziehungen erhielten in der zweiten Hälfte 1958, stärker als jemals zuvor, eine integrations- und bündnispolitische Funktion. Die Schwierigkeit für Washington bestand allerdings darin, daß auch de Gaulle die Bedeutung der Bundesrepublik für die Erreichung seiner politischen Ziele klar erkannte und auch Paris sich das Gewicht Westdeutschlands zunutze zu machen suchte. So war die Förderung der deutsch-französischen Freundschaft aus amerikanischer Sicht seit 1958 eine riskante Gratwanderung, die unter Umständen in das Gegenteil des von den USA intendierten Zwecks umschlagen konnte und angesichts deutsch-amerikanischer Spannungen in der Berlin-Krise auch umschlug. Am Ende des Jahres 1958 jedoch überwog in Washington eine positive Einschätzung der deutsch-französischen Beziehungen bzw. ihrer Auswirkungen auf die Europapolitik. Diese verriet allerdings auch eine zumindest partielle Fehleinschätzung der von de Gaulle mit Adenauer verfolgten Absichten. So hieß es in einer zusammenfassenden Analyse der Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen für das Jahr 1958: „There (in Bonn; ec) was considerable concern during the year over the course of developments in France, and widespread initial doubts as to whether de Gaulle would or could continue the European policies including close cooperation with Germany initiated by the Fourth Republic. Nevertheless, at the turn of the year Franco-German relations were outwardly flourishing and the Germans, despite increasing doubts about France's future course, continue to make close cooperation with France the basis of their policies in Europe. When de Gaulle first took over last May there was widespread fear, because of his past record, that he might cause real difficulties in N A T O , lead France away from the European idea and abandon the policy of close cooperation with Germany as the foundation of European unity. These doubts were dissipated at the time of the September de Gaulle-Adenauer 24
NA, 033.5111/12-2058: Department of State, Memorandum of Conversation, Senator Michel Debre, Robert H. McBride, 20.12.1958.
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meeting; and following this meeting there was a renewed honeymoon in German-French relations, with the Chancellor seizing every opportunity to tell all and sundry what a splendid man de Gaulle was, and indicating that the German-French partnership would now be more effective than ever with France under the leadership of such a strong, wise and capable man." 25 Die Bonner Botschaft war sich klar über das politische Interesse, das die Bundesrepublik an guten Beziehungen zu Frankreich haben mußte: „From the German standpoint a stable, strong and friendly France remains a paramount foreign policy interest, since German security in the last analysis is more dependent on the attitudes, policies and political stability of France than of any other country with the exception of the U.S.; and the Germans know that, whatever happens, the French are their neighbours and therefore must be their close associates. For this reason the Germans are trying to give de Gaulle every possible support, not only economically and financially, but also politically when, as in the case of the Free Trade Area issue, there are serious differences between France and other major German allies such as Britain." 26 Bemerkenswert an dieser Analyse sind ihr Optimismus und ihre offenkundige Gewißheit über die Fortexistenz enger deutsch-amerikanischer Beziehungen angesichts des deutschen Sicherheits- und Schutzbedürfnisses sowie die knappe Feststellung, daß sich, wie im Falle der Freihandelszone, die deutsch-französische Zweierallianz auch gegen andere Bündnispartner richten konnte. Von den tiefen Zweifeln insbesondere Adenauers an den amerikanischen Sicherheitsgarantien, die sich 1958/ 59 andeuteten und ab 1961 politisch manifest wurden, war mit keiner Silbe die Rede. Genausowenig auch davon, daß sich die europapolitische Übereinstimmung zwischen Paris und Bonn einmal auch gegen die Integrationspolitik der USA würde richten können, so wie es 1962 nach dem Scheitern der FouchetPlan-Verhandlungen auch geschah. 27
1.3.2. Die sistierte Krise: Der Westen und die Genfer Außenministerkonferenz 1959 In der Literatur werden an mancher Stelle der Wechsel an der Spitze des amerikanischen Außenministeriums im April und der Tod von John Foster Dulles im Mai 1959 als der Beginn einer tiefgreifenden und bis in die sechziger Jahre hinein andauernden Krise betrachtet. An die Stelle des engen ost-, deutschland- und entspannungspolitischen Schulterschlusses zwischen Bonn und Washington seien Vertrauenskrisen, Mißtrauen auf deutscher und eine
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NA, 762A.00/2-259: Foreign Service Despatch, US-Botschaft Bonn an Department of State, The Main Trends in 1958 and the German Scene at the End of the Year, 2.2.1959, S. 16f. Ebd. S. u., Kap. II.3.
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konzeptionelle Unsicherheit auf amerikanischer Seite getreten.28 Gewiß waren Krankheit und Tod Dulles' ein Grund für Entfremdungserscheinungen im Verhältnis zwischen Bundesrepublik und USA, insbesondere vor dem Hintergrund der engen persönlichen Beziehung zwischen dem amerikanischen Außenminister und dem deutschen Bundeskanzler. Sie reichen jedoch als Erklärung alleine nicht hin. Davon abgesehen waren die Risse im deutsch-amerikanischen Verhältnis, wie oben gezeigt, bereits vor dem Frühjahr 1959 sichtbar geworden und können auch deshalb nicht nur mit dem Tod Dulles' begründet werden. Ursächlich für eine entspannungsfreundlichere Politik Washingtons war die sich abzeichnende Veränderung des nuklearstrategischen Kräfteverhältnisses zwischen Sowjetunion und USA, augenfällig geworden durch den Sputnik-Schock im Oktober 1957, aber auch eine Gewichtsverlagerung in der amerikanischen Innenpolitik. Dort hatten die Kongreßwahlen des November 1958 zu einer Stärkung der Demokraten geführt. Die Stimmen waren lauter geworden, die für die Aufnahme eines Entspannungsdialogs mit Moskau plädierten und die auch bereit waren, an politischen Tabus der Eisenhower-Administration wie der Anerkennung der DDR oder der Schaffung zentraleuropäischer Rüstungskontrollzonen und verwandter Disengagement-Ideen zu rütteln.29 Mit Ausnahme des Ministers selbst blieben in der Vorbereitungsphase und während der Genfer Außenministerkonferenz die Führungsebene wie auch die deutschlandpolitische Arbeitsebene im State Department unverändert. Dennoch stellte natürlich die Vorbereitung einer großen Ost-West-Konferenz in dieser Zeit des Wechsels an der Spitze des Ministeriums, vor dem Hintergrund des sowjetischen Ultimatums, die amerikanische Außenpolitik vor eine große Herausforderung. Mehr als in London oder Paris liefen in Washington die Fäden der Koordination der westlichen Politik für Genf zusammen, und mehr als London oder Paris hatte Washington bei seinen Konferenzvorbereitungen nicht nur die unterschiedlichen Interessenlagen innerhalb des westlichen Lagers zu berücksichtigen, sondern auch die Zwänge und Notwendigkeiten bilateraler Supermachtpolitik mit der Sowjetunion. Die Koordination der westlichen Politik und die Entwicklung einer gemeinsamen Position im Vorfeld und während der Genfer Außenministerkonferenz ließen, wie bereits angedeutet, zum Teil erhebliche Einschätzungs- und Meinungsunterschiede zwischen den Standpunkten der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Bundesrepublik offenkundig werden. Neben bilateralen Gesprächen auf politischer Ebene fanden die intra-westlichen Abstimmungen auf der Arbeitsebene vor allem in der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe (Four Power Working Group) statt, deren Errichtung die Regierungschefs im Dezember 1958 in Paris beschlossen hatten und die vor der Eröffnung der Genfer 28 29
S . o . , Kap. I . I . , Anm. 3. Vgl. Bandulet, Bruno, Adenauer zwischen West und Ost, S. 133.
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Konferenz dreimal tagte: vom 4. bis 13. Februar 1959 in Washington, vom 9. bis 20. März in Paris sowie vom 13. bis 23. April 1959 in London. 30 Ausgangspunkt für die Überlegungen der Arbeitsgruppe waren die beiden Ost-West-Konferenzen des Jahres 1955 in Genf: der Gipfel der Regierungschefs vom Juli und die sich ihm anschließende Außenministerkonferenz vom Oktober und November des gleichen Jahres. 31 Eine Direktive des Gipfels an die für den Herbst 1955 geplante Vier-Mächte-Außenministerkonferenz hatte erklärt, daß „eine enge Verbindung zwischen der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Problem der europäischen Sicherheit"32 bestehe. Die Außenminister wurden angewiesen, solche Sicherheitsmaßnahmen zu erörtern, „durch die möglicherweise die Probleme der europäischen Sicherheit mit der Wiedervereinigung Deutschlands in Einklang gebracht werden können." 33 Doch trotz der eine zumindest gewisse Gemeinsamkeit zwischen Ost und West andeutenden Direktive führte auch die Außenministerkonferenz vom 27. Oktober bis zum 16. November 1955 in der Substanz keinen Schritt weiter. Je stärker sich die Sowjetunion auf die Anerkennung der Existenz zweier deutscher Staaten versteifte, desto geringer wurden die Chancen der Annahme des westlichen Vertragspakets. Auch in den Jahren zwischen 1955 und Chruschtschows Berlin-Ultimatum sowie in der Vorbereitungsphase der Genfer Außenministerkonferenz des Jahres 1959 blieb das westliche Paket geschnürt, das Junktim zwischen deutscher Wiedervereinigung, europäischer Sicherheit und internationaler Abrüstung erhalten. 34 Während, wie bereits dargestellt, das Frankreich de Gaulies aus einer Reihe von Gründen in der Berlin- und Deutschlandfrage eine harte Linie vertrat, zu der auch das Junktim gehörte, neigte Großbritannien bis ins Frühjahr 1959 hinein Überlegungen zu, in deren Zentrum als erster Schritt einer ost-westlichen Entspannung die Errichtung einer mitteleuropäischen Rüstungskontrollzone stand. Auch in die erste Verhandlungsrunde der VierMächte-Arbeitsgruppe im Februar 1959 in Washington gingen die Briten mit 30
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Eine detaillierte Analyse der Verhandlungen der Arbeitsgruppe ist bis heute sehr schwierig, da nach wie vor die Aktenlage in diesem Zusammenhang ausgesprochen lückenhaft ist. In den National Archives in Washington ist ein kleiner Teil der Unterlagen zugänglich, zur Entwicklung der deutschen Position sei verwiesen auf: Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler! Heinrich von Brentano im Briefwechsel mit Konrad Adenauer 1949-1964, Hamburg 1974, v.a. S. 19-26 und 239-280; Grewe, Wilhelm G., Rückblenden 1976-1951, Frankfurt a.M./Berlin/Wien 1979, v.a.S. 386-401; ders., Deutsche Außenpolitik der Nachkriegszeit, Stuttgart 1960. Vgl. hierzu Haftendorn, Helga, Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland 1955-1982, Baden-Baden 2 1986, S.65-68; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 177-207; Planck, Charles, Sicherheit in Europa, S. 186-200; Conze, Eckart, Von Genf nach Ottawa, S. 11-18. Richtlinien der Regierungschefs der Vier Mächte für die Außenminister vom 23.7.1955, abgedruckt in: EA 15/1955, S.8064. Vgl. Planck, Charles, Sicherheit in Europa, S. 110. Vgl. ebd.
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einem von der Berlin- und Deutschlandfrage völlig losgelösten Plan für eine Rüstungskontrollzone in Zentraleuropa. 3 5 Es war jedoch nicht nur das britische Foreign Office, das diese Linie vertrat, sondern die Vorschläge der Briten in der Arbeitsgruppe entsprachen der Position von Premierminister Harold Macmillan, wie dieser selbst sie schon einen Tag nach Chruschtschows Ultimatum, am 28. November 1958, in einer Notiz an seinen Außenminister Selwyn Lloyd beschrieben hatte. Er plädierte von Anfang an für Verhandlungen, ja für eine Gipfelkonferenz, für die Behandlung der gesamten Deutschlandfrage und für die Einbeziehung von Disengagement-Ideen. Die enger werdende Beziehung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik erkennend, sah er in der geschickten Handhabung des sowjetischen Drucks auf Berlin auch eine Chance, Bonn in der Frage der europäischen Freihandelszone auf die britische Seite zu ziehen. 36 Diese Motive wie auch innenpolitische Gründe - Macmillan standen im Herbst 1959 Parlamentswahlen bevor - und der Unwillen, ausgerechnet wegen des zweimaligen Kriegsgegners Deutschland einen möglicherweise nuklearen Krieg zu riskieren, erklären die kompromißbereite britische Haltung im allgemeinen und Macmillans „Voyage of Discovery" nach Moskau im März 1959 im besonderen. In Washington, Paris und Bonn scharf kritisiert, auch weil er mit den Bündnispartnern im Westen nicht abgestimmt war, führte der britische Moskau-Besuch zu keinen greifbaren positiven Ergebnissen, sondern, ganz im Gegenteil, zu einer politischen Erniedrigung der Briten und auch nicht der geringsten Aufweichung der Fronten zwischen Ost und West in der Berlinund Deutschlandfrage. Dennoch hatte während ihrer zweiten Tagung in Paris im März 1959 die Vier-Mächte-Arbeitsgruppe einen Stufenplan zur deutschen Wiedervereinigung, zur europäischen Sicherheit und zu einer deutschen Friedensregelung („Phased Plan for German Reunification and European Security and a German Peace Setdement") ausgearbeitet, welcher den vier Außenministern bei ihrem Treffen in Washington am 31. März und 1. April 1959 vorgelegt werden sollte. Diesem Plan hatten auf der Arbeitsebene alle Beteiligten zugestimmt - auch die deutsche Delegation unter der Leitung des Diplomaten Georg Graf Baudissin und unter Mitarbeit des in der Deutschlandfrage so kompetenten nunmehrigen Bonner Botschafters in Washington, Wilhelm Grewe. Am 20. März 1959 endeten die Beratungen der Arbeitsgruppe in Paris, am 21. März verließ Bundesaußenminister von Brentano Bonn, um sich per Schiff zum Washingtoner Außenministertreffen zu begeben. Auf dem Schnelldampfer bereitete sich der Außenminister auf die Viererkonferenz vor. Offensichtlich stimmte auch er dem Stufenplan der Arbeitsgruppe zu. 37 Am 26. März 35 36
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Vgl. Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.241. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.84. Wie schwierig die Rekonstruktion der Vorbereitung der Genfer Außenministerkonferenz einschließlich der verschiedenen Entwürfe westlicher Konferenzvorschläge und der deutschen Reaktion darauf ist, beweisen Irrtümer in Nuancen, die Arnulf Baring und Hans-
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wurden Adenauer die Ergebnisse der Pariser Besprechungen vorgelegt, zwei Tage später, am 28. März, bat der Bundeskanzler den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Hilger van Scherpenberg, nach Rhöndorf zu einer Unterrichtung über den Stand der Besprechungen der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe. 38 Adenauers Mißtrauen, das bereits vorher durch Presseberichte und durch Gerüchte über die Begegnung zwischen Eisenhower und Macmillan in Washington und Camp David vom 19. bis zum 23. März erregt worden war, schien durch die Informationen Scherpenbergs bestätigt zu werden. Die Pläne für eine mitteleuropäische Rüstungsinspektionszone belegten des Kanzlers schlimmste Befürchtungen. Adenauer zögerte keine Minute, seinem Außenminister eine unmißverständliche Weisung zu erteilen: „Ich habe den Abschlußbericht selbst bisher nicht erhalten. Das Wenige, was mir Herr van Scherpenberg aus seinem Inhalt vorgetragen hat und was auch einer mir übergebenen Zusammenfassung ersichtlich ist, genügt mir, um schwerwiegende Bedenken zu wecken. Der Abschlußbericht bedarf einer gründlichen Überprüfung, die sicher zu Änderungsvorschlägen führen wird. Ich bitte daher, dem Abschlußbericht unter keinen Umständen zuzustimmen, auch sich einer Verhandlung über ihn zu widersetzen." 39 In einem handschriftlichen Brief vom 29. März, den er Staatssekretär van Scherpenberg mit nach Washington gab, erläuterte der Bundeskanzler Brentano die Gründe seiner Ablehnung der westlichen Vorschläge, "die sich für uns sehr ernst auswirken können". 40 In dem Schreiben heißt es: „Ich habe in diesen Tagen das Material nochmals durchgeprüft und komme zu folgendem Ergebnis: Chrustschow (sie!) hat sich in zahlreichen Reden derartig gegen die Wiedervereinigung festgelegt, daß er zur Zeit wenigstens gar nicht davon herunter kann. Das beste, was wir erreichen können, ist ein Stillhalteabkommen für mehrere Jahre. Wir müssen auf die allgemeine kontrollierte Abrüstung kommen, die ihm aus wirtschaftlichen Gründen sicher willkommen ist. Eine europäische Abrüstung irgendwelcher Art vorzuschieben ist barer Unsinn, der aber zwei große Gefahren in sich schließt: a) weiterer Rückgang der Einigkeit der Westalliierten und des Interesses an uns (s. England); b) Triumph Chrustschows (sie!), der ihn von seinen unzweifelhaft vorhandenen wirtschaftlichen Aspirationen, die eine Abrüstung - allgemein - verlangen (s. sein 7-Jahresplan) wieder abbringen könnten." 41
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Peter Schwarz unterlaufen sind. So stimmte Brentano nicht vor seiner Abreise dem westlichen Gesamtplan zu, wie Baring behauptet, sondern frühestens während der Überfahrt; vgl. Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.241. Schwarz vertauscht die Reihenfolge der Besprechungen der Arbeitsgruppe, die sich im März in Paris und im April in London trifft und nicht umgekehrt; vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.499. Vgl. A A , Ministerbüro, Wiedervereinigung, Bd. 117: Adenauer an Brentano, 16.5.1959. Zit. nach: Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.242 (Hervorhebungen im Original). Zit. nach: ebd., S.243. Ebd., S.243 f.
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Adenauer nahm also deutlich auf den Globke-Plan vom Februar, insbesondere die Idee des Stillhalteabkommens, Bezug, wie er dies auch schon gegenüber Macmillan bei dessen Besuch in Bonn am 12./13. März getan hatte 42 und wie er es gegenüber US-Botschafter Bruce am 24. März in Bonn und am 26. April wieder tun würde. 43 Neben der Verbindung der Deutschlandfrage mit einem auf Zentraleuropa begrenzten Rüstungskontrollregime richtete sich die Kritik des Bundeskanzlers gegen den Teil des Arbeitsgruppenpapiers, der unter der Überschrift „Maßnahmen zur Wiedervereinigung" vor der Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen die Bildung eines „Gesamtdeutschen Ausschusses" vorsah. Auch wenn der französische Außenminister Couve de Murville seinem deutschen Kollegen in Washington punktuell sekundierte - indem er sich beispielsweise gegen die Vorlage eines kompletten Friedensvertragsentwurfs aussprach oder auch gegen die Einbeziehung von Abrüstungsvorschlägen in die Regelung der Wiedervereinigungsfrage - , hatte Heinrich von Brentano bei dem Vierertreffen keinen leichten Stand. Erst hatte die deutsche Delegation in Paris der Ministervorlage zugestimmt, nun machte der Außenminister selbst, wenn auch diplomatisch taktvoll und behutsam, eine Wendung um 180 Grad. Vor allem die amerikanische Seite mußte dieses Verhalten umso mehr erstaunen, da weite Teile ihres Stufenplans zur Wiederherstellung der deutschen Einheit auf einer Ausarbeitung der Arbeitsebene des Auswärtigen Amtes basierten. 44 Entworfen hatten diesen Plan, allem Anschein nach schon 195745, die beiden Legationsräte der Abteilung 3 des Außenamtes, Boris Meissner und Rudolf Fechter. Gebilligt, wenn nicht gar befürwortet wurden solche Überlegungen aber eben auch durch den Leiter der Ostabteilung des Amtes und späteren Staatssekretär des Außenministers Willy Brandt, Ministerialdirektor Georg Ferdinand von Duckwitz, und durch Georg Graf von Baudissin. Duckwitz leitete die deutsche Delegation in der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe im Februar 1959 in Washington, Baudissin im März und April in Paris und London. Konrad Adenauer, der in den ersten Monaten des Jahres 1959 den Aktivitäten des Auswärtigen Amtes in der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe, die er vom Palais Schaumburg aus nicht zu steuern vermochte, ohnehin argwöhnisch gegenüber stand, reagierte Ende März umso schärfer, als nur wenige Tage zuvor die SPD ihren Deutschlandplan vorgelegt hatte, der ebenfalls ein stufenweises Erreichen der Wiedervereinigung vorsah sowie Disengagement-Ideen vertrat. 46 42 43
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Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.484. Vgl. NA, 762.00/3-2459: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 24.3.1959; N A , 611.62A/4-2659: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 26.4.1959. Vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.396f.; Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.21f. und 241; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.498f. Vgl. Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.21. Deutschlandplan der SPD vom 19.3.1959, abgedruckt in: E A 9-10/1959, S. D 187-191. Vgl. hierzu auch: Siebenmorgen, Peter, Gezeiten Wechsel, S. 303-319.
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Nach dem Einspruch Brentanos blieb den Ministern nichts anderes übrig, als die Arbeitsgruppe im April erneut, diesmal in London, zusammentreten zu lassen. Nur vier Wochen vor Beginn der Ost-West-Konferenz in Genf blieb dem Gremium zu wenig Zeit, um den Ende März vorgelegten Phasenplan substantiell zu ändern. Der Zeitfaktor widersprach dem ebenso wie die Haltung insbesondere der USA und Großbritanniens, die vom Konzept des Stufenplans und der Verbindung zwischen Wiedervereinigung und Abrüstung nicht abzugehen bereit waren. Dennoch wurden vor allem im Kontext des Wiedervereinigungsprozesses die wichtigsten deutschen Kritikpunkte berücksichtigt. Der „Gesamtdeutsche Ausschuß" sollte sich nun nicht mehr aus Vertretern der Länder zusammensetzen, sondern aus Vertretern von Bundesrepublik und DDR. 47 Die Amerikaner waren zwar mit dieser Modifikation nicht einverstanden, beugten sich jedoch offenbar dem deutschen und auch französischen Druck in dieser Sache. Dies wie auch die Tatsache des Wandels der deutschen Position nach der Intervention Adenauers respektive Brentanos von Ende März wurde in einem Bericht des amerikanischen Delegationsleiters in London, Martin Hillenbrand, German Desk Officer des State Department, an seine Zentrale deutlich: „Both Germans and French continue to take extremely cautious position on reunification proposals, and there appears to be little prospect in working group of restoring major elements of original US proposals or even German proposals made at Paris meetings. It should, however, be possible to preserve framework of phased plan and to retain a few novelties in its content such as creation of mixed committee prior to holding of free elections." 48 Ganz ließ sich am Ende das Rad nicht zurückdrehen. Es blieb bei einem Plan in mehreren Stufen, bei der Bildung eines gesamtdeutschen Ausschusses vor der Abhaltung freier gesamtdeutscher Wahlen und bei der Verbindung von deutscher Wiedervereinigung und Rüstungskontrollmaßnahmen. Bemerkenswert war freilich einmal mehr das Zusammenwirken von Bonn und Paris, welches gerade bei den Londoner Verhandlungen die deutsche Position offenbar entscheidend stärkte und damit die britische, zum Teil auch amerikanisch-britische Haltung konterkarierte. 49 Ein Tagebucheintrag Harold Macmillans ist aufschlußreich und trifft, wie weiter oben gezeigt, einen zentra-
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Heinrich Krone notierte am 24.4.1959 in seinem Tagebuch: „Im Auswärtigen Amt ist eine nicht schwache Gruppe, die den Deutschland-Plan der SPD bejaht." Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 134-201, hier S.153. Vgl. N A , 762.00/4-1359: Report of the Four Power Working Group, London, April 13-23, 1959, o . D . N A , 762.00/4-1559: Martin Hillenbrand (Four Power Working Group, London) an Secretary of State, 15.4.1959. Vgl. ebd.; s. auch N A , 762.00/4-1759: Status Report, London Discussion of Four Power Working Group, 17.4.1959. Vgl. in diesem Zusammenhang die Position de Gaulies, die dieser am 28.4.1959 gegenüber US-Außenminister Herter vertrat: N A , Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France: Memorandum of Conversation, Herter - de Gaulle, 28.4.1959.
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len Grund der französischen Unterstützung der Bundesrepublik: „The Germans are behaving in a very crude and silly way, and the French are joining them in attacking Britain for 'defeatism'. This is quite contrary to the real views of the German Ministers and officials, von Brentano, Scherpenberg, etc., as well as Couve de Murville and M. Joxe. But the Germans are frightened of Adenauer. ( . . . ) The French are equally afraid of de Gaulle, whom it suits to support Adenauer politically for German help financially and in economic policy - particularly French 'protectionism'. The Americans are leaderless (both Eisenhower and Dulles have left Washington for the South - the former for a 'golfing holiday', the latter (I fear) to die)." 50 Auch eine Beteiligung der DDR an der Genfer Außenministerkonferenz konnte Bonn nicht verhindern. Beide deutsche Staaten wurden mit Beobachterstatus in die Schweiz eingeladen. Der Westen freilich wurde nicht müde zu betonen, daß die Anwesenheit des DDR-Außenministers Lothar Bolz keine Anerkennung der DDR bedeute. 51 Die vier Außenminister, die sich vor Konferenzbeginn ein letztes Mal am 29./30. April 1959 in Paris trafen, nahmen zwar zur Kenntnis, daß die Arbeitsgruppe in London in weiten Bereichen Übereinstimmung erzielt hatte. Dennoch hieß es im Abschlußbericht der Arbeitsgruppe: „ ( . . . ) there are nevertheless certain questions ( . . . ) on which an agreed direction must now be sought from Ministers."52 Trotz der unterschiedlichen Positionen in einer Vielzahl von Fragen gelang es den Ministern unter dem Zwang zur Einigkeit angesichts des sowjetischen Drucks, eine Konferenzvorlage zu verabschieden, der alle Beteiligten zustimmen konnte. Drei Tage nach Eröffnung der Genfer Konferenz präsentierte US-Außenminister Christian A. Herter den Friedensplan des Westens, den sogenannten Herter-Plan. 53 In den vier Phasen des Plans waren Fortschritte in Richtung Wiedervereinigung mit Fortschritten auf dem Gebiet der Sicherheit verbunden. In der Präambel des Plans kommt dieses zeitliche und substantielle Junktim zum Ausdruck: „Die Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika wollen ( . . . ) Schritt für Schritt Lösungen 50
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Macmillan, Harold, Riding the Storm, S.651 (Tagebucheintrag vom 4.4.1959). Es wird hier auch deutlich, daß Außenminister von Brentano selbst, im Gegensatz zur Darstellung Grewes, durchaus den Pariser Plänen der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe zuneigte und offensichtlich die Auffassung der deutschen Delegation unter von Baudissin zumindest in Ansätzen teilte. Vgl. hierzu im einzelnen Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.402-404. NA, 762.00/4-1359: Report of the Four Power Working Group, London, April 13-23,1959, s.o., Anm. 47. Der Friedensplan des Westens. Grundzüge eines Stufenplans für die deutsche Wiedervereinigung, die europäische Sicherheit und eine deutsche Friedensregelung, abgedruckt in: EA 12/1959, S . D 224-228. Wie sehr es sich beim Herter-Plan um einen intra-westlichen Kompromiß handelte, der sogar den Verhandlungsspielraum des Westens einengte, hat Henry Kissinger schon 1959 in einem brillanten Aufsatz in Foreign Affairs gezeigt. Vgl. Kissinger, Henry, The Search for Stability, in: Foreign Affairs 37 (1959), S. 537-560.
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suchen, die zur Wiedervereinigung Deutschlands und zur Sicherheit in Europa führen. Außerdem sind sie der Ansicht, daß Fortschritte, die in einer der drei Fragen: allgemeine Abrüstung, europäische Sicherheit und politische Regelung in Europa erzielt werden, sich darauf auswirken, in welchem Maße bei der Lösung der beiden anderen Fragen Fortschritte erreicht werden können." 54 Während jedoch der Bundesaußenminister und die westdeutsche Delegation in Genf, zu der neben ihrem Leiter Wilhelm Grewe auch Georg Ferdinand von Duckwitz gehörte, dem Herter-Plan zustimmten, kritisierte der Bundeskanzler die westliche Offerte und sah sich einmal mehr vom Auswärtigen Amt getäuscht. Am 16. Mai, zwei Tage nach der öffentlichen Vorlage des westlichen Friedensplans in Genf, machte Adenauer seiner Verärgerung in einem Schreiben an Brentano Luft. Der Kanzler kritisierte insbesondere die seiner Ansicht nach absichtliche Vorenthaltung wichtiger Informationen durch das Außenamt. So sei ihm der endgültige Wortlaut der in Genf vorgelegten Pläne nicht vorgelegt worden. Dabei habe es sich, „wie die jetzige Veröffentlichung zeigt, um höchst wichtige Dokumente (gehandelt; ec), deren frühere Kenntnis für mich von besonderer Bedeutung gewesen wäre. ( . . . ) Wenn ich diese Papiere zeitig genug gesehen hätte, würde ich Ihnen bereits lange vor der Genfer Konferenz erklärt haben, daß ich mit wesentlichen Teilen des Herter-Plans nicht einverstanden sein kann." 55 Ohne seine Einwände zu konkretisieren, wies der Bundeskanzler seinen Minister in scharfem Ton an, jede weitere Eigenmächtigkeit des Auswärtigen Amtes zu unterbinden und eine umfassende und frühzeitige Information des Regierungschefs sicherzustellen.56 Erst in einem weiteren Schreiben an Brentano am 20. Mai erläuterte der Kanzler seine Kritikpunkte im Detail. Sie bezogen sich auf die Zusammensetzung des Gesamtdeutschen Ausschusses, in dem die DDR über eine nicht zu rechtfertigende Sperrminorität verfüge, 57 auf die angedeutete Errichtung eines europäischen Sicherheitssystems, welches die Bundesrepublik oder das wiedervereinigte Deutschland diskriminieren und singularisieren würde, auf das Recht der Stationierung von Truppen in Deutschland durch die Vier Mächte, für Ade54 55
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Der Friedensplan des Westens, S . D 224. A A , Ministerbüro, Wiedervereinigung, Bd. 117: Adenauer (Bonn) an Brentano (Genf), 16.5.1959. Vgl. ebd. Die gleiche Kritik äußerte Adenauer bereits am 15.5.1959 gegenüber CDU/CSU-Fraktionschef Heinrich Krone. Diesem gab der Kanzler allerdings zu verstehen, daß er öffentlich am Herter-Plan keine Kritik üben wollte. Vgl. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 153 (Tagebucheintrag vom 15.5.1959). Der Herter-Plan sah vor, den Gesamtdeutschen Ausschuß mit 25 Mitgliedern aus der Bundesrepublik und 10 Mitgliedern aus der D D R zu besetzen. Entscheidungen hätten mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen getroffen werden müssen, was in der Tat den Repräsentanten der D D R eine Sperrminorität eingeräumt hätte. Daß diese Regelung auch die Gefahr eines von Adenauer befürchteten Zusammengehens von SPD und Vertretern der D D R eindämmte, übersah der Bundeskanzler in seiner Kritik.
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nauer „eine Rückkehr zum Besatzungsstatut", und schließlich die seiner Ansicht nach zu enge Verknüpfung der Berlin-Frage mit dem restlichen Verhandlungspaket. Im Gegensatz zu den anderen Problemen sei die Berlin-Frage relativ schnell und einfach zu lösen. Deswegen hätte man sie besser separat behandeln sollen.58 Das Auswärtige Amt konnte intern sehr rasch nachweisen, daß der Bundeskanzler über die Ergebnisse der Londoner Gespräche der VierMächte-Arbeitsgruppe, über das Pariser Außenministertreffen von Ende April und über den Herter-Plan zeitnah und umfassend informiert worden war. 59 Es ist nicht auszuschließen, daß Adenauer diese Vorlagen nicht oder nur oberflächlich zur Kenntnis genommen hatte. Schließlich war seine Aufmerksamkeit in diesen Tagen auch ganz erheblich durch das Tauziehen um seine am 7. April angemeldete Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten in Anspruch genommen. 60 Es ist nicht notwendig, den Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz vom 11. Mai bis zum 20. Juni und vom 13. Juli bis zum 5. August 1959 im einzelnen nachzuzeichnen, zumal die Verhandlungen am Ende in keiner Frage zu einem Ergebnis führten. 61 Einzig Chruschtschows Berlin-Ultimatum verstrich, ohne daß Moskau seine Drohungen des November 1958 wahr machte. Daß die Sowjetunion nach dem 27. Mai 1959 ihren Druck auf Berlin nicht erhöhte, hatte im wesentlichen zwei Gründe: Zum einen bestanden angesichts der Moskau nicht verborgen gebliebenen intra-westlichen Differenzen während der gesamten Konferenzdauer durchaus Aussichten, Ziele oder zumindest Teilziele bezüglich Berlins zu erreichen. Zum anderen hatte Chruschtschow mit der im Sommer an ihn ergangenen Einladung zu einer bilateralen Gipfelbegegnung nach Washington und dem in Aussicht genommenen Vierergipfel zwei weitere Erfolge erzielt. Was sich am Genfer Verhandlungstisch abspielte, war, einer Beschreibung Wilhelm Grewes folgend, im wesentlichen „eine große Redeschlacht, in dem (sie!) jede Seite die andere mit publikumswirksamen Argumenten und Vorschlägen zu übertrumpfen versuchte." 62 Diese Bewertung darf jedoch nicht den falschen Eindruck erwecken, als sei mit Konferenzbeginn die Gefahr eines offenen Zerbrechens der westlichen Einheit vorüber gewesen, als hätte es keine Situationen mehr gegeben, in denen ost-westliche Kompromisse zu Lasten der Bundesrepublik greifbar nahe 58
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Vgl. Brief Adenauers an Brentano, 20.5.1959, in: Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.246-248. Vgl. AA, Ministerbüro, Wiedervereinigung, Bd. 117, Aktenvermerk Limbourgs für den Minister, 19.5.1959. Siehe dazu ausführlicher unten, Kap. 1.4. Vgl. zum Konferenzverlauf im einzelnen: Die Berlin-Krise, in: Die Internationale Politik 1958-1960. Jahrbücher des Forschungsinstituts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, München/Wien 1971, S. 564-606, v.a. S. 594-599; Haftendom, Helga, Der Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz, in: EA 12/1959, S. 395-404; EA 13/1959, S. 437-446; EA 15-16/1959, S.521-530; Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.402-410. Grewe, Wilhem G., Rückblenden S.404.
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schienen und oftmals nur durch die Intransigenz, das Alles-oder-Nichts-Kalkül der Sowjetunion verhindert wurden. 63 Daß in der Deutschlandfrage insgesamt und auch im Bereich Sicherheit und Rüstung keine Annäherung zu erzielen war, zeigte bereits der erste Konferenzabschnitt im Mai 1959. Um aber dennoch ein komplettes Scheitern der Begegnung zu verhindern und wenigstens einen bescheidenen Teilerfolg zu erzielen, legte der Westen im Juni und Juli verschiedene Konzepte für eine Interimslösung der Berlin-Frage vor, die der Position der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers krass widersprachen. Ein Funken Kompromißbereitschaft auf sowjetischer Seite hätte genügt, um die Berlin-Frage und mit ihr die gesamte Deutschlandpolitik auf eine schiefe Ebene zu bringen, an deren Ende sich der Abgrund eines Zusammenbruchs der gesamten Bonner Ost- und Deutschlandpolitik auftat. Zu fragen ist an dieser Stelle nach der Entwicklung der französischen Position während der Genfer Konferenz. In den Monaten nach Chruschtschows Ultimatum hatte Paris, wie weiter oben gezeigt, die rigide Bonner Haltung unterstützt, wenn auch unter anderem aus Motiven, die nicht direkt einer Übereinstimmung mit der Bonner Ost- und Deutschlandpolitik entsprangen, sondern von ihr unabhängigen französischen Eigeninteressen wie beispielsweise der Bedeutung der französischen Rechte in Berlin für den Großmachtstatus Frankreichs oder des taktischen Kalküls, die Bundesrepublik auf die anti-britische Linie der französischen Europapolitik einzuschwören. Daß die französische Berlin- und Deutschlandpolitik nicht von einer umfassenden Interessenkongruenz mit der Bundesrepublik gekennzeichnet war, erkannten auch die amerikanischen Vertreter in der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe deutlich.64 In der unmittelbaren Vorbereitungsphase vor Konferenzbeginn behielten die Franzosen ihre relativ starre Position bei, und dies konsequenter als die deutsche Seite, die zwischen der flexibleren und kompromißbereiteren Haltung des Auswärtigen Amtes und dem Rigorismus Adenauers hin und her schwankte. Entsprechend der Bedeutung, welche die französischen Rechte in Berlin und be63
64
Insofern greift die Bewertung von Schwarz, daß die Genfer Konferenztaktik des Westens das Ziel verfolgt habe, das Berlin-Ultimatum bei ausgedehnten und höchstwahrscheinlich fruchtlosen Auseinandersetzungen über das Deutschlandproblem in Vergessenheit zu bringen, m.E. zu kurz. Die Überwindung des sowjetischen Ultimatums war nur ein Ziel des Westens. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.502. Der Autor neigt in der Tat eher der Ansicht zu, daß die Genfer Konferenz für die Sowjetunion auf Grund ihrer Intransigenz eine „versäumte Gelegenheit" bedeutete. Vgl. Die Berlin-Krise, in: Die Internationale Politik 1958-1960, S.595. In einem Bericht des amerikanischen Botschafters in Paris, Amory Houghton, heißt es: „Approach of French government officials to Berlin problem and East-West negotiations has been that of followers not leaders. In general, French have tended to adopt extremely conservative view on extent to which Western proposals in negotiations with Soviets should go beyond those advanced at Geneva 1955 conference. This attitude has led French into positions paralleling those FedRep (sic!) on numerous issues, although sometimes for differing reasons." N A , 762.00/4-2859: Ambassador Houghton (Paris) an Secretary of State, 28.4.1959.
3. Herausforderung de Gaulle
107
züglich Deutschlands als Ganzem insbesondere in de Gaulles Macht- und Statusdenken hatten, argumentierten die französischen Vertreter in der VierMächte-Arbeitsgruppe legalistisch und, nach amerikanischer Einschätzung, zaudernd. 65 Klarer als Amerikaner und Briten sprachen sich die Franzosen, allen voran der Staatspräsident, für die Endgültigkeit der Oder-Neiße-Linie als deutscher Ostgrenze aus. Deutlicher als in seiner Pressekonferenz vom 25. März 195966 wurde de Gaulle in einer Unterredung mit Herter am 28. April 1959: „With regard to the frontier question, we should not change the OderNeisse line. Germany had lost the war and it was normal she should pay some price. If we were to attempt to change the Oder-Neisse line, we should lose the Poles and give Khrushchev a propaganda argument. Furthermore this would not help Germany, and there were anyway few Germans living in this area now. Therefore, this was not worth fighting about." 67 Zwar hatten de Gaulles Äußerungen vom 25. März in Bonn Irritationen ausgelöst, doch die deutsch-französischen Beziehungen insgesamt blieben davon unbeeinflußt. Zu sehr glaubte insbesondere Adenauer, gerade in dieser Krisenzeit angesichts der britischen Nachgiebigkeit und der amerikanischen Führungsschwäche nach dem Ausscheiden Dulles' aus der Politik auf die französische Unterstützung angewiesen zu sein, als daß er einen Konflikt mit de Gaulle riskiert hätte. Ganz im Gegenteil: Der deutsche Bundeskanzler setzte sein ganzes Vertrauen in die französische Politik. Hatte er nach dem Treffen mit de Gaulle in Marly Anfang März bereits überlegt, Frankreich offiziell die Vertretung der deutschen Interessen auf einer sich abzeichnenden Gipfelkonferenz der Vier Mächte anzutragen, 68 so nahm auch bei seinen Gesprächen mit dem französischen Premierminister Debre am 6. und 7. Mai 1959 in Bonn die Frage breiten Raum ein, wie bei den bevorstehenden Verhandlungen der Außenminister in Genf die Einheit des Westens und damit auch die Berücksichtigung der deutschen Interessen am besten gewährleistet werden könnte. Insbesondere um britische Alleingänge zu verhindern, schlug der Kanzler Debre vor, in Genf einen Sprecher aller drei westlichen Delegationen zu benennen, um so die Westmächte einem permanenten Einigungsdruck auszusetzen. 69 Insgesamt bestätigten die Gespräche mit Debre Adenauers optimistische Bewer65
66 67
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Vgl. beispielsweise N A , 762.00/3-2059, Ambassador Houghton (Paris) an Secretary of State, 20.3.1959, vgl. auch N A , 762.00/4-2850, Houghton an Secretary of State, 28.4.1959, s.o., Anm. 64. Vgl. EA 9-10/1959, S. D. 195-198, v.a. S.196. NA, Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 4, Folder 22.8. (Herter's Visit to France - April 1959): United States Delegation to the Western Foreign Ministers Meeting, Paris, April 29-May 2, 1959, Memorandum of Conversation Herter - de Gaulle, 28.4.1959. Vgl. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 151. Adenauer wollte diesen Vorschlag auch dem amerikanischen Außenminister unterbreiten und berichtete deshalb Botschafter Bruce darüber. Vgl. NA, 611.62A/5-859: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 8.5.1959.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
tung des deutsch-französischen Verhältnisses. Nicht ohne Grund berichtete der Bundeskanzler dem amerikanischen Botschafter offen und deutlich über den weitreichenden Accord zwischen Bonn und Paris: „Chancellor said talks with the French past two days in every respect excellent. De Gaulle and himself are agreed upon all major principles and he continues to feel existing rapprochement between France and Germany a 'miracle and wonder of God'." 70 Trotz der Befürchtungen des Bundeskanzlers blieb in Genf die westliche Einheit weitestgehend gewahrt. Es kam weder zu britischen Alleingängen noch zu einer Lagerbildung zwischen Deutschen und Franzosen einerseits, Briten und Amerikanern andererseits. Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, daß es in Genf durchaus Meinungsunterschiede innerhalb des westlichen Lagers gab. Doch diese bestanden nicht ausschließlich zwischen Angelsachsen und Kontinentaleuropäern, sondern sahen, je nach Gegenstand, unterschiedliche Koalitionen innerhalb des Westens. In ihrer Bedeutung reduziert wurden diese Meinungsunterschiede durch das klare Bestreben aller Beteiligten, einvernehmliche Positionen zu erzielen und diese gegenüber der Sowjetunion zu vertreten. 71 Bis an die Grenzen der deutschen Konzessionsbereitschaft gingen die Vorschläge für eine Interimslösung für Berlin, welche der Westen im Laufe des Juni 1959 der Sowjetunion unterbreitete, nachdem es sich erwiesen hatte, daß in den übergreifenden Fragen der deutschen Wiedervereinigung und der europäischen Sicherheit kein Einvernehmen zu erzielen war. Anlaß für den westlichen Vorschlag einer Interimslösung für Berlin war ein sowjetischer Vorstoß vom 9. /10. Juni. Für den Westen, der nach Auswegen aus der Sackgasse der Verhandlungen und möglichen Kompromissen suchte, 72 war die Moskauer Offerte völlig unannehmbar. Sie hatte nicht nur erneut ultimati70 71
72
Ebd. In einer abschließenden Bewertung der Genfer Konferenz durch das Auswärtige Amt hieß es vergleichsweise optimistisch: „Die Einigkeit und Festigkeit des Westens war für die Sowjets eine Enttäuschung ( . . . ) Bewahrt der Westen diese Einigkeit nach außen hin bei gleichzeitiger Austragung etwaiger Meinungsverschiedenheiten ausschließlich 'im geheimen Familienkreis', so kann er weiteren Konferenzen mit Ruhe entgegensehen." A A , Ministerbüro, Genfer Konferenz 1959, Band 120: Die Genfer Außenministerkonferenz 1959, B. Zweite Phase (13. Juli - 5. August), ohne Datum. Am gleichen Tag, als Gromyko den neuen sowjetischen Vorschlag vorlegte, hatte USAußenminister Herter in einem Schreiben an Präsident Eisenhower die Notwendigkeit einer neuen Initiative betont und deren Grundzüge sogleich konkretisiert: „I would then plan to tell Gromyko: (1) That the conference is clearly getting nowhere ( . . . ) Each side has usefully obtained a clearer picture of the other's position. (2) That the allied position on the following points is immovable and not open to negotiation: (A) That any agreement reached here must reflect the fact that it is without prejudice to the continuation in force of our rights of presence and access to Berlin. (B) That we might ourselves consider in the future some modest reduction in the strength of our garrisons, depending on circumstances, but that we will not admit a Soviet detachment to join them in West Berlin nor reduce them to what he apparently considers .symbolic'." NA, 762.00/6-959: Secretary of State Herter (Genf) an Präsident Eisenhower, 9.6.1959.
3. Herausforderung de Gaulle
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ven Charakter, sondern knüpfte auch wieder eine Lösung der Berlin-Frage an die Etablierung des Gesamtdeutschen Ausschusses, was auf strikte amerikanische und französische, insbesondere aber deutsche Ablehnung stieß. 73 Dennoch entschloß sich der Westen daraufhin, „einen letzten Versuch zu machen, konstruktive Vorschläge, die so weit wie vertretbar den sowjetischen Vorstellungen entgegenkamen, vorzulegen ( . . .)." 74 Diese Vorschläge stellten nach deutscher Einschätzung „die äußerste Grenze westlicher Konzessionsbereitschaft dar." 75 Sie enthielten keine ausdrückliche Bestätigung der westlichen Rechte in bezug auf Berlin mehr, sondern erkannten statt dessen an, „daß bis zur Wiedervereinigung die bestehende Lage und die gegenwärtig in Kraft befindlichen Vereinbarungen in mancher Hinsicht abgewandelt werden können." 76 Dies bedeutete nichts anderes als die Bereitschaft zur Aufgabe des Status quo, dessen Erhaltung seit dem 27. November 1958 Adenauers oberste Prämisse gewesen war. Zusätzlich erklärte sich der Westen zu einer Reduzierung seiner in Berlin stationierten Streitkräfte bereit, allerdings unter der Bedingung einer sowjetischen Garantie des ungehinderten Zugangs nach Berlin sowie freier Verbindungen zwischen West- und Ost-Berlin. 77 Der Westen stimmte, wenn auch „unbeschadet bestehender Grundverantwortlichkeiten" der Vier Mächte, ferner der Übertragung von Kontrollrechten an den Grenzübergängen an deutsches Personal zu. Die Agententheorie lebte erneut auf. Zwar wurden der östliche und der westliche Berlin-Vorschlag in den Wochen bis zum Konferenzende geringfügig präzisiert oder modifiziert. 78 Zu substantiell neuen Initiativen kam es aber insbesondere auf Grund der sowjetischen Intransigenz nicht mehr. Ost und West hatten wohl auch das Interesse daran verloren, zumal Chruschtschow eines seiner Ziele erreicht hatte, eine Einladung zu einer bilateralen Gipfelbegegnung nach Washington - zur Verärgerung Macmillans, der sich seit November 1958 für ein Treffen der Vier Mächte eingesetzt hatte, damit aber wieder und wieder am Widerstand de Gaulies und 73 74
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Vgl. hierzu auch Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.404. AA, Ministerbüro, Genfer Konferenz, 1959, Bd. 120: Genfer Konferenz - Erste Phase, ohne Datum. Ebd. In einer Regierungserklärung zur deutschen Außenpolitik nach der Genfer Außenministerkonferenz vor dem Deutschen Bundestag erklärte Außenminister von Brentano am 5.11.1959 zu den westlichen Berlin-Vorschlägen: „Diese Vorschläge waren mit gewissen Konzessionen verbunden - ich möchte das nicht verschweigen die sachlich bis an die Grenze des Möglichen gingen, aber diese Grenze nicht überschritten haben." Zit. nach: Brentano, Heinrich von, Deutschland, Europa und die Welt. Reden zur deutschen Außenpolitik, hrsg. von Franz Böhm, Bonn 1962, Bd. 1, S.314. Zit. nach: Haftendorn, Helga, Der Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz, Teil II, S.445. Vgl. Haftendorn, Helga, Sicherheit und Entspannung, S. 128. Vgl. dazu im einzelnen Haftendorn, Helga, Der Verlauf der Genfer Außenministerkonferenz.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
auch Eisenhowers gescheitert war - und die Aussicht auf einen Vierergipfel im Jahr 1960. Weil die Bundesregierung und vor allem Kanzler Adenauer selbst im Zusammenhang mit den Vorschlägen für eine Interimslösung für Berlin die ostwestlichen Verhandlungen in ein gefährliches Fahrwasser geraten sahen, wurde Bonn in der Endphase der Konferenz zum entschiedensten Befürworter eines westlichen Vorgipfels vor dem Treffen Chruschtschow - Eisenhower in den USA. Gerade weil die amerikanische Position in den Augen des Bundeskanzlers in der zweiten Konferenzhälfte zu so weitreichenden Konzessionen neigte, gerade weil „in einem Augenblick, in dem Moskau ohnehin dazu neigte, die eigene Stärke zu überschätzen, ( . . . ) Nikita S. Chruschtschow in Washington nicht mehr auf John Foster Dulles, sondern 'die Kombination Eisenhower - Herter' treffen" würde, 79 gerade weil es den Deutschen in Genf schwerer als jemals zuvor gefallen war, ein Zerbröckeln der westlichen Einheit und einen Ausverkauf deutscher Interessen zu verhindern, hielten Adenauer und auch Brentano ein Treffen der westlichen Regierungschefs vor Chruschtschows Reise für notwendig. 80 Doch zum gleichen Zeitpunkt, zu dem der deutsche Außenminister in einem langen Schreiben an den Bundeskanzler seine Besorgnisse über die amerikanische Position schilderte und, dies kontrastierend, die absolute Verläßlichkeit der französischen Politik unterstrich, 81 ergab sich in der Frage des westlichen Vorgipfels eine deutliche Differenz zwischen Bonn und Paris. Weil, so die französische Argumentation, das zeitliche Nacheinander von Vorgipfel und der Begegnung zwischen Eisenhower und Chruschtschow den Eindruck erwecken könnte, daß der US-Präsident als Sprecher des Westens agiere, und weil es außerdem eine Reihe von Fragen gebe, in denen Washington und Paris nicht übereinstimmten, lehnte de Gaulle ein Treffen der vier westlichen Regierungschefs kategorisch ab. 82 Eisenhower reagierte darauf mit dem Angebot, zu getrennten Gesprächen nach London und Paris zu kommen. An einen Besuch in Bonn war dabei zunächst nicht gedacht. Später erwog man in Washington eine Begegnung Eisenhower - Adenauer in England, ein Gedanke, den man auf Grund der gespannten Beziehungen zwischen Adenauer und Macmillan wieder fallen ließ.83 Der Bundeskanzler versuchte zunächst, um die westliche Ge79 80
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Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.277. So argumentierte Adenauer beispielsweise auch am 15.7.1959 gegenüber dem ehemaligen amerikanischen Hochkommissar John J. McCloy. Vgl. DDEL, Ann Whitman File, DullesHerter Series, Box 9, Herter, Chr. A . , July 1959 (2): Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 16.7.1959. Vgl. ein Schreiben Brentanos aus Genf an Adenauer vom 1.8.1959; in: Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S. 277-280. Vgl. DDEL, D D E Diary, Box 43, Folder Staff Notes, August 1959 (1) Memorandum of Conversation with the President, Teilnehmer: Secretary Herter, Secretary Dillon, Mr. Hagerty, Major Eisenhower, 7.8.1959. Vgl. ebd.
3. H e r a u s f o r d e r u n g d e G a u l l e
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schlossenheit zu retten, aber auch um den Eindruck zu vermeiden, daß nun die drei Westmächte Druck auf Bonn ausüben wollten, de Gaulle zum Einlenken zu bewegen. Auf dem verschlungenen Weg über BND-Chef Gehlen und CIADirektor Allen Dulles erreichte dann auch Eisenhower eine Botschaft des Bundeskanzlers mit der dringenden Bitte, wenn schon kein westlicher Gipfel zustande komme, doch wenigstens einen Besuch in Bonn in die bevorstehende Europareise zu integrieren.84 Unwillig, doch sich der politischen Notwendigkeit einer Rückversicherung Adenauers beugend, 85 nahm Eisenhower in seine Reisepläne einen kurzen, nicht einmal 24-stündigen Besuch in der Bundeshauptstadt auf. Am 26.121. August 1959 weilte er zu Gesprächen mit dem Bundeskanzler in Bonn. Die freundschaftliche Atmosphäre der Begegnung und das herzliche Willkommen, das die deutsche Bevölkerung dem amerikanischen Präsidenten bereitete, konnten nicht darüber hinwegtäuschen, daß es insbesondere in der Berlin- und Deutschlandfrage Positionsunterschiede zwischen Bonn und Washington gab, die schon in Genf nur notdürftig hatten überspielt werden können. Während Adenauer nach dem Ende der Genfer Konferenz erleichtert die Erhaltung des Status quo vor allem in Berlin zur Kenntnis nahm, ging in den USA, und zwar bis ins Weiße Haus, angesichts des Chruschtschow-Besuchs die Suche nach möglichen Kompromissen, Teillösungen oder Übergangsvereinbarungen weiter. Die unbewegliche, rein negative Haltung der Bundesregierung stieß in Washington, auch bei Eisenhower, auf immer stärkere Kritik.86 Das Bemühen, Bonn zu konstruktiven Vorschlägen in der Berlin- und Deutschlandpolitik zu bewegen, wurde so zu einem der wichtigsten Ziele des 84
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In der Botschaft Adenauers an Eisenhower hieß es im einzelnen: „Proposed plan whereby Eisenhower to visit only Paris and London for bilateral consultations and see Adenauer only in course of or at conclusion his consultation with Macmillan would result in more than public opinion drawing conclusion that FedRep (sic!) could be subjected to pressure. It would also give rise to general impression that previous cooperation between three Western powers and FedRep on basis of complete parity had come to end and that FedRep regarded now only more or less political football of Big Three. Such development would be less than justified politically since Germany and Berlin question remain among critical issues in world wide conflict East and West. Moreover it not possible overlook fact that Khrushchev as result such development could have feeling he had achieved one of main points his policy namely beginning of isolation F e d R e p and its reduction to second class power. Should it actually not be possible arrange four power conference there remains only single means avoid creating disastrous impression that there has been complete reversal present Western political coalition: President Eisenhower would have to restrict his trip to strictly bilateral consultations and in addition to visits Paris and London also include visit Bonn." Ebd. So der Präsident in einem Schreiben an den britischen Premierminister. Vgl. D D E L , D D E Diary, Box 44, Folder D D E Dictation August 1959: Memorandum for the Secretary of State, Revised draft of the message to Macmillan, 7.8.1959. Vgl. D D E L , Office of the Staff Secretary, Subject Series, State Department Subseries, Box 3, Folder State Department - 1959 (May - September) (5): Memorandum of Conference with the President, Teilnehmer: Secretary Herter, Secretary Murphy, Secretary Merchant, Mr. Ivan White, General Goodpaster, Major Eisenhower, 21.8.1959.
112
I. Im Schatten der Berlin-Krise
Eisenhower-Besuchs, und der Präsident selbst ließ keinen Zweifel daran, daß er, wie schon Dulles im Februar, Adenauer nach konkreten Vorschlägen fragen würde. 87 Dies geschah dann auch im Verlauf des zweiten Gesprächs unter vier Augen zwischen Kanzler und Präsident am 27. August. Doch Adenauers Antwort blieb ausweichend. Während er, was die deutsche Wiedervereinigung betraf, seine bereits 1958 im Bundestag und seitdem immer wieder vertretene Position wiederholte, daß es ihm nicht primär um die Wiedervereinigung gehe, sondern um die Freiheit der Menschen in der DDR, verwies er bezüglich Berlins eindeutig auf die Rechte und Verantwortlichkeiten der drei Westmächte. 88 Adenauer, dem offensichtlich auch die unnachgiebige Position de Gaulles in diesen Fragen den Rücken stärkte, beharrte auf seiner Position, ohne den amerikanischen Interessen auch nur ein Stück entgegenzukommen. Eisenhowers Besuch am Rhein trug so nicht zu einer Überwindung der deutschamerikanischen Vertrauenskrise bei, sondern verstärkte möglicherweise sogar die Entfremdung zwischen Washington und Bonn. 89 Neben der Berlin- und Deutschlandpolitik waren jedoch während Eisenhowers Stippvisite auch Frankreich, Staatspräsident de Gaulle und seine Politik ein wichtiges Gesprächsthema. Die deutsch-amerikanischen Unterredungen liefern uns aufschlußreiche Erkenntnis in zweifacher Beziehung: zum einen über die Bedeutung, welche die USA den deutsch-französischen Beziehungen noch immer beimaßen; zum anderen darüber, wie die Bundesrepublik und speziell der Bundeskanzler nun begannen, sich gegenüber den USA für französische Interessen zu verwenden und sich damit de Gaulles Investition in das deutsch-französische Verhältnis auszuzahlen anfing.
1.3.3.
Washington
im deutsch-französischen
Dilemma
Prämisse der Politik Washingtons angesichts der amerikanischen Haltung in bezug auf die europäische Integration und, in deren Zentrum, die Fortentwicklung der deutsch-französischen Beziehungen, war - trotz aller Spannungen im 87
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Im Protokoll einer Vorbesprechung des Bonn-Besuchs heißt es: „The President said he is going to ask Adenauer to state what is his constructive plan for handling the German /Berlin problem for the next three or four years." DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, Folder State Department - 1959 (May - September) (5): Memorandum of Conversation with the President, Teilnehmer: Secretary Herter, General Goodpaster, 24.8.1959. Vgl. auch ein Briefing Paper des State Department für den Präsidenten: DDEL, Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit - Aug. 27-28, 1959. Vgl. D D E L Library, Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit, August 27-28, 1959: Memorandum of Conversation, Teilnehmer: President Eisenhower, Chancellor Adenauer, Dr. Heinz Weber (interpreter), 27.8.1959. Dies im Unterschied zu Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.104. Der Autor folgt hier eher der kritischeren Einschätzung von Waldemar Besson, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.235f.
3. Herausforderung de Gaulle
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Feld der Berlin- und Deutschlandpolitik - die Aufrechterhaltung enger und guter Beziehungen zur Bundesrepublik. 90 Nicht nur weil Konrad Adenauer die enge Westintegration der Bundesrepublik durch Einbindung in NATO und die Europäischen Gemeinschaften mit seiner eigenen und der politischen Zukunft seiner Partei verbunden habe, sondern auch aus vitalem Selbstinteresse der USA, sollte der Präsident, so legte ihm das State Department nahe, dem Bundeskanzler versichern: „ ( . . . ) that the United States continues to strongly support European integration and will use its influence to advance this aim." 91 Doch genau an diesem Punkt, dem Einwirken Washingtons auf die europäische Politik, ergab sich für die Bundesregierung, die ein doppeltes Interesse an engen deutsch-amerikanischen und deutsch-französischen Beziehungen hatte, auf Grund der politischen Ziele de Gaulies ein Dilemma. Dieses blieb auch der amerikanischen Führung nicht verborgen. In einer Einschätzung des deutschfranzösischen Verhältnisses heißt es: „In this year, however, there has been some lessening of harmony as de Gaulle has sought to find a greater place in the world beyond the European frame thus pointing up for the Germans the likelihood that they will soon have to cope with openly contradictory policies within the alliance ( . . ,)." 92 Doch noch sei, so offensichtlich die Einschätzung der Amerikaner, der Konflikt nicht aufgebrochen, und gerade der gewachsene deutsche Einfluß auf de Gaulle könne den Interessen des Westens zunutze gemacht werden: „He (Adenauer; ec) should be urged to use his influence with de Gaulle to encourage wholehearted French acceptance of NATO as the main and primary instrument for developing and carrying out politico-military policies reflecting the common interests of the nations of the Atlantic Alliance." 93 Seit seiner Regierungsübernahme im Juni 1958 hatte de Gaulle nicht nur die in seiner Sicht amerikanische Dominanz in der NATO kritisiert und sich für eine stärkere Beteiligung der Europäer an den Entscheidungsprozessen der Allianz ausgesprochen, wenn auch unter Umständen nur in der Form des von ihm im September 1958 vorgeschlagenen Dreier-Direktoriums. Eine zusätzliche Belastung erfuhren die französisch-amerikanischen Beziehungen zur gleichen Zeit durch den Algerien-Konflikt. Während sich die USA, ganz im Sinne des traditionellen amerikanischen Anti-Kolonialismus, für die völlige Unabhängigkeit Algeriens einsetzten, die Ziele der FLN unterstützten und, bereits zu Zeiten der IV. Republik, die französische Politik massiv kritisierten, ver90
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In einem Briefing Paper des State Department für Präsident Eisenhower vom 21.8.1959 heißt es zusammenfassend: „All in all the Federal Republic is actually and potentially one of the soundest and strongest members of the European Community, whose continuing support and loyalty is vital to American interests." NA, 762.00/8-2159: Foy Kohler an Secretary of State, 21.8.1959, Some Basic Factors in the German Situation. DDEL, Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit - August 27-28, 1959: President's Trip to Europe, August-September 1959: Talks with Chancellor Adenauer of Germany, 22.8.1959. Ebd. Ebd.
114
I. Im Schatten der Berlin-Krise
folgte de Gaulle seit dem Sommer 1958 einen Kurs, der behutsam und in vielen kleinen Schritten zur algerischen Unabhängigkeit führen sollte, ohne die Bindungen an Frankreich zu zerstören und ohne einem von Moskau gestützten Nationalismus nach dem Vorbild des Ägyptens Nassers Tür und Tor zu öffnen. 94 Den Amerikanern, die deutlich den Quid-pro-quo-Charakter der deutschfranzösischen Beziehungen erkannten, war schon vor dem Bonn-Besuch Eisenhowers klar, daß Adenauer den Präsidenten bitten würde, die Politik de Gaulles in Algerien zu unterstützen. 95 Und in der Tat thematisierte Adenauer im Verlaufe seiner Unterredungen mit dem US-Präsidenten mehrfach die Algerien-Frage. Während er eher allgemein gehalten den liberalen und konstruktiven Ansatz der de Gaulleschen Algerienpolitik betonte, der die Unterstützung des Westens verdiene, forderte er daneben die USA ganz konkret auf, eine Verurteilung des französischen Vorgehens in Algerien durch die Vereinten Nationen zu verhindern. 96 Die Politik de Gaulles in Algerien sei, so führte Adenauer weiter aus, angesichts der kommunistischen Gefahr eine Politik im Interesse des gesamten Westens. Eisenhower geradezu beschwörend, zeichnete Adenauer, von seinen tiefsten Überzeugungen und ärgsten Befürchtungen gespeist, ein dramatisches Bild: „The Algerian problem is a European problem. If Algeria comes under Communist domination - and the rebels now obtain a good part of their weapons from Communist sources - then the Communists would obtain a foothold in the Mediterranean area. This would have a serious effect. Italy and France would go Communist. ( . . . ) If the Mediterranean area goes Communist, that will mean the end of Europe." 97 Eisenhower jedoch blieb unbeeindruckt, skizzierte kurz und prägnant die amerikanischen Prinzipien der gewaltfreien Lösung von Konflikten und des Anti-Kolonialismus, die es schwer machten, de Gaulle bezüglich Algeriens einen Blanko94
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Vgl. hierzu ausführlicher Vaïsse, Maurice, Le poids de la guerre d'Algérie dans la politique extérieure de la France (1958-1962), in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 6, S. 115-120; ders., La politique française à l'égard de l'OTAN (1956-1958): continuité ou rupture?, in: ebd., Bd. 4, S.71-83; Bozo, Frédéric, La France et l'OTAN. D e la guerre froide au nouvel ordre européen, Paris 1991. Vgl. DDEL, White House Office , Office of the Staff Secretary, Subject Series, State Department Subseries, Box 3, Folder State Department - 1959 (May-September) (5): Memorandum of Conversation with the President, Teilnehmer: Secretary Herter, Secretary Murphy, Secretary Merchant, Mr. Ivan White, General Goodpaster, Major Eisenhower, 21.8.1959. Vgl. DDEL, Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit, August 27-28, 1959, President's Trip to Europe, August-September 1959: Memorandum of Conversation, Meeting between President Eisenhower and Chancellor Adenauer with Senior Advisors Present, 27.8.1959. D D E L , Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit, August 27-28, 1959: Memorandum of Conversation, Private Meeting between President Eisenhower and Chancellor Adenauer, 27.8.1959.
3. Herausforderung de Gaulle
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Scheck auszustellen.98 Interessanterweise befand sich Eisenhower damit völlig auf der Linie des deutschen Auswärtigen Amtes, dem es jedoch nicht gelungen war, den Bundeskanzler von seiner nahezu bedingungslosen Befürwortung der Algerienpolitik de Gaulies abzubringen. 99 Ex post jedoch erscheint die Position Adenauers durchaus konsequent und nachvollziehbar, und dies nicht nur auf Grund seiner antikommunistischen Grundüberzeugung. Je stärker der Kanzler die amerikanische Führung sich von den gemeinsamen Grundlagen der Berlinund Deutschlandpolitik wegbewegen sah, und dafür war nach seiner Einschätzung Genf ein klares Indiz gewesen, desto mehr bedurfte er der französischen Unterstützung, um sein berlin- und deutschlandpolitisches „Kartenhaus" (Hans-Peter Schwarz) vor dem Einstürzen zu bewahren. In dieser Situation war es für de Gaulle ein Leichtes, den Bundeskanzler für die Ziele französischer Politik zu instrumentalisieren: im Zusammenhang mit der antibritischen Wendung der europäischen Integration, wie weiter oben gezeigt, und nun auch hinsichtlich Algeriens. Von einer gleichberechtigten Partnerschaft war das deutsch-französische Verhältnis weit entfernt, denn nur wenige Tage nach Adenauers massivem Einsatz zugunsten französischer Interessen kam de Gaulle in seinen Pariser Gesprächen mit Eisenhower seinem Ziel des Dreier-Direktoriums entscheidende Schritte näher. Washington bot Paris an, künftig trilateralen Besprechungen über Weltprobleme mit den anderen beiden Ländern mit globalen Verantwortlichkeiten zuzustimmen. Im Protokoll der entsprechenden Unterredung zwischen Eisenhower und de Gaulle heißt es: „The President (Eisenhower; ec) said that, with regard to tripartite consultations, we were happy to confer in this framework, informally, as we had always consulted with the British, regarding matters beyond NATO area. We were quite ready to discuss world problems with the other two countries having worldwide responsibilities, and we could establish ad hoc tripartite staff committees to discuss individual problems, for example. We could consult as seems fit on any matter brought up by one of the three. We should not formalize these arrangements as this would cause trouble with our other allies. Likewise, our arrangements should not affect NATO." 100 Zur Verärgerung Adenauers fand diese Praxis selbst in den Fragen der westlichen Berlin- und Deutschlandpolitik Anwendung, wie die trilateralen Unterredungen vor dem westlichen Gipfel in Paris im Dezember 1959 und vor dem Vier-Mächte-Gipfeltreffen in Paris im Mai 1960 zeigten. Gerade auch vor diesem Hintergrund konnte ein Brief Adenauers an Eisenhower nach dessen Rückkehr in die USA, in dem der Kanzler den Besuch des 98
Vgl. ebd. Vgl. DDEL, Herter Papers, Box 7, Chronological File, August 1959 (1): Memorandum of Conversation with Ambassador Grewe, 27.8.1959. 100 D D E L , Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Paris Visit, September 2-4, 1959 (2) President's Trip to Europe, August-September 1959: Memorandum of Conversation Eisenhower - de Gaulle, 2.9.1959 (Hervorhebung im Original).
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Präsidenten als einen „vollen Erfolg" bezeichnete und die „völlige Übereinstimmung in der Beurteilung der uns betreffenden Fragen" 101 unterstrich, über die Spannungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis nicht hinwegtäuschen.102 Die Monate zwischen Chruschtschows Berlin-Ultimatum im November 1958 und dem Ende der Genfer Außenministerkonferenz im August 1959 waren ein Wendepunkt in der Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen. 103 Der ergebnislose Verlauf der Außenministerkonferenz und Eisenhowers Kurzvisite in Bonn hatten die deutsch-amerikanischen Spannungen zwar vorerst in den Hintergrund treten lassen. Gelöst indes waren die potentiellen Konflikte keineswegs. Doch einmal mehr maß Washington den Rissen im Verhältnis zwischen Bundesrepublik und USA nur untergeordnete Bedeutung bei: zum einen auf Grund der nach wie vor unveränderten - und im Kern auch zutreffenden - Grundannahme, daß die Bundesrepublik wegen ihres Sicherheitsbedürfnisses stets zu vermeiden versuchen werde, vor die Wahl zwischen Paris und Washington gestellt zu werden, im Zweifelsfalle aber ohne Frage den USA folgen und die amerikanische Politik unterstützen werde; 104 zum anderen auf Grund des politischen Wertes, den für Washington enge und freundschaftliche deutsch-französische Beziehungen noch immer hatten. Klarer als in voraufgegangenen Analysen erkannte man aber in der zweiten Jahreshälfte 1959, daß das Bonner Interesse an einem starken Frankreich und an einem engen deutsch-französischen Verhältnis auch von einem deutschen Bestreben herrührte, die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren: „A strong France means a strong Europe and ultimately the augmentation of the Federal Republic's security from the East. A weak France, badly governed, socially disorganized, whose economy continually must be shored up almost means the isolation of the Federal Republic on the continent. Implicit in a weak France is too absolute a degree of dependence of the Federal Republic on the United States for support." 105 Doch diesen Preis, das der deutsch-französischen Freundschaft 101
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103
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105
Vgl. DDEL, Ann Whitman File, International Series, Box 14, Folder Adenauer, 1959 (1): US Embassy Bonn an Secretary of State, Following text letter from Chancellor Adenauer to President Eisenhower, 11.9.1959. Dies auch im Gegensatz zu der eher positiven Gesamteinschätzung des Bonn-Besuchs Eisenhowers bei Schwarz, der jedoch in seiner Adenauer-Biographie sein früheres Urteil m . E . schon leicht relativiert. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.104; ders., Adenauer. Der Staatsmann, S. 535-537. Auch der These Lothar Riihls, wonach die Berlin-Krise das Aufbrechen der allianzinternen Krise um einige Jahre, d. h. bis 1963, verzögerte, ist so nicht zuzustimmen. Allenfalls schuf die Krise eine Scheinübereinstimmung, insbesondere nach außen. Vgl. Rühl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis, S.67. Wenn auch nicht mit der gleichen Betonung, ist hier im Kern durchaus der Einschätzung Bandulets zuzustimmen. Vgl. Bandulet, Bruno, Adenauerzwischen West und Ost, S. 155f. Vgl. NA, 651.62A/9-1859: Foreign Service Dispatch, American Embassy Bonn an Department of State, Franco-German Relations: A Current Assessment, 18.9.1959. Ebd.
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insbesondere seit der Regierungsübernahme de Gaulles innewohnende Risiko, waren die USA zu akzeptieren bereit. Auch im Herbst 1959 sah man in Washington nicht nur die Verbindung zwischen europäischer Integration und deutsch-französischer Freundschaft, sondern auch die Funktion dieser beiden politischen Ziele zur Erreichung eines dritten: der festen Einbindung Deutschlands in den Westen, der Verhinderung deutscher Schaukelpolitik zwischen Ost und West: „Integration was to provide a European system which could give the people of Europe great benefits, economically, socially, and in terms of European security. Integration was envisioned as fostering the general development and cohesion of the countries of Europe ( . . . ) . Tying truncated Germany into this process was essential given her potential strength and influence and the dangerous role she might play in European and world politics were she to stand alone on the continent and thus be tempted to play a game between East and West." 106 Die amerikanische Analyse wies zwar in ihrem weiteren Verlauf auf in der Bundesrepublik geäußerte Zweifel an der Zukunft der deutsch-französischen Beziehungen vor dem Hintergrund der gaullistischen Politik hin: Habe nicht bereits die sogenannte „Achse Bonn - Paris" die NATO erschüttert, die Einheit des Westens in Frage gestellt, zur Entfremdung Großbritanniens von Kontinentaleuropa geführt und de Gaulle in seinem Versuch bestärkt, mit Hilfe eines NATO-Dreier-Direktoriums der Führer Europas zu werden? Sei es nicht so, werde in Bonn gefragt, daß de Gaulles nationalistische Ambitionen früher oder später in Konflikt mit den Vereinigten Staaten treten müßten, die jedoch allein die Sicherheit Europas wirksam garantieren könnten? 107 Das Urteil der US-Botschaft in Bonn ging jedoch eher dahin, daß sich am derzeitigen Stand der deutsch-französischen Beziehungen auf absehbare Zeit nichts ändern werde: „Certain vital German interests are being accommodated by the present relationship. First, the Federal Republic would hesitate to take any actions which might alienate the present French government in these trying times when Berlin and the German question are in the forefront of international councils. Second, a strong and internally viable France is vital to the Federal Republic and there is no practical political alternative to de Gaulle's trying to accomplish this objective. Third, the relationship of the two countries is close and intertwined, but vital foreign policy decisions are made by two men, one in each country, whose personal relationship is of relatively short duration and the Chancellor has no effective direct means of bringing pressures on the General to change his objectives except through persuasion." 108 Dreh- und Angelpunkt dieser und anderer amerikanischer Einschätzungen des deutsch-französischen Verhältnisses blieb in jedem Falle bis Ende 1959 die Grundannahme, daß deutsch-amerikanische und deutsch-französische 106 107 108
Ebd. Vgl. ebd. Ebd.
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Beziehungen nicht zwei alternative außenpolitische Optionen darstellten, sondern vom Ansatz her komplementär waren. Noch Ende 1959 betrachteten die USA die Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft als Voraussetzung und zentralen Bestandteil der europäischen Integration. Einer Integration freilich, die am Ende nicht eine „Europäisierung" Europas und dessen Loslösung aus dem transatlantischen Verbund mit den USA anstrebte, nicht das Ziel einer „Dritten Kraft Europa" zwischen den beiden Supermächten verfolgte, sondern durch Erhöhung des europäischen Kräftepotentials innerhalb der westlichen Gemeinschaft diese Gemeinschaft insgesamt zu stärken suchte. Gleichzeitig sollte das solchermaßen integrierte Europa die amerikanische Bündnisvormacht entlasten, ohne dabei indes deren Hegemonialposition in Frage zu stellen oder zu schwächen. Ganz zentral war es den Vereinigten Staaten darum zu tun, einen geringeren ökonomischen Preis für ihre Hegemonie zu bezahlen, dabei aber den Aufstieg potentieller Hegemonialrivalen zu verhindern. Weil die Bundesrepublik Deutschland als europäischer Hegemon ausschied, blieben als mögliche Konkurrenten nur Großbritannien und Frankreich übrig. Während Großbritannien in der special relationship seit 1945 und verstärkt nach 1956 Teilhabe an der amerikanischen Hegemonie suchte, auch um seinen relativen Niedergang abzufedern, 109 fand sich das Frankreich der IV. Republik mit einem Mittelmachtstatus ab, der allerdings in der französischen Rolle als Motor und Führer der Sechserintegration und in der Statusdifferenz gegenüber der aufsteigenden Mittelmacht Bundesrepublik zwei besondere Charakteristika hatte. Diesen zwar hervorgehobenen, aber dennoch sekundären Rang war de Gaulle nicht zu akzeptieren bereit. Weil er Frankreichs Rolle in der Führung eines Kontinentaleuropa sah, das frei war von amerikanischem Einfluß, erhielten unter ihm Begriffe wie „Europäisierung Europas" oder „Dritte Kraft Europa" eine neue Bedeutung. Für de Gaulle hatte nun auch die europäische Integration anderen Zielen zu dienen. Sie hatte das weltpolitische Gewicht Europas gegenüber Sowjetunion und USA zu erhöhen, und sie hatte Frankreich auch die politische und ökonomische Basis seiner Großmachtpolitik an die Hand zu geben. Anderenfalls verlor sie in den Augen des Generals ihren Nutzen. In diesem fundamentalen Wandel veränderte sich auch die Bedeutung der deutsch-französischen Beziehungen. Es brauchte jedoch nach der Regierungsübernahme de Gaulles Zeit, bis insbesondere Washington erkannte, wie mit den tiefgreifenden Veränderungen in Frankreich auch das deutsch-französische Verhältnis, was seine Funktion und Zielsetzung betraf, einen neuen Gehalt erhielt. Angesichts der Ost-West-Spannungen um Berlin trat dieser weitreichende Wandel zunächst in den Hintergrund. In Washington wurde er höchstens in Ansätzen und keinesfalls in Erkenntnis seiner möglichen Folgen für die 109
Vgl. hierzu beispielsweise Reynolds, David, Britannia Overruled. British Policy and World Power in the Twentieth Century, London/New York 1991, v.a. S. 173-237.
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amerikanisch-europäischen Beziehungen registriert. Dies erklärt das nahezu unbeirrte Festhalten der USA an der Unterstützung der deutsch-französischen Aussöhnung während des ganzen Jahres 1959. Demgegenüber waren sich Adenauer und de Gaulle seit Colombey über den veränderten Charakter der bilateralen Beziehungen im Klaren. Das deutsch-französische Quid pro quo wurde eine entscheidende Komponente der europäischen und der europäisch-amerikanischen Politik in den Monaten der Berlin-Krise. Freilich blieben auch de Gaulle durch den unmittelbaren Druck der Krise die Hände gebunden. 110 Auch darum verlief die Europa- und Bündnispolitik 1959 mit Ausnahme der Ausgliederung der französischen Mittelmeerflotte aus dem NATO-Kommando, die immerhin noch mit der Situation in Algerien erklärt werden konnte, äußerlich in eher ruhigen Bahnen. Für 1960 mußten dann allerdings neue französische Schritte zu erwarten sein. Was die französische Politik als solche betraf, so war man sich in Washington ihres Schadenspotentials für die Einheit und Stärke des Westens durchaus bewußt. Die amerikanischen Annahmen des Jahres 1958, nach denen das Frankreich de Gaulies das westliche Bündnis und die USA vor außerordentliche Herausforderung stellen würde, bestätigten sich in den ersten 18 Monaten der Amtszeit des Generals erst als Minister-, dann als Staatspräsident. Der sowjetische Griff nach Berlin und der damit verbundene Zwang zu westlicher Geschlossenheit ließen es der amerikanischen Führung geboten erscheinen, auf die französische Herausforderung nicht mit Gegendruck zu reagieren, sondern nach Möglichkeit entgegenkommend und verständnisvoll. Dies entsprach den frankreichpolitischen Maximen der USA, wie sie noch im November 1959 das Grundsatzpapier NSC 5910/1 „U.S. Policy on France" formulierte. Ziele der amerikanischen Politik gegenüber Frankreich waren demnach zuvorderst: „Maintenance of close U.S.-French relations, and French policies generally in consonance with our own. ( . . . ) Development of France as a stronger, more constructive and stable force in the Free World . ( . . . ) Increased French support for measures that will strengthen the integrated defense of Western Europe, fulfill the French commitments to NATO, and continued availability to the United States of military facilities and lines of communications in France. ( . . . ) Close French cooperation with the Western European states in all fields, and in particular with West Germany. Successful implementation and evolution of the European Community Treaties." 111 Vor dem Hintergrund dieser Ziele formulierte das NSC-Papier folgende politische Richtlinien: "Seek maxi110
111
Vgl. hierzu Grosser, Alfred, Frankreich und seine Außenpolitik, S.223f. Grosser betont, daß immer dann, wenn die Sowjetunion Druck auf den Westen ausübte und damit auch die französische Freiheit und Unabhängigkeit gefährdete, Frankreich der zuverlässigste Verbündete der USA gewesen sei. Bei Nachlassen des sowjetischen Drucks jedoch habe Frankreich innerhalb des westlichen Lagers sofort versucht, seine Unabhängigkeit gegenüber den USA zu bewahren oder zu erweitern. N A , RG 273: NSC 5910/1, U.S. Policy on France, 4.11.1959.
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mum French support for U.S. positions and objectives. To this end, consult with the French Government to the extent feasible on current issues of international importance and coordinate where possible our respective policies. Support French initiatives which are in the overall U.S. interest. Where, on occasion, it becomes necessary to oppose French policies, make such opposition known privately to the French so far as possible and, where feasible, offer constructive alternatives and seek French support thereof. ( . . . ) Continue particularly to coordinate with the French our policies with regard to the Soviet Union and German reunification. Make every effort to dispel any impression that the United States might seek bilaterally to reach agreement with the USSR on matters of direct concern to France. ( . . . ) Bearing in mind the importance of French cooperation to the Western alliance, seek to be responsive to de Gaulle's major requests: nuclear cooperation, tripartite strategic planning and support of French policies in North Africa, so far as consistent with basic national policies and the overall U.S. interest." 112 Diese Politik ging freilich davon aus, daß de Gaulle auf amerikanisches Entgegenkommen, auf amerikanische Unterstützung französischer Ziele im Sinne der oben skizzierten amerikanischen Erwartungen reagieren würde. Das heißt: Washington sah zwar auf der einen Seite die Gefahren des Vorgehens de Gaulles für die Aufrechterhaltung der amerikanischen Hegemonie in Europa. Man glaubte jedoch, diesen ohne scharfen hegemonialen Gegendruck begegnen zu können. Dabei verkannte man, daß de Gaulle nicht nur konkrete europa- oder bündnispolitische Ziele anstrebte, bei deren Verfolgung ihn die USA in der Tat hätten unterstützen können, sondern daß er, weit darüber hinausgehend, die Hegemonialposition der USA in Europa zu beenden und durch eine kontinentaleuropäische französische Hegemonie zu ersetzen suchte. Ohne es zunächst zu bemerken, leistete die amerikanische Politik der Konzilianz und des Entgegenkommens, wie sie sich beispielsweise in NSC 5910/1 widerspiegelte, de Gaulle bei der Erreichung seiner gegen die Vereinigten Staaten und auf eine französische Vormachtstellung in Europa gerichteten Zielsetzung Vorschub, indem sie Frankreichs Position stärkte und damit das französische politische Gewicht, dessen de Gaulle zur Realisierung seiner Interessen bedurfte, erhöhte.
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Ebd.
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1.4. Der engagierte Beobachter: Die USA und die Bonner Präsidentschaftskrise 1959 1.4.1. Wohin treibt die Union? Washington und die innenpolitische Landschaft der Bundesrepublik Im September 1959 konstatierte die amerikanische Botschaft in der Bundesrepublik in einer Analyse zum Stand der deutsch-französischen Beziehungen: „It has taken time for the implications of French foreign policy actions and objectives to sink in. Today, in the press and among the politically vocal, more and more questions are being asked about the state of Franco-German relations as France's nationalistic aspirations and Prime Minister Debre's demands tend to shake the NATO alliance and to foster disunity in the Western world. It is asked whether the so-called Bonn-Paris Axis has not caused a serious alienation of Britain from the continent and whether it has not given de Gaulle confidence in his attempt to seek a Three Power Directorate in NATO and support for his efforts to become the leader of Europe. ( . . . ) Indeed, it has been asked whether it is wise to support the nationalistic aspirations of de Gaulle who will in the view of some Germans ultimately have to clash with the United States upon whose power and reliability European security now rests." 1 Der Befund der Bonner Botschaft legt die Vermutung nahe, daß die enge deutsch-französische Verbindung bei gleichzeitig spürbarer Entfremdung zwischen Bonn und Washington aus verschiedenen Gründen, unter anderem der Abgrenzung gegenüber Großbritannien halber, nicht von allen deutschen Politikern uneingeschränkt begrüßt wurde, daß nicht alle in vollem Umfang die diesbezüglichen Positionen Konrad Adenauers teilten. Dies galt nicht nur für die Meinungsunterschiede zwischen Regierungslager und Oppositionsparteien, sondern auch für divergierende Auffassungen innerhalb der Unionsparteien, die im Laufe der Frühjahrs- und Sommermonate 1959 zutage traten. Innerparteiliche Konflikte, welche später, ab 1962/63, mit dem Schlagwort „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse charakterisiert werden sollten, zeigten sich bereits 1959. Vor dem Hintergrund einer komplexen Ost-West-Krise, kulminierend in den Wirrungen der Genfer Außenministerkonferenz, löste die Kandidatur Adenauers für das Amt des Bundespräsidenten innerhalb der Union eine Kontroverse aus, die über personelle Fragen hinaus grundsätzliche Positionen und Positionsunterschiede in Kernfragen der deutschen Außenpolitik deutlich werden ließ. Neben der Frage nach dem Inhalt dieser Divergenzen ist im folgenden auch auf deren Bewertung durch die USA einzugehen. Politische Differenzen innerhalb der Union - zwischen Bundeskanzler und Parlamentsfraktion, zwischen verschiedenen Parteiflügeln oder zwischen ein1
NA, 651.62A/9-1859: American Embassy Bonn an Department of State, subject: FrancoGerman Relations: A Current Assessment, 18.9.1959.
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zelnen Persönlichkeiten des Regierungslagers - in Grundfragen der Außenpolitik, über Westintegration, Wiederbewaffnung und Wiedervereinigung hatte es seit 1949 gegeben. 2 Auch die sich seit 1958 ergebenden Meinungsverschiedenheiten in Fragen der Ost- und Deutschlandpolitik stellten sich zunächst nicht anders dar als vergleichbare Kontroversen der Vorjahre. Aus drei Gründen jedoch unterschieden sich die parteiinternen Auseinandersetzungen insbesondere des Frühjahrs und Sommers 1959 von voraufgegangenen Konflikten: Zum einen wurden sie ausgetragen vor dem Hintergrund einer großen OstWest-Krise, in deren Zentrum die Berlin- und Deutschlandfrage stand. Die Krisensituation wirkte jedoch 1958/59 nicht mehr nur, wie vormals, politisch disziplinierend, sondern förderte, im Gegenteil, unter dem Druck des sowjetischen Ultimatums unterschiedliche Reaktionen und Auffassungen zutage. Zum zweiten ging, wie weiter oben gezeigt, in den ersten Monaten der BerlinKrise erstmals seit 1949 der bis dahin nahezu unbedingte ost- und deutschlandpolitische Konsens zwischen der Bundesregierung und dem wichtigsten deutschen Bündnispartner, den USA, verloren. Das deutsch-amerikanische Verhältnis nahm beträchtlichen Schaden, und insbesondere Bundeskanzler Adenauer, der vordem innen- und parteipolitisch mit dem Pfunde der Unterstützung seiner Politik durch Washington bzw. dem Gleichklang der westdeutschen und amerikanischen Interessen hatte wuchern können, genoß nicht mehr die amerikanische Rückendeckung der Vorjahre. Zum dritten koinzidierten Ost-West- und Bündniskrise mit einer tiefen innen- und parteipolitischen Krise des Bundeskanzlers, verbunden mit einem spürbaren Autoritätsverlust des Unionspatriarchen. Adenauers Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten ist in der Forschung vielfach und zu Recht als Anfang vom Ende der Ära Adenauer bezeichnet worden. 3 Im Frühsommer 1959 also stritt die Union nicht nur um Grundfragen der Ost- und Deutschlandpolitik, sondern sie haderte auch mit sich selbst, mit dem Kanzler und Parteivorsitzenden und verstrickte sich in den die Geschlossenheit einer Partei immer belastenden Wirren innerparteilicher Personaldiskussionen. 4 2
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Vgl. zum Beispiel Baring, Arnulf, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, München/Wien 1969; Doering-Manteuffel, Anselm, Konrad Adenauer - Jakob Kaiser - Gustav Heinemann: Deutschlandpolitische Positionen in der CDU, in: Weber, Jürgen (Hrsg.), Die Republik der fünfziger Jahre. Adenauers Deutschlandpolitik auf dem Prüfstand, München 1989, S. 18-46; Zitelmann, Rainer, Adenauers Gegner. Streiter für die Einheit, Erlangen 1991. Vgl. u.a. Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.227; Doering-Manteuffel, Anselm, Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, S.231; ders., Strukturmerkmale der Kanzlerdemokratie, in: Der Staat 30 (1991), S. 1-18, hier S. 10; Niclauß, Karlheinz, Kanzlerdemokratie. Bonner Regierungspraxis von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, Stuttgart/ Berlin/Köln/Mainz 1988, S.32f.; Sontheimer, Kurt, Die Adenauer-Ära. Grundlegung der Bundesrepublik, München 1991, S.59f. Auch für die Jahre vor 1959, speziell 1957/58, kann sich der Verfasser nicht der Meinung von Pridham anschließen, wonach die C D U im Bereich der Außenpolitik am geschlossensten gewesen sei. Zwar ist es richtig, daß der von Pridham konstatierte ideologische Grundkon-
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Die Risse im ost- und deutschlandpolitischen Konsens innerhalb der C D U / CSU hatten sich bereits um die Jahreswende 1957/58 gezeigt. Sie gingen einher mit einem von Adenauer abgelehnten Bemühen von Teilen der Unionsfraktion, die SPD an außenpolitischen Entscheidungsprozessen stärker zu beteiligen und einen intensiveren Dialog mit den Sozialdemokraten zu pflegen. Eine erste bittere Niederlage in der Fraktion erlitt der Bundeskanzler, als diese am 28. November 1957 mehrheitlich der Wahl Herbert Wehners zum Vorsitzenden des Gesamtdeutschen Ausschusses des Bundestages zustimmte. Nicht nur CDU/CSU-Fraktionschef Heinrich Krone versagte diesmal Adenauer die Gefolgschaft, sondern eine ganze Reihe außenpolitisch profilierter Unionsparlamentarier: Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, Kurt Georg Kiesinger, Hans Furier, Hermann Höcherl und Ernst Majonica. Gestützt wurde Adenauer hingegen von Innenminister Gerhard Schröder, Richard Jaeger, FranzJosef Wuermeling und Theodor Blank. 5 Die außenpolitische Bundestagsdebatte vom 23. Januar 1958 bescherte dem Regierungslager und, deutlicher als je zuvor, dem Bundeskanzler persönlich eine klare und auch den Augen einer breiten Öffentlichkeit nicht verborgen bleibende politische Niederlage. D e m „Trommelfeuer, das die angreifende Opposition gegen die Regierung und die herrschende Partei richtete", einem „Sündenregister der Fehler, Versäumnisse, Täuschungsmanöver, Illusionen und verfehlten Zielvorstellungen der Adenauerschen Außenpolitik" 6 hatte die Regierungsfraktion wenig, der Bundeskanzler nichts entgegenzusetzen. 7 Adenauer trug seither „unwidersprochen das
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6
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sens der Partei zu relativer Geschlossenheit verhalf, und daß progressive oder konservative Parteiflügel im Bereich der Sozial- oder Wirtschaftspolitik für die Außenpolitik nicht relevant wurden. Doch es existierten in der Union, wie gezeigt, durchaus unterschiedliche Strömungen vor allem in der Berlin-, Deutschland- und Ostpolitik, aber auch, wie weiter unten dargelegt werden wird, in der Europapolitik. Auch die These Pridhams, daß außenpolitische Geschlossenheit Meinungsunterschiede in der Innenpolitik ausgleiche, ist deshalb mit einem Fragezeichen zu versehen. Vgl. Pridham, Geoffrey, Christian Democracy in Western Germany, The CDU/CSU in Government and Opposition, 1945-1976, London 1977, S.77f. Vgl. hierzu genauer Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.391; Siebenmorgen, Peter, Gezeitenwechsel, S.246. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.318. Grewe liefert m. E. eine der besten Analysen und Bewertungen des Debattendebakels vom 23.1.1958. Vgl. ebd., S.317-328. S. im übrigen auch: Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3. Wahlperiode, 9. Sitzung, 23.1.1958 (Stenographische Berichte, Bd. 39), S. 297-419. Zur Reaktion von Bundesregierung und Unionsfraktion auf die Anwürfe der Opposition heißt es bei Grewe: „Die große CDU/CSU-Fraktion und die Männer auf der Regierungsbank lauschten versteinert diesen Eruptionen. Keiner von ihnen raffte sich auf und wagte es, diesen Anwürfen, Vorwürfen, Beschuldigungen, Verdächtigungen entgegenzutreten. Der Außenminister begnügte sich mit einer Entgegnung, die substantiell auf nichts einging. Der Bundeskanzler schwieg. Aus der Fraktion meldete sich niemand zu Wort, mit Ausnahme von Heinrich Krone und Hermann Höcherl, die sich in kurzen Ausführungen gegen den Stil dieser Haßtiraden verwahrten. Die Vorwürfe Dehlers und Heinemanns waren damit, wie
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Stigma, in der Frage der Wiedervereinigung untätig geblieben zu sein." 8 Während Bundestagspräsident Gerstenmaier und der Leiter des außenpolitischen Arbeitskreises der Unionsfraktion, Kiesinger, eine Wiederholung des Desasters vom Januar vermeiden wollten und sich deshalb einigten, eine ursprünglich für den 13. März 1958 terminierte außenpolitische Grundsatzdebatte auf unbestimmte Zeit zu verschieben, erkannte der Bundeskanzler genau in dieser Debatte die Chance, unter dem Druck der Opposition die Geschlossenheit der Regierungsfraktion in der Unterstützung seiner Politik wiederherzustellen. Adenauer setzte sich durch, und vom 19. bis 25. März 1958 fand ein Debattenmarathon statt, in dessen Mittelpunkt die Frage der Ausrüstung der Bundeswehr mit nuklearen Trägersystemen stand. 9 Eugen Gerstenmaier, der sich auf Grund seines Amtes nicht in der Lage gesehen hatte, in die Debatte des 23. Januar einzugreifen, 10 faßte eine Entgegnung an die Opposition und allen voran an Heinemann und Dehler in eine Rede vor dem Landesparteitag der CDU Württembergs. Doch seine Ausführungen trugen nicht zur Überwindung der Spannungen in der Partei und zur Beruhigung Adenauers bei. Dieser sah nicht nur die Außenpolitik als „Kanzlerreservat" (Hans-Peter Schwarz), sondern auch in jedem außen- und deutschlandpolitisch aktiven und ambitionierten Unionspolitiker einen potentiellen Rivalen. Zur Verärgerung Adenauers vertrat Gerstenmaier in seiner Rede die den Auffassungen der SPD sehr nahekommende These, daß vor einer Wiedervereinigung der politische und militärische Status Deutschlands festgelegt werden solle, was Adenauers Priorität der freien Wahlen und der völligen Optionsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung eklatant widersprach. Zudem schlug der Parlamentspräsident vor, auf einem bevorstehenden Gipfel der Vier Mächte nicht die deutsche Wiedervereinigung zu thematisieren, sondern die Frage eines deutschen Friedensvertrages. 11 Adenauer wies Gerstenmaiers Initiative entschieden zurück. Nicht nur hatte der Bundestagspräsident die außen- und deutschlandpolitischen Kreise des Kanzlers gestört, sondern sein Vorschlag barg darüber hinaus in den Augen Adenauers auch die Gefahr einer Anerkennung der von der Sowjetunion seit 1955 vertretenen Zwei-Staaten-Theorie oder einer Diskussion der von der DDR propagierten Konföderationskonzepte in sich. Genau dies jedoch wollte der Bundeskanzler verhindern. Seine Reak-
Helmut Schmidt am Ende der Debatte zu Recht feststellte, in der Sache nicht widerlegt worden." Ebd., S.318f. 8 Doering-Manteuffel, Anselm, Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, S.97. 9 Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 3.Wahlperiode, 18.-21. Sitzung, 19.-25.3.1958 (Stenographische Berichte, Bd. 40), S.823-1166. 10 Vgl. Gerstenmaier, Eugen, Streit und Frieden, S.436f. 11 Vgl. Gerstenmaier, Eugen, Deutschland in der weltpolitischen Situation der Gegenwart. Eine Antwort an die Herren Dr. Dehler und Dr. Heinemann. Rede vor dem Landesparteitag der Christlich Demokratischen Union Württembergs in Stuttgart am 1. Februar 1958, Bonn o.J., S.22f.
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tion auf Gerstenmaiers Vorstöße war entsprechend harsch.12 Doch der württembergische Politiker ließ sich durch Adenauer von seiner Haltung und der Eigenständigkeit seines Denken und Handelns nicht abbringen. Sein Amt bot ihm nicht nur Schutz gegen allzu harte Attacken des Parteivorsitzenden, sondern gab ihm auch wieder und wieder die Möglichkeit, sich als unabhängiger außen- und deutschlandpolitischer Kopf zu profilieren. Dies galt auch für seine erfolgreichen Bemühungen zur Verabschiedung zweier Bundestagsresolutionen, die im Kern neue deutschlandpolitische Ansätze forderten. 13 Gerstenmaier, Kiesinger, aber auch Herbert Wehner (SPD) und Erich Mende (FDP) war es maßgeblich zuzuschreiben, daß die beiden Entschließungen am 2. Juli und am 1. Oktober 1958 die einstimmige Billigung des Parlaments erhielten. Zunächst noch unbeeinflußt von der französischen Politik General de Gaulles hatten sich also bereits vor Chruschtschows Berlin-Ultimatum innerhalb der Union mindestens zwei verschiedene außen- und deutschlandpolitische Gruppierungen gebildet. Die Divergenzen im Regierungslager blieben auch dem Außenministerium in Washington nicht verborgen. Das State Department hielt schon im Juli 1958 gravierende Veränderungen der westdeutschen Außenpolitik in der Zukunft nicht für ausgeschlossen und stellte, angesichts der Heterogenität der CDU, die wichtige Frage, ob die Trennlinien innerhalb der Partei konfessionell bestimmt seien, ja ob unter Umständen ein Zerbrechen der CDU in eine evangelische und eine katholische Gruppe denkbar sei.14 Dem protestantischen Teil der CDU unter der Führung Gerstenmaiers traute man für einen solchen Fall durchaus die Bildung einer Regierung zusammen mit der SPD zu.15 Die Bonner Botschaft wurde jedenfalls beauftragt, weil die gegenwärtigen Diskussionen über den außenpolitischen Kurs der Bundesrepublik nur Vorboten künftiger Kursveränderungen seien, permanent darüber zu berichten.16 Vor dem Hintergrund von Chruschtschows Berlin-Ultimatum, die aktuellen deutschlandpolitischen Fragen in den Mittelpunkt der Analyse rückend, er12 13
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Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 414-416. So auch die Bewertung durch die Bonner Botschaft der USA. Vgl. N A , 762.00/12-2258: US-Botschaft Bonn an Department of State, Basic Attitudes of German Political Leaders to the German Question; and the Presen! and Potential Reactions of These Leaders to the Soviet Threat to Berlin, 22.12.1958, S.16; vgl. auch NA, 762A.00/11-2458: US-Botschaft Bonn an Secretary of State, 24.11.1958. Diese Konstellation war freilich nicht neu und ergab sich zumindest in den fünfziger Jahren aus dem interkonfessionellen Charakter der Unionsparteien. Das Ausscheiden Gustav Heinemanns aus der Bundesregierung 1950 und die Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei demonstrierten die Zerbrechlichkeit der überkonfessionellen Partei. Die Gründung des Evangelischen Arbeitskreises der C D U 1952 sollte der Spaltungsgefahr künftig vorbeugen. Vgl. hierzu Doering-Manteuffel, Anselm, Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Adenauer, S.182; Egen, Peter, Die Entstehung des Evangelischen Arbeitskreises der C D U / C S U , Bonn o.J. Vgl. N A , 762A.00/6-558: Department of State an US-Botschaft Bonn, 21.7.1958. Vgl. ebd.
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kannte ein Bericht der US-Botschaft in Bonn drei Gruppierungen innerhalb der Union: die „Karolinger", die „Nationalen" und die „Dissidenten". 17 Sowohl die „Karolinger" als auch die „nationalen Elemente" seien sich, so hieß es, einig, in der Außenpolitik „keine Experimente" zu wagen, insbesondere aber Verhandlungen über den künftigen militärischen Status Deutschlands grundsätzlich abzulehnen. 18 In einer holzschnittartigen, doch aussagekräftigen Charakterisierung der „Carolingians" hieß es sodann: „This is a predominantly Catholic group, for the most part born and raised in the Rhineland, Southwest Germany or Bavaria; the men who place primary, almost exclusive, emphasis on the continued freedom and security of the western part of Germany, the Federal Republic. It consists of Chancellor Adenauer and his tried and true followers in the CDU - men whose orientation is not 'national'; and who give great emphasis to the importance of firmly establishing a 'little Europe' based on the fullest French-German cooperation within an Atlantic Alliance. There are certainly many in this group who, in their hearts, do not really care about reunification and certainly not at any risk to their own security and prosperity. The majority and the leadership of this group, however, sincerely believe that there is no real stability or security in a divided Germany." 19 Zum zweiten Lager innerhalb der Union konstatierte der Botschaftsbericht: „National Element in the CDU/CSU. - symbolized by Defense Minister Strauss. These men at present agree with the 'Carolingians' that the presence of United States forces on German territory is absolutely vital to the continued security of the Federal Republic. However, they believe that the United States will not remain in Europe forever ( . . . ) and that they must be prepared to fill this vacuum militarily and politically. ( . . . ) At the same time they are 'national' in outlook, tend to see Germany as western, but at the same time standing between East and West, and not necessarily or naturally a member of an Atlantic community. They believe that the time will come - after buildup of German military forces has been completed - when it will be possible to reestablish German unity by negotiations in which Germany would take the lead with support which the West would not refuse. ( . . . ) Defense Minister Strauss and his personal followers; military and 'national' minded CDU members, and doubtless many German officers belong to this group. Refugee groups (of decreasing significance), to whom reunification is all-important but who see only danger in dealing with Communists from weakness, tend to support this position. Also allied are those north German elements who, thinking in a nationalist but anti-Prussian way, support the Chancellor's policies now but not
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Vgl. N A , 762.00/12-2258: Basic Attitudes of German Political Leaders, 22.12.1958, s.o., Anm. 13. Vgl. ebd., S.5. Ebd.
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from the same reasons and sentiments. The group altogether is not numerically large but has energy and conviction."20 Schwerer fiel der amerikanischen Botschaft in ihrer An'ilyse die Einordnung der sog. „Dissidenten" innerhalb der CDU. Die Charakterisierung dieser Gruppe ist bei weitem nicht so allgemein und überzeugend in der Einschätzung wie die der „Karolinger" oder der „Nationalen". Möglicherweise weil es sich bei diesen „Dissidenten" eher um kurzfristige und anlaßorientierte Gruppierungen handelte, beließ es das Botschaftspapier bei einer kurzen Darstellung ihrer konkreten berlin- und deutschlandpolitischen Haltungen im November/ Dezember 1958. Zwei verschiedene Positionen machte die Analyse aus: diejenigen, die der Ansicht seien, daß Moskau die Wiedervereinigung tatsächlich zulassen könne, wenn man sich vorher über bestimmte Rüstungsbeschränkungs- und Sicherheitsmaßnahmen einig werde, und diejenigen, die, wie Adenauer, der Sicherheit und Freiheit der Bundesrepublik zwar erste Priorität einräumten, es aber für politisch, insbesondere wahlpolitisch wichtig hielten, daß die Regierung ihr Interesse an Verhandlungen über die Wiedervereinigung demonstriere. Während ersterer Gruppe eine Reihe von Berliner CDU-Abgeordneten sowie Gerstenmaier und seine Gefolgschaft angehörten, sei der zweiten ein Kreis um Kurt Georg Kiesinger zuzurechnen. 21 So sehr die amerikanische Analyse in ihrer Gesamtheit an den konkreten politischen Hintergrund ihrer Entstehungszeit gebunden war, so sehr traten in ihr doch bestimmte Gruppenstrukturen und -Charakteristika der Union zutage, die weit über die Jahre 1958/59 hinaus bestehen blieben. Dies gilt insbesondere für das sog. „karolingische" Lager unter der Führung Adenauers, welches in der Tat als Keimzelle der späteren „Gaullisten" innerhalb der Union betrachtet werden kann. Hierfür sprechen das diesen „Karolingern", dem politischen Katholizismus, attestierte Bekenntnis zur europäischen Integration im Rahmen Klein-Europas, d.h. unter Ausschluß Großbritanniens, sowie zu einer engen deutsch-französischen Zusammenarbeit innerhalb der Atlantischen Allianz und, im Bereich der Deutschland- und Ostpolitik, das Festhalten am Status quo. Im Gegensatz hierzu lassen sich zwischen den „nationalen Elementen" der Analyse und in den sechziger Jahren in Erscheinung tretenden Gruppierungen innerhalb der Union nahezu keine Verbindungslinien ziehen. Dazu war die „nationale" Gruppe des amerikanischen Papiers zu heterogen. Dieser wurden nicht nur die national gesinnten Vertreter der Vertriebenenverbände und Militärs zugeordnet, sondern auch norddeutsche, jedoch anti-preußische Elemente, wohl CDU-Politiker aus Niedersachsen, sowie vor allem Franz Josef Strauß und seine Anhänger, die man im Grunde weniger als „Nationale" bezeichnen konnte, denn als in Kategorien von Macht, Souveränität und Status denkende Politiker. Insofern erweist sich diese Rubrizierung 20 21
Ebd., S.6 (Hervorhebung im Original). Vgl. ebd., S.8.
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als nicht über das Jahr 1959 hinaus tragfähig. Ähnliches gilt für die „Dissidenten", die zwar in den Kontroversen der sechziger Jahre eine Rolle spielen sollten, doch nicht in erster Linie auf Grund ihrer stark tagespolitisch und situationsorientierten Positionen um 1958/59, welche Ausgangspunkt der amerikanischen Analyse waren. 22 Während Teile der amerikanischen Administration, Außenminister Dulles eingeschlossen, in den ersten Monaten des Jahres 1959 die unbewegliche und unflexible Haltung des deutschen Bundeskanzlers in der Berlin- und Deutschlandfrage kritisierten, nach Kompromißlösungen in der Krise um Berlin suchten - auch unter zumindest partieller Preisgabe bisheriger deutsch-amerikanischer Übereinstimmung - , und während in zentralen Bereichen der Außenund Deutschlandpolitik an die Stelle des bisherigen Konsensus zwischen Bonn und Washington ein deutsch-französischer Schulterschluß trat, blieb der amerikanische Botschafter in Bonn, David Bruce, Fürsprecher Adenauers. Dieser bedürfe der amerikanischen Unterstützung, gerade weil er „bis zu seinem letzten Atemzug" für die Integration seines Landes in die Atlantische Gemeinschaft eintreten werde, im Gegensatz zu Politikern der Opposition, aber auch der Regierungsfraktion, die bereit seien, unter sowjetischem Druck die gleichberechtigte Einbindung der Bundesrepublik in die Atlantische Allianz aufzugeben zu Gunsten kurzlebiger Arrangements mit der Sowjetunion. 23 Vor dem Hintergrund der langwierigen und durch das scheinbar orientierungslose Taktieren der deutschen Delegation geprägten Verhandlungen der Vier-Mächte-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der Genfer Außenministerkonferenz sowie nach der dritten Gipfelbegegnung zwischen Kanzler Adenauer und Präsident de Gaulle am 3./4. März 1959 in Marly nahmen die Einschätzungen der Entwicklung der deutschen politischen Landschaft durch die Bonner US-Botschaft jedoch deutlich skeptischere Züge an. Wiederum stützte die Botschaft die politische Linie Adenauers, die Bundesrepublik fest an den Westen zu binden und in Ost-West-Verhandlungen keine Zugeständnisse, beispielsweise in Form eines Abzugs ausländischer Streitkräfte von deutschem Territorium zu machen. Die Kritik solcher Denkmodelle, wie sie ein Memorandum der Bonner Botschaft vom 11. März 195924 auch innerhalb der Union existieren und an Attraktivität gewinnen sah, ging einher mit einer pessimistischen Bewertung der außenpolitischen Perspektiven für die Zeit nach Adenauer. Die Befürchtungen der Botschaft bezogen sich im Frühjahr 1959 nicht auf eine zu enge deutsch-französische Allianz, die Entstehung „Klein-Europas" mit deutli22
23 24
Zu den berlin-, deutschland- und ostpolitischen Denkschulen innerhalb der Union während der Berlin-Krise vgl. auch Siebenmorgen, Peter, Gezeitenwechsel, S.259f. Vgl. NA, 762.00/3-259: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 2.3.1959. N A , 762A.00/3-1659: US-Botschaft Bonn (F.O. Allen), Office Memorandum, Forthcoming Negotiations on Germany with the USSR: Possible Advantages of Proposing Withdrawal of Soviet and Western Forces from German Soil as Part of an Agreement on Reunification, 11.3.1959.
4. Der engagierte Beobachter
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eher anti-angelsächsischer Wendung, sondern vielmehr auf die Wahrscheinlichkeit eines deutschen Alleingangs zur Herbeiführung der Wiedervereinigung: „The danger is that what now is rather a minor point ( . . . ) may in future, in the post-Adenauer period become a major factor embittering relations between the Federal Republic and the West. The danger is that in future there will in all likelihood come to power in CDU and government political elements who while in no sense anti-western, will nonetheless put considerably less stress on good relations with France than does Chancellor Adenauer, - and considerably more stress on German unity. There may well develop eventually a widespread tendency to refer to Adenauer as the 'Chancellor of the Allies', the leader who, when reunification was still possible, went unnecessarily far in the direction of placating the French and in insisting that Western garrisons remain on German soil to protect the security of the Federal Republic and of France, thereby making reunification impossible. Such a development is not inevitable, - but it does seem likely."25 Deutlich wird in diesem Memorandum, das zwar die künftige politische Entwicklung in der Bundesrepublik und innnerhalb der Unionsparteien falsch einschätzte, das fundamentale Interesse der USA an der deutsch-französischen Annäherung und an der festen Einbindung Deutschlands, und sei es nur seines westlichen Teils, in die westeuropäische und die transatlantische Integration. Insofern stand die amerikanische Analyse mit ihren implizit zum Ausdruck kommenden Zielvorstellungen, aber auch ihren Warnungen in der Tradition der amerikanischen Deutschland- und Europapolitik, wie sie sich seit 1947 entwickelt hatte. Seit Gründung der Bundesrepublik war Konrad Adenauer in den Augen der amerikanischen Administrationen deutscher Garant dieser amerikanischen politischen Zielsetzungen gewesen. Er stand für die unbedingte Westintegration der Bundesrepublik, für das deutsche Bekenntnis zur Aussöhnung mit Frankreich und zur europäischen Einigung. Differenzen im Bereich der Ost- oder Deutschlandpolitik entstanden nicht; zu erstarrt waren die Fronten des Kalten Krieges. Risse in der Allianz Washington - Adenauer zeigten sich erst in dem Moment, als in einer sich wandelnden strategischen Gesamtsituation jene Fronten auf Grund des amerikanischen Entspannungswillens und auf Grund des sowjetischen Drucks auf Berlin in Bewegung gerieten. Als der deutsche Bundeskanzler seit November 1958 erkennen mußte, daß Washington, anders als in den Vorjahren, eigene Supermachtinteressen verfolgte, die nicht unbedingt mit den Interessen der Bundesregierung übereinstimmten, erhielt für ihn die bisher komplementär zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen verfolgte Politik der deutsch-französischen Annäherung ein größeres Eigengewicht. Für die amerikanische Seite lag, wie gezeigt, - trotz des oben zitierten Memorandums - in diesen Monaten der Jahre 1958/59 der Beginn einer Wende in der Beurteilung des deutschfranzösischen Verhältnisses, welches nun von Adenauer offensichtlich benutzt 25
Ebd.
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wurde, um die amerikanische Politik zu konterkarieren. Doch ein Wandel vollzog sich nicht nur in der amerikanischen Einschätzung, sondern auch in der Haltung der Unionsparteien angesichts der Frankreichpolitik Adenauers, die nun stärker als zuvor anti-angelsächsische und damit auch anti-amerikanische Züge zu tragen schien. Die Auseinandersetzungen um Adenauers Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten und die damit eng verbundene Frage der Kanzlernachfolge ließen erstmals in aller Deutlichkeit neue innerparteiliche Konstellationen in der C D U / C S U zutage treten, die sich nicht nur auf Grund der personalpolitischen Diskussionen und Präferenzen ergaben, sondern darüber hinaus außenpolitische Orientierungsmuster widerspiegelten.
1.4.2. Adenauers Präsidentschaftskandidatur Spiegel amerikanischer Einschätzungen
im
Es soll im folgenden nicht darum gehen, einmal mehr die Auseinandersetzungen um Konrad Adenauers Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten oder den über der Frage der Nachfolge im Amt des Regierungschefs ausbrechenden Konflikt zwischen dem Bundeskanzler und Wirtschaftsminister Erhard darzustellen. Die Forschung hat sich seit den sechziger Jahren intensiv und detailliert mit den Vorgängen des Frühjahrs und Sommers 1959 beschäftigt. 26 Gegenstand der Betrachtung wird vielmehr - vor dem Hintergrund der „Präsidentschaftskrise" 27 - sein, wie Washington auf die Vorgänge in Bonn 26
27
Neben dem sehr frühen, aber vergleichsweise informativen Aufsatz von Heidenheimer, Arnold, Foreign Policy and Party Discipline in the C.D.U., in: Parliamentary Affairs 13 (1959/60), S.70-84, vgl. die bereits 1964 erschienene Untersuchung von Domes, Jürgen, Mehrheitsfraktion und Bundesregierung, Aspekte des Verhältnisses der Fraktion der C D U / C S U im 2. und 3. Deutschen Bundestag, Köln/Opladen 1964; die minutiös recherchierte Darstellung von Wolfgang Wagner, Die Bundespräsidentenwahl 1959; Gotto, Klaus, Adenauer, die CDU und die Wahl des Bundespräsidenten 1959; in; Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Konrad-Adenauer - Ziele und Wege, Mainz 1972, S.97-144; aber auch die entsprechenden Kapitel bei Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer, S. 177-192; ders., Adenauer. Der Staatsmann, S.502-526; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.227-366. Vor allem im Gegensatz zu Schwarz, der die Vorgänge des Jahres 1959 für eine von Presse und Publizistik hochgespielte und aufgebauschte „Burleske" hält (Ära Adenauer, S.177), oder sie gar als „Präsidentschaftsposse" bezeichnet (Adenauer. Der Staatsmann, S.502), erkennt der Autor durchaus krisenhafte Züge in der mehr als nur innerparteilichen Kontroverse um die Kandidatur für das höchste Staatsamt und die damit verbundene Auseinandersetzung um die Frage des geeigneten Kanzlernachfolgers. Nicht nur geriet Adenauer selbst in eine der tiefsten Krisen - Autoritätskrisen - seiner Amtszeit, sondern das Gezerre in Verbindung mit der Präsidentenwahl weckte im In- und Ausland zum Teil erhebliche Zweifel an der Stabilität der jungen deutschen Demokratie und an der Festigkeit ihrer demokratischen Strukturen. Zudem sollte das seit 1959 endgültig zerrüttete Verhältnis zwischen Konrad Adenauer und Ludwig Erhard die verbleibenden Jahre der Adenauerschen Kanzlerschaft erheblich belasten, ja spätestens ab 1961 die innen- und parteipolitische Handlungsfähigkeit Adenauers einschränken.
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reagierte, und welche Rolle, zum zweiten, in der Kontroverse Fragen der Außenpolitik bzw. der außenpolitischen Orientierung der Bundesrepublik spielten. Das Kandidatenkarussell der Union begann sich zu drehen, nachdem am 12. Februar 1959 in einem geschickten Schachzug die SPD den ausgesprochen populären Carlo Schmid als ihren Kandidaten für das höchste Staatsamt nominiert hatte. Schmid erschien sogar Teilen der C D U / C S U durchaus als wählbar, die im Interesse des Ansehens des Präsidentenamts und vor dem Hintergrund der Amtsführung von Theodor Heuss eine Konsenswahl für die angebrachte Lösung hielten. Insbesondere Adenauer jedoch konnte und wollte parteipolitische Trennlinien nicht überspringen, sich mit dem Gedanken an einen Bundespräsidenten Schmid nicht anfreunden: Er warf Schmid nicht nur vor, zehn Jahre lang Gegner der Westintegration der Bundesrepublik gewesen zu sein, 28 sondern befürchtete darüber hinaus die Teilnahme eines sozialdemokratischen Staatssekretärs an den Sitzungen des Bundeskabinetts. 29 Doch wie auf die sozialdemokratische Herausforderung reagieren? Was die Popularität anbelangte, verfügte die Union neben dem Kanzler selbst nur über einen Politiker, der den Vergleich mit Carlo Schmid nicht zu scheuen brauchte: Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard. Dieser jedoch zog, nachdem er von Adenauer Ende Februar nur mit Mühe zu einer Kandidatur motiviert worden war, am 3. April seine Bewerbung zurück. Zu sehr hatte sich für ihn der Eindruck verstärkt, er solle in die Villa Hammerschmidt weggelobt werden. Daran hätte sowohl Adenauer ein Interesse haben können, der Erhard als Nachfolger im Amt des Regierungschefs ablehnte, als auch Bundesinnenminister Gerhard Schröder, den eigene Ambitionen getrieben haben mögen. 30 Nach Erhards Absage begannen verschiedene Unionspolitiker, den Bundeskanzler auf die Option einer eigenen Kandidatur hinzuweisen. Adenauer, der sich schon seit geraumer Zeit Gedanken über die Regelung seiner Nachfolge gemacht hatte, ohne freilich konkrete Planungen voranzutreiben, schien nun Ende März und Anfang April 1959 in einer Übernahme des Präsidentenamtes einen Königsweg zu sehen, die Nachfolgeproblematik in Angriff zu nehmen, ohne gleichzeitig das politische Zepter aus der Hand zu geben. Als er am 7. April offiziell seiner Nominierung für die Kandidatur zustimmte, mögen ihn indes auch andere Motive bewegt haben, nicht zuletzt ein Blick auf die präsidiale Verfassung der V. Französischen Republik und die vor allem außen-, sicherheits- und personalpolitische Machtfülle ihres ersten Präsidenten Charles de Gaulle. 31 Seine 28
29 30
31
Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.491. Vgl. Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S. 10. Zum Zustandekommen der Kandidatur Erhards, der von eigenen Interessen nicht völlig freien Haltung Schröders und Gerstenmaiers, dem Widerstand der Unionsfraktion und Erhards Rücknahme der Kandidatur vgl. ausführlich ebd., S. 13-16; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S. 227-237. Heinrich Krone notierte in seinem Tagebuch bereits am 4.4.1959: „Mein erster Gedanke:
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Rede jedenfalls vor dem von ihm so genannten „Wahlmännergremium der CDU/CSU" am 7. April 1959 legte solche Vermutungen nahe. 32 Adenauer betonte nämlich, daß das Grundgesetz die Position des Bundespräsidenten nur in Teilen scharf herausgearbeitet, sie in anderen Teilen aber in der Schwebe gelassen habe, „so daß es auf die Aktivität des jeweiligen Bundespräsidenten, wenn er nicht in Übereinstimmung mit der Regierung ist, ankommt, ob er mehr oder weniger Rechte ausübt." 33 Ein entscheidendes Argument für die Kandidatur - wie später allerdings auch für deren Rücknahme - war für Adenauer der Faktor Kontinuität in der deutschen Außenpolitik. Deren Sicherung war freilich auch ein Grund für das Insistieren des Kanzlers auf den seiner Ansicht nach extensiv auszulegenden außen- und personalpolitischen Prärogativen des Bundespräsidenten. Der außenpolitische Hintergrund der Wochen von Adenauers Kandidaturüberlegungen, das Berlin-Ultimatum, die bevorstehende Genfer Außenministerkonferenz, die Aussicht eines Ost-West-Gipfels wie auch die enger und intensiver werdende Allianz zwischen Bonn und Paris, dürfen bei einer Untersuchung der Beweggründe des Kanzlers und seiner Erwartungen nicht außer Acht gelassen werden. Doch so zuversichtlich der 83-jährige in dieser Beziehung offensichtlich anfangs war, so sehr sollte bald schon wiederum die Außenpolitik entscheidend zu Adenauers Zweifeln an der Richtigkeit seiner Kandidatur sowie letztlich deren Rücknahme beitragen. Die außenpolitisch motivierten Bedenken Adenauers gegen einen Wechsel in die Villa Hammerschmidt lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: Adenauers wachsende Sorge vor einem Ausverkauf deutscher Interessen bei den Verhandlungen der Außenminister der Vier Mächte in Genf oder bei sich anschließenden ost-westlichen Gipfelbegegnungen, in denen die USA versucht sein könnten, um weltpolitischer Entspannungserfolge willen deutschland- und berlinpolitische Konzessionen an die Sowjetunion zu machen; zum zweiten aber auch, eng mit ersterem Grund zusammenhängend, die Einschätzung des Bundeskanzlers, daß der von ihm als Kanzlernachfolger abgelehnte, doch von einer breiten Mehrheit in der Fraktion getragene Ludwig Erhard entweder nicht in der Lage sein würde, in den Span-
32 33
Auf dem Wege de Gaulies?", zit. nach: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.267; vgl. Strauß, Franz Josef, Die Erinnerungen, Berlin 1989, S.412; Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.28. Die amerikanische Botschaft in Bonn stellte in einer ersten Bewertung des Schritts Adenauers fest: „There is great deal of talk about Adenauer making himself a sort of German de Gaulle." DDEL, Ann Whitman File, Dulles-Herter Papers, Box 9, Herter, Chr. A., April 1959 (2): Timberlake (Bonn) an Secretary of State, 7.4.1959. Vgl. auch eine entsprechende Vermutung der amerikanischen Botschaft in Paris: NA, Lot 61 D 30, Office of Western European Affairs, Records Relating to France, Box 3, Memos of Conversation 1959, Folder 1: Memorandum of Conversation, Louis Joxe (Secretary General Foreign Office) - Cecil B. Lyon (US-Botschaft Paris), 10.6.1959. Vgl. den Text der Rede in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S. 500-508. Ebd., S.502.
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nungen des Ost-West-Konflikts deutsche Interessen wirksam zu vertreten, oder aber auf Grund divergierender politischer Überzeugungen, beispielsweise im Bereich der europäischen Integration oder der deutsch-französischen Beziehungen, von der bisherigen politischen Linie abweichen könnte. Noch am Tage der Ankündigung seiner Kandidatur für das Präsidentenamt mußte ein in sorgenvollem Ton gehaltener Brief des Bundesaußenministers Adenauer zum Nachdenken über die außenpolitische Opportunität seiner Entscheidung bewegen. Heinrich von Brentano, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der vordersten Linie der Aspiranten für das Kanzleramt und insofern weniger taktierend als beispielsweise Schröder oder Gerstenmaier, teilte Adenauer seine Bedenken mit: „Ich habe die tiefe Sorge, daß die Nachricht in allen Teilen der Welt Erschütterung auslösen wird. Wohl zu keiner Zeit seit 1945 war eine klare und unmißverständliche Haltung der Bundesrepublik in der außenpolitischen Auseinandersetzung so wichtig, ja so unerläßlich wie heute. Ich habe das bange Gefühl, daß die Kommentare die Entscheidung zum Anlaß nehmen werden, die Kontinuität und Beharrlichkeit der deutschen Politik in Zweifel zu ziehen." 34 Brentano sollte Recht behalten. Während die deutsche Presse Adenauers Entschluß überwiegend positiv bewertete, konstatierten ausländische Blätter, und zwar nicht nur ostdeutsche oder sowjetische, in mehr oder minder deutlichen Tönen, daß die Kandidatur auch Indiz des außenpolitischen Scheiterns des Bundeskanzlers sein könne. Kommentare im westlichen Ausland erwarteten einen außenpolitischen Kurswechsel der Bundesrepublik. 35 Auch inoffizielle Äußerungen führender westlicher Politiker brachten ähnliche Bewertungen zum Ausdruck. Sie kamen aus Paris, wo man bei Adenauers Weggang eine Schwächung der westlichen Position gegenüber der Sowjetunion befürchtete, 36 doch auch aus Washington, wo man einen Zusammenhang zwischen Adenauers Entscheidung und der außenpolitischen Situation herstellte. In einer Rundfunkrede am 8. April 1959 versuchte der Bundeskanzler die Zweifel und Unsicherheiten im Ausland zu zerstreuen: „Wir werden noch auf lange Zeit hinaus in einer Periode der Gefahr und Unsicherheit sein. Mein Entschluß ist dazu bestimmt, auf Jahre hinaus die Kontinuität unserer Politik zu sichern. ( . . . ) An 34
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Schreiben Brentanos an Adenauer, 7.4.1959, zit. nach: Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler, S.261. Vgl. hierzu Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.34. Vgl. NA, 762A.13/4-959: Ambassador Houghton (Paris) an Secretary of State, 9.4.1959. Im Wortlaut heißt es dazu: „Proponents of a stiff line themselves, there is undercurrent of feeling on part of these officials that, while decision probably will not have immediate repercussions on preparation of Western position, ability of West to present strong, firm stand in opposition to Soviet demands in impending negotiations will inevitably be lessened by Adenauer's decision to abandon position as Chancellor. Factor in this regard, of course, is French view that British are willing to go too far in direction of compromises with Soviets and that Adenauer's tough line has been valuable counterbalance to this tendency." Das gleiche Dokument siehe auch zum französischen Presseecho auf Adenauers Entschluß.
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der Haltung der Bundesregierung in außenpolitischen Fragen wird sich auch während der nächsten Jahre, nicht nur während dieser Konferenzzeit, kein Buchstabe ändern." 37 Doch die Rede, die Betonung des Kontinuitätsarguments und wiederholte Beteuerungen führender Unionspolitiker, daß die Entscheidung des Kanzlers nicht außenpolitisch motiviert sei, ließen die Stimmen nicht verstummen, die in der weltpolitischen Lage des Frühjahrs 1959 den ausschlaggebenden Grund für den Schritt des Kanzlers zu erkennen glaubten. Die Entscheidung Adenauers, die Nominierung anzunehmen, sei durch folgende Faktoren zumindest mitbestimmt worden, berichtete US-Botschafter Bruce am 9. April nach Washington: „1. The coincidence of Macmillan's trip to Moscow and his whole posture, and of Secretary Dulles' illness. 2. Adenauer's impression of a trend toward general abandonment of basic positions hitherto held by the West, and by him and Secretary Dulles in particular. 3. Possible effect of sustained attacks on him as one remaining obstacle to possibility of reasonable accommodation with Soviet Union, recently taken up crescendo by British press. 4. His assessment of implications of recent discussions in Washington. 5. (handschriftlich; ec) Desire to put FedRep (sic!) in position of having greater (nächstes Wort unlesbar; ec) of action (?)." 38 Obwohl die einschlägige Forschung mittlerweile nachgewiesen hat, daß es nicht Motive dieser Art waren, die ihn zu seiner Kandidatur trieben, sondern daß der Bundeskanzler ganz im Gegenteil in seinem Vorgehen eine Möglichkeit erblickte, seine außenpolitische Gestaltungsmacht zu prolongieren, 39 darf die Wirkung solcher Vermutungen und Erklärungsversuche für das weitere Verhalten Adenauers nicht unterschätzt werden. Wenn sich selbst der todkranke John Foster Dulles, immerhin langjähriger Vertrauter des Kanzlers, nach den Motiven für dessen Schritt erkundigte, so mußte dies Adenauer zu denken geben. 40 Doch zunächst versuchte Adenauer, Dulles zu beruhigen: „My elec37 38 39
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Zit. nach: Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.34f. NA, 762A.13/4-959: Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, 9.4.1959. Vgl. Wagner, Wolfgang. Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.31; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.265-275; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.515f. Adenauer zitierte den Brief Dulles' vom 8.4. in einer Bundestagsdebatte am 11.6.1959. Dulles schrieb: „Obgleich ich im einzelnen nicht die Beweggründe kenne, die Ihnen diese Entscheidung nahelegten, habe ich volles Vertrauen, daß sie Ihre Absicht widerspiegeln, sich auch weiterhin für die Sache der menschlichen Freiheit und den konstruktiven Wiederaufbau Europas einzusetzen, bei dem sich Ihre staatsmännische Kunst bereits in so hervorragender Weise erwiesen hat. Ich teile Ihre Überzeugungen, daß die aufgeklärte Politik, die Sie in so weitgehendem Maße zu einem Bestandteil des nationalen Lebens Ihres Landes gemacht haben, von langer Dauer sein wird." Zit. nach: Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.39.
4. Der engagierte Beobachter
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tion would not mean that I retire from the political scene. I rather believe that I shall thereby get into a position where I can do more than I was able to do heretofore for the continuity of German policy." 41 Ein schon seit geraumer Zeit geplanter Besuch von Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß in den USA gab dem offiziellen Washington eine hochwillkommene Möglichkeit, weitere Motivforschung zu betreiben und - das Interesse daran konnte nicht lange auf sich warten lassen - die Frage der Kanzlernachfolge anzusprechen. Minister Strauß habe sicherlich, so ein Memorandum des State Department, aufschlußreiche Ideen zu diesen Themen. 4 2 In der Tat kreiste ein erheblicher Teil der Unterredung zwischen Strauß und dem amtierenden US-Außenminister Herter am 16. April 1959, gut eine Woche nach Adenauers Nominierung, um die Frage der Präsidentschaftskandidatur und der Kanzlernachfolge. Der nicht unbedingt schweigsame Strauß versorgte seine amerikanischen Gesprächspartner mit Informationen aus erster Hand. Nachdem er zunächst alle Gerüchte über den schlechten Gesundheitszustand des Bundeskanzlers für falsch erklärt hatte, argumentierte auch Strauß ganz auf der Linie Adenauers, der in seiner neuen Position sich stärker als bisher und auf längere Zeit für die Kontinuität und Stabilität seiner Politik einsetzen könne. Als potentielle Nachfolger Adenauers im Kanzleramt nannte Strauß Bundesfinanzminister Franz Etzel sowie Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. In der Tat waren diese beiden, doch das war kein Geheimnis, zu diesem Zeitpunkt die Favoriten für die Adenauer-Nachfolge. Beide unterstützten, das betonte Strauß, die Außenpolitik des Bundeskanzlers. Der Verteidigungsminister fuhr fort: „Erhard is more liberal in economic matters and a proponent of a free trade zone. The Chancellor is for the European Economic Community, and fears that damage would occur to French-German relationship if Erhard's concepts were to be adopted. The Chancellor is therefore ' 5 1 % ' for Etzel to succeed him. The Party and the Bundestag C D U fraction support Erhard, and the Minister gave it as his opinion that Erhard would become Chancellor in the end." 4 3 Geheimnisse hatte Strauß in Washington gewiß nicht ausgeplaudert. D a ß Ludwig Erhard, seit 1957 immerhin Vizekanzler und Vorsitzender des Wirtschaftskabinetts, zu den potentiellen Nachfolgern des Bundeskanzlers gehörte, durfte nicht überraschen. Seit der Bundestagswahl 1957 hatte er Heinrich von Brentano vom ersten Rang der Liste der möglichen Adenauer-Nachfolger ver-
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Vgl. DDEL, White House Office, International Series, Box 6, Folder Germany - Vol. 1(3): Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, Translation of Message Dated April 10 from Chancellor to Secretary, 10.4.1959. Vgl. N A , 611.62A/4-1559: Memorandum Murphy an Kohler, subject: Your Meeting with German Defense Minister Strauss, April 16, 1959, 15.4.1959 N A , 762.00/4-1659: Memorandum of Conversation, Call by the Federal Republic Defense Minister on the Acting Secretary, 16.4.1959.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
drängt, 44 und im Zeichen des ungebrochenen wirtschaftlichen Aufstiegs waren auch seine Beliebtheit und sein Ansehen in der Bevölkerung ungebrochen. Daß Franz Etzel, vorher Vizepräsident der Hohen Behörde der Montanunion, nach den Bundestagswahlen 1957 von Konrad Adenauer mit der Absicht ins Kabinett geholt worden war, in ihm einen dereinstigen Nachfolger heranzuziehen, war zwar weniger bekannt, doch spekuliert wurde in Bonner Kreisen auch darüber. 45 Hilfreich dürften die Äußerungen von Strauß für die Amerikaner trotz allem gewesen sein, reduzierten sie doch die Zahl möglicher Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers auf zwei. In Washington nämlich waren seit Beginn der dritten Amtszeit Adenauers auch andere Namen genannt worden, sobald es um die Frage der Adenauer-Nachfolge ging. Neben Erhard und Etzel tauchten in entsprechenden Einschätzungen des State Department wie auch der Bonner US-Botschaft analog zu deutschen Spekulationen die Namen Brentano, Arnold, Gerstenmaier, Schröder und Strauß auf. 46 Stärker als für die Namen potentieller Bundeskanzler interessierte sich Washington jedoch schon 1958 für die Auswirkungen des Endes der Kanzlerschaft Adenauers auf die Parteistrukturen der CDU/CSU. Die Frage der Adenauer-Nachfolge werde in jedem Falle, so hieß es schon 1958, zu Flügelkämpfen im Unionslager führen, zu Gefährdungen der Einheit der Partei. Der nächste Kanzler werde gerade deshalb auch viel schwächer sein und mehr dem Wechselspiel zwischen verschiedenen Parteiströmungen ausgesetzt als der in seiner Autorität nahezu unangefochtene Adenauer. 47 Klar erkannte die Botschaft die fortwährende Existenz möglicher Brüche entlang konfessioneller Linien: „The most serious schism which could occur would be along confessional lines, and it is mostly for this reason that the selection of a Protestant is to be expected as an obvious move to quiet any fear of Catholic predominance and to weaken opposition appeals to anticlericalism. " 48 Auch aus diesem Grunde hatte die Analyse der Bonner Botschaft in ihrem 44
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Die Politisch-Soziale Korrespondenz veröffentlichte im Januar 1958 eine EMNID-Umfrage über die zu dieser Zeit aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge Adenauers. Für Erhard sprachen sich 30 Prozent der Befragten aus (1956 lediglich 14 Prozent), für Brentano immerhin noch 28 Prozent (im Gegensatz zu 36 Prozent zwei Jahr zuvor), für Eugen Gerstenmaier 13 Prozent, für Karl Arnold und Fritz Schäffer je 7 Prozent, für Kurt Georg Kiesinger, Gerhard Schröder und Franz Josef Strauß jeweils nur 3 Prozent. Vgl. PolitischSoziale Korrespondenz 7 (1958), S. 17f. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.26; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S. 162f. und 285; Laitenberger, Volkhard, Ludwig Erhard. Der Nationalökonom als Politiker, Göttingen/Zürich 1986, S.141. Etzel selbst erklärte sich offiziell erst am 22.4.1959 zur Kandidatur bereit. Vgl. Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.286. Vgl. beispielsweise einen Bericht der Bonner Botschaft: NA, 762A.13/4-1158: Tyler (USBotschaft Bonn) an Department of State, subject: Adenauer's Successors, 11.4.1958. Vgl. ebd. Ebd.
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weiteren Verlauf zwar die guten Aussichten des Protestanten Ludwig Erhard betont, das Rennen um die Nachfolge Adenauers zu machen, es in der Beurteilung seiner Person allerdings nicht an Bedenken hinsichtlich seiner außenpolitischen Kompetenz und seiner administrativen Fähigkeiten fehlen lassen.49 Genau diese Defizite warf im April 1959 Konrad Adenauer Ludwig Erhard vor, der sich immer stärker in die Rolle des Kanzlernachfolgers rücken ließ. Erhard wußte nur zu gut, daß viele ihn für außenpolitisch unbedarft hielten. 50 So versuchte er massiv, solcher Kritik entgegenzuwirken, und insbesondere die Gleichrangigkeit von Außen- und Wirtschaftspolitik zu betonen, welche beide gleiche politische Fähigkeiten erforderten. 51 Doch Adenauer war durch solche Reden und durch Vermittlungsbemühungen verschiedenster Politiker nicht zu einer Änderung seiner Ablehnung eines Bundeskanzlers Erhard zu bewegen. Er hielt seine Bedenken, wie er sie im Zusammenhang mit einer Rede Erhards im März 1959 geltend gemacht hatte, weiterhin aufrecht. Am 23. März hatte sich der Bundeswirtschaftsminister in Rom zu seiner Wirtschaftspolitik und Fragen der Europäischen Integration geäußert. Ohne die EWG als solche zu kritisieren, plädierte er jedoch einmal mehr, seiner Überzeugung folgend, für eine europäische Freihandelszone, die, unter Einschluß Großbritanniens, die Sechser-Gemeinschaft wirtschaftlich mit den anderen westeuropäischen Staaten verbinde. Zentral war sein Hinweis auf den Widerspruch zwischen der Notwendigkeit politischer Geschlossenheit und gleichzeitiger ökonomischer Fragmentierung: „Europa kann sich gerade in dieser politischen Situation nicht den Luxus erlauben, im ökonomischen Bereich getrennt zu marschieren, aber auf die Kraft politischer Einigkeit zu vertrauen." 52 Adenauer, der aus der Zeitung von der Rede seines Ministers erfuhr, reagierte ungehalten und rügte Erhard noch am 24. März scharf: „Ich muß Sie leider ernsthaft bitten, die augenblickliche politische Lage bei Ihren Reden zu berücksichtigen. Gerade in dem Augenblick, in dem Groß-Britannien im Camp David uns auf das Schwerste schädigt, und wir auf die Hilfe Frankreichs unbedingt angewiesen sind, ist 49
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Vgl. ebd. Interessanterweise hielt vor dem Hintergrund der in ihrer Analyse konstatierten Schwächen Erhards die Botschaft eine Kombination Erhard (Bundeskanzler) - Franz Josef Strauß (Außenminister) für denkbar. Dies bestätigt Franz Josef Strauß in seinen Memoiren. Er kolportiert gleichzeitig, daß man Erhard ob seiner „Ahnungslosigkeit auf dem Gebiet der Außenpolitik" in der Umgebung Adenauers „Ludwig das Kind" nannte. Vgl. Strauß, Franz Josef, Die Erinnerungen, S.414. Vgl. beispielsweise Erhards Rede vor dem Wirtschaftstag der Union am 10.4.1959 in Hamburg, auszugsweise zit. in: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.288f. Zu seinen administrativen Schwächen allerdings bekannte sich Erhard. Am 10.4.1963 von Günter Gaus auf dieses Defizit angesprochen, antwortete er offen und selbstbewußt: „Verwaltungsmäßige Arbeit gehört nicht gerade zu meinen ausgesprochenen Leidenschaften, aber dazu hat ein Minister ja seine Beamten." Interview mit Ludwig Erhard, 10.4.1963, in: Gaus, Günter, Zur Person. Von Adenauer bis Wehner, Portraits in Frage und Antwort, Köln 1987, S. 115-138, hier S.128f. Zit. nach: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.257.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
es völlig unmöglich, daß Sie eine Rede halten, die Frankreich verletzt und Groß-Britanniens Haltung billigt. Derartige Ausführungen stehen im größten Gegensatz zu den Ihnen doch bekannten Richtlinien meiner Politik." 53 Hier tauchte die Verbindung wieder auf, das informelle Quid pro quo, auf das sich Adenauer im Herbst 1958 eingelassen hatte: französische Unterstützung der Bundesrepublik in der Berlin- und Deutschlandfrage im Gegenzug für ein deutsches Einschwenken auf den französischen Kurs bezüglich der europäischen Integration und der Rolle Großbritanniens dabei. Adenauers Allianz mit de Gaulle begann nun im Kontext der deutschen Innenpolitik, in grundsätzlichen Auseinandersetzungen innerhalb der Union und der Bundesregierung und angesichts wichtigster personalpolitischer Entscheidungen eine spannungserzeugende und konfliktverschärfende Wirkung zu zeitigen.54 Auf der anderen Seite war es freilich auch nicht die französische, sondern vielmehr die amerikanische und insbesondere die britische Politik im Zusammenhang mit der Berlin- und Deutschlandfrage sowie angesichts der Genfer Außenministerkonferenz, welche Adenauers Skepsis gegenüber den AngloAmerikanern nährte und seinen Kurs der deutsch-französischen Annäherung mehr und mehr als eine tatsächliche Alternative zur engen Kooperation mit Washington und London erscheinen ließ. Adenauers grundlegende Überzeugungen machten es ihm unmöglich, der britischen Berlin- und Deutschlandpolitik zu folgen. Aber auch die amerikanische Position war, wie oben gezeigt, für Adenauer schwer einzuschätzen und in seinen Augen nicht mehr so verläßlich wie in früheren Jahren. Der Schulterschluß mit Paris blieb des Kanzlers Ausweg aus dieser Lage. Doch nicht die gesamte Union folgte ihrem Vorsitzenden in dieser Bewertung, wie eine amerikanische Analyse des Mai 1959 feststellte: „The worsening of relations with the UK is distressing to many even in the CDU and particularly from the North, who see Germany thus left alone with France, whose economic and political stability they doubt, who fear embroilment in North Africa, and who have traditionally favored close relations with Britain." 55 Von den führenden Unionspolitikern aus Norddeutschland waren im Frühjahr 1959 zwei an den Diskussionen um die Bundespräsidentschaft und die 53 54
55
Zit. nach: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.519. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.94. Gerade angesichts der Ereignisse und Entwicklungen des Jahres 1959 scheint die These Pridhams, wonach innerhalb der Union die außenpolitische Geschlossenheit Meinungsunterschiede im innenpolitischen Bereich ausglich, nicht mehr tragfähig. Selbst der unmittelbare Druck der BerlinKrise vermochte die berlin- und deutschlandpolitischen Divergenzen in der Union allenfalls kurzfristig zu kaschieren, von grundsätzlicheren Positionsunterschieden in der Europapolitik und der Außenwirtschaftspolitik ganz abgesehen. Vgl. Pridham, Geoffrey, Christian Democracy in Western Germany, S.78; Arnold Heidenheimer, Foreign Policy and Party Discipline, hat schon 1960 schlüssig den Zerfall des außenpolitischen Konsenses innerhalb der Union insbesondere 1958/59 dargestellt. NA, 762A.00/5-1559: US-Botschaft Bonn (Tyler) an Department of State, 15.5.1959.
4. Der engagierte Beobachter
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Kanzlernachfolge beteiligt und, wenn auch nicht an vorderster Stelle, als Kandidaten für das eine oder andere Amt im Gespräch: Bundesinnenminister Gerhard Schröder und der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Kai-Uwe von Hassel. 56 Der ambitionierte und mit 46 Jahren vergleichsweise junge Kieler Regierungschef galt in den Reihen der Union als entschiedener Gegner der SPD, als jemand, der sich im Gegensatz zu Eugen Gerstenmaier oder auch Heinrich Krone mit dem Gedanken einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten nicht anfreunden konnte. 5 7 Zwar galt er 1959 noch nicht als Exponent des prononciert pro-britischen und pro-amerikanischen Flügels der Partei, 58 doch als Politiker eines nördlichen Bundeslandes mußte er traditionellen gefühlsmäßigen Verbundenheiten, aber auch gewachsenen wirtschaftlichen Verbindungen mit England Rechnung tragen. Gerhard Schröder, seit 1953 Bundesinnenminister, hatte sich bis 1959 außenpolitisch kaum profiliert. Auch er war jedoch ein ehrgeiziger Unionspolitiker der zweiten Generation, der offensichtlich seit den gewonnenen Bundestagswahlen 1957 auf die Kanzlernachfolge spekulierte. Nur so waren auch seine massiven Anstrengungen seit Ende 1958 zu verstehen, Ludwig Erhard, den populären Rivalen beim Kampf um die Nachfolge im Amt des Regierungschefs, zu einer Bewerbung um die Nachfolge von Theodor Heuss zu bewegen. 59 Im Urteil der Öffentlichkeit jedoch gehörte Schröder 1958/59 noch nicht zu den aussichtsreichsten Aspiranten auf das Amt des Bundeskanzlers. 60 Die amerikanische Botschaft in Bonn teilte diese Einschätzung: „Minister Schroeder, because of his icy personality, also has only a limited number of supporters and is thought to lack the prestige and 'profile' essential to a leader of the German Government." 6 1 Wenn also auch Hassel und Schröder im Frühjahr 1959 als Kanzlerkandidaten nicht in Frage kamen, so war ihr politisches Gewicht, das sie für Etzel oder Erhard in die Waagschale werfen konnten, keinesfalls zu unterschätzen. Doch ob es je zu einer Entscheidung zwischen Erhard und Etzel kommen würde, mußte bereits im April 1959 wieder als unsicher gelten. Konrad Adenauer, der sich nach seiner Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten für 56
57 58 59
60 61
Zu möglichen Kandidaturen Schröders und von Hassels vgl. Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S. 13-16. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 509. Ebd. Vgl. hierzu Heidenheimer, Arnold, Foreign Policy and Party Discipline, S.77f.; Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S. 14-16; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.235f.; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.509f. Schwarz betont die persönlichen Ambitionen Schröders allerdings viel weniger als Wagner oder Koerfer. Schröder war es gewesen, der Adenauer am 23.2.1959 in einem Gespräch unter vier Augen von den Vorteilen einer Kandidatur Erhards zu überzeugen versuchte, ein Gedanke, dem der Bundeskanzler vorher nicht nahegetreten war. Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.492. S.o., Anm. 44. NA, 762A.13/4-1158: US-Botschaft Bonn (Tyler) an Department of State, subject: Adenauer's Succession, 11.4.1958.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
vier Wochen zur Erholung nach Cadenabbia begeben hatte, begann bereits dort an der Weisheit seines Entschlusses zu zweifeln. Ihn irritierte die Tatsache, daß unmittelbar mit der Bekanntgabe seiner Kandidaturabsicht die Debatte um seine Nachfolge parteiintern und öffentlich entbrannt war und, das wog noch schwerer, allem Anschein nach Ludwig Erhard die besten Chancen hatte, seine Nachfolge anzutreten. 62 Erhard nämlich hatte nach dem 7. April selbstbewußt und deutlich seine Ansprüche auf das Amt des Regierungschefs erhoben und dabei auch erklärt, daß er es sich kaum vorstellen könne, Minister unter einem anderen Kanzler sein.63 Diese „Drohung" (Wagner) erzielte ihre Wirkung. Die Fraktion, die nicht neben Adenauer noch ihr zweites Zugpferd für die nächste Bundestagswahl verlieren wollte, setzte von nun an mehrheitlich auf Erhard, während Etzels Unterstützung merklich abbröckelte. 64 Doch Adenauer war nicht bereit, sich dem Druck der Fraktion zu beugen und der Nominierung Erhards, den er für ungeeignet hielt, zuzustimmen. Da der Bundeskanzler wieder und wieder neben der insgesamt schwierigen außenpolitischen Lage die europapolitische Haltung Erhards scharf kritisierte und sie zu einem der wichtigsten Einwände gegen die Kandidatur des Wirtschaftsministers machte 65 , stellt sich die Frage, inwiefern sich Europapolitik und insbesondere Frankreichpolitik Erhards und Etzels voneinander unterschieden, wo divergierende Akzentuierungen lagen.
1.4.3.
Ludwig Erhard: Sachwalter Interessen ?
amerikanischer
Ludwig Erhards neoliberaler, freihändlerischer Grundüberzeugung entsprach eine Europapolitik, die zwar die Notwendigkeit europäischer Integration aus politischen Gründen anerkannte, doch gleichzeitig immer wieder vor der Bildung und Verfestigung begrenzter Wirtschaftsräume warnte. Die Gefahr einer Übertragung des Modells der Montanunion auf andere Wirtschaftsbereiche vor Augen, schrieb er schon 1954 an Walter Hallstein, den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes: „Europa entsteht ( . . . ) nicht durch eine Addition von Teilunionen beziehungsweise branchenmäßigen Vereinbarungen, sondern Europa ist im ökonomischen Sinne nur als eine echte Funktion zu begreifen." 66 In diesem Satz wird der europapolitische Dissens zwischen sogenannten „Institutionalisten" und „Funktionalisten" deutlich. Während die „Institutionalisten", 62
63 64 65
66
Zur Unterstützung Erhards durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vgl. vor allem Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S. 50-55. Vgl. ebd. S.40f. Vgl. ebd. S.51. Zu Recht bezeichnet Laitenberger das „komplizierte Verhältnis von Außen-, speziell Europapolitik einerseits und Außenwirtschaftspolitik andererseits" als den „eigentliche[n] sachlic h e ^ ] Kernbereich der Kontroversen Erhards mit Adenauer". Vgl. Laitenberger, Volkhard, Ludwig Erhard, S. 129. Nicht abgesandter Brief Erhards an Hallstein vom 9.3.1954, zit. nach: ebd.
4. Der engagierte Beobachter
141
zu denen insbesondere Adenauer und die Führung des Auswärtigen Amtes zählten, sich dafür einsetzten, nach dem Vorbild der EGKS weitere Institutionen des Europas der Sechs zu schaffen, welche später den politischen Zusammenschluß ermöglichten, 67 hatte für die „Funktionalisten" auch die Europapolitik dem Endziel der Wiederherstellung des freien Welthandels zu dienen. Diese Schule um den Bundeswirtschaftsminister setzte sich für die Festlegung allgemeiner ökonomischer Prinzipien ein, denen die nationalen Volkswirtschaften unterworfen werden sollten. 68 In der Gründungsphase der EWG kam es zu einem Kompromiß zwischen beiden Ansätzen, in dessen Zentrum die Befürwortung einer Freihandelskonzeption innerhalb eines europäischen Wirtschaftsraums stand. „Die funktionale weltwirtschaftliche Integration sollte durch eine unauflösliche Zollunion mit einem ausdifferenzierten und entwicklungsfähigen Institutionsgefüge ( . . . ) ergänzt werden." 69 Skeptisch blieb Ludwig Erhard freilich im Verlaufe der EWG-Verhandlungen angesichts der zahlreichen Sonderbedingungen, die Frankreich auf Grund seiner schlechten wirtschaftlichen Lage im EWG-Vertragswerk für sich eingeräumt sehen wollte. Politische Gründe ließen den zweifelnden Minister am Ende jedoch den Römischen Verträgen zustimmen: Es gehe darum, „femab von weiterreichenden Zielen - etwa dem einer europäischen Konföderation - bei den europäischen Völkern zunächst einmal das Bewußtsein einer unlöslichen Schicksalsgemeinschaft zu wecken, ihnen ihre gemeinsame Zukunft vor Augen zu führen und vor allem in der europäischen Jugend eine Gläubigkeit zu erwecken, daß ein glücklicheres Europa im Werden ist". Es hänge alles davon ab, „daß die richtigen Menschen mit der richtigen Haltung an dieses Vertragswerk herangehen". 70 Daß Erhard in der EWG nicht die Umsetzung seiner funktionalistischen Konzeption sah, bewies sein Eintreten für die Schaffung einer von den Briten angeregten Freihandelszone im OEEC-Rahmen. Dies entsprach nicht nur seinen ökonomischen Überzeugungen, sondern trug auch Erhards politischen Anliegen Rechnung: „Im Rahmen der Sechs wird nur allzu leicht jede soziale, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Auseinandersetzung zu einem Widerstreit zwischen Frankreich und Deutschland - und das bedeutet angesichts der weichen Haltung des AA (sie!), daß wir dann meist zu kapitulieren und jene Grundsätze zu opfern bereit sind, die uns aus der Not erlöst haben und den erfolgreichen Wiederaufbau bewirkten ( . . .)." 71 Die französische In67
68 69 70 71
Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1949-1957, S.338; Küsters, Hanns Jürgen, Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Baden-Baden 1982, S. 222-226 und 422-427; ders., Adenauers Europapolitik in der Gründungsphase der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, in: VfZG 31 (1983), S.646-673, v.a. S.653f. Vgl. Laitenberger, Volkhard, Ludwig Erhard, S. 131-133. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer, 1949-1957, S.338. Zit. nach: Laitenberger, Volkhard, Ludwig Erhard, S.137. Schreiben Erhards an Adenauer vom 3.9.1958; zit. nach: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.201.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
transigenz, gekoppelt mit dem Einschwenken Adenauers auf die Linie de Gaulies im Gefolge der Begegnung von Colombey und vor dem Hintergrund der Krise um Berlin ließ das Projekt einer umfassenden europäischen Freihandelszone schließlich scheitern und führte Ende 1959 zur Gründung der Europäischen Freihandelszone (EFTA) mit nurmehr sieben Mitgliedsstaaten. Erhard jedoch hatte sich nach dem Scheitern der Verhandlungen mit London im November 1958 noch lange nicht mit einer wirtschaftlichen Spaltung Europas abgefunden. Sein Ziel blieb weiterhin die Schaffung eines einheitlichen, freihandelsorientierten europäischen Wirtschaftsraums. Franz Etzel, der rheinischen CDU entstammend, schon 1949 Bundestagsabgeordneter, vertrat eine anders akzentuierte Europapolitik. 72 Der protestantische Wirtschaftspolitiker hatte während der ersten Legislaturperiode zu den engagierten Befürwortern des Schuman-Plans gehört. 1952 ging er als Vizepräsident der Hohen Behörde der EGKS nach Luxemburg. Die Luxemburger Jahre verschafften ihm nicht nur die Möglichkeit, Erfahrungen in der internationalen Politik zu sammeln, sondern in dieser Zeit wuchs auch seine Überzeugung von der Notwendigkeit supranationaler Institutionen zur Stärkung der europäischen Integration. Der „Institutionalist" Etzel lag damit zweifellos eher auf der europapolitischen Linie Adenauers als auf der Erhards. Freihandel allein war für Etzel noch keine Garantie gegen den Rückfall Europas in die Konflikte und Instabilitäten der Vergangenheit, sondern es bedurfte der übernationalen Institutionen, „um die Staaten ( . . . ) zusammen[zu]schweißen, damit sie sich nicht mehr verfeinden können". 73 Zwar hatte auch Erhard, wie oben gezeigt, sich niemals grundsätzlich gegen gemeinsame europäische Institutionen ausgesprochen, dennoch werden hier unterschiedliche Prioritäten sichtbar. Herzstück der europäischen Integration war für Etzel - wie für Adenauer - das deutsch-französische Verhältnis. Vor der Europa-Union betonte der Finanzminister am 25. Juni 1959 in Köln: „Without the reconciliation of Germany and France, there can be neither peace nor unity for Europe. Just as discord between the two nations was the source of Europe's misfortune in the past, so can their concord become a source of blessing. It is for this reason that we have set out resolutely on this road with our French friends, and that we have gradually by patient efforts removed all outstanding issues between us
72
73
Obwohl immerhin von 1952 bis 1957 Vizepräsident der Hohen Behörde der Montanunion und von 1957 bis 1961 Bundesfinanzminister, bleiben in der Literatur Persönlichkeit und Politik Franz Etzels vergleichsweise im Dunkeln. Knappe Informationen finden sich in: Caro, Michael K., Der Volkskanzler Ludwig Erhard, Köln/Berlin 1965, S. 168-171; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.162f.; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.359f. Vgl. auch punktuell ergänzend Müller-Armack, Alfred/Schmidt, Herbert B. (Hrsg.), Wirtschafts- und Finanzpolitik im Zeichen der Sozialen Marktwirtschaft. Festgabe für Franz Etzel, Stuttgart 1967. Wagner, Wolfgang. Die Bundespräsidentenwahl 1959, S.51.
4. Der engagierte Beobachter
143
( . . .)." 74 Obwohl von Adenauer, insbesondere ob seiner Haltung in Fragen der Europapolitik, aber auch weil er über keine Bonner Hausmacht verfügte, als potentieller Kanzlernachfolger ins Kabinett geholt, konnte Etzel die Unterstützung der CDU/CSU-Fraktion nicht gewinnen. Doch Erhards Unterstützung durch die Fraktion gab schließlich den Ausschlag für Adenauers Kehrtwende, die Revision seiner Entscheidung vom April und seinen Verbleib im Kanzleramt. In Washington freilich ahnte man Mitte Mai 1959 von der Entwicklung hinter den Bonner Kulissen noch nichts. Noch in der Vorbereitung einer Unterredung des Bundeskanzlers mit Präsident Eisenhower anläßlich der Beisetzung von John Foster Dulles am 27. Mai 1959 ging das State Department vom Wechsel Adenauers in das Amt des Bundespräsidenten aus und von der Tatsache, daß sich mit Erhard und Etzel zwei Unionspolitiker um die Kanzlernachfolge bewerben würden. Sollte der deutsche Besucher den Präsidenten auf die Kontinuität der deutschen Außenpolitik, auch nach seinem Amtswechsel ansprechen, so solle ihm Eisenhower zu verstehen geben, daß die USA keine Befürchtungen hinsichtlich einer Kursänderung der deutschen Politik hegten. Erhard und Etzel seien auch in den USA als überzeugte prowestliche und anti-kommunistische Politiker bekannt. 7 5 Darüber hinaus werde Adenauer sicher künftig nicht ohne politischen Einfluß sein. Während der Kanzler jedoch aus der verfassungsrechtlichen Stellung des Bundespräsidenten dauernde politische Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte abzuleiten gedachte, sah man in Washington eine andere Quelle seines Einflusses: „Even if Adenauer will no longer be the deciding voice in day to day operations, he will as President be able to guide the German Government in major decisions through personal connections with his followers in leading government and party positions." 76 Ob das Außenministerium allerdings in der Nachfolgefrage dem einen oder dem anderen Kandidaten den Vorzug einräumte, geht aus dem Memorandum für den Präsidenten nicht hervor. Ganz im Gegenteil, man versuchte in der Beurteilung der beiden Aspiranten tunlichst einen neutralen Kurs zu steuern: „Etzel is widely known to be favored by Adenauer while Erhard is the preferred choice of the Christian Democratic Party. It may be that Etzel is the better of the two in matters of breadth of policy vision and in administrative capacity. However, Erhard has a known capacity for quick decisions and a personality that appeals strongly to the German voter. In any case, we should carefully avoid showing any evidence of preference in the successorship question, since it 74
75
76
Zit. nach: NA, 651.62A/9-1859: US-Botschaft Bonn (Tyler) an Department of State, Franco-German Relations: A Current Assessment, 18.9.1959. Vgl. DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, International Series, Box 6, Folder Germany - Vol. I (3): Department of State (Acting Secretary Dillon), Memorandum for the President, subject: Your meeting with Chancellor Adenauer, o . D . Ebd.
144
I. Im Schatten der Berlin-Krise
w o u l d b e i m p r o p e r a n d u n p r o f i t a b l e t o m i x i n t o a q u e s t i o n s o clearly internal." 7 7 F ü r K o n r a d A d e n a u e r freilich s t a n d zur g l e i c h e n Z e i t s c h o n fest: E i n e n B u n d e s k a n z l e r E r h a r d w ü r d e er nicht z u l a s s e n . D e r A n l a ß s e i n e s U S A - B e s u c h e s , d e r T o d v o n D u l l e s , w a r nur n o c h e i n z u s ä t z l i c h e s A r g u m e n t für d i e U m k e h r u n g seiner April-Entscheidung, w e n n dieses auch später z u s a m m e n mit d e m v o n d e r V e r s c h l e c h t e r u n g d e r i n t e r n a t i o n a l e n L a g e u n d d e n b e v o r s t e h e n d e n G i p f e l k o n f e r e n z e n in d e n M i t t e l p u n k t d e r B e g r ü n d u n g s e i n e r M e i n u n g s ä n d e r u n g r ü c k t e . 7 8 B e i aller B e d e u t u n g d e r D i f f e r e n z e n z w i s c h e n E r h a r d und A d e n a u e r dürfen gleichwohl diese allgemeinen außenpolitischen
Argu-
m e n t e nicht u n t e r b e w e r t e t w e r d e n . A d e n a u e r s B e u r t e i l u n g d e r i n t e r n a t i o n a l e n L a g e s o w i e s e i n e f e s t e Ü b e r z e u g u n g , d a ß L u d w i g E r h a r d nicht in d e r L a g e s e i , d i e v i t a l e n I n t e r e s s e n d e r B u n d e s r e p u b l i k zu v e r t r e t e n , 7 9 f ü h r t e n letztlich zus a m m e n zur Revision seiner früheren Entscheidung.80 In s e i n e n E r i n n e r u n g e n b e r i c h t e t K o n r a d A d e n a u e r m e h r f a c h ü b e r a n g e b l i c h e Ä u ß e r u n g e n a m e r i k a n i s c h e r P o l i t i k e r , w e l c h e sich s k e p t i s c h ü b e r e i n e n
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Ebd. Vgl. beispielsweise ein Schreiben Adenauers an Heinrich Krone vom 19.5.1959, auszugsweise wiedergegeben in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S. 528-532. Dort heißt es u.a.: „Die außenpolitische Situation ist sehr gespannt, ja ausgesprochen schlecht. Ich brauche nur auf das Ausscheiden des Herrn Dulles hinzuweisen, ferner darauf, daß England in wichtigen außenpolitischen Fragen andere Ansichten entwickelt als seine Bundesgenossen, daß die Uneinigkeit der Westmächte in wichtigen Fragen auf der Genfer Konferenz offen zu Tage tritt." Am 4.6.1959, dem Tag der Bekanntgabe seines Rücktritts von der Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten, schrieb Adenauer abermals an Krone sowie Hermann Höcherl: „Seit dem 6./7. April 1959, dem Tage, an dem ich mich zur Annahme der Kandidatur bereit erklärte, hat sich die außenpolitische Situation, wie der Verlauf der Konferenz in Genf zeigt, verschlechtert. Falls Genf in etwa einen Erfolg hat, wird sich eine Serie von GipfelKonferenzen anschließen, während der größte Vorsicht und Wachsamkeit für uns dringendes Erfordernis ist. Falls in Genf sich kein Ergebnis zeigt, das Präsident Eisenhower veranlaßt, auf eine Gipfel-Konferenz zu gehen ( . . . ) , ist die ganze außenpolitische Situation noch schwieriger und unangenehmer. Ich glaube, bei dieser Entwicklung es nicht verantworten zu können, meinen jetzigen Posten zu verlassen." Dieser Brief ist ebenfalls abgedruckt in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S.544f. Vgl. dazu beispielsweise wiederum Adenauers Brief an Krone vom 19.5.1959; s. auch einen weiteren Brief Adenauers an Krone vom 20.5.1959, abgedruckt in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1959, S. 533-535. Dort heißt es zur Position der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: „Die Entscheidung würde von dem gesamten Ausland, wenn sie zugunsten einer Kanzlerschaft Erhards ausfällt, als eine Abkehr von unserer bisherigen außenpolitischen Haltung ausgelegt werden. Das muß vermieden werden schon mit Rücksicht auf die Genfer Konferenz und die Frage Berlin." In diesem Zusammenhang ist die Feststellung bei Domes nicht von der Hand zu weisen, daß die generellen politischen Bedenken Adenauers angesichts der krisenhaften internationalen Lage in den Augen des Kanzlers nicht nur gegen einen Kanzler Erhard, sondern auch gegen einen Kanzler Etzel sprachen. Vgl. hierzu Domes, Jürgen, Mehrheitsfraktion und Bundesregierung, S.117.
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möglichen Bundeskanzler Erhard geäußert und dabei insbesondere dessen Position hinsichtlich der europäischen Integration erwähnt hätten. 81 Das bereits erwähnte Memorandum für den Präsidenten aus dem Mai 1959 ließ jedoch keinen Zweifel daran, daß ein Bundeskanzler Erhard nicht auf die Ablehnung Washingtons stoßen würde. 82 Am l . J u n i 1959 - Adenauer hatte seine Entscheidung längst gefällt - trat Ludwig Erhard kurz vor dem Ausbruch des Bonner Gewitters eine zehntägige USA-Reise an. In deren Verlauf sollte er in Washington auch mit Präsident Eisenhower zusammentreffen. Doch schon im Vorfeld der Reise geriet Erhards Begegnung mit dem Präsidenten auch auf amerikanischer Seite in den Strudel der deutschen Auseinandersetzungen um die Kanzlernachfolge. Als nämlich Erhards Absicht, im Rahmen seines USAAufenthalts auch Washington zu besuchen, einige Wochen zuvor bekannt geworden war, hatte das State Department in Abstimmung mit der amerikanischen Botschaft in Bonn entschieden, dem Besucher angesichts der unentschiedenen Frage der Adenauer-Nachfolge nicht die Ehre einer Visite im Weißen Haus zuteil werden zu lassen. Das Washingtoner Besuchsprogramm solle auf den Bundeswirtschaftsminister - nicht den Vizekanzler - zugeschnitten sein. 83 Wenige Tage vor seiner Abreise, am 29. Mai 1959, hatte sich Erhard selbst dann allerdings an die Bonner US-Botschaft gewandt mit der Bitte, eine Begegnung mit dem Präsidenten zu ermöglichen. In Anbetracht der sich verschärfenden Auseinandersetzung mit Adenauer und dessen Kritik an Erhards außenpolitischer Kompetenz sowie insbesondere seines Arguments, Erhard werde von der amerikanischen Führung nicht akzeptiert, mußte dem mehr und mehr um seine allgemeine Reputation streitenden Wirtschaftsminister an einem solchen, auch medienwirksamen Zusammentreffen gelegen sein. Augenfällig bestätigte Erhards Ersuchen, wie wichtig ein demonstrativ gutes Verhältnis zu den USA und zuvorderst natürlich zum jeweiligen amerikanischen Präsidenten nicht nur in der deutschen Innenpolitik allgemein, sondern selbst in den Grabenkämpfen der Parteipolitik war. 84 Nun war es gerade die Politik der USA der strikten Nichteinmischung in die 81 82 83
84
Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1955-1957, S.525, 540, 547. S.o., Anm. 75 Vgl. D D E L , White House Office, Office of the Staff Secretary, International Series, Box 6, Folder Germany - Vol. I (3): Department of State, Memorandum for the President, subject: Request for Appointment for Minister Erhard, 1.6.1959. Dies auch in Weiterführung eines Arguments von Grabbe, der zutreffend feststellt, daß der Grad der Übereinstimmung mit der amerikanischen Außenpolitik und das Maß der Bindung an die westliche Vormacht bei den Bundestagswahlen 1949, 1953 und 1957 den Ausschlag für den Sieg gaben. Folgerichtig habe die Gefährdung des außen- und sicherheitspolitischen Konsenses mit den USA wesentlich zur Krise der CSU/CSU in den sechziger Jahren beigetragen, während die SPD ihre Regierungsfähigkeit in den sechziger Jahren durch Annäherung an die USA habe steigern können. Vgl. Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.15. Vgl. zu diesem Argument auch Schröder, Hans-Jürgen, Amerikanische Deutschlandpolitik 1954-1961, S. 160; Haftendorn, Helga, Sicherheit und Entspannung, S.52f:
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Kontroversen der deutschen Innenpolitik, die das State Department zur Umkehrung seiner früheren Position und dazu bewog, Eisenhower einen Empfang Erhards nahezulegen: „To refuse his specific request, in the light of the rivalry between Erhard and Etzel, would probably not be regarded as an effort to preserve neutrality. It could be taken rather as a mark of disfavor for Erhard's candidacy." 85 Das US-Außenministerium, nun eine Begegnung Erhards mit Eisenhower befürwortend, erblickte in dieser jetzt eine gute Gelegenheit, dem Bundeswirtschaftsminister, der es angeblich an Engagement für die europäische Integration fehlen lasse, die äußerste Wichtigkeit vor Augen zu halten, welche die USA der wirtschaftlichen Integration Europas beimesse. 86 In der Tat unterstrich der Präsident in seinem Gespräch mit Erhard am 5. Juni 1959 diesen Punkt. Die wirtschaftliche Integration Europas durch EWG, Euratom und EGKS werde dem politischen Zusammenschluß den Weg bereiten. Prosperität und Stärke Europas und Amerikas würden letztlich die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus gewinnen helfen. 87 Erhard stimmte dem nicht nur zu, sondern machte sich darüber hinaus zum Fürsprecher enger deutschfranzösischer Beziehungen als Kern der europäischen Integration: „The friendship between the two nations is understood. This condition is a great relief to the Germans and must form the basis for any integration of the nations of Europe. He (Erhard; ec) complimented the French on their great economic improvements recently and voiced the hope that if they develop economically, their political fears will also be allayed." 88 Die von Erhard erwähnten französischen politischen Ängste mögen sich zum einen auf das deutsch-französische Verhältnis bezogen haben, zum anderen jedoch durchaus auch auf die politischen Aversionen de Gaulles gegenüber Großbritannien und der unter anderem daraus resultierenden französischen Ablehnung einer europäischen Freihandelszone wie der Beteiligung Englands am Gemeinsamen Markt. In jedem Falle brachte Erhard die Washingtoner Gratwanderung geschickt hinter sich, ohne seine eigene Überzeugung zu widerrufen, aber auch ohne sich in Gegensatz zu amerikanischen Positionen zu begeben. Noch bevor Erhard am 5. Juni mit Eisenhower zusammengetroffen war, hatte indes in Bonn Konrad Adenauer am 4. Juni seinen Verbleib im Amt des Bundeskanzlers bekanntgegeben. Während der Wirtschaftsminister noch jenseits des Atlantiks sein Besuchsprogramm zu absolvieren hatte, wurde Adenauer in Bonn nicht müde, als Gründe für seinen Entschluß neben einer generellen Verschlechterung der internationalen Lage auch in immer stärkerem 85 86 87
88
DDEL, Memorandum for the President, 1.6.1959, s.o., Anm. 83. Ebd. Vgl. D D E L , D D E Diary, Box 42, Staff Notes, June 1-15, 1959 (2): Memorandum of Conference with the President, others present: Ludwig Erhard, Franz Krapf (Chargé d' Affaires), Miss Grosse-Schware (Interpreter), Secretary Murphy, Major Eisenhower, 5.6.1959. Ebd.
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Maße Erhards außenpolitische Unfähigkeit sowie seine europapolitischen Positionen ins Feld zu führen. 8 9 Dem Widerstand in der Unionsfraktion begegnete er mit dem schlagenden Argument: „Meine Herren, Sie können ja das konstruktive Mißtrauensvotum einbringen." 90 Daß Ludwig Erhard sich die Anwürfe gegen ihn nicht gefallen lassen würde, machte er unmittelbar nach seiner Rückkehr aus den USA gegenüber Journalisten deutlich: „Es ist undenkbar, daß die geschichtliche Lüge im Raum bleibt, ich sei in bezug auf die außenpolitische Konzeption weniger standhaft und weniger klar ( . . . ) als der Bundeskanzler. Ich kann auch nicht im Raum stehen lassen, daß ich ein Gegner der Integration Europas bin. Um diese Richtigstellung werde ich kämpfen." 9 1 Dieser Kampf vollzog sich an mehreren Schauplätzen: im Bundestag, in der Unionsfraktion, in verschiedenen Parteizirkeln und nicht zuletzt in der Öffentlichkeit. Er wurde erst am 24. Juni durch die Vermittlung Krones und mit Hilfe eines von den beiden Staatssekretären Globke und Westrick ausgearbeiteten offenen Briefwechsels vorläufig sistiert. 92 Am 1. Juli 1959 wählte die Bundesversammlung in Berlin den bisherigen Bundeslandwirtschaftsminister Heinrich Lübke, einen Verlegenheitskandidaten der Union, zum neuen Bundespräsidenten. Unbestreitbar fügte die Präsidentschaftskrise dem Ansehen Adenauers und seiner Autorität als Regierungschef und Parteivorsitzender erheblichen Schaden zu. Doch auch Ludwig Erhard war angeschlagen. Wie war es nach dem Juni 1959 um seine Chancen, dereinst doch noch die Kanzlernachfolge anzutreten, bestellt? Die übergreifende Fragestellung der Arbeit erfordert vor allem einen Blick auf die Beantwortung dieser Frage durch die amerikanische Führung. Nach einer kurzen, auf die Personen bezogenen Zusammenfassung der Vorgänge um Adenauers Präsidentschaftskandidatur von Ende Juni 1959, welche betonte, daß sowohl Adenauer wie Erhard eine Niederlage erlitten hätten. 93 wurde für Washington diese Thematik erst im Sommer, bei der Vorbereitung von Eisenhowers Besuch in Bonn, wieder aktuell. Anfang August 1959 unterstrich ein Bericht der Bonner Botschaft, daß es bei dem Konflikt zwischen 89 90 91 92
93
Vgl. Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S. 316-330. Zit. nach: ebd., S.322. Zit. nach: Domes, Jürgen, Mehrheitsfraktion und Bundesregierung, S.110. Vgl. zur Entwicklung des Konflikts zwischen 9. und 24.6.1959 ausführlicher ebd., S. 110-114; Wagner, Wolfgang, Die Bundespräsidentenwahl 1959, S. 73-88; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.332-366. Vgl. DDEL, D D E Diary Series, Box 42, Briefings June 1959: Synopsis of State and Intelligence material reported to the President, 22.-24.6.1959. In diesem Bericht heißt es: „ ( . . . ) Adenauer, in continuing his bitter attacks on Economic Minister Erhard, is intent on destroying Erhard's standing in the Christian Democratic Party and eliminating him as a possible successor. Erhard's weak defense has cost him support, and his strongest supporter, Bundestag President Gerstenmaier, has ruled out any reconciliation. Despite party efforts to restore harmony, Ambassador Bruce believes the dispute has 'left permanent scars' and that, although Adenauer can continue to dominate the party, it will be with diminished authority."
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
Adenauer und Erhard zwar primär um Personalfragen gegangen sei, es aber nichtsdestoweniger innerhalb der Partei substantielle Differenzen im Hinblick auf die Integration der Bundesrepublik in den Westen gebe. Die Analyse der Botschaft arbeitete zum einen die eher freihändlerisch-„funktionalistische" Position Erhards und seiner Anhänger heraus, welche die Bedeutung der politischen Einigung Europas und der Schaffung von gemeinsamen Institutionen sowie enger deutsch-französischer Beziehungen als deren Basis verkenne. Demgegenüber vertrete Adenauer nach wie vor fest das Prinzip der politisch-institutionellen Integration, im engen Verbund mit Frankreich und, falls notwendig, beschränkt auf die Gemeinschaft der Sechs. Zu Adenauers Führungskraft hieß es: „Adenauer retains power and can be expected to exercise it as long as he is physically able. He will not be able so easily to silence his critics in the party or to override the Bundestag faction or the party organization in questions where they oppose him unitedly, but he remains the most adroit and aggressive politician in the Federal Republic and one who will compel his party largely to go his own way, if only because they cannot disavow him." 94 Die Frage nach dem Kronprinzen sei nach den Ereignissen der vergangenen Monate wieder offen, wenn sich auch das Feld potentieller Aspiranten verkleinert habe. Dieses stellte sich in den Augen der Bonner US-Botschaft nun so dar: „Erhard is down but not entirely out ( . . . ) . Etzel has also made important foreign policy statements but he lacks a knack for winning personal popularity and tends to sink out of public view. Von Hassel is the leading architect of the party reform and will surely seek personal advantage in it. Schroeder feels that he has earned Adenauer's backing. Gerstenmaier, Franz Meyers and Strauss cannot be kept out of the picture and others will be trying to get into it. However, all will be restrained somewhat by the united opposition of the party to any promoter of dissidence and division."95 Das State Department teilte ganz offensichtlich die Bonner Analyse und machte sie zur Grundlage eines Briefing Papers für die Gespräche des Präsidenten mit dem Bundeskanzler am 27./28. August 1959 in Bonn. Adenauer verfüge parlamentarisch über eine ausreichende Mehrheit, und für die Union wäre es reiner Selbstmord, würde sie Adenauer „abschwören". Dies habe auch die amerikanische Politik zu berücksichtigen: „We can accordingly make clear to the Chancellor that we have every confidence in his ability to lead Germany through the tricky period ahead and will look to him for the astute and courageous leadership that we know he is in a position to provide." 96 Das gleiche Memorandum erwähnte die Perspektive neuer außenpolitischer Strömungen und eventueller Führungskonflikte im Bereich der Au94
95 96
N A , 762A.00/8-159: US-Botschaft Bonn (Ambassador Bruce) an Secretary of State, 1.8.1959. Ebd. D D E L , Ann Whitman File, International Meetings, Box 3, Folder Bonn Visit - August 27-28, 1959, President's Trip to Europe, August - September 1959: Talks with Chancellor Adenauer of Germany, 22.8.1959.
4. Der engagierte Beobachter
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ßenpolitik, die zwar derzeit außer Acht gelassen werden könnten, sich jedoch nach Adenauers Weggang materialisieren könnten. Keime solcher Entwicklungen seien in Deutschland durchaus vorhanden. 97 Daß auch Ludwig Erhard zu denjenigen gehören könnte, die außenpolitisch unter Umständen einen anderen Kurs einschlagen würden als Adenauer, war während der Präsidentschaftskrise für Washington kein Thema. Ein Profil des Wirtschaftsministers, entstanden im September 1959 in der amerikanischen Botschaft in Bonn, legt jedoch den Schluß nahe, daß solche Befürchtungen durchaus existierten. 98 Der amerikanische Wirtschaftsattache Henry Tasca nahm die Bewerbung des Ministers für das Kanzleramt und seine Auseinandersetzung mit Adenauer wenige Monate zuvor zum Anlaß einer ausführlichen Studie über Persönlichkeit und Politik Erhards. Dabei ging er insbesondere dem von Adenauer wieder und wieder geäußerten Vorwurf nach, Erhard sei kein „guter Europäer". 99 In ihren Folgerungen sparte die Studie nicht an Kritik, beispielsweise an seiner Skepsis gegenüber der Schaffung europäischer politischer Institutionen: „ ( . . . ) he is not sensitive in fact to the relationship between trade and foreign policy. This statement is not altered by the fact that in recent weeks, subsequent to his open conflict with the Chancellor, Erhard has begun to give public recognition to the relationship between economic integration and political unification." 100 Angesichts des massiven und kontinuierlichen Eintretens Washingtons für die westeuropäische Integration und die deutsch-französische Aussöhnung mußten Erhards außenpolitische Äußerungen, so wie sie in Bonn rezipiert wurden, den USA zu denken geben: „In all of Erhard's statements on the Common Market and Free Trade Area, it is difficult to find any reference to the underlying political objective of the drive toward political federation of Western Europe. There is no mention of the Soviet threat and the need for Europe to unite its forces for defense against Soviet pressures; nor is there any reference to the Community of the Six as a means of developing and cementing Franco-German friendship; nor is recognition given of the importance of German integration into the West to future political developments in Germany and as an approach to the problem of European security."101 Dies unterscheide Erhard von Bundeskanzler, Außenminister und Auswärtigem Amt. Wenn auch insgesamt an seiner prowestlichen Orientierung und an seinem Bekenntnis zu Freiheit, Demokratie und den Prinzipien der freien Welt kein Zweifel sein könne, wenn er auch amerikafreundlich sei und empfänglich für Rat und Einfluß aus den USA, so könne eine Kanzlerschaft Erhards dennoch Probleme bereiten. Dies umso mehr, als Uni97
Vgl. ebd. NA, 762A. 13/9-1059: US-Botschaft Bonn (Tasca, Minister for Economic Affairs) an Department of State, subject: Ludwig Erhard - A Profile, 10.9.1959. 99 Ebd., S.2. 100 Ebd., S.4f. 101 Ebd., S.5. 98
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
onspolitiker wie Eugen Gerstenmaier, die eine flexiblere und unabhängigere deutsche Außenpolitik befürworteten, zu den Anhängern des Ministers gehörten. Die Studie kommt zu dem angesichts späterer Entwicklungen zwar interessanten, doch vor dem Hintergrund der amerikanischen Europapolitik der Jahre 1958/59 kaum überraschenden Schluß: „ ( . . . ) if he became Chancellor we could count on his deep personal friendliness to the U.S., his loyalty to NATO, and his loyalty to Western Europe. However, in practice, he might be led in the direction of policies and practices affecting the cohesiveness of the West in its defense against Soviet threats, not because of any desire to move away from the West but to seek further underpinnings to his economic philosophy which is the starting and ending point of all his thinking. In fact, the greatest danger to U.S. interests with Erhard as Chancellor would be these political elements who might attempt to use him as a rallying point and exploit his naivete and personal popularity as a means of making major changes in the Federal Republic's foreign policy."102 Eine Washingtoner Reaktion auf diesen vergleichsweise deutlich Stellung beziehenden Bonner Bericht ist nicht bekannt. Doch selbst wenn die amerikanische Führung die Beurteilung geteilt hätte: Die Tatsache, daß, wie oben gezeigt, Erhards Chancen, die Kanzlernachfolge anzutreten, erheblich gesunken waren, hätte zur Beruhigung beitragen können. Ganz abgesehen davon jedoch dachte im Herbst 1959 Adenauer nicht an ein Ausscheiden aus der Politik, und er ließ dies auch Präsident Eisenhower wissen. In einem Brief, in dem der Bundeskanzler dem Präsidenten für die amerikanischen Glückwünsche zum zehnten Jahrestag seines Amtsantritts dankte, kann man lesen: „Düring the coming years in my office .. ."103 Die Einschätzungen im Jahre 1959 zu Adenauers Präsidentschaftskandidatur, zum Problem der Kanzlernachfolge und zu den verschiedenen Strömungen innerhalb der Union spiegelten die seit Ende der vierziger Jahre gültigen Grundlinien der amerikanischen Außen- und speziell Europapolitik wider. Wie auch in den Jahren der Eisenhower-Administration außenpolitische Grundsatzpapiere und konzeptionelle Erklärungen immer wieder unterstrichen, gehörte die Förderung der westeuropäischen ökonomischen und, in einem zweiten Schritt, politischen Integration sowie, als deren Vorbedingung und Antriebskraft, der deutsch-französischen Annäherung zu den wichtigsten Prioritäten und Zielen der amerikanischen Außenpolitik. Auch der Faktor de Gaulle änderte zunächst an diesen Prinzipien nichts. Gerade weil die französische Politik 1958/59 der Bundesrepublik nicht eine Entscheidung zwischen einer kontinentaleuropäisch-französischen und einer transatlantisch-amerikanischen außenpolitischen Option abzuverlangen schien, weil 1958/59 die west102 103
Ebd., S . I I . DDEL, White House Office, Office of the Staff Secretary, International Series, Box 6, Folder Germany - Vol. II (1): Ambassador Bruce (Bonn) an Secretary of State, Letters from Chancellor Adenauer, 19.9.1959.
5. Das Jahr 1960
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liehe Einheit nicht generell, wie in späteren Jahren, gefährdet schien, gab es für Washington, trotz aller Spannungen mit Adenauer, keinen Grund, dem deutschen Bundeskanzler die politische Unterstützung zu entziehen. Wenn es auch, wie gezeigt, im Bereich der Berlin-, Deutschland- und Ostpolitik durchaus Meinungsunterschiede gab, in den Grundfragen der „Westpolitik", hinsichtlich NATO, europäischer Integration und deutsch-französischer Aussöhnung stimmten die Eisenhower-Administration und Adenauer nach wie vor überein. Insofern bestand im Frühjahr und Sommer 1959 für die amerikanische Führung keine Veranlassung, für einen Kanzlerkandidaten Ludwig Erhard Partei zu ergreifen, der offensichtlich, bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung, doch in Einzelfragen der Europapolitik von Adenauers Linie abzuweichen schien. Erst als Adenauers europapolitische Position und seine Frankreichpolitik vor dem Hintergrund der immer stärker anti-amerikanische Züge annehmenden Politik de Gaulies und der sich neu orientierenden Außenpolitik der KennedyAdministration eine schleichende Distanzierung Bonns von Washington erkennbar werden ließ, fiel der amerikanische Blick wieder auf Erhard. Entsprach nun, Anfang der sechziger Jahre, so wird im weiteren Verlauf der Untersuchung zu fragen sein, seine europapolitische Haltung, seine Skepsis gegenüber europäischen Institutionen, gegenüber einem sich nach außen, gegenüber Großbritannien und den USA abgrenzenden zu engem Zusammenschluß der Sechsergemeinschaft nicht viel eher der Politik Washingtons?
1.5. Das Jahr 1960 - Ruhe vor dem Sturm Das Jahr 1960 war ein Jahr des Abwartens. Doch es war kein Jahr des Stillstands. Zwar ließ der durch das Chruschtschow-Ultimatum ausgelöste unmittelbare und akute Druck auf Berlin und damit die Bundesrepublik und den Westen insgesamt nach. Aber mit der Gefahr anglo-amerikanischer Kompromisse in der Berlin- und Deutschlandfrage, die erst das Scheitern des Pariser Vier-Mächte-Gipfels bis auf weiteres bannte, blieben bis gegen Ende der ersten Jahreshälfte 1960 die deutsch-amerikanischen und deutsch-britischen Spannungen bestehen, welche seit November 1958 katalytische Wirkung für das Zustandekommen des engen deutsch-französischen Verhältnisses und die umfassende Übereinstimmung zwischen Bundeskanzler Adenauer und Staatspräsident de Gaulle gehabt hatten. In den USA ließen das Scheitern des Pariser Gipfels, verbunden mit sich mehrenden Belegen des sowjetischen Expansionismus, und der Präsidentschaftswahlkampf die Entspannungstendenzen im Ost-West-Verhältnis wieder zurücktreten gegenüber dem konfrontativen Charakter des Kalten Krieges. Für eine Weile hatte die Berlin-Krise die seit 1956 diskutierte und seit 1958 durch de Gaulle verstärkt gestellte Frage nach der
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
Zukunft der NATO in den Hintergrund rücken lassen und auch die Weiterentwicklung der europäischen Integration - trotz des Inkrafttretens der Römischen Verträge - von der Spitze der politischen Agenda des Westens verdrängt. Nun kam erneut Bewegung in diese Themen, wenn sich auch die grundsätzliche amerikanische europa- und allianzpolitische Position, die ja im Zentrum dieser Studie steht, nicht entscheidend veränderte. Das Jahr des USWahlkampfs war insbesondere auf amerikanischer Seite auch ein Jahr europapolitischen Wartens. De Gaulies Europainitiative von Rambouillet (Juli 1960) ließ zwar Konturen künftiger Entwicklungen erkennen. Diese sollten aber erst unter Präsident John F. Kennedy zur Entfaltung kommen. Insbesondere auf Grund der Fortgeltung der weiter oben beschriebenen und analysierten amerikanischen Europakonzeption und der Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen wird dieses Überleitungskapitel lediglich den Versuch unternehmen, die unter der Fragestellung der Arbeit relevanten Entwicklungen aufzuzeigen und hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Gesamtthema zu bewerten. Diese Vorgehensweise trägt natürlich auch dem Erfordernis Rechnung, die beiden analytischen Hauptteile der Studie in ihrer Bedingtheit und ihrem europa- und integrationspolitischen Zusammenhang miteinander zu verbinden. Das Dezembertreffen Eisenhowers, Macmillans, de Gaulles und Adenauers war im engeren Sinne kein „Vierergipfel". Es war eine Dreierbegegnung, in die der deutsche Bundeskanzler phasenweise und nur, wenn es um die Berlinoder Deutschlandfrage ging, einbezogen wurde. Zur Enttäuschung Adenauers schien der Direktoriumsvorschlag de Gaulles aus dem September 1958 nun konkrete Formen anzunehmen. Wenn auch insbesondere Eisenhower einer Formalisierung oder Institutionalisierung trilateraler Konsultationsmechanismen nicht zugestimmt hatte, erkannte er doch den politischen Nutzen informeller Begegnungen im Dreierrahmen. 1 De Gaulle, der auf den Status Frankreichs in der internationalen Machthierarchie solch großen Wert legte, konnte durch gelegentliche Dreierbesprechungen unter Umständen stärker in die Disziplin der von den USA geführten Allianz eingebunden werden; ja solche Gespräche würden möglicherweise dazu beitragen, Paris in der speziellen Domäne der Berlin- und Deutschlandpolitik näher an den entspannungsorientierten anglo-amerikanischen Kurs heranzuführen. Für Adenauer mußte diese Gefahr eine starke Triebkraft für die noch engere Anlehnung der Bundesrepublik an Frankreich sein, unter Umständen auch für weitere europapolitische Zugeständnisse an Paris. Denn nach dem Dezembertreffen war dem Kanzler klar, daß Eisenhower und Macmillan zu weitreichenden Konzessionen in der BerlinFrage bereit waren, daß de Gaulle auch aus Großmachtstatuserwägungen da1
Vgl. in diesem Zusammenhang die politischen Direktiven des amerikanischen Grundsatzpapiers NSC 5910/1 „U.S. Policy ort France" vom 4.11.1959, die einen informellen Tripartismus, um de Gaulle einzubinden, durchaus zu den Instrumenten amerikanischer Frankreichpolitik zählten. Zu NSC 5910/1 s.o., Kap. 1.3.
5. Das Jahr 1960
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gegen nicht vehement opponierte und daß so der für den Mai 1960 in Aussicht genommene Gipfel der Vier Mächte in Paris nicht nur zur internationalen Anerkennung der deutschen Teilung zu führen drohte, sondern auch zu Änderungen am Status von Berlin und eventuell sogar Vier-Mächte-Abreden über die deutsche Ostgrenze. Bei Adenauer machte sich einmal mehr tiefes Mißtrauen gegenüber Eisenhower, Macmillan und nun auch de Gaulle breit, und wieder entstanden in Bonn, wie schon im Krisenwinter 1958/59, deutschlandpolitische Notfallpläne und Kompromißvorschläge. 2 Die Pariser Gipfelkonferenz markierte den - vorläufigen - Abschluß einer Phase sowjetischen Drucks in der Berlin- und Deutschlandfrage, das einstweilige Ende auch anglo-amerikanischer deutschland- und berlinpolitischer Entspannungs- und Kompromißbereitschaft. Die Zeit zwischen dem Pariser Gipfel 1960 und dem Sommer des Mauerbaus 1961 war in den Ost-West-Beziehungen eine Periode relativer Ruhe. Diese Ruhe indes war nicht Ergebnis eines ostwestlichen Ausgleichs, nicht Folge einer Einigung in der Berlin-Frage, sondern, im Gegenteil, Konsequenz des Scheitern aller diesbezüglichen Bemühungen. In gewisser Weise stellte sich nach dem Gipfel von Paris für etwa ein Jahr im Ost-West-Verhältnis wieder die Situation ein, die bis in den Herbst 1958 geherrscht hatte. Zumindest in der Frage der Berlin- und Deutschlandpolitik bewirkte das von Chruschtschow provozierte Scheitern des Gipfels eine Wiederherstellung der innerwestlichen Solidarität, was Adenauer von seinen größten Sorgen befreite, den Plan einer Österreich-Lösung für die DDR und Berlin erneut in der Schublade verschwinden ließ und das deutsch-britische und deutsch-amerikanische Verhältnis schlagartig verbesserte. Freilich waren für diese Entwicklung nicht allein die Folgen des U-2-Abschusses ausschlaggebend. Weltpolitische Krisen im Kongo und in Laos, die Castro-Revolution in Kuba und Chruschtschows Vorschlag der Errichtung einer UN-Führungstroika nährten in der Weltöffentlichkeit die Skepsis gegenüber den Absichten der Sowjetunion und ließen den Moskauer Druck auf Berlin mit einem Male als Teil eines weiterreichenden sowjetischen Vorgehens erscheinen. 3 Darüber hinaus zwang der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf insbesondere angesichts des offensichtlichen weltpolitischen Verhaltens der Sowjetunion Eisenhower zu einer härteren Linie, mit der sich sein Vizepräsident und Nachfolgekandidat Richard Nixon beim Wähler bewußt als anti-sowjetisch im Gegensatz 2
3
Adenauer trug sich in dieser Situation wieder, wie schon im Frühjahr 1958 anläßlich seiner Gespräche mit dem Moskauer Botschafter in der Bundesrepublik, Smimow, mit dem Gedanken einer Österreich-Lösung für die DDR und Berlin. Gleichzeitig belebte Adenauer unter Vermittlung des Bonner Botschafters in Moskau, Hans Kroll, den bilateralen Dialog mit Chruschtschow aufs Neue. Vgl. hierzu Kroll, Hans, Botschafter in Belgrad, Tokio und Moskau 1953-1962, München 1969, S. 273-284; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.557-560; Siebenmorgen, Peter, Gezeitenwechsel, S.266-286. Zu den Ereignissen im Kongo, in Laos und auf Kuba sowie der sowjetischen UN-Initiative s. ausführlicher: Die Internationale Politik 1958-1960, S. 975-998, 821-829 und 211-217.
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zu den entspannungsorientierten Demokraten um John F. Kennedy profilieren konnte. Gerade der amerikanische Wahlkampf war allerdings auch ein Grund für die vorübergehende Unterbrechung des sowjetischen Drucks auf Berlin. Da die bevorstehenden Wahlen die Eisenhower-Regierung ohnehin handlungsunfähig machten bzw. zu einer Verhärtung ihrer Position gegenüber Moskau führten, empfahl es sich auch für Chruschtschow, die Inauguration des neuen Präsidenten abzuwarten, um dann erneut aktiv zu werden. Und vielleicht würde ja dann eine demokratische Administration sowjetischen Interessen ohnehin entgegenkommen. Die Monate relativer Ruhe in den Ost-WestBeziehungen - zumindest was Europa betraf-, verbunden mit einer Entschärfung innerwestlicher Gegensätze in der Berlin-, Deutschland- und Entspannungspolitik, führten allerdings dazu, daß innerhalb der westlichen Allianz zwei Themen wieder an die Spitze der Agenda rückten, welche die BerlinKrise zeitweise in den Hintergrund hatte treten lassen: Es handelte sich dabei um die von de Gaulle immer massiver gestellte Frage nach der Zukunft der NATO und der militärischen Integration einerseits sowie um den Fortgang des europäischen Einigungsprozesses andererseits. Diskussionen über eine Reform der NATO sind so alt wie das Bündnis selbst. Die Erhöhung der Zahl der Mitgliedstaaten von zwölf auf fünfzehn, vor allem der Beitritt der Bundesrepublik 1955, sowie das zunehmende politische, wirtschaftliche und militärische Gewicht der westeuropäischen Staaten hatten schon 1956 zu Überlegungen geführt, die Konsultation in der Allianz zu intensivieren.4 Als seit dem Sputnik-Schock von 1957 mit dem Anwachsen des nuklearstrategischen Potentials der Sowjetunion europäische Zweifel an der nuklearen Garantie der USA laut wurden, die Möglichkeit eines auf Europa begrenzten Atomkriegs nicht mehr ausgeschlossen wurde, da mehrten sich die europäischen Stimmen, welche nicht nur ein höheres Maß an politischer Konsultation forderten, sondern darüber hinaus Teilhabe und Mitsprache im nuklearen Bereich. Mit der Regierungsübernahme de Gaulies verstärkte sich diese Diskussion. Die USA gerieten unter Zugzwang. Bereits im Oktober 1959 hatte NATO-Oberbefehlshaber Lauris Norstad den Plan vorgelegt, eine nukleare Streitmacht der Allianz zu schaffen, die NATO zur vierten Atommacht zu machen. 5 Ein wichtiges Motiv der Norstad-Initiative war es gewesen, französische Nuklearambitionen zu kanalisieren, die Entstehung einer unabhängi4
5
Im Frühjahr 1956 hatte der Nordatlantikrat einen Dreier-Ausschuß, bestehend aus den Außenministern Gaetano Martino (Italien), Lester B. Pearson (Kanada) und Halvard Lange (Norwegen), beauftragt, „den Rat über Mittel und Wege zur Verbesserung und Erweiterung der Zusammenarbeit im Rahmen der NATO auf nichtmilitärischem Gebiet sowie zur Herbeiführung einer größeren Einigkeit innerhalb der atlantischen Gemeinschaft zu beraten". Im Dezember des gleichen Jahres legte der Ausschuß seinen Abschlußbericht mit seinen Empfehlungen vor. Vgl. Bericht des Dreier-Ausschusses betreffend die nichtmilitärische Zusammenarbeit im Rahmen der NATO, abgedruckt in: E A , 20.1.1957, S.9562-9751; vgl. auch Das Atlantische Bündnis. Tatsachen und Dokumente, Brüssel 1990, S.60f. Zum Norstad-Plan vgl. Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache, S. 31-40.
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gen französischen Atommacht zu verhindern. De Gaulle jedoch, der unter Hochdruck die Politik der IV. Republik zur Entwicklung einer französischen Atombombe fortsetzte, konnte von diesem Projekt nicht abgebracht werden. Am 13.Februar 1960 explodierte im Atomwaffenversuchsgelände von Reggane in der Sahara die erste französische Atombombe. Wenn dies auch noch lange nicht die Existenz einer französischen Atomstreitmacht bedeutete, so hatte de Gaulle dennoch einen nicht zu unterschätzenden Erfolg erzielt. Er hatte zum einen generell der auf nationale Unabhängigkeit gerichteten französischen Politik Nachdruck verliehen und sie glaubhafter gemacht. Zum zweiten hatte Frankreich mit dem Eintritt in den Club der Atommächte seinen Anspruch auf Gleichrangigkeit mit Großbritannien und auf Anerkennung als Großmacht unterstrichen. Zum dritten schließlich lieferte die französische Bombe de Gaulle ein gewichtiges Argument zur Unterstützung seines Bemühens um die Führung Kontinentaleuropas. Zwar war es illusorisch, daß Frankreich einst die Rolle der USA als nukleare Schutz- und Garantiemacht Europas und insbesondere des Frontstaates Bundesrepublik Deutschland würde übernehmen können. Doch mochte unter Umständen gerade für Bonn, das sich gegenüber Washington intensiv um nukleare Mitspracherechte bemühte, die Perspektive einer nuklearen Vereinbarung mit Paris durchaus verlockend sein. Es lag im Interesse Washingtons, insbesondere dieser letzteren Möglichkeit entgegenzuwirken und den unzufriedenen nuklearen Habenichts Bundesrepublik nicht in die Arme de Gaulles zu treiben. Die sogenannte Bowie-Studie, benannt nach dem Chef des Planungsstabes des State Department, Robert Bowie, vom August i960 6 und der auf ihr basierende Herter-Plan vom Dezember des gleichen Jahres 7 verfolgten dieses Ziel sowie die Absicht, die französische Kritik an der amerikanischen Dominanz in der NATO zu entkräften. Während Bowies Vorschlag noch von einer echten NATO-Einheit ausging, wollte der Herter-Vorschlag „die Polaris-U-Boote schon nicht mehr [der] ( . . . ) NATOKontrollinstanz unterstellen und ( . . . ) für die übrigen Mittelstreckenraketen eine Art Zweischlüsselsystem" einrichten. 8 Im Gegensatz zu Großbritannien und Frankreich, die auf Grund ihrer nationalen Nuklearprogramme dem amerikanischen Partizipationsmodell nur begrenztes Interesse entgegenbrachten, reagierte die Bundesregierung positiv. In der Tat versuchte Bonn, Präsident Eisenhower noch in den letzten Wochen vor der Amtseinführung seines Nachfolgers zu formalen Schritten in dieser Frage zu bewegen, um die neue Administration zu binden. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Absehbar war jedoch
6
7 8
Bowie, Robert R., The North Atlantic Nations: Tasks for the 1960s. A Report to the Secretary of State, August 1960 (21.8.1960), Aktenmaterial des Nuclear History Program (NHP), mit einer Einführung von Robert Bowie aus dem Juni 1991. Vgl. Herter, Christian A., Toward an Atlantic Community, New York 1963, S. 41-44. NHP-Zeitzeugenbefragung, „Die nukleare Frage in den deutsch-amerikanischen Beziehungen während der zweiten Berlin-Krise und der MLF-Phase", Ebenhausen, Juli 1988, S.15.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
spätestens seit 1960 der bündnispolitische Konfliktstoff, der sich aus den europäischen Partizipationsforderungen und den amerikanischen Bemühungen um Zentralisierung nuklearer Entscheidungen ergeben mußte. Die Debatten der sechziger Jahre im bilateralen oder im Bündnisrahmen um nukleare Teilhabe, die für die Beziehungen zwischen Washington, Bonn und Paris noch von großer Bedeutung sein würden, hatten ihren Bezugspunkt in den Konzepten des Jahres 1960. Möglicherweise ist der frische nukleare Status Frankreichs ein Erklärungsfaktor für die europapolitischen Vorschläge, welche Präsident de Gaulle, nachdem die akute Krise um Berlin vorerst vorüber war, Ende Juli 1960 in Rambouillet Bundeskanzler Adenauer unterbreitete. 9 Darüber hinaus jedoch muß de Gaulles europapolitische und in erster Linie auf die Bundesrepublik zielende Initiative auch als französische Reaktion auf offensichtliche amerikanische Bestrebungen gewertet werden, der Dominanz der USA im Bündnis durch eine Reform der NATO zwar den Stachel, nicht aber Kraft und Wirksamkeit zu nehmen. De Gaulles kontinentaleuropäisches Hegemoniekonzept, mit dem er dem amerikanischen entgegentrat, konnte Glaubhaftigkeit und Wirkung nur mit Hilfe deutscher Unterstützung entfalten. Insofern zielte Rambouillet auch darauf, die deutsche bündnispolitische Unzufriedenheit den gegen die USA gerichteten französischen Hegemonialinteressen nutzbar zu machen. Hinzu kam schließlich als weiterer Grund für de Gaulles Vorgehen die Gründung der von Großbritannien dominierten Europäischen Freihandelszone (EFTA), die am 4. Januar 1960 in Stockholm errichtet worden war und am 3. Mai 1960 in Kraft trat. Zwar war schon seit Ende 1958 die Bildung einer großen europäischen Freihandelszone (FTA) aus den EWG-Ländern und den nunmehrigen EFTA-Staaten kein Thema mehr. 10 Doch dem britisch geführten Europa der Sieben mußte de Gaulle nun erst recht das Europa der Sechs unter französischer Führung entgegensetzen. Freilich würden die übrigen EWG-Mitgliedsstaaten die französische Dominanz nur so lange akzeptieren, so lange sie den europäischen Einigungsprozeß nicht blockierte. Aufhalten konnte de Gaulle die Fortsetzung der europäischen Integration nicht, wohl aber konnte er das französische Gewicht ausspielen, um die Entwicklung im Pariser Sinne zu beeinflussen. Und auch hierfür war die Mitwirkung der Bundesrepublik entscheidend. In Rambouillet also kreuzten sich die bündnispolitischen mit den europapolitischen Zielsetzungen de Gaulles. Die Vorschläge des Präsidenten über die Errichtung einer Europäischen Politischen Union (EPU) richteten sich massiv gegen die europapolitischen Maximen der USA, die zu diesem Zeitpunkt noch, 9
Zum Treffen zwischen Adenauer und de Gaulle in Rambouillet im Juli 1960 vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963. Fragmente, Stuttgart 1968, S.59-67; Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S. 109-119; ders., Adenauer. Der Staatsmann, S.565-576; Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.237-247. 10 S.o., Kap. 1.2.
5. D a s Jahr 1960
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wie gleich zu zeigen sein wird, eindeutig die supranationale europäische Integration in den drei Europäischen Gemeinschaften befürworteten. Die Pläne des Generals zur Reform der N A T O , die auf eine Lockerung der Integrationsstrukturen hinausliefen und sich mit der Androhung des französischen NATOAustritts verbanden, dienten gleichfalls dem gegen die Vereinigten Staaten gerichteten französischen Hegemoniekonzept. Die Schaffung der EPU, die sich gemäß einem Neun-Punkte-Memorandum de Gaulies 11 ausdrücklich auch auf den wirtschaftlichen Bereich, das Gebiet also der supranationalen Integration, erstrecken sollte, hätte den bisherigen Integrationsprozeß abgebrochen bzw. ihn neben dem Konzept der Europäischen Politischen Union der Regierungen alsbald verkümmern lassen. O b nun de Gaulle schon 1960 die Bildung einer deutsch-französischen Zweierallianz vorschlug oder nicht, ist nicht von entscheidender Bedeutung. Seine europapolitischen Intentionen und sein Grundkonzept sprechen eher gegen diese Vermutung. 1 2 Allerdings wurde mit der EPU-Initiative eine Entwicklung in Gang gebracht, die von den FouchetPlänen 1961/62 bis hin zum Abschluß des deutsch-französischen Vertrages im Januar 1963 führte. Was de Gaulle im Juli 1960 Adenauer und dann im September auch den anderen EWG-Regierungschefs präsentierte, war ein grundsätzlich neues Europakonzept, das mit dem bisherigen, auch von den USA unterstützten nichts mehr gemein hatte. Der französische Präsident hatte einer Ausweitung des föderalistischen Integrationsmodells auf den politischen Bereich eine Absage erteilt und damit dem Einigungsprozeß fürs erste Ziel und Schwung genommen. Zwar hatte der Bundeskanzler der Initiative de Gaulies in Rambouillet zugestimmt, und insbesondere der Wunsch, die Gefahr eines amerikanisch-britisch-französischen Dreier-Direktoriums endgültig zu bannen, mag dabei eine Rolle gespielt haben. Massiver Druck jedoch aus den eigenen Reihen, aus Regierung, Partei und Fraktion in Verbindung mit sich abzeichnenden amerikanischen Offerten einer Nuklearpartizipation ließen Adenauer schon nach kurzer Zeit seine Zustimmung modifizieren. 13 Eine deutliche Ab11
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Archiv für Christlich-Demokratische Politik (ACDP), 1-028,006/4: Note au sujet de l'organisation de l'Europe, Rambouillet, 30.7.1960. Vgl. hierzu Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.237f. Hans-Peter Schwarz, der 1983 den Vorschlag eines deutsch-französischen Zweibundes nicht anzweifelte, relativiert diese Aussage im zweiten Band seiner Adenauer-Biographie und räumt die Möglichkeit eines Mißverständnisses auf Seiten Adenauers ein. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.116f.; ders., Adenauer. Der Staatsmann, S.567f. In seinem Tagebuch notierte Heinrich Krone: „Geradezu tödlich gefährlich ist das, was de Gaulle mit der NATO vorhat. ( . . . ) Das heißt, den Amerikanern den Stuhl vor die Tür Europas setzen, und das in einem Augenblicke, wo ein neuer Präsident kommt, von dem man sowieso nicht weiß, wie sehr ihm amerikanisch gesehen an Europa gelegen ist. ( . . . ) Wir sind es, die auf Amerika angewiesen sind, und nicht die Amerikaner auf uns. ( . . . ) Das ganze ist eine Abkehr von dem bisherigen Weg deutscher Politik ( . . . ) . " ACDP, 1-028,006/ 4: Tagebuchaufzeichnung Krones, 1.8.1960. Am 2.8.1960 teilte Krone dem Bundeskanzler, noch stärker auf die Europapolitik eingehend, seine Bedenken schriftlich mit: „Die von Staatspräsident de Gaulle vorgetragene
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
kühlung der deutsch-französischen Beziehungen war die Folge. Sie sollte bis ins Frühjahr 1961 hinein andauern. 1960 jedoch hatte Washingtons Gewicht entsprechende Wirkung gezeigt. Die sich aus dem Memorandum von Rambouillet ergebende Entscheidung zwischen deutscher Bindung an Frankreich oder an die USA konnte und wollte Adenauer nicht treffen. Dazu waren, wenn man - mit Blick auf das Jahr 1962 - so will, die deutsch-amerikanischen Beziehungen noch nicht schlecht genug. Neben dem Blick auf die konkreten politischen Ereignisse des Jahres 1960 ist es notwendig, die Aufmerksamkeit auch auf die konzeptionelle Entwicklung der amerikanischen Europapolitik und der Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen im gleichen Zeitraum zu lenken. Eine kurze Analyse europapolitischer Schlüsselpapiere, namentlich der Policy Papers des Nationalen Sicherheitsrates, soll die Frage beantworten helfen, ob das Jahr 1960, auch was die Grundlagen der Europapolitik Washingtons betraf, eher ein Jahr des Abwartens und der Kontinuität war oder ein Jahr der Umorientierung oder des Aufbruchs. Das amerikanische Bekenntnis zur Fortsetzung der europäischen Integration blieb als politischer Grundsatz bis zum Jahresende 1960 erhalten. Insofern glichen sich beispielsweise die Zieldefinitionen in einem themenorientierten Memorandum vor Eisenhowers Zusammentreffen mit de Gaulle während dessen USA-Staatsbesuch im April I96014 und diejenigen in einem Report zum Grundsatzpapier NSC 5910/1 „U.S. Policy on France"15 vom 9.November I960. 16 Doch trotz der Kontinuität im Grundsätzlichen deuteten sich im Laufe des Jahres Differenzierungen und Modifizierungen an. So erklärte sich auch
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europäische Konzeption läuft auf ein 'Europa der Vaterländer' hinaus. Dieser Gedanke ist schon des öfteren von französischer Seite geäußert worden. Er bedeutet im Grunde eine Abkehr von dem bisherigen Wege, Europa über europäische Institutionen aufzubauen. Dabei setze ich voraus, daß die bestehenden europäischen Institutionen nicht abgebaut werden. Wenn auch daran gerüttelt werden sollte, so wäre das eine völlige Abkehr von unserer bisherigen Europapolitik. ( . . . ) Ich hätte Ihnen, verehrter Herr Bundeskanzler, diesen Brief nicht geschrieben, wenn ich nicht wirklich über die weitere europäische Entwicklung und über unser Verhältnis zu Amerika besorgt wäre." A C D P , 1-028,006/4: Schreiben Krones an Adenauer, 2.8.1960. Vgl. D D E L . Ann Whitman File, International Series, Box 12, Folder De Gaulle-Visit to U.S., April 22-25 1960 (5): President's Talks with de Gaulle, Briefing Memorandum, o . D . Zu NSC 5910/1 s.o., Kap. 1.3. N A , R G 273: NSC 5910/1, U.S. Policy on France, Operations Coordinating Board Report, 9.11.1960. Dort heißt es: „European Integration: During the past few months de Gaulle has been consulting the heads of the other nations in the European Community with a view towards proposing new forms of cooperation in which he would assume that France would play a leading role. His proposals remain vague. ( . . . ) De Gaulle's objective is closer consultation and cooperation among the Six, but without supranational aspects. He objects particularly to any assumption of a political role by the Brussels and Luxembourg Communities, and apparently would wish to see them deal only with technical economic matters. The U.S., on the other hand, has pointed out that it is interested in seeing that the objectives of the Rome Treaties are pursued and are not diverted by transferring the political
5. Das Jahr 1960
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die Notwendigkeit eines Status Report zu NSC 5910/1: „Policy Review: The agencies represented on the Working Group on France have reappraised the validity and evaluated the implementation of the U.S. Policy Towards France ( . . . ) in the light of operating experience and agree that while there is no need for the National Security Council to review the policy at this time, there have been operational developments of such significance as to warrant sending a report to the National Security Council." 17 Der Report bezog sich offensichtlich auf Vorgänge im einzelnen, welche in Ansätzen bereits die europapolitische Agenda der Kennedy-Zeit erkennen ließen und welche klarer als vorher auf die durchaus ambivalente Bedeutung des Faktors de Gaulle für den europäischen Einigungsprozeß und das trilaterale Beziehungsgeflecht zwischen Washington, Bonn und Paris hinwiesen. Nach der EFTA-Gründung Anfang 1960 konnten sich die USA nicht der Realität eines wirtschaftlich zweigeteilten Westeuropa entziehen. Obwohl man in Washington auf eine Verbesserung der angespannten Beziehungen zwischen E W G und E F T A , also insbesondere zwischen Frankreich und Großbritannien, hoffte, lag das politische Hauptinteresse der USA eindeutig bei der Erhaltung der Geschlossenheit des Gemeinsamen Marktes, durch die ja nicht nur der Kern Westeuropas politisch und ökonomisch stabilisiert wurde, sondern durch die auch die Bundesrepublik neben der militärischen Verankerung in der N A T O fest in die westliche Gemeinschaft eingebunden wurde. Für Washington verknüpfte sich diese Priorität allerdings mit der Forderung nach einer freihandelsorientierten Zollpolitik des Gemeinsamen Marktes, das heißt: insbesondere nach einem Verzicht auf hohe Außenzölle. 18 Dieses Interesse hatte eine ganz wesentliche Begründung in dem immer stärker anwachsenden amerikanischen Zahlungsbilanzdefizit, zu dessen Minderung oder Überwindung die Exporte der USA weiter erhöht werden mußten. Dem stand die vor allem auf dem Agrarsektor protektionistische Politik Frankreichs entgegen, die sich mit dem Konzept der Gemeinsamen Agrarpolitik auch auf EWG-Ebene auswirken würde. Eine sektoral oder generell protektionistische EWG-Politik konnte die Billigung der USA nicht finden. Sie wäre weder im Sinne der langfristigen, seit dem Marshall-Plan verfolgten amerikanischen Interessen gewesen noch hätte sie zur Überwindung aktueller Schwierigkeiten der US-Wirt-
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vitality and potential of the Community framework to a separate and less dynamic institutional structure." (Hervorhebung im Original). Ebd. (Hervorhebung im Original). In dem Memorandum des State Department zur Vorbereitung Eisenhowers auf die Gespräche mit de Gaulle vom April 1960 hieß es: „If the question of recent difficulties between the UK and other Outer Seven countries and the Common Market arises, you should state that we hope for improved relations between these groups, but on a basis which clearly preserves the integrity of the Common Market and avoids injury to the broader interests of world trade. In our view, liberal, low-tariff policies by the Common Market are essential to a satisfactory resolution of these problems." DDEL, President's Talks with de Gaulle, o. D., s.o., Anm. 14.
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I. Im Schatten der Berlin-Krise
schaft beigetragen. Mit dem Trade Expansion Act (TEA) von 1962 sollte John F. Kennedy genau diese Problematik aufgreifen. Seit dem deutsch-französischen Treffen von Rambouillet bzw. seit de Gaulles Europa-Pressekonferenz vom September I96019 stand jedoch für die USA mehr zu befürchten als die Gefahr hoher Außenzölle. Die Vorschläge des französischen Präsidenten, die auf eine Sistierung des supranationalen Integrationsprozesses zielten und statt dessen eine Europäische Politische Union, ein „Europa der Vaterländer", ein Europa der Regierungen propagierten, mußten in Washington als Alarmzeichen gewertet werden. Stärker als in einem Europa mit supranationalen Institutionen würde in einer Europäischen Politischen Union Frankreich, würde de Gaulle die Führung übernehmen. Allein aus diesem Grunde lehnte Washington das EPU-Projekt schon 1960 ab, auch wenn unter Umständen das weitere Voranschreiten der Europäer auf dem Weg der Römischen Verträge die USA einen nicht zu unterschätzenden ökonomischen Preis kosten würde. Eine französisch dominierte Europäische Politische Union wäre nicht mehr das starke Europa der Marshall-Plan-Intentionen gewesen. Es würde in amerikanischen Augen nicht die Dynamik der drei Europäischen Gemeinschaften entwickeln20 und deswegen möglicherweise auch die feste Integration der Bundesrepublik vor dem Hintergrund deutschlandpolitischer Herausforderungen nur noch bedingt sichern können. Die Bundesrepublik, für die europäische Integration und deutsch-französische Beziehungen bisher zwei Seiten ein und derselben Medaille gewesen seien, so formulierte es ein Status Report zur amerikanischen Deutschlandpolitik im November 1960, werde nun vor die Wahl zwischen einer Fortführung der supranationalen europäischen Integration oder einem engen Verhältnis zu Frankreich gestellt.21 Da aber die USA dezidiert am Europa der Römischen Verträge festhielten, mußte sich Bonn nicht nur vor die Alternative zwischen zwei Europakonzepten gestellt sehen, sondern gleichzeitig und deshalb vor eine Richtungsentscheidung zwischen Washington und Paris. Dieses Dilemma sollte die deutsche Politik von 1960 an bis 1963 beschäftigen, innenpolitisch in der „Atlantiker"-„Gaullisten"Kontroverse über 1963 hinaus. So war das Jahr 1960 zwar nicht ein Jahr des Umbruchs und auch nicht ein 19
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S. Pressekonferenz von Staatspräsident de Gaulle in Paris am 5. September 1960, abgedruckt in: EA 21/1960, S.D 297-307. Vgl. NA, RG 273: NSC 5910/1, Operations Coordinating Board Report, 9.11.1960, s.o., Anm. 16. Vgl. DDEL, White House Office, OSANSA, NSC, Policy Papers Subseries, Box 23, Folder NSC 5803 - U.S. Policy Toward Germany (1), Operations Coordinating Board, Report on Germany (The Federal Republic, Berlin, East Germany; NSC 5803), 2.11.1960. Dort heißt es: „De Gaulle's insistence on the importance of national integrity is putting the Federal Republic in a position where it is faced with the choice of accepting French ideas of confederation in the interest of a further development of the Franco-German entente or continuing to seek European cooperation on a supranational basis." Zu NSC 5803 „U.S. Policy Toward Germany" s.o., Kap. 1.3.
5. D a s Jahr 1960
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Jahr fundamentaler europapolitischer Neuorientierungen. Aber es war ein Jahr des sich abzeichnenden Wandels. Eine Phase amerikanischer Europapolitik ging ihrem Ende entgegen. Mit den Römischen Verträgen und ihrer Inkraftsetzung wurden eine Reihe langfristiger Ziele der USA erreicht. Doch das Europa der Sechs, dem Washington Wohlwollen und massive Unterstützung zuteil werden ließ, war - in seinen Staaten und als Ganzes - stärker und selbstbewußter geworden. Die Durchsetzung des amerikanischen Führungsanspruchs wurde schwieriger. Die sich immer deutlicher gegen die USA richtende Politik de Gaulies war nicht die Ursache dieser Situation, wohl aber verschärfte sie die Problematik, indem sich der französische Präsident zum Sprecher Westeuropas erhob und dabei - aus ganz anderen Gründen - auf die Unterstützung des deutschen Bundeskanzlers bauen konnte. Das Spannungspotential zwischen den USA und Europa im allgemeinen und zwischen den USA sowie Deutschland und Frankreich im besonderen war am Vorabend der Präsidentschaft Kennedys erheblich. Die Eisenhower-Administration hatte dies noch klar diagnostiziert, die Gefahr erkannt, daß der transatlantische Zusammenhalt im Begriffe stand verloren zu gehen: „In the light of the growing interdependence of Atlantic nations, our ultimate objective should be an Atlantic Community which will effectively develop the strength and political cohesion of the West", formulierte ein Policy Paper des Nationalen Sicherheitsrates zur Zukunft der Nordatlantischen Allianz.22 Solche allgemeinen Leitsätze waren freilich noch keine Lösung für die sich abzeichnenden Probleme, in deren Zentrum die Frage stand, wie die USA vor verändertem weit- und europapolitischem Hintergrund ihre führende Rolle in den transatlantischen Beziehungen würde aufrechterhalten können. Die Truman- und die Eisenhower-Regierung hatten am Aufbau eines Europa mitgewirkt, das nun sein Gewicht politisch, ökonomisch und strategisch auszuspielen begann, das die Bindung an und den Schutz durch die USA bewahren wollte, amerikanische Hegemonie jedoch nicht länger zu akzeptieren bereit war. In diese in jeder Hinsicht offene und brisante Situation fiel der Führungswechsel im Weißen Haus.
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N A , RG 273: NSC 6017, National Security Council, NATO in the 1960's, 8.11.1960.
II. „Grand Design" und „Grand Dessein": Das Ringen um die europäische Ordnung 1961 bis 1963 Das Jahr 1960 hatte in der Ost-West-, aber auch in der Europapolitik nur vorübergehende Ruhe geschaffen. Der amerikanische Wahlkampf und die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die neue, demokratische Administration waren allenfalls eine Atempause gewesen. Sehr rasch wurde die Regierung Kennedy nicht nur mit einer erneuten Verschärfung der Krise um Berlin konfrontiert, sondern auch mit einer brisanten europapolitischen Agenda. Während die deutsch-amerikanischen Beziehungen sich im ersten Halbjahr 1961 durchaus positiv entwickelten, wurde zur gleichen Zeit klar, daß der Anspruch de Gaulles auf kontinentaleuropäische Hegemonie fortbestand, ja daß sich die französische Politik nun noch viel deutlicher als Ende der fünfziger Jahre gegen die USA und ihre europäische Führungsrolle richtete. Das erste Kapitel versucht - analog zum ersten Teil - die Ausgangssituation in den deutsch-amerikanischen, den amerikanisch-französischen und den deutschfranzösischen Beziehungen sowie die Grundsätze der Europapolitik der neuen Administration zu beschreiben. Im zweiten Kapitel spielen wiederum die Auswirkungen der amerikanischen Berlin-, Deutschland- und Entspannungspolitik auf die deutsch-französischen Beziehungen und damit die weitere Entwicklung der europäischen Integration eine zentrale Rolle. Ganz besonders wichtig ist dabei der Zusammenhang zwischen den tiefen Rissen im deutsch-amerikanischen Verhältnis und dem Einschwenken Adenauers auf die europapolitische Linie de Gaulles. Auch diese Situation trug nach dem Abklingen der BerlinKrise Anfang 1962 dazu bei, daß Washington alle seine europapolitischen Interessen in einem konzeptionellen Programm zusammenfaßte, dem sogenannten „Grand Design of Atlantic Partnership" Kennedys. Das dritte Kapitel wird dieses visionäre Konzept, seine Hintergründe und Ziele, aber auch sein partielles Scheitern im Januar 1963 beschreiben. Wie unter veränderten Bedingungen aus der in Washingtoner Sicht verfahrenen Situation des Jahresanfangs im Laufe des Jahres 1963 doch noch ein Erfolg der amerikanischen Europapolitik werden konnte, zeigt das letzte Kapitel. Anknüpfend an den ersten Teil der Studie, wird sich hier noch einmal der Blick auf die deutsche Innenpolitik richten, wo sich 1963 innerhalb der Unionsparteien das außenpolitische Optionsproblem noch enger und in einem noch schärferen Konflikt als 1959 mit
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
der Frage der Adenauer-Nachfolge verband. Die Debatte um den deutschfranzösischen Vertrag ließ in CDU/CSU zusammen mit der Kanzlerfrage endgültig die Gräben zwischen „Atlantikern" und „Gaullisten" aufbrechen, welche die gesamte Kanzlerschaft Ludwig Erhards (1963-1966) überschatten sollten. Noch stärker als 1959 verknüpften sich 1963 amerikanische europapolitische Interessen mit dieser Kontroverse. Washington scheute sich nicht, wie gezeigt werden wird, massiv in diese Auseinandersetzung einzugreifen, um der amerikanischen Europapolitik doch noch zu einem Erfolg gegen die Politik de Gaulles zu verhelfen.
II. 1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy II.1.1. Ein schwieriges Erbe Am 8. November 1960 wurde der 43-jährige demokratische Senator aus Massachusetts, John F. Kennedy, mit einer Mehrheit von nur 100.000 Stimmen zum 35. Präsidenten der USA gewählt. Der Ausgang des Rennens um das Weiße Haus war bis zuletzt ungewiß; von einer deutlichen Niederlage des republikanischen Bewerbers Richard Nixon, dem Vizepräsidenten Eisenhowers, konnte keine Rede sein. Nur knapp hatte sich Kennedy bei den Vorwahlen des Jahres 1960 und auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten in Los Angeles gegen die anderen demokratischen Bewerber um das Präsidentenamt, unter ihnen Adlai Stevenson, Eisenhowers Gegenkandidat von 1952 und 1956, Lyndon B. Johnson, Stuart Symington und Henry Jackson, durchsetzen können. Sein vergleichsweise junges Alter war ihm dabei Nachteil und Vorteil zugleich. Während ihm Richard Nixon, aber auch seine innerparteilichen Gegner seine Jugend und die dadurch bedingte politische Unerfahrenheit vorhielten, um daraus für sich selbst Wahlkapital zu schlagen, verwandelten Kennedy und seine Berater dieses angebliche Defizit in ein starkes Argument für den jungen Senator. Kennedys jugendlicher Dynamik, seiner sprühenden Energie und Tatkraft entsprach nämlich sein großes Wahlkampfthema: der Aufbruch Amerikas zur „Neuen Grenze", der „New Frontier" der sechziger Jahre. Der Kritik am innen- wie außenpolitischen Immobilismus, am Stillstand und an der Status-quo-Orientierung der Eisenhower-Jahre korrespondierte sein, nicht von ungefähr auf Franklin D. Roosevelt bezugnehmendes Plädoyer für einen dynamischen Aufbruch in die sechziger Jahre. Sein Acceptance Speech am 16. Juli 1960 nach seiner Nominierung in Los Angeles griff den Gedanken auf: „Die alte Epoche geht ihrem Ende entgegen. Die alten Methoden werden nicht genügen ( . . . ) . Nicht alle Probleme werden gelöst und nicht alle Schlachten gewonnen werden, aber wir stehen heute vor einer neuen Grenze, der Grenze
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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der sechziger Jahre, einer Grenze zu unbekannten Gelegenheiten und Gefahren, einer Grenze zu unerfüllten Hoffnungen und Drohungen." 1 Mehrfach betonte Kennedy in seinen Wahlkampfreden das Defizit an sozialer Gerechtigkeit in den USA. Doch nicht nur im Inneren habe sich die amerikanische Gesellschaft nicht verändert, auch in der Außenpolitik hätten die letzten acht Jahre keine kreativen Antworten auf globale Herausforderungen zu geben vermocht, sei die Politik in keiner Weise innovativ gewesen. Eine auf den militärisch-machtpolitischen Bereich, auf Militärpakte beschränkte Außenpolitik reiche, so Kennedy, nicht mehr hin, ja verkenne, daß die eigentliche Bedrohung nicht zuvorderst militärischer, sondern gesellschaftlich-ideologischer Natur sei.2 Mit solchen Appellen erreichte Kennedy breite Wählerschichten vor allem seiner eigenen Generation, die in ihm einen Hoffnungsträger und ein Vorbild sahen. Am 8. November 1960 war John F. Kennedy an seinem Ziel angelangt. Bis zu seiner Inauguration am 20. Januar 1961 blieb ihm nur wenig Zeit, die personellen Grundlagen seiner Administration zu legen und die Grundzüge einer Politik zu entwickeln, die Antworten zu geben vermochte auf die von ihm selbst identifizierten Probleme der Zeit. Zu seinem Außenminister bestellte Kennedy Dean Rusk, 3 der in der Ära Truman bis 1952 verschiedene leitende Funktionen im State Department bekleidet hatte, darunter die des Under Secretary of State for Far Eastern Affairs, und der danach als Präsident an der Spitze der Rockefeller Foundation gestanden hatte. Rusk galt als unabhängiger Denker wie als Vertreter einer moderaten außenpolitischen Linie, die auch für den konservativen, den Republikanern nahestehenden Flügel der Demokraten akzeptabel war. Aus diesem Grunde blieben auch liberale Aspiranten auf die Leitung des Außenministeriums wie Adlai Stevenson, William Fulbright oder Chester Bowles unberücksichtigt. 4 Mit Robert McNamara, 5 dem republikanischen Präsidenten der Ford Motor Company, berief der neue Präsident einen Manager und Technokraten an die Spitze des Verteidigungsministeriums. Empfohlen von Robert Lovett, Trumans Verteidigungsminister und einem der einflußreichsten Berater Kennedys bei der Vergabe der Schlüsselposten im Winter 1960/61, sprachen für McNamara insbesondere seine kalte Intelligenz und seine Fähigkeiten auf dem Gebiet des Personalmanagements. Ihm übertrug der Präsident die Reorganisation des Pentagon, in deren Zentrum der Primat der zivilen Führung stand. Dies 1
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Zit. nach: Besson, Waldemar, Amerikanische Außenpolitik von Roosevelt bis Kennedy, Frankfurt a.M. 1964, S.247. Vgl. ebd., S.249. Zu Dean Rusk s. Schoenbaum, Thomas J., Waging Peace and War. Dean Rusk in the Truman, Kennedy and Johnson Years, New York 1988; Rusk, Dean, As I Saw It. A Secretary of State's Memoirs, London 1990. Vgl. hierzu auch Sorensen, Theodore C., Kennedy, S.304. Zu McNamara s. Trewhitt, Henry L., McNamara, New York 1971; McNamara, Robert, The Essence of Security. Reflections in Office, London 1968.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
brachte McNamara bald in Konflikt mit der militärischen Spitze der amerikanischen Streitkräfte, die, in Gestalt der Joint Chiefs ofStaff(JCS), aber auch von NATO-Oberbefehlshaber Lauris Norstad, nicht nur Repräsentanten des militärischen und sicherheitspolitischen Denkens der Eisenhower-Jahre waren, sondern auch, geprägt durch ihre Kriegs- und Nachkriegserfahrungen, gewichtige Befürworter der NATO und der amerikanischen Verpflichtungen gegenüber Westeuropa und vor allem der Bundesrepublik Deutschland. In Douglas Dillon, einem liberalen Republikaner und Undersecretary of State Eisenhowers, gewann Kennedy einen Finanzminister, der sowohl politische Kontinuität - auch im Wechsel der Administrationen - verkörperte, wie auch eine wichtige Brücke darstellte zwischen Washington und der konservativen, vielfach republikanisch orientierten New Yorker Geschäftswelt. Zwei der drei Spitzenminister der neuen Regierung, McNamara und Dillon, waren nicht nur keine Mitglieder der demokratischen Partei, sondern Republikaner, wenn auch freilich nicht unbedingt brennende Anhänger der Politik Eisenhowers. Kennedy holte sie in sein Team auf Grund ihrer persönlichen und fachlichen Qualifikation und darüber hinaus, wenn auch erst in zweiter Linie, um seiner Zielsetzung einer „bipartisanship" insbesondere im Bereich der Außenpolitik Glaubhaftigkeit und Nachdruck zu verleihen. Republikaner war außerhalb des Kabinetts auch einer der engsten außen- und sicherheitspolitischen Vertrauten des neuen Präsidenten, der Harvard-Politikwissenschaftler McGeorge Bundy, Kennedys Special Assistant for National Security Affairs.6 Im außenpolitischen Entscheidungsvorbereitungs- und Entscheidungsprozeß nahm Bundy eine Schlüsselrolle ein: Für und zusammen mit dem Präsidenten koordinierte er im National Security Council nicht nur die Aktivität der außen-, außenwirtschaftsund sicherheitspolitisch relevanten Ministerien, vermittelte bei interministeriellen Konflikten und vertrat die Position des Präsidenten. Bundy kontrollierte, ja monopolisierte auch den Zugang zu Kennedy, was seine ohnehin einflußreiche Position weiter stärkte. Zudem stand er an der Spitze der außen- und sicherheitspolitischen Berater des Präsidenten, die dieser, ohne sie in Ministerien zu integrieren, in großer Zahl ins Weiße Haus berufen hatte. Diese Berater Kennedys vertraten insbesondere auf dem Gebiet der Europa- und Deutschlandpolitik wie auch der transatlantischen Beziehungen zwei unterschiedliche Richtungen. Truman-Demokraten wie Dean Acheson, Robert Lovett, David Bruce oder John McCloy standen klar in der Kontinuität der Formationsphase amerikanischer Europa- und Deutschlandpolitik nach 1945/47. Für sie war die Aufrechterhaltung enger Verbindungen zu den Staaten Westeuropas, darunter insbesondere zur Bundesrepublik, die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen und die Fortführung der nordatlantischen Verteidigungsallianz zum Schutz Westeuropas oberste politische Priorität. Ihrem Interesse an 6
Zu Bundy s. Bundy, McGeorge, Danger and Survival. Choices about the Bomb in the First Fifty Years, New York 1988.
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der weltpolitischen Stärkung Westeuropas entsprach auch ihr fortwährendes Engagement für die europäische Integration, für die sie nach wie vor den USA die Rolle des Föderators zuwiesen. Hinter diesem Engagement standen neben fundamentalen, wert- und geschiehtsorientierten Überzeugungen auch klare ökonomische und strategische Kosten-Nutzen-Erwägungen, die allesamt auf die Erhaltung einer hegemonialen transatlantischen Partnerschaft zielten. Für die liberal-progressiven Demokraten, vielfach den Ivy-League-Universitäten der amerikanischen Ostküste entstammend, war demgegenüber Europa nur ein Fokus unter mehreren anderen in der US-Außenpolitik. Viele von ihnen betrachteten den europäischen Wiederaufbau, die Eingliederung der Bundesrepublik in die westliche Gemeinschaft und die europäische Integration als einen in den fünfziger Jahren mit dem NATO-Beitritt der Bundesrepublik und den Römischen Verträgen abgeschlossenen Prozeß und identifizierten für die sechziger Jahre neue, nach ihrem Dafürhalten wichtigere außenpolitische Herausforderungen. Männer wie Chester Bowles, Adlai Stevenson oder John Kenneth Galbraith setzten sich ein für ein stärkeres Engagement der USA in der „Dritten Welt", für einen Ausbau der Entwicklungshilfe und für ein deutliches Bekenntnis Washingtons zur Dekolonialisierung. Daneben, doch stark beeinflußt durch die Überzeugung von der globalen, vor allem entwicklungspolitischen Verantwortung der Supermächte, befürworteten sie den weltweiten Dialog und die Entspannung mit der Sowjetunion, die nicht mehr nur als globaler Gegner der USA, sondern auch als potentieller globaler Partner betrachtet wurde. In der Europapolitik, die ja bis dato auch stark von der kommunistischen Bedrohung und der aggressiven Außenpolitik Moskaus geprägt gewesen war, sollten die beiden Denkschulen aufeinandertreffen. Konkret stand dabei die grundsätzliche Frage im Mittelpunkt, ob Washington in einen weltweiten politischen Dialog mit Moskau eintreten sollte, gegebenenfalls auch unter Hintanstellung europapolitischer Ziele und unter Inkaufnahme von Differenzen mit den europäischen Verbündeten. 7 Es ist freilich nicht hinreichend, die Deutschland- und Europapolitik der Kennedy-Administration allein oder überwiegend als Ergebnis der Rivalität zweiter unterschiedlicher Denkschulen zu charakterisieren. Eine solche Sichtweise verkennt insbesondere den Faktor de Gaulle als nach 1958, vor allem aber seit 1961 wichtige Determinante amerikanischer Europapolitik. Es geht im folgenden um die Frage, wie die Herausforderung de Gaulles eine amerikanische Europapolitik zu konterkarieren suchte, welche selbst nur Ergebnis eines oft mühsam erzielten Kompromisses in Washington war. Neben den beiden erwähnten Denkschulen spielte naturgemäß bei der Formulierung und Gestaltung der amerikanischen Europa- und Deutschlandpolitik und damit auch der amerikanischen Politik hinsichtlich der 7
Diese „unterschiedliche^] Ansätze innerhalb der amerikanischen Regierung", vor allem in ihren Auswirkungen für die Deutschlandpolitik, macht Adrian Schertz zum roten Faden seiner Studie über die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons. Vgl. Schertz, Adrian W . , Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen die Arbeitsebene des State Department eine wichtige Rolle. Trotz einiger Neubesetzungen - Chester Bowles wurde Undersecretary of State, der Monnet-Freund und Verfechter der europäischen Integration George Ball Undersecretary of State for Economic Affairs - überwog, zumal im Bereich der Deutschland- und Europapolitik, die Kontinuität; ein umfassendes Revirement, das auch die wichtigsten Botschaften in Europa hätte einschließen müssen, blieb zunächst aus. Foy Kohler, seit 1958 Assistant Secretary of State for European Affairs, blieb auf seinem Posten; ebenso der Direktor des Office of German Ajfairs, Martin J. Hillenbrand; George McGhee, unter Eisenhower im Stab des Nationalen Sicherheitsrats und im Außenministerium tätig, wurde Undersecretary of State for Political Affairs, später, 1963, Botschafter in Bonn; William Tyler schließlich, in der vorangegangenen Administration als Direktor des Office of Western European Affairs im State Department und als Gesandter in Bonn eingesetzt, erhielt nun als Deputy Assistant Secretary of State for European Affairs die Stellvertretung Kohlers übertragen. Auch mit diesen Personalentscheidungen war vom Grundsatz her ein radikaler Kurswechsel der amerikanischen Europapolitik nicht zu erwarten, wenn auch neue Akzentsetzungen nicht auszuschließen waren. Als Abgeordneter im Repräsentantenhaus und als Senator war John F. Kennedy außenpolitisch eher selten hervorgetreten. Über ein klares außenpolitisches Profil verfügte der Präsidentschaftskandidat nicht. In der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre mußten allerdings zwei pointierte Äußerungen des Senators nicht nur das amerikanische außenpolitische Establishment aufhorchen lassen, sondern auch - und vielleicht noch stärker - Konrad Adenauer und Charles de Gaulle. 1957 hatte Kennedy zum einen die Disengagement-Thesen George F. Kennans 8 befürwortet, zum anderen die französische Algerien-Politik kritisiert. 9 Kennedy stand mit solchen Positionen jedoch gerade innerhalb der demokratischen Partei nicht allein, und es sollte seinen Äußerungen trotz ihrer Signifikanz kein über den Augenblick hinausreichendes politisches Gewicht beigemessen werden. Kennedy, der sich 1956 vergeblich um die Vizepräsidentschaftskandidatur beworben hatte, unternahm, von den beiden erwähnten Bemerkungen abgesehen, 1957 mit einem Aufsatz in „Foreign Affairs" den Versuch einer außenpolitischen Positionsbestimmung. 10 Seine scharfe Kritik an der Außenpolitik Eisenhowers und vor allem Dulles' gipfelte - wie auch später im Wahlkampf 1960 - im Vorwurf des Immobilismus und eines von Dulles geführten unproduktiven Propagandakriegs zwischen Amerika und der Sowjetuni8
Seine Disengagement-Konzeption, die auf eine sicherheitspolitische Neutralisierung Zentraleuropas hinauslief, stellte George F. Kennan 1957 in den sogenannten „Reith Lectures" der BBC dar. Vgl. Kennan, George F., Russia, the Atom, and the West. The BBC Reith Lectures 1957, London 1958. 9 Vgl. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S.52. 10 Kennedy, John F., A Democrat Looks at Foreign Policy, in: Foreign Affairs 36 (1957), S.44-53.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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o n . n Nicht geringe Aufmerksamkeit widmete der Autor der fortschreitenden europäischen Integration, die von vielen Amerikanern mit Sympathie als am Vorbild der föderativen Bemühungen der Väter der amerikanischen Verfassung orientiert betrachtet werde. Kennedy warnte jedoch davor, die Kristallisation neuer europäischer Machtstrukturen als uneingeschränkt im amerikanischen Interesse liegend zu bewerten. Die europäische Integration sei nicht darauf gerichtet, den alten Kontinent vollends nach amerikanischem Vorbild und unter amerikanischer Obhut zu gestalten. Sie ziele im Gegenteil auch darauf ab, Distanz und größere Unabhängigkeit Europas von den USA zu schaffen. Der Verfasser resümierte: „It is time for the United States as well as Great Britain to realize that activation of the European Common Market and its companion agreements may well set in motion forces running counter to our present pattern of alliances and relationships with Europe." 12 Wie die Eisenhower-Administration zog allerdings auch Kennedy trotz der von ihm beschriebenen potentiellen Gefahren nicht den politischen Schluß, die amerikanische Ermutigung und Förderung der europäischen Integration zu beenden. Auch für ihn lag offenkundig die Fortsetzung des Einigungsprozesses im wohlverstandenen langfristigen amerikanischen Interesse. Kennedy gehörte, und damit war auch er Teil der außenpolitischen „bipartisanship", im Grunde zu den Befürwortern der europäischen Integration, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme politischer und ökonomischer Nachteile für die USA. In seinem Inauguration Speech am 20. Januar 1961 hatte John F. Kennedy, an die europäischen Verbündeten der USA gerichtet, betont: „Gegenüber jenen alten Verbündeten, deren kulturellen und geistigen Ursprung wir teilen, verpflichten wir uns zu der Loyalität treuer Freunde. Es gibt kaum etwas, was wir nicht vereint in einer Vielzahl neuer gemeinsamer Unterfangen tun könnten. Gespalten können wir nur wenig tun - denn wir können es nicht wagen, einer mächtigen Herausforderung in Zerwürfnis und Trennung gegenüberzutreten." 13 Doch die ökonomischen Probleme der USA, die Revision der amerikanischen Strategie und die Ansätze einer neuen Politik gegenüber der UdSSR sollten die Bündnisbeziehungen schon bald schwer belasten und auch nicht ohne Auswirkungen auf die Politik Washingtons hinsichtlich der europäischen Integration und der deutsch-französischen Beziehungen bleiben. Die Eisenhower-Administration hatte der neuen Regierung eine alles andere als ausgeglichene Zahlungsbilanz hinterlassen. 14 Während sich in den Jahren 11 12 13
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Vgl. ebd., S.46. Ebd., S.49. Amtsantrittsrede des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, vom 20. Januar 1961, abgedruckt in: EA 3/1961, S.D 88-90, hier S. D 88. Vgl. den Rechenschaftsbericht des Präsidenten der Vereinigten Staaten, Dwight D. Eisenhower, über seine Amtszeit 1953-1961. Botschaft über die Lage der Nation (State of Union Message) an den amerikanischen Kongreß vom 12. Januar 1961, abgedruckt in: EA 3/1961, S.D 74-87, bes. S.D 87.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
1951 bis 1957 das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit auf durchschnittlich etwa 1 Mrd. Dollar pro Jahr belief, stieg dieses Defizit 1958 auf 3,5 Mrd. Dollar, 1959 auf 3,8 Mrd. Dollar. Im Vergleich hierzu wuchsen die Dollarguthaben anderer Staaten von 8,4 Mrd. Dollar 1950 auf fast 15 Mrd. Dollar 1957. Weil jedoch diese ausländischen Dollarguthaben entweder als solche stehen blieben oder allenfalls auf Dollar lautende Forderungen waren, bewirkte das amerikanische Dollardefizit zunächst keinen größeren Dollarabfluß aus den USA. Der starke Anstieg des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits, bedingt unter anderem durch sinkende Exporte und zunehmende Importe, führte 1958/59 erstmals zu einem Transfer größerer Mengen amerikanischen Goldes auf ausländische Konten, verbunden mit einem weiteren, stärkeren Ansteigen der ausländischen Dollarguthaben. 1960 nahmen zwar die Exporte wieder erheblich zu, doch flössen gleichzeitig große Dollarsummen insbesondere nach Europa, wo die boomende Wirtschaft für ein gutes Investitionsklima sorgte und kurzfristige Zinssätze günstiger waren als in den USA. Befürchtungen bezüglich der Entwicklung des Dollarwerts verstärkten diesen Trend und verursachten zudem einen weiteren Abfluß amerikanischer Goldreserven. 15 1960 belief sich das USZahlungsbilanzdefizit auf 3,9 Mrd. Dollar. Zwar erhöhte der Goldtransfer das Zahlungsbilanzdefizit, doch entsprach diese Entwicklung dem System von Bretton Woods mit seiner festen DollarGold-Quote. Bretton Woods sollte ja gerade den Dollar als weltweite Reservewährung etablieren, Druck von europäischen Währungen nehmen und durch die Dollarstabilität den Wiederaufbau in Europa begünstigen. Im Gegensatz hierzu jedoch erwies sich der Dollarabfluß aus den USA in Form von Dienstleistungen und insbesondere Verteidigungsausgaben und Stationierungskosten in Europa, letztere in Höhe von etwa 3 Mrd. Dollar pro Jahr, 16 als eine auf Dauer zu starke Belastung der US-Währung. Doch es war nicht erst Kennedy, der diese Problematik erkannte und ihr gegenzusteuern suchte. Noch in den letzten Wochen seiner Amtszeit hatte Präsident Eisenhower Maßnahmen zur Verbesserung der Zahlungsbilanz eingeleitet. In einer Direktive vom 16. November 1960 konstatierte er einen Auslandszahlungsüberhang von jährlich rund 2 Mrd. Dollar, im wesentlichen Entwicklungshilfe- und Militärausgaben, und erhob die naheliegenden Forderungen, „daß unsere Freunde und Verbündeten ihren vollen Anteil an den Kosten für die Aufrechterhaltung der Sicherheit der freien Welt tragen" und „daß die anderen wirtschaftlich hochentwickelten Länder der freien Welt ihren Anteil an jener langfristigen und wahrhaft aufbaufördernden Art der Finanzierung übernehmen, die den Entwicklungsländern zuteil
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Siehe hierzu: Programm zum Ausgleich der amerikanischen Zahlungsbilanz. Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, an den amerikanischen Kongreß vom 6.Februar 1961, abgedruckt in: EA 8/1961, S . D 217-226, bes. S. D 218f. Vgl. ebd., S. D 226.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
171
wird."17 Das Defizit der amerikanischen Zahlungsbilanz und der damit einhergehende und in Verbindung stehende Zahlungsbilanzüberschuß insbesondere der Bundesrepublik Deutschland führten noch Ende November 1960 zu einer Reise des amerikanischen Finanzministers Anderson und des Undersecretary of State for European Affairs Dillon nach Bonn, wo die Amerikaner deutlich ihre Forderungen nach „Burden-sharing" - denn um nichts anderes handelte es sich - darlegten und die Bundesregierung ausdrücklich aufforderten, sich an der Bereitstellung der „für die Sicherheit der Völker der freien Welt erforderlichen Hilfsquellen" zu beteiligen.18 Bonn erklärte sich, wenn auch eher allgemein gehalten, bereit, am Ausgleich des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits mitzuwirken, sagte für 1961 ein Entwicklungshilfeprogramm in Höhe von etwa 3—4 Mrd. Dollar zu, wies jedoch aus politisch-psychologischen Gründen die Übernahme von Stationierungskosten, möglicherweise finanziert durch Steuererhöhungen, entschieden zurück. Die Klarheit, mit der Bonn gegenüber Anderson und Dillon Stellung bezog, resultierte nicht nur aus dem Wissen um den bevorstehenden Wechsel im Weißen Haus, sondern spiegelte auch das gestiegene Selbstbewußtsein, die deutsche wirtschaftliche Stärke und die wachsende politische Unabhängigkeit wider. Die Gespräche müssen letztlich als unergiebig bezeichnet werden. Außer der Bonner Willenserklärung und einem deutschen Bekenntnis zum Freihandel und zur Senkung der EWG-Außenzölle konnten Dillon und Anderson keine greifbaren Resultate mit nach Washington zurücknehmen. 19 Einen Schock allerdings versetzte Anderson der Bundesregierung, als er gegen Ende des Aufenthalts einen Zusammenhang zwischen einem deutschen Beitrag zur Überwindung des amerikanischen Zahlungsbilanzdefizits und der Stationierung amerikanischer Truppen in Europa und der Bundesrepublik herstellte und damit insbesondere Adenauers permanenten Befürchtungen hinsichtlich eines amerikanischen Truppenabzugs neue Nahrung gab. Obwohl die neue Administration in gleicher Weise auf einen größeren Beitrag der Bundesrepublik bei Verteidigungsausgaben und Entwicklungshilfe beharrte Dillon war nun amerikanischer Finanzminister - , machte die Kennedy-Regierung die Truppenstationierung nicht von der Hilfe der Europäer bei der Überwindung des Zahlungsbilanzdefizits abhängig. Als Dean Acheson im Auftrag Kennedys Anfang 1961 zu de Gaulle nach Paris reiste, stellte er dies sehr deutlich fest. 20 Die amerikanische Regierung mußte sich klar darüber sein, daß
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Direktive Präsident Eisenhowers vom 16. November 1960 zur Verbesserung der amerikanischen Zahlungsbilanz, abgedruckt in: EA 24/1960, S. D 358-364, hier S . D 361. Gemeinsame Erklärung des amerikanischen Finanzministers Anderson und des Unterstaatssekretärs Dillon nach ihrer Rückkehr in die Vereinigten Staaten am 26. November 1960, abgedruckt in: EA 24/1960, S. D 365. Vgl. Gemeinsames Kommuniqué zum Abschluß des Besuches des amerikanischen Finanzministers Anderson und des Unterstaatssekretärs Dillon in Bonn vom 19. bis zum 23. November 1960, abgedruckt in: EA 24/1960, S. D 364f. Vgl. hierzu Borden, William S., Defending Hegemony, S.82 und Anm. 91.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
eine Politik des Quid pro quo, wie von Anderson in die Diskussion gebracht, in Europa anti-amerikanische Ressentiments nur stärken und Bonn noch empfänglicher für die Politik de Gaulles einer Europäisierung Europas im Sinne einer Entamerikanisierung machen würde. Dennoch nahm die Frage der Zahlungsbilanz auch unter Kennedy einen Platz an der Spitze der europapolitischen Agenda ein. Sie war für die neue Administration nie nur eine Frage amerikanischer Außenwirtschaftspolitik oder eine bilaterale Angelegenheit zwischen Washington und Bonn oder Paris, sondern sie war Bestandteil, ja Ausgangspunkt und Determinante des europapolitischen Konzepts und Handelns der demokratischen Administration. Im wachsenden Zahlungsbilanzdefizit, dem steigenden Dollarabfluß nach Europa (und auch nach Japan) sowie dem sinkenden weltweiten, vor allem aber europäischen Vertrauen in den Dollar als Weltreservewährung erkannten Kennedys wirtschafts- und finanzpolitische Berater schon vor dem 20. Januar 1961 eine Gefährdung der amerikanischen Hegemonie über Europa und den Beginn eines wirtschaftlichen wie politischen Niedergangs der USA. Walt Rostow beispielsweise gehörte zu denjenigen, die den neuen Präsidenten schon vor seiner Inauguration auf die zentrale Bedeutung der Zahlungsbilanz hinwiesen: „I wanted to leave one thought in his mind before the inaugural. We will not be able to sustain in the 1960's a world position without solving the balance of payments problem." 21 Hinter der Problematik des Zahlungsbilanzdefizits stand freilich ein schwieriges politisches Dilemma: Wollten die USA das Defizit reduzieren, auch um weiterhin weltweit als wirtschaftliche und finanzielle Führungsmacht anerkannt zu werden, mußten sie in erster Linie ihre Militärausgaben und Stationierungskosten einschränken. Genau diese aber hatten ganz wesentlich zum Aufbau und Ausbau der amerikanischen Hegemonialposition insbesondere in Europa beigetragen und sicherten auch deren Fortdauer. 22 Die „imperiale Last" auf den Schultern Amerikas ließ sich Anfang der sechziger Jahre angesichts der etablierten und fixierten Führungsrolle der USA, aber auch angesichts ökonomischer Notwendigkeiten nicht mehr vermindern, ohne daß nicht uno actu die globale Rolle Amerikas und seine Wirtschaft Schaden genommen hätten. 23 Aus Hegemoniewillen war Hegemoniezwang geworden - und der kostete seinen Preis. Doch auch angesichts dieser gravierenden Probleme war die Stimmung in Washington nicht krisenhaft. In einer außenwirtschaftspolitischen Analyse für den President-Elect vom 18. Januar 1961 hieß es: „We have not reached a crisis. We have reached a turning point in
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Zit. nach: ebd., S.63. Vgl. auch Rostow, Walt W., The Diffusion of Power: An Essay in Recent American History, New York 1972, S. 136-147. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.26. Den Begriff der „imperial burden" prägte der Kennedy-Kritiker David Calleo. Vgl. Calleo, David, The Imperious Economy, Cambridge, Mass., 1982; Calleo, David/Rowland, Benjamin, America and the World Political Economy, Bloomington 1973.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
173
our world economic position, one that calls for fresh analysis and determined action." 24 11.1.2. Die europapolitische
Agenda
Ganz konkret mußte sich in der Europapolitik der Kennedy-Administration zeigen, ob es ihr gelingen würde, die hegemoniale Position der USA aufrechtzuerhalten und gleichzeitig akute wirtschaftliche Probleme konstruktiv zu lösen. Im Zentrum der Europapolitik stand dabei - aus politischen, ökonomischen und strategischen Gründen - die Bundesrepublik, daneben naturgemäß auch Frankreich und - in anderer Weise - Großbritannien. Man war sich in Washington darüber klar, daß bilaterale Fragen immer im Kontext der Europa- und Allianzpolitik zu sehen und zu behandeln sein würden. Dies galt beispielsweise für die bilaterale deutsch-amerikanische Wirtschaftspolitik: „The economic questions under discussion between the United States and Germany are not bilateral questions. ( . . . ) These matters must be approached in terms of a rebuilding of the alliance and in terms of the principles which should govern the effort over the coming months and years." 25 Dieses Statement unterstreicht, daß im transatlantischen Bezugsrahmen bilaterale Beziehungen in ihrer Heterogenität zwar Platz hatten, daß es übergreifend jedoch um amerikanisch-europäische Beziehungen ging, in denen für Bilateralismen und Exklusiwerhältnisse kaum Platz war. In dieser Hinsicht hatte sich, bei aller Bedeutung von konkreten bilateralen Einzelfragen, die amerikanische Außenpolitik seit 1947 nicht entscheidend gewandelt. Sie war vom Ansatz her immer zuerst europa- und erst in zweiter Linie länderorientiert. Aus diesem Grunde soll nun zunächst ein Blick geworfen werden auf das europapolitische Konzept und die ersten europapolitischen Schritte der Kennedy-Regierung sowie ihre Haltung zur europäischen Integration und erst dann - vor diesem Hintergrund - auf das bilaterale deutsch-amerikanische und französisch-amerikanische Verhältnis. Dies entspricht auch dem integrationspolitischen Ansatz der Arbeit, der den Beziehungen der USA zu einzelnen europäischen Staaten, ohne sie zu vernachlässigen, im Vergleich zu den übergeordneten europa- und allianzpolitischen Zielen Washingtons nur sekundäre Bedeutung einräumt. Die Eisenhower-Administration hatte die europäische Integration - wirtschaftlich und politisch institutionell - als eines ihrer wichtigsten außenpolitischen Ziele betrachtet und dementsprechend ermutigt und unterstützt. 26 Insbe24
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26
Special Report to the President-Elect, 18.1.1961, Alan Sproul, Roy Blough and Paul McCracken, zit. nach: Borden, William S., Defending Hegemony, S.62. JFKL, Presidential Office Files (POF), Countries, Box 116 A, Folder Germany - General 1/61 - 3/61: Draft Aide Memoire for Brentano, 16.2.1961. Vgl. DDEL, Ann Whitman Files, Dulles-Herter, Box 11, Herter, Chr. A., January 1961: Christian A. Herter, United States Foreign Policy under the Eisenhower Administration 1953-1961, 6.1.1961.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
sondere in der zweiten Amtszeit Eisenhowers lagen die Gründe hierfür nicht nur in einer freihandelsorientierten Wirtschaftspolitik, die in Westeuropa einen potenten Handelspartner erkannte, nicht nur in der militärisch-strategischen Notwendigkeit, das von der Sowjetunion bedrohte Westeuropa durch Einigung zu stärken, sondern auch in dem Ziel, die an Stärke und Selbstbewußtsein gewinnende Bundesrepublik in die Gemeinschaft des Westens einzubinden und nationalneutralistische Alleingänge zu verhindern, 27 sowie in dem Erfordernis, das Frankreich de Gaulies bei aller Betonung nationaler Unabhängigkeit dem Westen als kontinentaleuropäische, aber dennoch transatlantisch ausgerichtete Führungsmacht zu erhalten. 28 In einer Botschaft an Konrad Adenauer vom 8. Februar 1961 hatte John F. Kennedy dem Bundeskanzler - noch ganz im Stil der europäisch-amerikanischen und speziell deutsch-amerikanischen Solidaritätsrhetorik - versichert: „Wir fördern und unterstützen auch weiterhin die Bewegung zu einer europäischen Integration. Diese Bewegung ist eine mächtige und einigende Kraft, welche die Stärke und das Ansehen des Freien Europa vervielfachen, den europäischen Völkern in erhöhtem Maße Vorteile wirtschaftlicher Art und hinsichtlich ihrer Sicherheit bringen und erheblich zur Erreichung der Ziele der weiteren Atlantischen Gemeinschaft beitragen kann." 29 Die Botschaft des neuen Präsidenten ließ allerdings vergleichsweise deutlich den instrumentalen Charakter erkennen, den Washington der europäischen Integration als einer die Atlantische Gemeinschaft stärkende Kraft beimaß. Die europäische Integration tauchte in der Prioritätenliste des Schreibens Kennedys an Adenauer erst an dritter Stelle auf. Der Präsident unterstrich als erstes die Rolle der NATO bei der Wahrnehmung der militärischen Verteidigung der Atlantischen Gemeinschaft wie auch „als Rahmen für eine Zusammenarbeit in anderen Programmen und Projekten, die darauf abzielen, die Sache der menschlichen Freiheit überall zu fördern." 30 An zweiter Stelle rangierte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als „wirksames Instrument der Zusammenarbeit auf dem Wege zu unseren gemeinsamen Zie-
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30
Vgl. hierzu und insbesondere zum „Rapallo-Mythos" in den USA: Frohn, Axel, Der „Rapallo-Mythos" und die deutsch-amerikanischen Beziehungen, in: Dülffer, Jost/Martin, Bernd/Wollstein, Günter (Hrsg.), Deutschland in Europa. Kontinuität und Bruch. Gedenkschrift für Andreas Hillgruber, Frankfurt am Main/Berlin 1990, S. 135-153. Vgl. auch DDEL, White House Office Files, OSANSA, NSC, Policy Papers Subseries, Box 23, Folder NSC 5803 - US Policy toward Germany (1): Operations Coordinating Board Report on U. S. Policy toward Germany (NSC 5803), 2.11.1960. Vgl. DDEL, White House Office Files, OSANSA, NSC, Policy Papers Subseries, Box 27, Folder NSC 5910/1 - US Policy toward France (1): Operations Coordinating Board Report on U . S . Policy on France (NSC 5910/1), 9.11.1960. JFKL, Kennedy-Adenauer Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Übersetzung einer Botschaft von Präsident Kennedy an Bundeskanzler Adenauer, 8.2.1961. Ebd.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
175
len." 31 Diese Organisation werde den „atlantischen Volkswirtschaften" nutzen, darüber hinaus aber auch Bedeutung gewinnen als Instrument zur „Koordinierung unserer Anstrengungen zur Förderung eines gesunden wirtschaftlichen Wachstums in den weniger entwickelten Ländern." 32 Gerade in letzter Aussage wird neben der genuinen Überzeugung Kennedys von der Notwendigkeit eines verstärkten Engagements des Westens in den Entwicklungsländern im allgemeinen und einer Erhöhung der Entwicklungshilfe im besonderen auch das Interesse des Präsidenten deutlich, die finanziellen Lasten dieser Hilfe auf mehrere Schultern zu verteilen. Was die OECD an sich betrifft, so war diese am 14. Dezember 1960 von 18 westeuropäischen Staaten sowie den USA und Kanada geschaffen worden, „in der Erkenntnis, daß der wirtschaftliche Wiederaufbau und Fortschritt Europas, zu dem ihre (die der Mitgliedsstaaten; ec) Teilnahme weitgehend beigetragen hat, neue Aussichten eröffnet, diese Tradition zu stärken und für neue Aufgaben und weiterreichende Ziele nutzbar zu machen." 33 Zwar hielten Berater Kennedys die OEEC bzw. OECD in ihrer überkommenen Struktur für eher ungeeignet angesichts der neuen Aufgaben, 34 dennoch forderte Kennedy am 6. Februar 1961 „eine baldige Maßnahme des Senats zur Billigung der amerikanischen Mitgliedschaft in der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung." 35 Abgesehen von ihren neuen, konkreten Aufgaben stellte die OECD für die USA eine transatlantische Institution dar, durch und in welcher sich zum einen der amerikanische Führungsanspruch ganz allgemein manifestierte, zum anderen Außenwirtschafts- und Handelspolitik im Sinne Washingtons koordiniert werden konnte. Erst nach diesem Bekenntnis zu den amerikanisch dominierten Institutionen NATO und OECD folgte der Verweis auf die sich ohne direkte US-Beteiligung vollziehende westeuropäische Integration im Sechserrahmen. 36 Die Priorität der NATO als Instrument direkter amerikanischer Führung sowie die Klarheit, mit welcher der sich etablierenden Europäischen Gemeinschaft der Sechs ein Platz und damit im Grunde auch eine Existenzberechti31 32 33
34 35
36
Ebd. Ebd. Übereinkommen zur Umwandlung der OEEC in die OECD, 14.12.1960, zit. in: Die Umwandlung der Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) in die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in: EA 3/ 1961, S . D 91. Vgl. Ball, George, The Past Has Another Pattern, New York 1982, S.38. Programm zum Ausgleich der amerikanischen Zahlungsbilanz. Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, an den amerikanischen Kongreß vom 6. Februar 1961, abgedruckt in: E A 8/1961, S . D 217-226, hier S . D 223. Für Washington waren NATO und OECD auch die beiden Foren, in denen das Burdensharing im Verteidigungs- und im Entwicklungshilfebereich vor allem mit der Bundesrepublik koordiniert werden konnte. Vgl. hierzu JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder Germany - General 1/61 - 3/61: Points which the President may wish to emphasize in discussion with Foreign Minister von Brentano, 16.2.1961.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
gung nur innerhalb der 1961 noch nicht näher definierten Atlantischen Gemeinschaft zugewiesen wurde, zog sich wie ein roter Faden durch europapolitische Memoranden und Stellungnahmen der neuen Administration. 37 Zwar hatte auch die Eisenhower-Regierung nicht unähnliche Zielsetzungen verfolgt, auffällig ist dennoch die Offenheit, mit der auf den instrumentellen Charakter der europäischen Einigung und ihre Unterordnung unter andere Ziele amerikanischer Außenpolitik verwiesen wurde. Am 10./II.Februar 1962 hatte in Paris eine Konferenz der Regierungschefs der EWG-Staaten stattgefunden, die nicht nur den Ausbau der wirtschaftlichen Bindungen zwischen den Sechs begrüßte und sich zu einer Verstärkung des Handels auch mit Großbritannien und den übrigen EFTA-Ländern bekannte, sondern die darüber hinaus ihrem Willen Ausdruck verlieh, „geeignete Mittel und Wege zu finden, um eine engere politische Zusammenarbeit zu organisieren." 38 Die von de Gaulle zuerst in Rambouillet Adenauer und dann im September 1960 der Öffentlichkeit präsentierten Pläne zur politischen Organisation Europas in einem staatenbündischen, durch Konferenzen der Regierungschefs geführten „Europa der Vaterländer" wurden in Paris einer Studienkommission unter Leitung des französischen Gaullisten Christian Fouchet zur Prüfung und Ausarbeitung übergeben. Deutlich wurde im Februar 1961 allerdings auch „die geringe Bereitschaft der Niederlande, Belgiens und Italiens, sich auf seine (de Gaulles; ec) Vorstellungen einzulassen." 39 Ob langfristig die Europakonzeption des französischen Staatspräsidenten mit den Interessen der anderen Staaten der Gemeinschaft, einschließlich der Bundesrepublik, 40 an einer Erweiterung der EWG, insbesondere durch Beitritt Großbritanniens, einer Reform und Stärkung der NATO, sprich: der Bestätigung der amerikanischen Dominanz, in Übereinstimmung zu bringen war, mußte schon 1961 als fraglich gelten. Washington wußte, daß die Europapolitik de Gaulles, unter dem Deckmäntelchen des Ausbaus der europäischen Integration, letzten Endes auf die Europäisierung Europas unter französischer Führung zielte und auch darum eine eindeutig gegen die USA gerichtete Wendung hatte, ja Washington vor die schwierigste Herausforderung seiner Politik gegenüber Europa seit 1954/55, wenn nicht 1947/48 stellen würde. Dies war bereits in den Briefings des gewählten Präsidenten noch vor seiner Amtsübernahme deutlich zum Ausdruck 37
38
39 40
Vgl. beispielsweise JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security 1/61-6/ 61: Talks with German Foreign Secretary von Brentano, Talking Points Paper, Europe of the Six, 16.2.1961. Kommunique über die Konferenz der Regierungschefs der EWG-Staaten in Paris vom 11.Februar 1961, abgedruckt in: E A 5/1961, S . D 128f., hier S . D 129. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957- 1963, S. 124. „Die offizielle Position des (deutschen; ec) Kabinetts war immer ebenso eindeutig wie in sich unlogisch: es wünschte gleichzeitig den Ausbau der EWG und eine politische Organisation der Sechs, den Fortbestand der NATO und denkbar enge, freundschaftliche Beziehungen zu Frankreich. Das war nichts anderes als die Quadratur des Kreises." Vgl. ebd.
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gekommen: „The most crucial political problem facing us in our relationship with our European allies is that of how to handle de Gaulle. It appears unlikely that he can either be appeased, or beaten down by frontal attack. The best strategy would seem to be to rebuild our relations with the British, Italians and others and bring the Germans around to cooperating with us in restricting de Gaulle's freedom to disrupt the Western coalition." 41 Nun war es der amerikanischen Regierung jedoch unmöglich, diese Bedenken offen zu artikulieren, offen gegen die auf den ersten Blick ja auf Vertiefung der europäischen Integration zielenden französischen Vorschläge Position zu beziehen, ohne damit nahezu zwangsläufig den Argumenten de Gaulies Nahrung zu liefern. So mußte Washington, als der deutsche Außenminister Heinrich von Brentano Mitte Februar 1961 in die amerikanische Hauptstadt kam, unter anderem um die Amerikaner über die Ergebnisse des Pariser Gipfels zu informieren, vorsichtig lavieren zwischen einer Befürwortung der jüngsten Integrationsimpulse und einer Wahrung der eigenen Interessen, die, wie gezeigt, in der Stärkung der N A T O , der transatlantischen Bindungen allgemein und der Führungsrolle der USA lagen. Nur im NATO-Kontext bzw. als Schritt zur Stärkung der Allianz akzeptierte Washington die Resultate des Treffens von Paris. Fortentwicklung der N A T O und Vertiefung der europäischen Integration waren für die Kennedy-Administration - viel deutlicher als für Eisenhower - zwei Seiten derselben Medaille und nur im Verein erreichbar wie auch wünschbar: „ ( . . . ) it is in the framework of the Alliance that we have consistently supported the six-country integration movement. The steps now being taken to tighten the links among the members of the Community by developing new political arrangements can make an important contribution to the strengthening of NATO. We would of course look with some concern upon the divorce of any political mechanism ultimately established from the economic integration movement and the Community framework. With this reservation, however, we welcome the forces which President de Gaulle has set in motion to further the goals of European unity and look forward to greater unity of N A T O which it will make possible." 42 In den ersten Monaten der Kennedy-Administration war es ein, wenn auch eher kurzfristig angelegtes, so doch entscheidendes Ziel der neuen Regierung: „to project into Europe the image of new and vigorous American leadership." 43 Diese Linie stand in ganz offensichtlichem Einklang mit dem Bild, das die demokratische Administration im In- und Ausland und in allen Politikberei41
42
43
JFKL, Gilpatric Papers, Box 8: Report of Senator Kennedy's National Security Policy Committee, December 1960, o . D . JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security 1/61 - 6/61: Talks with German Foreign Secretary von Brentano, Talking Points Paper, Europe of the Six, 16.2.1961. NA, RG 218, JCS Files, France 9164/9700, 1961, Box 175: President's Visit to de Gaulle, Paris, May 31 - June 2, 1961, Scope Paper, 15.5.1961.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
chen von sich zu schaffen bestrebt war; einem Bild, wie es von Kennedy während des Wahlkampfs 1960 gezeichnet worden war: kraftvolle, dynamische Führung, Aufbruch zu neuen Grenzen, Überwindung des Immobilismus und Status-quo-Denkens der Eisenhower-Jahre. Während Adenauer den neuen amerikanischen Führungswillen willkommen hieß - vor allem als Beitrag zur Stärkung westlicher Geschlossenheit angesichts drohender östlicher Herausforderungen - , mußte der frische Führungswille Washingtons in Paris auf Skepsis, ja Ablehnung stoßen. Wie Kennedy hatte auch de Gaulle die partiell durchaus vorhandene Führungsschwäche der ausgehenden Eisenhower-Administration, insbesondere seit dem Tod Dulles' und offenkundig im Jahre 1960, erkannt und sie durch seine Initiativen, seinen kontinentaleuropäischen Führungsanspruch zu konterkarieren versucht. Insbesondere im State Department herrschte Einigkeit darüber, daß der französische Führungsanspruch in und für Europa von den USA nicht abgeblockt werden konnte, ohne den Anti-Amerikanismus de Gaulles zusätzlich zu nähren und seine offensive Europapolitik in eine aggressive umschlagen zu lassen. Washington mußte versuchen, Paris konstruktiv in seine Politik gegenüber der europäischen Integration einzubinden, unter anderem durch: „a pre-eminent role for France as spokesman for and organizer of Western Europe." 44 Letztlich sollte auch diese Politik dem Fernziel dienen, Frankreichs Energien wieder der gemeinsamen Sache, der NATO zuzuführen. 45 In klarer Fortsetzung einer amerikanischen außenpolitischen Kontinuitätslinie seit der Truman-Ära diente die westeuropäische Integration unter französischer Führung allerdings auch unter Präsident Kennedy dem Ziel der Verhinderung eines deutschen Rückfalls in den Nationalismus, insbesondere angesichts der offenen nationalen Frage. 46 In dieser Motivation europapolitischer Aktivität herrschte zwischen Washington und Paris, wie auch schon in den Jahren zuvor, klare, wenn auch unausgesprochene Übereinstimmung: „'Europe': Another area where we are largely in agreement. Emphasize U.S. support for broad political objectives of EEC (de Gaulle's support for European integration is likewise best means to avoid resurgent German nationalism)."47 Paris war sich dieser partiellen Interessenkoinzidenz genauso bewußt wie der Tatsache, daß die europäische Integration gleichzeitig Washington mit gravierenden außen-, wirtschafts- und sicherheitspolitischen Problemen konfrontierte. 48 Denn so sehr, wie oben geschildert, die USA bereit waren, Frank-
44 45
46
47
48
Ebd. Vgl. JFKL, National Security Files (NSF), Countries, Box 70-71, Folder France - General 3/10/61^1/21/61: Memorandum, subject: A New Approach to France, 21.4.1961, S . l . Vgl. hierzu unter anderem Ball, George, The Past Has Another Pattern, S. 211; Costigliola, Frank, The Failed Design, S.228; ders., The Pursuit of Atlantic Community, S.39. JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder France - Security 1961 (A): President's Visit to de Gaulle, Paris, May 31 - June 2, 1961, Talking Points (Summary of Scope Paper), 27.5.1961 (Hervorhebung im Original). Vgl. JFKL, Oral History (OH), Couve de Murville, S.6.
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reich, wie seit 1947/48, die Rolle des Sprechers Kontinentaleuropas und, darüber hinaus, Föderators zuzuerkennen, so sehr mußten sie einer gaullistischen Politik entgegensteuern, die durch ihren Nationalismus und ihr Unabhängigkeitscredo genau jene Atlantische Gemeinschaft in Frage stellte, in deren Rahmen allein nach amerikanischer Überzeugung die europäische Integration fruchtbare Wirkung - politisch, ökonomisch, strategisch - entfalten konnte: „ ( . . . ) President de Gaulle's fanatical commitment to the idea of a special position for France made things very difficult. He wanted to be the spokesman for Europe. Unfortunately his tactics frustrated his desire. Had President de Gaulle thrown himself into the leadership of the authentic European movement and in transatlantic partnership, he would have become the spokesman for Western Europe. But by playing it as a lone hand, by going the nationalist route, he frustrated his own purpose, which is one of the tragedies of President de Gaulle." 49 Gerade in den ersten Monaten ihrer Amtszeit vollzog die Kennedy-Administration, ungeachtet der Herausforderung de Gaulles und ungeachtet der Existenz verschiedener, zum Teil gegenläufiger europapolitischer Auffassungen innerhalb der Regierung, insbesondere zwischen State Department und dem akademischen Beraterstab des Präsidenten um McGeorge Bundy, keine grundlegende Kehrtwendung ihrer Europapolitik, keine Abkehr vom politischen Ziel der Integration Westeuropas. Auch die Bonner Regierung ging in ihren Analysen der Anfangsphase der neuen amerikanischen Administration davon aus, daß sich am Bekenntnis der USA zu den Zielen der europäischen Integration nichts ändern würde, ja daß im „Fall eines vollen Einschlusses aller europäischen NATO-Staaten in die EWG ( . . . ) die Vereinigten Staaten auch bereit [wären], die sich für sie unter Umständen ergebenden wirtschaftlichen Nachteile in Kauf zu nehmen." 50 Dennoch trat schon in den ersten Monaten des Jahres 1961 sowohl in den bilateral deutsch-amerikanischen wie auch französischamerikanischen Beziehungen deutlich zutage, daß, abgesehen von der generellen Befürwortung der europäischen Integration, Meinungsunterschiede existierten bezüglich des Stellenwerts und der politischen Zielrichtung des europäischen Integrationsprozesses. Eine detaillierte Analyse der bilateralen Beziehungen zwischen Washington und Paris sowie Washington und Bonn würde der Beleuchtung der amerikanischen Integrationspolitik kaum dienen. 51 Deshalb können an dieser Stelle die 49 50
51
JFKL, OH, Dean Rusk, S.167f. ACDP, VIII-001, 052/2, Auswärtiges Amt, Referat 401, Verhältnis EWG/EFTA; vgl. auch ACDP, VIII-001, 052/2: Fernschreiben 589 aus Paris, an Auswärtiges Amt (Geheim), 5.6.1961. In diesem Kontext sei unter anderem verwiesen auf Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons; Pöttering, Hans-Gerd, Adenauers Sicherheitspolitik; Morgan, Roger, Washington und Bonn; Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963; ders., Adenauer. Der Staatsmann.
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bilateralen Beziehungen nur insoweit nachgezeichnet werden, wie ihre Entwicklung im Zusammenhang stand mit der Entwicklung der amerikanischen Europapolitik einerseits und der sich nach 1961 abzeichnenden Intensivierung der deutsch-französischen Beziehungen als Alternative zur deutsch-amerikanischen Allianz andererseits. Beides, der Faktor de Gaulle - bereits seit 1958 und der Faktor Kennedy führten zu einer spürbaren Verunsicherung der deutschen Politik, für die mindestens bis 1958 die Allianz mit den USA und die Aussöhnung mit Frankreich immer komplementäre Elemente einer umfassenden deutschen Westpolitik gewesen waren, sich bis dahin jedoch nicht als sich widersprechende oder gar ausschließende Konzepte präsentiert hatten. In gleicher Weise war für Washington in jedem Falle bis 1958, letztlich aber sogar bis zum Regierungswechsel 1961 die deutsch-französische Annäherung zentrales europapolitisches Ziel gewesen, Kristallisationskern der europäischen Integration im Rahmen der transatlantischen, von den USA geführten Gemeinschaft. Zwar war sich noch die Regierung Eisenhower bewußt geworden, daß Charles de Gaulle den deutsch-französischen Beziehungen und mithin der europäischen Einigung insgesamt eine andere Zielrichtung zu geben anhob. Doch die Kraftlosigkeit der Administration auf Zeit, die ihre verbleibende außenpolitische Energie einem letztlich ergebnislosen Dialog mit Moskau widmete, verhinderte die Entwicklung neuer europapolitischer Ideen, die Wiederbelebung der energisch-dominanten amerikanischen Integrationspolitik der frühen fünfziger Jahre. Erste Ansätze zur Stärkung der europäischen Beteiligung an amerikanischen Nuklearentscheidungen, zur Reform der NATO oder Verbesserung der europäisch-amerikanischen Handelsbeziehungen verblieben im Planungsstadium oder fielen dem „Lame-Duck"-Phänomen52 der amerikanischen Politik zum Opfer. Auch deshalb blickte Bonn schon seit Ende 1960 mit Spannung und Erwartung auf die neue Washingtoner Regierung. Dabei verband sich in Bonn das Interesse an kraftvoller Führung des Bündnisses und an der Aufrechterhaltung amerikanischer Sicherheitsgarantien für Westeuropa, insbesondere des Schutzes der Bundesrepublik und West-Berlins, mit nicht geringer Unsicherheit, ja Skepsis hinsichtlich des außen- und sicherheitspolitischen Kurses der neuen Administration.
11.1.3. Ein vielversprechender Beginn: Adenauer in Washington Es sollte sich für die Entwicklung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses in den knapp drei Jahren der Präsidentschaft Kennedys als durchaus belastend erweisen, daß die Sympathien Konrad Adenauers im US-Wahlkampf offensichtlich dem republikanischen Bewerber Richard Nixon gehört hatten. 53 Vor 52 53
S . o . , Kap. 1.5. Insbesondere gegenüber dem Lager Kennedys hatte der Bonner Botschafter in Washing-
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dem 8. November 1960 äußerte sich der Bundeskanzler mehrfach - vor allem in Parteigremien - auffallend skeptisch über Kennedy. Sein jugendliches Alter und die politische, insbesondere außenpolitische Unerfahrenheit irritierten Adenauer. Der Kanzler befürchtete die Ernennung Adlai Stevensons zum Außenminister, war besorgt über den politischen Einfluß von Kennedys akademischen Beratern und prophezeite für den Fall eines demokratischen Wahlsiegs eine kritische Phase der Außenpolitik insbesondere im Hinblick auf Berlin. 54 Nach dem Wahlsieg des Tickets Kennedy/Johnson mußte sich Adenauer mit dem Führungs- und Generationswechsel in Washington abfinden. Auch war es jetzt ein Gebot politischer Vernunft, alsbald zu versuchen, den Kontakt zur neuen amerikanischen Führung herzustellen und - trotz der Präferenz für Nixon - ein gerade für die Bundesrepublik so wichtiges Vertrauensverhältnis zu entwickeln.55 Trotz der Unsicherheit im Umgang miteinander waren die deutsch-amerikanischen Beziehungen der ersten Monate des Jahres 1961 auf beiden Seiten noch deutlich von dem Bemühen um Fortsetzung der gemeinsamen Politik der Eisenhower-Jahre geprägt. Dabei waren gerade die letzten beiden Jahre der republikanischen Administration keinesfalls eine Hochzeit des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Dennoch erhielt die Sorge vor einem grundsätzlichen außenpolitischen Kurswechsel der USA, einer neuen außenpolitischen Prioritätensetzung erst durch die Wahl Kennedys neue Nahrung. In Europa, auch in Bonn, verbanden sich dabei hohe Erwartungen hinsichtlich frischer außenpolitischer Dynamik der USA angesichts weltweiter Herausforderungen 56 mit tiefer Unsicherheit über den neuen Kurs der Administration. Dies betraf aus deutscher Sicht insbesondere eine - nicht zu Unrecht - perzipierte Neigung der neuen Administration, den politischen und territorialen Status quo in Europa zur Grundlage einer sowjetisch-amerikanischen Entspannungspolitik zu machen. In diesem Kontext fielen dann auch Begriffe, die für die Bundesregierung und speziell Adenauer immer Reizworte gewesen waren wie „Berlin borton, Wilhelm Grewe, große Mühe, die Stellungnahmen aus der Bundesregierung zu relati-
54
55
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vieren. Vgl. JFKL, OH, Wilhelm Grewe, S.3; vgl. auch Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S. 444-452. Vgl. ACDP, VH-001, 009/4, Sitzung des engeren Parteivorstands der CDU, 6.7.1960, S.3; vgl. auch ACDP, VII-001, 009/6, CDU-Bundesvorstand, 22.9.1960. Diesen Geist atmet die knappe Glückwunschbotschaft Adenauers an Kennedy vom 9.11.1960, welcher die Verunsicherung des Kanzlers anzumerken ist. Ohne ansonsten auf politische Fragen einzugehen, beließ es Adenauer bei einem Plädoyer, „den Weg für eine kontrollierte Abrüstung zu öffnen", das jedoch in dieser Zeit bei Adenauer schon nahezu formelhaften und inhaltsarmen Charakter hatte und mehr aus einer Abwehrhaltung geboren war denn von einem konstruktiven, zukunftsorientierten außenpolitischen Konzept getragen. Zum Gedanken der „Kontrollierten Abrüstung" bei Adenauer s. Schöllgen, Gregor, „Kontrollierte Abrüstung". Vgl. JFKL, OH, Dean Acheson, S.14.
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der deal" oder „recognition of the Oder-Neisse line",57 Die ersten Eindrücke, die man aus den Reden und Statements Kennedys, seiner Regierung und seines Stabes nach der Inauguration gewinnen konnte, verstärkten in Bonn Befürchtungen, die noch aus der Zeit des Wahlkampfs stammten. 58 Doch trotz aller Skepsis vertraute Adenauer zunächst auf die Kontinuität der amerikanischen Politik, wenn vielleicht auch nicht im Detail, so doch in ihren Grundsätzen. Diese Kontinuität ergebe sich nahezu zwangsläufig aus der Fortdauer des OstWest-Konflikts: „Und der ist trotz wechselnder Administration in den Vereinigten Staaten nach wie vor da, und daraus ergeben sich ja ganz von selbst Folgerungen, die auch im Grunde dieselben bleiben, wenn auch gewisse Modifikationen in den Anschauungen zutage treten werden." 59 Ein klareres Bild allerdings wollte sich der Kanzler selbst machen, sobald er erstmals mit Kennedy persönlich zusammentreffen konnte. An einem frühen Treffen war Adenauer sehr gelegen, und er bedauerte sehr, daß eine von ihm avisierte Begegnung im Februar - Kennedy war noch mitten in der Amtsübernahme - nicht zustande kam. 60 Doch nicht nur Adenauer mußte sich bemühen, seine Skepsis gegenüber dem jungen Präsidenten hintanzustellen; auch für diesen war die Kontaktaufnahme ein zwar notwendiges, aber nicht einfaches Unterfangen. 1957 hatte sich der Senator aus Boston in „Foreign Affairs" in deutlichen Worten über den Bundeskanzler und über die intensive und exklusive Bindung der EisenhowerAdministration an die Regierung und die Partei Adenauers geäußert: „ ( . . . ) American policy has let itself be lashed too tightly to a single German government and party. Whatever elections show, the age of Adenauer is over. The biggest question in any government must now be the identity of Adenauer's eventual successor. The present Administration, like its Democratic predecessor, has riveted its policy and favor exclusively on one leader and party and made pariahs of the opposition, who will inevitably be a part of some future German government. The fidelity to the West of the Socialist opposition is unquestionable, and yet sometimes our statesmen and actions seem almost to equate them with the puppet regime in East Germany." 61 Dieses Statement mußte sich, nach Kennedys Wahl, als außenpolitische Hypothek erweisen. Wieder und wieder hatte Adenauer in seiner Auseinandersetzung mit der sozialdemokratischen Opposition auf die Unterstützung aus Washington verweisen können. Die Eisenhower-Regierung war Wahlhelfer der Union. Diese
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JFKL, OH, Wilhelm Grewe, S.3. Der Ausdruck „Berlin border deal" bezog sich auf ein deutschlandpolitisches Quid pro quo, demzufolge die Sowjetunion den Status Berlins bei einer Anerkennung der Oder-NeißeLinie als deutsche Ostgrenze durch die Bundesregierung hätte garantieren sollen. Vgl. hierzu ebd., S.7; OH, Martin J. Hillenbrand, S.7. So Adenauer beim Kanzler-Tee am 10.4.1961, zit. in: Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.262. Vgl. hierzu ebd., S.261; Morgan, Roger, Washington-Bonn, S.104. Kennedy, John F., A Democrat Looks at Foreign Policy, S.49.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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Unterstützung drohte nun verlorenzugehen, und darüber hinaus waren sogar deutliche Sympathien Kennedys für die SPD, insbesondere nach ihrem Godesberger Parteitag und Herbert Wehners Bundestagsrede vom 30. Juni 1960, zu erkennen. Adenauers Glückwunschschreiben an den gewählten Präsidenten vom 19. November i96062 wurde in seiner Kürze und distanzierten Kühle von Kennedys Antwort noch übertroffen: „Ich bin dankbar für Ihre herzliche und großmütige Botschaft. Sie waren stets ein unbezwinglicher Führer der freien Welt. Ich freue mich darauf, mit Ihnen in den kommenden Jahren zusammenzuarbeiten, und stimme gewiß mit Ihnen überein, daß es für die Sicherung des Weltfriedens notwendig ist, zu einer kontrollierten Abrüstung zu gelangen." 63 Folgt man den Erinnerungen von Adenauers außenpolitischem Mitarbeiter Horst Osterheld, so gelang es Kennedy doch, insbesondere mit seinem Schreiben vom 8. Februar 1961, dem Kanzler die größten Sorgen zu nehmen. Das Bekenntnis zur NATO, zur europäischen Integration und zum Führungswillen der USA erleichterte und ermutigte ihn.64 Dennoch waren die Vorbereitungen der Adenauer-Reise nach Washington im April, Brentanos Visite dort im Februar sowie die Aufenthalte Averell Harrimans, John McCloys und Dean Achesons in Bonn von gespannter Erwartung und dem Bemühen gekennzeichnet, sich dem neuen transatlantischen Partner vorsichtig tastend zu nähern. Nachdem Bundesverteidigungsminister Strauß bereits im Januar 1961 vergeblich versucht hatte, Gespräche mit Kennedy oder zumindest dem neuen amerikanischen Verteidigungsminister McNamara zu führen, war Außenminister von Brentano der erste offizielle deutsche Besucher der neuen Regierung. In ihren Unterredungen versicherten Kennedy und sein Außenminister Dean Rusk, wie es ihre ßne/ing-Memoranden vorsahen, Brentano der zentralen Bedeutung, welche Deutschland und Berlin nach wie vor in der amerikanischen Politik zukomme. 65 Offen, auf Grund des chronischen „Bonner Unsicherheitsgefühls", jedoch nicht zu offen, auf Grund schlechter Erfahrungen mit der Verschwiegenheit der Bundesregierung, sollte, so die Positionspapiere, Brentano über mögliche Verhandlungen mit der Sowjetunion informiert werden, auch dies zur Rückversicherung Bonns und als vertrauensbildende Maßnahme. 66 So wichtig diese Beteuerungen auch waren, so sehr galt das eigentliche Interesse Washingtons gegenüber Brentano dem nachdrücklichen Verweis auf die unausgeglichene internationale Zahlungsbilanzsituation im allgemeinen, das amerikanische Zahlungsbilanzdefizit und den deutschen Zahlungsbi62
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Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 19.11.1960. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 13.11.1960. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S. 24. Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 1/61-6/61: Discussion with Foreign Minister von Brentano, Washington, 16.2.1961, Position Paper. Vgl. ebd.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
lanzüberschuß im besonderen. Washington brachte die Wichtigkeit, welche die USA der Bewältigung dieser Problematik beimaßen, deutlich zum Ausdruck, insbesondere die Forderung an die Bundesrepublik, ihren Anteil an den Verteidigungslasten des Westens und an der westlichen Entwicklungshilfe zu leisten. 67 Ein Memorandum an die Bundesregierung, das Brentano in Washington überreicht wurde, sprach eine deutliche Sprache. Es betonte insbesondere, daß die zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland erörterten wirtschaftlichen Probleme keine bilateralen Fragen darstellten, sondern Resultat des amerikanischen Engagements in und für Europa seien: „Die Wiederbelebung Westeuropas in den fünfziger Jahren hat uns neue Hilfsquellen gegeben. Zusammengenommen sind diese Hilfsquellen, über die wir verfügen, größer als die, über die wir in den ersten Nachkriegsjahren verfügen konnten, und sie sind unter uns besser verteilt. ( . . . ) Das Defizit der Vereinigten Staaten geht ausschließlich auf die Verpflichtungen und Handlungen zurück, die sie für die gemeinsame Verteidigung der freien Welt übernommen haben. Ohne diese freiwillig übernommenen Verpflichtungen hätten die Vereinigten Staaten jetzt einen großen Zahlungsbilanzüberschuß. Diese Fragen müssen daher im Sinne einer Umgestaltung des Bündnisses und nach Grundsätzen angepackt werden, von denen diese Anstrengungen in den kommenden Jahren geleitet werden sollen. ( . . . ) Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, eine Politik der Finanzreserven für die Allianz zu entwickeln, die die Verantwortlichkeit gegenüber dem gemeinsamen Interesse sowohl der Überschuß- als auch der Defizit-Nationen anerkennt." 68 In den Washingtoner Gesprächen Brentanos und dem Memorandum vom 17. Februar zeigte sich erstmals deutlich, daß sich die USA nicht nur des langfristigen Preises ihrer Hegemonialposition gegenüber Europa bewußt wurden, sondern auch, daß sie verstärkt nach Mitteln und Wegen zu suchen begannen, die Lasten der Hegemonie zu reduzieren, ohne dabei freilich die Führungsrolle aufzugeben. Wenn auch nicht im Sinne eines direkten Quid pro quo, wie es bei der Anderson-Dillon-Mission Ende 1960 zum Ausdruck gekommen war, war man in Washington jedoch durchaus bereit, die europäische und vor allem deutsche Abhängigkeit von den USA in Form des militärischen Schutzes in politische - wirtschafts- und finanzpolitische - Münze umzuwandeln. Die europäische Abhängigkeit bot, so läßt sich das oben beschriebene amerikanische Vorgehen erklären, den USA die Chance, ihre hegemoniale Position zu niedrigeren Kosten zu erhalten. So sehr Bonn sich bemüht zeigte, 67
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Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder Germany - General, 1/61-3/61: Draft Aide Memoire for Brentano, 16.2.1961; JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder Germany - General, 1/61-3/61: Points which the President may wish to emphasize in discussion with Foreign Minister von Brentano, 16.2.1961; vgl. auch Kommunique über die Besprechungen zwischen Präsident Kennedy und Bundesaußenminister von Brentano in Washington am 17.Februar 1961, abgedruckt in: E A 6/1961, S . D 164. Memorandum der Vereinigten Staaten an die Bundesregierung vom 17. Februar 1961, abgedruckt in: EA 6/1961, S . D 165f.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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Washington in den Fragen des „Burden-sharing" entgegenzukommen, so schmerzhaft mußte in dieser Situation der Bundesregierung aber auch die deutsche Abhängigkeit von den USA bewußt werden. Diese war für Bonn so lange zu ertragen gewesen, wie beide Regierungen gleiche oder zumindest kohärente ost- und deutschlandpolitische Interessen hatten. Die Erosion des Konsenses der fünfziger Jahre jedoch mußte in Bonn die Frage wecken, wie sich denn unter solchermaßen gewandelten Umständen die Akzeptanz der amerikanischen Führungsposition in Westeuropa rechtfertigen ließe. Waren bereits 1958/59 die Flexibilisierung der amerikanischen Berlin-Politik und erste sowjetisch-amerikanische Entspannungsbemühungen ursächlich gewesen für Adenauers Wendung zu de Gaulle mit der ihr folgenden Intensivierung der deutsch-französischen Beziehungen, so barg nun die sich schon in den ersten Monaten der neuen Administration abzeichnende politische Linie das Risiko einer noch stärkeren deutsch-amerikanischen Entfremdung in sich. Es stand außer Frage, daß de Gaulle eine solche Entfremdung politisch nutzen würde für den Versuch, die amerikanische Hegemonialposition in Europa aus den Angeln zu heben. Für die Entwicklung der Beziehungen in dem Dreieck Washington - Bonn - Paris sollte der Mauerbau des Sommers 1961 sowie die amerikanische Berlin-Politik 1961/62 eine wichtige Rolle spielen. Brentanos Besuch in Washington im Februar 1961 war beides: amerikanisches Warnsignal und Geste partnerschaftlichen Dialogs. Die Besuche Averell Harrimans, Dean Achesons und John McCloys in Bonn wirkten eher im letzteren Sinne und trugen dazu bei, anfängliche Bedenken der Bundesregierung gegenüber der neuen Administration zu reduzieren. Harriman rannte mit den von ihm im Auftrage Kennedys vorgetragenen Gedanken „für die Entwicklung und den Ausbau der NATO" beim Bundeskanzler offene Türen ein.69 Zu Dean Acheson hatte Adenauer bereits in dessen Zeit als Außenminister Trumans ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt. Es beruhigte den Kanzler, daß dieser Truman-Demokrat offensichtlich zu den engsten Beratern Kennedys gehörte, und Achesons Besuch im Rhöndorf am 9. April 1961 verminderte weiter die Spannung Adenauers vor seiner ersten Begegnung mit dem Präsidenten. 70 Acheson hatte kurz vor seiner Reise nach Europa mit einer Arbeitsgruppe im Auftrage des Präsidenten die Studie „A Review of North Atlantic Problems for the Future", den sogenannten „Acheson-Report" fertiggestellt.71 Auf 74 Seiten beschäftigte sich diese Studie mit den transatlantischen Beziehungen und den europa- und allianzpolitischen Interessen der USA. Sie war nicht nur ein sicherheitspolitisches Grundsatzpapier über die Zukunft der NATO, sondern behandelte genauso intensiv und sorgfältig politi69
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Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Adenauer an Kennedy, 7.3.1961. Vgl. ACDP, VIII-001, 1008/3, CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Fraktionssitzung, 19.4.1961, S.167f.; vgl. auch JFKL, OH, Dean Acheson, S. 16-19. JFKL, NSF, Box 220, March 1961: A Review of North Atlantic Problems for the Future.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
sehe und wirtschaftliche Fragen. Der Bericht, den der Nationale Sicherheitsrat am 29. März 1961 in seinen wesentlichen Punkten billigte, postulierte ausdrücklich die Fortsetzung der europäischen Integration: „The U.S. should make clear its support for the movement toward European integration. The U.K. should not be encouraged to oppose or stay apart from that movement by doubts as to the U.S. attitude or by hopes of a 'special relationship' with the U.S. The Six should be encouraged to welcome U.K. association with the Community and not to set the price too high for such association, providing that there is to be no weakening of essential ties among the Six."72 Das Fernziel der USA gehe allerdings über die europäische Integration weit hinaus: „The ultimate goal of the Atlantic nations should be to develop a genuine Atlantic commonwealth, in which common institutions are increasingly developed to address common problems." 73 In Bonn konnte Acheson mit seinem Bekenntnis zur Fortsetzung der transatlantischen Partnerschaft, zur NATO, zum Festhalten am Gedanken einer NATO-Atomstreitmacht und mit seiner Versicherung, daß Washington der Sowjetunion nicht hinter dem Rücken Bonns Zugeständnisse machen würde, den Kanzler beruhigen: „Mir ist ein Stein vom Herzen gefallen." 74 Auch bei anderen Unionspolitikern konnte Achesons Visite Bedenken hinsichtlich der neuen Administration und insbesondere der Möglichkeit ihrer Abkehr von Europa zerstreuen. So gewann der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Heinrich Krone, von Adenauer über die Begegnung unterrichtet, den Eindruck, „die Vereinigten Staaten strebten geradezu eine 'Verschmelzung' mit Europa an, politisch wie wirtschaftlich und militärisch."75 Wenn auch John McCloy den Bundeskanzler zu Konzessionen in der Frage der Anerkennung der deutschen Ostgrenze zu bewegen versuchte76 - ein Beleg für die Status-quo-Orientierung der Administration - so reiste Adenauer doch am 11. April 1961 beruhigt und zuversichtlich nach Washington. Unter dem Gesichtspunkt des bilateralen deutsch-amerikanischen Verhältnisses hat die Forschung bereits mehrfach - in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlichen Ergebnissen - das erste Zusammentreffen Adenauers mit den Spitzen der neuen amerikanischen Administration analysiert.77 Auch für den folgenden Abschnitt gilt darum, daß bilaterale Fragen hier nur insofern 72 73 74
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Ebd., S.3. Ebd. Acheson erinnert sich an den Wortlaut der erleicherten Reaktion Adenauers. „You have lifted a stone from my heart", heißt es im englischen Text des Oral History Interviews der Kennedy Library. Vgl. JFKL, OH, Dean Acheson, S. 19. Krone, Heinrich, Autzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik 1954-1969, S. 160 (10.4.1961). Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 632. Vgl. beispielsweise ebd., S.633-638; Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.461-470; Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.256-259; Stützle, Walter, Kennedy und Adenauer in der Berlin-Krise 1961-1962, Bonn 1973, S. 89-95; Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 60-68.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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aufgegriffen werden, als sie von Bedeutung sind im Kontext der amerikanischen Politik gegenüber der europäischen Integration und den deutsch-französischen Beziehungen. In Washington bereiteten sich Weißes Haus und State Department intensiv auf die Visite des deutschen Bundeskanzlers vor. Er war - bezeichnenderweise - nach Macmillan der zweite europäische Regierungschef, der im Frühjahr 1961 die USA besuchte. Die entsprechenden Memoranden für Kennedy waren - bei aller Unterschiedlichkeit in Einzelfragen, die in ihnen zutage trat - von dem Bemühen charakterisiert, das Verhältnis zwischen Kennedy und Adenauer von vornherein zu entkrampfen, um nicht durch atmosphärische Probleme die schwierigen Gespräche zusätzlich zu belasten. Sicherheitsberater McGeorge Bundy hielt es für nötig, auf ein Manko einer ganzen Reihe von BriefingPapieren hinzuweisen: „None of these papers adequately makes the point stressed to me today by McCloy in a phone conversation - that Adenauer is really a great man, with a striking personality and real personal warmth and wit when you get under the surface." 78 Ein positives Bild des deutschen Kanzlers zeichnete auch ein Memorandum Henry Kissingers, das zwar die Widersprüchlichkeit der Persönlichkeit Adenauers betonte, seine politische Härte und Rücksichtslosigkeit. Kissinger unterstrich aber seine herausragende Stellung in Deutschland und seine historischen Verdienste: „Almost single-handedly he restored a sense of self-respect to a shattered nation. He has struggled valiantly to bring Germany into the Western community. He has built a measure of democratic consensus in a demoralized nation. His foreign policies have become accepted even by the opposition. ( . . . ) my admiration for the single-mindedness, restraint and skill of Adenauer which transformed Germany for the first time in this century into a responsible member of the Western community. On almost every foreign policy issue he has been proved right and his domestic opponents wrong. His judgment as to the limits of viable policy has proved wiser than that of many cleverer people. Adenauer is difficult. But many of these difficulties are the defects of great virtues. He has earned respect for a major historical achievement." 79 Kissinger plädierte in seinem Memorandum ferner dafür, die psychologische Lage Deutschlands in Rechnung zu stellen: „A country which has lost two world wars, undergone three revolutions, committed the crimes of the Nazi era and which has seen its material wealth wiped out twice in a generation is bound to suffer from deep psychological scars. There is an atmosphere of hysteria, a tendency towards unbalanced actions. ( . . . ) Germany alone of the major countries of Europe suffered no visible psychic shock after the war. It sublimated its problems in the frenzied effort to rebuild economically. But it remains a candidate for a nervous breakdown. The fear of being 78
79
JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, Adenauer Meeting, General, Part I: Bundy an Kennedy, Memorandum, 10.4.1961. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, Adenauer Meeting, General, Part I: Kissinger an Kennedy, Memorandum, 6.4.1961.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
left alone or sold out is, in some sense, a quest for emotional security. It is also a sign of great lack of self-confidence. This fear is magnified by a fantastic provincialism - itself the product of the moral isolation from Europe lasting a generation - which makes all world events seem to revolve around the problem of Germany." 80 Die Hauptfolgerung, die Kissinger aus seinem Psychogramm Adenauers und der Deutschen zog, war: „ ( . . . ) that the conversations with Adenauer should be considered as much a psychological as a political challenge. More important than any specific policy decision is to provide reassurance that the new Administration considers the Federal Government an integral part of the Western community." 81 Ähnlicher Argumente bediente sich auch Unterstaatssekretär George Ball, der eine „Wiederbelebung der deutschen Psychose der Zwischenkriegszeit" befürchtete. 82 Die Notwendigkeit, Adenauer wieder und wieder der engen Freundschaft mit den USA, des Atlantischen Bündnisses und der amerikanischen militärischen Präsenz in Europa zu versichern, war gleichsam ein Ceterum censeo der Memoranden im Vorfeld der Kanzlerreise. Deutlich war amerikanischen Stellen dabei auch, daß eine tatsächliche oder auch nur vermeintliche Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses und insbesondere die Perspektive eines amerikanischen Truppenabzugs aus Europa Adenauer in die Arme de Gaulles mit seiner anti-amerikanisch-kontinentaleuropäischen Konzeption treiben würde. „Nevertheless, Adenauer's underlying fear of a possible decision by the United States to reduce its European commitments, including the withdrawal of US military forces in Europe, is a factor in prompting him to consider drawing closer to France in some kind of continental grouping." 83 Deutschland, darüber waren sich die Experten und Berater der Kennedy-Administration weitgehend einig, war zwar fest in den Westen eingebunden; dennoch stellte es auf Grund seiner Geschichte und seiner offenen nationalen Frage ein Problem, wenn nicht noch immer eine latente Bedrohung dar. 84 Dies bildete gewissermaßen den politisch-konzeptionellen Hintergrund, vor dem Konrad Adenauer in Washington empfangen wurde. Vordergründig jedoch ging es in den Apriltagen 1961 um eine Bestandsaufnahme des deutsch-amerikanischen Verhältnisses, um gegenseitiges Kennenlernen und die konkreten Fragen der außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitischen Agenda. Die Washingtoner Begegnung Adenauers mit Kennedy ist von der For-
80 81 82 83
84
Ebd. Ebd. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.37, Anm. 59. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, Adenauer Meeting, General, Part II: Central Intelligence Bulletin, US-West German Relations, 11.3.1961. In seinem Oral History Interview mit der Kennedy Library erinnert sich Charles E. Bohlen an Kennedys Befürchtung, „that Germany could again become a menace." Zit. nach: Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic, Community, S.37.
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schung der siebziger Jahre eher negativ bewertet worden. 85 Das ungünstige Urteil mag in erster Linie zurückzuführen sein auf die später eingetretene Verschlechterung der deutsch-amerikanischen Beziehungen bzw. des Verhältnisses zwischen Präsident und Bundeskanzler. Demgegenüber muß heute zweifellos konstatiert werden, daß jenes erste Zusammentreffen dazu beitrug, das anfänglich vorhandene Mißtrauen zu reduzieren, Adenauers Besorgnisse zu minimieren und eine im Grunde tragfähige Basis zu schaffen für die weitere Entwicklung der bilateralen Beziehungen. 86 In den beiden Spitzengesprächen vom 12. und 13. April 1961 sowie den Unterredungen Adenauers mit USAußenminister Dean Rusk nahmen zwei Themen breitesten Raum ein: die Berlin-Frage und die Zukunft der NATO. Kennedy und Rusk unterstrichen das fortdauernde amerikanische Bekenntnis zu den in Berlin und Deutschland übernommenen Verpflichtungen und zum Selbstbestimmungsrecht als Grundlage der Lösung der deutschen Frage. Erstmals jedoch beschränkte Washington seine Berlin-Garantien offen darauf, „die Freiheit der Bevölkerung von West-Berlin zu erhalten." 87 Damit war - ob bewußt oder unbewußt - der Weg eingeschlagen worden, der über Kennedys „Three Essentials" hinsichtlich West-Berlins vom 25. Juli 1961 bis hin zur Duldung der Absperrmaßnahmen im Ostteil der Stadt am 13. August 1961 führte. 88 Die Gespräche erstreckten sich auch auf die militärische Contingency-Planung der drei Westmächte für Berlin, in die Bonn einbezogen werden wollte, was im Juli 1961 auch geschah.89 Wenn auch offensichtlich nicht auf der höchsten Ebene, so wurden Ansätze von Differenzen doch insofern deutlich, als insbesondere hohe Beamte des State Department, grundsätzlich ja durchaus deutschen Positionen zuneigend, mangelnde Bonner Entschlossenheit kritisierten, die „die unerläßliche Voraussetzung für ein entschlossenes amerikanisches Handeln bilde. Die Bundesregierung schrecke offenbar davor zurück, in einem solchen Falle die äußersten Konsequenzen zu ziehen." 90 Diese amerikanischen Zweifel waren nicht neu, sondern hatten bereits das Verhältnis der Bundesregierung zur EisenhowerAdministration, insbesondere in den Monaten nach Chruschtschows BerlinUltimatum, belastet und im Februar 1959 gar zu einem ernsthaften Dissens zwischen Konrad Adenauer und John Foster Dulles geführt. 91 Zumindest in 85
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Vgl. beispielsweise Ziebura, Gilbert. Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945, S.94f.; Besson, Waldemar, Außenpolitik, S.258. Vgl. hierzu Grewe, Wilhelm G . , Rückblenden, S.462f.; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.633. Kommunique vom 13. April 1961 Uber die Beratungen zwischen Präsident John F. Kennedy und Bundeskanzler Konrad Adenauer in Washington, abgedruckt in: E A 9/1961, S . D 276f. Vgl. hierzu auch Grewe, Wilhelm G . , Rückblenden, S.463f. Vgl. hierzu ebd., S.464; vgl. auch NHP-Zeitzeugenbefragung „Berlin-Krise", Bonn, Januar 1989; NHP-Zeitzeugenbefragung „Berlin-Krise", Bonn, Februar 1990. Vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.464f. S . o . , Kap. 1.1.
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diesem Kontext war also nicht der Faktor Kennedy das konfliktauslösende Moment. Weitgehende Übereinstimmung, wenigstens an der Oberfläche, erzielten Adenauer und Kennedy bei der Behandlung der NATO-Thematik. Dies lag vor allem daran, daß beide Seiten ihre diesbezüglichen Positionen nicht explizit darstellten und statt dessen Harmonie mit Hilfe von Formelkompromissen suchten. Während die Kennedy-Regierung die NATO-Strategie stärker auf konventionelle Streitkräfte stützen wollte, zuvorderst durch Erhöhung der entsprechenden Verteidigungsanstrengungen der europäischen Verbündeten, um der „nuklearen Zwangsjacke" 92 der Strategie der Massiven Vergeltung zu entkommen, lagen für Adenauer die Prioritäten nach wie vor in der Stärkung der nuklearen Kräfte der Allianz, vor allem der in Europa stationierten, und einer Beteiligung der Verbündeten an nuklearen Planungs- und Entscheidungsprozessen. Bowie-Report und Herter-Plan, die die Aufstellung einer multilateralen bzw. NATO-Atomstreitmacht avisierten, waren Schritte der Eisenhower-Administration in diese Richtung gewesen. Obwohl Kennedys außenpolitisches Beratergremium noch vor der Inauguration den Bowie-Report als „carefully thought through" bezeichnet hatte, 93 forderte die neue Regierung im Gegensatz zu den Empfehlungen dieser Studie dezidiert die Zentralisierung militärischer und vor allem nuklearer Entscheidungen, was im Grunde jeder Form des „nuclear sharing" entgegenstand. Im Apri 1961 aber traten diese fundamentalen Differenzen noch nicht zutage. Statt dessen kaschierte das Kommunique vom 13. April 1961 die politischen Unterschiede. Ohne Probleme vermochten sich beide Seiten in dem Text wiederzufinden: „Der Bundeskanzler und der Präsident stimmten darin überein, daß eine verstärkte politische Zusammenarbeit in der NATO unentbehrlich ist, um die Bemühungen der Alliierten um die Wahrung von Frieden und Sicherheit zu koordinieren. Sie bestätigten erneut ihre Entschlossenheit, die NATO als Grundlage der gemeinsamen Verteidigung des nordatlantischen Raumes zu unterst'"'zen. Sie unterstrichen die Überzeugung ihrer Regierungen, daß die NATO d . j militärischen Mittel behalten und weiterentwickeln muß, die es ihr ermöglichen, einen potentiellen Angreifer wirksam abzuschrecken, die territoriale Unverletzbarkeit ihrer Gebiete und eines jeden Alliierten zu erhalten." 94 Folgt man dem Washingtoner Kommunique vom 13. April, so nahmen in den Gesprächen zwar Berlin-Frage und NATO den breitesten Raum ein, was auch politische Prioritäten Bonns widerspiegelte. Doch auch europapolitische Themen wurden zumindest gestreift. Noch kam, im Frühjahr 1961, für beide Seiten der Europapolitik nicht die Bedeutung zu, die sie in der Folgezeit auf Grund des britischen EWG-Beitrittsgesuchs, auf Grund der europapolitischen 92 93
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Kaplan, Fred, The Wizards of Armageddon, New York 1983, S.297. JFKL, Gilpatric Papers, Box 8: Report of Senator Kennedy's National Security Policy Committee, December 1960, o . D . Kommunique vom 13. April 1961, abgedruckt in: EA 9/1961, S . D 276.
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Schritte de Gaulies, auf Grund der voranschreitenden wirtschaftlichen Integration Westeuropas und deren Folgen für die amerikanische Wirtschaft einnehmen sollte. Der Standpunkt der US-Regierung, den der Präsident dem Bundeskanzler darlegte, entsprach ganz den bereits entwickelten Positionen der neuen Administration. Washington begrüßte die weitere politische und wirtschaftliche Integration Europas in den Europäischen Gemeinschaften, insbesondere der EWG, wies letzterer jedoch entschieden Platz und Funktion nur innerhalb der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht näher definierten Atlantischen Gemeinschaft zu. Beide Seiten stimmten in der Befürwortung eines baldigen britischen EWG-Beitritts überein, der jedoch, so Adenauer am 21. April 1961 vor dem Bundestag, „die dynamischen politischen und institutionellen Kräfte, die der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft innewohnen, nicht schwächen darf." 95 Anders als Frankreich und in zunehmendem Maße auch die Bundesrepublik bekannte sich Großbritannien zwar immer häufiger zum Ziel der europäischen Integration, wollte diese jedoch noch immer primär auf die wirtschaftliche Dimension, die Errichtung eines möglichst großen Freihandelsraums beschränkt wissen.96 In klarer Bezugnahme auf die von Paris initiierten Vorschläge zum Ausbau der politischen Institutionen der Europäischen Gemeinschaften lehnte der britische Premierminister Macmillan eine politische Verfestigung der wirtschaftlichen Zweiteilung Westeuropas in EWG und EFTA ab: „Die Folgen der wirtschaftlichen Spaltung Westeuropas haben gerade erst begonnen, sich auf politischer Ebene bemerkbar zu machen. Wenn diese wirtschaftliche Spaltung jedoch andauert, wird sich die politische Kluft unweigerlich erweitern und vertiefen. Das muß früher oder später unseren militärischen Zusammenhalt und unsere militärische Stärke beeinträchtigen. Wie ein Krebsschaden würde es am Mark des westlichen Bündnisses fressen." 97 Darüber hinaus verwiesen britische Aussagen zur Europapolitik oder zum Thema der Atlantischen Gemeinschaft immer wieder auf die besondere Stellung Großbritanniens zwischen Neuer und Alter Welt und vermieden ein klares Bekenntnis zu einer rein europäischen Rolle des Inselstaats. Während Adenauer die britische special relationship mit den USA und, daraus resultierend, auch mit Kontinentaleuropa 1961 noch anzuerkennen und zu akzeptieren bereit war,98 mußte das Beharren Londons auf einer Sonderrolle zwischen USA und Europa sowie die einseitige Betonung der wirtschaftlichen Einigung Euro95
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Erklärung von Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bundestag am 21. April 1961 über seine Beratungen mit Präsident John F. Kennedy in Washington am 12. und 13. April 1961, in Auszügen abgedruckt in: EA 9/1961, S . D 277-280, hier S . D 279. Vgl. beispielsweise die Rede von Premierminister Harold Macmillan vor dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) am 7. April 1961, in Auszügen abgedruckt in: EA 9/ 1961, S . D 266-276, bes. S . D 271. Ebd. Vgl. Erklärung von Bundeskanzler Konrad Adenauer vor dem Bundestag am 21. April 1961, in: EA 9/1961, S . D 279.
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pas als Bestandteil englischer Weltfreihandelspolitik de Gaulle irritieren. Mit einer Aufweichung der europäischen Einigung durch den britischen EWGBeitritt und mit der Infragestellung der französischen politischen Führungsrolle konnte er sich nicht abfinden. Sein Ziel war es, die politische Unabhängigkeit Europas zu erhöhen und nicht durch den EWG-Beitritt Großbritanniens die transatlantischen Bindungen und damit den amerikanischen Einfluß in Europa zu verstärken. Im Frühjahr 1961 konnte er bei der Verfolgung dieser Politik noch nicht mit der uneingeschränkten Unterstützung durch Adenauer rechnen. Diese ergab sich im Laufe der folgenden Monate und Jahre erst aus der Verschlechterung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses, der Überzeugung Adenauers, in Washington nicht mehr den politischen Rückhalt zu finden, den die Lebensinteressen der Bundesrepublik - vor allem in der Deutschland-, Ostund Sicherheitspolitik - erforderten. Anders als noch für Eisenhower und Dulles waren für Kennedy die deutschamerikanischen Beziehungen ein Verhältnis geworden, welches auf wechselseitigen Interessen und auf gegenseitiger Unterstützung beruhte. In den Augen der neuen Administration war die Zeit ständiger amerikanischer Versicherungen und Rückversicherungen für die Bundesregierung vorbei. Die internationale politische Lage und das politische und wirtschaftliche Gewicht der Bundesrepublik hatten sich zu stark verändert, als daß die Axiome des deutschamerikanischen Verhältnisses der fünfziger Jahre noch unverändert Gültigkeit haben konnten. Der Präsident zögerte nicht, so erinnert sich Foy Kohler, dies dem Bundeskanzler zu verstehen zu geben: „I particularly recall the dexterity with which he (Kennedy; ec) handled Chancellor Adenauer, and his perception of the really important point in the existing state of our relationship with the Federal Republic. Adenauer as usual was insisting on unequivocal assurances or rather, reassurances, as to American support of the Federal Republic and our willingness to face up to the most drastic action, if required, for the protection of the Republic. The President quickly saw that in fact Adenauer, while demanding a great deal from us, was not committing himself as to Germany's role. He pressed his point home very effectively, and I think it marked a certain turning point in Adenauer's approach to his relationship with us, making it much more realistic and leading to a more effective buildup of German forces and more effective support from Germany in our balance-of-payments problem." 99 Letztlich zufrieden mit den Washingtoner Gesprächen flog Adenauer am 15. April weiter nach Texas, wo er für einige Tage Gast von Vizepräsident Lyndon B. Johnson war. Kennedy war offensichtlich erleichtert darüber, die kritische Begegnung mit dem Kanzler vergleichsweise konfliktfrei und im Geist guter Partnerschaft hinter sich gebracht zu haben. 100 Am 17. April trat der 99 100
JFKL, OH, Foy Kohler, S.2f. Vgl. Grewe, Wilhem G., Rückblenden, S.468.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
193
Präsident noch einmal mit seinem deutschen Gast in Verbindung. Über den Vizepräsidenten ließ er dem Bundeskanzler mitteilen, „daß die USA die Bundesrepublik als 'Großmacht' betrachteten. Als solche müsse sie über alle Vorgänge in der Welt konsultiert werden." 101 Adenauer, der auch nach seiner Rückkehr nach Bonn stolz auf dieses Konsultationsversprechen verwies,102 erkannte offensichtlich nicht, daß Kennedy und Johnson das großzügige Angebot nur gleichsam als Einleitung - als Captatto benevolentiae - der Unterrichtung Adenauers über den von der CIA unterstützten, fehlgeschlagenen Landungsversuch von Exilkubanern in der Schweinebucht genau am 17. April 1961 unterbreiteten. Mit keiner Silbe hatte Kennedy Adenauer in Washington über die unmittelbar bevorstehende Aktion informiert: „Großmachtkonsultation"! Genau diese amerikanischen Alleingänge kritisierte de Gaulle, der klar erkannte, daß die USA bei der Verfolgung ihrer Interessen auf die europäischen Verbündeten keine Rücksicht zu nehmen, ja diese allenfalls zu informieren bereit waren. Von Konsultation - im Wortsinne - konnte keine Rede sein. Im Gegensatz zu de Gaulle, der dieses amerikanische Verhalten bereits während der Eisenhower-Jahre angegriffen und zu ändern versucht hatte - beispielsweise mit seinem Direktoriumsvorschlag vom September 1958 - war Adenauer durchaus willens, die amerikanische Führungsrolle anzuerkennen und wünschte lediglich in den Europa betreffenden Fragen größere Mitsprache. Klare amerikanische Führung und Konsultation unter Bündnismitgliedern waren für den Bundeskanzler keine Widersprüche. Wieder und wieder mahnte er bei der amerikanischen Regierung beides an. So auch gegenüber Kennedy am 12. April 1961: „Seit mehreren Jahren stirbt die NATO langsam ab. ( . . . ) Die Mitgliedsstaaten erfüllen ihre Verpflichtungen nicht genügend. Die Konsultation ist spärlich, und die amerikanische Führung, der ich so ungeheuren Wert beimesse, ist zu zurückhaltend gewesen. Leider, das muß ich feststellen, auch schon unter meinem Freund Dulles." 103 Die USA, so Adenauer, machten von ihrem moralischen Recht zur Führung keinen Gebrauch. Freilich müsse diese Führung „mit den kleineren Mitgliedern freundlich umgehen, weil sonst die Gefahr eines inneren Widerstands besteht. Führung ist ja kein Befehlen, sondern Überzeugen. Vor allem gehört dazu, daß man seinen eigenen Willen klar zu erkennen gibt. Ich glaube schon, daß die Europäer folgen werden." 104 De Gaulle schloß der Bundeskanzler dabei ausdrücklich ein.105 Beruhigt und ermutigt kehrte der Gast nach Bonn zurück. Eine Abschiedsadresse an den US-Präsidenten vom 17. April 1961 strahlte diese Erleichterung, ja sogar einen gewissen Enthusias101 102
103 104 105
Zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.637. Vgl. zum Beispiel die Ausführungen des Bundeskanzlers vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: ACDP, VIII-001, 1008/3, CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Fraktionssitzung, 19.4.1961, S.165. Zit. nach: Rühl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis, S.82. Ebd., S.83. Vgl. Besson, Waldemar, Außenpolitik, S.257.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
mus aus: „Mit großer Freude habe ich festgestellt, daß unser Gedankenaustausch über die wichtigsten Fragen, die unsere beiden Völker und, wie ich glaube, alle Völker der freien Welt bewegen, zu einer so außerordentlichen Übereinstimmung unserer Ansichten geführt hat. Besonders glücklich bin ich über die Offenheit und das Vertrauen, das unsere Gespräche von Anfang an kennzeichnete. Ich sehe darin ein Zeichen für die unverbrüchliche Freundschaft, die sich zwischen unseren beiden Völkern entwickelt hat." 106 Ein Dankesbrief vom 20. April 1961 bestätigte Adenauers positive Bewertung. 107 Vor der CDU/CSU-Bundestagsfraktion beschrieb der Kanzler am 19. April den amerikanischen Präsidenten als einen kompetenten, beherrschten und gewinnenden Gesprächspartner und resümierte als Ergebnis der Besprechungen, „daß unsere politischen Ansichten und die des Präsidenten Kennedy in weitestem Umfang übereinstimmen; und zwar handelt es sich nicht um Übereinstimmung, die gekünstelt oder im Wege der Überredung herbeigeführt worden wäre." 108 Ausdrücklich verwies Adenauer auch auf die Tatsache, daß Kennedy die NATO als das Fundament der amerikanischen Politik bezeichnet habe, nicht nur als „eine Notgemeinschaft der europäischen Länder, die unmittelbar von der Sowjetunion bedroht sind", sowie die amerikanische Zusage besserer Konsultation. 109 Die neue amerikanische Administration wollte die NATO als Instrument und Forum amerikanischer Führung reformiert wissen. Washington fand dabei die nachdrückliche Unterstützung Adenauers, dem zwar einerseits an einer Vergrößerung des deutschen politischen Spielraums in Europa und der Allianz gelegen sein mußte, der aber andererseits nur zu genau wußte, wie sehr die Bundesregierung angesichts ihrer geostrategisch exponierten Lage und der noch immer akuten Bedrohung West-Berlins durch Moskau auf amerikanischen Schutz und engste transatlantische Beziehungen angewiesen war. Auch darum stellte sich der Kanzler „hinter die Absichten der Vereinigten Staaten ( . . . ) . Dann wird der NATO-Rat eines der wichtigsten politischen Gremien in der Welt." 110 Adenauer zeigte sich zusätzlich beruhigt, daß Kennedy außerhalb des Kabinetts so verläßliche und bewährte Politiker wie Dean Acheson zu Beratern gemacht habe, welche die Kontinuität der amerikanischen Politik garantierten. Insgesamt sei in Washington in „ungemein wertvolle[n] Tage[n] ( . . . ) eine persönliche Verbindung hergestellt worden." Der Bundeskanzler zeigte sich überzeugt, „daß dieser Anschluß, den wir an die Vereinigten Staa106
107
108
109 110
JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Telegramm Adenauers an Kennedy, 17.4.1961. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 20.4.1961. ACDP, VIII-001, 1008/3, CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages, Fraktionssitzung, 19.4.1961, S. 165. Ebd. Ebd., S. 167.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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ten haben, auch unseren Einfluß und unser Ansehen in der Welt stärken wird." 111 Er, der 1958 bis 1960 jeder amerikanisch-sowjetischen Begegnung mißtrauisch entgegengesehen hatte, immer die Gefahr eines Ausverkaufs deutscher Interessen witternd, stattete nun Kennedy, der ihn am 17. Mai 1961 persönlich von dem bevorstehenden Gipfel mit Chruschtschow unterrichtet hatte, mit einem bemerkenswerten Verrauensvorschuß aus: „Ich teile Ihre Auffassung, daß in der gegenwärtigen internationalen Lage die Aufnahme persönlicher Kontakte zwischen Ihnen und Herrn Chruschtschow von Nutzen sein kann. Sollten bei Ihrem Gedankenaustausch mit Herrn Chruschtschow die Deutschlandfrage und das Berlin-Problem behandelt werden, so weiß ich die Vertretung der deutschen Interessen bei Ihnen in guten Händen. Unser Gespräch über diese Fragen in Washington hat mich sehr befriedigt." 112 Adenauer war bereit, dem Washingtoner Bekenntnis zu umfassender Konsultation Taten folgen zu lassen: „Ihrer Unterrichtung über Ihr Gespräch mit Herrn Chruschtschow sehe ich gern entgegen. Ich werde Sie meinerseits über meine Besprechungen mit Präsident de Gaulle informieren." 113 Seinen positiven Eindruck von der neuen Administration, ihrer Kompetenz, Dynamik und Entschlußkraft, teilte Adenauer am 20. Mai 1961 auch dem zu einem Arbeitsbesuch in Bonn weilenden französischen Staatspräsidenten mit,114 den freilich das Bild von der neuen amerikanischen Führungskraft und Entschlossenheit, insbesondere im Hinblick auf die Reform der NATO, den Prozeß der europäischen Integration und den Dialog mit der Sowjetunion eher beunruhigen und in seinen Bedenken gegen die amerikanische Politik bestärken mußte. Paris hatte es nun nicht mehr mit der Lame-duck-Administration Eisenhowers zu tun, sondern mit einer tatkräftigen frischen Mannschaft, welche die europäischamerikanischen Beziehungen auf eine neue Grundlage zu stellen gedachte, die keinen Platz ließ für ein europäisches Europa im Sinne de Gaulles. Der Besuch Kennedys in Paris vor seiner Wiener Gipfelbegegnung mit Chruschtschow Anfang Juni 1961 gab dem General Gelegenheit, sich selbst ein Bild zu machen von dem neuen amerikanischen Führer und seiner Politik.
111 112
113 114
Ebd., S. 170. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 19.5.1961. Ebd. Vgl. Riihl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis, S.82. Schwarz vertritt die Ansicht, das Treffen Adenauer - de Gaulle in Bonn habe einen Gegenakzent setzen wollen zum bevorstehenden Wiener Gipfel zwischen Kennedy und Chruschtschow. Dies mag gewiß Intention de Gaulles gewesen sein, zum damaligen Zeitpunkt aber wohl weniger Intention des Bundeskanzlers. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S. 124.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
II.1.4. Kontrahenten nehmen Maß: Kennedy in Paris Vor diesem Hintergrund muß die Arbeit nun kurz den Blick richten auf die amerikanisch-französischen Beziehungen am Anfang der Regierungszeit Kennedys. In ihren Analysen der französischen Europapolitik erkannten die Experten der Kennedy-Administration klar die zwei wesentlichen Ziele de Gaulles: die Erhaltung der existierenden Machtstrukturen in Westeuropa unter Einschluß der Führungsrolle Frankreichs im allgemeinen sowie die Zementierung der bilateral deutsch-französischen Machtbalance mit deutlichem französischen Übergewicht im besonderen. Washington sah die „deutsche Gefahr" als die Hauptmotivation jeglicher französischer Deutschland-, Europa- und NATO-Politik und als Erklärung für das starre Pariser Festhalten am Status quo des geteilten Europa: „The French approach is undoubtedly based on their interest in preserving as much as possible of the status quo. The French are most reluctant to assist in steps which might lead to a general European settlement adversely altering the relative power status between France and Germany or weakening the security of Western Europe. ( . . . ) France does not want the balance of power in Western Europe altered so as to increase the strength of Germany. Nor does it wish to see West Germany cut loose from its Western military and economic ties." 115 Das Dilemma der französischen Politik lag darin, daß Paris zur Erhaltung und zum Ausbau seiner dominierenden Position in Europa auf die Fortdauer des Status quo der europäischen und insbesondere deutschen Teilung und der europäischen Sicherheitsstrukturen angewiesen war. Dieser Status quo jedoch wurde in erster Linie von den USA, ihrer Militärpräsenz in Europa, gekoppelt mit dem strategischen Nuklearschirm, garantiert. Diese Rolle der USA stellte naturgemäß den französischen Führungsanspruch in Europa in Frage und demonstrierte - für de Gaulle schmerzhaft - den Rangunterschied zwischen der Supermacht USA und der auf eine europäische Rolle zurückgeworfenen Mittelmacht Frankreich. Dieser blieb als einziges Großmachtattribut die nationale Nuklearkapazität, die zwar nicht auf de Gaulle zurückging, von diesem jedoch als Ausweis französischer Souveränität und des französischen Großmachtstatus eingesetzt wurde. Die schiere Existenz der unabhängigen französischen Force de frappe bedeutete für das Washington Kennedys, in dem die Zentralisierung und Kontrolle militärischer und vor allem nuklearer Entscheidungen eines der obersten sicherheitspolitischen Ziele war, eine permanente Herausforderung, und die USA ließen nichts unversucht, Paris - wie im übrigen auch London - von einem Festhalten an der nationalen Nuklearpolitik abzubringen. Hilfe bei Entwicklung und Produktion nuklearer Waffen machte gerade die Regierung Kennedy immer stärker von 115
JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder France, JFK Visit to de Gaulle, 5/61-6/61 (C): President's Visit to de Gaulle, Background Paper, French Views on Problem of Berlin and Germany, 19.5.1961 (Hervorhebung im Original).
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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einer Integration der englischen und französischen Nuklearkapazität in die NATO und damit - trotz aller Konsultationsmechanismen - unter amerikanischen Oberbefehl abhängig. Wie Paris und London in diesem Zusammenhang 1962/63 unterschiedliche Wege gingen und wie die nukleare Frage nicht nur das französisch-amerikanische Verhältnis verschlechterte, sondern auch die amerikanische Politik gegenüber der europäischen Integration beeinflußte, darauf wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch einzugehen sein. Das Interesse an zentralisierten nuklearen Entscheidungen war allerdings nur ein Grund der amerikanischen Weigerung, ein unabhängiges französisches Nuklearprogramm zu unterstützen. Hinter der Washingtoner Haltung stand zum zweiten die Befürchtung, daß amerikanische Hilfe in diesem Feld an Frankreich nur nukleare Interessen der Bundesrepublik wecken bzw. bereits latent vorhandenen Ambitionen neue Nahrung geben würde. In einem Gespräch mit dem ehemaligen französischen Ministerpräsidenten Paul Reynaud am 14. April 1961 hatte Kennedy diese amerikanische Position bereits deutlich gemacht. „He (Kennedy; ec) said it was not simply a question of France's having nuclear capability, but the next step would be for Germany to have this capability. He went on to say that this was dangerous in view of the fact that Adenauer might be leaving the scene some day." 116 Das Scope Paper des State Department vor der Reise des Präsidenten nach Paris nannte neben dem amerikanischen Bestreben, der französischen Obstruktionspolitik durch stärkere Einbindung und Entscheidungsbeteiligung de Gaulles entgegenzuwirken und die französischen Energien erneut der Allianz und der „gemeinsamen Sache" zuzuführen, als drittes langfristiges Ziel der amerikanischen Frankreichpolitik: „to so conduct ourselves regarding France's nuclear program as to prevent proliferation, especially across the Rhine." 117 Gerade weil die amerikanische Politik so eindeutig gegen zusätzliche nationale Nuklearstreitkräfte gerichtet sei, habe die Bundesrepublik bisher keine Anstalten gemacht, ihren Status als Nicht-Nuklearmacht zu modifizieren. Eine unabhängige deutsche Nuklearmacht hätte negative Folgen: „Such a German development would threaten NATO cohesion, increase the risk of war by miscalculation, diminish the possibility of a controlled nuclear response in the event of hostilities, raise new obstacles to arms control, and have the gravest implications for East-West relations." 118 Das Memorandum faßte zusammen: „This question of the effect of our posture toward the French program on German intentions is of crucial importance. If we go further than the program outlined in this memorandum i.e., in providing technological or other aid for the French missile or nuclear 116
117
118
JFKL, NSF, Countries, Box 70-71, Folder France - General 5/1/61-5/10/61: Memorandum of Conversation, Kennedy - Paul Reynaud, 14.4.1961. NA, RG 218, JCS Files, France 1961, 9164/9700, Box 175: President's Visit to de Gaulle, Scope Paper, 15.5.1961, S.l. Ebd., S.7; vgl. auch JFKL, NSF, Countries, Box 70-71, Folder France - General, 5/1/ 61-5/10/61: Rusk an Gavin (US-Botschaft Paris), 5.5.1961.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
program - Germany will not be content with a second-class status." 119 De Gaulle selbst werde sich, so sah man es in Washington, durch verweigerte amerikanische Hilfestellung von dem französischen Nuklearprogramm nicht abbringen lassen: „The French nuclear program will not go away if some of its purposes are thus attained, but its longterm prospects will be more problematical, Germany will not be moved to follow suit, and continuation of the French program will then prove less of a threat to allied cooperation in other respects." 120 In der Hoffnung auf eine kooperative französische Politik solle man de Gaulle einen weltweit größeren politischen Einfluß anbieten und eine größere Mitsprache über den Einsatz von Nuklearwaffen der NATO. Insgesamt sah das Scope Paper dem Besuch Kennedys und der Zukunft der französischamerikanischen Beziehungen realistisch, aber nicht ohne Optimismus entgegen: „There is no quick or dramatic answer to all of the problems posed by de Gaulle's aspirations. There may lie within reach, however, effective answers to some of those aspirations which will permit the new administration to have a sound working partnership with the General in areas of mutual interest, which will shield that partnership from the abrasive effects of remaining disagreements, and which will mobilize the General's talents and energies in greater degree in the service of the Alliance. If this can be done, the forthcoming meeting will have been a success."121 Alle Briefing-Papiere vor Kennedys Zusammentreffen mit de Gaulle zeigen zweierlei: Die Begegnung der beiden Präsidenten sollte in erster Linie dem persönlichen Kennenlernen dienen, der Präsentation von Positionen und Konzeptionen und - zumindest von amerikanischer Seite aus - der Schaffung einer von Goodwill und Kooperationsbereitschaft geprägten Atmosphäre. Insofern ähnelte die Begegnung Kennedys mit de Gaulle der mit Adenauer. Darüber hinaus jedoch war die demokratische Administration offensichtlich bereit wenn auch nicht ohne französische Gegenleistungen in Form von aktiverer NATO-Kooperation und Zugeständnissen in der Nuklearpolitik - Paris stärker als bisher an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Dies allerdings sollte eher „der Substanz als der Form nach" geschehen und auch den wachsenden Mitspracheinteressen der Bundesrepublik gerecht werden. Genau in diesen beiden Punkten unterlag Washington einer Fehleinschätzung der politischen Ziele de Gaulies, dem es ja zum einen seit seinem Dreier-Direktoriumsvorschlag von 1958 nie nur um den Inhalt trilateraler Kooperation gegangen war, sondern - zumindest gleichrangig - auch deren Form, d.h. eine auch symbolisch wirksame Institutionalisierung, und der zum anderen peinlich genau darauf achtete, den Statusunterschied zwischen Frankreich und der Bundesrepublik zu erhalten und nicht durch eine mögliche Einbeziehung Bonns in die 119 120 121
Scope Paper, 15.5.1961, s. Anm. 117, S.8. Ebd. Ebd.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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Führungstroika des Westens zu verwischen. Es waren diese Fehleinschätzungen bzw. Mißverständnisse, die die französisch-amerikanischen Beziehungen bereits zu einer Zeit zu belasten begannen, als sich - insbesondere im Hinblick auf die europäische Integration und das deutsch-französische Verhältnis - noch nicht die diametral gegensätzlichen Positionen mit den sich jeweils aus ihnen ergebenden politischen Strategien zu dem europapolitischen Dualismus der Jahre 1962/63 verdichtet hatten. Wie auch das Zusammentreffen des amerikanischen Präsidenten mit dem deutschen Bundeskanzler diente die dreitägige Visite Kennedys in Paris primär der Kontaktaufnahme zwischen den beiden Staatschefs, einer weltpolitischen Tour d'horizon. Die Begegnung entkrampfte das angespannte französischamerikanische Verhältnis; sie fand in einer Atmosphäre des guten Willens und der Verständigungsbereitschaft - bei Anerkennung bestehender Meinungsunterschiede - statt und ließ die Öffentlichkeit zumindest kurzfristig auf eine Überwindung der durch de Gaulle ausgelösten Bündniskrise hoffen. Neben den Themen Berlin, N A T O und Europapolitik wurde in den Unterredungen auch die politische Situation in Südostasien, in Afrika und Lateinamerika behandelt. 122 Von einer nachgiebigeren, entspannungsorientierten Berlin-Politik war in Paris noch nichts zu bemerken: Beide Staaten würden einseitige Aktionen der Sowjetunion nicht hinnehmen und gewaltsamen Übergriffen militärischen Widerstand entgegensetzen. Kennedy gab de Gaulle darüber hinaus zu verstehen, „daß die Vereinigten Staaten nicht bereit seien, im Falle von Verhandlungen über Berlin diese Verhandlungen etwa auf der Basis der sowjetischen Vorstellungen zu führen." 1 2 3 Paris und Washington betrachteten übereinstimmend die Rechtslage vor Beginn der Genfer Außenministerkonferenz 1959 als Ausgangspunkt für eventuelle Verhandlungen. 124 Wenn auch offensichtlich in vergleichsweise entspannter Atmosphäre, stießen doch bei der Behandlung von NATO- und Verteidigungsfragen französische und amerikanische Positionen hart aufeinander, ohne daß freilich konkrete Entscheidungen getroffen wurden. 125 Während Präsident Kennedy sich zu den amerikanischen Bündnisverpflichtungen bekannte, auf die Bereitschaft, auf einen sowjetischen Angriff auf Westeuropa mit amerikanischen Nuklearwaffen zu antworten, sowie auf den Verbleib der amerikanischen Truppen in 122
123 124
125
Arthur Schlesinger informiert sehr genau über die Pariser Gespräche zwischen Kennedy und de Gaulle. Ihm scheinen die amerikanischen Gesprächsaufzeichnungen vorgelegen zu haben. Seine Angaben decken sich fast vollständig mit einer französischen Zusammenfassung, die aus einem Bericht Herbert Blankenborns über ein Informationsgespräch mit Couve de Murville hervorgeht. Vgl. Schlesinger, Arthur, A Thousand Days, S. 293-300; s. auch ACDP, VIII-001, 052/2: Fernschreiben Blankenborns an das Auswärtige Amt, Geheim, 5.6.1961. Ebd., ACDP, VIII-001, 052/2: Fernschreiben Blankenborns, 5.6.1961. Zu den Positionen des Westens vor der Genfer Außenministerkonferenz 1959 s.o., Kap. 1.3. Vgl. ACDP, VIII-001, 052/2, Fernschreiben Blankenborns, 5.6.1961.
200
II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Europa verwies, unterstrich de Gaulle die veränderte militärstrategische Situation, das nukleare Gleichgewicht zwischen West und Ost und die zunehmende Stärke der westeuropäischen Staaten mit der daraus sich ergebenden Notwendigkeit einer Überprüfung der NATO. Während niemand das Bündnis als solches in Frage stelle, habe sich die Bündnisorganisation gleichwohl überlebt. Im Gegensatz zu de Gaulle, der eine stärkere Berücksichtigung des nationalen Charakters der Verteidigungskräfte forderte, auch um den ,,nötige[n] Abwehrwillen in den europäischen Völkern zu entwickeln", 126 setzte sich Kennedy für ein grundsätzliches Festhalten an der Bündnisorganisation ein. Die rudimentären Pläne stärkerer nuklearer Partizipation aus der Endphase der EisenhowerAdministration aufgreifend, erklärte der Präsident: „Die Vereinigten Staaten seien bereit, der NATO eine entsprechende Anzahl von Polaris-Raketen zur Verfügung zu stellen; diese müßten allerdings unter amerikanischem Kommando verbleiben." 127 In konsequenter Verfolgung seiner bündnispolitischen Linie erwiderte de Gaulle, daß dies an der nuklearen Letztentscheidung der USA nichts ändern, die Verteidigung Europas nicht europäisieren werde. 128 Das Schlagwort „Europäisierung Europas" - unter französischer Führung beherrschte auch die Gespräche über die europäische Integration. Ganz im Sinne der amerikanischen Politik der späten fünfziger Jahre unterstrich Kennedy: „ ( . . . ) while the Common Market would create economic problems for the United States, ( . . . ) it would greatly strengthen Europe, politically as well as economically, and that for this reason its advantages, even to America, far outweighed its drawbacks." 129 Deutlich machte Kennedy allerdings auch, daß für die USA der Beitritt Großbritanniens zur EWG, eben um Europa politisch und ökonomisch zu stärken, eine wichtige politische Priorität sei. Während de Gaulle dem grundsätzlich zustimmte, stellte er jedoch auch klar, daß für Frankreich ein Beitritt Großbritanniens zur EWG nur in Frage komme, wenn „dieser unter den gleichen Bedingungen erfolge, wie der der anderen europäischen Staaten. ( . . . ) Der Beitritt Großbritanniens dürfe die bestehende Gemeinschaft nicht in den wesentlichen Dingen verändern. Das gelte vor allem auch von der politischen Zusammenarbeit der sechs Staaten." 130 Bei ihrer Begegnung im April 1961 in Washington hatte Kennedy Macmillan zugesichert, sich gegenüber de Gaulle für den britischen EWG-Beitritt zu verwenden. 131 Diesen strebte der britische Premierminister Harold Macmillan seit 1960 an, um innen126 127 128 129 130
131
Ebd. Ebd.; vgl. auch Schlesinger, Arthur, A Thousand Days, S.298. Vgl. ebd. Ebd., S.299. ACDP, VIII-001, 052/2, Fernschreiben Blankenborns, 5.6.1961; vgl. auch Schlesinger, Arthur, A Thousand Days, S.299f. Vgl. auch das Kommunique vom 4. April 1961 über die Beratungen zwischen Präsident John F. Kennedy und Premierminister Harold Macmillan in Washington, abgedruckt in: EA 9/1991, S . D 265 f.
1. Europapolitische Gehversuche der Regierung Kennedy
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politisch die britischen Konservativen hinter einer großen politischen Zielsetzung zu vereinen, welche den Tories neue Kraft, Dynamik und Attraktivität beim Wähler verleihen sollte. Außenpolitisch hatte das britische EFTA-Konzept sich gegenüber dem kontinentaleuropäischen Integrationskonzept, das auch von den USA mitgetragen wurde, nicht durchsetzen können. Vor dem Hintergrund der seit 1960 offensichtlich zügig voranschreitenden politischen Einigung Europas sah sich London gezwungen, rasch auf den europäischen Zug aufzuspringen, insbesondere um die „Entstehung einer französisch geführten 'Third Force' in Europa zu verhindern." 132 In London war man sich bewußt, daß die Entstehung einer politischen Kraft Westeuropa letztlich die anglo-amerikanische special relationship entwerten und damit Großbritanniens internationalen Rang vermindern würde. Das von Macmillan bereits 1960 entwickelte „Grand Design" einer Atlantischen Gemeinschaft, welches Kennedy zumindest in Ansätzen - 1962 aufgreifen sollte, versuchte eine solche Entwicklung zu konterkarieren. 133 Den gleichen Zweck verfolgte auch das offizielle britische EWG-Beitrittsgesuch, das London am 31. Juli 1961 nach intensiven internen Vorbereitungen stellte. Den letzten, wenn auch nicht ausschlaggebenden Anstoß hatte wohl die Gipfelkonferenz der sechs EWG-Staaten in Bonn am 18. Juli 1961 gegeben, auf der - ganz im Sinne de Gaulles - die Staats- und Regierungschefs erklärten, ihre politische Zusammenarbeit zu organisieren und zu institutionalisieren, regelmäßige Konsultationen abzuhalten und eine Kommission zu beauftragen, ein Statut der europäischen Einigung auszuarbeiten. 134 Wenn in Bonn auch erhebliche Differenzen zwischen den integrationspolitischen Vorstellungen insbesondere Belgiens und der Niederlande einerseits und Frankreichs andererseits zutage traten, verbreitete doch die „Bonner Erklärung" europapolitischen Optimismus, ja eine Art Aufbruchstimmung für eine neue, politische Phase der Integration. So zeichneten sich im Frühsommer 1961 die groben Konturen der europapolitischen Kontroverse zwischen Washington und Paris und dann auch Bonn der Jahre 1962 und danach bereits ab. In ihrem Zentrum standen, wie gezeigt, das von Washington und London favorisierte Konzept einer Atlantischen Gemein132
133 134
So Anne Deighton (Oxford) auf einer Konferenz des Londoner Instituts für britische Zeitgeschichte zur britischen Haltung zur europäischen Integration. Zit. in: Kaiser, Wolfram, Der verpaßte Zug. Großbritanniens Sonderwegsthese auf dem Abstellgleis, in: FAZ, 19.8.1992, S.N 5. Auch diese Londoner Konferenz brachte deutlich zum Ausdruck, daß der britische EWG-Beitrittsantrag von 1961 eine „altemativlose Flucht aus einer innenund außenpolitischen Sackgasse [war], die alles andere als eine europäische Neuorientierung bedeutete." Vgl. auch Kaiser, Wolfram, Wie nach Austerlitz? London - Bonn - Paris und die britische EWG-Politik bis 1961, o.O. 1992 (unveröffentlichtes Manuskript). Vgl. Macmillan, Harold, Pointing the Way 1959-1961, London 1972, S.323-325. Vgl. Erklärung der Konferenz der Staats- bzw. Regierungschefs der sechs Mitgliedstaaten der EWG in Bonn vom 18. Juli 1961 über die Verstärkung der europäischen Zusammenarbeit, abgedruckt in: EA 16/1961, S.D 463.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
schaft mit einem politisch, wirtschaftlich und militärisch relativ starken, doch unter fortdauernder amerikanischer Dominanz stehenden europäischen Pfeiler einerseits und das von de Gaulle verfolgte Ziel der Europäisierung Europas, das die Errichtung einer staatenbündisch organisierten „Dritten Kraft Europa" vorsah. Noch aber konnten Washington und Paris ihre Konzepte nicht konsequent verfolgen: Während de Gaulle erst die Algerienfrage abschließend lösen mußte, verlief die Außenpolitik der Kennedy-Administration, insbesondere nach dem Desaster in der Schweinebucht, noch immer nicht in geordneten, zielorientierten Bahnen. Vor allem jedoch verhinderte die schwelende und sich seit dem Frühjahr 1961 wieder verschärfende Krise um Berlin eine Zuspitzung des europapolitischen Konflikts zwischen den USA und Frankreich. Der sowjetische Druck auf Berlin forderte äußerste Geschlossenheit des Westens und lieferte so den - vorläufigen - Kitt für die tiefen Risse in der Allianz.
II.2. Sperren in Berlin - Risse in der Allianz II.2.1. Der „kalte Sommer" des Mauerbaus Die Monate zwischen der Begegnung Kennedys mit Chruschtschow in Wien am 3./4. Juni 1961 und dem langsamen Einschlafen der amerikanisch-sowjetischen Berlin-Verhandlungen im Frühsommer 1962 waren geprägt von der neuerlichen Zuspitzung der seit 1958 schwelenden weltpolitischen Krise um Berlin, die ihre dramatischen Höhepunkte in den Absperrmaßnahmen des 13. August 1961 und der amerikanisch-sowjetischen Panzerkonfrontation am Checkpoint Charly am 27./28. Oktober 1961 fand. Die Spannungen um Berlin wirkten auch auf die Europapolitik der USA zurück, schon allein deswegen, weil diese in den Krisenmonaten weder konzeptionell noch im konkreten politischen Handeln entscheidend und substantiell fortentwickelt wurde. Zu stark absorbierte die Berlin-Problematik - gerade im Feld der Außen- und Sicherheitspolitik - die Kräfte der Washingtoner Administration. Die vorliegende Studie wird sich mit der Berlin-Krise 1961/62 nur insoweit befassen, wie sie von Bedeutung war für die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen zum einen und der amerikanischen Europapolitik, der Politik gegenüber der europäischen Integration zum anderen. 1 Der sowjetische Druck auf Berlin 1
Zur Berlin-Krise insgesamt wie auch zu ihrer Kulminations- und Abschlußphase 1961/62 gibt es eine breite Palette an Literatur, die im Laufe der Jahre nahezu unüberschaubar geworden ist. Insbesondere der Mauerbau 1961 erfreut sich nach wie vor erstaunlicher Beliebtheit als Forschungs- oder Darstellungsthema, und mit der Öffnung ostdeutscher und sowjetischer Archive seit 1989/90 sind weitere diesbezügliche Studien nicht nur zu erwarten, sondern zu wünschen. Gerade die Werke deutscher Provenienz beziehen die Entwicklung des deutschamerikanischen Verhältnisses in ihre Analyse mit ein oder untersuchen die Mauerbauphase der Berlin-Krise als Abschnitt der amerikanischen Deutschlandpolitik wie beispielsweise erst
2. Sperren in Berlin - Risse in d e r Allianz
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stellte einerseits ein gewisses Maß der seit 1958/59 verlorengegangenen westlichen Geschlossenheit wieder her, in deren Zentrum die erneute Anerkennung der amerikanischen Führung im westlichen Bündnis stand. In den Monaten der Krise wurde vor allem Bonn, doch auch Paris klar, wie eng die amerikanische Dominanz gegenüber Europa und der amerikanische Schutz für Europa miteinander verflochten waren und wie deutlich auch Washington ein Junktim zwischen dem einen und dem anderen herstellte. Auf der anderen Seite jedoch übertrugen sich die europa- und bündnispolitischen Differenzen insbesondere zwischen den USA und Frankreich auch auf die Berlin-Politik. Sie traten zutage bei der Suche des Westens nach geeigneten Reaktionen auf das östliche Vorgehen in Berlin und bei dem von Washington - und auch London - ausgehenden Bemühen um eine Lösung der Berlin-Frage im speziellen und eine ostwestliche Entspannung im allgemeinen. Es war das Dilemma der Bundesrepublik, daß sie auf amerikanischen Schutz - nicht nur in West-Berlin angewiesen war und auch darum die Allianz mit den Vereinigten Staaten erhalten mußte, gleichzeitig aber in der Deutschland- und Ostpolitik wie auch in Fragen der Abrüstung eine andere Linie vertrat als die USA. Dieser Gegensatz trug zur Intensivierung des deutsch-französischen Verhältnisses bei, der aber nur partiell eine Identität der politischen Interessen zugrunde lag, sondern erkennbar auch das Bestreben de Gaulles, für seine gegen Amerika gerichtete Politik einen Bundesgenossen zu finden. Der französische Staatspräsident verstand es geschickt, sich die Ängste, Sorgen und Vorbehalte der Bundesrepublik gegenüber der amerikanischen Politik für seine politischen Ziele nutzbar zu machen. Je stärker sich Bonn jedoch Paris annäherte, desto größer wurde die amerikanische Skepsis gegenüber dem Kurs der Bundesregierung, desto schärfer die Spannungen zwischen Bonn und Washington. In diesen Wirkungen, Gegenwirkungen und Wechselwirkungen liegt für diese Studie die Bedeutung der BerlinKrise 1961/62. Der Wiener Gipfel zwischen Kennedy und Chruschtschow am 3.14.Juni 1961 diente primär der Kontaktaufnahme zwischen dem sowjetischen Staats-
jüngst kenntnisreich und auf umfassenden Archivstudien in den USA fußend: Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 108-150. Vgl. zum Thema auch Adomeit, Hannes, Die Sowjetmacht in internationalen Krisen und Konflikten: Verhaltensmuster, Handlungsprinzipien, Bestimmungsfaktoren. Baden-Baden 1983; Cate, Curtis, The Ides of August: The Berlin Wall Crisis, 1961, London 1978; Catudal, Honoré M., Kennedy and the Berlin Wall Crisis. A Case Study in U.S. Decision Making, Berlin 1980; Gelb, Norman, The Berlin Wall; Gerlach, Heribert, Die Berlin-Politik der Kennedy-Administration. Eine Fallstudie zum außenpolitischen Verhalten der Kennedy-Regierung in der Berlin-Krise 1961, Frankfurt a . M . 1977; Schick, Jack M., The Berlin Crisis, 1958-1962, Philadelphia 1972; Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S. 125-152 und 239-254; ders., Adenauer. D e r Staatsmann, S. 640-769; ders. (Hrsg.), Berlinkrise und Mauerbau, Bonn 1985; Slusser, Robert M., The Berlin Crisis of 1961; Stiitzle, Walter, Kennedy und Adenauer in der Berlin-Krise.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
und Parteichef und dem neuen amerikanischen Präsidenten. 2 Nach dem geplatzten Pariser Vierergipfel 1960 hatte Chruschtschow vorläufig alle Versuche eingestellt, in wesentlichen Punkten des Ost-West-Verhältnisses, insbesondere in der Berlin-Frage, entweder einvemehmlich mit den USA oder durch einseitiges sowjetisches Vorgehen zu Regelungen zu gelangen. Eine Rede im Januar 1961 hatte jedoch deutlich gemacht, daß Moskau im Hinblick auf Berlin den Status quo nicht länger hinzunehmen bereit war. Bis zur Wiener Gipfelbegegnung blieben der neuen Washingtoner Regierung nur wenige Monate Zeit, sich in die komplexe Materie der Deutschland- und Berlin-Politik einzuarbeiten und eine klare Position zu entwickeln. Es kann darum nicht überraschen, daß die Berlin-Politik der Kennedy-Administration im ersten Halbjahr 1961 stark in der Kontinuität der Eisenhower-Zeit stand: Zum einen fehlte es den zuständigen Stellen in State Department, Pentagon und Weißem Haus an Zeit für die Entwicklung neuer Positionen, zum anderen waren in dieser Phase vorwiegend Experten und Berater mit diesem Gegenstand befaßt, welche entweder, wie Dean Acheson, unter Präsident Truman die amerikanische Berlin-Politik mitgestaltet hatten oder, wie Foy Kohler oder Martin Hillenbrand, schon unter Eisenhower zu den Berlin-Experten des State Department gehörten. 3 So begab sich Kennedy in Wien „auf Rekognoszierung ( . . . ) in recht unübersichtlichem Gelände." 4 Chruschtschow, der möglicherweise den jungen Präsidenten falsch einschätzte, in jedem Falle aber die geschwächte Stellung Washingtons nach dem Debakel in der Schweinebucht ausnützte, ließ keinen Zweifel an dem sowjetischen Willen, den Status quo in Berlin nun zu verändern. Wie in seinem Ultimatum vom November 1958 forderte Chruschtschow eine Friedensregelung der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs mit Deutschland. Sollte Washington dem nicht zustimmen, werde Moskau bis Jahresende einen separaten Friedensvertrag mit der DDR schließen; West-Berlin, das auf dem Territorium der DDR liege, werde dann den Status einer Freien Stadt erhalten. 5 Kennedy lehnte die sowjetischen Forderungen, insbesondere deren ultimativen Charakter, ab und gab auch angesichts unverblümter Drohungen Chruschtschows nicht nach. 6 In Erwartung einer baldigen Zuspitzung der Krise, eines „kalten Winters", 7 verließ der amerikanische Präsident nach den „düsteren" und „ernüchternden" Gesprächen 8 Wien. Bei einem Zwischenstop in London unterrichtete er Premierminister Harold Macmillan über den Gipfel; 2
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Vgl. hierzu die gut informierte Darstellung bei Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.300-314. Vgl. zu dieser Orientierungsphase der Berlin-Politik Kennedys: Gerlach, Heribert, Die Berlin-Politik der Kennedy-Administration, S. 64-93; Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 108-119. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S.36. Vgl. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.311. Vgl. ebd. Ebd., S.314. Rundfunk- und Fernsehansprache des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kenne-
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Außenminister Rusk informierte in Paris de Gaulle und den NATO-Rat; Undersecretary of State Foy Kohler flog nach Bonn, um Adenauer zu berichten. 9 Der Kanzler zeigte sich von der Härte und Standfestigkeit des US-Präsidenten angetan und „lobte ( . . . ) Kennedys Verhalten über den grünen Klee." 10 Dies war umso verständlicher, als Kennedy betonte, daß es in Wien keine sowjetischen Drohungen oder Ultimaten gegeben habe." Am 11. Juni jedoch informierte Moskau die Weltöffentlichkeit darüber, daß Chruschtschow Kennedy in Wien ein Aide mémoire übergeben habe, in welchem die UdSSR den Abschluß eines Friedensvertrages mit der Bundesrepublik und der D D R bis zum Jahresende verlangte oder aber, sollte es nicht dazu kommen, einen einseitigen sowjetischen Friedensvertrag mit der D D R , unter Einschluß Ost-Berlins, ankündigte. 12 Nun begann - erneut - ein Nervenkrieg. Die Spannung innerhalb des Westens stieg. Auf amerikanischer Seite führte der massiv vorgetragene sowjetische Druck auf Berlin zu einer Reihe von zum Teil widersprüchlich erscheinenden Reaktionen. Öffentlich bezog der Präsident in klaren Worten, die an der Entschlossenheit der USA, ein einseitiges Vorgehen der Sowjetunion nicht zu akzeptieren, keinen Zweifel ließen, Stellung. In seiner Botschaft an die amerikanische Nation vom 25. Juli 1961 forderte der Präsident umfassende Maßnahmen zur Erhöhung der Verteidigungsstärke der USA. 1 3 Ganz offensichtlich bereitete sich Washington auf eine - möglicherweise kriegerische - Auseinandersetzung mit der Sowjetunion vor. Daneben dienten diese Maßnahmen jedoch auch der dy, vom 6. Juni 1961 über seine Europa-Reise, abgedruckt in: EA 12/1961, S . D 345-350; vgl. auch: Sorensen, Theodore C., Kennedy, S. 551. 9 Vgl. Die Begegnung zwischen Präsident Kennedy und Ministerpräsident Chruschtschow am 3. und 4.Juni 1961 in Wien, in: E A 12/1961, S . D 343. 10 Kroll, Hans, Botschafter in Belgrad, Tokio und Moskau, S. 329. 11 Vgl. Rundfunk- und Fernsehansprache Kennedys am 6.6.1961, S . D 346. 12 Vgl. Memorandum der Sowjetregierung vom 4. Juni 1961 zur Deutschland-Frage, abgedruckt in: EA 13/1961, S . D 370-373; s. auch: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.651. 13 Vgl. Rundfunk- und Fernsehansprache des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, am 25. Juli 1961, abgedruckt in: EA 17/1961, S . D 498-505. Dem entsprechenden Programm Kennedys stimmte der Kongreß am 28.7.1961 zu. Das Volumen des amerikanischen Verteidigungshaushalts wurde um 3,247 Mrd. Dollar, das sind 14 Prozent, erhöht. Der größte Teil dieses Zuwachses floß in die konventionelle Rüstung; ein Drittel der Summe jedoch wurde für den Bau nuklearer Trägermittel interkontinentaler Reichweite vorgesehen. Die Präsenzstärke von Heer, Marine und Luftwaffe wurde erhöht wie auch die Alarmbereitschaft des Strategie Air Command mit seiner nuklearen Bomberflotte. Mit der Stärkung der militärischen Position gingen Maßnahmen zur Verbesserung der Zivilverteidigung, vor allem die Massenproduktion von Atomschutzbunkern, einher. Vgl. hierzu im einzelnen Gerlach, Heribert, Die Berlin-Politik der Kennedy-Administration, S. 176; Stützle, Walter, Kennedy und Adenauer in der Berlin-Krise, S. 108; Catudal, Honoré M., Kennedy and the Berlin Wall Crisis, S.195; Slusser, Robert M., The Berlin Crisis of 1961, S.422; Kaplan, Fred, The Wizards of Armageddon, S.307.
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demonstrativen Abschreckung und signalisierten Moskau - und den Verbündeten der USA - die amerikanische Entschiedenheit, Übergriffe Moskaus und eine einseitige Veränderung des Berlin-Status nicht zu akzeptieren. In verschiedenen Gremien wurden die seit 1948/49 existierenden Contingency-Planungen für Berlin aktualisiert und modifiziert. Diese Contingency-Planungen waren nicht nur rein amerikanisch, sondern fanden auf der Ebene der drei Westmächte in dem Planungsstab „Live Oak" des NATO-Hauptquartiers in Paris und in der Ambassadorial Group in Washington statt. War Bonn schon 1958/59 in die politischen Berlin-Planungen der Westmächte auf Außenministerebene einbezogen worden, so trat die Ambassadorial Group erstmals am 21. Juli 1961 unter deutscher Beteiligung zusammen, um sich mit der konkreten Berlin-Krisenplanung zu befassen. 14 Die Washingtoner Regierung demonstrierte Entschlossenheit. Doch gleichzeitig verstärkten sich die Anzeichen amerikanischer Verhandlungsbereitschaft und einer Reduzierung bisheriger Forderungen. Kennedys Fernsehbotschaft vom 25. Juli, welche die „Three essentials" bezüglich Berlins aufstellte, sprach nur noch von West-Berlin.15 Auch Statements führender amerikanischer Kongreßabgeordneter billigten nun offenbar der Sowjetunion das Recht zu, im östlichen Sektor der Stadt unbeschränkt zu agieren und gegebenenfalls auch durch einseitige Sperrmaßnahmen den Flüchtlingsstrom aus Ost-Berlin und der DDR zu beenden. 16 Deutlich wurde auch, daß sich in Washington die Stimmen mehrten, die für neue Ost-West-Verhandlungen unter anderem auch über die Berlin-Frage plädierten und dabei mehr amerikanische Flexibilität anmahnten. Die Gruppe derjenigen Berater um Acheson, die sich für Standfestigkeit und gegen ein Nachgeben aussprachen, verlor im Sommer 1961 den Rückhalt des Präsidenten, der mehr und mehr den Stimmen zuzuneigen schien, die das Risiko eines militärischen Konflikts mit möglicher nuklearer Eskalation fürchteten und auf dem Verhandlungswege eine Lösung der Krise erreichen wollten. Zu letzter Gruppe gehörten just diejenigen Berater Kennedys, die in der Europapolitik generell die Integration der Bundesrepublik als Faktum ansahen, die 14
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Zur Berlin-Conft'ngency-Planung und insbesondere zur Frage der deutschen Beteiligung daran vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.478-487; Schake, Kori, Contingency Planning for the 1961 Berlin Crisis, Nuclear History Program Working Paper, Februar 1989; Pedlow, Gregory W., Multinational Contingency Planning during the Second Berlin Crisis: The Live Oak Organization, 1959-1963, Vortragsskript für die Third Study and Review Conference des Nuclear History Program, Juni 1991; NHP-Zeitzeugenbefragung „BerlinKrise", Bonn, Januar 1989; NHP-Zeitzeugenbefragung „Berlin-Krise", Bonn, Februar 1990. S.o., Anm. 13. Vgl. beispielsweise die Äußerungen der Senatoren Fulbright und Mansfield, wiedergegeben in: Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.478 und 487. Mansfield hatte bereits 1959 Sympathien für die Idee der Freien Stadt Berlin unter UN-Kontrolle gezeigt und die deutschlandund berlinpolitische Haltung der Bundesregierung ob ihrer Rigidität kritisiert. Vgl. Mansfield, Mike, Die kommende Krise in Deutschland, in: Außenpolitik 10 (1959), S.285-291.
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europäisch-amerikanische Allianz als gegeben und die nun den weltpolitischen Dialog mit Moskau anpeilten. Acheson und die Europapolitiker des State Department erkannten hingegen das Risisko, daß gerade die Bundesrepublik sich entweder noch weiter Frankreich nähern oder aber einer Art Nationalneutralismus anheimfallen werde, wenn sie sich von den USA in der Berlin- und Deutschlandpolitik im Stich gelassen fühle. 17 Noch vor dem Mauerbau entschloß sich offensichtlich auch Kennedy, trotz des äußerlich harten Eindrucks, nun Verhandlungen und einem möglichen Interessenausgleich auf der Basis des europäischen Status quo die Priorität einzuräumen. In ähnlich lautenden Briefen ließ er dies Adenauer, de Gaulle und Macmillan wissen: „Meine ( . . . ) Anregungen zielen darauf hin, die Sowjets dadurch abzuschrecken, daß wir ihnen mit unserer eindeutigen Entschlossenheit Eindruck machen und dadurch die Möglichkeiten für eine annehmbare Regelung verbessern. Wir sollten daher die Möglichkeiten für politische Initiativen des Westens für einen günstigen Zeitpunkt erörtern, beispielsweise durch unsere Botschafter in Moskau oder in Form eines Vorschlags für ein Vier-Mächte-Außenministertreffen. Andere Möglichkeiten müssen in Betracht gezogen werden. Für all das ist die Konsultation mit den Verbündeten natürlich notwendig, die in Washington sofort beginnen und dann in Paris durch Konferenzen hochrangiger Beamter und dann der Außenminister fortgesetzt werden kann, worüber ja bereits Einverständnis besteht." 18 Kennedys Doppelstrategie aus Verteidigung und Verhandlungsbereitschaft spiegelte nicht nur das amerikanische Interesse wider, die Freiheit Wesi-Berlins zu erhalten, sondern auch das Washingtoner Bemühen, die westliche Allianz nicht zu beschädigen, insbesondere aber die Westintegration der Bundesrepublik nicht zu gefährden und die Bündnissolidarität Frankreichs nicht aufs Spiel zu setzen. Frankreich könne man, so hieß es in Washington, für die amerikanischen Vorschläge gewinnen, wenn man de Gaulle nur klar mache, daß sie letztlich der Bewahrung der Position des Westens in Berlin dienten. 19 Die amerikanische Führung war sich der Bedeutung bewußt, welche Paris seiner Präsenz in Berlin beimaß. Diese war nach 1955 letzter Ausweis des französischen Siegermachtstatus, unterstrich damit Frankreichs Großmachtambition und definierte außerdem - zusammen mit der Force de frappe - den gerade für de Gaulle so wichtigen internationalen Statusunterschied zwischen Frankreich und der Bundesrepublik. 20 Hinzu kamen konkrete französische Befürchtungen, daß eine Annäherung, ja möglicherweise sogar Wiedervereinigung der 17
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Zu diesem Komplex, gut dokumentiert, vgl. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 120-129. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 22.7.1961. Vgl. JFKL, POF, Departments and Agencies, Box 88, Folder State 8/61-9/61: Record of Meeting (Kennedy, Rusk, Owen), 3.8.1961. Zu den Hintergründen, Motiven und Zielen der Berlin-Politik de Gaulles vgl. Büffet, Cyril,
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beiden deutschen Staaten das Kräftegleichgewicht in Europa verändern und die kontinentaleuropäische französische Führungsrolle in Frage stellen könnte. 21 Und in Washington sah man, daß auch nur der Anschein eines Abrükkens von den in den fünfziger Jahren geschaffenen Grundlagen die feste Westintegration der Bundesrepublik gefährden könnte. Neben einer Reihe von Argumenten für die Aufnahme konkreter Friedensvertragsverhandlungen oder auch die Anerkennung der DDR - Entschärfung der Krisensituation, Akzeptanz der europäischen Realitäten, Druck der weltweiten öffentlichen Meinung - führte Deutschland- und Europaexperte Foy Köhler ein gravierendes Gegenargument ins Feld: „Acceptance of the GDR would mean our overt acceptance of the division of Germany. This abandonment of a symbol might produce a longrun danger of a revival of German nationalism seeking unification by force. It would also mean in effect, the jettisoning of a major component of post-war American policy towards Germany." 22 Auch Walt Rostow, grundsätzlich eher der verhandlungsbereiten und entspannungsorientierten Linie Bundys oder Bohlens zuneigend, verkannte dieses Risko nicht. In einer Beurteilung des Vorschlags, die Deutschen in West und Ost zu bilateralen Gesprächen unterhalb der Vier-Mächte-Ebene zu bewegen, schrieb er am 7. August 1961: „In the past Washington has been hesitant about 'flexibility' with respect to the East Germans for two reasons. First, it was felt that it would weaken Adenauer's hand; and it would weaken his hand, in particular, with respect to his efforts to bind West Germany more closely into the Western community. In Adenauer's mind - and in the minds of others - talks among the Germans looking toward greater unity were regarded as an alternative to a more intimate set of structural relations between Bonn and the West. And this sense of alternatives was heightened by the cast of domestic German politics where the Social Democrats were generally believed to be taking a less rigid stance towards the East and a less profound commitment towards the West. Second, it was felt that any American flexibility might raise in German minds the notion that we were 'negotiating a settlement over their heads'; and that if we were to move this way the Germans might be tempted to say: if anyone is going to make a deal with Moscow, we shall make that deal." 23 Die Funktion der Westintegration der Bundesrepublik nicht nur zur Stärkung des Westens - militärisch und wirtschaftlich - , sondern eben auch zur Verhinderung eines deutschen Natio-
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La politique nucléaire de la France et la seconde crise de Berlin 1958-1962, in: Relations internationales 59 (Herbst 1989), S. 347-358. Vgl. JFKL, NSF, Countries, Box 82-91, Folder Germany - Berlin - General: Rostow an Bundy, Memo, 7.8.1961. JFKL, POF, Departments and Agencies, Box 88, Folder State 6/61-7/61: Kohler an Secretary, subject: Posing the Issues of Negotiations and our Attitude Towards the G D R , 17.7.1961. S.o., Anm. 21.
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nalneutralismus mit dem Ziel der Überwindung der Teilung, wurde an dieser Stelle einmal mehr deutlich. Zur Überraschung der USA stimmte Bundesaußenminister von Brentano während der Vier-Mächte-Außenministerkonferenz in Paris am 5./6. August 1961 der amerikanischen Verhandlungsinitiative zu und unterstützte auch im übrigen, von Vorbehalten bezüglich militärischer Maßnahmen abgesehen, die Position Washingtons. Diese Haltung darf freilich nicht verwundern, war doch die Gefahr eines gewaltsamen Konflikts wegen Berlin nicht mehr zu übersehen. Bundeskanzler Adenauer, der schon 1959 Foster Dulles zu verstehen gegeben hatte, daß Berlin für ihn keinen Krieg und erst recht keinen Nuklearkrieg wert sei,24 hatte seine Meinung nicht geändert. Zudem war fraglich, ob die westdeutsche Öffentlichkeit die Politik eines „Alles oder nichts" ohne jegliche Sondierungen oder zumindest den Ansatz von Bemühungen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts billigen würde. 1961 standen schließlich Wahlen bevor, und im Sommer erreichte der Wahlkampf zwischen Adenauer und dem Berliner Regierenden Bürgermeister Willy Brandt einen ersten Höhepunkt. Weil jedoch der französische Außenminister Couve de Murville jede Verhandlung ablehnte, solange der sowjetische Druck auf Berlin andauere, endeten die Pariser Viererverhandlungen ergebnislos. Indizien für bevorstehende Maßnahmen der Sowjetunion und der DDR, um den ost-westlichen Flüchtlingsstrom durch das Schlupfloch Berlin zu stoppen, hatte es seit Anfang 1961 gegeben. 25 Dennoch trafen die Absperrungen am 13. August 1961 den Westen überraschend. Diese Überraschung mag auch ein Grund dafür sein, warum der Westen und insbesondere die USA nicht unmittelbar und deutlicher auf die Grenzziehungsmaßnahmen reagierten. Washington war auf das Szenario der Errichtung von Absperrungen im Ostteil Berlins nicht vorbereitet, sondern erwartete, gemäß der Erfahrung von 1948/49, eine Blockade der Zufahrtswege nach Berlin. Darüber hinaus jedoch wurde auch sehr rasch klar, daß die Sperren und der Bau der Mauer Kennedys „Three essentials", die sich ja allesamt auf West-Berlin bezogen, nicht berührten. Die Washingtoner Regierung fand sich schnell mit dem Mauerbau ab; der Präsident schätzte die Lage positiv ein und sah die Gefahr einer riskanten bewaffneten Auseinandersetzung um Berlin gebannt: „Why would Krushchev put up a wall if he really intended to seize West Berlin? ( . . . ) There wouldn't be any need of a wall if he occupied the whole city. This is his way out of his predicament. It's not a very nice Solution, but a wall is a hell of a lot better than a war." 26 Doch die deutsche Reaktion auf das östliche Vorgehen mußte der Führung in Washington sehr bald zu denken geben. Nach dem Schock der 24 25
26
S.o., Kap. 1.1. Vgl. JFKL, OH Dean Rusk, S. 174; s. auch: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.), Berlinkrise und Mauerbau, S. 24-26 und 48-79. So Kennedy unmittelbar nach dem 13.8.1961 zu seinem Mitarbeiter Kenneth O'Donnell; zit. nach: Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.286.
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ersten Tage erhoben sich nämlich in der Bundesrepublik Stimmen, die das Ausbleiben einer entschlossenen westlichen und speziell amerikanischen Reaktion auf den Mauerbau kritisierten, Stimmen, welche die Bundesrepublik und Berlin von den USA im Stich gelassen sahen. 27 Willy Brandt, Berlins Regierender Bürgermeister und gleichzeitig Kanzlerkandidat der SPD, wandte sich brieflich an Präsident Kennedy. In seinem Brief war von einer „Vertrauenskrise" die Rede. 28 Amerikanische Befürchtungen hinsichtlich möglicher deutscher Reaktionen - „Germany might again threaten the peace of our neighbours. Not in reunion, but in anguished wall-marked division, in the temptation to adventure. So the crisis in Berlin is the present touchstone of our policy for Germany." 29 - führten zu öffentlichkeitswirksamen Gegenmaßnahmen, wie zum Beispiel der Entsendung von Vizepräsident Johnson und von General Clay nach Berlin, sowie zu Versuchen, das offensichtlich angeschlagene Vertrauen zwischen Deutschen und Amerikanern wiederherzustellen. Richtungsbestimmend für das langfristige weitere Vorgehen der USA war dieser Faktor jedoch nicht. Kennedy machte sehr rasch klar, daß nun die Priorität bei Verhandlungen zu liegen habe - auch bilateral sowjetisch-amerikanischen: „I want to take a stronger lead on Berlin negotiations. Both the calendar of negotiation and the substance of the Western position remain unsettled, and I no longer believe that satisfactory progress can be made by Four-Power discussion alone. I think we should promptly work toward a strong U.S. position in both areas and should make it clear that we cannot accept a veto from any other power. We should of course be as persuasive and diplomatic as possible, but it is time to act. ( . . . ) I think this means that we should this week make it plain to our three Allies that this is what we mean to do and that they must come along or stay behind. I shall be glad to write to General de Gaulle myself if desirable." 30 Rasch sollten auf Anweisung des Präsidenten nun amerikanische Vorschläge für bilaterale Verhandlungen mit Moskau noch im Herbst 1961 entstehen, frische Vorschläge, die nicht wie die „aufgewärmten" gemeinsamen Positionen des Westens von 1959 aussehen sollten.31 Nachdem der Mauerbau die akute Krise um Berlin - die Flüchtlingskrise sozusagen - entschärft hatte, in der Kennedy seit Juni 1961 doch Momente der Unsicherheit und mangelnder Entschlußkraft gezeigt hatte, demonstrierte Washington jetzt seinen Führungswillen. Entscheidend war dabei, daß die ameri27
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Vgl. die markante Schlagzeile der Bild-Zeitung am 16.8.1961: „Der Westen tut nichts. Präsident Kennedy schweigt... Macmillan geht auf die J a g d . . . und Adenauer schimpft auf Brandt." Brandts Brief an Kennedy vom 18.8.1961, abgedruckt in: FAZ, 19.8.1961; vgl. auch Brandt, Willy, Erinnerungen, Berlin/Frankfurt a.M. 1989, S.58f. Memorandum Bundys an Kennedy, August 1961, zit. nach Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 134. JFKL, NSF, Departments and Agencies, Box 284-285, Folder Department of State, 8/15/ 61-8/31/61: Memorandum (Kennedy) for the Secretary of State, 21.8.1961. Ebd.
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kanische Führung sich nun nicht mehr - oder zumindest nicht primär - im Rahmen des Bündnisses vollzog, nicht mehr Führung auf der Basis eines Konsenses der beteiligten Staaten war, sondern unilaterale amerikanische Führung, für die der Konsens mit den Alliierten nurmehr sekundäre Bedeutung hatte. Im Unterschied zu Eisenhower war Kennedy insbesondere nicht länger bereit, die französische Obstruktionspolitik hinzunehmen. Wenn aber Paris gerade im Bereich der Deutschlandpolitik gegenüber Washington keine Vetoposition mehr einnehmen konnte, hinter der sich Bonn immer wieder hatte verstecken können, so verlangte die bevorstehende Phase der innerwestlichen und der ost-westlichen Berlin-Verhandlungen von der Bundesregierung einen modifizierten taktischen Ansatz zur wirkungsvollen Vertretung der westdeutschen berlin-, deutschland- und ostpolitischen Interessen gegenüber der Bündnisvormacht. Beharrte diese jedoch auf ihrer unilateralen Führung, so mußte für die gerade in diesen Politikbereichen immer auf die Unterstützung durch einen oder, besser, mehrere Verbündete angewiesene Bundesrepublik die Anlehnung an Paris und an das französische Europakonzept, das gegen die USA und deren Dominanz in Europa gerichtet war, zu einer politischen Alternative zur transatlantischen Verbindung werden, die an Attraktivität gewann und Nutzen versprach. 32 11.2.2. Die amerikanische Entspannungspolitik ihre europapolitischen Konsequenzen
und
In dieser Konstellation liegt der Konnex zwischen Berlin-Frage und Europapolitik. Ohne den Verlauf der im wesentlichen amerikanisch-sowjetischen BerlinVerhandlungen von 1961/62 im einzelnen nachzuzeichnen, 33 soll gezeigt werden, wie die kompromiß- und entspannungsorientierte amerikanische BerlinPolitik französische Abwehrreaktionen nicht nur in der Berlin-Frage selbst hervorrief, sondern auch in der Frage der Fortsetzung der europäischen Integration sich die Pariser Haltung radikalisierte und damit den amerikanisch-französischen Gegensatz weiter verschärfte. Ganz konkret verknüpfte sich dieser Antagonismus mit dem seit dem 31. Juli 1961 formell zu behandelnden britischen EWG-Beitrittsgesuch. Die französischen Vorbehalte gegen eine EWG-Mitgliedschaft Großbritanniens rührten insbesondere aus der Überzeugung, daß London innerhalb der Europäischen Gemeinschaft lediglich der loyale Statthalter der USA sein würde, nicht bereit, die special relationship zugunsten 32
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Überspitzt, weil in dieser Klarheit auch auf Grund des Sicherheitsbedürfnisses der Bundesrepublik niemals so existierend, aber vom Ansatz her durchaus zutreffend beschreibt Bandulet diese gerade im Schatten der Berlin-Krise sich scheinbar deutlicher bietende Alternative. Vgl. Bandulet, Bruno, Adenauer zwischen West und Ost, S. 132-215. Siehe dazu Gerlach, Heribert, Die Berlin-Politik der Kennedy-Administration, S. 181-292; Schertz Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 140-150; Stützle, Walter, Kennedy und Adenauer in der Berlin-Krise, S. 192-225.
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einer rein europäischen Rolle aufzugeben, und daß der britische Beitritt darum dem französischen Konzept eines europäischen Europa zuwiderliefe. Mit seiner Haltung, die Verhandlungen mit der Sowjetunion, einen Berlin-Ausgleich und weitreichende deutschlandpolitische Konzessionen klar befürwortete, von Macmillan seit dem Mauerbau massiv vorgetragen, 34 bestärkte London freilich nicht nur die Pariser Skepsis. Großbritannien trug überdies dazu bei, daß der deutsche Bundeskanzler den Positionen de Gaulies noch näher trat. Für Adenauer standen dabei allerdings nicht die europapolitischen Argumente im Vordergrund, sondern seine Ablehnung der amerikanischen und britischen BerlinPolitik mit ihren deutschlandpolitischen Implikationen. So trug die Neuorientierung der anglo-amerikanischen Haltung in der Berlin-Frage seit dem Mauerbau ganz erheblich zum Ausbau der Achse Bonn - Paris bei. Die enger werdende deutsch-französische Zweierallianz wiederum stellte in ihren europapolitischen Auswirkungen wesentliche Voraussetzungen und Bedingungen der amerikanischen Europapolitik in Frage. Die Parallelität der Entwicklungen 1958/59 und 1961/62 liegt auf der Hand: Auch 1958/59 hatte der sowjetische Druck auf Berlin Adenauer, der an der Härte der USA zweifelte, an die Seite de Gaulles geführt, der zur gleichen Zeit Front machte gegen den britischen Vorschlag, die Staaten der EWG und die übrigen westeuropäischen Länder in einer großen europäischen Freihandelszone zu verbinden. Die Berlin-Krise verschaffte dem General in Adenauer, der die Bundesrepublik auf die französische Unterstützung angewiesen glaubte, einen Verbündeten bei seiner gegen Großbritannien und gegen die USA gerichteten Europapolitik. Das Bonner Dilemma, in den ersten Tagen und Wochen nach dem Mauerbau, auch wegen der unmittelbar bevorstehenden Bundestagswahlen, keinen offenen Gegensatz mit den USA heraufbeschwören zu wollen, trotzdem aber in Berlin Festigkeit zeigen zu müssen, wurde in einem Brief Adenauers an Kennedy vom 29. August 1961 deutlich: Während der Bundeskanzler auf der einen Seite militärische Antworten auf eventuelle weitere Übergriffe und einseitige Aktionen des Ostens ablehnte und eindeutig für nichtmilitärische Gegenmaßnahmen plädierte, vornehmlich für Wirtschaftssanktionen, wurde das von Anfang August stammende deutsche Bekenntnis zu Verhandlungen langsam schwächer.35 War es ein Zufall, daß sich der Kanzler in diesem Zusam34
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Vgl. beispielsweise die Vorschläge, die Macmillan am 9.11.1961, kurz vor Adenauers USAReise, Kennedy präsentierte, in: Macmillan, Harold, Pointing the Way, S.408, 9.11.1961. In Adenauers Schreiben heißt es: „Es scheint mir daher unerläßlich, daß wir erneut prüfen lassen, welche nichtmilitärischen Gegenmaßnahmen bereits in solchen Augenblicken ergriffen werden können, in denen noch nicht der Zugang nach Berlin oder die Integrität des Westberliner (sie!) Territoriums, wohl aber andere wichtige Rechte und Interessen der Bürger Westberlins bedroht sind. Ich habe Herrn Rusk ( . . . ) auf die Notwendigkeit hingewiesen, ein System wirtschaftlicher Maßnahmen gegenüber dem Ostblock zu erörtern, damit Sanktionen wirtschaftlicher Natur in immer steigendem Maße verhängt werden können. Je intensiver ich mich mit dem Zustand der Wirtschaft im Ostblock beschäftige, desto mehr wächst meine Überzeugung, daß wir auf wirtschaftlichem Gebiet dem Ostblock unbe-
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menhang hinter der rigiden französischen Position versteckte, für die er Verständnis bekundete 7s6 Kennedy betonte zwar in einem langen Brief die Bündnissolidarität angesichts der Krise, doch der Kern der Botschaft war kurz und prägnant: „Da wir unserer selbst sicher und in unserer Entschlossenheit fest sind, teile ich nicht die Auffassung, daß wir Verhandlungen ablehnen sollten, weil dies als Zeichen unserer Schwäche ausgelegt werden könnte." 37 Doch Verhandlungen welcher Art lehnte Adenauer nun eigentlich ab? Einem isolierten Berlin-Kompromiß hätte der Bundeskanzler, auch um einen militärischen Konflikt zu verhindern, nicht widersprochen, ja hatte dem am 5. August 1961 beim Außenministertreffen in Paris über Brentano bereits seinen grundsätzlichen Segen gegeben. 38 Wogegen sich in den Monaten nach dem Mauerbau der Argwohn des Kanzlers richtete, waren Tendenzen in Washington, nicht nur die Berlin-Frage, sondern das gesamte Deutschlandproblem und die Frage der europäischen Sicherheitsstrukturen auf die Agenda der offenkundig bevorstehenden Ost-West-Verhandlungen zu setzen. Damit standen für Adenauer, wie schon 1959/60 im Umfeld der Genfer Außenministerkonferenz und des Pariser Vierergipfels, fundamentale Axiome der Bonner Deutschland- und nun auch Westpolitik zur Disposition.39 Mit der Hinnahme der Mauer hatte Washington am Brennpunkt des Ost-West-Konflikts den Status quo der deutschen und europäischen Teilung akzeptiert. Im Kern mag dies auch schon für die Eisenhower-Administration zugetroffen haben, doch 1961 ließ nun auch die Rhetorik der neuen Führung, spätestens seit dem 25. Juli, keinen Zweifel mehr daran. Aus dieser Wendung ergaben sich für Washington über Berlin hinausreichende Konsequenzen. Am 28. August 1961 schrieb McGeorge Bundy in einem Memorandum an den Präsidenten: „ ( . . . ) that we can and should shift substantially toward acceptance of the GDR, the Oder-Neisse line, a nonaggression pact, and even the idea of two peace treaties." 40 Washington ventilierte diese Vorschläge in den Besprechungen der Ambassadorial Group zur Vorbereitung amerikanisch-sowjetischer Gespräche, die im Herbst 1961, nach den Bundestagswahlen, aufgenommen werden sollten.
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quem werden können." JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 29.8.1961. Vgl. ebd. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 6.9.1961. Vgl. hierzu auch Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.492 und 496. S.o., S.209. Zum Zusammenhang zwischen Deutschlandfrage, den europäischen Sicherheitsstrukturen und der Abrüstungsproblematik sowie zu Adenauers diesbezüglichem Junktim vgl. Haftendorn, Helga, Sicherheit und Entspannung, S. 104-122; Conze, Eckart, Vom Herter-Plan zum Genscher-Plan. Zum Zusammenhang von deutscher Einheit, europäischer Sicherheit und internationaler Abrüstung am Ende der fünfziger Jahre und heute, in: Europäische Rundschau 4/1990, S. 65-77. Memorandum Bundys an Kennedy, 28.8.1961, zit. nach: Costigliola, Frank, The Failed Design, S.240.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Über diplomatische Kanäle, doch auch über die Medien, gelangten diese Überlegungen nach Bonn. 41 Als Adenauer dazu von amerikanischen Gedanken erfuhr, in Verhandlungen mit der Sowjetunion eventuell auch die Errichtung einer Zone verminderter Rüstung in Zentraleuropa anzusprechen, reagierte er prompt und deutlich: „Ein militärischer Sonderstatus für ein westeuropäisches Land, insbesondere für die Bundesrepublik, wird eine ständige Einladung an die Sowjetunion bedeuten, weiter nach Westeuropa vorzudringen. In einem solchen Vordringen würden auch für die Vereinigten Staaten große Gefahren, insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiete liegen. Ein solcher Sonderstatus ist darum für uns unannehmbar. Ein solcher Status würde die Auflösung von NATO bedeuten und im Laufe weniger Jahre ganz Westeuropa dem Einflüsse der SU (sie!) unterwerfen." 42 In einem sechsseitigen Schreiben antwortete Kennedy dem Kanzler. 43 In konziliantem Ton zeigte er Verständnis für diese Sorgen und versuchte ihn zunächst mit dem Hinweis zu beruhigen, daß es sich bei den Gesprächen des amerikanischen Außenministers Rusk mit seinem sowjetischen Kollegen Gromyko „für beide Seiten um reine Erkundungsgespräche [handelte], Sie gingen in ihrer Bedeutung nicht über den Rahmen eines Übungsboxens in Worten hinaus." 44 In der Frage der europäischen Sicherheit, letztlich der Frage nach der Präsenz amerikanischer Truppen in Europa, plädierte Kennedy zwar mit dem Kanzler gegen die „Auferlegung eines militärischen Sonderstatus für irgendein Land in Westeuropa", 45 und stellte auch klar, „daß wir das sog. 'Disengagement' überhaupt nicht erwägen." 46 Doch von Zonen verminderter Rüstung nahm Kennedy, wortreich und behutsam formuliert, keinen Abstand: „Wir glauben, daß es wert wäre zu prüfen, wie die Konfrontation in Zentraleuropa vermindert werden könnte. Es wäre sicher ein großer Vorteil für den Westen, wenn die Ansammlung sowjetischer Truppen in den Satellitenstaaten herabgesetzt werden könnte." 47 Daß dies im Gegenzug auch den Abzug amerikanischer Truppen aus Westeuropa - Adenauers Alptraum - bedeuten würde, verschwieg der Brief diplomatisch. Doch der west41
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Am 25.9.1961 notierte Heinrich Krone in seinem Tagebuch: „In diesem Zusammenhang wurde in dem Gespräch beim Kanzler wiederum von dem gesprochen, was vor kurzem McCIoy Besuchern in den Staaten gesagt hatte. Es gehe um drei Fragen, so habe McCloy gemeint: um die Oder-Neiße-Linie als Grenze, um die Anerkennung Pankows, um Berlin als einer freien Stadt." Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 163, 25.9.1961. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 4.10.1961. Zu dem gesamten Briefwechsel zwischen Adenauer und Kennedy im Herbst 1961, auf den hier nur unter der Fragestellung der Arbeit eingegangen werden kann, vgl. ausführlicher Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.505-511. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 14.10.1961. Ebd. Ebd. Ebd.
2. Sperren in Berlin - Risse in der Allianz
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deutsche Regierungschef ließ sich nicht beschwichtigen. Mit Kennedys Erklärung zur Frage der europäischen Sicherheit und zum Nutzen von Rüstungsreduzierungen war er nicht zufrieden: „Mein Eindruck war bisher, daß nicht die Konfrontation gefährlich ist, sondern gerade die Reduzierung der Konfrontation. ( . . . ) Gewiß wäre es ein Vorteil, wenn die Zahl der in Osteuropa stationierten Sowjettruppen herabgesetzt werden könnte. Aber wir wissen alle, daß die Sowjets einer solchen Forderung mit der Forderung nach entsprechender Herabsetzung der westlichen Truppenzahl begegnen würden." 48 An dieser Stelle zeigten sich tiefe Unterschiede zwischen Adenauer und Kennedy, was die Einschätzung des Ost-West-Konflikts und des Nutzens einer kompromißorientierten Entspannungspolitik betraf. In überraschender Deutlichkeit skizzierte der Bundeskanzler, geschickt verbunden mit einer Befürwortung der amerikanisch-sowjetischen Sondierungsgespräche, die Position der Bundesregierung: „ ( . . . ) halte ich es auch für geboten, das mit dem sowjetischen Außenminister aufgenommene Gespräch fortzusetzen, wobei ich hoffe, daß wir uns über Ziel und Grenzen dieser Gespräche vorher verständigen werden. Die Grenzen liegen dort, wo vitale Interessen beeinträchtigt werden. Dabei möchte ich darauf hinweisen, daß sich die Bundesrepublik mit den vitalen Interessen der Drei Westmächte, die äußerstenfalls mit den Waffen verteidigt werden müssen, vollkommen identifiziert; daß jedoch nicht alles, was außerhalb dieser Interessen liegt, verhandlungsfähig ist."49 Wie es Bonns Botschafter in Washington, Wilhelm Grewe, bereits am 23. September 1961 in einem Fernsehinterview öffentlich getan hatte, 50 mahnte Adenauer bei Kennedy die Einhaltung der „in den Pariser Verträgen von 1954 niedergelegten Grundlagen der gemeinsamen Deutschland-Politik" an. Bonn könne „nicht auf den vertraglich vereinbarten Grundsatz verzichten, daß die Regelung der deutschen Ostgrenzen erst in einem Friedensvertrag erfolgen kann." 51 Adenauers nahezu beschwörende Worte rührten an die politisch-psychologischen Grundfesten der amerikanischen Europapolitik nach 1945/47 und der Politik der Westintegration der Bundesrepublik seit 1949/55: „Das deutsche Volk hat nach der Katastrophe der Hitler-Zeit und des Krieges alle seine Hoffnungen auf den Westen, auf die Atlantische Allianz und ganz besonders auf die Vereinigten Staaten gesetzt. Es hat allen sowjetischen Verlockungen, Deutschland auf der Grundlage der Neutralisierung wiederzuvereinigen, widerstanden. Es vertraute dabei auf die Versprechen seiner Verbündeten, daß sie mit uns zusammen eine Politik zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in gesicherter Freiheit verfolgen würden, wenngleich niemandem verborgen blieb, daß mit konkreten 48
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JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 21.10.1961. Ebd. Zur Interviewaktivität Grewes in den USA im Herbst 1961 und ihrer Bedeutung vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.498-505; Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.298. JFKL, Schreiben Adenauers an Kennedy, 21.10.1961, s.o., Anm. 48.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Erfolgen dieser Politik in näherer Zukunft nicht zu rechnen war. Wir dürfen dieses Vertrauen nicht enttäuschen, und wir dürfen auch bei den Deutschen hinter dem Eisernen Vorhang nicht den letzten Hoffnungsschimmer auf Befreiung aus ihrem gegenwärtigen Los zerstören." 52 Setzten nun die amerikanischen Verhandlungsabsichten die feste Westintegration der Bundesrepublik aufs Spiel? Wenn Bonn, wenn die Regierung Adenauer ihre Lebensinteressen in der Deutschlandpolitik im Westen und vor allem bei den USA nicht mehr vertreten sah, würde man sich dann nach Osten wenden oder aus einer Position der Äquidistanz die Realisierung politischer Ziele zu erreichen suchen? Aus Adenauers Enttäuschung über den amerikanischen Bündnispartner resultierten die Bemühungen des Kanzlers, nun in direktem Kontakt mit Moskau „das Verhältnis der Bundesrepublik zur Sowjetunion in eine erträgliche Ordnung zu bringen." 53 Wieder ergaben sich Parallelen zu den Krisenjahren 1958/59, als angesichts des Chruschtschow-Ultimatums und der in Bonn perzipierten amerikanischen Nachgiebigkeit Adenauer seinen Staatssekretär Globke mit der Ausarbeitung eines Plans zur Wiedervereinigung beauftragt und damit die Bereitschaft Bonns demonstriert hatte, Deutschlandpolitik unter Umständen auch außerhalb des Bündnisrahmens und am nationalen deutschen Interesse orientiert zu betreiben. 54 Die tiefgreifende Verunsicherung der Bundesregierung angesichts der amerikanischen Politik zusammen mit den Bonner Kontakten mit Moskau mußten Washington beunruhigen und zum Nachdenken über die im September und Oktober 1961 vertretenen ost- und deutschlandpolitischen Verhandlungspositionen bringen. 55 Die Tatsache, daß Chruschtschow am 17. Oktober 1961 das im Juni aufgestelle Ultimatum zurücknahm, beseitigte den unmittelbaren Druck auf die USA, der ein Grund gewesen war für die so weitreichende amerikanische Konzessionsbereitschaft. Die Krise jedoch war keinesfalls mit einem Male vorbei, wie Arthur Schlesinger behauptet. 56 Nicht in Berlin, wo die Panzer-Konfrontation am Checkpoint Charly am 27./28. Oktober 1961 die Spannung erneut massiv verschärfte; 57 und nicht innerhalb der westlichen Allianz, wo in den Monaten nach dem Mauerbau tiefe Differenzen 52 53
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Ebd. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S.164, 25.9. und 7.12.1961. S.o., Kap. 1.1. Zu den über den Bonner Botschafter in Moskau laufenden deutschen Fühlungnahmen mit der Sowjetunion im Herbst und Winter 1961/62 vgl. ausführlicher Kroll, Hans, Botschafter in Belgrad, Tokio und Moskau, S. 357-396; Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 164-170; Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S. 242-248; ders., Adenauer. Der Staatsmann, S. 699-710. Eine Rede McGeorge Bundys im Dezember 1961 ist Indiz dessen. Vgl. Rede von McGeorge Bundy, Sonderberater und Erster Sicherheitsreferent Präsident Kennedys, vor dem Economic Club in Chikago am 6. Dezember 1961 über Grundfragen der amerikanischen Außenpolitik, abgedruckt in: EA 2/1962, S . D 43-52, v.a. S . D 51. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.336. Vgl. hierzu Bender, Peter, Panzer am Checkpoint Charlie, in: Die Zeit, 25.11.1988, S.49f.
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zutage getreten waren. Vor diesem Hintergrund war Adenauers USA-Reise im November 1961 in der Tat „die schwierigste seiner gesamten Amtszeit." 58 Meinungsunterschiede hatten sich jedoch seit August 1961 nicht nur zwischen Washington und Bonn aufgetan, sondern auch zwischen Washington und Paris. Während die amerikanische und die deutsche Führung um die Inhalte möglicher Ost-West-Verhandlungen rangen, lag der Dissens zwischen Amerikanern und Franzosen in der Frage, ob Verhandlungen zum damaligen Zeitpunkt generell angebracht waren. Frankreich widersetzte sich solchen vor und nach dem Mauerbau nicht allein deshalb, weil es unter Druck nicht zu verhandeln bereit war. 59 Hierbei handelte es sich auch um ein taktisches Argument, welches ein viel wichtigeres französisches Motiv kaschierte: Für Paris lag die Gefahr von Verhandlungen mit den UdSSR in einer Änderung des Status quo der Vier-Mächte-Präsenz in Berlin, welche für Frankreich und insbesondere für de Gaulle eines der definierenden Elemente der französischen Großmachtrolle und des französisch-deutschen Statusunterschieds darstellte. Zudem hätte in französischen Augen eine Anerkennung des europäischen Status quo des Jahres 1961 nicht nur die deutsche Teilung bestätigt, die Oder-Neiße-Grenze fixiert und die DDR aufgewertet - mit all dem hatte der Realpolitiker in de Gaulle sich faktisch längst abgefunden 60 - , sondern eben auch die politische und militärische Präsenz der beiden Supermächte in Europa. Auch darum brandmarkte de Gaulle die amerikanisch-sowjetischen Sondierungen als Versuch, ein neues Jalta vorzubereiten. 61 Angesichts der offenbar weitreichenden Verhandlungsintentionen der Kennedy-Administration hätte natürlich auch die Bundesregierung jegliche Sondierung strikt ablehnen und die konstruktive Beteiligung an den innerwestlichen Abstimmungs- und Vorbereitungsgesprächen, vor allem in der Ambassadorial Group, verweigern können. Und Bonn hatte ja auch Verständnis gezeigt für die Linie de Gaulles. 62 Indes, „anders als de Gaulle mußte Adenauer auch in dieser Lage auf die Belastbarkeit des amerikanischen Hauptverbündeten Rücksicht nehmen, ohne sich die interne Unterstützung de Gaulles zu verscherzen." 63 Wenn sich aber im Herbst 1961 Bonn ganz unzweideutig für eine konstruktive Beteiligung Frankreichs an den westlichen Koordinierungsgesprächen einsetzte, so war dies nicht nur Liebedienerei gegenüber den Amerikanern. Die diesbezügliche deutsche Position erwuchs auch aus der Isolierung Bonns im Kreis der Westmächte, das sich angesichts der französischen Ob58 59 60
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Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.298. Vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.489. Wie sehr dies Washington, gerade angesichts der enger werdenden deutsch-französischen Verbindung, verärgerte, beschreibt Frank Costigliola, The Failed Design, S.241. Vgl. dazu Hoffmann, Stanley, Gulliver's Troubles oder die Zukunft des internationalen Systems, Bielefeld 1970, S.378. Vgl. Adenauers Schreiben an Kennedy vom 29.8.1961; s.o., Anm. 35. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.490.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
struktions- und Verweigerungshaltung allein Großbritannien und den USA mit ihren Initiativen und Vorschlägen gegenübergestellt sah. Daneben war es Adenauer auch darum zu tun, der Sowjetunion die Einigkeit der drei Westmächte und der Bundesrepublik demonstrieren zu können und damit östliche Versuche zu konterkarieren, den Westen zu spalten. 64 Aus dieser Konstellation resultierte - trotz aller anderen Differenzen - eine partielle Interessenkoinzidenz zwischen Bonn und Washington. Adenauers Absicht, de Gaulle zu einer Änderung der französischen Politik zu bewegen - zunächst in Schriftform, später auch im persönlichen Gespräch - , mußte daher die Billigung Washingtons finden 65 und stellte neben der Erkenntnis, die sich in der amerikanischen Regierung allmählich durchsetzte, das Bündnis mit der Bundesrepublik nicht zu sehr strapazieren zu dürfen, ein weiteres Motiv für die Einladung Adenauers nach Washington dar. Ganz offensichtlich war sich Washington mittlerweile des Einflusses bewußt, den Adenauer auf de Gaulle hatte - auch des deutschen Gewichts in Paris - , und versuchte, sich beides zunutze zu machen. Trotz aller absehbaren Reibungspunkte lud Kennedy den Bundeskanzler zu einem November-Besuch nach Washington ein. Bei dieser Einladung spielte gewiß nicht nur die Tatsache eine Rolle, daß der US-Präsident auf diese Art und Weise seine persönliche Führung in der Krise betonen konnte, 66 sondern sicherlich auch die Erwartung, den Bundeskanzler zu einem deutschlandpolitischen Kurswechsel zu bewegen und - vor allem - eine mögliche Rapallo-Politik der Bundesrepublik zu verhindern. In der Tat mag Adenauers Wink an Moskau dem Kanzler nicht nur das Entrée für Washington verschafft, sondern auch dazu beigetragen haben, daß die amerikanischen Verhandlungspositionen zurückgeschraubt wurden. 67 So war nicht nur de Gaulle ein stiller Gesprächspartner der deutsch-amerikanischen Unterredungen, 68 sondern auch Chruschtschow. Die Begegnung Adenauers mit Kennedy am 20. bis 22. November 1961, unmittelbar nach Abschluß der komplizierten Bonner Koalitions- und Kabinettsbildung, war sichtlich von dem Bemühen um gegenseitiges Verständnis und von dem Willen geprägt, die tiefe Kluft des Mißtrauens, die sich in den Vorwochen aufgetan hatte, zu überbrücken. 69 Das Weiße Haus maß den Gesprächen allergrößte Bedeutung bei. Es gehe darum, so Sicherheitsberater McGeorge Bundy in einem Memorandum an den Präsidenten, nicht nur politische Verhandlungspositionen zu 64 65
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Vgl. dazu Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens.", S.91. Vgl. ein entsprechendes Schreiben des Bonner US-Botschafters Dowling an Außenminister Rusk: JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 8/61-12/61: Dowling an Secretary of State, 19.10.1961. Dies unterstrich ein Memorandum Bundys vom 18.10.1961, das sich für die Einladung des Kanzlers aussprach. Vgl. JFK, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 8/ 61-12/61: McGeorge Bundy, Memorandum for the President, 18.10.1961. Vgl. Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.298. Vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.520. Vgl. ebd.
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besprechen, sondern „die größere Frage der Zukunft West-Berlins und WestDeutschlands in einer stetig wachsenden Gemeinschaft des Westens." 70 Nur so habe man eine Chance, die Unterstützung des Kanzlers zu gewinnen. „We can probably browbeat him into acceptance of a reasonable negotiating position, but what we want is his leadership, not his surrender." 71 Ziel der Gespräche müsse sein: „ ( . . . ) to make Adenauer's visit a decisive, positive turning point in the crisis."72 Ob Bundy die Ost-West-Krise um Berlin meinte oder die deutschamerikanische Vertrauenskrise, ließ er unbeantwortet. Die Washingtoner Unterredungen, zu denen Adenauer vom neuen Außenminister Gerhard Schröder und von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß begleitet wurde, waren von einem offenen Meinungsaustausch gekennzeichnet; beide Seiten scheuten sich nicht, ihre unterschiedlichen Positionen auf den Tisch zu legen.73 Angesichts der Rücknahme des sowjetischen Ultimatums und in Anbetracht der so starken Bonner Reaktionen auf die ursprünglichen amerikanischen Verhandlungsvorschläge kamen Präsident und Kanzler überein, die amerikanisch-sowjetischen Sondierungsgespräche zwar fortzuführen, aber nur ein begrenztes Berlin-Abkommen anzustreben. 74 Adenauer sagte Kennedy zu, auch de Gaulle bei seinen bevorstehenden Gesprächen mit ihm für diesen Kompromiß gewinnen zu wollen.75 Das ursprünglich für den 30. November 1961 anberaumte Treffen Adenauer - de Gaulle wurde wegen einer Lungenentzündung des Kanzlers auf den 9. Dezember verschoben. Nachdem der französische Präsident gegenüber Premier Macmillan am 25-/26.November 1961 in London nochmals seine negative Einstellung zu Verhandlungen bekräftigt hatte, 76 appellierte Kennedy einmal mehr an Adenauer, de Gaulle zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Der Appell des US-Präsidenten gibt einen interessanten Einblick in die amerikanische Einschätzung des deutsch-französischen Verhältnisses: „Es scheint offenkundig zu sein, daß die Haltung Präsident de Gaulles wesentlich dadurch beeinflußt wird, was er für die deutschen Interessen und Reaktionen auf diesem Gebiet hält. Er kann daher durch die Haltung, die Sie und Ihre Regierung 70
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JFKL, POF, Box 117, Folder Germany - Security, 8/61-12/61: Memorandum Bundy an Kennedy, On Adenauer's Visit, 24.10.1961. Ebd. Ebd. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann. S.703f. Obwohl in der Tat auf Vorschlag Kennedys beide Seiten übereinkamen, die Gesprächsnotizen zu vernichten, muß dies nicht, wie es Costigliola tut, als ein Indiz für die Feindseligkeit der Unterredungen gewertet werden, eher wohl für die gleichwohl bemerkenswerte Offenheit des Meinungsaustauschs. Vgl. Costigliola Frank, The Failed Design, S.241; vgl. auch ACDP, VII-001, 010/6, CDU-Bundesvorstand, 11.12.1961, S. 18, Bericht Adenauer. Vgl. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.520. Vgl. ebd., S.521. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 29.11.1961; vgl. auch Macmillan, Harold, Pointing the Way, S. 415-422.
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einnehmen, nur stark und vielleicht entscheidend beeinflußt werden. Sie sind am besten dazu in der Lage, ihm zu versichern, daß wir beide glauben, daß die Logik in der Entwicklungsgeschichte der Berlinkrise nicht ein notwendiges Vorspiel für eine Niederlage ist, sondern vielmehr eine Quelle der Kraft und der Einheit, wenn die Allianz ihre äußerste Prüfung bestehen muß. ( . . . ) Wenn Sie einen nützlichen Weg sehen, auf dem ich Ihre eigene Darstellung gegenüber Präsident de Gaulle unterstützen kann, lassen Sie es mich bitte wissen. Ich bedauere, daß soviel Zeit und Anstrengung bei der Erörterung der Taktik und des Verfahrens innerhalb der Allianz gebraucht werden müssen, aber ich betrachte die gegenwärtige Sackgasse als äußerst ernst und als eine, aus der herauszukommen wir unentwegte Anstrengungen machen müssen." 77 Adenauer, gefangen im amerikanisch-französischen Dilemma, sagte Kennedy nochmals schriftlich seine Unterstützung zu: „Ich werde ihm (de Gaulle; ec) Ihre und meine Auffassung darlegen, und ich werde mein Möglichstes tun, um ihn zu überzeugen, daß wir Chruschtschows Hoffnungen nicht stärken dürfen, und daß wir zumindest nach außen hin den Eindruck voller Übereinstimmung erwecken müssen." 78 Umstimmen konnte Adenauer de Gaulle am Q.Dezember 1961 in Paris nicht. Doch immerhin billigte der Präsident weitere Sondierungsgespräche mit der Sowjetunion wie auch den Fortgang der innerwestlichen Koordinierungsbesprechungen. Sollten die Sondierungen erweisen, daß Verhandlungen mit Moskau erfolgversprechend wären, dann würde auch Frankreich sich beteiligen.79 Daß er nicht im Auftrage Kennedys zu ihm gekommen sei, so Adenauer, habe er de Gaulle gleich am Beginn der Unterredung mitgeteilt.80 Dennoch hatte Kennedy Adenauer richtig eingeschätzt. Die Gespräche in Washington und in Paris müssen diesbezüglich als Erfolg Adenauers und Kennedys gewertet werden. In der Tat trat nun sowohl innerhalb des Westens wie auch um Berlin eine Phase relativer Ruhe ein, wenn auch Kennedys Interview mit Chruschtschows Schwiegersohn Adschubej schon am 25.November 1961 ein deutlicher Hinweis darauf war, daß die deutsch-amerikanischen Spannungen allenfalls oberflächlich geglättet, nicht aber ausgeräumt worden waren. 81 Mußte es nicht nach der Begegnung Adenauer - de Gaulle 77 78
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Ebd. (JFKL). JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 1.12.1961. Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S.126; vgl. auch ACDP, VII-001, 010/ 6, CDU-Bundesvorstand, 11.12.1961, Bericht Adenauer. Dieses Gesprächsergebnis teilte Adenauer am 11.12.1961, wie vorher vereinbart, auch Kennedy, allerdings in geschönter Form, die die nach wie vor bestehenden Differenzen verschwieg, mit. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 11.12.1961. Vgl. ACDP, VII-001, 010/6, CDU-Bundesvorstand, 11.12.1961, S.13, Bericht Adenauer. In besagtem Interview hatte sich Kennedy nicht nur zur Berlin-Frage geäußert, sondern auch seinem Mißtrauen gegenüber Deutschland Ausdruck gegeben. Auf eine Frage nach dem Einfluß westdeutscher Generale antwortete der Präsident: „That is why I believe it to
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auch ein Grund zur Beunruhigung sein, wenn der Kanzler Kennedy mitteilte: „Präsident de Gaulle und ich sprachen auch über europäische Fragen und über NATO-Angelegenheiten. Wir gingen im bestem Einvernehmen auseinander." 82 ? 11.2.3. Auf dem Weg zum „Europa der Vaterländer" Am 19. Oktober 1961 hatte die Fouchet-Kommission einen ersten Vertragsentwurf zur Schaffung einer Europäischen Politischen Union (EPU) vorgelegt. Dieser sah eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik vor und verankerte das Einstimmigkeitsprinzip für den Europäischen Rat, billigte also jeder nationalen Regierung ein Vetorecht zu.83 Der Entwurf bestätigte zudem die Institutionen der Römischen Verträge: neben dem Rat der Staats- und Regierungschefs den Ministerrat, eine Parlamentarische Versammlung und ein politisches Sekretariat mit Sitz in Paris.84 Drei Jahre nach Inkrafttreten des Vertrages sollte die Politische Union ausgebaut werden: „ ( . . . ) il s'agissait évidemment par là d'entretenir les espoirs 'intégrationnistes' des partenaires de la France." 85 Obwohl sich die Sechs, allen voran Paris und Bonn, im Dezember 1961/Januar 1962 - endgültig am 14. Januar 1962 - auf eine gemeinsame europäische Agrarpolitik - Common Agricultural Policy (CAP) - einigten, obwohl die Opposition Belgiens und insbesondere der Niederlande minimiert werden konnte, obwohl das französische Außenministerium am 15. Januar 1962 einem Vertragsentwurf zustimmte, der erhebliche Modifikationen enthielt - u.a. das Bekenntnis zur Atlantischen Allianz86 - ; am 17. Januar 1962 versagt de Gaulle im französischen Ministerrat dem Vorschlag des Quai d'Orsay seine Zustimmung und machte den Kompromißcharakter des Vertragsentwurfs durch drei Änderungen zunichte: Der General strich die Bezugnahme auf die Atlantische Allianz; er führte die gemeinsame Wirtschaftspolitik als weiteres Ziel der EPU an - neben der Außen-, Verteidigungs- und Kulturpolitik - ; und er änderte den Artikel über die Revision, sprich: die Föderalisierung der Union nach drei
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be so important to stress the West German army is integrated in NATO. NATO is now commanded by an American; and, in my judgment, as long as German forces are integrated in N A T O ( . . . ) there is security for all. And I think that will continue. - Now if this situation changed, if Germany developed many missiles, or a strong national army that threatened war, then I would understand your concern, and I would share it. After all, we have had two wars in Europe, as well as you." Zit. nach: Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S. 275. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 11.12.1961, Vgl. auch ACDP, VII-001, 010/6, CDU-Bundesvorstand, 11.12.1961, S. 16, Bericht Adenauer. Vgl. Bark, Dennis L./Gress, David R., From Shadow to Substance, S.484. Vgl. Soutou, Georges-Henri, Le général de Gaulle et le plan Fouchet, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S. 126-143, hier S. 135. Ebd. Vgl. hierzu ebd., S. 137.
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Jahren, dahingehend, daß von einer Bezugnahme auf die Pariser und die Römischen Verträge keine Rede mehr sein konnte. 87 Die Entscheidung de Gaulles entsprach klar seiner politischen Zielsetzung. Seit 1959/60 war es ihm darum zu tun gewesen, die Europäischen Gemeinschaften zu marginalisieren, wenn nicht ganz abzuschaffen, und durch eine Politische Union - nicht föderal, sondern unter Beibehaltung der nationalen Souveränitätsrechte in allen Politikbereichen - zu ersetzen. 88 De Gaulles Intervention richtete sich nicht nur gegen die integrationspolitischen Ziele der fünf anderen Staaten, sondern indirekt, aber deutlich genug, gegen den britischen Beitritt, den schon der Beschluß über die Gemeinsame Agrarpolitik weiter erschwert hatte. Den Wegfall der Bezugnahme auf die Atlantische Allianz und die Aussicht auf eine europäische Wirtschafts-, Handels- und Zollpolitik mit freiem Binnenhandel, aber Protektionismus nach außen, konnte Großbritannien nicht akzeptieren. Damit waren denn auch Belgien und die Niederlande, die ein Europa der Staaten nur unter britischer Beteiligung akzeptiert und auf einen sofortigen britischen Beitritt nur bei deutlicher Föderalisierung der Gemeinschaften verzichtet hätten, endgültig vor den Kopf gestoßen. 89 Die Ablehnung des Fouchet-Plans II im April 1962 war daher schon im Januar vorherzusehen gewesen.90 Der Bundesrepublik, die im Grunde noch immer dem von den BeneluxStaaten und Italien verfolgten integrationistisch-föderalistischen Ansatz zuneigte, waren, gerade vor dem Hintergrund der Berlin-Krise, der amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen und der Differenzen zwischen Bonn und Washington, die Hände gebunden. Adenauer konnte es sich nicht leisten, de Gaulle zu verprellen, auf dessen Unterstützung er innerhalb der westlichen Allianz in Fragen der Deutschland-, Berlin- und Ost-West-Politik allgemein angewiesen war. Daß man deshalb Kompromisse hinsichtlich des Fortgangs der europäischen Integration einzugehen bereit sein müsse, sich französischen Vorstellungen zumindest zeitweise würde beugen müssen, ging bereits aus ei87 88 89
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Vgl. ebd., S. 137f. Vgl. dazu ebd., S. 138. Noch am 17.4.1962 erklärte der belgische Außenminister Spaak: „Si vous voulez davantage d'intégration, nous sommes d'accord pour que les Anglais n'en soient pas. Mais, si vous ne voulez pas l'Europe intégrée, alors il faut accepter l'Angleterre." Zit. nach: ebd., S. 141. Daß de Gaulle die EPU wollte und nicht von vorneherein auf eine deutsch-französische Zweierallianz zusteuerte, hat Georges-Henri Soutou mittlerweile nachgewiesen. De Gaulle vertraute auf die Hilfe der Bundesrepublik, die die Solidarität Frankreichs in der BerlinFrage brauchte, und auf die Dynamik der Gemeinsamen Agrarpolitik, doch er unterschätzte den Widerstand Belgiens und der Niederlande. Am 9.12.1961 hatte er Adenauer gegenüber erklärt: „Si, à la fin de cette année, la deuxième étape du Marché commun peut être abordée, il faudrait envisager aussitôt après de réunir les chefs d'Etat ou de Gouvernement en vue de conclure l'accord politique. Celui-ci changerait sa situation, même au point de vue de Berlin. Un fait nouveau serait créé qui impressionnerait les Américains, et en même temps déterminerait peut-être Khrouchtchev à se calmer. Si la France et l'Allemagne sont d'accord sur ce point, les objections néerlandaises et belges ne peseront pas bien lourd." Zit. nach: ebd., S. 138.
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nem dem Kanzler vorliegenden Memorandum vom 20. September 1961 hervor: „Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Marktes muß weitergehen. Weitergehen müssen auch unsere Bemühungen zur Herstellung eines föderativen politischen Zusammenschlusses in Europa. In der unmittelbar vor uns liegenden Phase sollten wir die französische Initiative unterstützen, die zunächst eine engere politische Zusammenarbeit auf einer mehr konföderativen politischen Grundlage, d.h. unter weitgehender Wahrung der Souveränität jedes einzelnen Partnerstaates, anstrebt. Darin liegt kein Verzicht auf die weitergehenden deutschen Vorstellungen, sondern der Versuch, eine pragmatische Lösung schrittweise anzustreben." 91 Für de Gaulle waren die Forderungen und Bedingungen aus Brüssel und Den Haag inakzeptabel. Der britische Beitritt hätte das französische Europakonzept verwässert. Zwar hatte Großbritannien sich mittlerweile für eine Beteiligung an der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas ausgesprochen und - im Chor mit Frankreich - seine Skepsis bezüglich einer Föderalisierung des Zusammenschlusses unterstrichen. 92 Doch Edward Heath, der Unterhändler Londons in den am 10. Oktober 1961 aufgenommenen Beitrittsverhandlungen, bekräftigte in seiner Rede vor der Parlamentarischen Versammlung der Westeuropäischen Union im April 1962 auch das britische Interesse an engen wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Westeuropa und den USA und wies den Europäischen Gemeinschaften klar die Aufgabe der Stärkung der Atlantischen Allianz zu. 93 Dies war freilich nicht nur britisches Interesse, sondern auch die Niederlande und Belgien vertraten die gleiche Position: „Je ne peux pas accepter le texte qui nous est proposé si je ne suis pas sûr que votre intention est bien de maintenir le contact avec les Anglo-Saxons et de renforcer l'Alliance atlantique." 94 Washington verfolgte die Verhandlungen der Sechs über die Fouchet-Pläne und die Realisierung der Europäischen Politischen Union mit erheblichem Interesse, zumal 1962 - von der Gemeinsamen Agrarpolitik abgesehen - im Rahmen der dritten Phase ihres Zusammenschlusses die Europäischen Gemeinschaften auch Schritte einleiteten zur Schaffung eines gemeinsamen Au91 92
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ACDP, 1-210, 017/1, Bundeskanzler-Vorlage (Geheim!), 30.9.1961. Vgl. die Rede des britischen Lordsiegelbewahrers und EWG-Unterhändlers Edward Heath vor der WEU am 10.4.1962, abgedruckt in: EA 10/1962, S . D 258-263; s. hierzu auch: Lucas, Hans-Dieter, Europa vom Atlantik bis zum Ural? Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle (1958-1969), Bonn/Berlin 1992, S.150. Vgl. ebd., Rede Edward Heath'. So Paul-Henri Spaak am 17.4.1962, zit. nach: Soutou, Georges-Henri, Le général de Gaulle et le plan Fouchet, S.141. Wenn Lucas die niederländisch-belgische Linie als „Gleichgewichtspolitik" chrakterisiert, so erfaßt dies m.E. nur die Gründe des Interesses Brüssels und Den Haags an einem englischen Beitritt, weniger die genuinen - und älteren - Motive gerade dieser beiden Staaten an einem föderativen Europa. Vgl. Lucas, Hans-Dieter, Europa vom Atlantik bis zum Ural, S.147.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
ßenzolls. Das Scheitern der Fouchet-PIan-Verhandlungen traf Washington nicht überraschend. Die niederländisch-belgische Opposition war absehbar gewesen.95 Wenn de Gaulle seine europapolitischen Vorstellungen aber nicht im Sechserrahmen würde durchsetzen können, würde er dann versuchen, ihnen bilateral mit der Bundesrepublik näherzukommen? Henry Kissinger, der Mitte Februar 1962 zu Gesprächen mit führenden deutschen Politikern, unter ihnen Adenauer und Strauß, in Bonn gewesen war, wies nach seiner Rückkehr in die USA nicht auf die deutsche Karte der Franzosen, wohl aber auf die französische Karte der Deutschen hin. In Fragen der Ost-West-Verhandlungen, aber auch bei der NATO-Planung dürfe man die Deutschen nicht vor den Kopf stoßen. In diesem Kontext hieß es in Kissingers Bewertung seiner Gespräche: „Progress in our NATO planning depends also to a considerable extent on the ability to keep the present psychological state in Germany. Any deterioration in this respect might induce the Germans to pick up their French option. And such a deterioration could occur if we do not make sure to bring the Germans along and make them assume responsibility in the negotiations over Berlin." 96 Doch genau an der Frage der Berlin-Verhandlungen, im November des Vorjahres scheinbar bereinigt, sollten sich im April 1962 neue, scharfe deutschamerikanische Gegensätze entzünden; Gegensätze, die das Verhältnis Adenauer - Kennedy irreparabel beschädigten und die entscheidend zur Stärkung der Achse Paris - Bonn - bis hin zum Elysee-Vertrag im Januar 1963 - beitrugen. Nach einem vergleichsweise ruhigen Winter sollten im Frühjahr 1962 die amerikanisch-sowjetischen Berlin-Sondierungen in Washington fortgesetzt werden. Am 9. April 1962 ließ das State Department der Bundesregierung ein amerikanisches Positionspapier bezüglich eines Interimsabkommens für Berlin übergeben mit der Aufforderung, dazu binnen 48 Stunden Stellung zu nehmen. 97 Die amerikanischen Vorschläge, die am 11. April 1962 in Bonn eingingen, bezogen sich nicht nur auf die Schaffung einer internationalen BerlinZugangsbehörde, sondern erstreckten sich auch auf amerikanisch-sowjetische Vereinbarungen über nukleare Non-Proliferation, über ein Nicht-Angriffsabkommen zwischen Ost und West sowie die „Errichtung von gesamtdeutschen Ausschüssen zur Regelung 'technischer' Fragen und den Vorschlag einer permanenten Konferenz westalliierter und sowjetischer Außenminister-Stellver-
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Vgl. dazu ein Schreiben des US-Botschafters in Paris, Gavin, an das State Department: JFKL, NSF, Countries, Box 70-71, Folder France - General 2/17/62: Gavin (Paris) an Secretary of State, 17.2.1962. JFKL, NSF, Meetings and Memoranda, Box 320-321, Folder Staff Memoranda, Henry Kissinger, 2/13 62-2/28/62; Memorandum, Henry Kissinger, Summary of Conversations in Germany about Negotiations, 21.2.1962. Vgl. Grewe, Wilhelm, G., Rückblenden, S.549.
2. Sperren in Berlin - Risse in der Allianz
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treter, die regelmäßig in Berlin zusammentreten soll."98 In den Augen Adenauers war damit die amerikanische Konzessionsbereitschaft wieder so groß wie im Herbst 1961. Wieder schienen die Grundaxiome der Bonner Deutschlandpolitik zur Disposition zu stehen. Die Veröffentlichung des amerikanischen Positionspapiers in der deutschen Presse trieb die Vertrauenskrise auf den Höhepunkt. 99 Während Bundesaußenminister Schröder die Wogen zu glätten versuchte und dem amerikanischen Außenminister Rusk das grundsätzliche Bonner Einverständnis mit der Fortsetzung der sowjetisch-amerikanischen Gespräche signalisierte,100 hielt der Kanzler nichts mehr von Konzilianz gegenüber Washington. Vor der Presse konstatierte er, daß die amerikanischsowjetischen Verhandlungen zu nichts führten, Moskau seine Forderungen bisher in keiner Weise reduziert habe. Klar gab er zu verstehen, daß ihm der derzeitige Status quo in Berlin lieber sei als jedwede Neuregelung. 101 Dies hatte er allerdings auch schon am 14. April unmißverständlich Kennedy mitgeteilt: „ ( . . . ) die seit längerer Zeit immer wieder wiederholten Versuche, mit der Sowjetunion in Verhandlungen über die Berlinfrage zu kommen, haben bisher nicht zu einem Erfolge geführt. Die letzten Vorschläge des State Department enthalten entscheidende Elemente nicht nur der Berliner Frage, sondern auch der Deutschlandfrage, die über die den Russen bisher gemachten Angebote hinausgehen. Ich habe gegen einige dieser Vorschläge erhebliche Bedenken, und ich bitte Sie, sehr verehrter Herr Präsident, dringend, zunächst eine Verhandlungspause einzulegen, die dazu benutzt werden kann, die Behandlung der Berlinfrage gemeinsam mit den drei Mächten zu überdenken." 102 Namens der französischen Regierung wies auch Außenminister Couve de Murville die amerikanischen Vorschläge schroff zurück, 103 und die Einladung Adenauers zu einem Staatsbesuch nach Frankreich - nicht ohne Hintergedanken zu diesem Zeitpunkt lanciert - traf auf einen Bundeskanzler, der, enttäuscht und verbit98
Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.743; vgl. auch Schoenbaum, Thomas, J „ Waging War and Peace, S.352f. 99 Bis heute ist nicht geklärt, wer für das „Leak" verantwortlich war und das amerikanische Papier möglicherweise absichtlich der Presse zuspielte. Ob nun Botschafter Grewe, C D U / CSU-Fraktionschef von Brentano oder Adenauer selbst die Information lancierten, oder ob fleißige Journalistenrecherche den Vorschlägen ohne fremde Hilfe auf die Spur kam, muß bis heute unbeantwortet bleiben. Vgl. dazu u.a. Grewe, Wilhelm G., Rückblenden, S.545-554; Morgan, Roger, Washington und Bonn, S . l l ö f . ; Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.734f. 100 Die Athener NATO-Tagung im Mai 1962 gab Schröder die Gelegenheit, Rusk in diesem Sinne zu informieren und sich damit der amerikanischen Führung auch erstmals deutlich als „Atlantiker" zu empfehlen. Vgl. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitk Kennedys und Johnsons, S. 149. 101 Vgl. zu Adenauers Pressekonferenzen am 7. und 8.5.1962: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.744. 102 JFKL, POF, Countries, Box 116 A , Folder Germany - General 1/62-4/62: Schreiben Adenauers an Kennedy, 14.4.1962. 103 Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.745.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
tert über die USA, nur zu bereit war, sich nun noch enger an de Gaulle zu binden: „Unter Umständen müßten wir bereit sein, mit den Amerikanern einige Jahre in Spannung zu leben. Wir müßten mehr auf das deutsch-französische und das europäische Pferd setzen." 104 Präsident Kennedy versuchte zwar durch einen versöhnlichen Brief, wie im Oktober 1961, den Kanzler zu beruhigen und das deutsch-amerikanische Verhältnis zu entspannen. 105 Doch so wenig Adenauer noch bereit war, sich von Kennedy besänftigen, geschweige denn umstimmen zu lassen, so wenig sah der amerikanische Präsident in den Versuchen, das angeschlagene deutsch-amerikanische Verhältnis zu reparieren und das Vertrauen des Kanzlers wiederzugewinnen, die einzige politische Option Washingtons. Dabei gab Kennedy nicht nur der ganz offensichtlich von der starren Haltung Adenauers abweichende Kurs Gerhard Schröders Hoffnung. Bezugnehmend auf Presseberichte über eine sich formierende deutsch-französische Achse hatte Kennedy schon am 11. Mai 1962 in Washington dem französischen Kulturminister Malraux mitgeteilt: „If there was to be such an axis, the President would be glad to let it try to handle the Berlin affair." 106 Intern wurde der Präsident noch deutlicher: „If Europe were ever to be organized so as to leave us outside, from the point of view of these great issues of policy and defense, it would become most difficult for us to sustain our present guarantee against Soviet aggression. We shall not hesitate to make this point to the Germans if they show signs of accepting any idea of a Bonn - Paris axis. General de Gaulle really cannot have both our military presence and our diplomatic absence (...)." 1 0 7 Doch Drohungen allein reichten nicht aus, um die französische Europa- und NATO-Politik zu konterkarieren, die Allianz zusammenzuhalten, ohne ihre Führung abzugeben, die Integration Europas zu unterstützen, ohne damit gegen langfristige amerikanische Eigeninteressen zu handeln, und sich die Bundesrepublik als loyalen Bündnispartner zu erhalten, ohne die Ansätze einer west-östlichen Entspannungspolitik aufzugeben. Die Schaffung eines politischen Gesamtkonzepts aus diesen so verschiedenen, zum Teil gegenläufig erscheinenden Zielsetzungen stand im Mittelpunkt der amerikanischen Außenpolitik insbesondere des Jahres 1962. Die Bündelung all dieser heterogenen außenpolitischen Interessen der USA mündete in Kennedys „Grand Design of Atlantic Partnership".
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Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S. 111, 9.5.1962. Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 1/62-9/62: Schreiben Kennedys an Adenauer, 15.5.1962. JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 5/10/62-5/11/62: Meeting in the Cabinet Room, Kennedy, Alphand, Malraux, Lebel, Bundy, 11.5.1962. JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 5/16/62-5/18/62: Memorandum for William H. Brubeck, Executive Secretary, Department of State, 18.5.1962.
3. Kennedys „Grand Design"
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II.3. Kennedys „Grand Design": Aufstieg und Fall einer Vision II. 3.1. Hegemonie durch
Partnerschaft
Unter dem Begriff „Grand Design" versteht man den Versuch der KennedyAdministration, kulminierend im Jahre 1962, die amerikanisch-westeuropäischen politischen, wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zu einem Gesamtkonzept zu integrieren. 1 Jüngere Forschungen haben dabei nachgewiesen, daß es der amerikanischen Regierung mit dem „Grand Design" nicht allein darum ging, den französischen Europaentwurf zu konterkarieren, 2 sondern auch darum, der wirtschaftlichen und politischen Herausforderung des Gemeinsamen Marktes zu begegnen und eine politisch, wirtschaftlich und militärisch weiter erstarkende und selbstbewußter agierende Bundesrepublik Deutschland in feste transatlantische Strukturen einzubinden. 3 Die Bezeichnung „Grand Design" für dieses Unterfangen ist zwar zeitgenössisch, entstammt jedoch nicht der Washingtoner Administration direkt, sondern wurde in einem Essay verwandt, worin der amerikanische Journalist Joseph Kraft sich 1962 zum Advokaten des europapolitischen Konzepts der Regierung Kennedy machte. 4 Abgesehen von den langfristig-konzeptionellen Perspektiven verfolgte das „Grand Design" eine Reihe von Nahzielen: den EWG-Beitritt Großbritanniens, die Erhöhung amerikanischer Exporte durch Verminderung transatlantischer Zollschranken, eine stärkere Beteiligung der Europäer an den westlichen Verteidigungslasten und die Kanalisierung der europäischen Nuklearambitionen in einer multilateralen Atomstreitmacht, der MLF. 5 Diese politischen Ziele waren, jedes für sich genommen, nicht neu, sondern gehörten 1 2
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Vgl. Costigliola, Frank, The Failed Design, S.228. Vgl. beispielsweise Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.255; Newhouse, John, D e Gaulle and the Anglo-Saxons, New York 1970, S.220. Vgl. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, v.a. S. 159-162. Kraft, Joseph, The Grand Design: From Common Market to Atlantic Partnership, New York 1962; vgl. auch Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.702. Im europapolitischen Kontext wurde der Begriff „Grand Design" bereits 1957 verwandt, als der britische Staatsminister im Foreign Office, David Ormsby-Gore, in der Kennedy-Zeit Londons Botschafter in den USA, die Zusammenlegung aller parlamentarischen oder Vertreterversammlungen westeuropäischer oder transatlantischer Organisationen vorschlug, um die Entwicklung einer atlantischen Gemeinschaft zu fördern. Vgl. hierzu Ball, M. Margaret, N . A . T . O . and the European Union Movement, London 1959, S. 409-412. 1960 sah eine „Grand Design" betitelte Denkschrift des britischen Premierministers Macmillan vor: „to call attention to the need to organize the great forces of the Free World U . S . A . , Britain and Europe - economically, politically and militarily in a coherent effort to withstand the Communist tide all over the world." Vgl. Macmillan, Harold, Pointing the Way, S. 323-326. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S. 27.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
schon seit 1961 zum Programm Kennedys, zum Teil sogar seines Vorgängers Eisenhower und wiesen in den ihnen zugrunde liegenden politischen Prinzipien zurück auf die amerikanische Europakonzeption des Jahres 1947. Neu war indes die Bündelung dieser verschiedenen, wenn auch in klarem Zusammenhang stehenden Ziele zu einem politischen Programm. Zwar war der AchesonReport aus dem April 19616 ein erster diesbezüglicher Ansatz gewesen, doch er bezog sich zum einen primär auf die NATO als Hauptschiene europäischamerikanischer Beziehungen. Zum anderen verhinderte das Wiederaufflammen der Berlin-Krise seit Juni 1961 die konzeptionelle Ausweitung des Berichts. Bis in die erste Jahreshälfte 1962 hinein konzentrierte sich die Washingtoner Außenpolitik auf die Berlin- und Deutschlandfrage und die sowjetischamerikanischen Beziehungen. Erst als die Spannungen um Berlin allmählich abflauten, wandte sich die US-Regierung wieder stärker der Europapolitik insgesamt zu. Wesentliche Fragen, die Chester Bowles, 1961 noch Undersecretary of State, am 1. Juli 1961 in einem Memorandum aufgeworfen hatte, blieben auf Grund der Berlin-Krise über Monate unbeantwortet. Ganz auf der Linie der Kennedy-Rhetorik kritisierte Bowles den Mangel an europapolitischen Ideen: „Beyond the limited recommendations of the Acheson Report on NATO, we have produced almost no new ideas on Europe's development since the proposal for a European Defense Community." 7 Während man viel über die Atlantische Gemeinschaft (Atlantic Community) rede, sei man sich alles andere als klar über die Erfordernisse, aber auch die Möglichkeiten einer solchen Zielsetzung: „Together, the 500 million people of North America and Western Europe command the world's greatest economic, political and industrial resources. How can we begin to build the basis for close integration? What can we propose now to institutionalize our common political and economic interests? Britain now appears on the verge of moving into the Common Market. What are the possibilities for the development of associate memberships in a Common Market which might eventually include North America? Could a trading partnership of this kind gradually be transformed into a loose political confederation?" 8 Weitere Anstöße zur Entwicklung einer europapolitischen Konzeption kamen aus Europa selbst. Dort stellte zum einen General de Gaulle die amerikanische Position in Europa in Frage, zum anderen veränderte sich durch die französische Politik die Qualität der europäischen Integration. Es wurde immer deutlicher, daß auf mittlere Sicht an die Stelle eines föderativen Europa, wie es die USA seit den fünfziger Jahren befürwortet und gefördert hatten, ein intergouvernementales „Europa der Vaterländer" unter französischer Führung treten würde, sofern den Pariser Vorstellungen nicht Einhalt geboten würde. 6 7
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Zum Acheson-Report s.o., Kap. II.l. JFKL, POF, Special Correspondence, Box 28, Folder Bowles, Chester, 3/24/59-7/5/61: Memorandum für Kennedy, 1.7.1961. Ebd.
3. Kennedys „Grand Design"
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Daneben gab es aber auch, gerade in Deutschland, Stimmen, die eine Atlantische Union forderten. So hatte Franz Josef Strauß bereits im Februar 1961 vom „geeinten Europa als europäischer Komponente eines 'atlantischen Systems' gesprochen, das sich zur atlantischen Gemeinschaft - 'vielleicht sogar zu einer atlantischen Föderation' - entwickeln müsse." 9 Im November 1961 plädierte der Bundesverteidigungsminister in einer vielbeachteten Rede in Georgetown nachdrücklich dafür, die NATO zu einer „Atlantischen Union" weiterzuentwickeln.10 Dahinter stand freilich für Strauß unter anderem das Interesse, der Bundesrepublik innerhalb der NATO größere Mitspracherechte - vor allem im nuklearen Bereich - zu verschaffen. Auch aus diesem Grunde versuchten Angehörige der Washingtoner Administration zunächst, solchen Initiativen ihren dringend fordernden Charakter zu nehmen. In einer Rede vor dem Economic Club in Chikago am 6. Dezember 1961 erteilte McGeorge Bundy dem Gedanken einer „voll ausgebildete[n] Atlantische[n] Union, die für das Volk der Vereinigten Staaten verfassungsrechtlich und psychologisch noch außerhalb des Bereichs der Möglichkeiten liegt", eine Absage und sprach sich statt dessen aus für eine „Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten einerseits und einer großen europäischen Macht andererseits." 11 Es scheint, daß im Winter 1961/62 die amerikanische Administration die ersten Ansätze einer Doppelstrategie zu entwickeln begann. Diese zielte auf weltweiten Freihandel und freien Zahlungsverkehr einerseits12 und stand somit einer Atlantischen Union oder auch nur einer Atlantischen Freihandelszone entgegen; andererseits maß sie gerade im sicherheitspolitischen Bereich Westeuropa entscheidende Bedeutung zu, wollte sich durch die Idee der Atlantischen Partnerschaft des westeuropäischen Potentials versichern und letztlich die aus der Zeit des Marshall-Plans stammende Politik eines europäischen Bollwerks gegen die Sowjetunion weiterverfolgen. In einer Rede am 30. Dezember 1961 zog auch Außenminister Rusk, als er von einem „Grand Design" amerikanischer Politik sprach, die Linie von dem ursprünglichen amerikanischen Bekenntnis zur Einheit Europas hin zu „Strukturen konstruktiver Verbindungen über die gesamte nördliche Hemisphäre, von Bonn bis Tokio, und mit den jungen Staaten der Südhalbkugel." 13 Auch wenn Präsident Kennedy selbst in einer „Declaration of Interdependence" am 4. Juli 1962 in Philadelphia anbot, „daß die Vereinigten Staaten zu einer Erklärung der gegenseitigen Abhängigkeit (Declaration of Interdependence; ec) bereit sein werden; daß wir 9
Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.273. Vgl. Morgan, Roger, Washington und Bonn, S.110. 11 Rede von McGeorge Bundy vor dem Economic Club in Chikago am 6. Dezember 1961 Uber Grundfragen der amerikanischen Außenpolitik, abgedruckt in: EA 2/1962, S.D 43-52, hier S.D49. 12 Vgl. eine Rede Kennedys vom 6. Dezember 1961, ausschnittsweise zitiert in: Beioff, Max, The United States and the Unity of Europe. S. 111. 13 Vgl. ebd. S.110. 10
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
bereit sein werden, mit einem vereinten Europa die Mittel und Wege zur Bildung einer konkreten atlantischen Partnerschaft zu erörtern, einer gemeinsamen Nutzen bringenden Partnerschaft zwischen der neuen, gegenwärtig in Europa entstehenden Union und der alten amerikanischen Union, die hier vor rund 175 Jahren begründet wurde." 14 Die Europapolitik der USA, so wie sie 1962 entwickelt und betrieben wurde, diente nicht in erster Linie der Errichtung eines grundlegend neuen transatlantischen Verhältnisses, sondern zuvorderst der Bewältigung der Schwierigkeiten der amerikanischen Wirtschaft, speziell der Verringerung des Zahlungsbilanzdefizits und der endgültigen Überwindung der Rezession von 1960, sowie einer Erneuerung der amerikanischen Hegemonialposition in Europa, welche insbesondere durch die Politik de Gaulles immer stärker in Frage gestellt wurde. Zunehmend deutlicher diente dabei die Europapolitik auch als Mittel, auf die sich herausbildende deutschfranzösische Zweierallianz einzuwirken. So gesehen zielte das „Grand Design" Kennedys klar auf die Bundesrepublik Deutschland mit ihren europäischen und transatlantischen Bindungen und Abhängigkeiten. Wirtschaftspolitische Hauptsäule des „Grand Design" war der Trade Expansion Act (TEA). Dieser hatte zwar primär den Zweck, Handelshemmnisse zwischen den USA und der sich einen gemeinsamen Außenzoll (Common External Tariff - CXT) gebenden Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu beseitigen und dadurch amerikanische Exporte zu erhöhen. Darüber hinaus jedoch war der TEA insofern eindeutig Bestandteil der amerikanischen Europapolitik, als er, wie zu zeigen sein wird, von einem baldigen britischen EWGBeitritt ausging, ja diesen massiv forcierte. Die Chance zu einem solchen Zollpolitik- und Außenhandelsprogramm bot sich, weil 1962 der aus der RooseveltZeit stammende Reciprocal Trade Agreements Act auslief bzw. zur Verlängerung anstand. Dieses Gesetz gab dem Präsidenten das Recht, in bilateralen Abkommen mit anderen Staaten Handels- und Zollvereinbarungen auf Gegenseitigkeit zu treffen. Bereits 1960 hatte ein Task Force Report für den President- Elect Kennedy die Grundzüge eines Handelsausweitungsprogramms (Trade Expansion Act) skizziert. Es wurde argumentiert, daß ohne erhebliche Zollreduzierungen die Wirtschaft der freien Welt in mehrere Blöcke zerfallen würde. Wenn Europa und die USA um die Märkte der Welt konkurrierten, wachse die Gefahr einer europäisch-amerikanischen Wirtschaftsrivalität. George Ball, Verfasser des Task Force Reports, plädierte aus diesem Grunde für einen amerikanisch-europäischen Niedrigzollverbund. Mit dem britischen EWG-Beitrittsgesuch gewann diese Argumentation an Gewicht.15 14
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Rede des amerikanischen Präsidenten, John F. Kennedy, anläßlich der Unabhängigkeitsfeier am 4.Juli 1962 in Philadelphia, abgedruckt in: EA 14/1962, S.D. 373-376, hier S.376. Vgl. Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S.61. Obwohl über 20 Jahre alt, kann Tabers Studie noch immer als eine der wenigen Arbeiten gelten, die sich mit der Frage nach der Politik der Kennedy-Administration hinsichtlich der europäischen Integration beschäftigen. Auch wenn Taber nur auf publizierte Quellen zu-
3. Kennedys „Grand Design"
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Gegen die Stimmen einer Expertengruppe um seinen Handelsberater Howard Petersen, die sich für eine Verlängerung des Reciprocal Trade Agreements Act aussprach, insbesondere angesichts der Unberechenbarkeit des Kongresses in einem Wahljahr (1962),16 neigte Präsident Kennedy seit November 1961 dem von George Ball, Christian A. Herter und Will Clayton befürworteten TEA zu. Ganz im Sinne des Ball-Papiers von 1960 argumentierte ein vom Präsidenten in Auftrag gegebener Bericht Herters und Claytons vom 1. November 1961: „The challenges of the times demand a substantial broadening and reshaping of the act for another term of several years. This approach ( . . . ) recognizes that the United States needs an enormously stronger hand than it has if it is to meet the competitive challenge that is built into the Common Market." 17 Den endgültigen Ausschlag für die Entscheidung des Präsidenten schienen dann die am 14. November 1961 veröffentlichten Daten zur Entwicklung der US-Zahlungsbilanz gegeben zu haben. Im Vergleich zum Vorjahr hatte sich das Zahlungsbilanzdefizit im dritten Quartal 1961 um 50 Prozent erhöht; die Jahresgesamthöhe lag nun bei über 3 Mrd. Dollar. 18 Dem glaubte die Administration nur durch verstärkten Handel entgegenwirken zu können, vor allem mit dem sich in Europa herausbildenden Gemeinsamen Markt. Kennedys Bericht zur Lage der Nation am 11. Januar 1962 zog aus all diesen Entwicklungen die politischen Konsequenzen: „Wenn wir für alle unsere Verpflichtungen im Ausland aufkommen sollen, dann müssen wir vor allem unseren Export ausweiten. ( . . . ) Aber die größte aller Aufgaben wird uns durch das Wachstum des europäischen Gemeinsamen Marktes gestellt. ( . . . ) In diesem Jahr müssen wir uns entscheiden. Das Gesetz über gegenseitige Handelsabkommen läuft aus. Wir brauchen ein neues Gesetz, eine völlig neue Einstellung zu den Dingen und ein kühnes neues Instrument der amerikanischen Handelspolitik. Unsere Entscheidung könnte sehr wohl die Einheit des Westens, den Verlauf des Kalten Krieges und das wirtschaftliche Wachstum unserer Nation für die nächste Generation beeinflussen. ( . . . ) Um diese Initiative zu ergreifen, werde ich dem Kongreß in Kürze eine Vorlage für ein neues Fünf-JahresHandelsprogramm vorlegen ( . . .)." 19 Am 18. Januar 1962 machte Kennedy vor dem Nationalen Sicherheitsrat klar, daß ohne höhere Exportüberschüsse die USA ihre weltweiten Verpflichtungen nicht länger würden übernehmen können: „If we cannot keep up our export surplus, we shall not have the dollar
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rückgreift, halten seine Befunde und Einschätzungen größtenteils durchaus der Prüfung im Lichte neuer Quellen und Dokumente stand. Vgl. ebd., S.63f. Report to the Congressional Subcommittee on Foreign Economic Policy by Christian A . Herter and Will Clayton, 1.11.1961, zit. in: ebd., S.63f. Vgl. ebd., S.65. Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, über die Lage der Nation (State of Union Message) an den amerikanischen Kongreß vom 11. Januar 1962, abgedruckt in: EA 3/1962, S . D . 71-78, hier S . D 76f.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
exchange with which to meet our overseas military commitments. ( . . . ) We must either do a good job of selling abroad or pull back." 20 Für den Präsidenten spitzte sich in der Tat die Problematik auf die Alternative „Weltmacht oder Niedergang" zu. Seine Argumente unterstrichen, daß das neue Handelsprogramm, eine der tragenden Säulen des „Grand Design", der Aufrechterhaltung der amerikanischen Hegemonie, insbesondere gegenüber Westeuropa, dienen sollte, indem es den USA nicht nur die Stellung als Haupthandelspartner der Europäer garantierte, sondern ihnen auch die Dollargrundlage zur Verfügung stellte zur Finanzierung der Dominanz durch Truppenstationierung und - in der „Dritten Welt" - Entwicklungshilfe.21 In Kennedys Rede bei der Vorlage des TEA wurde auch deutlich, wie sehr Washington den gemeinsamen Außenzoll der EWG fürchtete, der ja mit der EWG-internen Handelsliberalisierung einherging, und wie sehr man in der Möglichkeit der Entstehung zweier Wirtschafts- und Handelsblöcke vor allem eine wirtschaftlich-finanzielle Bedrohung für die USA sah, welche die amerikanische Position im Ausland gefährde. „Wenn es dagegen nicht gelingt, unseren Überschuß (Handelsbilanzüberschuß; ec) zu steigern, wenn unseren Exporten der freie Zugang zur EWG und anderen Absatzmärkten verwehrt werden sollte, dann würde unsere Position im Ausland gefährdet werden. Aber wenn wir die Außenzollmauer des Gemeinsamen Marktes auf dem Verhandlungswege senken können, dann würden unsere Produzenten nicht mehr unter einem solchen Zwang stehen, ihre Fabriken hinter dieser Mauer zu errichten, um auf dem europäischen Markt im Geschäft zu bleiben, und somit würde auch der Kapitalexport nach Europa zurückgehen." 22 Versteckt wurden diese nationalen amerikanischen Interessen hinter dem großen Konzept der Atlantischen Gemeinschaft wie auch dem Argument der kommunistischen Gefahr: „Ein integriertes Westeuropa, das sich mit den Vereinigten Staaten in einer Handelspartnerschaft zusammengeschlossen hat, wird das Gleichgewicht der Kräfte in der Welt noch mehr zugunsten der Seite der Freiheit verlagern." 23 Das Argument der kommunistischen Gefahr hatte in erster Linie die Funktion, die Senatoren und Abgeordneten des amerikanischen Kongresses auf die Seite des Regierungsentwurfs zu zie20 21
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Zit. nach: Costigliola, Frank, The Failed Design, S.229. Noch im Januar 1962 legte Kennedy dem Kongreß den Gesetzentwurf des TEA vor. Die wesentlichen Motive für diesen handelspolitischen Schritt zusammenfassend, führte er fünf Argumente für das Programm an: das Wachstum des europäischen Gemeinsamen Marktes mit der bevorstehenden Einbeziehung Großbritanniens; den wachsenden Druck auf die amerikanische Zahlungsbilanz; die Notwendigkeit einer Beschleunigung des amerikanischen Wirtschaftswachstums; die kommunistische Hilfs- und Handelsoffensive in den unterentwickelten Ländern; und die Dringlichkeit, für Japan und die Entwicklungsländer neue Absatzmärkte zu finden. Vgl. Botschaft des amerikanischen Präsidenten, John F. Kennedy, an den amerikanischen Kongreß vom 25. Januar 1962 zum Außenhandelsprogramm, abgedruckt in: EA 7/1962, S . D 189-200, hier S . D 190f. Ebd., S . D 192. Ebd., S . D 193.
3. Kennedys „Grand Design"
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hen: „Anti-Communism was the only appeal that could overcome congressional economic nationalism." 24 In der Tat war es notwendig, daß die Regierung alle Register ihrer Überzeugungskraft zog, um den Gesetzentwurf in Senat und Repräsentantenhaus passieren zu lassen. Denn natürlich mußte die Perspektive auf Gegenseitigkeit beruhender Zollsenkungen, teilweise auf ein extrem niedriges Niveau, auf den Widerstand protektionistisch orientierter Wirtschaftszweige und ihrer politischen Lobby treffen. Doch Kennedy kämpfte, von zahlreichen Publizisten unterstützt, 25 mit Verve - und transatlantischer Partnerschaftsrhetorik - für das Gesetz. In einer flammenden Rede am 4. Mai 1962 betonte er: „In May of 1962 we stand at a great dividing point. We must either trade or fade. We must either go backward or go forward. ( . . . ) For the whole pattern of trade is changing, and we must change with it. ( . . . ) The great attraction of trade expansion for the United States is not only its contribution to a grand design of Atlantic partnership but its practical benefits to our own economy as well. ( . . . ) We wish to increase investment at home - and trade expansion, by putting American businessmen on an equal footing with their European counterparts in terms of access to the Common Market, will help make it unnecessary for our industries to build new plants behind the Common Market wall instead of here at home." 26 Indirekte Unterstützung fand die TEA-Kampagne der Regierung durch zwei Maßnahmen der EWG: Die Etablierung der Gemeinsamen Agrarpolitik (Common Agricultural Policy - CAP) im Januar 1962 demonstrierte der amerikanischen Landwirtschaft die Notwendigkeit raschen Handelns; die Beschleunigung der EWG-Binnenzollreduzierungen durch eine zusätzliche zehnprozentige Zollsenkung am 15.Mai 1962 bedeutete weiteres Wasser auf Kennedys Mühlen. Am Ende nahmen Senat und Repräsentantenhaus mit deutlichen und parteiübergreifenden Mehrheiten den Gesetzentwurf an. Am 11. Oktober 1962 unterzeichnete der Präsident den Trade Expansion Act und verlieh ihm dadurch Gesetzeskraft. 27 Das gesamte Programm war in der Tat darauf gerichtet, durch wechselseitige Zollsenkungen amerikanische Exporte zu erhöhen. Der Präsident wurde autorisiert, eine Reihe von Zöllen zu reduzieren oder gar zu eliminieren; auf der Grundlage der Gegenseitigkeit sollte Washington Zollsenkungen von bis zu 50 Prozent vornehmen können. Die im Zusammenhang der Europapolitik der USA wichtigste Bestimmung bezog sich jedoch auf Zollvereinbarungen mit der EWG. Es handelte sich um „eine Sondervollmacht, die sich auf Verhandlungen mit der EWG erstreckt, um die Zölle für diejenigen Warengruppen zu 24
25 26 27
Borden, William S., Defending Hegemony, S.72. Diese Art der Argumentation erinnert in der Tat, wie Borden bemerkt, an die Argumente, mit denen die Truman-Administration dem Kongreß die Notwendigkeit des Marshall-Plans begründete. Joseph Krafts Essay „The Grand Design" ist nur ein Beispiel dafür. Zit. nach: Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S.71f. Vgl. ebd., S.72f.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
senken oder abzuschaffen, bei denen der Anteil der Vereinigten Staaten und der EWG am Welthandel ( . . . ) zusammen 80 Prozent oder darüber betrug." 28 Mit Ausnahme von Düsenflugzeugen und Margarine überstieg jedoch der Anteil von USA und EWG am Welthandel bei einer Vielzahl von Produkten nur dann 80 Prozent, wenn man Großbritannien der EWG zurechnete. Tatsächlich war diese Bestimmung, wie der demokratische Senator Henry Reuss formulierte, maßgeschneidert, um Großbritannien in die EWG zu zwingen.29 Dean Rusk erinnert sich: „ ( . . . ) it (the TEA; ec) was devised in anticipation of Britain's entry into the Common Market ( . . . ) . The atmosphere of the Trade Expansion Act was clearly the atmosphere of British entry into the Common Market and partnership between the Unites States and that expanded Common Market in world trading problems." 30 Die Erwartung der Administration, baldmöglichst den britischen EWG-Beitritt realisiert zu sehen, wurde in den Anhörungen des Senats zum TEA deutlich, insbesondere in der Reaktion der Regierung auf den Vorschlag der Senatoren Reuss und Douglas, das Gesetz dahingehend zu ändern, nicht einen 80-prozentigen Welthandelsanteil von USA und EWG zur Bedingung von Zollreduzierungen zu machen, sondern diese 80 Prozent auf die USA, die EWG und andere Länder der Europäischen Freihandelszone (EFTA) - gemeint war Großbritannien - zu beziehen. 31 Undersecretary of State George Ball, der „Europaminister" 32 der Regierung Kennedy, antwortete, daß dies nicht möglich sei und begründete seine Position: „ ( . . . ) opponents (in Britain; ec) to the entry of Britain into the Common Market would say that there is an alternative presented to Britain which had not been available before." 33 Senator Douglas hatte verstanden: „What you mean is [it] would reduce the pressure on Great Britain to enter the Common Market." 34 Wie bereits gezeigt, gehörte der EWG-Beitritt Großbritanniens zu den wichtigsten Zielen der Europapolitik der Kennedy-Administration. Diese Priorität hatte neben rein wirtschaftlichen auch eminent politische Gründe. Arthur Schlesingers Diktum, die USA hätten Großbritannien innerhalb der EWG folgende Aufgabe zugewiesen, ist aufschlußreich: „London could offset the eccentricities of policy in Paris and Bonn." 35 Die wirtschaftlichen Gründe, aus denen Washington den EWG-Beitritt befürwortete, lagen, angesichts der handelspolitischen Linie der Kennedy-Administration, auf der Hand. Der Assistant Secretary of State for Economic Affairs, Edwin M. Martin, betonte im 28
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33 34 35
Botschaft Kennedys an den amerikanischen Kongreß vom 25.1.1962, s.o., Anm. 21, S . D 197. Vgl. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.706. JFKL, OH Dean Rusk, S. 192. Vgl. Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S.72. Schmidt, Gustav, Die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Dimensionen der britischamerikanischen Beziehungen 1955-1967, in: MGM 2/1991, S. 107-142, hier S.119. Zit. nach: Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S.72. Ebd.; vgl. auch Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.706. Ebd., Schlesinger, Arthur M., S.705.
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März 1962 im Rahmen der TEA-Kampagne: „The United Kingdom will be a strong force within the community for liberal trading relations with third countries, including the United States." 36 So erhoffte sich Washington also auf der einen Seite durch den britischen EWG-Beitritt eine Liberalisierung des europäisch-amerikanischen Handels und versprach sich die Verhinderung des Entstehens eines protektionistischen Wirtschaftblocks, der sich dem amerikanischen Handel nahezu völlig verschließen könnte. Die britischen globalen Handelsinteressen schienen dagegen eine Gewähr zu bieten. Diesem wirtschaftlichen Nutzen stand aber das politische Risiko gegenüber, daß Großbritannien, einmal Mitglied der EWG, auf Grund seiner traditionellen anti-kontinentalen Vorbehalte den Fortgang der politischen Einigung Europas behindern oder verzögern könnte. Da die europäische Integration mit dem Ziel der politischen Einigung gerade für die Vereinigten Staaten immer auch Einbindung der Bundesrepublik bedeutete, um deutsche Alleingänge oder Sonderwege zu verhindern, existierten also durchaus auch politische Argumente gegen den britischen Beitritt. 37 Allerdings konnte auch ein europäischer politischer Zusammenschluß nicht verhindern, daß sich ein starkes Europa vor allem wirtschaftlich unter Umständen gegen die USA wenden würde. Anzeichen dafür gab es schon im Jahre 1962 genug, beispielsweise in Form des europäisch-amerikanischen „Hähnchenkriegs". 38 So unterstützte Washington, auch wenn es widersprüchlich schien, beides: die wirtschaftliche Liberalisierung der EWG, insbesondere durch den Beitritt Großbritanniens, und die Fortsetzung des politischen Einigungsprozesses. Denn auch als Nicht-Mitglied der Gemeinschaft wirkte London retardierend auf die europäische politische Einigung: „So long as Great Britain remained outside the Community, it would operate as a lodestone drawing with unequal degrees of force on different parts of the body of the Community. Thus Britain, outside the Community, would remain an element of disintegration but, inside the Community, Britain would ensure Eu-
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Department of State Bulletin, 25.3.1962, S.471. Vgl. beispielsweise die Argumentation George Balls gegenüber dem französischen Außenminister Couve de Murville am 21.5.1962. Dort heißt es: „We (the US; ec) had seen in the development of a United Europe, a means of containing Western Germany and tying it irretrievably to the Western World." JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France General, 6/1/61-6/8/62: Memorandum of Conversation, Couve de Murville, Ball, Gavin. Am 30.7.1962 hatte die EWG landwirtschaftliche Außenzollschranken aufgestellt. Lange Jahre hatten die USA gefrorene Hühner in großen Mengen nach Europa und insbesondere in die Bundesrepublik exportiert. Die Europäer, die 1962 Hühner in wesentlich größeren Mengen exportierten als in den fünfziger Jahren, erschwerten nun die Importe aus den USA, indem sie den Zoll auf gefrorene Hühner verdoppelten. Eine erbitterte europäischamerikanische Handelsauseinandersetzung, der „Hähnchenkrieg" („Chicken War") war die Folge. Die USA konnten sich mit ihrer Forderung nach Rückgängigmachung der Zollerhöhungen nicht durchsetzen. Zum „Chicken War" vgl. Borden, William S., Defending Hegemony, S.79f.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
ropean cohesion." 39 Darüber hinaus war in Washington offensichtlich, daß nicht die Benelux-Staaten oder Italien das französische oder deutsch-französische Gewicht innerhalb der Europäischen Gemeinschaften konterkarieren konnten, sondern nur Großbritannien: „An enduring European edifice could never be built merely on a Franco-German rapprochement." 40 Was Dean Rusk Jahre später als uneigennützige Politik gegenüber Europa beschrieb, war in Wirklichkeit Resultat des langfristigen amerikanischen Interesses, auch via London den Einfluß der USA auf Europa zu erhöhen. Damit hoffte Washington, die amerikanische Hegemonialstellung, die aus ökonomischen Gründen abzubröckeln begann, zu stabilisieren: „We had always supposed that if Britain went into the Common Market that Britain would take into Europe a special relationship with the United States and that that expanded Europe would have a very intimate relationship with the United States and that it would be Europe that would have a special relationship rather than merely Great Britain." 41 Der Einfluß, den Washington in und auf Grund der special relationship auf London ausüben konnte, gerade weil sich Großbritannien den USA immer wieder unterordnete, um die special relationship zu erhalten, sollte also in ähnlicher Form auf Westeuropa ausgeweitet werden. London wurde dabei offenbar die Rolle des amerikanischen Stellvertreters zugewiesen, verbrämt hinter der Bezeichnung „Partner der USA". 42 Die Erhaltung der special relationship und des mit einer britischen EWGMitgliedschaft verbundenen europapolitischen Einflusses der USA waren gerade 1961/62 für Washington umso wichtiger, als sich aus einer Reihe von Gründen - der französischen Europakonzeption oder der deutschen Position in der Berlin-Krise - die amerikanisch-französischen und die amerikanisch-deutschen Beziehungen erheblich verschlechtert hatten. In der Tat hatte sich, wie gezeigt, das amerikanisch-französische Verhältnis seit 1958 und verstärkt seit 1961 abgekühlt. Und nach der Leak-Krise des April 1962, die die Ablösung des deutschen Botschafters in Washington nach sich zog, befanden sich auch die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einem Tiefstand. Die Enttäuschung beiderseits des Rheins über die Politik Washingtons, seit 1958 Katalysator der deutsch-französischen Allianz, führte im Laufe des Jahres 1962 zu einem noch engeren Schulterschluß zwischen Paris und Bonn, welcher wiederum die deutsch-amerikanische und die französisch-amerikanische Entfremdung verstärkte. Während im Falle Frankreichs eher die grundsätzlichen konzeptionellen Unterschiede zwischen gaullistisch-französischer und amerikanischer Poli39
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So George Ball gegenüber dem französischen Außenminister Couve de Murville am 21.5.1962 in Paris; s.o., Anm. 37. Ball, George, W., The Past Has Another Pattern, S.210. JFKL, OH Dean Rusk, S. 198. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.27: „A senior Kennedy adviser inadvertently exposed the contradiction in the policy by explaining it as getting Britain 'to act as our lieutenant (the fashionable word is partner).'"
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tik, zentriert um das jeweilige Europakonzept und die Rolle der USA darin, die Spannungen auslösten, sorgten im deutschen Falle konkrete Meinungsunterschiede, allen voran in Fragen der Berlin- und Deutschlandpolitik, für Mißverständnisse, Verstimmungen und Krisen. In beiden Fällen jedoch ging es einmal direkt, das andere Mal eher indirekt - um die amerikanische Position in Europa bzw. das amerikanische Durchsetzungsvermögen gegenüber zwei europäischen Staaten, von denen der eine aus prinzipiellen Erwägungen jeder Form der Fremdbestimmung entgegentrat, der andere auf Grund seines zunehmenden Gewichts und politischen Selbstbewußtseins in Einzelfragen eine Position zu behaupten suchte, die nicht, wie vielfach in den fünfziger Jahren, mit der der Bündnisvormacht identisch war. Angesichts der Konstellation einer sich intensivierenden deutsch-französischen Zweierbeziehung standen der amerikanischen Politik grundsätzlich verschiedene Handlungsoptionen offen. Washington konnte versuchen, die Zweierallianz auseinanderzutreiben, weil diese zu stark der von de Gaulle angestrebten Europäisierung Europas Vorschub leistete und so amerikanischen Interessen zuwiderlief. Washington konnte zum zweiten den Versuch unternehmen, durch eine Intensivierung der britischamerikanischen Beziehungen die deutsch-französische Allianz europapolitisch zu konterkarieren, auch auf die Gefahr hin, die Keile innerhalb des westlichen Lagers dadurch noch tiefer zu treiben. Drittens blieb die Möglichkeit, durch Einwirkung auf Deutschland oder Frankreich, wahrscheinlich allerdings auf Deutschland, der deutsch-französischen Zweierallianz ihre anti-amerikanische Wendung zu nehmen und sie statt dessen wieder den langfristigen europapolitischen Zielen der USA nutzbar zu machen. Eine vierte Option, Frankreich die Führung in Europa zu überlassen, die deutsch-französische Allianz als Kern eines europäischen Europa zu akzeptieren, schied auf Grund der weiter oben dargestellten europapolitischen Prämissen und Interessen der USA aus. Gerade weil die USA die Einbindung der Bundesrepublik in den Westen als eines ihrer wichtigsten europapolitischen Ziele ansahen, mußten sie grundsätzlich einer engen deutsch-französischen Verbindung zustimmen können, die ja letztlich innerhalb des weiteren Atlantischen Bündnisses eine zusätzliche Sicherung gegen ein deutsches Ausscheren aus der westlichen Gemeinschaft darstellte. Bedenken mußte in Washington allerdings die Politik de Gaulles hervorrufen, die deutsch-französische Allianz zum Nukleus einer „Dritten Kraft Europa" zu machen, eines „Europa der Vaterländer" mit intergouvernementalen, nicht supranationalen Institutionen, wie es der General im Juli 1960 in Rambouillet und in der Folgezeit auf europäischer Ebene immer wieder skizziert und forciert hatte. So gesehen mußte die Kennedy-Administration der sich beständig vertiefenden deutsch-französischen Annäherung erhebliche Skepsis entgegenbringen und sie als Gefahr für den Zusammenhalt der NATO und den europäischen Pfeiler der Atlantischen Partnerschaft im Sinne des
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
„Grand Design" begreifen. 43 Doch direkt und massiv konnten die USA gegen den deutsch-französischen Schulterschluß, den Washington ja als deutsch-französische Aussöhnung ursprünglich und jahrelang vehement unterstützt hatte, nicht vorgehen. Dazu war 1962 die Stimmung in Paris und Bonn zu amerikakritisch, ja feindlich, das französische und deutsche Selbstbewußtsein zu groß. Was blieb, war der Versuch, mäßigend insbesondere auf Bonn einzuwirken, das seine transatlantischen Abhängigkeiten weder leugnen noch aufgeben konnte, und das Bemühen, das Ziel der deutsch-französischen Verständigung mit dem der „Atlantic Partnership" unter amerikanischer Führung zu versöhnen. So führte der Weg Washingtons nach Paris über Bonn - wie auch über London, wenn man die politische Erwartung berücksichtigt, die die USA mit dem britischen EWG-Beitritt verbanden. II. 3.2. Zwischen Reims und Ludwigsburg: De Gaulies Werben um die Bundesrepublik Vor dem „Sommer der deutsch-französischen Freundschaft" (Hans-Peter Schwarz), dessen Höhepunkte Adenauers offizieller Besuch in Frankreich im Juli und die Erwiderung der Visite durch de Gaulle im September 1962 waren, reiste Dean Rusk zu Gesprächen nach Bonn. Die Frage der europäischen Einigung, des britischen EWG-Beitritts und das deutsch-französische Verhältnis nahmen in den Unterredungen breiten Raum ein. Über konkrete Themen hinausreichend versuchte Rusk jedoch während seines gesamten Aufenthalts, das beschädigte deutsch-amerikanische Vertrauensverhältnis zu verbessern und insbesondere den Kanzler der amerikanischen Unterstützung und Loyalität zu versichern. Die Aufmerksamkeit Rusks galt freilich bezeichnenderweise nicht nur Adenauer, sondern auch denjenigen deutschen Politikern, die nach amerikanischer Einschätzung in der Berlin-Frage wie auch der Problematik des britischen Beitritts der Washingtoner Linie zuneigten. Allen voran erwähnte Rusk in seinem Reisebericht Bundesaußenminister Schröder, aber auch Ludwig Erhard, und - außerhalb der Union - Erich Mende, Thomas Dehler und Willy Brandt. 44 In den Gesprächen gab Rusk dem Bundeskanzler zu verstehen, daß nach amerikanischer Auffassung Großbritannien zu Europa gehören müsse und daß der Beitritt Englands wie möglicherweise auch anderer EFTAStaaten nicht, wie Adenauer skeptisch und ein Argument de Gaulies aufgreifend äußerte, den Charakter Europas verändern werde. 45 Nachdrücklich versicherte der US-Außenminister dem Kanzler, daß es den USA nicht darum zu tun sei, die deutsch-französischen Beziehungen zu stören, daß aber die französische Politik nicht Spannungen innerhalb der freien Welt schaffen dürfe: „I 43 44
45
Vgl. hierzu Riihl, Lothar, Adenauers Politik und das Atlantische Bündnis, S.84f. Vgl. JFKL, POF, Departments and Agencies, Box 88, Folder State, 6/62-7/62: Rusk an Kennedy, 23.6.1962. Vgl. ebd.
3. Kennedys „Grand Design"
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emphasized to him (Adenauer; ec) that I was not in Bonn to create any problems between him and de Gaulle but that I thought that both of us would have a temporary and minor problem if de Gaulle's understandable campaign to increase the prestige of France should be undertaken at the expense of his friends rather than of the enemies of the free world." 46 Die deutsch-französischen Beziehungen seien, so legte Rusk dar, integraler Bestandteil der Atlantischen Gemeinschaft. „I emphasized that it was a fundamental interest and policy of the US that Germany and France be intimately associated but that we saw this within the framework of joint leadership and a united Europe and in an Atlantic Community with ever closer association with North America. I pointed out that the Atlantic Community is a nexus of interlocking special relationships reaching around the globe, including the inter-American system, the Commonwealth, French associations in Africa and the welcome development of German interests outside Europe." 4 7 Adenauer legte seinerseits seinem Besucher den seiner Ansicht nach wichtigsten Grund für die so engen deutschfranzösischen Beziehungen dar: „He (Adenauer; ec) then recalled de Gaulle's visit to Moscow in 1944 to sign a Franco-Russian agreement against Germany. Diagramming the geographical relationship between the USSR, Germany and France he said Germany must do everything possible to prevent a FrancoRussian arrangement against Germany. Therefore complete intimacy between Germany and France was utterly fundamental." 4 8 Wie Rusk in seinem Bericht niederlegte, hatte er bei seinen Gesprächen in Paris das gleiche Argument, diesmal im Hinblick auf einen deutsch-sowjetischen Ausgleich, vernommen. Der Außenminister schloß hieraus auf ein nach wie vor existierendes tiefgehendes deutsch-französisches Mißtrauen, dessentwegen durch enge bilaterale Beziehungen eine Seite die jeweils andere festzubinden suchte. Weniger die Festbindung Frankreichs als vielmehr diejenige Deutschlands war, wie gezeigt, auch amerikanisches europapolitisches Interesse, und auch auf Grund dieser Konstellation mußte Washington an einer Fortdauer, ja Intensivierung der Beziehungen zwischen Paris und Bonn gelegen sein und war deshalb offensichtlich bereit, das europapolitische Risiko- und Schadenspotential, das diesem Exklusiwerhältnis innewohnte, in Kauf zu nehmen. 4 9 Was das bevorstehende Zusammentreffen Adenauers und de Gaulles in Frankreich anbelangte, so zeigte sich Rusk skeptisch, ob der Bundeskanzler es vermögen werde, sich
46 47 48 49
Ebd. Ebd. Ebd. Von einer deutsch-amerikanischen Interessenidentität, wie Bark und Gress sie konstatieren, kann daher nur insoweit die Rede sein, als Bonn und Washington in engen deutschfranzösischen Beziehungen das beste Mittel gegen eine französisch-sowjetische Annäherung sahen. Schwerer wog jedoch in Washington eindeutig das Interesse an fester Einbindung der Bundesrepublik in den Westen. Vgl. Bark, Dennis L./Gress, David R., From Shadow to Substance, S.498.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
gegen de Gaulle durchzusetzen. Es bestehe die Gefahr, daß Adenauer „verführt" werde. 50 Der Bundeskanzler neige leider zudem dazu, den Vorwänden, mit denen der General die verminderte französische Beteiligung an der NATO rechtfertige, Glauben zu schenken: „He (Adenauer; ec) tended to dismiss the subject with the confident assertion that if trouble came de Gaulle could be counted on to put everything France had into the fray." 51 Am Ende der Unterredung versprach Adenauer, nach seinem Besuch in Frankreich Rusk schriftlich ausführlich über die Reise zu informieren. 52 Am 26. April 1962, wenige Tage nachdem die deutsch-amerikanischen Meinungsunterschiede in der Berlin- und Deutschlandfrage mit der Leak-Krise ihren Höhepunkt erreicht hatten, und wenige Tage nachdem die Verhandlungen der Sechs über eine Europäische Politische Union vorläufig gescheitert waren, lud Präsident de Gaulle den deutschen Bundeskanzler zu einem offiziellen Besuch nach Frankreich ein. Die Wahl des Zeitpunkts der Einladung und des Besuchs selbst beweist das taktische Geschick, das de Gaulies Umgang mit Adenauer generell auszeichnete. Zwar hatten sich nach dem deutsch-amerikanischen Zusammenprall im April und Mai 1962 die Beziehungen zwischen Bonn und Washington wieder weitgehend normalisiert; die USA hatten ihre Konzessionsbereitschaft in der Berlin-Frage erheblich zurückgeschraubt; und ein Brief Kennedys an Adenauer zeigte das Bemühen, gerade angesichts der Pariser Verlockungen, ein deutsch-amerikanisches Einvernehmen wiederherzustellen.53 Die Antwort Adenauers auf das Schreiben Kennedys ließ jedoch manches offen. Während der Kanzler allgemein das Ausmaß an Übereinstimmung in den bilateralen Beziehungen hervorhob, welches die Differenzen bei weitem überwiege, und für häufige Ab- und Aussprachen zwischen der amerikanischen und der deutschen Regierung plädierte, entzog er sich in der speziellen Frage des britischen EWG-Beitritts einer klaren Stellungnahme. Auf das ihm durch Botschafter Dowling übermittelte amerikanische Interesse an einem deutschen Einwirken auf de Gaulle in der britischen Frage antwortete der Kanzler: „Ich habe bisher in dieser Sache keine Fühlung mit Herrn Staatspräsident de Gaulle aufgenommen. Ich glaube, es ist das Beste, man wartet zunächst die Aussprache zwischen Herrn Staatspräsident de Gaulle und Herrn Premierminister Macmillan ab." 54 Hatte sich der Kanzler noch wenige Monate zuvor bei de Gaulle für amerikanische Interessen, sei es in der Frage der Berlin- und Abrüstungsverhandlungen, sei es in der Frage der europäischen Integration, verwandt, so hatte Washington offenbar in den ersten Monaten 50 51 52 53
54
JFKL, Rusk an Kennedy, 23.6.1962, s.o., Anm. 44. Ebd. Ebd. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Kennedys an Adenauer, 15.5.1962. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 25.5.1962.
3. Kennedys „Grand Design"
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1962 Adenauer als loyalen Fürsprecher amerikanischer Politik verloren. Umso wichtiger war es für Washington, in Schröder und Erhard, ganz abgesehen von Politikern aus FDP und SPD, Befürworter der deutsch-amerikanischen Allianz in entscheidenden politischen Positionen der Bundesrepublik zu wissen. Für Adenauer jedoch bedeutete die Verschlechterung des deutscK-amerikanischen Verhältnisses zusammen mit der Dauerkrise der französisch-amerikanischen Beziehungen, daß es notwendig war, verstärkte Anlehnung an Frankreich zu suchen. Er war davon überzeugt, daß an der Krise Europas auch London Schuld hatte: „Nachdem durch die Briten die Belgier und Holländer gegen die politische Europäische Union, die von Anfang an überhaupt das Ziel der europäischen Maßnahmen war, aufgeputscht worden sind, bleibt nur der Block Frankreich und Deutschland - hoffentlich unter Teilnahme Italiens und Luxemburgs - übrig." 55 Während de Gaulles Ablehnung des britischen EWGBeitritts schon seit längerem festzustehen schien und sich ja auch aus den europapolitischen Prämissen des Generals ergab, schwenkte Adenauer erst im Frühsommer 1962 allmählich und sehr vorsichtig auf den französischen Kurs ein. Während er gegenüber Dean Rusk die Gefahr der Verwässerung der europäischen Einigung durch Londons Beitritt betonte, führte er gegenüber anderen Gesprächspartnern wirtschaftliche Gründe ins Feld. Für die deutsche Wirtschaft werde gerade im Bereich der Kohle- und Stahlproduktion die britische EWG-Mitgliedschaft negative Auswirkungen zeitigen.56 Der Kanzler hatte also in wesentlichen Punkten bereits eine Meinungsänderung vollzogen und sich der Position de Gaulles deutlich angenähert. Dies erleichterte das Vorgehen des Generals. Um Adenauer ganz auf seine Seite zu ziehen, waren in der Tat die beiden deutsch-französischen Staatsbesuche des Sommers 196257 ein „neues, psychologisch höchst wirksames Element." 58 Vom 2. bis zum 8. Juli 1962 reiste Adenauer nach Frankreich. Einem protokollarisch eindrucksvollen Empfang sowie Gesprächen, Begegnungen und Empfängen in Paris folgten Besuche in der französischen Provinz, in Rouen und Bordeaux, sowie der triumphale Abschluß der Reise in Reims, dem Ort der deutschen Kapitulation 1945, wo eine Messe in der Kathedrale - Sinnbild nicht nur der Konfessionsgleichheit Adenauers und de Gaulles, sondern auch 55
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57
58
Aufzeichnung Adenauers vom 20.4.1962, zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.747. So äußerte sich Adenauer beispielsweise am 9.6.1962 gegenüber Paul Reynaud. Vgl. ebd., S.752f. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die ausführlichen Darstellungen und Analysen bei: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.757-769; ders.. Die Ära Adenauer 1957-1963, S.254-261; Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.220-228; Lacouture, Jean, De Gaulle. 3. Le souverain, Paris 1986, S.303-306; Ziebura, Gilbert, Die deutsch-französischen Beziehungen seit 1945, S.112f.; zeitgenössisch: Loch, Theo M., Adenauer und de Gaulle, Bilanz der Staatsbesuche, Bonn 1963; sowie die Memoiren Adenauers: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S. 158-184. Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.258f.
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der beiden Staaten, an deren Spitze sie standen - , an der Kanzler und Präsident teilnahmen, und eine gemeinsame Truppenparade die deutsch-französische Aussöhnung symbolisierten. „Nie vorher und danach in der Geschichte der Bundesrepublik ist die Kraft geschichtlicher Erinnerungen und Bilder so souverän eingesetzt worden, um die Öffentlichkeit für eine außenpolitische Grundorientierung zu gewinnen." 59 Doch es ging in den Juli-Tagen 1962 in Frankreich nicht allein um außenpolitische Grundorientierungen, sondern auch um konkrete Fragen deutsch-französischen Zusammenwirkens. De Gaulles Reden, das für Adenauer organisierte Besuchsprogramm und die Gespräche im kleinsten Kreise verfolgten allesamt ein Ziel: die Bundesrepublik zu einer bilateralen Allianz mit Frankreich zu bewegen. Die Tischrede des französischen Präsidenten am 3. Juli 1962 im Elysée-Palast entwickelte aus der Geschichte vergangener Jahrhunderte die Vision eines geeinten, um Deutschland und Frankreich gruppierten Europas: „Für Deutschland und Frankreich ist Ihr offizieller Besuch in Paris eine 'Stunde der Wahrheit'. Und diese Wahrheit ist eine der glücklichsten, die es überhaupt geben kann. ( . . . ) Heißt das nun, daß Franzosen und Deutsche, weil sie heute solidarisch sind, alle beiderseits aufgebotenen Mühen und dargebrachten Opfer einer harten Geschichte, die sie so oft Gegner sein ließ, verleugnen sollen? ( . . . ) Der Ehrgeiz Karls V., Ludwigs XIV., Napoleons I., Bismarcks, Wilhelms II., Clemenceaus und sogar - ja sogar! - die Leidenschaft, deren sich im letzten Weltkrieg ein Regime verbrecherischer Unterdrückung bediente, um das deutsche Volk mitzureißen, welchen Anteil hatten doch an alledem die großartigen Bilder der Cäsaren, der Christenheit und Karls des Großen! Diese Flamme, die heute noch auf den Trümmern der Weltreiche brennt, entsprang einer machtvollen und stetigen Realität. Europas Einheit ist auf alle Fälle für Deutschland und für Frankreich ein wesentliches Ziel." 60 Doch während de Gaulle offensichtlich im Juli 1962 mit dem Ziel einer Europäischen Politischen Union bereits völlig abgeschlossen hatte, glaubte Adenauer, daß zwar auf Grund britischen Drucks die Niederlande und Belgien sich auf absehbare Zeit einem europäischen Zusammenschluß entziehen würden, daß man aber zusammen mit Italien und Luxemburg zumindest eine Art Rumpfeuropa würde schaffen können. Am 28. Juni 1962 hatte der italienische Ministerpräsident Fanfani sich an Adenauer und de Gaulle gewandt mit der Initiative, die EPU-Verhandlungen, möglicherweise auf einer Konferenz in Rom, fortzusetzen. 61 Während der Kanzler dem aus grundsätzlichen Erwägungen zustimmte, jedoch, um die Beteiligung Schröders zu verhindern, eine Konferenz der Regierungschefs verlangte, war de Gaulles Eingehen auf Fanfanis Vorschlag nur taktischer Natur. Doch auch Adenauer setzte im Juli 1962, im Gegensatz zu führenden Politikern aller deutschen 59 60
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Ebd., S.259. Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus (StBKAH), Reden, Interviews, Aufsätze (RIA) 1962: Übersetzung (der Tischrede de Gaulles vom 3.7.1962). Vgl. Soutou, Georges-Henri, Le général de Gaulle et le plan Fouchet, S. 139.
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Parteien, nicht mehr auf eine Revitalisierung der EPU. Vor diesem Hintergrund stellte ihm de Gaulle die entscheidende Frage: „Je voudrais vous poser une question directe et très importante. Si M. Fanfani convoque la conférence et qu'elle n'aboutisse pas à des résultats parce que les Italiens ou d'autres diront que rien n'est possible sans la Grande-Bretagne, la République fédérale accepterait-elle de conclure avec la France une Union politique qui serait, en fait, et par la force des choses, limitée à deux?" 62 Adenauer, der zuvor noch von einer Einbeziehung Luxemburgs oder Italiens gesprochen hatte, wich nun nicht mehr aus. Er antwortete de Gaulle mit einem unmißverständlichen „Ja". 63 De Gaulle hatte damit ein Ziel erreicht, das er seit Rambouillet 1960 das eine Mal direkt, das andere Mal eher indirekt, keinesfalls jedoch ohne Engagement und Ausdauer verfolgt hatte. Wenige Tage später, Ende Juli 1962, scheiterte der Fanfani-Vorschlag an de Gaulles Einspruch, vor einem Sechsergipfel eine sondierende Außenministerkonferenz stattfinden zu lassen. 64 Von Adenauers Ja zu einer institutionalisierten deutsch-französischen Zusammenarbeit war in der Öffentlichkeit nach Abschluß des Staatsbesuchs nichts zu hören. Gleichwohl wurde die enge deutsch-französische Verbindung von Adenauer öffentlich einmal mehr mit dem Faktor Sowjetunion begründet: „Es wird unsere Aufgabe jetzt sein, diese enge Verbundenheit der beiden Länder zu einer engen Verbundenheit der Völker zu machen, damit niemals die Regierung eines der beiden Länder überhaupt auf den Gedanken kommen kann, einen Vertrag oder sei es sonst immer was es sei, mit Sowjetrußland zu schließen gegen das andere Land. Das gilt für Deutschland, das gilt für Frankreich, und ich glaube, daß damit ein echter und widerstandsfähiger Damm mitten in Europa errichtet ist gegenüber dem weiteren Vordringen des sowjetischen Kommunismus." 65 Auch in der Frage der EWG-Mitgliedschaft Großbritanniens gab Adenauer seine mittlerweile dezidierte Position nicht preis: „Die Gespräche, die wir geführt haben, haben sich gegen niemanden in der Welt gerichtet. ( . . . ) Wir haben natürlich auch über EWG und Großbritannien gesprochen, und wir waren beide derselben Meinung, daß diese sehr komplizierte Frage mit aller Realität geprüft werden müsse, um zu sehen, ob es möglich sei, zu einer Verständigung zu kommen." 66 So wenig wie die deutsche Öffentlichkeit erfuhr die amerikanische Regierung von Adenauers Einschwenken auf de Gaulles Kurs. Es nahm nicht wunder, daß eine erste Einschätzung des Adenauer-Besuchs durch den amerikanischen Botschafter in Paris, James Gavin, sehr positiv ausfiel. Dies galt insbesondere für die Frage des britischen Beitritts: „Of particular importance is fact that de Gaulle and Adenauer formally express their hope that negotiations 62 63 64 65 66
Zit. nach: ebd. Vgl. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S.132. Vgl. Soutou, Georges-Henri, Le général de Gaulle et le plan Fouchet, S.139f. StBKAH, RIA 1962: Pressekonferenz mit Bundeskanzler Dr. Adenauer, 10.7.1962, S.6. Ebd., S.8.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
between UK and EEC be successfully concluded." 67 Die Verhandlungen mit London, so hieß es, würden sich allerdings länger hinziehen als ursprünglich vermutet. Das französische Außenministerium glaube mittlerweile nicht mehr an einen Beitritt vor Ende 1963. Positiv schätzte die US-Botschaft auch die Perspektive einer Wiederaufnahme der EPU-Verhandlungen, wahrscheinlich im September 1962, ein: „ ( . . . ) German sources tell us de Gaulle and Chancellor agreed differences on question treaty for Union of states not great, and that basic decision to be taken is whether time ripe for realistic discussion some form political union." 68 Auch wenn Adenauer in Paris der Kritik de Gaulles an der NATO zugestimmt habe, stimmte das gemeinsame Kommuniqué nach den Gesprächen Botschafter Gavin optimistisch: „ ( . . . ) effort made in communiqué reassure both NATO and US that France and Germany have no intention creating bloc in opposition to Alliance. Rather reconciliation of two people will serve to strengthen Atlantic Alliance. In another gesture of solidarity with Allies, communiqué emphasizes need for close cooperation with US and British as well as other members Alliance in order safeguard liberty and independence Berlin." 69 Neben seinen Erkenntnissen und Beurteilungen der deutschfranzösischen Unterredungen betonte der Botschafter in seinem Bericht die protokollarische Behandlung des Staatsgastes, mit der alles getan worden sei, „to impress on French people and world at large decision made by French and German leaders lay aside their past differences and work closely together in building new Europe." 70 Der Chef der politischen Abteilung des Quai d'Orsay Lucet habe Symbolik und Zeremonie gar als wichtigsten Bestandteil des Besuchs bezeichnet. 71 Nur zwei Monate nach Adenauers Frankreichreise sollten während de Gaulles Staatsbesuch in der Bundesrepublik die Register der Symbolik erneut und vielleicht noch stärker gezogen werden. Mit seiner Reise nach Deutschland setzte de Gaulle fort, was er im Juli 1962 in Frankreich begonnen hatte: seinen Versuch, die Bundesrepublik ganz auf die französische Seite zu ziehen. War im Juli Bundeskanzler Adenauer der vornehmliche Adressat dieses Bemühens gewesen, so wandte sich de Gaulle nun, im September 1962, direkt und kraftvoll an das deutsche Volk. Im Vorfeld des de Gaulle-Besuchs richtete Adenauer ein Schreiben an Präsident Kennedy, in dem der Kanzler zum einen den Nutzen seiner Unterredungen mit dem französischen Staatspräsidenten für den Westen insgesamt betonte, zum anderen aber nochmals seiner nun in Washington bereits notorischen Skepsis bezüglich des Fortgangs der EWG-Beitrittsverhandlungen Ausdruck verlieh: „Vom 4. bis 9. September kommt nun Herr de Gaulle in Erwiderung 67
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JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 7/1/62-7/31/62: Gavin (Paris) an Secretary of State, 7.7.1962. Ebd. Ebd. Ebd. Vgl. ebd.
3. Kennedys „Grand Design"
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meines Besuchs in Frankreich nach Deutschland. Im Programm sind mehrere längere Unterredungen unter vier Augen zwischen ihm und mir vorgesehen. Ich glaube, daß sie einen sehr guten Verlauf für Frankreich, Deutschland und für Europa haben werden. Ich hoffe sehr, daß unsere Unterredungen sich auch auf unser alle gemeinsame Interessen günstig auswirken werden. Wie die Verhandlungen betreffend den Eintritt Großbritanniens in die EWG verlaufen werden, läßt sich noch nicht übersehen. Die Frage der Commonwealth-Staaten ist sehr schwierig."72 Um eventuellen amerikanischen Bedenken hinsichtlich einer einseitigen Anlehnung der Bundesrepublik an Frankreich entgegenzuwirken, fügte er hinzu: „Seien Sie bitte überzeugt davon, daß die Freundschaft mit den Vereinigten Staaten das feste Fundament meiner Politik ist aus rationalen Erwägungen, aber auch aus einem Gefühl der tiefen Dankbarkeit." 73 In Washington herrschte offensichtlich trotz des demonstrativ herzlichen deutsch-französischen Einvernehmens die Einschätzung vor, daß sich die Bundesrepublik, in der Erkenntnis, daß ihre Sicherheit letztlich nur von den USA garantiert werden könne, auch künftig nicht aus der Verbindung mit den Vereinigten Staaten lösen werde: „The West Germans realize that the viability of the West German state and the integrity of its territory are dependent directly as well as ultimately upon the US security guarantee, irrespective of the medium throught which it is applied. Consequently, they are not prepared to have this commitment diluted or left ambiguous for the sake of any conceivable advantage to be derived from cooperating with France in a program to establish an independent European power center. Rather they will attempt, as in the past, to use their influence with the French to resolve differences within the alliance, or at least to ameliorate the divisive effect of these differences by shifting the focus of discussion from issues of principle to the technical plane, where they may become more readily subject to management through the process of compromise." 74 Der Bundeskanzler selbst, stärker als andere deutsche Politiker, übe sich zwar als Advokat enger deutsch-französischer Beziehungen, doch habe er dem Prinzip der deutsch-französischen Zusammenarbeit noch niemals Vorrang gegenüber der Einbindung der Bundesrepublik in die NATO und der deutsch-amerikanischen Partnerschaft eingeräumt. 75 Diese Analyse aus dem State Department lag in der Situation des Sommers 1962 richtig und falsch zugleich. Richtig war in der Tat, daß Adenauer trotz aller Krisen und Spannungen zwischen Bonn und Washington und trotz des Einvernehmens mit de Gaulle keinen Zweifel an der für die Bundesrepublik vitalen 72
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JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder Germany - General, 5/62-8/62: Schreiben Adenauers an Kennedy (deutsch), 23.8.1962. Ebd. JFKL, NSF, Countries, Box 75-81, Folder Germany - General, 8/3/62: Department of State, Research Memorandum, West Germany: Political and Economic Prospects, 3.8.1962. Vgl. ebd.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Bedeutung der Allianz mit den USA ließ. Die amerikanische Beurteilung verkannte jedoch, daß im Jahre 1962 nicht mehr alle Schienen der transatlantischen Beziehungen parallel verliefen, daß eben nicht mehr in allen transatlantisch relevanten Politikbereichen, in der Sicherheits-, der Wirtschafts-, der Integrations-, der Berlin-, Deutschland- und Ostpolitik, ein Gleichklang der Interessen, wie noch in den fünfziger Jahren, vorherrschte. Dazu hatte sich das politische und ökonomische Gewicht der Bundesrepublik zu sehr erhöht, dafür hatte auch insbesondere die Kennedy-Administration integrationspolitische Interessen anderen politischen Prioritäten, beispielsweise im Verhältnis zur Sowjetunion, untergeordnet. Wie in den fünfziger Jahren betrieb die Bundesregierung auch 1962 deutsche Interessenpolitik. Nur sah Bonn jetzt, anders als im voraufgegangenen Jahrzehnt, zur Beförderung seiner politischen Interessen nicht mehr ausschließlich in den USA den geeigneten und potenten Partner. Aus einer umfassenden Interessenidentität war eine partielle Interessenkongruenz geworden, in der Bonn politische Unterstützung nicht mehr nur am Potomac, sondern in verstärktem Maße auch an der Seine fand. Die politischen Gespräche, die der französische Staatspräsident und der deutsche Bundeskanzler am 5. und 6. September 1962 führten, bestätigten die deutsch-französische Übereinstimmung hinsichtlich eines noch engeren Zusammenschlusses und die gemeinsame Ablehnung des britischen EWG-Beitritts. 76 In greifbare Nähe zu rücken schien nun eine Formalisierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit. In seiner Tischrede in Schloß Augustusburg am 4. September 1962 hatte de Gaulle den französischen Wunsch nach einem bilateralen Zusammenschluß unterstrichen und vier Gründe dafür angegeben: „Weshalb wollen wir einen solchen Zusammenschluß? Zunächst, weil wir zusammen und direkt bedroht sind. ( . . . ) Diesen Zusammenschluß wollen wir ferner, weil die Allianz der freien Welt, mit anderen Worten, die gegenseitige Verpflichtung Europas und Amerikas, auf lange Sicht ihr Selbstvertrauen und ihre Dauerhaftigkeit nur bewahren kann, wenn es auf dem alten Kontinent einen Damm der Macht und des Wohlstands, ähnlich dem der Vereinigten Staaten auf dem neuen Kontinent, gibt. Ein derartiger Damm kann aber nur auf der Grundlage der Solidarität unserer beiden Staaten errichtet werden. Diesen Zusammenschluß wollen wir ebenfalls mit Aussicht auf eine Entspannung und, sodann, auf eine internationale Verständigung, die es ganz Europa gestatten würden, nach Beendigung des herrschsüchtigen Strebens einer überholten Ideologie im Osten, sein Gleichgewicht, seinen Frieden, seine Entwicklung vom Atlantischen Ozean bis zum Ural herzustellen unter der zwingenden Bedingung, daß eine lebensvolle und starke europäische Gemeinschaft im Westen betrieben wird. ( . . . ) Diesen Zusammenschluß wollen wir schließlich ( . . . ) wegen der unermeßlichen Aufgabe des wissenschaftlichen, technischen, wirt-
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Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen, 1959-1963, S. 177-184.
3. Kennedys „Grand Design"
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schaftlichen, sozialen und kulturellen Vorankommens (.. .)." 77 Die beiden ersten Argumente richteten sich klar gegen die USA. Seit 1958 hatte de Gaulle betont, daß die Bedrohung der Vereinigten Staaten eine andere sei als die der westeuropäischen Staaten und daß sich die Europäer darum eben nicht auf die Sicherheitsgarantien der USA verlassen könnten. Der „Damm der Macht und des Wohlstands auf dem alten Kontinent" meinte nichts anderes als die Europäisierung Europas, die Absage an eine transatlantische Gemeinschaft zugunsten der französisch dominierten „Dritten Kraft Europa". Darauf bezog sich auch das dritte Argument, in dem die gaullistische Formel des „Europa vom Atlantik bis zum Ural" auftauchte, das keinen Platz bot für die USA, gleichzeitig aber auch lediglich Rußland als europäische Macht akzeptierte, nicht die vom „herrschsüchtigen Streben einer überholten Ideologie" geprägte Sowjetunion. 78 Zum europäischen Gleichgewicht gehörte für de Gaulle die deutsch-französische Allianz. 1960 äußerte er gegenüber Chruschtschow, 1964 gegenüber Kossygin: „Wenn das deutsche Volk je das Lager wechseln sollte, so wäre das Gleichgewicht in Europa gestört und der Krieg nicht weit." 79 Der Weg zu diesem freien und gleichgewichtigen Europa könne, so de Gaulle in seiner Tischrede, über die politische Zusammenarbeit der sechs westeuropäischen Staaten führen. Alle Voraussetzungen dafür lägen vor. Wenn freilich der Zusammenschluß im Sechserrahmen nicht möglich sei, dann sollten Bonn und Paris vorangehen: „Aber Deutschland und Frankreich haben ( . . . ) jeden Grund, da sie sich ja über das Prinzip (der politischen Zusammenarbeit; ec) und die Durchführung dieses entscheidenden Werkes einig sind, ohne noch länger zu zögern, ihre eigene Verbundenheit zu verstärken. Wenn sie dies tun, so können sie die Gewißheit haben, Europa und der Freiheit der Welt einen guten Dienst zu leisten." 80 Konrad Adenauer betonte im Gespräch unter vier Augen, wie sehr er mit de Gaulies Rede einverstanden gewesen sei81 und sprach sich aus „für eine präzise und feste Abmachung zwischen Frankreich und Deutschland, die diese beiden Völker dauerhaft verbinde und eine konsequente und abgestimmte Politik, vor allem hinsichtlich des Ostens, ermögliche." 82 Es solle ein deutsch-französisches Abkommen geschlossen werden, „das zwar nicht an die große Glocke gehängt zu werden brauche, das aber in
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Tischrede des französischen Staatspräsidenten, Charles de Gaulle, auf Schloß Brühl am 4.September 1962, abgedruckt in: EA 19/1962, S.D 455f. Zur Konzeption des „Europa vom Atlantik zum Ural" bei de Gaulle vgl. Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S.429-517; Lacouture, Jean, De Gaulle, Bd. 3, S.382^t05; Lucas, Hans-Dieter, Europa vom Atlantik bis zum Ural; Weisenfeld, Ernst, Charles de Gaulle, S.26-33. Zit. nach: Weisenfeld, Ernst, Charles de Gaulle, S.33. Tischrede de Gaulles am 4.9.1962, s.o., Anm. 77, S.D 456. Vgl. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S. 178. Ebd.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
der Praxis funktioniere." 83 So kamen die beiden überein, die deutsch-französische Zusammenarbeit in „Form einer Niederschrift durch Briefwechsel" zu formalisieren, ohne diese zu veröffentlichen. 84 Mit dieser Abmachung begann am 5. September 1962 die unmittelbare Vorgeschichte des deutsch-französischen Vertrags vom 22. Januar 1963. Der zweite Teil des de Gaulieschen Staatsbesuchs, seine Besuche in Köln, Düsseldorf, Duisburg, Hamburg, München, Stuttgart und Ludwigsburg, glich einem Triumphzug durch Deutschland. Seit 1945 hatten die Deutschen keinem ausländischen Staatsgast, ja keinem deutschen Politiker so zugejubelt wie de Gaulle. Und der General, geschickt und eindringlich an die Emotionen der Massen appellierend, wußte, daß er angesichts der schwächer werdenden Position des Bundeskanzlers und der zunehmenden, auch innerparteilichen Opposition gegen dessen Frankreichpolitik die Meinung des deutschen Volkes als Trumpfkarte ins Spiel bringen mußte. Bei seinen öffentlichen Auftritten verausgabte sich der Präsident bis an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit.85 In der Tat diente die Deutschlandreise de Gaulles „der psychologischen Vorbereitung der Durchführung seiner Idee eines deutsch-französischen Bündnisses", wie Botschafter Blankenhorn Außenminister Schröder vor dem Besuch warnte. 86 Doch Adenauer brauchte nicht mehr vorbereitet zu werden. Er drängte mehr, als er gedrängt werden mußte. Die deutsche Bevölkerung jedoch, „das große deutsche Volk", wie de Gaulle schon in seiner ersten Rede in Bonn betonte, hatte der Franzose auf seine Seite gezogen. Freilich: Berlin blieb aus dem Programm der Visite ausgeklammert. Und hier war es, wo ein Jahr später John F. Kennedy seinen deutschen Triumph feiern sollte, die Wiederherstellung der emotionalen Bindung zwischen Deutschen und Amerikanern ihren Ausgang nehmen sollte. Kennedy erkannte 1963, was de Gaulle 1962 bewußt oder unbewußt ignorierte: wie offen und brennend noch immer die Wunden waren, die die Teilung, augenfällig in Berlin, den Deutschen geschlagen hatte. 87 Abgesehen von der US-Botschaft in Bonn und durch die Medien wurde Washington von NATO-Oberbefehlshaber General Lauris Norstad und den Pariser Botschafter Gavin über den Staatsbesuch informiert. Während Adenauer Norstad großes Vertrauen schenkte und sich häufig mit ihm austauschte, pflegte de Gaulle ein vergleichsweise gutes Verhältnis zu James Gavin, einem ehemaligen General, den er noch aus der Kriegszeit kannte. Gavin zeigte immer wieder Verständnis für die Position de Gaulles. Norstad war einer der 83 84
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Ebd. Vgl. ebd., S.178f.; siehe auch Schwarz, Hans-Peter, Le président de Gaulle, le chancelier fédéral Adenauer et la genèse du traité de l'Elysée, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S.364-373, hier S.368. Vgl. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S. 141; Loch, Theo M., Adenauer - d e Gaulle, S. 116. Zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.764. Vgl. hierzu Maillard, Pierre, De Gaulle und Deutschland, S.226f.
3. Kennedys „Grand Design"
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Fürsprecher einer stärkeren Europäisierung der NATO, unter anderem durch eine Ausweitung der nuklearen Partizipation. Beide hatten sich mehrfach für amerikanische Hilfe beim Aufbau der Force de frappe ausgesprochen. Beide wurden 1962 abgelöst und durch die Kennedy-Loyalisten General Lemnitzer als SACEUR und Charles Bohlen als Botschafter in Paris ersetzt. Weder Adenauer noch de Gaulle waren mit diesem Revirement einverstanden. 88 Versicherungen aus Washington vermochten daran direkt wenig zu ändern. 89 Gegenüber General Norstad und NATO-Generalsekretär Dirk Stikker betonte Adenauer am 16. September 1962 deutlich die Notwendigkeit enger deutsch-französischer Beziehungen: „Within Europe this is 'the' fundamental relationship." Einmal mehr führte Adenauer, wie schon gegenüber anderen amerikanischen Gesprächspartnern, den Faktor Sowjetunion ins Feld: „ ( . . . ) to emphasize his point that France and Germany must be so thoroughly integrated that they cannot separate to an extent that would permit either one to join Russia against the other." 90 Darüber hinaus äußerte der Kanzler Verständnis für den britischen Wunsch, sich nun Europa anzuschließen: „Adenauer said it was obvious UK was interested in Common Market and political association with Europe because of their traditional position that they wish to participate in centers of power. It was now clear that Europe was developing into such a position. ( . . . ) Chancellor stated UK's purpose now is to assure at least a position from which she could contend for leadership in Europe." 91 Bezüglich des britischen EWGBeitritts äußerte sich der Kanzler abermals skeptisch. Die Europäer würden wohl keine weiteren Konzessionen mehr machen. 92 Wie sehr de Gaulle von seiner Deutschlandreise beeindruckt gewesen sein muß, vermittelt eine Gesprächsnotiz von Botschafter Gavin. De Gaulle habe von einer Explosion des guten Willens der deutschen Bevölkerung gegenüber Frankreich gesprochen und von einem tiefen Wunsch der Deutschen nach deutsch-französischer Annäherung. Auch de Gaulle bemühte das Argument 88
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Vgl. zum Beispiel Adenauers Äußerungen vor dem Vorstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 20.8.1962: „Der Bundeskanzler kritisierte dann die Art der Ernennung General Lemnitzers, die de Gaulle zu einem offiziellen Protest bei den Amerikanern veranlaßt habe. Lemnitzer gelte als guter Soldat, ihm fehle aber die Europa-Erfahrung. Die strategische Konzeption Taylors (General Maxwell Taylor war als Nachfolger Lemnitzers Vorsitzender der Vereinten Stabschefs der USA (JCS) geworden und vertrat zusammen mit McNamara die These einer durch Konventionalisierung flexibleren Strategie; ec), die in seinem Buch von der Uncertain Tromte (sie!) niedergelegt sei, bezeichnete der Kanzler als gefährlich." ACDP, VIII-001, 1503/4, Protokoll, CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sitzung des Fraktionsvorstands, 20.8.1962. In einem persönlichen Schreiben versuchte Kennedy den Kanzler bezüglich der Personalveränderungen zu beruhigen. Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany Security, 1/62-9/62; Schreiben Kennedys an Adenauer, 16.8.1962. JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 9/19/62-9/30/62: Gavin (Paris) an Secretary of State, 20.9.1962 (1). Ebd. Vgl. ebd.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Sowjetunion: „The Germans will be far less susceptible to other blandishments." 93 Aus allen Einschätzungen, Berichten und Informationen mußte die Regierung in Washington zwei Schlüsse ziehen: daß zum einen die britische EWG-Mitgliedschaft noch keineswegs gesichert war und neben de Gaulle auch Adenauer Bedenken dagegen anmeldete; und daß zum anderen die deutschfranzösische Zusammenarbeit sich künftig noch weiter intensivieren würde. Doch noch zog Washington nicht die Folgerung, die de Gaulle schon längst gezogen hatte, wonach ein institutionalisiertes deutsch-französisches Bündnis nicht mehr in, sondern neben der und gegen die Atlantische Allianz entstehen könnte. Noch im Oktober 1962 war das Washingtoner Urteil deutlich positiv. Ein Memorandum Rusks an Kennedy konstatierte: „As long as we are not confronted with a closed French-German system (and there is at present no reason to assume that we are) we should welcome this development because intimate French-German relations are a sine qua non for greater European integration. General de Gaulle's spectacular visit to Germany has certainly been a great and lasting contribution to French-German reconciliation." 94 Das Argument Adenauers, daß Frankreich und Großbritannien um die Führung Europas wetteifern würden, entkräftete McGeorge Bundy am 2. Oktober 1962 in Bonn. Bundy, der amerikanisches Machtbewußtsein ausstrahlte und von der Konzeption der Hegemonie durch Integration keinen Deut abwich, gab dem Kanzler zu bedenken: „Während der nächsten 15 Jahre wird ohnehin keines dieser drei Länder (Großbritannien, Frankreich oder die Bundesrepublik; ec) die Führungsmacht in Europa sein, sondern das werden die USA sein." 95 So war die Administration offenbar auch nicht in Sorge über die eilropapolitische Entwicklung im allgemeinen und die Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen im besonderen. Und bevor zudem die amerikanische Regierung die Entwicklung in Europa weiter auswerten und die Perspektiven der deutschfranzösischen Beziehungen einer näheren Analyse unterziehen konnte, welche auch die Folgen einer formalisierten deutsch-französischen Zusammenarbeit hätte evaluieren können, konzentrierten dramatische Vorgänge vor der Haustür der USA, in der Karibik, die gesamte Kraft und Aufmerksamkeit Washingtons auf ein Ereignis: die Kuba-Krise. 96 93
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JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 9/19/62-9/30/62: Gavin (Paris) an Secretary of State, 20.9.1962 (2). JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, D e Murville Talks, 10/9/62: Memorandum for the President, 8.10.1962 (Hervorhebung im Original). Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S. 148 (Tagebucheintragung vom 2.10.1962). Zur Kuba-Krise vgl. ausführlicher: Kennedy, Robert F., A Thirteen Days. A Memoir of the Cuban Missile Crisis, New York 1968; Bundy, McGeorge, Danger and Survival, S. 391—461; Nitze, Paul H., From Hiroshima to Glasnost. At the Centre for Decisions - A Memoir, London 1989, S.214-238; Schlesinger, Arthur M., S.662-682; Blight, James G./Welch, David A . , On the Brink: Americans and Soviets Reexamine the Missile Crisis, New York 1989; Greiner, Bernd, Kuba-Krise. 13 Tage im Oktober, Nördlingen 1988.
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II.3.3. Nassau und die Folgen: Das Scheitern des „Grand Design" Die Stationierung nuklearer Mittelstreckenraketen durch die Sowjetunion auf Kuba ließ die Welt für 13 Tage an den Rand eines atomaren Krieges treten. Am M.Oktober 1962 hatten amerikanische Aufklärungsflugzeuge die Installation der Raketen auf der Karibikinsel entdeckt und dokumentiert. Am 22. Oktober informierte Präsident Kennedy die Weltöffentlichkeit von der Situation. Am 28. Oktober erklärte die Sowjetunion den Abzug der Waffen. Amerikanische Festigkeit und entschiedene, jedoch nicht übertriebene Gegenmaßnahmen wie die Seeblockade Kubas, verbunden mit einer Lösung, die Moskau das Gewicht zu wahren half durch den gleichzeitigen Abzug alter amerikanischer Jupiter-Raketen aus der Türkei, die schon seit langem hatten entfernt werden sollen, führten zur Beilegung dieser dramatischsten Krise des Kalten Krieges. Innerhalb der Atlantischen Allianz schuf die Kuba-Krise für wenige Tage das, was Kennedys „Grand Design" nicht vermocht hatte: die uneingeschränkte transatlantische Bündnissolidarität. Doch hinter den Loyalitäts- und Solidaritätsbekundungen der drei europäischen Hauptalliierten Großbritannien, Frankreich und der Bundesrepublik verbarg sich neues Spannungspotential für die amerikanisch-europäischen Beziehungen. Macmillan, de Gaulle und Adenauer wurden von Kennedy schriftlich und von seinem Sonderbeauftragten wieder einmal Dean Acheson - mündlich über die Lage und die amerikanischen Maßnahmen informiert. 97 Von Konsultation, von einer europäisch-amerikanischen Abstimmung des Verfahrens konnte keine Rede sein. Macmillan interpretierte die amerikanische Pseudo-Konsultation in einem Akt politisch gebotener Selbsttäuschung: „ ( . . . ) we were 'in on' and took füll part in ( . . . ) every American move." 98 Adenauer versicherte Washington der vollen deutschen Unterstützung, kritisierte aber gegenüber US-Botschafter Dowling die Tatsache, daß die USA „weder die Gefahr rechtzeitig erkannt noch nachher eine Bodeninspektion" durchgesetzt hätten. 99 Darüber hinaus hielt er die Seeblockade für ein nicht ausreichendes Druckmittel und dachte laut über eine Bombardierung und Invasion Kubas nach.100 De Gaulle ließ Acheson konstatieren, daß er nach Paris gekommen sei, um zu informieren, nicht um zu konsultieren. Danach bekundete er dem Beauftragten Kennedys volle französische Solidarität.101 Während die amerikanische Euphorie nach der Krise sich offensichtlich auch auf die Europapolitik niederschlug - möglicherweise in falscher Einschätzung des deutschen und des französischen Verhaltens wäh97
Vgl. hierzu Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.679f.; Costigliola, Frank, The Failed Design, S.243f. 98 Macmillan, Harold, At the End of the Day, 1961-1963, London 1973, S.216 (Tagebucheintrag vom 4.11.1962). 99 Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S. 199. 100 Vgl. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Heizens", S. 152. 101 Vgl. Costigliola, Frank, The Failed Design, S.244.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
rend der Oktobertage - , bestätigten die Ereignisse Adenauers Urteil, daß Washington die kommunistische Bedrohung nicht mehr ernst genug nehme. 102 Für de Gaulle bewies die Krise, daß die USA im Zweifelsfall ihre Interessen ohne Abstimmung mit und ohne Rücksicht auf die Bündnispartner durchsetzen würden, was der Historiker Frank Costigliola in die Worte gefaßt hat: „As America faced the Soviet Union over Cuba, Europe faced annihilation without representation." 103 So bestärkte die Kuba-Krise den französischen Präsidenten in seiner europa- und bündnispolitischen Linie. Während er den britischen Beitritt nun für noch weniger opportun hielt, mußte für ihn die deutsch-französische Verbindung als Gegengewicht zum anglo-amerikanischen Block noch wichtiger werden. Die letzte Bestätigung seiner Haltung entnahm der General seinen Unterredungen mit Macmillan am 15./16.Dezember 1962 in Rambouillet sowie vor allem der Begegnung Kennedy - Macmillan auf den Bahamas und der Vereinbarung von Nassau am 18. bis 21. Dezember 1962. Der anglo-amerikanische Gipfel auf den Bahamas war bereits das dritte Gipfeltreffen des Spätherbstes 1962. Begonnen hatte der Reigen der Spitzenbegegnungen mit einem Besuch Adenauers bei Kennedy am 14./15. November 1962. Dieser war geprägt von der Hochstimmung in den USA, aber auch im Westen insgesamt, nach dem Ende der Kuba-Krise. Deutsch-amerikanische Meinungsunterschiede in der Frage der NATO-Strategie - Kennedy forderte eine stärkere Konventionalisierung, Adenauer predigte die weitere Nuklearisierung der Verteidigungskräfte - bestanden weiter, schienen aber die Atmosphäre nicht zu belasten. 104 Dem auf eine EWG-Aufnahme Großbritanniens drängenden Kennedy gab Adenauer ausweichende Antworten; er ließ sich nicht festlegen.105 Freilich war der Bundeskanzler im November 1962 auch schlechterdings nicht in der Lage, sich in eine neue, scharfe Auseinandersetzung mit der Kennedy-Administration zu begeben. In Bonn nämlich verlangte die Spiegel-Krise, die am 26. Oktober 1962 mit der Durchsuchung der Spiegel-Redaktion begonnen hatte und die sich zu einer ausgewachsenen Regierungs- und Koalitions-, ja Staatskrise entwickeln sollte, die volle Kraft und Aufmerksamkeit des Kanzlers. Der britische Premier Harold Macmillan traf am 15./16. Dezember 1962 auf einen politisch gestärkten Charles de Gaulle. Nach der Lösung der Algerien102
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Dies hatte der Kanzler am 16.9.1962 bereits Stikker und Norstad zu verstehen gegeben. Vgl. JFKL, Gavin (Paris) an Secretary of State, 20.9.1962 (1), s.o., Anm. 90. Vor dem CDU-Bundesvorstand äußerte Adenauer am 22.11.1962: „Alles in allem genommen hat die Kuba-Krise nach meinen Eindrücken und auch nach dem Eindruck meiner Freunde auf die Vereinigten Staaten sehr gründlich eingewirkt, um wach zu werden." ACDP, VII-001, 011/5, Sitzung des CDU-Bundesvorstands, 22.11.1962, S.78 Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.47. Zum Adenauer-Besuch in Washington vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.773f. Dies zumindest teilte der Kanzler am 20.11.1962 de Gaulle in einem Brief mit. Vgl. ebd. S.774.
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frage im Frühsommer 1962 hatten die Franzosen nicht nur Anfang November 1962 mit deutlicher Mehrheit der Volkswahl des Staatspräsidenten zugestimmt; Ende des Monats hatten die Gaullisten bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit errungen. Macmillan hingegen schien - nach sechs Amtsjahren - innenund außenpolitisch angeschlagen. Am 10. Dezember 1962 hatte US-Verteidigungsminister McNamara seinen britischen Amtskollegen Peter Thorneycroft über Probleme bei der Entwicklung der Skybolt-Rakete informiert. London hatte schon 1960 zugunsten des amerikanischen Skybolt-Systems auf die Herstellung einer eigenen nuklearen Trägerwaffe verzichtet. Nun war zu befürchten, daß die USA die Skybolt-Entwicklung einstellen würden. Ein Ersatzangebot unterbreitete McNamara nicht. Deutlicher konnte die britische Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten kaum demonstriert werden. 106 Macmillan wußte zudem im Dezember 1962 nur zu genau, wie unsicher der britische EWG-Beitritt noch immer war, und wie sehr die Aufnahme Großbritanniens von der Befürwortung durch de Gaulle abhing. Als de Gaulle Macmillan die Entwicklung einer gemeinsamen britisch-französischen Trägerrakete anbot, wich der Premierminister aus und verwies darauf, daß er in Nassau die USA um die U-Boot-gestützte Polaris-Rakete als Skybolt-Ersatz bitten werde. Gleichzeitig betonte er nachdrücklich das Interesse Londons an einem möglichst raschen EWG-Beitritt. 107 Zu einer Annäherung zwischen Paris und London kam es nicht. Wahrscheinlich wäre für Macmillan das Eingehen auf das französische Kooperationsangebot die letzte Möglichkeit gewesen, die Türe nach Europa zu öffnen. Doch de Gaulle mußte aus den Unterredungen in Rambouillet den Schluß ziehen, daß Großbritannien nicht bereit war, zugunsten europäischer Optionen die special relationship mit den USA aufzugeben oder auch nur zu lockern. Macmillan wollte beides: die special relationship und den Anschluß an Europa. Genau dies aber wiedersprach der Politik de Gaulies, ja bestätigte seine seit Jahren gehegten Ressentiments gegen den britischen EWG-Beitritt. Doch wenn sich der französische Präsident nicht schon nach Rambouillet zu seinem Veto entschloß, so mußte der anglo-amerikanische Gipfel in Nassau den letzten Ausschlag geben. 108 In Nassau, wo nach Einschätzung des amerikanischen Delegationsmitglieds George Ball das vermutlich am schlechtesten vorbereitete Gipfeltreffen dieser 106
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Vgl. Costigliola, Frank, The Failed Design, S.246; Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S. 104-106. Vgl. Costigliola, Frank, The Failed Design, S.246; vgl. auch den Bericht, den de Gaulle Adenauer über das Treffen vom Rambouillet gab, in: Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S.202. Zum anglo-amerikanischen Gipfel und dem sog. Nassau-Abkommen vgl. insbesondere die von Präsident Kennedy in Auftrag gegebene und später publizierte Studie von Richard E. Neustadt, Alliance Politics, New York/London 1970. Vgl. ferner Pierre, Andrew, Nuclear Politics. The British Experience with an Independent Strategie, Force 1939-1970, London 1972; Ball, George W., The Past Has Another Pattern; Nunnerly, David, President Kennedy and Britain, London 1972.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Jahre stattfand, 109 konfrontierte die Skybolt-Problematik Kennedy mit der Notwendigkeit einer politischen Richtungsentscheidung. Die Situation zwang den Präsidenten, „to choose between those in his own government whose main interest lay in transforming Western Europe, including Britain, into a unified political and economic entity and those whose main interest lay in guarding the Anglo-American special relationship and integrity of the deterrent." 110 Die klare Option der Washingtoner Führung jedoch blieb aus. Noch während des Flugs auf die Bahamas entstand, offensichtlich ausgehandelt zwischen Kennedy und dem mit ihm befreundeten britischen Botschafter David Ormsby-Gore, ein großzügiges amerikanisches Angebot, demzufolge die USA London die Fortsetzung des Skybolt-Programms zusagten, allerdings unter Übernahme von 50 Prozent der Kosten durch Großbritannien. Macmillan lehnte ab.111 Der Premier forderte die Polaris-Rakete als Ersatz, gleichzeitig jedoch die vollständige Aufrechterhaltung der britischen nuklearen Unabhängigkeit. Bereits im Februar 1962 hatte Kennedy Macmillan davon zu überzeugen versucht: „ ( . . . ) that a British effort to maintain its deterrent through the sixties might both confirm de Gaulle in his own course and hasten the day when the Germans would demand nuclear weapons for themselves." 112 Und auch jetzt befragte der Präsident Macmillan nach möglichen Auswirkungen eines Polaris-Abkommens für die EWG-Beitrittsverhandlungen. Der Premier, in ungebrochenem Willen, Polaris zu erhalten, verwies darauf, daß in Brüssel nur noch wenige landwirtschaftliche Fragen zu klären seien. Außerdem habe er de Gaulle in Rambouillet über sein Vorgehen informiert, und der General erwarte, daß Großbritannien einen Skybolt-Ersatz erhielte. 113 Die Einwände der „Europäer" 114 , unter ihnen George Ball, Assistant Secretary of State for European Affairs, William Tyler, und der Washingtoner Botschafter in London, David Bruce, führten schließlich nach mehreren Runden offensichtlich unstrukturierter und unkoordinierter Verhandlungen zu einem klassischen Kompromiß: Großbritannien erhielt die Polaris-Rakete. Zwar versprach London, diese in eine noch zu schaffende multilaterale Nuklearstreitmacht der NATO einzubringen: „The purpose of their two governments with respect to the provision of the Polaris missiles must be the development of a multilateral NATO nuclear force in the closest consultation with other NATO allies. They will use their best endea-
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Ball, George W., The Past Has Another Pattern, S.265. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S. 714. In der Skybolt-Frage traten in der Tat die von Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, durchgängig konstatierten beiden europapolitischen Ansätze in Washington in unmittelbaren Widerstreit und verlangten eine präsidentielle Entscheidung. Vgl. Neustadt, Richard E., Alliance Politics, S.50f.; Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache, S. 91-97. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.708. Vgl. Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S. 111. Vgl. JFKL, OH William Tyler, S.8.
3. Kennedys „Grand Design"
255
vours to this end." 115 Doch die Vereinbarung von Nassau - in „meisterhafter Zweideutigkeit" 116 - enthielt ebenfalls eine Klausel, welche die MLF-Option gleichsam entwertete: „The Prime Minister made clea r that, except where H.M. Government may decide that supreme national interests are at stake, these British forces will be used for the purposes of international defence of the Western Alliance in all circumstances", hieß es im Kommuniqué des Gipfels.117 Für de Gaulle, von Kennedy über die Nassauer Gespräche und deren Ergebnisse informiert, war die Entscheidung Macmillans ausschlaggebend: „Dies sei charakteristisch. England wolle die besonderen Beziehungen zu Amerika. Das sei seine Politik, der es alles opfere, was es für nötig halte. Darüber müsse man sich vollkommen im klaren sein. Jedesmal, wenn die Amerikaner anders dächten als die Europäer, würden die Engländer nicht so denken wie die Europäer, sondern wie die Amerikaner. Dies sei heute eine Tatsache, an der sich auch morgen nichts ändern werde." 118 Zu einer Zeit, zu der es sich eindeutig europäisch hätte integrieren müssen, machte London sich auf dem nuklearen Sektor technisch und politisch von den USA abhängig.119 Es war von nun an nur noch eine Frage der Zeit, wann der General die Fortsetzung der Brüsseler Verhandlungen der Sechs mit London blockieren würde. Washington hingegen war sich zwar des Schadens, der schweren Niederlage des „Grand Design", bewußt, den Nassau bezüglich der französischen Haltung zum britischen EWG-Beitritt angerichtet hatte, 120 doch man glaubte, Frankreich besänftigen zu können - in völliger Fehleinschätzung de Gaulles. In den Tagen nach Nassau schlugen die USA eine Doppelstrategie ein, die sich auf der einen Seite an Frankreich wandte, auf der anderen an die Bundesrepublik. Unmittelbar nach dem angloamerikanischen Gipfel richtete Kennedy am 21. Dezember 1962 ein dem Nassau-Abkommen vergleichbares Kooperationsangebot an Frankreich und verließ damit die bisherige Linie der US-Politik, der Force de frappe keine Unterstützung zuteil werden zu lassen.121 Freilich bezog sich das Angebot nur auf die Polaris-Rakete und nicht auf die für das Polaris-System notwendigen U-Boote und die nuklearen Gefechtsköpfe. Diese Beschränkung lieferte de Gaulle einen Vorwand für die Ablehnung. 122 Dahinter jedoch stand das viel schwerwie115 116 117 118
119 120
So das Nassau-Abkommen, abgedruckt in: Pierre, Andrew, Nuclear Politics, S.346Í. Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.721. S. ebd. So de Gaulle zu Adenauer am 21.1.1963; s. Adenauer, Konrad, Erinnerungen 1959-1963, S.202. Vgl. Hanrieder, Wolfram F., Germany, America, Europe, S.259. Vgl. Ball, George W., The Past Has Another Pattern, S.268; Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.721.
121
122
Vgl. auch den Entwurf eines weiteren Briefes an de Gaulle, den der neue US-Botschafter in Paris, Bohlen, Kennedy wenige Tage nach dem ursprünglichen Kooperationsangebot vorlegte. JFKL, POF, Countries, Box 116, Folder France - General, 1/63: From Ambassador Bohlen, o . D . Vgl. die Äußerungen Couve de Murvilles gegenüber dem amerikanischen Botschaftsrat in
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
gendere Argument: „Any arrangement which envisaged close linkage U.K. Europe - U.S. would result in all involved becoming americanized. Couve not opposed U.S. but wants Europe maintain own individuality."123 Während also Paris gegenüber der bilaterale Charakter eines möglichen Abkommens betont wurde, auch um der gaullistischen Idee der Gleichrangigkeit Englands und Frankreichs entgegenzukommen, entschloß sich nach Nassau Washington der Bundesrepublik gegenüber, den Gedanken einer multilateralen Atomstreitmacht (MLF) neu ins Spiel zu bringen. Zwar hatte Washington das MLFKonzept schon früher ventiliert, doch es stand außer Frage, daß es - trotz des Engagements der „Europäer" der Administration - nicht an der Spitze der europa- und sicherheitspolitischen Prioritätenliste stand. Mit der Wiederbelebung des MLF-Konzepts verfolgte Washington insbesondere gegenüber der Bundesrepublik mehrere Ziele, die allesamt in der Logik der europapolitischen Konzeption der Kennedy-Administration standen: Zunächst ging es darum, die nuklearen Ambitionen der Bundesrepublik, wenn sie sich schon nicht beseitigen ließen, zu kanalisieren und zu kontrollieren. Zum zweiten war es nach dem Nassau-Abkommen und der entsprechenden Offerte an Paris nötig, in irgendeiner Form den deutschen nuklearen Mitspracheforderungen entgegenzukommen. Beide Argumente gewannen dadurch an Gewicht, daß in de Gaulle ein potentieller - auch nuklearer - Partner der Bundesrepublik bereitstand, mit dem sich Bonn womöglich noch enger verbinden würde, sollte es nach der Berlin- und Deutschlandpolitik nun auch noch in der Nuklearpolitik von Washington enttäuscht werden. Schließlich bot die MLF, wenn sich die bisherige Politik der Nicht-Ausweitung des nuklearen Clubs in Reinform nicht realisieren ließ, ein probates Mittel, um die sicherheitspolitische Dominanz der USA Uber Westeuropa in indirekter, aber dennoch wirksamer Form zu verlängern. Mit einem persönlichen Schreiben an Adenauer, in dem Kennedy die Bereitschaft der USA erklärte, eine MLF aufzustellen, sandte der Präsident am 12. Januar 1963 George Ball zu Sondierungsgesprächen nach Bonn. 124 Neben der MLF schlug Kennedy Adenauer auch die Errichtung eines Exekutiv-Mechanismus innerhalb der NATO vor - mit der Bundesrepublik als ständigem Teilnehmer - zur Behandlung globaler Fragen. 125 Der Präsident griff damit im Grunde den Direktoriumsvorschlag de Gaulies von 1958 auf, gab ihm allerdings durch die Ausdehnung auf die Bundesrepublik eine andere Wendung. Dieser hätte de Gaulle, dem es ja auch mit dieser Initiative um die Festschreibung des Statusunterschieds zwischen Frankreich und der Bundesrepublik geParis, Cecil Lyon: JFKL, NSF, Countries, Box 71 A, Folder France - General, 12/8/ 123
124
125
62-12/26/62: Lyon (Paris) an Secretary of State, 24.12.1962. Ebd.; vgl. auch Alphand, Hervé, L'étonnement d'être. Journal 1939-1973, Paris 1977, S.389 (Tagebucheintrag vom 22.12.1962). Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 1/63-3/63: Schreiben Kennedys an Adenauer, 12.1.1963. S. ebd.
3. Kennedys „Grand Design"
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g a n g e n war, nie zustimmen k ö n n e n . Zunächst schienen sich die D i n g e j e d o c h in die v o n K e n n e d y g e w ü n s c h t e Richtung zu entwickeln. A m M o r g e n d e s 14. Januar 1963 hatte G e o r g e Ball ein erstes Gespräche mit A d e n a u e r , nach dessen A b s c h l u ß der Kanzler erklärte: „Sie h a b e n alle m e i n e Z w e i f e l beseitigt, Herr Ball. Ich bin ganz mit Ihren A u s f ü h r u n g e n einverstanden. H e u t e N a c h mittag wird m e i n e R e g i e r u n g ihre volle Unterstützung für Ihren Vorschlag verkünden." 1 2 6 D o c h die Ereignisse n a h m e n e i n e andere W e n d u n g , als d e Gaulle am gleichen Tag auf einer seiner inszenierten P r e s s e k o n f e r e n z e n nicht nur d e n Nassau-Vorschlag K e n n e d y s ablehnte, sondern auch die E W G - M i t gliedschaft Großbritanniens. Statt d e s s e n b e t o n t e er die nukleare U n a b h ä n g i g keit Frankreichs und die B e d e u t u n g der deutsch-französischen Partnerschaft als Kern der Europäischen U n i o n . 1 2 7 In geschickt arrangierter zeitlicher Koinzidenz hatte d e G a u l l e dabei auch d e n Bericht K e n n e d y s zur L a g e der N a t i o n v o m gleichen Tag konterkariert, in d e m der Präsident einmal mehr e n g e r e wirtschaftliche V e r b i n d u n g e n , damit auf d e n K o n n e x zwischen britischem E W G - B e i t r i t t und Trade Expansion
Act anspielend, gefordert und sich für ein
n o c h e n g e r e s N A T O - B ü n d n i s ausgesprochen hatte. 1 2 8 D o c h mit seiner Pressek o n f e r e n z hatte d e G a u l l e das „ G r a n d Design"
in seinen G r u n d f e s t e n erschüt-
tert. 1 2 9 Mit d e m A b b r u c h der Brüsseler Beitrittsverhandlungen, der d e m V e t o d e s französischen Präsidenten f o l g t e , war d e m T E A , der handelspolitischen 126 127
128 129
Zit. nach: Schertz, Adrian, Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S.192f. Pressekonferenz des französischen Staatspräsidenten, Charles de Gaulle, vom 14. Januar 1963, in Auszügen abgedruckt in: EA 4/1963, S.D 87-94. Die entscheidenden Passagen der Erklärungen de Gaulles lauten: „Es ist jedoch nicht unmöglich, daß Großbritannien sich eines Tages genügend umstellt, um ohne Einschränkungen und Vorbehalte gleich welcher Art der Europäischen Gemeinschaft beizutreten, in welchem Falle die Sechs ihm die Tür öffnen würden; Frankreich würde keine Einwände erheben, obwohl die bloße Teilnahme Großbritanniens an der Europa-Gemeinschaft deren Wesen und Umfang beträchtlich ändern würde. Es ist aber auch möglich, daß Großbritannien dazu noch nicht imstande ist, und diesen Schluß könnte man aus den so langen, unendlich langen Brüsseler Verhandlungen ziehen." „Mit anderen Worten, diese Angelegenheit (das Polaris-Angebot; ec) ist für uns, technisch gesehen, nicht aktuell. Außerdem entspricht sie nicht dem Grundsatz ( . . . ) , daß wir eine eigene Atomstreitmacht haben wollen. Wenn wir unsere Mittel in eine multilaterale Streitmacht unter fremdem Oberbefehl einbringen, würden wir diesem entscheidenden Grundsatz unserer Verteidigung und Politik zuwiderhandeln." „Dieser große Staatsmann (Adenauer; ec) hat niemals aufgehört zu glauben und zu proklamieren, daß die deutsch-französische Zusammenarbeit eine unbedingte Notwendigkeit für das Leben und die moderne Entwicklung beider Länder ist, daß sie die Voraussetzung und das Fundament für die Schaffung Europas ist und daß sie in der Gegenwart der Hauptfaktor der Sicherheit unseres Kontinents ist und vielleicht in Zukunft auch des Gleichgewichts und des Friedens zwischen den Nationen in Ost und West. Und da wir genau das gleiche denken, haben die Regierungen in Bonn und Paris keine große Mühe gehabt, sich zu einigen, um ihre Beziehungen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem Gebiet und demjenigen der Verteidigung auch in der Praxis enger zu gestalten." Vgl. Costigliola, Frank, The Failed Design, S.250. Im Gegensatz zu Costigliola, ebd., ist der Autor nicht der Meinung, daß das „Grand
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Säule des „Grand Design", das Fundament entzogen; mit dem französischen Beharren auf nuklearer Souveränität obendrein der sicherheitspolitischen Säule, denn das „Grand Design" war ja auf Kontrolle aller westlichen Nuklearstreitkräfte durch Washington und engere Integration der NATO aus; und schließlich zeichnete sich ab, daß mit der Intensivierung, ja Institutionalisierung der deutsch-französischen Beziehungen das westliche Lager in einen anglo-amerikanischen und einen deutsch-französischen Block auseinanderzufallen drohte und genau das Gegenteil dessen eintrat, was das Konzept der „Atlantic Community" eigentlich hatte erreichen wollen. In den Augen der Amerikaner mußte der Abschluß des deutsch-französischen Vertrages am 22. Januar 1963 in Paris diese Entwicklung bestätigen. Aus dem Gedanken eines Briefwechsels zur Formalisierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit vom September 1962 war bis zum Januar 1963 das Konzept eines Staatsvertrags geworden, 130 wobei die Initiative zu einem ratifikationsbedürftigen Vertrag von Adenauer ausging.131 Der Elysée-Vertrag selbst, der „Vertrag zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die deutsch-französische Zusammenarbeit", sah halbjährliche Konsultationen der Staats- und Regierungschefs vor, vierteljährliche der Außen- und Verteidigungsminister sowie eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf den Gebieten der Außen-, Verteidigungs-, Kultur- und Jugendpolitik. Besonders wichtig war die Absichtserklärung: „Die beiden Regierungen konsultieren sich vor jeder Entscheidung in allen wichtigen Fragen der Außenpolitik und in erster Linie in den Fragen von gemeinsamem Interesse, um so weit wie möglich zu einer gleichgerichteten Haltung zu gelangen." 132 Expressis verbis sollte sich die Konsultation dabei auf die Europapolitik, das Ost-West-Verhältnis allgemein und die Politik in internationalen Organisationen, darunter auch der NATO, beziehen. Der Elysée-Vertrag war auch für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ein entscheidender Einschnitt. Zwar hatten bereits nach dem 14. Januar in Washington die Alarmglocken geschrillt: Dean Acheson und John McCloy
130
131 132
Design" am 14.1.1963 gänzlich gescheitert war. Das Jahr 1963 sollte, wie zu zeigen sein wird, noch beachtliche Teilerfolge im Sinne des „Grand Design" zeitigen. Zur Entstehungsgeschichte des deutsch-französischen Vertrages vgl. Jansen, Thomas, Die Entstehung des deutsch-französischen Vertrages vom 22. Januar 1963, in: Konrad Adenauer und seine Zeit, Bd. 2, S.249-271; Schwarz, Hans-Peter, Eine Entente Elémentaire. Das deutsch-französische Verhältnis im 25.Jahr des Elysée-Vertrages, Bonn 1990, S.9-13; ders., Le président de Gaulle, le chancelier fédéral Adenauer et la genèse du traité de l'Elysée; ders. (Hrsg.), Adenauer und Frankreich, S. 10-61; Bariéty, Jacques, De Gaulle, Adenauer et la genèse du traité de l'Elysée du 22 janvier 1963, in: Institut Charles de Gaulle (Hrsg.), De Gaulle en son siècle, Bd. 5, S. 352-364. S. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.817. Vertrag zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die deutsch-französische Zusammenarbeit vom 22. Januar 1963, abgedruckt in: EA 4/1963, S . D 84-86, hier. S . D 84.
3. Kennedys „Grand Design"
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baten den Bundeskanzler telegraphisch, nicht nach Paris zu reisen. 133 Kennedy reagierte ungewöhnlich rasch auf Adenauers Einladung zu einem Deutschlandbesuch, einem „Arbeitsbesuch" wohlgemerkt, wie der Kanzler formulierte. 134 Doch eine Einschätzung der politischen Situation in Europa, die der Präsident just am 22. Januar 1963 vor dem Nationalen Sicherheitsrat vortrug, zeugte, wie schon in den Vormonaten, von Gelassenheit. Die Politik de Gaulles habe sich seit 1958 nicht verändert. Auch größeres amerikanisches Entgegenkommen hätte das französische Vorgehen nicht beeinflussen können. Für die deutschen Avancen des französischen Präsidenten gebe es eine einfache Erklärung: „Having been turned down by the U.S. and U.K. on the directorate (de Gaulles Direktoriumsvorschlag vom September 1958; ec), de Gaulle turned to Germany. This helps to keep Germany from looking to the Russians. It does threaten NATO which de Gaulle strongly opposes." 135 Zwar hätte ein britischer EWGBeitritt Europa gestärkt, und die USA hätten diese Stärkung Europas auch gegen ihre wirtschaftlichen Eigeninteressen befürwortet. Doch der Realpolitiker Kennedy fügte hinzu: „If France keeps Britain out, this will be a setback for us but a more severe setback for the U.K." 136 Das MLF-Konzept würden die USA weiterverfolgen: „ ( . . . ) a multilateral force will increase our influence in Europe and provide a way to guide NATO and keep it strong." 137 Eindeutig taucht hier auf sicherheits- und bündnispolitischem Gebiet der Hegemonialwillen der USA gegenüber Europa auf. Doch um den Erhalt des amerikanischen Einflusses war es Kennedy auch auf wirtschaftlichem Sektor zu tun. Die europäischen Staaten müßten die Bemühungen der USA zur Senkung ihres Zahlungsbilanzdefizits unterstützen, nicht durch wirtschaftspolitische Maßnahmen konterkarieren. Da jedoch die Europäer nicht mehr auf die Wirtschaftshilfe der USA angewiesen seien, seien sie diesbezüglich nicht mehr so leicht zu beeinflussen. 138 Die Analyse gerade dieser Ausführungen des Präsidenten zeigt, daß das „Grand Design" zwar gelitten hatte, daß Kennedy die Probleme realistisch einschätzte und auch die Hochstimmung der Zeit nach der KubaKrise verflogen war. Doch die europapolitischen Ziele der Administration wurden offenkundig weiterverfolgt. An einen Kurswechsel - in welche Richtung auch immer - war nicht gedacht. Auch nicht nach dem deutsch-französischen Vertrag, den das Weiße Haus in einer ersten Einschätzung als Erreichen 133 134
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136 137 138
Vgl. Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S. 187. Am 18.1.1963 ergangen, reagierte Kennedy auf Adenauers Einladung bereits am 19.1.1962 positiv. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 18.1.1963; sowie ebd., Schreiben Kennedys an Adenauer, 19.1.1963. JFKL, NSF, Meetings and Memos, Box 314, Folder NSC Meetings, No. 508, 1/2/63: Remarks of President Kennedy to the National Security Council Meeting of January 22, 1963. Ebd. Ebd. Vgl. ebd.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
des Ziels der von den USA seit Kriegsende verfolgten deutsch-französischen Aussöhnungspolitik bewertete. 139 Die Beurteilung dieser Aussöhnungspolitik war nicht frei von Ironie: „This reconciliation has been an object of American policy for many years - going back to a time when some Frenchmen favored instead a fragmentation of Germany into small states (this was de Gaulle's position from 1946 to 1948). "14° Doch Frankreich dürfe mit dem Vertrag nun nicht Zwietracht in der westlichen Allianz säen: „We value our close relations with France, as with other leading nations of the Free World. But neither we nor any other nation in NATO can afford to have our friendship used in a way that affects the legitimate interests of others. It remains to be seen whether this new arrangement will limit the ability of Germany to follow her own policy of close cooperation with other friends." 141 Die politische Entwicklung aber des Jahres 1962 bis zum 22. Januar 1963 war gekennzeichnet von einer Distanzierung der Bundesrepublik von den USA, die de Gaulle intendierte und Adenauer akzeptierte. Wollte Washington diesen Trend umkehren, dann bedurfte es einer Neubewertung der amerikanischen Europapolitik und insbesondere der Rolle Deutschlands darin wie auch forcierter Bemühungen zur Reintegration der Bundesrepublik. Die letzten Monate der Amtszeit Kennedys waren von diesem Ziel geprägt.
II.4. 1963 - Das Jahr der „Atlantiker" II. 4.1. Ein neuer Anlauf: Die Neuorientierung der amerikanischen Europapolitik 1963 In den Tagen und Wochen unmittelbar nach de Gaulles Pressekonferenz vom 14. Januar, dem Abschluß des deutsch-französischen Vertrages vom 22. Januar und dem Abbruch der Brüsseler Verhandlungen über den EWG-Beitritt Großbritanniens am 29. Januar 1963 schien die erste amerikanische Reaktion auf die Entwicklung in Europa gelassen und darum bemüht, nicht noch mehr politisches Porzellan zu zerschlagen. Als George Ball, einer der überzeugtesten „Europäer" der Administration, vorschlug, nicht nur die französische Politik zu kritisieren, sondern General de Gaulle persönlich anzugreifen, verweigerte Kennedy dem seine Zustimmung. 1 Gegenüber seinem außenpolitischen Berater Arthur Schlesinger äußerte der Präsident: „From a strictly economic viewpoint, we have known all along that British membership in the Common Market would be bad for us, so we are now better off. On the political side, our 139
Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - General, 1/63-6/63: The White House, Possible Comment on Franco-German Treaty, 23.1.1963. 140 Ebd. 141 Ebd. 1 Vgl. JFKL, OH Rusk, S. 193.
4. 1963 - Das Jahr der „Atlantiker"
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chief object was to tie Germany more firmly into the structure of Western Europe. Now de Gaulle is doing that in his own way." 2 Die Erklärungen des US-Außenministeriums nach dem 29. Januar 1962 enthielten sich jeder dramatischen Geste, bezeichneten den Abbruch der Verhandlungen lediglich als Verzögerung der europäischen Einigung und betonten die Kontinuität der amerikanischen Politik.3 Während also nach außen hin unaufgeregtes „business as usual" demonstriert wurde, bemühten sich intern State Department und insbesondere außenpolitische Beraterstäbe im Weißen Haus um eine Standortbestimmung und - auf deren Basis - eine Neubewertung der amerikanischen Europapolitik. 4 Eine von Kennedy selbst am 31. Januar 1963 diktierte 13-Punkte-Liste riß die Fragen an, welche die USA in den kommenden Monaten zu lösen hätten. Der Präsident erwähnte dabei u.a., ohne jeweils nähere Ausführungen zu machen, die Handels- und Zollverhandlungen mit der EWG, die Stabilität der belgischen Regierung (vor allem auf Grund der anti-gaullistischen Positionen Spaaks), die Zukunft des MLF-Projekts, die Möglichkeit einer bilateral deutsch-französischen Nuklearkooperation, die Chance einer französisch-russischen Abmachung, die Perspektiven für eine trilaterale Kooperation mit de Gaulle und den Zusammenhang von amerikanischen Verteidigungsanstrengungen und dem Zahlungsbilanzdefizit. 5 Ein Teil dieser Fragen tauchte in einem Schreiben wieder auf, in dem Kennedy am 4. Februar 1963 den amerikanischen Botschafter in London, David Bruce, einen Mann, der über langjährige Europa- und, als ehemaliger Botschafter in Bonn, auch Deutschlanderfahrung verfügte, um eine Analyse der amerikanischen Europapolitik und die Ausarbeitung von europapolitischen Optionen für die Zukunft bat. 6 Bereits am 9. Februar 1963 legte Bruce sein Ergebnis in Form eines zehnseitigen Berichts vor. Der Bruce-Report liefert wertvolle Erkenntnisse über die amerikanische Europapolitik 1963 und, in deren Zentrum, die deutsch-französischen Beziehungen. 7 Ganz im Stil einer klassischen außenpolitischen Lageanalyse gliederte Bruce sein Papier in vier Teile: An der Spitze stand eine Definition der Ziele der amerikanischen Europapolitik. Ihr folgten eine Be2 3
4 5
6
7
Schlesinger, Arthur, A Thousand Days, S.727. Vgl. Erklärung des amerikanischen Außenministeriums vom 30. Januar 1963 zum Abbruch der Beitrittsverhandlungen zwischen der EWG und Großbritannien, abgedruckt in: EA 5/ 1963, S . D 120. Außenminister Rusk räumte freilich später in einem Oral History-Interview ein, daß er Ende Janaur 1963 nicht mehr an eine Aufnahme Großbritanniens in die EWG vor dem Abtritt de Gaulies geglaubt habe. Vgl. JFKL, OH Rusk, S. 193. Vgl. hierzu Taber, George M., John F. Kennedy and a Uniting Europe, S.123. Vgl. JFKL, POF, Staff Memoranda, Box 62, Folder Lincoln, Evelyn, Notebook of Memoranda to Staff, Schlesinger - Wiesner - Miscellaneous: Dictated to me on January 31, 1963, 31.1.1963. JFKL, POF, Special Correspondence, Box 28, Folder Bruce, David: Draft Instructions from the President to Ambassador Bruce, 4.2.1963. Auch für jede Untersuchung der bilateralen deutsch-amerikanischen Beziehungen im Jahre 1963 ist der Bruce-Report ein Schlüsseldokument. Vgl. in diesem Zusammenhang die Auswertung bei Schertz, Adrian, Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S. 201-205.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Schreibung der Hindernisse zur Erreichung dieser Ziele, der Entwurf einer umfassenden Strategie zur Überwindung dieser Hindernisse und, als letztes, der Vorschlag konkreter Maßnahmen zur praktischen Umsetzung der Strategie. Die Zieldefinition des Bruce-Report verschafft Aufschluß über die Prämissen amerikanischer Europapolitik seit dem Marshall-Plan. Natürlich, so Bruce, sei das grundlegende Ziel immer die Verteidigung Europas gegen den Kommunismus gewesen. Doch: „As these economic and military programs (MarshallPlan und NATO; ec) achieved their purposes, we conceived a second objective: to mobilize our resources in combination with Europe to serve the whole free world. It soon became apparent, however, that this second objective could not be fulfilled without greater progress toward European unity." 8 Wie sehr die amerikanische Europapolitik immer auch Deutschlandpolitik war, und wie sehr gerade die Kennedy-Administration die Einbindung, ja Festbindung der Bundesrepublik, die Verhinderung neuer deutscher Sonderwege als integralen Bestandteil ihrer Politik vis ä vis der europäischen Einigung betrachtete, wurde bereits gezeigt. Der Bruce-Report bestätigte diese Linie ausdrücklich: „European unity was also judged, from the early days of the Marshall Plan and NATO, the most effective framework within which to contain and provide a creative outlet for a West Germany which might be tempted to seek reunification with East Germany through bilateral arrangements with Moscow, or otherwise prove a disruptive element in the world power balance." 9 Diese Ziele hätten auch 1963 nicht an Bedeutung verloren; die europäische Einheit bleibe amerikanisches Interesse; und das wichtigste Mittel zur Verhinderung einer europäisch-amerikanischen Entzweiung sei nach wie vor das Konzept der Atlantischen Partnerschaft: „It is certainly in our interest. We cannot accept the prospect of the US and Europe going their separate ways. Such a split would endanger both of our overriding postwar objectives: that of denying Europe to the Soviets, and that of mobilizing European resources for common tasks. Moreover, no matter how deep our withdrawal, our national interest would continue to be profoundly affected by what happened in Western Europe. A fragmented or adventurist Western Europe might make all manner of trouble for us, quite aside from the danger of Communist takeover. In a nuclear age, especially, we must have a voice and play a stabilizing role in European affairs." 10 Die Kontinuität der Ziele und Interessen bedeute freilich nicht, so Bruce, daß die Politik der derzeitigen Administration nach den Januar-Ereignissen unverändert fortgesetzt werden solle. Denn Präsident de Gaulle habe drei Hindernisse auf dem Weg zur Erreichung der amerikanischen Ziele aufgerichtet: „ ( . . . ) he has excluded Britain from the Common Market; thrown a 8
JFKL, NSF, Meetings and Memoranda, Box 314, Folder NSC Meetings, 1963, No. 510, 4 / 2 / 63: US Policy in Europe, 9.2.1963 (Bruce-Report). 9 Bruce-Report, ebd. 10 Ebd.
4. 1963 - Das Jahr der „Atlantiker"
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block across the Common Market as a route to European political unity; and placed before Europe an image of intra-European and Atlantic relationships contrary to our interest and conceptions. Playing upon the European desire for a larger voice in world affairs, he has, in fact, proposed that Europe be built around a Paris - Bonn axis which he expects to dominate, to which Italy and the other continental powers might attach themselves as satellites, and from which U.S. power and influence would be progressively withdrawn." 11 Während de Gaulle davon profitiere, daß die dominierende Rolle der USA im nuklearen und allgemein strategischen Bereich, in Fragen der Ost-West-Verhandlungen oder der Politik außerhalb der NATO von den Europäern immer mehr kritisiert werde und Vermutungen zunähmen, wonach die USA mit dem Konzept der Atlantic Community lediglich ein erstarkendes Europa ihrer Kontrolle unterwerfen wollten, komme es Washington zugute, daß Europa an einem politischen und militärischen Rückzug der USA kein Interesse habe, und daß Europa - die Bundesrepublik eingeschlossen - nicht bereit sei, eine französische Hegemonie zu akzeptieren. Ihre Bereitschaft zu einer echten Atlantischen Partnerschaft, zu europäischer Gleichberechtigung könnten die USA in zwei entscheidenden Bereichen unter Beweis stellen: mit dem MLFProjekt und mit verbesserter politischer Konsultation. Man könne den europäischen Einigungsprozeß weiter fördern, wenn man die Ausweitung der Mitsprache von tatsächlichen Einigungsfortschritten abhängig mache. Eine solche Strategie verfolge drei Ziele: „The broad strategy ( . . . ) is designed to frustrate de Gaulle's efforts to convince the Europeans that immediate Atlantic cooperation and progress towards European unity are mutually antithetical. ( . . . ) It is also designed to break the interaction ( . . . ) between European weakness and US predominance which is frustrating movement toward both European unity and Atlantic partnership. And it is designed to maintain allied cohesion for constructive purposes in the period immediately ahead, while holding out to de Gaulle the opportunity to rejoin the Western coalition (...)." 1 2 Auf die deutsch-französischen Beziehungen und konkret auf den deutsch-französischen Vertrag bezogen, sprach sich Bruce für eine entschlossene konstruktive, keinesfalls eine negative, Druck ausübende Politik auf: „We should not make an attempt to prevent ratification of the Franco-German treaty. We should, on the other hand, make absolutely clear to Adenauer, his government, and Parliament that the stability of U.S.-German relations requires unambiguous German commitment, in words and deeds to: 1. NATO; 2. the multilateral force rather than to national or Franco-German nuclear programs; and 3. British accession to the Common Market. Discreet support should be extended for a Bundestag Resolution to this effect, to accompany passage of the Treaty." 13 11 12 13
Ebd. Ebd. Ebd. (Hervorhebung im Original).
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Gegenüber Frankreich solle sich die amerikanische Politik im derzeitigen Stadium der Beziehungen zurückhalten: „I recommend no immediate positive actions in regard to France. ( . . . ) No effort either to isolate France or to seek a U.S.-French accommodation should now be made; moves toward such an accommodation would almost certainly fail at this stage, and would only demoralize the other European countries. Our tactic with France must be to provide a counter attraction, not aimed at France, but at the legitimate ambitions of Europe. The opportunity for France to join in these efforts must always remain open. In the meantime, we should have well-informed contingency plans against a de Gaulle assault on NATO, our trade negotiations, or our balance of payments." 14 Der Bruce-Report, zunächst nur eine beratende Studie ohne Autorität, stieß ganz offensichtlich beim Präsidenten ob seines pragmatischen Ansatzes auf Zustimmung. Am 14. März 1963 billigte der Nationale Sicherheitsrat das Papier. „Es wurde somit die Basis für die amerikanische Integrationspolitik im letzten Jahr der Regierung Kennedy." 15 Abschied genommen hatte die Kennedy-Administration damit von den idealistischen, ja visionären Europakonzepten der „Grand Design"-Phase 1962. Freilich verbarg sich auch hinter der Rhetorik des „Grand Design" sehr konkrete amerikanische Macht- und Interessenpolitik, doch Anfang 1963 mußte sich die Frage stellen, ob nicht die Vision des „Grand Design of Atlantic Partnership" und die Realität der transatlantischen Macht- und Einflußstrukturen zu weit auseinanderklafften. Hatte möglicherweise das „Grand Design" zu sehr die europa- und bündnispolitischen Interessen der USA zum Ausgangspunkt gehabt; hatte es nicht zu sehr eine europäisch-amerikanische Interessenidentität angenommen und darüber die tatsächlichen, bei all ihrer Heterogenität existierenden europäischen - kontinentaleuropäischen - europa- und bündnispolitischen Interessen vernachlässigt bzw. falsch eingeschätzt? Insofern war der doppelte Januar-Schock für Washington heilsam. Was de Gaulles Veto und dem Elysée-Vertrag folgte, war kein Kurswechsel der amerikanischen Außenpolitik. Doch der Bruce-Report setzte neue Akzente, ohne freilich von den grundlegenden Zielen und Interessen der amerikanischen Europapolitik - seit 1947 - abzugehen. So war aus dem Willen zur Aufrechterhaltung eines bestimmenden Einflusses in Europa nicht plötzlich rigorose amerikanische Selbstbeschränkung geworden. Die USA brauchten Europa weiterhin politisch, ökonomisch und militärisch, und sie brauchten ein Europa, das verläßlich amerikanische Interessen mittrug, nicht aber eine diesen Interessen zuwiderlaufende Politik entwickelte. De Gaulle indes war von diesen Maximen nicht zu überzeugen, und so war 1963 Frankreich zwar wichtiger Bestandteil und Zielpunkt amerikanischer Europapolitik, nicht jedoch, wie in den Vorjahren, Adressat konkreter Initiativen. Der Weg nach Paris schien nun, stärker noch als zuvor, 14 15
Ebd. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, S.205.
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über Bonn zu führen. Die gegen die USA gerichtete Europapolitik de Gaulles hatte sich an die Bundesrepublik gerichtet, weil nur diese dem französischen Vorgehen das entsprechende Gewicht verleihen konnte. Doch genauso wußte auch Washington, daß jegliche Europapolitik der USA Fragment und ergebnislos bleiben mußte, wenn sie nicht die Bundesrepublik ausdrücklich einschloß. Washington wußte allerdings auch um die transatlantischen Abhängigkeiten der Bundesrepublik, um das Schutzbedürfnis des Staates an der zentraleuropäischen Front des Kalten Krieges und um die Bedeutung des amerikanischen Nuklearschirms der „extended deterrence". Wenn Paris also für die amerikanische Politik immer weniger zugänglich war, wenn aber auf der anderen Seite Bonn für amerikanische Initiativen eben auf Grund seiner Abhängigkeiten zugänglich bleiben mußte, dann durfte die stärkere Betonung, die die bilateralen deutsch-amerikanischen Beziehungen 1963 erfuhren, nicht überraschen. Dabei war diese Neubetonung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses zum einen auf die Wiederherstellung des seit dem Mauerbau beschädigten Vertrauens der Deutschen in die westliche Supermacht gerichtet, zum anderen aber, und das war mindestens genauso wichtig, auf die Entwicklung der deutschfranzösischen Beziehungen. In diesem Kontext galt es einerseits, der deutschfranzösischen Zusammenarbeit, insbesondere nach dem 22. Januar 1963, den Ruch eines Exklusiwerhältnisses zu nehmen, das zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht mehr komplementär war, sondern konträr. Andererseits versuchten die USA, die Bundesrepublik dazu zu bewegen, auf der deutsch-französischen Schiene auf de Gaulle auch im Sinne amerikanischer Politik einzuwirken. Dies stand zwar in der Kontinuität der Kennedy-Politik, gewann aber vor dem Hintergrund der sich drastisch verschlechternden französisch-amerikanischen Beziehungen 16 besondere Bedeutung. Die amerikanische Politik gegenüber den deutsch-französischen Beziehungen war in den letzten Monaten der Amtszeit Kennedys ganz überwiegend auf die Bundesrepublik ausgerichtet. Zu sehr verschloß sich de Gaulle Washington; zu verhärtet erschien die französische Position den USA, als daß man noch direkt versucht hätte, auf Frankreich einzuwirken. Die Arbeit wird daher im folgenden schwerpunktmäßig auf die Ereignisse und Entwicklungen eingehen, in denen sich deutsch-amerikanische, deutschfranzösische und französisch-amerikanische Beziehungen kreuzten oder miteinander verbanden. Rein bilaterale deutsch-amerikanische Fragen müssen weitgehend unberücksichtigt bleiben, zumal dazu jüngst eine ebenfalls auf amerikanischen Quellen basierende Studie vorgelegt wurde. 17 Ähnliches gilt für den gesamten Komplex MLF, der zwar für die amerikanisch-europäischen Beziehungen bis 1966 eine zentrale Rolle spielte. Frankreich jedoch hatte be16
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Diese Entwicklung setzte sich im Frühjahr und Sommer 1963 fort. Der französische Außenminister Couve de Murville räumt unumwunden ein: „ ( . . . ) Franco-American relations at that time had really deteriorated." S. JFKL, OH Couve de Murville, S. 11. Schertz, Adrian W., Die Deutschlandpolitik Kennedys und Johnsons, v.a. S. 192-231.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
reits im Januar 1963 seine Beteiligung an einer MLF abgelehnt. Die MLFVerhandlungen bezogen Frankreich nicht ein, und deshalb wird auf dieses Projekt nur kurz in seiner Bedeutung als Element der amerikanischen Europapolitik generell nach dem Januar 1963 wie auch als Alternative zur Eventualität einer deutsch-französischen Nuklearkooperation zurückzukommen sein. 18 Zwar wurden schon in den Monaten Februar und März 1963 die MLF-Sondierungen der USA in verschiedenen europäischen Staaten fortgesetzt, und Livingston Merchant bereiste zu diesem Zweck die europäischen Hauptstädte. Doch das unmittelbare Interesse Washingtons galt dem deutsch-französischen Vertrag.
II.4.2. Washington, der Elysée-Vertrag und die deutschen „Atlantiker" Anders als für die Jahre 1958/59 und insbesondere die Monate der Präsidentschaftskrise 1959 erschwert die erheblich dünnere Quellenlage, vor allem die fehlenden Bestände des US-Außenministeriums, eine Beantwortung der Frage nach dem Einwirken der USA auf innerparteiliche Auseinandersetzungen in den Unionsparteien in den Jahren 1961 bis 1963 ganz erheblich. Während eine amerikanische Einflußnahme auch auf die deutsche Innenpolitik im allgemeinen kaum bestritten werden kann, ja diese sich aus den politischen Zielen und Interessen der Kennedy-Administration nahezu zwangsläufig ergeben mußte, lassen sich gerade im Hinblick auf die Beurteilung und Beeinflussung der „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse in C D U / C S U durch die USA allenfalls partielle und noch im einzelnen zu verifizierende Erkenntnisse gewinnen. Umfassende und abgesicherte Antworten auf die oben gestellten Fragen sind für die Gesamtheit der Jahre 1961 bis 1963 derzeit noch nicht möglich. Eine Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang die Monate zwischen dem Abschluß des deutsch-französischen Vertrages am 22. Januar 1963 und seiner Ratifizierung durch den Deutschen Bundestag im Mai des gleichen Jahres. Zwar stieß der Elysée-Vertrag, wie gezeigt, durchaus auf amerikanische Zustimmung, weil er half, die Bundesrepublik an den Westen zu binden, und er wurde auch als Manifestation der Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich begrüßt. Doch die europapolitische Botschaft, die de Gaulle mit dem Vertrag intendierte und die Adenauer offenkundig zumindest akzeptierte, rief in Washington massive Gegenreaktionen hervor. Wegen des ständig schrumpfenden Einflusses auf Frankreich auf der einen und der trotz des Frankreichkurses von Adenauer fortexistierenden deutschen Abhängigkeiten von den USA auf der anderen Seite mußten amerikanische Maßnahmen zur 18
Zur MLF vgl. jüngst Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache; des weiteren: Kelleher, Catherine M., Germany and the Politics of Nuclear Weapons; Mahncke, Dieter, Nukleare Mitwirkung; Barbier, Colette, La force multilatérale, in: Relations internationales 69 (1992), S.3-18.
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Relativierung der Vertragswirkung primär, wenn nicht ausschließlich, auf die Bundesrepublik zielen. Dabei verfolgte Washington, wie es bereits im BruceReport formuliert war, das Ziel, dem Vertrag eine Parlamentsresolution hinzuzufügen, in welcher sich die Bundesrepublik klar zur NATO, zur MLF und zur britischen EWG-Mitgliedschaft bekennen sollte. Es galt, dem Vertrag seinen von de Gaulle zweifelsfrei gewollten, von Adenauer in Kauf genommenen exklusiven Charakter und seine gegen die USA gerichtete Spitze zu nehmen. Par force war dies nicht zu bewerkstelligen. Gerade angesichts der Befürwortung des Vertragswerks und der deutsch-französischen Freundschaft allgemein in der deutschen Bevölkerung war mit politischem Druck nichts auszurichten. Dessen war sich auch Kennedy, schon vor dem Bruce-Report, bewußt: „How do we build sentiment in Bonn to carry out changes in the treaty in view of what seems to be the popularity of the treaty with the Germans." 19 Bereits in den Tagen vor der Vorlage des Bruce-Papiers wurde in Washington der Gedanke diskutiert, das Vertragswerk im atlantischen Sinne zu modifizieren. Da aber Änderungen am eigentlichen Vertragstext nicht möglich schienen und es wohl objektiv auch nicht waren, entstand die Idee einer Ergänzung oder Textbeifügung zu dem Vertrag. An eine Präambel war dabei zunächst nicht gedacht, eher an eine entsprechende Änderung des Ratifikationsgesetzes an sich. Auf amerikanische Einladung reiste der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Karl Carstens, in den ersten Februartagen 1963 nach Washington. Er kehrte von dort zurück mit dem amerikanischen Wunsch, mit der Ratifizierung des Vertrages ein deutliches Bekenntnis zum Atlantischen Bündnis zu verbinden. 20 John McCIoy, ein bewährter Europapolitiker, Mann von Adenauers Vertrauen und von Kennedy schon einmal in heikler deutscher Mission beauftragt, 21 appellierte, nachdem er de Gaulles Politik scharf verurteilt und als für Europa und die transatlantischen Beziehungen schädlich erklärt hatte, an den Bundeskanzler, die Ratifikation des Vertrages nicht zu überstürzen: „What is now required is time to let all the factors come into proper perspective. The decision is serious for the future of Germany, for Europe, and for the United States; and anything less than a full debate and careful consideration of all the farreaching imponderables would now be inappropriate. ( . . . ) I am convinced that delay on ratification of the treaty will in the long run not impair any true rapprochement between France and Germany." 22 Auch Dean Acheson, der nach dem 14. Januar versucht hatte, Adenauer von seiner Paris-Reise abzuhalten und der empört war über den deutsch-französischen Vertragsabschluß 19
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JFKL, POF, Staff Memoranda, Box 62, Folder Lincoln, Evelyn, Notebook of Memoranda to Staff, Bundy: Kennedy an Bundy, 1.2.1963. Vgl. Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.338. Um Anfang 1961 den Bundeskanzler zu Konzessionen in der Frage der deutschen Ostgrenzen zu bewegen. S.o., Kap. II. 1. JFKL, POF, Special Correspondence, Box 31, Folder McCIoy, John J „ 12/13/60-6/10/63: Schreiben McCloys an Adenauer, 4.2.1963.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
„einer der schwärzesten Tage der Nachkriegszeit"23 - setzte sich aus eigener Überzeugung wie wohl auch im Auftrag des Präsidenten für eine Textergänzung ein, wenn schon die Annahme des Vertrages nicht zu verhindern sei. An Kurt Birrenbach, einen „Atlantiker", doch Vertrauten des Kanzlers in außenpolitischen Fragen, schrieb er: „There is one thing that all three parties in the Bundestag could do to carry a clearer message to the French President - and incidentally but importantly to Khrushchev. ( . . . ) This is to attach a reservation, if not an amendment to the Treaty stating German determination to maintain the defense of Europe through NATO and the North American connection, to bring Britain into the Common Market, and to maintain the closest political and economical collaboration with the United States. This would remove Germany from the equivocal position into which the Chancellor permitted his government to be maneuvered." 24 In Bonn selbst entfaltete Botschafter Dowling entsprechende Aktivität. Mehrere Gespräche mit Vizekanzler Ludwig Erhard, der den Abbruch der Brüsseler Verhandlungen bereits am 29. Januar 1963 als „tragisch" und als „eine schwarze Stunde Europas" bezeichnet hatte, 25 waren dessen Interview mit der Süddeutschen Zeitung vorausgegangen, in dem der Kandidat für die Adenauer-Nachfolge sich dafür aussprach, beim Ratifizierungsverfahren „Differenzierungen" anzubringen. 26 Rasch wurde die Frage der Vertragsratifizierung und einer eventuellen Ergänzung Gegenstand der politischen Debatte zwischen den Bonner Parteien, aber auch innerhalb der CDU/CSU. 2 7 Die Diskussion gab der SPD-Opposition die Gelegenheit, sich eindeutig als atlantisch-amerikanisch orientierte Partei zu profilieren. 28 Entgegen allen Versicherungen, sich in die deutsche Innenpolitik nicht einzumischen,29 war das amerikanische Bemühen um eine relativierende Präambel zum deutsch-französischen Vertrag zwangsläufig eine aktive Positionsnah23 24
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Zit. nach: Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.823. Acheson, Dean, Among Friends: Personal Letters of Dean Acheson, hrsg. von McLellan, David S. und Acheson, David C., New York 1980, S.243. Vgl. auch Birrenbach, Kurt, Meine Sondermissionen. Rückschau auf zwei Jahrzehnte bundesdeutscher Außenpolitik vom Mauerbau bis heute, Düsseldorf/Wien 1984, S.171. Bulletin des Presse- und Informationsamts 20, 31.1.1963, S. 166. Vgl. Süddeutsche Zeitung, 5.2.1963, S.3; vgl. auch Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.338; Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.718. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kam es bereits am 5.2.1963 zu einem Disput zwischen Adenauer und Birrenbach über die Bewertung des deutsch-französischen Vertrages. Vgl. ACDP, VIII-001, 1009/2, Protokoll der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 5.2.1963, S.258-260. Vgl. hierzu Bouvier, Beatrix W., Zwischen Godesberg und Großer Koalition. Der Weg der SPD in die Regierungsverantwortung, Bonn 1990, S. 206-219; Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S. 414-418. So der neue amerikanische Botschafter in Bonn, George McGhee, in einem Gespräch mit Ludwig Erhard am 20.6.1963. Vgl. JFKL, POF, Subjects, Box 108, Folder Trips - Germany 6/22/63-6/25/63, Part A: 20.6.1963.
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me zu Fragen der Innen-, ja Parteipolitik der Bundesrepublik. Dies konnte auch gar nicht anders sein. Denn bei der Debatte um den Elysée-Vertrag handelte es sich eben nicht nur um eine aktuelle, situationsbezogene außenpolitische Auseinandersetzung, sondern mit ihr verband sich, gerade innerhalb der Unionsparteien, eine Kontroverse um die außenpolitische Grundorientierung der Bundesrepublik und der sie regierenden Parteien, die Frage einer „nationalen Identität" des westdeutschen Staates und schließlich das Problem der Adenauer-Nachfolge. 30 Auf Grund dieser Verknüpfungen erhielt jedes Vorgehen der USA im außenpolitischen Bezugsrahmen zwangsläufig und uno actu innenpolitische Bedeutung. Ganz davon abgesehen kann auch nicht bestritten werden, daß es beispielsweise in der Frage der Kanzlernachfolge konkrete Interessen und Präferenzen Washingtons gab. Diese waren zwar wiederum primär außenpolitisch motiviert, schlugen aber natürlich auch auf die Innenpolitik durch. Dies gilt zum Beispiel für die Unterstützung Erhards oder auch Schröders, auf die noch einzugehen sein wird. Sichtbar wurde eine solche Unterstützung allerdings nur in internen Papieren, im bilateral deutsch-amerikanischen Rahmen verbarg man sie hinter außenpolitischen Positionen und Pressionen. Neben Staatssekretär Karl Carstens reisten vor der Ratifizierung des deutsch-französischen Vertrages und in der Zeit, in der CDU und CSU über Adenauers Nachfolger entschieden, mit Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel, dem Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Heinrich von Brentano, und Sonderminister Heinrich Krone drei führende Bonner Unionspolitiker sowie der Präsident der EWG-Kommission, Walter Hallstein, zu politischen Gesprächen nach Washington. Kai-Uwe von Hassel war nach Karl Carstens der erste prominente Gast in der amerikanischen Hauptstadt. Es handelte sich um den Antrittsbesuch des erst am 9. Januar 1963 zum Nachfolger von Franz Josef Strauß im Amt des Bundesverteidigungsministers ernannten Politikers. Primär war sein Besuch daher verteidigungspolitischen Fragen gewidmet, insbesondere, so formulierte es ein Memorandum für Kennedy, der Versicherung fortgesetzter deutsch-amerikanischer Verteidigungskooperation und der Beruhigung amerikanischer Besorgnisse hinsichtlich der militärischen
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Vgl. Buchstab, Günter, Zwischen „Zauber und Donner". Die CDU/CSU und de Gaulle, in: Loth, Wilfried/Picht, Robert (Hrsg.), De Gaulle, S.95-107, hier S. lOOf. Schwer haltbar erscheint in diesem Zusammenhang die Behauptung Buchstabs, wonach der Bundesrepublik die innenpolitischen Auseinandersetzungen um den außenpolitischen Kurs von außen aufgedrängt worden seien. Zwar darf die amerikanisch-französische Rivalität als Konfliktfaktor nicht ausgeklammert werden, doch unter dem Aspekt außenpolitischer Grundorientierung existierten die beiden Lager in der Union, die später als „Atlantiker" und „Gaullisten" bezeichnet wurden, spätestens seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre. Die Kontroverse war erstmals, wie gezeigt, während der Präsidentschaftskrise 1959 aufgebrochen, und auch damals hatte sie sich, wie 1963, mit der Frage der Adenauer-Nachfolge verbunden. S. hierzu im einzelnen Kap. 1.4.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Teile des Elysee-Vertrages. 31 Doch darüber hinaus vermutete man in Washington weitergehende Absichten des Besuchers. Es gehe ihm darum: „to further his own political ambitions as one of the 'dark horse' candidates for Chancellor." 32 In der Tat gehörte der mit 49 Jahren vergleichsweise junge norddeutsche Politiker zu denjenigen, deren Name im Zusammenhang mit dem Kanzleramt immer wieder - und das schon seit 1959 - genannt wurde. Obwohl er als ein loyaler Mitstreiter Adenauers galt, war er einer derjenigen, die für enge deutsch-amerikanische Beziehungen plädierten und denen neben einem guten Verhältnis zu Frankreich auch an einem normalen Auskommen mit Großbritannien gelegen war. Fürs erste freilich verboten ihm die Nachfolgeansprüche Erhards, zu offen Interesse an einer eigenen Bewerbung zu bekunden. Daß Hassel jedoch unter Umständen als Kompromißkandidat oder als möglicher Nachfolger eines Übergangskanzlers Erhard zur Verfügung stehen würde, war nicht auszuschließen. So erklären sich auch seine Bemühungen um ein gutes persönliches Verhältnis zu den Spitzen der amerikanischen Regierung und um ein möglichst breites Netz von Kontakten in den USA. Während solche Verbindungen zum einen generell die Position eines führenden deutschen Politikers stärkten - in der Partei wie auch in der Öffentlichkeit so war in der Situation des Jahres 1963, als sich parteiintern die Zeichen immer deutlicher gegen den einseitig pro-französischen Konrad Adenauer zu richten begannen, die Demonstration guter Kontakte in Washington auch ein taktisch kluger Zug. Diese Konstellation mußte Hassel für amerikanische Einwirkungsversuche besonders empfänglich machen. Auch Washington war sich dessen bewußt. Angesichts Hassels eigener politischer Ambitionen hieß es: „We have a good opportunity to make von Hassel a strong United States supporter because he is ( . . . ; geschwärzt; ec) and is disposed to agree with many, although not all, of our views on NATO military matters." 33 Vor diesem Hintergrund sei es notwendig, von Hassel auf das amerikanische Interesse an einer möglichst weitgefaßten, d.h. Großbritannien einbeziehenden europäischen Integration hinzuweisen, auf die Notwendigkeit enger Atlantischer Partnerschaft und einer starken NATO. In diesem Zusammenhang sollte der Präsident den deutschen Gast ausdrücklich auf die Ratifikation des deutsch-französischen Vertrages ansprechen: „It would be interesting to learn how von Hassel thinks the Franco-German Treaty fits into a strong NATO, broadly based European unity and close Atlantic cooperation, all of which he professes to support. The importance of Germany's making it clear in the ratification process that the Treaty does not conflict with Germany's commitment to NATO might also be mentioned." 34 Zielstrebig verfolgte Washington also seine Absicht weiter, den Elysee31
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Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 1/63-3/63: Memorandum for the President, 25.2.1963. Ebd. Ebd. Ebd.
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Vertrag im Ratifikationsprozeß zu relativieren. Im Falle Hassels machte man sich dabei ganz offensichtlich nicht nur dessen außenpolitische Grundüberzeugung zunutze, sondern auch seine persönlichen politischen Ambitionen. In Washington gab Kai-Uwe von Hassel dem EWG-Kommissionspräsidenten Walter Hallstein die Klinke in die Hand. Nun war Hallstein kein führender Unionspolitiker und in die Auseinandersetzung um die Kanzlernachfolge nur marginal involviert. Seine Prominenz in Deutschland aber, zusammen mit einer engen Beziehung zu Adenauer, machten auch ihn zu einem wichtigen Ansprechpartner der US-Regierung. 35 Folgende amerikanische Positionen sollten dem Bundeskanzler via Hallstein vermittelt werden: „What do we want from the visit? We should make it absolutely clear that our policy on European and Atlantic questions has neither weakened nor changed since the Carstens visit a month ago. We should drive home with Hallstein the unfortunate impression in the country deriving from the timing of the Franco-German treaty and how it has seemed to associate Germany with de Gaulle's anti-American and indeed anti-European policies. Hallstein should know that our central objective remains the building of an Atlantic partnership. Our support of European integration and the Communities is based on the contribution they can make to such a partnership." 36 Anderes politisches Gewicht innerhalb der CDU/CSU hatte deren Bundestagsfraktionsvorsitzender Heinrich von Brentano, der am 21. und 22. März 1963 mit den Spitzen der amerikanischen Regierung zusammentraf. Ohne eigene Ambitionen auf das Kanzleramt, nahm Brentano sowohl in der Frage der Adenauer-Nachfolge wie auch in der Debatte um den Vertrag mit Frankreich eine vermittelnde Schlüsselposition ein.37 Womöglich war auch aus diesem Grunde Brentano der einzige deutsche Politiker, der in Washington in diesen Tagen konkret und gezielt auf die Problematik der Kanzlernachfolge angesprochen wurde, 38 auch wenn er selbst dies hinterher massiv bestritt. 39 Außenminister Rusk fragte Brentano zwar nicht, wer Adenauers Nachfolger sein würde, doch die Frage nach einem möglichen Kurswechsel der deutschen Politik unter 35
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Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - General, 1/63-6/63: Memorandum for the President, 1.3.1963. Ebd. (Hervorhebung im Original). Dies im Gegensatz zu Baring, der für diese Phase die Rolle und das Gewicht Brentanos als ausgesprochen gering veranschlagt, indem er von seiner ,,kraftlose[n], widersprüchliche[n] Stellungnahme zum deutsch-französischen Vertrag", von der ,,ratlose[n] Regelung der Kanzlernachfolge" spricht oder behauptet, Brentano habe den Gang der Ereignisse nur „vage lamentierend" kommentiert. Vgl. Baring, Arnulf, Sehr verehrter Herr Bundeskanzler!, S.383. Vgl. JFKL, NSF, Countries, Box 75-81, Folder Germany - Subjects, von Brentano visit, 3/ 63 (2): Memorandum of Conversation, subject: Successorship Question, 22.3.1963. Vgl. ACDP, VIII-001, 1009/2, Protokoll der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 26.3.1963, S.342. Brentano sagte: „Er sei nicht von einem einzigen Gesprächspartner auf dieses Thema angesprochen worden und habe auch selbst mit keinem darüber gesprochen."
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
einer neuen Bundesregierung war im Grunde schärfer und wichtiger als die nach einem bloßen Namen. Brentano nämlich sah sich gewungen, ein klares Bekenntnis zur Kontinuität der Grundprinzipien deutscher Politik abzugeben: „Dr. von Brentano said he could speak for his party on this point. It desired to maintain not only the continuity of policy, but also the preconditions for such continuity no matter who emerged as successor. It would be impossible to find a second Adenauer, but there would be no change in the basic policy line. Dr. von Brentano acknowledged that the Federal Republic had not much experience in finding a successor to Adenauer. A good bureaucracy had files, but not on this problem." 40 Im Vorfeld der Ratifizierungsdebatten des Bundestages war diese Feststellung für Washington ausgesprochen wertvoll. Doch obwohl Brentano darüber hinaus alle Gesprächspartner beruhigte und eine Vertragsergänzung nicht mehr in Frage stellte, machte man ihm die amerikanische Position sehr deutlich. In einer weiteren Unterredung mit Außenminister Rusk wurde dies klar: „The Secretary said it would be very helpful for the future if no government in Paris or Bonn could read any other interpretation into the treaty. There should be a clear legislative record of intent." 41 Doch mit papierenen Erklärungen war es für Washington nicht getan: „Mr. Tyler commented that the test of the Treaty from our point of view would not so much depend on whether there were finally enacted an amended ratification law or a resolution along the lines Dr. von Brentano had indicated to set forth the German interpretation of the Treaty. Rather, to speak frankly, the test of what the treaty implies and means for the policies we have evolved together would depend upon the positions the German Government takes in the next months and years to make clear that the course the FRG intends to follow remains the course we have been pursuing together." 42 Zum Zeitpunkt der Reise Brentanos war die Präambel bereits beschlossene Sache. Über die Parteigrenzen hinweg hatte der Auswärtige Ausschuß des Bundestages einem Entwurf zugestimmt, der im wesentlichen auf den „Atlantiker" Kurt Birrenbach zurückging. Am 4. April 1963 stimmte der Bundeskanzler notgedrungen und offenbar in der Einsicht, anderenfalls den Vertrag als solchen zu gefährden, der Voranstellung einer Präambel zu. 43 Adenauer hatte 40 41
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JFKL, Memorandum of Conversation, 22.3.1963, s.o., Anm. 38. JFKL, NSF, Countries, Box 75-81, Folder Germany - Subjects, Von Brentano Visit 3/63 (1): Memorandum of Conversation, Rusk - Brentano, 22.3.1963, Vgl. die selbe Argumentation auch in einem Gespräch Brentanos mit dem Leiter der Europaabteilung des State Department, William Tyler: JFKL, NSF, Countries, Box 75-81, Folder Germany - Subjects, Von Brentano Visit 3/63 (2): Memorandum of Conversation, Tyler - Brentano, 21.3.1963. Ebd. (Tyler - Brentano). Vgl. auch die Argumentation Rusks: „The Secretary expressed the hope that the Bundestag and the Federal Government would be able to make it clear that the France-German Treaty would not mean a change in German politics." JFKL, Memorandum of Conversation, Rusk - Brentano, 22.3.1963, s.o., Anm. 41. Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.833f. Die Darstellung bei
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seine Autorität verloren. Die Präambel kam für ihn einer außen- und innenpolitischen sowie parteiinternen Niederlage gleich. Der Kanzler war nicht mehr Herr des Verfahrens; er konnte sich nicht mehr durchsetzen. Am 22.123. April 1963 fügten erst der Fraktionsvorstand und dann die gesamte CDU/CSUBundestagsfraktion dem angeschlagenen Regierungschef eine weitere, noch bitterere Niederlage zu: Ludwig Erhard wurde von der Fraktion zum Kandidaten für die Nachfolge des Kanzlers bestimmt. Weder das Taktieren Adenauers noch seine Beschwörungen konnten dies verhindern. Bis zum letzten Augenblick hatte der Kanzler versucht, indem er Brentano, Krone und Schröder als weitere potentielle Nachfolger vorschlug, die Wahl Erhards zu verhindern. Während Brentano und Krone die Kandidatur rundheraus ablehnten, machte Schröder einen eher halbherzigen Rückzieher. Er wollte sich nicht zukünftige Chancen durch eine Abstimmungsniederlage gegen den Favoriten Erhard verderben. Doch weder Brentano noch Krone und am allerwenigsten Schröder hätten die Frankreichpolitik Adenauers fortgesetzt. Schröder, der Mitunterzeichner des Vertrages, konnte sich in der Ratifikationsdebatte hinter formalen völkerrechtlichen Einwänden, die gegen eine Präambel sprachen, verbergen und so in den Augen Adenauers als der loyale Außenminister erscheinen. Dabei war schon seit 1962 erkennbar, daß es Schröder nicht nur um eine Verbesserung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses zu tun war, sondern daß er darüber hinaus ganz im Sinne der USA zu den Befürwortern einer ostwestlichen Entspannungspolitik gehörte. Dies war in Washington nicht unbemerkt geblieben, und im Gegensatz zu den negativen Urteilen des Jahres 195944 genoß nun jenseits des Atlantiks der „deutsche Außenminister den allerbesten Ruf. Man lobt sein zurückhaltendes, ruhiges und nicht humorloses Wesen. Er wird mehr als proamerikanisch denn als proenglisch betrachtet, und seine Gewandtheit erfährt besondere Wertschätzung. Dr. Schröder hinterließ in den Staaten den Eindruck, er liebe die USA und er fühle sich in Amerika wohl. Politisch erwartet man von ihm eine größere Flexibilität. Selbst nach einer Interimskanzlerschaft eventuell von dem für diesen Posten in den USA als nicht uneingeschränkt geeignet angesehenen Professor Dr. Erhard rechnen die amerikanischen Politiker im State Department mit Dr. Schröder als dem kommenden und verantwortlichen Mann für die Politik und die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland." 45 Gewiß deutete im Frühjahr 1963 alles auf einen Bundeskanzler Erhard. Washington bemühte sich, die Entscheidung der Union für den Wirtschaftsminister zu begrüßen und seiner Regierungszeit ver-
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Schwarz von einem dann schnellen Einschwenken des Kanzlers auf den Vorschlag einer Präambel, basierend auf Informationen Ernst Majonicas, widerspricht der älteren Sichtweise eines langsamen und widerstrebenden Rückzugs Adenauers bei Grabbe, Hans-Jürgen, Unionsparteien, S.339. S . o . , Kapitel I.4., S.139f. ACDP, 1-028, 005/3, Amerika-Reise 1963, Bericht des Auswärtigen Amtes, „Querschnitt von Unterhaltungen mit amerikanischen Diplomaten", April 1963.
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trauensvoll und zuversichtlich entgegenzublicken. 46 Die positive Einschätzung Schröders jedoch minderte sich dadurch nicht. Im September 1963 schrieb McGeorge Bundy an Kennedy: „He (Schröder; ec) has strengthened the favorable impression which most of us have of him. He is a strong-minded man and much more flexible than the Chancellor or Brentano." 47 Es mag zur Beruhigung Washingtons beigetragen haben, daß gerade im außenpolitischen Bereich Ludwig Erhard von zwei so dezidierten „Atlantikern" wie Kai-Uwe von Hassel und, noch mehr, Gerhard Schröder eingerahmt war. Dabei bezogen sich die amerikanischen Bedenken nicht auf die politische Grundhaltung Erhards, sondern allenfalls auf seine stark auf den wirtschaftlichen Sektor konzentrierte politische Kompetenz. Von grundsätzlichen Vorbehalten gegen Erhard, wie sie noch 1959 geäußert worden waren, konnte nun keine Rede mehr sein. Damals, 1958/59, hatte der freihändlerisch orientierte Erhard der Fortsetzung der europäischen Integration im Sechserrahmen sehr skeptisch gegenübergestanden, während die USA diese massiv unterstützten. Damals, zur Zeit der Präsidentschaftskrise, hatte Washington einem Kanzler Franz Etzel den Vorzug gegeben vor einem Kanzler Ludwig Erhard. Je stärker jedoch, gerade in den letzten Jahren der Kennedy-Administration, de Gaulle die Sechsergemeinschaft zu einem Instrument gegen die USA gerichteter französischer kontinentaleuropäischer Hegemonialansprüche machte und je stärker er im nationalen Interesse der französischen Wirtschaft eine EWG-weite protektionistische Zoll- und Außenhandelspolitik vertrat und darum auch den britischen EWGBeitritt ablehnte, desto deutlicher mußte sich das Erhard-Bild in den USA wandeln. In dem Moment, in dem Adenauer 1962 auf de Gaulies Konzeption einzuschwenken schien und sich für ein exklusives deutsch-französisches Zweierverhältnis einsetzte, in dem Moment gewannen die Ansprüche Erhards auf das Kanzleramt in Washington eine Bedeutung, die weit über die einer rein personellen Alternative hinausreichte. Erhard war in den Augen der amerikanischen Führung nicht der natürliche Nachfolger Adenauers. Erst die Politik de Gaulies machte ihn 1962/63 zum Kandidaten Washingtons. Erhard vertrat die europapolitische Konzeption der Kennedy-Regierung, oder besser: Das europapolitische Konzept der USA entsprach nun in wichtigen Bereichen den Positionen Erhards. Und weil er sich 1963 als Gegner Adenauers präsentierte, war er für Washington der Mann der Stunde. Am 23. April stand der Sieg Erhards fest. Am 26. April in erster, am 16. Mai in zweiter Lesung ratifizierte der Deutsche Bundestag mit überwältigender Mehrheit den deutsch-französischen Vertrag - mit seiner Präambel. In dieser hieß es: 46
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Vgl. ACDP, 1-028, 005/3, Aufzeichnung über ein Gespräch mit Außenminister Rusk am 13. Mai 1963. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 4/63-11/63: Memorandum for the President, subject: Schroeder's Visit, 23.9.1963.
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„ ( . . . ) mit dem Willen, durch die Anwendung dieses Vertrages die großen Ziele zu fördern, die die Bundesrepublik Deutschland in Gemeinschaft mit den anderen ihr verbündeten Staaten seit Jahren anstrebt und die ihre Politik bestimmen; nämlich die Erhaltung und Festigung des Zusammenschlusses der freien Völker, insbesondere einer engen Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten von Amerika, die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts für das deutsche Volk und die Wiederherstellung der deutschen Einheit, die gemeinsame Verteidigung im Rahmen des nordatlantischen Bündnisses und die Integrierung der Streitkräfte der in diesem Bündnis zusammengeschlossenen Staaten, die Einigung Europas auf dem durch die Schaffung der Europäischen Gemeinschaften begonnenen Wege unter Einbeziehung Großbritanniens und anderer zum Beitritt gewillter Staaten und die weitere Stärkung dieser Gemeinschaften, den Abbau der Handelsschranken durch Verhandlungen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika sowie anderen Staaten im Rahmen des 'Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens'; ( . . . ) hat der Bundestag das folgende Gesetz beschlossen." 48 Washington, das den Vertrag selbst nicht hatte verhindern können, ihn als solchen auch gar nicht hatte verhindern wollen, hatte in seiner in der Bundesrepublik ausgetragenen Auseinandersetzung mit dem Europakonzept de Gaulles einen Erfolg erzielt, sich nicht zuletzt auf Grund der deutschen Abhängigkeiten - geschickt instrumentalisiert durch die MLF - durchgesetzt. Kennedy war den deutschen „Atlantikern" durchaus zu Dank verpflichtet. Dies ließ er Heinrich Krone im Mai 1963 in Washington wissen.49 Und während seiner Deutschlandreise im Juni stattete der Präsident, damit Adenauer bewußt oder unbewußt brüskierend, dem Bundestag auch öffentlich seinen Dank ab: „The United States never registered any objections to the treaty. What I think we are concerned about is the maintenance of the integrity of NATO. And it seemed to me that the form in which the treaty passed the Parliament here in the Federal Republic took very important cognizance of the NATO obligation and the NATO responsibility and the NATO defense. I don't think that we can find strength in bilateral arrangements that we can in multilateral arrangements." 50
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Gesetz vom 15. Juni 1963 zu der Gemeinsamen Erklärung und zu dem Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit, abgedruckt in: EA 14/1963, S.D 347f. Vgl. die Aufzeichnungen Krones über seine Washingtoner Gespräche, vor allem mit Kennedy, im Mai 1963. „Präsident Kennedy dankte sodann für die Aufnahme der Präambel in das Ratifizierungsgesetz zum deutsch-französischen Vertrag." S. ACDP, 1-028, 005/3, Aufzeichnung, 15.5.1963. JFKL, POF, Subjects, Box 108, Folder Trips - Germany, 6/2/63-6/26/63, Part C: Press Conference No. 57 of the President of the United States, Bonn, 24.6.1963.
276
II. „Grand Design" und „Grand Dessein" 11.4.3. Verwelkende Rosen: Die USA und das Ende des deutsch-französischen Bilateralismus im Sommer 1963
Mit de Gaulies EWG-Veto, dem Abschluß des Elysée-Vertrages und insbesondere der zeitlichen Koinzidenz dieser beiden Ereignisse hatte, wie gezeigt, die Europapolitik der Vereinigten Staaten einen herben Rückschlag erlitten. Doch mit der Präambel, die der Bundestag dem Vertrag voranstellte, hatte Washington verlorenen Boden wettmachen können. Zwei Faktoren verhalfen der amerikanischen Politik zu diesem Erfolg: die Neubewertung der Europapolitik der USA, wie sie vor allem im Bruce-Report zum Ausdruck kam, die zur Erreichung unverändert gebliebener Ziele wesentlich pragmatischer, differenzierter und behutsamer vorging als 1961 und 1962; und, zweitens, im Rahmen dieses neuen Ansatzes, der sanfte Druck auf Bonn im allgemeinen und führende Unionspolitiker im besonderen zur Vermittlung und Durchsetzung amerikanischer Vorstellungen. Dabei scheute sich Washington in den ersten Monaten des Jahres 1963 nicht, seinen Einfluß an Bundeskanzler Adenauer vorbei, über seinen Kopf hinweg auszuüben. Dies muß wohl nicht nur als ein Indiz dafür gewertet werden, daß man sich in Washington der dezidiert pro-französischen Position des Kanzlers bewußt war, sondern auch für die Tatsache, daß man die innen- und parteipolitisch geschwächte Stellung Adenauers, auch in der Folge der Spiegel-Krise, erkannte und Kapital daraus zu schlagen suchte. Am Ende war es den USA gelungen, der Gefahr eines „geschlossenen deutsch-französischen Systems", vor dem Dean Rusk im Oktober 1962 gewarnt hatte, 51 entgegenzuwirken, ohne damit - zumindest in Washingtons Augen - den auch im amerikanischen Interesse liegenden Prozeß der deutsch-französischen Aussöhnung unterbrochen oder gestört zu haben. Nur wurde das deutsch-französische Verhältnis mit der Präambel wieder eindeutig in den größeren Rahmen der transatlantischen Allianz und der weitergehenden europäischen Integration gestellt. Mit einem nicht unerheblichen Einsatz parierte in und mit der Präambel zum Elysée-Vertrag der amerikanische Hegemon die Herausforderung des nach kontinentaleuropäischer Hegemonie strebenden Frankreich. Mit der Präambel freilich waren die französischen Absichten noch nicht ganz durchkreuzt, die deutsche Unzufriedenheit innerhalb des atlantischen Bündnisses nicht behoben. Letztere hatte sich seit 1960 immer stärker in der Frage nuklearer Mitsprache- und Mitentscheidungsrechte konzentriert. Auf der Athener NATO-Tagung im Mai 1962 und in zahlreichen Reden forderte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß für die Bundesrepublik in nuklearen Fragen mehr Information, eine Garantie, daß die in Europa stationierten Atomwaffen nicht gegen den Willen der betreffenden Länder abgezogen würden, und ein größeres deutsches Mitspracherecht „positiver und negativer
51
S.o., Kap. II.3.
4. 1963 - D a s Jahr der „Atlantiker"
211
Art." 52 Nun hatten die USA zwar schon um die Jahreswende 1962/63 den Plan einer multilateralen Atomstreitmacht revitalisiert und schon vor den Pariser Januar-Ereignissen entsprechende Sondierungen in Europa begonnen. Doch insbesondere der deutsch-französische Vertrag verlieh der MLF-Initiative zusätzliche Dynamik und, in amerikanischen Augen, auch Dringlichkeit. Erhebliche Unsicherheit herrschte nämlich in Washington darüber, ob nicht unter Umständen Geheimklauseln des Elysee-Vertrages die Perspektive einer bilateralen deutsch-französischen Nuklearkooperation in sich bargen. Der Vertrag hatte ja nicht nur vierteljährliche Treffen der Verteidigungsminister beider Länder festgelegt und Begegnungen der Generalstabschefs alle zwei Monate, sondern er enthielt unter dem Rubrum „Verteidigung" auch zwei Passagen, die Washington beunruhigen mußten: „Auf dem Gebiet der Strategie und der Taktik bemühen sich die zuständigen Stellen beider Länder, ihre Auffassungen einander anzunähern, um zu gemeinsamen Konzeptionen zu gelangen. Es werden französisch-deutsche Institute für operative Forschung errichtet. ( . . . ) Auf dem Gebiet der Rüstung bemühen sich die beiden Regierungen, eine Gemeinschaftsarbeit vom Stadium der Ausarbeitung geeigneter Rüstungsvorhaben und der Vorbereitung der Finanzierungspläne an zu organisieren." 53 Nach beiden Seiten, nach Paris und Bonn, streckte Washington seine Fühler aus, um Informationen zu erhalten über mögliche geheime deutsch-französische Zusatzvereinbarungen. Das Thema stand auf der Tagesordnung des Besuches, den der neue Bundesverteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel Ende Februar 1963 der amerikanischen Regierung abstattete. 54 In Gesprächen mit dem französischen Außenminister Couve de Murville im Mai 1963 wurde die Frage geheimer Zusatzklauseln nicht thematisiert. Behandelt wurde allerdings die Möglichkeit der Entstehung eines unabhängigen deutschen Nuklearpotentials. Dieses zu verhindern, deutsche Nuklearambitionen zu kanalisieren und zu kontrollieren, war eine der primären Motivationen der MLF-Initiative gewesen, an der zu beteiligen sich Frankreich seit Dezember 1962 zugunsten des Aufbaus der unabhängigen Force de frappe weigerte. Doch über diese Weigerung hinaus lehnte Couve de Murville gegenüber Präsident Kennedy und Außenminister Rusk das MLF-Konzept als solches ab: „He (Couve; ec) was not sure that the MLF really met German requirements, and feared that it would rather whet the German appetite in the direction of an increasing nuclear role, particularly in view of the size of the German contribution. The President 52
53 54
Vgl. Neriich, Uwe, Die nuklearen Dilemmas der Bundesrepublik Deutschland, S.646; vgl. auch Mahncke, Dieter, Nukleare Mitwirkung, S.119. Deutsch-französischer Vertrag vom 22.1.1963, in: EA 4/1963, S . D 85. Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 1/63-3/63: Memorandum for the President, Visit of German Defense Minister, 25.2.1963; vgl. auch die Gespräche, die Heinrich Krone im Mai 1963 in den U S A führte, beispielsweise mit US-Verteidigungsminister McNamara; s. ACDP, 1-028, 005/3, handschriftliche Aufzeichnung, Gespräch Krones mit McNamara, 14.5.1963.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
observed that he thought the French force de frappe was a far greater incentive to Germany to play a national nuclear role ( . . .)." 55 Die französisch-amerikanischen Meinungsunterschiede waren offensichtlich. Bei den diesbezüglichen Überlegungen dürfte für Washington die Einschätzung eine wesentliche Rolle gespielt haben, daß die nuklearen Ansprüche der Bundesrepublik nicht nur strategischen Einsichten und daraus abgeleiteten Anforderungen folgten, sondern auch durch das deutsche Interesse motiviert waren, den nuklearen Statusunterschied zu Frankreich und, in zweiter Linie, auch zu Großbritannien zu überwinden. Aber genau daran konnte das gaullistische Frankreich keinerlei Interesse haben, leiteten sich doch seine kontinentaleuropäischen hegemonialen Ansprüche und die französische Dominanz im deutsch-französischen Zweibund ganz wesentlich aus Frankreichs Status als Nuklearmacht, als eine der drei westlichen Nuklearmächte ab. Zwar hatte de Gaulle selbst davon gesprochen, daß eine Nuklearbewaffnung der Bundesrepublik langfristig unvermeidbar sei. Dean Rusk berichtete Kennedy über eine diesbezügliche Unterredung: „De Gaulle listened to my account of the question of non-proliferation of weapons but then asked bluntly if we really believed that sooner or later Germany would not have their own nuclear weapons no matter what we or they did ( . . ,)." 56 Doch bis zu diesem Zeitpunkt durfte es für Frankreich offensichtlich keine Kompromisse geben, mußte die Bundesrepublik ein nuklearer Habenichts bleiben. 57 Couve de Murville schloß in Washington kategorisch aus, daß Frankreich jemals Deutschland bei der Entwicklung einer nationalen Nuklearmacht unterstützen werde. 58 Dem stimmte auch George Ball zu, wenn 55
56
57
58
JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 6 / 1 / 6 3 - 6 / 4 / 6 3 : Department of State, Memorandum of Conversation, Kennedy - Couve de Murville, 25.5.1963 (Hervorhebung im Original). Vgl. in diesem Zusammenhang auch die MLF-Kritik Stanley Hoffmanns, der das MLFAngebot als eine „self-fulfilling prophecy" beschreibt. Die MLF hätte den deutschen Appetit auf Nuklearwaffen geweckt, obwohl dieser in Deutschland in dieser Form nicht vorhanden gewesen sei, und sie hätte diesen Appetit nicht gestillt. S. Hoffmann, Stanley, Gulliver's Troubles, S. 140. JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 4 / 4 / 6 3 - 4 / 8 / 6 3 : Rusk an Acting Secretary and President, 8.4.1963. Obwohl im Spätjahr 1963 und auch 1964 de Gaulle offensichtlich den Gedanken einer deutsch-französischen Nuklearkooperation als Kern einer europäischen Force de frappe ventilierte, blieb doch seine Politik bis 1969 von dem Denken in Kategorien nationalnuklearer Unabhängigkeit geprägt, das ihn auch 1958, wenige Tage nach seiner Regierungsübernahme, das 1957 begonnene Projekt einer deutsch-italienisch-französischen Nuklearkooperation abbrechen ließ. Zu den „Angeboten" 1963/64 vgl. Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache, S. 185-189; Osterheld, Horst, „Ich gehe nicht leichten Herzens", S.260. Zum trilateralen deutsch-italienisch-französischen sogenannten FIG-Projekt 1957/ 58 vgl. Barbier, Colette, Les négotiations franco-germano-italiennes; Conze, Eckart, La coopération franco-germano-italienne; Nuti, Leopoldo, Le rôle de l'Italie. Vgl. JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 5/9/63-5/31/63: Memorandum of Conversations between French Foreign Minister Couve de Murville und Under Secretary Ball, 25.5.1963.
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auch weniger aus Gründen der internationalen Machthierarchie, als vielmehr aus prinzipiellen Erwägungen über die Non-Proliferation: „The central problem was Germany. If Germany began to develop a nuclear deterrent, we could expect Italy to follow suit within a relatively few years." 59 Anders als Paris glaubte Washington auch nicht, daß es Frankreich und den anderen Westmächten auf Dauer gelingen werde, der Bundesrepublik den Status einer zweitrangigen Macht zuzuweisen.60 Für Washington diente das MLF-Konzept gerade in seiner Frühphase 1963 zwei Zielen: Zum einen hatte es in der Tat den bündnispolitischen Zweck, die europäischen Alliierten der USA, nicht allein die Bundesrepublik, stärker in nukleare Entscheidungsprozesse der Allianz einzubinden, das Klima der Integration zu verbessern, ohne dabei indes vom Prinzip zentralisierter Kontrolle der Kernwaffen und ihres Einsatzes, wie es McNamara im Juni 1962 in Ann Arbor formuliert hatte, abzurücken. Zum zweiten jedoch muß die MLF-Initiative 1963 klar als Teil der amerikanischen Antwort auf die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen bewertet werden. Washington mußte Bonn demonstrieren, daß es, vor die Wahl gestellt, die größere Sicherheit in der atlantischen Bindung an die USA finden würde. Die USA verfüge über die größere Macht und habe deswegen im Ringen um die Bundesrepublik die besseren Karten, betonte Dean Acheson in einem Memorandum: „ ( . . . ) France is beginning to realize that she cannot afford one (a national nuclear deterrent; ec), as we have always known. If she turns to Germany for help, she will find that Germany is more interested in association with real power - as Germany has always been - than with pretended power. Hence the importance of moving at once to get Germans into learning about nuclear weapons and training with our SAC, without delaying in futile efforts to solve command and control problems which are insoluble in terms of nuclear weapons alone." 61 Adenauer hatte der MLF unzweideutig und öffentlich zugestimmt. 62 Diese Zustimmung könnten die USA, so Walt Rostow, der Chef des Planungsstabes des State Department, in eine Niederlage de Gaulles verwandeln: „Adenauer's overt support for the multilateral force, if successfully followed through by Ambassador Merchant's talks in Paris und Bonn, represents to de Gaulle - who is obsessively focused on the political meaning of atomic weapons - the possibility of a definitive defeat for his ambitions which almost certainly include an enlargement of French power via intimate military associa59 60
61
62
Ebd. Vgl. ebd. Im Gesprächsprotokoll Ball - Couve de Murville heißt es: „In the course of our discussion we attempted to define the main area of disagreement. It appeared to narrow down primarily to a differing appraisal as to the ability of France and the other Western allies to keep Germany permanently in a second-class position. There was no difference between us as to the catastrophic consequences of a German national nuclear system." JFKL, POF, Special Correspondence, Box 27, Folder Acheson, Dean, 10/29/62-5/6/63: Memorandum, France and Nuclear Weapons, 20.2.1963. Vgl. ACDP, VHI-001, 1009/2, Protokoll der Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, 5.2.1963, S. 244-246.
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tion with Bonn." 63 MLF-Sondierungen und -Verhandlungen sowie das Bemühen um ein Addendum zum Elysee-Vertrag waren zwei parallele Anstrengungen einer amerikanischen Strategie, welche sich auf die Reintegration der Bundesrepublik in die Atlantische Allianz und gegen ein „geschlossenes deutschfranzösisches System" richtete. Frankreich schied wegen seines Obstruktionismus und seiner Verweigerungshaltung als Adressat des amerikanischen Vorgehens aus. So blieb Bonn der einzige Ort, an dem sich für Washington die Chance bot, die französische Europakonzeption mit all ihren Implikationen auszuhebein. Um zu Erfolgen zu gelangen, beschritt die US-Administration verschiedene Wege. Hatten 1962 die gegenseitigen deutsch-französischen Staatsbesuche einen entscheidenden Beitrag geleistet zur Befestigung und populären Verankerung der Zusammenarbeit zwischen Bonn und Paris, so griff Washington 1963 zum selben Mittel. Dem Sommer der deutsch-französischen Freundschaft sollte der Sommer der deutsch-amerikanischen Partnerschaft folgen. Unter dem Schock der Pressekonferenz de Gaulles vom 14. Januar 1963 hatte Kennedy, ohne lange zu zögern, die Einladung des Bundeskanzlers zu einem Besuch in Deutschland angenommen. Offiziell blieb die Reise ein Arbeitsbesuch, auch wenn Besuchsprogramm und Besuchsverlauf ihr das Gepräge eines Staatsbesuchs gaben, der mit demjenigen de Gaulles im September 1962 durchaus zu vergleichen war. Es gab eine Reihe von Gründen für einen Deutschlandbesuch des Präsidenten: Während er bereits in Großbritannien und Frankreich, den beiden anderen Hauptmächten des westlichen Bündnisses gewesen war, hatte er die Bundesrepublik noch nicht besucht. Zwar hatte Adenauer seit dem Januar 1961 den Präsidenten dreimal in Washington aufgesucht, während de Gaulle erstmals für das Frühjahr 1964 eingeladen werden sollte,64 doch mag das Weiße Haus in einer Deutschlandreise auch so etwas wie einen Abschiedsbesuch bei dem aus dem Amt scheidenden Bundeskanzler gesehen haben. Ein Aufenthalt in der Bundesrepublik gab in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, Adenauers designierten Nachfolger Ludwig Erhard näher kennenzulernen. 65 Darüber hinaus bot sich Kennedy die Gelegenheit, seine Gedanken und Konzeptionen der deutschen politischen Elite vorstellen zu können, die er trotz zahlreicher Reden und vieler Gespräche mit einzelnen deutschen Besuchern in den USA in dieser Breite nie hätte erreichen können. Vor allem aber war eine Visite in Deutschland für den amerikanischen Präsidenten eine Chance, sich an die Bevölkerung zu wenden, gleichsam in 63
64
65
JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 2/16/63-2/28/63: Rostow an Tyler, The Problem of Paris and the French, 19.2.1963. Vgl. JFKL, POF, Countries, Box 116A, Folder France - Security, 1962-1963: Department of State (Ball) an US-Botschaft Paris, Highest Level Guidance, 25.9.1963. Die Bereitschaft Adenauers, Gespräche zwischen Erhard und Kennedy zu ermöglichen, hielt sich bezeichnenderweise sehr in Grenzen. Vgl. McGhee, George, Botschafter in Deutschland 1963-1968, Esslingen/München 1989, S.62.
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direkten Kontakt mit ihr zu treten. Arthur Schlesinger gehörte zu den Beratern Kennedys, die letzteres Argument betonten. Der Präsident müsse endlich von seiner Popularität, seiner Jugend, seiner Dynamik Gebrauch machen: „ ( . . . ) the State Department ( . . . ) is constitutionally opposed to exploiting abroad the benefits of the change in administration in Washington. ( . . . ) This attitude denies us one of the most powerful weapons we have in winning the confidence and the enthusiasm of other peoples." 66 Die Redeentwürfe, die das Außenministerium Kennedy wenige Wochen vor seiner Reise vorlegte, hielt Schlesinger für banal und unverbindlich: „They fail to convey any sense of a fresh American voice or distinctive Kennedy approach." 67 Zwar müsse der Präsident in seinen Reden über Verteidigungsfragen, Atlantische Partnerschaft, Zollsenkungen und ähnliche Themen sprechen, doch er müsse dabei vor allem eines in Rechnung stellen: „ ( . . . ) the fact that Europe considers itself a big boy now that Europeans are fed to the teeth with what they regard as the American habit of deciding unilaterally what European policy should be and setting out to impose it regardless of what Europe thinks." 68 Selbst wenn Schlesinger dies nicht expressis verbis erwähnte, wird deutlich, daß seine Position auch darauf zielte, das Verhalten und die Vorgehensweise de Gaulles zu konterkarieren, und dies gerade in bezug auf Deutschland. Wie kein anderer ausländischer Staatsmann vor ihm hatte de Gaulle im September 1962 sich direkt und effektvoll an die deutsche Bevölkerung gewandt und einen bleibenden Eindruck hinterlassen, der später den deutsch-französischen Vertrag nur noch als logische Folge der von ihm mit Charisma und Energie demonstrierten Versöhnung von Franzosen und Deutschen erscheinen ließ. Und wenn Kennedy den Europäern in seinen Reden beweisen konnte, daß Amerika sie ernst nahm, sie nicht überging und sie nicht politisch bevormundete, dann würde er damit auch dem Standardargument de Gaulles den Wind aus den Segeln nehmen können, daß nämlich die USA Europa permanent ihren Willen aufzwängen und die Europäisierung Europas verhinderten. Gewiß galten diese Überlegungen auch für Kennedys Aufenthalte in Italien, Großbritannien und Irland, doch natürlich kreuzten sich gerade in der Bundesrepublik Deutschland französische und amerikanische Europakonzeption, ja entschied sich der europapolitische Erfolg von Paris oder Washington in der zwangsläufigen Rivalität um die deutsche Unterstützung. 69 Diese Argumentation gewann an Gewicht, weil sich für den 4./5. Juli 1963 Präsident de Gaulle zu den ersten Konsultationen im Sinne 66 67 68 69
Zit. nach: Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.737. Ebd., S.736. Ebd. Vgl. hierzu die klare Feststellung bei Sorensen, Theodore C., Kennedy, S.579: „Kennedy's primary purpose was not to negotiate with governments but to talk to their publics in the wake of de Gaulle's charges against the United States."; vgl. auch Besson, Waldemar, Die Außenpolitik der Bundesrepublik, S.314; Birrenbach, Kurt, Adenauer und die Vereinigten Staaten, S.504.
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des Elysée-Vertrages in Bonn angesagt hatte. Kennedy mußte vor diesem Termin ein Zeichen setzen: ein Zeichen in der Bundesrepublik, ein Zeichen aber auch in Richtung Paris. Als wichtigste Entscheidung des Weißen Hauses erwies sich in diesem Zusammenhang der Besuch des Präsidenten in Berlin, wo de Gaulle 1962 nicht gewesen war. Für den General besaß Berlin Bedeutung als Ort, wo sich auch nach 1955 noch der Siegermachtstatus Frankreichs zusammen mit dem Großbritanniens und der USA manifestierte. Aus diesem Grunde hatte sich de Gaulle gegen Veränderungen des Berlin-Status gewandt, am 13. August 1961 die Zerstörung der östlichen Grenzsperren befürwortet und die Teilnahme an den west-östlichen Berlin-Gesprächen seit Herbst 1961 verweigert. Ein besonderes Verhältnis des französischen Präsidenten zu Berlin entstand aus all dem jedoch nicht. Dafür war ihm Berlin auch zu preußisch und zu protestantisch. Auch Kennedy hatte im Grunde keine besondere Beziehung zu Berlin. Dennoch erkannte man in Washington offensichtlich deutlicher als in Paris, wie sehr sich gerade mit der Berliner Mauer deutsche Emotionen verbanden, und eben deswegen stand ein Besuch Kennedys in der geteilten Stadt außer Frage. Daneben diente der Berlin-Abstecher auch der Unterstützung Willy Brandts, des sozialdemokratischen Gegenspielers Adenauers. 70 Die nicht einmal 24 Stunden in Berlin wurden zum triumphalen Höhepunkt der Europareise Kennedys. Hatten Berliner Blockade und Luftbrücke 1948/49 die emotionale Bindung zwischen Deutschen und Amerikanern begründet - aus Besatzern wurden Beschützer und aus den deutschen Feinden des Zweiten Weltkriegs Verteidiger der Freiheit - , so erneuerte Kennedys Aufenthalt in Berlin diese Beziehung. Amerikaner und Deutsche waren tief bewegt - auch Kennedy. „Ich bin ein Berliner" wurde nicht nur der Schlüsselsatz des Deutschlandaufenthalts, sondern Inbegriff des Kennedy-Bilds einer ganzen Generation von Berlinern und Deutschen. Im Wetteifern um die Deutschen trug Kennedys „Ich bin ein Berliner" gegen de Gaulies „Es lebe Deutschland!" den Sieg davon. 71 Ein späterer Besuch de Gaulies in Berlin hätte das nicht zu ändern vermocht, ja das französische Außenministerium war sich bereits im Vorfeld der Kennedy-Reise der Wirkung des Abstechers nach Berlin bewußt: „ ( . . . ) Laloy, Deputy Director Political Affairs Quai, commented President was certain to have tremendous reception during his forthcoming visit to Berlin. He feit this would be excellent thing politically and psychologically for
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Die Unterstützung der deutschen Sozialdemokratie entsprach einer von Schlesinger entwikkelten Vorgehensweise, nach der die progressive Kennedy-Administration mit ihrer Politik an die progressiven Kräfte in Europa appellieren sollte, nicht an die Kräfte des Konservativismus, die man de Gaulle zuordnete. Vgl. JFKL, White House Files, Box 9, Schlesinger, Folder France 2/12/63-3/31/63: Memorandum for George Ball, 12.2.1963. Schlesinger differenzierte zwischen dem fortschrittlich-demokratischen Europa, einem „Europe des peuples", und dem konservativ-undemokratischen Europa de Gaulies und Adenauers, dem „Europe des pères". S. Laeouture, Jean, De Gaulle, Bd. 3., S.309.
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people of Berlin as well as for West in general and its important impact would certainly not be lost on Soviets. He added that de Gaulle had no intention of going to Berlin on his next visit to Germany and that in any case spectacle of de Gaulle following in President's wake and in effect seeking to rival latter's welcome would be 'grotesque'." 72 Eine Bitte de Gaulles an die Bundesregierung, seinen nächsten Deutschlandbesuch ähnlich dem Kennedys zu arrangieren, kam nicht zum Tragen. Sie zeigt aber, für wie erfolgreich der General die Reise des US-Präsidenten hielt und wie sehr er sich offensichtlich ihres Effekts auf die deutsch-französischen Beziehungen bewußt war. 73 Gegenüber der deutschen Bevölkerung erreichte die Reise ihr Ziel. Kennedy war 1963 der mit Abstand beliebteste ausländische Staatsmann in der Bundesrepublik. 83 Prozent der Deutschen stimmten ihm und seiner Politik zu. Vor dem Besuch waren es noch 76 Prozent gewesen.74 Die politischen Gespräche hingegen, die Kennedy in Bonn führte, waren wenig spektakulär. Sie befaßten sich in erster Linie mit dem vor dem Abschluß stehenden Teststoppabkommen zwischen den USA und der Sowjetunion sowie der MLF. In der MLF-Frage wurden keine Fortschritte erzielt. Die Dynamik des Frühjahrs 1963 schien vorbei zu sein. Großbritannien lehnte die Konzeption ab; Italien und die Benelux-Staaten hielten sich bedeckt. 75 An ein bilaterales Vorangehen oder auch den Abschluß eines Vorvertrages, den Bonn erhofft hatte, war daher im Moment nicht zu denken. Dies fügte sich freilich trefflich in die amerikanische Konzeption, in der die MLF-Offensive des Frühjahrs, vor allem die Merchant-Mission, primär instrumentalen Charakter hatte zur Entwertung des deutsch-französischen Vertrages und zur Reintegration der Bundesrepublik. Diese Ziele waren mit der Präambel erreicht, und deshalb bestand für Washington nun kein unmittelbarer Anlaß mehr, sich in Europa weiter so massiv für das MLF-Projekt einzusetzen. Darüber hinaus schien es Kennedy und seinen Beratern ratsam, die Entspannungsbemühungen mit der Sowjetunion nicht dadurch zu gefährden, daß auf Grund der MLF die USA nun als die Macht erschienen, welche der Bundesrepublik den Zugang zu nuklearen Waffen verschaffte. 76 Statt dessen skizzierte Kennedy in seiner Rede 72
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74 75 76
JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 5/1/63-5/23/63: Bohlen (Paris) an Secretary of State, 15.5.1963. Vgl. JFKL, NSF, Countries, Box 72, Folder France - General, 6/21/63-6/30/63: CIA Report No. DCSDB-3/655,193, Subject: Desire of de Gaulle to change the character of his coming trip to West Germany, 22.6.1963. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.54. Vgl. hierzu Hoppe, Christoph, Zwischen Teilhabe und Mitsprache, S. 139-144. Vgl. Costigliola, Frank, The Pursuit of Atlantic Community, S.52. Am 10.6.1963 hatte Präsident Kennedy in einer Rede vor der Washington University nicht nur das amerikanische Interesse an Entspannung und einem Ende des Wettrüstens betont, sondern auch die Aufnahme von sowjetisch-amerikanisch-britischen Verhandlungen zur Einstellung von Atomtests und den einseitigen Verzicht der USA auf Atomversuche in der Atmosphäre angekündigt. Vgl. Rede des amerikanischen Präsidenten, John F. Kennedy,
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in der Frankfurter Paulskirche vor Mitgliedern des Bundestages, des Bundesrates und der Länderparlamente die Grundlagen einer Atlantischen Partnerschaft. Die Paulskirchen-Ansprache kann als revidierte Form der „Déclaration of Interdependence" vom 4. Juli 1962 in Philadelphia betrachtet werden. Sie entwickelte nicht mehr ein visionäres „Grand Design", sondern formulierte europapolitische Ziele der USA im Sinne einer pragmatischen und interessenorientierten Atlantischen Partnerschaft. Die drei Elemente des „Grand Design" - Politik, Wirtschaft und Verteidigung - tauchten wieder auf. Kennedy rief zur Stärkung der NATO, zur Liberalisierung des Handels, zur Hilfe bei der Bewältigung des Zahlungsbilanzproblems der USA und zur Fortsetzung des europäischen Einigungsprozesses auf, welcher auch weiterhin die amerikanische Unterstützung finden werde. 77 Die Frankfurter Rede Kennedys führte die Fäden der amerikanischen Europapolitik erneut zusammen. Washington leitete, den Empfehlungen des Bruce-Reports folgend, eine neue Phase seiner Europapolitik ein, die keineswegs auf den amerikanischen Führungsanspruch verzichtete, ihn aber pragmatischer und die europäischen Interessen stärker ins Kalkül ziehend zu verfolgen suchte. Der Rückschlag des Januar 1963 war überwunden, de Gaulle mit der Präambel zum Elysée-Vertrag und mit dem Deutschlandbesuch Kennedys in seine Grenzen verwiesen. Ganz konkret mußte sich dies in den deutsch-französischen Beziehungen selbst erweisen. Am 4. und 5. Juli 1963 weilte Charles de Gaulle zu den ersten Regierungsgesprächen nach Abschluß des deutsch-französischen Vertrages in Bonn. Für den französischen Staatspräsidenten hatte der Vertrag durch die Hinzufügung der Präambel seinen Wert verloren. Diese betonte genau das, wogegen sich die französische Politik gewandt hatte, und sie bedeutete das Ende für de Gaulies ehrgeiziges Konzept einer deutsch-französischen Zweierallianz als Kern und Motor eines europäischen Europa, eines vom amerikanischen Einfluß befreiten Europa, ganz gleich ob dieser Einfluß nun direkt von Washington oder indirekt über London ausgeübt wurde. Fast gleichzeitig mit der Verabschiedung der Präambel hatte die Union die Frage der Adenauer-Nachfolge entschieden und mit der Nominierung Ludwig Erhards dem französischen Präsidenten einen zweiten Schlag versetzt. Erhard war nicht anti-französisch, doch er war ein Freihändler und ein Anhänger einer möglichst weiten europäischen Integration. Seit 1958 stand er deswegen im Gegensatz zu de Gaulle. Erhard befürwortete im Herbst 1958 die Brückenkonzeption, den Zusammenschluß von EWG und den späteren EFTA-Ländern zu einer großen Freihandelszone, was de Gaulle strikt und mit der Unterstützung Adenauers ablehnte. In den Jahren 1961 bis 1963 plädierte der Bundeswirtschaftsminister immer wieder für die Aufnahme Großbritanniens in die EWG. Während Adenauer und de Gaul-
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vor der Universität Washington am 10. Juni 1963 über neue Friedensbemühungen der Vereinigten Staaten, abgedruckt in: EA 12/1963, S . D 289-294. Vgl. Rede des amerikanischen Präsidenten, John F. Kennedy, in der Frankfurter Paulskirche am 25. Juni 1963, abgedruckt in: EA 14/1963, S . D 352-359.
4. 1963 - D a s Jahr der „Atlantiker"
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le dem neuen amerikanischen Präsidenten Kennedy skeptisch bis feindselig gegenüberstanden, äußerte Erhard nach seinem ersten Zusammentreffen mit ihm Genugtuung über seine Europa- und Handelspolitik und das Konzept des „Grand Design". Den Abbruch der Brüsseler Verhandlungen über den EWGBeitritt Englands kommentierte Erhard im deutschen Fernsehen: „Die Verhandlungen sind an ihrem Ende, einem sehr traurigen Ende angelangt. Es hat fast wie eine Trauerfeier angemutet, ( . . . ) es ist eine schwarze Stunde Europas." 78 Im Bundeskabinett setzte er am 30. Januar 1963 eine Resolution durch, in der die Bundesregierung erklärte, daß sie ihre Politik der europäischen Einigung fortsetzen und alles unternehmen werde, die Aufnahme Großbritanniens in die EWG zu ermöglichen. 79 In seinem großen Interview mit HansUlrich Kempski in der Süddeutschen Zeitung vom 5.Februar 1963 erklärte Erhard den Bilateralismus für tot. 80 Als ihn Adenauer ob seines Eintretens für den EWG-Beitritt Großbritanniens und seiner Distanzierung vom deutschfranzösischen Vertrag scharf kritisierte und ihn nach dem Motto „Schuster bleib' bei Deinem Leisten" zur Beschränkung auf wirtschaftliche Fragen anhielt, reagierte der so Gescholtene heftig: „Ich möchte ( . . . ) darauf hinweisen, daß das internationale Vertrauen, das ich mir in fünfzehnjähriger Tätigkeit als Garant einer freiheitlichen, multilateralen europäischen Ordnung im Zusammenwirken mit den USA erworben habe, ein positives Element der deutschen Politik ist ( . . ,)." 81 Erhards Antwort war Programm. Daß seine Nominierung zum Kanzlerkandidaten innerhalb der CDU/CSU von den gleichen Kräften forciert und gestützt wurde, die auch die Präambel durchsetzten, durfte deswegen nicht verwundern. In Paris verstand auch de Gaulle diese Zeichen. Der glänzende Erfolg der Kennedy-Reise betonte dann auch im internationalen Kontext die bleibende hervorragende Bedeutung der USA für die Bundesrepublik und ihre Außenpolitik. War das Ringen um die Bundesrepublik entschieden? Hatte de Gaulle resigniert? Eine Erklärung des französischen Präsidenten vom 2. Juli 1963 ließ es vermuten: „Les traités ( . . . ) sont comme les jeunes filles et comme les roses; ça dure que ça dure. Si le traité francoallemand n'était pas appliqué ce ne serait pas la première fois dans l'histoire." Victor Hugo zitierend, fügte er hinzu: „Hélas! Que j'en ai vu mourir de jeunes filles."82 Doch während er mit Worten die Entwicklung der deutsch-französi78 79 80 81
82
Zit. nach: Lappenküper, Ulrich, „Ich bin doch wirklich ein guter Europäer.", S.98. Vgl. ebd. S.99. Vgl. Süddeutsche Zeitung, 5.2.1963, S.3. Erhard an Adenauer, 27.2.1963, zit. nach: Koerfer, Daniel, Kampf ums Kanzleramt, S.725. Zit. nach: Lacouture, Jean, De Gaulle, Bd. 3, S.308. Stanley Hoffmann, Gulliver's Troubles, S. 391, bemüht, nicht völlig unzutreffend, einen Vergleich mit der Bonne et belle alliance, dem französisch-sowjetischen Freundschaftsvertrag von 1944: „In beiden Fällen wurde ein Abkommen zur Förderung einer koordinierten Politik mit gemeinsamen Zielen vor seiner Ausfuhrung durch den mangelnden Konsens inhaltslos."
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
sehen Beziehungen bedauerte, ließ das französische Handeln erkennen, daß Paris seinen Weg auch alleine zu gehen bereit war, daß es seine gegen die USA und gegen die NATO-Integration gerichtete Politik auch ohne deutschen Bundesgenossen fortführen würde. Am 21. Juni 1963 wurde bekannt, daß Frankreich seine gesamte Flotte dem NATO-Oberbefehl zum 1. Januar 1964 entziehen würde, was, unmittelbar vor der Europareise Kennedys, ein weiteres Zeichen der französischen Entschlossenheit setzte. Vor diesem Hintergrund fanden am 4. Juli 1963 die Gespräche zwischen Adenauer und de Gaulle statt. 83 Diese gingen über einen Austausch von Positionen und Informationen nicht hinaus. Neue Initiativen wurden nicht geboren. Kanzler und Präsident lehnten die Aufnahme neuer Verhandlungen zur Schaffung einer Europäischen Politischen Union ab. Hier gebe es derzeit keine Erfolgsaussichten, und ergebnislose Verhandlungen seien immer schädlich.84 Während de Gaulle sich einmal mehr über Struktur und Organisation der NATO und das amerikanische Übergewicht beklagte, berichtete Adenauer über den Erfolg des Kennedy-Besuchs. Gerade den Inhalt der europapolitischen Reden des amerikanischen Präsidenten und seine Aussagen zur deutsch-amerikanischen Partnerschaft versuchte der Kanzler freilich mit dem Hinweis auf wahltaktische Argumente zu relativieren. 85 Adenauer war sichtlich bemüht, die Bedeutung des Kennedy-Aufenthalts öffentlich nicht allzu hoch einzuschätzen, wohl wissend, daß dies die Verbitterung des Generals über die Entwicklung des deutsch-französischen Verhältnisses nur steigern würde. In seiner Tischrede am Abend des 4. Juli 1963 griff der Bundeskanzler, Zweckoptimismus verbreitend und die Realitäten verbrämend, de Gaulies Rosen-Vergleich auf, und der Präsident antwortete freundlich und zustimmend: eher ein höfliches Abschiedsgeschenk an den aus dem Amt scheidenden Kanzler denn eine politische Willenserklärung. 86 83
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Adenauer berichtet in seinen Erinnerungen 1959-1963, S. 221-230, über die Konsultationen. Vgl. ebd., S.228. Adenauer legte de Gaulle dar: „Im Gegensatz zu Eisenhower sei Kennedy in erster Linie ein Parteipolitiker. Kennedy selbst habe die Paulskirche in Frankfurt für seine Rede gewählt, um bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen die Stimmen der Deutsch-Amerikaner zu bekommen. In Berlin habe er den Gewerkschaftskongreß besucht, um die Gewerkschaftsstimmen zu erhalten, und wahrscheinlich sei für seine Reise nach Irland der Grund ausschlaggebend gewesen, die irischen Stimmen zu bekommen." S. ebd., S.222f. Diese Darstellung Adenauers scheint in einem nicht unwichtigen Detail nicht ganz der Realität zu entsprechen. Ursprünglich wollte Kennedy seine europapolitische Grundsatzrede vor dem Deutschen Bundestag halten. Adenauer wandte sich jedoch dagegen und verwies Botschafter McGhee bei den Besuchsvorbereitungen auf die Möglichkeit, die deutschen Parlamentarier in die Paulskirche einzuladen. Vgl. McGhee, George, Botschafter in Deutschland, S.60f. In Adenauers Tischrede hieß es: „Ja natürlich haben sie (Rosen und junge Mädchen; ec) ihre Zeit, aber die Rose - und davon verstehe ich nun wirklich etwas, das lasse ich mir von niemanden bestreiten - ist die ausdauerndste Pflanze, die wir überhaupt haben. Sie hat hier und da Dornen, sicher, meine Damen und Herren, dann muß man sie mit Vorsicht anfas-
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Doch in Paris machte sich Enttäuschung breit. Presseberichte unterstrichen dies, und Adenauer sah sich gezwungen, Kennedy brieflich zu versichern, daß die Gespräche mit de Gaulle gut verlaufen seien. 87 Gut wiren sie verlaufen, es gab keine Unstimmigkeiten; doch de Gaulle hatte mehr erreichen wollen. In Paris sei man desillusioniert über die politischen Ergebnisse des Vertrages, und die Reise von Bundesaußenminister Schröder nach London, 88 verbunden mit einer demonstrativen Verbesserung der deutsch-englischen Beziehungen, habe dazu erheblich beigetragen, beeilte sich die US-Botschaft in Paris der Zentrale in Washington mitzuteilen. 89 Sichtbare Zeichen der Verstimmung sah die Botschaft in der Ablösung zweier prominenter Deutscher in Paris: des Botschafters Herbert Blankenhorn und des Generals Hans Speidel, des deutschen militärischen Vertreters bei der NATO. Bonn gab dem Pariser Drängen nach, 90 um die Beziehungen nicht noch mehr zu belasten. Die US-Botschaft sah die positive Seite der Ablösung: Beide, Blankenhorn und Speidel, könnten nun in anderen einflußreichen Positionen dabei helfen, de Gaulle von der Erreichung seiner Ziele abzuhalten.91 Es sei, so schloß die Analyse der Amerikaner, „Sand im Getriebe" der deutsch-französischen Beziehungen. Washington konnte zufrieden sein: „If German tendency to continue to play ball with Anglo-Saxons gathers momentum, expansion of Gaullist concept of Europe on basis FrancoGerman treaty will no doubt be seriously compromised." 92 Die vertragsmäßi-
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sen. Aber sie hält jeden Winter durch. So haben z.B. die Rosen in meinem Garten drüben in Rhöndorf den harten Winter, den wir hinter uns haben, glänzend überstanden. Deswegen möchte ich das aufgreifen und sagen, jawohl, diese Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland ist wie eine Rose, die immer wieder Blüten bringt und die alle Winterhärte glänzend übersteht." De Gaulle erwiderte: „Sie haben recht, H e n Bundeskanzler, unser Vertrag ist nicht eine einzelne Rose, er ist auch nicht ein Rosenstock - er ist ein ganzer Rosenhag, und diesen Rosenhag haben wir gepflanzt, damit täglich neue Rosen erblühen. Eine Rose dauert - Sie haben recht - nur einen Morgen, und auch das junge Mädchen ist nicht immer und ewig jung. Aber Sie haben das in Ihrem eigenen Garten, in Ihrem eigenen Haus bewiesen, daß ein solcher Rosenhag, wenn man ihn richtig zu pflegen versteht, ein sehr, sehr langes Leben hat und daß er jeden Morgen neue Blüten treibt. Dasselbe gilt auch für unseren Vertrag." S. StBKAH, RIA 1963 I, Mitteilung an die Presse 834/63. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Adenauer an Kennedy, 8.7.1963. Die Verbesserung der deutsch-britischen Beziehungen war eine wichtige Empfehlung des Bruce-Reports. Dort heißt es: „We should suggest that the British Government, by whatever means appear effective, do whatever it can to mitigate excessive British hostility to the Germans. In short, the British should stop being beastly to the Germans." S. JFKL, BruceReport, 9.2.1963, s.o., Anm. 8. Vgl. JFKL, NSF, Countries, Box 72 A-73, Folder France - General, 8/9/63-8/31/63: Lyon (Paris) an Secretary of State, 21.8.1963. Vgl. hierzu Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S.757f. Vgl. JFKL, Lyon (Paris) an Secretary of State, 21.8.1963, s.o., Anm. 89. Ebd. Das „Ballspiel mit den Angelsachsen" bezog sich nicht nur auf die gegenseitigen Besuche von Bundesaußenminister Schröder und seinem britischen Kollegen Lord Home, sondern
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
gen Konsultationen der Außenminister Schröder und Couve de Murville im September 1963 bestätigten den Eindruck, den Washington den Sommer über gewonnen hatte: „As exercise in consultation within framework of FrancoGerman treaty, meeting apparently failed to produce consensus of views on any major subject discussed."93 Das Treffen Adenauer - de Gaulle am 21./ 22. September 1963 in Rambouillet - eine Reminiszenz an 1960 - war Chefsache. Die deutsche Botschaft in Paris war an den Vorbereitungen nicht beteiligt, über die Gesprächsthemen wurde sie nicht informiert. 94 War der Elysée-Vertrag tatsächlich nicht mehr als eine „Liebesaffäre zwischen zwei alten Herren"? 95 War Frankreich, war de Gaulle wirklich isoliert? Es gab im September 1963 durchaus Anzeichen, daß deutsch-amerikanische Spannungen de Gaulle eine neue deutsche Chance würden zuteil werden lassen. Die Frage, um die es dabei ging, war das Teststoppabkommen, welches die Außenminister der USA, der Sowjetunion und Großbritanniens am 5. August 1963 in Moskau unterzeichnet hatten und das einen ersten greifbaren Erfolg der Entspannungspolitik Kennedys im Sinne seiner Rede vor der Washington University darstellte. 96 Adenauer hatte einem solchen Vertrag bereits am 23. Juli 1963 zugestimmt,97 war aber von Washington und London nicht darüber informiert worden, daß in dem Abkommen ausdrücklich auch die Regierung der DDR zur Unterschrift aufgefordert wurde. 98 Dies lag völlig auf der Linie der Politik Kennedys, in der sich seit 1961 Entspannungsbemühungen mit der Akzeptanz des Status quo der Teilung Deutschlands und Europas verbanden, ja im Grunde zwangsläufig verbinden mußten. In Bonn jedoch löste das Bekanntwerden dieser Vertragsintention einen Sturm der Entrüstung und heftige anti-amerikanische Reaktionen aus. Die Anerkennung der DDR drohte, und damit der Zusammenbruch des „Kartenhauses" Adenauerscher Deutschlandpolitik. „Wir sind das Opfer der amerikanischen Entspannungspolitik",
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auch auf eine intensive deutsch-amerikanische militärische Zusammenarbeit, die die Verteidigungsminister von Hassel und McNamara Anfang August 1963 in Washington vereinbart hatten. Unter anderem sollte gemeinsam ein neuer Panzer entwickelt werden. Vor allem die militärische Kooperation schien Paris erheblich zu irritieren: „Laloy machte heute davon Mitteilung, daß man sich innerhalb der französischen Regierung zunehmend mit der deutsch-amerikanischen militärischen Zusammenarbeit befasse. Man frage sich, inwieweit durch sie der militärische Teil des deutsch-französischen Zusammenarbeitsvertrages vom 22. Januar 1963 berührt werde." S. ACDP, 1-028, 033/2, Blankenhorn (Paris) an Auswärtiges Amt, 9.8.1963. JFKL, NSF, Countries, Box 72 A-73, Folder France - General, 9/19/63-9/23/63: Bohlen (Paris) an Secretary of State, 20.9.1963. Vgl. ebd. Ball, George, The Past has Another Pattern, S.273. Das bereits am 25.7.1963 paraphierte Abkommen sah die Einstellung aller Kernwaffenversuche in der Atmosphäre, im Weltall und unter Wasser vor. Vgl. E A 16/1963, S . D 407f. Vgl. JFKL, Kennedy-Adenauer-Korrespondenz (deutsch), nicht eingeordnet: Schreiben Adenauers an Kennedy, 23.7.1963. Vgl. hierzu im einzelnen Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.302f.
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resignierte Heinrich Krone, 99 und als Gerüchte über einen Nichtangriffspakt zwischen NATO und Warschauer Pakt aufkamen, sah der Minister ein „zweites Jalta" bevorstehen. 100 Kennedy war entschlossen, die Unterschrift der Bundesrepublik unter den Vertrag zu erreichen. Bevor Averell Harriman im Juli zum Abschluß der Verhandlungen nach Moskau aufbrach, wies ihn der Präsident an, vor Konzessionen an die Sowjetunion nicht zurückzuschrecken: „I have some cash in the bank in West Germany and am prepared to draw on it if you think I should." 101 Der Vertrag, auch ein Teil der amerikanischen NonProliferationspolitik, war ein Test der deutschen Konzessionsbereitschaft, ein Zeichen auch, wie schwer es für die Bundesregierung war, gegen den Strom der Entspannung anzuschwimmen. Nach schwierigen Verhandlungen - Außenminister Rusk kam eigens nach Bonn - stimmte am 16. August 1963 das Bundeskabinett dem Vertrag zu. Die Bundesrepublik unterzeichnete drei Tage später. Erklärungen, die Washington und London zu Protokoll gaben, nach denen die Unterschrift der DDR nicht ihre Anerkennung bedeute, gaben den Ausschlag. Doch der Unmut der Politiker um Adenauer angesichts der Zugeständnisse, die die USA Bonn zumuteten, 102 war damit nicht beseitigt. Würde die Wendung nach Frankreich, welches den Vertrag als Symbol der Supermachtdominanz ablehnte und weil er den Aufbau der Force de frappe behindert hätte, politischen Nutzen bringen? 103 Doch die Kraft, aus einem Zusammengehen mit Frankreich politisches Kapital zu schlagen, um so eventuell die amerikanische Entspannungspolitik beeinflussen zu können, hatte Adenauer nicht mehr. Innenpolitisch fehlte ihm der Rückhalt. Seine Zeit war abgelaufen. In wenigen Wochen würde der „Atlantiker" Erhard Bundeskanzler sein. Washington wußte dies sehr genau und setzte seine Entspannungspolitik fort. Französische Warnungen, Deutschland könne in den Neutralismus abgleiten, zeigten in Amerika keine Wirkung mehr. Die Aussicht auf den Kanzlerwechsel in Bonn führte auch zu einer Verhärtung der amerikanischen Politik gegenüber Paris, dem das politische Pfund Bundesrepublik, mit dem es lange hatte wuchern können, verlorengegangen war.104 Im Sommer 1963 war in den Augen 99
Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S.178, 5.8.1963. Ebd., S.178, 4.8.1963. 101 Zit. nach: Schlesinger, Arthur M., A Thousand Days, S.753. 102 Vgl. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S. 180, 18.8.1963. 103 In seinem Tagebuch schrieb Heinrich Krone am 18.8.1963 nach bitteren Beschwerden über die amerikanische Politik: „Wir müssen unser Verhalten zu Frankreich aktivieren." S. ebd., S.181, 18.8.1963. 104 In einer Unterredung zwischen Couve de Murville und Rusk trafen am 7.10.1963 in Washington die französischen und die amerikanischen Positionen aufeinander: „Moreover, Couve repeated several times, the talks now being conducted with the Soviets in the wake of the Test Ban agreement were being had at a high price - German nervousness which could produce German neutralism and undermine the Western position. This might not bother the British (who seem to prefer German neutralism), but in the French view, Germany had to remain firmly attached to the West and this in fact was the rationale for 100
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Washingtons die Gefahr einer deutsch-französischen Zweierallianz gebannt, die dominierende Position der USA im westlichen Lager wiederhergestellt. Die Kennedy-Administration hatte in Europa den Rücken frei bei der Verfolgung bilateraler Entspannungspolitik mit der Sowjetunion. Denn auch das gewährleistete natürlich ein integriertes, jedoch von den USA abhängiges und deshalb von ihnen dominiertes Westeuropa: weitgehende Handlungsfreiheit in der bilateralen amerikanisch-sowjetischen Supermachtpolitik, sei es nun im Zeichen der Konfrontation wie in den fünfziger Jahren oder aber, wie nun, im Zeichen der Entspannung. Aber auch Paris war sich im Sommer und Frühherbst 1963 klar über die Richtung, in die sich die Politik der Bundesrepublik nach Adenauers Rücktritt entwickeln würde, und über den Bedeutungsverlust, den Bonn damit in französischen Augen automatisch erleiden würde. Zwar stand de Gaulle während der Berlin-Krise seit 1958 fest an der Seite Adenauers gegen jegliche Kompromißund Konzessionsbereitschaft Großbritanniens und der USA, und er war bereit, sich Bonner Positionen anzuschließen. Doch dies geschah auch aus dem Kalkül, so die Politik Washingtons und Londons wirkungsvoller konterkarieren zu können, gleichzeitig die Bundesrepublik fest an Frankreich zu binden und in ihr im Sinne eines deutsch-französischen Quid pro quo einen Bundesgenossen für die französische Europa- und Bündnispolitik zu finden. Doch diese Konstellation hatte sich schon wenige Monate nach Abschluß des Elysée-Vertrages grundlegend gewandelt. Als Adenauer in den Sommermonaten 1963 den Plan eines umfassenden Handelsboykotts gegen die Sowjetunion ventilierte, um Moskau auf diese Weise zu Zugeständnissen in der deutschen Frage zu bewegen, suchte er im September 1963 in Rambouillet die Unterstützung de Gaulles zu gewinnen. Doch obwohl das große Weizengeschäft der USA, gegen das sich Adenauers Idee primär richtete, Bestandteil der Entspannungspolitik Kennedys war und damit im Grunde auch auf die Opposition de Gaulles stoßen mußte, war die Pariser Reaktion eher indifferent. In Rambouillet sagte der Präsident dem scheidenden Kanzler zu, den Plan zu prüfen - mehr nicht.105 De Gaulle wußte nur zu genau, daß Adenauers Vorschlag nicht die Billigung seines Kabinetts gefunden hatte. Heinrich Krone hielt den Gedanken für „ab-
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the Franco-German treaty - to keep Germany closely tied to Europe and the West. ( . . . ) What France deplored most - according to Couve - was the alleged U.S. effort to force Germany to choose between France and the United States. This would only serve to release and strengthen those German forces which were ready to exploit neutralist sentiment in Germany. The Secretary denied that this was the United States' intention, and went on to tell Couve that the real problem was the evident differences between France and the Unites States which were reflected in Western councils, and the important point here was the resolution of these differences." JFKL, NSF, Countries, Box 72 A-73, Folder France-General, 10/1/63-10/7/63: Memorandum for the President, Couve's Meeting with the Secretary of State, 7.10.1963. Vgl. Krone, Heinrich, Aufzeichnungen zur Deutschland- und Ostpolitik, S.181f., 21./ 22.9.1963.
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sonderlich", 106 und Gerhard Schröder setzte dem negativen Ansatz des Kanzlers einen konstruktiven Plan gegenüber. In Gesprächen mit Dean Rusk schlug er vor, mit Handelsausweitungen und bedeutenden Kreditvergaben des Westens an die Sowjetunion Moskau auf lange Sicht zu einem Einlenken in der Deutschlandfrage zu bringen. 107 Die Gleichzeitigkeit der sich widersprechenden Vorschläge von Kanzler und Außenminister ist beachtlich. Adenauer hatte seine Autorität verloren. Drei Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit wußten dies nicht nur Washington und Paris, sondern auch sein Kabinett. Wie Schröder warteten die „Atlantiker" unter den Unionspolitikern nicht einmal den Rücktritt Adenauers ab, um der deutschen Politik neue, andere Impulse zu geben. Diese zielten auf Ost-West-Entspannung, ein Ende der Verstimmungen mit Washington und London und ein festes Bekenntnis zur atlantischen Integration im NATO-Rahmen sowie zur Fortsetzung des europäischen Integrationsprozesses. Dieser Ruf eilte dem deutschen Außenminister bei seinem Besuch in Washington voraus. In einem Memorandum für den Präsidenten hieß es: „His (Schröders; ec) position is that the object of policy must be to improve a status quo which is now unsatisfactory to Germany. Unlike the French, and unlike some of his countrymen, he believes that immobility is damaging to Germany and that, therefore, negotiations should be pursued. What he is seeking is lines of negotiation that may advance the interest of the Germans, and he asks that we consult fully on all subjects so as not to miss any such opportunities." 108 Die positive Beurteilung Schröders schloß den designierten Kanzlernachfolger mit ein. McGeorge Bundy legte Kennedy nahe, so schnell wie möglich mit Erhard Kontakt aufzunehmen: „In particular, you may wish to let Schröder take back to Erhard a message confirming your hope to see the new Chancellor as soon as he feels he can get away after he takes over the reins (the date for this is now set at October 16)."109 Die Ära Adenauer war damit in Washington definitiv beendet. 110 Vom 24. September bis zum 3. Oktober 1963 besuchte mit Kurt Birrenbach ein anderer führender „Atlantiker" die USA. Seine Gespräche mit amerikanischen Politikern und Spitzenbeamten unterhalb der Ministerebene ließen die Konturen der amerikanischen Europapolitik vor dem Hintergrund des Kanz106 107
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Ebd. Vgl. die Unterredungen zwischen Schröder und Rusk am 20.9.1963 in Washington; JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 4/63-11/63: Memorandum of Conversation, International Situation, 20.9.1963. Vgl. auch Schwarz, Hans-Peter, Die Ära Adenauer 1957-1963, S.305. JFKL, POF, Countries, Box 117, Folder Germany - Security, 4/63-11/63: Memorandum for the President, Schroder's Visit, 23.9.1963. Ebd. In der Tat hatte sich bewahrheitet, was Le Monde am 10.1.1963 in einem Leitartikel behauptet hatte, daß nämlich Erhard, Adenauers wahrscheinlicher Nachfolger, das wirkungsvollste „Trojanische Pferd" der USA in Europa sei. Vgl. Le Monde, 10.1.1963, S. 1; vgl. auch Lacouture, Jean. De Gaulle, Bd. 3, S. 560.
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lerwechsels in der Bundesrepublik hervortreten. Die USA seien bereit, ihre europäischen Verbündeten zu konsultieren und ihnen größere Mitspracherechte in allen Politikbereichen einzuräumen. Allerdings müßten die Argumente der Verbündeten bereits im „Inkubationsstadium" der Entscheidungen vorgebracht werden; spätere „rein reaktive Äußerungen" - das bezog sich auf Adenauer - seien genausowenig hilfreich wie der Versuch der französischen Regierung, „auf die Entwicklung der Politik der Vereinigten Staaten durch Abseitsstehen Einfluß zu nehmen". 111 Dabei wisse Washington deutsch-französische Initiativen durchaus zu schätzen: „Eine Argumentation, die von der Bundesrepublik und Frankreich, insbesondere wenn sie aus der Gesamtinteressenlage Kontinental- oder Westeuropas vorgetragen wird, kann immer mit der Aufmerksamkeit der amerikanischen Regierung rechnen. Insoweit ist die französische Unterstützung des deutschen Standpunktes in vielen Fragen des OstWest-Konfliktes überaus wertvoll. Es wäre nicht zu verantworten, wenn diese Chance nicht genutzt würde. Dabei ist aber eine Einschränkung zu machen. Die Bildung eines deutsch-französischen Blockes, der sich einer Grundtendenz oder Grundkonzeption der amerikanischen Politik entgegenstellen würde, könnte die gegenteilige Wirkung haben, die damit beabsichtigt wäre." 112 Die Bundesrepublik könne in der Allianz durchaus, so Walt Rostow, die Rolle eines „senior partner" der USA spielen. Dies setze jedoch voraus, daß „sie sich wenigstens im grundsätzlichen in Übereinstimmung mit der amerikanischen Politik befindet." 113 Während man also die Zukunft der atlantischen Allianz und der deutsch-amerikanischen Beziehungen in positivem Licht zeichnete, sah man den Fortgang der europäischen Einigung durch die französische Politik gefährdet. Die Einheit Europas erfahre infolgedessen in den USA nicht mehr nur positive Würdigungen, sondern „vielerorts beginnt man, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit anderen Augen zu sehen als früher. Langsam tritt der Gedanke der Diskriminierungen der amerikanischen Handelspolitik vielmehr in den Vordergrund der Betrachtungen. Die diesbezüglichen Betrachtungen waren damals der Hoffnung untergeordnet worden, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft würde sich zu einer übernationalen politischen europäischen Einheit entwickeln." 114 Aus der negativen Bewertung der französischen Politik ergab sich eine deutliche Warnung an Bonn: „So sehr man Verständnis für die deutsche Zwangslage hat, immer wieder zu versuchen, dem französischen Staatspräsidenten die Prinzipien der ursprünglich durch den Bundeskanzler Adenauer selbst festgelegten Politik der westlichen Einigung nahezubringen, so wenig würde man der Bundesrepublik verzeihen, wenn sie in diesen prinzipiellen Fragen der NATO- und Europapolitik ihren ursprünglichen Prinzipien untreu würde. Ein deutscher Nationalismus im Sinne der Beto111 112 113 114
ACDP, VIII-006, 047/2, Dr. Kurt Birenbach, 10.10.1963, S. 19f. Ebd., S.20. Ebd., S.21. Ebd., S.22.
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nung einer Priorität der Idee der Nation vor übernationalen Werten, bzw. einer weitgehenden Unabhängigkeit auch von den Vereinigten Staaten, würde in Amerika Kräfte gegen die Bundesrepublik in Bewegung setzen, die uns außerordentlich gefährlich werden können. Die Amerikaner begründen diese ihre Einstellung damit, daß sowohl die europäische Gemeinschaft als auch die NATO in dem Augenblick in ihrem Kern zerstört wären, wenn alle übrigen Partner das gaullistische Konzept eines Vorranges nationaler Interessen übernehmen würden." 115 Es muß natürlich in Rechnung gestellt werden, daß Berenbach in seinem Bericht nicht seine „atlantischen" Überzeugungen verleugnete und daß bei ihm die amerikanischen Positionen und Vorstellungen auf offene Ohren trafen. Dennoch wird aus all dem deutlich, daß die USA ihre Politik gegenüber der Bundesrepublik, Frankreich und Europa nun weit selbstbewußter vertraten als noch wenige Monate zuvor. Die amerikanisch-französischen Beziehungen waren wichtig. Aber sie waren nur ein Element der amerikanischen Europapolitik, und im Herbst 1963 waren die USA nicht bereit, einen überhöhten Preis für die Verbesserung des Klimas zwischen Paris und Washington zu bezahlen: „We have increasing evidence that General de Gaulle and Couve see U.S. policy as aimed somehow at the maintenance of U.S. influence or control of Europe. ( . . . ) It is simply an illusion to suppose that we are trying to divide or dilute the great European states which are moving toward closer unity. A central purpose of U.S. policy is to encourage the European states to attain that strength through unity which would enable them to play their full and proper role in world affairs. We think it important to develop this theme fully because of our growing sense that at the top political levels the French regard their relations with us on European questions in terms of adversary gamesmanship. This is not the direction in which we wish to move and it lies with France to decide how close and effective our relations will develop." 116 Im Sommer 1963 also hatten, wenn man so will, die USA die Herausforderung durch de Gaulle endgültig angenommen, und Washington hatte sich entschlossen, der französischen Politik mit dem gesamten Gewicht der führenden Macht des Westens zu antworten. Das Ende der Ära Adenauer leistete dem amerikanischen Bemühen dabei nicht unbeträchtlichen Vorschub. Das Wiedereinschwenken der deutschen Politik auf einen klaren atlantischen Kurs, in dessen Zentrum die Partnerschaft mit den USA stand, stellte die 1961 bis 1963 erschütterte, doch niemals aufgegebene Dominanz der Vereinigten Staaten im Bündnis wieder her. Die Perspektiven für die amerikanische Europapolitik waren positiv. Das Dilemma zwischen bilateraler sowjetisch-amerikanischer Entspannungspolitik und dem bündnispolitischen Imperativ der Allianzkohäsion schien - mit Ausnahme des Faktors Frankreich - überwunden. 115 116
Ebd., S.24f. JFKL, POF, Countries, Box 116 A, Folder France - Security, 1962-1963: Department of State an US-Botschaft Paris, Highest Level Guidance, 25.9.1963.
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II. „Grand Design" und „Grand Dessein"
Die amerikanische Außenpolitik konnte auf dem Erfolg des Sommers 1963 aufbauen. Doch es war nicht mehr John F. Kennedy, der diese Politik steuern sollte. Am 22. November 1963 wurde der 35.Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in Dallas Opfer eines Attentats. 117
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Zu den europäischen Reaktionen auf die Ermordung Kennedys vgl. Costigliola, Frank, „Like Children in the Darkness": The Impact on Europe of the Assassination of John F. Kennedy, in: Journal of Popular Culture 20 (1987), S. 115-124.
Schlußbetrachtung In der amerikanischen Europa- und Integrationspolitik existierte eine konzeptionelle Kontinuität, die aus der Zeit des Marshall-Plans 1947 bis mindestens zum Ende der Kennedy-Administration 1963 reichte. Anknüpfend an jüngere integrationsgeschichtliche Arbeiten, die sich auf die späten vierziger und die erste Hälfte der fünfziger Jahre konzentrieren, und aufbauend auf entsprechenden Ansätzen in neueren Studien zur Außenpolitik John F. Kennedys, kann die vorliegende Analyse die Fortgeltung der grundlegenden Ziele der USEuropapolitik, wie beispielsweise von Charles Maier herausgearbeitet, nachweisen. Das langfristig angelegte amerikanische Integrationskonzept verband wirtschaftliche mit politisch-strategischen Zielsetzungen und Interessen der USA. Die europäische Integration, die der Marshall-Plan stimulieren sollte und die mit der Gründung der EGKS 1952 institutionell begann, erlitt zwar mit dem Scheitern der EVG 1954 einen vorübergehenden Rückschlag, gewann aber dann mit den Römischen Verträgen von 1957 neue Dynamik. Der Einigungsprozeß stärkte Westeuropa als Ganzes ökonomisch, insbesondere auch als Handelspartner der USA, stabilisierte die westeuropäischen Staaten und ihre Gesellschaften und immunisierte sie so gegen mögliche sowjetische Expansions- und Durchdringungsversuche. Zum zweiten band das amerikanische Integrationskonzept die erstarkende Bundesrepublik Deutschland fest an den Westen und verhinderte dadurch, gerade angesichts der offenen nationalen Frage, deutsche Alleingänge im Sinne einer nationalneutralistischen Schaukelpolitik zwischen Ost und West. Stärkung Westeuropas auf der einen und feste Verankerung der Bundesrepublik im westlichen Lager auf der anderen Seite waren darüber hinaus Bedingungen für die dauerhafte Errichtung und Absicherung der amerikanischen Dominanz im transatlantischen Verhältnis. Amerikanischer Schutz, amerikanische Unterstützung und amerikanische Garantien sowie die amerikanische zumindest indirekte Hegemonie waren zwei Seiten derselben Medaille. So wie eine feste Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in den Westen nicht möglich war ohne die Überwindung des deutsch-französischen Gegensatzes, so wäre auch die europäische Integration ohne die konstruktive Beteiligung der Bundesrepublik und Frankreichs ein Fragment und damit kraftlos geblieben. Allein ein enges deutsch-französisches Verhältnis im weiteren Rahmen europäischer und atlantischer Strukturen konnte dem Prozeß der europäischen Einigung die nötige Dynamik und Stabilität verleihen, ohne die
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Schlußbetrachtung
wiederum alle europapolitischen Pläne der USA auf Sand gebaut gewesen wären. In diesem Bedingungsgefüge lag die zentrale Bedeutung der deutschfranzösischen Beziehungen für die Integrationspolitik Washingtons insgesamt. Trotz des Scheiterns der EVG 1954 und trotz nicht zu unterschätzender französisch-amerikanischer Entfremdung während und nach der Suez-Krise 1956 mußte sich die Europapolitik der USA bis zum Ende der IV. Französischen Republik im wesentlichen bestätigt sehen. Die Römischen Verträge zur Gründung von EWG und Euratom, die am 1. Januar 1958 in Kraft traten, sowie die Perspektive des Gemeinsamen Marktes entsprachen nicht nur aktuellen amerikanischen Interessen, sondern der grundsätzlichen Europakonzeption der USA. Die Rückkehr de Gaulles an die Macht bildete einen Einschnitt sowohl für die amerikanische Integrationspolitik wie auch für die europäische Integration selbst und die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen. Dabei wurden in Washington die Regierungsübernahme de Gaulles, die sich anschließenden konstitutionellen Veränderungen und das Ende der IV. Republik keinesfalls negativ bewertet. Im Gegenteil: Der europäischen Integration konnte ein politisch stabileres und berechenbareres Frankreich nur dienlich sein, vorausgesetzt, de Gaulle bekannte sich zu den Römischen Verträgen und ihren Zielen. Dies jedoch schien der Fall zu sein, und darüber hinaus wurde das deutsch-französische Verhältnis seit dem Sommer 1958 eher enger denn lockerer. Der Anteil der USA am Zustandekommen des Dialogs Adenauer - de Gaulle war erheblich, und er ergab sich auch klar aus den europapolitischen Interessen Washingtons. Wie sehr sich diese jedoch in ihrer Zielsetzung von denjenigen de Gaulles unterschieden, zeigte sich im Laufe der nächsten Jahre und insbesondere nach Beginn der Präsidentschaft John F. Kennedys. Zunächst aber mußte es de Gaulle darum gehen, für seinen europapolitischen Kurs, in dessen Zentrum kein supranational-föderalistisches, sondern ein multinationales Konzept stand, Verbündete zu gewinnen. Sein Werben um die Bundesrepublik begann, und die BerlinKrise 1958/59 lieferte dafür den geeigneten Anlaß und Hintergrund. Von Spannungen und Mißtrauen im deutsch-amerikanischen Verhältnis profitierend, präsentierte sich de Gaulle als der berlin- und deutschlandpolitische Alliierte Adenauers. Freilich hatte der deutsche Bundeskanzler für die französische Unterstützung einen europapolitischen Preis zu zahlen. In den Jahren 1959/60 wurde sich Washington des von de Gaulle ausgehenden europapolitischen Gefahren- und Schadenspotentials bewußt. Die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen, in der politischen Ambivalenz, die sie nunmehr annahm, gewann vor diesem Hintergrund für die Vereinigten Staaten zusätzliche Bedeutung. Das Jahr 1960 bestätigte die Gegenläufigkeit der amerikanischen und der französischen europapolitischen Interessen. Der USPräsidentschaftswahlkampf und die Regierungsübernahme einer neuen Ad-
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ministration verhinderten jedoch zunächst die intensive interne Auseinandersetzung Washingtons mit dieser Problematik wie auch außenpolitische Reaktionen. Die Administration Kennedy sah sich vom Zeitpunkt ihrer Amtsübernahme an mit dem immer stärker steigenden amerikanischen Zahlungsbilanzdefizit konfrontiert. Dieses konnte nicht nur durch militärische Lastenteilung und größere europäische Beteiligung an der westlichen Entwicklungshilfe reduziert werden, sondern vor allem durch die Ausweitung amerikanischer Exporte insbesondere nach Europa. Daher richteten sich seit 1961 die Anstrengungen der USA verstärkt darauf, zwar den europäischen Integrationsprozeß weiter zu fördern, dabei aber den primär von Frankreich verursachten protektionistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Aus diesem Grunde erkannte Washington schon sehr bald im EWG-Beitritt Großbritanniens mit seinen engen Verbindungen zu den USA und seiner grundsätzlich freihandelsorientierten Position ein vorrangiges europapolitisches Ziel. Es ging 1961/62 für Washington um die Gestaltung einer die amerikanischen Interessen respektierenden Europäischen Gemeinschaft. Es ging um amerikanische Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Europa, um amerikanische Hegemonie. Wollte Washington Herr seiner immensen wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme werden, mußte es sein Europakonzept durchsetzen. Aus Hegemonialwillen war Hegemonialzwang geworden. Dieser wurde nun freilich durch de Gaulles Anspruch auf kontinentaleuropäische Hegemonie Frankreichs herausgefordert. Wie schon 1958/59 bot die Berlin-Krise und das sich darüber rapide verschlechternde deutsch-amerikanische Verhältnis dem französischen Präsidenten die Gelegenheit, die deutsche Karte auszuspielen. Diesmal nicht nur zur Realisierung konkreter europapolitischer Ziele, sondern um der französischen Hegemonialambition gegen die USA durch das politische Gewicht der Bundesrepublik zusätzliche Stärke zu verleihen. An der grundsätzlichen französisch-amerikanischen Rivalität und dem situationsbedingten einseitig pro-französischen Kurs Bonns zerbrach 1962/63 das visionäre europapolitische „Grand Design" John F. Kennedys. Das französische Veto gegen den britischen EWG-Beitritt und der deutsch-französische Vertrag im Januar 1963 waren Ausdruck seines zumindest relativen Scheiterns. In einer Neubewertung ihrer Europapolitik 1963 besannen sich die USA auf die zentrale politische, ökonomische und strategische Bedeutung der Bundesrepublik wie auch auf ihre dreifache transatlantische Abhängigkeit. Washington setzte nun, um de Gaulles Europakonzept aus den Angeln zu heben, nicht länger primär in Paris selbst an, sondern in Bonn. Die amerikanische Deutschlandpolitik wurde 1963 in noch stärkerem Maße als vordem Europapolitik. Dabei ergänzten Druck und Entgegenkommen, Dominanzanspruch und Konzilianzbereitschaft einander. Die Präambel zum deutsch-französischen Vertrag wie auch die Übernahme des Kanzleramtes durch Ludwig Erhard bestätigten das Kalkül der amerikanischen Politik, die zwar nicht ihre grundsätzliche euro-
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papolitische Konzeption verändert hatte, wohl aber ihren konkreten Kurs angesichts der Herausforderung de Gaulles. Die Entwicklung des deutsch-amerikanisch-französischen Verhältnisses zwischen 1958 und 1963 fand ihre Entsprechung in innerparteilichen Spannungen und Konflikten in den Unionsparteien CDU und CSU. In diesen verband sich die Auseinandersetzung über weltanschaulich bestimmte außenpolitische Grundorientierungen mit der Frage nach der gebotenen außenpolitischen Option in ganz konkreten politischen Situationen. Vor dem Hintergrund der französisch-amerikanischen Hegemonialkonkurrenz mußte die sich seit 1958 andeutende, 1963 aufbrechende innen- und parteipolitische „Atlantiker"-„Gaullisten"-Kontroverse außenpolitische Relevanz gewinnen. Der Wandel in der amerikanischen Einschätzung Ludwig Erhards belegt, welche Bedeutung die USA der innerparteilichen Entwicklung der CDU/CSU beimaßen. Was 1958/59 erst in Ansätzen sichtbar wurde - und vielleicht auch deshalb von der Forschung bisher kaum aufgegriffen wurde - , offenbarte sich 1963 in aller Klarheit: daß nämlich Washington aus grundlegenden europapolitischen Interessen die unionsinterne Situation, insbesondere im Zusammenhang mit der Kanzlernachfolge, nicht nur genauestens beobachtete, sondern Position bezog und diese auch - 1963 stärker als 1959 - durch Einwirkung auf führende Unionspolitiker mit Nachdruck zur Geltung brachte. Washington erkannte nicht nur die Existenz unterschiedlicher politischer Grundorientierungen innerhalb der Union, sondern auch den Zusammenhang zwischen diesen Kontroversen und der Bedeutung ihres Ausgangs für die Außenpolitik der Bundesrepublik. Die „Atlantiker"-„Gaullisten"-Debatte - in ihren schemenhaften Anfängen seit 1958/59 - ist Beleg dessen. Die Analyse der Politik der Vereinigten Staaten gegenüber den deutschfranzösischen Beziehungen und gegenüber der europäischen Integration im allgemeinen in den Jahren 1958 bis 1963 offenbart sehr klar das grundlegende Dilemma, mit dem sich Washington konfrontiert sah. Sowohl die deutschfranzösische Aussöhnung als auch die europäische Einigung entsprachen langfristigen politisch-strategischen und ökonomischen Interessen der USA. Innerhalb des westlichen Lagers konnte das europäische Kräftepotential sich am wirkungsvollsten in der Integration ohne direkte Steuerung und Beteiligung durch die USA entfalten. Dieses in amerikanischer Intention gerade der ersten Phase der europäischen Integration zugrunde liegende Konzept einer „Dritten Kraft Europa", freilich nicht äquidistant zwischen Ost und West, sondern eindeutig als Teil des Westens, als zweiter Pfeiler der Atlantischen Allianz, barg indes von Anfang an Risiken in sich: das Risiko, daß sich ein starkes und selbstbewußtes Westeuropa oder auch einzelne Staaten früher oder später dem hegemonialen Einfluß der transatlantischen Führungsmacht zu entziehen versuchen würden; das Risiko, daß sich die ursprünglich von den USA geborgte europäische Stärke gegen die USA selbst richten würde. Eine solche Entwicklung kennzeichnete die Jahre 1958 bis 1963. Nicht nur stellten Auswirkungen
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der europäischen Integration die USA vor gravierende wirtschaftliche und konjunkturelle Probleme, sondern darüber hinaus wandte sich ein unter de Gaulle gestärktes Frankreich, das natürlich auch von der westeuropäischen Revitalisierung nach 1947 profitiert hatte, gegen die europäische Rolle der USA und wurde dabei zwar nicht prinzipiell, wohl aber punktuell sehr massiv von der zunehmend selbstbewußten und aufsteigenden Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Auf Grund ihrer politischen, strategischen und ökonomischen Abhängigkeit war die Bundesrepublik 1963 für die Atlantische Allianz und für eine europäische Einigung im transatlantischen Rahmen zurückzugewinnen. Die französische Option der deutschen Politik, die allerdings, realistisch betrachtet, angesichts der deutschen Abhängigkeit nie eine tatsächliche Alternative zur amerikanisch-atlantischen sein konnte, charakterisierte allenfalls ein Intermezzo in der Geschichte der Bundesrepublik. Seit 1963 war die westdeutsche Außenpolitik, unabhängig von allen Regierungswechseln in Bonn, gekennzeichnet durch die parallel verfolgte Integration in Atlantische Allianz und Europäische Gemeinschaften. Beides wurde nun als sich gegenseitig bedingend und ergänzend betrachtet. Anders im französischen Falle: Die gegen die USA gerichtete Politik de Gaulies führte hier folgerichtig zum Austritt Frankreichs aus der Militärintegration der NATO im Jahre 1966. Gleichzeitig versuchte der französische Präsident durch eine eigenständige Ostpolitik das gaullistische Konzept der „Dritten Kraft Europa" neu zu beleben. Die sich so unabhängig gebende französische Politik mit dem Ziel eines „Europa vom Atlantik bis zum Ural", zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, war freilich nur möglich vor dem Hintergrund allgemeiner ost-westlicher Entspannung, in deren Zentrum die Akzeptanz des europäischen Status quo durch die beiden Supermächte stand. Auch Frankreich war, ob es sich dies nun eingestehen mochte oder nicht, von den USA abhängig. Denn allein die andauernde amerikanische Präsenz in Westeuropa verschaffte de Gaulle den politischen Spielraum für seine national-französischen Auftritte auf der Weltbühne. Washington, das nach 1963 seine europapolitischen Energien ganz überwiegend auf die Bundesrepublik konzentriert hatte, macht aus der Not des französischen Sonderkurses eine Tugend. Die französische Unberechenbarkeit, die sich immer auf das „Wie" der Zugehörigkeit Frankreichs zum westlichen Lager bezog, niemals auf das „Ob", wurde gerade innerhalb der Nordatlantischen Allianz zu einem wichtigen Element der neuen NATO-Strategie der „Flexible Response". Darüber hinaus vertraute Washington, wie im übrigen schon 1959/60, auf die Relativierung der französischen Positionen nach dem Rücktritt oder Tode de Gaulles. Auf europapolitischem Gebiet gab der EWG-Beitritt Großbritanniens 1973 dieser amerikanischen Erwartung recht. Die siebziger und achtziger Jahre waren im europäisch-amerikanischen Verhältnis durch eine reifere transatlantische Partnerschaft gekennzeichnet. Konflikte innerhalb der Allianz wurden ganz überwiegend einvernehmlich, kompromißorientiert und ohne die po-
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litische Dramatik der sechziger Jahre gelöst. Seiner größten Herausforderung in diesen beiden Dekaden, der Raketenkrise der Jahre 1977 bis 1983 - einer Ost-West- und Bündniskrise zugleich - , begegnete der Westen entschlossen und erfolgreich. Die deutsch-französischen Beziehungen, seit 1981 unter einem sozialistischen Staatspräsidenten in Paris, gewannen seit Mitte der siebziger Jahre neue Dynamik. Zu keiner Zeit jedoch stellten sie die Grundlagen der deutsch-amerikanischen Partnerschaft in Frage. Wenn auch nicht formal, so doch faktisch, rückte Frankreich während der achtziger Jahre wieder näher auch an den militärischen Verbund der NATO heran. Der weltpolitische Umbruch seit 1989 markierte dann den historischen Schlußpunkt der amerikanischen europapolitischen Konzeptionen, die im Kalten Krieg entstanden waren, die einen Teil der globalen amerikanischen Politik in den mehr als vier Jahrzehnten des Ost-West-Konflikts bildeten und die sich, vor diesem Hintergrund, als ausgesprochen kraftvoll und wirkungsmächtig erwiesen. Die europäische Integration ist heute ein weltpolitisches Faktum. Das Europa der Europäischen Union ist heute stärker als je zuvor ein ökonomisches, zunehmend auch politisches Kraftzentrum. Daran hat auch die amerikanische Integrationspolitik entscheidenden Anteil. Diese hatte, wie gezeigt, von den vierziger bis tief in die sechziger Jahre nie allein ost-west-politische Ziele verfolgt, sondern immer auch das Interesse, Deutschland und die Deutschen einzubinden in die Gemeinschaft der freien Welt. Mit der deutschen Vereinigung des Jahres 1990 hat diese Zielsetzung eine neue Dimension erhalten, die europäische Integration eine neue, alte Aufgabe.
Abkürzungen AA AP ACDP AHR APuZ BND BMVg CAP CIA CXT DDEL EA EDC EFTA EGKS ERP EURATOM EVG EWG FAZ FedRep FIG FLN FRG FRUS FTA GATT GDR GREFHAN HZ JCS JFKL MC MGM
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Abkürzungen
MIT MLF NA NATO NHP NSC NSF OCB OECD OEEC OH OSANSA POF PSQ PVS RG RIA SAC SACEUR SHAFR StBKAH SU SWP TEA U.K. UN VfZG WEU WHO ZfG
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WÖRMANN,
DERS., Ideologische Grundlagen der Außenpolitik de Gaulles, in: EA 8/1965, S.275-284. ZITELMANN, Rainer, Adenauers Gegner. Streiter für die Einheit, Erlangen 1 9 9 1 .
Register Personenregister Acheson, Dean 166, 171, 183, 185f., 194, 204, 206f., 228, 251, 258, 267, 279 Adenauer, Konrad 15-20, 22, 24, 26, 30, 32,35-40,43-63, 68f., 71-79, 81-84,86f„ 93-96, 100-115, 119, 121-153, 156-158, 163f., 168, 171, 174, 176, 178, 180-183, 185-195, 197f., 207-209, 212-220, 222, 224-226, 238-245, 247-252, 256f„ 259f., 263, 266-276, 279f., 282, 284-293, 296 Adschubej, Alexej 220 Alphand, Hervé 87 Anderson, Robert 171f., 184 Arnold, Karl 136 Ball, George W. 168, 188, 230f., 234, 253f., 256f., 260, 278 Baudissin, Georg Graf von 99, 101 Birrenbach, Kurt 268, 272, 291 Blank, Theodor 123 Blankenborn, Herbert 51, 77, 83, 248, 287 Bohlen, Charles E. 208, 249 Bolz, Lothar 103 Bowie, Robert 155 Bowles, ehester 165, 167f., 228 Brandt, Willy 46, 101, 209f., 238, 282 Brentano, Heinrich von 47, 52f., 61, 80, 86, 93, 99-104, 110, 133, 135f., 177, 183f„ 209, 213, 269, 271-274 Bruce, David K. E. 52-55 , 60, 74, 101, 128, 166, 254, 261-263 Bundy, McGeorge 166, 179, 187, 208, 213, 218f-, 229, 250, 274, 291 Caccia, Harold 61 Carstens, Karl 267, 269, 271 Castro, Fidel 153 Chruschtschow, Nikita S. 16, 35, 39, 46, 52, 57, 79, 98-100, 105-107, 109-111, 116, 125, 151, 153f., 189, 195, 202-205, 209, 216, 220, 247, 268 Clay, Lucius D. 210
Clayton, Will 231 Couve de Murville, Maurice 47, 55, 77, 80, 84, 101, 103, 209, 225, 256, 277f., 288, 293 Daridan, Jean 87 De Gaulle, Charles 15-21, 23-25, 29, 33, 35, 39, 55, 62-79, 81-88, 90-96, 98, 103, 107-115, 117-121, 125, 128, 131, 138, 142,146,150-161,163f., 167f„ 172,174, 176-180, 185, 188, 191-193, 195-203, 205 , 207 , 210, 212, 217-224, 226, 228, 230, 237-257, 259-267, 271, 274-276, 278-288, 290, 293, 296-299 Debré, Michel 94, 107, 121 Dehler, Thomas 124, 238 Dewey, Thomas E. 41, 43 Dillon, C. Douglas 86, 166, 171, 184 Dittmann, Herbert 52f. Douglas, Paul 234 Dowling, Walter C. 240, 251, 268 Duckwitz, Georg Ferdinand von 101, 104 Dulles, Allen W. 111 Dulles, John Foster 27, 31, 35-47, 52f., 56-63, 73f., 84f„ 88, 92, 96f„ 103, 107, 110, 112, 128, 134, 143f., 168, 178, 189, 192f„ 209 Eckardt, Felix von 51 Eisenhower, Dwight D. 15, 17f., 20, 23, 29,31,38f., 43,46-48,52,55, 60,78, 88, 97, 100, 103, 110-112, 114-116, 143, 146f., 150-155, 158, 161, 164, 166, 168170,173f., 176-178,180, 182,189f., 192, 195, 200, 204, 211, 213, 228 Erhard, Ludwig 22-24, 30, 76, 83f., 130132, 135-137, 139-151, 164, 238, 241, 268-270,273f., 280,284f„ 289,291,297, 298 Etzel, Franz 135f„ 139f„ 142f„ 146,148, 274
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Register
Fanfani, Amintore 242f. Faure, Maurice 95 Fechter, Rudolf 101 Foster, John Watson 40 Fouchet, Christian 176 Fulbright, William 165 Furier, Hans 123 Galbraith, John K. 167 Gavin, James 243f., 248f. Gehlen, Reinhard 111 Gerstenmaier, Eugen 50f., 61, 123-125, 127, 133, 136, 139, 148, 150 Gilpatric, Roswell 20 Globke, Hans 56, 86, 147, 216 Gradl, Johann Baptist 50f. Grewe, Wilhelm G. 53, 99, 104f., 215 Gromyko, Andrej 214 Hallstein, Walter 140, 269, 271 Harriman, Averell 183, 185, 289 Harrison, Benjamin 40 Hassel, Kai-Uwe von 139, 148, 269, 270f„ 274, 277 Heath, Edward 223 Heinemann, Dannie 62 Heinemann, Gustav 124 Herter, Christian A. 61f., 103, 107, 110, 135, 231 Heuss, Theodor 131, 139 Hillenbrand, Martin J. 102, 168, 204 Hitler, Adolf 65, 84 Höcherl, Hermann 123 Jackson, Henry 164 Jaeger, Richard 123 Jansen, Josef 73 Johnson, Lyndon B. 27, 164, 181, 192f., 210 Joxe, Louis 77, 79, 103 Kempski, Hans-Ulrich 285 Kennan, George F. 168 Kennedy, John F. 17-19, 21, 23f., 27, 29-32, 55, 151f., 154, 159-161, 163-175, 177-183, 185, 187-190, 192-207, 209215, 217-221, 224-234, 237, 240, 244, 246, 248, 250-252, 254-257, 259-262, 264-267, 269, 274f., 277f., 280-290, 294, 295-297 Kiesinger, Kurt Georg 50f., 123-125, 127 Kissinger, Henry A. 187f., 224 Kohler, Foy 168, 192, 204f., 208 Kossygin, Alexej N. 247 Kraft, Joseph 227
Krone, Heinrich 32, 50, 57, 123, 139, 147, 186, 269, 273, 275, 289f. Laloy, Jean 282 Lansing, Robert 40 Lemmer, Ernst 50 Lemnitzer, Lyman L. 249 Lloyd, Selwyn 47, 99 Lovett, Robert 165f. Lübke, Heinrich 147 Lucet, Charles 244 Macmillan, Harold 48, 54, 58, 60f., 76, 78, 82f., 87 , 99-102, 109f., 134, 152f., 187, 191, 200f., 204, 207, 212, 219, 240, 251-255 Majonica, Ernst 123 Malraux, André 226 Martin, Edwin M. 234 McCloy, John J. 43, 166, 183, 185-187, 258, 267 McGhee, George 168 McNamara, Robert S. 165f., 183, 253, 279 Meissner, Boris 101 Mende, Erich 125, 238 Merchant, Livingston 266, 279, 283 Meyers, Franz 148 Mikojan, Anastas 52 Monnet, Jean 14, 43, 70, 76, 168 Nasser, Gamal Abdel 114 Nixon, Richard M. 153, 164, 180f. Norstad, Lauris 154, 166, 248f. Ormsby-Gore, David 254 Osterheld, Horst 183 Petersen, Howard 231 Reuss, Henry 234 Reynaud, Paul 65, 197 Roosevelt, Franklin D. 164 Rostow, Walt W. 172, 208, 279, 292 Rusk, Dean 31, 165, 183, 189, 205, 225, 229, 234, 236, 238f., 241, 250, 271f., 276-278, 289, 291 Scherpenberg, Hilger van 100, 103 Schlesinger, Arthur M. 260, 281 Schmid, Carlo 131 Schröder, Gerhard 123, 131, 133, 136, 139, 148, 219, 225f„ 238, 241f., 248, 269, 273f., 288, 291 Schuman, Robert 43, 70, 76, 95 Seydoux, Franois 68, 79 Smirnow, Andrej 38 Spaak, Paul-Henri 77, 261 Speidel, Hans 72, 287
Personenregister Stalin, Josef 72 Stassen, Harold 37, 39 Steel, Christopher 54 Stevenson, Adlai 164f., 167, 181 Stikker, Dirk 249 StrauB, Franz Josef 20, 52, 72, 126f., 135f., 148, 183, 219, 224, 229, 269, 276 Symington, Stuart 164 Tasca, Henry 149
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Thorneycroft, Peter 253 Toynbee, Arnold J. 42 Truman, Harry 11, 18, 161,165,185,204 Tyler, William R. 49f., 168, 254, 272 Wehner, Herbert 123, 125, 183 Westrick, Ludger 147 Wilson, Charles E. 39 Wilson, Woodrow 19, 40 Wuermeling, Franz-Josef 123
Sachregister ABC-Waffen-Verzicht 75 Acheson-Report 185, 228 Achse Paris-Bonn 87,117,121, 212, 224, 226, 263 Adenauer-Nachfolge 23f., 36, 130f., 135-137,143,145,147,150f., 163f., 269274, 284, 289-292, 297f. Agententheorie 46, 55, 60, 79, 109 Algerien-Frage 113-115, 119f„ 138, 168, 202, 252f. Allgemeine kontrollierte Abrüstung 38, 48f., 56, 58, 100 Anderson-Dillon-Mission 1960 184 Anerkennung der D D R 50f., 56f., 82, 85f., 97, 103, 213, 288f. Atlantiker-Gaullisten-Kontroverse 2224, 30, 32, 35, 121, 160, 164, 266, 275, 289, 291, 298 Atlantische Gemeinschaft 12, 18, 20f., 90,92,128,161,174,176,179,186,191, 201f., 228f., 232, 239, 247, 258, 263 Atlantische Union 229 Bad Kreuznach, Treffen Adenauer - de Gaulle 1958 79-83 Berlin-Blockade 1948/49 45, 282 Berlin-Ultimatum 1958 16, 35f., 39, 4648, 57, 63, 79-81, 97-99, 102, 105f., 116, 119, 122, 125, 132, 151, 189, 204, 216 Bipartisanship 166, 169 Bonner EWG-Gipfel 1961 201 Bowie-Studie 155, 190 Bretton Woods 170 Brinkmanship 53 Bruce-Report 261-264, 267, 276, 284 Brücken-Konzept 76 Bundestagswahl 1961 209, 212 Burden-sharing 171, 184, 190, 227, 297 CDU/CSU 49-51, 60, 62, 72, 84, 87, 121138,142f., 147-150,163f., 182,186,194, 266, 268f., 271, 276, 285, 298 Colombey-les-deux-Eglises, Treffen Adenauer - de Gaulle 1958 16, 73-77, 81f., 94, 119, 142 Common Agricultural Policy 20, 221223, 233 Common External Tariff 230 Contingency-Planung 46, 58f., 189, 206 Declaration of Interdependence 229f., 284
Deutschlandplan der SPD 1959 101 Deutschlandreise Kennedys 1963 248, 280-286 Deutschlandvertrag 90 Disengagement 15,37,49, 82, 89,97,99, 101, 168, 214 Doppelte Eindämmung 13 Dreier-Direktorium I i i . , 81, 93, 113, 115, 117, 121, 152, 157, 198, 256 Dritte Kraft Europa 12, 16, 71, 76, 118, 201f., 237, 247, 298f. Eisenhowers Bonn-Besuch 1959 111-116 Elysée-Vertrag 1963 21f., 24, 157 , 224, 247f., 250, 258-260, 263f., 266-272, 274, 276f., 281f., 284, 287f., 290, 297 Entspannung 45, 47, 97, 129, 132, 151f., 154, 163, 167, 181, 208, 215, 226, 273, 288-293, 299 Entwicklungshilfe 167, 170f., 184, 232, 297 Erster Weltkrieg 41, 64 Euratom 89f., 95, 146, 296 Europa der Vaterländer 160, 176, 228, 237 Europa vom Atlantik zum Ural 68f., 246f., 299 Europäische Freihandelszone (EFTA) 17, 142, 156, 159, 176, 191, 201, 238, 284 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl 11, 14, 28, 89f., 136, 140, 142, 146, 295 Europäische Politische Union 11, 156f., 160, 221-223, 240-244, 257, 263, 286 Europäische Verteidigungsgemeinschaft 14, 27, 67f., 70, 228, 295f. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 29, 74, 76, 83, 89,135,137,141, 146, 156, 159, 171, 176, 178f., 190-192, 200, 211f., 222, 227, 230, 232-236, 241, 243-245, 261, 274f., 284, 292, 296 Europäisierung Europas 16, 18, 69, 118, 172, 200, 202, 237, 247 European Recovery Program (ERP) 43 EWG-Beitritt Großbritanniens 17, 19, 21f., 24, 176, 190-192, 200, 211f., 222f., 227,230,234-236,238,240f., 243,245f., 249f„ 252-255, 257, 259f„ 263 , 267f., 275, 284f., 297, 299
Sachregister FDP 51, 125, 241 FIG-Projekt 39 Flexible Response 299 Force de frappe 155, 196, 198, 207, 249, 255, 277f., 289 Fouchet-Pläne 96, 157, 221-224 Four Power Working Group 86, 97-107, 128 Freihandel 140f., 148, 159, 174, 192, 222, 229, 231, 235, 274f., 284f., 297 Freihandelszone 17, 23 , 76, 82f., 90f., 96,99,135,137,142,146,149,156, 212, 229 Friedensvertrag 52, 124, 204f., 215 GATT 19,275 Gemeinsamer Markt 76, 83, 90f., 95, 146, 149, 159, 200, 223, 227f., 231, 233f., 249, 260, 262f„ 296 Genfer Außenministerkonferenz 1959 16, 35, 37, 86-88, 97f., 102, 105111, 116, 121, 128, 132, 138, 199, 213 Genfer Gipfel 1955 98 Gilpatric-Strauß-Abkommen 20 Gipfel von Camp David 1959 105, 109f. Globke-Plan 56f., 86f., 101, 216 Grand Design 18f., 21, 23,163, 201, 226, 227-233, 238, 251, 255, 257-259, 264, 284f., 297 Große Koalition 24, 139 Hähnchenkrieg 235 Hegemonie 13, 18, 22, 28, 35, 68, 118, 120, 156, 163, 167, 172f., 184, 227, 230, 232, 236, 250, 259, 263 , 274, 276, 295, 297f. Herter-Plan 1959 99, 101-105 Herter-Plan 1960 155, 190 Interimslösung für Berlin 106, 108, 110, 224 Jalta 217,289 Kennedy-Runde des GATT 19, 275 Klein-Europa 83, 127f. Koreakrieg 12 Kuba-Krise 1962 250-252, 259 Landwirtschaft 16, 20, 76, 159, 221-223, 233, 254 Leak-Krise 1962 225, 236, 240 Maastrichter Vertrag 11 Marly, Treffen Adenauer - de Gaulle 1959 87, 107, 128 Marshall-Plan 12-15, 18, 21, 23, 27-29, 43, 88, 159f., 229, 262, 295 Massive Vergeltung 190
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Mauerbau 1961 20, 153, 189, 202, 207, 209f., 212f., 216f., 265, 282 Merchant-Mission 1963 266, 279f., 283 Morgenthau-Plan 41 Moskau-Reise Macmillans 1959 58, 87, 99, 134 Multilateral Force (MLF) 20f., 24, 154, 190, 227, 254-256, 259, 261, 263, 265f., 275, 277, 279f., 283 Münchener Abkommen 1938 60, 65 Nassauer Abkommen 1962 21, 252-257 Nation 68-71 Nationaler Sicherheitsrat 31, 89, 119f., 158f., 161, 166, 186, 231, 264 Nationalismus 42, 178f., 208f., 292 Nationalneutralismus 174, 208f. NATO 12-15, 17, 20f., 28, 38f., 74-76, 89, 92, 95, 113, 115, 117, 119, 121, 126, 150f., 154, 156f., 159, 166f., 174, 176180, 186, 188-190, 194-200, 205f., 214, 221, 223, 226, 228, 237, 240, 244f., 249f., 252, 254, 258, 260, 262-264, 268, 270, 275f., 284, 286, 288f., 292f„ 299f. New Frontier 164f., 178 Norstad-Plan 154 Nukleare Abschreckung 50, 70, 196, 265 Nuklearpartizipation 155-157, 180, 190, 198, 249, 263, 276, 292 Nuklearproliferation 197, 224, 279, 289 Oder-Neiße-Linie 51, 58, 75, 107, 153, 182, 186, 213, 215, 217 OECD 174f. OEEC 84, 141, 175 Panzerkonfrontation am Checkpoint Charly 1961 202, 216 Pariser Friedenskonferenz 1919 40f. Pariser Gipfel 1960 17, 115, 151, 153, 213 Pariser Verträge 1954 215, 222 Polaris-Raketen 200, 253-255 Politik der Stärke 63 Präambel zum Elysée-Vertrag 267-276, 280, 284, 297 Präsidentschaftskrise 1959 23f., 61, 84, 105, 121f., 130-140, 147, 149-151, 266 Protektionismus 20, 83, 103, 159, 235, 274 Radford-Krise 1956 37f. Rambouillet, Treffen Adenauer - de Gaulle 1960 17, 152, 156-160, 176, 237, 288 Rapallo 70, 218 Reciprocal Trade Agreements Act 230f.
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Register
Relance européenne 15, 71 Reparationen 41 Revanche-Gedanke 64 Römische Verträge 15, 20, 71, 73f., 94, 119, 141, 152, 160f., 221f„ 295f. Rüstungskontrolle 197 Rüstungskontrollzonen 97-102, 214 Schuman-Plan 14, 142 Schweinebucht-Invasion 202, 204 SPD 51, 101, 123-125, 131, 139, 182, 208, 241, 268 Special relationship 17, 19, 21, 118, 191, 201, 211, 236, 253 Spiegel-Krise 252, 276 Sputnik 97, 154 Staatsbesuch Adenauers in Frankreich 1962 225,240-244 Staatsbesuch de Gaulles in Deutschland 1962 244-249 Stationierung von Nuklearwaffen in Europa 37f., 124 Stationierungskosten 170-172 Suez-Krise 1956 37f. Teststoppabkommen 1963 283, 288 Three Essentials 189, 206, 209 Trade Expansion Act 19, 160, 230-235, 257, 297
U-2-Abschuß 1960 153 Ungarn-Aufstand 1956 38 US-Militärpräsenz in Europa 49, 85, 171, 188, 196, 199f., 214, 226, 232 US-Präsidentschaftswahlen 1960 151154, 163-165, 168, 180, 182 Vereinte Nationen 114, 153 Veto de Gaulles 1963 253, 257-260, 264, 276 Welthandel 11, 22, 141, 192 Westeuropäische Union 223 Wiederbewaffnung 43, 122 Wiedervereinigung 38, 48f., 51, 53, 57, 60, 75 , 85f., 88f., 98, 101-104, 108f., 112, 120, 122, 124, 126f., 129, 207f., 215, 275, 300 Wiener Gipfel Kennedys und Chruschtschows 1961 195,202-204 Zahlungsbilanzdefizit der USA 19, 159, 169-172, 184, 192, 230f., 259, 261, 284, 297 Zollpolitik 74, 141, 159f„ 171, 222-224, 227, 230, 232f., 261, 274, 285 Zwei-Staaten-Theorie 124 Zweiter Weltkrieg 41, 65f.