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German Pages 434 Year 1997
JOSE MARTINEz SORIA
Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien
Schriften zum Internationalen Recht Band 85
Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien Von
Jose Martinez Soria
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Martlnez Soria, Jose:
Die Garantie des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt in Spanien / von Jose Martfnez Soria. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 85) Zug!.: Göttingen, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08782-8 NE:GT
Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08782-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @
Amispadres
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1995/96 von der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen als Dissertation angenommen. Neuere Rechtsprechung und Literatur sind bis Januar 1996 berücksichtigt. Die Untersuchung wurde mit dem "Thesis Prize 1996" der European Group
01Pub/ie Law in Spetses, Griechenland ausgezeichnet.
Mein herzlicher Dank gilt meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Volkmar Götz, der die Arbeit vielfältig gefördert hat. Herrn Professor Dr. Christian Starck schulde ich Dank für die umgehende Zweitbegutachtung und seine hilfreichen Anregungen. Herr Dr. Martin !bIer gab wichtige inhaltliche und stilistische Hinweise, die die Arbeit wesentlich gefördert haben. Das Cusanuswerk - Bischöfliche Studienförderung - in Bonn hat das Entstehen der Arbeit durch ein großzügiges Promotionsstipendium gefördert. Vor allem aber danke ich meinen Eltern und meinen Schwestern Maria Jose und Rosa. Göttingen, im Oktober 1996
Jose Martinez Soria
Inhaltsverzeichnis 1. Teil: Geschichtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Rechtsschutzgarantie ..................................................................................................... 27 A. Der Begriff des Rechtsschutzes ........................................................................... 27
B. Historische Entwicklung ..................................................................................... 28
I.
Die Forderung einer Justizgerichtsbarkeit durch die Verfassung von 1812 ..... 29
ll. Übernahme des napoleonischen Modells der administrativen Kontrolle ........ 31
m.
Der Aufbau einer gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung ............................. 34
IV. Das Gesetz Santamaria de Paredes von 1888 ................................................. 35
V. Die Verwaltungsgerichtsordnung vom 27. Dezember 1956 ............................ 40 VI. Die Einflüsse der Verfassung von 1978 ......................................................... 42 C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE / Grundlagen ......................... 45
I.
Begriffsbestimmung ...................................................................................... 45
ll. Entstehungsgeschichte des Art. 24 Abs. 1 CE ............................................... 46
ill. Die Rechtsschutzgarantie im Kontext der spanischen Verfassung .................. 49 1. Abgrenzung der Rechtsschutzgarantie von Art. 24 Abs. 2 CE und anderen prozessualen Regelungen in der Verfassung ...................................... 49 2. Art. 24 Abs. 1 CE als Grundrecht... ......................................................... 51 3. Das Verhältnis der Rechtsschutzgarantie zu den materiellen Grundrechten ................................................................................................... 53 4. Die Rechtsschutzgarantie im Lichte völkerrechtlicher Bestimmungen ..... 54 IV. Subjekte der Rechtsschutzgarantie ................................................................ 57 1. Träger des Grundrechts ........................................................................... 57 2. Grundrechtsverpflichtete ......................................................................... 61
V. Die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf alle in Betracht kommenden Verletzungen ................................................................................................ 64
Inhaltsverzeichnis
10
2. Teil: Die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ............................................................................. 65 A. Die Rechtsschutzgarantie und die Eröffnung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges ....................................................................................................... 65
I.
Das Recht aufEröffuung eines gerichtlichen Rechtsweges ............................ 65 1. Gerichte im Sinne der Rechtsschutzgarantie ............................................ 66
a) Der Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt... ............... 67 b) Das Verbot von Ausnahmegerichten I Die Militärgerichtsbarkeit... .... 72 c) Die Unabhängigkeit der Justizorgane ................................................ 76 2. Das Recht auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel ......................... 78 3. Das Gebot der Klarheit des Rechtsweges ......................................... ....... 81 a) Das Bestehen verschiedener Rechtswege........................................... 82 b) Die Rechtsschutzgarantie und die Unzuständigkeit des Gerichtes ...... 83 II. Die Eröffuung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges in Spanien ........... 85 1. Die einzelrichterlichen Verwaltungsgerichte (Juzgado de 10 Contenci-
oso-Administrati vo ) ................................................................................ 87
2. Die Hohen Gerichtshöfe in den autonomen Gemeinschaften (Tribunales Superiores de Justicia) ............................................................................ 89 3. Der Nationalgerichtshof (Audiencia Nacional) ........................................ 92 4. Der Oberste Gerichtshof(Tribunal Supremo) .......................................... 92 5. Würdigung .............................................................................................. 94 III. Die Ergänzungsfunktion verfassungsrechtlich anerkannter außergerichtlicher Rechtsschutzformen ...................................................................................... 95 1. Die Rechtsschutzgarantie und der Antrag beim Volksverteidiger (Defensor deI Pueblo) ............................................................................. 96 2. Die Rechtsschutzgarantie und die Beteiligung des Bürgers ...................... 99 3. Die Rechtsschutzgarantie und das Petitionsrecht .................................... l 00 B. Die Rechtsschutzgarantie und die Beschränkung des Zugangs zum Gericht ....... l 02 I.
Prozeßvoraussetzungen - Definition und Vereinbarkeit mit der Rechtsschutzgarantie .............................................................................................. 102
II. Verfassungsrechtliche Vorgaben fiir den Gesetzgeber ...... .... ........................ 104
Inhaltsverzeichnis
11
III. Bindung der Gerichte und der Parteien an die zulässigen Prozeßvoraussetzungen .................................................................................................... 106
N. Verfassungskonforme Auslegung durch die Gerichte .................................... 107 l. Der Grundsatz pro actione ..................................................................... 107 2. Heilungspflicht ...................................................................................... 110 V. Insbesondere das administrative Vorverfahren als Prozeßvoraussetzung ...... 112 l. Zulässigkeit eines administrativen Vorverfahrens .................................. 112 2. Die Ausgestaltung des administrativen Vorverfahrens und die Rechtsschutzgarantie ........................................................................................ 114 a) Keine wesentliche Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten ........ 114 b) Rechtsschutz als Ziel des Vorverfahrens .......................................... 117 c) Ausschluß des einstweiligen Rechtsschutzes .................................... 118 d) Die Ersetzung des Vorverfahrens durch eine Mitteilungspflicht... ..... 120 VI. Die Rechtsschutzgarantie und die Klageart .................................................. 122 1. Das Verhältnis von Feststellungs-, Gestaltungs- und Leistungsklage zur Rechtsschutzgarantie ............................................................................. 122 2. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Gerichts und die Gewaltenteilung ..... 123 3. Die Klage in der spanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit ....................... 125 a) Die verwaltungsgerichtliche Klage (recurso contenciosoadministrativo) ................................................................................ 126 b) Die Aufhebungsklage als Gegenstand der ausschließlich objektiven Kontrolle ......................................................................................... 127 c) Der recurso de plena jurisdicci6n I Der Folgenbeseitigungsanspruch als möglicher Ansatzpunkt einer subjektiven Kontrolle .................... 128 VII.Würdigung .................................................................................................. 131
c. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis ............................................... 132 I.
Die Gestaltung der Klagebefugnis als grundsätzliche Entscheidung zugunsten eines subjektiven oder objektiven Kontrollsystems ............................... 133
11. Die Zulässigkeit der Klagebefugnis nach der Rechtsschutzgarantie .............. 135 III. Inhaltliche Gestaltung der Klagebefugnis und die Rechtsschutzgarantie ...... 137 l. Die gesetzliche Regelung in den Prozeßordnungen ................... .............. 137
fuhaltsverzeichnis
12
2. Die Klagebefugnis als bloße Prozeßvoraussetzung .................................. 138 a) Die Klagebefugnis gegen Einzelakte der Verwaltung ....................... 139 aa) Der Schutz der "legitimen Interessen" ........................................ 140 bb) Die Abgrenzung "legitimes Interesse - subjektives Recht" .......... 147 cc) Verhältnis legitime Interessen - soziale Interessen ...................... 148 dd) Verhältnis legitimes Interesse - Popularklage ............................. 152 ee) Verhältnis legitime Interessen - Verbandsinteressen ................... 157 b) Die Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA .................................................................... 160 aa) Gesetzliche Regelung ................................................................. 161 bb) Die restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA durch den Obersten Gerichtshof ................................................................. 162 cc) Art. 28 Abs. 1 b) LJCA im Lichte der Rechtsschutzgarantie ....... 165 dd) Die Haltung des Verfassungsgerichts ......................................... 172 IV. Würdigung .................................................................................................. 174 D. Die Rechtsschutzgarantie und die Ausgestaltung des Verfahrens ....................... 176
I.
Das Verbot der Schutzlosigkeit (indefensi6n) ............................................... 176
11. Die gebotene Gleichheit der Parteien und der Verhandlungsgrundsatz ........ 177 l. Der Verhandlungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß ............................... 178
2. Die Beweislastregelungen ...................................................................... 179
III. Die ordnungsmäßige Ladung ........................................................................ 181 IV. Die Bindung der Gerichte an die Anträge ..................................................... 185
V. Der praktische Ausschluß des Bürgers vom Verfahren durch die Prozeßkosten .......................................................................................................... 187 1. Die Beschränkung der Prozeßkosten im spanischen Recht ...................... 187 2. Grundsatz der Kostenregelung ............................................................... 188 3. Befreiung von der Kostentragungspflicht... ............................................. 191 VI. Bewertung ................................................................................................... 193 E. Das Verhältnis der Rechtsschutzgarantie zu Gegenstand und Dichte der Kontrolle ................................................................................................................. 194
Inhaltsverzeichnis I.
13
Die Vorgaben der Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE filr sämtliche Verfahren ............................................................................................ 194
1. Das Recht nach Art. 24 Abs. 1 CE auf ein begründetes Urteil, das auf
der Grundlage des Rechts ergeht ............................................................ 194
2. Insbesondere die Begrilndungspflicht ..................................................... 196
n.
Die Ergänzung des Umfangs der Rechtsschutzgarantie nach Art. 106 Abs. 1 CE ............................................................................................................... 198
IlI. Gegenstand der Klage .................................................................................. 200 1. Öffentlich-rechtliche Verwaltungsmaßnahmen ....................................... 201 2. Untergesetzliche Rechtsvorschriften der Verwaltung .............................. 203 3. Die Verwaltung in den Organen der exekutiven Gewalt im Staat der Autonomen Regionen ............................................................................. 204 a) Die Staatsverwaltung (Adrninistracion de Estado) im engeren Sinne ............................................................................................... 205 aa) Der König .................................................................................. 206 bb) Die Regierung ............................................................................ 206 cc) Die Verwaltungsorgane innerhalb der Regierung ........................ 215 dd) Die Vertretung der Staatsverwaltung in den autonomen Gemeinschaften, den Provinzen und den Gemeinden .................. 216 b) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle sonstiger Verwaltungsorgane .............................................................................................. 217 4. Die Kontrolle der Organe anderer Staatsgewalten .................................. 221 a) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Legislativorgane ............. 222 aa) Die Kontrolle legislativer Handlungen ....................................... 222 bb) Die Kontrolle administrativer Handlungen ................................. 223 b) Die Kontrolle der Organe der judikativen Gewalt.. ........................... 224 IV. Gebot umfassender Kontrolle allen administrativen HandeIns ...................... 225 1. Verbot materiell-rechtlicher Beschränkungen der Kontrolle ................... 226 2. Verbot formellrechtlicher Beschränkungen der Kontrolle ....................... 228 a) Die Abkehr vom Erfordernis einer förmlichen Verwaltungsmaßnahme .............................................................................................. 229
14
Inhaltsverzeichnis b) Die Kontrolle des tatsächlichen Verwaltungshandelns ...................... 230 c) Die Untätigkeit der Verwaltung nach einem Antrag des Bürgers als Streitgegenstand (silencio administrativo) ........................................ 233 aa) Anspruch des Bürgers auf ausdrückliche Bescheidung aus der Rechtsschutzgarantie .................................................................. 233 bb) Die vermutete Verwaltungsmaßnahme ....................................... 235 d) Die beschränkt rechtschützende Funktion der Klage gegen vermutete Verwaltungsmaßnahmen ........................................................... 247 V. Die Rechtsschutzgarantie und die Kontrolldichte ......................................... 248
1. Die umfassende Kontrolle der Bindung der Verwaltung an das Gesetz ... 248 2. Legalitätsprinzip und Vorbehalt des Gesetzes ........................................ 249 a) Das Ermessen der Verwaltung / Begriffsbestimmung ....................... 252 b) Der geschichtliche Hintergrund des Ermessens in Spanien ............... 254 c) Die Verfassungsmäßigkeit des Ermessens und seiner Kontrolle ........ 255 aa) Das Verhältnis des Ermessens zum Legalitätsprinzip ................. 255 bb) Das Verhältnis der Ermessenskontrolle zur Gewaltenteilung! Die Ersetzungsbefugnis der Gerichte .......................................... 259 3. Die Kontrolle behördlicher Ermessensakte durch die Gerichte ............... 263 a) Konkretisierung des Ermessens durch Ausgrenzung der gebundenen Elemente ......................................................................................... 263 aa) Die unbestimmten Rechtsbegriffe ............................................... 263 bb) Der Beurteilungsspielraum ......................................................... 268 cc) Der Zweck als unbestimmter RechtsbegriffI Die Kontrolle der Motive (desviacion de poder) ..................................................... 274 b) Die Kontrolle der Verwaltung anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze ................................................................................................ 284 aa) Begriffsbestimmung ................................................................... 285 bb) Kodifizierte allgemeine Rechtsgrundsätze .................................. 285 cc) Allgemeinen Rechtsgrundsätze als Auslegungskriterien .............. 287 dd) Die verfassungskonforme Auslegung .......................................... 288 ee) Das Willkürverbot ..................................................................... 290
Inhaltsverzeichnis
15
tl) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ............................................... 290 c) Die Kontrolle des Planungsermessens ..............................................291 VI. Bewertung ................................................................................................... 296 F. Die Effektivität des Rechtsschutzes: Der einstweilige Rechtsschutz / Die Vollstreckung von Urteilen ....................................................................................... 297
I.
Der einstweilige Rechtsschutz ..................................................................... 298
1. Das Recht auf ein "Verfahren ohne unnötige Verzögerungen" ................ 298 2. Der einstweilige Rechtsschutz im System der subjektiven Rechtskontrolle ................................................................................................ 30 1 3. Der einstweilige Rechtsschutz und die objektiv-rechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Abs. 1 CE .................................................... .30 1 a) Das Fehlen einstweiligen Rechtsschutzes im System der objektiven Rechtskontrolle ................................................................................ 30 1 b) Die einfachgesetzliche Gestalt des einstweiligen Rechtsschutzes ...... 303 aa) Der Grundsatz des unmittelbaren Vollzuges der Verwaltungsmaßnahme nach Art. 122 Abs. 1 LJCA. ...................................... 304 bb) Der Suspensiveffekt als Ausnahme bei irreparablen und bei schwer zu behebenden Schäden .................................................. 304 4. Subjektivierung des gerichtlichen Rechtsschutzes .................................. 306 a) Hintergründe .................................................................................. .307 aa) Entwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes in der Gesetzgebung ....................................................................................... 307 bb) Die Wirkung der Factortame-Entscheidung des EuGH auf den Obersten Gerichtshof ................................................................. 309 b) Die Einbeziehung des einstweiligen Rechtsschutzes in Art. 24 Abs. 1 CE durch das Verfassungsgericht ..................................................... 312 c) Folgen der Subjektivierung der Rechtsschutzgarantie ...................... .314 aa) Das private Interesse als Abwägungskriterium .......................... .314 bb) Die Lockerung der suspendierungsfeindlichen Rechtsprechung zum Schadenserfordernis .......................................................... .315 cc) Der einstweilige Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Antrags ...................................................................................... 320
16
Inhaltsverzeichnis 5. Zusammenfassung und Bewertung ................................ ......................... 327 II. Die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile ..................................... 329 1. Der effektive Rechtsschutz und die Pflicht zur Urteilsvollstreckung ....... 329
2. Das verfassungsrechtlich gebotene Vollstreckungsorgan ......................... 331 a) Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile und Gewaltenteilung ............................................................................................. 331 b) Rechtsschutzkonfonne Auslegung zugunsten einer gerichtlichen Vollstreckung .................................................................................. 332 3. Die Vollstreckungsmöglichkeiten der Gerichte ....................................... 335 a) Die Vollstreckung von Ge1dforderungen ........................................... 335 aa) Das privilegium fisci .................................................................. 335
bb) Weitergehende Möglichkeiten der Gerichte nach Lehre und Rechtsprechung .......................................................................... 337 b) Möglichkeiten des Gerichts, wenn die Verwaltung Urteile umgeht ... 340 c) Der gesetzliche Ausschluß der Vollstreckung (insbesondere der Rückgabe vennögenswerter Gegenstände) ........................................ 341 4. Bewertung ............................................................................................. 345 3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz ....................................... 347 A. Die Systematik der Grundrechte und ihrer Schranken in der spanischen Verfassung ........................................................................................................ 348 B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie ............................... .3 51
I.
Das besondere Verfahren zum Schutz der Grundrechte nach Art. 53 Abs. 2 CE .................................................................................................... 352 1. Historischer Hintergrund ....................................................................... 352 2. Gesetzliche Regelung ...................... ............................................. .......... 353 3. Die Rechtsnatur des Verfahrens ............................................................. 353 4. Die subsidiäre Anwendung der LJCA und die Rechtsschutzgarantie ....... 354 a) Zuständigkeit der Gerichte ............................................................... 355 b) Klagebefugnis .................................................................................. 355 c) Klagegegenstand .............................................................................. 356
Inhaltsverzeichnis
17
d) Klageziel .................................................. ....................................... 358 e) Beweisverfahren .............................................................................. 359 5. Die Eigenheiten des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens ............... 359 a) Der summarische Charakter.. ........................................... ................ 359 aa) Der Begriff des summarischen Verfahrens ................................. 359 bb) Die durch das besondere Grundrechtsschutzverfahren geschützten Grundrechte ............................................................ 360 cc) Die Abgrenzung Grundrechtsprufung - Legalitätsprufung ........... 362 b) Der Vorrang des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens ............... 364 c) Suspendierung der Rechtswirkung der Verwaltungsmaßnahrne ........ 366 6. Kompatibilität mit dem ordentlichen Verwaltungsrechtsweg .................. 367 7. Bewertung ............................................................................................. 369 II. Die Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht... ............................... 370 1. Gesetzliche Regelung ............................................................................. 370 2. Auswirkungen der (Grund-) Rechtsschutzgarantie auf die Verfassungsbeschwerde ............................................................................................ 371 a) Die Geltung der Rechtsschutzgarantie fiir das Verfahren vor dem Verfassungsgericht. .......................................................................... 371 b) Gegenstand der Verfassungsbeschwerde .......................................... 373 c) Beschwerdebefugnis und Prufungsmaßstab .... .... .. .... ........................ 376 d) Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde ......................................... 377 e) Einstweiliger Rechtsschutz .............................................................. 379 3. Bewertung ............................................................................................. 379
4. Teil: Zusammenfassende Bewertung ............................................................... 381 Literaturverzeichnis ................................... ................................ ........................... 385 Sachverzeichnis .................................................. ................................................... .425
2 Martinez SOfia
Abkürzungsverzeichnis A.
Auto (Beschluß)
a.a.
anderer Ansicht
AA
Actualidad Administrativa-Zeitschrift-
a.a.O.
am angegebenen Ort
Abs.
Absatz
a.F.
alte Fassung
allg.
allgemein
AN
Audiencia Nacional (Nationalgerichtshot)
Anm.
Anmerkung
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
Ar.
Repertorio cronol6gico de jurisprudencia (Pamplona)-Rechtsprechungsübersicht-
Art.
Artikel
AT
Audiencia Territorial (Territorialgerichtshot)
Aufl.
Auflage
B.
Beschluß
BB
Betriebsberater
Bd.
Band
BJC
Boletin de Jurisprudencia Constitucional (hrsg. von den Cortes Generales)Rechtsprechungsübersicht des Verfassungsgerichts-
Abkürzungsverzeichnis
19
BOE
Boletin Oficial deI Estado
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (amtliche Sammlung)
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (amtliche Sammlung)
bzw.
beziehungsweise
CC
COdigo Civil vom 24. Juli 1889 (Gaceta de Madrid Nr. 206 vom 25. Juli 1889)Zivilgesetzbuch-
CE
Constituci6n Espaiiola vom 27. Dezember 1978 (BOE Nr. 311.1, vom 29 Dezember 1978); geändert am 27. August 1992 nach Beschluß beider Parlamentskammem (BOE vom 28. August 1992)-Spanische Verfassung-
DA
Documentaci6n Administrativa (Madrid)Zeitschrift-
ders.
derselbe
d.h.
das heißt
Diss.
Dissertation
DöV
Die öffentliche Verwaltung
DVBI.
Deutsches Verwaltungsblatt
EGMR
Europäischer Gerichtshof fiir Menschenrechte
EMRK
Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 H, S. 686; BOE Nr. 243, vom 10. Oktober 1979)
EuGH
Europäischer Gerichtshof
2'
20
Abkürzungsverzeichnis
EuGRZ
Europäische Grundrechte-Zeitschrift
f.
folgende (Seite)
ff.
folgende (Seiten)
Fn.
Fußnote
FJ.
Fundamento juridico-Entscheidungsgrund-
FFJJ.
Fundamentos juridicos-Entscheidungsgriinde-
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBL S. 1)
grds.
grundsätzlich
Halbs.
Halbsatz
h.M.
herrschende Meinung
hrsg.
herausgegeben
Hrsg.
Herausgeber
i. d. F.
in der Fassung
i. e. S.
im engeren Sinne
i. S.
im Sinne
i. V. m.
in Verbindung mit
i. w. S.
im weiteren Sinne
JC
Jurisprudencia Constitucional Rechtsprechungsübersicht des Verfassungsgerichts-
JöR
Jahrbuch für öffentliches Recht
JuS
Juristische Schulung
JZ
Juristenzeitung
Kap.
Kapitel
~b~gsverzeic~s
21
L
Ley -Gesetz-
L~LEY
Revista Juridica Espaiiola "La Ley"-Zeitschrift-
LBRL
Ley 7/1985, vom 2. ~pri, reguladora de las Bases de Regimen Local (BOE Nr. 80, vom 3. ~priI1985; berichtigt in BOE Nr. 139, vom 11. Juni 1985)-Kommunalverfassungsgesetz-
LEC
Ley de Enjuiciamiento Civil vom 3. Februar 1887 (Gaceta de Madrid vom 5. bis 22. Februar 1881 )-Zivilprozeßgesetz-
lit.
litera
LJC~
Ley reguladora de la Jurisdicciön Contenciosovom 27. Dezember 1956 (BOE Nr. 363, vom 28. Dezember 1956)Verwaltungsprozeßgesetz~dministrativa
LODP
Ley Orgänica 3/1981 dei Defensor dei Pueblo vom 6. ~pri11981 (BOE Nr. 109, vom 7. Mai 1981 )-Gesetz zur Regelung des Volksverteidigers-
LOPJ
Ley Orgänica 6/1985 dei Poder Judicial vom I. Juli (BOE Nr. 157, vom 2. Juli 1985; berichtigt in BOE Nr. 264, vom 4. November 1985)Gerichtsverfassungsgesetz-
LOTC
Ley Orgänica 2/1979 dei Tribunal Constitucional vom 3. Oktober 1979 (BOE Nr. 239, vom 5. Oktober 1979)-Verfassungsgerichtsgesetz-
LP~
Ley de Procedimiento ~dministrativo vom 17. Juli 1958 (BOE Nr. 171 vom 18. Juli 1958)Verwaltungsverfahrensgesetz / weitgehend durch das LRJP~ ersetzt-
LPDF
Ley 62/1978, vom 26. Dezember, de protecciön jurisdiccional de los derechos fundamentales de la persona (BOE Nr. 3 vom 3. Januar 1979)Gesetz zur Regelung des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens-
22
Abkürzungsverzeichnis
LPLANTA
Ley 3811988, vom 28. Dezember, de dem arcacion y de planta judicial (BOE Nr. 313 vom 30. Dezember; berichtigt in BOE Nr. 122 vom 23. Mai 1989)-Gesetz zur Regelung der Gerichtsbezirke-
LRJAE
Ley de Regimen Juridico de la Administracion deI Estado vom 26. Juli 1957 (Neufassung, durch Dekret vom 26. Juli 1957 beschlossen, BOE vom 31. Juli 1957)Staatsverwaltungsgesetz-
LRJPA
Ley de Regimen Juridico de las Administraciones PUblicas y deI Procedimiento Administrativo ComUn (BOE Nr. 285, vom 27. November 1992)-Verwaltungsverfahrensgesetz-
m.E.
meines Erachtens
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr.
Nummer
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
o.
oben
OVG
Oberwaltungsgericht
RAP
Revista de Administracion PUblica (Madrid)Zeitschrift-
RCEC
Revista deI Centro de Estudios Constitucionales (Madrid)-Zeitschrift-
RDP
Revista de Derecho PUblico (Madrid)Zeitschrift-
RDPol
Revista de Derecho Politico (UNEDlMadrid)Zeitschrift-
RE
Revista de Estudios Politicos (Madrid)Zeitschrift-
Abkürzungsverzeichnis
23
REDA
Civitas, Revista Espaiiola de Derecho Administrativo (Madrid)-Zeitschrift-
REDC
Revista Espaiiola de Derecho Constitucional (Madrid)-Zeitschrift-
Rep. Ar.
Repertorio Aranzadi deI Tribunal Constitucional (zitiert: Jahr/Bandzahl)Rechtsprechungsübersicht des Verfassungsgerichts-
REVL
Revista de Estudios de la Vida Local (Madrid)Zeitschrift-
RGD
Revista General de Derecho (Valencia)Zeitschrift-
RGLJ
Revista General de Legislaci6n y Jurisprudencia (Madrid)
ROF
Dekret 2568/1986, vom 28. November (BOE vom 22. Dezember 1986) Reglamento de Organizaci6n, Funcionamiento y Regimen Juridico de las Entidades Loca1es-Gesetz zur Regelung der Organisation, des Verfahrens und der rechtlichen Stellung der kommunalen Einrichtungen-
Rspr.
Rechtsprechung
S
Sentencia-Urteil-
s.
siehe
S.
Satz; Seite
s. o.
siehe oben
sog.
sogenannte
STC
Sentencias deI Tribunal Constitucional-Urteile des spanischen Verfassungsgerichts; zitiert wird in der in Spanien üblichen Form: Laufende Nummer der Entscheidung/Jahr, Datum, Entscheidungsgründe, Fundort.
24
Abkürzungsverzeichnis
STS
Sentencias deI Tribunal Suprerno-Urteile des Obersten Gerichtshofes-; zitiert wird in der Regel die fortlaufend numerierte Fundstelle der Entscheidung in der Sammlung Aranzadi (Ar.) des entsprechenden Jahres. Aufgrund der Kürze der Urteilsgriinde erübrigt sich eine detaillierte Angabe.
s. u.
siehe unten
TC
Tribunal Constitucional-Spanische Verfassungsgericht-
TS
Tribunal Supremo-Oberste Gerichtshof-
TSJ
Tribunales Superiores de Justicia-Hohen Gerichtshöfe der Autonomen Regionen-
u. a.
und andere; unter anderem
usw.
und so weiter
v.
von; vom
Verf.
Verfassung
VerwArch
Verwaltungsarchiv
vgl.
vergleiche
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwGO
Verwaltungsgerichtsordnung vom 21. Januar 1960 (BGBl. I, S. 17)
VwVfG
Verwaltungsverfahrengesetz vom 25. Mai 1976 (BGBl. I, S. 1253)
ZaöRV
Zeitschrift fUr ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht
z. B.
zum Beispiel
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
Abkürzungsverzeichnis Z.
T.
z. Z.
zum Teil zur Zeit
25
"Toda persona encuentra asegurado( ..): EI derecho a la defensa liberrima enjuicio" "Jeder Person ist gewährleistet ( ... ): Das Recht auf die freiheitlichste Verteidigung ihrer Rechte" (Nr. 8 des Vortitels des Verfassungsentwurfs der Spanischen Republik von 1873)
1. Teil
Geschichtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen der Rechtsschutzgarantie A. Der Begriff des Rechtsschutzes Der Rechtsschutz wird im Spanischen als tute la bezeichnet. Vor der Verfassung von 1978 benannte dieser Begriff juristisch nur die Vormundschaft im Zivilgesetzbuch l . In diesem Sinn setzt die tutela ein Subordinationsverhältnis voraus, das allein dem Interesse des Bevormundeten zu dienen bestimmt ist2 . Der Ausdruck tutela kommt in der Spanischen Verfassung von 19783 an zwei Stellen vor: Art. 60 CE verwendet den Begriff tutela noch im traditionellen Sinne der Vormundschaft (beim minderjährigen König), Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 53 Abs. 2 gebrauchen ihn nunmehr rur den Schutz der Grundrechte und der einfachen Rechte. Versteht man den Rechtsschutz weit, so fallt darunter auch die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz nach Art. 9 Abs.l i.Y.m. Art. 103 Abs.l CE
1 Vgl. hierzu Chamorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 3; AdomeitIFrühbeck, Einführung, S. 57.
2 3
Vgl. PalandtIDiederichsen, Einl. § 1773, Rdnr. 2. BOENr. 311. 1, vom 29. Dezember 1978.
28
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
bzw. nach Art. 1 Abs.3 GG. Schon die materielle Begrenzung des Handeins und die Festlegung bestimmter Handlungsformen der Verwaltung schützen den Rechtskreis des einzelnen Bürgers. Somit werden auch im Verwaltungsverfahren Rechte geschützt. Gegen einen Rechtsschutz durch die Verwaltung spricht aber die begrifflich von der tute/a vorausgesetzte Interesselosigkeit des Vormunds. Der Bürger begibt sich in ein Subordinationsverhältnis zu einem staatlichen Organ, dem Gericht, damit dieses seine verfassungs- oder einfachgesetzlich begründeten Rechte gewährleistet. Rechtsschutz in Spanien ist demnach schon begrifflich ein Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte, da nur sie den Rechten oder Interessen der Bürger i.S. der tute/a zum Durchbruch verhelfen können. Die Funktion der Verwaltung liegt dagegen in der Wahrung der öffentlichen Interessen und daher scheidet diese als Rechtsschutzorgan aus. Das Bild der Vormundschaft verdeutlicht noch einen anderen Aspekt. Vormundschaft setzt ein Bedürfnis voraus, das aus der Unflihigkeit des Bevormundeten folgt, seine Interessen selbst wahrzunehmen. Übertragen auf den Rechtsschutz besteht ein ähnliches Bedürfnis beim Bürger hauptsächlich im Hinblick auf Maßnahmen der öffentlichen Gewalt. Aus dem Begriff tute/a in Art. 24 Abs. 1 CE ist daher die Gewähr für den Bürger zu entnehmen, gerichtlichen Rechtsschutz zum Schutz seiner Rechte und Interessen gegen die öffentliche Gewalt in Spanien zu erhalten. Dies soll Gegenstand der folgenden Untersuchung sein.
B. Historische Entwicklung Die Verwaltungsgerichtsbarkeit entstand in Spanien wie in Deutschland im 19. Jahrhundertl . In beiden Ländern kämpften liberale Anhänger für einen Rechtsschutz durch eine einheitliche ordentliche Gerichtsbarkeit gegen Maßnahmen der Verwaltung, um das bestehende, auf dem französischen Modell aufbauende System eines ausschließlich verwaltungsinternen Rechtsschutzes zu überwinden.
Umfassend dazu für Spanien u.a. Santamaria Pastor, Fundamento I, S. 69-181; für die Entwicklung in Deutschland Sellmann, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S.25-86; Rüfuer, Verwaltungsrechtsschutz, S. 17ff.; Unruh, Die verfassungsrechtliche Bedeutung, S. 21ff.
B. Historische Entwicklung
29
I. Die Forderung einer Justizgerichtsbarkeit durch die Verfassung von 1812 Die Ursprünge einer gerichtlichen Kontrolle des hoheitlichen Handeins gehen in Spanien schon auf das 16. Jhd. zurück2 • Doch erst mit dem Verfassungsstaat und der Gewaltenteilung wird die - externe - Kontrolle der exekutiven Gewalt aktuell. Vorreiter und Muster war hierbei das napoleonische Modell der - internen - Verwaltungskontrolle. Das napoleonische System ist Folge des französischen Verständnisses der Gewaltenteilung, das eine sehr starke und autonome Exekutive im Verhältnis zur Judikative vorsieht3 . Kennzeichnend hierfiir ist, daß das Handeln der Verwaltung mit Ausnahme der Enteignungs- und anderer Eigentumstatbestände von der Kontrolle durch die Zivilund Strafgerichte ausgenommen ist. Eingriffe in Freiheitsrechte wurden demnach nicht durch diese Gerichte kontrolliert. Statt dessen wurde innerhalb der Verwaltung ein neues Organ geschaffen, der Conseil d'Etat, dessen Verfahren von den Grundsätzen der Zivilgerichtsbarkeit geprägt war. Dieses System wurde in Spanien durch Art. 584 der während der französischen Herrschaft verfaßten Verfassung von Bayonne vom 6. Juli 1808 übernommens . Da diese erste Verfassung in Spanien jedoch nie wirksam wurde, wurde auch das dort vorgesehene Modell der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht verwirklicht6 .
2 So z.B. der gerichtliche Rechtsschutz im aragonesischen Foralrecht: vgl. hierzu Reckhom-Hengernühle, Der spanische "recurso de arnparo", S. 5ff.; Tornas y Valiente, Manual, S. 325ff.
3 DeI Saz, Justicia adrninistrativa, S. 1261; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia adrninistrativa, S. 28; zur Rolle der Judikativen in der französischen Lehre der Gewaltenteilung vgl. insbesondere Pedraz Penalva, Constituci6n, S. 9-42. 4 "Conocera de las competencias de jurisdicci6n entre los cuerpos administrativos y judiciales, de la parte contenciosa, de la administraci6n y de la citaci6n a juicio de los agentes 0 empleados de la administraci6n publica". S De Mendizabal Allende, Pasado, S.264; der Text der Verfassung ist abgedruckt bei Sevilla Andres, Diego, Constituciones y otras Leyes y Proyectos Politicos de Espaila, Bd. 1, Madrid 1969, S. 49-68. 6 Für Näheres zu dieser Verfassung, die den Beginn der spanischen Verfassungsentwicklung darstellt, siehe u.a. Femandez Segado, Las Constituciones hist6ricas, S. 59-64; Gonzalez Perez, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 383.
l. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
30
1812 erließ die verfassunggebende Versammlung in Cadiz die erste spanische Verfassung7 . Obwohl sie Folge der spanischen Befreiungskriege gegen Napoleon war, wurde sie von der französischen Staatslehre unmittelbar beeinflußt. Insbesondere die Gewaltenteilung war rur die Verfassunggeber von C3diz von grundlegender Bedeutung. Sie unterschied sich jedoch von der französischen Konzeption, denn sie forderte die absolute Trennung zwischen Verwaltungs- und Justizorganen, die sich vor allem im Grundsatz der Einheit der Gerichtsbarkeit, aber auch in der Unabhängigkeit der Gerichte äußerte (Art. 242)8. Sondergerichte waren nur rur das Militär, die Kirche und die Finanzen vorgesehen9 . Die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns oblag demnach den ordentlichen Gerichten. Art. 236 der Verfassung schuf zwar einen Staatsrat (Consejo de Estado), er hatte aber im Gegensatz zu Frankreich keine gerichtliche Funktion. Die Verfassungsvorgaben wurden ein Jahr später, 1813, durch ein Dekret der Cortes vom 13. September verwirklicht, das die Zuständigkeit rur Verwaltungsstreitigkeiten der ordentlichen Gerichtsbarkeit übertrug 10 . Damit wurde die Constitucion von Cadiz zum Vorreiter, indem sie bereits 1812 bestimmte, was erst 37 Jahre später Artikel X § 182 Abs. 1 der Frankfurter Reichsverfassung verlangteIl : Das Ende einer eigenen Verwaltungsrechtspflege und der Rechtsschutz durch ordentliche Gerichte l2 . Die Rückkehr des Königs Ferdinand VII. aus dem Exil und die dann einsetzende Restauration bereiteten dem spanischen Modell einer allgemeinen ordentlichen Gerichtsbarkeit jedoch ein frühes Ende 13 . Durch ein Parlamentsdekret vom 25. Juni 1821 wurde die Kontrolle der Verwaltung durch die or-
7 Vgl. Torres de1 Moral, Constitucionalismo hist6rico espafiol, S. 29; Femandez Segado, Las Constituciones historicas, S. 60; umfassend hierzu Martinez Sospendra, La Constituci6n, S. 344ff. 8 Martinez Sospendra, La Constituci6n, S. 344; Über die Wirkungen dieser Verfassung auf die Liberalen in Europa siehe Ferrando Badia, Die Spanische Verfassung von 1812 und Europa, Der Staat 2 (1963), S. 153-180. 9
Dei Saz, Lajusticia administrativa, S. 1259f.
Abgedruckt bei Dei Saz, La justicia administrativa, S. 1260 Fn. 30; unzutreffend daher Gonzlilez Perez, Die VetWaltungsgerichtsbarkeit, S. 384. 10
11 Diese Verfassung selbst hatte einen unmittelbaren Einfluß auf die Verfassung von Portugal von 1822, auf die nicht in Kraft getretene Verfassung Neapels von 1812, sowie auf die gesamten liberalen Unruhen in Europa zwischen 1820-1825: vgl. hierzu Ferrando Badia, Die spanische Verfassung von 1812, S. 153ff. 12 Vgl. hierzu Sellmann, VetWaltungsgerichtsbarkeit, S. 75ff.
13 Dei Saz, LajustiCia administrativa, S. 126l.
B. Historische Entwicklung
31
dentliche Gerichtsbarkeit verboten l4 . Zwar schuf Ferdinand VII. 1825 einen Consejo de Estado und die Regentin Maria Cristina 1834 einen Consejo Real, doch hatten diese Organe - im Gegensatz zu deren Entsprechung in Frankreich - keine gerichtliche, sondern eine rein politisch beratende Funktion. Diese Aufgabenbegrenzung sollte eine Einschränkung der Souveränität der Krone durch die gerichtliche Kontrolle verhindern l5 . Somit bestand zwischen 1821 und 1845 weder eine Verwaltungsgerichtsbarkeit noch eine andere Möglichkeit des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Verwaltung 16 .
11. Übernahme des napoleonischen Modells der administrativen Kontrolle Aber auch die Krone sah diesen Mangel an Rechtsschutz und setzte 1838 und 1843 Kommissionen ein, die über die Schaffung einer Gerichtsbarkeit beraten sollten. Sie entschieden sich rur das napoleonische Modell der internen Kontrolle. Umgesetzt wurde der Vorschlag der Kommissionen durch die Gesetze vom 2. April und 6. Juli 1845 über die Schaffung von Provinzialräten (Consejos Provinciales) und eines Königlichen Rates (Consejo Rea/), die den französischen Conseils de Prefecture und dem Conseil d'Etat nachgebildet waren l7 . Anders als bei der Verfassung von Cadiz wurden diese Gesetze effektiv umgesetzt und stellen somit den Beginn der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Spanien dar l8 . Die Provinzialräte und der Königliche Rat waren verwaltungsinterne Kontrollorgane. Während die Provinzräte selbständig i.S. einer vom Monarchen delegierten Rechtsprechung (justicia delegada) entscheiden konnten und somit als Gerichte i.e.S. tätig wurden, hatte der Königliche Rat nur ein Vorschlagsrecht gegenüber der Regierung, die dann in Form der sogenannten
14
De Mendizabal Allende, Pasado, S.264.
Olivan, Alejandro, De la Administraci6n publica con relaci6n a Espaila, Madrid 1843, S. 70: n(. ..) el Gobierno no seria un poder, sino que estaria sujeto a la autoridad judicial (...), la dignidad de la Corona tendria un superior en el juez de sus hechos 0 los de sus agentes. Tal sistema anularia la independencia deI monarca y destruiria el regimen montirquico y constitucional. n 15
16
De Mendizabal Allende, Pasado, S. 264.
Rodriguez-Arana/Sarmiento Acosta, EI contencioso-adnllnistrativo S. 1505; De Mendizabal Allende, Pasado, S. 265. 17
18 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 265; Garcia de Enterria, Curso TI, S. 536; Parada, Art. 105 CE, S. 303.
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
32
Reales Decretos-Sentencias entschied l9 . Die höchstrichterliche Rechtsprechung blieb demnach dem Monarchen vorbehalten, so daß man sie wie in Frankreich bildlich als "vorbehaltene Rechtsprechung" (justicia retenida, justice retenue) bezeichnet20 . Es gab nur eine Klageart, den "recurso de plena jurisdiccion,,21. Damit konnte der Richter die Rechtswidrigkeit einer Verwaltungsmaßnahme feststellen und die Verwaltung zur Zahlung von Schadensersatz verurteilen. Hingegen war die Aufhebung eines Verwaltungsaktes durch z.B. eine dem "contentieux de l'annulation" vergleichbare Klage nicht möglich. Der Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle war sehr beschränkt. Verantwortlich hierfiir war die Unterscheidung zwischen verwaltenden Maßnahmen (actos de gestion) und Handlungen der Staatsgewalt (actos de poder). Eine verwaltende Maßnahme lag vor, wenn die Verwaltung als Privatperson handelt, also fiskalisch. Übte sie Staatsgewalt aus, ein imperium, so handelte sie mittels actos de poder22 . Ein acto de poder, d h. ein hoheitlicher Eingriff, schloß die gerichtliche Kontrolle im Grundsatz aus, und zwar gleichgültig, ob ein subjektives Recht betroffen war. Die Provinzial räte konnten den Verwaltungsakt nur kontrollieren, soweit die Verwaltung, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, seiner gerichtlichen Kontrolle ausdrücklich zustimmte23 . Auch die teilweise vertretene Ansicht, daß der Bürger einen Anspruch auf diese Zustimmung hatte, wenn ein subjektives Recht betroffen war24 , kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Anspruch selbst nicht gerichtlich durchsetzbar war und der Bürger somit dem Gutdünken der erlassenden Behörde überlassen blieb2S . Nur wenn der Streit einen acto de gestion betraf, entschieden die Verwaltungsgerichte unabhängig von der administrativen Zustimmung zum Verfahren und somit als "gemeine, vollständige" Richter. Diese daher auch als recurso de plena jurisdiccion bezeichnete Klage setzte ein privatrechtliches subjek19 Rodriguez-Arana/Sarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo S. 1505; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 28.
20 Gonzalez Perez, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 385; vgl. zur Frage, inwieweit die gesamte Rechtsprechung im Namen des Königs erfolgte Chinchilla Marin, Reflexiones, S. 21fT.
21
Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 677.
22 23
Zur Unterscheidung vgl. Garcia de Enterria, Curso I, S. 44f. Dei Saz, Lajusticia administrativa, S. 1270.
24
Parada Väzquez, Privilegio, S. 101fT.; ders., Replica a Nieto S. 41-70 45f.
Nieto, Sobre la tesis de Parada, S. 9-33; Dei Saz, La justicia administrativa, S. 1270. 25
B. Historische Entwicklung
33
tives Recht voraus, das jedoch nicht einer Norm entnommen werden konnte, sondern durch die Verwaltung konkretisiert werden mußte. Die Handlungen der Verwaltung, die gerichtlich kontrolliert werden konnten, waren ausdrücklich aufgezählt26 . Zu ihnen gehörten u.a. der Gebrauch und die Verteilung der öffentlichen Güter, der Abschluß von privatrechtlichen Verträgen, somit das gesamte fiskalische Verwaltungshandeln, hauptsächlich Verträge27 . Diese Gegenstände waren von der Zivilgerichtsbarkeit ausgeschlossen. Das bedeutet nicht, daß der zivile Charakter dieser Materien übersehen wurde, vielmehr war das erlassende Organ das allein entscheidende Kriterium bei der Rechtswegzuweisung. Nachdem Spanien das französische Rechtsschutzmodell übernommen hatte, löste es sich von der Entwicklung in Frankreich. So wurde die Rechtsprechung des Conseil d'Etat zu den Kompetenzkonflikten, aus denen er die bekannteste und effektivste Klageform entwickelte, den "exces de pouvoir", von den spanischen Gerichten nicht rezipiert28 . Ein Grund hierfür war die spanische Ausformung dieser Klage in der Königlichen Verordnung vom 4. Juni 1847. Sie ermächtigte ausschließlich die Verwaltung, ein Verfahren zur Lösung von Kompetenzstreitigkeiten einzuleiten, nicht hingegen die Gerichte 29 . Hinzu kam, daß die Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle durch den Grundsatz der ''justicia retenida" in Spanien streng gehandhabt wurde, im Unterschied zu Frankreich, wo sie in der Praxis nie eine große Bedeutung erlangte und mit der Aufhebung 1872 ganz entfiel30 . So konnte der Königliche Rat keine dem französischen Staatsrat vergleichbare eigenständige Position unter den Staatsgewalten erlangen31 . Die unterbliebene Rezeption der Entwicklung des Rechtsschutzes in Frankreich durch den Königlichen Rat ließ auch keine dritte Art von Verwaltungshandeln entstehen, das - wie in Frankreich - "seiner Natur nach" kontrollierbar war und das den Bereich des kontrollierbaren Verwaltungshandelns wesentlich erweiterte. Vielmehr blieb bis 1888 die verwaltungsgerichtliche Kontrolle praktisch auf die actos de gestion beschränkt. Die Anerkennung von 26
Garcia de Enterria, Curso II, S. 536.
27
Dei Saz, Lajusticia administrativa, S. 1268.
28 Abgesehen von vereinzelten Ausnahmen wie der Real-Decreto Sentencia vom 30. Juni 1847 oder vom 27. Juli 1848: wiedergegeben bei Garcia de Enterria, Curso II,
S.43.
29 Dei Saz, Lajusticia administrativa, S. 1271. 30
Schlette, Kontrolle, S. 29f.
31
Soriano, Los poderes del Juez, S. 68.
3 Martinez Soria
34
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
subjektiven öffentlichen Rechten und damit die Ausdehnung des recurso de plena jurisdicci6n über das Privatrecht hinaus erfolgte allein durch die in speziellen Gesetzen ausdrücklich gewährten Rechte. So ermöglichte z.B. das Berggesetz vom 6. Juli 1859 die gerichtliche Überprüfung der Untersuchungsund Abbaurechte32 . Weiter ging Art. 295 des Wassergesetzes vom 3. August 1866, der in einer Generalklausel die volle Justiziabilität von subjektiven Rechten anerkannte, die durch eine gesetzliche Bestimmung der Verwaltung begründet worden waren, so daß eine ausdrückliche Anerkennung durch die Verwaltung nicht notwendig war. Bei diesen partiellen Erweiterungen des kontrollierbaren Verwaltungshandelns verblieb es jedoch.
III. Der Aufbau einer gerichtlichen Kontrolle der Verwaltung Die spanischen Liberalen konzentrierten ihre Kritik weniger auf die beschränkten Kontrollmöglichkeiten der Gerichte als vielmehr auf die Eingliederung der Kontrollorgane in die exekutive Gewalt. Ihre Forderungen konnten im Rahmen der Revolution 1868 realisiert werden33 . Die Ley de Bases vom 11. April 1868 ermächtigte den Gesetzgeber, eine einheitliche gemeine Gerichtsbarkeit zu erschaffen. Dieses geschah durch Dekret vom 13. Oktober 1868, mit dem der Königliche Rat und die Provinzräte aufgelöst wurden34 . Gleiches widerfuhr den meisten Sondergerichten3S , nur die Militär- und die Kirchengerichte blieben bestehen36 . Das Dekret vom 13. Oktober 1868 übertrug die Zuständigkeiten der aufgelösten Gerichte den ordentlichen Gerichten (Art. 3) und dem durch Art. 4 und 5 des Dekretes vom 16. Oktober 1868 geschaffenen Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo). Diese Eingliederung der Verwaltungskontrolle in die ordentliche Gerichtsbarkeit wurde dann abschließend in Art. 91 der Verfassung von 1869 verankert.
32
DeI Saz, La justicia administrativa, S. 1273 Fn. 56.
33
GonzAlez Perez, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 387.
34
De Mendizabal ABende, Pasado, S. 266.
3S Am 23. 10. 1868 wurde das Gericht über Drucksachen, am 2. 11. 1868 die Gerichte der Militärorden und am 6. 12. 1868 die Steuer- und Handelsgerichte aufgelöst.
36
De Mendizabal ABende, Pasado, S. 267.
B. Historische Entwicklung
35
Der Oberste Gerichtshof nahm am 26. 11. 1868 seine Tätigkeit auf3 7 . Es wurden drei Kammern geschaffen, wobei die dritte Kammer, wie noch heute, für Verwaltungsstreitigkeiten zuständig war38 . Weiterhin wurden in allen Provinzen ordentliche Gerichte errichtet39 . Die organisatorischen Veränderungen erweiterten jedoch zunächst nicht die Kontrollmöglichkeiten der Gerichte. Vielmehr hielten die liberalen Revolutionäre an der ursprünglichen französischen Konzeption der strengen Gewaltenteilung fest 40 . So bestimmte Art. 4 der Ley Orgimica dei Poder Judicial vom 15. September 1870, daß es den Richtern und Gerichten untersagt sei, sich direkt oder indirekt in die besonderen Angelegenheiten der Verwaltung einzumischen41 . Das System der einheitlichen Gerichtsbarkeit bestand allerdings nur in den sechs Jahren des liberalen Spaniens, d.h. von 1869 bis 1875. Die dann einsetzende Restauration wirkte sich auch auf die Gerichtsbarkeit aus. Das Decreto Ministerio-Regencia vom 20. Januar 1875 setzte das alte System wieder in Kraft42 und übertrug dem Königlichen Rat und den Provinzial räten die Gerichtsbarkeit im Verwaltungsrecht zurück, wobei der Königliche Rat wieder durch diejurisdicci6n retenida beschränkt wurde.
IV. Das Gesetz Santamaria de Paredes von 1888 Die Notwendigkeit einer Reform war jedoch offensichtlich. Trotz mehrerer Ansätze in den Jahren 1879, 1883 und 1886 fand die durchgreifende Erneuerung erst 1888 während einer weiteren liberalen Phase nach dem Tod Alfons XII. im Jahre 1885 statt. Das nach dem federführenden Minister benannte
37 Durch ein Dekret wurde an diesem Tag der Präsident des Obersten Gerichtshofs ermächtigt, die Organisationsnormen zu erlassen, die für die Fun1ctionsfiihigkeit des Gerichtes unerläßlich waren; De Mendizabal Allende, Pasado, S. 269. 38 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 269. 39 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 270.
40
DeI Saz, Lajusticia administrativa, S. 1274.
" ... no podran los jueces y tribunales mezclarse directa ni indirectamente en asuntos peculiares a la Administracion dei Estado", wiedergegeben bei Garcia de Enterria, Curso I, S. 481. 42 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 274. 41
3'
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
36
Gesetz Santamaria de Paredes43 vom 13. September 1888 stellte einen Komprorniß dar zwischen dem Modell einer einheitlichen Justizgerichtsbarkeit nach der Verfassung von Cadiz und dem napoleonischen System einer eigenen Verwaltungsgerichtsbarkeit nach der Verfassung von Bayonne44 . Das durch dieses Gesetz begründete System der Verwaltungsgerichtsbarkeit wird daher auch "Mischsystem" oder "harmonisches System" genannt45 . Die Rechtsprechung erfolgte im Namen des Königs durch ein Oberstes Verwaltungsgericht (Tribunal contencioso-administrativo), das 1894 in den Staatsrat (Consejo de Estado) integriert wurde46 . Dieses Gericht setzte sich aus Berufsrichtern und Verwaltungsbeamten zusammen47 . Auf der Provinzebene waren Gerichte mit drei Berufrichtern und zwei Provinzabgeordneten vorgesehen. Die Beschränkung durch die justicia retenida wurde aufgehoben; alle Gerichte übten nunmehr selbständig und letztverbindlich die Rechtsprechung aus48 . Zu den rechtsprechenden Organen gehörten sowohl Gerichtsorgane i.e.S. (die Provinzialgerichte) als auch ein exekutives Organ (Staatsrat)49 . Die Verwaltungsgerichtsbarkeit war somit in ihrer Zusammensetzung und nach der organisatorischen Struktur weder der rechtsprechenden noch der ausführenden Gewalt ausschließlich zugeordnet. Über die bisherigen liberalen Regelungen hinaus erweiterte dieses Gesetz wesentlich die Kontrollmöglichkeiten der Gerichte durch die Einführung einer verwaltungsgerichtlichen Generalklausel50 . Nach Art. 1 befand das Gericht über alle gebundenen Verwaltungsentscheidungen, die endgültig und
43 Martin Rebollo, EI Anteproyecto, S. 700 Fn. 2 weist zutreffend auf die problematische Bezeichnung hin, da sich Santamaria de Paredes weigerte, den nach den Beratungen modifizierten Entwurf zu unterzeichnen. 44
Rodriguez-AranaiSarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo S. 1505.
45 Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 30; Parada
Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 671.
46 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 275; Gonz81ez Perez, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 389.
47 Es bestand aus einem Präsidenten und 10 "Ministern", von denen drei Berufsrichter sein mußten. 48 Rodriguez-AranaiSarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo S. 1506. 49 Vgl. die Nachweise bei Mutloz Machado, Reserva, S. 2757. 50 Ein Vorläufer stellt die Ley Camacho filr Klagen gegen die Finanzverwaltung
vom 31. Dezember 1881 dar.
B. Historische Entwicklung
37
"rechtskräftig" waren und die ein Recht administrativer Art verletzten.5 l . Der Begriff der Verwaltungsentscheidungen erfaßte also fiskalische und hoheitliche Entscheidungen. Da nach wie vor nur der recurso de plena jurisdiccion möglich war, war die Verletzung eines "perfekten" d.h. privatrechtlichen subjektiven Rechts weiterhin Klagevoraussetzung. Nach Art. 2 des Gesetzes "ist ein solches Recht [administrativer Art] anzuerkennen, wenn die als verletzt vorgetragene Bestimmung dem Kläger dieses Recht individuell zuspricht". Das Recht mußte daher vorher ausdrücklich normativ begründet sein. Deshalb war die Zahl der anerkannten subjektiven Rechte trotz der Generalklausel sehr beschränkt.52 . Zum ersten Mal ermöglichte jedoch ein Gesetz, Verordnungen inzident zu kontrollieren, soweit ihre Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt den Bürger in seinen Rechten verletzte (Art. 3)53. Auch wenn Mendizabal darin einen "justiziellen Wolf im Verwaltungspelz" sieht.54, wird diese Charakterisierung durch das Gesamtbild relativiert. Die Zustimmung der Gegner einer justiziellen Kontrolle der Verwaltung zu diesem "harmonischen" System wurde nämlich erst durch die Aufnahme einer Reihe von Klauseln erreicht, die die Effektivität der Verwaltungsgerichtsbarkeit stark einschränkten und die ihr System zum Teil noch heute prägen5.5. So konnten durch einfaches Gesetz ganze Bereiche des Verwaltungshandelns von der gerichtlichen Kontrolle ausgeschlossen werden. Weiterhin erfaßte die Gerichtsbarkeit nur das gebundene Handeln der Verwaltung, der gesamte .51 Art. 1: "EI recurso contencioso-administrativo podra interponerse por la Administraci6n 0 por los particulares contra las resoluciones administrativas que reunan los requisitos siguientes: 1. Que causen estado; 2. Que emanen de la Administraci6n en el ejercicio de sus facultades regladas; 3. Que vulneren un derecho de caracter administrativo establecido anteriormente en favor dei demandante por una ley, un reglamento u otro precepto administrativo". 52 Pera Verdaguer, Comentarios, S. 17l. .53 Art. 3: "EI recurso contencioso-administrativo podra interponerse de igual modo contra resoluciones de la Amdininistraci6n que lesionen derechos de los particulares reconocidos 0 establecidos por una Ley, cuando tales resoluciones hayan sido adoptadas como consecuencia de una di~posici6n de caracter general si con esta se in/ringe la ley en la cual se originaron tales derechos"; Guaita, Art. 106 CE, S. 34l. .54 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 276 . .55 In der Debatte vor dem Senat zum Gesetz sprach Conde de Torreanza kritisch von "Sicherheitsventilen, die in die Gerichtsbarkeit eingebaut werden, um sie harmlos zu machen", wiedergegeben bei Garcia de Enterrfa, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 33; Parada, Art. 105 CE, S. 304.
1. Teil: Gnmdlagen der Rechtsschutzgarantie
38
Ermessensbereich blieb damit unkontrollierbar. Dies wog um so schwerer, als nach Art. 4 der Verordnung vom 29. Dezember 1890 zu diesen Ermessensakten die weit verstandenen politischen Akte gehörten sowie der gesamte Bereich des Gesundheitswesens, der öffentlichen Hygiene, der öffentlichen Ordnung, der Landesverteidigung u.a. 56 . Zudem konnten nur die Akte gerichtlich kontrolliert werden, deren Verwaltungsverfahren "rechtskräftig" abgeschlossen war. Diese Regelung zeigt, daß ein verwaltungsintemes Vorverfahren obligatorisch war und daß die gerichtliche Kontrolle sich nur auf die rechtlichen Aspekte des Verwaltungsaktes in der Form, die er nach dem Widerspruchsverfahren erhalten hatte, beschränkte. Das schloß eine Tatsachenüberprüfung ebenso aus wie ein Vorbringen anderer als der im Vorverfahren dargelegten Tatsachen57 . Ein weiterer Mangel lag darin, daß als Klageart nur der recurso de plena jurisdicci6n möglich war. Eine bloße Anfechtung des Verwaltungsaktes war weiterhin ausgeschlossen58 . Schließlich wurde der Verwaltung die alleinige Befugnis eingeräumt, die von den Gerichten getroffenen Entscheidungen, auch die gegen die Verwaltung selbst ergangenen, zu vollstrecken59. Die spanische Gerichtsbarkeit nach dem Gesetz von 1888 gehörte daher organisatorisch zur richterlichen Gewalt; ihr Verfahren entsprach der Konzeption einer strengen Gewaltenteilung60 . Somit wich die Gerichtsorganisation vom französischen Modell ab; die Gestaltung des Verfahrens selbst nahm jedoch die damaligen Entwicklungen in Frankreich im Bereich der Kontrolldichte nicht zur Kenntnis (z.B. durch die Ermessenskontrolle anhand des exces de pouvoir). Zudem nutzte insbesondere das Oberste Gericht die mit dem Gesetz verbundene Lösung von den Beschränkungen der justicia retenida nicht, um - wie in Frankreich der Staatsrat - eine entsprechende "klassische Ära des Verwaltungsrechts"61 in Spanien einzuleiten.
56 57 58 59
Vgl. DeI Saz, Lajusticia administrativa, S. 1277 Fn. 61. DeI Saz, Lajusticia administrativa, S. 1276. Gonzalez Perez, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 391.
Vgl. die schon damals sehr kritischen Stimmen zu diesem Privileg der Verwaltung, wiedergegeben bei Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S.31fT.
60 Vgl. die Nachweise bei Mufloz Machado, Reserva, S. 2757. 61 Schlette, Kontrolle, S. 30.
B. Historische Entwicklung
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Es blieb vielmehr dem Gesetzgeber überlassen, durch ausdrückliche Legislativakte die Kontrollmöglichkeiten der Gerichte zu erweitern. Dazu zählt das Verwaltungsverfahrensgesetz vorn 19. Oktober 188962 , bei dem problematisch war, daß die Ausgestaltung der einzelnen Verfahren weitgehend den Ministerien überlassen wurde, was zu einer unübersichtlichen Vielzahl von Verfahren fiihrte und damit den Sinn dieser Gesamtregelung in Frage stellte63 . Eine weitere Loslösung der VerwaItungsgerichtsbarkeit von der exekutiven Gewalt vollzog das Gesetz Maura vorn 5. April 1904. Es nahm das Oberste VerwaItungsgericht aus dem Verwaltungsorgan Consejo de Estado heraus und integrierte es in das Justizorgan Tribunal Supremo 64 . Gleichzeitig wurde das justizielle Element auch verstärkt: Während bisher nur drei Berufsrichter Mitglieder des elfköpfigen Obersten Gerichtshofes waren, wurde das Verhältnis umgekehrt, so daß sich der Oberste Gerichtshof nun aus acht Berufsrichtern und drei VerwaItungsbeamten zusammensetzte65 . Insbesondere die Gesetzgebung zum Kommunalrecht66 erweiterte in zwei wesentlichen Punkten die Kontrollmöglichkeit: Art. 253 des Gemeindestatuts von 1924 ermöglichte die bloße Anfechtungsklage gegenüber Einzelrnaßnahmen und Verordnungen der Verwaltung und beseitigte die Verknüpfung der Klage mit dem Nachweis eines subjektiven Rechts. Die Klagebefugnis wurde dadurch auch auf Fälle ausgedehnt, in denen der Bürger nur die Verletzung von Interessen geltend machte 67 . Die Voraussetzung eines subjektiven Elements der Klage beschränkt sich folglich seitdem auf ein reines Ernsthaftigkeitserfordernis rur die Klagebefugnis68 , wohingegen im deutschen Recht
62 Parada, Art. 105 CE, S. 304; Vgl. dazu weiterhin L6pez Menudo, Los principios generales S. 38-43; Garcia de Enterria, Ley de Regirnen Juridico de las Administraciones PUblicas, S. 205. 63 Vgl. die Stellungnahme des Abgeordneten Laureano L6pez Rodö bei der Verabschiedung des Gesetzes, wiedergegeben bei Gonzalez PerezlGonzalez Navarro, LRJPA, S. 619f.; Garcia de Enterria, Ley de Regirnen Juridico de las Administraciones PUblicas, S. 205. 64 Rodriguez-AranaiSarrniento Acosta, EI contencioso-adrninistrativo, S. 1507.
65 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 276; Gonzalez Perez, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 391. 66
Estatuto de Calvo Sotelo vom 8. März 1924 und Gemeindegesetz von 1925.
67 Diese Klagemöglichkeit ist später durch Art. 233 b) des Gesetzes über die Gemeinden von 1935 bestätigt worden. 68 Garcia de Enterria, Curso II, S. 45.
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heute das subjektive Recht im Mittelpunkt des Verwaltungsrechtsschutzes steht. Die republikanische Verfassung von 1931 bestätigte dieses System der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Gemäß Art. 95 umfaßte die Justizverwaltung sämtliche bestehende Gerichtsbarkeiten, somit auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Von besonderer Bedeutung war Art. 101, wo zum ersten Mal die Gerichte ermächtigt wurden, das Ermessen der Verwaltung zu kontrollieren69 . Aufgrund des spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) hatten diese Bestimmungen aber keine Auswirkungen auf die verwaltungsgerichtliche Wirklichkeit.
V. Die Verwaltungsgerichtsordnung vom 27. Dezember 1956 Die Anfechtungsklage, die, auf den kommunalen Bereich beschränkt, ursprünglich eine Ausnahme darstellen sollte, wurde durch die Verwaltungsgerichtsordnung vom 27. Dezember 1956 (Ley Reguladora de la Jurisdiccion contencioso-administrativa, LJCA)70 auf das Handeln der gesamten Verwaltung erstrecke 1 . Dadurch wurde sie zur Regel, während der recurso de plena jurisdiccion immer mehr in den Hintergrund trat. Die Verwaltungsgerichtsordnung löste die Verwaltungsgerichtsbarkeit organisatorisch endgültig von ihrem administrativen Ursprung72 . Dessen Überreste, die gemischte Zusammensetzung der Gerichte und die Verwaltungsgerichte auf der Provinzebene, wurden zugunsten einer Einordnung der Verwaltungsgerichte in die ordentliche Gerichtsbarkeit beseitigt, in der nur Berufsrichter tätig sind73 . An die Stelle der früheren Provinzgerichte traten verwaltungsgerichtliche Kammern (Salas) bei den Territorialgerichten (Audiencias Territoriales), und beim Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo) wurden drei verwaltungsgerichtliche Kammern gebildet. Weiter wurde eine umfassende Generalklausel eingeftihrt, die nicht nur die direkte Anfechtung von gebundenen Verwaltungsakten und Verordnungen ermöglichte, son69
Siehe auch S. 254 f.
70 Gesetz vom 27. Dezember 1956, "reguladora de la Jurisdiccion ContenciosoAdministrativa" (BOE Nr. 363, vom 28. Dezember).
71 Rodriguez-Arana/Sarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo S. 1507; Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 679. 72
Martin Rebollo, EI Anteproyecto, S. 704.
73 De Mendizabal Allende, Pasado, S. 278; übertreibend spricht Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 20, von dem Gesetz als dem eigentlichen Beginn der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
B. Historische Entwicklung
41
dem auch Ermessensakte in die Kontrolle einbezog. Schließlich wurde der Begriff der Verwaltung erweitert, so daß er nunmehr auch Körperschaften des privaten Rechts erfaßt, soweit sie öffentliche Aufgaben übemehmen74 . Bei der Bewertung dieser Verwaltungsgerichtsordnung, die im wesentlichen noch heute gilt, muß man sich vor Augen halten, daß bei ihrem Erlaß 1956 in Spanien noch General Franco herrschte. Francos Staatssystem, das ausschließlich auf der exekutiven Gewalt ruhte, entsprach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht. Dieses hebt zwar den Inhalt der Verwaltungsgerichtsordnung, die als revolutionär bezeichnet werden kann, um so mehr hervor, jedoch war die Umsetzung der dort genannten Vorgaben in die Praxis nicht gewährleistet7S . Die Möglichkeiten der judikativen Gewalt waren trotz der relativ weiten rechtlichen Befugnisse durch zahlreiche Faktoren beschränkt: es fehlte ein Legalitätsbewußtsein in der Verwaltung, es fehlte politischer Druck zur Durchsetzung der Urteile und es fehlte Klagebereitschaft der Bürger, die der Justiz mißtrauten. Hinzu kam der mangelnde Wille der Gerichte, die bestehenden Kontrollmechanismen auszuschöpfen76 . Nur dieser Hintergrund hatte es der Lehre ermögliche7 , ein Gesetz mit so starken Kontrollmöglichkeiten gegenüber der exekutiven Gewalt zu formulieren. Konsequenterweise hemmte die Rechtsprechung dann den Fortschritt. Dieser Stillstand konterkarierte die rasante Entwicklung in der Lehre, die vor allem von der Rezeption der Rechtsordnungen Frankreichs, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland lebte78 . Es bestand in den zwanzig Jahren zwischen dem Erlaß der Verwaltungsgerichtsordnung und dem Beginn des Übergangs zur Demokratie 1975, der sogenannten Transicion, aber keine Wechselbeziehung zwischen der Rechtsprechung und der Lehre. Santamaria bezeichnet es zutreffend als einen "Dialog der Gehörlosen", in dem weder die Recht-
74
Vgl. Schwarze, Europ. Verwaltungsrecht, S. 187fT.
75
Parejo Alfonso, La tutelajudicial, S. 25.
76
Beltran de Felipe, Las exigencias constitucionales, S. 3088.
Zur Staatsrechtslehre in den 50er Jahren und den dort vertretenen Erneuerungsbewegungen siehe L6pez Pina, Die spanische Staatsrechtslehre, S. 3f. 77
78 Zur Entwicklung der deutsch-spanischen Rechtsvergleichung siehe AdomeitIFrühbeck, Einfiihrung, S. lOtTo
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
42
sprechung auf die Erkenntnisse und Forderungen der Lehre eingegangen ist, noch die Lehre die Tätigkeit der Gerichte zur Kenntnis genommen hat1 9 .
VI. Die Einflüsse der Verfassung von 1978 Erst die Verfassung vom 27. Dezember 1978 brachte eine Wende 8o . Entscheidend hierfür ist die normative Kraft dieser Verfassung, die zum ersten Mal in der spanischen Verfassungsgeschichte unbestritten ist81 . Demnach muß jedes normative und administrative Handeln der Verwaltung an dieser höchsten innerstaatlichen Norm gemessen werden82 . Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 der spanischen Verfassung (Constituci6n Espanola, CE), der Art. 1 Abs. 3 GG entspricht. Weiterhin wird die Stellung der Verfassung an der Aufhebungsklausel nach Punkt 3 der Aufhebungsbestimmung CE erkennbar, wonach in Spanien die einfachen Gerichte wie in der Bundesrepublik die Befugnis und auch die Pflicht haben, vorkonstitutionelles Recht für verfassungswidrig zu erklären und nicht anzuwenden83 . Dies zwingt die Gerichte, die gesetzlichen Grundlagen ihres Handeins, die sie traditionell widerspruchslos hingenommen hatten, nunmehr auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen 84 und verpflichtet die Lehre dazu, die Gerichte auch in dieser Hinsicht zu überwachen. Diese Kontrolle war gerade in den ersten Jahren notwendig, in denen die einfachen Gerichte mit der neuen Verwerfungskompetenz noch sehr zurückhaltend umgegangen sind.
79 Santamaria Pastor, zitiert von Beltran de Felipe, Las exigencias constitucionales, S. 3086.
80 Eine Übersicht über den Inhalt der Verfassung in AdomeitIFrühbeck, Einflihrung, S. 13ff. 81 Grundlegend war hier das Werk von Garcia de Enterria, La constituci6n corno norma y el Tribunal Constitucional, 3. Aufl., Madrid 1985. 82
S TC 4/1981, vom 2. Februar, in: JC I, S. 31-61 (39).
Umfassend hierzu Diez-Picazo, Luis Mafia, La derogaci6n de las leyes, Madrid 1990; Friginal Femandez-Villaverde, Las causas, S.291; ebenso Garrido Falla, Art. 106 Abs. I CE, S. 1466; Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S.96 vertritt die These, daß diese Verfassungswidrigkeit von Gesetzen von dem Verfassungsgericht erst konstitutiv festgestellt werden muß; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 49; Gonzalez Perez, EI derecho a la tute1a jurisdiccional, S. 32. Darüber hinaus steht jedoch den spanischen Gerichten im Gegensatz zu den deutschen die Möglichkeit der Vorlage vorkonstitutionellen Rechts beim Verfassungsgericht zur Verfugung. 83
84 Chamorro Bemal, La tute1a judicial efectiva, S. 4; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 90f.
B. Historische Entwicklung
43
Die normative Kraft der Verfassung konnte daher, wie in Deutschland, erst durch das Verfassungsgericht zu einer politischen Realität werden8s . Grundlage hierfür ist die Bindungskraft seiner Entscheidungen, die in Spanien zwar in den ersten Jahren nach 1978, insbesondere vom Obersten Gericht, noch bezweifelt wurde, nunmehr jedoch unbestritten ist86 . Aus diesem Grunde bestand zunächst die Aufgabe des Verfassungsgerichts vornehmlich darin, den ordentlichen Gerichten die verfassungskonforme Auslegung insbesondere des vorkonstitutionellen Rechts näherzubringen. Außerdem hat es eine Reihe von Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt. Die Verfassung prägt die spanische Verwaltungsgerichtsbarkeit maßgeblich: Der spanische Verfassunggeber hat, wie der Grundgesetzgeber, aus der zuvor gewonnenen Erfahrung heraus viel Sorgfalt auf die Erarbeitung der Grundlagen des Rechtsstaates gelegt87 . So ist als zweite Staatszielbestimmung in der Präambel die Festigung des in Art. lAbs. 1 CE deklarierten Rechtsstaates genannt. Grundlegend für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sind die Art. 9 Abs. 3 CE, 24 Abs. 1 CE und 106 Abs. 1 CE. Art. 9 Abs. 3 CE enthält eine Aufzählung wichtiger Ausprägungen und Folgerungen des Rechtsstaatsprinzips. Für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von großer Bedeutung ist dabei besonders das Legalitätsprinzip und das Willkürverbot. Art. 106 Abs. 1 CE regelt die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte und als krönende Bestimmung garantiert Art. 24 Abs. 1 CE jedem Bürger das Grundrecht auf einen effektiven Schutz der subjektiven Rechte und der legitimen Interessen88 . Die Regelung der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle ist heute unübersichtlich. Zum einen gilt die Verwaltungsgerichtsordnung von 1956 fort 89 , 8S Stein, Staatsrecht, S. 218. Zur Wirkung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts auf die Auslegung des Grundgesetzes siehe Starck, Das Bundesverfassungsgericht, S. 16ff.
86 Zurita Laguna, Recepci6n de la doctrina, S. 179. 87 Vgl. Stolleis, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Nationalsozialismus, S. 57ff.;
eine entsprechende rechtliche Aufarbeitung des Franco-Regimes fehlt bislang in Spanien: L6pez Pina, Die Aufarbeitung, S. 490ff.
88 Garcia de Enterria, Curso II, S. 45f.; Sanchez Mor6n, EI control, S. 64. 89 Dieses Fortbestehen der LJCA ist beispielhaft fiir den Übergang Spaniens von
der Diktatur zur Demokratie. Die Transicion war im Gegensatz z.B. zu Portugal kein Bruch mit dem vorherigen Staatssystem, sondern eine gleitende Überleitung in das neue demokratische System. Aus diesem Grunde wurde die organisatorische und personelle Struktur der Verwaltung und der Gerichte übernommen und erst in den darauf folgenden Jahren geändert: vgl. fiI.r die Verwaltung hierzu ausfilhrlich Sanchez Mor6n, La funci6n administrativa, S. 629.
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
44
jedoch sind zahlreiche Bestimmungen und Abschnitte dieses Gesetzes mittlerweile als verfassungswidrig aufgehoben worden, so daß es keine vollständige Regelung mehr enthält. Zum anderen hat der Gesetzgeber die entstandenen Lücken nur selten ausgefüllt. Somit ist die heutige Regelung der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht mehr allein gesetzlich geregelt, sondern wird durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichts ergänzt. Die Verständlichkeit wird noch dadurch erschwert, daß der Gesetzgeber, soweit er tätig geworden ist, nur in wenigen Fällen die LJCA selbst geändert hat, sondern meist Spezialgesetze erlassen hat. Zu den wichtigsten zählen das Organgesetz zum Verfassungsgericht (Ley Orgimica 2/1979, vom 3. Oktober, dei Tribunal Constitucional, LOTC)90 , das Organgesetz über die Rechtsprechende Gewalt (Ley Orgimica 6/1985, vom l. Juli, dei Poder Judicial, LOPJ)91, das Gesetz über die Gerichtsbezirke und die Gerichtsorganisation (Ley 38/1988, vom 28. Dezember, de Demarcacion y de Planta Judicial, LPLANTA)92, das Gesetz über notwendige Maßnahmen einer Prozeßreform (Ley 10/1992, vom 30. April, de Medidas Urgentes de Reforma Procesal)93 und das Gesetz über die RechtssteIlung der Öffentlichen Verwaltung und des allgemeinen Verwaltungsverfahrens (Ley 30/1992, vom 26. November, de Regimen Juridico de las Administraciones Publicas y dei Procedimiento Administrativo Comun)94. All diese Gesetze enthalten nur bruchstückhafte Regelungen, die überdies nicht aufeinander abgestimmt sind95 . Seit der Verkündung der Verfassung befindet sich Spanien also in einer Epoche provisorischer Regelungen96 . Die Verwaltungsgerichtsordnung stellt nur noch ein Gerüst dar, das zusammen mit den anderen Gesetzen und der Rechtsprechung gelesen werden muß, um ein Bild des Systems der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu ergeben. Eine dringend notwendige Neufassung der Verwaltungsgerichtsordnung ist jedoch nicht in Sicht.
90
BOE Nr. 239, vom 5. Oktober 1979.
91
BOE Nr. 157, vom 2. Juli 1985; berichtigt BOE Nr. 264, vom 4. November.
BOE Nr. 313, vom 30. Dezember 1988; berichtigt BOE Nr. 122 vom 23. Mai 1989. 93 BOE Nr. 108, vom 5. Mai 1992. 92
94 BOE Nr. 285, vom 27. November 1992; berichtigt BOE Nr. 311, vom 28. Dezember 1992 und Nr. 23, vom 27. Januar 1993. 9S GonzaIez Perez, JesUs, Los obstaculos de1 acceso, S. 358. 96 Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 358; Tomos Mas, La situaci6n actual, S. 110.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
45
Dieser dem case law nahekommende Zustand hat jedoch den Vorteil, daß in Spanien die gesetzliche Regelung eine eher untergeordnete Bedeutung hat und damit fast jedes Einzelproblem eine Regelung unmittelbar aus der Rechtsschutzgarantie erfahren muß, wohingegen in Deutschland die VwGO schon im Lichte des Art. 19 Abs.4 GG entstand und die Verfassungsbestimmung nur noch eine Ergänzungsfunktion hat. Deshalb hat das spanische Verfassungsgericht und nunmehr auch der Oberste Gerichtshof ein umfassendes Konzept der Rechtsschutzgarantie entwickelt, deren Erarbeitung in Deutschland weitestgehend der Lehre vorbehalten war und nicht diese DetaiIIiertheit erreichte, so daß die Rechtsschutzgarantie in Deutschland im wesentlichen "nur" die Funktion einer Kompetenz- und Wertentscheidung hat97 .
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE I Grundlagen Art. 24 CE
1. Todas las personas tienen derecho a obtener la tutela efectiva de los jueces y tribunales en el ejercicio de sus derechos eintereses legitimos, sin que, en ningun caso, pueda producirse indefension. l. Alle Personen haben das Recht auf effektiven Rechtsschutz durch Richter und Kammern bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und legitimen Interessen; in keinem Fall darf Schutzlosigkeit entstehen.
I. Begriffsbestimmung Das Grundrecht nach Art. 24 Abs. 1 CE findet sich unter verschiedenen Bezeichnungen, so u.a. als Recht auf ein Verfahren}, gerichtlichen Rechts-
97
Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 5. S TC 1411982, vom 21. April, FJ. 5, in: JC 3, S. 185-195 (193).
l. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
46
schutz2 , Recht auf Verteidigung3 , Rechtsschutzgarantie. Im folgenden soll von der Rechtsschutzgarantie die Rede sein. Im Mittelpunkt der gerichtlichen Durchsetzbarkeit der Rechte und Interessen stehen drei Begriffe, die durch die Garantie in ein bestimmtes Verhältnis zueinander gebracht werden: Die Klage (ac/io), die Gerichtsbarkeit (jurisdic/io) und das Verfahren (processum)4. War jahrhundertelang der vom römischen Recht geprägte prozessuale Blickwinkel entscheidend und damit das sogenannte aktionenrechtliche Denken, so setzt durch die Arbeiten Windscheids und seinen rein materiellen AnspruchsbegritT die Lösung von der notwendigen Einheit von ac/io und Anspruch ein. In dieser Geburtsstunde des Prozeßrechts als eigenständiger Materie entsteht die Frage, ob der Bürger ein gegenüber dem Staat durchsetzbares Recht auf Zugang zu den Gerichten hat, um seine Rechte geltend zu machen 5 . Diese zum Teil als künstlich kritisierte Trennung hat sich in den westeuropäischen Rechtskreisen, abgesehen vom englischen, durchgesetzt. So ist die verfassungsrechtliche Verankerung eines allgemeinen Rechts auf Zugang zu den Gerichten innerhalb der europäischen Verfassungen eine Ausnahme6 .
11. Entstehungsgeschichte des Art. 24 Abs. 1 CE Die Garantie, Rechte und Interessen von den Gerichten in einem geregelten Verfahren schützen zu können, ist in ihrer umfassenden Formulierung in der spanischen Verfassungsgeschichte einmalig7 . Dennoch finden sich in den insgesamt zehn Verfassungen und Verfassungsentwürfen Spaniens eine Reihe von Bestimmungen, die prozessuale Grundfreiheiten sicherten. Diese beschränkten sich jedoch ausschließlich auf das Recht auf ein ordentliches Verfahren 8 und auf das Recht auf den gesetzlichen Richter9 . Eine Ausnahme 2 3 4
S.23.
S TC 37/1982, vom 16. Juni, FJ. 3, in: JC 3, S. 453-461 (459). S TC 48/1984, vom 4. April, FJ. 1, in: JC 8, S. 555-570 (565). Calamandrei, Istituzioni di Diritto, S. 21; Almagro Nosete, Jose, Art. 24 CE,
5 Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 25. Aus diesem Grunde wird der Ursprung der Rechtsschutzgarantie in Spanien in der Verfassung von 1873 verständlich; siehe hierzu unten S. 47.
6 Vgl. Art. 24 Abs. I Verfassung Italien; Art. 20 Abs.2 Verfassung Portugal; Art. 19 Abs. 4 GG 7
Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 3.
8 Art. 244 Verfassung von 1812, Art. 9 Verfassung von 1837 sowie Art. 9 Verfassung 1845, Art. 10 Verfassungsentwurf 1856; Art. 11 Verfassung von 1869; Art. 13
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
47
stellt Art. 8 Abs. 1 des Vortitels zum Entwurf der Bundesverfassung (Constitucion Federal) der spanischen Republik von 1873 dar iO . Dort findet sich in Form eines Grundrechts das Recht jedes Bürgers auf die freiheitlichste (liberrima) Verteidigung vor den Gerichten. Diese Bestimmung ist zu Recht als die Geburt des Grundrechts auf eine Gerichtsbarkeit angesehen worden 11 . Die umfassende und der späteren Entwicklung vorgreifende Formulierung der Bestimmung wird dadurch verständlich, daß die Zeit der Ausarbeitung der Verfassung mit der Einordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in die ordentliche Gerichtsbarkeit zusammenfällt und somit mit dem Versuch der Stärkung der judikativen Gewalt gegenüber der exekutiven 12 . Es blieb in der Folgezeit bei diesem Versuch, so daß der Verfassunggeber von 1978 bei der Ausarbeitung der heutigen Verfassung nicht auf die Tradition einer umfassenden prozessualen Garantie zurückgreifen konnte. Das Fehlen einer solchen Tradition spiegelt sich auch in der Entstehungsgeschichte des Art. 24 Abs. 1 CE wider 13 . Im ersten Entwurf zur Verfassung, der am 5. Januar 1978 veröffentlicht wurde, war traditionsgemäß das Grundrecht auf den Zugang zu den Gerichten beschränkt 14 . Einwendungen während der Debatte im Abgeordnetenhaus blieben erfolglos 15 . So fand sich auch im des Entwurfes der Bundesverfassung der spanischen Republik von 1873; Art. 16 Verfassung 1876; Art. 28 Verfassung 1931. 9 Art. 247 Verfassung 1812; Art. 9 Verfassung 1837; Art. 10 Verfassungsentwurf 1856; Art. 11 Verfassung 1869; Art. l3 des Entwurfes der Bundesverfassung der spanischen Republik von 1873; Art. 16 Verfassung 1876; Art. 28 Verfassung 1931; vgl. dazu Romero Coloma, EI articulo 24, S. l3; siehe die Übersicht bei Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 19f. 10 Art. 8 Abs. 1 des Verfassungsentwurfs der spanischen Republik von 1873:
"Toda persona encuentra asegurados en la Republica, sin que ningUn poder tenga facultades para cohibirlos, ni ley ninguna autoridad para memarlos, todos los derechos naturales: (. ..) EI derecho a ser jurado y a ser juzgado por los Jurados; el derecho a la defensa Iiberrima en juicio; el derecho, en caso de caer en culpa 0 delito, a la correcion y la purificacion por medio de la pena". 11 12
Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 20. Siehe oben S. 34.
Zur Entstehungsgeschichte der Verfassung vgl. die Übersicht bei L6pez Pina, Die Entstehung, S. 19ff.; Sommermann, Schutz, S. 84ff 13
14
Sainz MorenolHerrero de Padura, Trabajos parlamentarios, Bd. I, S. 11.
In der Diskussion wurden zwei Einwendungen erhoben: Der Abgeordnete Antonio Carro Martinez (Alianza Popular) regte an, den Abs. 2, der wie heute konkrete Verfahrensgarantien beinhaltete, zu streichen, da er zu detailliert sei und damit nicht in die Verfassung gehöre (Sainz MorenolHerrero de Padura, Trabajos parlamentarios, Bd. I, S. 123f.); weitergehend beantragte der Abgeordnete Laureano L6pez Rod6 15
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
48
Entwurf, der dem Senat am 24. Juli 1978 unterbreitet wurde, dieses Grundrecht noch als ein Recht auf Zugang zu den Gerichten 16 . Die heutige Formulierung als allgemeine Rechtsschutzgarantie erhielt Art. 24 Abs. 1 CE erst durch einen Antrag der damals regierenden Partei UCD (Union de Centro Democratico) vom 7. August 1978 17 . Dabei fallt auf, daß der Antrag allein damit begründet wurde, der Neuvorschlag sei terminologisch besser l8 . Der heutige Inhalt der Rechtsschutzgarantie erscheint hiernach eher als ungewolltes Zufallsprodukt l9 . Obwohl allein terminologische Erwägungen zur Begründung des Antrags herangezogen wurden, kann doch auf einen Konsens der Verfassunggeber im weiteren Verfahren geschlossen werden, in die spanische Verfassung eine allgemeine Prozeßgarantie aufzunehmen. Dafür spricht vor allem, daß die beiden Vorbilder der spanischen Verfassung, die italienische von 1947 und das Bonner Grundgesetz von 1949, ebenfalls diese Grundrechte enthalten20 . Insbesondere Art. 24 Italienische Verfassung ist vom Wortlaut her ähnlich, so daß der Schluß nahe liegt, der Verfassunggeber habe auf die Erkenntnisse Italiens zurückgreifen wollen21 . Für einen solchen Willen spricht ferner die gleiche historische Erfahrung, die diese Staaten mit diktatorischen Staatssystemen gemacht hatten, die durch die neuen Verfassungen abgelöst und überwunden wurden. Der spanische Verfassunggeber ist aber bei der Formulierung des Art. 24 Abs. 1 CE in zwei Punkten bewußt von seinen Vorbildern abgewichen: Er hat im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsschutz nicht auf Maßnahmen
(Alianza Popular), das Grundrecht einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt zu unterwerfen (Sainz MorenolHerrero de Padura, Trabajos parlamentarios, Bd. I, S. 397). 16 Sainz MorenolHerrero de Padura, Trabajos parlamentarios, Bd. TI, S. 2579. 17 Vgl. dazu Romero Coloma, EI articulo 24, S. 13. 18 Sainz MorenolHerrero de Padura, Trabajos parlamentarios, Bd. rn, S. 2971.
Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 5 Fn. 6. So die h.M.: vgl. u.a. Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 4; anders Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 978, der jedoch flilschlich Art. 103 GG als Parallelnorm heranzieht; Femändez Segado, La configuraci6n jurisprudencial, S.9236f.; Bames Vazquez, La tutela judicial, S. 429; über die geschichtlich bedingte Anknüpfung des spanischen Rechts an das deutsche siehe: Hinojosa y Naveros, Eduardo de, EI elemento germänico en el derecho espailol, Madrid 1915 (Nachdruck Madrid 1993). 21 Art. 24 Italienische Verfassung: "Tuni posono agire in giudizio per la tutela dei propri dirini e interessi leginimi. Jedermann kann zum Schutz seiner Rechte und rechtlich anerkannten Interessen die Gerichte in Anspruch nehmen"; Chamorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 4; Femändez, De la arbitrariedad de la administraci6n, S. 191 Fn. 89; Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 59. 19
20
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
49
der öffentlichen Gewalt beschränkt22 und darüber hinausgehend die Klagebefugnis nach dem italienischen Vorbild auf legitime Interessen erweitert23 . Zudem hat er im Gegensatz zur italienischen Regelung dem Bürger in Anlehnung an das Grundgesetz die Möglichkeit eröffnet, durch Individualverfassungsbeschwerde eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie geltend zu machen24 . Ein materieller Unterschied im Wortlaut zu den beiden Vorbildern besteht auch darin, daß die tutela judicial sich zunächst nicht formell auf den Zugang zu den Gerichten beschränkt, sondern ein bestimmtes Urteil fordert, das die Verwirklichung des Rechts effektiv fiirdert25 . Aufgrund der Ausgestaltung des Rechtsschutzes durch Rechtsprechung und Lehre in Italien und Deutschland besteht aber inhaltlich kein Unterschied zu diesen Rechtsordnungen26 . Der spanische Verfassunggeber konnte also auf die weiterentwickelte Konzeption der Rechtsschutzgarantie in den beiden Staaten zurückgreifen und dem Grundrecht einen neuen, dem weiterentwickelten Inhalt entsprechenden Wortlaut geben.
III. Die Rechtsschutzgarantie im Kontext der spanischen Verfassung 1. Abgrenzung der Rechtsschutzgarantie von Art. 24 Abs. 2 CE und anderen prozessualen Regelungen in der Verfassung Die meisten Verfassungen enthalten eine Reihe von Verfahrensgarantien27 ; so wird Art. 19 Abs. 4 GG durch die Art. 101 bis 103 GG ausgestaltet. Parallele Regelungen hierzu finden sich in Spanien insbesondere in Art. 24 Abs. 2 CE, der eine Reihe von Verfahrensgarantien enthält, wie z.B. das Recht auf den gesetzlichen Richter, auf Rechtsbeistand, auf Information über die erhobene Anklage, auf einen öffentlichen Prozeß ohne Verzögerungen, aufNichtaussage gegen sich selbst. Zwar unterscheidet ein Teil der Lehre streng zwischen den beiden Absätzen des Art. 24 CE28 , doch ist eine solche Trennung nach 22 Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 4. 23 Femandez Segado, La configuraci6njurisprudencial, S. 9237. 24 Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 5. 25
Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 5.
26 Chamorro Bemal, La tute1a judicial efectiva, S. 7 27 Vgl. Art. 8, 96, 97, 104 Verfassung Belgien; § 65 Verfassung Dänemark; Art. 66 Verfassung Frankreich; Art. 87, Art. 95ff. Verfassung Griechenland; Art. 24 und Art. 25 Verfassung Italien; Art. 34 Verfassung Irland; Art. 88, 89 Verfassung Luxemburg; Art. 113, 114 Verfassung Niederlande; Art. 31, 32, 33, 211 Verfassung Portugal.
28 Chamorro Bemal, La tute1a judicial efectiva, S. 389f. 4 Martinez Soria
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
50
der h.M. und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht möglich29 . Art. 24 Abs. 1 CE garantiert mehr als nur den Zugang zu den Gerichten30 ; vielmehr handelt es sich bei Art. 24 Abs. 1 CE um die Generalklausel des Rechtsschutzes. Der Rechtsschutz realisiert sich zum einen durch Verfahrensgarantien; unter diesem Aspekt überschneiden sich beide Absätze, so daß Abs. 2 eine Konkretisierung der allgemeinen Rechtsschutzgarantie nach Abs. 1 ist31 . Der Rechtsschutz verwirklicht sich aber schon durch Maßnahmen vor dem eigentlichen Verfahren (Vorverfahren, Rechtsweg, Klagebefugnis), nach dem Verfahren (Kontrolle der Vollstreckung) sowie durch eine bestimmte Kontrolldichte. In der Verfassung finden sich einige Regelungen, die diese Bereiche normieren. Dazu gehören Art. 106 Abs. 1 CE und Art. 153 c) CE hinsichtlich der Kontrolldichte, Art. 117 Abs. 2 bis 6 CE, Art.123 CE und Art. 152 CE hinsichtlich der Gerichtsorganisation, Art. 117 Abs. 3 und Art. 118 CE hinsichtlich der Vollstreckung und Art. 119 CE hinsichtlich der Kosten 32 . Das Verfassungsgericht hat die "Rechtsschutzgarantie" weit gefaßt und diese Bestimmungen als Konkretisierungen anerkannt, soweit sie fiir die Verwirklichung des Rechtsschutzes notwendig sind. Aufgrund der weiten Auslegung der Rechtsschutzgarantie bezieht das Verfassungsgericht aber immer mehr materielle Fragen des einfachen Rechts in seine Prüfung ein. Dadurch ist die Abgrenzung des verfassungsrechtlich geschützten Gutes immer schwieriger geworden, und es steigt die Versuchung der Bürger, jede Anomalie im gerichtlichen Verfahren als Verletzung der
29 Vgl. auch die A TC 170/1982, vom 12. Mai FI. 3, in: JC 3, S. 833-836 (835); A TC 169/1983, vom 20. April, FI. 1, in: JC 5, S. 944-947 (946) und A TC 66811986, vom 30. Juli, FI. 2, in: JC 15, S. 1203-1205 (1205): siehe auch Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 8f rn.w. N. Vgl. Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tute1a, S. 70; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 974f 30 Vgl. Figueruelo Burrieza, EI derecho a Ia tute1a, S. 74; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 994.
31 S TC 2211982, vom 12. Mai, FJ. 3, in: JC 3, S. 278-287 (287); 5311987, vom 7. Mai, FI. 1, in: JC 18, S. 15-25(20f); aA hingegen S TC 46/1982, vom 12. Juli, FJ. 2, in: JC 4, S. 51-62 (56); Femandez-Viagas Bartolorne, EI derecho, S. 23; fiIr die strikte Trennung nunmehr A TS 30. April 1994 Ar. 3423. 32
Vgl. L6pez Pina, Grundrechtsschutz in Spanien, S. 46.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
51
Rechtsschutzgarantie anzusehen. Dies erklärt zum Teil die hohe Zahl an unzulässigen Verfassungsbeschwerden gerade nach Art. 24 Abs. 1 CE33 . Eine besondere Regelung hat die Rechtsschutzgarantie im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte erhalten. Nach Art. 53 Abs. 2 CE "kann jeder Bürger durch ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten, das auf den Grundsätzen der Priorität und der Schnelligkeit beruht, sowie gegebenenfalls durch eine Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgericht den Schutz der in Artikel 14 und in Abschnitt 1 des Kapitels 2 anerkannten Freiheiten und Rechte erreichen". Art. 53 Abs. 2 CE ist kein Grundrecht, jedoch stellt nach allgemeiner Ansicht ein Verstoß gegen diese Bestimmung gleichzeitig einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Abs. 1 CE dar, der vom Bürger geltend gemacht werden kann34 . Als Folge der in dieser Bestimmung genannten besonderen Verfahren unterscheiden jedoch Lehre und Rechtsprechung zwischen der "ordentlichen" Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE und der "grundrechtlichen" Rechtsschutzgarantie35 . Im folgenden soll daher zunächst die "ordentliche", dann die grundrechtliche Rechtsschutzgarantie erörtert werden.
2. Art. 24 Abs. 1 CE als Grundrecht Obwohl zum Teil versucht wird, eine naturrechtliche Grundlage des Art. 24 Abs. 1 CE zu finden 36 , ergibt sich die praktische Bedeutung für den Bürger aus der Rechtsnatur des Art. 24 Abs. 1 CE als Grundrecht37 . Dabei ist - wie im Grundgesetz - schon der Systematik entnehmbar, daß es sich um ein Grundrecht handelt. Die Rechtsschutzgarantie findet sich im ersten Abschnitt des zweiten Kapitels des Ersten Titels der Verfassung. Damit zählt sie zu den
33 Nach Charnorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 7 Fn. 9 sind von den Verfassungsbeschwerden, die Art. 24 Abs. 1 CE betreffen, 75 % wegen Unzulässigkeit abgewiesen worden. 34 S TS 15. September 1986 Ar. 4675; Garcia Morillo, La proteccion judicial, S.59m.w.N. 35 Charnorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 339; La Oliva Santos, Sobre el derecho, S.61 differenziert zwischen der konkreten Rechtsschutzgarantie durch den ordentlichen Richter und der abstrakten durch das Verfassungsgericht. 36 Romero Coloma, EI articulo 24, S. 16; Gonzalez Perez, EI derecho a la tutela jurisdiccional, S. 22; ders., Los obstaculos dei acceso, S. 359; Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 27. 37 S TS 13. Mai 1994 Ar. 3814; Charnorro Bemal, La tutela judicial efectiva,
S.339. 4*
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
52
Grundrechten ersten Ranges38 . Diese Qualifizierung hat mehrere Konsequenzen: Zum einen bindet sie nach Art. 53 Abs. 1 CE alle staatliche Gewalten unmittelbar. Weiter müssen die sie entscheidend regelnden Gesetze als Organgesetze nach Art. 81 Abs.l CE erlassen werden und nach Art. 53 Abs. 1 CE den Wesensgehalt des Grundrechts respektieren. Schließlich genießt die Rechtsschutzgarantie den besonderen Schutz des Verfahrens nach Art. 53 Abs.2 CE, sowie der Verfassungsbeschwerde nach Art. 53 Abs. 1 i.V.m. Art. 161 Abs. 1 a) CE39 . Der Verfassunggeber hat durch die Regelung des Art. 24 Abs. 1 CE eine objektive Wertentscheidung getroffen, wie dies auch für Art. 19 Abs.4 GG anerkannt ist4o . Als solche konkretisiert die Rechtsschutzgarantie die "Gerechtigkeit", die Art. 1 CE als obersten Wert der Rechtsordnung nennt. Das Verständnis der Grundrechte im Sinne der Wertordnungslehre des Bundesverfassungsgerichts ist schon frühzeitig in Spanien von Lehre und Rechtsprechung rezipiert worden und ist nunmehr unbestrittene Grundlage der gesamten Grundrechtsdogmatik41 . Daher handelt es sich bei der Rechtsschutzgarantie nicht allein um ein Grundrecht im Sinne eines Abwehrrechts des Bürgers; vielmehr enthält sie auch eine Institutsgarantie42 einer Gerichtsbarkeit sowie eines dazugehörigen Verfahrens, das durch den Gesetzgeber zu gewährleisten ist43 und an dessen Ausgestaltung die Parteien und die Gerichte gebunden sind44 .
38
Zur Qualifizierung der Grundrechte siehe unten S. 54fT.
39 Chamorro Bemal, La tuteJa judicial efectiva, S. 338. 40 Romero Coloma, EI articulo 24, S. 16. Vgl. auch S TC 2111981 vom 15. Juni, FJ. 10, in: JC 2, S. 58-75 (71); Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 4. 41 Vgl. die Nachweise bei Sommermann, Schutz, S. 226; L6pez Guerra, Derecho, S. 105fT.; L6pez Pina, Grundrechtsschutz in Spanien, S. 39. 42 S TC 18511987, vom 18. November, FJ. 2, in: JC 19, S. 401-406 (405).
43 S TC 9911985, vom 30. September, FJ. 4, in: JC 13, S.I-1O (9); S TC 11611986, vom 8. Oktober, FJ. 2, in: JC 16, S. 69-78 (75); 411988, vom 21. Januar, FJ. 5, in: JC 20, S. 27-46 (42); S TC 4011988, vom 10. März, FJ. 2, in: JC 20, S. 423-438 (436); S TC 215/1988, vom 14. November, FJ. 2, in: JC 22, S. 555-566 (557); S TC 145/1991, vom 1. Juli, FJ.6, in: JC 30, S.444-459 (457)S TS 4. Februar 1994 Ar. 1338; A TS 13. Mai 1994 Ar. 4419. 44 S TC 6811991, vom 8. April, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 9-29 (22); vgl. auch S TC 9511983 vom 14. November, FJ. 2, in: JC 7, S. 185-194 (190) und S TC 9611983 vom 14. November, FJ. 4, in: JC 7, S. 195-203 (202); S TC 149/1986, vom 26. November, FJ. 2, in: JC 16, S. 396-401 (4oof.); S TS 4. Februar 1994 Ar. 1338.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
53
3. Das Verhältnis der Rechtsschutzgarantie zu den materiellen Grundrechten Art. 24 Abs. 1 CE ist ebenso wie Art. 19 Abs.4 GG das formelle Hauptgrundrecht45 , das die Verletzung einer weiteren materiellen Rechtsposition voraussetzt, um es vor Gericht geltend machen zu können46 . Dies entspricht der These in Deutschland, Art. 19 Abs. 4 GG gewähre nicht selbst Rechte, sondern setze vielmehr Rechte voraus47 . Insbesondere die Grundrechte zählen zu solchen Rechten48 . Art. 19 Abs. 4 GG spielt jedoch beim Grundrechtsschutz nur eine untergeordnete Rolle, da das Bundesverfassungsgericht aus den materiellen Grundrechten unmittelbare Rechtsschutzanspruche der Grundrechtsberechtigten folgert 49 . Das spanische Verfassungsgericht hat diese Lehre nicht übernommen, sondern trennt scharf zwischen dem materiellen Inhalt des Grundrechtes, der der entsprechenden Grundrechtsbestimmung entnehmbar ist und dem Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruchs, der sich ausschließlich aus Art. 24 Abs. 1 CE i.Y.m. Art. 53 Abs. 1 CE ergibt50 . Diese Trennung hat zum einen zur Folge, daß 79 % der Verfassungsbeschwerden in Spanien Art. 24 Abs. 1 CE zum Gegenstand haben 51 ; zum anderen konnte das Verfassungsgericht durch sie eine Lehre von der Rechtsschutzgarantie entwickeln, die losgelöst ist von den materiellrechtlichen Besonderheiten des Schutzes der einzelnen Grundrechte.
45 S TC 5011988, vom 22. März, FJ. 2, in: JC 20, S. 624-635 (633): "(...) el derecho fundamental a una tutela judicial efectiva no puede incluir la exigencia de acierto, en terminos de legalidad ordinaria, de la resoluci6n recaida (. ..); S TC
5011985, vom 29. März FJ. 1, in: JC 11, S. 508-513 (511); .S TC 41/1986, vom 2. April, FJ. 2 , in: JC 14, S. 396-406 (404); S TC 25611988, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 22, S. 1053-1060 (1059); Chamorro Bemal, La tute1a judicial efectiva, S. 336 und 355f.; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 287. 46 Romero Coloma, EI articulo 24, S. 18; L6pez Pina, Grundrechtsschutz in Spanien, S. 45; vgl. Barnes Väzquez, La tutelajudicial, S. 429.
47 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 400, Rdnr. 129; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 438; Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 6 und 42. 48 S TC 64/1991, vom 22. März, FJ. 1, in: Rep. Ar. 199011, S.688-722 (698) m.w.N. aus der Rechtsprechung; L6pez Pina, Grundrechtsschutz in Spanien, S. 45.
49 Siehe BVerfGE 37, 132 (141,148); 39, 276 (294); 44, 105 (119ft); kritisch hierzu Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 15f. 50
Vgl. die Nachweise bei Garcia MoriIlo, La protecci6n judicial, S. 59f.
51 Angaben vom damaligen Vizepräsidenten des Tribunal Constitucional Rubio Uorente, wiedergegeben bei Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 19.
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
54
Über diesen Grundrechtsschutz hinaus dient Art. 24 Abs. 1 CE dem gerichtlichen Schutz einer weit verstandenen rechtlichen Privatsphäre gegenüber Verletzungen durch staatliche Interventionen52 . Geprägt wird diese Sphäre durch den weiten Begriff der "legitimen Interessen,,53 , der jeglichen Nachteil erfaßt, den der Bürger durch die Verwaltungsmaßnahme erleidet. Durch diesen Begriff wird Art. 24 Abs. 1 CE zu einem allgemeinen Rechtsschutzgewährleistungsrecht.
4. Die Rechtsschutzgarantie im Lichte völkerrechtlicher Bestimmungen Aus der Rechtsnatur des Art. 24 Abs. 1 CE als Grundrecht folgt auch die verfassungsmäßige Pflicht nach Art. 10 Abs.2 CE, die Rechtsschutzgarantie in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den von Spanien ratifizierten internationalen Konventionen und Verträgen auszulegen. Zu diesen zählen der Internationale Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte vom 13. Dezember 1966 54 und insbesondere die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten vom 4. November 1950 55 . Völkerrechtliche Verträge stehen in Spanien nach Art. 96 Abs. 1 CE im Rang unterhalb der Verfassung56 . Art. 10 Abs. 2 geht jedoch hinsichtlich der Menschenrechte über diese in den anderen europäischen Verfassungen übliche Eingliederung solcher Verträge in die nationale Rechtsordnung hinaus. Die Verfassung wird nämlich selbst anhand der genannten Abkommen ausgelegt, wodurch sie einen der Verfassung entsprechenden Rang erhalten57 . Während in Deutschland die Gerichte bei einer Grundrechtsprüfung zwischen einer Kontrolle eines Verstoßes gegen die Grundrechte des Grundgesetzes und gegen die Rechte in der EMRK trennen können58 , ist diese Differenzierung in
52 53 54 55
L6pez Pina, Grundrechtsschutz in Spanien, S. 45. Zum Begriff der "legitimen Interessen" siehen unten S. 140 fI Von Spanien am 13. April 1977 (BOE 30. April 1977) ratifiziert.
Von Spanien am 26. September 1979 (BOE Nr. 243 vom 10. Oktober 1979) ratifiziert; die RatifIkationsurkunde wurde am 4. Oktober 1979 hinterlegt, womit die Konvention nach Art. 66 Abs. 3 EMRK an diesem Tage in Spanien in Kraft trat.
56 Delgado Barrio, Proyecci6n, S.237; zur Wirkung völkerrechtlicher Verträge auf das Verwaltungsrecht vgl. Soriano, Los tratados, S. llOfI 57 Delgado Barrio, Proyecci6n, S. 237; Torres dei Moral, Principios I, S. 232f. 58 BVerfGE 4, 110 (1ll); 14, 1 (8); 19, 342 (347); 27, 71 (82); vgl.
MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 37.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
55
Spanien aufgrund des Art. 10 Abs. 2 CE undenkbar: die spanische Verfassung läßt ausdrücklich keine andere Auslegung der nationalen Grundrechte zu als die konventionsgemäße S9 . Das Verfassungsgericht hat diese Wirkung der völkerrechtichen Abkommen als unmittelbare Auslegungskriterien rur die Grundrechte bestätigt60 . Für die Rechtsschutzgarantie von zentraler Bedeutung ist die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), insbesondere ihr Art. 6 Abs. 161 . Art. 6 Abs. 1 EMRK gewährleistet das Recht auf Zugang zu den Gerichten62 , den Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz63 , eine angemessene Verfahrensdauer64 sowie das Recht auf ein faires Verfahren6S . Dessen sachlicher Geltungsbereich ist aber problematisch. Zwar ist er nur anwendbar bei Klagen über zivilrechtliche Ansprüche und Rechte vor Gerichten, zu denen auch das Verfassungsgericht zäh1t 66 ; doch hat der EGMR67 durch seine umfangreiche Rechtsprechung die Garantien des Art. 6 Abs. 1 EMRK auf weite Bereiche der Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgedehnt68 . Zu den Eckpfeilern dieser Judikatur zählen die Urteile Ringeisen69 , König70 , Sporrong & Lönnroth71 , Feld-
59
Vida Soria, La mise en oeuvre, S. 299.
60 S TC 7811982, vom 20. Dezember, FJ. 2, in: JC 4, S. 499-510 (505); S TC
36/1991, vom 14. Februar, FJ. 6, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 397-420 (416); S TC 64/1991, vom 22. März , in: Rep. Ar. 1990/1, S. 688-722.
61 Serrano Alberca, Art. 24, S. 459; Fernandez Segado, La configuraci6n jurisprudencial, S. 924l. 62 IntKomm EMRK (MiehslerNogler), Art. 6, Rz. 271fT. m.w.N. 63 IntKomm EMRK (MiehslerNogler), Art. 6, Rz. 282ff. m.w.N. 64
IntKomm EMRK (MiehslerNogler), Art. 6, Rz. 309 m.w.N.
65
IntKomm EMRK (MiehslerNogler), Art. 6, Rz. 341fT. m.w.N.
66 EGMR, Ruiz-Mateos / Spanien, vom 23. Juni 1993, Series A 262, § 60 S. 24; Gallardo Castillo, RUMASA, S. 615; Matscher, Franz, Art. 6 EMRK, S. 449f. 67 Dessen Rechtsprechung ist durch die Erklärungen vom 14. September 1982 und vom 18. Oktober 1985 von Spanien anerkannt worden. Zur Wirkung dieser Rechtsprechung in Spanien siehe S TC 3811981, vom 23. November, in: JC 2, S. 323-334; nach S TC 22311988, vom 25. November, FJ. 7, in: JC 22, S. 634-646 (644) ist die gesamte Rechtsprechung des EGMR durch das Verfassungsgericht übernommen worden.
68 Garcia de Enterria, La ampliaci6n de la competencia, S. 306f. 69 EGMR, Ringeisen / Österreich, vom 16.7.1971, Series A 13 § 94 70 EGMR, König / Bundesrepublik Deutschland, vom 28.6.1978, Series A 27
§§ 86-96.
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
56
brugge & Deumeland72 , Salemo73 , Salesi74 und Editions Periscope75 . Auch wenn noch unsicher sein mag, ob bestimmte Ansprüche vom Schutz des Art. 6 Abs. 1 EMRK erfaßt sind, kann doch zumindest festgehalten werden, daß die Verfahrensgarantien nach Art. 6 Abs. 1 EMRK in all den Bereichen der Verwaltungsgerichtsbarkeit Anwendung finden, die einen grundrechtlichwirtschaftlichen Zusammenhang aufweisen76 . Die Lehre fand die wörtliche Auslegung zu eng und hat die Ausdehnung ausdrücklich begrüßt77 . Ein Teil der Lehre fordert die Abkehr von der kasuistischen Methode des EGMR und damit eine positivrechtliche Definition der durch Art. 6 Abs. 1 EMRK geschützten Ansprüche78 . Zur Zeit ist ein Zusatzprotokoll für verwaltungsrechtliche Streitigkeiten in der Diskussion79 ; seine Realisierung ist jedoch fraglich 80 . Diese durch Art. 6 Abs. 1 EMRK geWährleisteten Garantien hat das spanische Verfassungsgericht, wie darzulegen sein wird, aufgrund des Art. 10 Abs.2 CE bei der Auslegung der Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE berücksichtigt81 . Teilweise geschieht diese Anlehnung an die Rechtsprechung des EGMR nur implizit, teilweise beruft sich das spanische Verfassungsgericht
71 EGMR, Sporrong & Lönnroth I Schweden, vom 23.9.1984, Series A 52 § 79: In diesem Urteil stellte der EGMR zum ersten Mal fest, daß das grundrechtliche Verhältnis des Staats zum Bürger genügend ist ftlr die Feststellung eines klagbaren Verhältnisses. 72 EGMR, Feldbrugge & Deumeland, vom 29.5.1986, Series A 99, §§ 25-40: Hier ftlhrte der EGMR die Parallel wertung als Kriterium ein (Art. 6 erfaßt auch die Bereiche staatlichen HandeIns, die auch privatrechtlich geregelt werden können).
73 EGMR, Salemo /Italien, vom 12.10.1992, Series A 245-D, § 16 74 EGMR, Salesi /Italien, vom 26.2.1993, Series A 257-E § 19. 75 EGMR, Editions Periscope I Frankreich, vom 26.3.1992, Series A 234-B, § 40,
nach dem bei jeder pekuniären Streitigkeit Art. 6 Abs.l EMRK anwendbar ist
76 Kley-Struller, Art. 6 EMRK, S. 53; IntKomm EMRK (Miehsler), Art. 6, Rz.
149ff.
77 Kley-Struller, Art. 6 EMRK, S. 54 78 Ein vielbeachteter Definitionsversuch stammt von den Kommisionsrnitgliedem
Melchior und Frowein, B 8848/1980, ECHR Series B 80, S. 47 f., §§ 9 und 14.
79 Kley-Struller, Art. 6 EMRK, S. 56f.; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 973. 80 Kley-Struller, Art. 6 EMRK, S. 56f. 81 Delgado Barrio, Proyecci6n, S. 242f.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
57
jedoch ausdrücklich auf Art. 6 Abs. 1 EMRK82: So z.B. im Hinblick auf das Erfordernis einer anwaltschaftlichen Vertretung83 und das Recht auf angemessene Verfahrensdauer84 .
IV. Subjekte der Rechtsschutzgarantie 1. Träger des Grundrechts Art. 24 Abs. 1 CE bestimmt ausdrücklich, daß alle Personen das Recht auf effektiven Rechtsschutz haben 8S , dies sind wie bei Art. 19 Abs. 4 GG86 jedenfalls alle natürlichen Personen einschließlich der ausländischen Bürger in Spanien87 . Letzteres war jedoch zunächst problematisch, da Art. 53 Abs. 2 CE sowie Art. 41 Abs. 2 LOTC, die den gerichtlichen Schutz des Grundrechts regeln, allein von ciudadanos (Bürgern) sprechen88 . Ausschlaggebend ist jedoch Art. 161 Abs. 1 b) CE, der die Verfassungsbeschwerde "jedermann" eröffnet89 .
82 Vgl. die Übersicht bei Delgado Barrio, Proyecci6n, S. 249fT. 83 S TC 18011990, vom 15. November, FJ. 3, in: JC 28, S.466-473 (472) mit
Verweis auf den Fal1 Artico (EGMR, Artico 1 Italien, vom 13. Mai 1980, Series A 37).
84 S TC 22311988, vom 25. November, FJ. 7, in: JC 22, S.634-646 (644) mit Verweis auf den Fal1 Delcourt (EGMR, Delcourt 1 Belgien, vom 17. Januar 1970, Series All); S TC 81/1989, vom 8. Mai, FJ. 2, in: JC 24, S. 23-31 (28) mit Verweis auf die Fäl1e König (EGMR, König 1 Bundesrepublik Deutschland, vom 28.6.1978, Series A 27).
8S S TC S TC 20/1981, vom 8. Juni, FJ. 2, in: JC 2, S.48-57 (54) und S TC 411982, vom 8. Februar, FJ. 5, in: JC 3, S. 51-62 (57) sprechen betont von "todos" (al1en); Pinel L6pez, EI Derecho, S. 297. 86 BVerfGE 35, 382 (401); 38, 52 (57); 40, 95 (98); 42, 120 (123); 67, 43 (58); 78, 88 (89); 80,244 (250); MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Rdnr. 38f. 87 S TC 144/1990, vom 26. September, FJ. 2-5 in: Rep. Ar. 1990/3, S.283-295 (291-293); 120/1991, vom 3. Juni, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 479-490 (485); nach Ansicht von Romero Coloma, EI articulo 24 de la Constituci6n Espai!.ola, S. 17 besteht dieses Recht nicht fllr den nasciturus. 88 S TC 19/1983, vom 14. März, FJ. 2, in: JC 5, S. 209-219 (214); vgl. Figueruelo Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 61; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 975; Gonzcilez Perez, EI derecho a la tutela jurisdiccional, S. 42.
89 S TC 11511987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575-600 (597); vgl. insbesondere Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 976.
58
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
Darüber hinaus gilt Art. 24 Abs.l auch für alle juristischen Personen des Privatrechts90 . Die spanische Verfassung enthält zwar keine dem Art. 19 Abs.3 GG entsprechende Nonn, die die Wirkung der Grundrechte ausdrücklich auf solche juristische Personen erstreckt91 . Das Verfassungsgericht schloß jedoch gerade aus dem Fehlen einer "beschränkenden Bestimmung wie Art. 19 Abs. 3 GG" auf die umfassende Geltung der Grundrechte für juristische Personen92 . Warum es sich nach Ansicht des Gerichts bei Art. 19 Abs. 3 GG um eine beschränkende Bestimmung handelt, wird bei der Betrachtung der Grundrechtsfähigkeit der juristischen Personen des öffentlichen Rechts deutlich93 . Ein Teil der Lehre verweist auf die Natur der Grundrechte als Abwehrrechte und lehnt wie der Großteil der deutschen Lehre und Rechtsprechung94 eine
90 S TC 64/1988, vom 12. April, FJ. 1, in: JC 20, S.761-775 (771f); S TC 99/1989, vom 5. Juni FJ.3, in: JC 24, S.268-283 (280f); S TC 164/1990, vom 29. Oktober, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 223-228 (227f); vgl. auch S TC 4/1982, vom 8. Februar, FI. 5, in: JC 3, S. 51-62 (57); 23/1989, vom 2. Februar, FI. 2, in: JC 23, S. 228-235 (232); Romero Coloma, EI articulo 24, S. 20; dieses ergibt sich auch aus der Anerkennung in Art. 7 Abs. 3 LOPJ: Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 976. 91 Vgl. zu dieser Frage umfassend Diaz Lema, l.Tienen derechos fundamentales ... ?, S. 87-101 mit Vergleich zu Art. 19 m GG; Fernandez Segado, La configuraci6n jurisprudencial, S. 9238; zur Grundrechtsträgerschaft von juristischen Personen des Privatrechts MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 40.
92 S TC 137/1985, vom 17. Oktober, FJ. 3, in: JC 13, S. 155-165 (162): "Ausente de nuestro Ordenamiento constitucional un precepto similar al que integra el articulo J9.3 de la Ley Fundamental de Bonn, segUn el cual los derechos fundamentales rigen tambien para las personas juridicas nacionales, en la medida en que, por su naturaleza, les resulten aplicables, 10 que ha permitido que la jurisprudencia aplicativa de tal norma entienda que el derecho a la inviolabilidad dei domicilio conviene tambien a las entidades mercantiles, parece c1aro que nuestro Texto Constitucional, al establecer el derecho a la inviolabilidad dei domicilio, no 10 circunscribe a las personas flsicas, siendo pues extensivo 0 predicable igualmente en cuanto a las personas juridicas, dei mismo modo que este Tribunal ha tenido ya ocasi6n de pronunciarse respecto de otros derechos fundamentales, como pu eden ser los fljados en el articulo 24 de la misma Constituci6n, sobre prestaci6n de tutela judicial efectiva, tanto a personas flsicas como ajuridicas". 93 Übersicht über die Diskussion in Spanien bei L6pez Gonzlilez, EI derecho efectivo, S. 1842f; zur deutschen Diskussion nunmehr Zimmermann, Norbert,Der grundrechtliehe Schutzanspruch juristischer Personen des öffentlichen Rechts, München 1993. 94 BVerfDE 39, 302 (316); 61, 82 (106); Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 21; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 42; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4,
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
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Grundrechtsträgerschaft öffentlich-rechtlicher juristischer Personen ab 9S ; die h.M. in Spanien nimmt dagegen an, daß öffentlich-rechtliche juristische Personen Träger der Rechtsschutzgarantie sein können 96 , und auch das spanische Verfassungsgericht hat öffentlich-rechtliche juristische Personen als Grundrechtsträger anerkannt, soweit sie eigene Rechte i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE geltend machen können97 . In dieser Konstellation kann ein "legitimes Interesse"
Rdnr.31ff; Krebs, in:v. Milnch, Art. 19, Rdnr.51; a.A.: Bettennann, Schutz der Grundrechte, S. 786; AK-Wassennann, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 22. 9S
Cord6n Moreno, Sobre la titularidad, S. 58ff.
Diaz Lema, l,Tienen derechos fundamentales ... ?, S. 119; Femändez Segado, La configuraci6njurisprudencial, S. 9237; vgl. Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tute1a, S.62. 96
97 Zunächst noch vorsichtig in S TC 19/1983, vom 14. März, FJ. 2, in: JC 5, S. 209-219 (214f) fur den Fall von zivilrechtlichen Ansprüchen von Autonomen Gemeinschaften, jedoch unzutreffend auf Art. 6 Abs. 1 EMRK zurückgreifend, da nach Art. 25 Abs. 1 EMRK öffentliche juristische Personen nie Träger von Grundrechten sein können; eindeutig in S TC 64/1988, vom 12. April, FJ. 1, in: JC 20, S. 761-775 (772): "Por 10 que se rejiere al derecho establecido en el articulo 24.1 de la Constitucion, como derecho a la prestacion de la actividad jurisdiccional de los organ os dei Poder Judicial dei Estado, ha de considerarse que tal derecho corresponde a las personas jisicas y a las personas juridicas, y entre estas Ultimas, tanto a las de Derecho privado como a las de Derecho publico, en la medida en que la prestacion de la tutela efectiva de los Jueces y Tribunales tiene por objeto los derechos eintereses legitimos que les corresponden"; differenzierend S TC 19711988, vom 24. Oktober, FJ. 4, in: JC 22,S. 383-396 (395) bei einer Klage einer Gemeinde: "(. ..) no cabe trasladarla integramente a las personas juridicas dei Derecho publico, pues tal doctrina parte de la concepcion de los derechos fundamentales como garantias de los particulares frente al poder publico y desnaturalizaria esta concepcion la tesis simplijicadora que sostuviera que los entes publicos gozan, en paridad de posicion con los particulares, de un derecho constitucional subjetivo en cuya virtud ellegislador venga obligado, en todos los casos, a establecer recursos judiciales para que dichos entes publicos dejiendan sus propios actos(. ..).Es, desde luego incuestionable que existiendo una via judicial preestablecida por la ley, los organos judiciales debertin respetar el derecho a la tutela judicial que demanden los que esten legitimados para el/o, sin que este imperativo pueda ser excepcionado cuando el que reclama la prestacion jurisdiccional es un ente publico (. ..)"; eindeutiger aber S TC 99/1989, vom 5. Juni FJ.3, in: JC 24, S. 268283 (280f): "Las personas juridico-publicas son titulares dei derecho fundamental a la tutela judicial, pues asi se deriva naturalmente de su capacidad para ser parte en los procesos judiciales ... pero su tutela no es superior ni inferior a la que corresponde a todas las partes dei proceso"; vgl. Figueruelo Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 62f, Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 977; auch in Deutschland wurde die Grundrechtsfahigkeit öffentlich-rechtlicher Personen angenommen: Bettennann, NJW 1969, S. 1321 (1322); Klein, Tragweite der Generalklause1, S. 102.
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
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jedoch nicht genügen, da anderenfalls das gerichtliche Verfahren als Aufsichtsmittel zwischen zwei Behörden mißbraucht werden könnte98 . In Deutschland ist die grundsätzliche Ablehnung der Geltung der Rechtsschutzgarantie fiir juristische Personen des öffentlichen Rechts durch den Zweck des Art. 19 Abs. 4 GG, den Schutz der Grundrechte, gerechtfertigt99 . Dies wird daran erkennbar, daß überall dort, wo das Grundgesetz ausnahmsweise juristische Personen des öffentlichen Rechts als "Sachwalter des Einzelnen bei der Wahrnehmung seiner Grundrechte"100 anerkennt (Universitäten, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten 101 ), die juristischen Personen auch Träger des Grundrechts nach Art. 19 Abs. 4 GG sind. Da aber die Rechtsschutzgarantie in Spanien vorwiegend nicht dem Schutz der Grundrechte dient 102 , kann das Verfassungsgericht diese Garant,ie unproblematisch auch auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts erstrecken. In bezug auf den Inhalt des Grundrechts muß jedoch nach der Rechtsprechung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen juristischen Personen differenziert werden. Für öffentliche juristische Personen gilt aufgrund des geringeren Schutzbedürfnisses ein geringerer Grundrechtsstan-
98 S TC 64/1988, vom 12. April, Fl 1, in: JC 20, S. 761-775 (772); Zwei Verfassungsrichter haben allerdings in zwei Sondervoten die Anerkennung der Grundrechtsfähigkeit von öffentlich-rechtlichen juristischen Personen kritisiert und stattdessen gefordert, sie ausschließlich auf den fiskalischen Bereich zu beschränken; Chamorro Bemal, La tute1ajudicial efectiva, S. 19. Vgl. Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 978; Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tute1a, S. 63. 99 Krebs, in:v. MÜßch, Art. 19 Rdnr. 48. 100 BVerfGE 61, 82 (103); zu den Rundfunkanstalten siehe BVerfGE 31, 314
(322).
101 Der Rechtsstatus der Kirchen als juristische Personen des öffentlichen Rechts ist in Deutschland historisch bedingt. Sie werden dadurch nicht Teil der öffentlichen Gewalt des Staates, so daß sie im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG wie juristische Personen des Privatrechts behandelt werden müssen: vgl. MDHSlMaunz, Art. 140/Art. 137 Rdnr. 25; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV, Rdnr. 41. 102 Siehe oben S. 54.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
61
dard 103 . So haben beispielsweise die Gemeinden hinsichtlich der Fristversäumung eine erhöhte Sorgfaitspflicht 104 . 2. Grundrechtsverpflichtete
Art. 9 Abs. 3 CE schreibt vor, daß alle Bürger und die öffentliche Gewalt an die Verfassung und die Rechtsordnung gebunden sind. Im Hinblick auf Art. 24 Abs. 1 CE als Grundrecht interessiert zunächst die öffentliche Gewalt. Der Begriff "öffentliche Gewalt" umfaßt wie Art. 1 Abs. 3 des deutschen Grundgesetzes alle drei Gewalten 105 . Die Bindung der einzelnen Gewalten ist jedoch unterschiedlich. Die Garanten und somit die primär Verpflichteten der Rechtsschutzgarantie sind die Gerichte, insbesondere die Richter der Verwaltungs- und der Verfassungsgerichtsbarkeit 106 . Die Gerichte müssen nicht nur Rechtsverletzungen verhindern, sondern auch die Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie f"ordern 107 . So müssen die Gerichte den Zugang zu den Gerichten auch den im weitesten Sinne Betroffenen ermöglichen 108 .
103 S TC 3411988, vom 1. März, Fl 4, in: JC 20, S.361-371 (370); S TC 24811988, vom 20. Dezember, in: JC 22, S. 965-976. 104 Auch wenn diese geringer ist als die anderer Gebietskörperschaften, wie die der autonomen Regionen: S TC 34/1988, vom l. März, FJ.4, in: JC 20, S.361-371 (370); Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 980; Chamorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 61. 105 Romero Coloma, EI articulo 24, S. 19. 106 S TC 7511984, vom 27. Juni, FJ. 1, in: JC 9, S. 259-273 (264); S TC 13511986, vom 31. Oktober, Fl3, in: JC 16 S. 222-230 (228); S TC 132/1987, vom 2l. Juli, FJ.2, in: JC 18, S. 793-800 (798); S TC 20311987, vom 18. Dezember, FJ. 2, in: JC 19, S. 622-626 (625f.); S TC 18/1988, vom 16. Februar, FJ. 3, in: JC 20, S. 194-202 (201); S TC 197/1988, vom 24. Oktober, Fl 3, in: JC 22, S. 383-396 (394); S TC 56/1990, vom 29. März FJ. 41, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 686-796 (787); S TS 10. Juni 1994 Ar. 5114; vgl. Figueruelo Burrieza, EI derecho a la tutela, S.64; Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 335 107 S TC 9/1981, vom 3l. März, Fl 6, in: JC 1, S. 145-159 (159); S TC 25/1981, vom 14. Juli, Fl 5, in JC 2, S. 122-140 (134f.); S TC 4/1985, vom 18. Januar FJ. 3, in: JC 11, S. 21-32 (32); S TC 5211989, vom 22. Februar FJ. 2, in: JC 23, S.565-575 (572); Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 60. 108 S TC 411985, vom 18. JanuarFl 3, in: JC 11, S. 21-32 (32).
62
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
Daneben ist auch die Verwaltung verpflichtet, Maßnahmen zu unterlassen, die den gerichtlichen Rechtsweg versperren 109 . Jedoch ist im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Art. 24 Abs. 1 CE grundsätzlich unanwendbar, weil er Rechtsschutz durch Gerichte garantiert 11 0 ; deshalb ist das Unterlassen einer Anhörung im Verwaltungsverfahren kein Verstoß gegen Art.24 Abs. 1 CE111. Soweit das Verwaltungsverfahren aber auch dem gerichtlichen Rechtsschutz dienen soll, wie z.B. das Vorverfahren, kann es an dieser Bestimmung gemessen werden l12 . Ebenso findet die Rechtsschutzgarantie Anwendung im Bereich von Verwaltungssanktionen, da diese pönalen Charakter haben 113 . Auch der spanische Gesetzgeber wird nach Art. 24 Abs. 1 CE verpflichtet (wie auch der deutsche nach Art. 19 Abs. 4 GG), Maßnahmen zu unterlassen, die den Rechtsschutz beschränken 114 . Er darf daher insbesondere keine Regelungen treffen, die den Zugang zu den Gerichten verhindern, die die Kontrollkompetenzen der Gerichte wesentlich schmälern und die Verwirklichung des Rechts erschweren 1l5 . Gleichzeitig hat er jedoch einen weiten Spielraum für die konkrete Gestaltung der Sachentscheidungsvoraussetzungen116 . Eine Verletzung des Art. 24 Abs. 1 CE durch Legislativmaßnahmen kann aber nur mittelbar vom Bürger geltend gemacht werden, da eine Individualverfassungsbeschwerde gegen Gesetze in Spanien nicht vorgesehen ist 117 Schließt der Gesetzgeber hingegen durch untergesetzliche Vorschriften, wie z.B. in den 109 S TS 10. Juni 1994 Ar. 5114. 110 A TS 16. April 1994 Ar. 2831; zu den Ausnahmen siehe Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 987f, siehe unten unter S. 112ff. 111 S TC 68/1985, vom 27. Mai, Fl 4, in: JC 12, S. 95-104 (103); S TC 17511987, vom 4. November, FJ. 3, in: JC 19, S. 311-320 (320); es besteht jedoch eine Anhörungspflicht von Seiten des Richters S TS 18. April 1994 Ar. 3095. 112 A TS 16. Februar 1990 Ar. 1148; S TS 2. Februar 1989 Ar. 776; eine Ausnahme stellen Strafsanktionen dar: S TS 28. Dezember 1989 Ar. 9149. 113 S TC 18/1981, vom 8. Juni, FJ. 2, in: JC 2, S. 29-41 (37)~ S TS 18. Januar 1994 Ar. 185. 114 S TC 24311988, vom 19. Dezember, FJ.2, in: JC 22, S. 928-939 (935); S TC 205/1990, vom 13. Dezember FJ.2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 648-663 (657f.); BVerfGE 80, 244 (250). 115 S TC 172/1987, vom 3. November, FJ. 4, in: JC 19, S. 290-297 (296f.); S TC 19711988, vom 24. Oktober, FJ. 4, in: JC 22, S. 383-396 (395); ebensfalls eine Förderungspflicht ergibt sich aus S TC 9/1981, vom 31. März, FJ. 6, in: JC 1, S. 145-159 (159); vgl. Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 64; Alonso Garcia, EI articu1024.1, S. 990; BVerfGE 45,297 (334f.). 116 S TC 206/1987, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 19, S. 651-660 (657f.). 117 Siehe unten S. 373 ff.
C. Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE
63
parlamentarischen Geschäftsordnungen in Spanien, die gerichtliche Kontrolle anderer untergesetzlicher Maßnahmen aus, kann diese Grundrechtsverletzung vom Bürger unmittelbar vor dem Verfassungsgericht angegriffen werden 118 Abschließend ist zu fragen, ob auch Private einen Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 CE verursachen können. Obwohl Lehre und Rechtsprechung aus Art. 9 Abs.3 CE eine unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte entnehmen 119 , war das Verfassungsgericht bei der Beantwortung dieser Frage hinsichtlich des Grundrechtes nach Art. 24 Abs. 1 CE zunächst noch vorsichtig l20 . So verletze beispielsweise der Prozeßvertreter nicht Art. 24 Abs. 1 CE, wenn ihm die Erhebung der Klage möglich war, er aber keinen Gebrauch davon machte 121 . Dabei sei der Grund für die unterbliebene Klage irrelevant l22 . Etwas anderes hingegen gelte, wenn der Fehler des Anwalts vom Gericht hätte geheilt werden können, dies aber unterblieb; dann verletze das Gericht Art. 24 Abs. 1 CE123. In den darauf folgenden Jahren ist indessen eine Entwicklung hin zur Anerkennung der möglichen Verletzung durch Private erkennbar l24 . Kürzlich hat das Verfassungsgericht in den Sanktionsmaßnahmen eines Unternehmens gegen seinen Angestellten, der seine Rechte als Arbeitnehmer durch Klageerhebung verteidigen wollte, eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie gesehen 125 . Diese Ausdehnung wird insbesondere durch die weite Formulierung des Tatbestandes der Rechtsschutzgarantie ermöglicht.
118 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 992. 119 S TC 47/1985, vom 27. März, in: JC 11, S: 468-479; S TC 241/1988, vom 19. Dezember, Fl 3, in: JC 22, S. 914-921; L6pez GuerralEspin, Derecho Constitucional Bd. 1, S. 392ff.; Serrano Alberca, Art. 24, S. 462. 120 übersicht bei Jimena Quesada, Los derechos dei justiciable, S. 254. 121 S TC 13/1981, vom 22. April, FJ. 6, in: JC 1, S. 226-232 (232); S TC 70/1984, vom 11. Juni, Fl 3, in: JC 9, S. 195-205 (204); etwas anderes soll gelten, wenn die Verteidigungslosigkeit auf einen bestellten Anwalt zurückzuführen ist, und insbesondere auf die öffentliche Bestellung: vgl. die Nachweise bei Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 982f. 122 S TC 13/1981, vom 22. April, FJ. 6, in: JC I, S. 226-232 (232). 123 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 984. 124 S TC 90/1985, vom 22. Juni, FJ. 4, in Je 12, S. 384-400 (395); 197/1988, vom 24. Oktober, Fl 4, in: JC 22,S. 383-396 (394f.); Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S.974. 125 S TC 7/1993, vom 18. Januar, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1993/1, S. 79-91 (89).
64
1. Teil: Grundlagen der Rechtsschutzgarantie
V. Die Ausdehnung des Rechtsschutzes auf alle in Betracht kommenden Verletzungen Während der Wortlaut Art. 19 Abs.4 GG auf den Schutz der Rechte gegenüber Maßnahmen der "öffentlichen Gewalt" beschränkt, enthält die spanische Regelung keine entsprechende Einschränkung 126 . Somit hängt das Eingreifen der Rechtsschutzgarantie nicht vom Verursacher ab, sondern allein von den Folgen der Maßnahme, die diese für den einzelnen hat l27 . Auch hier wird deutlich, daß Art. 24 Abs. 1 CE im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 4 GG nicht ausschließlich dem Grundrechtsschutz dient und daher die öffentliche Gewalt nicht notwendig im Zentrum des Interesses der Rechtsschutzgarantie steht. Daraus wird gefolgert, daß Art. 24 Abs. 1 CE sowohl die Verletzung durch die öffentliche Gewalt als auch diejenige durch Private erfaßt 128 . Also bedarf es - anders als in Deutschland - keines Rückgriffs auf das Rechtsstaatsgebot, um den Rechtsschutz gegen Private zu garantieren. Im Mittelpunkt der Rechtsschutzgarantie steht die Frage, wie ein effektiver gerichtlicher Schutz gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt gewährleistet werden kann, da der Bürger hier im besonderen auf den Schutz seiner Sphäre durch die Gerichte, d.h. auf eine tutela im wörtlichen Sinne angewiesen ist l29 . Hierauf soll sich die folgende Untersuchung beschränken, wobei vom primär dafür vorgesehenen Verfahren, dem Verwaltungsprozeß, ausgegangen wird 130 .
126 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 974. 127 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 997. 128 S TC 243/1988, vom 19. Dezember, FJ. 2, in: JC 22, S. 928-939 (931); S TC 205/1990, vom 13. Dezember, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 648-663 (659). 129 Siehe oben S. 27. 130 Nicht eingegangen werden kann auf die Frage, wie der Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt sich im Rahmen der Sozialgerichtsbarkeit oder der Finanzgerichtsbarkeit realisiert.
2. Teil
Die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie mr das verwaItungsgerichtliche Verfahren "Effektiver Rechtsschutz durch Richter und
Kanunern" (Art. 24 Abs.l CE)
A. Die Rechtsschutzgarantie und die Eröffnung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges I. Das Recht auf Eröffnung eines gerichtlichen Rechtsweges In Deutschland garantiert Art. 19 Abs. 4 GG die Eröffnung des Rechtsweges. "Rechtsweg" ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts der Weg zu den Gerichten als staatlichen Institutionen 1 . In Spanien gewährleistet Art. 24 Abs. 1 CE ausdrücklich Rechtsschutz durch Kammern (tribunales) und Richter (jueces). Die Unterscheidung zwischen Gerichten und Richtern findet sich schon in Art. 9 der Verfassungen von 1837 und 1845, in Art. 11 der Verfassung von 1869, Art. 13 der Verfassung von 1873 und Art. 16 der Verfassung von 1876. Sie gilt ausschließlich der Zusammensetzung der Gerichte, seien es Einzelrichter (jueces) oder Kammern (Tribunales)2. Dabei ist "Gericht" (Tribunal) der gemeinsame Oberbegriff3 . Soll der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz durch Gerichte erfolgen, verpflichtet dies den Gesetzgeber, einen gerichtlichen Rechtsweg normativ zu regeln. Beide Verfassungsgerichte betonen diese Pflicht in ständiger Rechtsprechung, weil sie ein wesentlicher Teil der Rechtsschutzgarantie ist4 . 1 BVerfGE 4, 74 (94); Schmidt-BleibtreulKlein, Art. 19, Rdnr. 18; MDHS/ Schmidt-Aßrnann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 233ff. rn.w.N. 2 Vgl. Chamorro Bemal, La tutelajudicial, S. 24. 3 Almagro Nosete/ Torne Paule, Instituciones, S. 93. 4 S TC 64/1988, vom 12. April, FJ. 1, in: JC 20, S. 761-775 (772): "Derecho a Ia presiaci6n de actividad jurisdiccional de los 6rganos deI Poder JudiciaI; S TC 20/1981, 5 Martinez Soria
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
66
Sie hat zwei Ausprägungen: Das Verbot, den Zugang zum Rechtsweg zu behindern 5 , auf das noch näher einzugehen sein wird6 und die Pflicht zum Aufbau und zur Unterhaltung einer Gerichtsorganisation7 . Hinsichtlich dieses "Rechts auf eine Gerichtsbarkeit" wirkt die Rechtsschutzgarantie in erster Linie als institutionelle Garantie8 . Dem Gesetzgeber gebührt bei der Gestaltung dieser Gerichtsbarkeit ein weiter Spielraum, der jedoch durch eine Reihe von verfassungsrechtlichen Vorgaben beschränkt wird, die sich aus der Rechtsschutzgarantie und aus anderen Verfassungsbestirnmungen ergeben.
1. Gerichte im Sinne der Rechtsschutzgarantie Art. 24 Abs. 1 CE nennt Einzelrichter und Kammern; er zeigt damit, daß die Rechtsschutzgarantie keine Kammerentscheidungen verlangt. Zum gleichen Ergebnis kommt die deutsche Lehre durch Auslegung des Begriffs "Rechtsweg"9. Die Einfiihrung eines Einzelrichters in der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nach der Rechtsschutzgarantie mithin in beiden Ländern zulässig. Im übrigen sagen Art. 24 Abs. 1 CE wie Art. 19 Abs. 4 GG nur wenig über die Grundmerkmale der Gerichte aus. In Deutschland muß ergänzend auf die Artikel 92 und 97 GG zurückgegriffen werden, um den Rechtsweg näher zu 13, S. 1-10 (7); S TC 11/1988, vom 2. Februar, FJ. 4, in: JC 20, S. 117-126 (124f.); S TC 223/1988, vom 24. November, FJ. 7, in: JC 22, S. 634-646 (645); S TC 5011990, vom 26. März FJ. 3, in: Rep. Ar. 199011, S. 602-608 (606); S TC 95/1991, vom 7. Mai 1991, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 264-271 (270); kritisch Chamorro Bemal, La tute1a judicial, S. 111. In Deutschland: BVerfGE 60, 253 (268f.); 77, 275 (284); 84, 34 (49); 84, 59 (78); 88, 118 (123f.); Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 145f. Die institutionelle Garantie sieht das spanische Verfassungsgericht als ein wesensgleiches Minus zu anderen Grundrechtsfunktionen an; so im Hinblick auf die Se1bstverwaltungsgarantie der Universität in S TC 26/1987, vom 27. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S. 239-282 (249); kritisch und gegen diese Unterscheidung Bailo Le6n, La distinci6n, S. 155-179. 5
6
Ebenso Lorenz, Rechtsschutz, S. 257.
Siehe S. 102. S TC 20/1981, vom 8. Juni, FJ. 3, in: JC 2, S. 48-57 (54f.): "eLemento necesario para que pueda satisfacerse el derecho a La jurisdiccion es que existan medios para resolverlos conflictos suscitados ... "; S TC 18511987, vom 18. November, FJ. 2, in: JC 19, S. 401-406 (405). 7
8 Ebenso Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S.997; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 174; Krebs, in: v. Münch, Art. 19 GG, Rdnr. 49. 9 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 174; Schnellenbach, Das Spruchkörperprinzip, S. 350.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
67
präzisieren 10. Organisatorisch verlangt der Rechtsweg nach Artikel 92 GG, daß der Rechtsschutz durch staatliche Landes- bzw. Bundesgerichte gewährleistet wird. Es ist jedoch auch möglich, den Rechtsweg durch Organe von Personalkörperschaften, z.B. Standesgerichte, zu eröffnen 11 . Voraussetzung hierfiir ist jedoch, daß die Gerichte aufgrund eines Gesetzes gebildet werden und über ihre personelle Zusammensetzung eine ausreichende Bindung an den Staat gewährleisten l2 . Personell garantiert Artikel 97 GG die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Richter. Deswegen können die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden, z.B. im Rahmen des Widerspruchsverfahrens, keinen Rechtsweg i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG bilden 13 . Die Vorstellung der spanischen Verfassung von den Gerichten entspricht weitestgehend der des deutschen Grundgesetz. Grundlage rur das Verständnis in Spanien ist der Sechste Titel der Verfassung "Über die Rechtsprechende Gewalt" (Artikel 117-127). Die rechtsprechende Gewalt ist nach Art. 117 Abs. 5 CE sowie Art. 122 Abs. 1 CE vom Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt geprägt. a) Der Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt Dieser Grundsatz wirkt sich zunächst auf die Stellung der Gerichte innerhalb der gewaltengeteilten Staatsstruktur aus l4 . Historisch war die organisatorische Einheit der Rechtsprechenden Gewalt, wie oben dargelegtl5 , die Hauptforderung der Liberalen im 19. Jahrhundert, die sie durch das "Harmonische System" von 1888 im wesentlichen durchsetzen konnten. Nur die der Rechtsprechenden Gewalt zugehörigen Organe soll-
10 BVerfGE 4, 387 (405f); 11, 232 (233); 30, 33 (34); 42, 206 (208); 54, 159 (166); BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 39.
11
BVerfGE 26,186 (195).
BVerfGE 4, 74 (92); 10, 200 (214f); 27, 355 (361f); 48, 300 (315fT.); MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 174; Krebs, in: v. MÜlleh, Art. 19 00, Rdnr. 63. 12
13 BVerfGE 4, 74 (94); v. Mutius, Gerichtsverfahren, S. 579. 14 Zum Grundsatz vgl. Andres Ibanez, Die rechtsprechende Gewalt, S.443; Femandez Rodriguez, La unidad, S. 742fT. 15 Vgl. S. 34. 5'
68
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
ten Rechtsprechungsaufgaben übernehmen. Dieses Konzept der Gewaltenteilung wurde in die Verfassung von 1978 übernommen 16 . Organe der Rechtsprechenden Gewalt sind nach Artikel 117 Abs. 3 CE die gesetzlich vorgesehenen Gerichte. Während in Deutschland darüber hinaus Gerichte als mittelbare staatliche Einrichtungen geschaffen werden können (z.B. Standesgerichte)17, folgt nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts aus dem Einheitsprinzip, daß die Gerichte in Spanien ausschließlich unmittelbare staatliche Organe sein müssen 18 . Eine weitere Forderung des Einheitsgrundsatzes im Hinblick auf die Gewaltenteilung ist die Exklusivität und die Integrität der Rechtsprechenden Gewalt. Danach sind nur solche Organe Gerichte, deren Aufgabe ausschließlich auf die Rechtsprechung beschränkt ist. Somit kann ein exekutives Organ keine Rechtsprechung ausüben l9 ; eine Einbindung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in die Verwaltung ist in Spanien also nunmehr verfassungsrechtlich untersagt20. Darüber hinaus gewährt auch ein administrativer Rechtsbehelf keinen Rechtsschutz im Sinne des Art. 24 Abs. 1 CE bzw. Art. 19 Abs. 4 GG21. Ebensowe-
16 ChamolTo Bemal, La tute1a judicial, S.24; Interessant war der Fall S TC
3/1982, vom 6. Februar, in: JC 3, S.42-50: Dort sah ein Richter in der Abweisung seiner verwaltungsgerichtlichen Klage gegen eine von der Sala de Gobiemo der Audiencia Territorial verhängte Sanktion eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie. Die Verfassungsbeschwerde wurde jedoch abgewiesen, da diese besondere Kammer bei der Audiencia Territorial als Gericht selbst angesehen wurde, so daß er keinen weiteren
Anspruch auf einen Rechtsmittel hatte. 17 BVerfGE 4, 74 (92); 27, 355 (361f.); 42, 206 (210); 48, 300 (315ff.); BKSchenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 40. 18 A TC 70111988, vom 6. Juni, FJ. I, in: JC 21, S. 1029-1032 (1031):"( ... ) el derecho a la tutela judicial efectiva que reconoce y consagra el art. 24 de Ia Constitucion se refiere a una actividad prestacional deI Estado, que es Ia prestacion de actividad jurisdiccional de Jueces y Tribunales, es decir, por los organos jurisdiccionales dei Estado, integrados en el PoderJudicial". 19 GonzAlez Perez, EI derecho, S. 49. 20 Sanchez Mor6n, EI control, S. 99; a.A. GonzAlez Perez, Manual, S. 92f, der jedoch einschränkend feststellt, daß das exekutive Organ wie in Frankreich einen historischen, politischen und soziologischen Hintergrund hat, der seine Unabhängigkeit gewährleistet. 21 v. Mutius, Gerichtsverfahren, S. 579f.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
69
nig können Organe des Parlaments Recht sprechen22 ; parlamentarische Untersuchungsausschüsse sind keine Gerichte nach der Rechtsschutzgarantie23 . Der traditionelle Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt könnte aber durch die neue territoriale Struktur Spaniens modifiziert worden sein. In Deutschland kommt Art. 92 GG eine bundesstaatsrechtIiche Funktion zu24 . Er ergänzt die grundgesetzliche Kompetenzverteilung für die rechtsprechende Gewalt zwischen dem Bund und den Ländern, die für die anderen Gewalten in den Art. 30, 70 und 83 GG festgelegt ist25 . Konsequenterweise geht diese Bestimmung von einer grundsätzlichen Zuständigkeit der Länder aus. Nur soweit das Grundgesetz dem Bund ausdrücklich Zuständigkeiten einräumt, ist der Bund zu Regelungen in diesem Bereich befugt. Dazu gehört die Errichtung von obligatorischen Bundesgerichten (das Bundesverfassungsgericht und die in Art. 95 Abs. 1 GG genannten Obersten Gerichtshöfe des Bundes) sowie die Errichtung der in Art. 96 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GG genannten fakultativen Gerichtshöfe. Die Landes- und Bundesgerichte können durch einen Instanzenzug verbunden werden, der jedoch immer von den Landesgerichten zu den Bundesgerichten führen muß 26 . Diese bundesstaatliche Gerichtsorganisation hat naturgemäß keine Parallele in der spanischen Verfassung. Vielmehr spiegelt der Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt den zentralistischen Kern des "Staates der autonomen Gemeinschaften" wider27 . Art. 152 CE nennt eine Reihe von Organen der autonomen Gemeinschaft, die Staatsgewalt ausüben (legislative Organe, Regierung, Verwaltung). Nach Art. 152 Abs. 1 Teil 2 CE ist ein Roher Gerichtshof im Gebiet der Autonomen Gemeinschaft zu schaffen, der dort die höchste Gerichtsinstanz bildet. Diese Bestimmung scheint im Widerspruch zum Prinzip der Einheit der Rechtsprechung zu stehen, da sie einen territoria-
22 23 24 25 26 27
Torres deI Moral, Principios Bd. 2, S. 285. Torres del Moral, Principios Bd. 2, S. 286; vgl. auch Art. 76 Abs. I CE. MDHSlHerzog, Art. 92 GG, Rdnr. 5 und 105. Degenhart, Gerichtsorganisation, S. 4f. Degenhart, Gerichtsorganisation, S. 5.
Montero Aroca, Unidad de jurisdiccion, S. 33tT. Selbst die ft1r die heutige territoriale Staatsstruktur beispielhafte Verfassung der ll. Republik hielt an diesem Grundsatz fest: vgl. zur Entwicklung in der ll. Republik insbesondere in Katalonien Tolivar Alas, Las Comunidades Autonomas, S.442f.; vgl. zur Gliederung des spanischen Staates in autonome Gemeinschaften die Darstellungen in Lopez Pina (Hrsg.), Spanisches Verfassungsrecht, S. I 95tT.
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
70
len Bezug der gerichtlichen Organe zu den autonomen Gemeinschaften herzustellen scheint. Ein solcher Widerspruch besteht indes nicht. Der Verfassunggeber wollte vielmehr bei der Gestaltung der Gerichtsorganisation auf die vielen historisch gewachsenen regionalen Rechte (derechos forales) Rücksicht nehmen. Es handelt sich hierbei um Regelungen des Privatrechts (insbesondere des Erbund des Familienrechts), die die Rechtsvereinheitlichung im 18. Jahrhundert überdauert haben28 . Daher sollten diese Rechte ausschließlich durch Gerichte angewandt werden, die einen Bezug zu den historischen autonomen Regionen mit dem entsprechenden regionalen Recht hatten. Soweit jedoch die foralen Rechte nicht betroffen sind, soll weiterhin der Oberste Gerichtshof die Letztentscheidung innehaben29 . Aus diesem Grunde stellt Art. 152 Abs. 1 Teil 2 CE klar, daß die Verteilung der Zuständigkeiten auf die Hohen Gerichtshöfe ungeachtet der dem Obersten Gericht obliegenden Rechtsprechung erfolgt. Weiterhin üben die Hohen Gerichtshöfe zentral staatliche Hoheitsgewalt aus. Den autonomen Gemeinschaften fehlt - im Gegensatz zu den Ländern der Bundesrepublik - das Merkmal der Staatlichkeit. Die von den Regionen in Form von Gesetzgebung und Verwaltung ausgeübte Staatsgewalt ist unbestritten nicht originär, sondern abgeleitet von der zentral staatlichen. Im Rahmen der judikativen Gewalt üben die Länder noch nicht einmal diese abgeleitete Staatsgewalt aus 30 . Diese steht rur den Bereich der "Justizverwaltung" nach Art. 149 Abs. 1 Nr. 5 CE ausschließlich dem Zentralstaat zu3 !. Es handelt sich demnach bei den Hohen Gerichtshöfen in den Autonomen Gemeinschaften um zentralstaatIiche Organe32 . Auch der Wortlaut des Art. 152 Abs. 1 CE bestätigt diese Auslegung. Er spricht von einer Instanz im Gebiet der Autonomen Gemeinschaften und nicht des Gebietes33 .
28 Sie sind im Rahmen einer Kodifizierungswelle von 1959-1973 in Gesetzesbüchern (compilaciones) zusammengefaßt worden: Compilaci6n de Vizcaya (1959), Compilaci6n de Cataluna (1960), Compilaci6n de Baleares (1961), Compilaci6n de Galicia (1963), Compilaci6n de Arag6n (1967), Compilaci6n de Navarra (1973); vgl. hierzu Iban, Introducci6n, S. 135ff. 29
Martin-Retortillo Baquer, L., Justicia administrativa, S. 58.
30
S TS 2. Juli 1984 Ar. 6751; vgl. Torres de1 Moral, Principios Bd. 2, S. 293.
31
S TS 2. Juli 1984 Ar. 6751; vgl. Torres dei Moral, Principios Bd. 2, S. 293.
32
Martin Bemal, Los Tribunales Superiores, S. 122.
33 S TC 25/1981, vom 14. Juli, FJ. 6, in: JC 2, S. 122-140 (136); S TC 38/1982, vom 22. Juni, FJ. 4, in: JC 3, S. 462-473 (471). Es ist jedoch zu beachten, daß Art. 70
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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Der zentral staatliche Gesetzgeber hat darüber hinaus keine Möglichkeit, die ihm nach Art. 150 Abs. 2 CE zustehende justizielle Staatsgewalt (teilweise) auf die autonomen Gemeinschaften überzuleiten, da sie rur die Übertragung nicht "geeignet" i.S. d. Art. 150 Abs. 2 CE ist. Die Übertragung beschränkt sich daher allein auf legislative und exekutive Kompetenzen, wie die Bezeichnung der Gewalten in der Verfassung erkennen lassen. Während die legislativen Organe des Zentralstaates unter dem Titel De las Cortes Generales und die exekutiven Organe unter dem Titel Dei Gobierno y de la Administracion geregelt sind, wird allein die judikative Gewalt ausdrücklich in der Verfassung benannt. Daraus folgt, daß die legislative und die exekutive Gewalt gemeinsam vom Zentral staat und den autonomen Gemeinschaften ausgeübt wird, die rechtsprechende Gewalt hingegen ausschließlich vom Zentralstaat34 . Damit unterscheidet sich die jetzige Verfassung von der republikanischen Verfassung des Jahres 1931, nach deren Art. 14 Nr. 11 Kompetenzen der judikativen Gewalt auf die entsprechenden regionalen Organe übertragen werden konnten35 . Errichtung, Organisation und Regelung der Zuständigkeiten der Gerichte fallen daher allein in den Kompetenzbereich des Zentralstaates. Die in Art. 152 Abs. 1 CE vorgesehene Beteiligung der autonomen Gemeinschaften an der Errichtung der Gerichte beschränkt sich auf eine Anhörung bei der Festlegung der Gerichtsbezirksgrenzen auf Provinzebene, insbesondere auf die Festlegung des Sitzes eines Gerichtes36 . Bedeutsam war diese Beteiligung jedoch nur in den autonomen Gemeinschaften Andalusien und Castilla-La Mancha, in denen mehrere Hohe Gerichtshöfe gegründet wurden37 . Nur rur die rein administrativen Bereiche der Justizverwaltung (personelle und mate-
LOPJ selbst wiederum von den Gerichtes des Gebietes spricht; Martin-Retortillo Baquer, 1., Justicia administrativa, S.62; Martin Bemal, Los Tribunales Superiores, S.66. 34
Torres del Moral, Principios Bd. 2, S. 293.
35
Torres del Moral, Principios Bd. 2, S. 293.
S TC 56/1990, vom 29. März, FFJJ 14 - 31, Rep. Ar. 1990/1, S. 686-796 (763776); 62/1990, vom 30. März, FFJJ. 1 - 12, , in: Rep. Ar. 1990/1, S. 854-909 (885908); Martin Bemal, Los Tribunales Superiores, S. 61; Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 89f.; Tolivar Alas, Las Comunidades Aut6nomas, S. 445f.; insoweit ist die Regelung in Art. 7 LPLANTA, der einen Regelungsersatz bei mangelnder Beteiligung der autonomen Gemeinschaften vorsieht, problematisch. 36
37 fu Andalusien haben die Gerichte ihren Sitz in Sevilla, Malaga und Granada, in Castilla-La Mancha in Valladolid und Burgos und auf den Kanarischen fuseln auf Las Palmas und Santa Cruz de Tenerife, vgl. Palomar Olmeda, Aspectos orgarucos, S. 451f.
2. Teil: Das vetwaltungsgerichtliche Verfahren
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rielle Ausstattung der Gerichtsverwaltung) können die autonomen Gemeinschaften, soweit die Autonomiestatute es vorsehen, zuständig sein38 Heftig diskutiert worden ist, ob der zentralstaatliche Gesetzgeber die autonomen Gemeinschaften bei der Einrichtung der Gerichte gleich behandeln muß. Das Verfassungsgericht hat in einer vergleichsweise schlechteren personellen und materiellen Ausstattung der Gerichte im Baskenland keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gesehen. Die Ausstattung selbst könne nicht als Vergleichskriterium herangezogen werden. Vielmehr wäre der durch die Gerichte erlangte Rechtsschutz das entscheidende Kriterium. Die Gerichte müßten aufgrund des Art. 24 Abs. 1 CE so ausgestattet sein, daß sie einen effektiven Rechtsschutz für den Bürger gewährleisten können39 . Gerichte LS.d. Art. 24 Abs. 1 CE sind somit allein die durch ein zentralstaatliches Gesetz errichteten staatlichen Gerichte; sie müssen für die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes ausreichend personell und sachlich ausgestattet sein. b) Das Verbot von Ausnahmegerichten / Die Militärgerichtsbarkeit Ausnahmegerichte sind Gerichte, die außerhalb der bestehenden regulären staatlichen Gerichtsorganisation durch besondere Anordnung für bestimmte Streitfalle (z.B. politische Straftaten) oder für bestimmte Personengruppen (z.B. Soldaten) eingerichtet werden4o . Sie widersprechen dem Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt und (wie in Deutschland) dem Recht auf den Gesetzlichen Richter nach Art. 24 Abs. 2 CE (bzw. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)41 . Ebenso verletzen sie Art. 6 Abs. 1 EMRK42. Nach spanischem Verständnis wiederholt Art. 117 Abs. 6 CE, der die Ausnahmegerichte verbietet, nur ein Verbot, das auch schon aus der Rechtsschutzgarantie folgt43 . Zu den Ausnahmegerichten zählen in Spanien nicht nur nach Art. 117 Abs. 6 CE 38 S TC 56/1990, vorn 29. März, FFJJ 6, in: Rep. Ar. 1990/ I, S. 686-796 (751f.). 39 S TC 45/1990, vorn 15. März, FJ. 4, Rep. Ar. 1990/ I, S. 532-545 (541f.): Da-
her hat es die Verfassungsbeschwerde, die durch die Baskische Anwaltskammer eingelegt worden war, abgewiesen. 40
tur.
Ruiz Ruiz, EI Derecho, S. 95fT. mit umfangreichen Nachweisen aus der Litera-
41 Ruiz Ruiz, EI Derecho, S. 88fT mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung; Degenhardt, Gerichtsorganisation, Rdnr. 27. 42 Vgl. die Nachweise bei IntKornrn EMRK (Miehsler), Art. 6, Rdnr. 290 Fn. l. 43 Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 47; Torres dei Moral, Principios Bd. 2, S. 286.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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Ausnahmegerichte i.e.S. (z.B. Gerichte zur Verurteilung politischer Dissidenten)44 , sondern auch die Ehrengerichte im Bereich der Zivilverwaltung und der Berufsverbände nach Art. 26 CE4S . Diese sind administrative Organe, die - anders als Ehrengerichte im deutschen Recht46 - keine Rechtsprechung i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE ausüben. Die Ausnahmegerichte wurden demgemäß aufgehoben47 ; allein das traditionelle Wassergericht in Valencia blieb bestehen48 . Nach Ansicht des Verfassungsgerichts verstößt zwar das Wassergericht gegen den Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt, als traditionelles und sozial anerkanntes Gericht geWährleiste es aber die unabhängige Ausübung der richterlichen Tätigkeit49 . Zu den Ausnahrnegerichten gehören die Militärgerichteso. Sie wurden jedoch auch nach der Geltung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsprechen44 Gegenstand einer heftigen Diskussion in Spanien war die Frage der Verfassungsrnäßigkeit des Art. 11 des Organgesetzes 9/1984, vom 26. Dezember. Diese Bestimmung übertrug die Zuständigkeit fiIr Straftaten, die "von Terroristen und bewaffneten Banden" ausübt worden waren, ausschließlich dem Nationalen Strafgericht (Juzgado Central de Instrocci6n) und dem Nationalgerichtshof (Audiencia Nacional). Das Verfassungsgericht wertete diese Gerichte aufgrund ihrer organisatorischen und funktionellen Eingliederung in die Gerichtsorganisation als ordentliche Gerichte: S TC 199/1987, vom 14. Dezember, FJ. 6, in: JC 19, S. 543-592 (578). 45 Guaita, Art. 26 CE, S. 115f. 46 BVerfGE 26, 186 (195); 48,300 (315ff.). 47 Zensusgerichte (Sechste Zusatzbestimmung der CE), Versicherungsgerichte (Dreizehnte Zusatzbestimmung der CE). 48 Dieses besondere "Verwaltungsgericht" setzt sich aus Mitgliedern der Genossenschaften zusammen, die öffentlich-rechtlich die acht Bewässerungskanäle des Flusses Turia verwalten. Seine auf das Mittelalter zurückgehende Gerichtsbarkeit ist noch heute anerkannt und erstreckt sich auf sämtliche Fragen der Verwaltung des Wassers durch die Genossenschaften. Über die wechselvolle Geschichte dieses Gerichts in der neueren spanischen Geschichte siehe Martin-Retortillo Baquer, S., Reflexiones, S.217-302; vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des Wassergerichts Fairen Guillen, EI Tribunal de las Aguas, S. 48ff.; über aktuelle Probleme siehe Fairen Guillen, Dos llamadas de actualidad, S. 201-216 .. 49 S TC 56/1990, vom 29. März, FJ. 47, in: JC 26, S: 686-796 (793f.). 50 Die Militärgerichtsbarkeit, deren Existenz die Bevölkerung bislang aufgrund des begrenzten Wirkungsbereichs kaum zur Kenntnis nahm, ist durch die infolge des CESID-Abhörskandals erfolgten Verhaftungen von Militärangehörigen auf Anordnung der Militärrichter wieder in die öffentliche Diskussion gekommen: vgl. EL PAIS vom 25. Juni 1995, Beilage, S. 6.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
den Gewalt beibehalten. An ihrer besonderen Regelung in der Verfassung von 1931 ist jedoch erkennbar, daß schon dem Verfassunggeber von 1931 der Widerspruch zum Grundsatz der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt bewußt war 51 . Dieser Widerspruch wurde auch bei der Erarbeitung der Verfassung von 1978 heftig diskutiert, doch setzten sich die Anhänger einer Militärgerichtsbarkeit durch 52 . Deshalb beschränkt Art. 26 CE das Verbot der Ausnahrnegerichte allein auf die Zivilverwaltung; ferner rechtfertigt Art. 117 Abs. 5 Satz 2 CE diese Durchbrechung der Einheit der Rechtsprechenden Gewalt. Damit zählt auch die Militärgerichtsbarkeit zu den Gerichten i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE53 und kann an dessen Anforderungen gemessen werden. Darüber hinaus besteht kraft Art. 117 Abs. 5 Satz 2 CE eine Institutsgarantie fiir die Militärgerichtsbarkeit54 ; das "Ob" der Militärgerichtsbarkeit kann also nicht in Frage gestellt werden. Hingegen darf die konkrete Gestaltung der Militärgerichtsbarkeit (Organisation und Zuständigkeit) anhand der Rechtssch!ltzgarantie untersucht werden. Die Militärgerichtsbarkeit ist 1987 grundlegend reformiert worden 55 . Ihre Organisation hat den rein militärisch-administrativen Charakter verloren und ist justiziell geworden56. Heute bestehen diese Gerichte in den ersten beiden Instanzen (5 Territoriale Militärgerichte, Tribunal Territorial Militar57 , und 1 Zentrales Militärgericht, Tribunal Central Militar58 ) aus Berufsrichtern und
51 Vgl. Art. 95 Abs. 4 Verfassung 11. Republik; Guaita, Art. 26 CE, S. 107; Torres del Moral, Principios Bd. 2, S. 287. 52 Guaita, Art. 26 CE, S. 113f. 53 S TC 75/1982, vom 13. Dezember, FJ. I, in: JC 4, S. 463-468 (466), in FJ. 2 (S. 466f.); S TC 180/1985, vom 19. Dezember, FJ. 2, in: JC 13, S. 593-600 (598). 54 Parada, Toque de silencio, S. 35. 55 LO 4/1987, vom 15. Juli, de la Competencia y Organizaci6n de la Jurisdicci6n Militar (BOE Nr. 171, vom 18. Juli); kritisch dazu Parada Väzquez, Toque de silencio, S.33-43. 56 Ob die Richter nunmehr "unabhängig" sind im Sinne des Art. 117 Abs. 1 CE, ist in der Lehre bezweifelt worden. Das Verfassungsgericht hat bislang noch nicht dazu Stellung genommen, obgleich seit 1989 ihm diese Frage durch ein Gericht in Sevilla vorgelegt worden ist: vgl. EL PAlS 25. Juni 1995, Beilage, S. 6. 57 Sie haben ihren Sitz in Madrid, Sevilla, Barcelona, La Corufia und Santa Cruz de Tenerife und sind zuständig bis zum Rang "Capitan". 58 Dieses Gericht hat seinen Sitz in Madrid und ist zuständig für Angelegenheiten, in denen KlägerlBeklagter mindestens "Comandante" oder "Capitan de corbeta"
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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Militärangehörigen im Verhältnis zwei zu eins. Wie beim BundesverwaltungsgerichtS9 ist beim Obersten Gerichtshof als oberstes Organ der Militärgerichtsbarkeit ein Spruchkörper (Sala) für Militärangelegenheiten geschaffen worden, der sich ausschließlich aus Berufsrichtern zusammensetzt60 . Die Militärgerichtsbarkeit war bis 1978 umfassend zuständig fiir Statusfragen, also fiir verwaltungsgerichtliche Sachverhalte, und für Disziplinar- und Strafsachen gegenüber Soldaten, aber auch fiir die Verurteilung von politischen Gefangenen und Terroristen61 . Nunmehr beschränkt die Verfassung die Militärgerichtsbarkeit auf den militärischen Bereich, und dieser muß im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie eng ausgelegt werden62 . Für Streitigkeiten zwischen Soldaten und Dienstherren über Statusfragen sind demnach heute die ordentlichen VerwaItungsgerichte zuständig63. Die Militärgerichtsbarkeit beschränkt sich auf Klagen, die genuine Fragen der Truppen betreffen und die deshalb einer besonderen Behandlung bedürfen64 : Verstöße gegen das Militärstrafrecht sowie Disziplinarsachen. Verletzungen der Rechtsschutzgarantie in diesen Verfahren sind nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts zulässig6S , denn der verfassungsrechtlich abgesicherte Status der Streitkräfte rechtfertige gewisse Einschränkungen der
ist. Bei Klagen gegen bzw. von "Capitan General", "Teniente General" und "Almirante" erkennt der Oberste Gerichtshof in erster Instanz. S9 Vgl. zum gerichtlichen Rechtsschutz in der Bundeswehr Kirchhof, Bundeswehr, Rdnr. 46. 60 Art. 55 LOPl 61
Vgl. die umfassende Darstellung bei Ruiz Ruiz, EI Derecho, S. 60-81.
62
S TC 11111984, vom 28. November, FJ. 3, in: JC 10, S. 258-273 (266).
63
Auto 6011980 vom 22. Oktober, FJ. 3, in: JC 1, S. 443-447 (445f.).
64 S TC 75/1982, vom 13. Dezember, Fl 1, in: JC 4, S.463-468 (466); S TC 5411983, vom 21. Juni, FJ. 5, in: JC 6, S. 229-238 (238); S TC 97/1985, vom 29. Juli, FJ. 2, in: JC 12, S. 473-478 (476); S TC 18011985, vom 19. Dezember, FJ. 2, in: JC 13, S. 593-600 (598); S TC 93/1986, vom 7. Juli, FJ. 8, in: JC 15, S. 434-443 (441); A TS 3. Dezember 1981 Ar. 4834; A TS 2. April 1982 Ar. 1741 und 1744; A TS 28. Oktober 1982 Ar. 6071; A TS 29. November 1982 Ar. 10799; A TS 2. Dezember 1982 Ar. 7516 und A TS 11. Juli 1983 Ar. 3837. 6S S TC 21/1981, vom 15. Juni" FJ. 6, in: JC 2, S. 58-75 (71); vgl. FJ. 17 (S. 74): "Art. 24 vincula a todos los poderes publicos y es de origen inmediato de derechos y de obligaciones y no meros pn'ncipios programaticos"; dagegen jedoch S TC 9711984 vom 19. OktoberFJ.3, in: JC 10, S. 107-112 (111).
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Rechtssphäre eines Soldaten66 . So sind z.B. Strafen wegen geringer Vergehen (falIas leves) gerichtlich nicht anfechtbar6 7 . Durch die Einschränkung der prozessualen Garantien verstößt Spanien nicht gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK68 . Art. 6 Abs. 1 EMRK fordert zwar nicht, daß Disziplinarmaßnahmen durch ordentliche Gerichte entschieden werden müssen69 , es gelten aber die gleichen Verfahrensrechte. Daher hat Spanien hinsichtlich der strafgerichtlichen Verfahren einen Vorbehalt bezüglich Art. 5 und 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention formuliert70 . c) Die Unabhängigkeit der Justizorgane Weiteres entscheidendes Merkmal der "Gerichte" i.S. der Rechtsschutzgarantie ist neben der Staatlichkeit ihre Unabhängigkeit71 . Dies wird durch die Auslegung des Begriffs Tribunal in Art. 6 Abs. 1 EMRK bestätigt. Danach sind "Gerichte" Spruchkörper, die von der Exekutive, von der Legislative und von den Parteien eines Streitfalles unabhängig sind72 . Die Gerichte genießen, wie sich aus Art. 117 Abs. 3 CE ebenso wie aus Art. 97 Abs. 1 GG ergibt,
66 Art. 15 (Möglichkeit der Todesstrafe); 25 Abs. 3 (Freiheit); 26 (Zulassung von Ehrengerichten); Art. 28 Abs. 1 S. 2 (Gewerkschaftsverbot); 29 Abs. 2 (Einschränkung des Petitionsrechts); Torres del Moral, Principios, S. 287. 67 Art. 51 LO 12/1985, vom 27. November, deI Regimen Disciplinario de las Fuerzas Armadas (BOE Nr. 286, vom 29. November). 68 S TC 21/1981, vom 15. Juni, FI. 6, in: JC 2, S. 58-75 (71) sowie S TC 22/1982 vom 12. Mai, FJ. 1, in: JC 3, S. 278-287 (286). 69 EGMR Urteil EngellNiederlande vom 8. Juni 1976, ECHR Series A 22, § 23, wonach jeder Staat kompetent ist, sein System der Militärdisziplin in den Grenzen der Freiheit zu regeln. 70 Verlautbarung des Außenministeriums vom 24. November 1986 im Hinblick auf die mangelnde Berufungsmöglichkeit bei leichten Vergehen. Aus diesem Grunde hat eine Klage bei der Kommision, die im Frühjahr 1995 eingelegt worden ist, wenig Aussichten auf Erfolg; vgl. EL PAlS 25. Juni 1995, Beilage, S. 6. Zum Hintergrund des Vorbehaltes IntKomm EMRK (Kari), Art. 6, Rdnr. 671. 71 Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 102ff.; Andres Ib!iffez, Die rechtsprechende Gewalt, S.450fT.; filr Deutschland siehe Barbey, Status des Richters, Rdnr.27fT. 72 EGMR Urteil RingeisenlÖsterreich, ECHR Series A 13, § 95; Urteil Le Compte a.o., ECHR Series A 43, § 55; Kley-Struller, Andreas, Art. 6 EMRK, S. 61; IntKomm EMRK (MiehslerNogler), Art. 6, Rdnr. 295fT.
A. Die Eröffrnmg des Rechtsweges
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Unabhängigkeit bei der Ausübung ihrer Gewalt1 3 . Unabhängigkeit bedeutet, daß die Gerichte sachlich und persönlich unabhängig sein müssen74. Die sachliche Unabhängigkeit wirkt sich insbesondere gegenüber den anderen Staatsgewalten aus und ist daher ftir die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in der zumeist die Verwaltung die Beklagte ist, fundamental 75 . Der Exekutive gegenüber muß der Richter souverän handeln können, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Der Richter kann mithin nicht seine Entscheidung ausnahmslos davon abhängig machen, daß die Verwaltung zuvor entscheidet76 . Die persönliche Unabhängigkeit ist durch die Garantie der Unabsetzbarkeit und der Unversetzbarkeit nach Art. 117 Abs. 2 CE bzw. Art. 97 Abs. 2 GG gewährleistet. Problematisch ist die Unabhängigkeit gegenüber der Legislative. Normative Akte dieser Gewalt binden naturgemäß die Richter77 . Dazu gehören auch legislative Organisationsakte; so steht es im Ermessen des Gesetzgebers, bestehende Gerichte und Gerichtszweige aufzulösen und sie durch andere zu ersetzen, solange der effektive gerichtliche Rechtsschutz erhalten bleibt. Eine Institutsgarantie fiir die bestehenden Verwaltungsgerichte mit der Folge, daß normativ angeordnete Versetzungen der Richter untersagt wären, läßt sich weder aus Art. 24 Abs. 1 CE noch aus Art. 19 Abs. 4 GG herleiten78 . Handelt der Gesetzgeber nicht als legislative Gewalt, entfällt die materielle Bindung der Gerichte79 . Das ist insbesondere fiir Untersuchungsausschüsse von Bedeutung. Sowohl nach Art. 44 Abs. 4 Satz 2 GG als auch nach Art. 76 73 S TC 64/1983, vom 2l. Juli, FJ. 3, in: JC 6, S. 343-352 (350); eine rechts vergleichende Darstellung hierzu bei Diez-Picazo, Sobre la independencia, S. 161-178; zur grundgesetzlichen Regelung: vgl. Barbey, Status des Richters, Rdnr. 30f 74 Gonzalez Perez, EI derecho a la tutela, S. 47; Diez-Picazo, Sobre la independencia, S. 162. 75 Gonzalez Perez, Manual, S. 92. 76 S TC II 911 983, vom 14. Dezember, FJ. 2, in: JC 7, S.476-483 (481) : Hier hatte ein Gericht ein Verfahren ausgesetzt, um das Urteil eines administrativen Schiedsgerichts abzuwarten, das sich jedoch noch gar nicht konstituiert hatte; vgl. Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 1001. 77 Dazu gehören jedoch nicht Rechtsverordnungen, soweit sie verfassungswidrig sind: S TC 101/1991, vom 13. Mai FFJJ. 2 und 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S 319-328; BVerfGE 18,52 (59); 19, 17 (31f). 78 Vgl. BVerfGE 87, 48 (61). 79 Gonzalez Perez, EI derecho a la tutela, S.49; Diez Picazo, Regimen constitucional, S. 105f
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Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz CE sind die Gerichte weder sachlich noch rechtlich an die Ergebnisse der Untersuchungsausschüsse gebunden. Zur Sicherung dieser sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit der Gerichte ist in Spanien gemäß Art. 122 Abs. 2 CE der Generalrat der Rechtsprechenden Gewalt (Consejo General dei Poder Judicial, CGPJ) eingerichtet worden, der in Deutschland keine Entsprechung hat 80 . Der Rat ist das Verwaltungsorgan der Rechtsprechenden Gewalt und als Verfassungsorgan81 gleichzeitig ihr Sprachrohf82 . Er setzt sich aus einem Präsidenten, der gleichzeitig der Präsident des Obersten Gerichtshofes ist, und 20 Mitgliedern zusammen, die je zur Hälfte von Senat und vom Abgeordnetenhaus gewählt und vom König ernannt werden (Art. 111 f. LOPJ). Sieht sich ein Richter in seiner Unabhängigkeit durch Organe anderer Staatsgewalten beeinträchtigt, kann er nach Art. 14 LOPJ den CGPJ anrufen, der die notwendigen Maßnahmen trifft, um die Unabhängigkeit des Richters zu schützen83 .
2. Das Recht auf die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 19 Abs. 4 GG garantieren nur eine einzige richterliche Tatsacheninstanz84 . Die Rechtsschutzgarantie gibt das Recht, die 80
Cruz Villal6n, Zehn Jahre spanische Verfassung, S. 96f.
81
Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 133.
Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 145; Almagro Nosete/ Tome Paule, Instituciones S. 115: Seine Funktionen sind vielfältig: Er schlägt einen Kandidaten fiIr die Wahl des Präsidenten des Obersten Gerichts (Art. 107 Nr. 1 LOPJ) und von zwei Richtern des Verfassungsgerichts (Art. 159 Abs. 1 CE) vor, er muß vor der Wahl des Generalstaatsanwalts (Fiscal General dei Estado) angehört werden. Er ernennt selbst die Richter des Obersten Gerichtshofes, übt das Diziplinar- und Beförderungsrecht gegenüber Richtern aus (Art. 107 Nr. 4 LOPJ), überwacht die Arbeit der Gerichte (Art. 107 Nr. 3 LOPJ); er muß angehört werden bei Gesetzesentwürfen und Rechtsvorschriften über Prozeßrecht, Gerichtsorganisation und -verfahren sowie Strafvollzug (Art. 108 Abs. 1 LOPJ). Abschließend legt er dem Parlament ein Jahresbericht vor über organisatorische und funktionale Aspekte des Zustands der Rechtspflege in Spanien (Art. 109 Abs. 1 LOPJ); umfassend zu seinem Inititativrecht: Carretero Perez, Precisiones sobre la facultad, S. I 47ff. 82
83 Bekannt ist der Fall des Untersuchungsrichters Baltasar Garz6n geworden, der nach heftigen Attacken von Politikern in den Medien den CGPJ um Schutz angerufen hat. Der CGPJ hat in einer öffentlichen Erklärung am 25. Januar 1995 Politiker und Medien zur Wahrung der Unabhängigkeit der Richter aufgerufen: vgl. EL PAlS vom 26. Januar 1995, S. 12f. 84 S TC 14/1982, vom 21. April, FJ. 5, in: JC 3, S. 185-195 (193); S TC 92/1983, vom 8. November FJ. 1, in: JC 7, S. 149-167(162); S TC 50/1990, vom 26. März FJ. 3,
A. Die EröffilUng des Rechtsweges
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behauptete Rechts- bzw. Interessenverletzung durch ein unabhängiges staatliches Organ kontrollieren zu lassen. Weder dem Effektivitätsgedanken85 noch anderen Verfassungsbestimmungen kann das Recht entnommen werden, den einmal durch ein gerichtliches Urteil erfahrenen Rechtsschutz i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE bzw. des Art. 19 Abs. 4 GG ein zweites Mal zu verlangen. Nur für das Strafverfahren gibt Art. 24 Abs. 1 CE das Recht auf eine weitere Instanz. Dieses Recht, das Art. 14 Abs. 5 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte verankert86 , folgt auch aus der Internationalisierung der Rechtsschutzgarantie nach Art. 10 Abs. 2 CE87. Die zweite Instanz muß dabei durch den Gesetzgeber ausgeformt werden; es ist den Gerichten verwehrt, auf der Grundlage der Rechtsschutzgarantie selbst ein solches Verfahren zu schaffen88 . Das spanische Verfassungsgericht beschränkt dieses Recht ausdrücklich auf das strafrechtliche Verfahren, so daß es nicht auf andere Gerichtszweige übertragbar ist89 . Die Rechtsschutzgarantie geWährleistet also nur einen Mindeststandard an Rechtsschutz. Der Gesetzgeber hat aber die Möglichkeit, über das gebotene eininstanzliehe Verfahren hinaus einen Gerichtsinstanzenzug zu schaffen90 . Hat der Gesetzgeber einen zusätzlichen Instanzenzug geschaffen, muß die
in: Rep. Ar. 1990/1, S. 602-608 (606); A TS 11. März 1994 Ar. 2431; S TS 24. Mai 1994 Ar. 5306; BVerfGE 4, 74 (95); 4, 205 (211f.); 4, 387 (411f); 6, 7 (12); 11,232 (233); 49,329 (340); 65, 76 (90); 78, 7 (18); 78, 88 (99); 83, 24 (31); 87,48 (61); 89, 381 (390); BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 54fT. MDHSlHerzog, Art. 92 GG, Rdnr.67; Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 154; SclunidtBleibtreuIKlein, Art. 19 Rdnr. 19; aA hingegen nunmehr Voßkuhle, Rechtsschutz, S.255fT. 85 So aber in Deutschland vertreten von Bauer, Gerichtsschutz, S. 101; dagegen zutrefTend BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 56.
86 Vgl. hierzu Nowak, CCPR-Kommentar, Rdnr. 64fT. m.w.N. 87 Vgl.S TC 42/1982, vom 5. Juli, FJ. 3, in: JC 4, S. 8-15(14); Chamorro Bemal,
La tutela judicial, S. 81. 88
S TC 42/1982, vom 5. Juli, FJ. 2, in: JC 4, S. 8-15(13).
89
A TC 652/1986, vom 23. Juli, FJ. 1, in: JC 10, S. 1165-1167 (1166).
90 S TC 3/1983, vom 25. Januar, FJ. 4, in: JC 5, S. 19-39 (28); S TC 46/1989, vom 21. Februar, FJ. 2, in: JC 23, S. 506-514 (511); prägnant ATC 88/1984, vom 15. Februar, Einziger FJ, in: JC 8, S. 927-929 (928): "EI legislador puede configurar los recursos que crea convenientes de la manera que juzgue mus oportuna. sin otro limite que el que impone la propia Constituci6n"; Figuerue10 Burrieza, EI derecho, S. 81.
80
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Instanz dem Bürger offenstehen91 . Zu diesen Instanzen gehören auch die außerordentlichen Rechtsmittel92 . Insoweit gewährleistet die Rechtsschutzgarantie das Recht auf die gesetzlich vorgesehenen Instanzen93 . Die weiteren Instanzen genießen jedoch keinen Bestandsschutz, so daß der Gesetzgeber sie wieder abschaffen kann94 . Bei der Gestaltung des zusätzlichen Instanzenzugs hat der Gesetzgeber weiten Freiraum. So kann er die Zulässigkeit des Rechtsmittels von der Einhaltung bestimmter Fristen und sonstiger formeIIer Voraussetzungen abhängig machen9s . Doch folgt aus dem Recht auf das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel das Verbot, Voraussetzungen zu schaffen, die in unzumutbarer Weise den Zugang zu diesem Rechtsmittel versperren. Daher sind die Richter auch verpflichtet, die Zulassungsvoraussetzungen "antiformalistisch", d.h.
91 Vgl. unter vielen anderen S TC 90/1983, vom 7. November, Fl2, in: JC 7, S. 127-135 (132); S TC 76/1982, vom 14. Dezember, FJ. 5, in: JC 4, S. 469- 484 (479); S TC 118/1987, vom 8. Juli, Fl 2, in: JC 18, S. 629-637 (634f); S TC 180/1987, vom 12. November, FJ. 2, in: JC 19, S. 353-364 (361); S TC 46/1989, vom 21. Februar, FJ. 2, in: JC 23, S. 506-515 (511f); BVerfGE 22, 49 (8If); 27, 297 (310); 49,329 (341); 78, 7 (18); Lorenz, Rechtsschutz, S. 254. 92 S TC 46/1984, vom 28. März, FJ. 2, in: JC 8, S.542-547 (545f); S TC 110/1985, vom 8. Oktober, FJ. 3, in: JC 13, S. 117-125 (122); S TC 139/1985, vom 18. Oktober, FJ. 3, in: JC 13, S. 181-190 (188); S TC 81/1986, vom 20. Juni, FJ. 2, in: JC 15, S. 280-293 (288). 93 S TC 46/1984, vom 28. März, Fl 2, in: JC 8, S.542-547 (545); S TC 110/1985, vom 8. Oktober, Fl 2, in: JC 13, S. 117-125 (121); S TC 81/1986, vom 20. Juni, FJ. 2, in: JC 15, S. 280-293 (288); S TC 87/1986, vom 27. Juni 1986, FJ. 2, in: JC 15, S. 359-367 (365); S TC 69/1987, vom 22. Mai, FJ. 4, in: JC 18, S. 169-178 (176f.); S TC 130/1987, vom 17. Juli, Fl 2, in: JC 18, S: 777-783 (781); S TC 50/1990, vom 26. März Fl 3, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 602-608 (606); S TC 20/1991, vom 31. Januar, FJ. 3; S TC 75/1993, vom 14. März, FJ. 3, in: BJC 75 (1994), S. 33-36 (35f); S TS 24. Februar 1994 Ar. 962; A TS 11. März 1994 Ar. 2431; S TS 16. Juni 1994 Ar. 5251; Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 81. 94 So hat der Gesetzgeber 1992 die Berufung (recurso de apelaci6n) abgeschafft durch das Gesetz 10/1992, vom 30. April, de Medidas Urgentes de Reforma Procesal (BOE Nr. 108, vom 5. Mai 1992). 95 Vgl. u.a. ATC 196/1984, vom 28. März, Einziger FJ, JC 8, S. 1326-1329 (1329); A TS 11. März 1994 Ar. 2431; S TS 3. Juni 1994 Ar. 5004; zum zulässigen Mindeststreitwert bei der Kassationsldage A TS 23. Juni 1994 Ar. 5261; zu den besonderen Kassationsgrtlnden S TS 18. April 1994 Ar. 3027; Chamorro Bemal, La tutela judicial, S.91.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
81
weit auszulegen96 ; insbesondere müssen sie die gesetzlichen Möglichkeiten der Heilung von Verfahrensfehlem so weit als möglich ausnutzen97 . Wenn Rechtsmittel eingelegt werden, ist nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts wegen des Grundsatzes der Bindung der Gerichte an die Anträge das Verbot der reformatio in peius zu beachten98 . Jedoch hatte das Verfassungsgericht über dieses Verbot bisher nur für den Zivil- und Strafprozeß zu entscheiden99 ; da jedoch Verwaltungsgerichte ebenso wie in Deutschland 100 in jeder Instanz an die Anträge der Parteien gebunden sind, gilt das Verbot auch rur verwaltungsgerichtliche Verfahren. 3. Das Gebot der Klarheit des Rechtsweges
Eine weitere Forderung der Rechtsschutzgarantie in Spanien und in Deutschland lOl ist es, den Beteiligten Klarheit über den Rechtsweg zu verschaffen.
96 S TC 21/1989, vom 31. Januar, FJ. 4, in: JC 23, S.21O-219 (218); S TC 17611990, vom 12. November, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 356-362 (361f.); S TC 5011990, vom 26. März FJ. 3, in: Rep. Ar. 199011, S. 602-608 (606); S TS 4. März 1994 Ar. 2419. Figueruel0 Burrieza, EI derecho, S. 82.
97 S TC 23/1982, vom 13. Mai, FJ. 3 und 4, in: JC 3, S. 288-294 (293f.): Die Klage eines Bürgers kann daher nicht aufgrund Fristüberschreitung als unzulässig abgewiesen werden, wenn der Bürger eine falsche Rechtsmittelbelehrung vom erstinstanzlichen Gericht erhalten hat; S TC 5711988, vom 5. April, FJ. 3, in: JC 20, S. 696-702 (701); S TC 10511989, vom 8. Juni, FJ. 2, in: JC 24, S.374-380 (378f.); S TC 20211989, vom 30. November, FJ. 1, in: JC 25, S. 637-641 (640): Auch darf das Fehlen der Unterschrift des Prozeßbevollmächtigten nicht zur Klageabweisung fUhren; Chamorro Bemal, La tuteIa judicial, S. 88f. 98 A TC 70111984, vom 2l. November, Fl 3, in: JC 10, S. 1219-1224 (1223); S TC 6/1987, vom 28. Januar, in: JC 17, S. 68-73 ; S TC 1311987, vom 1l. Februar, in: JC 17, S. 122-129; 20611987, vom 2l. Dezember, in: 651-660; S TC 14311988, vom 12. Juli, FJ. 2, in: JC 21, S. 559-564 (563); S TC 1711989, vom 30. Januar, FJ. 7, in: JC 23, S: 169-181 (180); Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 167; siehe unten S.186 .. 99
S TC 15/1987, vom 1l. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S. 136-145 (143).
100 Vgl. Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 88 Rdnr. 4; Kopp, VwGO, § 88 Rdnr. 6f.; zu den Ausnahmen, insbesondere im Rahmen der Anschlußberufung vgl. Eyermann/Fröhler, § 127, Rdnr. 1 und § 129 Rdnr. 5ff. 101 Vgl. BVerfGE 57, 9 (22); MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs.4 GG, Rdnr. 231; Schmidt-Jortzig, Effektiver Rechtsschutz, S. 257l. 6 Martinez Sari.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
a) Das Bestehen verschiedener Rechtswege Um einen effektiven Rechtsschutz nach Art. 24 Abs. I CE zu gewährleisten, der den jeweiligen Anforderungen bestimmter Streitfallgruppen Rechnung trägt, kann der Gesetzgeber verschiedene Rechtswege schaffen 102 . Eine Mehrzahl von Rechtswegen verstößt nicht gegen das Einheitsprinzip, da dieses auf die Gerichtsorganisation beschränkt ist 103 . Art. 9 LOPJ darf also die Rechtsprechung in eine Zivilgerichtsbarkeit (Abs. 2), eine Strafgerichtsbarkeit (Abs. 3), eine Verwaltungsgerichtsbarkeit (Abs. 4) und eine Sozialgerichtsbarkeit (Abs. 5) aufteilen. Der Gesetzgeber ist aber verpflichtet, die Zuständigkeiten der verschiedenen Rechtswege so zu regeln, daß sie in ihren Grundzügen klar und fiir den Bürger nachvollziehbar sind. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die ordentliche und allgemeine Gerichtsbarkeit bei der Kontrolle der Verwaltung 104 . So grenzt sie sich nach Art. 9 Abs. 4 LOPJ von den anderen Gerichtsbarkeiten durch den angefochtenen Gegenstand ab: ein Handeln der Verwaltung kraft Verwaltungsrechts 105 . Handelt die Verwaltung im fiskalischen Bereich, ist die Zivilgerichtsbarkeit zuständig. Trotz der im Grundsatz klaren Aufteilung der Zuständigkeiten kann es zu Überschneidungen kommen. Nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts ist aber Art. 24 Abs. I CE selbst dann nicht verletzt, wenn über den gleichen Sachverhalt zwei Gerichte widersprüchliche Entscheidungen treffen. Jeder Rechtsweg ist hier getrennt voneinander zu bewerten 106 . Eine Hauptforderung der Lehre zur Klarheit des Rechtsweges war, den Rechtsweg bei Haftungsklagen gegen den Staat zu vereinheitlichen. Die Haftung des Staates kann sich sowohl aus einem fiskalischen als auch aus einem hoheitlichen Handeln ergeben. Soweit der Staat fiskalisch tätig war, erklärte Art. 41 des Gesetzes über die Rechtsstellung der Staatsverwaltung von 1957 (Ley de Regimen Juridico de la Administracion de Estado. LRJAE)107 für Haftungsklagen gegen den Staat die Zivilgerichtsbarkeit fiir zuständig. Für fiskalisches Handeln der Gemeinden und ab 1978 der autonomen Gemeinschaften war ebenso wie für den gesamten Bereich öffentlich-rechtlichen Han102 S TC 43/1987, vom 8. April, FJ. 3, in: JC 17, S. 502-510 (509); S TC 1111982, vom 29. März 1982, FJ. 3, in: JC 3, S. 151-159 (158). 103 Gonzalez Perez, Manual, S. 69 und 83. 104 S TS 11. Juli 1989 Ar. 5887. 105 Gonzalez Perez, Manual, S. 95; hierzu näheres unter S. 200fT. 106 S TC 70/1989, vom 20. April, FJ. 4, in: JC 23, S. 791-800 (799f). 107 BOE Nr. 195, vom 31. Juli 1957.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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delns die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig. Es ist aber rur den Bürger schwierig zu bestimmen, ob der Staat oder z.B. die Gemeinde fiskalisch oder hoheitlich gehandelt hat. Daher hat der Gesetzgeber die Forderung der Lehre erfiillt und hat durch Art. 142 Abs. 6 LRJPA nunmehr rur alle Bereiche der Haftung von Verwaltungsorganen die Verwaltungsgerichtsbarkeit rur zuständig erklärt l08 . b) Die Rechtsschutzgarantie und die Unzuständigkeit des Gerichtes Da die Aufspaltung des Rechtsweges mit der Rechtsschutzgarantie vereinbar ist, kann nichts anderes rur die Abweisung einer Klage gelten, die im falschen Rechtsweg erhoben worden ist l09 . Ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, beurteilt sich in Spanien und grundsätzlich auch in Deutschland llO nach einfachem Recht und nicht nach der Rechtsschutzgarantie lll . Art. 24 Abs. 1 CE verpflichtet nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts die Gerichte, nicht nur von Amts wegen die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs zu pliifen 112; sie müssen bei fehlender Rechtswegzuständigkeit dem Kläger gemäß Art. 5 Abs. 3 LJCA i. V.m. Art. 8 Abs. 3 LJCA den richtigen Rechtsweg nennen und damit "verhindern, daß der Bürger einen Kreuzweg (Ca/vario) durch die Gerichte gehen muß" I 13 . Die Gerichte müssen
108 Gonzalez Perez, Los obstaculos deI acceso, S. 361; Gonzalez PerezJGonzalez Navarro, LRJPA, S. 1390. 109 S TC 1111981, vom 8. Juli 1981, in: JC 2, S. 461-462 (462); S TC 37/1982, vom 16. Juni, FI. 2, JC 3, S. 453-461 (458); S TC 49/1983, vom l. Juni, FJ. 7, in: JC 6, S. 189-196 (195); S TC 112/1986, vom 30. September, FJ. 2 und 3, in: JC 16, S. 3244 (43f.). 110 Ausnahmsweise folgt aus dem Grundgesetz seIbst eine Rechtswegzuweisung: Art. 14 Abs. 3 GG; Art. 34 Satz 3 GG.
111 Chamorro Bemal, La tutelajudicial, S. 197; BVerfGE 57,9 (20). 112 S TC 112/1986, vom 30. September, FI. 2, in: JC 16, S. 32-44 (43): "Tiene la naturaleza de cuesti6n de orden publico apreciable de oficio por los 6rganos judiciales en ejercicio de la potestad que les confiere el art. 117,3 CE"; ebenso S TC 60/1982, vom 1l. Oktober 1982, FI. 1, in: JC 4, S. 248-259 (255); ebenso S TC 109/1983, vom 29. November 1983, FJ. 2, in: JC 7, S. 345-351 (349); sowie S TC 1/1987, vom 14. Januar, FJ. 3, in: JC 17, S. 1-12 (10); S TC 43/1987, vom 8. April, FJ. 2, in: JC 17, S. 502-510 (508); S TS 30. April 1988 Ar. 3233; Gonzalez Perez, Manual, S. 96. 113 S TC 26/1991, vom 1l. Februar, FJ. 3,in: Rep. Ar. 1991/1, S. 278-285 (284); ebenso S TC 196/1990, vom 29. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S.570-580 (577); S TS 5. Juli 1988 Ar. 5862. Dieses ist wohl wie in Deutschland nicht auf das 6*
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
bei Abweisung der Klage wegen unzuständiger Gerichtsbarkeit die zuständige bezeichnen bzw. bei örtlicher Unzuständigkeit die Klage unmittelbar an das zuständige Gericht oder die zuständige Kammer weiterleiten 114 . Es ist somit unzulässig, daß jemand zum "zuständigen Rechtsweg" verwiesen wird, ohne daß dieser genau bezeichnet wird, da hier das Gericht seine schützende Funktion nicht erfiillt 11 5 . Ein wesentliches Ziel der Rechtsschutzgarantie ist damit, daß die Feststellung der Unzuständigkeit keine "Schutzlosigkeit des Bürgers" herbeiführt. Dieses wäre auch dann der Fall, wenn eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung feststellt, daß keine der Gerichtsbarkeiten zuständig ist l16 . Die Rechtsschutzgarantie fordert demnach das Bestehen einer Ersatzzuständigkeit. Während sie in Deutschland ausdrücklich in Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG geregelt ist 117 , haben in Spanien das Verfassungsgericht und der Oberste Gerichtshof sie unmittelbar aus der Rechtsschutzgarantie entwickelt118 . Danach ist bei Klagen, in denen eine Partei ein Verwaltungsorgan ist, im Zweifel die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig. Wird die Unzuständigkeit erst im fortgeschrittenen Verfahren festgestellt, könnte dies den Rechtsschutz des Bürgers unmöglich oder sinnlos machen (z.B. bei Erledigung der Verwaltungsmaßnahme); der Bürger bleibt dann schutzlos. Das Fehlen der Zuständigkeit kann ein spanisches Gericht in drei verschiedenen Phasen des Prozesses feststellen: Während der Zulässigkeitsprüfung, sobald die Klage nach Art. 62 Abs. 1 a) LJCA eingereicht wird, bei der ersten Stellungnahme der Parteien nach Art. 71 LJCA, oder bei der Urteilsverkündung nach Art. 82 a) LJCA. Früher entschieden die Gerichte regelmäßig erst bei der Urteilsverkündung über die Zulässigkeit (Art. 82 a) LJCA). Das führte oft dazu, daß erst nach einem langjährigen Verfahren die Klage administrative Verfahren übertragbar: BVerfGE 46, 242 (252); offengeiassen in BVerfGE 40,237 (258f). 114 A TS 22. Februar 1985 Ar. 1225; S TS 13. Dezember 1985 Ar. 6268; S TS 6. April 1990 Ar. 2858. 115 S TC 43/1984, vom 26. März, FJ. 2 und 6, in: JC 8, S. 498-514 (510f und 514); S TC 26/1991, vom 11. Februar, FJ. 3, in: Rep. Ar. 199111, S. 278-285 (285). 116 S TC 19/1981, vom 8. Juni 1981, FJ. 3, in: JC 2, S. 42-47 (46); S TC 128/1989, vom 17. Juli, FJ. 5, in: JC 24, S. 589-601 (600); Chamorro Bemal, La tuteiajudicial, S. 23 m.w.N. aus der Rechtsprechung. 117 BVerfGE 57, 9 (21). 118 S TC 185/1990, vom 15. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S.452-462 (460); S TS 11. Juli 1989 Ar. 5887.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit abgewiesen wurde. Das spanische Verfassungsgericht hat deshalb auf die anderen möglichen Zeitpunkte der Feststellung hingewiesen, so insbesondere auf den des Art. 62 Abs. 1 a) LJCA. Eine Feststellung der sachlichen oder örtliche Unzuständigkeit durch ein Urteil, d.h. im letztmöglichen Zeitpunkt, verzögere unnötig das Verfahren und verletze das Recht des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz. Deswegen sei Art. 82 a) LJCA, soweit er die Abweisung der Klage aufgrund mangelnder örtlicher und sachlicher Zuständigkeit durch Urteil ermöglicht, verfassungswidrig l19 . Die Verfassungswidrigkeit folgt weiterhin aus dem Gebot eines Verfahrens ohne unnötige Verzögerungen nach Art. 24 Abs. 1 und 2 CE120. Die Gerichte müssen also im frühestmöglichen Zeitpunkt ihre Zuständigkeit prüfen und bei Unzuständigkeit unverzüglich die Klage unter Hinweis auf die zuständige Gerichtsbarkeit abweisen. Diese Pflicht ist nicht einklagbar, sie kann aber eine Staatshaftung rur die verzögerungsbedingten Schäden nach Art. 292 ff. LOPJ begründen.
11. Die Eröffnung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsweges in Spanien Seit 1904 ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Spanien vollständig in die ordentliche Gerichtsbarkeit integriert. Anders als in Deutschland bestehen somit in Spanien keine eigenständigen Verwaltungsgerichte, sondern innerhalb der ordentlichen Gerichte werden verwaltungsgerichtliche Kammern gebildet. Die Gerichtsorganisation wird heute zu einem großen Teil im Gesetz über die Rechtsprechende Gewalt (Ley Organica dei Poder Judicial, LOPJ)121 ausgestaltet. Ziel dieses Gesetzes war, die bestehende Gerichtsstruktur, die ursprünglich vollständig in der LJCA geregelt war, der Verfassung anzupassen, insbesondere der Rechtsschutzgarantie l22 und der neuen territorialen
119 Noch vorsichtig: S TC 126/1984, vom 26. Dezember, FI. 3, in: JC 10, S. 429443 (443f.); ausdrücklich jedoch schon SS TC 2211985, vom 15. Februar, FJ. 4 und 6, in: JC 11, S. 219-235 (228 und 231f.); 3911985, vom 11. März, FI. 3, in: JC 11, S. 381392 (389); 10911985, vom 8. Oktober, FJ. 5, in: JC 13, S. 100-116 (112); 55/1986 vom 9. Mai, FI. 3, in: JC 15, S. 23-32 (32); 90/1991, vom 25. April FFJJ 2 und 3, in: Rep. Ar. 1991, S. 232-238 (236 und 238); A TS 22. Februar 1985 Ar. 1225; S TS 13. Dezember 1985 Ar. 6268; S TS 12. November 1986 Ar. 8066. 120 Siehe S. 34. 121 Organgesetz 611985, vom 1. Juli (BOE Nr. 157, vom 2. Juli). 122 Motive zur LOPJ Titel VII Abs. 1.
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Gliederung des Landes 123 . Der Gesetzgeber hat es jedoch bis heute unterlassen, die Bestimmungen in die LJCA zu integrieren l24 . Die erste Zusatzbestimmung der LOPJ verpflichtete den Gesetzgeber zwar, binnen Jahresfrist ein Gesetz über die Gerichtsverfassung zu erlassen und die LJCA an die neuen Regelungen anzupassen; der Gesetzgeber hat dieses Gerichtsverfassungsgesetz (Ley de Demarcaci6n y de Planta Judicial, LPLANTA) jedoch erst 1988 verkündet 125 und bis heute ist er seiner Anpassungspflicht nicht nachgekommen. Darüber hinaus erfaßt die LPLANTA nicht alle Veränderungen, so daß der Bürger zugleich die LJCA, die LOPJ sowie die LPLANT A betrachten muß, um den zulässigen Rechtsweg zu erkennen. Diese gesetzliche Regelung ist so unübersichtlich, daß es die Forderung des Art. 24 Abs. 1 CE nach Klarheit des Rechtsweges verletzt. Der spanische Gesetzgeber hat seine Befugnis, weitere Instanzen zu schaffen, ausgeübt und einen im Grundsatz zweiinstanzlichen Rechtszug eröffnet. Hierfiir sieht die LOPJ gleich runf Gerichtsorgane vor, deren Zuständigkeit sich weitgehend danach richtet, welche Behörde die Verwaltungsmaßnahme erlassen hat 126 : Juzgado de 10 Contencioso-Administrativo (Verwaltungsgericht)
Verwaltungsgerichtliche Kammer des Tribunal Superior de Justicia (Hoher Gerichtshof) Verwaltungsgerichtliche Kammer der Audiencia Nacional (Nationalgerichtshof) Verwaltungsgerichtliche Kammer des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) Revisionskammer beim Tribunal Supremo 123 Motive zur LOPJ Titel n Abs. 2 und 3; kritisch gegenüber der bloßen Anpassung der Gerichtsorganisation statt einer völligen Neuregelung: Cruz Villal6n, Zehn Jahre spanische Verfassung, S. 93. 124 Nach der Aufhebungsbestimmung Abs. I Nr. 6 der LOPJ ist die LJCA insoweit aufgehoben, wie sie im besonderen der Gerichtsbarkeit und der Organstruktur widerspricht.
125 Ley 38/1988, vom 28. Dezember 1988, de Demarcaci6n y de Planta Judicial (BOE Nr. 313, vom 30. Dezember, berichtigt: BOE Nr. 122, vom 23. Mai 1989). 126 Palomar Olmeda, Aspectos orglinicos, S.438; Parada Väzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 675.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
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1. Die einzelrichterlichen Venvaltungsgerichte (Juzgado de 10 Contencioso-Administrativo)
Nach Art. 90 Abs.l LOPJ soll in jeder spanischen Provinzhauptstadt mindestens ein Verwaltungsgericht (Juzgado de 10 contencioso-administrativo) geschaffen werden, dessen Gerichtsbarkeit sich auf die gesamte Provinz erstreckt. Ausnahmsweise kann nach Art. 90 Abs. 3 der Gerichtsbezirk eines Gerichtes mehrere Provinzen umfassen, die aber innerhalb einer autonomen Gemeinschaft liegen müssen. Bei den Verwaltungsgerichten sollen Einzelrichter entscheiden127 . Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte regelt eine Generalklausel. So sollen diese Gerichte nach Art. 91 LOPJ über alle Streitigkeiten erkennen, die nicht ausdrücklich den anderen Gerichten zugewiesen sind. Angesichts solcher besonderer Zuweisungen an andere Gerichte sind die Verwaltungsgerichte nur zuständig für Klagen gegen Handlungen der Kommunalverwaltung und der unteren Verwaltung der autonomen Gemeinschaften. Ausgeschlossen sind die Handlungen der obersten Organe autonomer Gemeinschaften (Regierung, Parlament), es sei denn, sie handeln als Widerspruchsbehörden. Ebenfalls ausgeschlossen sind sämtliche Handlungen der zentralstaatlichen Verwaltung. Bis heute sind diese Gerichte wegen der hohen Kosten aber nicht eingerichtet worden l28 . Aus diesem Grunde bestimmt Art. 57 LPLANTA, daß bis zu ihrer Schaffung die Hohen Gerichtshöfe (Tribunales Superiores de Justicia) ihre Aufgaben wahrnehmen. Das Fehlen der Verwaltungsgerichte hat das Rechtsmittelsystem noch unübersichtlicher werden lassen. So sah Art. 74 Abs. 2 LPLANTA gegen die Entscheidungen der Einzelrichter ein Rechtsmittel bei 127 Wie in Spanien ist auch in der Bundesrepublik der Einzelrichter zur Entlastung der verwaltungsrechtlichen Rechtspflege eingeftlhrt worden. Dieses erfolgte durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.1. 1993 (BGBL I S. SOff.). Danach soll der Richter in den Fällen zuständig sein, in denen 1. die Sache keine besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und 2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Dadurch ist der Einzelrichter, der in der bisherigen Verwaltungsgerichtsbarkeit die Ausnahme war (vgl. §31 I 1 AsylVfG oder § 4 Abs.2 VereinsG, sowie § 180 VwGO) zu einer Regelerscheinung geworden; vgl.Redeker, Prozeßordnungen, S. 214; Stelkens, Stru1cturveränderungen, S. 315; Hamann, Kollegialprinzip, S. 201. Zur Frage der Entstehungsgeschichte vgl. die Ausfilhrungen des Rechtsausschusses zum Entwurf BT-Drucksache 12/1217 vom 29. April 1992. S.54: "Es dient zur Entlastung der Gerichte und zur Beschleunigung. Eine Qualitätsgefllhrung sei nicht zu befilrchten. Es ist an § 31 AsylG und § 348 ZPO orientiert, doch soll kein Ermessen der Kammer vorgesehen sein". Die Bundesregierung zog jedoch auch die Möglichkeit einer Kann-Lösung in Betracht (S. 72). 128 Gonzalez Perez, Manual, S. 124.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
den Hohen Gerichtshöfen (Tribunales Superiores de Justicia) vor. Folglich dürfte kein Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Hohen Gerichtshöfe möglich sein, die diese anstelle der Verwaltungsgerichte treffen. Das Fehlen der Verwaltungsgerichte verletzt damit die Rechtsschutzgarantie, da das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel allein aus tatsächlichen Gründen nicht angewandt werden kann. Daher ist nun ständige Rechtsprechung, daß bis zur Schaffung der Verwaltungsgerichte das Rechtsmittel gegen erstinstanzliche Urteile nicht beim Hohen Gerichtshof sondern beim Obersten Gerichtshof eingelegt werden soll129 . Die gesetzliche Einfiihrung des Einzelrichters hat zu einer heftigen Kritik der Lehre in beiden Ländern gefiihrt 130 : Kernpunkt war die Befiirchtung, die Verkleinerung des Spruchkörpers mindere die Qualität der verwaltungsgerichtlichen Urteile 131 . Eine verwaltungsgerichtliche Klage habe zumeist schon ein Vorverfahren durchlaufen, die Rechts- und Sachlage sei also durch kundige Juristen geprüft worden, so daß einer Einzelperson nicht letzte rechtliche Beurteilung, die auch eine Wirkung als Richtlinie gegenüber der Verwaltung habe l32 , übertragen werden könne 133 . Es ist jedoch weitgehend eine Frage einfachen Rechts, ob verwaltungsgerichtliche Urteile durch die Verkleinerung der Spruchkörper an Qualität einbüßen. Soweit der Einzelrichter eine umfassende Wertung der Sach- und Rechtslage 134 gewährleisten kann, ist weder nach Art. 24 Abs. 1 CE noch nach Art. 19 Abs. 4 GG eine Kammerentscheidung notwendig 13 .5 •
129 Nachweise bei Gonzlilez Perez, Manual, S. 131f. 130 Gonzlilez Perez, Manual, S. 124; Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 59. 131 In Spanien: Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 683; In Deutschland: Stelkens, Strukturveränderungen, S. 315; Das Gesetz, S.215; Redeker, Prozeßordnungen, S. 214f.; Clausing, Strukturveränderungen, S. 717, m.w.N. in S. 719 Fn. 21; Schnellenbach, Das Spruchkörperprinzip, S. 345ff. dafilr jedoch Schmieszek, Die Novelle, S. 525; vgl. die Untersuchung von Rottleuthner, Der Einzelrichter, S. 164ff.zu den Erfahrungen des Einzelrichters in der Zivilgerichtsbarkeit. 132 Hamann, Kollegialprinzip, S. 202. 133 Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S.671; Redecker, Prozeßordnungen, S. 215; Hamann, Kollegialprinzip, S. 202; zum Kollegialprinzip in seiner geschichtlichen Entwicklung, Ule, Anse1m Feuerbach heute, S. 803f. 134 Hierzu siehe S. 248ff. 13.5 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 174.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
89
2. Die Hohen Gerichtsh6fe in den autonomen Gemeinschaften (l'ribunales Superiores de Justicia)
Die in Art. 9 ff. LJCA vorgesehenen "Territorialgerichtshöfe" sind nunmehr durch die verwaltungsgerichtlichen Kammern bei den Hohen Gerichtshöfen in den autonomen Gemeinschaften ersetzt worden (Art. 70 ff. LOPJ und die jeweiligen Autonomiestatute I36 ). Die Hohen Gerichtshöfe wurden 1989 nach einem Beschluß des Consejo General dei Poder Judicial 137 in allen autonomen Gemeinschaften gegründet, außer in La Rioja 138 . Alle Gerichtshöfe haben mindestens eine Kammer rur Verwaltungssachen (Art. 72 Abs. 2 LOPJ) 139 , die sich grundsätzlich aus zwei Mitgliedern und einem Vorsitzenden zusammensetzt (Art. 196 LOPJ).
136 Gonzalez Perez, Ley, S. 110; Art. 34f Autonomiestatut Baskenlandes (LO 3/1979, vom 18. Dezember [BOE Nr. 306, vom 22. Dezember 1979]); Art. 18fT. Autonomiestatut Katalonien (LO 411979, vom 18. Dezember [BOE Nr. 306, vom 22. Dezember 1979]); Art. 20fT. Autonomiestatut Galizien (LO 111981, vom 6. April [BOE Nr. 101, vom 28. April 1981]); Art. 24 II sowie Art. 47 ff. Autonomiestatut Andalusien (LO 6/1981, vom 30. Dezember [BOE Nr. 9, vom 1l. Januar 1982]); Art. 36fT. Autonomiestatut Prinzipat von Asturien (LO 711981, vom 30. Dezember [BOE Nr. 9, vom 1l. Januar 1982]); Art. 41fT. Autonomiestatut Kantabrien (LO 811981, vom 30. Dezember [BOE Nr. 9, vom 1l. Januar 1982]); Art. 34fT. Autonomiestatut Region von Murcia (LO 411982, vom 9. Jmli [BOE Nr. 146, vom 19. Jmli 1982]); Art. 21fT. Autonomiestatut Valencia (LO 5/1982, vom l. Juli [BOE Nr. 164, vom 10. Juli 1982]); Art. 28fT. Autonomiestatut Aragon (LO 8/1982, vom 10. August [BOE Nr. 195, vom 16. August 1982]); Art. 23fT. Autonomiestatut Castilla-La Mancha (LO 9/1982, vom 10. August [BOE Nr. 195, vom 16. August 1982]); Art. 23fT. Autonomiestatut Kanarische Inseln (LO 10/1982, vom 10. August [BOE Nr. 195, vom 16. August 1982]); Art. 59fT. Foralstatut von Navarra (LO 13/1982, vom 10. August [BOE Nr. 195, vom 16. August 1982, geändert BOE Nr. 204, vom 26. August 1982]); Art. 43fT. Auton0miestatut Extremadura (LO 1/1983, vom 25. Februar [BOE Nr. 49, vom 26. Februar 1983]); Art. 48fT. Autonomiestatut Balearen (LO 2/1983, vom 25. Februar [BOE Nr. 51, vom l. März 1983]); Art. 46fT. Autonomiestatut Madrid (LO 3/1983, vom 25. Februar [BOE Nr. 51, vom l. März 1983]); Art. 21fT. Autonomiestatut Castilla-Leon (LO 4/1983, vom 25. Februar [BOE Nr. 52, vom 2. März 1983]). 137 Beschluß vom 10. Mai 1989 mit Wirkung zum 23. Mai 1989.
138 Gonzalez Perez, Ley, S. 115. 139 Gonzalez Perez, Manual, S. 124; Die Ausnahme bilden nach Art. 2 LPLANTA der Hohe Gerichtshof von Andalusien mit 3 Kammern (Sevilla, Granada, Malaga), von Castilla-Le6n mit 2 Kammern (Valladolid und Burgos) und von den Kanarischen Inseln mit ebenfalls 2 Kammern (Las Palmas und Santa Cruz de Tenerife); vgl. auch Palomar Olmeda, Aspectos orgänicos, S. 45l.
90
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Wie in der Verfassung (Art. 152 Abs. 1 2.Teil!. Satz CE) vorgesehen, berufen alle Autonomiestatute die Gerichtshöfe zur höchsten Instanz in ihrer Autonomen Gemeinschaft l40 . Dieses muß, wie oben dargelegtl41, im Hinblick auf die foralen Rechte verstanden werden. Hierzu zählen nunmehr auch die Gesetze, die aufgrund der den Gemeinschaften übertragenen Zuständigkeiten von ihren legislativen Organen erlassen worden sind, so daß trotz des Art. 123 Abs. 1 CE und des Art. 152 Abs. 12. Teil Satz 3 CE die Hohen Gerichtshöfe ausschließlich für die Kontrolle des Rechts der autonomen Gemeinschaften zuständig sind l42 . Damit ähnelt das System im Ergebnis dem bundesstaatlichen deutschen System; es handelt sich jedoch bei den Gerichten weiterhin um zentralstaatliche Gerichte 143 . Die Kompetenzen dieser Gerichtshöfe für Verwaltungsstreitsachen regelt Art. 74 LOPJI44. Die zentralstaatliche Kompetenzzuweisung wird in den einzelnen Autonomiestatuten wiederholt, hat dort jedoch nur deklaratorische Bedeutung l4S . Die Zuständigkeit der Hohen Gerichtshöfe teilt sich auf in Klagen gegen Handlungen der Verwaltung des Zentralstaates und gegen solche der Verwaltung der autonomen Gemeinschaften. Bei Klagen gegen Handlungen des Zentral staates sind die Hohen Gerichtshöfe die "ordent140 Art. 34 Abs. I Autonomiestatut Baskenland ; Art. 19 Autonomiestatut Katalonien; Art. 21 Autonomiestatut Galizien; Art. 24 II sowie Art. 48 Autonomiestatut Andalusien; Art. 36 Autonomiestatut Prinzipat von Asturien; Art. 41 Autonomiestatut Kantabrien; Art. 34 Abs. 2 Autonomiestatut Region von Murcia; Art. 21 Autonomiestatut Valencia; Art. 28 Autonomiestatut Aragon; Art. 23 Autonomiestatut Castilla-La Mancha; Art. 25 Abs. 1 Autonomiestatut Kanarische Inseln; Art. 59 Abs. 1 Autonomiestatut Foralstatut von Navarra; Art. 43 Autonomiestatut Extremadura; Art. 48 Autonomiestatut Balearen; Art. 46 Autonomiestatut Madrid; Art. 21 Autonomiestatut Castilla-Leon. 141 Siehe S. 70. 142 Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 91. 143 Siehe S. 70f 144 Zur Verfassungsmäßigkeit der LOPJ 6/1985 siehe S TC 108/1986, vom 29. Juli, in: JC 15, S. 600-636; vgl. auch S TC 45/1986, vom 17. April, in: JC 14, S. 442-470; zu den Kompetenzen Übersicht bei Martin Bemal, Los Tribunales Superiores, S. 130. 145 Art. 20 Autonomiestatut Katalonien; Art. 22 Autonomiestatut Galizien; Art. 49 und 50 Autonomiestatut Andalusien; Art. 37 Autonomiestatut Prinzipat von Asturien; Art. 42 Autonomiestatut Kantabrien; Art. 35 Autonomiestatut Region von Murcia; Art. 40 Abs. I c) Autonomiestatut Valencia; Art. 29 Abs. I c) Autonomiestatut Aragon; Art. 24 Abs. I c) Autonomiestatut Castilla-La Mancha; Art. 25 Abs. I c) Autonomiestatut Kanarische Inseln; Art. 61 Abs. 1 c) Autonomiestatut Foralstatut von Navarra; Art. 45 Abs. 1 c) Autonomiestatut Extremadura; Art. 49 Abs. 1 b) Autonomiestatut Balearen; Art. 47 b) Autonomiestatut Madrid; Art. 22 Abs. I c) Autonomiestatut Castilla-Leon.
A. Die Eröflhung des Rechtsweges
91
lichen", d.h. die erstinstanzlichen Gerichte 146 . Demnach sind sie - solange die Verwaltungsgerichte nicht geschaffen worden sind - in einziger Instanz für alle Streitigkeiten über Handlungen des Staates zuständig, in denen der Rechtsweg nicht ausdrücklich dem Obersten Gerichtshof oder dem Nationalgerichtshof zugewiesen ist 147 . Für Klagen gegen Handlungen nachgeordneter Behörden der autonomen Gemeinschaften sind die Hohen Gerichtshöfe nach Art. 74 Abs 2 LOPJ künftig als zweite Tatsacheninstanz zuständig, d.h. sie werden die Urteile der Verwaltungsgerichte in ihrer Autonomen Gemeinschaft überprüfen l48 . Im übrigen, d.h. bei Klagen gegen administrative Handlungen der obersten Organe der autonomen Gemeinschaft, sind sie die einzige Instanz l49 . Zu den obersten Organen gehören die Regierung, d.h. der Präsident und die Minister (Consejero)150 und die legislativen Körperschaften der autonomen Gemeinschaften. Schließlich obliegt den Hohen Gerichtshöfen die Entscheidung über die Wahlanfechtung bei autonomen Wahlen (Art. 112 Abs. 2 Ley Electoral General 1S1 ).
146 Garcia de Enterria, Curso TI, S. 545. 147 Garcia de Enterria, Curso TI, S. 546. Art. 74 Abs. 1 a) LOPJ: "gegen Akte und Verordnungen der Verwaltungsorgane, die nicht anderen zugewiesen sind oder die anderen Organen zugewiesen sind, die dessen Rechtsprechung unterliegen (vgl. Palomar Olmeda, Aspectos orgarucos, S. 444.). Man hätte es einfacher formulieren können, indem man alle Akte der Verwaltungsgerichtsbarkeit ihrer Kontrolle unterwirft, die von einem Organ unterhalb des Staatssekretärs (Subsecretarios, Generaldirektoren) erlassen werden. 148 Gonzalez Perez, Addenda zu Manual, S. 14. 149 Art. 34 Abs. 1 2. Teil Autonomiestatut Baskenland; Art. 18 Abs.2 Auton0miestatut Katalonien; Art. 20 Abs. 2 Autonomiestatut Galizien; Art. 52 Abs. 2 Autonomiestatut Andalusien; Art.41 Abs.2 Autonomiestatut Prinzipat von Asturien; Art. 43 Autonomiestatut Kantabrien; Art. 39 Abs. 2 Autonomiestatut Region von Murcia; Art. 39 Abs.2 Autonomiestatut Valencia; Art. 32 b) Autonomiestatut Aragon; Art. 27 b) Autonomiestatut Castilla-La Mancha; Art. 28 Abs. 1 Autonomiestatut Kanarische Inseln; Art. 60 Abs.2 Autonomiestatut Foralstatut von Navarra; Art. 44 Abs. 1 Autonomiestatut Extremadura; Art. 52 Abs. 2 Autonomiestatut Balearen; Art. 50 Abs. 2 Autonomiestatut Madrid; Art. 24 Autonomiestatut Castilla-Le6n. 150 Palomar Olmeda, Aspectos organicos, S.444; Dieses ergibt sich aus Art. 57 i.V. m. Art. 74 LOPJ. 151 Ley Organica 5/1985, vom 19. Juni, deI Regimen Electoral General (BOE Nr. 147, vom 20. Juni, berichtigt BOE Nr. 17, vom 20. Januar, zuletzt geändert durch Gesetz 8/1991, vom 13. März 1991 (BOE Nr. 63, vom 14. März, berichtigt BOE Nr. 65, vom 16. März).
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
92
3. Der Nationalgerichtshof (Audiencia Nacional) Um den Obersten Gerichtshof zu entlasten, wurde durch die Gesetzesverordnung vom 4. Januar 1977 1S2 eine verwaltungsgerichtliche Kammer beim Nationalgerichtshof geschaffen. Der Nationalgerichtshof ist nunmehr in den Art. 62 ff. LOPJ geregelt. Er übt nach Art. 62 LOPJ seine Gerichtsbarkeit in ganz Spanien aus. Von seinen drei Kammern (Art. 64 LOPJ) ist eine der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugeordnet. Seine Zuständigkeit ist jedoch im Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit sehr beschränkt und seine praktische Bedeutung gering. Nach Art. 66 LOPJ entscheidet er als einzige Instanz bei Klagen gegen Akte und Erlasse der Minister und der Staatssekretäre des Zentraistaates 1S3 .
4. Der Oberste Gerichtshof (Fribunal Supremo) Art. 123 Abs. 1 CE sieht für ganz Spanien zwingend einen Obersten Gerichtshof als höchstes Gericht vor. Daraus wird eine Institutsgarantie zugunsten dieses Gerichts abgeieitet 1S4 . Seit dem 22. Februar 1989 sind die ehemals drei verwaltungsgerichtlichen Kammern (sala) des Obersten Gerichtshof (Tribunal Supremo) zu einer, der traditionellen 3. Kammer zusammengeschlossen worden lSS . Sie teilt sich in neun Abteilungen (Secciones) auf1S6 . Nach Art. 58 LOPJ hat sie folgende Zuständigkeiten, wobei zwischen der erstinstanzlichen und der in zweiter Instanz differenziert werden muß: In erster Instanz entscheidet der Oberste Gerichtshof nach Art. 58 Abs. 1 LOPJ über Klagen gegen Maßnahmen der obersten Organe der zentralstaatlichen Verwaltung. Im einzelnen: er erkennt über Klagen gegen administrative Handlungen erstens der Organe der exekutiven Gewalt, d.h. der Regierung (Consejo de Ministros) und seiner Kommissionen, zweitens der judikativen Gewalt, d.h. des Obersten Rates der Rechtsprechenden Gewalt (Consejo General dei Poder Judicial), des Verfassungsgerichts (Tribunal Constitucional) 1S2 Gesetzesverordnung 1/1977 vorn 4. Januar 1977 (BOE Nr. 4, vorn 5. Januar
1977).
1S3 Kritisch und für die Abgabe dieser Kompetenz an die TSJ Delgado Barrio, Los 6rganos de lajurisdicci6n, S. 391; vgl. schon Martin Rebollo, Lajusticia administrativa, S. 531f. 1S4 Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 93 1SS Delgado Barrio, Reflexiones, S. 2353; Siehe S. 39. 1S6 GonzAlez Perez, Manual, S. 124.
A. Die Eröffnung des Rechtsweges
93
und des Rechnungshofes (Tribunal de Cuentas) und drittens der legislativen Gewalt, d.h. des Abgeordnetenhaus (Congreso de Diputados), des Senats (Senado) und des Volksverteidigers (Defensor deI Pueblo)157 . Der Oberste Gerichtshof ist zur Zeit die einzige zweite Instanz in Spanien. Die Appellationsklage (Berufung) ist durch die fünfte Endbestimmung des Vereinfachungsgesetzes 158 durch die Revision (casaci6n) ersetzt worden, um die Zahl der Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof zu verringem l59 . Revisionsgründe sind folglich nach Art. 95 Abs. 1 LJCA abschließend erstens die Unzuständigkeit der Gerichte, zweitens ein fehlerhaftes Verfahren oder drittens schwere Verstöße bei der Anwendung der tragenden Rechtsvorschriften des Urteils 160 . Die Beschränkung der Klagemöglichkeit auf diese Gründe verletzt nicht die Rechtsschutzgarantie, weil es sich um eine zweite Instanz handelt, die Art. 24 Abs. 1 CE nicht fordert 161 . Allerdings müssen diese Gründe zuvor gesetzlich festgelegt worden sein. Bedenklich ist jedoch die kurze Frist von zehn Tagen (Art. 96 Abs. 1 LJCA), die der Bürger hat, um die Klage einzureichen. Die Revisionsklage kann sich nur gegen Urteile des Nationalgerichtshofes und der Hohen Gerichtshöfe nach Art. 93 Abs. 1 LJCA richten und auch nur, soweit sie Verwaltungsakte und Regelungen der Verwaltung des Zentralstaates betreffen. Ausgenommen sind nach Art. 93 Abs. 4 LJCA Handlungen, die auf autonomem Recht beruhen. Weiterhin sind alle Personalfragen nach Art. 93 Abs. 2 a) LJCA von der Revision ausgenommen. Die Revisionssumme ist von 500.000 auf sechs Millionen Peseten angehoben worden (Art. 93 Abs. 2 b) LJCA).
157 Zu den möglichen administrativen Handlungen dieser Verfassungsorgane siehe unten S: 206ff. 158 Ley 10 /1992, vom 30. April 1992, de Medidas Urgentes de Reforma Procesal (BOE Nr. 108, vom 5. Mai 1992), das am 6. Mai 1992 in Kraft getreten ist. 159 Gonzalez Perez, Addenda zu Manual, S.7f.; das Verfassungsgericht hat sich mehrfach schon im Hinblick auf den genauen Beginn der Wirkung aussprechen müssen: S TC 8811994, vom 14. März, einziger H, BJC 156 (1994), S. 92-95 (95); S TC 23011994, vom 18. Juli, FI. 2, in: BJC 160-161 (1994), S. 169-171 (171). 160 Zu den formalen Erfordernissen der neuen Kassation siehe Ortiz Rios, EI recurso de casaci6n, S. 103-108. 161 A TS 11. März 1994 Ar. 2431; S TS 18. April 1994 Ar. 3027.
94
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Weiterhin besteht, wie oben bereits dargestellt, wegen Art. 24 Abs. 1 CE die Möglichkeit der Revision beim Obersten Gerichtshof gegenüber solchen Urteilen, die die Hohen Gerichtshöfe an Stelle der Einzelrichter gefallt haben 162 . Nur hier entscheidet der Oberste Gerichtshof gegebenenfalls nach dem Recht der autonomen Gemeinschaften. Des weiteren gibt es folgende besondere Rechtsmittel: Die Revision im Interesse des Gesetzes nach Art. 102-b LJCA163, die Klagen gegen nicht administrative Beschlüsse des Rechnungshofes 164 und die Revision, die in den einzelnen Verfahrensgesetzen der autonomen Gemeinschaften vorgesehen sind, soweit nicht die Hohen Gerichtshöfe der Autonomen Gemeinschaften zuständig sind.
5. Würdigung Der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg in Spanien ist unübersichtlich, was insbesondere auf das Fehlen erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte zurückzufuhren ist. Diese übermäßige Kompliziertheit verstößt gegen das vom spanischen Verfassungsgericht aus der Rechtsschutzgarantie entwickelte Recht auf Klarheit des Rechtsweges. Hinzu kommt, daß die Gerichte zu wenig Richter und zu wenig Sach- und Geldmittel haben. Während sich von 1981 bis 1990 die Klagen bei den Hohen Gerichtshöfen vervierfachten, erhöhte sich die Zahl der erstinstanzlichen Richter von 79 (1981) nur auf 179 Richter (1990). Das hat zu erheblichen Verzögerungen des Rechtsschutzes gefuhrt. So waren Ende 1989 noch 100.000 Klagen anhängig. Diese Entwicklung setzt sich in den anderen Instanzen fort. Beim Obersten Gerichtshof, der einzigen zweiten Instanz, erledigen 29 Verwaltungsrichter jährlich (1993) 9.498 neue Klagen bzw. Berufungen. Hier waren im Jahre 1993 28.905 Verfahren anhängig 16S . 162 Ständige Rechtsprechung S TS 16. Dezember 1992 Ar. 10435; S TS 30. Dezember 1992 Ar. 10845; S TS 7. Januar 1993 Ar. 348; S TS 28. Januar 1993 Ar. 1792. 163 Diese können durch den Staatsanwalt (Abogado dei Estado) oder durch Vereinigwlgen oder Gemeinschaften, die ein allgemeines oder gesellschaftliches Interesse vertreten, gegen Urteile des Nationalgerichtshofes oder der Hohen Gerichtshöfe der Autonomen Gemeinschaften eingereicht werden, wenn sie einen schweren Nachteil ftlr das allgemeine Interesse befilrchten und sie fur rechtlich falsch halten: Vgl. hierzu Gonzillez Perez, Addenda zu Manual, S. 39-42; insbesondere zur Klagebefugnis: Blanquer Criado, Eillamado recurso, S. 235fT. 164 Siehe Art. 49 der LO 2/1982 vom 12. Mai sowie das Gesetz 7/1988 vom 5. April Art. 80 Ar. 731. 165 EL PAiS vom 25. Juni 1995, Beilage, S. 6. Im Jahre 1989 waren 16.371 Klagen anhängig: Sanchez Mor6n, EI control, S. 111.
A. Die Eröffuung des Rechtsweges
95
Eine Besserung ist in den letzten Jahren nicht eingetreten. Vielmehr hat der Gesetzgeber 1992 versucht, durch die Einführung der Revision die Zahl der Verfahren zu reduzieren. Doch noch 1994 waren 25.000 Berufungsverfahren aus der Zeit von vor 1992 anhängig166 . Es ist abzusehen, daß die ersten Kassationsurteile des Obersten Gerichtshofes erst im Jahre 2001 geflHlt werden l67 . Die Lehre nahm bislang allein die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof zur Kenntnis. Nur diese wurde umfassend veröffentlicht; die Urteile der nachgeordneten Instanzgerichte wurden indes nur vereinzelt abgedruckt. Dieses entsprach auch weitgehend der angepaßten Rechtsprechung dieser Gerichte; sie beschränkten sich vorwiegend darauf, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu rezipieren, ohne Neues zu entwickeln. In den letzten Jahren betont die Literatur aufgrund eines steigenden Regionalbewußtseins mehr die Rechtsprechung der Gerichtshöfe in den Regionen. Dies wird dadurch verstärkt, daß nun die Hohen Gerichtshöfe viele neue Impulse geben, die die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes mitprägen 168 .
III. Die Ergänzungsfunktion verfassungsrechtlich anerkannter außergerichtlicher Rechtsschutzformen Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird nicht in dem Maße als Verfahren zum Schutze der Rechte der Bevölkerung akzeptiert wie in Deutschland l69 . Hierzu tragen die Verfahrensdauer und die Unübersichtlichkeit der Gerichtszuständigkeiten bei. Deshalb haben die von der Verfassung anerkannten außergerichtlichen Rechtsschutzfonnen (Volksverteidiger, Beteiligung, Petition) in der Praxis besonderes Gewicht erlangt170 . Fraglich ist, ob diese Organe und Verfahren auch von der Rechtsschutzgarantie erfaßt werden.
166 Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 360. 167 Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 360. 168 Vgl. ihre Rolle bei der Entwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes bei
S.322ff.
169 Ebenso Delgado Barrio, Los 6rganos de lajurisdicci6n, S. 391. 170 Vgl. hierzu schon Bassols, Consideraciones, S. 381ff.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
J. Die Rechtsschutzgarantie und der Antrag beim Volksverteidiger (Defensor dei Pueblo)
Die Tätigkeit des Volksverteidigers (Defensor dei Pueblo) beruht auf dem Organgesetz (Ley Orgimica dei Defensor dei Pueblo, LODP) , das 1981 in Ausfiihrung des Art. 54 CE erlassen wurde l7l . Danach ist der Volksverteidiger als "Hoher Kommissar" ein Verfassungsorgan l72 , das von einer Einzelperson geleitet wird. Nach Art. 8 Abs. 1 LODP stehen ihm zwei Vertreter zur Seite, denen er Aufgaben übertragen darf und die dieselben Garantien genießen wie der Volksverteidiger 173 . Neben der Institution des nationalen Volksverteidigers haben eine Reihe autonomer Gemeinschaften vergleichbare Organe geschaffen 174 .
171 LO 3/1981 dei Defensor dei Pueblo vom 6. April 1981 (BOE Nr. 109, vom 7. Mai 1981); vgl. zum Volksverteidiger umfassend: Sommermann, Der Defensor de1 Pueblo, S. 267fT.; Sanchez SociaslG6mez Pomar, Garantias, S. 1779fT. 172 Carro Femandez-Valmayor, Defensor de1 Pueblo, S. 2673; zum Verhältnis zum Parlament (Cortes) siehe das Gesetz LO 211992, vom 5. März (BOE Nr. 57, vom 6. März), das das AusftUuungsgesetz ändert: Danach ist ein Gemischter Ausschuß (Congreso-Senado) vorgesehen, statt der bisherigen zwei. 173 Zur Frage der zulässigen Interpretation im Hinblick auf die Verfassungsvorgabe "unipersonal" , vgl. Carro Femandez-Valmayor, Defensor de1 Pueblo, S. 2672. 174 Art. 15. Autonomiestatut Baskenland (LO 311979, vom 18. Dezember): ausgeführt durch das Gesetz 3/1985, vom 27. Februar 1985: Die Bezeichnung dieser Institution ist baskisch "Ararteko"; Art. 35 Autonomiestatut Katalonien (LO 4/1979, vom 18. Dezember): ausgeführt durch das Gesetz 14/1984, vom 20. März 1984, geändert durch das Gesetz 1211989, vom 14. Dezember: Hier heißen die Volksverteidiger katalanisch "Sindic de Greuges"; Art. 14 Autonomiestatut Galizien (LO 1/1981, vom 6. April): ausgeführt durch das Gesetz 6/1984, vom 5. Juni: Die Bezeichnung ist "Valedor dei Pueblo"; Art. 46 Autonomiestatut Andalusien (LO 611981, vom 30. Dezember): ausgeführt durch das Gesetz 9/1983, vom 1. Dezember: Die ofliziele Bezeichnung ist Defensor dei Pueblo Andaluz; Art. 24 Autonomiestatut Valencia (LO 511982, vom 1. Juli ), ausgeführt durch das Gesetz 11/1988, vom 26. Dezember. Hier heißt der Volksanwalt "Sindico de Agravios"; Art. 33f Autonomiestatut Arag6n (LO 811982, vom 10. August), ausgeführt durch das Gesetz 4/1985, vom 27. Juni 1985: Anknüpfend an die Tradition heißt diese Institution hier "Justicia de Aragon"; Art. 13 Autonomiestatut Kanarische Inseln (LO 1011982, vom 10. August): ausgeftlhrt durch das Gesetz 1/1985, vom 12. Februar: Hier heißt er "Diputado dei Comun"; Art. 29 Autonomiestatut Balearen (LO 2/1983, vom 25. Februar), ausgeführt durch das Gesetz 1/1993, vom 10. März; Das Verhältnis zwischen dem nationalen Volksverteidiger und den autonomen ist durch das Gesetz 3611985, vom 6. November (BOE Nr. 271, vom 12. November) geregelt worden.
A. Die Eröffuung des Rechtsweges
97
Die Aufgaben des Volksverteidigers sind im Grundsatz in der Verfassung festgelegt. So bestimmt Art. 54 CE, daß der Volksverteidiger zum Schutz der Grundrechte des ersten Titels ernannt wird, wozu er die Verwaltung überwachen darfl7S . Art. 9 Abs. 1 LODP ergänzt, daß der Volksverteidiger das Verwaltungshandeln auch im Hinblick auf Art. 103 CE überprüfen darf. Hierin liegt der Schwerpunkt der Arbeit des Volksverteidigers l76 . Art. 103 Abs. 1 CE definiert die Grundsätze des Verwaltungshandeins. Dazu zählen Objektivität, Schutz der allgemeinen Interessen, Effektivität, Hierarchie, Dezentralisierung, Dekonzentration, Koordination und Gesetzmäßigkeit. Die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Grundsätze ist teilweise stark beschränkt; dieses zeigt sich beispielsweise am Grundsatz der Effektivität des Verwaltungshandeins. Dieser Grundsatz wirkt sich auf das Ob und das Wie des Verwaltungshandelns aus: Er zwingt die Verwaltung, all die Aufgaben zu erfiillen, die ihr durch den ersten Titel der Verfassung übertragen worden sind. Insofern korrespondiert er mit dem Legalitätsprinzip. Hinzu kommt, daß diese Aufgaben mit größtem Nutzen und Gewinn ausgefiihrt werden müssen. Deshalb hat die Frage nach der Effektivität des Verwaltungshandelns vor allem bei der Leistungsverwaltung Bedeutung; hier ist die gerichtliche Kontrolle jedoch aufgrund des nur kassatorischen Charakters der Klage beschränkt. Weiter fehlen zumeist rechtliche Kriterien, anhand derer das Gericht die Effektivität des Verwaltungshandelns kontrollieren kann 177 . Jedoch eröffnet der Volksverteidiger keinen zusätzlichen gerichtlichen Rechtsschutz fiir den Bürger. Zur Durchsetzung der in Art. 17 Abs. 2 LODP genannten Ziele hat der Volksverteidiger keine besonderen Kompetenzen 178 . Art. 28 Abs. 1 LODP betont ausdrücklich, der Volksverteidiger sei nicht berechtigt, Handlungen der Verwaltung aufzuheben oder zu ändern. So beschränken sich seine Befugnisse nach Art. 28 Abs. 1 LODP darauf, der Behörde die Änderung nahezulegen (sugerir); weiterhin darf er die Behörde kraft Art. 29 Abs. 1 LODP ermahnen, sie erinnern oder ihr Empfehlungen geben. Der Volksverteidiger ist also kein gerichtliches Organ.
175 Hinzuweisen ist jedoch auf die Kontroverse bei und nach der Verfassunggebung, die um die Frage kreiste, ob es sich um zwei autonome Funktionen handelt oder allein um eine, der Schutz der Grundrechte, vgl. dazu Carro Fernändez-Valmayor, Defensor deI Pueblo, S. 2676 m.w.N. in Fn. 19. 176 Vgl. dazu Carro Fernändez-Valmayor, Defensor del Pueblo, S. 2676 m.w.N. in Fn. 19; zum Streit über die zulässige Erweiterung der Prüfungskompetenzen vgl. Sommermann, Defensor del Pueblo, S. 276. 177 Carro Fernändez-Valmayor, Defensor deI Pueblo, S. 2679. 7 Martinez Soria
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
In geringem Umfang kann er jedoch selbst vor Gericht tätig werden. Art. 162 a) und b) CE i. V. m. Art. 29 LODP berechtigen ihn zu Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollklagen (recurso de inconstitucionalidad) beim Verfassungsgericht. Es fragt sich jedoch, ob diese Klagebefugnis insbesondere bei der Normenkontrollklage unbeschränkt besteht l79 , oder ob sie auf die Rechte aus dem ersten Titel beschränkt werden soll180 . Obwohl Art. 162 Abs. 1 b) CE keine Einschränkungen nennt, wird man die Klagebefugnis des Volksverteidigers vor dem Verfassungsgericht auf den Schutz der Rechte aus dem Ersten Titel begrenzen müssen. Dafür spricht die Beschränkung der Kontrollbefugnis des Volksverteidigers auf den Ersten Titel der Verfassung. Die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kontrolliert er nur zum Schutz der Grundrechte, nicht hingegen zur Sicherung der objektiven Legalität 181 . Der Volksverteidiger ist jedoch nicht befugt, beim Verwaltungsgericht eine Klage zum Schutz der Grundrechte eines Bürgers einzulegen. Dies erscheint widersprüchlich, weil der Verwaltungsprozeß das Vorverfahren zur Verfassungsbeschwerde ist l82 . Eine auf den ihm übertragenen Schutzbereich beschränkte Klagebefugnis des Volksverteidigers vor den Verwaltungsgerichten würde die Aufgaben dieses Organs effektiver gestalten 183 . Der Volksverteidiger ist somit als Ergänzung, nicht aber als Bestandteil des gerichtlichen Rechtsschutzsystems und der Rechtsschutzgarantie anzusehen l84 . Seine eigentliche Funktion übt der spanische Ombudsmann im Sozi-
178 Von Bedeutung ist allein sein Recht auf Akteneinsicht gemäß Art. 19 Abs. 3 LODP; kritisch zu den Befugnissen des Volksverteidigers Espin, EI control, S. 213. 179 Carro Fernandez- Valmayor, Defensor del Pueblo, S.2684; Perez Calvo, Art. 54 CE, S. 513 schlägt gleichwohl eine Selbstbeschränkung des Volksverteidigers auf den ersten Titel der Verfassung vor. 180 GonzAlez Perez, Derecho Procesal Constitucional, S. 109. 181 L6pez Guerra/Espin, Derecho Constitucional, S. 212f. 182 Vgl. Martin Rebollo, La justicia administrativa, S. 526ff; dagegen aber Montoro Puerto, La alternativa, S. 48fI; GonzAlez Perez, Nuevos sistemas de control, S. 413. 183 Eine solche Klagebefugnis findet auch Rückhalt im Verfassungstext selbst, konkret im Art. 124 Abs. 1 CE. Danach ist der Ministerio Fiscal, unbeschadet der Aufgaben, die anderen Organen zugewiesen worden sind, berechtigt, die objektive Legalität, die Rechte der Bürger und das durch das Gesetz gewährleistete öffentliche Interesse mittels Klageerhebung zu schützen. Unter die dort genannten anderen Organe kann ohne weiteres auch der Volksverteidiger subsumiert werden; Carro FernandezValmayor, Defensor dei Pueblo, S. 2691; Torres dei Moral, Principios Bd. 2, S. 301. 184 Vgl. auch Carro Fernandez- Valmayor, Defensor del Pueblo, S. 2671.
A. Die Eröflhung des Rechtsweges
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alstaat aus, wo er dem Bürger dazu verhilft, die Unregelmäßigkeiten der Verwaltung zu korrigieren, die nicht gerichtlich kontrollierbar sind l85 . Des weiteren besteht ein wichtiger Teil seiner Aufgabe darin, die Beschwerden zu sammeln, um die Defizite der öffentlichen Verwaltung in seinem Jahresbericht anzumahnen und dadurch politische Verbesserungsmaßnahmen zu erzielen l86 . 2. Die Rechtsschutzgarantie und die Beteiligung des Bürgers Der Wille des spanischen Verfassunggebers, die exekutive Gewalt, auf der ausschließlich die Macht des Franco-Regimes beruhte, zu demokratisieren l87 , äußert sich insbesondere in den Verfassungsregeln zur Partizipation der Bürger an Verwaltungsentscheidungen. Diese Beteiligungsregeln finden im Bonner Grundgesetz keine ausdrückliche Parallele I 88 . Art. 23 Abs. 1 CE gibt allen Bürgern das Recht, an den öffentlichen Angelegenheiten selbst oder durch Vertreter teilzunehmen. Darunter könnte auch die Beteiligung am Verwaltungsverfahren verstanden werden. Doch hat das Verfassungsgericht betont, daß Art. 23 Abs. 1 CE nur die politische Beteiligung des Bürgers im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG meint l89 . Somit gewährleistet Art. 23 Abs. 1 CE allein das Recht des Bürgers, sich an den Wahlen sowie an den in der Verfassung vorgesehenen Formen der direkten Demokratie (Volksentscheid, Volksbegehren) zu beteiligen l90 . Hingegen obliegt der öffentlichen Gewalt nach Art. 9 Abs. 2 CE, die Teilnahme aller Bürger am politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu fOrdern l91 . Weiter bestimmt Art. 105 a) CE, daß ein 185 Carro Fernandez- VaIrnayor, Defensor del Pueblo, S. 2671. 186 Tornos Mas, La situaci6n actual, S. 127. 187 Zur problematischen, da vielfach unüberlegten Heranziehung des BegrifTs "Demokratisierung" im Hinblick auf die Lösung von Defiziten im Gemeinwesen vgl. Schmitt-Glaeser, Partizipation, S. 180 m.w.N. 188 Hingegen ausdrücklich Art. 56 LVerfHamburg; Schmitt-Glaeser, Partizipation,
S.183.
189 S TC 5111984, vom 25. April, FJ. 2, in: JC 8, S. 593-604 (600f.). 190 Ebenso Fossas Espalader, EI derecho de acceso, S.58; Sommermann, KarlPeter, Schutz, S. 162f 191 Vgl. zu dieser Pflicht Gonzalez PerezlGonzalez Navarro, LRJPA, S. 898; Sanchez Mor6n, Funci6n administrativa, S.651fT.; damit steht es im Gegensatz zum Grundgesetz, das keine ausdrückliche Regelung der Partizipation enthält. 7'
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Gesetz die Anhörung der Bürger, direkt oder durch gesetzlich anerkannte Organisationen und Vereinigungen bei der Ausarbeitung von Rechtsverordnungen regeln wird und Art. 105 c) CE ordnet an, es solle ein Verfahren durch Gesetz geregelt werden, das die Anhörung der betroffenen Personen vor Erlaß einer individuellen Verwaltungsmaßnahme gewährleisten muß 192 . Bei der Umsetzung dieser Bestimmungen ist unter dem Einfluß italienischer Vorbilder 193 in den Art. 84 bis 86 LRJPA die Beteiligung der Bürger geregelt worden, die maßgeblich in der Anhörung des Betroffenen besteht 194 . In der Praxis ist die Beteiligung bislang weitgehend auf die Anhörung von Verbänden beschränkt 195 Doch ist die Beteiligung der Bürger nicht Gegenstand der Rechtsschutzgarantie. Zwar kann die Öffnung des Verwaltungsverfahrens fiir die beteiligten Bürger Verwaltungsprozessen vorbeugen und so die Verletzung der Rechte des einzelnen frühzeitig verrneiden 196 , hält aber ein Bürger einen Verwaltungsakt fiir rechtswidrig, darf die vorherige Beteiligung des Bürgers am Entscheidungsprozeß wegen der Rechtsschutzgarantie eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle nicht verhindern. Auch die unter Mitwirkung eines Bürgers zustandegekommene Verwaltungsmaßnahme benötigt die Möglichkeit gerichtlicher Kontrolle, da durch die Beteiligung nicht automatisch die Rechtmäßigkeit der Entscheidung garantiert wird 197 . 3. Die Rechtsschutzgarantie und das Petitionsrecht
Das Petitionsrecht spielte im Zeitalter des Konstitutionalismus eine entscheidende Rolle bei Beschwerden und Anträgen der Bürger gegen ausfiihren192 Parada, Art. 105 CE, S. 308, erstreckt diese Anhörungspflicht auf die Verfahren sämtlicher Verfassungsorgane, die unmittelbar in die Rechte des Bürgers eingreifen. 193 Gesetz 241/1990, vom 7. August (Gazzeta ufficiale vom 18. August 1990); vgl. hierzu Gonzalez PerezlGonzalez Navarro, LRJPA, S. 904. 194 Garrido Falla/Femandez Pastrana, Regimen juridico, S.294f.; Gonzalez PerezlGonzalez Navarro, LRJPA, S. 904. 195 Beim Erlaß von untergesetzlichen Rechtsvorschriften: Gewerkschaften (Art. 130 Abs. 4 LPA i.V.m. 4. Aufhebungsbestimmung der LRJPA); Berufskammern (Art. 2 Abs.2 und Art. 9 j) Ley 2/1974 de Colegios Profesionales vom 13. Februar (BOE Nr. 40, vom 15. Februar 1974); Art. 22 Verbraucherschutzgesetz (Ley 2611984, General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios vom 19. Juli (BOE Nr. 176, vom 24. Juli 1984). 196 Cruz Ferrer, Sobre el control, S. 81ff. 197 Tornos Mas,
La situaci6n actual, S. 130.
A. Die Eröffuung des Rechtsweges
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de Staatsorgane, insbesondere der Krone, somit für den Rechtsschutz 198 . Heute ist das Petitionsrecht in Spanien ebenso wie in Deutschland ein Grundrecht 199 . Für den Schutz des privaten Interesses hat das Petitionsrecht aber heute in Spanien aufgrund des gerichtlichen Rechtsschutzsystems und der weiten Klagebefugnis200 nur noch untergeordnete Bedeutung201 . Nur bei nicht justiziablen Gnadenakten und sonstigen rein politischen Entscheidungen dient es dem Schutz der privaten Interessen. Insofern ergänzt es die Rechtsschutzgarantie202 .
198 ht Deutschland gewährleistete Artikel VII § 159 der Frankfurter Reichsverfassung erstmalig das Petitionsrecht als Grundrecht; in Spanien geht es auf die Verfassung von CMiz zurück (Art. 373); Dort war es als Recht geregelt, "Verstöße gegen die Verfassung dem Parlament oder dem König anzuzeigen"; ein allgemeines Petitionsrecht gewährleistet Art. 3 der Verfassung von 1837: vgl. zur weiteren Enwicklung Garcia Escudero, Art. 29 CE, S. 248fI 199 Art. 29 CE i.V.m. dem Ausftlhrungsgesetz L 92/1960, vom 22. Dezember, reguladora deI derecho de petici6n (BOE Nr. 307, vom 23. Dezember). 200 Vgl. hierzu S. 132ff. Dagegen hat es in Deutschland aufgrund der Beschränkung der Klagebefugnis auf subjektive Rechte eine weitaus größere Bedeutung. 201 Garcia Escudero, Art. 29 CE, S. 253; Slmchez Socias/G6mez Pomar, Garantias, S. 1789f.; a.A. hingegen Slmchez Ferris, Derecho de Petici6n, S. 2187. 202 Slmchez Socias/G6mez Pomar, Garantias, S. 1790; vgl. dazu BVerfGE 13, 132 (150); BVerfG B. v. 15.5.1992, NJW 1992,3033; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung, S.239.
102
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
[EI primer contenido dei Art. 24.1 CE es}, en un orden /6gico y crono/6gico, el acceso a la jurisdicci6n. Gedanklich und zeitlich gesehen ist der Zugang zum Gericht das erste Recht nach Art. 24 Abs. 1 CE. (S TC 115/84, vom 3. Dezember, F.J. 1, in: JC 10, S. 311-318 (315))
B. Die Rechtsschutzgarantie und die Beschränkung des Zugangs zum Gericht Die Rechtsschutzgarantie verpflichtet den Gesetzgeber nicht nur dazu, eine Gerichtsorganisation zu schaffen. Das Recht auf effektiven Rechtsschutz enthält auch das Recht auf Zugang zu den Gerichten i . Der Zugang zu den Gerichten kann aus rechtlichen und faktischen Gründen (mangelhafte Ladung, Prozeßkosten,etc.) für den Bürger verschlossen sein. Zu den rechtlichen Gründen zählen die Prozeßvoraussetzungen. Ihre restriktive gesetzliche Regelung und gerichtliche Auslegung waren bis 1978 ursächlich dafür, daß die gerichtliche Kontrolle in der Praxis ineffektiv war; man sprach von einer "Immunität der öffentlichen Organe gegenüber einer gerichtlichen Überprüfung"2. Folglich standen die Prozeßvoraussetzungen zunächst im Mittelpunkt der Verfassungsrechtsprechung und der Lehre zu Art. 24 Abs. 1 CE.
I. Prozeßvoraussetzungen - Definition und Vereinbarkeit mit der Rechtsschutzgarantie Prozeßvoraussetzungen sind Bedingungen, die das Verfahrensrecht fordert, damit ein Gerichtsorgan den geltend gemachten Anspruch auf seine Begründetheit überprüfen kann3 . Zu den gemeinsamen Prozeßvoraussetzungen der Gerichtsordnungen Spaniens und Deutschlands zählen insbesondere die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts (Art. 8 Abs. 3 LJCA; §§ 40 und 45 ff VwGO), die Partei- und Prozeßfähigkeit (Art. 27 LJCA; §§ 61 und 62 VwGO) , die Klagebefugnis (Art. 28; § 42 Abs. 2 VwGO) , die Passivlegitima-
1 S TC 115/1984, vom 3. Dezember, F.J. 1, in: JC 10, S. 311-318 (315); dazu auch S TC 9/1982 vom 10. März, Fll, in: JC 3, S. 118-127 (124); S TS 16. April 1994 Ar. 3094; 17. Mai 1994 Ar. 3846. 2 Garcia de Entenia, La lucha, S. 85fT; Gonzalez Perez, EI derecho, S. 68; vgl. Manzana Laguarda, La legitimaci6n, S. 4701 (4703).
3
Gonzalez Perez, EI derecho, S. 59.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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tion der beklagten Behörde (Art. 29 Abs. 1 a) LJCA)4, die Durchfiihrung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens (Art. 37 Abs.l LJCA; § 68 VwGO) sowie die Einhaltung der Klagefrist (Art. 58 Abs. 1 LJCA; §§ 74 und 76 VwGO). Nach ständiger Rechtsprechung der Verfassungsgerichte beider Länder verletzt der Gesetzgeber die Rechtsschutzgarantie nicht schon dadurch, daß er an den gerichtlichen Rechtsschutz formelle Voraussetzungen knüpft. Der Begriff des Rechtsschutzes setzt zwingend ein Verfahren voraus; ein solches ist jedoch allein durch die FestIegung bestimmter Verfahrensanforderungen denkbar5 . Der Zugang zu den Gerichten wird daher nicht uneingeschränkt gewährt, sondern nur im Rahmen der Gesetze und der dort festgelegten Formen und Verfahren6 . Die Rechtsschutzgarantie gibt daher nicht das Recht auf eine sachliche Entscheidung, sondern zunächst nur einen Anspruch auf ein Urteil, das den bestehenden Gesetzen und damit auch den Prozeßnormen entspricht7 . Es ist demnach zu unterscheiden zwischen einem aus der Rechtsschutzgarantie entnehmbaren und durchsetzbaren Recht auf Zugang zum Prozeß und einem aus
4 Nach Art. 29 Abs. 1 b) ist neben der Verwaltung auch der Bürger, filr den durch die Verwaltungsmaßnahme Rechte begründet worden sind, Beklagter: S TS 10. Oktober 1988 Ar. 7460; S TS 22. Mai 1991 Ar. 4184. Die Zugehörigkeit der Passivlegitimation zur Zulässigkeit ist in Deutschland umstritten: vgl. filr die Prüfung in der Zulässigkeit: Ehlers, Menger-FS 1985, 383; vgl. filr die Prüfung im Rahmen der Begrundetheit Kopp, VwGO, Vor § 40, Rdnr 18; Eyermann/Fröhler, § 78 Rdnr. 7; Dolde, Menger-FS 1985,424. 5 S TC 93/1983, vom 8. November 1983, FI. 3 in: JC 7, S. 168-177 (174). 6 S TC 19/1981, vom 6. Juni, FJ. 2, in: JC 2, S. 42-47 (45); S TC 113/1990 vom 18. Juni FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 623-629 (626f.); S TC 191/1989, vom 16. November, FI.2, in: JC 25, S. 5497-510 (506); vgl. ebenso BVerfGE 27, 297 (310); 35, 65 (73); 77, 275 (284). 7 S TC 9/1981 vom 31. März 1981, FJ. 4, in: JC 1 , S. 145-159 (158); S TC 23/1981 vom 18. Februar 1981, in: JC 1, S. 634-636 (636); S TC 32/1982, vom 7. Juni FJ. 2, in: JC 3, S. 393-407 (404); S TC 149/1986, vom 26. November 1986 FJ. 1 2. Abs., in: JC 16, S. 396-401 (396); A TC 78/1980 vom 30. Oktober 1980, in: JC 1, S. 483-484 (484); Gonzalez Perez, EI derecho, S. 60; BVerfGE 10,264 (267); 25,352 (365); 49, 252 (256f); 84, 366 (369).
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
dem allgemeinen Legalitätsprinzip entnommenen und nicht durchsetzbaren Recht auf Verwirklichung des Anspruchs8 . Obwohl Prozeßvoraussetzungen grundsätzlich zulässig sind, kann ihre konkrete Ausgestaltung den Zugang zu den Gerichten praktisch ausschließen. Deshalb muß jede Prozeßvoraussetzungen an Art. 24 Abs. 1 CE9 bzw. Art. 19 Abs. 4 GGIO geprüft werden.
11. Verfassungs rechtliche Vorgaben für den Gesetzgeber Bei der Gestaltung der einzelnen Prozeßvoraussetzungen hat der Gesetzgeber einen großen SpielraumlI. Sein weites Ermessen wird jedoch zunächst formell wie auch materiell durch die Rechtsnatur der Rechtsschutzgarantie als Grundrecht beschränkt, sodann inhaltlich durch das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes l2 . Prozeßvoraussetzungen sind Normen, durch die die Ausübung von Grundrechten geregelt wird; sie müssen also nach Art. 53 Abs. 1 CE ausdrücklich gesetzlich geregelt sein13. Es ist daher unzulässig, Prozeßvoraussetzungen 8 Ständige Rspr.: S TC 20/1981, vom 8. Juni 1981, FJ. 3, in: JC 2, S.48-57 (54f.); S TC 118/1989 vom 3. Juli, FJ. 3, in: JC 24, S. 488-496 (494f.). 9 S TC 50/1984 vom 5. April, FJ. 3, vom 5. April 1984, in: JC 8, S. 585 -592 (592); ebenso S TC 11/1982, vom 20. März 1982, FJ. 2, in: JC 3, S. 151 -159 (157); S TC 37/1982, vom 16. Juni 1982, FJ. 3, in: JC 3, S. 453-461 (459); S TC 65/1983, vom 21. Juli 1983, FJ. 4 B, in JC 6, S. 353-362 (360), S TC 43/1984, vom 26. März, FJ. 2 a, in: JC 8, S. 498-514 (510); S TC 4311985, vom 22. März, FJ. 2, in: JC 11, S. 417-422 (421); S TC 1911986, vom 7. Februar 1986, FJ. 2, JC 14, S. 166-173 (171); S TC 2411987, vom 25. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S.224-231 (292); S TC 23211988 vom 2. Dezember FJ. 3, in: JC 22, S.835-843 (841); GoIlZlilez Perez, EI derecho, S.61.. 10 BVerfGE 10,264 (267f.); vgl. weiterhin BVerfGE 32, 305 (309); 37, 93 (96); 49,220 (226); 78, 88 (99); 84, 366 (369f.). II S TC 73/1983, vom 30. Juli 1983, FJ. 3, in: JC 6, S. 437-444 (442); Lafuente Benaches, La legitimaci6n, S. 439. 12 S TC 197/1988, vom 24. Oktober, FJ. 4, in: JC 12, S. 383-396 (395).
13 S TC 4311985, vom 22. März, FJ. 2, in: JC 11, S.417-422 (421); S TC 171/1988, vom 30. September 1988, FJ. 3, in: JC 22, S. 133-138 (137); S TC 200/1988, vom 26. Oktober 1988, FJ. 2, in: JC 22, S. 410-415 (414); vgl. auch S TC 20111987, vom 16. Dezember 1987, FJ. 6, in: JC 19, S. 601-610 (609).S TC 1111982, vom 29. März, FJ. 2, in: JC 3, S. 151-159 (157); S TC 37/1982, vom 16. Juni, FJ. 2, in: JC 3, S.453-461 (459); S TC 65/1983, vom 21. Juli, FJ. 4 B), in: JC 6, S. 353-362
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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analog anzuwenden, soweit dies den Rechtsweg erschwert oder verschließt 14 . Aus dem Grundrechtscharakter der Rechtsschutzgarantie folgt weiter, daß die Prozeßvoraussetzungen nur zulässig sind, soweit Sachgründe sie legitimieren, die die Verfassung selbst rechtfertigt. Zu den inhaltlichen Schranken der Rechtsschutzgarantie gehören daher, wie in Deutschland, die verfassungsmäßig geschützten Rechte und Freiheiten anderer Bürger15 . So dienen die Klagefristen dem Recht auf Rechtssicherheit, das aus Art. 9 Abs. 3 CE sowie aus den materiellen Grundrechten entnommen wird l6 . Darüber hinaus sind Prozeßvoraussetzungen gerechtfertigt, soweit sie der "öffentlichen Ordnung" dienen; dieser Ordnungsaspekt muß jedoch ausdrücklich verfassungsrechtlich konkretisiert sein. Dies geschieht durch die Zuständigkeitsregelungen hinsichtlich der Art. 117 ff. CE oder durch das Vorverfahren hinsichtlich des in Art. 103 Abs. 1 CE genannten Grundsatzes des effektiven Verwaltungshandelns l7 . Die Einschränkung des Zugangs zu den Gerichten ist ungerechtfertigt, wenn der Wesensgehalt der Rechtsschutzgarantie beeinträchtigt wird l8 . Das ist der Fall, wenn die Prozeßvoraussetzungen nicht zwingend notwendig sind, (360); S TC 43/1984, vom 26. März, FJ. 2, in: JC 8, s. 498-514 (512); S TC 43/1985, vom 22. März, FJ. 2, in: JC 11, S. 434-452 (421); S TC 1911986, vom 7. Februar, FJ. 6, in: JC 14, S. 166-173 (172); S TC 23211988, vom 2. Dezember, FJ. 3, in: JC 22, S: 835-843 (841). 14 Vgl. S TC 14811988 vom 14. Juli FJ. 5, in: JC 21, S. 604-613 (612). 15 S TC 90/1983 vom 7. November 1983, FJ. 2, in: JC 7, S. 127-135 (132); S TC 23211988 vom 2. Dezember FJ. 3, in: JC 22, S.835-843 (841); BVerfGE 60, 253 (267ff.); Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 147. 16 S TC 147/1986, vom 25. November, FJ. 3 und 4, in: JC 16, S.354-366 (263 und 365); S TC 15811987, vom 20. Oktober, FJ. 4, in: JC 19 S. 124-133 (131) 17 S TC 9511983 vom 14. November 1983, FJ. 5, in: JC 7, S. 185-194 (191f): "Para la ordenaci6n adecuada dei proceso existen impuestos, formas y requisitos, procesales que, por afectar al orden publico son de necesaria observancia por su nacionalidad y eficacia, y que no pueden dejarse en su cumplimiento al /ibre arbitrio de las partes". Weiterhin S TC 96/1983 vom 14. November 1983, FJ. 4, in: JC 7, S. 195-203 (201); S TC 202/1988 vom 31. Oktober FJ. 3 in fme, JC 22, S.431436(435); zur fudisponibilität weiter auch S TC 10411989 vom 8. Juni FJ. 2, in: JC 24, S. 362-373 (368f.) sowie S TC 7611990 vom 26. April FJ. 7. B., in: Rep. Ar. 1990/2, S. 167-218 (205); S TC 112/1986 vom 30. September, FJ. 2, in: JC 16, S. 32-44 (43) 18 S TC 12311983, vom 16. Dezember 1983, FJ. 3, in: JC 7, S.514-521 (519); S TC 149/1986, vom 26. November 1986, FJ. 2, in: JC 16, S. 396-401 (401); S TC 4711988, vom 21. März 1988, FJ. 4, in: JC 20, S. 492-507 (504); S TC 98/1988, vom 31. Mai 1988, FJ. 5, in: JC 21, S. 111-121 (119); S TC 200/1988, vom 26. Oktober 1988, FJ. 2, in: JC 22, S. 410-415 (414).
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
um ein gerichtliches Verfahren durchzufiihren und somit um ein Recht zu schützen l9 , sondern Folge eines unnötigen Formalismus des Gesetzgebers bei der Regelung des Verfahrens20 . Ob ein unnötiger Formalismus vorliegt, bestimmt das spanische Verfassungsgericht anband der Grundsätze der Vernünftigkeit (racionabilidad) und der Verhältnismäßigkeit im Einzelfa1l 21 . Das Verfassungsgericht hat diese Vorgaben insbesondere für das administrative Vorverfahren und die Klagebefugnis konkretisiert, so daß dort näher darauf eingegangen werden soll.
III. Bindung der Gerichte und der Parteien an die zulässigen Prozeßvoraussetzungen Die Gerichte und die Parteien sind an die verfassungsrechtlich zulässigen Prozeßvoraussetzungen gebunden22 . Für die Gerichte ergibt sich dies aus Art. 117 Abs. 3 CE, wonach die Ausübung der rechtsprechenden Gewalt den Gerichten allein im Rahmen der durch die Gesetze festgelegten Zuständiikeiten und Verfahrensweisen obliegt23 . Für die Parteien folgt dies aus Art. 24 Abs. 1 19 S TC 109/1991, vom 20. Mai, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 376-382 (379f.): "(. ..) las formalidades procesales han de entenderse siempre para servir a la Justicia, garantizando el acierto de la decisi6n jurisdiccional y la realizaci6n y efectividad de los principios que estructuran el proceso(...)". 20 S TC 3/1983, vom 25. Januar 1983, FJ. 1 und 4, JC 5, S. 19- 38 (25); wörtlich übernommen von S TS 31. Mai 1985 Ar. 2638; ähnlich S TC 87/1984, vom 27. Juli, FJ. 5, in: JC 9, S. 411-419 (417).
21 S TC 5/1988 vom 22. Januar, FJ. 2, in: JC 20, S.47-56 (52); ebenso S TC 37/1982 vom 16. Juni 1982, FJ.4, JC 3, S. 453-461 (460); S TC 90/1983, vom 7. November 1983, FJ. 2, in: JC 7, S. 127-135 (124); 43/1985, vom 22. März, FJ. 2, in: JC 11, S. 417-422 (421); 158/1987, vom 20. Oktober, FJ. 4, in: JC 19 S. 124-133 (131); 206/1987, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 19, S. 651-660 (657f.) S TC 60/1989, vom 16. März, FJ. 4, in: JC 23, S. 654-663 (660); S TC 15/1990 vom 1. Februar FJ. 3, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 133-140 (138); S TC 64/1984, vom 16. Mai 1984, FJ. 2, JC 9, S. 114-124 (122); S TC 90/1986, vom 1. Juli 1986, FJ. 2, in: JC 15, S. 410-419 (416); S TC 70/1988, vom 19. April, FJ. 4, in: JC 20, S: 844-853 (853). Häufig findet sich beim Verfassungsgericht die Bezeichnung dieser rein formalen Voraussetzungen als "enervierende" Voraussetzungen: S TC 57/1984, vom 8. Mai 1984, FJ. 3, in: JC 9, S. 53-61 (60); S TC 117/1986, vom 13. Oktober 1986, FJ. 2, in: JC 16, S. 76-85 (83); S TC 123/1983, vom 16. Dezember 1983, FJ. 3, in: JC 7, S.514-521 (519); S TC 163/1985, vom 2. Dezember 1985, FJ. 3 , in: JC 13, S. 444-450 (449). 22 S TC 87/1986, vom 27. Juni 1986, FJ. 2, in: JC 15, S. 359-367 (365); S TC 112/1986 vom 30. September, FJ. 2, in: JC 16, S. 32-44 (43); S TC 206/1987, vom 21. Dezember 1987, FJ. 5, JC 19, S. 651-659 (658). 23 Lafuente Benaches, La legitimaci6n, S. 440.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
107
CE24 , der allein den Zugang zum Verfahren im gesetzlich vorgesehenen Rahmen gewährleistet. Die Prozeßvoraussetzungen sind auch deshalb nicht disponibel, weil sie der verfassungsrechtlich konkretisierten "öffentlichen Ordnung" dienen, so z.B. dem Prinzip der Rechtssicherheit nach Art. 9 Abs. 3 CE2S; folglich dürfen die vorgesehenen Fristen auch nicht willkürlich nach dem Willen der Parteien verlängert werden26 . Wird daher eine Prozeßvoraussetzung nicht erfüllt, verstößt die durch die Abweisung der Klage möglicherweise entstandene Schutzlosigkeit nicht gegen Art. 24 Abs. 1 CE27 .
IV. Verfassungskonforme Auslegung durch die Gerichte 1. Der Grundsatz pro actione
Die Rechtsschutzgarantie bindet nicht nur den Gesetzgeber, wenn er Prozeßvoraussetzungen ausgestaltet, sondern auch den Richter, der diese Voraussetzungen anwendet28 . Hier lag ein weiterer Schwerpunkt der Tätigkeit des spanischen Verfassungsgerichts, da die Gerichte die Prozeßvoraussetzungen 24 S TC 68/1991, vom 8. April, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 9-29 (22). S TC 76/1990 vom 26. April, FJ. 7. B., in: Rep. Ar. 1990/2, S. 167-218(205); S TC 65/1983, vom 21. Juli 1983, FJ. 4 B, in. JC 6, S. 353-362 (362). 2S S TC 105/1989, vom 8. Juni, FJ 2, in: JC 24, S.374-380 (378f.); S TC 52/1990, vom 26. März, FJ. 2, in: Rep. Ar.1990/1, S. 621-632 (629f.). 26 S TC 29/1985, vom 28. Februar, FJ. 3, in: JC 11, S.285-298 (296); S TC 65/1983, vom 21. Juli, FJ. 4 B), in: JC 6, S. 353-362 (360); S TC 59/1984, vom 10. Mai, FJ. 4, in: JC 9, S. 71-80 (79); S TC 81/1986, vom 20. Juni, FJ. 4, in: JC 15, S. 280-293 (290); S TC 12311986, vom 22. Oktober FJ. 2, in: JC 16, S. 127-135 (133); S TC 111989, vom 16. Januar, FJ. 3, in: JC 23, S. 1-9 (8f.); S TC 15711989, vom 5. Oktober, FJ. 2, in: JC 25, S. 170-181 (178f.); S TC 3911990, vom 12. März, FJ.2, in: Rep. Ar. 199011, S. 461-466 (475). 27 S TC 11/1982, vom 20. März 1982, FJ. 2, in: JC 3, S. 151 -159 (157) sowie S TC 3711982, vom 16. Juni 1982, FJ. 3, in: JC 3, S.453-461 (459); S TC 9311983, vom 8. November 1983, FJ. 3 in: JC 7, S. 168-177 (174); S TC 10911985, vom 8. Oktober FJ. 3, in: JC 13, S. 100-116 (110); S TC 129/1988 vom 28. Juni, FJ. 4, in: JC 21, S.432-439 (438); S TC 19611990 vom 29. November, FJ. 2, Rep. Ar. 1990/4, S. 570-580 (575). 28 S TC 6911984, vom 11. Juni 1984 FJ. 2, in: JC 9, S. 183-194 (191); S TC 6/1986, vom 21. Januar 1986, FJ. 3 a-c, in: JC 14, S. 40-53 (47f.);S TC 148/1986, vom 25. November 1986, FJ. 3, in: JC 16, S. 367-395 (388f.); S TC 14311987, vom 23. September 1987, FJ. 2, in: JC 19, S. 1-9 (5f.); S TC 201/1987, vom 16. Dezember 1987, FJ. 3 und 4, in: JC 19, S. 601-609 (607f.); S TC 20911987, vom 22. Dezember 1987, FJ. 3, in: JC 19, S. 681-693 (690); S TC 36/1988, vom 3. März 1988, FJ. 1, in: JC 20, S. 379-384 (383f.); S TC 20011988, vom 26. Oktober 1988, FJ. 2, in: JC 22, S. 410-415 (414).
108
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
bis in die achtziger Jahre hinein sehr eng ausgelegt und viele Klagen als unzulässig abgewiesen haben29 . Das Recht auf Zugang kann nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts (wie in Deutschland30 ) nur dadurch realisiert werden, daß die Gerichte die Prozeßvoraussetzungen nicht formalistisch auslegen31 . Vielmehr gelte der Auslegungsgrundsatz pro actione3 2 , nach dem erstens die Prozeßvorausset29 Insbesondere die eng ausgelegten Fristenregelungen haben zu einer großen Zahl von Verfassungsbeschwerden gefilhrt: S TC 24711988, vom 19. Dezember, FJ. 1, in: JC 22, S. 960-964 (962); S TC 111989, vom 16. Januar, FJ. 1 und 3, in: JC 23, S. 19 (8f); S TC 3211989, vom 13. Februar, Fl 1, in: JC 23, S.333-341 (339); S TC 65/1989, vom 7. April, Fl 1, in: JC 23, S. 704-711 (709). 30
BVerfGE 49,220 (226); 74, 228 (234); 77, 275 (284); 84, 366 (369f).
S TC 5711984 vom 8. Mai 1984, FJ. 3, in: JC 9, S. 53-61 (60); S TC 115/1984, vom 3. Dezember 1984, FJ. 1, JC 10, S. 311-318 (315); S TC 63/1985 vom 10. Mayo 1985, FJ. 1, in: JC 12, S. 32-37 (35); S TC 89/1985, vom 11. Juli 1985, FJ.l, in: JC 12, S. 374-381 (379): dort aber: Abs. 1 erfaßt nicht generell Art. 24 Abs. 2; S TC 117/1986, vom 13. Oktober 1986, FJ. 2, in: JC 16, S. 79-85 (83); S TC 16411986, vom 17. Dezember 1986, FJ 1 und 2, in: JC 16, S. 522-528 (526f); S TC 10011987 vom 12. Juni 1987, Fl 2, in JC 18, S. 431-438 (453); S TC 109/1987, vom 29. Juni, FJ. 2, in: JC 18, S. 515-529 (525); S TC 11811987, vom 8. Juli, Fl 2, in: JC 18, S.629-637 (633f); S TC 12311987, vom 15. Juli, Fl 6, in: JC 18, S.676-689 (688); S TC 20611987, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 19, S. 651-660 (657f); S TC 5/1988, vom 21. Januar, FJ. 4 und 6, in: JC 20, S. 47-56 (53 und 55); S TC 17211988, vom 3. Oktober 1988, FJ. 2, in JC 22, S. 139-145 (145); S TC 21/1989 vom 31. Januar 1989, Fl 4, in: JC 23, S. 210-219 (218); S TC 21611989 vom 21. Dezember, FJ. 3, in: JC 25, S.844-855 (849); S TC 15/1990, vom 1. Februar, Fl 3, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 133-140 (138); S TC 9311990 vom 23. Mai, Fl 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f); S TC 78/1991 vom 15. April, FJ. 4, Rep. Ar. 19911 2, S. 123-132 (131); S TC 146/1991, vom 1. Juli, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 56-62 (61f.); S TC 55/1995, vom 6. März, in: Rep. Ar. 199511, S. 591-599 (596); S TS 31. Mai 1985 Ar. 2638; S TS 23. Januar 1989 Ar. 424; S TS 24. Juni 1994 Ar. 5191; Gonzlilez Perez, Ley, S. 160; dieses sah jedoch schon die LRJCA von 1956 in ihren Motiven vor: vgl. dazu Slinchez Mor6n, La legitimaci6n activa, S. 9f 31
32 S TC 5711984, vom 8. Mai, FJ. 3, in: JC 9, S. 53-63 (60); S TC 11511984, vom 3. Dezember, FJ. 3, in: JC 10, S. 311-318 (316); S TC 63/1985, vom 10. März, FJ. 2, in: JC 12, S. 32-37 (36); S TC 89/1985, vom 11. Juli, Fl 1, in: JC 12, S. 374-383 (380); S TC 16411986, vom 17. Dezember FFJJ 1 und 2, in: JC 16, S. 522-528 (526f.); S TC 100/1987, vom 12. Juni FJ. 2, in: JC 18, S. 431-438 (435f); S TC 109/1987, vom 29. Juni, FJ. 2, in: JC 18, S. 515-529 (525); S TC 11811987, vom 8. Juli FJ. 2, in: JC 18, S. 629-637 (633f); S TC 5/1988, vom 21. Januar FJ. 4, in: JC 20, S. 47-56 (54f); S TC 2111989, vom 31. JanuarFJ. 3, in: JC 23, S. 210-219 (217); S TC 21611989, vom 21. Dezember Fl 3, in: JC 25, S. 844-855 (849f); S TC 15/1990, vom 1. Februar FJ. 3, in: Rep. Ar. 199011, S. 133-140 (138); S TC 78/1991, vom 15. April, FJ. 4, in: Rep.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
109
zungen weit ausgelegt werden müssen33 . Bleiben nach dieser weiten Auslegung noch Zweifel an der Zulässigkeit, ist die Zulässigkeit anzunehmen34 . Zweitens müssen die Gerichte versuchen, das Verfahren durch eine sachliche Entscheidung zu beenden35 . Weisen sie die Klage wegen Unzulässigkeit ab, ist diese Abweisung ausdrücklich zu begründen36 . Hier wirkt sich auch aus, daß die Prozeßvoraussetzungen einer verfassungsrechtlichen Legitimation nach Art. 24 Abs. 1 CE bedürfen. Die Gerichte müssen die Prozeßvoraussetzungen wegen dieser Legitimation final auslegen37 : "Formerfordernisse (sind) nicht autonome Werte, sondern nur Mittel zur Erzielung eines rechtmäßigen Zwecks"38 . Das Gericht muß daher immer prüfen, welches verfassungsrechtlich geschützte Ziel durch die konkrete Prozeßvoraussetzung erreicht werden so1139 und ob die Einschränkung des Zugangs im Verhältnis zu dem Ziel steht40 .
Ar. 199113, S. 123-132 (131f); S TS 26. März 1994 Ar. 1892; S TS 16. Apri11994 Ar. 3094.
33 Vgl. S TC 102/1984, vom 12. November, Fl 2, in: JC 10, S. 153-164 (162); S TC 21311990, vom 20. Dezember, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S.754-760 (757f); Coscullue1a Montaner, Manual, S. 463f; Pinel L6pez, EI Derecho, S. 299f.. 34 Chamorro Bemal, La tutelajudicia1, S. 184. 35 Figueruel0 Burrieza, EI derecho, S. 88f 36 S TC 93/1984, vom 16. Oktober, FJ. 5, in: JC 10, S. 48-63 (60); S TS 23. März 1994 Ar. 2514. 37 S TC 16411990 vom 29. Oktober FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 223-228; zum Verbot der formellen Interpretation siehe S TC 36/1986 vom 12. März, FJ. 2 b, in: JC 14, S. 346-352 (350); weitere Rechtsprechung zu der Frage der formellen Interpretation: S TC 3711982, vom 16. Juni, FJ. 4, in: JC 3, S. 453-461 (460); S TC 6811983, vom 26. Juli, FJ. 7, in: JC 6, S. 388-397 (443); S TC 4311984, vom 26. März, Fl 2 a), in: JC 8, S. 498-514 (510); S TC 24/1987, vom 25. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S. 224-231 (230); S TC 9811988, vom 31. Mai, FJ. 4, in: JC 21, S. 111-121 (119); S TC 9911989, vom 5. Mai, FJ. 1, in: JC 24, S. 268-283 (279); vg1 auch S TC 1711985, vom 9. Februar FJ. 2, in: JC 11, S. 162-174 (174); S TC 94/1988, vom 24. Mai, FJ. 1, in: JC 21, S. 7986 (83). 38 S TC 180/1987, vom 12. November, FJ. 2, in: JC 19, S. 353-364 (361). Ebenso S TC 128/1991, vom 6. Juni, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199113, S. 553-562 (560); vgl. auch S TC 3211991, vom 14. Februar, FJ. 4, in: Rep. Ar. 199111, S. 358-371 (366f.); S TC 109/1991, vom 20. Mai, Fl 2, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 376-382 (380).
39 S TC 90/1983, vom 27. November, FJ. 2, in: JC 7, S. 127-135 (132). 40 S TC 8711986, vom 27. Juni 1986, Fl 3, in: JC 15, S. 359-367 (365): "E/lo implica realizar una interpretacion finalista y conjugar la proporcionalidad entre el
110
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Der Grundsatz pro actione wirkt sich jedoch allein auf die Prozeßvoraussetzungen aus, die den Zugang zum Gericht endgültig verhindern, nicht auf diejenigen, die den Zugang bloß verzögern. So verzögert ein obligatorisches Vorverfahren den gerichtlichen Rechtsschutz, verhindert ihn aber nicht41 . Die Gerichte verletzen die Rechtsschutzgarantie also nur, wenn sie die Prozeßvoraussetzungen formalistisch, d.h. ohne den zugrundeliegenden Zweck zu berücksichtigen, auslegen und dadurch den effektiven Rechtsschutz des Bürgers im Ergebnis ausschließen42 . 2. Heilungspjlicht
Über diese Unterscheidung hinaus muß differenziert werden, ob der Verstoß gegen die Prozeßvoraussetzung zu einer endgültigen Abweisung der Klage fuhrt oder ob dieser Verstoß gerichtlich geheilt werden kann43 . Kraft des Grundsatzes pro actione muß das Gericht auf eine gesetzliche Heilungsmöglichkeit zurückgreifen, wenn eine solche besteht44 . Die Gesetze sahen jedoch defecto 0 falta y su sanci6n juridica, es decir una interpretaci6n de la legalidad ordinaria en el sentido mas favorable a la efectividad dei derecho fundamental"; S TC
5/1988 vom 22. Januar, FJ. 2, in: JC 20, S.47-56 (52) sowie S TC 1511990 vom 1. Februar FJ. 3, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 133-140 (138); S TC 64/1984, vom 16. Mai 1984, FJ. 2, JC 9, S. 114-124 (122); S TC 90/1986, vom 1. Juli 1986, FI. 2, in: JC 15, S. 410-419 (416); ebenso S TC 8311994, vom 14. März, FI. 2, in: BJC 156 (1994), S. 89-92 (91). 41
Vgl. S TC 102/1987, vom 17. Juni 1987, FJ. 2, in: JC 18, S. 450-461 (456).
S TC 132/1987, vom 21. Juli 1987, FJ. 2, in: JC 18, S. 793-800 (798); ; S TS vom 23. Januar 1989 (Ar. 424), S. 437; S TC 15511988, vom 22. Juli 1988, FJ. 4, in: JC 21, S. 708-719 (711); vgl. auch zum Erfordernis des Nachteils S TC 16111985, vom 29. November 1985, FJ. 5, in: JC 13, S. 423-431 (431); S TC 3511989 vom 14. Februar FJ. 3, in: JC 23, S. 359-366 (365).S TC 146/1991 vom 1. Juli FJ. 3, in: Rep. Ar. 199113, S. 56-62 (60); ebenso Sanchez Moron, La legitimacion activa, S. 11; Friginal Fernandez Villaverde, Las causas, S. 293. 42
43 S TC 57/1984, vom 8. Mai 1984, FI. 3, in: JC 9, S. 53-63 (60); S TC 1911983, vom 14. März 1983 FJ. 4, in: JC 5, S. 209-219 (218); S TC 6111983, vom 21. Juli 1983, in: JC 6, S. 302-316 (312); S TC 95/1983 vom 14. November 1983, FJ. 5, in: JC 7, S. 185-194 (191f); S TC 9611983 vom 14. November 1983, FI. 4, in: JC 7, S. 195203 (201); S TC 163/1985, vom 2. Dezember 1985, FJ. 3, in: JC 13, S. 444-450 (449); S TC 36/1986, vom 12. März 1986, FJ. 2b), in: JC 14, S.346-352 (350); S TC 8711986, vom 27. Juni 1986, FJ. 2, JC 15, S. 359-367 (365); S TC 117/1986, vom 13. Oktober 1986, FJ. 2, in: JC 16, S. 76-85 (83). 44 S TC 68/1983, vom 26. Juli 1983, FJ. 7, in: JC 6, S. 388-397 (397); S TC 1811988, vom 16. Februar 1988, FJ. 2, in: JC 20, S. 194-202 (200); S TC 4111988, vom 14. März 1988, FJ. 2, in: JC 20, S. 439-446 (445); S TC 10911985, vom 8. Oktober FJ. 3, in: JC 13, S. 100-116 (110); S TC 8711986, vom 27. Juni 1986, FI.2, in: JC 15,
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
111
nur wenige Möglichkeiten der Heilung vor (Art. 72 Abs. 1 LJCA, 116 LJCA und Art. 129 LJCA). Aus diesem Grunde hat das Verfassungsgericht auf Art. 11 Abs. 3 LOPJ zurückgegriffen. Danach führt eine Verletzung von Prozeßvoraussetzungen nur dann zur Klageabweisung, wenn der Fehler unheilbar ist4S . Diese Bestimmung ist aufgrund des Art. 24 Abs. 1 CE als GeneralklauseI zu lesen, gilt also auch dann, wenn die Heilungsmöglichkeit nicht ausdrücklich vorgesehen war46 . Mit seiner Leitentscheidung hierzu aus dem Jahr 1986 hob das Verfassungsgericht ein Urteil des Territorialgerichts von Valencia auf, das eine Klage als unzulässig abgewiesen hatte, weil die Unterschrift des Anwalts in der Klageschrift fehlte und dieser Fehler nach Ansicht des Gerichts auch nicht mit ex-nunc Wirkung heilbar war4 7 . Keine Heilungsmöglichkeit besteht bei Prozeßvoraussetzungen, die wesentlich sind für die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens (z.B. Zuläs-
s. 359-367
(365) für den Fall des Fehlens einer Unterschrift des Anwalts; S TC 162/1986, vom 17. Dezember 1986, FJ. 4, in: JC 16, s. 505-514 (512); S TC 311987, vom 21. Januar 1987, FJ. 3 in fine, in: JC 17, S. 35-41 (40); S TC 1811988, vom 16. Februar 1988, FJ. 1, in:JC 20, S. 194-202 (200); S TC 3911988, vom 9.März 1988, FJ. 2, in: JC 20, S. 411-422 (422); S TC 94/1988, vom 25. Mai 1988, FJ. 2, in: JC 21, S. 87-92 (91); S TC 98/1987, vom 10. Juni, Fl 3, in: JC 18, S. 376-381 (380); S TC 17411988, vom 3. Oktober 1988 FJ. 2, in: JC 22, S. 151-158 (156); S TC 21/1990, vom 15. Februar, FJ. 7, in: Rep. Ar. 199011, S.227-238 (237); S TC 213/1990, vom 20. Dezember FJ 2, Rep. Ar. 1990/4, S. 754-760 (757). 4S S TC 2/1989, vom 18. Januar, Fl 3, in: JC 23, S. 10-16 (15) und S TC 10511989, vom 8. Juni FJ. 2, in: JC 24, S. 374-380 (378). 46 S TC 21/1990, vom 15. Februar, FJ. 7, in: Rep. Ar. 1990, S. 227-238 (237); weiter zur Heilungsmöglichkeit I-pflicht: S TC 36/1986, vom 12. März, FJ. 4, in: JC 14, S. 346-352 (351f.); S TC 162/1986, vom 17. Dezember, FJ. 4, in: JC 16, S. 505514 (512); S TC 39/1988, vom 9. März, Fl I, in: JC 20, S. 411-422 (420f.); S TC 211989, vom 18. Januar, FJ. 2, in: JC 23, S. 10-16 (15); S TC 105/1989, vom 8. Juni Fl 2, in: JC 24, S. 374-380 (378); S TC 611990, vom 18. Januar, FFJJ 2 und 3, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 64-69 (67f.); S TC 213/1990, vom 20. Dezember, FFJJ. 1 bis 6, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 754-760 (757-760); S TC 164/1991, vom 18. Juli, Fll, in: 1991/3, S. 403-408 (406); S TC 2/1989, vom 18. Januar, Fl 3, in: JC 23, S. 10-16 (15); S TC 21/1990, vom 15. Februar, Fl 7, in: Rep. Ar. 1990/1, S.227-238 (237); Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tute1a, S. 90f. 47 S TC 87/1986, vom 27. Juni, FJ. 2, in: JC 15, S. 359-367 (365); ähnlicher Sachverhalt in S TC 140/1987, vom 23. Juli, FJ. 2, in: JC 18, S. 863-870 (868); Jimena Quesada, los derechos de1justiciable, S. 247f..
112
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
sigkeit des Rechtsweges, Zuständigkeit der Gerichte). Auch wenn die Heilung Rechte Dritter beeinträchtigt, ist sie ausgeschlossen48 .
V. Insbesondere das administrative Vorverfahren als Prozeßvoraussetzung Der Gesetzgeber kann die Einlegung der verwaltungsgerichtlichen Klage zwingend von einem administrativen Vorverfahren abhängig machen. Von dieser Möglichkeit haben der deutsche Gesetzgeber insbesondere bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 68 ff. VwGO)49 und der spanische Gesetzgeber (Art. 37 Abs. 1 LJCA) Gebrauch gemacht50 . 1. Zu lässigkeit eines administrativen Vorverfahrens
Die spanische Lehre hat geschlossen in dem obligatorischen Vorverfahren einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie gesehen; ein bedenkliches Privileg der Verwaltung im Verhältnis zum Bürger, das verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt sei. Es habe zur Folge, daß die Verwaltung ihre Entscheidungen nicht ernsthaft überdenken würde, da sie vor dem gerichtlichen Verfahren diese Entscheidung ohne nennenswerte Konsequenzen wieder rückgängig machen könne. Daher diene das obligatorische administrative Vorverfahren nicht dem Rechtsschutz, sondern verzögere erheblich das allein Rechtsschutz gewährende gerichtliche Verfahren51 und sei deshalb verfassungswidrig 52 . Bestärkt wurde die Kritik der Lehre durch eine Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts von 1991 53 , das die Verfassungswidrigkeit eines obliga-
48 S TC 92/1990, vom 23. Mai, FJ. 2, in: La Ley, 1990-3, S. 70-72 (71). 49 Vgl. insbesondere im Beamtenrecht § 126 Abs. 3 BRRG. 50 Femandez Pastrana, EI nuevo n:gimen, S. 385; Cienfuegos, EI recurso ordinario, S. 338. 51 Peman Gavin, Via administrativa, S. 146 rn.w. N.; Femandez Pastrana, EI nuevo regimen, S. 381f; Santamaria Pastor, Veinticinco afios de aplicaci6n, S. 136f 52 Cano Mata, Reforma de la Ley, S. 151; vgl. Soriano Garcia, l,Desaparece la via previa?, S. 505ff.; Garcia de Enterria, Un punto de vista, S.208f; ders., Hacia una nueva justicia administrativa, S.67; Femandez Pastrana, Orientaci6n antiformalista, S.259. Vgl. in Deutschland zu dieser Frage: Meier, U., Die Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens,S.lflf. 53 Urteil Corte Costituzionale vom 11. Januar 1991 Nr. 15.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
113
torischen Vorverfahrens feststellte, weil darin eine unverhältnismäßige Beschränkung des Rechtes auf Rechtsschutz liege54 . Dieser Lehre steht diametral die Ansicht des Verfassungsgerichts gegenüber. Ihm zufolge ist ein administratives Vorverfahren verfassungsgemäß, muß aber als Prozeßvoraussetzung an Art. 24 Abs. 1 CE gemessen werden. Es verletzt indes nicht das durch diese Bestimmung gewährleistete Grundrecht 55 . Denn Art. 24 Abs. 1 CE garantiert i.Y.m. Art. 117 Abs. 3 CE ausschließlich einen Rechtsschutz durch Gerichte; die Verwaltung übt jedoch im Rahmen des Vorverfahrens keine Gerichtsfunktionen aus 56 . Es handelt sich vielmehr um eine zusätzliche Rechtsschutzform, deren Einrichtung im Ermessen des Gesetzgebers liegt57. Das Vorverfahren verzögert somit im Ergebnis den gerichtlichen Rechtsschutz. Eine verhältnismäßige Verzögerung aufgrund einer Prozeßvoraussetzung verstößt jedoch, wie oben bereits dargelegt58, nicht gegen die Rechtsschutzgarantie. Dies ist um so weniger der Fall, wenn, wie beim Vorverfahren, die Prozeßvoraussetzung auch dem verfassungsrechtlich gebotenen effizienten Handeln der Verwaltung dient: sie verhilft der Verwaltung dazu, frühzeitig ein möglicherweise rechtswidriges Handeln zu erkennen und darauf z.B. durch Rücknahme zu reagieren.
54 In diesem Fall hatte ein italienischer Postkunde, ohne das Vorverfahren durchlaufen zu haben, Klage erhoben wegen der verspäteten Zustellung eines Eilbriefes von Neapel nach Rom (Sieben Tage). Der Richter legte die Frage der Verfassungsmäßigkeit dem Verfassungsgericht vor. Schon 1989 tendierte eine Entscheidung des Verfassungsgerichts in diese Richtung: Urteil Corte Costituzionale vom 11. Dezember 1989, Nr. 530. 55 Vgl. S TC 6/1986, vom 21. Januar, FJ. 3, in: JC 14, S.40-53 (51); S TC 6211986, vom 20. Mai, FI. 2, in: JC 15, S. 107-116 (115); S TC 204/1987, vom 21. Dezember, FI. 4, in: JC 19, S. 627-636 (634); A TC 46111987, vom 22. April, FI. 2, in: JC 17, S. 1418-1422 (1421); S TC 3211991, vom 14. Februar, Rep. Ar. 199111, 358371; Chamorro Bemal, La tute1ajudicial, S. 25. 56 S TC 2111986, vom 14. Februar, FJ. 3, in: JC 14, S. 182-189 (189); S TC 2211986, vom 14. Februar, FI. 3, in: JC 14, S. 190-197 (196); S TC 60/1989, vom 16. März FI. 4, in: JC 23, S. 654-663 (660); A TC 664/1984, vom 7. November, FI. 1, in: JC 10, S. 1064-1070 (1069) zu Handlungen des Rechnungshofes (Tribunal de Cuentas); vgl. auch Chamorro Bemal, La tute1a judicial, S.24f.; Salas Hemimdez, EI procedimiento administrativo, S. 554; vgl. hierzu in Deutschland die Kritik von Kniesch, Verfassungsmäßigkeit, S. 577. 57 S TC 60/1989, vom 16. MärzFI. 5, in: Je 23, S. 654-663 (661). 58 Siehe S. 110. 8 Martinez Soria
114
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Das entspricht weitgehend dem Standpunkt des Bundesverfassungsgerichts zum Vorverfahren. Danach dient das Vorverfahren sowohl dem Interesse der Verwaltung an Selbstkontrolle wie auch dem Rechtsschutz des einzelnen BürgersS9 . Ein Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie ist in einer Verknüpfung des Vorverfahrens mit der gerichtlichen Klage nicht zu sehen60 . 2. Die Ausgestaltung des administrativen Vorverfahrens und die Rechtsschutzgarantie Art. 24 Abs. 1 CE wirkt grundsätzlich nicht auf die konkrete Gestalt des Verwaltungsverfahrens61 . Doch kann dessen Gestalt mittelbar Auswirkungen haben auf den sich anschließenden Rechtsschutz durch Gerichte, so daß die Überprüfung anhand der Rechtsschutzgarantie möglich ist62 .
a) Keine wesentliche Erschwerung des Zugangs zu den Gerichten Nach Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 19 Abs. 4 GG ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers beim administrativen Vorverfahren überschritten, wenn der Zugang zu den Gerichten durch das administrative Vorverfahren verhindert oder übermäßig erschwert wird63 . Dies ist der Fall, wenn das Gericht die Regelungen des Vorverfahrens so formalistisch auslegt, daß die Anrufung des Gerichts ausnahmslos davon abhängt, daß die Verwaltung im Rahmen des Vorverfahrens entscheidet64 .
S9 BVerfGE 40, 237 (256f); zur Komplementärfunktion des Verwaltungsverfahrens vgl. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung, S. 265ff.
60 BVerfGE 35, 65 (72f.); 40, 237 (256); MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV, Rdnr. 249; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 118. 61 S TC 18/1981, vom 8. Juni, in: JC 2, S. 29-41; S TC 181/1990, vom 15. November, FJ. 6, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 400-408 (407); Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 179. 62
Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 180.
63 S TC 21/1986, vom 14. Februar, FJ. 3, in: JC 14, S. 182-189 (189); S TC 60/1989, vom 16. März Fl 4, in: JC 23, S. 654-663 (660); BVerfGE 40, 237 (256f.); 61,82 (110); 69,1 (49),83,182 (198); Krebs, in: v. MÜllch, Art. 1900, Rdnr. 66. 64 Insbesondere zu der Frage der Fristen bei Widersprüchen, die von der Behörde nicht beschieden wurden siehe S TC 6/1986, vom 21. Januar, Fl 3 c) in: JC 14, S. 4053 (51) und S TC 204/1987, vom 21. Dezember, Fl 5, in: JC 19, S. 627-636 (635); zu den einfachen Gerichten siehe S AN 3. Juni 1991, in LA LEY 1991-4, S. 629 sowie auch S TS 26. September 1986 Ar. 5591, S TS 18. September 1990 Ar. 6952; S TS 19.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
115
In Spanien hat dies den obligatorischen Charakter des Vorverfahrens aufgeweicht. So ist in den letzten Jahren teils ausdrücklich unter Hinweis auf die Rechtsschutzgarantie65 immer häufiger von der lange unbeachteten Heilungsmöglichkeit nach Art. 129 Abs. 3 LJCA Gebrauch gemacht worden, nach der das Fehlen des Vorverfahrens in den ersten zehn Tagen des Verwaltungsprozesses geheilt werden kann66 . Manchmal hat der Oberste Gerichtshof sogar ganz auf das Vorverfahren verzichtet67 , teils hat er geriChtliche Klagen vor Abschluß des Vorverfahrens zugelassen68 . Es ist damit eine Tendenz der
Dezember 1989 Ar. 9160; S TS 31. Juli 1989 Ar. 9704, S TS 27. Dezember 1989 Ar. 9229; S TS 13. Februar 1991 Ar. 952; S TS 15. März 1991 Ar. 2381; S TS 7. Juni 1991 Ar. 4962; S TS 16. Juni 1991 Ar. 4964. 65 S TS 29. Dezember 1985 Ar. 1540 des Jahres 1986; S TS 15. April 1986 Ar. 1754; S TS 29. Mai 1986 Ar. 2772. 66 S TC 62/1986, vom 20. Mai, FJ. 2, in: JC 15, S. 107-116 (115f.); so schon S TS 30. Januar 1986 Ar. 90; S TS 13. Mai 1986 Ar. 4587; weiterhin 7. Juni 1986, LA LEY 1986-4, S. 787 m.w.N.; S TS 17. Oktober 1991 Ar. 8190; S TS 17. Februar 1988 Ar. 1342 aus dem Jahr 1990; S TS 14. Juni 1990 Ar. 10553. In der Entscheidung S AN 24. November 1991, in: LA LEY 1991-4,266 wird diese Form als der modeme Lösungsweg angesehen. Auch im Hinblick auf den recurso de alzada gegen den eigentlichen Wortlaut: A TC 461/1987, vom 22. April, FJ. 2, in: JC 17, S. 1418-1422 (1421); S TS 10. Mai 1990 Ar. 4062; Vgl. hierzu Gonza1ez Perez, EI principio antiforma1ista, S.183ff. 67 S TS 21. Dezember 1981 Ar. 768 aus dem Jahr 1982; S TS 29. Mai 1986 Ar. 2772; S TS 28. Februar 1989 Ar. 1457; S TS 24. Oktober 1989 Ar. 7490; S TS 16. November 1989 Ar. 8344. In anderen Urteilen hat das Oberste Gericht auch verspätete Widersprüche angenommen, wenn die Verwaltung trotz der Verspätung beschieden hat S TS 3. April 1990 Ar. 3419; S TS 3. Mai 1990 Ar. 3789; S TS 19. September 1990 Ar. 7100. Ebenso in dem Fall der offensichtlichen Rechtswidrigkeit und somit Nichtigkeit des Verwaltungsaktes S TS 26. Februar 1990 Ar. 1540; S TS 10. Mai 1990 Ar. 4052; S TS 10. Mai 1990 Ar. 4062. In einem weiteren Fall hat das Oberste Gericht unter Berufung auf das Prinzip nemo auditur propiam turpitudinem allegans die Klage angenommen, da die Verwaltung bei ihrer Rechtsmitte1be1ehrwlg das Vorverfahren nicht erwähnt hatte: S TS 28. Januar 1986 Ar. 70; S TS 21. November 1985 Ar. 5570; ebenso auch S TS 11. Juli 1988 Ar. 5883; S TS 22. Januar 1992, in: LA LEY 1992-2, 795.
68 S TS 27. Juli 1987 (Ar. 7685); S TS 24. April 1989 Ar. 3228; S TS 30. Mai 1989 Ar. 3926; S TS 8. Juni 1989 (Ar. 4367); S TS 7. September 1990 (Ar. 7088); S TS 14. Dezember 1990 (Ar. 9972); vgl. dazu auch Femandez Pastrana, Orientaci6n antiformalista, S. 263. 8*
116
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Rechtsprechung erkennbar, den unbeschränkten Zwangscharakter des Vorverfahrens aufzuheben69 . Die Aufweichung des Zwangs zum Vorverfahren ist auch an der Rechtsprechung zur Regelung des Vorverfahrens bei Klagen gegen Verordnungen erkennbar. Nach Art. 53 e) a.F. i.V. Art. 39 Abs. 1 LJCA war das Vorverfahren entbehrlich, wenn die Klagen von juristischen Personen eingelegt wurden. Die Rechtsprechung hat diese Befreiungsregelung sehr eng ausgelegt70. Fochten natürliche Personen eine Verordnung direkt an, war das Vorverfahren obligatorisch71 . Die Lehre hat diese angesichts der Rechtsschutzgarantie willkürliche Unterscheidung kritisiert72 und das Verfassungsgericht ist dieser Kritik gefolgt. Der Zwang zum Vorverfahren beeinträchtigt den Rechtsschutz und bedarf daher einer besonderen verfassungsrechtlichen Legitimation. Die willkürliche Ungleichbehandlung lasse erkennen, daß die mögliche Legitimation, die Effektivität des Verwaltungshandelns nach Art. 103 Abs. 1 CE, nicht greife; somit ist die Rechtsschutzgarantie verletzt. Die Folge ist, daß bei Klagen gegen Verordnungen das Vorverfahren nur noch fakultativ ist73 . Bei Klagen gegen Einzelakte, in denen das Vorverfahren weiterhin obligatorisch ist, hat es die Behörde nach wie vor in der Hand, durch Untätigkeit das gerichtliche Verfahren erheblich zu verzögern und sogar letztlich zu verhindern. Hier bewirkt die Rechtsschutzgarantie, daß der Bürger nach einer bestimmten Frist die Möglichkeit haben muß, den Rechtsweg zu beschreiten74 . Während hierfür in Deutschland § 75 S.l VwGO eine Untätigkeitsklage vorsieht, die Klage also abweichend von § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO unmittelbar 69 Vgl. dazu auch S TC 32/1991, vorn 14. Februar, FJ. 6, in: Rep. Ar. 199111, S. 358-371 (369) wonach Art. 53 e), der die Verpflichtung zum Vorverfahren bei allgemeinen Bestimmungen aufhebt, allgemein ftlr Verordnungen anwendet.
70 S TS 11. März 1982 Ar. 1067; Trayter, La suspension dei recurso, S. 259. 71 S TS 13. Oktober 1978 Ar. 3234; S TS 9. Januar 1980 Ar. 29; S TS 18. März 1980 Ar. 1021; S TS 18. Juni 1980 Ar. 2369; S TS 5. Dezember 1980 Ar. 4674; S TS 6. Juni 1987 Ar. 5908; S TS 26. September 1991 Ar. 7582; Trayter, La suspension del recurso, S. 259.
72
Garcia de Enterria, Curso II, S. 499f.
73 S TC 32/1991, vorn 14. Februar, FJ. 6, in: Rep. Ar. 199111, S. 358-371 (369).
Diese Rechtsprechung ist vorn Obersten Gerichtshof übernommen worden: S TS 6. Juni 1991 Ar. 4961; es fmden sich jedoch schon vereinzelt frühere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes, in denen er eine solche Differenzierung ablehnt: so z.B. S TS 12. November 1983 Ar. 5538.
74 Vgl. BVerfGE 40, 237 (257), das sich gegen ein Vorverfahren ausspricht, das die Anrufung der Gerichte zeitlich unzurnutbar hinauszögert.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
117
erhoben werden kann, wird in Spanien der Widerspruchsbescheid vermutet. Entscheidet die Verwaltungsbehörde in Spanien nicht binnen dreier Monaten über den Widerspruch, wird nach Art. 43 Abs. 3 b) LRJPA dieses Schweigen als Ablehnung gesetzlich vermutet1 5 . Handelt es sich um einen Widerspruch gegen einen zuvor durch Schweigen abgelehnten Antrag, wird vermutet, daß dem Widerspruch stattgegeben und somit der Antrag angenommen worden ist16 . b) Rechtsschutz als Ziel des Vorverfahrens Wie bei den allgemeinen Prozeßvoraussetzungen schon dargelegt77 , müssen diese dem Rechtsschutz dienen; dies gilt um so mehr fiir das Vorverfahren, in dem der Urheber der möglichen Rechtsverletzung, die Verwaltung, ihren Bescheid selbst überprüft18 . Deshalb hat das Verfassungsgericht 1987 in einem Urteil betont, daß das Vorverfahren allein dadurch gerechtfertigt sei, daß es dem Schutz von verfassungsrechtlich geschützten Gütern und Interessen diene; hierzu müsse es im Verhältnis stehen79 . So sei insbesondere ein Vorverfahren nicht notwendig, wenn offensichtlich sei, daß es erfolglos bliebe80 . Gegenstand der Kritik war insbesondere das bis 1992 mögliche administrative Rechtsmittel des recurso de reposici6n, das bei der Behörde eingelegt werden mußte, die die Verwaltungsmaßnahme erlassen hatte (Art. 52 Abs. 2 LJCA)81. Hier hat die Lehre darauf hingewiesen, daß empirisch die Ausgangsbehörde in den seltensten Fällen den Widerspruch zu einer Änderung
75
Siehe S. 233ff.
Femandez Pastrana, EI nuevo rt!gimen, S. 386; fraglich ist jedoch, ob der Bürger in diesen Fällen des Schweigens der Verwaltung sofort Klage einreichen kann, oder ob er erst nach Art. 44 Abs. 2 LRJPA die Bescheinigung der Behörde einholen muß über ihre Untätigkeit. Nach der wohl h.M. ist dieses im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie nicht notwendig. 77 Siehe S. 106. 76
78
Ebenso in Deutschland von BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 122.
S TC 206/1987, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 19, S. 651-660 (658); Muiloz Machado, Reserva, S. 2771. 79
80 S TC 206/1987, vom 21. Dezember, FJ. 5, in: JC 19, S. 651-660 (658); Muiloz Machado, Reserva, S. 2771; vgl. dazu auch BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 122.
81 Vgl. die Darstellung bei: Sommermann, Schutz, S. 285; Hofmann, Landesbericht, S. 156fT.
118
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
ihrer Maßnahme nutze82 , und der Oberste Gerichtshof bestätigte dies, indem er feststellte, daß "der recurso de reposici6n absolut keinen Nutzen rur den Bürger hat, wie die Praxis gezeigt und die Lehre zutreffend dargelegt hat" 83 . Der Gesetzgeber hat 1992 bei der Reform des Gesetzes über die Rechtsstellung der öffentlichen Verwaltung und das allgemeine Verwaltungsverfahren (Ley de Regimen Juridico de las Administraciones Pitb/icas y deI Procedimiento Administrativo Comitn, LRJPA)84 auch die administrativen Rechtsbehelfe umgestaltet85 . Heute ist grundsätzlich statt der bisherigen zwei nur noch ein administrativer Rechtsbehelf (recurso ordinario) vorgesehen, der in seiner Ausgestaltung dem bisherigen recurso de alzada und damit dem deutschen Widerspruch ähnelt86 . Folglich haben alle Widersprüche einen Devolutiveffekt, der kritisierte recurso de reposici6n entfiel. Der Widerspruch ist aber folgerichtig auch nur noch möglich, soweit eine Behörde besteht, die der erlassenden Behörde übergeordnet ist87 . c) Ausschluß des einstweiligen Rechtsschutzes
Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 19 Abs. 4 GG fordern weiterhin, daß der effektive Schutz des Rechts trotz des Vorverfahrens geWährleistet bleibt88 . Mittel dafiir ist die durch die Rechtsschutzgarantie gewährleistete Möglichkeit zum einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz. Da der Richter in Spanien in der Regel erst tätig werden kann, wenn das Vorverfahren abgeschlossen ist (oder drei Monate bis zum Eintritt der Vermutung vergangen sind)89 , würde ein obligatorisches Vorverfahren ohne einen möglichen einstweiligen Rechts82 Femandez Pastrana, EI nuevo rt!gimen, S. 382. 83 A TS 20. Juni 1989 Ar. 4864; Femandez Pastrana, Orientaci6n antiformalista, S.260. 84 Ley 30/1992, de 26 de noviembre, de regimenjuridico de las administraciones publicas y dei procediemiento administrativo comun (BOE Nr. 285, vom 27. November): Garcia de Enterria, Un punto de vista, S. 205 bezeichnet das Gesetz als ,,zentrales Gesetz bei der Schaffung eines vollständigen spanischen Rechtssystems"; zur Frage des Inkraftretens des Gesetzes und den Übergangsbestimmungen: L6pez Menudo, EI rt!gimen transitorio, S. 13ff. 85 Vgl. Motive Nr. 13; Übersicht bei Sanchez Mor6n, Recursos administrativos, S.321ff. 86 Art. 114-117 LRJPA. 87 Femandez Pastrana, EI nuevo rt!gimen, S. 385. 88 S TC 6611984, vom 6. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 133-141 (138); S TC 11511987, vom 7. Juli, FJ. 3, in: JC 18, S. 575-600 (594f.); S TC 238/1992, vom 17. Dezember, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1992/3, S. 1207-1218 (1215). 89 Siehe S. 117.
B. Die Beschränkung des Zugangs zwn Gericht
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schutz dazu fUhren, daß ein vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz praktisch ausgeschlossen wäre90 . Somit folgt aus der Rechtsschutzgarantie, daß der einstweilige Rechtsschutz jederzeit - auch schon während des Verwaltungsverfahrens - möglich sein muß, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Diese Möglichkeit, nicht hingegen die Pflicht, eines einstweiligen Rechtsschutzes haben sowohl das spanische Verfassungsgericht91 wie auch das Bundesverfassungsgericht92 anerkannt. Während der deutsche Gesetzgeber bei der Regelung des Widerspruches in der VwGO über diese Forderung hinausgehend den automatisch einsetzenden Suspensiveffekt angeordnet hat, entspricht die spanische Regelung dem durch Art. 24 Abs. 1 CE gewährleisteten Minimum. So suspendiert der Widerspruch nach Art 111 Abs. 1 LY.m. Art. 94 LRJPA nicht automatisch die Vollstreckbarkeit93 . Nach Art. 111 Abs. 2 LRJP A steht es im Ermessen der Behörde, auf Antrag oder von Amts wegen die Vollstreckung aufzuschieben, wenn a) die Vollstreckung unheilbare oder schwierig zu heilende Nachteile verursachen könnte oder b) der Widerspruch mit der Nichtigkeit des Verwaltungsaktes begründet wird94 . Dadurch ist die Möglichkeit des einstweiligen Rechtsschutzes zwar theoretisch gegeben, praktisch hat sie jedoch nur geringe Bedeutung. Die Lehre hat insbesondere mit Hinweis auf die deutsche Regelung einen Widerspruch zur Rechtsschutzgarantie beklagt95 und deshalb teilweise gefordert, daß die im Zusammenhang mit dem gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz entwickelte Rechtsprechung, wonach ein Grundrecht auf einstweiligen Rechtsschutz besteht96 , auch im Verwaltungsverfahren angewandt wird97 . Zumindest müsse das Ermessen der Behörde hinsichtlich des Ob der Suspendierung in einigen Sachverhalten (so insbesondere bei geringeren Schäden) wesentlich reduziert werden98 . Hier 90 S TC 66/1984, vom 6. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 133-141 (138). 91 S TC 115/1987, vom 7. Juli, FJ. 3, in: JC 18, S.575-600 (594f.); S TC
238/1992, vom 17. Dezember, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1992/3, S. 1207-1218 (1215); siehe auch Garcia de Enterria, in: Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 617. 92 BVerfGE 51, 268 (284f.); 67, 43 (58f.); BVerfG B.v. 3.4.1992, ZKF 1993,87; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 124. 93 Gonzillez PerezlGonzillez Navarro, LRJAP, S. 1189; Femandez Pastrana, EI nuevo regimen, S. 388.
94 95 96 97
Gonzillez PerezlGonzillez Navarro, LRJAP, S. 862. Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 179. Siehe S. 309ff.
Gonzillez PerezlGonzillez Navarro, LRJAP, S. 1190; vgl. zwn gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz unten S. 298ff.
98 Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 179.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
könne die im Zuge der Reform eingeführte Abwägungsklausel eine tragende Funktion übernehmen99 . Danach könnte die Schwere des Schadens durch die Vollstreckung sich danach richten, wie hoch das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollstreckbarkeit ist. Bislang ist jedoch eine solche Entwicklung, soweit ersichtlich, nicht erkennbar. d) Die Ersetzung des Vorverfahrens durch eine Mitteilungspflicht Wesentliches Ziel der Reform des Verwaltungsverfahrens im Jahre 1992 war eine Entlastung der Verwaltung 100 . Dieses Ziel wurde dadurch erreicht, daß die Zahl der Verwaltungsakte, gegen die Widerspruch eingelegt werden kann, erheblich eingeschränkt worden ist. Da der Widerspruch notwendigerweise einen Devolutiveffekt hat, ist für die Zulässigkeit des Widerspruchs entscheidend, ob die Verwaltungsmaßnahme den Verwaltungsweg gemäß Art. 109 LRJPA abschließt 101 . Nach Buchstabe c) wird der Verwaltungsweg durch die Handlungen von Obersten Verwaltungsbehörden abgeschlossen. Dazu gehören zum einen die Verwaltungsakte, die von einer Obersten Behörde des Zentralstaates erlassen worden sind 102 . Zum anderen ist kein Widerspruch mehr möglich gegen die Handlungen der Obersten Behörden der autonomen Gemeinschaften. Gleiches gilt auch für die Verwaltungsakte der Gemeinden 103 , da ein Devolutiveffekt aufgrund der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde, die als ein einheitliches Organ wirkt, ausgeschlossen ist I04 . Somit ist seit der Reform die Einlegung eines behördlichen Rechtsbehelfs bei einem Großteil der Verwaltungsakte ausgeschlossen. Dieser Ausschluß des Vorverfahrens verstößt trotz der Rechtsschutzfunktion des Vorverfahrens nicht gegen die Rechtsschutzgarantie, da auch die Einführung des Vorverfahrens im Ermessen des Gesetzgebers liegt 1005 . In der Praxis mindert jedoch das Fehlen eines außergerichtlichen Vorverfahrens die Wahrnehmung der Rechte des 99 Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 180; Gonzalez Pere:zJGonzalez Navarro, LRJAP, S. 1192. 100 Gonzalez Pere:zJGonzalez Navarro, LRJAP, S. 18. 101 Kritisch gegenüber dem völligen Fehlen eines Widerspruches auch fakultativer Art Garcia de Enterria, Un punto de vista, S. 210. 102 Exemplarisch fUhrt die 9. Zusatzbestimmung der LRJPA folgende Handlungen auf Handlungen der Regierung und ihrer Ausschüsse, Handlungen der Minister innerhalb ihrer Ressorts sowie die Handlungen der Staatssekretäre und der Generaldirektoren im Bereich des Personals; L6pez Ram6n, Reflexiones sobre el ämbito, S. 121. 103 Garcia de Enterria, Un punto de vista, S. 210.
104 Pielow, Autonomia Local, S. 205fT. lOS Vgl. dazu BVerfGE 60, 253 (291).
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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Bürgers insbesondere aufkornmunaler Ebene, wo aufgrund der vergleichsweise geringen Streitwerte auf einen gerichtlichen Rechtsschutz weitgehend verzichtet wird 106 . Der Gesetzgeber hat sich jedoch nicht auf die Reduzierung der Widerspruchsmöglichkeiten beschränkt. Damit die Behörde dort, wo ein Vorverfahren entfallen ist, nicht von der Klage überrascht wird, besteht nach Art. 57 Abs. 2 f) LJCA i.Y.m. Art. 110 Abs. 3 LRJPA die Pflicht des Bürgers, die Verwaltungsbehörden zu benachrichtigen, bevor er die verwaltungsgerichtliche Klage einreicht 107 . Eine Frist rur diese Ankündigung besteht nicht 108 . Zunächst fragt sich, ob die ohne Benachrichtigung eingelegte Klage zulässig ist. Diese Frage hat nunmehr der Oberste Gerichtshof dahingehend entschieden, daß aufgrund der Rechtsschutzgarantie Art. 129 Abs. 3 LJCA analog heranzuziehen ist, der die Heilung bei fehlendem Vorverfahren vorsieht 109 . Die Klageankündigung ist also eine "imperfekte" Prozeßvoraussetzung. Deshalb ist die Ansicht abzulehnen, nach der diese Bedingung gegen die Rechtsschutzgarantie verstoße 11O . Es ist zwar richtig, daß ein wesentlicher Grund rur die Verfassungsmäßigkeit der Prozeßvoraussetzungen, die Rechtsschutzfunktion, hier fehlt. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung dafiir liefert jedoch der Grundsatz des effizienten Verwaltungshandeins, dem die Benachrichtigungspflicht dient lll . Aufgrund der im Grunde unerheblichen Belastung rur den Bürger und vor allem, weil nachteilige Folgen eines - heilbaren - Verstoßes fehlen, ist die Pflicht des Bürgers, die Behörde vor Klageerhebung zu benachrichten, mit der Rechtsschutzgarantie vereinbar.
106 Tena Piazue1o/Gimeno Fe1iu, La tutela judicial, S. 134; Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 656. 107 Dazu Torres Fernandez, La comunicaci6n previa, S. 498fT.; ob die Benachrichtigung auch bei vermutlichen Verwaltungsakten gilt siehe Gonzalez Salinas, La comunicaci6n previa, S. 604. 108 Cienfuegos, EI recurso ordinario, S. 338; Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 655. 109 Ebenso A TS 20. Januar 1994, wiedergegeben bei Gonzalez Salinas, La comunicaci6n previa, S. 607; Torres Fernandez, La comunicaci6n previa, S. 503f.; Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 375. 110 So Tena Piazue1o/Gimeno Fe1iu, La tutela judicial, S. 135; Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 374. 111 Gonzalez Salinas, La comunicaci6n previa, S. 605.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
VI. Die Rechtsschutzgarantie und die Klageart 1. Das Verhaltnis von Festste/lungs-, Gestaltungs- und Leistungsklage zur Rechtsschutzgarantie
Aus der Rechtsschutzgarantie entnimmt das spanische Verfassungsgericht allein den Anspruch auf ein Feststellungsurteil des Gerichts zu dem vorgetragenen Sachverhalt 112 . Damit entspricht seine Aussage einer verbreiteten Ansicht in Deutschland 113 . Eine Gestaltungsklage in Form beispielsweise einer Anfechtungsklage geht im Grundsatz darüber hinaus und wird daher auch nicht durch die Rechtsschutzgarantie gewährleistet. Bei belastenden Verwaltungsmaßnahmen kann die Beschränkung auf die bloße Feststellung ausreichend Rechtsschutz gewähren; die rechtsstaatlich gebundene Verwaltung wird im Regelfall den Verwaltungsakt, dessen Rechtswidrigkeit gerichtlich festgestellt worden ist, zurücknehmen und seine Wiederholung unterlassen. Diese Pflicht der Verwaltung kann jedoch nicht aus der Rechtsschutzgarantie entnommen werden, sondern folgt aus der' Pflicht zum rechtmäßigen Handeln der Verwaltung, die auf dem Rechtsstaatsprinzip beruht I 14 . Aus diesem Grunde hängt bei einer solchen Auffassung die Effektivität des Rechtsschutzes allein von der Gutmütigkeit der Verwaltung ab 11S . Ob diese Gutmütigkeit auch beim Anspruch auf eine Leistung der Verwaltung besteht und ob dann die Feststellung genügt, ist zweifelhaft. In Deutschland geht daher ein Teil der Lehre einen Schritt weiter: Kann die Verwaltung die ordnungsgemäße Umsetzung der verwaltungsgerichtlichen Urteile nicht gewährleisten, folgt aus dem Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes, daß es den Gerichten möglich sein muß, mittels Leistungs- und Gestaltungsklagen den Rechtsschutz zu realisieren 116 . Dadurch würde "auch selbstverständlich nicht der Gewaltenteilungsgrundsatz verletzt", diese um112 S TC 6911984, vom 1l. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 183-194 (191); S TC 17311987, vom 3. November, in: JC 19, S. 298-304 (302); S TC 36811993, vom 13. Dezember, Einziger FJ, BJC 153 (1994), S. 81-83 (83); S TC 159/1994, vom 23. Mai, FJ. 4, BJC 158 (1994), S. 162-165 (165); A TS 15. Februar 1994 Ar. 1182; vgl. dazu Chamorro Bemal, La tutelajudicia1, S. 182 Fn. 22 und 23;. 113 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 280; a.A BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 161, der die Gestaltungs- und Leistungsklagen mit in den Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 00 einbezieht. 114 AA: Bettermann, Grundrechte rn, S. 803.
1IS BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 162.
116 BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 161; a.A: MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 288
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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fangreiche Kontrolle der Verwaltung sei in Deutschland "ein nonnales Element der Gewaltenteilung" 117 . 2. Die Gestaltungsmöglichkeiten des Gerichts und die Gewaltenteilung
Die Rechtsschutzgarantie steht im Spannungsverhältnis zur Idee einer funktionalen Teilung der Gewalten l18 . Sichert das Grundrecht dem Bürger auf der einen Seite den effektiven Schutz seiner Rechte durch die Verwaltungsgerichte, garantiert auf der anderen Seite die funktionale Gewaltenteilung im Grundsatz der Verwaltung eine Immunität bei der Ausübung ihrer Funktionen und somit gegenüber gerichtlichen, den Rechtsschutz gewährleistenden Maßnahmen. Die Gewaltenteilung ist ein "staatsrechtliches Gefiige"119 ; sie muß also im Zusammenhang mit dem jeweiligen traditionellen und politischen Hintergrund unterschiedlich aufgefaßt werden. In Deutschland ist auf der Grundlage des Verständnisses des Art. 19 Abs. 4 GG als Kompetenzentscheidung 120 eine Kongruenz zwischen diesen Grundsätzen geschaffen worden, bei der die judikative Gewalt dominiert, und die daher zutreffend als "gerichtsgeprägte Gewaltenteilung" bezeichnet werden kann l21 . Eine Begrenzung der gerichtlichen Kompetenzen erfolgt im Teilbereich administrativen Handeins, der nicht dem Individualrechtsschutz dient. Weiter kann die gerichtliche Überprüfungskompetenz nicht die wesensbestimmten Merkmale der vollziehenden Gewalt, die sogenannten "Kembereiche", antasten l22 . Zu einem solchen "Verwaltungsvorbehalt" gehören die administrativen Handlungen, die aufgrund bewußt oder unbewußt offen gestalteter Regelungen in ihrem Vollzug durch die Verwaltung nicht anhand rechtlicher Kriterien gemessen werden kön-
117 Starck, Einführung zu GötzlKleinlStarck, Die öffentliche Verwaltung, S. 4. 118 Papier, Kontrolldichte, S.621; zur geistesgeschichtlichen Entwicklung des Gewaltenteilungsbegriffs Fenske, Gewaltenteilung, S. 923ff. 119 Hong, Klage, S. 42. 120 Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 4; Bettennann, Schutz der Grundrechte, S.783. 121 Püttner, Handlungsspielräume, S. 143; Götz, Nachwort in GötzlKleinlStarck, Die öffentliche Verwaltung, S. 252. 122 BVerfGE 9, 268 (280); 30, I (27f.); 68, I (87); Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, S. 1015; Stern, Staatsrecht II, S. 541.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
nen l23 . Er ist jedoch sehr eng zu fassen, im übrigen ist die gerichtliche Kontrollkompetenz umfassend. Soweit bei der Anwendung der Gestaltungs- oder Leistungsklagen die Gerichte in diesen Kernbereich des Verwaltungshandelns nicht eingreifen, bestehen aus der Sicht der Gewaltenteilung keine Bedenken gegen eine Verpflichtung der Verwaltung durch die Gerichte. Im Zentrum der Diskussion in der spanischen Lehre zur Gewaltenteilung steht die funktionale Betrachtung und damit der Begriff "Funktion" (legislative, administrative, judikative Funktion)124 . Die unantastbaren Kernbereiche der Funktionen werden in der Praxis und in der Lehre sehr weit gefaßt12S . Einigkeit besteht darüber, daß eine vollständige Trennung der Funktionen der Verfassung widerspricht; vielmehr sieht die Verfassung nach Ansicht des Verfassungsgericht selbst zahlreiche Funktionsverschränkungen vor l26 . So bestimmt Art. 106 Abs. 1 CE, daß die Gerichte das Verwaltungshandeln kontrollieren; die Bestimmung wird in Art. 153 c) CE hinsichtlich der Organe der autonomen Regionen wiederholt. Die Rechtsschutzgarantie gewährleistet des weiteren den effektiven Schutz der Rechte und Interessen durch die Gerichte. Die Verwaltungsgerichte haben demnach einen Kontroll- und Rechtsschutzauftrag aus der Verfassung. Gleichzeitig wird aber im Unterschied zu Deutschland 127 die Erforderlichkeit und die Legitimität der Verantwortung der Exekutive besonders betont. Die Exekutive und die Judikative stehen sich gleichrangig gegenüber. Aus diesem Konzept der Gewaltenteilung folgt, daß der Gewaltenteilungsbegriff der spanischen Verfassung Gestaltungs- und Leistungsklagen nicht gebietet. Nach Ansicht des Rechtsprechung ist die Beschränkung der Gerichte auf eine nachträgliche, kassatorische Überprüfung eine zulässige Möglichkeit, den verfassungsrechtlich verankerten Verantwortungsbereich der Exekutive
123 Schmidt-Aßmann, Funktionen der Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 113; Scholz, VeIWaltungsverantwortung, S. 160; Ossenbühl, Der Vorbehalt des Gesetzes, S.30f.; Maurer, Verwaltungsvorbehalt, S. 156ff. 124 Parejo, Estudio prelirninar, S. 33; Muil.oz Machado, La reserva, S. 30 und 116; Santamaria Pastor, Fundarnentos Bd. I, S. 38; Fernandez Segado, EI sistema, S. 112; Espin Templado, Separacion, S. 174; ein rein organisches Verständnis der Gewaltenteilung fmdet sich bei Gallego Anabirarte, Constitucion, S. 45; Sanchez Moron, EI control, S. 43; Sanchez Diaz, Actos presuntos, S. 343. 12S Siehe näher hierzu S. 257f. 126 S TC 77/1983, vom 3. Oktober, FJ. 2, in: JC 7, S. 1-10 (7). 127 Siehe hierzu Hong, Klage, S. 271ff.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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vor Übergriffen der Gerichte zu schützen128 . Das Verfassungsgericht hat daher die bestehenden Möglichkeiten als verfassungsrechtlich genügend bezeichnet und es bis heute abgelehnt, eine Pflicht zur Einfiihrung von Verpflichtungs- und Leistungsklagen aus der Rechtsschutzgarantie zu entnehmen. Die etwaige Einfiihrung liegt vielmehr ausschließlich im Ermessen des Gesetzgebers 129 .
3. Die Klage in der spanischen Venvaltungsgerichtsbarkeit Diese Möglichkeit hat jedoch der spanische Gesetzgeber - abgesehen von der Aufhebungsklage - nicht genutzt. Die verwaltungsgerichtliche Klage beruht im Grundsatz noch immer auf der französischen Konzeption der Gewaltentrennung 130 . Die französischen Revolutionäre legten den auf die Lehren von Locke 131 und Montesquieu 132 rückfuhrbaren Gewaltenteilungsgrundsatz zunächst streng aus 133 . Jegliche gerichtliche Kontrolle der administrativen Funktion war als Durchbrechung dieses Verfassungsgrundsatzes untersagt134 und durch ausdrückliche gesetzliche Verbote abgesichert: So stellte das Gesetz über die Gerichtsorganisation vom 16.- 24. April 1790 kategorisch fest, daß "die gerichtlichen und administrativen Funktionen von einander getrennt sind und
128 Vgl. auch die rechtsvergleichenden Ausftlbrungen von Bullinger, Der Gerichtsschutz gegenüber der vollziehenden Gewalt in rechtsvergleichender Sicht (Ergebnisse eines internationalen Kolloquiums), in: Gerichtsschutz, Bd. 3, S. 200ff (210); Hong, Klage, S. 271ff. 129 S TC 6711984, vom 7. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 142-166 (158); Siehe auch S.257f. 130 Garrido Falla, Constituci6n y administraci6n, S. 6f.; Sanchez Agesta, Divisi6n de poderes, S. 9-15; zur Rezeption: Vallet de Goytisolo, La separaci6n, no confusi6n, S. 179ff.; zur Entwicklung des französischen Begriff der Gewaltenteilung: Schlette, Kontrolle, S. 24ff. 131 Locke, John, Two treatises of goverment, Kap. xn, hrsg. P. Laslett, 2. Aufl., Cambridge 1967; umfassend Vallet de Goytisolo, La separaci6n, no confusi6n, S. 193ff. 132 Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, hrsg. E. Forsthoff, Bd. I, Tübingen 1951; Vallet de Goytisolo, La separaci6n, no confusi6n, S. 180ff. 133 Schlette, Kontrolle, S.24f.; Garrido Fallal Fernandez Pastrana, Regimen juridico, S. 27. 134 Jarras, Besonderheiten, S. 813.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
sein werden"135 . Eine gerichtliche Kontrolle der Organe der exekutiven Gewalt war daher nur dort möglich, wo die Verwaltung jenseits ihrer administrativen Funktion handelte, d.h. im fiskalischen Bereich. Eine Kontrolle ihrer Hoheitsgewalt konnte nur durch die Verwaltung selbst erfolgen. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verselbständigte sich die französische Verwaltungsgerichtsbarkeit von der Verwaltung durch eine eigenständige Rechtsprechung und durch eine Reihe von Kontrollmechanismen 136 . Von größter Bedeutung war die Anerkennung einer Gestaltungsklage durch den Staatsrat, des contentieux de l'annulation, der Aufhebungsklage. Eine der deutschen Klage vergleichbare Leistungsklage ist aber weiterhin nicht möglich 137 . Diese Aufhebungsklage wurde in Spanien zunächst auf kommunaler Ebene eingeführt, seit 1956 auf alle verwaltungsrechtlichen Sachverhalte ausgedehnt. Andere Gestaltungsklagen und Leistungsklagen sind nicht vorgesehen. Nur der traditionelle recurso de plena jurisdiccion erweitert die Gestaltungsmöglichkeit des Gerichts bei der Anfechtungsklage. a) Die verwaltungsgerichtliche Klage (recurso contencioso-administrativo) Die spanische Verwaltungsgerichtsordnung nennt zwar nur eine Klageart, den recurso contencioso-administrativo, erfaßt damit jedoch zwei Klageziele 138 : So bestimmt Art. 41 LJCA, daß die begründete Klage zur Aufhebung des Verwaltungsakts oder der Verordnung fuhrt. Macht der Bürger hingegen nach Art. 42 LJCA ein subjektives Recht geltend, kann das Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses vom Gericht festgestellt werden und die Wiederherstellung des Zustands angeordnet werden, der vor der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme bestand 139 . Merkmal des recurso ist, daß die Gerichte das Handeln der Verwaltung nachprüfen. In Spanien heißt dies der caracter revisor de la jurisdiccion, die
135 Art. 13 des 2. Titels; vgl. ebenso Art. 3 der Verfassung von 1791 sowie das Dekret vom 16. Fructidor des Jahres rn (3. September 1795). 136 Hauriou, Precis, 11. Aufl., S. 34ff stellte daher fest, daß der französische Staatsrat "sich zwar innerhalb der Verwaltung befmdet, ohne jedoch Verwaltung zu sein"
137 Schlette, Kontrolle, S. 59. 138 Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 689. 139 Vgl. auch Sommermann, Schutz, S. 290.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
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Natur der Gerichtsbarkeit als Nachkontrolle 140 . Gerichtliche Kontrolle setzt demnach grundsätzlich voraus, daß die Verwaltung überhaupt gehandelt hat. Die Behörde hat eine unbeschränkte Erstentscheidungsbefugnis 141 . Um die Jahrhundertwende setzt sich aus Frankreich kommend die Lehre durch, daß auch das Schweigen der Verwaltung auf einen Antrag als konkludente Verwaltungsmaßnahme ausgelegt werden könne. Dadurch konnte trotz des Grundsatzes der revision nun auch das Unterlassen der Verwaltung einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden l42 . Es ist jedoch nach wie vor unmöglich, vorbeugenden Rechtsschutz zu erhalten l43 . Stets muß der Betroffene den Erlaß des Verwaltungsaktes abwarten und kann erst dann klagen l44 . Beibehalten wurde eine weitere Konsequenz, die auch aus dem caracter revisor geschlossen wurde. Wie bei der Revision überprüften die Gerichte den Verwaltungsakt in der ihnen vorgelegten Form und mit dem ihnen vorgegebenen Inhalt. Die Gerichte kontrollierten allein die im Vorverfahren geltendgemachten und in der Begründung des vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Argumente. Ferner waren nur die im Vorverfahren vorgebrachten Beweise erheblich l4S . Das Gericht ermittelte nicht selbst die rechtserheblichen Tatsachen. Die Motive zur LJCA bestimmten zwar, daß aus der Beschränkung der Kontrolle auf eine Nachprüfung keine Begrenzung der richterlichen Kontrollkompetenzen folge; insbesondere solle das gerichtliche Verfahren eine echte Tatsacheninstanz sein. In der Praxis hat sich diese Forderung erst in den achtziger Jahren durchgesetzt; Beschränkungen finden sich jedoch bis heute, wie im Rahmen des Abschnitts über die Kontrolldichte dargelegt werden wird 146 . b) Die Authebungsklage als Gegenstand der ausschließlich objektiven Kontrolle Aus Art. 83 Abs. 2 LJCA folgt, daß die Klage begründet ist, wenn der angefochtene Verwaltungsakt in irgendeiner Form rechtswidrig war. Die spanische 140 Sanchez Socias/GOmez Pomar, Garantias, S. 1714ff. 141 Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 189. 142 Dazu näher S. 233ff. 143 Trotz der Anerkennung eines zukünftigen Interesses als "legitimes Interesse" ist weiterhin Voraussetzung, daß sich dieses Interesse aus einem zuvor erlassenen Verwaltungsakt ergibt, siehe dazu unten S. 145. 144 Santarnaria Pastor, Veinticinco anos de aplicaci6n, S. 136. 14S Garcia de Enterria, Curso TI, S. 556 146 VgI. unten S. 145.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Verwaltungsgerichtsbarkeit ist ein System der objektiven Rechtskontrolle l47 . Ihr Verfahren dient vorwiegend der Wiederherstellung der (rechts-)richtigen staatlichen Entscheidung, nicht hingegen der Sicherung der Rechte und Interessen der Bürger. Es handelt sich demnach um "ein Verfahren über die Verwaltungsmaßnahme, nicht hingegen über die Rechte"148. Daher werden durch das Urteil keine Rechte festgestellt und es sind auch keine zusätzlichen Maßnahmen notwendig, um diese Rechte zu schützen. Es genügte zur Wiederherstellung der (rechts-) richtigen Entscheidung die Feststellung der Rechtswidrigkeit bzw. die Annullierung der Verwaltungsmaßnahme durch das Gericht l49 . c) Der recurso de plena jurisdicci6n / Der Folgenbeseitigungsanspruch als möglicher Ansatzpunkt einer subjektiven Kontrolle Eine Ausnahme zur bloßen Aufhebung von Verwaltungsakten bildet im spanischen Recht der recurso de plena jurisdiccion, der ursprünglich auf das fiskalische Handeln des Staates beschränkt war, durch die LJCA aber auf das gesamte Handeln des Staates ausgedehnt wurde. Je nachdem, ob der Bürger nach Art. 42 LJCA ein Interesse geltend macht oder ein subjektives Recht, unterscheidet die LJCA 1956 zwischen einer reinen Aufhebungsklage und einer Aufhebungsklage, die darüber hinaus auf die vollständige Wiederherstellung des durch den rechtswidrigen Akt verursachten Schadens zieltISO . Dies geschieht nach Art. 42 LJCA insbesondere durch einen Ersatz der Schäden und Nachteile, im übrigen nach Art. 84 b) LJCA durch die Maßnahmen, die das Gericht für notwendig erachtet, um das Recht wiederherzustellen. Es handelt sich demnach hier um einen gesetzlich vorgesehenen Folgenbeseitigungsanspruch. In Deutschland ist zwar ein allgemeiner Folgenbeseitigungsanspruch nicht ausdrücklich geregelt, für vergleichbare Fälle einer erfolgreichen Anfechtung jedoch aufgrund § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO allgemein anerkannt 1S1 .
147 Garcia de Enterria, Curso II, S. 556 weist daraufhin, daß der Begriff "recurso" inhaltlich das Bestehen eines Verwaltungsaktes voraussetzt. 148 Garcia de Enterria, Curso II, S. 554. 149 Beltran de Felipe, Las exigencias constitucionales, S. 3100. ISO Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 70. IS1 Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Eyennann/Fröhler, VwGO, § 80, Rdnr. 54; Kopp, VwGO, § 113, Rdnr. 38.
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Voraussetzung dafiir ist, daß ein subjektives Recht verletzt wurde 1S2 . Zu den subjektiven Rechten zählen privatrechtliche und solche öffentlichrechtliche subjektive Rechte, die durch Verwaltungsmaßnahmen konkretisiert und dadurch Teil des materiellen Besitzstandes des Bürgers wurden. Dazu gehören wirtschaftliche. Ansprüche gegen die Verwaltung (schuldrechtliche oder dingliche Ansprüche, z.B. aus öffentlich-rechtlichem Vertrag, aus einem konkret zugesprochenen bergrechtlichen Abbaurecht) sowie die durch einzelne Verwaltungsakte anerkannten, geschaffenen oder bestätigten Rechtspositionen einer Person (z.B. gewerberechtliche Genehmigungen)IS3 . Der Folgenbeseitigungsanspruch gibt dem Bürger in diesen Fällen das Recht darauf, daß eine durch die Maßnahme der Verwaltung verursachte Beschwer beseitigt wird, entweder durch eine Handlung (z.B. Rückgabe der rechtswidrig entzogenen Gegenstände) oder durch den Ausgleich des Schadens in Geld. Der spanische Oberste Gerichtshof hat bislang von der Möglichkeit, im Rahmen dieses Anspruchs die Verwaltung zu einer Handlung zu zwingen, nur in geringem Umfang Gebrauch gemacht. Der Folgenbeseitigungsanspruch beschränkte sich daher fast ausschließlich auf einen Ausgleich des Schadens in Geld 1S4 . Fraglich ist, ob auch materielle Ansprüche Gegenstand des Folgenbeseitigungsanspruches sein können, die noch nicht durch die Verwaltung zu subjektiven Rechten konkretisiert wurden und sich vielmehr allein aus gesetzlichen Bestimmungen ergeben (Recht auf Anschluß an die Abwasserkanalisation, Recht auf die Eröffnung einer Privatschule etc.). Beantragt der Bürger die Realisierung dieses gesetzlich festgelegten Anspruchs und lehnt die Verwaltung dieses rechtswidrig ab, könnte das Gericht aus Art. 84 b) LJCA das Recht entnehmen, die Verwaltung zur Konkretisierung, ja sogar bei gebundenen Verwaltungsmaßnahmen zur Realisierung dieses subjektiven Rechts zu zwingen. Dadurch erhielte der Folgenbeseitigungsanspruch den Charakter einer LeistungsklageiSS . Ein solche Befugnis des Gerichts hatte der Oberste Gerichtshof bis vor kurzem nicht einmal erwogen, denn sie steht im Gegensatz IS2 S TS 31. Män 1980 Ar. 2712; S TS 20. Juni 1980 Ar. 3327; S TS 26. November 1980 Ar. 4808; S TS 17. Juni 1985 Ar. 4131. IS3 Garcia de Enterria, Curso II, S. 37.
154 Das entspricht auch der Gleichstellung des primären und des sekundären Rechtsschutzes in der spanischen Lehre und Rechtsprechung. IS5 Vergleichbare Folgenbeseitigungsansprüche werden in Deutschland auch mittels einer Verpflichtungsklage geltend gemacht, vgl. VG Frankfurt U. v. 27.1.1988 V/2 E 2147/1986 -, in: NJW 1988, S. 1613fT. 9 Martinez Soria
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zum rein kassatorischen Charakter der Klage und zur Gewaltenteilung. Nunmehr finden sich jedoch einzelne Fälle, in denen der Oberste Gerichtshof zunächst ein subjektives Recht des Bürgers anerkannt hat, obwohl es nicht durch die Verwaltungs maßnahme konkretisiert worden war. Daraus folgerte er, daß die Verwaltung verpflichtet ist, die durch ihre Untätigkeit verursachte Verletzung des subjektiven Rechts durch seine Verwirklichung zu beseitigen 156 . So stellte der Oberste Gerichtshof in einem Fall fest, daß in einer Gemeinde eine Kläranlage und eine Abwasserkanalisation fehlen. Das verletzt nach Ansicht des Gerichtshofes das Recht des Bürgers auf die Einrichtung einer solchen Anlage, wie es sich aus der kommunalrechtlichen Pflicht der Gemeinde zur Errichtung solcher Anlagen und aus dem Grundrecht auf Umweltschutz ergibt. Deshalb sei die Gemeindeverwaltung verpflichtet, zumindest im nächsten Haushalt einen entsprechenden Etat rur die Realisierung dieser Bauten zu reservieren 157 . Es handelt sich zwar bislang um vereinzelte Urteile i58 ; sie lassen jedoch eine verallgemeinerungsfahige Tendenz erkennen. Zusammenfassend kann man sagen, daß die Folgenbeseitigung in Spanien grundsätzlich nur eine sekundäre Bedeutung hat. Im Mittelpunkt der Verwal-
156 Vorreiter war wiedenun das Komrnunalrecht, so z.B. Art. 18 Abs. 1 g) Ley 7/1985, vom 2. April reguladora de las Bases dei Regimen Local (BOE Nr. 80, vorn 3.
April; korrigiert BOE Nr. 139, vorn 11. Juni), wonach das Recht des Bürgers zur Forderung zur Bereitstellung der öffentlichen Dienstleistungen begründet wurde, zu denen die Gemeinde nach Art. 26 Abs.l verpflichtet ist (Straßenbeleuchtung, Friedhofsverwaltung, Abfallbeseitigung, Straßenreinigung, Trink- und Abwasserversorgung, Straßenbau, Lebensmittelüberwachung); ebenso schon Art. 13 Ley de Suelo von 1975, wonach das Planungsermessen durch eine Reihe von einklagbaren Mindestleistungen bei öffentlichen Einrichtungen (Straße, Abstand, etc) eingeschränkt wurde; Art. 10 der Ley 14/1986, vom 25. April, General de Sanidad (BOE Nr. 102, vorn 29. April) begründet die einzelne Leistungsrechte des einzelnen gegenüber der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen in Ausprägung des Art. 43 Abs. 2 CE; oder hinsichtlich des Rechts zur Öffnung von Privatschulen Art. 23 Ley Organica 8/1985, vom 3. Juli, Reguladora dei Derecho a la Educaci6n (BOE Nr. 159, vorn 4. Juli) in der durch die Ley Organica 1/1990, vom 3. Oktober, de Ordenaci6n General dei Sistema Educativo (BOE Nr. 238, vorn 4. Oktober) erhaltenen Fassung; und Art. 39 und 40 der Ley 16/1987, vom 30. Juli, de Ordenaci6n de los Transportes Terrestres (BOE Nr. 182, vorn 31. Juli); Garcia de Enterria, Curso TI, S. 71. 157 S TS 25. April 1989 Ar. 3233; Vgl. Sanchez Mor6n, Miguel, Discrecionalidad adrninistrativa, S. 127. 158 S TS 2. März 1983 Ar. 1364; S TS 8. Juni 1982 Ar. 4209; S TS 10. Dezember 1985 Ar. 6532; Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia adrninistrativa, S. 70.
B. Die Beschränkung des Zugangs zum Gericht
131
tungsgerichtsbarkeit steht vielmehr die bloße Anfechtung der Verwaltungsmaßnahme durch den Bürger. VII. Würdigung Das durch die Rechtsschutzgarantie gebotene Verfahren muß zum Ziel haben, die Verwaltungsmaßnahme zu überprüfen, somit eine objektive Kontrolle des Verwaltungshandelns zu ermöglichen. Daher sind Beschränkungen des Zugangs möglichst zu vermeiden, sei es durch die weite Auslegung dieser Voraussetzungen, sei es durch die Heilung von Verstößen gegen die die Voraussetzungen regelnden Bestimmungen. Der objektive Charakter des Verfahrens ist weiterhin dadurch bekräftigt worden, daß die Bereiche, in denen ein Vorverfahren möglich ist, eingeschränkt worden sind. Entscheidend wird das Verfahren aber durch das Klageziel bestimmt. Danach kann der Bürger nur eine Aufuebung der Verwaltungsmaßnahme bzw. den Ersatz für den erlittenen Schaden beantragen 1S9 . Während die Rechtsprechung diesen Rechtsschutz für ausreichend hält, fordert ein Teil der Lehre, die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte zu erweitern, insbesondere die Gerichte zu ermächtigen, die Verwaltung mittels Verpflichtungs- oder Leistungsklagen zu einem Handeln zu verpflichten l60 . Art. 24 Abs. 1 CE fordere einen effektiven Schutz der subjektiven Rechte, der nur geWährleistet werden könne, wenn den Gerichten alle Möglichkeiten (insbesondere durch Verpflichtungsklagen) eröffnet werden, um diesen zu realisieren l61 . Vor diesem Grundrecht trete der Gewaltenteilungsgrundsatz, der in seiner ursprünglichen Konzeption einer Verpflichtungsklage entgegensteht, zurück bzw. müsse er neu konzipiert werden 162 .
159 Eine Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärrechtsschutz - WIe m Deutschland - ist in Spanien nicht bekannt. Demnach wird zum Rechtsschutz nicht nur die Kassation der Maßnahme gerechnet sondern auch der Bereich der Amtshaftung, auf den jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
160 Garcia de Enterria, Curso II, S. 555; ders., Hacia una nueva justicia administrativa, S. 70; Be1tran de Felipe, Sustitucion, S. 21Off. 161 Garcia de Enterria, Curso II, S. 555. 162 Beltran de Felipe, Sustitucion, S. 213ff. 9'
132
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Dieser Ansicht ist darin zuzustimmen, daß die gegenwärtigen Klagemöglichkeiten keinen ausreichenden Schutz der Rechte und der Interessen des Bürgers gewährleisten. Dieser Schutz kann nur erreicht werden, wenn jedem belastenden Handeln der Verwaltung eine entsprechende Klagemöglichkeit des Bürgers gegenübersteht, durch die das Recht des Bürgers verwirklicht werden kann. Gegenüber dem Untätigwerden oder die Verweigerung der Verwaltung steht dem Bürger, wie noch näher darzustellen sein wird l63 , nur der kassatorische Rechtsschutz und damit keine ausreichende Klageform zur Verfügung. Hier kann nur mittels der Verpflichtungs- oder Leistungsklage ein effektiver subjektiver Rechtsschutz realisiert werden. Versteht man aber den Begriff "Rechtsschutz" nicht subjektiv, sondern im Sinne der Rechtsprechung in Spanien objektiv, kann die Forderung nach Einführung einer Verpflichtungsklage nicht auf Art. 24 Abs. 1 CE gestützt werden. Denn danach dient gerichtlicher Rechtsschutz primär der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des VerwaltungshandeIns, nur mittelbar hingegen schützt er die Rechte des Bürgers.
"Bei der Ausübung ihrer Rechte und legitimen Interessen" (Art. 24 Abs. 1 CE)
c. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis Kann der bisherige Befund, daß die spanische Rechtsschutzgarantie die Regelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens als objektives Verfahren ermöglicht, aufrechterhalten werden oder widerspricht er dem in Art. 24 Abs. 1 CE genannten Schutz der "Rechte und legitimen Interessen"? Das soll zunächst anband des Verhältnisses der Rechtsschutzgarantie zur Klagebefugnis geprüft werdeni.
163 Siehe S. 235ff.
Obwohl die spanische Lehre unter den Begriff der legitimacion sowohl die Klagebefugnis (Iegitimacion activa) erfaßt wie auch die Passivlegitimation, d.h. die Verpflichtung einer Partei, Beklagte zu sein (Iegitimacion pasiva), soll hier unter dem Begriff der legitimaci6n ausschließlich die Klagebefugnis als subjektive Prozeßvoraussetzung untersucht werden. Zur Unterscheidung vgl. GonzAlez Perez, EI derecho, S.67ff.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
133
Klagebefugnis ist die prozessuale Rechtsrnacht des Bürgers, gegen ein Handeln der öffentlichen Gewalt eine Klage zu erheben2 . Die Klagebefugnis wird dem Bürger wegen eines besonderen Rechtsverhältnisses zwischen ihm und dem Gegenstand der Klage vom Gesetzgeber gewährt3 . In der Rechtsgeschichte war der Zugang zu den Gerichten zwar immer an subjektive Voraussetzungen geknüpft. Die aus dem Römischen Recht hervorgegangene Verknüpfung der Klagemöglichkeit an die Inhaberschaft des geltendgemachten Rechts4 , das aktionenrechtliche Denken, prägte jahrhundertelang das Verfahrensrecht. Doch erst die Lösung vom aktionenrechtlichen Denken ruhrte zu der Unterteilung in Zulässigkeit und Begründetheit5 . Die daraus folgende Lockerung der materiellen Rechte von ihrer prozessualen Komponente -sei es in Form der bloßen Möglichkeit der Rechtsverletzung wie in Deutschland oder eines legitimen Interesses, das nur noch in sehr schwacher Form an das materielle Recht anknüpft, wie nunmehr in Spanien- ermöglichte erst die Regelung einer Klagebefugnis.
I. Die Gestaltung der Klagebefugnis als grundsätzliche Entscheidung zugunsten eines subjektiven oder objektiven Kontrollsystems Die Bedeutung der Klagebefugnis im Verfahren richtet sich danach, rur welches System der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sich der Gesetzgeber entschieden hat. Die Kontrolle der Verwaltung kann zwei Funktionen haben: Die Bewahrung der (objektiven) Rechtsordnung und den Schutz individueller Rechte. Beide Funktionen schließen sich zwar nicht aus, denn eine objektive Rechtskontrolle schützt auch die subjektiven Rechte und umgekehrt6 . Die Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der einen oder der anderen Funkti-
2 S TS 19. Mai 1960 Ar. 2163; S TS 16. Mai 1975 Ar. 2377; S TS 6. Juni 1990 Ar. 4813: Benutzer eines öffentlichen Weges, der verkleinert worden ist, !:o daß die Durchfahrt nicht mehr möglich ist; Entrena Cuesta, Derecho Administrativo, S. 342; Garcia de Enterria, Curso, Bd. II, S. 587f.; Gonzalez Perez, Manual, S. 159; vgl. auch Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 88f.; Pera Verdaguer, Comentarios, S. 171; Marienhoff, La legitimacion, S. 71. 3
Pera Verdaguer, Comentarios, S. 171; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimacion, S. 4702; Lafuente Benaches, La legitimacion, S. 435 Fn. 1; Figuerue10 Burrieza, EI derecho, S. 98. 4
s
Die lnhaberschaft der legis actio oder der vom Prätor gewährten Aktionen. MDHS/Schmidt-Aßmann Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 117 Fn.l.
6 Krebs, Subjektiver Rechtsschutz, S. 191f; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung, S. 235.
134
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
on wirkt sich aber so intensiv auf die jeweiligen Verfahren aus, daß hier von zwei konträren Systemen gesprochen werden muß 7 . Hinsichtlich der Klageziele ist der Unterschied zwischen beiden Systemen, dem auf Realisierung der Rechte gerichteten deutschen und dem "objektiven", auf Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit zielenden spanischen, oben schon dargelegt worden8 . Bei der Klagebefugnis ist der Unterschied aber weniger klar. Bei der subjektiven Rechtskontrolle steht die "subjektive Rechtswidrigkeit"9 und mit ihr der Träger des subjektiven Rechts im Mittelpunkt des Verfahrens. Er allein bestimmt, wann das Verfahren beginnen soll. Unbeteiligte, d.h. in ihren Rechten nicht verletzte Dritte hingegen können das Verfahren nicht einleiten, da eine solche Klage nicht primär dem Schutz ihrer Rechte dienen würde und damit keine bestimmungsgemäße Funktion ausübte. Eine objektive Rechtskontrolle dient demgegenüber allgemein der Kontrolle des rechtmäßigen Handeins der Verwaitung 10 . Hier hat die Klage die Funktion einer Anzeige, der Bürger schützt somit nicht primär seine Rechte, sondern er hilft dem Staat beim Erkennen von Unzulänglichkeiten in der Verwaltung. Daher benötigt die objektive Rechtskontrolle grundsätzlich keine subjektive Beschränkung des Kreises möglicher Anzeigenerstatter. Nur aus praktischen Gründen ist eine solche Beschränkung geboten, um zu verhindern, daß jedermann gegen das Handeln der Verwaltung klagt und die Gerichte dann überlastet werden. Sie dient hier folglich als Ernsthaftigkeitserfordernis, so daß jeder klagen kann, der irgendein Interesse an der Wiederherstellung rechtmäßiger Entscheidungen hat. In Deutschland haben beide Modelle historische Vorbilder. So entsprach das von v. Gneist geprägte System der preußischen Verwaltungsgerichtsbarkeit weitgehend dem objektiven Modell 11 , während das württembergische System die Zulässigkeit der Klage von der Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes abhängig machte 12 .
7
Krebs, Subjektiver Rechtsschutz, S. 191 f.
8
Vgl. oben S. 127.
9
Weyreuther, Die Rechtswidrigkeit, S. 683.
10
Lafuente Benaches, La legitimacion, S. 436.
Vgl. zu den Ausnahmen § 127 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Pr. GBL. S. 195). 11
12
Krebs, Subjektiver Rechtsschutz, S. 196.
c. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
135
11. Die Zulissigkeit der Klagebefugnis nach der Rechtsschutzgarantie Heute ist unbestritten, daß Art. 19 Abs. 4 GG eine Grundentscheidung zugunsten des Individualrechtsschutzes getroffen hat 13 . Danach eröffnet Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg demjenigen, der in "seinen Rechten" verletzt ist 14 . Zwar könnte ein Schutz der subjektiven Rechte auch als Nebenfolge einer objektiven Rechtskontrolle gewährleistet sein. Das Grundgesetz schränkt diese Möglichkeit jedoch ein. Die Beschränkung folgt aus dem Grundrechtsverständnis, wonach das Individuum für den Schutz seiner Grundrechte selbst verantwortlich zeichnet 15 . Daher muß die Klagebefugnis vorwiegend an die Trägerschaft von subjektiven Rechten anknüpfen 16 . Von dieser eindeutigen Entscheidung Deutschlands für das subjektive System weichen die Bestimmungen der spanischen Verfassung entschieden ab. Geprägt wird das spanische System durch Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 106 Abs. 1 CE. Art. 24 Abs. 1 CE garantiert den effektiven Schutz nicht nur der "Rechte" sondern auch der "legitimen Interessen". Gleichzeitig ennächtigt Art. 106 Abs.l CE die Gerichte zur Kontrolle der Verordnungsgewalt der Verwaltung und der Legalität ihres Handeins. Es besteht somit ein Verfassungsauftrag an die Gerichte, aufgrund der Rechtsschutzgarantie nicht nur die subjektiven Rechte der Bürger zu schützen, sondern vielmehr auch die Einhaltung des Legalitätsprinzips 17 . Die spanische Verfassung scheint demnach eine Grundentscheidung zugunsten eines objektiven Systems getroffen zu haben. Konsequenterweise wurde in der Lehre heftig diskutiert, ob die Klagebefugnis als subjektive Prozeßvoraussetzung weiterhin zulässig sei l8 . Einige Autoren bezeichneten die Klagebefugnis als ein Relikt aus der zivilen Vergangenheit der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nunmehr sei sie jedoch durch das in Art. 106 Abs. 1 CE und Art. 103 Abs.l CE verankerte öffentliche Interesse an der Legalität des Verwaltungshandelns stets gegeben und damit als besondere BVerfGE 30, 33 (34); 13, 132 (151); BVerfGE 27, 297 (305). BVerfGE 31, 33, (39f); BVerfGE 83,182 (194); Schmidt-Aßmann, Funktionen der VerwaItungsgerichtsbarkeit, S. 109. 13
14 15
Zu Art. 19 Abs. 4 00: vgl. BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 83.
16
Götz, Handlungsspielräume, S. 252. Zu den Ausnahmen siehe unten S. 138.
17
Manzana Laguarda, Acerca de la Legitimaci6n, S. 4704.
Gonzalez Perez, EI proceso administrativo, S. 370; vgl. schon Nieto, La discutible supervivencia, S.39; zu vergleichbaren Überlegungen in Italien Roehrssen, La Giustizia amministrativa nel momento attuale, in: Nuova Ressegna di legislazione, Dottrina e Giurisprudenza 1976 (2), S. 3 ff. 18
136
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Klagevoraussetzung nicht mehr zulässig l9 . Darüber hinaus werde überflüssigerweise sehr viel Energie von den Gerichten auf die Frage verwandt, ob die Klage zulässig sei oder nicht20 . Diese Ansicht teilten zwar auch zahlreiche Befürworter einer Klagebefugnis, doch rechtfertigten sie die Notwendigkeit dieser Prozeßvoraussetzungen pragmatisch damit, daß allein durch die Klagebefugnis die Gerichte vor überflüssigen Verfahren, die ihre Tätigkeit behindern, ja sogar verhindern würden, geschützt werden könnten21 . Das Verfassungsgericht hat sehr früh die Beschränkung des Zugangs zu den Gerichten durch eine Klagebefugnis für zulässig erachtet22 . Dies ergebe sich daraus, daß die Verfassung selbst den Zugang zur Verfassungsbeschwerde durch eine Klagebefugnis einschränke23 und folge aus Art. 24 Abs. 1 CE24. Die Rechtsschutzgarantie beschränke nämlich den gerichtlichen Schutz des Bürgers auf Maßnahmen, die die Ausübung seiner Rechte und legitimen Interessen verletzten. Dadurch sei die Rechtsschutzgarantie ihrer Grundstruktur nach selbst eine Klagebefugnis. Eine solche Struktur sei jedoch nicht zwingend für dieses Grundrecht. Der Verfassunggeber hätte es auch ohne materiell-rechtlichen Bezug als abstraktes Recht auf Gerechtigkeit, auf Zugang zu den Gerichten, als Recht auf Verfahren oder als Recht auf gerichtliche Rechtsgewährung formulieren können25 . Vielmehr hat er sich bewußt für eine rechtsgeschichtlich gesehen- mittlere Lösung entschieden, die zwischen der aktionenrechtlichen Gestaltung als materielles Recht mit prozessualer Befugnis und einem abstrakten prozessualen Recht liegt. Nunmehr gewährt er mittels der Legitimation zwar eine prozessuale Rechtsrnacht, die aber allein von der Behauptung einer materiellen Betroffenheit, einem subjektiven Recht oder einem legitimen Interesse, abhängt26. Das spanische Verfassungsgericht hat damit zwar die Zulässigkeit der Klagebefugnis festgestellt, jedoch im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht sieht es die Funktion der Klagebefugnis 19
Gonzalez Perez, EI proceso administrativo, S. 370.
20 Dromi, Derecho subjetivo, S. 55f. 21 Gonzalez Perez, EI proceso administrativo, S. 371. 22 S TC 9/1981 vom 31. März 1981, FJ. 6, in: JC I, S. 145-159 (159); S TC
1111982, vom 29. März 1982 FJ. 2, in: JC 3, S. 151-159 (157); Gonzalez Perez, EI derecho, S. 74; Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 34.
23 Vgl. Art. 162 CE; Almagro Nosete, Art. 24, S. 34. 24 S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; Almagro Nosete, Art. 24, S. 34; Diaz EimiV De
Mateo Lage, Defensa deI Ciudadano, S. 709 weisen zutreffend auf die unmittelbare Realisierung der Rechtsschutzgarantie durch die Klagebefugnis hin. 25 Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 83 Fn. 10.
26 Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 83.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
137
nicht darin, die Freiheit des einzelnen in der Ausübung seiner subjektiven Rechte zu gewährleisten27 . Vielmehr ist nicht das begrenzende, sondern das klageeröffnende Element entscheidend: Jeder ist grundsätzlich klagebefugt, doch muß er nachweisen, daß seine Rechts- und Interessenssphäre in irgendeiner Form durch die öffentliche Gewalt verletzt ist. Dieses "objektive" Verständnis der Klagebefugnis wird durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zur inhaltlichen Gestaltung der Klagebefugnis bestätigt.
III. Inhaltliche Gestaltung der KIagebefugnis und die Rechtsschutzgarantie Wie der Gesetzgeber das notwendige subjektive Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Klagegegenstand feststellt, sei es als subjektives Recht oder als Legalitätsinteresse, liegt in seinem Ermessen28 . Die einfachgesetzliche Ausgestaltung der Klagebefugnis entscheidet aber auch darüber, wie eng der Zugang zu den Gerichten ist29 . Deshalb muß das vom Verfassungsgericht anerkannte Ermessen des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Verfahrens seine Grenzen in den Verfassungsvorgaben finden 30 . 1. Die gesetzliche Regelung in den Prozeßordnungen
Die deutsche Verwaltungsgerichtsordnung und das spanische Verwaltungsprozeßgesetz setzen für die Zulässigkeit den Nachweis einer Klagebefugnis voraus. Die Verwaltungsgerichtsordnung hat das Modell des subjektiven Rechtsschutzes weitgehend verwirklicht. § 42 Abs. 2 VwGO macht die Zulässigkeit bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen davon abhängig, daß der Kläger die Verletzung eigener Rechte behauptet. Diese Rechte bestimmen nach § 113 Abs. 1 und 5 Satz 1 VwGO auch die gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandeins. Auch bei der allgemeinen Leistungsklage muß der Kläger nachweisen, daß er klagebefugt ist. Er muß danach eigene Rechte im eigenen Namen geltend machen 31 . Ausgeschlossen sind daher insbesondere 27
S TC 9311990 vom 23. Mai, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f).
28 S TC 4711988, vom 21. März, FJ. 4, in: JC 20, S.492-507 (504); Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 1008f 29 Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucionaI, S. 80. 30 ATC 520/l987, vom 6. Mai, FJ. I, in: JC 18, S. 917-921 (919f): "{La legitimaci6nJ es una cuesti6n de mera legalidad ordinaria, [salvo que su negaci6nJ hat tenido lugar en este caso de forma arbitraria 0 irrazonable"; S TC 12411988, vom 23. Juni, FJ. 5, in: JC 21, S. 380-399 (397). 31
Wassermann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 24.
138
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
der Schutz nur wirtschaftlicher Interessen und die Wahrnehmung von Allgemeininteressen beispielsweise durch eine Verbandsklage32 . Allein bei der Normenkontrollklage ist der deutsche Gesetzgeber über die Forderungen der Rechtsschutzgarantie hinausgegangen. Konsequenterweise werden diese Klagen auch nach der wohl h.M. nicht von der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG erfaßt33 . Während jedoch die Rechtsschutzgarantie in Deutschland das später regulierte einfachgesetzliche System geprägt hat, beruht die Regelung der Klagebefugnis nach Art. 28 ff. LJCA, die seit 1956 unverändert besteht, auf anderen Grundsätzen34 . Somit stellt sich die Frage, ob die bestehende Regelung noch den Vorgaben der Verfassung, insbesondere jedoch der Rechtsschutzgarantie entspricht. 2. Die Klagebefugnis als bloße Prozeßvoraussetzung Art. 28 Abs. 1 LJCA regelt die Klagebefugnis als zwingende subjektive Prozeßvoraussetzung. Somit gelten die Grundsätze, die das Verfassungsgericht aus der Rechtsschutzgarantie fiir die Prozeßvoraussetzungen entwickelt hat, unmittelbar fiir die Klagebefugnis 35 .
Der Gesetzgeber darf demnach Beschränkungen bei der Legitimation nur soweit einfuhren, wie sie noch einen Rechtsweg zum Schutz des betroffenen Interesses offen lassen36 . Die Bindung an das Gesetz erlaubt zwar keinem Gericht, sich über das Erfordernis der gesetzlich vorgeschriebenen Klagebefugnis hinwegzusetzen37 . Das Gericht muß jedoch die Klagebefugnis im 32 BVerfGE 31, 33, (39f); 31, 364 (369); vgl. auch BVerfGE 83, 182 (194); Meinungsstand über den Begriff "Subjektives Recht" zusammengefaßt bei Lorenz, Rechtsschutz, S. 50tT.; Krebs, Subjektiver Rechtsschutz, S. 197.; eine Übersicht über die Diskussion bezüglich der Einführung einer Verbandsklage bei BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 152ff; Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 149; Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung, S.246; Wassermann, Art. 19 Abs. 4 GG,Rnd.26. 33
Götz, Handlungsspielräume, S. 253.
34 Zur Auslegung dieser Bestimmungen in der Anfangszeit dieses Gesetzes siehe Vivancos, Las causas de inadmisibilidad, S. 176-240. 35
Siehe S. 102.
36
S TC 145/1991, vom 1. Juli FJ. 6, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 40-55 (53).
Ständige Rspr.: S TC 7/1981, vom 30. März, FJ. 6, in: JC 1, S. 127-132 (131); S TC 9/1981, vom 30. März, FJ. 6, in: JC 1, S. 145-159 (159); S TC 11/1982, vom 29. 37
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
139
Hinblick auf das Prinzip pro actione weit auslegen38 . Die Pflicht dazu ergibt sich bei der Klagebefugnis aus der Rechtsschutzgarantie und aus dem objektiven Charakter des Art. 106 Abs. 1 CE39 . Dieser zwingt die Gerichte zu einer sehr weiten Auslegung der Klagebefugnis zugunsten einer umfassenden Legalitätskontrolle40 . Das Verfassungsgericht versteht die Klagebefugnis demnach als Prozeßvoraussetzung, die in ihrer Bedeutung nicht über die anderen herausragt. Die LJCA regelt die Klagebefugnis in den Art. 28 ff. LJCA. Danach ist zwischen der Klagebefugnis gegen Einzelakte der Verwaltung nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA und einer besonderen nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA bei Klagen gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften zu unterscheiden. Schließlich ist die Klagebefugnis bei Folgenbeseitigungsklagen nach Art. 28 Abs. 2 LJCA und bei Klagen von Verbänden nach Art. 32 LJCA zu nennen. a) Die Klagebefugnis gegen Einzelakte der Verwaltung Nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA ist derjenige befugt, gegen einen Einzelakt der Verwaltung zu klagen, der ein direktes Interesse hat. Nach der Verfassung ist jedoch jedes "Recht" und "legitime" Interesse zu schützen41 . Damit stehen
März, FJ. 3, in: JC 3, S. 151-159 (158); S TC 15711989 vom 5. Oktober, FFJJ 2 und 3m; S TC 9311990, vom 23. Mai FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f); S TC 11311990, vom 18. Juni, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 623-629 (626f.); A TC 7911980, vom 30. Oktober, FJ. 2, in: JC 1, S. 485-487 (487); A TC 2411981, vom 18. Februar, FJ. 6, in: JC 1, S. 637-643 (642); vgl. schon S TS 28. Januar 1981 Ar. 48 und S TS 24. September 1981 Ar. 3363, wonach das Recht auf Rechtsschutz nur insoweit besteht, wie die Voraussetzungen der Klagebefugnis gegeben sind; vgl. Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucionaI, S. 87; vgl. S TC 202/1988, vom 31. Oktober, FI. 3, in: JC 22, S. 431-436 (435); Diaz Eimil/De Mateo Lage, Defensa de1 Ciudadano, S. 709.
38 S TC 9311990, vom 23. Mai, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f); S TS 16. Mai 1994 Ar. 3515; Lafuente Benaches, La Iegitimaci6n para impugnar actos, S.440. 39 Vgl. dazu Martin Rebo\1o, La administraci6n de garantias, S.43; S TC 23911988, vom 14. Dezember, FJ. 2, in: JC 22, S. 901-907 (906); Art. 106 ist auch nach Ansicht deS TS immer im Zusammenhang mit Art. 24 zu verstehen: vgl. die Nachweise bei Martin Rebo\10, La administraci6n de garantias, S. 44; Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 91. 40 S TC 24/1987, vom 25. Februar, FJ. 2, in: JC 17, S.224-231 (230); S TC 93/1990, vom 23. Mai 1990 FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f). 41 Deutlich: S TC 71/1991, vom 8. April, FFJJ 3 bis 5, in: Rep. Ar. Rep. Ar. 1991/1, S. 51-61 (57f).
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
sich der verwaltungsrechtliche Begriff "direktes Interesse" und die verfassungsrechtlichen Begriffe "Recht" und "legitimes Interesse" gegenüber. aa) Der Schutz der "legitimen Interessen" (1)
Vorrang des "legitimen Interesses" vor den "direkten Interessen"
Das Inkrafttreten der Verfassung hat die Konzeption der Klagebefugnis grundlegend verändert. Entscheidend hierbei war die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofes zum Verhältnis des Begriff des "direkten Interesses" aus der LJCA von 1956 zu dem des "legitimen Interesses" aus der Verfassung von 1978. Der Oberste Gerichtshof hat die Klagebefugnis aufgrund einer wörtlichen Auslegung des Begriffs "direktes Interesse" sehr eng gefaßt, mit der Folge, daß zahlreiche Klagen mangels Klagebefugnis abgewiesen wurden42 . Dies widersprach jedoch dem vom Verfassungsgericht aus der Rechtsschutzgarantie entwickelten Grundsatz, daß im Mittelpunkt der Klagen die materiellen Grundlagen des Anspruchs stehen sollen und nicht Zulässigkeitsfragen43 . Das Verfassungsgericht sieht einen inhaltlichen Unterschied zwischen dem Begriff des "legitimen Interesses" und dem des "direkten Interesses"44. Aufgrund des allgemeinen Vorrangs der Verfassung und ihrer unmittelbaren Wirkung betont das Verfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, die verwaltungsgerichtliche Klagebefugnis müsse vom Begriff des "legitimen Interesses" ausgehen45 . Das verfassungsrechtlich anerkannte Ermessen des Gesetzgebers zur Bestimmung schützenswerter Rechte und Interessen46 würde somit die Grenze der Rechtsschutzgarantie überschreiten, wenn es ein "legitimes Interesse" nicht mehr rur die Klagebefugnis genügen lassen würde.
42 Vgl. die Nachweise bei Pera Verdaguer, Comentarios, S. 173ff. 43 Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 687. 44 S TC 6011982, vom 11. Oktober, FJ. 3, in: JC 4, S. 248-259 (256); a. A.: S TS
vom 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 3. März 1983 Ar. 1368; S TS 31 Dezember 1985 Ar. 6554; S TS 6. Juni 1988 Ar. 4597; Cano Mata, Ley, S. 25.
45 S TC 2411987, vom 25. Februar 1987, FJ. 2, in: JC 17, S. 224-231 (230) und S TC 93/1990, vom 23. Mai 1990 FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 354-364 (360f.); so auch Diaz EimillDe Mateo Lage, Defensa dei ciudadano, S. 709; Gimeno Sendra, Derecho Procesal, S. 214. 46 S TC 62/1983, vom 11. Juli, FJ. 2 A., in: JC 6, S. 317-325 (322f.).
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
141
Der Vorrang ergibt sich aus diesen systematischen Gründen und aus Art. 162 Abs. 1 b) i.Y.m. Art. 24 Abs. 1 CE47. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist ein mögliches Vorverfahren zur Verfassungsbeschwerde. Nach Art. 162 Abs. 1 b) CE sind zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde alle natürlichen und juristischen Personen befugt, die ein legitimes Interesse geltend machen48 . Art. 43 Abs. 1 LOTC verlangt zusätzlich die Erschöpfung des Rechtsweges. Praktisch würde dieses bedeuten, daß allein die Personen Verfassungsbeschwerde geltend machen können, die ein "direktes Interesse" im verwaltungsgerichtlichen Sinne haben. Somit sind die Gerichte zu einer verfassungskonformen Auslegung der "direkten Interessen" i.S. von "legitimen Interessen" verpflichtet49 . Diese Ansicht hat nunmehr auch der Oberste Gerichtshof übernommen 50.
(2)
Inhalt des "Iegitimen Interesses"
Das klagebegründende Interesse, das auch als legitimes Interesse und als qualifiziertes oder spezifisches51 Interesse bezeichnet wird, ist vom spanischen Verfassungsgericht bewußt weit formuliert worden, um eine umfassende Prüfung der materiellen Grundlagen der Klage zu ermöglichen. Die Klagebefugnis ist somit in erster Linie Ernsthaftigkeitserfordernis. Das Verfassungsgericht hat erst 1991 seine bisherige Rechtsprechung zur Klagebefugnis zusammengefaßt und die "legitimen Interessen" definiert. Dazu gehört '~eglicher 47 S TC 6011982, vom 11. Oktober, FJ. 3, in: JC 4, S. 248-259 (256). Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 441; Cano Mata, Ley Reguladora, S.26. 48 Im Gegensatz zur Verfassung der 2. Republik, die in Art. 123 Nr. 5 jeder individuellen und kollektiven Person die Befugnis gab, auch wenn sie nicht direkt betroffen war. 49 S TC 6011982, vom 11. Oktober 1982, FJ. 3, in: JC 4, S. 248-259 (256); S TC S TC 2411987, vom 25. Februar 1987, FJ. 2, in: JC 17, S.224-231 (230); S TC 93/1990, vom 23. Mai 1990 FJ. 2, in: Rep. Ar. 199012, S. 354-364 (360f.); Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 442; PiDel L6pez, EI Derecho, S.299f. 50 S TS 14. Juli 1988 Ar. 5627; S TS 7. Februar 1989 Ar. 1081; S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658; S TS 17. Juli 1991 Ar. 5269; S TS 31. Mai 1990 Ar. 4138; 18. Juni 1994 Ar. 5050; S TS 21. November 1991 Ar. 8836: Hier überprüft eine Nachbarvereinigung die Kosten einer Sporthalle. Die Klage ist zulässig; vgl. aber schon S TS 5. März 1980 Ar. 2063; S TS 18. Februar 1982 Ar. 1456; S TS 11. Juni 1982 Ar. 4585; S TS 10. Februar 1983 Ar. 6022; Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 69. 51
S TC 257/1988 vom 22. Dezember, in: JC 22, S. 1061-1070.
142
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Vorteil oder rechtlicher Nutzen, der sich aus jeder gewollten Aufhebung der Verwaltungsmaßnahme ergibt. Dieser Nutzen muß jedoch persönlich und qualifiziert bzw. spezifisch sein"52 . Es sei aber unzureichend, daß das legitime Interesse der Rechtsordnung nicht widerspreche, es müsse sich vielmehr aus ihr ergeben53 . Damit folgte das Verfassungsgericht der in der Lehre54 und vom Obersten Gerichtshop5 getroffenen Definition, es geht also im Kern weiterhin von der Grundstruktur des "direkten Interesses", dem Begriff des Vorteils bzw. Nachteils. (a)
Vorteil bzw. Nachteil
Ein legitimes Interesse liegt vor, wenn die Aufhebung des Verwaltungsaktes einen Vorteil rur den einzelnen darstellt, bzw. wenn die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen oder zukünftigen Rechtslage dem Kläger einen Nachteil verursacht56 . Der Nachteil muß zwar tatsächlich bestehen, es genügt jedoch, daß er
52 S TC 97/1991, vom 9. Mai, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/3, S.279-290 (287).: "cualquier ventaja 0 utilidad juridica de la reparaci6n pretendida. Pero (iene que ser un interes propio, cualijicado 0 especijico"; unzutreffend insoweit Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 100f. 53 So aber S TS 1. Juli 1985 Ar. 3598. 54 Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 98f. 55 S TS vom 23. Januar 1975 Ar. 88; S TS 2l. Juni 1975 Ar. 2998; 15. Dezember 1986, La Ley 1987-2, 147; sehr gute Definition in S TS 16. Juli 1987 Ar. 5434: Danach haben die Personen ein "legitimes Interesse", die aufgrund der objektiven Lage, der persönlichen Lage, in der sie sich befinden, oder die aufgrund der Tatsache, daß sie Adressaten einer bestimmten Regelung sind, Inhaber eines eigenen Interesses sind, das unterschiedlich ist zu dem eines anderen Bürgers. Dieses ist insbesondere gegeben, wenn die Handlung der öffentlichen Gewalt bei der Verfolgung eines al1gemeinen Interesses in dieses eigene Interesse eingreift, auch wenn die Handlung selbst unmittelbar kein konkreten Vorteil oder unmittelbaren Nachteil verursacht. 56 S TS 20. März 1961 Ar. 1132; S TS 6. Juli 1977 Ar. 3269; S TS 10. Dezember 1976 Ar. 6002; 14. Juli 1988 Ar. 5627: es klagt ein Bürger gegen die Zahlungen der Stadt, da sie ohne Deckung erfolgten. Hier hat er keine Klagebefugnis, da er kein Nachteil hat. Weiterhin 15. Oktober 1988 Ar. 7990: Keine Klagebefugnis eines Professors, der gegen ein Urteil klagte, indem eine Note einer Schülerin verändert wurde; ebenso S TS 7. Februar 1989 Ar. 1081; S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658: Ein Bürger klagt gegen die untergesetzliche Rechtsvorschrift zur Sozialversicherungspflicht. Die Klage ist zulässig, da er einen Nachteil hat; S TS 17. Juli 1991 Ar. 5269: Klage des Unternehmerverbandes der Busunternehmen gegen die Einfilhrung eines regelmäßigen Busservice von Madrid nach Algeciras. Hier hat dieser kein direktes sondern ein legitimes Interesse, da er Vertreter ist filr die betreffenden Unternehmen; Martin Mateo, Manual, S. 435.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
143
plausibel - im Sinne der deutschen "Möglichkeitstheorie" - vorgebracht wird s7 . Qualität des Nachteils bzw. Vorteils
(b)
Die Rechtsprechung hat lange am Wortlaut der LJCA festgehalten und gefordert, daß das behauptete Interesse "direkt" sei s8 . Direkt sei ein Interesse, wenn eine unmittelbare Beziehung gegeben ist zwischen der durch den Verwaltungsakt geschaffenen Rechtslage und dem vom Bürger erlittenen Nachteil S9 . Der Bürger mußte danach Adressat des Verwaltungsakts sein. Im Gegensatz dazu erfaßt das "legitime Interesse" nach Ansicht des Verfassungsgerichts auch die indirekten Interessen, in denen also der Nachteil bzw. Vorteil des Bürgers nur mittelbar durch das Handeln der Behörde verursacht wird60 . Der Vor- bzw. Nachteil kann rechtlich oder materiell bzw. wirtschaftlich sein61 . Wirtschaftlich ist beispielsweise das Interesse des Bürgen eines Bauunternehmens an der Errichtung eines vom Bauunternehmen geplanten Bauwerks 62 . Es genügt sogar ein rein moralischer Vorteil63 . So konnte ein Beamter nach Einstellung des Disziplinarverfahrens wegen Verjährung Klage erheben. Ein Disziplinarverfahren ohne eindeutigen Freispruch oder eindeutige Verurteilung verletze seine persönliche und berufliche Ehre64 .
57 S TC 81/1990, vom 4. Mai, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 261-272 (270); S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658.
58 S TS 29. September 1973 Ar. 3436; vgl. aber auch S TS 7. April 1980 Ar. 1222. S9 S TS 11. April 1960 Ar. 1768; S. TS 9. Juli 1962 Ar. 3315; S TS 17. Januar 1973 Ar. 120; S TS 19. Juni 1974 Ar. 3287; S TS 30. April 1975 Ar. 3210; S TS 15. März 1976 Ar. 2018; S TS 14. Februar 1983 Ar. 837. 60 S TC 62/1983, vom 11. Juli, FJ. 2 A., in: JC 6, S. 317-325 (323) mit Hinweis auf S TC 60/1982, vom 11. Oktober, FJ. 3, in: Je 4, S. 248-259 (256); vgl. schon A TS 1. Juli 1982. 61 S TS 20. Mai 1971 Ar. 2239; S TS 27. Februar 1980 Ar. 2016; S TS 11. Juni 1982 Ar. 4585; S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 14. November 1983 Ar. 5657; S TS 30. Dezember 1985 Ar. 6423; S TS 15. Dezember 1986 Ar. 7156; S TS 10. Februar 1987 Ar. 583; AT Bilbao S. 11 Mai 1987, La Ley 1987-4, 130; S TS 24. September 1992 Ar. 6856; S TS 7. Oktober 1992 Ar. 8023; S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050. 62 S TS 14. März 1989 Archivo LA LEY 1989, 3-",1041.
63
S 28. März 1985 Ar. 2943; 21. November 1991 Ar. 8836.
64
S TSJ Canarias vom 21. Juni 1990, LA LEY 1990-4,208.
144
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Durch die Weite des Vorteilbegriffs kann auch derjenige klagebefugt sein, der nicht Träger des geltend gemachten Grundrechtes oder anderer Rechte ist65 . So war beispielsweise ein Unternehmer befugt, Klage zu erheben gegen die Ausweisung seiner ausländischen Angestellten, da er ein wirtschaftliches Interesse an deren Verbleib in seinem Unternehmen habe66 . Eine bloß geographische Nähebeziehung zum angefochtenen Verwaltungsakt, wie z.B. die Tatsache allein, daß jemand Nachbar des belasteten oder begünstigten Bürgers ist, genügt jedoch nicht67 . Beispielsweise war die Klage eines Bürgers der Stadt gegen die Lizenzvergabe bei einer Großmarkthalle unzulässig68. Vielmehr muß sich aus der Nachbarschaft noch ein anderes rechtliches, wirtschaftliches oder moralisches Verhältnis ergeben (z.B. Nutzung der gemeinsamen öffentlichen Einrichtung, wie. z.B. Wasserleitungen)69. So können Nachbarn gegen die Flughafenerweiterung klagen70 , Tankstellenpächter gegen die Genehmigung einer weiteren Tankstelle in ihrer Nähe71 . Das legitime Interesse ist daher immer vom bloßen Legalitätsinteresse abzugrenzen, das weder vom Begriff des direkten Interesses i.S.d. Art. 28 Abs. 1 a) erfaßt ist1 2 noch durch Art. 24 Abs.l CE geschützt wird, da den Rechtsträgern dort nur der Schutz "ihrer" Rechte garantiert wird73 .
65
S TC 19/1983, vom 14. März, FJ. I in: JC 5, S. 209-219 (214).
66
S TS 24. Januar 1990 Archivo LA LEY 3-2', 613.
67
S TS 3. April 1986 Ar. 4221; 6. Juni 1988 Ar. 4597.
68 S TS 3. April 1986 Ar. 4221. 69 S TS 24. Mai 1985 Ar. 2943. 70
S TSJ Baleares, vom 28. September 1991, La Llei, 1992-1, 341.
71
S TS 27. Februar 1991 Archivo 1991,6996.
S TS 4. Juni 1980 Ar. 2426; S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 18. Dezember 1984 Ar. 6124; S TS 8. November 1985 Ar. 5453; S TS 6. Juni 1988 Ar. 4597; S TS 14. Juli 1988 Ar. 5627; S TS 7. Februar 1989 Ar. 1081; S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658; S TS 17. Juli 1991 Ar. 5269; S TS 31. Mai 1990 Ar. 4138: Gewerkschaft wehrt sich gegen die Schaffung von neuen Stellen. Die Klage ist zulässig, da die Gewerkschaft nach Art. 7 CE eine besondere Stellung innehat und nach Art. 28 Abs. 1 in der Verwaltung ein Mitspracherecht hat; Guaita, Art. 106 CE, S. 347; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4703. 72
73
S.348.
S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050; Guaita, Art. 106,
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
(c)
145
Persönliches und aktuelles Interesse
Das Interesse muß persönlich sein74 . Während die "Direktheit" des Interesses der Frage gilt, ob der Bürger Adressat des Verwaltungsakts war, stellt das Merkmal "persönlich" auf die unmittelbare Wirkung des Verwaltungsakts ab. Der Bürger muß eine eigene Belastung geltend machen75 . Demnach muß der durch das Handeln Benachteiligte identisch sein mit dem Kläger76 . Dieses geht daraus hervor, daß Art. 24 Abs. 1 CE allein "ihre ... legitimen Interessen" schützt. Nur so ein persönliches Interesse ist daher von dem Grundrecht nach Art. 24 Abs. 1 CE geschützt77 . Aber auch hier ist das Merkmal "persönlich" weit zu verstehen; so fallen darunter auch Belastungen von Personengruppen, zu denen auch ethnische Gruppen zählen, so daß Mitglieder dieser Gruppen selbst klagen können78 . Ein Teil der Lehre hält die Notwendigkeit eines persönlichen Interesses rur entbehrlich79. Es seien auch diffuse Interessen, d.h. solche, die den Bürger allein als Teil der Volksgemeinschaft treffen, anfechtbarSo . Damit wird jedoch die Grenze zum Legalitätsinteresse verwischt. Eine zukünftige Beschwer kann nicht durch gerichtliche Klage verhindert werden8} . Dies entspricht der Notwendigkeit, das Interesse konkret nachweisen zu müssen. Von diesem Konkretheitserfordemis hat jedoch der Oberste Gerichtshof in einzelnen Entscheidungen Abstand genommen, wo ihm ein objektiv nachvollziehbares zukünftiges Interesse genügt82 . Dadurch wird aber 74 S TS 17. Juni 1971 Ar. 3663; S TS 14. Juli 1988 Ar. 5627; S TS 7. Februar 1989 Ar. 1081; S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658; S TS 17. Juli 1991 Ar. 5269; S TS 8. April 1994 Ar. 3016; Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 35; Guaita, Art. 106 CE, S. 348. 75 S TC 62/1983, vom 11. Juli, FJ. 2 A, in: JC 6, S. 317-325 (322f.). 76 S TS 11. Mai 1963 Ar. 2670; S TS 11. Oktober 1976 Ar. 5125; A TS 23. Mai
1986 Ar. 4456;; A TS 26. Mai 1986 Ar. 3340; A TS 18. Juli 1986 Ar. 5119.
77 S TC 62/1983, vom 11. Juli 1983, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-325 (322); S TS 14. Juli 1988 (Ar. 5627); Gonzalez Perez, Manual, S. 162. 78 S TC 214/1991, vom 11. November, in: Rep. Ar. 1991/4, S. 352-373. 79 Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 69. 80
Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 69.
S TS 26. Mai 1961 Ar. 2414; S TS 11. Oktober 1976 Ar. 5125; S TS 18. Juni 1983 Ar. 3202; S TS 27. Februar 1980 Ar. 2016; S TS 24. September 1992 Ar. 6856; S TS 7. Oktober 1992 Ar. 8023; S TS 9. Mai 1994 Ar. 5304: In diesem Fall klagte ein Bürger der Stadt gegen eine durch die Militärverwaltung verordnete Beschränkung der Nutzung des Hafenge1ändes fUr Privatboote. Er hatte jedoch kein Boot. 81
82 S TS 1. September 1988 Ar. 7217. 10 Martinez Sori.
146
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
nicht ein vorbeugender Rechtsschutz in Spanien möglich, da weiterhin notwendig ist, daß eine Verwaltungsmaßnahme besteht. Vielmehr werden hierdurch z.B. Fälle erfaßt, in denen jemand erst in nächster Zeit in die Gemeinde umziehen will und dort als Anlieger von einer schon wirksamen belastenden Maßnahme der Verwaltung betroffen sein wird. (e)
Legitimes Interesse
"Legitim" ist jedes Interesse, das durch die Rechtsordnung geschützt ist83 . Dies hat zwei Konsequenzen: Zum einen begründen auch solche Bestimmungen ein legitimes Interesse, die ausschließlich im allgemeinen Interesse erlassen worden sind, wenn durch dessen Befriedigung das Interesse aller Bürger und damit auch das jedes einzelnen geschützt wird84 . Unter das legitime Interesse fallen demnach alle individuellen und sozialen Interessen, die von der Rechtsordnung nur indirekt über den Schutz des allgemeinen Interesses durch Normen geschützt werden 85 . Die Norm muß daher eine Schutzwirkung haben, die in irgendeiner Form individualisierbar ist. So schützen allgemein den Umweltschutz sichernde Normen (Immissionsschutzgesetze86 , Naturschutzgesetze87 ) in Spanien auch das Recht des einzelnen auf eine saubere Umwelt; bauordnungsrechtliche Bestimmungen sichern auch das Recht des einzelnen an einer geregelten Nutzung des Bodens. Die entsprechenden deutschen Bestimmungen haben zwar auch die gleiche allgemeine Schutzfunktion, aus dieser allgemeinen Funktion wird jedoch grundsätzlich nicht ein subjektives Recht und die Klagebefugnis abgeleitet. Entscheidend ist in Deutschland vielmehr die individuell schützende Zielrichtung der Vorschrift. In Spanien hingegen wird bei der Ermittlung des legitimen Interesses auf die allgemeine Schutzfunktion einer Bestimmung abgestellt88 . Die Normen, die legitime
83 S TC 62/1983, vom 11. Juli, FJ. 2 A., in: JC 6, S. 317-325 (322f.); vgl. Cano Mata, EI derecho a la tutela, S. 556f. 84
S TC 6211983, vom 11. Juli 1983, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-325 (322f.).
S TS 1. Juli 1985 Ar. 3598; Garcia de Entema, Curso 11, S. 590; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimacion, S. 4709; Lafuente Benaches, La legitimacion para impugnar actos, S. 444. 85
86 Ley 38/1972, vom 22. Dezember, de protecci6n deI medio ambiente y prevenci6n de la contaminaci6n atmosjerica (BOE Nr. 309, vom 26. Dezember).
87 Ley 4/1989, vom 27. März, de conservaci6n de los espacios naturales y de la flora y fauna silvestres (BOE Nr. 74, vom 28. März 1989). 88 Es kommt damit der Auffassung Henkes, Das subjektive öffentliche Recht, S. 57ff. von einem, vom Willen des Gesetzgebers losgelösten Begriff des subjektiven Rechts nahe.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
147
Interessen begIiinden, werden daher auch Verhältnisnonnen (normas de relaci6n) genannt, da sie im Hinblick auf den Bürger erlassen worden89 . Das heißt jedoch nicht, daß jede tatsächliche Belastung ein "legitimes Interesse" enthält90 . Von diesen Nonnen sind nämlich die sogenannten "Handlungsnonnen" (normas de acci6n) zu unterscheiden, die die Verwaltung allein zu einem "Handeln" ennächtigen. Sie sind ausschließlich im öffentlichen Interesse erlassen worden. Zu ihnen zählen u.a. die Organisationsnonnen und allgemeine Verfahrensnonnen (Zuständigkeit, Fristen)91. Sie sind im Vergleich zu den Verhältnisnonnen aber nur wenige. Infolgedessen steht im Mittelpunkt der Untersuchung der Interessen in Spanien nicht - wie in Deutschland - die Frage, ob ein Interesse "legitim" ist bzw. ob ein Recht "subjektiv" ist, sondern vielmehr, ob der konkrete Kläger dieses Interesse auch innehat. bb) Die Abgrenzung "legitimes Interesse - subjektives Recht" Die Abgrenzung in Art. 24 Abs. I CE zwischen den legitimen Interessen und dem subjektiven Recht folgt dem italienischen Vorbild, wo sie für die Bestimmung des zuständigen Rechtsweges entscheidend ist92 . Sie erfolgt nicht über den geschützten Gegenstand: Sowohl das subjektive öffentliche Recht als auch das legitime Interesse dienen dem Schutz von Interessen. Der Unterschied liegt in der Quelle dieser Institute93 . Die als subjektive öffentliche Rechte bezeichneten Interessen werden durch Nonnen geschützt, die gerade zu diesem Zweck - dem Schutz dieses Interesses - erlassen worden sind. Diesem Schutz dienen zwar, wie eben dargelegt, auch die "legitimen Interessen". Jedoch bedarf es nach der spanischen Konzeption des "subjektiven Rechts" bislang noch eines feststellenden Verwaltungsaktes, um aus diesem geschützten Interesse ein subjektives Recht im prozessualen Sinne entstehen zu lassen94 ; subjektive Rechte, die sich wie in Deutschland unmittelbar aus der Nonn ergeben, sind in Spanien, außer bei den Grundrechten, nicht bekannt. Aus dieser Abgrenzung ergibt sich, daß jedes subjektive Recht gleichzeitig ein legitimes 89 Garrido Falla, Tratado, S. 415. 90 So aber Henke, Das subjektive Recht, S. 61. 91 S TC 93/1990, vorn 23. Mai 1990 FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/2, S.354-364
(360f.); Garrido Falla, Tratado, S. 415.
92 Cannada Bartoli, Interesse, S. 9ff.; Guicciardi, La giustizia anuninistrativa, S.8-15. 93 S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 14. November 1983 Ar. 5657; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4703; Pera Verdaguer, Comentarios, S. 174. 94 Siehe S. 129. 10*
148
2. Teil: Das verwalnmgsgerichtliche Verfahren
Interesse ist, ein "wesensgleiches Plus"9S . Die ihn begründenden Tatbestände werden sämtlich vom allgemeinen Begriff der legitimen Interessen bzw. direkten Interessen erfaßt96 . Daraus ist erkennbar, daß das subjektive Recht fur die Klagebefugnis bei AnfechtungskIagen kaum Bedeutung hat. So hat das Verfassungsgericht die Auffassung vertreten, daß schon der Inhaber von legitimen Interessen klagen kann, auch wenn er nicht gleichzeitig Träger eines Rechtes ist97 . Die Funktion der in Art. 24 Abs. 1 CE genannten subjektiven Rechte beschränkt sich darauf, zu verdeutlichen, daß jeder Bereich der Rechtssphäre des einzelnen geschützt werden so1l98 . cc) Verhältnis legitime Interessen - soziale Interessen (1)
Die Verankerung der sozialen Interessen in der Rechtsordnung
Die spanische Verfassung zeichnet sich dadurch besonders aus, daß sie im Gegensatz zum Grundgesetz eine Vielzahl von sozialen Grundrechten enthält99 . Der im Titel I, Kapitel III CE formulierte und als "Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik" überschriebene Katalog sozialer Grundrechte enthält sowohl sehr allgemein gehaltene Rechte wie das Recht auf Schutz der Gesundheit (Art. 43 CE), das Recht auf Zugang zur Kultur (Art. 44 CE), das Recht auf Schutz der Umwelt (Art. 45 CE), das Recht auf eine Wohnung (Art. 47 CE), als auch konkrete Rechtspositionen, die auch das Grundgesetz zum Teil als einklagbare Grundrechte definiert sind. Dazu gehören Art. 39 CE (Schutz der Familie, der ehelichen und nichtehelichen Kinder sowie der Mütter), Art. 41 (Recht auf Sozialhilfe fur Bedürftige), Art. 46 (Schutz des nationalen Kulturguts), Art. 49 CE (Schutz von Behinderten), Art. 50 CE (Gewährleistung von Renten) und Art. 51 CE (Verbraucherschutz). Weiterhin zählen zu diesen sozialen Grundrechten auch solche soziale Rechte, die einen 9S Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 38, Serrano Alberca, Art. 106 CE, S. 458; dagegen Guaita, Art. 106 CE, S. 348; vgl. zu parallelen Ansätzen in der deutschen Lehre Klein, Tragweite der Generalklausel, S. 114f. 96 Garcia de Enterria, Curso 11, S. 589. 97 S TC 19/1983, vom 14. März, Fll , in: JC 5, S. 209-219 (214); Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 80. 98 S TS 25. April 1989 Ar. 3233; Guaita, Art. 106, S. 347; Damit wird der Unterschied deutlich zum Verständnis des BVerfGE von Art. 19 Abs. 4 GG als "Gewährleisnmg eine möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtsphäre des einzelnen": BVerfGE 8, 274 (326),25,352 (365); 51, 176 (185); 54,39 (41). 99 Cola~o, Los intereses difusos, S. 417; vgl. auch die Wiedergabe der verfassungsrechtlich gewährleisteten sozialen Rechte in der portugiesischen Verfassung in S.421.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
149
sehr präzisen Gegenstand haben: So enthält das Recht auf Erziehung nach Art. 27 Abs. 5 CE auch das konkrete Recht auf Errichtung von privaten schulischen Einrichtungen, während Art. 35 CE nicht nur das allgemeine Recht auf Arbeit gewährleistet, sondern auch die in Art. 12 Abs. 1 GG als Grundrecht gewährleistete Berufswahlfreiheit. Schließlich gewährleistet Art. 38 CE die auch dem Grundgesetz bekannte Unternehmensfreiheit, sichert jedoch zugleich die Förderung der Produktivität durch staatliche Maßnahmen lOO . Diese sozialen Grundrechte begründen zahlreiche sogenannte "soziale Interessen" 101 , die jedoch weder objektiv noch subjektiv bestimmt sind und daher auch als "diffuse Interessen" bezeichnet werden 102 . Objektiv sind diese Interessen unbestimmt, weil weder der Gegenstand der garantierten Leistung noch die zur Leistung verpflichtete Person eindeutig aus der Nonn entnommen werden können lO3 . Sie sind weiterhin subjektiv unbestimmt, da sie zumeist Gesellschaftsgruppen und nicht Einzelpersonen berechtigen (Mütter, Arbeiter, Schüler, Lehrer, Eltern, Verbraucher)104. Unklar bleibt daher, ob aus diesen Gruppeninteressen konkrete Individualinteressen entnehmbar sind, die als "legitime Interessen" i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE dem Bürger die Klagemöglichkeit eröffnenlos . Das soll im folgenden dargelegt werden.
(2)
Die ausschließlich prozessuale Bedeutung der sozialen Interessen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
Die sozialen Interessen richten sich zumeist auf ein Handeln des Staates. Die bisherige Verfahrensordnung sieht jedoch aufgrund ihres kassatorischen Charakters ein Verfahren zum Schutz dieser Interessen nur beschränkt in Fonn der Klage wegen "Schweigens der Verwaltung" vor. Zwar sind die sozialen Interessen unter die durch Art. 24 Abs. 1 CE geschützten "legitimen Inter-
100 Vgl. die Auflistung bei Almagro, Los intereses difusos, S. 99. 101 Zum Teil findet sich auch die Bezeichnung diffuse Interessen. Es ist jedoch in Spanien eher von kollektiven Interessen die Rede: Gonzalez Perez, EI derecho, S. 70f; vgl. auch Martin Rebollo, La justicia administrativa, S. 524; Almagro, EI derecho procesal, S. 864. 102 G. Berti nennt daher diese Interessen auch "Interessen ohne Struktur", in: Interessi senza structura (i.c.d. Interessi difusi), Studi in onore di Antonio Amorth, Mailand 1982, S. 74 und 75. 103 Almagro, Los intereses difusos, S. 97. 104 Almagro, Los intereses difusos, S. 96. 105 Colayo, Los intereses difusos, S. 420.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
essen" zu subsurnieren 106 ; aber auch wenn dies heute im allgemeinen anerkannt ist, bleiben ihre rechtlichen Grundlagen umstritten. Ein Teil der Lehre sieht in Art. 9 Abs. 2 CE die Grundlage des Schutzes der sozialen Interessen 107 . Nach dieser Vorschrift obliegt es "den öffentlichen Gewalten, die Bedingungen zu schaffen, damit die Freiheit und Gleichheit des einzelnen und der Gruppen, in die er sich einfügt, real und wirksam sind ... ". Interpretiert man die Rechtsschutzgarantie im Lichte der im Art. 9 Abs. 2 CE begründeten Pflicht des Staates, diese Interessen zu verwirklichen, so folgt daraus das Recht des einzelnen oder der Gruppe, diese auch einzuklagen 108 . Die sozialen Interessen erhalten hierdurch eine materiellrechtliche Bedeutung, d.h. aufgrund einer Verletzung sozialer Interessen kann das Gericht eine Verwaltungsmaßnahme aufheben. Diese Interpretation ist mit der h.M. jedoch abzulehnen. Die Pflicht des Staates, die sozialen Interessen zu verwirklichen, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich hierbei um Prinzipien handelt, die nicht in erster Linie durch die Rechtsprechung zu verwirklichen sind, sondern durch den Gesetzgeber und die Verwaltung. Soziale Interessen, auch wenn sie sich noch nicht zu legitimen Interessen verdichtet haben, können durch Gerichte aber im Wege der Auslegung von Gesetzen mitverwirklicht werden. Dies wird auch an Art. 53 Abs. 3 CE deutlich, der abschließend die Garantien der sozialen Grundrechte regelt. Danach "wird die Rechtsprechung durch die Anerkennung, die Achtung und den Schutz der in Kapitel 3 anerkannten Grundsätze geleitet". Als Folge des Art. 53 Abs. 3 CE hat die Rechtsprechung die sozialen Interessen bisher ausschließlich als Interpretationsgrundlage fiir andere Grundrechte und einfache Gesetze herangezogen 109 . Nach alledem kann nur Art. 7 Abs. 3 LOPJ die Grundlage fiir die Anerkennung sozialer Interessen als "legitimer Interessen" i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE sein. Danach "schützen die Gerichte die Rechte und legitimen Interessen, sowohl individueller als auch kollektiver Art". Bei den hier genannten "kollektiven Interessen" handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um die 106 In Portugal ist der Rechtsschutz gegen die diffusen interessen durch eine Verfassungsänderung eingefllhrt worden: vgl. ColalYo, Los intereses difusos, S. 431fT. 107 Almagro, Los intereses difusos, S. 99f. 108 Almagro, Los intereses difusos, S. 99f. 109 Vgl. zum Recht auf Umwelt die Rechtsprechungsübersicht bei Beltran Aguirre,
EI medio ambiente, S. 286f.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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sozialen Interessen. Unter Berufung auf Art. 24 Abs. 1 CE hat daher der Oberste Gerichtshof 1989 die Klagebefugnis auch bei der Berufung auf ein soziales Interesse, das Recht auf Schutz der Umwelt, anerkannt 11 0 . Jedoch beschränkte sich die Anerkennung auf die Klagebefugnis. Die sozialen Interessen selbst können nicht Grundlage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns und somit ein Maßstab der Begrundetheitsprüfung sein 111 , es sei denn, dieses soziale Interesse ist durch eine gesetzliche Regelung konkretisiert worden und bindet als zwingende Regelung das Verwaltungshandeln unmittelbar 1l2 . Beschränkt auf die Klageeröffnung sind die sozialen Interessen somit gleichzeitig auch "legitime Interessen" i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE. Dies entspricht zum einen der Anerkennung der indirekten Interessen als legitimen Interessen durch das Verfassungsgericht 113 . Zum anderen widerspricht es nicht dem Erfordernis des persönlichen Interesses, da dieses Merkmal sowohl bei den strikt persönlichen als auch bei den allgemeinen Interessen, die den einzelnen Bürger als Mitglied der Gemeinschaft treffen, erfüllt ist 114 . In Deutschland ist zwar seit Oktober 1994 der Umweltschutz als Staatsziel in Art. 20 a GG eingefiihrt worden, der "nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die Rechtsprechung" gewährleistet wird; im Gegensatz zu Spanien lassen sich daraus aber keine verwaltungsprozessualen Konsequenzen ableiten. Nach dem Willen des Verfassunggebers 1l5 und der allgemeinen Ansicht in
110 Vgl. S TS 25. April 1989 Ar. 3233; nüchtern über die Bedeutung dieser Entscheidung Martin Mateo, Tratado de Derecho Ambiental, S. 154. 111 Belträn Aguirre, EI medio ambiente, S. 294. Kritisch dazu Carro FernändezValmayor, Defensor dei Pueblo, S. 2670; vgl.auch den Schutz der sozialen Interessen in Argentinien: Marienhoff, La legitimaci6n en las acciones, S. 71. 112 S TS 25. April 1989 Ar. 3233.
113 Vgl. STC 6211983, vom 11. Juli, Fl2, in: JC 6, S. 317-325 (323); 24/1987, vom 25. Februar, Fl 2, in: JC 17, S. 224-231 (230); Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S.471O; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S.69. 114 S TC 6211983, vom 11. Juli, FJ. 2 A) in: JC 6, S. 317-325 (322); In der portugiesischen Verfassung ist der bestehenden Bestimmung über die Rechtsschutz gegen die öffentliche Verwaltung nach Art. 286 Abs. 4 ein neuer Abs. 5 hinzugefiigt worden, der "den Verwalteten den Zugang zur Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet zum Schutz ihrer gesetzlich geschützten Rechte und Interessen": vgl. hierzu Colaryo, Los intereses difusos, S. 424f 115 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 67.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
der Lehre 116 begrtindet Art. 20 a GG keine subjektiven Rechte, da es sich um eine objektivrechtliche Staatszielbestimmung handele. Daher könne auch nicht ein neues Verständnis der klagebefähigenden subjektiven Rechte aus der Verfassung abgeleitet werden, da das neue Staatsziel bewußt "systemkonform" gestaltet worden sei 117 . dd) Verhältnis legitimes Interesse - Popularklage In Spanien ist der Gesetzgeber zum Schutz der sozialen Interessen in der ersten Zeit nach dem Erlaß der Verfassung durch die Einrichtung der Popularklage einen anderen Weg gegangen l18 . Unter Popularklage versteht man das Gerichtsverfahren, das ausschließlich die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung sichern soll. Hier muß der Kläger keine Verletzung von Rechten oder Interessen nachweisen; die Klagebefugnis entfällt als Prozeßvoraussetzung l19 . Wegen des sehr weiten Begriffs des "legitimen Interesses" ist das Verhältnis der Rechtsschutzgarantie zur Popularklage problematisch. (1)
Anwendungsfälle der Popularklage
Diese Frage ist in Spanien viel wichtiger als in Deutschland, da in Spanien die Popularklage sehr verbreitet ist 120 . Sie dient hier zwar auch der Kontrolle der Legalität des Verwaltungshandeins. So kann jedermann Klage nach Art. 47 Abs. 3 LOTe beim Tribunal de Cuentas (Rechnungshof) erheben, womit eine umfassende Kontrolle des wirtschaftlichen Handeins der Verwaltung gewährleistet wird. Ihren hauptsächlichen Wirkungskreis hat die Popularklage aber bei der Verwirklichung der sozialen Grundrechte. Dies zeigt beispielsweise ihr wichtigster Anwendungsfall: Nach Art. 304 Abs. 1 des Gesetzes sobre el Regimen deI Suelo y Ordenacion Urbana 121 kann jedermann Klage erheben, um die 116 Jarras/Pieroth, Art. 20 a GG, Rdnr. 1; Sannwald, Refonn, S. 3315; MeyerTeschendorfT, Schutz, S. 77. 117 Meyer-TeschendorfT, Schutz, S. 79. 118 Gutierrez-Alviz y ArmariolMoreno Catena, Art. 125 CE, S. 604. 119 Gonzalez Perez, Manual, S. 166; Alrnagro Nosete, Accion popular, S. 65, nennt sie daher auch einen herrlichen Luxus, auf dessen Verwirklichung man hinarbeiten muß und die die größte Anerkennung der Volljährigkeit des Bürgers darstellt. 120 Kritisch demgegenüber: Martin Mateo, La problemlitica asimilacion, S.475; Coscullue1a Montaner, Accion publica, S. 57; Sanchez lsac, EI interes directo, S. 107fI 121 Gesetz vom vom 9. April 1976 (Neufassung aufgrund des RD 1/1992, vom 26. Juni 1992); schon die Fassung aus dem Jahr 1956 enthielt im Art. 223 diese Popular-
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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Einhaltung der Baugesetzgebung sowie der Pläne, Programme, Projekte, Normen und Verordnungen durch das Verwaltungshandeln zu gewährleisten l22 . Die öffentliche Gewalt bedient sich auf diese Weise der Hilfe der Bürger, um "die Nutzung des Bodens im Interesse der Allgemeinheit" zu überwacpen und erfiillt damit ihren Verfassungsauftrag aus dem sozialen Grundrecht auf Wohnung (Art. 47 CE)123. Die meisten AnwendungsfaIle hat die Popularklage im Recht auf Umweltschutz und auf Schutz des Kulturerbes. Hier verwirklicht die Popularklage ebenfalls das soziale Grundrecht auf eine angemessene Umwelt und damit auf Umweltschutz (Art. 45). Nach Abs. 2 sind "alle öffentlichen Gewalten aufgerufen, über dieses schützenswerte Gut zu wachen, wobei sie sich auf die unerläßliche Solidarität stützen müssen". Diese Solidarität wird auch durch die Möglichkeit der umfassenden Klageerhebung gewährleistet. Zu den vorgesehenen Popularklagen zählen aus vorkonstitutioneller Zeit Art. 16 des Dekrets über den Schutz der Luftreinhaltung l24 ; aus der Zeit nach dem Erlaß der Verfassung Art. 109 des Küstengesetzes 125 sowie folgende Popularklagen zum Schutz der zahlreichen Nationalparke: Art. 11 des Gesetzes über den Nationalpark Dofiana bei Cädiz (Andalusien)126 , Art. 13 des Gesetzes über den Nationalpark von Tablas de Daimie1 127 , Art 17 des Gesetzes über den Nationalpark von Garajonayl28, Art. 17 des Gesetzes über den Na-
klage: vgl. Gonzlilez Perez, EI derecho, S.72.; Gutierrez-Alviz y AnnariolMoreno Catena, Art. 125 CE, S. 604. 122 Art. 304 Abs. 1 Ley de Sue1o: "Sera publica la accion para exigir ante los Organos administrativos y los Tribunales contencioso-administrativos la observancia de la legislacion urbanisticay de los Planes, Programmas, Proyectos, Normas y Ordenanzas". 123 S. TS 14. Dezember 1990 Ar. 10489: Klage gegen die Wiederrichtung einer Glukosefabrik in einer Stadt; Gonzlilez Perez, Manual, S. 162. Anders hingegen wieder in S TS 21. November 1991 Ar. 8836. 124 Dekret Nr. 83311975, vom 6. Februar, de proteccion dei ambiente atmosferico, in Ausfilhrung des Gesetzes 3811972, vom 22. Dezember. 125 Gesetz 2211988, vom 28. Juli, de Costas, (BOE Nr. 181, vom 29. Juli). 126 Gesetz 9111978 vom 28. Dezember 1978, dei Parque Nacional de Donana. 127 Gesetz 2511980, vom 3. Mai, sobre reclasificacion dei Parque Nacional de Tablas de Daimiel. 128 Gesetz 311981, vom 25. März, de creaciim dei Parque Nacional de Grajonay.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
tionalpark von La Caldera de Taburiente 129 sowie Art. 17 des Gesetzes über den Nationalpark von Timanfaya 130 . Weiterhin realisiert die Popularklage nach Art. 8 Abs. 2 des Gesetzes über
das spanische KulturerbeBI das Grundrecht auf Schutz des spanischen Kultu-
rerbes nach Art. 46 CE mit. Schließlich ist noch der Fall einer beschränkten Popularklage auf kommunaler Ebene zu nennen. Nach Art. 68 Abs. 3 der Ley Reguladora de las Bases deI Regimen Loca/ 132 hat jeder Bürger einer Gemeinde das Recht, zum Schutz der Rechte und wirtschaftlichen Güter seiner Gemeinde im Namen der Gemeinde zu klagen. Da eine allgemeine Kommunalaufsicht im deutschen Sinne in Spanien nicht besteht, soll durch die Klage die verfassungsrechtIich geschützte kommunale Selbstverwaltung gewährleistet werden 133 . Die Stärkung der sozialen Grundrechte durch die Einrichtung einer,Popularklage ist durch den Umstand gefördert worden, daß der einstweilige Rechtsschutz in Spanien kaum entwickelt ist und daher der spanische Gesetzgeber im Gegensatz zum deutschen keinen Stillstand des Verwaltungshandelns befiirchten mußte, wenn er die Klagemöglichkeiten erweiterte. Der Gesetzgeber hat dennoch seit 1985 keine weiteren Popularklagen zugelassen. Dieses ist zum Teil auf die 1985 ergangene LOPJ zuruckzufiihren, die die kollektiven Interessen als klagebefähigende Interessen anerkannte und dadurch weitergehende Klagmöglichkeiten entbehrlich machte 134 .
129 Gesetz 4/1981, vom 25. März, de reclasificaci6n dei Parque Nacional de la Caldera de Taburiente. 130 Gesetz 6/1981, vom 25. März, de reclasificaci6n dei Parque Nacional de Timanfaya. 131 Gesetz 1611985, vom 25. Juni 1985 132 Gesetz 711985, vom 2. April, reguladora de las Bases dei Regimen Local (BOE Nr. 80, vom 3. April, berichtigt in BOE Nr. 139 vom 11. Juni). 133 Die Rechtmäßigkeitsprüfung des kommunalen Handelns erfolgt nach Art. 65 Abs. 1 LBRL in der Regel durch die Verwaltungsgerichte. Nur in Ausnahmetallen (insbesondere im Bauplanungsrecht) besteht eine "Sonderaufsicht" : Pielow, Autonomia, S. 206fT 134 Siehe S. 150.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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(2)
Die Popularklage im verfassungsrechtlich gebotenen System des Rechtsschutzes
(a)
Die Option nach Art. 125 CE
Die spanische Verfassung berechtigt in Art. 125 CE die spanischen Staatsbürger 135 , "eine Popularklage zu erheben". Dies wird nach der h.M. jedoch als Befugnis der Bürger verstanden, die Popularklage zu erheben, soweit die (einfach-)gesetzlichen Regelungen ihnen das ermöglichen. Für diese Auslegung sprechen die sehr allgemein gehaltene Formulierung und die systematische Stellung der Bestimmung. Hätte der Verfassunggeber selbst ein Recht des Bürgers auf Popularklage schaffen wollen, so hätte er es im Grundrechtsteil der Verfassung verankern können. Folgerichtig hat Art. 19 Abs.l LOPJ festgehalten, daß die spanischen Bürger die Popularklage nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen anwenden können 136 . Es kann weiter aus Art. 125 CE keine allgemeine Tendenz der Verfassung zugunsten der Popularklage entnommen werden 137 . Es handelt sich vielmehr um eine Option, die dem Gesetzgeber durch diese Verfassungsbestimmung ausdrücklich eingeräumt wird, um die Popularklage in den Fällen einzufiihren, in denen er sie für zweckmäßig hält. (b)
Die Popularklage und die Rechtsschutzgarantie
Im Zentrum des Rechtsschutzsystems steht die Rechtsschutzgarantie. Aus Art. 24 Abs. 1 CE ergibt sich ebensowenig wie aus Art. 19 Abs. 4 GG eine Pflicht des Gesetzgebers zur Einrichtung von Popularklagen 138 . Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, handelt es sich bei der Popularklage, die primär das allgemeine Legalitätsinteresse schützt, vielmehr um eine Durchbrechung des Systems des Verwaltungsprozesses, das, soweit es die Eröffnung des Verfahrens betrifft, auf persönlichen "legitimen Interessen" beruht 139 . Jedoch ist durch die von der Rechtsprechung und der Lehre vertretene weite Konzeption der "legitimen Interessen" die Abgrenzung
135 Gutierrez-Alviz y AnnariolMoreno Catena, Art. 125 CE, S. 602. 136 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 101l. 137 Martin Rebollo, La justicia administrativa,S. 521 f; kritisch Gonzalez Perez, EI derecho, S. 74. 138 S TC 62/1983, vom 11. Juli 1983, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-325 (322); BVerfGE 13, 132 (151); 83,182 (194). 139 S. TS 6. Juni 1988 Ar. 4597; S TS 14. Juli 1988 Ar. 5627; S TS 7. Februar 1989 Ar. 1081; S TS 12. Juni 1989 Ar. 4658; S TS 17. Juli 1991 Ar. 5269; S TS 5. Januar 1990 Ar. 327.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
zum allgemeinen Legalitätsinteresse schwierig l40 . Die Popularklage grenzt sich aufgrund ihres Ausnahmecharakters zunächst formal von der Klagebefugnis aufgrund "legitimer Interessen" dadurch ab, daß sie ausdrücklich vom Gesetzgeber angeordnet werden muß 141 . Materiell unterscheidet sie sich dadurch, daß die Rechtsschutzgarantie ein bestimmtes Interesse fordert, das qualitativ mehr ist als das reine Legalitätsinteresse 142 . Der qualitative Unterschied besteht darin, daß im Mittelpunkt der Rechtsschutzgarantie eine Beschwer des Klägers steht, der zu begegnen es eines garantierten gerichtlichen Schutzes bedarf143 . Allein die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, so z.B. als Nachbar einer Gemeinde ohne konkrete Beschwer l44 , begründet noch kein zur Klage befugendes Interesse 145 . Konsequenterweise hat das Verfassungsgericht in einer neuen Entscheidung betont, daß sich die Klagemöglichkeit aus Art. 24 Abs. 1 CE ergibt, wenn der Bürger selbst betroffen ist, hingegen aus Art. 125 CE, wenn nur ein Legalitätsinteresse und somit kein Nachteil rechtlicher, wirtschaftlicher oder moralischer Art geltend gemacht wird 146 . Aus dieser strikten Trennung zwischen Rechtsschutzgarantie und Popularklage ist jedoch kein absolutes Verbot eines weitergehenden Rechtsschutzes zu
140 Vgl. Lafuente Benaches, La legitimacion para impugnar actos, S. 444; Figueruelo Bunieza, EI derecho, S. 99f. verweist auf die kasuistische Regelung der Abgrenzung. 141 Lafuente Benaches, La legitimacion para impugnar actos, S. 444. 142 S TC 257/1988, vom 22. Dezember, in: JC 22, S. 1061-1070; S TS 3. März 1983 Ar. 1368; S TS 10. Mai 1983 Ar. 2925; S TS 8. November 1985 Ar. 5453; S TS 31. Mai 1990 Ar. 4138; S TS 31. Dezember 1985 Ar. 6554; Guaita, Art. 106 CE, S.347. 143 S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050: Hier klagte die nationale Richtervereinigung gegen die Ernennung des Generalstaatsanwalts. Die filr die Klagebefugnis notwendige Beschwer wurde angeknüpft an den Begriff "Unabhängigkeit" in Art. 124 Abs. 1 CE: Der Generalstaatsanwalt gewährleitet nach dieser Bestimmung die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter, so daß diese durch eine unzulässige Erinnerung beschwert sind. Vgl. weiterhin Lafuente Benaches, La legitimacion para impugnar actos, S. 444. 144 S TS 3. April 1986 Ar. 4221. 145 S TS 6. Juni 1988 Ar. 4597: Unzulässige Klage eines Bürgers gegen die Errichtung einer Markthalle. Art. 68 Abs. 3 Ley de Bases dei Regimen Local (LBRL) sieht hingegen eine Klagemöglichkeit der Bürger anstelle der inaktiven Gemeinde zum Schutz der öffentlichen Rechte und Güter vor, vgl. S TS 3. Mai 1991 Ar. 4261.
146 S TC 34/1994, vom 31. Januar, BJC 155 (1994), S. 153-155 (155).
C. Die Rechtsschutzgarantie Wld die Klagebefugnis
157
entnehmen. Art. 24 Abs. 1 CE gewährt nur einen Mindeststandard l47 . Der Gesetzgeber ist daher befugt, die Option nach Art. 125 CE auszuüben l48 . Sieht jedoch das Gesetz eine Popularklage vor, so ist der Zugang zu dieser Klagemöglichkeit durch Art. 24 Abs. 1 CE geschützt 149 . Diese Garantie einer rein objektiven Rechtsschutzform durch die Rechtsschutzgarantie besteht, weil in vielen Fällen, in denen eine Popularklage vorgesehen ist, durch diese auch gleichzeitig ein soziales Grundrecht und damit ein "legitimes Interesse" geschützt wirdiSO . Art. 24 Abs. 1 CE gewährleistet jedoch nur einen uneingeschränkten Zugang zur bestehenden Popularklage, nicht hingegen den Bestand einer einmal eingeführten Klagemöglichkeit. Der Gesetzgeber kann daher die Popularklage wieder abschaffen. Im Ergebnis hat die Einfiihrung der Popularklagen nicht zu dem gewünschten effektiven Schutz der sozialen Interessen geführt, was insbesondere auf strukturelle Defizite in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zurückzuführen ist. So wäre gerade im Umweltbereich ein einstweiliger Rechtsschutz von fundamentaler Bedeutung, um Eingriffe in die Natur, die zumeist irreparable Schäden verursachen, zu verhindern. Dieser ist jedoch in Spanien nicht vorhanden. Weiterhin ist die von den Gerichten vorgenommene Kontrolle wenig intensiv. Somit täuscht die große Zahl der Popularklagen in diesem Bereich über den tatsächlichen gerichtlichen Schutz, den die durch die Popularklagen geschützten sozialen Interessen erfahren. ee) Verhältnis legitime Interessen - Verbandsinteressen Zu behandeln bleibt noch das Verhältnis zwischen legitimen Interessen und den sogenannten Verbandsinteressen. Es sind drei Sachverhalte denkbar, in denen ein Verband klagt. Erstens kann er unmittelbar betroffen sein, zweitens ist es möglich, daß sowohl die Interessen der Verbände als auch die der Einzelmitglieder tangiert sind, und drittens kann der Verband durch die Klage ausschließlich die Interessen eines seiner Mitglieder vertreten wollen.
147 Vgl. S TC 62/1983, vom 1l. Juli, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-325 (323); ebenso abgedruckt in: Cano Mata, Ley Reguladora, S. 36-45 (42); Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 86; Almagro Nosete, Art. 24 CE, S. 29.
163. 149 S TC 62/1983, vom 1l. Juli, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-326 (322f.); S TC 147/1985, vom 29. Oktober, FJ. 3, in: JC 13, S. 275-281 (280f.); anschaulich S TS vom 22. April 1988 Ar. 3188 filr den Fall, daß die baurechtliche Popularklage ausländi148 Gonzalez Perez, Ley, S.
schen Mitbürgern in Spanien verwehrt werden sollte.
158
(1)
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Das Verbandsinteresse nach der UCA
Die Interessen von Verbänden sind ausdrücklich in Art. 32 LJCA geregelt. Danach sind Berufskammern lSl , Gewerkschaften lS2 , Kammern, Vereine lS3 und sonstige Einrichtungen berechtigt, ihre beruflichen und wirtschaftlichen Interessen als Prozeßpartei zu schützen lS4 . Der Verband ist somit klagebefugt, soweit eigene Interessen betroffen sind. Damit drückt diese Bestimmung nur aus, was sich ohnehin selbst aus Art. 28 Abs. 1 a) LJCA ergibtiSS . Jedoch widerspricht die Beschränkung der geschützten Interessen auf die Berufs- oder Wirtschaftsinteressen dem Begriff der "legitimen Interessen". Aus diesem Grunde befähigen nun auch sonstige Interessen (z.B. Natur- und Umweltschutz) zur Klage, soweit der Schutz dieser Interessen Verbandszweck ist lS6 . Der über eine bloße Wiederholung des Art. 28 Abs. 1 a) LJCA hinausgehende Sinn der Regelung des Art. 32 LJCA liegt darin, dem Verein auch dann eine Klagebefugnis einzuräumen, wenn er durch eine Klage seine eigenen und gleichzeitig die Interessen der einzelnen Mitglieder schützen möchte lS7 . Ausgeschlossen war durch diese Bestimmung nach ständiger Rechtsprechung hingegen die Möglichkeit, ausschließlich Individualinteressen der Mitglieder durch eine Klage des Verbands wahrzunehmen, somit die Fälle der Prozeßstandschaft lS8 . Dem Verband fehlte also z.B. die Klagebefugnis, wenn allein ISO S TC 6211983, vom 11. Juli 1983, FJ. 2 A), in: JC 6, S. 317-325 (322). ISI S TS 2. Dezember 1983 Ar. 6456; S TS 15. September 1986 Ar. 4760; zu Architektenkammern vgl. S TS 14. November 1983 Ar. 5657; 29. Mai 1985 Ar. 2608; zu Apothekerkammern vgl.S TS 22. Dezember 1982 Ar. 8073; zu Optikerkammern vgl.S TS 9. Juni 1980 Ar. 2432; zu Ärztekammern vgl.S TS 11. März 1981 Ar. 1306, S TS 30. Oktober 1990 Ar. 9098. IS2 S TC 3111984, vom 7. März, in: JC 8, S. 359-382. IS3 Insbesondere Unternehmensverbände S TS 24. Dezember 1983 Ar. 6842, S TS
12. Dezember 1985 Ar. 6245; S TS 4. April 1990 Ar. 3583. 154 Pera Verdaguer, Comentarios, S. 228.
ISS Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 451. 156 In Deutschland sind Verbände selbst dann nicht klagebefugt, wenn die Wah-
rung der Rechte der Mitglieder Vereinszweck ist: BVerwGE 54, 211 (219); 61, 334 (341).
IS7 Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 452; Boquera Oliver, Derecho y Socializaci6n, S. 159. 158 S TS 15. Mai 1980 Ar. 2807.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
159
seine Mitglieder Adressaten (und somit Betroffene) des Verwaltungsaktes sind l59 .
(2)
Erweiterung der Klagebefugnis von Verbänden aufFälle der Prozeßstandschaft kraft verfassungsrechtlicher Vorgaben
Die Vereinigungen haben in der spanischen Verfassung eine besondere Beachtung erfahren. Die Verfassung nennt sie zum Teil in genereller Form 160 , zum Teil einzeln 161 und ist daher zu Recht als vereinigungsfreundlich bezeichnet worden l62 . Die privatrechtlichen Vereinigungen erftillen hier zwei wichtige Aufgaben: Sie verhindern eine zu starke Verstaatlichung der Gesellschaft und schützen dadurch zugleich die Privatsphäre des einzelnen 163 . Von dieser verfassungsgemäßen Schutzfunktion der Vereinigungen hat ein Teil der Lehre auf den gerichtlichen Rechtsschutz und damit auf die Rechtsschutzgarantie geschlossen. Danach erfasse die Rechtschutzgarantie jegliche Form des "sozialisierten Rechtsschutzes"164 durch Vereinigungen und daher auch den Fall der Prozeßstandschaft 165 . Viele Bürger würden das Risiko einer Klage gegen die übermächtig wirkende Verwaltung scheuen. Dann könne allein eine Klage des Verbands im eigenen Namen den effektiven Schutz der fremden Rechte garantieren. Das Erfordernis eines "persönlichen Interesses", 159 So wurde eine Klage einer Beamtengewerkschaften mangels Klagebefugnis abgewiesen, womit die Gewerkschaft Rückzahlungsanspruche von drei Gewerkschaftsmitgliedern geltend machen wollte: TSJ von Murcia vom 26. Februar 1990, wiedergegeben in Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4712. 160 Art. 9 CE: "Corresponde a los paderes publicos promover las condiciones para que la libertad y la igualdad deI individuo y de los grupos en que se integra sean reales y efectivas". 161 So schützt Art. 22 CE die verfassungsmäßigen Vereine, Art. 28 CE garantiert die Freiheit der Gewerkschaften, Art. 34 CE sichert das Recht zu, Stiftungen zu gründen, Art. 36 CE begründet eine Institutsgarantie filr Berufskammern, während abschließend Art. 51 CE den Staat verpflichtet, die Gründung von und die Arbeit der Verbraucherschutzverbände zu fOrdern: vgl. Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4711. 162 Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4713 spricht von der Schaffung eines "Staates der Vereine" (Estado de asociaciones). 163 Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar aetos, S. 452; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4711. 164 Der Ausdruck geht aufBoquera Oliver, Derecho administrativo y socializaci6n, S. 159, zurück. 165 Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar aetos, S. 453.
160
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
das in diesem Fall beim Verein fehle, müsse im Hinblick auf die vereinsfreundliche Struktur der Verfassung und einer effektiven Rechtsschutzgarantie bei Klagen von Vereinen aufgegeben werden 166 .
Das Verfassungsgericht hielt bis 1992 strikt an dem Erfordernis der unmittelbar persönlichen Belastung und somit eines persönlichen Interesses fest. So lehnte es die Befugnis einer Gewerkschaft ab, Klage gegen die Besetzung öffentlicher Stellen zu erheben, bei der ihre Mitglieder nicht berücksichtigt worden waren. Hier waren nach Ansicht des Verfassungsgerichts allein Interessen der Mitglieder betroffen 167 . 1992 hat das Verfassungsgericht jedoch erstmals die Klagebefugnis der Vereinigung auch fiir diese Fälle anerkannt, in denen nur Mitgliederinteressen tangiert sind. In dem dieser Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Sachverhalt klagte der Verein der Sport- und Tourismushäfen der Balearen gegen eine Verordnung des spanischen Ministeriums fiir öffentliche Bauten und Städtebau, die eine Gebühr fiir die Benutzung der staatlichen Häfen durch Sport- und Vergnügungsschiffe festlegte. Der Oberste Gerichtshof hatte die Klage des Verbands mangels Klagebefugnis abgewiesen, da die Gebühren allein die Verbandsmitglieder als Benutzer der Einrichtungen betrafen und nicht den Verein selbst 168 . Das Verfassungsgericht verweist in der Begründung der Entscheidung auf seine Rechtsprechung zum Begriff des "legitimen Interesses", wonach jeder wie auch immer geartete Nachteil oder rechtliche Schaden ein solches Interesse begründet. Ein solches mittelbares - wirtschaftliches Interesse des Verbands sei hier gegeben. Durch die Anerkennung eines solchen mittelbaren Schaden hat sich das Verfassungsgericht von einem personenbezogenen Begriff des Interesses gelöst. Der durch die Rechtsschutzgarantie geWährleistete Rechtsschutz entwickelt sich daher weiter hin zu einem "sozialisierten" Rechtsschutz. Diese Tendenz wird auch am Beispiel der Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften erkennbar. b) Die Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA In Deutschland erweitert § 47 Abs. 2 VwGO den Kreis der Antragsberechtigten bei der abstrakten Normenkontrolle. Es ist jeder berechtigt, der durch eine untergesetzliche Rechtsvorschrift einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Damit ist der Gesetzgeber nach allgemeiner Ansicht 166 Lafuente Benaches, La legitimacion para impugnar actos, S. 452. 167 A TC 520/1987, vom 6. Mai 1987, in: JC 18, S. 917-921 (920). 168 S TS 11. Juli 1990 Ar. 5596.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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über den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Rahmen des Individualrechtsschutzes hinausgegangen l69 . In Spanien hingegen beschränkte die LJCA die Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften erheblich 170 . aa) Gesetzliche Regelung Untergesetzliehe Rechtsvorschriften greifen auf zwei unterschiedliche Weisen in den Rechtskreis des Bürgers ein: Sie können unmittelbar den Bürger in seinen Rechten bzw. Interessen verletzen; ferner können Bestimmungen noch ausfiihrende Einzelakte erforderlich machen. Für den Fall, daß die untergesetzliche Rechtsvorschrift unmittelbar wirkt, greift die allgemeine Klagebefugnis nach Art. 28 Abs. 1 a) i. Y.m. Art. 39 Abs. 3 LJCA 171 . Danach können die Bürger die untergesetzliche Rechtsvorschrift direkt angreifen. Bedarf die untergesetzliche Rechtsvorschrift noch eines Ausfiihrungsaktes, findet hingegen Art. 28 Abs. 1 b) LJCA Anwendung l72 . Danach sind zur Anfechtung einer untergesetzlichen Rechtsvorschrift der zentralen Verwaltung allein die Körperschaften, Kammern und Vereine des öffentlichen Rechts befugt, sowie die Vereine, deren Zweck der Schutz und die Vertretung der Interessen der Allgemeinheit oder des Verbands ist, soweit die angefochtene untergesetzliche Rechtsvorschrift ihre eigenen Interessen betrifft l73 . Diese Beschränkung gilt jedoch nur im Hinblick auf untergesetzliche Rechtsvorschriften der zentralen Verwaltung; untergesetzliche Rechtsvorschriften der autonomen Gemeinschaften und der Kommunen richten sich nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA und können somit schon aufgrund der Gesetzeslage auch durch den Bürger unmittelbar angefochten werden 174 . Zwar war diese eingeschränkte Klagebefugnis bei untergesetzlichen Rechtsvorschriften 1956 beim Erlaß der LJCA ein fundamentaler Fortschritt, da zum ersten Mal die Kontrolle der exekutiven Verordnungsgewalt durch die Verwaltungsgerichte ermöglicht wurde 17S . Insoweit war die Klagebefugnis nach Art. 169 BVerfGE 31, 364 (369f.); Götz, Handlungsspielräume,
s. 253.
170 Baena de Alc8zar, EI control jurisdiccionaI, S. 1357. 171 S TS 28. Februar 1979 Ar. 621; Fermindez Torres, La legitimacion corporativa, S. 1382 Fn. 1l. 172 Mateu-Ros Cerezo, Rafae!, EI derecho constitucionaI, S. 91f.
173 Vgl. schon die Motive zur LJCA : m 3 Abs.2. 174 So zutreffend Fernandez Torres, La Iegitimacion corporativa, S. 1383. 175 Garrido Falla, Art. 106 CE, S. 1459f.; Guaita, Art. 106 CE, S. 347; Pera Verdaguer, Revista General, S.416; Fernandez Torres, La Iegitimacion corporativa, 11 Martinez Soria
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28 Abs. 1 b) LJCA die konsequente Ergänzung zur Generalklausel nach Art. 1 Abs. 1 LJCA, wonach Gegenstand der Klage auch untergesetzliche Rechtsvorschriften sein können. Jedoch beruhte die Beschränkung der Klagebefugnis zum einen auf der Struktur des Franco-Regimes, in dessen Zentrum die Verbände standen und nicht das Individuum l76 . Zum anderen waren ausschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts klagebefugt, was eine politische Nähe zu den erlassenden Organen garantierte und somit eine Zurückhaltung bei der Anwendung dieser Klagemöglichkeit gewährleistete 177 . bb) Die restriktive Auslegung des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA durch den Obersten Gerichtshof In der Praxis war die Klagebefugnis nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA besonders bedeutsam, weil nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die auch lange nach dem Erlaß der Verfassung beibehalten wurde, untergesetzliche Rechtsvorschriften nur in extremen Ausnahmefällen direkt wirkten 178 , so daß in der Regel die beschränkte Klagebefugnis nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA anzuwenden war 179 . Zutreffend beschreibt daher der Oberste Gerichtshof den Hintergrund der Regelung wie folgt: "Es ist kein Geheimnis, daß die Beschränkung, die diese oft wiederholte Bestimmung des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA 8. 1380. Baena de Alcazar, EI control jurisdiccional, 8. 1355. Nach Art. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung von 1888 war eine indirekte Anfechtung der untergesetzliche Rechtsvorschrift über die Anfechtung des konkretisierenden Verwaltungsalctes möglich, praktisch fand diese Möglichkeit jedoch kaum Anwendung. Kommunale Verordnungen konnten zwar direkt angefochten werden, jedoch war paradoxerweise diese direkte Anfechtung die Voraussetzung für eine indirekte. Art. 39 Abs. 4 LJCA stellt daher klar, daß diese Verknüpfung nicht notwendig ist: vgl. auch Motive 3, Abs. 2. 176 8 T8 28. Januar 1981 Ar. 98; 8 T8 24. September 1981 Ar. 3363; Femandez Torres, La legitimaci6n corporativa, 8. 1382; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, 8.4705; Navarro Pinar, La legitimaci6n corporativa, 8. 129ff.; Baena de Alc8zar, EI control jurisdiccional, S. 1355; Diaz EimillDe Mateo Lage, Defensa del Ciudadano, 8. 711.
177 Femandez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1382. 178 8 T8 28. März 1980 Ar. 1096; 8 T8 8. April 1980 Ar. 1264;8 T8 8. April 1980 Ar. 1265; S TS 9. April 1980 Ar. 1270; S TS 10. April 1980 Ar. 1322; 8 TS 29. April 1980 Ar. 1382; 8 T8 30. April 1980 Ar. 1390; 8 T8 2. Mai 1980 Ar. 1729; 8 T8 6. Mai 1980 Ar. 1739; 8 T8 9. Mai 1980 Ar. 1747; S TS 12. Mai 1753; 8 T8 16. Mai 1980 Ar. 1764; 8 T8 22. Mai 1980 Ar. 2825; 8 T8 10. März 1982 Ar. 1041; 8 T8 7. März 1985 Ar. 1058; die Entscheidung 8 T8 17. März 1988 Ar. 2304 stellt jedoch zu dem Zeitpunkt schon einen Ausnahmefall dar: Zutreffend Baena de Alcazar, EI control jurisdiccional, 8. 1374; weitere Nachweise bei GonzAlez Perez, EI control por los Tribunales, 8. 781. 179 Mateu-Ros Cerezo, RafaeI, EI derecho constitucionaI, 8. 91f.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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aufstellt, ein Gegengewicht darstellen soll zum Liberalismus, der damals in Form der neuen Kontrollmöglichkeit von untergesetzlichen Rechtsvorschriften durch unsere Gerichte aufkam, sowie auch als Mittel zur Erhaltung einer gewissen Stabilität bei den untergesetzlichen Rechtsvorschriften; eine Beschränkung, die durch die Rechtsprechung weiter betont worden ist"180 . Mit dem letzten Halbsatz weist der Oberste Gerichtshof auf seine eigene Rechtsprechung hin, die die Klagebefugnis auch nach dem Erlaß der Verfassung und - obwohl Art. 24 Abs. 1 CE eine formalistische Auslegung von Zulassungsvorschriften verbot 181 - weiter eingeengt hat 182 . Er erreichte dies durch eine enge Wortlautauslegung der Begriffs "Vereinigungen" (entidades)183. So faßte der Oberster Gerichtshof darunter bis 1984 nur juristische Personen des öffentlichen Rechts 184 . Die untergesetzliehe Rechtsvorschrift mußte weiterhin die eigenen Interessen der juristischen Person direkt betreffen, wobei eigene Interessen allein die im Verbandszweck genannten Interessen waren 185 . Somit schied eine Prozeßstandschaft des Ver-
180 S TS 11. April 1981 Ar. 1831. 181 Vgl. die Motive IV Nr. 3 Abs. 2 der LJCA; vgl. bei Gonzalez Perez, EI control por los Tribunales, S. 783. 182 So noch der Oberste Gerichtshof im Jahre 1984: S TS 13. April 1984 Ar. 2247; ausdrücklich S TS 9. Juni 1979 Ar. 2378; aber auch Garcia de Enterria, La lucha, S. 90f. wies darauf hin; in jilngerer Zeit Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 99, vgl. hierzu Fernandez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1379 Fn. 2; Baena de Alcazar, EI control jurisdiccional, S. 1356 spricht von der restriktivsten Haltung der spanischen Rechtsprechung; vgl. auch die Zusammenfassung in Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4701 (4705). 183 Z.T. erfolgte die Einschränkung gegen den Wortlaut des Gesetzes: so waren beispielsweise die nationalen Gewerkschaften oder der Oberste Rat der Handelskammern trotz Art. 32 LJCA nicht zugelassen (vgl. S TS 15. Februar 1971 Ar. 822); vgl. auch S. TS 27. November 1979 Ar. 4704. 184 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Pera Verdaguer, Comentario, S.201ff.; Baena de A1cazar, EI control jurisdiccional, S. 1370. 185 So in dem Fall der Klage des Obersten Rates der Kammer ftlr Bergingenieure (Colegios de Ingenieros de Minas) gegen die Verordnung, die die Übertragung der Bergwerke im Baskenland auf die Autonome Gemeinschaft verhindern sollte, da dort nur die Ingenieure, die beamtet waren, von der Regelung betroffen waren (S TS 21. Juni 1982 Ar. 4818); Vgl. auch im Bereich des Steuerrechts: S TS 2. November 1982 Ar. 6949 und S TS 19. Mai 1982 Ar. 2790; vgl. auch Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4711. 11*
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bands fiir die Interessen der Mitglieder auch bei diesen Klagen aus I86 . Weiterhin mußte die Verbandssatzung die Organe zur gerichtlichen Durchsetzung dieser Interessen ausdrücklich ermächtigen; eine allgemeine Befugnis, die Verbandsinteressen vertreten zu dürfen, genügte nicht I87 . Der Oberste Gerichtshof entwickelte zudem praeter legern ein in der Lehre heftig kritisiertes Kriterium, das den Kreis der klagebefugten juristischen Personen weiter einschränkte und das bis in die achtziger Jahre aufrechterhalten wurde l88 : Es mußte eine Kongruenz bestehen zwischen dem Wirkungskreis der angefochtenen Verfiigung und dem des Verbandes l89 . So konnten kommunale 190 oder regionale Verbände l9l keine nationalen Verfiigungen anfechten. Der Oberste Gerichtshof begründete dies mit dem Schutz Dritter: Die Gesamtheit der Vereine, die die nationale untergesetzliche Rechtsvorschrift anerkannt haben oder denen gegenüber die untergesetzliche Rechtsvorschrift vorteilhaft ist, sei schutzwürdiger als der einzelne regionale Verein, der die untergesetzliche Rechtsvorschrift anficht l92 . Von dieser restriktiven Rechtsprechung betroffen waren jedoch nicht nur die Personalkörperschaften sondern auch die Gebietskörperschaften. So lehnte der Oberste Gerichtshof die Klagebefugnis von Gemeinden bei Klagen gegen nationale untergesetzliche Rechtsvorschriften ab, obwohl die Selbstverwaltungsgarantie, die nach dem Vorbringen der Gemein186 S TS 26. April 1982 Ar. 1886. 187 S TS 26. April 1982 Ar. 1886. Nach der Entscheidung S TS 25. November 1982 Ar. 7104 ist sogar ein Verband (Wege-, Kanal- und Hafeningenieure) nicht ldagebefugt, wenn ein anderer Verband den Kreis der Betroffenen (hier waren es beamtete Ingenieure) besser erfaßt. 188 S TS 22. März 1979 Ar. 1408; S TS 17. Dezember 1980 Ar. 5127; S TS 13. Juni 1981 Ar. 2731; S TS 13. Oktober 1981 Ar. 4144; S TS 18. Mai 1982 Ar. 3971; S TS 22. November 1982 Ar. 7287; S TS 16. Dezember 1982 Ar. 5422; S TS 25. Februar 1983 Ar. 1908; S TS 21. Januar 1986 Ar. 1569; vgl. zur Diskussion: Garcia de Enterria, La lucha, S.89; durch Art. 5 g) des Gesetzes vom 13. Februar 1974 über Berufsbildende Schulen wurde dieses juristische Kriterium der territorialen Kongruenz zum ersten Mal positivrechtlich erfaßt. 189 Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 93; Fernandez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1406. 190 Ständige Rspr. in vorkonstitutioneller Zeit seit S TS 18. April 1961 Ar. 1558; S TS 11. September 1976 Ar. 4946; vgl. dazu Garcia de Entema, La lucha, S. 89 Fn. 91; Beispiele filr die Anwendung nach 1978: S TS 5. März 1979 Ar. 1054; S TS 17. Dezember 1980 Ar. 5127; S TS 17. Dezember 1981 Ar. 5425; S TS 15. Januar 1982 Ar. 160; S TS 22. März 1982; S TS 18. Mai 1982 Ar. 3971; S TS 21. September 1982 Ar. 5476 und S TS 29. Dezember 1982 Ar. 8114. 191 S TS 24. Mai 1979 Ar. 2575; S TS 28. Januar 1981; S TS 17. Dezember 1981 Ar. 5424; S TS 24. Mai 1982 Ar. 4120; S TS 29. Dezember 1982 Ar. 8110.
192 S TS 18. März 1974 Ar. 1372.
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de tangiert war, sogar verfassungsmäßig verankert ist und die Gemeinde daher, wie oben festgestellt, auch Trägerin des Grundrechtes auf Rechtsschutz ist l93 . ce) Art. 28 Abs. 1 b) LJCA im Lichte der Rechtsschutzgarantie Die Lehre hat dieses Kongruenzerfordernis zwischen den Wirkungskreisen schon vor Inkrafttreten der Verfassung kritisiert 194 : Sie rügte das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für ein solches Erfordemis 195 und warf dem Gericht vor, es vermische mit dem Kongruenzverlangen zwei Begriffe: Die materiellrechtliche Handlungsfähigkeit des Vereines, die auf den territorialen Wirkungskreis beschränkt bleibt, und die prozessuale Klagebefugnis, die jede Bestimmung erfassen muß, die die Interessen des Verbands oder der Körperschaft berührt 196 . Trotz dieser (auch in anderen Punkten des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA geübten vorkonstitutionellen) Kritik 197 brachte erst die Mitte der achtziger Jahre erfolgte Rezeption der Rechtsschutzgarantie einen Wechsel in der Rechtsprechung 198 . Der Gesetzgeber indes hat trotz mehrfacher Änderungen des Gesetzes die Klagebefugnis nach Art. 28 Abs. 1 b) LJCA nicht aufgehoben. Allein in einem Bereich, der gegen die Selbstverwaltungsgarantie der autonomen Regionen nach Art. 137 CE verstieß, ist er tätig geworden: Aufgrund der engen Auslegung des Begriffs "Körperschaften" und des Kongruenzerfordernisses war es 193 S TS 2l. September 1981 Ar. 5308; ebenso noch in S TS 13. Mai 1994 Ar. 4379: Hier klagte eine Ärztegewerkschaft auf Provinzebene gegen eine Vereinbarung der Regierung über zusätzliche Ge1dIeistungen an Ärzte im staatlichen Gesundheitsamt (INSALUD). 194 Fernändez Rodriguez, (,Desaparece el recurso?, S. 143ff.; Gonzalez Perez, EI proceso administrativo, S. 370; Diaz EimillDe Mateo Lage, Defensa de1 Ciudadano, S.71l. 195 Garcia de Enterria, La Iucha, S. 89; vgl. auch ders. in: Recurso contencioso directo, S. 176. 196 Lafuente Benaches, La Iegitimaci6n para impugnar actos, S. 447; ebenso Mateus-Ros, EI derecho constitucionaI, S. 93; Garcia de Enterria, EI principio de la interpretaci6n, S. 287 ff. 197 Fernandez Rodriguez, (,Desaparece e1 recurso?, S. 158; Gonzalez Perez, Comentarios, S. 83. 198 Vgl. aber schon S TS 25. Oktober 1978 Ar. 3351, das im Hinblick auf die noch zu verkündende Verfassung Art. 28 Abs. 1 b) LJCA weit auslegte; zu Recht noch vorsichtig die Besprechung von Sanchez Mor6n, Un paso adelante, S. 292; vgl. dazu Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n corporativa, S. 4706.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
nicht möglich, daß die autonomen Regionen eine nationale Verordnung verwaltungsgerichtlich anfechten. Es blieb der autonomen Region nur der Weg vor das Verfassungsgericht nach Art. 161 Abs. 1 c) CE199 . Durch ein Gesetz vom 5. Oktober 1981 sind nun ausdrücklich die autonomen Gemeinschaften zur Klage gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften der Zentralregierung befugt200 . Nicht erkannt hat hingegen der Gesetzgeber zwei wichtigere verfassungswidrige Aspekte. Während die untergesetzlichen Rechtsvorschriften des Zentral staates nur beschränkt anfechtbar sind, richten sich die der autonomen Regionen nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA. Dieses Privileg der Verordnungsgewalt des Zentral staates widerspricht offen Art. 106 Abs.l CE, der für die gerichtliche Kontrolle der untergesetzlichen Rechtsvorschriftsgewalt der Verwaltung eine Unterscheidung zwischen staatlicher und regionaler untergesetzlicher Rechtsvorschrift ausschließt201 . Auch hat der Gesetzgeber die Klagebefugnis nicht auf die Gemeinden erweitert, obwohl der Oberste Gerichtshof ihre Klagemöglichkeiten aufgrund des Kongruenzerfordemisses erheblich beschränkte. (1)
Versuch einer verfassungskonformen Auslegung des Art. 28 Abs. J b) UCA
Die Verkündung der Verfassung hat zwar zunächst -wie oben festgestelltkeine wesentliche Veränderung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichts bewirkt202 , doch finden sich einige Urteile, die einen ausdrücklichen oder immanenten Einfluß der Rechtsschutzgarantie erkennen lassen. Der Oberste Gerichtshof hat in diesen Urteilen zunächst versucht, die besondere Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften grundsätzlich aufrechtzuerhalten und dennoch die extremen Standpunkte der alten Rechtsprechung zu korrigieren 203 . Anfangs hat der Oberste Gerichtshof den Begriff "unmittelbare Wirkung der Vorschrift" weiter ausgelegt und damit die Zahl der Fälle erhöht, in denen 199 Garrido Falla, Preceptos derogados, S. 1083. 200 Gesetz 341l981, vom 5. Oktober 1981 (BOE Nr. 250, vom 19. Oktober 1981); Vgl. Diaz Eimi1JDe Mateo Lage, Defensa del Ciudadano, S. 708. Ausdrücklich ist nun auch die Möglichkeit vorgesehen, daß der Zentral staat gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften der autonomen Gemeinschaften Klage erhebt. 201 Baena de Alcazar, EI control jurisdiccional, S. 1357. 202 Femandez Villaverde, Las causas, S. 305. 203 Offensichtlich befllrwortend GonzaIez Perez, EI derecho, S. 74; hingegen spricht er sich in: Manual, S. 164f. ausschließlich fllr die Nichtanwendung der Bestimmung aus.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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der Bürger die Vorschrift unmittelbar nach Art. 39 Abs. 3 LJCA direkt anfechten konnte204 . In einem weiteren Schritt ist die Zahl der klagebefugten Verbände erhöht worden. Wegweisend war hier eine Entscheidung vom 28. Januar 1981, in der der Oberste Gerichtshof die Klagebefugnis eines Gewerkschaftsvereins anerkannte20 .5 . Unter ausdrücklicher Berufung auf Art. 24 Abs. 1 CE setzte sich das Gericht über die bisher vertretene institutionelle Beschränkung auf juristische Personen des öffentlichen Rechts hinweg206 . Doch erst 1984 hat sich die Ansicht beim Obersten Gerichtshof endgültig durchgesetzt, die juristischen Personen des privaten Rechts denen des öffentlichen Rechts gleichzustellen207 . Weiterhin wurde -wie bei der Klagebefugnis gegen Einzelakte - die Voraussetzung des direkten Interesses aufgegeben208 . Der Oberste Gerichtshof ließ immer mehr Klagen zu, in denen die Verbände neben den betroffenen eigenen Verbandsinteressen auch die Interessen einzelner 204 S TS 31. Januar 1979 Ar. 49; S TS 5. Februar 1979 Ar. 365; S TS 29. Januar 1979 Ar. 536; S TS 22. Mai 1979 Ar. 930; S TS 20. Juni 1979 Ar. 2423; S TS 26. Septiembre 1979 Ar. 3418; S TS 29. Septiembre 1979 Ar. 3179; S TS 1. Oktober 1979 Ar. 3258; S TS 19. Oktober 1979 Ar. 3532; S TS 19. Januar 1980 Ar. 129; S TS 21. Oktober 1980 Ar. 3584; S TS 5. November 1980 Ar. 4159; S TS 1. Dezember 1980 Ar. 4600; S TS 1. Dezember 1980 Ar.460; S TS 21. Januar 1981 Ar. 8; S TS 18. September 1981 Ar. 3280; S TS 25. September 1981 Ar. 3285; S TS 21. Dezember 1981 Ar. 768; S TS 14. Januar 1982 Ar. 157; S TS 20. Januar 1982 Ar. 50; S TS 8. Män 1982 Ar. 973; S TS 29. April 1982 Ar. 2533; S TS 29. Dezember 1982 Ar. 8113; S TS 15. Februar 1983 Ar. 885; S TS 22. Februar 1983 Ar. 988; S TS 5. Oktober 1983 Ar. 5025; S TS 3. Februar 1983 Ar. 619; S TS 25. Februar 1983 Ar. 1053; S TS 30. Män 1983 Ar. 1330; S TS 11. Juni 1983 Ar. 3168; S TS 13. Juli 1983 Ar. 3856; S TS 28. September 1983 Ar. 4406; S TS 21. Oktober 1983 Ar. 4942; S TS 17. November 1983 Ar. 6085; S TS 25. November 1983 Ar. 6868; S TS 10. Februar 1984 Ar. 797; S TS 26. Dezember 1984 Ar. 6729; S TS 7. Mai 1985 Ar. 1050; S TS 14. Mai 1985 Ar. 2353; S TS 31. Mai 1986 Ar. 4603; S TS 24. Juni 1986 Ar. 4882; S TS 1. Dezember 1987 Ar. 6685; S TS 14. Oktober 1987 Ar. 7226; Femandez Torres, La 1egitimaci6n corporativa, S. 1386. 20.5 S TS 28. Januar 1981 Ar. 119. 206 Im Anschluß daran folgte eine Reihe von weiteren Urteilen, die sich unmittelbar mit dem Art. 24 Abs. 1 CE auseinandersetzten: S TS 9. Män 1983 Ar. 1400; S TS 14. September 1983 Ar. 4609; S TS 20. Februar 1984 Ar. 798; S TS 26. Män 1984 Ar. 1770; S TS 24. Mai 1984 Ar. 3132; S TS 12. Februar 1985 Ar. 484; S TS 18. November 1985 Ar. 5367. 207 S TS 12. Februar 1985 Ar. 484; vgl. aber schon S TS 25. Oktober 1978 Ar. 3351, der die Klagebefugnis einer privaten Vereinigung von Gutachtern anerkennt: Besprechung von Sanchez Mor6n, Un paso adelante, S. 289ff.; vgl. zum ganzen Baena de Alcazar, EI control jurisdiccionaI, S. 1370. 208 S TS 22. Mai 1984 Ar. 3125; S TS 24. Februar 1984 Ar. 964; S TS 27. September 1984 Ar. 4584.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Mitglieder vertraten209 . In einem weiteren Schritt wurde auch eine faktische Betroffenheit der Verbandsinteressen als klagebefähigendes Interesse angenommen210 . Nunmehr sind auch Klagen von Verbänden zugelassen, die ein ausschließlich mittelbares Interesse geltend machen211 . Auch auf das Kongruenzerfordernis wirkte die Rechtsschutzgarantie ein212 . Entscheidend waren hier viele Urteile zur Klagebefugnis von Gemeinden213 und Gewerkschaftsverbänden214 , vor allem wiederum die Entscheidung vom 28. Januar 1981 215 . Dort klagte eine kommunale Gewerkschaftsvereinigung gegen eine staatliche untergesetzliche Rechtsvorschrift. Der Oberste Gerichtshof hat sich hier erstmals über das Kongruenzerfordemis hinweggesetzt und die Klage zugelassen216 . In der Folgezeit hat sich der Oberste Gerichtshof 209 S TS 16. Dezember 1981 Ar. 5420; S TS 13. Dezember 1983 Ar. 6288; vgl. auch S TS 12. Juli 1982 Ar. 4740; S TS I. Juni 1983 Ar. 6081. 210 S TS 3. Mai 1983 Ar. 1368; S TS 14. Dezember 1983 Ar. 6842; S TS 15. September 1986 Ar. 4760; S TS 19. Februar 1987 Ar. 666. 211 Zurückhaltend noch S TS 23. März 1988 Ar. 1702; ausdrücklich aber S TS 14. Dezember 1989 Ar. 8733; vgl. auch Femandez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1421f
212 Hinweise finden sich schon in S TS 31. Oktober 1979 Ar. 3910. 213 S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 11. April 1981 Ar. 1831 (Klage der Stadt Madrid gegen eine nationale Verordnung über die Sanitärmaßnahmen in u.a. städtischen Schlachthöfen): vgl. Besprechung von Sainz Moreno, Autonomia local, S. 701ff.; ebenso S TS 20. Oktober 1981 Ar. 4492, nach der Art. 137 CE jede Klage zuläßt gegen Eingriffe in die Funktionen, Kompetenzen oder Interessen der Zentralverwaltung, und S TS 14. Oktober 1981 Ar. 4151. Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 446. Vgl. Mateu-Ros Cerezo, EI derecho constitucional, S. 93. 214 Zu den Gewerkschaften siehe S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 24. September 1981 Ar. 3363; S TS 22. November 1982 Ar. 7287; S TS 31. März 1982 Ar. 1308; Femandez Rodriguez: Los sindicatos y e1 recurso contencioso, S. 133ff.; ebenso Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 445 Fn. 25. 215 S TS 28. Januar 1981 Ar. 119. 216 Im Anschluß daran folgten eine Reihe von weiteren Urteilen, die sich unmittelbar mit dem Art. 24 Abs. 1 CE auseinandersetzten: S TS 9. März 1983 Ar. 1400; S TS 14. September 1983 Ar. 4609; S TS 20. Februar 1984 Ar. 798; S TS 26. März 1984 Ar. 1770; S TS 24. Mai 1984 Ar. 3132; S TS 12. Februar 1985 Ar. 484; S TS 18. November 1985 Ar. 5367. Die Urteile des Verfassunsgerichts S TC 59/1983 vom 6. Juli 1983, FJ. 1, in: JC 6, S. 287-295 (291) und S TC 73/1983 vom 30. Juli 1983, FJ. 3, in: JC 6, S. S. 437-444 (442), in denen sich das Gericht zugunsten der Verfassungsmäßigkeit eines territorialen Kongruenzerfordernis ausspricht, können hier nicht herangezogen werden, da sie ausschließlich zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Sachverhalte betreffen.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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auch in allen anderen Bereichen vom Kongruenzerfordernis gelöst217 . Er begründete das mit der Rechtsschutzgarantie: Art. 24 Abs. 1 CE verlange fiir jedes weitere Erfordernis, das die Klageerhebung erschwere, eine gesetzliche Grundlage, die jedoch beim Kongruenzerfordernis nicht gegeben sei218 . Heute findet sich dieses Kriterium nicht mehr in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes219 . (2)
Die Verfassungswidrigkeit des Art. 28 Abs. 1 b) UCA nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und nach der Lehre
In den letzten Jahren haben Lehre und Rechtsprechung immer wieder erörtert, ob die Bestimmung trotz ihrer Grundstruktur aufrechterhalten werden kann oder ob sie die Rechtsschutzgarantie verletzt. Kritisiert wurde, daß der Bürger keinen Gerichtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsvorschrlften erhält, soweit sie ihn nur mittelbar betreffen. In diesen Fällen muß der Bürger entweder einen Interessenverband bitten, gegen die untergesetzliche Vorschrift, deren Durchfiihrung seine Rechte verletzen wird, zu klagen. Oder er muß auf die Anwendung dieser Norm warten220 . Der Oberste Gerichtshof hat in vielen Urteilen geprüft, ob Art. 28 Abs. 1 b) LJCA zum Schutze des Bürgers überhaupt verfassungskonform ausgelegt werden kann oder ob die Bestimmung als vorkonstitutionelles verfassungswidriges Recht durch Art. 24 i.Y.m. der 3. Aufhebungsbestimmung der Verfassung aufgehoben ist. Seine Rechtsprechung hierzu schwankt221 . Während er in einigen Urteilen weiter versucht, Art. 28 Abs. 1 b) LJCA verfassungskon-
217 Schon in den Urteilen S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 24. September 1981 Ar. 3363 findet sich der Hinweis auf Art. 24 Abs. 1 CE; ausdrücklich in S TS 15. Oktober 1982 Ar. 5776; S TS 7. Dezember 1983 Ar. 6793 fi1r Provinzebene. 218 Vgl. u.a. S TS 10. Apri11987 Ar. 2306; S TS 20. Mai 1987 Ar. 3818. 219 S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 15. Oktober 1982 Ar. 5776; S TS 9. März 1983 Ar. 1400; STS 7. Juli 1983 Ar. 3915; STS 1. Juni 1983 Ar. 6081; STS 15. November 1983 Ar. 5777; S TS 13. Dezember 1983 Ar. 6231; S TS 2. Januar 1984; S TS 18. Januar 1984 Ar. 162; S TS 24. Februar 1984 Ar. 984; S TS 12. Februar 1985 Ar. 484; S TS 21. März 1985 Ar. 1425; S TS 16. Mai 1985 Ar. 2360; S TS 3. März 1986 Ar. 1051; S TS 2. Dezember 1986 Ar. 7103; S TS 29. Dezember 1986 Ar. 7707. 220 So insbesondere Fermmdez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1389ff. 221 Garcia de Enterria, Curso 11, S. 592; es ist insoweit unkorrekt, wenn Baena de Alc8zar, EI control jurisdiccional de los reglamentos, S. 1354 von der Lehre des Obersten Gerichtshofes zu der Klagebefugnis spricht.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
form auszulegen und weitergelten zu lassen222 , hält er in den meisten Urteilen die Vorschrift kraft der dritten Aufhebungsbestimmung der Verfassung rur aufgehoben223 . Dem Bürger könne nicht zugemutet werden, auf die Anwendung der belastenden Normen zu warten224 , also sei er befugt, untergesetzliche Rechtsvorschriften direkt anzufechten225 , auch wenn er erst mittelbar betroffen ist226 . Ebenso uneinheitlich bewertete auch die Lehre die Verfassungsmäßigkeit des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA. Ein Teil der Autoren hält die Norm für verfassungsgemäß und geht dazu von einer angeblichen subjektiven Struktur des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystems aus. Geschützt sei demnach nicht die objektive Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns sondern viel-
222 S TS 13.0ktober 1981 Ar. 3543; vgl. auch 18. Mai 1982 Ar. 3971: dort hatte einen Provinzialdeputation gegen eine untergesetzliche Rechtsvorschrift geklagt. Die 4. Kammer hatte die Klage wegen mangelnder Klagebefugnis als unzulässig abgewiesen, da Art. 28 Abs. I b) LJCA anzuwenden und die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinde (Art. 173 CE) nicht verletzt sei. Dagegen Parejo Alonso, La constituci6n, S. 584; ebenso S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 24. Februar 1981 Ar. 984; S TS 11. April 1981 Ar. 1831; S TS 15. Oktober 1982 Ar. 5776; S TS 27. September 1984 Ar. 4582; S TS 7. Februar 1985 Ar. 475; S TS 26. April 1985 Ar. 1736; S TS 25. Mai 1985 Ar. 2625; S TS 1. Juli 1985 Ar. 3941; S TS 1. Oktober 1985 Ar. 4530; S TS 4. Juni 1986 Ar. 3323; S TS 9. Oktober 1986 Ar. 5306; S TS 10. April 1987 Ar. 2306; S TS 4. Juni 1985 Ar. 3209; S TS 3. November 1987 Ar. 8767; S TS 18. April 1986 Ar. 2800; S TS 9. Juni 1986 Ar. 6758; S TS 21. Oktober 1986 Ar. 6570; S TS 15. April 1988 Ar. 3071; vgl. auch S TS 28. Januar 1992 Ar. 723; S TS 24. März 1992 Ar. 2059. 223 TS 27. Februar 1979 Ar. 1011; S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 11. April 1981 Ar. 1831; S TS 24. September 1981 Ar. 3363; S TS 13. Oktober 1981 Ar. 4144; ausdrücklich zum ersten Mal in S TS 14. Oktober 1981 Ar. 4151; S TS 14. Januar 1982; S TS 9. März 1983; S TS 7. Juli 1983 Ar. 3915; S TS 20. Februar 1984; S TS 9. Juni 1986 Ar. 6758; S TS 2. Oktober 1989 Ar. 7208; ebenso S TS 3. Juni 1991 Ar. 4894. Weitere Nachweise: Insbesondere seit S TS 18. April 1986 Ar. 2800: mit übersichtlicher Darstellung der Entwicklung; S TS 11. Juli 1986 Ar. 4068; S TS 15. Juli 1986 Ar. 4044; S TS 21. Oktober 1986 Ar. 6570; S TS 9. März 1987 Ar. 1465; S TS 20. April 1985; S TS I. Oktober 1990; S TS 30. September 1986 Ar. 4880; S TS 27. Januar 1987 Ar. 220; S TS 9. März 1987 Ar. 1465; S TS 24. April 1987 Ar. 3159; S TS 25. Mai 1987 Ar. 3475; S TS 10. November 1987 Ar. 8793; S TS 10. Oktober 1988 Ar. 9120; S TS 2. Oktober 1989 Ar. 7208; S TS 25. April 1991; S TS 30. April 1991 Ar. 3505; S TS 16. April 1994 Ar. 5301. 224 S TS 2. Oktober 1989 Ar. 7208; ebenso S TS 3. Juni 1991 Ar. 4894. 225 S TS 1. April 1986 Ar. 2626; S TS 15. Juli 1986 Ar. 4044. 226 Für den Fall von Beamten S TS 6. Oktober 1986 Ar. 7416.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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mehr die subjektive Rechtmäßigkeit, das rechtliche Umfeld des einzelnen227 . Folglich sei eine Beschränkung der Klagebefugnis auf Klagen gegen konkrete Einzelrnaßnahmen und eben nicht abstrakt gegen eine untergesetzliehe Rechtsvorschrift erlaubt228 . Hierdurch werde der Bürger nicht schutzlos, da ihm bei individueller Verletzung der Weg über Art. 39 Abs. 3 LJCA bleibe229 . Die Klage durch Vereinigungen sei somit -vergleichbar mit § 47 Abs. 2 VwGO - eine zusätzliche Möglichkeit, die der Gesetzgeber über das von der Rechtsschutzgarantie geforderte Mindestmaß hinaus gewährt habe230 . Weiterhin rechtfertige eine verfassungssystematische Überlegung die Erschwernis. So schränke die Verfassung selbst die Klagebefugnis bei Normenkontrollen vor dem Verfassungsgericht nach Art. 162 Abs. 1 a) CE ein. Diese könne der Bürger nicht selbst beantragen, sondern nur die dort genannten Verfassungsorgane. Daher dürfe auch der einfache Gesetzgeber die Klagebefugnis hinsichtlich der exekutiven Normsetzungsbefugnis beschränken 231 . Nach einer anderen Ansicht ist Art. 28 Abs. 1 b) LJCA aufgehoben 232 . Die Vorschrift erlaube nicht, vorbeugend gegen Eingriffe in den Rechtskreis zu klagen, was den Schutz des Bürgers erheblich beeinträchtige233 . Es widerspreche zudem der individualistischen Konzeption des Rechtsschutzes, daß seine Durchsetzung von der Handlung eines Verbandes oder der einer anderen Person abhängt234 . Hinzu käme, daß der Bürger nicht immer Teil dieser Ver-
227 Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar, S. 447; Cordon Moreno, La legitimaci6n en e1 proceso, S. 240. 228 Mateus-Ros, EI derecho constitucional, S. 104. Damit entspricht er der in den Motiven der LJCA III 3 Abs. 2 angesprochenen Möglichkeit, daß der einzelne sich gegen Akte wehren kann, die in Ausfiihrung der Bestimmung ergangen sind und ihn direkt betreffen. 229 Cano Mata, Ley Reguladora, S. 54. 230 Mateus-Ros, EI derecho constitucional, S. 96; Diaz Eimil/De Mateo Lage, Defensa de1 Ciudadano, S. 711; Garrido Falla, Preceptos derogados, S. 1084. 231 Vgl. Lafuente Benaches, La legitimaci6n para impugnar actos, S. 449. 232 Schon bei der Erarbeitung der Verfassung Gonzalez Perez, EI proceso administrativo, S. 370; Garcia de Enterria, Curso I, S. 247f.; Curso II, S. 592; Guaita, Art. 106 CE, S. 348; Femandez Torres, La legitimaci6n corporativa, S. 1393; Cano Mata, Reforma de la Ley, S. 148; Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 32; RodriguezArana/Sarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo corno e1emento, S. 1512. 233 Ebenso Baena de Alcazar, EI control jurisdiccional, S. 1363. 234 So Garcia de Enterria, La lucha, S. 87; dieses gilt insbesondere, wenn die Verbände ihre Pflichten nicht erfilllen, wie z. B. in dem Fall S TS 15. Februar 1971 Ar. 822, in dem sieben Klagen wegen Unzulässigkeit abgewiesen wurden, da sie nicht
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
einigung sei. Im übrigen wäre er darauf angewiesen, daß die Mehrheit der Mitglieder die Klageerhebung beschließt, was die Zahl der Verfahren und somit den Rechtsschutz vermindern würde235 . Für eine Aufhebung des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA spreche letztlich, daß dessen staatstheoretische Rechtfertigung - der Verband statt des Individuums als agierendes Organ in der Gesellschaft - heute weggefallen sei236 . dd) Die Haltung des Verfassungsgerichts Zu einer abschließenden Klärung hat nach langer Unentschlossenheit das Verfassungsgericht beigetragen237 . Es hatte zwar schon einmal 1985 238 die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, die Art. 28 Abs. 1 b) LJCA aufgrund des Art. 24 Abs. 1 CE i.V.m. der 3. Aufhebungsregelung der Verfassung als aufgehoben ansieht, widerspruchslos übernommen239 , erklärte die Bestimmungen jedoch nicht ausdrücklich fiir verfassungswidrig240 . Zum Erstaunen der Lehre ging das Verfassungsgericht dann in einer späteren Entscheidung wieder von der Verfassungsmäßigkeit des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA aus241 . Seit Anfang der neunziger Jahre spricht es sich jedoch erneut fiir die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung aus242 und sorgte 1992 fiir Klarheit. ordmmgsgemäß von den dafilr vorgesehenen Verbänden eingelegt worden waren: vgl. Besprechung von Fernandez Rodriguez, l,Desaparece el recurso?, S. 143ff. 235 Garcia de Enterria, Curso I, S. 247f.; ders., Curso 11, S. 592; Martin Rebollo, Lajusticia administrativa, S. 521f.; Pera Verdaguer, Revista de Legislaci6n, S. 415. 236 S TS 28. Januar 1981 Ar. 119; S TS 24. September 1981 Ar. 3363. 237 Zu einseitig daher Baena de AlcAzar, EI control jurisdiccional, S. 1376, der die Entwicklung ausschließlich auf Seiten des Oberster Gerichtshof sieht; richtig Gonzalez Rivas, Comentarios, S. 74; kritisch Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 1010. 238 S TC 160/1985, vgl. 28. November, FJ. 5, in: JC 13, S. 413-422 (421).: Klage gegen die Verordnung zur Erklärung zum Nationalpark von Las Dunas de Corralejo e Isla de Lobos (Fuerteventura); schon 1984 geht das Verfassungsgericht in dem Urteil 93/1984, vom 16. Oktober, FJ. 5,in: JC 10, S. 48-63 (61) am Rande auf Art. 28 Abs. 1 b)LJCA ein. 239 Vgl. Gonzalez Perez, EI derecho, S. 75; vgl. auch S TC 24/1987, vom 25. Februar 1987, FJ. 3, in JC 17, S. 224-231 (230) im Hinblick auf eine weite Auslegung des Art. 28 Abs. 1 b) LJCA. 240 Manzana Laguarda, Acerca de la legitimaci6n, S. 4707. 241 A TC 520/1987, vom 6. Mai 1987, in: JC 18, S. 917-921 (920) vgl. dazu Gon-
Zlilez Perez, EI derecho, S. 77 Fn. 34 und Gonzalez Rivas, Comentarios, S. 74.
242 S TC 32/1991, vom 14. Februar, Rep. Ar. 1991/1, S. 358-371 (360): Klage eines Vaters gegen die Sprachenregelung in Katalonien: dort wird nicht die Klagebefugnis über Art. 28 bemängelt; Vgl. GonzAlez Perez, Ley, S 162; ebenso Baena de AlcAzar, EI controljurisdiccional, S. 1366.
C. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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Art. 24 Abs. 1 CE fordert danach eine weite Auslegung i.S. eines "legitimen Interesses" nicht nur bei der Klagebefugnis gegen Einzelakte, sondern bei jeglicher Klagebefugnis. Art. 28 Abs.l b) LJCA findet daher keine Anwendung mehr, so daß auch bei Klagen gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften auf die allgemeine Regelung der Klagebefugnis in Art. 28 Abs.l a) zurückgegriffen werden muß 243 . Damit sind die Beschränkungen, die die Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften vorsah, entfallen244 .
Der Bürger kann zwar nicht unbeschränkt gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften klagen245 . Durch den Verweis auf die Regelung nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA betont das Verfassungsgericht aber gleichzeitig, daß der Bürger jedes legitime Interesse246 d.h. jede Belastung geltend machen kann. Diese Belastung wirtschaftlicher, moralischer oder rechtlicher Art muß nur plausibel dargetan werden247 . So kann die Vereinigung der Religionslehrer248
243 S TC 19511992 vorn 16. November 1992, FI. 2, in: Rep. Ar. 1992/3, S. 672-691 (688); ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof vgl. S TS 15. Apri11994 Ar. 2827 m. zahlreichen Nachweisen; dagegen Girneno Sendra, Derecho Procesal, S. 220. 244 Baena de AlC8zar, EI controljurisdiccional de los reglarnentos, S. 1353. 245 Baena de Alc8zar, EI control jurisdiccional, S. 1362. 246 So schon S TS 23. März 1988 Ar. 1702; aA jedoch die h.L. des Oberster Gerichtshof, der hier wiederum ein direktes futeresse fordert: S TS 15. November 1983 Ar. 5775; S TS 24. Dezember 1983 Ar. 6842; S TS 2. Januar 1984 Ar. 43; S TS 18. Januar 1984 Ar. 61; S TS 14. Februar 1984 Ar. 951; S TS 20. Februar 1984; S TS 27. September 1984 Ar. 4582; S TS 21. Januar 1986 Ar. 1569; S TS 18. April 1986 Ar. 2800; S TS 8. Juli 1986; S TS 30. September 1986; S TS 6. Oktober 1986 Ar. 5250; S TS 29. Dezember 1986 Ar. 7707; S TS 19. Februar 1987 Ar. 666; S TS 10. April 1987 Ar. 2306; S TS 25. Januar 1992 Ar. 662; S TS 30. April 1992 Ar. 4208. 247 S TC 8111990, vorn 4. Mai, FJ. 4, in: Rep.Ar. 1990/2, S. 261-272 (270); ebenso Alrnagro Nosete, Art. 24 CE, S. 30. Es bleibt jedoch das Problem der Wirkung der Entscheidung. Der Oberster Gerichtshof hatte bei indirekten Klagen, d.h. gegen die Ausfiihrungsalcte, nur eine Wirkung inter partes erkannt, so daß es nie eine untergesetzliche Rechtsvorschrift aufgehoben hat. Nunmehr wird gefordert, daß auch wenn die Möglichkeit der direkten Anfechtung besteht, bei der indirekten Anfechtung eine Wirkung erga ornnes ergehen muß: vgl. Baena de Alc8zar, EI control jurisdiccional, S. 1378; Garcia de Enterria, La elirninaci6n general, S. 290. 248 S TS 30. Juni 1994 Ar. 5279.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
oder die Eltemvertretung249 gegen die Verordnung klagen, die den Pflichtinhalt der Schullehrpläne regelt250 . Diese Rechtsprechung hat der Gesetzgeber aufgenommen. Im Entwurf zur Neuregelung der LJCA aus dem Jahre 1986 hebt er die bisherige Beschränkung der Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften ausdrücklich auf und stellt die Klagebefugnis gegen diese Normen der gegen Einzelakte gleich251 . Damit entspricht die Klagebefugnis gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften in Spanien nun zwar im Wortlaut weitgehend der Antragsbefugnis nach Art. 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Diese ist nach der bislang herrschenden Ansicht jedoch an der Klagebefugnis nach §§ 42 Abs. 2 VwGO orientiert252 . Demnach muß der geltendgemachte Nachteil eine Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen sein253 . Bloße Erwerbschancen wirtschaftlicher Art254 oder ein ideeller Nachteil 255 genügen nicht. Daher ist die Antragsbefugnis nach § 47 VwGO enger als die Klagebefugnis nach Art. 28 Abs. 1 a) LJCA256.
IV. Würdigung Durch die Erweiterung der Klagebefugnis auf jeden wirtschaftlichen, sozialen, moralischen und rechtlichen Bereich der Sphäre des Bürgers und insbesondere durch die Anerkennung der Klagebefugnis gegen nur mittelbar wirkende untergesetzliche Rechtsnormen hat das Verfassungsgericht gezeigt, daß 249 S TS 9. Juni 1994 Ar. 5151; S TS 24. Juni 1994 Ar. 5278. 250 Vgl. weiterhin die Klagen der Sachverständigenkammern gegen Verordnungen: S TS 17. Juni 1994 Ar. 5256; sogar die Klage einer noch im Entstehen begriffenen Vereinigung wird nunmehr zugelassen: S TS 30. Juni 1994 Ar. 5207. 251 Pera Verdaguer, Revista de Legislaci6n, S. 416; vgl. die Forderung von Cano Mata, Reforma de la Ley, S. 148; Gota Losada, Reforma de la Ley, S. 190 These Nr. 7. 252 BVerwGE 56, 172 (175); 59, 87 (99); Redeker/v. Oertzen, § 47 Rdnr. 23 m. zahlreichen Nachweisen. 253 EyermannIFröhler, § 47 Rdnr. 29; Redeker/v. Oertzen, § 47 Rdnr. 23. 254 BVerwGE 81, 139 (l45f); BVerwG B.v. 16.1.1990 - 4 NB 111990 - NVwZ 1990, S. 555; Redeker/v. Oertzen, § 47 Rdnr. 24b 255 Redeker/v. Oertzen, § 47 Rdnr. 24b. 256 A.A. jedoch Papier, Normenkontrolle, S. 524f., der sich ftlr eine wesentliche Erweiterung der Antragsbefugnis in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zur Anfechtung von Bebauungsplänen ausspricht.
c. Die Rechtsschutzgarantie und die Klagebefugnis
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es die Rechtsschutzgarantie als Gewährleistung einer objektiven Rechtskontrolle versteht. Anders als in Deutschland dient die Klagebefugnis in Spanien nicht der Begrenzung der Kläger auf diejenigen, die eine eigene Rechtsverletzung geltend machen. Sie ist vielmehr primär als reine Prozeßvoraussetzung zu verstehen, als Beschränkung der Zahl der Klagen, um die Arbeitsfahigkeit der Gerichte aufrechtzuerhalten. So erscheint sie als ein an vage subjektive Kriterien geknüpftes Ernsthaftigkeitserfordernis. Die Rechtsschutzgarantie ermöglicht, wie die Beispiele Spanien und Deutschland zeigen, theoretisch beide Systeme der gerichtlichen Kontrolle. Welches System realisiert wird, folgt demnach nicht primär aus der Rechtsschutzgarantie, sondern aus dem Verständnis des Begriffs "Legalität" als Kontrollgegenstand in der Verfassung: Für eine Verfassung wie das Grundgesetz, das sich auf die Sicherung der Rechte des Individuums konzentriert, liegt die Beschränkung des gerichtlichen Schutzes auf diesen subjektiven Bereich nahe. Gewährleistet hingegen eine Verfassung, wie die spanische, eine Vielzahl allgemeiner sozialer Interessen, verändert dies ebenso das Verständnis der gerichtlichen Kontrolle hin zu einer "sozialen" Legalitätsprüfung. Die Erweiterung der Möglichkeit zu klagen steht aber in einer Wechselbeziehung zur Intensität der gerichtlichen Kontrolle. So ermöglicht eine im Vergleich zu Deutschland oberflächlichen Prüfung der Verwaltungsmaßnahme, wie sie in Spanien vorgenommen wird257 , die Erhöhung der Zahl der Klagen. Unter den vielen Klagen leidet allerdings gleichzeitig die Qualität der Kontrolle. Rechtspolitisch ist eine solche Erweiterung aber dadurch gerechtfertigt, daß der einstweilige Rechtsschutz in Spanien unterentwickelt ist258 . Bei einem, dem deutschen entsprechenden System des einstweiligen Rechtsschutzes in Spanien würde das Verwaltungshandeln gelähmt werden. Dieser objektive Charakter der Rechtsschutzgarantie in Spanien steuert auch die Antworten auf die Fragen, was und wie intensiv die Gerichte kontrollieren. Dies ist im folgenden darzustellen.
257 Siehe S. 249fT. 258 Siehe dazu S. 301tT.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
"In keinem Fall darf der Bürger schutzlos bleiben" (Art. 24 Abs. 1 CE)
D. Die Rechtsschutzgarantie und die Ausgestaltung des Verfahrens I. Das Verbot der Schutzlosigkeit (indefension) Die Rechtsschutzgarantie wirkt sich nicht nur auf die Regelung des Zugangs des Bürgers zum Gericht aus. Sie prägt auch die Gestaltung des Verwaltungsprozesses 1 . Entscheidend hierbei ist das Merkmal "Schutzlosigkeit" (indefensi6n), das in Art. 24 Abs. 1 2. Halbsatz CE geregelt ist. Das Verbot der Schutzlosigkeit scheint aufgrund der allgemeinen Formulierung zunächst nur das im 1. Halbsatz enthaltene Rechtsschutzgebot negativ zu wiederholen. Das spanische Verfassungsgericht hat jedoch der "Schutzlosigkeit" einen eigenständigen Inhalt mit Blick auf das gebotene Verfahren gegeben, so daß sie nunmehr unbestritten ein besonderes Merkmal der Rechtsschutzgarantie ist. Allerdings hat das Gericht hierfiir den Begriff rein formell ausgelegt. Wie der Gesetzgeber das Verfahren ausgestaltet, steht grundsätzlich in seinem Ermessen2 • Führt jedoch die Ausgestaltung des Verfahrens dazu, daß der Bürger seine Ansprüche nicht mehr geltend machen kann oder daß er auf die Einwendungen des Beklagten nicht effektiv eingehen kann, ohne daß ihm dabei ein Schuldvorwurf gemacht werden kann3 , ist er schutzlos und die Rechtsschutzgarantie verletzt4 . Das gleiche gilt auch :fiir die Auslegung der Verfahrensnormen durch die Gerichtes. Das Verbot der Schutzlosigkeit gewährleistet daher eine "Waffengleichheit" der Parteien in Klage und Klage-
S TC 40/1988, vorn 10. März, Fl 2, in: JC 20, S.423-438 (436); CharnoITo Bemal, La tutelajudicial, S. 107f. 2 S TC 93/1987, vorn 3. Juni, FJ. 2, in: JC 18, S.344-351 (350); A TC 1308/1987, vorn 23. November, Fl 1, in: JC 19, S. 1292-1295 (1294). 3 S TC 68/1986, vorn 27. Mai, FJ. 3, in: JC 15, S. 185-194 (194); S TC 54/1987, vorn 13. Mai, FJ. 3, in: JC 18, S. 26-30 (30); S TC 102/1987, vorn 17. Juni, FJ. 4, in: JC 18, S. 450-461 (459); S TC 198/1987, vorn 14. Dezember, Fl 3, in: JC 19, S. 535542 (541); S TC 34/1988, vorn l. März, FJ. 4, in: JC 20, S.361-371 (370); S TC 364/1993, vorn 13. Dezember, FJ. 2, in: BJC 153 (1994), S. 60-64 (63). 4 S TC 102/1987, vorn 17. Juni, Fl 2, in: JC 18, S. 450-461 (456). Vgl. zum Begriff S TC 48/1984, vorn 4. April, FJ. 1, in: JC 8, S. 555-570 (566); Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 77f. S S TC 93/1987, vorn 3. Juni, FJ. 2, in: JC 18, S. 344-351 (350).
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
177
erwiderunt. Diese "Waffengleichheit" setzt voraus, daß der Bürger über die prozessualen Schritte der Gegenpartei informiert wird und daß er eine angemessene Möglichkeit erhält, auf diese zu erwidern7 . Geboten ist also allein ein auf gegenseitiger Anhörung beruhendes streitiges Verfahren8 . Es handelt sich, wie der EGMR erkannt hat, um eine Ausprägung des Rechtes des Bürgers aufein faires Verfahren, das schon nach Art. 6 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 10 Abs. 2 CE Gegenstand der Rechtsschutzgarantie ist9 , bzw. um das auch in Deutschland bekannte "Gebot des fairen Verfahrens", das dort jedoch nicht aus der Rechtsschutzgarantie, sondern nach herrschender Ansicht aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. mit dem Rechtstaatsprinzip folgtl0 . Im Verwaltungsprozeß wirkt sich das Verbot der Schutzlosigkeit in vier Bereichen aus: Es verbietet eine ungleiche Beweislastverteilung, eine mangelhafte Ladung, die die Teilnahme der Partei am Verfahren faktisch verhindern kann, es untersagt dem Gericht, sich über die Anträge der Parteien hinwegzusetzen und schließlich verbietet es, eine Partei durch eine einseitige Prozeßkostenpflicht erheblich zu belasten.
11. Die gebotene Gleichheit der Parteien und der Verhandlungs grundsatz Die Gleichheit der Parteien ist im Verwaltungsprozeß besonders geboten, weil sich dort der einzelne Bürger und der Staat, repräsentiert durch seine Verwaltung, gegenüberstehen. Hier liegt ein Ungleichgewicht vorwiegend darin, daß die Verwaltung materiell und personell besser ausgestattet ist, um ihre Befugnisse zu verteidigen. Das spanische Verfassungsgericht hat auch hier an seinem formellen Gleichheitsbegriff festgehalten. Es leitet aus der Rechtsschutzgarantie lediglich ab, daß im Verfahren beide Parteien rechtlich gleichwertige Möglichkeiten haben müssen, ihr Anliegen vorzubringen bzw. auf das der Gegenseite zu erwidern 11 . Besonderheiten, die sich aus einer 6
S TC 47/1987, vom 2. April, FJ. 2, in: JC 17, S. 533-543 (539). 7 S TC 64/1988, vom 12. April, FJ. 1, in: JC 20, S.761-775 (772); S TC 54/1991, vom 1l. März, FJ.3, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 577-590 (588f.). 8 S TC 245/1988, vom 19. Dezember FJ.3, in: JC 22, S. 947-953 (952). 9 EGMR, Urteil Ruiz Mateos/Spanien, vom 23. Juni 1993, ECHR Series A 262, § 61 S. 25 mit Verweis auf das Urteil Brandstetter/Österreich, vom 28. August 1991 ECHR Series A 211 § 66, S. 27. 10 BVerfGE 39, 238 (243); 41, 246 (249); 57, 250 (270); 69, 381 (385); MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 103 GG, Rdnr. 9. 11 A TC 338/1984, vom 6. Juni, FJ. 1, in: JC 9, S. 749. 12 Marlinez Soria
178
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
rechtlich und faktisch schwächeren Stellung des Bürgers zum Staat ergeben, hat es nicht berücksichtigt. Somit ist der Rechtsschutzgarantie genügt, wenn das verwaltungsgerichtliche Beweisverfahren vom Verhandlungsgrundsatz geprägt ist. Damit versteht das spanische Verfassungsgericht die Rechtsschutzgarantie anders als sie in Deutschland verstanden wird. Dort ist Grundlage das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes, das eine vollständige Kontrolle des Verwaltungshandelns in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht fordert. Zu dieser sind jedoch allein die Gerichte von Amts wegen in der Lage. Daher muß im Grundsatz der Verwaltungsprozeß durch den Untersuchungsgrundsatz geprägt sein 12 . J. Der Verhandlungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß
Diese aus den jeweiligen Verfassungen entnommenen unterschiedliche Forderungen der beiden Verfassungsgerichte spiegeln auch die Regelungen der Prozeßordnungen beider Länder wider. Während nach § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen erforschen muß, regelt die spanische LJCA das Beweisverfahren in den Art. 74 und 75 nur bruchstückhaft und verweist in Art. 74 Abs. 4 LJCA auf die im Zivilprozeß geltenden Regeln und Grundsätze des Beweisverfahrens 13 , also auf den Verhandlungsgrundsatz l4 . Doch sieht Art. 75 Abs. 1 LJCA eine Ausnahme vom Verhandlungsgrundsatz vor. Danach dürfen die Gerichte während der Beweisaufnahme von Amts 12 Kopp, VwGO, § 86, Rdnr. 1; Stelkens, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 83; BKSchenke, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr 86; Lorenz, Die verfassWlgsrechtlichen Vorgaben, S. 153; a.A. Bender, NVwZ 1982 S. 25f. (26); nach MDHS/Schrnidt-Aßmann, Art. 19 Abs.4 00, Rdnr. 219 folgt sie nicht aus Art. 19 Abs.4 sondern vielmehr aus objektivrechtstaatlichen Kontrollzwecken, die die Gerichte anläßlich der Gewährung subjektiven Rechtsschutzes wahrnehmen. Ausnahmen, wie zum Beispiel im Amtshaftungsprozeß vor den Zivilgerichten, sind möglich. 13 Dazu zählen insbesondere die Art. 254, 313, 336 Abs. 2 sowie Art. 550 bis 565 des Zivilprozeßgesetzes (Ley de Enjuiciamiento Civi/, LEC) sowie Art. 1214ff. CC: Vgl. S TS 8. Juni 1985; S TS 29. Mai 1990 Ar. 4619; S TS 13. Juni 1991 Ar. 4996; 15. November 1991 Ar. 8884; vgl. zur AnwendWlg der LEC im Verwaltungsprozeß insbesondere Bermudez Odriozola, La aplicaci6n supletoria, S. 466-493; Parejo Alfonso, Manual, S. 772; Cosculluela Montaner, Manual, S. 463f. 14 S TS 23. September 1987 Ar. 6302; 17. Mai 1989 Ar. 3783; Gimeno Sendra, Derecho Procesal, S. 440f.
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
179
wegen Beweis erheben und gemäß Abs. 2 auch danach. Dies steht jedoch im Ermessen der Gerichte 15 , das sich nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes nicht durch die Rechtsschutzgarantie oder andere Grundrechte zu einer Pflicht verdichtet l6 . Vielmehr müsse der Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung stark begrenzt werden: Art. 75 Abs. 1 LJCA meine nur den Fall, daß die Beweisanträge unverschuldet nicht gestellt werden konnten. Im übrigen dürfte kein Gericht die kraft des Verhandlungsgrundsatzes gebotenen Handlungen der Parteien ersetzen 17 . Das Verfassungsgericht hat sich zwar zu diesem Thema bis heute nicht geäußert, aber es wird wohl aufgrund seines formalen Konzepts der Gleichheit der Parteien die Regelung fiir verfassungsgemäß halten. Auch die Lehre entnimmt aus Art. 24 Abs. 1 CE allein das Recht, im gleichen Umfang Beweis erheben zu dürfen wie die Gegenpartei. Ob sich aus der Rechtsschutzgarantie ein Recht auf Amtsermittlung ergeben könnte, hat die Lehre bislang nicht erörtert l8 . Der Oberste Gerichtshof hat in vereinzelt gebliebenen Entscheidungen die fakultative Befugnis der Gerichte, nach Art. 75 Abs. 1 und 2 LJCA von Amts wegen Beweis zu erheben, in eine obligatorische umgewandelt, wenn das Gericht eine ungeklärte Tatsache fiir entscheidungsrelevant hielt 19 . Nur so sei gewährleistet, daß auch das unbewiesene Vorbringen der Parteien rechtliches Gehör erhalte und dadurch die Rechtsschutzgarantie verwirklicht werde. Diese Rechtsprechung ist jedoch bislang nicht fortgefiihrt worden2o . 2. Die Beweislastregelungen
Der Verhandlungsgrundsatz stelle zwar im Grundsatz die formelle Gleichheit der Parteien sicher; diese könnte jedoch durch Beweislastregeln gestört sein, auf die im folgenden näher eingegangen werden soll. Die subjektive 15
S TS 4. April 1990 Ar. 3587; Garcia de Entenia, Curso I, S. 468.
16 S TS 7. April 1989 Ar. 2918; S TS 20. April 1990 Ar. 2759; S TS 20. Februar 1991 Ar. 1318; S TS 13. März 1990 Ar. 1961; S TS 15. Januar 1991 Ar. 385; S TS 17. März 1992 Ar. 448 von 1983. 17 S TS 12. November 1986 Ar. 6143; vgl. S TS 20. März 1992 Ar. 3115. 18 Zur Lehre vgl. Gonzalez Perez, Manual, S. 312; zur Rechtsprechung vgl. S TS 23. Oktober 1989 Ar. 7470; S TS 29. Januar 1990 Ar. 357; S TS 30. Mai 1990 Ar. 4292 m.w.N.; S TS 13. Juni 1990 Ar. 5437. 19 S TS 16. September 1986 Ar. 4761; S TS 28. Juni 1986 Ar. 3632. 20 12*
So ausdrücklich dagegen S TS 15. Januar 1991 Ar. 385.
180
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Beweislast richtet sich im Sinne der Grundsätze der Zivilprozeßordnung nach dem materiellen Recht21 . Daher muß der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen beweisen, der Beklagte die anspruchsvernichtenden oder -hemmenden (sog. GÜDstigkeitsprinzip)22. Begehrt ein Bürger demnach die Feststellung eines Rechts, so muß er dessen tatbestandlichen Voraussetzungen beweisen23 . Gleiches gilt, wenn der Bürger die Ablehnung eines Antrags anficht; fordert hingegen die Verwaltung ein Handeln oder eine Zahlung vorn Bürger oder begehrt sie einen sonstigen Eingriff in seine Rechtsphäre, so trägt sie die Beweislast24 . Die Beweisfiihrung soll die Überzeugung (convicci6n) des Gerichts herbeifiihren 2S . Konnten die Parteien das Gericht nicht überzeugen, so muß geklärt werden, zu wessen Lasten der verbleibende Zweifel geht (objektive Beweislast). Auch hier gilt das "GÜnstigkeitsprinzip". Problematisch ist jedoch, daß der Bürger in vielen Fällen die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht beweisen kann, so daß seine Beweislast in der Praxis oft einseitig die Verwaltung begünstigt. Diese einseitige Verteilung hatte der Oberste Gerichtshof in einigen Entscheidungen weiter verschärft: Er legte die Wirksamkeitsvermutung nach Art. 57 Abs. 1 LRJPA - die nur die sofortige Vollziehbarkeit der Verwaltungsmaßnahme geWährleisten soll - als Legalitätsvermutung aus und kehrte die Beweislast in den Fällen der Anfechtung belastender Verwaltungsmaßnahmen um26 . Nun mußte der Bürger auch die Rechtswidrigkeit der belastenden Maßnahme beweisen. Diese einseitige Beweisverteilung hat sich jedoch nicht durchsetzen können, denn sie zerstört nach der herrschenden Ansicht im Obersten Gerichtshof das Gleichgewicht der Parteien und verletzt damit die Rechtsschutzgarantie27 . Die Wirksarnkeitsvermutung zwingt den Bürger nur, die belastende Verwaltungsmaßnahrne anzufechten, wenn er ihre Vollstreckung verhindern will; die Vermutung bewirkt jedoch keine Umkehr 21 S TS 12. März 1990 Ar. 2519; GonzAlez Perez, Manual, S. 311. 22
S TS 27. Januar 1989 Ar. 493.
23
Santarnaria Pastor, Veinticinco aiios de aplicaci6n, S. 135.
24 S TS 25. März 1982 Ar. 2335; S TS 14. Juni 1984 Ar. 4626; S TS 17. November 1986 Ar. 404 von 1987. 2S S TS 26. Juli 1991 Ar: 6383; S TS 12. März 1992 Ar. 2048. 26 S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; 23. Februar 1982 Ar. 558; S TS 3. März 1989 Ar.
1764; S TS 20. Oktober 1989 Ar. 6987; S TS 6. Februar 1990 Ar. 951; S TS 3. März 1989 Ar. 1764; S TS 20. Oktober 1989 Ar. 6987; S TS 6. Februar 1990 Ar. 951.
27 S TS 23. Oktober 1989 Ar. 7470; S TS 29. Januar 1990 Ar. 357; S TS 30. Mai 1990 Ar. 4290; S TS 13. Juni 1990 Ar. 5437; S TS 30. Mai 4292; ebenso S TSJ CatalOOa, 8. November 1991, in: La Llei 1992-1, 130; GonzAlez Perez, Manual, S. 312.
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
181
der Beweislast28 . Ist erst einmal gerichtlich angefochten, lassen sich aus der Wirksamkeitsvermutung keine Folgerungen rur das Beweisverfahren ziehen, rur das allein die allgemeinen Regelungen gelten. Die allgemeinen Regelungen hat der Oberste Gerichtshof in einigen Ausnahmefällen zugunsten des Bürgers aufgeweicht: Es müsse aus dem Gutglaubensgrundsatz geschlossen werden, daß Einfachheitsgründe die Beweislast umkehren können. D.h. in den Fällen, in denen eine Partei den Beweis eher und leichter erbringen könne, sei sie beweispflichtig29 . Könne beispielsweise die Behörde eine Zahlung des Bürgers besser beweisen als er, trägt sie die Beweislast30 . Eine Beweislastumkehr zugunsten des Bürgers ist jedoch nur auf krasse Ausnahmefälle beschränkt worden. In der Regel gelten daher die allgemeinen Beweislastregeln31 . Dieser rechtlichen Gleichheit entspricht die Praxis oft nicht. Aufgrund des formellen Verständnisses des Gleichheitsgebots läßt sich aus der Rechtsschutzgarantie aber auch keine Forderung nach Einfiihrung eines Untersuchungsgrundsatzes entnehmen. Und auch aus den Grundrechten ist keine Pflicht der Gerichte entwickelt worden, die Grundrechte durch eine Beweiserhebung von Amts wegen zu schützen. Das entspricht auch der Regelung des besonderen Verfahrens zum Schutz der Grundrechte, das ebenso vom Verhandlungsgrundsatz ausgeht32 .
III. Die ordnungsmäßige Ladung Der Bürger ist auch dann schutzlos, wenn er im Verwaltungsprozeß nicht angehört worden ist33 . Damit sichert das Verbot der Schutzlosigkeit auch ein S TS 30. Mai 1990 Ar. 4290. 29 S TS 19. Mai 1987 Ar. 5818; S TS 27. Januar 1989 Ar. 493; S TS 20. März 1989 Ar. 2240; S TS 17. Juni 1989 Ar. 4731; S TS 23. Oktober 1989 Ar. 6990; S TS 29. Januar 1990 Ar. 357; S TS 5. Februar 1990 Ar. 942; S TS 19. Februar 1990 Ar. 1322.S TS 24. Januar 1989 Ar. 475; S TS 1. Februar 1989 Ar. 792. Vgl. S TS 27. Januar 1989 Ar. 493. 30 S TS 29, Mai 1990 Archivo LA LEY 1990, 3 -1',1501. 28
31
S TS 3. März 1989 Ar. 1764; 20. Oktober 1989 Ar. 6987; 6. Februar 1990 Ar.
32
Siehe S. 359.
951.
S TC 143/1990, vom 26. September, Einziger FJ, in: Rep. Ar. 1990/3, S. 275282 (281); S TC 264/1994, vom 3. Oktober, in: Rep. Ar. 1994/3, S. 63-70 (70)S TS 18. April 1994 Ar. 3095. 33
182
2. Teil: Das vetWaltungsgerichtliche Verfahren
"Recht auf rechtliches Gehör" und erfüllt damit Aufgaben, die in Deutschland Art. 103 Abs. 1 GG innehat34 . Dieses Anhörungsrecht hat insbesondere bei der Ladung eine entscheidende Rolle gespielt, da eine mangelhafte Ladung den betroffenen Bürger praktisch vom Verfahren ausschließt. Die ordnungsgemäße Ladung ist ein notwendiges Element zur Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie35 . Schwierigkeiten mit der Ladung hat die Praxis insbesondere bei der Ladung von Beigeladenen. Deren ordnungsgemäße Ladung stand in Spanien gleich im Mittelpunkt der Lehre und Rechtsprechung zur Rechtsschutzgarantie. Dieses Interesse beruhte auf Art. 30 LJCA, der die Beiladung eines Dritten sowohl auf der Kläger- wie auch auf der Beklagtenseite ermöglicht36 , soweit der Dritte ein direktes Interesse an der Aufhebung bzw. Aufrechterhaltung der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme hat37 . Die Ladung geschah in der Praxis regelmäßig nach Art. 64 LJCA a.F. durch Veröffentlichung im Amtsblatt des Staates oder der Provinz. Dies führte häufig zu folgenden Konstellationen: Ein Bauherr erhält eine Baugenehmigung. Dagegen erhebt sein Nachbar Widerspruch, der jedoch nach Einbeziehung des Bauherrn in das Verfahren abgewiesen wird. Daraufhin erhebt der Nachbar Klage und das Gericht lädt alle Interessierten gemäß Art. 64 LJCA durch Veröffentlichung im Provinzblatt bei. Der Bauherr liest das Amtsblatt nicht, und das Verfahren findet wirksam
34
Vgl. dazu MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 103 Abs. 1 00, Rdnr. 66ff.
S TC 4/1984, FJ. 2, in: JC 8, S. 31-43 (40); S TC 15711987, vom 15. Oktober, FJ. 2, in: JC 19, S. 114-123 (122); S TC 1611989, vom 30. Januar, FJ. 2, in: JC 23, S. 161-168 (166); S TC 11011989, vom 12. Juni, FJ. 2, in: JC 24, S. 416-422 (421); S TC 411984 vom 23. Januar, FJ. 2, in: JC 8, S. 31-43 (40); S TC 3911987, vom 3. April, FJ. 2, in: JC 17, S. 467-473 (471); S TC 22811988, vom 30.November, FJ. 3, in: JC 22, S. 796-804 (801). 35
36 Jedoch ist die Beiladung auf der Klägerseite nur zulässig, soweit die Verwaltung selbst Klägerin ist; diese Unterscheidung widerspricht auch nicht der Rechtsschutzgarantie: A TC 46111983, vom 28. September; A TC 57611983, vom 23. November; A TC 17011988 vom 1. Februar.
37 Zur Pflicht, den Beigeladenen zu laden: Vgl. S TC 9711991, vom 9. Mai, Fl 4, in: Rep. Ar. 199112, S. 279-290 (288f.).
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
183
ohne ihn statt38 . Diesen faktischen Ausschluß der Beigeladenen hat die Lehre als Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie scharfkritisiert39 . Das Verfassungsgericht ist dieser Kritik in zahlreichen Verfassungsbeschwerdeverfahren gefolgt und hat dabei Grundsätze fiir die nach der Rechtsschutzgarantie gebotenen Ladung entwickelt40 . Die Ladung aller Beteiligten muß demnach ordnungsgemäß erfolgen41 . Ordnungsgemäß ist grundsätzlich nur die persönliche und direkte Ladung, nicht hingegen die Ladung durch öffentliche Bekanntgabe42 . Die Rechtsschutzgarantie verlangt eine effektive Ladung durch einen wirklichen Kommunikationsakt gegenüber dem Interessierten43 . Nicht jede verfahrensfehlerhafte Ladung verletzt jedoch Art. 24 Abs. 1 CE. Wenn ihr Ziel, die Inkenntnissetzung der Beteiligten, anders erreicht wird, bleibt der Fehler unbeachtlich44 . Erfährt daher der Betroffene trotz fehlerhafter Ladung von der Klage, muß er sich unmittelbar beim Gericht melden, um Verzögerungen des Prozesses zu vermeiden45 . Meldet er sich 38
S.60f.
So z.B. in S TS 24. Mai 1985 Ar. 4772; Chamorro Bemal, La tutela judicial,
39 Prieto de Pedro, Los requisitos, S. 1453ff.; Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 109f; Romero Coloma, EI articulo 24, S.33; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 10 17f mit vielen Fallbeispielen. 40 S TC 9/1981, vom 31. März, FJ. 6, in: JC I, S. 145-159 (159), der die Notwendigkeit einer Gesetzesänderung andeutet; in S TC 63/1982, vom 20. Oktober FJ. 3, in: JC 4, S. 294-304 (303) legt das Verfassungsgericht die Nonn verfassungsgemäß insoweit aus, daß diese Bestimmung nur in den Ausnahmefällen greifen soll, in denen die Beizuladenden persönlich oder ihre Adresse nicht bekannt sind, im Regelfall soll auf die Ladungsregelung aus der Zivilprozeßordnung (LEC) zurückgegriffen werden; ebenso S TC 56/1985, vom 29. April, FI. 2, in: JC 11, S. 616-627 (625); nunmehr eindeutig S TC 227/1994, vom 18. Juli, FJ. 3, BJC 160-161 (1994), S. 155-160 (158f.). Kritisch zur Zurückhaltung des Gerichts bei der Erklärung der Verfassungswidrigkeit Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 115; Prieto de Pedro, Los requisitos, S. 1453ff; 41 S TC 233/1988, vom 2. Dezember, FI. 4, in: JC 22, S. 844-856 (854f.) filr alle Verfahrensfonnen. 42 S TC 151/1988, vom 15. Juli 1988, FJ.2, in: JC 21, S.630-636 (634); S TC 9/1981, vom 30. März 1981, FJ. 6, in: JC 1, S. 145-159 (159). 43 S TC 195/1990, vom 29. November, FI. 3, Rep. Ar. 1990/4, S. 559-569 (565); 143/1990, vom 26. September, Einziger FI., in: Rep. Ar. 1990/3, S. 275-282 (281). Vgl. insbesondere S TC 251/1988, vom 20. Dezember, FJ. 2, in: Je 22, S. 1005-1011 (1009).
44 Vgl. S TC 74/1984, vom 27. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S.250-257 (256); S TC 155/1989, vom 5. Oktober, FI.3, in: JC 25, S. 151-158 (157). 45 S TC 8/1991, vom 17. Januar, FI. 3, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 81-92 (90f.); S TC 48/1990, vom 20. März, FI. 3 b), Rep. Ar. 1990/1, S. 587-594 (594); S TC 163/1988,
184
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
nicht, kann er im nachhinein keine Verletzung der Rechtsschutzgarantie geltend machen, da letztlich er selbst die Verzögerung oder Verhinderung des Rechtsschutzes verschuldet hat46 . Ein solches Verschulden der Partei bei der Ladung ist aber nur in engen Grenzen anzunehmen47 . Ein Verstoß gegen das Gebot zur Ladung der Partei bzw. des Beigeladenen führt zur Aufhebung des Urteils 48 . Diesen Verstoß kann jedoch allein der Nicht-Geladene geltend machen49 . Mit dieser Rechtsprechung hat das spanische Verfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, die Ladungsvorschriften in der LJCA neu zu forrnulieren 50 , und der Gesetzgeber hat Art. 64 LJCA neu gefaßt51 . Nach Abs. 1 müssen nunmehr alle in den Widerspruchsakten der Verwaltung genannten Interessierten persönlich geladen werden. Nur ausnahmsweise 52 dürfen diejenigen, die nicht persönlich geladen werden können, nach Art. 64 Abs. 3 i.Vm. Art. 60 weiterhin durch Aufruf im Anzeiger geladen werden 53, also, wenn der
vom 26. September, Fl. 2, in: JC 22, S. 67-73 (71f.); insbesondere zum Verwaltungsgerichtsverfahren Art. 64 LJCA: S TC 58/1990, vom 29. März, FFJJ. 2 und 3., Rep. Ar. 1990/1, S.808-816 (814/816); S TC 155/1989, vom 5. Oktober, FJ. 3, in: JC 25, S. 151-158 (157). 46 S TC 208/1990, vom 17. Dezember, FJ. 1, in: Rep. Ar. 1990/4, S.694-699 (698); S TC 129/1988, vom 28. Juni 1988, Fl. 4, in: JC 21, S. 432-439 (438); S TC 324/1994, vom 1. Dezember, FJ. 5 b), in: REDC 43 (1995), S. 275f. 47 S TC 233/1988, vom 2. Dezember, FJ. 4, in: JC 22, S. 844-856 (854f). 48 S TC 97/1991, vom 9. Mai, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 279-290 (288f.); jedoch kann der Schutz des Ladungsgebots nicht zu einem ungerechtfertigten Opfer der anderen Partei fUhren, die auf die Rechtssicherheit der rechtskräftig verurteilten vertraute: S TC 150/1986, vom 27. November 1986, FJ. 2, in: JC 16, S.402-408 (406); S TC 151/1988, vom 15. Juli 1988, FJ.2, in: JC 21, S. 630-636 (634); S TC 163/1988, vom 26. September, FJ. 2, in: JC 22, S. 67-73 (71f). 49
Vgl. S TC 101/1989, vom 5. Juni, FJ. 5, in: JC 24, S. 296-316 (314f).
S TC 9/1981, vom 31. März, FJ. 6, in: JC 1, S. 145-159 (159); S TC 63/1982, vom 20. Oktober FJ. 3 , in: JC 4, S. 294-304 (303); S TC 108/1985, vom 8. Oktober, Fl. 3, in: JC 13, S. 81-99 (93). 50
51 Die Neufassung erfolgte durch das Gesetz 10/1992, vom 30. April 1992, de Medidas Urgentes de Reforma Procesal. (BOE Nr. 108, vom 5. Mai 1992). 52 S TC 48/1986, vom 23. April, FJ. 1, in: JC 14, S.493-499 (497); Chamorro Bemal, La tute1a judicial efectiva, S. 63
53 S TC 233/1988, vom 2. Dezember, Fl. 2, in: JC 22, S. 844-856 (852); S TS 27. Januar 1994 Ar. 154; Gonzalez Perez, Art. 64, LJCA, S. 312.
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
185
Aufenthaltsort der Person nicht ermittelbar ist54 oder wenn der Betroffene eine falsche oder ungenaue Adresse angegeben hat55 .
IV. Die Bindung der Gerichte an die Anträge Aus dem Recht des einzelnen, sich vor Gericht zu den Tatsachen und zu den rechtlichen Aspekten äußern zu können, folgt nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts auch die Notwendigkeit, daß zwischen dem durch die Anträge bestimmten Gegenstand der Verhandlung und dem Urteil und seiner Begründung eine Kongruenz besteht. Dieses Kongruenzerfordemis kann in zwei Fällen verletzt sein. Es kann Inkongruenz vorliegen, wenn die Gerichte auf die Klage des Bürgers nicht reagieren56 . Häufiger ist jedoch, daß die Gerichte dem Kläger mehr (ultra petita) oder etwas anderes (extra petita) zusprechen. Dann verletzt das Gericht nicht nur Art. 43 Abs. 1 LJCA, wonach das Gericht im Rahmen dessen entscheidet, was von den Parteien zur Klagebegründung bzw. -abweisung vorgetragen worden ist. Es verstößt auch gegen das Verbot der Schutzlosigkeit (indefensi6n), da die Parteien nicht mehr zu den Abweichungen Stellung nehmen können 57 . Es genügt aber, daß das Gericht die Parteien vor der Urteilsverkündung über eine Abweichung vom Klageziel informiert58 . Die Kongruenz muß sich jedoch nur auf das beantragte Klageziel erstrekken, nicht hingegen zwingend auf die Klagegründe und die Gedankenfiihrung 54 S TC 911991, vom 17. Januar, Fl 2, in: Rep 199111, S. 93-100 (98f.); S TC 22711994, vom 18. Juli, FJ. 3, BJC 160-161 (1994), S. 155-160 (158f). 55 Das entspricht der Pflicht der Parteien zu sorgfältigen Handlungen; vgl. u.a. S TC 48/1990, vom 20. März, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199011, S. 587-595 (592). 56 S TC 36811993, vom 13. Dezember 1993, Einziger FJ, in: Rep. 1993/3, S. 964970 (969): Hier hatten zwei nationale und ein regionaler Träger der Sozialversicherung Klage erhoben gegen die Anerkennung einer Behindertenrente durch ein Urteil des Arbeitsgerichts in Cadiz. Das zuständige Gericht in Madrid untersuchte ausschließlich die Klage der autonomen Körperschaft, ohne über die anderen Klagen zu entscheiden. Das Verfassungsgericht hob das Urteil wegen Verletzung der Rechtsschutzgarantie auf S TC 5/1990, vom 18. Januar, in: Rep. Ar. 199011, S. 53-63; S TC 53/1991, vom 11. März, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 570-576. 57 S TC 91/1989, vom 16. Mai, FJ. 2, in: JC 24, S.I77-184 (181f); S TC 152/1990, vom 4. Oktober, Fl 3, in: JC 28, S. 181, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 104-114 (111); S TC 369/1993, vom 13. Dezember, FJ. 4, in: BJC 153 (1994), S. 84-86 (86); S TC 378/1993, vom 20. Dezember, FJ. 2, BJC 153 (1994), S. 133-136 (136); S TC 4/1994, vom 17. Januar, Fl 4, BJC 154 (1994), S. 47-52 (51). 58 A TC 17/1986, vom 15. Januar, Fl 2, in: JC 14, S. 579-582 (581).
186
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
der Klageschrift 59 . Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hat der Oberste Gerichtshof daher eine "dialektische Freiheit bei der Begründung der Entscheidung sowie der Bewertung der vorgebrachten Tatsachen"60 . Jedoch müssen die tragenden Gründe im Laufe des gerichtlichen Verfahrens erörtert worden sein61 . Unwesentliche Abweichungen verletzen nicht das Kongruenzgebot62 . Das ist der Fall, wenn die Höhe des Ersatzanspruch über oder unter des beantragten Betrages liegt63 . Aus dem Kongruenzgebot folgt schließlich das Verbot, zulasten des Klägers von seinem Antrag abzuweichen, das sogenannte Verbot der reformatio in peius. Da das Kongruenzgebot Teil des Art. 24 Abs. 1 CE ist, hat das Verbot der reformatio in peius nunmehr auch Verfassungsrang erhalten64 .
59 A TC 18511985, vom 13. März, FJ. 1 und 2, in: JC 11, S. 1442-1448 (1446f.); S TC 16811987, vom 29. Oktober, FJ. 3, in: JC 19, S. 256-265 (264); Gonzalez Salinas, La motivaci6n, S. 281.
60 S TS 14. Juni 1977 Ar. 2902 und 2903; S TS 26. Oktober 1980; S TS 26. März 1981 Ar. 1426; S TS 27. Dezember 1983 Ar. 6837. 61 S TC 24/1990, vom 15. Februar, FJ. 4, in: Rep. Ar. 199011, S. 265-299 (285); S TS 31. März 1980 Ar. 2712; 20. Juni 1980 Ar. 3327; 26. November 1980 Ar. 4808.17. Juni 1985 Ar. 4131, S. 3478 (3480). 62 S TC 15/1984, vom 6. Februar, FJ. 4, in: JC 8, S. 142-152 (151). 63 S TC 17611987, vom 10. November, FJ. 4, in: JC 19, S. 321-328 (327). 64 Ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts S TC 611987, vom 28. Janu-
ar, FJ. 3, in: JC 17, S.68-73 (73); S TC 3111987, vom 12. März, FJ. 2, in: JC 17, S. 349-354 (353); S TC 20611987, vom 21. Dezember, FJ. 3, in: JC 19, S.651-660 (656); S TC 84/1985, vom 8. Juli, FJ. 2, in: JC 12, S. 316-322 (319); vgl. weiterhin S TC 20/1982, vom 5. Mai, FJ. 2, in: JC 3, S. 257-268 (266); S TC 54/1985, vom 18. April, FJ. 7, in: JC 11, S. 594-603 (602); S TC 86/1986, vom 25. Juni, FJ. 3, in: JC 15, S. 352-359 (357); S TC 11511986, vom 6. Oktober, FJ. 3, in: JC 16, S.63-68 (68); S TC 6/1987, vom 28. Januar, FJ. 3, in: JC 17, S. 68-73 (73); S TC 206/1987, vom 21. Dezember, FJ. 3, in: JC 19, S. 651-660 (656); S TC 143/1988, vom 12. Juli, FJ. 2, in: JC 21, S. 559-564 (563); Vgl. S TS 28. Januar 1991 Ar. 662; S TS 12. Februar 1991 Ar. 946; Gonzalez Perez, Manual, S. 353; Parada Väzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 663.
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
187
V. Der praktische Ausschluß des Bürgers vom Verfahren durch die Prozeßkosten Ein weiterer Umstand, der in der Praxis zur Schutzlosigkeit des Bürgers fiibren kann, ist die durch den Prozeß entstehende Kostenpflicht65 . Bei den Kosten66 , die dem Bürger durch einen Verwaltungsprozeß entstehen, müssen zunächst begrifflich die Gerichtskosten und die sonstigen Aufwendungen der Beteiligten auseinandergehalten werden. Das spanische Recht regelt die Gerichtskosten (tasas judiciales), die Gerichtsgebühren (impuesto de timbre) und die sonstigen Aufwendungen (costas procesales) in den Art. 130 ff. LJCA. Der Begriff "Gerichtskosten" wird in Spanien eng verstanden. Darunter fallen die Kosten und Teile der Auslagen im Sinne der deutschen Kostenregelung. Die Zeugen- und Sachverständigenentschädigungen und die sonstigen Aufwendungen, die durch die beantragten Beweisaufnahmen entstehen, zählen nach spanischem Verständnis zu den "sonstigen Aufwendungen". Sie erfassen auch die außergerichtlichen Kosten der Parteien nach deutschem Recht (Anwalts- und Parteikosten)67 .
1. Die Beschränkung der Prozeßkosten im spanischen Recht Der spanische Verfassunggeber hat den Einfluß der Kosten auf den Rechtsschutz erkannt und in Art. 119 CE bestimmt, daß "die Gerichtsbarkeit kostenlos ist, soweit dieses gesetzlich vorgesehen ist und, in jedem Fall, hinsichtlich derjenigen, die ein Zahlungsunvermögen fiir die Streitigkeit nachweisen können". Diese Vorschrift konkretisiert nach Ansicht des spanischen Verfassungsgerichts die Rechtsschutzgarantie68 . Das Gericht sieht daher das Recht auf effektiven Rechtsschutz verletzt, wenn eine Person keinen Rechtsschutz 65 S TC 147/1989, vom 21. September, FJ. 6, in JC 25, S.38-62 (61); S TC 8411991, vom 22. April, FFJJ 1 bis 3, in: Rep Ar. 199112, S. 178-185 (182-184); S TC 146/1991, vom 1. Juli, FJ. 3, in: Rep. Ar. 199113, S. 56-62 (61f.); Romero Coloma, EI articulo 24 de la Constituci6n Espafiola, S.23. In Deutschland vgl. SchmidtBleibtreuIKlein, Art. 19, Rdnr. 16fT. 66 Vgl. dazu im deutschen Recht Kopp, § 162 Rdnr. 1; Redeker/v. Oertzen, § 154 Rdnr. 1 fT. 67 Gonzalez Perez, Art. 130, Rdnr. 1 68 S TC 138/1988, vom 8. Juli, in: JC 21, S. 497-503; Gonzalez Perez, Manual, S.419.
188
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
erhält, weil sie das Geld hierfiir nicht aufbringen kann69 . Art. 24 Abs. 1 CE verlangt jedoch ebensowenig wie Art. 119 CE eine kostenlose Gerichtsbarkeit. Der Gesetzgeber muß aber gewährleisten, daß der Rechtsschutz eines Bürgers nicht an den Kosten dafür scheitert. Und auch die Gerichte sind gehalten, die gesetzlichen Kostenregeln so anzuwenden, daß sie den Rechtsschutz des Bürgers nicht wesentlich erschweren70 . Angesichts des Art. 119 CE hat der Gesetzgeber durch Art. 3 des Gesetzesverordnung 111986, vom 14. März 1986 die Verwaltungsgebühren und durch das Gesetz 25/1986, vom 24. Dezember die Gerichtskosten abgeschaffi:71 . Diese Gerichtskostenfreiheit geht über die Forderungen der Rechtsschutzgarantie hinaus. Somit entstehen dem Bürger 'heute nur noch Kosten, die durch die "Gerichtshelfer" verursacht werden, so z.B. durch Sachverständige. Daneben müssen die Parteien die Kosten ihrer Verteidigung tragen, z.B. die Anwaltskosten.
2. Grundsatz der Kostenregelung Die Festlegung des Kostenschuldners kann theoretisch nach zwei gegensätzlichen Systemen erfolgen: Nach dem objektiven zahlt die unterlegene Partei, das subjektive hingegen erlaubt es dem Gericht, die Kosten demjenigen aufzuerlegen, der böswillig oder leichtfertig gehandelt hat. Das spanische Recht nutzt beide Systeme: Im ordentlichen Verwaltungsprozeß das subjektive System, im besonderen Grundrechtsschutzverfahren (Art. 10 Abs.3 LPDF) und bei der Kassation (Art. 1715 LEC und Art. 1809 LEC) das objektive. Im Grundsatz trägt jede Partei gemäß Art. 131 Abs. 2 LJCA ihre eigenen Kosten voll und die gemeinsamen Kosten je zur Hälfte72 , unabhängig davon, ob die Partei unterlegen ist. Die Beweiskosten trägt derjenige, der den Beweis
69
80 zuletzt 8 TC 138/1988, vom 8. Juli, in: JC 21,8.497-503.
8 TC 134/1990, vom 19. Juli, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/3, 8.159-170 (169); BVerfGE 7,53 (55f.); 9,256 (257); 10,264 (268f); 11, 139 (143); 50,217 (231); 54, 39 (41). 70
71 Romero Coloma, EI articulo 24 de la Constituci6n Espaftola, 8. 23 weist darauf hin, daß auch die Möglichkeit bestanden hätte, Bedürftige von der Kostenpflicht zu befreien; Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, 8. 77. 72
8 T8 1. Februar 1988 Ar. 670; Gonz81ez Perez, Art. 131, Rdnr. 1
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
189
beantragt hat73 . Eine Kostengrundentscheidung im Urteil ist demnach nicht nötig74 . Eine Kostenentscheidung (Condena en costas), wonach eine Partei der anderen die entstandenen Kosten voll zu ersetzen hat, ist jedoch nach Art. 131 Abs. 1 LJCA möglich. Art. 131 Abs. 1 LJCA erlaubt dem Gericht, alle Kosten der unterlegenen Partei75 zu übertragen, wenn die Einlegung der Klage oder des Rechtsmittels böswillig (mala Je) oder leichtfertig (temeridad) war76 . Durch die Übertragung verletzt das Gericht nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts nicht die Rechtsschutzgarantie77 . Jeder Bürger müsse sich, so das Verfassungsgericht, bei Prozeßbeginn darüber im Klaren sein, daß er das Risiko der Kostentragungspflicht eingeht18 . Diese Möglichkeit der Kostenentscheidung stammt aus dem Zivilprozeßrecht und findet sich schon in der Venvaltungsgerichtsordnung von 1888. Eine Partei handelt leichtfertig, wenn sie sich eines Anspruchs berühmt, obwohl sie weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, daß er nicht besteht79 . Die Leichtfertigkeit wird ex post festgestellt und dient als Sanktion für die mißbräuchliche Inanspruchnahme der Gerichte80 . Beispielsweise hatte die Stadtvenvaltung von Le6n in einem Fall sowohl in erster Instanz als auch in der Berufung rechtlich haltlose Begründungen für ihren Anspruch gewählt, obwohl sie darauf auch von der eigenen Rechtsabteilung hingewiesen worden warS l . Zwar ist die Kostenfestsetzung zum Schutze vor Mißbrauch in diesem und vergleichbaren Fällen82 nachvollziehbar. Es muß aber bedacht werden, daß im Verhältnis Bürger-Staat fast ausschließlich der Bürger die Klagen erhebt und Ansprüche behauptet, so daß er allein kostenpflichtig werden 73
S TS 1. Februar 1988 Ar. 670.
74
S TS 9. März 1983 Ar. 4275.
75 Es muß sich dabei um die Hauptbeteiligten handeln: S TS 9. März 1990 Ar. 1785; 26. März 1990 Ar. 1788 und 18. April 1991 Ar. 3059. 76 Diese Entscheidung kann nicht Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein: S TC 2411989, vom 2. Februar, Fl 1, in: JC 23, S. 236-249 (242f.). 77 S TC 8411991, vom 22. April, FJ. 3, in: Rep 1991/2, S. 178-185 (183) und S TC 14611991, vom 1. Juli, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 56-62 (61f.). 78
Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 78.
79
S TS 15. April 1975 Ar. 2437.
80
S TC 13411990, vom 19. Juli, FJ. 6, in: Rep. Ar. 1990/3, S. 159-170 (170).
81
S TS 14. März 1988 Ar. 2167.
82
Vgl. auch S TS 25. April 1990 Ar. 2914.
190
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
kann 83 . Zudem hat die Rechtsprechung den Begriff der Leichtfertigkeit sehr weit gefaßt: Sie bejaht ihn, wenn die KlagebegTÜndung gegen ständige Rechtsprechung verstößt 84 . Diese Auslegung ist jedoch mit Blick auf Art. 24 Abs. 1 CE abgelehnt worden, da sie einen Absolutheitsanspruch an die bestehende Rechtsprechung stelle. Darüber hinaus übersehe sie, daß im konkreten Fall der Sachverhalt eine andere Interpretation erfordern kann 85 . Der Oberste Gerichtshof hat die wenigen Fälle, in denen der Verwaltung die Kosten übertragen werden könnten, noch eingeschränkt: Dieser zivil prozessuale Grundsatz sei nicht ohne weiteres auf den Verwaltungsprozeß übertragbar. Man dürfe das Handeln des Vertreters der Verwaltung nicht als böswillig bezeichnen, da der Beamte durch Gesetz zur Verteidigung der Legalität verpflichtet sei. Auch ein leichtfertiges Handeln könne ihm nicht ohne weiteres unterstellt werden86 . Die Verwaltung handele auch dann nicht leichtfertig, wenn sie den Bürger falsch über Rechtsmittel belehre und sich in dem späteren Prozeß auf die Unzulässigkeit des Verfahrens berufe87 . Somit ist eine Übernahme der Kosten des Bürgers durch die Verwaltung praktisch kaum denkbar8 8 . Dies verstärkt das latente Ungleichgewicht der Parteien im Verwaltungsprozeß und damit die Schutzlosigkeit des Bürgers noch. Das Verfassungsgericht hält zwar beide Systeme rur verfassungsmäßig, so daß die Kostenregelung allein dem Gesetzgeber überlassen bleibt89 . Das objektive System sei jedoch "das fortschrittlichere und gerechtere"90, denn wegen der Schwierigkeit, das vorsätzliche bzw. leichtfertige Handeln festzustellen, sei die Gefahr einer Ungleichbehandlung groß. Ein objektives System
83 So kritisch S TC 134/1990, vom 19. Juli, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/3, S. 159-170
(168).
84 85 86 87 88 89
GonzAlez Perez, Manual, S. 415. So auch mittlerweile S TS 19. Dezember 1989 Ar. 9412. S TS 13. Juni 1988 Ar. 4618 mit Verweis aufS TS 15. Januar 1979 S TS 18. April 1991 Ar. 3059; ebenso S TS 26. März 1990 Ar. 1788. Zu den wenigen Ausnahmen vgl. A TS vom 3. Januar 1989 Ar. 382.
S TC 131/1986, vom 29. Oktober 1986, FI. 3, in: JC 16, S. 189-196 (194f); S TC 147/1989, vom 21. September, FJ. 6, in: JC 25, S. 38-62 (61); S TC 134/1990, vom 19. Juli, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/3, S. 159-170 (168); S TC 1l0/1991, vom 20. Mai, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 383-392 (389); GonzaIez Rivas, Juan Jose, Reflexiones, S. 263.
90 S TC 147/1989, vom 21. September, FI. 6, in: JC 25, S. 38-62 (61).
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
191
ermöglicht, daß ein bedürftiger Rechtsschutzsuchender keine Kosten tragen muß 91 .
3. Befreiung von der Kostentragungspj1icht Die Gerichtsbarkeit ist nach Art. 119 CE bzw. Art. 24 Abs. 1 CE kostenlos rur alle, die nachweisen können, daß sie die Kosten der Prozeßruhrung nicht aufbringen können92 . Diese Forderung ergibt sich aus der Auslegung der Norm im Lichte des Art. 6 Abs. 3 c) EMRK und der dazugehörigen weiten Rechtsprechung des EGMR93 . Demgemäß bestimmt Art. 20 Abs. 2 LOPJ, daß der Gesetzgeber ein System der kostenlosen Gerichtsbarkeit einrichten wird, das den Anforderungen sowohl des Art. 24 Abs. 1 CE wie auch des Art. 119 CE entspricht. Die betreffenden Regelungen hierfiir finden sich in den Art. 130 bis 132 LJCA. Die Befreiung erfolgt nicht wie in Deutschland durch das Gericht, das über die Hauptsache entscheidet, sondern vielmehr durch ein gesondertes Verfahren vor einem anderen Gericht94 . Für einfache Fälle gibt es ein einfacheres Verfahren nach Art. 132 Abs. 2 LJCA. Die Befreiung richtet sich aufgrund des Art. 132 Abs. 2 LJCA nach Regelungen des Zivilprozeßrechtes (Art. 13 bis 60 LEC). Danach ist jede Person berechtigt, von den Prozeßkosten befreit zu werden, die weniger als das doppelte des gesetzlich festgelegten Mindestlohnes verdient (Art. 14 LEC)95 . Bei besonderen familiären, beruflichen und wirtschaftlichen Belastungen kann das Gericht den Antragsteller auch dann von den Prozeßkosten befreien, wenn er diese Einkommensgrenze überschreitet (Art. 15 LEC).
91 S TC 147/1989, vom 21. September, FJ. 6, in: JC 25, S.38-62 (61); S TC 110/1991, vom 20. Mai, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 383-392 (389); ebenso S TC 131/1986, vom 29. Oktober 1986, FI. 3, in: JC 16, S. 189-196 (195).
Almagro Nosete/ Torne Paule, Instituciones, S. 586. 93 S TC 37/1988, vom 3. März, FI. 6, in: JC 20, S. 385-402 (396f.); S TC 106/1988, vom 8. Juni 1988, in: JC 21, S. 216-222. Zur Rechtsprechung des EGMR: Urteil PakellilBundesrepublik Deutschland, vom 25. April 1983 ECHR Series A 64; Urteil Articolltalien, vom 13. Mai 1980 ECHR Series A 37. 94 Grundlage sind die Art. 13 bis 50 der Ley de Enjuciciamiento Civil; Gonzalez Perez, Manual, S: 420. 95 Zur Zeit beträgt der Mindestlohn ungefähr 125.000 Peseten: Vgl. EL PAIS vom 14. Mai 1995, S. 30. 92
192
2. Teil: Das velWaltungsgerichtliche Verfahren
Problematisch bleiben jedoch die Fälle, in denen jemand, wie die Unternehmerfamilie Ruiz-Mateos im Fall RUMASA, S.A.96 , aus wirtschaftlichen Gründen nicht unter die Befreiung fallt, ihm dennoch so hohe Kosten drohen, daß er nicht mehr prozessieren kann97 . Das Verfassungsgericht weigert sich aber in ständiger Rechtsprechung, die Befreiung von den Prozeßkosten anhand der Rechtsschutzgarantie zu überprüfen, da es sich nach seiner Auffassung um einfachgesetzliche Fragen handelt98 . Da die Gerichtskosten im engeren Sinne entfallen sind, liegt der Schwerpunkt der Kostenpflichtbefreiung bei den Anwaltskosten. Die Befreiung von den Anwaltskosten findet eine weitere Verfassungsgrundlage in Art. 24 Abs. 2 CE, der das Recht jedes einzelnen auf Beistand und Verteidigung durch einen Rechtsgelehrten gewährt. Diese Bestimmung, die ursprünglich nur rur den Strafprozeß galt, ist nach Ansicht des Verfassungsgerichts auf alle anderen Bereiche zu übertragen99 . Die spanische Rechtsordnung macht also im Gegensatz zu § 166 VwGO die Prozeßkostenhilfe von der Prüfung der Erfolgsaussichten unabhängig lOO . Dies hat auch die deutsche Lehre vielfach gefordert 101 . Das spanische Modell kann jedoch hierfiir nicht als beispielgebend herangezogen werden, denn aufgrund des subjektiven System bei der Festsetzung der Kostenpflicht werden nach Art. 131 Abs. 1 LJCA schon in einem verfahrensmäßig früheren Zeitpunkt die Erfolgsaussicht der Klage und die Gerichtskosten verknüpft. Nach einem neuen Gesetzentwurf soll die Kostenbefreiung nicht mehr gerichtlich angeordnet werden, sondern von administrativen "Kostenlosen Rechtsberatungsstellen" (Comisiones de Asistencia Juridica Gratuita), die in allen Provinzen gegründet werden sollen. Zudem soll die Kostenbefreiung auch die vor- und außergerichtliche anwaltschaftliche Beratung erfassen, auch 96 Vgl. hierzu S. 375 f. 97 S TC 111/1988, vom 8. Juni, FI. 3, in: JC 21, S. 260-264 (264) weist die Verfassungsbeschwerde ab, es läßt jedoch offen, ob im konkreten Fall eine Verletzung der
Rechtsschutzgarantie möglich sein kann; Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 78.
98 S TC 24/1989, vom 2. Februar, FI. 1, in: JC 23, S.236-249 (241); S TC 146/1991, vom 1. Juli, FFJJ 1 bis 3, in: Rep. Ar. 199113, S. 56-62 m.w.N. 99 S TC 4711987, vom 22. April, FJ. 2, in: JC 17, S. 533-543 (539). 100 Das BVerfG hat in den Urteilen E 10,262 (268f.) und E 51, 295 (302) die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestätigt. 101 BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 104; Lorenz, Rechtsschutz, S.255f.; Witten, Vorschußpflicht, S. 928f.
D. Die Ausgestaltung des Verfahrens
193
wenn kein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird 102 . Durch die Förderung der anwaltschaftlichen Beratung soll die Zahl der Prozesse verringert und diese sollen damit effektiver gestaltet werden 103 .
VI. Bewertung Das Verbot der Schutzlosigkeit (indefensi6n) hat verschiedene Ausprägungen. Als Recht auf rechtliches Gehör fordert es eine wirksame Ladung und die Bindung der Gerichte an die Anträge der Parteien, insbesondere das Verbot der reformatio in peius. Durch die Neuregelung der Ladungsvorschriften sowie der verfassungsrechtlichen Anerkennung dieser Bindung der Gerichte ist die Gefahr, daß der Bürger trotz eines gerichtlichen Verfahrens im Ergebnis schutzlos geblieben wäre, erheblich gemindert worden. Das Verbot der Schutzlosigkeit fordert kein Verfahren, das frei ist vom Prozeßkostenrisiko, auch wenn hierdurch der Rechtsweg erschwert wird. Hingegen gewährleistet es in Verbindung mit Art. 119 CE, daß das Kostenrisiko für die Personengruppen durch die Gewährung von Prozeßkostenhilfe gesenkt wird, für die das Kostenrisiko eine unzumutbare Erschwerung des und damit ein Ausschluß vorn Rechtsweg bedeutet. Problematisch ist jedoch der aus dem Verbot der Schutzlosigkeit entnommene Aspekt der Gleichheit der Parteien. Dieses zeigt sich insbesondere in dem durch den Verhandlungsgrundsatz geprägten Beweisverfahren. Durch das rein formelle Verständnis des Gleichheitsbegriffs werden im Verwaltungsprozeß zwei Parteien (Bürger-Verwaltung) gleichgestellt, die wesensmäßig ungleich sind. Dem Bürger ist es vielfach nicht möglich, die zu seiner Anspruchsbegründung notwendigen Tatsachen darzulegen. Dadurch wird eine vollständige tatsächliche und rechtliche Kontrolle, die, wie im folgenden dargelegt wird, Ziel des Gerichtsverfahrens sein soll, verhindert.
102 Vgl. EL PAIS vom 14. Mai 1995, S. 30; weiterhin soll ein Teilerlaß bis zu 50% der Kosten bei notarieller Beurkundungen, sowie der bei Grundbucheintragungen entstehenden Kosten möglich sein. Der Entwurf ist durch den' Consejo General dei PoderJudicial angenommen worden, EL PAIS vom 1. Juni 1995, S. 34. 103 Vgl. Stellungnahme des ehemaligen Innen- und Justizministers Juan Alberto Belloch in EL PAIS vom 14. Mai 1995, S. 30. 13 Martinez Sori.
194
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren "Die Gerichte kontrollieren die Verordnungsgewalt und die Gesetzmäßigkeit der Handlungen der Verwaltung sowie die Beachtung der Zwekke, die es rechtfertigen" (Art. 106 Abs. 1 CE)
E. Das Verhältnis der Rechtsschutzgarantie zu Gegenstand und Dichte der Kontrolle I. Die Vorgaben der Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE für sämtliche Verfahren Beim Gegenstand und bei der Dichte der Kontrolle muß unterschieden werden zwischen der in Art. 24 Abs. I CE enthaltenen Garantie, die rur alle Verfahren gilt, und der nach Art. 24 Abs. I CE LY.m. Art. 106 Abs. I CE enthaltenen besonderen Garantie rur das verwaltungsgerichtliche Verfahren 1. Das Recht nach Art. 24 Abs. 1 CE auf ein begrUndetes Urteil, das auf der Grundlage des Rechts ergeht
Die Rechtsschutzgarantie fordert, daß das Gericht zur Klage Stellung nimmt und über das begehrte Klageziel abschließend entscheidet}, sofern nicht "ausnahmsweise ein Antrag offenkundig unzulässig oder unbegründet ist"2 . Diese Stellungnahme muß auf rechtlichen Kriterien beruhen3 , die "dem System der Rechtsquellen entsprechen"4 . Ein Gericht verstößt demnach gegen Art. 24 Abs. I CE, wenn es sein Urteil mit einer nicht mehr wirksamen Rechtsgrundlage begründet bzw. mit einer, die gegen höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht, verstößtS . Aufgrund dieser Auslegung hat das Verfassungsgericht es dem Bürger ermöglicht, die Verfassungsmäßigkeit der
} Grundlegend STC 69/1984, vom 1l. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S.183-194 (191); S TC 4211989, vom 16. Februar, FJ. 2, in: JC 23, S. 433-445 (440); S TC 212/1988, vom 10. November, FJ. 2, in: JC 22, S. 532-538 (537); S TC 368/1993, vom 13. Dezember, Einziger FJ, BJC 153 (1994), S. 81-83 (83); S TC 159/1994, vom 23. Mai, FJ. 4, BJC 158 (1994), S. 162-165 (165); vgl. auch S TS 18. September 1987; S TS l. März 1988, in: LA LEY 1988-2,410; S TS 2. Oktober 1990, La Ley, 1991-1, 759; A TS 15. Februar 1994 Ar. 1182; vgl. dazu Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 182 Fn. 22 und 23. 2 ATC 13111983, vom 23. März, Einziger FJ, in: JC 5, S. 818-820 (820); ATC 268/1985, vom 24. April, FJ. 2, in: JC 11, S. 1827-1833 (1832).
3
S TC 12/1991, vom 28. Januar, FJ.l, in: Rep. Ar. 199111, S. 127-135 (131).
4
S TC 17/1981, vom l. Juni, FJ. 1, in: JC 2, S. 13-28 (22f.).
S
S TC 126/1984, vom 26. Dezember, FJ. 3, in: JC 10, S.429-448 (445).
E. Gegenstand lUld Dichte der Kontrolle
195
aus vorkonstitutioneller Zeit übernommenen Rechtsordnung mittels der Verfassungsbeschwerde überprüfen zu lassen, was die zentrale Bedeutung des Art. 24 Abs. I CE bei der Verfassungsbeschwerde erklärt6 . Das Verfassungsgericht vermeidet jedoch, die Anwendung der rechtlichen Kriterien an der Rechtsschutzgarantie zu messen7 . Es behält diese Prüfung den ordentlichen Gerichten vor, um nicht zu einer Superrevisionsinstanz zu werden 8 . So verstößt z.B. ein Urteil, daß auf falschen Tatsachen beruht, nicht gegen Art. 24 Abs. 1 CE9. Aufgrund des rein formellen Inhalts des Art. 24 Abs. 1 CE kommt es daher primär nicht auf den materiellen Schutz der Rechte an; entscheidend ist nur die Gewährleistung des formellen gerichtlichen Rechtsschutzverfahrens 10 . Art. 24 Abs. 1 CE ermöglicht daher dem Gericht, eine Klage wegen Unzulässigkeit oder wegen Unbegründetheit abzuweisen 11 . Daher kann aus der Rechtsschutzgarantie nicht das Recht auf ein Urteil gemäß dem Klageziel entnommen werden 12 . Dies folgt zugleich aus der abstrakten Formulierung der Rechtsschutzgarantie, die von der Lösung vom aktionenrechtlichen Denken geprägt ist 13 . Es genügt somit der Hinweis auf die wirksame rechtliche
6
Siehe s. 377.
7 S TC 159/1990, vom 18. Oktober, FJ. 1, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 170-178 (174f.). 8 S TC 23/1987, vom 23. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S. 213-223 (220); vgJ. auch S TS 25. Januar 1994 Ar. 609. 9
S TS 25. Januar 1994 Ar. 609.
Stellungnahme von Cruz Villal6n, in: Frowein, (Hrsg.), Die Kontrolldichte bei der gerichtlichen Überprüfung, S. 339f. 10
11 Grundlegend dafilr S TC 1111982, vom 29. März 1982 FJ. 2, in: JC 3, S. 151159 (157); S TC 3311989, vom 13. Februar, FI. 4, in: JC 23, S. 342-349 (348); Romero Coloma, EI articul0 24, S. 21.
12 S TC 9/1981, vom 30. März, FI. 4, in: JC 1, S. 145-159 (158); S TC 22/1982, vom 12. Mai, FJ. 1, in: JC 3, S. 278-287 (286); S TC 9211983, vom 8. November, FJ. 4, in: JC 7, S. 149-167 (166); S TC 160/1985, vom 28. November, FJ. 2, in: JC 13, S. 413-422 (420); S TC 13111987, vom 20. Juli, FI. 3, in: JC 18, S. 783-792 (789f.); S TS 13. Mai 1994 Ar. 3814. 13 13*
Romero Coloma, EI articulo 24, S. 23.
196
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Regelung, die eine Kontrolle des Verwaltungsaktes verhindert oder die den Anspruch beispielsweise hat untergehen lassen 14 . 2. Insbesondere die Begründungspj1icht
Zur Rechtsschutzgarantie gehört die Pflicht der Gerichte zur umfassenden Begründung ihrer Entscheidungen lS . Der effektive Rechtsschutz fordert eine nachvollziehbare und damit kontrollierbare Entscheidung der Gerichte. Dadurch wurde die objektive Pflicht der Gerichte nach Art. 120 Abs. 3 CE sowie Art. 248 Abs. 3 LOPJ , wonach die Urteile immer zu begründen sind, einklagbar gemacht l6 . Die Begründungspflicht folgt auch aus dem Verbot der Willkür nach Art. 9 Abs. 3 CEI7. Ein unbegründetes Urteil ist willkürlich und verstößt gegen Art. 24 Abs. 1 CE18 . Die Begründungspflicht erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen der Gerichte, seien sie Beschlüsse (Autos) oder
14 S TC S TC 37/1982, vom 16. Juni, FJ. 3, in: JC 3, S.453-461 (459); S TC 6211983, vom 11. Juli, FJ. 3, in: JC 6, S. 317-325 (324); S TC 93/1984, vom 16. Oktober, FJ. 4, in: JC 10, S.48-63 (58); S TC 153/1988, vom 20. Juli, FJ. 3, in: JC 21, S.676-688 (678); S TC 6211989, vom 3. April, FJ. 3, in: JC 23, S.676-685 (681); S TC 196/1990, vom 29. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 570-580 (577); S TC 5111991, vom 11. Man, FJ.3, in: Rep. Ar. 199111, S. 556-562 (561f.). IS ATC 38911982, vom 15. Dezember, FJ. 1, in: JC 4, S. 1027-1030 (1029); S TC 175/1985, vom 17. Dezember, FJ. 5, in: JC 13, S. 531-542 (540); S TC 11611986, vom 8. Oktober, FJ. 5, in: JC 16, S. 69-78 (76f.); S TC 154/1986, vom 4. Dezember, FJ. 2, in: JC 16, S.434-439 (438); S TC 1311987, vom 5. Februar 1987, FJ. 3, in: JC 17, S. 122-129 (129); S TC 103/1987, vom 17. Juni, FJ. 3, in: JC 18, S. 462-467 (465f.); S TC 111991, vom 14. Januar, FJ. 3, in: JC Rep. Ar. 199111, S. 11-16 (15f.); S TC 1411991, vom 28. Januar, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199111, S. 127-135 (132f.); S TC 3211991, vom 14. Februar FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 358-371 (366[); S TC 9611991, vom 9. Mai FJ. 2, in: Rep. Ar. 199112, S. 272-278 (276); S TS 17. Januar 1994 Ar. 135; vgl. Aguado i CudolA, Evoluci6n, S. 1686; Figuerue10 Burrieza, EI derecho, S. 121; in Deutschland MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 254.
16 STC 1311987, vom 5. Februar 1987, FJ. 3, in: JC 17, S.122-129 (128f.); Aguado i CudolA, Evoluci6n, S. 1686; Figueruelo Burrieza, EI derecho, S. 121.
17 S TC 6311988, vom 11. April FJ. 2, in: JC 20, S. 753-760 (757); S TS 24. Mai 1994 Ar. 5306; A TS 23. Juni 1994 Ar. 5261. 18 So im Fall S TC 1311987, vom 5. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S. 122-129 (128); S TC 111991, vom 14. Januar, FJ. 3, in: JC Rep. Ar. 199111, S. 11-16 (15f.); S TC 7111991, vom 8. April, FFJJ I bis 5, in: Rep. Ar. Rep. Ar. 1991, S. 51-61 (55-60).
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
197
Urteile (Sentencias)19. Erklärt sich daher ein Gericht durch Beschluß für unzuständig, muß es diese Erklärung begründen20 . Die Begrtindungspflicht steht in engem Zusammenhang mit dem oben erläuterten Kongruenzerfordernis21 ; so ist auch aus dem verfassungsrechtlich gebotenen Kongruenzerfordernis das Gericht verpflichtet, auf jede Behauptung einzugehen22 . Es darf somit weder ein Urteil mit Punkten begründen, die nicht Gegenstand des Verfahrens waren (Überraschungsklauseln) 23, noch darf es vorgebrachte Argumente unberücksichtigt lassen. Jedoch muß die Begründung die einzelnen Behauptungen nicht umfassend aufgreifen. Es reicht aus, wenn im Rahmen der oben dargelegten "dialektischen Freiheit" das Gericht allein auf die Eckpunkte der Klage und ihrer Erwiderung eingeht24 . Das Verfassungsgericht betont die Begründungspflicht besonders, weil sich der Oberste Gerichtshof (im Vergleich zu deutschen Urteilen) damit begnügte, sehr kurz nur den Sachverhalt wiederzugeben und die getroffene Entscheidung sehr knapp zu begründen - ein aus der französischen Tradition stammender Brauch25 . Während die deutschen Gerichte die Subsumtion des Sachverhaltes unter die rechtlichen Grundlagen auch in der Begründung festhalten, nahmen spanische Gerichte in diese zumeist nur das Ergebnis ihrer gedanklichen Prüfung auf. So hatten viele Entscheidungen den Antrag auf Anordnung des Suspensiveffekts formelhaft mit dem Überwiegen des öffentlichen Interesses oder einfach mit dem "Fehlen der Voraussetzungen" abgelehnt. Die Abwägung der 19
S TC 62/1982, vom 15. Oktober, FJ. 2, in: JC 4, S. 270-293 (282).
S TC 49/1983, vom 1. Juni, FJ. 7, in: JC 6, S. 189-196 (195); A TC 272/1985, vom 24. April, FJ. 3, in: JC 11, S. 1847-1855 (1854). 20
21
Siehe oben S. 185.
22
S TC 116/1991, vom 23. Mai, Fj. 4, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 432-444 (442f).
S TC 163/1990, vom 22. Oktober FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 214-222 (219); S TC 15/1991, vom 28. Januar, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 150-156 (154f); S TC 39/1991, vom 25. Februar, FFJJ 3 und 4, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 441-445 (444); und S TC 144/1991, vom 1. Juli, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 30-39 (36).S TC 20/1982, vom 5. Mai, FI. 1, in: JC 3, S. 257-268 (266); S TC 86/1986, vom 25. Juni, FJ. 3, in: JC 15, S. 352-358 (356f.); S TC 77/1986, vom 12. Juni, FJ. 2, in: JC 15, S. 251-257 (256); S TC 212/1988, vom 10. November, FI. 2, in: JC 22, S. 532-538 (537); S TC 26/1989, vom 3. Februar, FI. 6, in: JC 23, S. 260-275 (274). 23
24 S TC 13/1987, vom 5. Februar, FJ. 3, in: JC 17, S.122-129 (128); S TC 75/1988, vom 25. April 1988, FI. 3, in: JC 20, S. 890-902 (900f); S TC 368/1993, vom 13. Dezember 1993, Einziger FJ, in: Rep. 1993/3, S. 964-970 (969).
25
Schlette, Kontrolle, S. 67f
198
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Interessen wurde nicht im Urteil festgehalten, was sogar den Obersten Gerichtshof 1990 vermuten ließ, daß sie zumeist gar nicht vorgenommen worden war26 . Seitdem ist nun zumindest hinsichtlich des einstweiligen Rechtsschutzes ein größeres Bemühen der Gerichte zu erkennen, ihre Entscheidungen zu begründen. Die vergleichsweise knappe Darstellung des Sachverhalts erschwert es aber nach wie vor, die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zu bewerten. Hier ist man oft auf die Rezension der Urteile durch die Lehre und die darin enthaltene, durch subjektive Wertungen beeinflußte Wiedergabe des Sachverhalts angewiesen. Vorbildlich für die Begründung ist hingegen das Verfassungsgericht, das seit jeher seinen Entscheidungen den zugrundeliegenden Sachverhalt und die Subsumtion beifügt.
11. Die Ergänzung des Umfangs der Rechtsschutzgarantie nach Art. 106 Abs. 1 CE Art. 19 Abs. 4 GG ordnet zwar an, daß die "Akte der öffentlichen Gewalt" kontrolliert werden sollen, welche Akte aber darunter zu fassen sind bzw. wie intensiv sie zu prüfen sind, ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Während nach allgemeiner Ansicht zur öffentlichen Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG die exekutive Gewalt zählt, nicht hingegen die judikative, ist umstritten, ob die Bundesgesetzgebung darunter zu fassen ist27 . Das Bundesverfassungsgericht verneint auch dies28 . Weiterhin haben die Lehre und die Rechtsprechung aus der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19 Abs. 4 GG den Grundsatz entwickelt, daß Hoheitsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig durch die Gerichte kontrolliert werden müssen29 . Diese vollständige Kontrolle findet ihre Grenze in einem unkontrollierbaren "Verwaltungsvorbehalt", der verschiedene verfassungsrechtliche Rechtfertigungen (Kern-
26
A TS 20. Dezember 1990 Ar. 10412.
Lorenz, Rechtsschutz, S. 162; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 249ff.; vgl. auch MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 93 Fn. 112 m.w.N. 27
28
BVerfGE 24,33 (49); 24, 367 (401); 45, 297 (334).
29 BVerfGE 15,275 (282); 18,203 (212); 21,191 (194f.); 31, 113 (117); 35, 263 (274); 61, 82 (111); 73, 339 (373); MDHS/Schrnidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr 183 m.w.N.; Papier, Rechtsschutzgarantie, Rdnr. 59 und 75; Götz, Handlungsspie1räume, S. 254f.; Krebs, in: v. Münch, Art. 19 GG, Rdnr. 65; Schrnidt-Jortzig, Effektiver Rechtsschutz, S. 2569; JarasslPieroth, Art. 19, Rdnr. 35.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
199
bereichslehre, Letzentscheidungsermächtigungen, funktionale Überlegungen, etc.) erfahren hat und auf den später eingegangen werden so1l30 . Die spanische Verfassung regelt den Gegenstand und die Dichte der gerichtlichen Kontrolle ausdrücklich im Art. 106 Abs. 1 CE. Diese Bestimmung, die im 4. Titel "Über die Regierung und die Verwaltung" zu finden ist und die an Art. 103 Abs. 1 der italienischen Verfassung angelehnt ist31 , lautet folgendermaßen:
"Los Tribunales controlan la potestad reglamentaria y la legalidad de la actuaci6n administrativa, asi como el sometimiento de esta a los fines que la justifican". "Die Gerichte kontrollieren die Verordnungsgewalt und die Legalität des Verwaltungshandeins, sowie die Unterwerfung unter die Ziele, durch die das Handeln gerechtfertigt wird. "32 Wie aber verhält sich diese Bestimmung zu Art. 24 Abs. 1 CE? Wie oben bereits dargelegt, begründet Art. 24 Abs. 1 CE das Recht des Bürgers, den verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich vorgesehenen Rechtsweg zu beschreiten33 . Nach ständiger Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts wird der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg auch durch Art. 106 Abs. 1 CE bestimmt. Aus diesem Grunde hat der Bürger das Recht auf ein Verfahren, das den Vorgaben dieser Norm entspricht34 . Daher genügt eine Kontrolle der Wirksamkeit der dem Urteil zugrundegelegten Vorschrift i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE nicht. Die Gerichte sind vielmehr aus Art. 24 Abs. 1 CE i. V.m. Art. 106 Abs. 1 CE verpflichtet, die Handlungen der Verwaltung umfassend zu kontrollieren, soweit ihnen genügend tatsächliche und rechtliche Kriterien zur 30 MDHS/Schrnidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 184. 31 Art. 103 Abs. 1 Italienische Verfassung von 1947: "Contro gli atti della pubblica amministrazione e sempre ammessa La tuteLa giurisdizionale dei diritti e degli interessi Legittimi deinanzi agli organi di giurisdizione ordinaria 0 amministrativa". 32 Art.8 LOPJ wiederholt diese Bestimmung wörtlich. Zur Entstehungsgeschichte Parejo Alfonso, La garantia jurisdiccional, S. 575ff. 33
Siehe S. 65ff.
34 Ständige Rechtsprechung seit A TC 6011980, vom 22. Oktober, Fl 3, in: JC 1, S. 443-447 (446); ebenso beispielsweise S TC 4511990, vom 15. März, Fl 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 532-545 (540).
200
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Verfugung stehen35 . Das hat zur Folge, daß eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle bei bestimmten Handlungen der Verwaltung an Art. 106 Abs. 1 CE und damit auch an Art. 24 Abs. 1 CE zu messen ist36 .
III. Gegenstand der Klage Art. 24 Abs. 1 CE selbst besagt nichts über den Gegenstand der Kontrolle, sondern stellt - anders als Art. 19 Abs. 4 GG - allein auf die Verletzung des Rechtskreises des Einzelnen ab. Daraus könnte geschlossen werden, daß im spanischen Recht der gerichtliche Schutz gegenüber jeglichem Handeln der öffentlichen Gewalt, das den Rechtskreis des einzelnen Bürgers verletzt, gewährleistet sein muß. Dies bestätigt Art. 106 Abs. 1 CE, der das Verwaltungshandeln ausdrücklich nennt. Fraglich ist jedoch, ob - wie in Deutschland- das Handeln der legislativen und der judikativen Gewalt davon ausgeschlossen ist. Ansatzpunkt ist wiederum Art. 106 Abs. 1 CE. Eine parallele Bestimmung hierzu findet sich für die Kontrolle der gesetzgebenden und judikativen Gewalt nicht. Daraus schließt man allgemein, daß sich die Rechtsschutzgarantie ausschließlich auf exekutive Handlungen der öffentlichen Gewalt beschränkt37 . Allerdings ist der Bereich der exekutiven Handlungen nicht begrenzt auf die Handlungen der Verwaltungsorgane Le.S. Vielmehr geht Art. 106 Abs. 1 CE und somit die Rechtsschutzgarantie von einem weiten Verwaltungsbegriff aus, so daß auch die administrativen Handlungen der Organe anderer Staatsgewalten erfaßt sind, wie noch darzustellen sein wird38 . Aus dieser umfassenden Gewährleistung des Rechtsschutzes gegenüber Handlungen der öffentlichen (administrativen) Gewalt haben Lehre und Rechtsprechung die Pflicht des Gesetzgebers abgeleitet, den Verwaltungsrechtsweg durch eine umfassende Generalklausei zu öffnen39 . Damit forderte 35 STC 1011988, vom 1. Februar, FJ. 2, in: JC 20, S.IIO-116 (115); ebenso schon S TS 1. April 1986 Ar. 1815; Lopez Pina, Antonio, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 45. 36 S TC 4511990, vom 15. März, FI. 2, in: Rep. Ar. 199011, S. 532-545 (540); S TC 1211991, vom 28. Januar, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 127-135 (133f.); S TC 16111991, vom 18. Juli, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 376-383; Parejo Alfonso, Manual, S. 61f.; Sanchez Moron, EI control, S. 65; Hofmann, Länderbericht Spanien, S. 162.
37 38
Lopez Pina, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 45. Siehe S. 221.
39 Garrido Falla, Art. 106 CE, S. 1457; Diaz Eimil/De Mateo Lage, Defensa dei ciudadano, S. 712f.; Guaita, Art. 106 CE, S. 336; Alonso Garcia, EI articulo 24.1,
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
201
die Verfassung jedoch für den Bereich des hoheitlichen Handeins der Verwaltung nichts Neues. Für diesen Bereich ist die Verwaltungsgerichtsbarkeit die ordentliche Gerichtsbarkeit i.S.d. Art. 106 Abs. 1 CE40 . Das bestehende Verwaltungsgerichtsgesetz enthält seit 1956 eine Generalklausel in Art. 1 Abs. 1 LJCA. Diese Bestimmung ist nunmehr durch Art. 9 Abs. 4 LOPJ bestätigt worden. Danach sind die verwaltungsgerichtliche Kammern der Gerichte für alle Klagen zuständig, die gegen Handlungen der öffentlichen Verwaltung gerichtet sind, die dem Verwaltungsrecht zuzurechnen sind. Des weiteren sind sie bei Klagen gegen untergesetzliche Rechtsvorschriften zuständig41 . Die Generalklausei in der LJCA war allerdings mit zahlreichen gesetzlichen Beschränkungen versehen (Art. 2 und 40 LJCA), die teilweise von der Rechtsprechung sehr weit ausgelegt wurden. Aufgrund der Rechtsschutzgarantie ist indes eine Entwicklung hin zur Verwirklichung der Generalklausei festzustellen; diese Entwicklung soll im folgenden dargelegt werden. 1. Öffentlich-rechtliche Verwaltungsmaßnahmen
Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sind nach Art. 1 Abs. 1 LJCA neben den untergesetzlichen Rechtsvorschriften die Verwaltungsmaßnahmen (actos administrativos). Dazu gehören nach der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 LJCA alle Maßnahmen eines Organs der öffentlichen Verwaltung, die auf Verwaltungsrecht fußen 42 . Der Begriff IVerwaltungsmaßnahme" wird sehr weit ausgelegt. Sie muß keinen Einzelfall betreffen43 . So ist die in Deutschland grundlegende begriffliche Trennung zwischen Verwaltungsakt und Allgemeinverfiigung in Spanien unbekannt. Zwar muß die Verwaltungsmaßnahme auf einen Erfolg ausgerichS. 998; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 60; Hofmann, Länderbericht Spanien, S. 162; aus diesem Grunde war die von Martin-Retortillo geforderte Klarstellung nicht notwendig, der sich filr die Formulierung ausgesprochen hatte: "Die Gerichte kontrollieren ohne Ausnahme, die Verordnungsgewalt....", wiedergegeben bei Garrido Falla, Art. 106 CE, S. 1457. 40
S TS 11. Juni 1989 Ar. 5887.
Sainz de Robles, La incidencia, S. 2423 fordert eine Änderung des Art. 1 Abs. 1 durch Übernahme des Wortlauts des Art. 106 Abs. 1 CE. Dies wird jedoch zu Recht als nicht erforderlich abgelehnt: Vgl. Pera Verdaguer, Comentarios, S. 25. 41
42 Vgl. auch die Umschreibung in Art. 56 LRJPA; S TS 10. Juni 1988 Ar. 4815; S TS 25. Oktober 1989 Ar. 6992; Gonzalez Perez, Manual, S. 98. 43
Vgl. Gonzalez Perez, Manual, S. 226f
202
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
tet sein44 , so daß beispielsweise rein informelle Handlungen der Verwaltung (Hinweise, Auskünfte, ete.) nicht anfechtbar sind45 . Doch kann es sich dabei im Gegensatz zu Deutschland- sowohl um einen tatsächlichen Erfolg (Realakt) wie auch um einen Rechtserfolg handeln46 . Ausgeschlossen sind weiterhin nach Art. 37 Abs. 1 LJCA die Handlungen, die das Verwaltungsverfahren nicht abschließen, d.h. Vorbereitungs- und Teilakte47 . Verhindert eine solche Verwaltungsmaßnahme jedoch die Klageerhebung (z.B. der Beschluß, einen Antrag nicht zur Bearbeitung anzunehmen), muß aufgrund der durch die Rechtsschutzgarantie gebotenen Rechtswegeröffnung die Klage zulässig sein48 . Die Begriffe acto administrativo und Verwaltungsakt sind somit nicht vollständig deckungsgleich, so daß acto administrativo am besten mit "Verwaltungsmaßnahme" zu umschreiben ist. Problematisch ist jedoch in Spanien wie in Deutschland die Frage, ob das Handeln auf Verwaltungsrecht fußt. Dahinter steht die Frage nach der notwendigen Abgrenzung zwischen dem Verwaltungsrecht als Teil des öffentlichen Rechts und dem Privatrecht. Bei dieser Abgrenzung geht es, wie in Deutschland49 , um die Unterscheidung von Rechtssätzen, nicht um die Qualifizierung von Rechtsverhältnissen. Hierzu werden in der spanischen Lehre im wesentlichen zwei Ansichten vertreten, die den in der deutschen Lehre als "Interessentheorie,,50 und "Subjektstheorie" bezeichneten entsprechen. Nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Lehre liegt ein öffentlich-rechtlicher Rechtssatz vor, wenn "das Handeln der Verwaltung in der Ausübung einer Macht besteht, die der Verwaltung zur Erzielung eines bestimmten Zweckes durch ein bestimmtes Gesetz ausdrücklich zugewiesen worden ist"51. Handlungen der Verwaltung z.B. im Bereich des Privateigentums fallen daher nur dann unter das öffentliche Recht, wenn sie auf der Grundlage einer gesetzlich geregelten Enteignungsbefugnis der Verwaltung 44 S TS 5. Dezember 1964; 15. Dezember 1964; Gonzlilez Perez, Manual, S. 226; Garcia de Enterria, Curso I, S. 530f. 45 S TS 7. März 1987 Ar. 3505. 46 S TS 2. November 1981 Ar. 4718; näheres siehe S. 230. 47 S TS 18. Juli 1988 Ar. 6082; S TS 6. Februar 1989 Ar. 1014; S TS 31. Juli 1989 Ar. 6198;S TS 22. Mai 1990 Ar. 4698; S TS 10. September 1990 Ar. 6869; S TS 15. Juli 1991 Ar. 5749. 48 S TS 18. Juli 1989 Ar. 5836; S TS 10. Oktober 1989 Ar. 7077; S TS 20. Juni 1991 Ar. 5292. 49 EWers in Erichsen, AlIgVerwR, § 2 Rdnr. 14. 50 Albadalejo, Derecho Civil Bd. 1/1, S. 39. 51 S TS 9. Februar 1987 Ar. 2193; Gonzlilez Perez, Ley, Art. 1, S.71fT. m.w.N.
E. Gegenstand lUld Dichte der Kontrolle
203
oder einer anderen Norm ergehen, die die Venvaltung ermächtigen, mittels verbindlicher Entscheidung (acto administrativo) das Privateigentum und andere dinglichen Rechte zu beschränken (Gefahrenabwehr) oder zu ordnen (Bauplanungs- und Bauordnungsrecht)52 . Ausgeschlossen ist die venvaltungsgerichtliche Kontrolle von Handlungen der Verwaltungsorgane, die diese nicht in "administrativer Funktion" ausgeübt haben. Dazu gehören Handlungen, die sie als Hilfsorgane der Justiz vornehmen (z.B. Vollzug eines gerichtlichen Urteils)53 wie auch Handlungen, die auf rein privatrechtlicher Grundlage durchgefiihrt werden (Enverb von Grundstücken)54. Ausgeschlossen sind weiterhin verfassungsrechtliche und sozialrechtliche Streitigkeiten, die nach Art. 2 Abs. 1 LJCA eigenen Gerichtsbarkeiten übertragen sind. Diese Aufteilung des Rechtsweges verstößt nicht gegen die Rechtsschutzgarantie, da diese die Einrichtung spezieller Gerichtsbarkeiten vorsieht, soweit dadurch ein Sachverhalt, der ein Recht oder ein legitimes Interesse verletzt, nicht von der gerichtlichen Kontrolle ausgeschlossen wird 55 . 2. Untergesetzliche Rechtsvorschriften der Verwaltung
Art. 106 Abs. 1 CE stellt klar, daß "die Verordnungsgewalt kontrolliert" werden muß. Art. 106 Abs. 1 i.Y.m. Art. 24 Abs. 1 CE berechtigen daher den Bürger, untergesetzliche Rechtsvorschriften, die seine Rechte und legitimen Interessen verletzen, gerichtlich kontrollieren zu lassen; dieser Rechtsschutz muß effektiv sein und darf keine Verteidigungslosigkeit bewirken56 . Im Gegensatz zum Begriff des "Aktes der Venvaltung" wird der Begriff "Verordnung" förmlich verstanden, d.h. alle in Verordnungsform erlassenen
52 Gonzalez Perez, Manual, S. 104f. 53 S TS 22. April 1988, Archivo LA LEY 1988,3-901; S TS 10. Dezember 1989
Ar. 9258.
54 S TS 10. Juni 1958 Ar. 4815; vgl. auch TSJ Andalusien (Granada), 21. Mai 1990, LA LEY 1990-4,793. Die AnwendlUlg dieser Theorie erfolgt in der Praxis nach pragmatischen Gesichtspunkten. Danach liegt eine administrative Maßnahme vor, wenn sie die klassischen Bereiche des Verwaltungsrecht betriffi, die in der Lehre lUlter diesem Begriff gefaßt werden: Santamaria Pastor, Veinticinco afios, S. 132. 55 Siehe S. 82. 56 Nunmehr ständige Rechtsprechung des VerfasslUlgsgerichts, vgl. z.B. Baena de AlcAzar, EI control jurisdiccional, S. 1357.
204
2. Teil: Das verwaltungsgerichtIiche Verfahren
Bestimmungen können angefochten werdens7 . Dabei ist gleichgültig, welches Organ die Bestimmung erlassen hat. Zum Erlaß von untergesetzlichen Rechtsvorschriften ist ausdrücklich nach Art. 97 CE die Regierung des Zentralstaates ermächtigt. Gleichzeitig folgt nach allgemeiner Ansicht aus den Art. 137, 140, 141 und 143 CE die Kompetenz der Gemeinden, Provinzen und der Autonomen Regionen zur SatzungsgebungS8 . Ausgenommen von der einfachgerichtlichen Überprüfung sind die Rechtsverordnungen (decretos legislativos) im Sinne des Art. 82 CE, da diese Gesetzesrang haben, so daß die Verwerfungskompetenz ausschließlich beim Verfassungsgericht liegt (Art. 2 Abs. 1 a) LOTC)59. Untergesetzliche Rechtsvorschriften sind wie in Deutschland jederzeit einer gerichtlichen Inzidentkontrolle auf ihre Gesetzmäßigkeit unterworfen. Das folgt aus Art. 6 LOPJ, wonach es den Richtern untersagt ist, eine untergesetzliche Rechtsvorschrift anzuwenden, die gegen die Verfassung oder anderes höherrangige Recht verstößt60 . 3. Die Verwaltung in den Organen der exekutiven Gewalt im Staat der Autonomen Regionen
Nach Art. 1 Abs. 1 LJCA werden nur "Handlungen der öffentlichen Verwaltung" kontrolliert. Damit geht der Wortlaut zunächst von einer organisatorischen Betrachtungsweise aus. Art. 106 Abs. 1 CE ist zwar unter dem Titel "Über die Regierung und die Verwaltung" geregelt, spricht aber allgemein von der Kontrolle "administrativen Handeins". Fraglich ist daher, ob ein Unterschied besteht zwischen dem einfachgesetzlichen und dem verfassungsrechtlichen Begriff der Verwaltung. Auszugehen ist zunächst von den Organen der "öffentlichen Verwaltung". Die Verfassung von 1978 hat einen neuen Begriff der "öffentlichen Verwaltung" geprägt; es sind zahlreiche neue Verwaltungsorgane geschaffen worden, viele bestehende haben neue Zuständigkeiten erhalten. Entscheidend war aber die neue territoriale Struktur des Landes, die zu einer weitgehenden "Föderalisierung" der Verwaltung geruhrt hat, so daß nunmehr zwischen der 57 Martin- Retortillo, La desviacion de poder, S. 158; Femandez Torres, La legitimacion corporativa, S. 1380 Fn. 4.
58
Garcia de Enterria, Curso I, S. 204.
59 Gonzalez Perez, Manual, S. 233.Kritisch Muiioz Machado, Reserva, S. 2762f. 60
S TS 9. März 1988 Ar. 3815; Gonzalez Perez, Manual, S. 235.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
205
Staatsverwaltung (Administraei6n de Estado), der regionalen Verwaltung (Administraei6n auton6miea) und der kommunalen Verwaltung (Administraci6n loeal) unterschieden werden muß 61 . Aufgrund der durch Art. 24 Abs. 1 CE i.V.m. Art. 106 Abs. 1 CE gebotenen Generalklausei muß das gesamte administrative Handeln dieser Organe durch die Gerichte kontrollierbar sein. Im Folgenden soll daher ein Überblick über die Verwaltungsorgane Spaniens gegeben werden62 . a) Die Staatsverwaltung (Administraci6n de Estado) im engeren Sinne Die Organisation und das Verfahren der Staatsverwaltung ist im Gesetz von 1957 über die Rechtsstellung der Staatsverwaltung63 (LRJAE) und im Gesetz von 1983 über die Organisation der Staatsverwaltung (Ley 10/1983) geregelt64 . Nach Art. 1 Abs. 1 LRJAE, der durch Art. 3 Abs. 4 LRJPA nunmehr bestätigt worden ist, handelt die Verwaltung als ein einheitliches Organ. Bedeutsam rur das Verständnis der Staatsverwaltung in Spanien ist ihre Rechtsnatur als originäre juristische Person. Darunter versteht man, daß die Staatsverwaltung im Gegensatz zu den regionalen Verwaltungen nicht konstitutiv durch eine einfachgesetzliche Organisationsnorm geschaffen wurde, sondern daß sie durch die Verfassung selbst in Art. 103 CE legitimiert ist. Damit soll verdeutlicht werden, daß es sich bei der Verwaltung um eine den anderen Gewalten gegenüber gleichwertige Gewalt handelt65 . Die Organe der Staatsverwaltung sind materiellrechtlich fiir die Ausfiihrung der legislativen Zuständigkeiten des Staates zuständig. Ihre ausschließlichen Zuständigkeiten ergeben sich aus dem umfangreichen Katalog in Art. 149 CE, während Art. 61 Eine heftige Debatte ist nach einer Rede des Präsidenten Galiziens Manuel Fraga im Jahre 1992 ausgebrochen, der mit Blick auf das bundesstaatliehe Modell in Deutschland die Möglichkeit aufgezeigt hatte, daß zukünftig die Verwaltung ausschließlich den autonomen Regionen obliegen könnte: vgl. die Darstellung und Kommentierung bei Gonzälez PerezlGonzälez Navarro, LRJPA, S. 262ff. 62
Vgl. auch die Übersicht bei L6pez Nieto, La administraci6n, S. 270ff.
63 Dekret vom 26 Juli 1957 zur Verabschiedung derNeufassung der Ley de Regimen Juridico de la Administraci6n deI Estado (BOE Nr. 195, vom 31. Juli; berichtigt BOE Nr. 214, vom 22. August).
64 Gesetz 10/1983 vom 16. August, de Organizaci6n de la Administraci6n Central deI Estado (BOE Nr. 197, vom 18. August; berichtigt BOE Nr. 233, vom 29. September) 65 Garcia de Enterria, Curso I, S. 376.
206
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
148 CE die Materien regelt, deren Zuständigkeiten vom Staat an die autonomen Regionen delegiert werden können.
aa) Der König Der König selbst wird nicht als Verwaltungsorgan tätig, seine Kompetenzen sind sehr beschränkt. Nach Art. 64 Abs. 1 CE müssen seine Handlungen vom Ministerpräsidenten oder von den Ministern gegengezeichnet werden, und mit der Gegenzeichnung haften nach Abs. 2 die Gegenzeichner für sie66 . Das Verfassungsgericht hat jedoch in dem Zusammenhang entschieden, daß das Königshaus (Casa dei Rey) nach Art. 65 CE eine Behörde ist und damit auch gerichtlich kontrolliert werden kann, soweit Rechte oder Interessen der Bürger durch seine Handlungen betroffen sind67 . bb) Die Regierung (1)
Die Regierung als exekutives Organ
Nach Art. 98 Abs. 1 CE besteht die Regierung aus dem Ministerpräsidenten, den Vizepräsidenten, den Ministern und den anderen gesetzlich vorgesehenen Mitgliedern. Ihre Zuständigkeit regelt Art. 97 CE (allerdings nicht abschließend)68 . Danach "leitet die Regierung die Innen- und Außenpolitik, die Zivil- und Militärverwaltung und die Verteidigung des Staates. Sie übt dabei die Exekutivfunktion und die Verordnungsgewalt gemäß der Verfassung und den Gesetzen aus". Diese allgemeine Kompetenzzuweisung ist zum Teil in Art. 10 LRJAE konkretisiert worden69 . Jedoch enthält Art. 10 Abs. 17 LRJAE eine Generalklausei, nach der die Regierung in allen Gebieten Entscheidungen treffen kann, deren Vollzug im nationalen Interesse liegt. Die Beschlüsse verwaltungsrechtlicher Natur ergehen nach Art. 24 Abs. 1 LRJAE als Dekret.
66 Nicht einmal das ihm als "historisches Vorrecht" zustehende Recht der Festsetzung, ob ein Adelstitel vererbbar ist, ist durch die Verwaltungsgericht zu überprüfen: S TS 18. Juni 1984 Ar. 4631; Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 313; vgl. GonzAlez Perez, EI control jurisdiccional, S. 1994ff. 67 S TC 112/1984, vom 28. November, Fl. 2, in: JC 10, S. 274-283 (280f.): Ein OfflZier der Königlichen Garde hatte Verfassungsbeschwerde dagegen eingelegt, daß er nicht befördert worden war. 68 Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 314. 69 Interessant für den Rechtsschutz sind Art. 10 Nr. 7 LRJAE: Beschluß über die
Vergabe von hohen zivilen und militärischen Ämtern; sowie Art. 10 Nr. 11 LRJAE:
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
207
Die Regierung übt jedoch eine Doppelfunktion als Verwaltungs- und Verfassungsorgan aus. Ob daher die Regierung unter den Begriff der Verwaltung i.S.d. Art. 106 Abs. 1 CE und der LJCA zu fassen ist, ist nach wie vor umstritten. Die Diskussion konzentriert sich dabei um den Begriff der politischen Regierungsakte.
(2)
Politische Regierungsakte (Actos politicos de Gobierno)
Die Kontrollierbarkeit von politischen Regierungsakten ist in Spanien höchst umstritten gewesen70 . Art. 2 b) LJCA entzieht die politischen Akte der Regierung71 der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung72 . Damit reiht sich das spanische System ein in die von dem Obersten Gericht der USA begründete und vom Staatsrat Frankreichs im Zuge der Restauration durch die Bourbonen übernommene Tradition der "political question"73 . (a)
Historischer Hintergrund und gesetzliche Regelung
Die spanische Verwaltungsgerichtsordnung von 1888 schloß zwar nicht ausdrücklich die Regierungsakte von der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle aus, doch wurden sie in einer Ausfiihrungsverordnung zu den Ermessensakten der Verwaltung gerechnet, die in dieser Verwaltungsgerichtsordnung nicht kontrollierbar waren74 .
Beschluß, den Vollzug der verwaitungsgerichtlichen Entscheidung aufruschieben oder aufruheben. 70 Garcia de Enterria, La lucha, S. 56f.;Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 225ff.; Cano Mata, Admisi6n por el Tribunal, S. 555ff.; Embid Irujo, La justiciabilidad, S. 19ff.; Gonzlilez Salinas, Dos nuevas resoluciones, S. 493ff.; Garcia Llovet, Control del acto politico, S. 277ff. 71 Vgl. Gonzlilez Perez, Manual, S. 104, der sich dagegen wehrt, diese Handlungen als "politische Akte" zu bezeichnen, da dieser Begriff oft mißbraucht worden ist, um Handlungen der Verwaltung der Kontrolle zu entziehen. 72 Vgl. die umfassende Literatur zu diesem Thema bei Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 227 Fn. 7. 73 Der wegweisende Fall war in den USA Luther vs. Borden (1849), vgl. hierzu: Tribe, L.H., American Constitutional Law, 2. Aufl., New York 1988, S.96ff.; in Frankreich affaire Laffitte (1822): vgl. hierzu Duez, P., Les actes de gouvernement, Paris 1935, S. 30-37; vgl. dazu Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 226; zur Geschichte siehe auch Garcia de Enterria, La lucha, S. 56f. und ders., Curso I, S. 559f. 74 Art. 4 des Reglamento vom 29. Dezember 1890; vgl. dazu Embid Irujo, La justiciabilidad, S. 2699f.
208
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Die LJCA von 1956 unterschied hingegen zwischen einer politischen und einer administrativen Funktion der Regierung. Allein die in administrativer Funktion vorgenommenen Handlungen waren gerichtlich kontrollierbar. Die im Rahmen der politischen Funktion vorgenommenen hingegen wurden nach Art. 2 b) LJCA nicht zu den Verwaltungshandlungen gezählt und konnten mithin von den Richtern nicht überprüft werden7S . Dabei wurden in Spanien zunächst die politische Akte danach bestimmt, ob die Regierung mit ihrer Handlung einen politischen Zweck verfolgte; dies lehnte sich an das damalige französische Modell an. Die in Art. 2 b) LJCA genannten Fallgruppen waren nicht abschließend, sondern nur Regelbeispiele. Dieses subjektive System blieb in Spanien erhalten, während Frankreich es schon 1875 durch ein anderes ersetzte, das die politischen Akte objektiv nach ihrem Gegenstand bestimmte und abschließend aufzählte. In Spanien nahm insbesondere die Rechtsprechung unkontrollierbare politische Regierungsakte in allen Bereichen mit politischer Zielsetzung an76 . Traditionell zählte dazu in Anlehnung an das Regelbeispiel "Innere Sicherheit des Staates" insbesondere die öffentliche Ordnung77 . Folglich konnte das Gericht bei jeder polizeilichen Maßnahme, soweit sie ein politisches Ziel verfolgte, von der Kontrolle absehen. Es finden sich zahlreiche Beispiele, in denen die Gerichte die von der Verwaltung im Ordnungsrecht verhängten Sanktionen als politische Akte und somit als außerhalb ihrer Gerichtsbarkeit liegend ansahen78. Rechtsschutzmindernd wirkte sich auch aus, daß die Qualifizierung einer Maßnahme als "politisch" zur Folge hatte, daß sie vollständig - auch im Hinblick auf gebundene Teile wie z.B. Zuständigkeit, Verfahren, etc. - der Kontrolle entzogen war79 . Doch schon in den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts hat der Oberste Gerichtshof die politischen Maßnahmen zunächst auf solche der Regierung als Organ, d.h. des Ministerrats, beschränkt80 , dann auch materiell auf solche Akte, die den Staat als Ganzes betreffen, wie z.B. Akte der Landesverteidigung. Dadurch wurden die Sanktionen im Ordnungsrecht gerichtlich voll
7S
Siehe Motive zur LJCA 11 4); Embid lrujo, Lajusticiabilidad, S. 2700.
76
Vgl. die Nachweise bei Garcia de Enterria, Curso I, S. 559
77
Nachweise bei Garcia de Enterria, La lucha, S. 62f.
78
Vgl. die Nachweise bei Martin-Retortillo, L., Las sanciones, S. 79f.
79 Embid lrujo, La justiciabilidad, S. 2702; nunmehr wird es jedoch gemacht, vgl. S TS 30. Juli 1987 Ar. 7706. 80
Embid lrujo, Lajusticiabilidad, S. 2703.
E. Gegenstand lUld Dichte der Kontrolle
209
kontrollierbar!l; weiter hat der Oberste Gerichtshof die Festsetzung der Sicherheitsbereiche von bestimmten Militäranlagen nicht als politischen Regierungsakt eingestuft82 . Die politischen Regierungsakte und die Rechtsschutzgarantie Noch heute gibt es nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Akte der Regierung, die einer gerichtlichen Kontrolle entzogen sind83 . Welche dies sind, ist aber schwierig zu entscheiden 84 . (b)
In Deutschland zählen "gerichtsfreie Hoheitsakte", insbesondere Regierungsakte, nicht zu den verfassungsrechtlich zulässigen Ausnahmen von Art. 19 Abs. 4 GG8S . Also muß jeder Regierungsakt an Art. 19 Abs. 4 GG gemessen werden86 . Doch verhindert hier das Fehlen subjektiver Rechte weitestgehend eine Kontrolle dieser Akte87 . Wenn jedoch ausnahmsweise einmal eine Verletzung subjektiver Rechte möglich ist, muß eine Kontrolle erfolgen können. Sie ist in ihrer Dichte begrenzt, weil die Regierung einen weiten Gestaltungsspielraum hat, der ihr zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer verfassungsrechtlichen Leitfunktion übertragen ist88 . Aufgrund der Filterwirkung
81 S TS 20. JlUli 1980 Ar. 3229, in dem eine 1970 verhängte Sanktion überprüft wurde; vgl. dazu Embid Irujo, La justiciabilidad, S. 2713; es gehören dazu auch die Sakntionen im Bereich des Personalrechts: S TC 18/1994, vom 20. Januar, FJ. 4, in: BJC 154 (1994), S. 100-108 (105); zum Sanktionenrecht allgemein Gonza1ez Rivas, Las sanciones administrativas, S. 395-412. 82
S TS 3. Januar 1979 Ar. 7; S TS 3. März 1986 Ar. 2305
S TS 9. Juni 1987 Ar. 4018; 2. Oktober 1987 Ar. 6688; S TS 9. Juni 1994 Ar. 5151; S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050; Saiz Amaiz, Los actos politicos, S. 225; Sanchez Mor6n, EI control, S. 65. 83
84 Saiz Amaiz, Los actos politicos, S. 227; Embid Irujo, La justiciabilidad, S.2736.
85 Wie z.B. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 44 Abs. 4 Satz 1 GG; MDHS/SchmidtAßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 77; Krebs, in: v. Münch, Art. 19 GG, Rdnr. 55. 86 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 81; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 220; anders Schneider, H., Gerichtsfreie Hoheitsakte, S.41fT.; EyermannlFröhler, § 42, Rdnr. 70f. 87 So zutrefTend BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 227; Wassermann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 3l. 88 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 82; BK-Schenke, Art. 19 Abs.4 GG, Rdnr. 225. 14 Marlinez Smia
210
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
der subjektiven Rechte ist eine abstrakte Definition der Regierungsakte in Deutschland nicht notwendig und daher auch nicht erfolgt89 . Die spanische Rechtsschutzgarantie stellt nicht auf die Quelle der Rechtsverletzung ab, sondern allein auf die Verletzung selbst. Im Grundsatz fordert sie somit eine Kontrolle jeglichen Regierungshandelns in den Fällen, in denen in die Rechtssphäre des einzelnen eingegriffen wird90 , insbesondere in seine Grundrechte91 . Aufgrund der weiten Definition der Rechte und insbesondere der Interessen hat die Klagebefugnis keine der deutschen Klagebefugnis vergleichbare Filterfunktion. Es ist daher notwendig, die Grenze zwischen den zulässigen und unzulässigen kontrollfreien Regierungsakten anhand anderer Kriterien als dem des subjektiven Rechts zu definieren. In den letzten Jahren hat sich in Spanien durch die vollständige Rezeption der Rechtsschutzgarantie in das Verwaitungsprozeßrecht die Rechtsprechung geändert92 . Heute genügt es für die Klagabweisung als unzulässig nicht mehr, sich pauschal auf das Vorliegen eines politischen Aktes der Regierung zu berufen. Es bedarf, wie bei den anderen Eingriffen in Grundrechte, einer konkreten verfassungsrechtlichen Legitimation für die Einschränkung der Kontrolldichte. Eine Rechtfertigung für diese Einschränkung sehen das Verfassungsgericht und der Oberste Gerichtshof im Gewaltenteilungsprinzip93. Dieser Grundsatz räumt der Regierung einen weiten politischen Freiraum ein, um ihre verfassungsrechtlich gebotene Leitungsfunktion in der Innen- und 89 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 81. 90 So nunmehr auch offensichtlich S TC 19611990, vom 29. November, FJ. 5, in:
Rep. Ar. 1990/4, S. 570-580 (577f); S TS 22. Januar 1993 Ar. 457; Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 247; Garrido Falla, Tratado Bd. 1, S. 385.
91 Vgl. dazu S TS 6. Juli 1987 Ar. 5206 bezüglich der Auslieferung eines kolumbianischen Staatsbürgers. 92 Nach den fundierten Nachweisen bei Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 242f beginnt die Entwicklung schon 1984.
93 S TC 63/1983, vom 20. Juli, FJ. 7, in: JC 6, S. 326-342 (342) für die Gesetzesinitiative; S TC 19611990, vom 29. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 570-580 (577f); S TS 31. Oktober 1983; S TS 30. Juli 1987 Ar. 7706; vor allem aber S TS 6. November 1984 Ar. 5758: nun acto de Gobierno, este Tribunal no puede sustituirlo, ordenandole 10 que tiene que hacer, por respeto al principio de division de poderes, pieza clave den el edificio constitucional"; Embid lrujo, La justiciabilidad, S. 2703. Problematisch ist der Vorschlag von Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 998f, in der Abweisung von Klagen gegen eindeutig politische Akte eine Verletzung von Art. 24 Abs.l CE zu sehen, um die Gerichte zu zwingen, die Klagen als unbegründet und nicht als unzulässig abzuweisen.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
211
Außenpolitik effektiv auszuüben. Das Gericht sei nicht befugt, in diese Kernbereiche der demokratisch legitimierten Regierungs- und der Parlamentstätigkeit einzugreifen94 . Die Bestimmung der politischen Akte erfolgt daher nur nach funktionellen Gesichtspunkten, nicht hingegen wie bislang nach den politischen Beweggründen95 . Die Rechtfertigung durch das Gewaltenteilungsprinzip ist jedoch problematisch, da gerade dieser Grundsatz in Spanien lange den völligen Ausschluß der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle rechtfertigen sollte96 . Die Berufung auf die Gewaltenteilung wurde daher in späteren Entscheidungen präzisiert. Nun ist notwendig, daß der politische "Kernbereich" des Regierungshandeins, der einer gerichtlichen Kontrolle entzogen ist, ausdrücklich in einer Verfassungsbestimmung geregelt ist97 . Unkontrollierbare Regierungsakte98 können folglich nur diejenigen Handlungen der Regierung sein, die ihre Legitimation nicht durch einfachgesetzliches Verwaltungsrecht, sondern durch die Verfassung selbst erhalten; d.h. kontrollfrei sind nur solche Akte, in denen die Regierung als Verfassungsorgan handelt99 .
94
S TS 1. Dezember 1986 Ar. 7101; S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050.
S TS 30. Juli 1987 Ar. 7706: "Se trata, pues, de un acto politico incuestionable, de alta politica; no un simple acto provocado por un m6vil politico, 10 que es completamente distinto, sino de un acto politico por su naturaleza intrinseca"; Embid Irujo, La justiciabilidad, S. 2701. 96 Vgl. Gonzalez Navarro, EI control de la actuacion, S. 797ff., der in diesem Zusammenhang von der Gefahr der Mystifikation der Gewaltenteilung spricht. Vgl. auch die kritische Haltung von Schenke gegenüber gleichen Überlegungen in Deutschland: BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 225. 97 Ausdrücklich nunmehr S TS 15. Januar 1993 und S TS 22. Januar 1993: wiedergegeben bei Gonzalez Salinas, Dos nuevas resoluciones, S. 493ff. Schon ausdrücklich eine konkrete Verfassungslegitimation forderte: S TC 45/1990, vom 15. März, FI 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 532-545 (540); S TC 204/1992, vom 26. November, S TS 28. März 1985 Ar. 1505; S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050; Ansätze gehen schon auf S TC 63/1983, vom 20. Juli, FI 7, in: JC 6, S. 326-342 (342) zurück. Garcia de Enterria, Curso I, S. 561; Lopez Pina, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 45. 98 Unnötig ist daher die Differenzierung bei Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 235, der zwischen Ennessen (discrecionalidad) und politischen Freiräumen (politicidad) unterscheidet. 99 SO Z.B. die Handlungen des Generaldirektors der Polizei S TS 21. April 1987 Ar. 2986; des Leiter des Generalstabes der Annee S TS 25. Juni 1986 Ar. 3778; S TS1. Dezember 1986 Ar. 7101; S TS 25. Oktober 1990 Ar. 7972; S TS 24. Juli 1991 Ar. 7553; S TS 10. Dezember 1991 Ar. 9254; S TS 18. Januar 1993 wiedergegeben bei 95
14*
212
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Voraussetzung eines kontrollfreien Regierungsaktes ist zunächst, daß das Verfassungsorgan "Regierung" handelt 100 , d.h. nur Handlungen der Regierung (Consejo de MinisIros) als Ganzesl0l , nicht jedoch von einzelnen Ministern, die keine Verfassungs-, sondern ausschließlich Verwaltungsorgane sind, unterfallen diesem Begriffl02. Weiter bedarf es einer konkreten verfassungsrechtlichen Kompetenzzuweisung 103 : So zählen zu den politischen Regierungsakten die Handlungen der Regierung nach Art. 115 CE bei der Parlamentsauflösung 104 , nach Art. 109 CE bei parlamentarischen AnfragenlOS , nach Art. 87 und 88 CE bei Gesetzesinitiativen 106 , Ablehnung eines Antrags auf Volksentscheid 107 oder nach Art. 124 CE beim Vorschlag zur Wahl des Generalstaatsanwalts 108 . Auch gehört dazu die gesetzlich vorgesehene Anpassung der staatlich festgelegten Mieten 109 . Problematisch ist bei dieser Begriffsbestimmung die Anwendung der Generalklausel nach Art. 97 CE. Ihrzufolge lenkt die Regierung die Innen- und Außenpolitik, die zivile und die militärische Verwaltung und die Landesverteidigung. Hier prüft der Oberste Gerichtshof in jedem Einzelfall, ob die aus der GeneralklauseI entnommene Handlungskompetenz die Regierung als
Gonzälez Salinas, Dos nuevas resoluciones, S. 494-498; Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 231. 100 S TS 9. Juni 1987 Ar. 4018.
101 102 103 104
S TS 3. März 1986 Ar. 2305. S TS 3. März 1986 Ar. 2305. Saiz Arnaiz, Los actos politicos, S. 234; DeI Saz, Desarrollo, S. 191f.
So wurde z.B. das Recht des Ministerpräsidenten nach Art. 115 Abs. 1, die Parlamentsauflösung zu beantragen, als eine solche Handlung angesehen: S TS 24. September 1984 Ar. 4574, obwohl, wie Embid lrujo, La justiciabilidad, S. 2713 ausftlhrt, das Gericht nicht ausdrücklich von politischen Akten spricht. lOS S TS vom 9. Juni 1987 Ar. 4018 und S TS 15. November 1988 Ar. 8699; vgl. Sainz Moreno, Actos parlamentarios, S. 245ff.; anders hingegen in Deutschland, wo danach differenziert wird, ob die Anfrage in Verbindung mit Verwaltungsangelegenheiten erfolgt ist oder ob sie die leitenden Regierungsaufgaben betriffi: vgl. OVG Münster, U.v. 4.10.1966 - IIA 16/65 -, in: DVBl. 1967, S. 51 (52); BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 220.
106 S TS 1. Dezember 1986 Ar. 7101,25. Oktober 1990 Ar. 7972 und 10. Dezember 1991 Ar. 9254. 107 S TS 22. Januar 1993 Ar. 457.
108 S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050. 109 S TS 6. November 1984 Ar. 5758.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
213
Verfassungs- oder als VelWaltungsorgan ermächtigt110. KorrekteIWeise gehört zu den Handlungen der Regierung als Verfassungsorgan die Zuweisung von Haushaltsmitteln an bestimmte Bereiche der VelWaltung lll . So hielten der Oberste Gerichtshof und das Verfassungsgericht die Ablehnung eines Antrags der baskischen Anwaltskammer an die Regierung mit dem Ziel, die Haushaltsmittel im Bereich der JustizvelWaltung zu erhöhen, ftir gerichtlich nicht kontrollierbar112 . Weiter wurde die Festlegung des gesetzlichen Mindesteinkommens (sa/ario minimo interprofesional) als politischer Regierungsakt aufgrund des Art. 97 CE angesehen 113, da er Ausfluß der Kompetenz der Regierung zur allgemeinen Wirtschaftspolitik sei. Ebenso gehören dazu: die Abwertung der Währung 114 , das Unterlassen einer Enteignung 115 , die Festlegung des Sitzes einer Behörde anstelle des zuständigen, aber nicht handelnden Legislativorgans l16 . In der Rechtsprechung ist eine Tendenz erkennbar, die gerichtliche Kontrolle eines Regierungsaktes nicht mehr wie bisher nach Art. 2 b) LJCA in Gänze auszuschließen. Vielmehr wirkt sich die Qualifizierung als Regierungsakt insbesondere bei den Regierungsakten i.S.d. Art. 97 CE allein im Bereich der Kontrolldichte aus. Die Gerichte sind nicht befugt, ihre eigenen Bewertungen an Stelle der Bewertungen durch die daftir verfassungsrechtlich legitimierte Regierung zu setzen 117 . Hat daher die Verfassung oder hat der Gesetzgeber bei der Kompetenzregelung hinreichend konkrete rechtliche Kriterien geschaffen, werde trotz der Qualifizierung als "politischer Regierungsakt" die gerichtliche Kontrolle nicht verhindert. Dabei sei es gleichgültig, ob die Regierung hier als Verfassungs- oder als VelWaltungsorgan handelt, soweit sie in die Rechtsphäre des einzelnen eingreife. In diesem Fall trete das Gewaltenteilungsprinzip hinsichtlich der gebundenen Elemente des Aktes der Regie-
110 Saiz Amaiz, Los actos politicos, S. 236. S TS 2. Oktober 1987 Ar. 6688. 112 S TC 45/1990, vom 15. März, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 532-545 (540) wobei das Gericht zutreffend auf den reinen Petitionscharakter verweist, vgl. Besprechung von Cano Mata, Admision por el Tribunal Constitucional, S. 557fI sowie Embid Irujo, Lajusticiabilidad, S. 2715 Fn. 31 bis. 113 S TS 24. Juli 1991 Ar. 7553. 114 S TS 29. Januar 1982 Ar. 235 115 S TS 31. Oktober 1983 Ar. 5294. 116 S TS 30. Juli 1987 Ar. 7706. 117 Vgl. in Deutschland hierzu BVerfGE 49,89 (136); 61, 82 (115). III
214
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
rung hinter die Rechtsschutzgarantie zurück 118 . Beispielhaft war die verwaltungsgerichtliche Überprüfung eines Wahlvorschlags der Regierung nach Art. 124 Abs. 4 CE für die Neubesetzung des Amtes des Generalstaatsanwalts (Fiscal General dei Estado). Diese Kompetenz ist zwar ausdrücklich der Regierung übertragen und zählt daher zu den unkontrollierbaren Regierungsakten. Der Oberste Gerichtshof prüfte jedoch, ob die normativ festgelegten Voraussetzungen des Bewerbers für die Wahl zum Generalstaatsanwalt gebundene Elemente enthalten. Nach Art. 29 Abs. 1 Organstatuts der Staatsanwaltschaft (Estatuto Orgtmico dei Ministerio Fiscal)119 muß der Bewerber ein hohes Ansehen in der Fachwelt genießen und mindestens 15 Jahre als Staatsanwalt tätig gewesen sein. Insbesondere das letzte Kriterium ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes gerichtlich überprüfbar, so daß eine pauschale Ablehnung der Kontrolle nach Art. 2 b) LJCA gegen die Rechtsschutzgarantie verstößt l20 . Allerdings liegt dieser Fall nach Aussage des Obersten Gerichtshofs an der Grenze des Kontrollierbaren 121 . An diesem Fall ist die Rechtsnatur der Regierungsakte ablesbar. Es war in Spanien wie auch in Deutschland 122 strittig, ob es sich bei den Regierungsakten um eine eigenständige Handlungsform der Regierung handelt 123 oder um besonders umfangreiche Ermessensakte eines exekutiven Organs l24 . Die letzten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zeigen, daß politische Regierungsakte in Spanien besondere Ermessensakte und somit "Verwaltungsmaßnahmen" sind. Daher obliegt den Gerichten aufgrund der Rechtsschutzgarantie die Kontrolle der Regierungsakte, soweit rechtliche Kriterien die Regierung binden und damit ihren Freiraum einschränken 125 .
118 S TS 28. November 1980 Ar. 4840; S TS 15. Januar 1993 und S TS 22. Januar 1993: wiedergegeben bei Gonzalez Salinas, Dos nuevas resoluciones, S. 493ff 119 Gesetz 50/1981, vom 30. Dezember (BOE Nr. 11, vom 13. Januar 1982).
120 S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050. 121 Vgl. dazu das Sondervotum des Richters Merenilla Rodriguez zu S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050. 122 Vgl. die Darstellung bei EyermannlFröhler, VwGO, § 42 Rdnr. 71. 123 Baena del Alcazar, Los actos politicos, S. 112f. 124 Carro, La doctrina del acto politico, S. 73ff; Saiz Arnaiz, Los actos politicos,
S.247
125 L6pez Ram6n, Reflexiones sobre el limbito, S. 122.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
215
Die Qualifizierung der Regierungsakte als besondere Verwaltungsmaßnahmen wirft die Frage auf, ob Art. 2 lit. b) LJCA noch wirksam ist l26 . In den letzten Jahren hat der Oberste Gerichtshof diese Bestimmung immer seltener angewandt l27 , sie jedoch nicht für verfassungswidrig erklärt, wie z.T. von der Lehre gefordert 128 . Die Qualifizierung einer Maßnahme als politischer Regierungsakt verhindert nach neuerer Rechtsprechung nicht die Kontrolle, sondern beschränkt sie nur. Art. 2 b) LJCA dient daher allein als positivrechtlicher Ansatzpunkt für diese Beschränkung129 . cc) Die Verwaltungsorgane innerhalb der Regierung Bei den anderen Verwaltungsorganen innerhalb der Regierung ist die gerichtliche Kontrolle unbeschränkt. Hierzu zählen der Ministerpräsident, die Kabinettsausschüsse sowie die Ministerien. Art. 98 Abs. 2 CE legt fest, daß der Ministerpräsident die Tätigkeit der Regierung leitet und die Funktionen der weiteren Regierungsmitglieder koordiniert. Seine Kompetenzen sind in Art. 13 LRJAE geregelt, wobei insbesondere Abs. 8 von Bedeutung ist. Danach überwacht der Ministerpräsident die Auswahl, Ausbildung und Weiterbildung der Staatsverwaltung. Jedoch ist diese Aufgabe nunmehr weitestgehend dem Ministerium für die Öffentliche Verwaltung übertragen worden, so daß die Bedeutung des Ministerpräsidenten als Verwaltungsorgan sehr gering ist 130 . Die Kabinettsausschüsse, die in Art. 11 LRJAE geregelt sind, koordinieren die Arbeit der Ministerien, soweit sich ihre Kompetenzen überschneiden l31 .
126 Garcia de Entenia, Curso I, S. 562 hält sie ftlr aufgehoben. 127 S TS 31. Oktober 1983 und 25. Oktober 1990 Ar. 7972; vgl. die Nachweise bei Embid Irujo, Lajusticiabilidad, S. 2713. 128 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 998. 129 Noch heute wird darauf gelegentlich zurückgegriffen, um zu belegen, daß es sich bei den dort genannten Fällen nicht um abschließende Fälle handelt: S TS 9. März 1985 Ar. 1501; 1. Dezember 1992; 130 Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 314. 131 Es bestehen zur Zeit elf Kabinettsausschüsse: Für die Nationale Verteidigung (Art. 9 LO 6/1980, vom 1. Juli), ftlr Wirtschaftsfragen, ftlr Transport und Verkehr, ftlr Kultur, ftlr Gesundheits- und Sozialwesen (Art. 6 LRJAE), ftlr Wissenschaftspolitik (Dekret vom 25.04.1963), ftlr Umweltschutz (Dekret vom 13. April 1972), ftlr Außenpolitik (Dekret 2192/1979 vom 14.08.1979), ftlr die Öffentliche Verwaltung (Dekret vom 18. Juli 1980), ftlr die Autonorniepolitik (Dekret 2237/1980 vom 26. September 1980) sowie ftlr Krisensituationen (Dekret 2639/1986 vom 30. Dezember 1986); Art.
216
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfaluen
Im Zentrum der Staatsverwaltung stehen die Ministerien, die in Art. 3 LRJAE bzw. Art. 1 ff. Ley 10/1983 geregelt sind 132 . Den Ministerien steht nach Art. 8 Abs. 1 LRJAE der Minister vor, dem dann in hierarchischer Reihenfolge als eigenständige Organe die Staatssekretäre (Secretarios de Estado), die Untersekretäre (Subsecretarios) nach Art. 15 LRJAE und die Generalsekretäre im Rang eines Untersekretärs (Art. 19 LRJAE) folgen. Diesen unterstehen die Generaldirektoren (Directores Generales) nach Art. 16 LRJAE und die technischen Generalsekretäre (Secretarios Generales Tecnicos) nach Art. 19 LRJAE. Eine eigenständige Funktion haben abschließend noch die Generaluntersekretäre (Subsecretarios Generales) und die Generalsekretäre (Secretarios Generales). dd) Die Vertretung der Staatsverwaltung in den autonomen Gemeinschaften, den Provinzen und den Gemeinden Ebenso ist das gesamte administrative Handeln der Verwaltungsorgane der Staatsverwaltung kontrollierbar, die zur besseren Ausübung der Aufgaben in den autonomen Gemeinschaften, den Provinzen und den Gemeinden geschaffen worden sind. Diese Vertretungen sind organisatorisch selbständig und können daher auch Verwaltungsmaßnahmen i.S.d. Art. 106 Abs. 1 CE treffen. Auf der Ebene der autonomen Gemeinschaften leitet der Regierungsdelegierte (Delegado de Gobierno) nach Art. 154 CE die Staatsverwaltung und pflegt die Beziehung zur Verwaltung der autonomen Gemeinschaft 133 . Diesem unter-
23 Abs. 2 LRJAE bestimmt zwar, daß ihre administrativen Handlungen in Fonn von Ordenes verabschiedet werden, doch stellt Art. 25 Abs. 2 LRJAE wiederum fest, daß sie als Ordenes de Ministro, als Ministerverordnung, erlassen werden, was auch in der Praxis bis heute der Fall ist: Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 318. 132 Nach dem Königlichen Dekret Nr. 907/1994, vom 5. Mai, de reestructuraci6n de Departamentos ministeriales (BOE Nr. 108, vom 6. Mai) bestehen zur Zeit folgende Ministerien: Ministerium ftlr Auswärtige Angelegenheiten, ftlr Justiz und Inneres, für Verteidigung, fUr Wirtschaft und Finanzen, ftlr Öffentliche Bauten, Transport und Umweltschutz, für Erziehung und Wissenschaft, für Arbeit und soziale Sicherheit, für Industrie und Energie, ftlr Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung, für die Öffentliche Verwaltung, für Kultur, fiir Gesundheitswesen und Konsum, fiir soziale Angelegenheiten, für Handel und Tourismus sowie das Präsidialamt. 133 Art. 6 Gesetz 17/1983, vom 16. November (BOE Nr. 283, vom 26. November); vgl. auch die umfassende Studie zum Verhältnis der nationalen und der autonomen Verwaltungen sowie zum "Delegado de Gobiemo" von Quiroga de Abarca, Jose Maria, Centralizaciön y descentralizaciön administrativas y delegado dei Gobierno, Madrid 1994.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
217
stehen auf Provinzebene die Zivilgouverneure (Gobernadores Civiles)134 . Sie vertreten die gesamte Staatsverwaltung in der Provinz. Besteht die autonome Region nur aus einer Provinz 13S , übt der Regierungsdelegierte die Funktionen des Zivilgouverneurs aus 136 . Schließlich bestehen auf lokaler Ebene eigene Organe der Zentralverwaltung137 . b) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle sonstiger Verwaltungsorgane Art. 2 Abs. 2 LJCA sah eine Kontrolle der Verwaltung der autonomen Gemeinschaften nicht vor. Das ist darauf zuriickzufiihren, daß zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes die autonomen Regionen noch nicht geschaffen worden waren. Aufgrund der neuen territorialen Struktur und damit der neuen Verwaltungsorganisation entspricht Art. 2 Abs. 2 LJCA nicht mehr der Rechtsschutzgarantie 138 . Der Gesetzgeber hat - statt die Regelung in der LJCA zu ergänzen - ein eigenes Gesetz, Ley 34/1981, erlassen, um der Rechtsschutzgarantie zu entsprechen 139 . Hierzu war er auch aus Art. 153 c) CE verpflichtet, wonach das Verwaltungshandeln der autonomen Regionen der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegtl40 .
134 Königliches Dekret 3177/1980, vom 22. Dezember, Estatuto de los Gobemadores Civiles (BOE vom 2. März 1981); sie stehen gleichrangig neben den Gobemadores Militares, die die Militärverwaltung aufProvinzebene leiten. 13S Das ist der Fall in den Autonomen Gemeinschaften: Asturias, Cantabria, La Rioja, Madrid, Murcia, Navarra. 136 Art. 11 Gesetz 17/1983, vom 16. November (BOE Nr. 283, vom 26. November). 137 Dazu gehören beispielsweise der Präsident der Gerichte (Juzgados), die Generalkommandatur (Comandantes Generales) in den Küstengemeinden, die Staatsbeauftragte für den Handel (Delegados de Comercio). 138 Palomar Olmeda, Aspectos orgänicos, S. 438.
139 Art. 1 des Gesetzes 34/1981 vom 5. Oktober: "A todos los efectos a que se refiere la vigente Ley reguladora de la Jurisdiccion Contencioso-administrativa. se entendera como Administracion Publica la Administracion de las Comunidades Autonomas. Las Entidades sometidas a la tutela de estas Comunidades tendrtin igual consideracion".
140 Vgl. auch Art. 1 des Gesetzes 34/1981 vom 5. Oktober 1981 (BOE Nr. 250, vom 19. Oktober) sowie Garcia de Enterria, Curso I, S. 35; und eben nicht einer Aufsichtskontrolle durch die Zentralregierung S TC 149/1991, vom 4. Juli FJ. 7 Ac), in: Rep. Ar. 1991/3, S. 108-242 (219); Martin-Retortillo Baquer, L., Justicia administrativa, S. 57.
218
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Durch welche Organe handelt aber die Verwaltung der autonomen Region i.S.d. Art. 153 c) i.V.m. Art. 106 Abs. 1 CE? Nach Art. 152 Abs. 1 Satz 1 "stützt sich die institutionelle Organisation, die im Autonomiestatut geregelt wird, u.a. auf einen Ministerrat mit exekutiven und administrativen Aufgaben". In sämtlichen autonomen Regionen hat sich ein solcher Ministerrat konstituiert. Im Zuge dessen sind eine Reihe von Ministerien gegründet worden, die selbständig die administrativen Aufgaben der autonomen Regionen ausüben 141 .
141 Die dazugehörigen Verfahrensgesetze sind: Im Baskenland: Gesetz 711981 de Gobiemo vom 30. Juni 1981, sobre Ley de Gobiemo; in Katalonien: Gesetz 311982, vom 23. März und Gesetz 811985, vom 24. Mai, dei Parlamento, Presidente y Consejo Ejecutivo, Gesetz 25. Februar 1981 und Gesetz 25. Juni 1985 sobre el Consejo Ejecutivo, Gesetz 13/1989, vom 14. Dezember, de organizacion, procedimiento y regimen juridico de la Generalidad de Cataluifa; in Galizien: Gesetz 111983, vom 22. Februar, reguladora de la Junta y de su Presidente (geändert durch Gesetz 1111988, vom 20. Oktober); in Andalusien: Gesetz 6/1983, vom 21. Juli, de Gobiemo y Administracion de la Comunidad Autonoma (geändert durch Gesetz 111990, vom 30. Januar); Asturien: Gesetz 111982, vom 24. Mai, de Organizacion y Funcionamiento de la Administracion dei Principado de Asturias, und Gesetz 611984, vom 5. Juli, dei Presidente y dei Consejo de Gobiemo dei Principado de Asturias; in Kantabrien: Gesetz 311984, vom 26. April, de Regimen Juridico dei Gobiemo y de la Administracion de la Diputacion Regional de Cantabria (Geändert durch Gesetz 211989, vom 20. März); in La Rioja: Gesetz 411983, vom 29. Dezember, reguladora dei Presidente y dei Consejo de Gobiemo de la Comunidad Autonoma de La Rioja; in Murcia: Gesetz 111988, vom 7. Januar, dei Presidente, dei Consejo de Gobiemo y de la Administracion de la Comunidad Autonoma de la Region de Murcia; in Comunidad Valenciana: Gesetz 511983 vom 30. Dezember dei Gobiemo Valenciano (geändert durch Gesetz 811990, vom 27. Dezember); in Castilla-La Mancha: Gesetz 311984, vom 25. April, sobre Regimen Juridico dei Gobiemo y de la Administracion de la Junta de Comunidades de Castilla-La Mancha; auf den Kanarischen Inseln: Gesetz 111983, vom 14. April, dei Gobiemo y la Administracion Publica de la Comunidad Autonoma sowie Gesetz 8/1986, de Regimen Juridico de las Admininistraciones publicas de Canarias (geändert Gesetz 1411990 vom 26. Juli); in Navarra: Foralgesetz 2311983, vom 11. April, dei Gobiemo y de la Administracion de la Comunidad Foral de Navarra; in Extremadura: Gesetz 7. Juni 1984, dei Consejo de Gobiemo y de la Administracion de la Comunidad Autonoma de Extremadura; in Madrid: Gesetz 111983, vom 13. Dezember, dei Gobiemo y Administracion de la Comunidad de Madrid (geändert durch Gesetz 6/1989, vom 6. April, durch Gesetz 9/1990, vom 8. November und durch Gesetz 7/1993, vom 22. Juni); in Castilla-Le6n: Decreto Legislativo 111988, vom 21. Juli, beschließt das Gesetz dei Gobiemo y de la Administracion de la Comunidad de Castilla y Leon; in Balearen: Gesetz vom 24. Oktober 1984, de Regimen Juridico de la Administracion de la Comunidad Autonoma de las Islas Baleares; in Aragon: Gesetz 3/1984, vom 22. Juni, dei Presidente de la Diputacion General y de la Administracion de la Comunidad Autonoma de Aragon (geändert durch Gesetz 3/1993, vom 15. März).
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
219
Auf kommunaler Ebene obliegt nach Art. 140 CE die politische und adrninistrative Tätigkeit den jeweiligen Gemeindevertretungen, die sich aus den Bürgermeistern und den Gemeinderäten zusammensetzen l42 . Schließlich ist noch die Provinz zu nennen, die nach Art. 121 Abs. 1 CE ein eigenes Rechtssubjekt ist. Die Verwaltungsorgane der Provinzen sind die Diputaciones, die sich aus einem Plenum und dem Präsidenten zusammensetzen. Das Plenum setzt sich aus gewählten Gemeindevertretern zusammen, die nach Art. 32 LBRL im Verhältnis zur Bedeutung ihrer Partei in der Provinz anteilmäßig ernannt werden 143 . Organe der mittelbaren Staatsverwaltung waren schon in vorkonstitutioneller Zeit bekannt. So rechnet Art. 1 Abs. 2 c) LJCA öffentlich-rechtliche Körperschaften und Institutionen, die einer besonderen Aufsicht des Staates unterliegen, zur verwaltungsgerichtlich kontrollierbaren öffentlichen Verwaltung. Ihre Zahl und damit die Zuständigkeiten der Gerichte ist jedoch durch die Verfassung wesentlich erhöht worden. Die mittelbare Staatsverwaltung setzt sich auf zentralstaatlicher, regionaler und kommunaler Ebene aus öffentlich-rechtlichen Personalverbände, d.h. Organismos aut6nomos 144 und Corporaciones l4S , und Zweckverbänden (Consorcios)146 zusammen. Schließlich 142 Die Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ist derart ausgeprägt, daß sie in keinem hierarchischen Verhältnis zu anderen Körperschaften steht. Daher ist die verwaltungsgerichtliche Klage das einzige Mittel der Autonomen Gemeinschaft/Provinz, um gegen eine rechtswidrige Maßnahme der Gemeinde vorzugehen: Lopez Nieto, La administracion, S. 115. Zur Selbstverwaltungsgarantie vgl. umfassend Pielow, Autonomia Local, S.79ff. 143 Vgl. hierzu weiterhin Parada Vazquez, Derecho Administrativo IIIl, S. 193.
144 Art. 2 Gesetz vom 26. Dezember 1958, de Entidades Estatales Autonomas (BOE 5. Januar 1959) definiert sie als "Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die durch Gesetz geschaffen und mit eigener Rechtspersönlichkeit und eigenem Vermögen, das getrennt ist vom Staatsvermögen, ausgestattet sind, und denen im Hinblick auf die Dezentralisierung der Organisation und der Verwaltung einer öffentlichen Dienstleistung und den dieser zugrundeliegenden Mittel, zum einen die Erfilllung von wirtschaftlichen Angelegenheiten zu uneigennützigem Zwecke übertragen worden ist, zum anderen die Verwaltung von bestimmten Staatsgütern, seien sie privates oder öffentliches Eigentum des Staates". In der Rechtswirklichkeit spielen diese Körperschaften, die zumeist die Bezeichnung Instituto tragen, eine wichtige Rolle: So z.B. der Instituto Nacional de La Seguridad Social, Instituto Nacional para La Reforma y Desarrollo Agrario, Instituto Nacional de Industria, Instituto de Turismo de Espaifa. 145 Sie sind Zusammenschlüsse von Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels im öffentlichen Interesse, sind mit eigenen Mitteln, mit administrativen Vollmachten ausgestattet und meist als Zwangsverbände ausgestaltet. Zu diesen Körperschaften zählen beispielsweise die Berufskammern oder die Handelskammern. Sie
220
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
zählen zur Venvaltung noch die Organe, die direkt durch den Gesetzgeber geschaffen werden, die sogenannte "unabhängige Venvaltung" (Administraciones independientes)147 .
Darüber hinaus sind auch Privatpersonen sowie privatrechtliche Vereine Venvaltungsorgane (vgl. Art. 28 Abs. 4 b) LJCA), soweit sie eigenständig im Auftrag der Venvaltung handeln l48 . Auch bei diesen Venvaltungsorganen ist die gerichtliche Kontrolle unbeschränkt.
unterstehen einem konkreten Ministerium: Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 391. 146 Consorcios sind ein Zusammenschluß von zwei oder mehreren Personen, von denen zumindest eine ein Verwaltungsorgan ist, um ein Werk zu realisieren, um eine Dienstleistung anzubieten oder um ein öffentliches Interesse zu befriedigen: Boquera Oliver, Derecho Administrativo I, S. 392. 147 Aus vorkonstitutioneller Zeit stammend, zählen hierzu die Königlichen Akademien (Reales Academias) sowie die Wasserverbände (Confederaciones Hidrograficas). Nunmehr sieht die Verfassung weitere unabhängige Verwaltungen vor, wie z.B. die Universitäten (Art. 27 Abs. 10 CE) und damit verbunden der Universitätenrat (Consejo de Universidades), geregelt durch Art. 23 und 24 Organgesetz 1111983, vom 25. August, de Reforma Universitaria (BOE Nr. 209, vom 1. September); der Rat fiIr die Jugend Spaniens nach Art. 48 CE (Consejo de la Juventud de Espaffa), geregelt Gesetz 1811983, vom 16. November, de creacion dei Consejo de la Juventud de Espaffa (BOE Nr. 283, vom 26. November); sowie den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender (Radiotelevision Espaifola,RTVE) nach Art. 20 Abs. 3 CE, geregelt in Gesetz 411980 , vom 10. Januar, Estatuto de la Radio y Television (BOE Nr. 11, vom 12. Januar); daneben sind andere unabhängige Verwaltungen gegründet worden, wie z.B. der Rat fiIr Nukleare Sicherheit (Consejo de Seguridad Nuc1ear), geregelt in Gesetz 15/1980, vom 22. April, de creacion dei Consejo de Seguridad Nuc1ear, das Wahlamt (Administracion Electoral), geregelt in Organgesetz 5/1985, vom 19. Juni, dei Regimen Electoral General (BOE Nr. 147, vom 20. Juni, berichtigt BOE Nr. 17, vom 20. Januar 1986); die spanische Nationalbank (Baneo de Espaifa), geregelt in Gesetz 30/1980, vom 21. Juni; die Nationale Kommision filr den Wertpapiermarkt (Comision Nacional dei Mercado de Valores), geregelt in Gesetz 1611989, vom 17. Juli. 148 Garcia de Enterria, Curso I, S.40; Dazu gehören beispielsweise die privatrechtlichen Gesellschaften in dem in Spanien wichtigen Bereich der öffentlichrechtlichen Pläne zur Errichtung von Wohnraum; diese Gesellschaften werden mit der Realisierung der Pläne betraut: So z.B. die "Sociedad Estatal de Gestion para la Construccion y Rehabilitacion de Viviendas, S.A."; vgl. fiIr weitere Beispiele Garrido Falla/Femandez Pastrana, LJRPA, S. 87.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
221
4. Die Kontrolle der Organe anderer Staatsgewalten Vor dem Hintergrund der Rechtsschutzgarantie ist in Spanien ein Streit darüber entbrannt, ob der Begriff des Verwaltungsorgans im Sinne des Art. 106 Abs. 1 CE und der LJCA auf die Organe der exekutiven Gewalt beschränkt ist oder ob er funktionell alle Organe der öffentlichen Gewalt erfaßt, die administrative Aufgaben ausfUhren. Lehre und Rechtsprechung gehen weiterhin vom traditionellen Konzept der Verwaltung als einheitliches Organ aus. Danach ist die öffentliche Verwaltung die Gesamtheit der Subjekte des öffentlichen Rechts, die eine eigene Rechtspersönlichkeit haben und die durch die Verfassung oder durch einfache Gesetzesregelung mit umfassender Kompetenz ausgestattet sind zur Erreichung ihrer dort genannten Ziele l49 . Bei diesen Subjekten handelt es sich ausschließlich um Organe der exekutiven Gewalt l50 . Dem entspricht auch Art. 24 Satz 1 LOPJ, wonach die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist rur Streitigkeiten, die sich aus "Handlungen der Öffentlichen Verwaltung Spaniens (Administraciones Publicas espanolas)" ergeben i51 . Folglich können nach dieser Lehre Organe anderer Staatsgewalten keine Verwaltungsmaßnahmen i.e.S. vornehmen. Das bedeutet jedoch nicht, daß diese Maßnahmen gerichtlich nicht kontrolliert werden können. Vielmehr ist dafiir eine besondere gesetzliche Ermächtigung notwendig; diese ist auch als Generalklausel in Art. 24 Satz 2 LOPJI52 sowie in anderen Bestimmungen der LOPJ (z.B. Art. 58 Nr. 1 LOPJ) enthalten. Weil hoheitliche Akte möglicherweise unkontrollierbar bleiben, wenn eine Ermächtigung fehlt, wendet sich eine neuere Ansicht gegen die rein formalsubjektive Konzeption des Begriffs "Verwaltungsorgan". Nach dieser, insbesondere von Delgado Barrio 153 , Guaita Martorell l54 , GonzaIez Navarro l55 149 Garcia-Torres Entrala, Administracion Publica, S. 17. 150 S TC 311982, vom 8. Februar FJ. 2 A) in: JC 3, S. 42-50 (47); Garcia de Enter-
ria, Curso I, S. 36; Gonzalez Rivas, Reflexiones, S. 244; Pera Verdaguer, Comentario, S. 28f.; Entrena Cuesta, Curso 111, S. 33.
151 Vgl. dazu Garcia de Enterria, Curso 11, S. 561. 152 Art. 24 Satz 2 LOPJ: "Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist im Einklang mit den
gesetzlichen Vorgaben auch für Streitigkeiten zuständig, die sich aus Handlungen der anderen Gewalten ergeben".
153 Delgado Barrio, Regimenjuridico, S. 839ff. und 851ff. 154 Guaita Martorell, Los actos administrativos, S. 249ff. 155 Gonzalez Navarro, EI control de la actuacion, S. 793ff.
222
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
und Garrido Falla 1S6 vertretenen funktionellen Sicht ist ausschlaggebend, ob das handelnde Organ "administrative Funktionen" ausübt. Danach können auch Organe anderer Staatsgewalten Verwaltung im Sinne der LJCA sein und durch die Verwaltungsgerichte kontrolliert werden. Diese Konzeption des Verwaltungsorgans entspricht dem in § 1 Abs. 4 VwVfG genannten Begriff der "Behörde". Einer besonderen Ermächtigung bedarf diese Kontrolle nicht; Art. 24 Abs. 2 LOPJ hat dann allein deklaratorischen Charakter. Der traditionellen Ansicht gelingt zwar eine klare Zuordnung, doch widerspricht ihr Ergebnis der Rechtsschutzgarantie. Diese fordert, Handlungen der öffentlichen Gewalt umfassend zu kontrollieren, soweit durch diese subjektive Rechte oder legitime Interessen der Bürger verletzt werden. Für die Kontrolle ist daher nicht das handelnde Organ entscheidend, sondern seine Handlung; somit ist eine funktionelle Betrachtung maßgeblich. Dem widerspricht auch nicht Art. 106 Abs. 1 CE, vielmehr bestätigt er diese Ansicht. Danach ist die Kontrolle nicht auf die Handlungen der Verwaltung beschränkt, sondern sie erstreckt sich auf das gesamte administrative Handeln (actuaci6n administrativa). Zur Verwaltung i.S. des Art. 1 Abs. 1 LJCA gehören demnach die Organe der exekutiven Gewalt, soweit sie hoheitlich tätig werden sowie die Organe der anderen Staatsgewalten, soweit sie administrative Funktionen ausüben. a) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Legislativorgane aa) Die Kontrolle legislativer Handlungen
Ebensowenig wie Art. 19 Abs. 4 GG157 erfaßt auch Art. 24 Abs. 1 CE i. Y.m. Art. 106 Abs. 1 CE die Gesetzgebung. Aus Art. 106 Abs. 1 CE folgt, daß nur die "administrative Funktion" der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterstellt ist, nicht hingegen die Legislative. Das bedeutet jedoch nicht, daß den ordentlichen Gerichten verboten sei, die Verfassungsmäßigkeit der von ihnen angewandten Gesetze zu überprüfen. Wie oben dargelegt, verpflichtet Art. 24 Abs. 1 CE die Gerichte, nur verfassungsmäßige Gesetze anzuwenden l58 . Sie dürfen jedoch nicht einfach von der Anwendung der Norm absehen, soweit sie diese für verfassungswidrig erachten; vielmehr müssen sie die Frage der Verfassungsmäßigkeit nach Art. 163 CE i.Y.m. Art. 35 ff. LOTC IS6 Garrido Falla, Reflexiones, S. 61f.; ebenso in Garrido Fallal Fermindez Pastrana, Regimen juridico, S. 30f. 157 BVerfGE 24,33 (49); 24, 367 (401); 25, 352 (365); 45, 297 (334); Krebs, in: v. Münch, Art. 19 GG, Rdnr. 56. 158 Siehe S. 194ff.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
223
dem Verfassungsgericht voriegen 1S9 . Dieses Verwerfungsmonopol des Verfassungsgerichts ist jedoch - wie bei Art. 100 Abs. 1 GG - auf nachkonstitutionelles Recht beschränkt l60 . Das Prüfungsrecht der Gerichte ist hinsichtlich der Rechtsverordnungen (Decretos legislativos) sogar ausdrücklich in Art. 82 Abs. 6 CE161 , hinsichtlich der Umsetzung der nationalen Rahmengesetze durch die Autonomen Regionen nach Art. 150 Abs. 1 Satz 2 CE vorgesehen l62 . Für die Rechtssetzung der autonomen Gemeinschaften ist nunmehr gefestigte Rechtsprechung, daß nur die Bestimmungen ohne Gesetzesrang von der Verwaltungsgerichtsbarkeit kontrolliert werden dürfen 163 . Dies folgt im Umkehrschluß aus Art. 153 a) CE, wonach die Verfassungsmäßigkeit einer regionalen Bestimmung mit Gesetzeswirkung vom Verfassungsgericht kontrolliert wird 164. bb) Die Kontrolle administrativer Handlungen Verwaltungsgerichte können auch das administrative Handeln der legislativen Organe im Bereich ihrer Selbstverwaltung kontrollieren 165 . Bei Personalfragen und bei Verwaltungsmaßnahmen mit Außenwirkung (Ausweisung von Besuchern aus dem Sitzungssaal) ist das unproblematisch 166 . Dem entspricht die gesetzliche Regelung. Gemäß Art. 58 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 c) LOPJ sind der Oberste Gerichtshof rur die Kontrolle der Maßnahmen der nationalen Legislativorgane und die Hohen Gerichtshöfe rur die der autonomen Regionen 159 Soriano, Los poderes del Juez, S. 73. 160 Ständige Rechtsprechung des Verfassungsgericht seit S TC 4/1981, vom 2. Februar, FJ. 1, in: JC 1, S. 31-61 (39). 161 Soriano, Los poderes deI Juez, S.76; ebenso Garcia de Enterria, Curso I, S. 283f. mit Nachweisen aus der Verfassungsrechtsprechung. 162 Soriano, Los poderes deI Juez, S. 77f. Die Rahmengesetzgebung spielt jedoch in Spanien eine untergeordnete Rolle. 163 TS 15. Dezember 1989 Ar. 2901 (im Jahrband 1990). 164 Problematisch ist weiterhin die Einordnung der Decretos legislativos, den Verordnungsermächtigungen, soweit die Verordnung nicht dem Ermächtigungsgesetz entspricht: vgl. Gonzalez Perez, Manual, S. 98. 165 S TC 11811988, vom 20. Juni FJ. 2, in: JC 21, S. 311-338 (333); Quintana L6pez, EI control jurisdiccional, S. 2096f.; Soriano, EI enjuiciamiento contencioso, S. 217; Embid Irujo, Lajusticiabilidad, S. 2718 und S. 2724f. 166 Vgl. Art. 35 Abs. 3 des Statuts über das Personal der Cortes Generales vom 23. Juni 1983, sowie dann Art. 58 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 c) LOPJ; vgl. dazu Punset Blanco, Jurisdicci6n constitucional, S. 111f.
224
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
auf dem Gebiet der Verwaltungs- und des Personalwesens zuständig l67 . Eine solche Kontrolle findet auch praktisch statt 168 . Ob jedoch darüber hinaus ein administratives Handeln, das nur mittelbar Außenwirkung hat, gerichtlich kontrolliert werden kann, ist unklar 169 . So hat der Oberste Gerichtshof den Beschluß über den Sitz der Hauptstadt der autonomen Region Castilla-Le6n in einer Entscheidung als politischen Akt170, in einer anderen jedoch als kontrollierbare administrative Maßnahme gewertet 171 . Neben der Verwaltungstätigkeit des Parlaments müssen aufgrund der Rechtsschutzgarantie auch die administrativen Handlungen anderer, der legislativen Gewalt zugeordneter Organe gerichtlich kontrolliert werden können. Dazu gehört insbesondere der Rechnungshof (Tribunal de Cuentas)l72 . b) Die Kontrolle der Organe der judikativen Gewalt Für die richterliche Gewalt in Spanien gilt zunächst das oben Gesagte 173 . Art. 106 Abs. 1 CE nennt allein die administrative Gewalt, so daß die richter-
167 Auto 18. Februar 1987 Ar. 3210; Punset Blanco, Jurisdicci6n constitucional, S. 114f. 168 S TC 139/1988, vom 8. Juli 1988, FI. 3, in: JC 21, S. 504-517 (516); S TC 196/1990, vom 29. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 570-580 (577f.); S TS 24. April 1984, kritisch dazu Soriano, EI enjuiciamiento contencioso, S. 213fT.; weiterhin 10. Oktober 1989; insbesondere zum Personalbereich S TS 21. Januar 1986 Ar. 417. 169 In S TS 24. April 1984 Ar. 2009 hat der Oberste Gerichtshof einen Beschluß des Parlamentes von Navarra filr nichtig erklärt, der den Rücktritt des Präsidenten forderte. Begründet wurde dieses jedoch mit der damals noch mangelnden Kompetenz des Parlamentes, da der Präsident direkt gewählt worden war und eben nicht durch das Parlament; zutrefTend gegen eine Verallgemeinerung dieser Entscheidung, die auf einer Besonderheit des damaligen Status von Navarra beruhte: Quintana L6pez, EI control jurisdiccional, S. 2099f.; Vgl. S Audiencia Territorial Pamplona vom 18. März 1983, die sich bezüglich der Feststellung der Parlamentariereigenschaft von ft1nf Abgeordneten filr unzuständig erklärte: Wiedergegeben bei Pulido Quecedo, M.: EI control contencioso-administrativo, S. 573fT.; Soriano, EI enjuiciamiento contencioso, S.216.
170 S TS 18. Februar 1987 Ar. 3210; vgl. die Besprechung bei Sainz Moreno, Actos parlamentarios, S. 241 ff. 171 S TS 30. Juli 1987 Ar. 7706
172 Gonzalez Navarro, EI control de la actuaci6n, S. 785fT. 173 Siehe S. 221.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
225
liehe (ebenso wie die deutsche in Art. 19 Abs. 4 GG174) nicht zur "öffentlichen" bzw. "administrativen" Gewalt zählt. Andernfalls könnte wegen immer wieder möglicher Rechtsmittel keine Rechtskraft von Urteilen eintreten. Das gilt jedoch nur :für Handlungen der Gerichte in Ausübung judikativer Gewalt. Zu den Gerichten zählen nach Auffassung des Verfassungsgerichts auch die Organe, die eine gerichtliche Struktur haben und die ihrem Zweck und ihrem Aufbau nach einem Justizorgan entsprechen, wie z.B. die Wahlbehörden (Juntas Electorales)17S . Verwaltungsentscheidungen dieser Organe können gerichtlich überprüft werden. Dies ist insbesondere fiir administrative Handlungen des Verfassungsgerichts geregelt; die Regelung ist auf alle anderen Gerichte übertragbar 176 . Nach Art. 99 Abs. 3 LOTC sind die Maßnahmen des Generalsekretärs des Verfassungsgerichts im Personalwesen verwaltungsgerichtlich anfechtbar 177 . Ebenso können nach Art. 143 Abs. 2 LOPJ die Beschlüsse des Plenums des Generalrates der Rechtsprechenden Gewalt einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugefiihrt werden 178 .
IV. Gebot umfassender Kontrolle allen administrativen Handeins Art. 106 Abs. 1 CE i.Y.m. Art. 24 Abs. 1 CE verbietet nicht nur, daß die Kontrolle des administrativen Aktes entfällt, weil sie von einem bestimmten Organ erlassen worden ist. Er untersagt auch, daß Verwaltungshandlungen, die auf einem bestimmten Gebiet oder in einer bestimmten Form ergehen, von der gerichtlichen Kontrolle ausgeschlossen werden. Diese Feststellung war in Spanien aufgrund der Regelungen der LJCA von großer Bedeutung.
174 BVerfGE 11,263 (265); 15,275 (280); 22, 106 (110); 25, 352 (365); 31, 87 (93f); 49,329 (340); 65, 76 (90); 73, 340 (372); 76, 93 (98). 17S S TC 197/1988, vom 24. Oktober, FJ. 4, in: JC 12, S. 383-396 (395). 176 Guaita, Los actos administrativos, s. 239ff. weist auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 26. März 1936 hin, in dem dieser schon damals das Verfassungsgericht in einer Personalrechtsstreitigkeit als Verwaltung bezeichnete und die Ernennung eines Beamten beim Gericht kontrollierte (239f). 177 S TS 18. Mai 1988 Ar. 4179; Guaita, Los actos administrativos, S. 241. 178 Delgado Barrio, Regimen juridico, S. 851f; vgl. auch Guaita, Los actos administrativos, S.246f; zur Stellung des Obersten Rats der Rechtsprechenden Gewalt siehe umfassend Diez-Picazo, Regimen constitucional, S. 133ff. 15 Martinez Sori.
226
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
1. Verbot materiell-rechtlicher Beschränkungen der Kontrolle Art. 40 b) - d) und f) LJCA untersagte die gerichtliche Kontrolle bei Verwaltungsmaßnahmen, die auf bestimmten Gebieten ergangen waren l79 . So waren nach Art. 40 b) LJCA Klagen gegenüber Maßnahmen der Ordnungsbehörden im Pressewesen, im Rundfunk-, Filmspiel- und Theaterwesen unzulässig. Ebenso war nach Art. 40 c) LJCA die gerichtliche Kontrolle der Beförderungen und Prämien der Offiziere sowie nach Art. 40 d) LJCA bei Disziplinarmaßnahmen gegenüber Militärangehörigen ausgeschlossen. Schließlich ermöglichte eine Generalklausel in Art. 40 f) LJCA dem Gesetzgeber, andere Maßnahmen der Verwaltung durch Gesetz von der Kontrolle auszunehmen.
Der Ausschluß der gerichtlichen Kontrolle bei diesen Verwaltungsmaßnahmen ist historisch bedingt. Als 1888 das geplante Verwaltungsgerichtsgesetz erörtert wurde, standen die Vertreter einer unabhängigen Gerichtsbarkeit den Vertretern einer in die Verwaltung integrierten Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber. Der erzielte Kompromiß bestand darin, die gerichtliche Kontrolle unabhängigen Gerichten zu übertragen, gleichzeitig viele Rechtsgebiete aus der Generalklausel auszuklammern l80 . Die Kontrollmöglichkeiten der Gerichte waren so eingeschränkt, daß die Kritiker die neue Gerichtsbarkeit als wehr- und harmlos bezeichneten 181 . Diese Einschränkungen sind im wesentlichen in die heute noch geltende LJCA übernommen worden l82 .
179 Art. 40 a) schloß die gerichtliche Kontrolle bei wiederholenden und bei unanfechtbaren Verwaltungsmaßnahmen aus; Art. 40 e) schloß die Klage mangels Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei Wiederspruchsbescheiden aus, die im Rahmen des für die zivil- oder arbeitsrechtliche Klage notwendigen administrativen Vorverfahren nach Art. 120 bis Art. 126 LRJPA ergangen war. Gegen diesen Ausschluß bestehen aus der Sicht der Rechtsschutzgarantie keine Bedenken: S TS 23. Dezember 1988 Ar. 10230; 23. Oktober 1989 Ar. 7472; 4. Januar 1991 Ar.565; dagegen aber das Urteil S TS 22. Juli 1986 Ar. 5546, das einen Vorrang der materiellen Verjährung vor den prozessualen Fristen annimmt. 180 Mui'l.oz Machado, Reserva, S. 2756. 181 Vgl. die Nachweise bei Mui'l.oz Machado, Reserva, S. 2756. 182 Jedoch wurde diese Bestimmung zum Teil schon vor dem Inkrafttreten der Verfassung aufgehoben. So wurde die gerichtliche Kontrolle der Maßnahmen der Ordnungsbehörden im Pressewesen durch das Gesetz 1411966, vom 18. März 1966, im Film- und Theaterwesen durch das Gesetz 4611967, vom 22. Juli 1967 ermöglicht.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
227
Jede Einschränkung der Kontrollmöglichkeit der Gerichte beeinträchtigt aber, wie oben dargestellt 183 , die Rechtsschutzgarantie 184 . Die Beschränkung der Kontrollgegenstandes ist nur zulässig, wenn sie ausdrücklich verfassungsrechtlich legitimiert ist 18S . Eine solche Legitimation fehlt indes hinsichtlich der Unkontrollierbarkeit von Maßnahmen im Rundfunkwesens nach Art. 40 b) LJCA. Diese Bestimmung verletzt somit die Rechtsschutzgarantie und darüber hinaus auch die grundrechtlieh in Art. 20 a) und d) CE geschützte Meinungsund Informationsfreiheit und ist daher nichtig 186 . Ebenso verstößt Art. 40 f) LJCA gegen die Rechtsschulzgarantie l87 . Dort hatte sich der Gesetzgeber die Befugnis vorbehalten, weitere Bereiche des Verwaltungshandelns der gerichtlichen Kontrolle zu entziehen 188. Hierzu ist aber der Gesetzgeber nunmehr wegen des Art. 106 Abs. 1 CE i.V.m. Art. 24 Abs. 1 CE nicht befugt189 .
183 Vgl. auch S TC 4/1981, vom 2. Februar, FJ. 16, in: JC 1, S.31-61 (56.); 80/1983, vom 10. Oktober, FI. 1, in: JC 7, S. 30-37 (35); 39/1983, vom 16. Mai, FJ. 2, in: JC 6, S. 63-71 (69). S TC 160/1991, vom 18. Juli 1991, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 359-375 (370). 184 Vgl. die Nachweise bei Mufioz Machado, Reserva, S. 2758. 185 S TC 4/1981, vom 2. Februar, FJ. 16, in: JC 1, S. 31-61 (56.); 80/1983, vom 10. Oktober, FJ. 1, in: JC 7, S. 30-37 (35); 39/1983, vom 16. Mai, FJ. 2, in: JC 6, S.63-71 (69). S TC 160/1991, vom 18. Juli 1991, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 359375 (370). Martin Rebollo, La administracion de garantias, S. 43. 186 S TC 39/1983, vom 16. Mai, FI. 2, in: JC 6, S. 63-71 (68): A TC 60/1980, vom 22. Oktober, FI. 3, in: JC 1, S.443-447 (445f.); vgl. hierzu auch Martin-Retortillo Baquer, L., Evolucion reciente, S. 12ff.; Guaita, Art. 106 CE, S. 344; Friginal Femandez-Villaverde, Las causas, S. 322. 187 S TC 4/1981, vom 2. Februar 1981, FJ. 16, in: JC 1, S.31-61 (56); S TC 39/1983, vom 16. Mai 1983, FJ. 2, in: JC 6, S.63-71 (69); daran anschließend der Oberste Gerichtshof in S TS 3. Dezember 1986 Ar. 991 von 1987; 23. September 1987 Ar. 7750; 1. Juli 1990 Ar. 4801; Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 32. 188 Angewandt wurde es beispielsweise noch 1977: S TS 10. Oktober 1977 Ar. 3823; zu den gesetzlichen Einschränkungen siehe beispielsweise die 3. Zusatzbestimmung zum Gesetz 78/1968, vom 5. Dezember 1968 filr die Entscheidungen zur KlassifIzierung von Militärangehörigen; Art. 100 Abs. 2 der Gesetz de Suelo in der Fassung von 1976; Art. 112 des Reglamento de Gestion urbanistica. 189 Anders hingegen noch S TS 18. Juni 1990 Ar. 4708, wonach der Gesetzgeber weiterhin Verwaltungsmaßnahmen von der Kontrolle ganz ausschließen kann, wie z.B. nach Art. 218 Abs. 1 des Gesetzes de Reforma y Desarrollo Agrario. Hält der Bürger Art. 40 f) LJCA weiterhin filr gültig und legt er keinen Rechtsbehelf ein, so kann er später keine Verfassungsbeschwerde erheben: S TC 80/1983, vom 10. Oktober, FJ. I, in: JC 7, S. 30-37 (34f.); Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 997. 15·
228
2. Teil: Das verwaltungsgerichtIiche Verfahren
Obwohl die Militärgerichtsbarkeit verfassungsrechtlich legitimiert ist l90 , hat das Verfassungsgericht schon 1980 Art. 40 d) LJCA und 1983 Art. 40 c) LJCA fiir verfassungswidrig erklärt, da " aufgrund des pauschalen Ausschlusses der Maßnahmen von der Kontrolle die Gefahr besteht, daß einzelne verwaltungsrechtliche Maßnahmen gegen Militärangehörige von der gerichtlichen Kontrolle ausgeschlossen bleiben" 191 .
2. Verbotformellrechtlicher Beschrtinkungen der Kontrolle
Art. 24 Abs. 1 CE erfaßt jede Verwaltungsmaßnahme, die die Interessensphäre des einzelnen verletzt. Dabei ist, wie bei Art. 19 Abs. 4 GG192 , die konkrete Rechtsform, in der die verletzende Maßnahme ergeht, unerheblich. Dieses ist zum einen auf den subjektiven Teilaspekt der Rechtsschutzgarantie zurückzuführen, der auf die Wirkung der Handlung und nicht auf diese selbst abstellt. Des weiteren dient die Formenlehre anderen Funktionen als der Frage, ob der konkrete Akt unter die Rechtsschutzgarantie zu fassen ist 193 . Die Rechtsform hat jedoch Auswirkungen auf die konkrete Form des Rechtsschutzes. Während in Deutschland die Rechtsform der Verwaltungsmaßnahme nur Bedeutung fiir die Wahl der richtigen Klageart hat, konnte die Verwaltung in Spanien durch das Handeln in bestimmten Rechtsformen die verwaltungsgerichtliche Kontrolle vollständig ausschließen; etwa durch die Wahl einer unzutreffenden Form oder durch ein Unterlassen. Grundlage fiir diesen Ausschluß war ein tragendes Grundprinzip des spanischen Verwaltungsprozesses, das Folge der kassatorischen Grundstruktur der Verwaltungsgerichtsbarkeit war und aus der französischen Verwaltungsgerichtsbarkeit übernommen wurde: das Erfordernis einer förmlichen Verwaltungsmaßnahme (acto administrativo previo)194.
190 Siehe S. 72fI 191 A TC 60/1980, vom 22. Oktober, Fl 4, in: JC 1, S.443-447 (446); S TC 39/1983, vom 16. Mai 1983, Fl 2, in: JC 6, S. 63-71 (69); vgl. hierzu Trillo-Figueroa
M.-Conde, Discrecionalidad Militar, S. 20fT. 192 Zur Auswirkung der Rechtsform auf den Rechtsschutz in Deutschland siehe: Krause, Rechtsform des Verwaltungshandelns, S. 173fT.; Siemer, Rechtsschutz im Spannungsfe1d, S. 501; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 66. 193 Krause, Rechtsform des Verwaltungshandelns, S. 173fT.; vgl. MDHS/SchmidtAßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 66 194 GonzAlez Perez, Manual, S. 219.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
229
a) Die Abkehr vom Erfordernis einer förmlichen Verwaltungsmaßnahme Voraussetzung rur die gerichtliche Kontrolle des Handeins der Verwaltung war somit grundsätzlich eine in bestimmter Form ergangene Verwaltungsmaßnahme. Dieser Grundsatz läßt den Ursprung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die verwaltungsinterne Selbstkontrolle, erkennen 19S . Die Verwaltung hatte in einer verwaltungsinternen Selbstkontrolle eine absolute Entscheidungsprärogative, die erst vom verwaltungsinternen Organ nachgeprüft wurde, soweit sie formalisiert war. Die Notwendigkeit einer Verwaltungsmaßnahme besteht in der gesetzlichen Regelung fort (Art. 37 Abs. 1 LJCA i.Y.m. Art. 55 Abs. 1 LRJPA ). Der Oberste Gerichtshof hat aber in ständiger Rechtsprechung nur gefordert, daß eine Verwaltungsmaßnahme besteht, gleichgültig in welcher Form sie ergangen ist 196 . Ist unklar, ob die Verwaltungsmaßnahme, die Gegenstand der Klage ist, überhaupt ergangen ist oder noch fortbesteht, wird die Klage nach Art. 82 c) i.V.m. Art. 1 und 37 LJCA als unzulässig abgewiesen 197 . Diese Fälle sind aus der Sicht der Rechtsschutzgarantie unproblematisch, soweit die Maßnahme überhaupt nicht erlassen oder ordnungsgemäß von einem anderen Justizorgan 198 oder von der Verwaltung vor Klageerhebung aufgehoben worden ist l99 . Erfolgt die Aufhebung während des Verwaltungsprozesses, wird die Klage wegen Erledigung in der Hauptsache nach Art. 90 LJCA abgewiesen200 . Von Bedeutung aus der Sicht des Rechtsschutzes sind aber die Fälle, in denen die Verwaltung entweder keine (Unterlassen) oder eine unzutreffende Form wählt und dadurch die Rechte des Bürgers beeinträchtigt201. Hier konnte nach der bisherigen strengen Auslegung des Grundsatzes des Bestehens einer fOrmlichen Verwaltungsmaßnahme der Rechtsschutz des Bürgers 19S Vgl. zum Grundsatz in Frankreich (La regle de la decision prealable), Vedel/Delvolve, Droit administratif, S. 680. 196 S TS 13. Oktober 1988 Ar. 7977; S TS 30. September 1988 Ar. 6514; S TS 7. Dezember 1989 Ar. 9007; Vgl. auch die Nachweise bei Garrido FallalFemAndez Pastrana, Regimen, S. 162. 197 S TS 17. Juli 1989 Ar. 5799; S TS. 7. Dezember 1989 Ar. 9007; Gonzalez Perez, Manual, S. 220. 198 S TS 5. Apri11986 Ar. 2027; S TS 9. Oktober 1986 Ar. 5261. 199 S TS 15. Juni 1988 Ar. 4938; Gonzalez Perez, Art. 1 Rdnr. 2, S. 70. 200 S TS 15. September 1989 Ar. 6573; S TS 3. Juni 1991 Ar. 4856. 201 Carro FemAndez-Valmayor, Defensor deI Pueblo, S. 2670.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
beeinträchtigt sein. Daher verbietet Art. 106 Abs. 1 CE i.V.m. Art. 24 Abs. 1 CE nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine formalistische Handhabung des Begriffs "Verwaltungsmaßnahme" als Klagevoraussetzung202 . So setzt der Begriff "Verwaltungsmaßnahme" nicht voraus, daß es sich um eine formliche Willensäußerung handelt; es genügt jede andere konkludente Willenskundgebung der Verwaltung, die auch in einem Unterlassen bestehen kann 203 . b) Die Kontrolle des tatsächlichen Verwaltungshandelns Besonders wichtig ist zunächst das tatsächliche Handeln der Verwaltung, d.h. ein solches, das keine oder eine fehlerhafte formliche Verwaltungsmaßnahme zum Produkt hat (via de hecho)204. Legt man den Begriff der Verwaltungsmaßnahme eng aus, im Sinne einer auf Verwaltungsrecht beruhenden und formlichen Handlung, wäre eine Klage gegen dieses Handeln als solches im Grundsatz unzulässig. Einer derart engen Auslegung steht jedoch die umfassende Rechtsschutzgarantie entgegen, die allgemein vom "Handeln der Verwaltung" spricht, nicht aber vom formlichen Handeln 205 . Das Verfassungsgericht hat den Realakt sehr weit definiert als "Handlung eines Verwaltungsorgans, die zumeist das Eigentum beeinträchtigt und die weder eine gesetzliche Grundlage noch einen sonstigen ermächtigenden Titel hat"206 . Dazu gehören beispielsweise die Enteignung eines Grundstücks ohne 202 S TS 2. Dezember 1982 Ar. 7734; S TS 21. Januar 1986 Ar. 10; S TS 17. Juni 1986 Ar. 1804. 203 Der Gesetzgeber hatte aber schon 1956 diese Forderung der Rechtsschutzgarantie erftlllt. So legten die Motive fest, daß "der Zugang zur Gerichtsbarkeit nicht nur möglich sein soll, wenn die Verwaltung mündliche oder schriftliche Verwaltungsmaßnahmen erläßt, sondern auch wenn es sich um eine andere Erklärungsform handelt, sei sie konkludent oder vermutet, da alle diese Formen zu einer Rechtsverletzung ftlhren können, die eines gerichtlichen Schutzes bedarf' (Motive IV NT. 1); Morillo-Velarde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 68. 204 Umfassend Gonzalez Varas Ib8fiez, La via de hecho, S. 67fT. 205 Zum Realakt siehe die umfassende Darstellung von L6pez Menudo, Via de hecho administrativa y justicia civil, Madrid 1988; Garcia de Enterria, Curso I, S. 771777; Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S.317fT.; Gonzalez PerezlG6nzaiez Navarro, LRJPA, S. 1098fT.; Mercadal Vidal, Sobre las vias de hecho, S. 617fT. 206 S TC 22/1984, vom 17. Februar, FJ. 1, in: Je 8, S. 243-275 (269); Garcia de Enterria, Curso I, S. 771 spricht vom Bruch der Legalitätskette; Sevilla Merino, La protecci6n, S. 37fT.
E. Gegenstand lUld Dichte der Kontrolle
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vorherigen Enteignungsbeschluß oder die Benutzung von gesetzlich nicht vorgesehenen Zwangsmitteln. Solche rein tatsächliche Handlungen sind, formell gesehen, nach Art. 149 Abs. 1 Nr. 18 CE untersagt. Aus dieser Regelung folgt, daß das Verwaltungsverfahrensgesetz die Grundlage jeglichen HandeIns der Verwaltung sein soll, so daß gerade diese Fälle rein tatsächlichen Handelns nicht denkbar wären. Da die Verwaltung aber derart handelt, folgt aus der Rechtsschutzgarantie die Pflicht des Gesetzgebers und der Gerichte, dem Bürger die Rechtsmittel bereitzustellen, um dagegen vorzugehen207 . Die Gerichte lassen demnach auch Klagen gegen tatsächliches Handeln der Verwaltung zu208. Das Erfordernis einer Verwaltungsmaßnahme umgehen sie, indem sie den Realakt zum Begriff acto administrativo i.S. von facta concludentia rechnen209 . Zum anderen hat der Gesetzgeber dem Bürger zusätzlich nach Art. 101 LRJPA ein effektiveres Rechtsmittel zur Verfügung gestellt, die sogenannten "Interdikte" bei den Ziviigerichten210 . Die Interdikte dienen dem Schutz des Eigentums und des Besitzes vor rechtswidrigen Eingriffen durch die Verwaltung211 . Es handelt sich hierbei um summarische Erkenntnisverfahren, die vorläufig das Besitzrecht über eine bewegliche Sache oder ein Grundstück festlegen. Damit stellen sie eine Form des einstweiligen Rechtsschutzes dar212 .
Art. 101 LRJPA ist jedoch unglücklich formuliert. Danach "ist die Einlegung von Interdikten unzulässig gegen Handlungen der Verwaltungsorgane im Rahmen ihrer Zuständigkeit und in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsverfahren". Die Bestimmung muß nach allgemeiner Ansicht213 so verstanden werden, daß die zivilrechtlichen Interdikte im Grundsatz unzulässig 207 S TC 160/1991, vom 18. Juli 1991, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/3, S.359-375 (370). 208 S TS 22. September 1990 Ar. 7285; Sevilla Merino, La protecci6n, S. 275. 209 S TS 2. November 1981 Ar. 4718; S TC 160/1991, vom 18. Juli, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 359-375 (370); S TS 22. September 1990 Ar. 7285; Gonzftlez Perez, Manual, S. 226; Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S. 322ff. 210 S TS 22. September 1990 Ar. 7285; Garcia de Enterria, Curso I, S. 775. 211 EntfemlUlg eines Grenzsteins durch die Behörde: S TS 22. September 1990 Ar. 7285; Verlegoog einer WasserleitlUlg über ein PrivatgrlUldstück, ohne daß zuvor eine Dienstbarkeit begründet worden war: S TS 20. März 1987 Ar. 1711. 212 Garcia de Enterria, Curso I, S. 776 213 Almagro Nosete!fome Paule, Instituciones, S. 661f.; Gonzftlez PerezlGOnzalez Navarro, LRJPA, S. 1100 m.w.N.
232
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
sind, wenn das Handeln der Verwaltung auf einer formellen Verwaltungsmaßnahme beruht214 . Nur weil die Vollziehung dieser Verwaltungsmaßnahme möglicherweise rechtswidrig ist, soll der Bürger nicht zur Einlegung des Interdiktes ermächtigt sein215 . Ausnahmsweise können jedoch die zivilrechtlichen Interdikte eingelegt werden, wenn die Verwaltungsmaßnahme das offensichtlich unverhältnismäßige Handeln der Verwaltung nicht deckt216 . Von Bedeutung sind hier zunächst das Zurückbehaltungsrecht und das Recht zur Wiedereinsetzung in den Besitz (interdicto de retener y recobrar la posesi6n) nach Art. 1651-1662 LEC217. Fraglich ist jedoch, ob das "Interdikt eines neuen Werks" (interdicto de obra nueva) auch gegenüber hoheitlichem Handeln angewandt werden kann218 . Mit diesem Rechtsmittel begehrt der Antragsteller die sofortige Einstellung der Arbeiten an einem neuen Werk, da sie möglicherweise ein dingliches Recht verletzen. Art. 1663 LEC sieht für dieses besondere zivilgerichtliehe Verfahren vor, daß der Richter nach Einlegung des Interdikts ohne materiellrechtliche Prüfung die Einstellung der Arbeiten anordnet und die Gegenseite zu einer mündlichen Verhandlung lädt. Die Anwendung dieses Verfahrens bei Verwaltungsmaßnahmen ist aus der Sicht der Rechtsprechung, die durch die Gewaltenteilung geprägt ist, problematisch, weil es dem Richter ermöglicht, Verpflichtungen gegenüber der Verwaltung auszusprechen und weil die Gefahr des Mißbrauchs durch Unbeteiligte besteht. Aus diesen Gründen hat die Rechtsprechung dieses Rechtsmittel nur sehr vorsichtig angewandt. So hat sich der Oberste Gerichtshof in einem Fall, in dem die Einstellung der Arbeiten an dem neuen Talsperre von Riafio (Le6n) aufgrund dieses Interdikts verlangt wurde, ausdrücklich für die "vorsichtige Anwendung dieses Interdikts" ausgesprochen und die Einstellung nicht angeordnet219 .
214 Kritisch zur mißverständlichen Regelung Gonzalez PerezlG6nzalez Navarro, LRJPA, S. 1099. 215 Almagro Noseteffome Paule, Instituciones, S. 661f. 216 S TS 8. Juni 1993 Ar. 4468; Almagro Noseteffome Paule, Instituciones, S. 662 Fn.4; Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S. 338; Gonzalez PerezlG6nzalez Navarro, LRJPA, S. 788. 217 Almagro Noseteffome Paule, Instituciones, S. 658. 218 Vgl. hierzu umfassend Nonell Galindo, Improcendencia, S. 451ff 219 S Tribunal de Conflictos de lurisdicci6n 5/1987, vom 23. November 1987 Ar. 8725; Gonzalez PerezlG6nzalez Navarro, LRJPA, S. 1103f.; Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S. 333ff.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
233
Die Wirksamkeit der Interdikte in der Praxis ist beschränkt, da in den meisten Fällen der Zivilrichter mangels hinreichender Kenntnisse des Verwaltungsrechts220 und wegen der erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen, die die Anordnung eines Interdikts beispielsweise beim Bauherm hervorrufen kann, überfordert ist221 . Aus diesem Grunde fordert ein Teil der Lehre, daß Verwaltungsrichter über die Interdikte entscheiden sollen222 . Diese Forderung löst jedoch nicht das Problem. Aufgrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes, der aus der Sicht der Rechtsprechung weiterhin die Kontrollmöglichkeiten entscheidend prägt, ist nicht zu erwarten, daß die Verwaltungsgerichte großzügiger Interdikte anordnen werden. c) Die Untätigkeit der Verwaltung nach einern Antrag des Bürgers als Streitgegenstand (silencio administrativo) Durch das Erfordernis einer fi>rmlichen Verwaltungsmaßnahme wird ein weiterer, praktisch wichtiger Teil des Verwaltungshandelns nicht erfaßt und damit möglicherweise von der gerichtlichen Kontrolle ausgespart: Die Untätigkeit der Verwaltung auf einen Antrag des Bürgers223 . Die Untätigkeit kann die Rechtsschutzgarantie zweifach verletzen: Die Verwaltung verletzt die Rechtsschutzgarantie, wenn sie einen Antrag nicht ausdrücklich bescheidet, aber auch das Gericht verletzt sie, wenn es dem Bürger nicht ermöglicht, sich gegen die Untätigkeit der Verwaltung gerichtlich zu wehren. aa) Anspruch des Bürgers auf ausdrückliche Bescheidung aus der Rechtsschutzgarantie Das Verwaltungsverfahren in Spanien wird - wie in Deutschland - nic.ht von der Rechtsschutzgarantie erfaßt. Eine Ausnahme bildet der Fall, in dem das Verwaltungsverfahren die gerichtliche Rechtsschutzrnöglichkeiten unmittelbar einschränkt. Er liegt vor, wenn die Verwaltung durch die Nichtbescheidung eines Antrags oder eines administrativen Rechtsbehelfs verhindert, daß der Bürger klagt. Dieser Fall ist in Deutschland aufgrund der umfassenden Klagemöglichkeiten (Untätigkeitsklage) nicht denkbar. In Spanien hingegen 220 Gonzltlez PerezlG6nzaiez Navarro, LRJPA, S. 1100. 221 Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S. 327. 222 GoIlZlilez PerezlG6nzaiez Navarro, LRJPA, S. 1100; dagegen jedoch Sainz Moreno, Defensa frente a la via de hecho, S. 340f.
223 Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 190.
234
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
ist ständige Rechtsprechung, daß aus der Rechtsschutzgarantie die Pflicht der Verwaltung folgt, Anträge und administrative Rechtsbehelfe ausdrücklich zu bescheiden224 . Denn der Bürger weiß nur bei begründeten Verwaltungsbescheiden, weshalb sein Antrag abgewiesen wird, so daß er die Erfolgsaussichten der Klage abschätzen und die notwendigen Beweisanträge stellen kann. Weiterhin kann er nur in diesen Fällen sofort Klage erheben, ohne die Frist abwarten zu müssen, bis eine Verwaltungsmaßnahme vermutet wird225 . Allein hierdurch ist somit eine effektive Kontrolle des Verwaltungshandelns durch die Gerichte möglich. Die Bescheidungspflicht folgt auch aus Art. Art. 42 Abs. 1 i.V.m. Art. 43 Abs. 1 LRJPA und aus Art. 38 Abs. 2 LJCA226. Sie umfaßt die Pflicht, die Entscheidung schriftlich zu begrunden227 . Art. 42 Abs. 2 LRJP A setzt für die Begründung eine Frist von grundsätzlich drei Monaten fest 228 . Die Begründungspflicht entfällt nicht dadurch, daß der Bürger Widerspruch einlegt229 . Die spanische Rechtsordnung stellt jedoch keine Mittel bereit, diese Pflicht effektiv durchzusetzen230 . Ein Bürger hat keine Möglichkeit, die Verwaltung durch die ordentlichen Gerichte zu einem Handeln -und sei es nur der Erlaß einer Verwaltungsmaßnahme- zu verpflichten231 . Darin könnte zwar eine 224 S TS 17. Mai 1985 Ar. 2366; S TS 26. April 1986 Ar. 4375; S TS 11. November 1988 Ar. 8929; S TS 29. November 1989 Ar. 8370; Morillo-Velarde Perez, Los actos presuntos, S. 56. 225 Hierzu näheres S. 240ff. 226 Diese Pflicht war schon in Art. 94 Abs. 3 LPA von 1957 enthalten: vgl. dazu S TS 17. März 1981 Ar. 1803, S. 1472 (1473); S TS 25. Januar 1983; S TS 28. April 1983; S TS 17. Mai 1985 Ar. 2366; S TS 26. April 1986 Ar. 4375; S TS 11. November 1988 Ar. 8929; S TS 29. November 1989 Ar. 8370. Romero Coloma, EI articulo 24 de la Constituci6n Espai!.ola, S. 24; Cobo Olvera, La actividad, S. 112. 227 S TS 17. Mai 1985 Ar. 2366. 228 Jedoch können nach Art. 42 Abs. 2 LRJPA besondere Verfahrensregelungen andere Fristen festlegen, bzw. die Verwaltung kann bei Überlastung eine Verlängerung der Fristen nach Abs. 2 Satz. 3 festsetzen. 229 S TS 19. Juli 1983 Ar. 4078. 230 S TS 8. Juli 1980 Ar. 3417; S TS 22. Februar 1982 Ar. 1615; Gonzalez Perez, Manual, S. 223; Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 190. Die in Art. 41 Abs.l LRJPA eingeftlhrte Amtshaftung fil.r die durch das Unterlassen entstandenen Schäden ist ebenso wie die möglichen Disziplinarmaßnahmen nach Art. 42 Abs. 3 sowie Art. 44 Abs. 4 LRJPA jedoch bislang nicht wirksam angewandt worden: Morillo-Velarde Perez, Los actos presuntos, S. 122ff. 231 Siehe S. 127f.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
235
Verletzung des Art. 106 Abs. 1 CE i.Y.m. Art. 24 Abs. 1 CE gesehen werden, doch dafür wäre nach Ansicht des Verfassungsgericht notwendig, daß der Bürger gegen dieses Unterlassen schutzlos ist232 . Er sei aber nicht schutzlos, weil die Rechtsordnung ein Institut vorsehe, um sich gegen die nachteiligen Folgen des Schweigens der Verwaltung auf einen Antrag zu wehren: Die vermutete Verwaltungsmaßnahme. bb) Die vermutete Verwaltungsmaßnahme Das Korrektiv zur Pflichtverletzung durch Schweigen besteht darin, im Schweigen der Verwaltung (silencio administrativo) selbst eine verwaltungsgerichtlich kontrollierbare Verwaltungsmaßnahme zu vermuten, die in der Regel die Ablehnung des Antrags des Bürgers zum Inhalt hat233 . Die Figur des sogenannten "Schweigens der Verwaltung" geht auf das französische Recht zurück234 . Sie wurde in Spanien zunächst auf kommunaler Ebene durch das "Estatuto Municipal" von 1924 rezipiert235 . Durch das Gesetz vom 18. März 1944 wurde es zunächst auf das Widerspruchsverfahren (recurso de agravios) ausgedehnt, sodann durch das Verwaltungsgerichtsgesetz vom 27. Dezember 1956 und insbesondere durch das Gesetz über das Verwaltungsverfahren von 1957 (LPA) auf das gesamte Verwaltungsverfahren. Nach Art. 94 Abs. 1 LPA bedeutete das Schweigen der Verwaltung die Ablehnung des Antrags. Dadurch wurde zwar die gerichtliche Kontrollmöglichkeit eröffnet, aber die Behandlung des Schweigens konnte die Verwaltung nicht dazu zwingen, pflichtgemäß den Antrag zu bescheiden, da sich für die Verwaltung aus dem 232 So ausdrücklich das Verfassungsgericht S TC 3911989, vorn 16. Februar, FJ. 5, in: JC 23, S. 402-411 (411); dagegen jedoch Gonzil1ez Perez, EI derecho, S. 112. 233 S TC 29411994, vorn 7. November, in: Rep. Ar. 1994/3, S. 334-357 (353); S TS 27. März 1985 Ar. 1666; S TS 28. November 1989 Ar. 8366; S. TS 25. März 1981 Ar. 1747; S. TS. 3l. Dezember 1985 Ar. 6556; S TS 25. Mai 1982 Ar. 4132; S TS 9. Juni 1994 Ar. 5150; Sainz de Rob1es Rodriguez, EI llarnado "silencio administrativo", S. 621 weist zutretTend daraufhin, daß die Anerkennung des Schweigens als Verwaltungsmaßnahme gleichzeitig die Anerkennung der Rechtsverletzung durch die Verwaltung enthält; Gimeno Sendra, Instituciones, S.314; Sainz Moreno, Obligacion de resolver, S. 149. 234 Le silence de I'administration wurde in Frankreich durch. Art. 3 des Gesetzes vorn 17. Juli 1900 als zulässiger Klagegegenstand eingefiihrt; vgl. dazu Laubadere, Droit administratif, Rdnr. 1095; Vedel/Delvolve, Droit adrninistratif, S. 681; zur Rezeption in Spanien siehe Garcia de Enterria, Curso I, S. 576; in Deutschland konnte in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts die Untätigkeit der Verwaltung die Einlegung eines Rechtsmittels verhindern: vgl. Jellinek, Der Schutz des ötTentlichen Rechts, S.67. 235 Vgl. hierzu umfassend Diaz Gemez, EI silencio administrativo, S. 47tT.
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
236
Schweigen keine über den Prozeß selbst hinausgehenden, nachteiligen Konsequenzen ergaben. Häufig reagierte die Verwaltung nicht auf Anträge der Bürger in der (zumeist berechtigten) Erwartung, der Bürger werde gegen das Schweigen keine gerichtlichen Schritte einleiten. Aber auch in Fällen, in denen die Ablehnung des Antrages rechtmäßig war, bediente sich die Verwaltung dieser Möglichkeit236 . Das bewußte Anwenden des "Schweigens der Verwaltung" durch die Verwaltung und somit der Mißbrauch einer zugunsten des Rechtsschutzes des Bürgers entwickelten Technik hat in den letzten Jahren so zugenommen, daß es regelmäßig im Mittelpunkt der Kritik der Volksverteidiger am Verwaltungshandeln steht237 . Auch die Lehre hat diese Technik wegen ihrer Mißbrauchsmöglichkeit kritisiert und eine Reform gefordert238 . 1992 erfolgte die Reform durch die Neufassung des Verwaltungsverfahrensgesetzes239 . (1)
Rechtsnatur
Die Rechtsnatur der im "administrativen Schweigen" vermuteten Verwaltungsmaßnahme240 wurde bis 1992 differenziert betrachtet, je nachdem, ob
236 Sainz de Robles Rodriguez, EI llamado "silencio administrativo, S. 622 gibt den Fall wieder, daß eine Ratsversammlung einstimmig beschloß, auf einen Antrag eines Bürgers ausdrücklich mit "Schweigen" zu reagieren. Morillo-Ve1arde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 65. 237 Vgl. der Informe Defensor de1 Pueblo, 1983, S. 53: "una prtictica abusiva dei silencio administrativo en la actividad de la Administracion cuando se le reclama la revision de sus propios actos provoca la consecuencia indebida de recargar el funcionamiento de los organos de la Administracion de Justicia y la consiguiente dilacion de los procedimientos. De ello se deriva para los ciudadanos una sensacion de inseguridad y desconjianza y, en muchos casos, origina de facta situaciones equiparables a la denegacion de justicia"; Carro Femändez-Valmayor, Defensor deI Pueblo, S.2670; Morillo-Ve1arde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 66. Der Volksverteidiger hat nach Art. 17 Abs. 2 Satz 3 LODP die Aufgabe, darüber zu wachen, daß die Verwaltung ausdrücklich in Form und Zeit über die Anträge der Bürger entscheidet. 238 Morillo-Ve1arde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 67; Santamaria Pastor, Veinticinco ailos de aplicaci6n, S. 136. 239 Vgl. die umfassende Übersicht bei Parejo Alfonso, EI silencio administrativo, S.559-586. Sie setzte die Forderungen von Sänchez Diaz, Actos presuntos y tacitos, S. 346f. fast vollständig um. 240 Bezeichnenderweise hat sich der Gesetzgeber im neuen Verwaltungsverfahrensgesetz von der alten Begriffiichkeit des administrativen Schweigens gelöst und spricht nunmehr vom Ergebnis des Schweigens, d.h. von der vermuteten Verwaltungsmaßnahme: siehe dazu Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 193; Campora, EI acto presunto, S. 233.
E. Gegenstand Wld Dichte der Kontrolle
237
die vermutete Verwaltungsmaßnahrne eine positive2 41 oder eine negative Wirkung hatte2 42 . Die vermutete ablehnende Verwaltungsmaßnahrne war eine bloße Fiktion243 mit rein prozessualer Wirkung (negative Wirkung)244, da der Willensakt, den eine Verwaltungsmaßnahme voraussetzt, hier offensichtlich fehlte 245 . Es wurde demnach allein das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzung "Verwaltungsmaßnahrne" angenommen, um zu verhindern, daß die kassatorische Grundstruktur des Prozesses ein Gerichtsverfahren ausschließt246 . Das "Schweigen" selbst konnte aber keine Ermächtigungsgrundlage für ein späteres Handeln der Behörde sein (z.B. im fiskalischen Bereich)247. Hingegen war nach h.M. die aus dem positiven Schweigen entnommene Verwaltungsmaßnahme eine gesetzlich vermutete materielle Verwaltungsmaßnahme248 . Nur so konnte erklärt werden, weshalb das Schweigen der Verwaltung rechtsgestaltend wirkte, d.h. die unterlassene Bescheidung eines Baugenehmigungsantrags dem Bürger die Möglichkeit eröffnete, die gleichen Rechte in Anspruch zu nehmen wie bei einer ausdrücklichen Baugenehmi241 Grundlegend: S TS 30. September 1981 Ar. 218; S TS 2. Oktober 1985 Ar. 4585. 242 Umfassende Übersicht über die LehrmeinWlgen bei Diaz G6mez, EI silencio administrativo, S. 79; anders jedoch Cämpora, EI acto presWlto, S. 235, der ntmmehr in beiden Akten eine vollwertige Verwalttmgsmaßnahme erkennt. 243 S TC 20411987, vom 21. Dezember, FJ. 4, in: JC 19, S. 627-636 (634); S TS 28. November 1989 Ar. 8366; S TS 15. Juli 1980 Ar. 3435; S.27. März 1985 Ar. 1666; S TS 31. Dezember 1985 Ar. 6556: "que de tal silencio no surge acto sino simplemente uno ficcion que permite al interesado acudir a la opcion de recurrirla 0 esperar la expresa"; GonzAlez Perez, EI derecho, S. 112; ders., Manual, S. 221; Garcia de Enterria, Curso I, S. 577;Cämpora, EI acta preSWlto, S. 234; a.A. Alc6n Zaragoza/Costa Castella, Actos presWltos, S. 492; Cobo Olvera, La actividad, S. 118. 244 S TS 26. Februar 1985 Ar. 1233; S TS 27. März 1985 Ar. 1666; S TS 31. Dezember 1985 Ar. 6556; S TS 23. März 1981 Ar. 965; Romero Coloma, EI articulo 24, S.24. 245 Dagegen aber Entrena Cuesta, Curso Jll, S. 237 mit Hinweis auf S TS 2. Dezember 1959. 246 S TS 8. Mai 1990 Ar. 3805: "ei silencio administrativo no puede ser conceptuado como un medio a traves dei cual la Administracion pueda eludir el deber de dictar uno resolucion expresa de las peticiones que ante la misma se formulan",S TS 12. Februar 1991 Ar. 942; sowie S TC 20411987, vom 21. Dezember, FJ. 4, in: JC 19, S. 627-636 (634). 247 S TS 20. Mai 1966 Ar. 2826; S TS 3. März 1978 Ar. 860. 248 S TS 20. Mai 1966 Ar. 2826; 18. April 1983 Ar. 2098; S TS 13. Oktober 1981 Ar. 4149; Campora, EI acto preSWlto, S. 234.
238
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
gung249 . Darüber hinaus war sie auch zulässiger Klagegegenstand bei Klagen Drittbetroffener250 . Schließlich war die Verwaltung an diese Verwaltungsmaßnahme gebunden. Sie konnte nur im besonderen Rücknahme- bzw. Widerrufverfahren nach Art. 109 ff. LPA die Verwaltungsmaßnahme zurücknehmen, nicht jedoch durch den bloßen Erlaß einer ausdrücklichen, der vermuteten Maßnahme widersprechenden Verwaltungsmaßnahme251 . Die Rechtsnatur der Verwaltungsmaßnahme ist durch die Reform von 1992 vereinheitlicht worden. Nach Art. 43 Abs. 1 LRJAP wird im Schweigen der Verwaltung eine Verwaltungsmaßnahme vermutet252 . Es handelt sich demnach immer um eine wirkliche Verwaltungsmaßnahme, die Rechte des Bürgers und Pflichten der Verwaltung begründen kann und die es darüber hinaus dem Bürger ermöglicht, gegen das Schweigen der Verwaltung gerichtlich vorzugehen. Jedoch folgt aus der vermuteten Verwaltungsmaßnahme nicht automatisch die Zulässigkeit der Klage. Wie aus den gesetzlichen Bestimmungen (Art. 38 LJCA, Art. 44 Abs. 5 LRJPA) hervorgeht, ermöglicht die Figur des Schweigens dem Bürger nur, das rechtlich zulässige Rechtsmittel anzuwenden. Dazu zählen sowohl administrative wie auch gerichtliche Rechtsbehelfe 253 . Aus dem Schweigen auf einen Antrag selbst folgt aber nicht die Klagebefugnis des klagenden Bürgers254 . Vielmehr muß der Bürger konkret nachweisen, daß die Ablehnung seines Antrags rur ihn einen individuellen Nachteil bedeutet. Schließlich ist noch das Verhältnis zur ausdrücklichen Verwaltungsmaßnahme zu beleuchten. Die Vermutung dient ausschließlich dem Schutz des Bürgers, da sie allein eine Folge des rechtswidrigen Schweigens der Verwaltung ist, so daß die Verwaltung hieraus keine Pflichten des Bürgers begründen kann255 . Der Bürger hat daher die Wahl, entweder die vermutete Verwal249 S TS 20. Mai 1966 Ar. 2826; 18. April 1983 Ar. 2098. 250 S TS 7. Mai 1980 Ar. 2782; S TS 13. Juni 1985 Ar. 3220; S TS 26. Dezember
1985 Ar. 6548; S TS 20. Juni 1986 Ar. 3813; S TS 8. Februar 1989 Ar. 1033.
251 S TS 26. März 1981 Ar. 1425; S TS 13. Oktober 1981 Ar. 4149 zu Fristen: S TS 27. Juni 1983 Ar. 3661. 252 Kritisch hinsichtlich dieser Technik: Morillo-Velarde Perez, Los actos presuntos, S. 42fT. 253 S TS 28. Juni 1983 Ar. 3375. 254 S TS 17. März 1980 Ar. 885. 255 S TS 19. Oktober 1981 Ar. 4485. S TS 8. Juli 1980; S TS 16. Dezember 1980;
S TS. 15. Juli 1980 Ar. 3435; 28. November 1989 Ar. 8366; 8. November 1983 Ar. 6531. 27. März 1985 Ar. 1666; 25. Januar 1983 Ar. 308; 25. Mai 1982 Ar. 4132;
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
239
tungsmaßnahme anzufechten oder die ausdrückliche Entscheidung der Verwaltung abzuwarten256 . Das Abwarten der ausdrücklichen Entscheidung kann jedoch nicht, wie zum Teil von der Verwaltung angenommen257 , als Zustimmung zur vermuteten Verwaltungsmaßnahme aufgefaßt werden und befreit die Verwaltung daher nicht von ihrer Pflicht zu handeln258 . Erläßt die Verwaltung eine ausdrückliche Verwaltungsmaßnahme erst nach Klageerhebung, die die bisherige vermutete Maßnahme bestätigt, wird dieser Akt Gegenstand der Klage259 . Der Inhalt der späteren ausdrücklichen Verwaltungsmaßnahme ist jedoch beschränkt, da es sich bei der vermuteten Maßnahme um eine materielle Regelung gehandelt hat260 . Erhebt demnach ein Dritter Widerspruch gegen eine ausdrückliche begünstigende Verwaltungsmaßnahme, die eine vermutete bestätigt, kann die Verwaltung im Widerspruchsbescheid die begünstigende Regelung nicht aufheben, da der Vertrauensschutz des begünstigten Bürgers
Garcia de Enterria, Curso I, S. 577; Salnz de Robles Rodriguez, EI llarnado "silencio administrativo", S. 623; Chac6n Ortega, EI acta presunto, S. 317; dieses geht auch aus den Motiven hervor zur LJCA (Nr. IV, 2, Abs. 2): "Aus diesem Grunde etabliert das Gesetz die allgemeine Geltung des administrativen Schweigens, mittels dem der Interessierte nach Ablauf einer bestimmten Zeit annehmen kann, daß eine Verwaltungsmaßnahme besteht, die ihm, wenn er es wünscht, den Zugang zu der Verwaltungsgerichtsbarkeit ermöglicht. Der Rückgriff auf dieses Institut wird als Möglichkeit angesehen und nicht als Pflicht. Dadurch wird diese Figur des administrativen Schweigens zurückgefilhrt auf ihren originären Inhalt, als Garantie zugunsten der Verwalteten im Hinblick auf die Verzögerungen der Verwaltung." 256 GonzAlez Perez, EI derecho, S. 112; Entrena Cuesta, Curso 111, S.243; S TS 28. November 1989 Ar. 8366; S TS 17. Mai 1985 Ar. 2366: "Es handelt sich um eine Befugnis, nicht um eine Pflicht"; S. TS 26. Mai 1981 Ar. 2174. 257 Vgl. Morillo-Velarde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 72. 258 S TS 30. September 1983 Ar. 4410; vgl. jedoch dagegen S. TS 28. November 1989 Ar. 8366; S: TS 29. November 1989 Ar. 8370; zugespitzt ausgedrückt in S: TS 17. April 1990 Ar. 3644: "Das Schweigen der Verwaltung stellt keine Ermächtigung für die Verwaltung dar, dann nicht zu entscheiden, wenn es ihr beliebt (cuando le venga en gana), sogar vielmehr eine Garantie des einzelnen, damit dieser sich gegen die Verletzung der Pflicht der Verwaltung, den Fall zu entscheiden, wehren kann"; vgl. S TC 7/1981 vom 30. März 1981, FJ. 7, in: JC I, S. 127-132 (131). 259 Der Einwand der Rechtshängigkeit ist in diesem Falle unzulässig: S TS 24. Januar 1989 Ar. 479; S TS 9. Dezember 1989 Ar. 8896. Dagegen S TS 28. Januar 1975 Ar. 842; S TS 19. Mai 1980 Ar. 1863; S TS 23. April 1981 Ar. 1320. 260 S TS 19. November 1962 Ar. 4201; S TS 25. März 1963 Ar. 1354; S TS 21. Januar 1971 Ar. 1838; S TS 8. Juli 1980 Ar. 3418; S TS 16. Dezember 1980 Ar. 5022. Für den Fall der Drittbetroffenheit: S TS 13. Dezember 1980 Ar. 4630; S TS 30.Juni 1982 Ar. 5246; S TS 22. Mai 1986 Ar. 2398; S TS 30. Mai 1986 Ar. 2777; vgl. hierzu Garcia de Enterria, Curso 11, S. 581.
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
240
hier überwiegt261 . Begründet jedoch die angegriffene Verwaltungsmaßnahme keine Rechte, ist aus Effektivitätsgründen die Verwaltung im Rahmen des Widerspruches nicht an die vermutete Maßnahme gebunden262 .
(2)
Verfahren
Voraussetzung ist zunächst ein Antrag des Bürgers an die Verwaltung. Der Antrag muß eine gesetzliche Grundlage haben263 und eindeutig sein264 . Da die Verwaltungsmaßnahme kraft Gesetzes vermutet wird, ist es nicht notwendig, daß sämtliche Verfahrensvoraussetzungen (insbesondere Zuständigkeit, Form, Frist) eingehalten wurden26S . Etwas anderes gilt, wenn das Verfahren eine Anhörung Dritter zum wirksamen Erlaß der Verwaltungsmaßnahme verlangt hätte, der Dritte aber nicht gehört wurde. In einem solchen Fall überwiegt das Interesse des Dritten das Recht auf Eröffnung des Rechtsweges, so daß die Maßnahme nicht vermutet wird266 . Die Verwaltung hatte nach Art. 42 Abs. 2 LRJPA ursprünglich eine Frist von drei Monaten, um über den Antrag zu entscheiden267 . Nach der früheren Regelung mußte der Bürger der Verwaltung ihr rechtswidriges Unterlassen anzeigen268 . Fehlte eine solche Anzeige, entfaltete das Schweigen keine
261 S TS 13. Dezember 1980; S TS 4. Juni 1983; S TS 17. September 1983 (m.w.N.) sowie S TS 25. Dezember 1985 Ar. 992 von 1986; sowie S TS 22. Mai 1986 Ar. 2398; S TS 30. Mai 1986 Ar. 2777; S TS 15. Juli 1991 Ar. 6777. Dagegen jedoch die frühere Rechtsprechung: S TS 7. November 1969 Ar. 4966 und S TS 21. Januar 1971 Ar. 1838. 262 S TS 22. Mai 1986 Ar 2398. 263 S TS 11. Februar 1981 Ar. 589; vgl. auch S TS 19. November 1980 Ar. 4102. 264 S TS 24. Februar 1981 Ar. 1150; S TS 27. März 1985 Ar. 1666; S TS 25. Januar 1982 Ar. 8143. 26S S TS 25. Januar 1982 Ar. 8143; S TS 31. Dezember 1985 Ar. 6556; S TS 14. September 1983 Ar. 5713. 266 S TS 31. Dezember 1985 Ar. 6556; S TS 14. September 1983 Ar. 5713. 267 S TS 28. Juni 1983 Ar. 3375. 268 S TS 14. Dezember 1966; zu den Ausnahmen der Anzeige S TS 19. Juli 1983
Ar. 3875; interessanterweise kann diese Anzeige auch ohne Nachweis einer Befugnis von dritter Seite aus erfolgen. Es genügt dafür ein Interesse: S TS 13. Mai 1983 Ar.
2947. Hierbei war gleichgültig, wann die Anzeige erfolgte und ob die Verwaltung, der gegenüber der Bürger den Verzug angezeigte, zuständig war: S TS 18. März 1982 Ar. 2310; S TS 15. Apri11983 Ar. 1997; nach S TS 2. Juni 1980 Ar. 3033 mußte die Anzeige jedoch unverzüglich erfolgen.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
241
Rechtswirkungen269 . Seit 1992 ist die Anzeigepflicht nach Art. 44 Abs. 2 LRJPA durch eine Bescheinigungspflicht ersetzt worden. Danach muß der Bürger bei der Behörde, bei der er den Antrag eingereicht hat, die Erstellung einer Bescheinigung über das Vorliegen einer vermuteten Verwaltungsmaßnahme beantragen. Sie dient auch dem Schutz Dritter, deren Interessen durch die vermutete Verwaltungsmaßnahme beeinträchtigt werden270 . Beantragt der Bürger die Bescheinigung nicht, wird die Verwaltungsmaßnahme auch nicht vermutet271 . Verweigert aber die Behörde die beantragte Bescheinigung, wird die Verwaltungsmaßnahme nach Ablauf von zwanzig Tagen gemäß Art. 44 Abs. 3 LRJPA dennoch vermutet und kann dann durch Vorlage des Antrages auf Bescheinigung bewiesen werden. Die Verwaltung muß innerhalb von zwanzig Tagen entscheiden, wie sie auf den Antrag reagieren will: Zum einen kann sie ihre gesetzliche Pflicht nachholen und eine ausdrückliche begründete Verwaltungsmaßnahme erlassen272 . In diesem Fall kommt keine vermutete Verwaltungsmaßnahme zustande, so daß die ausdrückliche dem Antrag des Bürgers widersprechen kann273 . Zum anderen kann die Behörde sich weiterhin weigern, die Verwaltungsmaßnahme zu begründen. Das hat zur Folge, daß sie kraft Art. 43 Abs. 2 LRJPA selbst bescheinigen muß, sie wolle nicht ausdrücklich über den Antrag des Bürgers entscheiden274 . Mit dem Erlaß dieser "Selbstbescheinigung einer Pflichtverletzung" durch die Verwaltung27S wird die Verwaltungsmaßnahme vermutet; gleichzeitig beginnt nach Art. 44 Abs. 5 LRJPA die Widerspruchsfrist bzw. die Klagefrist bei Maßnahmen, gegen die kein Widerspruch eingelegt werden kann. Diese beträgt rur den Widerspruch einen Monat (Art. 114 Abs. 2 LJCA) und rur das verwaltungsgerichtliche Verfahren zwei Monate (Art. 58 LJCA); wird der Widerspruch wiederum nicht ausdrücklich beschieden, beginnt nach
269 S TS 3l. Januar 1989 Ar. 593; S TS 3. Mai 1990 Ar. 10024; S TS 2. Juli 1985 Ar. 3542; S TS 11. März 1983 Ar. 2722; S TS 26. Februar 1982 Ar. 752; filr eine weite Auslegung der Anzeigepflicht jedoch S TS 25. Juni 1991 Ar. 5261; zu den Ausnahmen vgl. S TS 30. Juni 1981 Ar. 2808. 270 Cobo Olvera, La actividad, S. 130. 271 Campora, EI acto presunto, S. 24l. 272 Campora, EI acto presunto, S. 246. 273 Campora, EI acto presunto, S. 246. 274 Campora, EI acto presunto, S. 247. 27.5 Gonzalez Perezl Gonzalez Navarro, LRJPA, S. 628. 16 Marlinez Soria
242
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Art. 117 LRJP A die Klagefrist erst drei Monate nach der Einlegung des Widerspruchs276 . Der Gesetzgeber hat zwar versucht, die Interessen der Verwaltung und der Bürger in Einklang zu bringen, das Ergebnis geht jedoch an den Bedürfnissen vorbei. Wie die Praxis gezeigt hat, ist die Forderung, von der Behörde zu verlangen, daß sie sich selbst ein rechtswidriges Handeln bescheinigt, realitätsfern. Daher wird diese Bescheinigung in der Regel nicht ausgestellt. Im Fall einer begünstigenden vermuteten Verwaltungsmaßnahme kann der Bürger das Bestehen dieser Maßnahme nur durch einen Hinweis auf die gesetzliche Regelung nachweisen. So kann beispielsweise ein Bauherr, der bei einer Bank einen Kredit fiir die Errichtung eines Gebäudes beantragt, dieser Bank gegenüber, soweit weder die Baugenehmigung ausdrücklich erteilt noch die Bescheinigung erteilt worden ist, nur seinen Antrag auf Erteilung der Bescheinigung vorlegen. Doch kaum einer Bank wird ein solcher Antrag als Grundlage fiir die Gewährung eines Kredits genügen277 . (3)
Der Inhalt der vermuteten Verwaltungsmaßnahme
Nach der früheren Regelung der LPA hatte die vermutete Verwaltungsmaßnahrne grundsätzlich ablehnende Wirkung278 . Das sogenannte "positive", d.h. zustimmende Schweigen wurde nach Art. 95 LPA nur angenommen, wenn es durch eine ausdrückliche Bestimmung geregelt war oder wenn es sich um eine Erlaubnis oder um eine Genehmigung handelte, die den Bereich der Kontrollausübung oder der Aufsicht von höherrangigen Organen über niederrangigen betraf279 . Das neue Gesetz über das Verwaltungsverfahren kehrt das Aus-
276 Für eine weite Auslegung der Fristen beim Schweigen der Verwaltung spricht sich das Verfassungsgericht aus: S. TC 6/1986 vom 21. Januar 1986 ,FJ. 3 c), in: JC 14, S. 40-53 (50f.) zu Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 122 LPA (recurso de alzada); sowie S TC 204/1987, vom 21. Dezember 1987, FJ 4, in: JC 19, S. 627-636 (634f.) zu Art. 40 a) UCA. Kritisch gegenüber den langen Firsten, Sainz Moreno, Obligaci6n de resolver, S. 325. 277 Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 196; Sainz de Robles Rodriguez, EI llamado "silencio administrativo", S. 631. Durch die in einigen Bundesländern (z.B. § 69a Niedersächsische Bauordnung) mittlerweile eingefilhrte Befreiung von der Baugenehmigung bei Wohngebäuden ist dieses Problem auch in Deutschland aktuell geworden. 278 S TS 25. März 1981 Ar. 1747 m.w. N. der früheren Rechtsprechung. 279 Über die Kommunalaufsicht als Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Klage vgl. S. 154.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
243
nahme-Regel-Verhältnis um. Nunmehr bedarf die ablehnende Wirkung des Schweigens der ausdrücklichen Regelung. Die Regel ist die zustimmende Wirkung der vermuteten Verwaltungsmaßnahme. Dies folgt insbesondere aus der GeneralklauseI in Art. 43 Abs. 2 c) LRJPA. In diesem Sinne betonen die Motive zur LRJPA, "das positive, d.h. begünstigende Schweigen der Verwaltung sei durch das Gesetz eingefiihrt worden, wodurch das traditionelle System geändert worden sei "280 . Der Gesetzgeber hat jedoch die Gefahr einer solchen allgemeinen Regelung des "positiven Schweigens" erkannt und darauf hingewiesen, daß ebenso wie die Grundlage dieser Konstruktion, das rechtswidrige Unterlassen der Behörde, auch die Anwendung der Regelung des Schweigens selbst die Ausnahme bleiben müsse"281. Ausdrücklich stimmt die Verwaltung durch Schweigen zu, soweit der Antrag des Bürgers nach Art. 43 Abs. 2 a) LRJPA die Erteilung einer Genehmigung oder Erlaubnis zur Errichtung, Verlagerung oder Erweiterung eines Unternehmens oder anderer Arbeitsstätten zum Gegenstand hat, bzw. nach Art. 43 Abs. 2 b) LRJPA den Bürger zur Ausübung eines schon bestehenden Rechts befähigt282 . Damit entspricht die Regelung auch der Forderung der Lehre283 .
280 Motive zu LRJPA: Nr. 9, Abs. 5. 281 Motive zu LRJPA, Nr. 9, Abs. 5:"EI objetivo de la Ley no es dar earticter posi-
tivo a la inaetividad de la Administraci6n cuando los particulares se dirijan a ella. EI eartieter positivo de la inaetividad de la Administraci6n es la garantia que se estabIeee euando no se eumple el verdadero objetivo de la ley, que es que los ciudadanos obtengan respuesta expresa de la Administraei6n y , sobre todo, que la obtengan en el plazo establecido".
282 Zu den bestehenden Rechten, zu denen inbesondere nicht die zu rechnen sind, die sich aus der Nutzung des Bodens ergeben: vgl. Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S.198. Werden dem Bürger mit der Beflihigung auch Rechte übertragen, die im Zusammenhang stehen mit dem öffentlichen Eigentum und öffentlichen Dienstleistung, gilt der Antrag als abgelehnt. Hier bestehen aber erhebliche Abtimmungsprobleme. Der Antrag zur Erlaubnis zur Eröffnung einer Apotheke kann, da es sich um eine öffentliche Dienstleistung handeln, nach Art. 43 Abs. 2 b) LRJPA geregelt werden, so daß das Schweigen negative Wirkung hätte. Jedoch sehen die Bestimmungen, die die Zulassung zur Eröffuung einer Apotheke regeln, keine Regelung des Schweigens der Verwaltung vor, so daß auch der Buschstabe c) greifen könnte: Beispiel nach Gonzalez Perezl Gonza1ez Navarro, LRJPA, S. 615. 283 Morillo-Velarde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S.77; a.A.: Parada Vazquez, Regimen, S. 163 und 169 sieht darin eine Gefahr fllr die öffentliche Ordnung. 16*
244
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Die zustimmende Wirkung der vermuteten Verwaltungsmaßnahme ist zwar nicht in der theoretischen Konzeption, aber in der praktischen Gestaltung weiterhin die Ausnahme geblieben284 . Art. 43 Abs. 2 c) LRJAP ermöglicht nämlich gleichzeitig den Gesetzgeber, durch konkrete Regelung die ablehnende Wirkung des Schweigens in bestimmten Bereichen wiederherzustellen. Die dritte Zusatzbestimmung zur LRJPA hat dem Gesetzgeber dafiir eine Frist von sechs Monaten eingeTäumt28S , um die speziellen Verfahrensregelungen dem neuen allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz anzupassen286 . Sie ist nach Verlängerung am 27.8.94 abgelaufen. Der Gesetzgeber hat diese Möglichkeit ausgiebig genutzt, um aus der Ausnahme, dem ablehnenden Schweigen, praktisch wieder die Regel werden zu lassen287 . Nach den Plänen des Ministeriums fiir die öffentliche Verwaltung soll bei 1016 von insgesamt 1893 Verfahren die vermutete Verwaltungsmaßnahme eine negative Wirkung haben288 . Leider hat der Gesetzgeber keine Übersicht über die angepaßten Gesetze erstellt289 . Somit bleibt es zwar beim alten System, es ist jedoch nunmehr aufgrund der Zersplitterung der Regelungen fiir den Bürger nicht mehr nachvollziehbar, ob sein Antrag durch das Schweigen abgelehnt oder angenommen worden ist290 . Aufgrund der im Grundsatz weiter anwendbaren Klagefristen besteht die Gefahr, daß der Bürger unzutreffend auf die "positive" Wirkung der Verwaltungsmaßnahme vertraut und dadurch die Klagefristen verstreichen läßt. Dadurch werden seine Klagemöglichkeiten faktisch erheblich beschränkt, 284 S TS 2. Oktober 1985 Ar. 4585; S TS 8. März 1986 Ar. 2309; S TS 12. Juli 1985 Ar. 4213; S TS 17. Dezember 1981 Ar. 5429; S TS 10. März 1980 Ar. 2141; S TS 19. Oktober 1981 Ar. 4485. Zur Rechtsnatur des positiven Schweigens S TS 8. Mai 1979 Ar. 742 des Jahrbandes 1980. 285 Die Anpassungsfrist ist durch Real Decreto-Iey 14/1993, vom 4. August (BOE Nr. 199, vom 20. August) auf achtzehn Monate erhöht worden, so daß sie am 27. August 1994 abgelaufen ist. 286 Garrido Falla, La obligaci6n de resolver, S. 193f. spricht von einer Aufforderung des Gesetzgebers an die Verwaltung, lange Listen des negativen Schweigens zu erstellen; zu der dritten Zusatzbestimmung und den Schwierigkeiten bei der Umsetzung siehe Gonzlilez Perezl Gonzlilez Navarro, LRJPA, S. 145ff. 287 Gonzlilez Perez, Los obstAculos del acceso, S. 366. 288 Die Daten beruhen auf der Wiedergabe bei Gonzlilez Perezl Gonzlilez Navarro, LRJPA, S. 617; nach dem bisherigen System hatte bei 216 Verfahren das Schweigen eine zustimmende Wirkung. 289 Garrido Falla/Fernandez Pastrana, Regimenjuridico, S. 17. 290 Garcia Morago, Observaciones sobre el Proyecto, S. 352; Gonzlilez Perezl GonZlilez Navarro, LRJPA, S. 619ff.; So kennt das Verwaltungrecht von Katalonien allein 134 Fälle des positiven Schweigens: Decreto de la Generalidad de Cataluna vom 25. März 1991 (Diario Oficial de Cataluifa, vom 22. Mai 1991, Nr. 1445), wiedergegeben in: Gonzlilez Perezl Gonzlilez Navarro, LRJPA, S. 620.
E. Gegenstand \Uld Dichte der Kontrolle
245
so daß ein Teil der Lehre darin eine Verletzung der Rechtsschutzgarantie sieht291 . Praktisch bedeutsam ist das "Schweigen der Verwaltung" vor allem im Baurecht: So haben alle vermuteten Verwaltungsmaßnahmen bei Anträgen im Zusammenhang mit Bebauungsplänen und -programmen nach Art. 41 der Ley de Suelo zustimmende Wirkung292 . Voraussetzung ist hier jedoch nach Art. 133 Abs. 3 des Reglamento de Planteamiento Urban[stico, daß die Baugenehmigung (licencia de edijicacion) in der beantragten Form formell und materiell rechtmäßig ist. Diese strenge Anforderung ist von der Rechtsprechung bestätigt worden293 . In den anderen Rechtsgebieten ist eine begünstigende Verwaltungsmaßnahme nach Art. 62 f) LRJPA nichtig, wenn die wesentlichen Voraussetzung rur das Zustandekommen fehlten. Diese Bestimmung, die eine der wesentlichen Neuerungen der LRJP A war294 , muß jedoch nach allgemeiner Ansicht in der Lehre restriktiv angewandt werden, so daß nicht jede rechtswidrige vermutete Verwaltungsmaßnahme nichtig ist295 . Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist beispielsweise wesentlich bei
291 Alcon ZaragozaiCosta Castella, Actos pres\Ultos, S. 496; GonzAlez Perez, Los obstilculos del acceso, S. 366. 292 S TS 22. Februar 1983 Ar. 919; S T8 25. Mai 1994 Ar. 4467; S TS 28. März 1994 Ar. 2802; vgl. hierzu Diaz Gomez, EI silencio administrativo positivo, S. 161ff. 293 STS 2. April 1975 Ar. 2388; 11. Juni 1975 Ar. 3463, 11. Februar 1977 Ar. 1033. Zum Rechtmäßigkeitserfordernis: S T8 5. Januar 1983 Ar 240; S. TS 1. J\Uli 1983 Ar. 3474; sowie bei BaugenehmiglUlg in historischer Altstadt S TS 17. Mai 1983 Ar. 3330; S TS 27. Februar 1989 Ar. 1706; 30. Januar 1990 Ar. 362. 294 Garrido FallaIFernandez Pastrana, Regimen juridico, S. 190. 295 Garrido FallalFernandez Pastrana, Regimen juridico, S. 191; GonzAlez Perezl GonzAlez Navarro, LRJPA, S.804. Aus diesem GrlUlde kann die früher vertretene Auffass\Ulg, eine VerwaltlUlgsmaßnahme könne nicht vermutet werden, wenn sie rechtswidrig sei, nicht mehr aufrechterhalten werden. Vgl. zu der früheren Ansicht: S TS 15. Mai 1980 Ar. 2807; S TS 1. J\Uli 1983 Ar. 3474, S TS 29. September 1975 Ar. 4541; S TS 9. März 1983 Ar. 1251, S T8 2. Februar 1982 Ar. 695; Schon zweifelnd S TS 21. Oktober 1982 Ar. 6918; nur bei offensichtlich rechtswidrigen VerwaltlUlgsmaßnahmen: S TS 31. Oktober 1963 Ar. 4740; S TS 18. März 1970 Ar. 1931; S TS 23. Juni 1971 Ar. 3841; S T8 28. Januar 1974 Ar. 653; S TS 4. Dezember 1975 Ar. 4473; S TS 28. Oktober 1978 Ar. 3960; S TS 24. November 4311; S TS 22. Dezember 1978 Ar. 4588; S TS 17. März 1981 Ar. 1280. Ebenso entspricht die Ansicht, daß die vermutete VerwaltlUlgsmaßnahme losgelöst von ihrer materiellen Rechtmäßigkeit immer wirksam ist, nicht mehr der aktuellen Rechtslage: Vgl. hierzu S TS 16. Mai 1966 Ar. 2252; S TS 27. Januar 1968 Ar. 435, S TS 12. Apri11969 Ar. 1796, S TS 27. Oktober 1976 Ar. 4436; S TS 3. November 1976 Ar. 4576.
246
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
den Ausnahmebewilligungen (concesiOn), nicht jedoch bei der Erlaubnis (/icencia)296. (4)
Das Problem der Klagefristen
Nach Ansicht des Verfassungsgerichts darf die Verwaltung durch ihr Schweigen nicht besser stehen als sie stünde, wenn sie ihre Handlungspflicht erfiillt hätte 297 . Doch gerade bei den Klagefristen wird dieser Grundsatz in Frage gestellt. Wie oben dargelegt, beginnt die Klagefrist nach Art. 44 Abs. 5 LRJPA auch dann nach 20 Tagen zu laufen, wenn die Verwaltung die Bescheinigung verweigert298 . Es kann beispielsweise der Fall eintreten, daß der Bürger die Bescheinigung abwarten will und nichts unternimmt, die Verwaltung jedoch erst nach Ablauf der Klagefrist ausdrücklich entscheidet. Zwar kann dem Bürger vorgehalten werden, er hätte noch innerhalb der Klagefrist Klage einreichen können; aber dieser Obliegenheit des Bürgers steht die Pflichtverletzung auf Seiten der Verwaltung entgegen. Die Verwaltung würde damit durch das Schweigen besser gestellt (der Bürger kann nicht mehr klagen) als durch die rechtmäßige Erfiillung ihrer Aufgaben, so daß die Gerichte mit der Klageabweisung die Rechtsschutzgarantie verletzen 299 . Wird der Antrag erst nach Ablauf der Frist ausdrücklich von der Behörde abgelehnt, beeinflußt dies aufgrund der Bindungswirkung der vermuteten Verwaltungsmaßnahme nicht den Bestand der vermuteten Zustimmung300 . In diesem Fall sind jedoch zwei Verwaltungsmaßnahmen in der Welt: Eine vermutete, rechtmäßige z.B. eine Baugenehmigung und eine ausdrückliche nichtige Verwaltungsmaßnahme z.B. die Versagung der Baugenehmigung. Nach einer im Obersten Gerichtshof vertretenen Ansicht kann der Bürger in diesem Fall wegen Fristversäumung nicht die Nichtigkeit dieser ausdrücklichen Ablehnung feststellen lassen301 . Dem widerspricht eine Ansicht, die darin einen Verstoß gegen das Gebot der Rechtssicherheit und damit der Rechtsschutzga296 Gonzalez Perev Gonzalez Navarro, LRJPA, 8.805. Eine Grundlage findet diese Regelung auch in der Rechtsprechung: 8 T8 9. März 1983 Ar. 1251: "que 10 conseguido por silencio administrativo no es manifiestamente antijuridico y por ello illegal o nulo"; ebenso 8 T8 17. Dezember 1981 Ar. 5429; 8 T8 13. November 1986 Ar. 6403; 8 T8 17. Februar 1988 Ar. 1423. 297 8 TC 6/1986 vom 21. Januar 1986, FJ. 3 c),
in: JC 14,8.40-53 (51).
298 80 ausdrücklich 8 T8 3. Juli 1982 Ar. 4711. 299 8 TC 6/1986 vom 21. Januar 1986, FJ. 3 c), 300 8 T8 2. Oktober 1985 Ar. 4585. 301 8 T8 14. Mai 1987 Ar. 3599.
in: JC 14,8.40-53 (51).
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
247
rantie sieht302 . Art. 24 Abs. I CE fordere, von Klagefristen bei Klagen abzusehen, die eine vermutete Verwaltungsmaßnahme zum Gegenstand haben303 . Hingegen setze die Klagefrist ein, wenn die Verwaltung eine ausdrückliche Verwaltungsmaßnahme erläßt304 . Für diese Ansicht spricht insbesondere das Gebot der Rechtssicherheit. Erläßt die Behörde nachträglich eine Verwaltungsmaßnahme, muß der Bürger die Möglichkeit haben, die Nichtigkeit dieser in der Welt befindlichen Maßnahme gerichtlich feststellen zu lassen. d) Die beschränkt rechtschützende Funktion der Klage gegen vermutete Verwaltungsmaßnahmen Zwar eröffnet die Technik der vermuteten Verwaltungsmaßnahme den Rechtsweg, wenn die Verwaltung auf einen Antrag des Bürgers schweigt, durch die Klage werden jedoch nicht die Rechte des Bürgers geschützt. Dieses gilt umfassend für vermutete Verwaltungsmaßnahmen, die den Bürger unmittelbar belasten, aber auch für solche, die zwar einen begünstigenden Inhalt (Baugenehmigung) haben, jedoch für Dritte (Nachbarn) belastend wirken. Vielmehr tritt hier wieder das objektive Element der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zum Vorschein. Das Gericht kann durch das Urteil die Rechtswidrigkeit der in dem Schweigen vermuteten Ablehnung oder Zusage feststellen und diese Verwaltungsmaßnahme aufheben. Darüber hinaus kann es jedoch die Verwaltung nicht verpflichten, eine ausdrückliche Verwaltungsmaßnahme zu erlassen. Die Klage gegen eine vermutete Verwaltungsmaßnahme ist also keine Leistungsklage. Zum Teil wird daher von der Lehre die Übernahme der gemeinschaftsrechtlichen Untätigkeitsklage (Art. 175 EGV) gefordert305 . Doch erreicht eine solche Untätigkeitsklage nicht mehr als das bisherige Verfahren, da sie bloß 302 S TS 25. Januar 1983 Ar 308, S TS 7. Dezember 1981 Ar. 4790; S TS 26. April 1986 Ar. 4375. 303 S TS 26. April 1986 Ar. 4375; exemplarisch dazu S TS 11. November 1988 Ar. 8929; S TS 26. Mai 1981 Ar. 2174; S TS 15. Juli 1980 Ar. 3435; S TS 8. Juli 1980 Ar. 3417. Vgl. auch Gonzalez Perez, Manual, S. 224. Zugunsten einer Heilung von Fristverstößen: S TS 4. Februar 1986 Ar. 1225; S TS 8. Juni 1989 Ar. 4367; S TS 25. Januar 1985 Ar. 882; S TS 5. Juni 1987 Ar. 6092; 27. Juli 1987 Ar. 7686; S TS 21. November 1989 Ar. 8349; Überzeugend S TS 16. Februar 1982 Ar. 962. 304 Sainz de Robles Rodriguez, El11amado "silencio administrativo", S. 630; Morillo-Velarde Perez, Hacia una nueva configuraci6n, S. 70. 305 Garcia de Enterria, Curso II, S. 559.
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
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eine Verpflichtung zum Tätigwerden enthält. An die Stelle der Vermutung der Verwaltungsmaßnahme tritt in diesem Fall die ausdrückliche Regelung, gegen die sich dann der Bürger erneut gerichtlich zur Wehr setzen muß, wenn sie ihn belastet. Dem angemessenen Schutz der Rechte dient nur ein Urteil, das die Verwaltung zu einer bestimmten Handlung verpflichtet. Zwar fordert ein Teil der Lehre gerade deshalb, daß der Richter bei Spruchreife die Verwaltung unmittelbar zu einem bestimmten Tun verurteilt306 . Allein aber in den oben dargelegten Ausnahmefällen hat der Oberste Gerichtshof auf der Grundlage eines Folgenbeseitigungsanspruches die Verwaltung zu einem bestimmten Handeln verpflichtet307 . Die Kontrolle des Unterlassens dient daher primär der objektiven Kontrolle der Verwaltung, nicht der Verwirklichung der verletzten Rechte.
V. Die Rechtsschutzgarantie und die Kontrolldichte 1. Die umfassende Kontrolle der Bindung der Verwaltung an das Gesetz Die Gerichte sind verpflichtet, die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu prüfen und die Einhaltung des Legalitätsprinzips (principio de legaIidad) zu gewährleisten (Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 CE)308. Im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 4 GG kontrollieren die Gerichte in Spanien nicht allein die Verletzung der "Rechte und legitimen Interessen", sondern darüber hinaus die Verletzung der gesamten "Legalität". Nach Art. 63 Abs. 1 LRJPA bzw. Art. 83 Abs. 2 LJCA werden die Verwaltungsmaßnahmen aufgehoben, die gegen die Rechtsordnung verstoßen, einschließlich der Zweckverfehlung (desviaci6n de poder). Ein "Rechtswidrigkeitszusammenhang", der das objektive Recht mit dem subjektiven Recht verkiammert309 , ist nicht erforderlich. Was aber ist unter Rechtsordnung (Iegalidad) i.S.d. Art. 106 Abs. 1 CE zu verstehen? Lehre und Rechtsprechung gehen im wesentlichen - angelehnt an die französische Verwaltungsrechtswissenschaft - von einem weiten Rechtsordnungsbegriff aus, dem "bloque de legalidad", der neben den verfassungsrechtlich wirksamen Gesetzen und Verordnungen auch die allgemeinen
306 307 308 309
Tomos Mas, La situacion actual, S. 113. Siehe S.128. Siehe hierzu Entrena Cuesta, Derecho Administrativo, S. 167ff. MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 00, Rdnr. 156ff.; Krebs, in: v. MÜDCh, Art. 1900, Rdnr. 61.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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Grundsätze und das Gewohnheitsrecht umfaßt31O . An diese Rechtsordnung sind die öffentlichen Gewalten nach Art. 9 Abs. 1 CE, die Verwaltung sogar ausdrücklich nach Art. 103 Abs. 1 CE gebunden311 . Hinsichtlich der Bindung an die bestehende Rechtsordnung ist die gerichtliche Kontrolle in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend312 . Wenn das Gesetz eine bestimmte Tatsache voraussetzt (Alter, Lage des Baugrundstücks, etc.), prüft das Gericht vollständig, ob sie wirklich vorliegt. Ebenso verfahren die Gerichte bei eindeutig bestimmten Begriffen im Tatbestand und in der Rechtsfolge einer Norm (Führung eines Titels, Eigentümer des Grundstücks, etc.). Hier kontrollieren sie die Auslegung und die Subsumtion durch die Behörde umfassend, das heißt, sie vollziehen selbst vollständig nach, indem sie überprüfen, ob Auslegung und Subsumtion der Behörde mit ihrer eigenen übereinstimmt. Zu den Rechtsverletzungen zählt in Spanien, wie im Grundsatz in Deutschland313 , auch die Ermessensüberschreitung, bei der die Verwaltung eine nicht mehr im Rahmen der Ermessensvorschrift liegende Rechtsfolge wählt. Zu fragen ist, ob der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit auch den des Vorbehalts des Gesetzes erfaßt, d.h. ob es einen Bereich freier Gestaltung gibt, der nicht durch die Rechtsordnung erfaßt wird und damit auch nicht einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden kann. 2. Legalitätsprinzip und Vorbehalt des Gesetzes
Hinsichtlich eines Vorbehalts des Gesetzes stand die spanische Lehre beim Erlaß der Verfassung 1978 vor einem Neuanfang. Das Fehlen einer Lehre vom Gesetzesvorbehalt im Rahmen des Legalitätsprinzips hatte andere Grunde als 310 S TS 30. April 1988 Ar. 3294; Soriano Garcia, Hacia la desviacion, S. 181f; Garcia de Enterria, Curso I, S. 435; Entrena Cuesta, Derecho Administrativo, S. 167; Garronera Morales, EI lugar de la ley, S. 142; Diez-Picazo, Constitucion y fuentes, S. 656; Villar Palasi, Principios, Bd. 1, S. 101; Garcia de Enterria, Curso I, S. 435f.; Rubio Llorente, EI principio de legalidad, S. 22; Sanchez Moron, Discrecionalidad, S.109. 311 Zum Legalitätsprinzip als tragendes Rechtsprinzip des europäischen Verwaltungsrechts siehe Muiloz Machado, Los principios generales del procedimiento, S.52lf. 312 Umfassend S TS 28. Mai 1979 Ar. 2600; Lopez Pina, Antonio, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 45. 313 Götz, Alig. Verwaltungsrecht, S. 81.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
in Frankreich, wo die Frage, ob die Verwaltung lückenlos vom Gesetzgeber vorausgesteuert werden soll, eine Frage der Abgrenzung zwischen Verordnung und Gesetz und daher der Gewaltenteilung ist314 . In Spanien diskutierte man zunächst (wie in Deutschland) die Frage eines Gesetzesvorbehalts i.S. eines Parlamentsvorbehalts beim Demokratieverständnis und beim Grundrechtsschutz. So sahen zwar einige Verfassungen des 19. Jahrhunderts, insbesondere die Verfassung von Cädiz, einen Parlamentsvorbehalt bei Eingriffen in das Eigentum und die persönliche Freiheit der Bürger vor3 15 , diese Bestimmungen wurden jedoch nicht in die Wirklichkeit umgesetzt. Die Rechtswirklichkeit wurde bis 1978 abwechselnd geprägt durch diktatorische Systeme und Verfassungen, die keine Zuordnungsregelung zwischen Parlament und Exekutive vorsahen (weil die Exekutive dominierte) und die den Schutz der Freiheiten und des Eigentums, d.h. der Ausprägungen der bürgerlichen Gesellschaft, deren Schutz im 19. Jahrhundert zur Herausbildung eines Eingriffsvorbehalts fiihrte 316 , nicht gewährleisten wollten oder konnten. Folglich konnte keine Lehre und schon gar nicht eine Rechtsprechung zur Frage eines Gesetzesvorbehaltes entstehen. War demnach eine Maßnahme der Verwaltung gesetzlich nicht verboten, so war sie erlaubt. Eine gerichtliche Kontrolle dieses ungeregelten Bereiches der Verwaltung, Ermessen genannt, fand daher nicht statt317 . Diese beschränkte Sicht der Legalität aus dem Blickwinkel des Vorrang des Gesetzes bzw. "der negativen Bindung der Verwaltung"318 änderte sich jedoch durch die Verfassung von 1978. Nunmehr gilt der Parlamentsvorbe-
314 Diese Entwicklung beruht auf der gaullistischen Verfassung der V. Republik vom 4. Oktober 1958, die u.a. eine Reaktion zur verordnungsfeindlichen Verfassung von 1946 war: Nach Art. 37 ist ein ausdrücklicher Verordnungsvorbehalt vorgesehen filr die Bereiche, filr die keine gesetzliche Regelung vorgesehen war. Eine Übernahme dieser Regelung in die spanische Verfassung von 1978 war noch im Vorentwurf vorgesehen: vgl. hierzu Villar Palasi, Principios, Bd. I, S. 101; Schlette, Kontrolle, S. 148f.; Mufioz Machado, Los principios generales del procedimiento, S. 521f. 315 Verfassung von Cädiz: Art. 172, Nr. 10: "No puede eL Rey tomar La propiedad de ningun particuLar ni corporacion, ni turbarLe en La posesion ... "; Nr. 11.: "No puede eL Rey privar a ningUn individuo de su libertad, ni imponerLe por si pena aLguna".
316 Vgl. Ossenbühl, Der Vorbehalt des Gesetzes, S. 15. 317 Garcia de Enterria, Curso I, S. 439. 318 Cuetara, Las potestades, S. 89.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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halt319 in Art. 53 Abs. 1 CE, der im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 1 GG, der auf die spezifische Einschränkbarkeit des einzelnen Grundrechtes verweist, ausdrücklich vorschreibt, daß jede Ausübung eines Grundrechts nur durch förmliches Gesetz beschränkt werden kann. Entsprechend der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten und in Spanien übernommenen Lehre muß auch dort das förmliche Gesetz den Wesensgehalt320 der Grundrechte achten321 . Weiter bindet Art. 103 Abs. 1 Satz 2 CE die Verwaltung vollkommen an Gesetz und Recht322 , wobei sich seine Formulierung bewußt an die des Art. 20 Abs. 3 GG anlehnt323 . Wie in der Bundesrepublik wird in Spanien beim Vorbehalt des Gesetzes, d.h. bei der "positiven Bindung der Verwaltung", zwischen belastenden Eingriffen und sonstigen Eingriffen differenziert324 . Der Gesetzesvorbehalt ist in der geistigen Tradition des liberalen Rechtsstaats des 19. Jahrhunderts325 und in Kenntnis der zentralen Bedeutung des Grundrechtsschutzes entwickelt worden. Der Vorbehalt erstreckt sich daher bei der Eingriffsverwaltung auf sämtliche belastende Verwaltungsmaßnahmen (Art. 53 Abs. 1 CE)326. In diesem Zusammenhang wird der Begriff "Gesetz" materiell verstanden, so daß der Gesetzgeber durch eine Verordnungsermächtigung seine Befugnis zur Rechtssetzung an die Verwaltung delegieren darf, wenn er die "wesentlichen" Bereiche selbst programmiert327 .
319 Rubio L1orente, EI principio de legalidad, S. 25 und S. 29; a.A. 000, Derecho Constitucional, S. 152f., der einen einfachen Gesetzesvorbehalt annimmt. 320 Zur Rezeption der Wesenlichkeitstheorie in Spanien vgl. Embid lrujo, La relaci6n entre los Poderes, S. 402ff.; Femandez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 74. 321 Rubio L1orente, EI principio de legalidad, S. 27. 322 Garcia de Enterria, Curso I, S. 439. 323 Cuetara, Las potestades, S. 79; Garcia de Enterria, Curso I, S. 79 und S. 439. 324 Umfassend hierzu Rubio L1orente, EI principio de legalidad, S. 23ff.; Sanchez Mor6n, Funci6n administrativa, S. 656f. 325 Zur Entstehungsgeschichte in Deutschland siehe MDHSlHerzog, Art. 20 Abschnitt VI., Rdnr. 59. 326 S TC 8311984, vom 24. Juli, FI. 2, in: JC 9, S. 355-371 (365); BVerfGE 8, 274 (325f.). 327 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad, S. 108; Garcia de Enterria, Curso I, S. 439; Torres del Moral, Principios Bd. 2, S. 78; Rubio L1orente, EI principio de legalidad, S. 23f.; Cuetara, Las potestades, S. 74f. a.A. Santamaria Pastor, Fundamentos Bd. I, S.201, der sich zugunsten eines formellen Gesetzes bei belastenden Maßnahmen
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Schließlich ist, wie in Deutschland328 , problematisch, ob außerhalb der Eingriffsverwaltung die Exekutive einer besonderen Ermächtigung bedarf, d.h. ob noch ein gesetzesfreier Gestaltungsraum der Verwaltung besteht, oder ob der Gestaltungsspielraum mittlerweile in einigen Bereichen durch eine stärkere Bindung der Verwaltung eingeschränkt worden ist. Um diese Fragen dreht sich augenblicklich die wissenschaftliche Diskussion zum Ermessensbegriff in Spanien. Der Problemkreis soll daher im Rahmen der folgenden Ausfiihrungen zur Ermessenskontrolle dargelegt werden. a) Das Ermessen der Verwaltung / Begriffsbestimmung Das Ermessen spielt eine zentrale und zugleich höchstproblematische Rolle im Verwaltungsrecht - insbesondere im Hinblick auf den Rechtsschutz des Bürgers. So sind folgende Äußerungen exemplarisch für das unterschiedliche Verständnis des Ermessens: Für Teile der deutschsprachigen Lehre ist es "das Trojanische pferd eines rechtsstaatIichen Verwaltungsrechts"329, in Frankreich hingegen "die unerläßliche Bedingung jeglichen Verwaltungshandelns"330 . Nach der spanischen Lehre ist "das Ermessen das größte Problem, das das Verwaltungsrecht hatte, hat und haben wird"331 . Dieses Problem liegt meines Erachtens vor allem darin, daß trotz einiger wesentlicher Veröffentlichungen in den sechziger und siebziger Jahren332 die Auseinandersetzung zum Ermessen in Spanien erst in den letzten fünf Jahren richtig eingesetzt hat333 . Das Ermessen wird im Spanischen als poder discreciona[334 oder einfach als discrecionalidad bezeichnet. Diese Bezeichnung entstammt dem französiausspricht; zum Gesetzesbegriff des Grundgesetzes Starck, Der Gesetzesbegriff, S. 151ff.. 328 Götz, Das Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 281ff.; MDHSlHerzog, Art. 20 Abschnitt VI., Rdnr. 69ff. 329 Huber, Niedergang, S. 66. 330 Waline, Etendue, S. 25. 331 Fermindez, Discrecionalidad y jurisdicci6n, S. 285. 332 Vgl. Garcia de Enterria, La lucha contra las inmunidades del poder (1962); Sanchez lsac, La desviaci6n de poder en los Derechos frances, italiano y espai'iol (1973).
333 Parejo A1fonso, Administrar y juzgar, S. 25. 334 Dabei muß jedoch beachtet werden, daß es sich bei dieser Bezeichnung ,,Ermessensmacht" um eine Tautologie handelt. Jede Befugnis zeichnet sich im Grundsatz durch die Freiheit des Ausübenden aus. Die besondere Betonung des Freiheits-
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
253
schen Recht, das den Begriff pouvoir discretionnaire in das Zentrum der Verwaltungsrechtswissenschaft stellt33S . Die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes definiert das Ermessen als "die Befugnis der Verwaltung zur Wahl zwischen zwei Möglichkeiten auf der Tatbestands- oder Rechtsfolgenseite, die gleichermaßen rechtmäßig sind, unter Ausschluß einer effektiven Gerichtskontrolle"336. Aus der Definition ist erkennbar, daß im Gegensatz zur deutschen Dogmatik das Ermessen nicht auf die Rechtsfolgenseite beschränkt wird. Viele Entscheidungen und Lehrbücher rechnen z.B. die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zum Ermessen der Verwaltung337 . Man muß daher, wie in Frankreich338 , von einem weiten Ermessensbegriff ausgehen, der jeglichen Freiraum der Verwaltung, sei es auf der tatbestandlichen, sei es auf der Rechtsfolgenseite, umfaßt339 . Dieses Ermessen beschränkt sich auf das administrative Handeln. Auch wenn in Teilen der Literatur von einem gerichtlichen Ermessen (discrecionalidad judicial)340 bzw. von einem gesetzgeberischen Ermessen (discrecionalidad dei legislador)341 gesprochen wird, werden darunter entweder ausschließlich die Fälle des Handeins der administrativen Organe dieser Staatsgewalten oder die politische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers verstanden342 .
elements kennzeichnet demnach diese Befugnis als die Befugnis schlechthin: Vgl. dazu Fernandez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S.2255; Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 25. 335 Vgl. insbesondere Schlette, Kontrolle, S. 95ff. 336 S TS 15. Juni 1977 Ar. 2924; S TS 27. Juni 1979 Ar. 2753; S TS 15. Juni 1984 Ar. 4629, S TS 22. Dezember 1986 Ar. 1558: "La discrecionalidad es la capacidad de eleccion u opcion sin posibilidad efectiva de control jun·sdiccional entre varias soluciones. todas el/as igualmente justas"; Sanniento Acosta, Control de la discrecionalidad, S. 209.
337 Vgl. die Nachweise bei GonzAlez Perez, Art. 83, S. 367ff. 338 Starck, Verwaltungsennessen, S. 28. 339 Sanchez Moron, Discrecionalidad ad.ministrativa, S. 121, weist daraufhin, daß Spanien ganz am Anfang der Lehre vom Ermessen steht; ebenso Cassagne, La revision de la discrecionalidad, S. 351. 340 Vgl. Martin-Retortillo Baquer, L., DeI control de la discrecionalidad administrativa, S. 1083ff. 341 Rodriguez-Zapata y Perez, Desviacion de poder, S. 1527ff. 342 Martin-Retortillo Baquer, L., DeI control de la discrecionalidad administrativa, S. 1095; Rodriguez-Zapata y Perez, Desviaci6n de poder, S. 1547; zur Frage einer möglichen Zweckverfehlung des Handelns dieser beiden Staatsgewalten siehe unten S.277.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Charakteristisch sind demnach für das Ermessen die Option zwischen zwei rechtmäßigen Handlungsmöglichkeiten und zwar sowohl beim Auswahl- als auch beim Entschließungsermessen343 sowie der Ausschluß der gerichtlichen Kontrolle. Darum stehen sich Ermessen und richterliche Kontrolle begrifflich gegenüber. b) Der geschichtliche Hintergrund des Ermessens in Spanien Der Begriff des Ermessens ist durch seinen geschichtlichen Hintergrund bestimmt. Die Entwicklung hin zu einer Kontrolle des Verwaltungsermessens bezeichnet der Oberste Gerichtshof selbst als einen "langen Kampf'344 . Art. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung vom 13. September 1888 schloß eine gerichtliche Überprüfung der Ermessensakte aus, die den politischen Akten gleichgestellt waren und deren Kontrolle gegen das GewaItenteilungsprinzip verstoßen hätte345 . Damit entsprach das Gericht auch dem damaligen Legalitätsgrundsatz, da die Verwaltung allein negativ gebunden war346 . Weiterhin war die Verwaltungsmaßnahme als Ganzes Gegenstand der Kontrolle, so daß, sobald auch nur ein Teil der ermächtigenden Norm unbestimmt war, der gesamte Akt zum unkontrollierbaren Ermessensakt wurde. Nach gebundenen Elementen der Verwaltungsmaßnahme wurde nicht gefragt347 . Der Oberste Gerichtshof übernahm die Lehre des französischen Staatsrates vom exces de pouvoir nur ansatzweise. In Frankreich wurde dadurch die Ermessenskontrolle möglich, die zunächst auf Zuständigkeits- und Verfahrensfehler beschränkt war, später auf den Zweck der Handlung und Ende des 19. Jahrhunderts auf sämtliche "direkte" und "indirekte" Gesetzesverletzungen ausgedehnt wurde348 . Die spanische Rechtsprechung aber kam über eine zaghafte Kontrolle der Zuständigkeit und des Verfahrens nicht hinaus349 . Eine erste positivrechtIiche Regelung erfuhr die Kontrolle des Ermessens350 343 S TS 12. Juni 1985 Ar. 3217. 344 S TS 2. Dezember 1985 Ar. 6510. 345 Villar PalasiIVillar Ezcurra, Principios TI, S. 36; Cuetara Martinez, Potestades adrninistrativas, S. 408. 346 Siehe oben Garcia de Enterria, Curso I, S. 437. 347 Garcia de Enterria, Curso I, S. 437. 348 Vgl. hierzu Schlette, Kontrolle, S. 185fT. 349 Garcia de Enterria, Curso I, S. 462. 350 Abgesehen von Versuchen auf kommunaler Ebene vgl. Art. 290 und 331 des Estatuto Municipal.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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durch Art. 101 der republikanischen Verfassung von 1931, wonach "ein Gesetz [... ] die Klagen gegen die Unrechtmäßigkeit der Akte und der Bestimmungen regeln [wird], die von der Verwaltung in Ausübung ihrer Verordnungsbefugnis erlassen werden, sowie gegen die Ermessensakte der Verwaltung, die eine Übertretung oder eine Fehlleitung der Befugnis (exceso 0 desviacion de poder) bewirken". Dieses Gesetz wurde jedoch nicht erlassen. Im Gegensatz zum Conseil d'Etat entwickelte der Oberste Gerichtshof auch keine vom Gesetzeswortlaut losgelöste eigenständige Rechtsprechung, so daß erst die Verwaltungsgerichtsordnung von 1956 (Art. 83 Abs. 2 LJCA) die Gerichte explizit ermächtigte, das Verwaltungsermessen zu kontrollieren. Den anderslautenden Motiven der LJCA3S1 zum Trotz hielten Rechtsprechung und Lehre aber oft noch an der Konzeption der Verwaltungsmaßnahme als unteilbarem Ganzen fest. Die Entwicklung der Ermessenskontrolle wurde durch das Festhalten an dieser Konzeption stark gehemmt, denn diese Entwicklung beruht, wie das deutsche Beispiel zeigt, im wesentlichen auf der Herauslösung der gebundenen Elemente der Ermessensakte. Fraglich ist, ob die durch die Verfassung entwickelte Grundvorstellung des Legalitätsprinzips und damit die Rechtsschutzgarantie einen neuen Ansatz bei der Frage der Ermessenskontrolle fordern. c) Die Verfassungsmäßigkeit des Ermessens und seiner Kontrolle aa) Das Verhältnis des Ermessens zum Legalitätsprinzip Das Ermessen wird - wie in der französischen Lehre3S2 - im Zusammenhang mit dem Legalitätsprinzip erörtert3S3 . Auch wenn die Verwaltung an die Legalität gebunden ist3S4 , beschränkt das Ermessen den Wirkungskreis des Legalitätsprinzips, das ursprünglich allein unter dem Blickwinkel des Vorrangs des Gesetzes gesehen wurde: Ermessen lag immer dort vor, wo aufgrund einer Gesetzeslücke der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes leerlief9 S5 .
351 Motive IV, 3) 7. Absatz: "La discrecionalidad ha de referirse siempre a alguno o algunos de los elementos dei acta, con 10 que es evidente la admisibilidad de la impugnaci6n jurisdiccional en cuanto a los demas elementos" . 352 Vgl. Starck, Verwaltungsennessen, S. 21. 353 Garcia de Entenia, Curso I, S. 451ff; Ganido Falla, Tratado I, S. 258ff.; Chinchilla Marin, La desviacion, S. 48. 354 Garcia de Entenia, Curso I, S. 439; Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 103. 355 Ganido Falla, Tratado I, S. 258f; Garcia de Entenia, Curso I, S. 437.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Die Verfassung von 1978 wandelte das Verständnis des Legalitätsprinzips jedoch grundlegend. Sein Verhältnis zum Verwaltungsermessen ist problematisch geworden und fiihrte in der Lehre zu einer heftigen Diskussion, die auf verschiedenen Konzeptionen des Gesetzesvorbehalts beruht. (1)
Das Ermessen als Relikt eines kontrollfreien Verwaltunghandelns
Ferruindez Rodriguez sieht im Ermessen die "nackte Staatsgewalt", d. h. ein Relikt der nunmehr historischen, absoluten monarchischen Gewalt, die in der Geschichte immer mehr durch gerichtliche und politische Kontrollen begrenzt worden ist3S6 . Daher sei das freie Ermessen ein Fremdkörper im Rechtsstaat3S7 . Das Legalitätsprinzip fordere einen Totalvorbehalt, der jegliches Handeln der Verwaltung von einer ausdrücklichen Ermächtigung abhängig macht. Das spiegele auch die Entwicklung der Ermessenskontrolle wider, die den Ermessensbereich immer weiter reduziert hat. Am Ende dieser Entwicklung stehe konsequenterweise die vollständige gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns und damit das Ende dieses sogenannten Ermessensbereichs. Es könne daher nicht von vornherein ein bestimmtes Handeln oder Bereiche dieses Handeins als Ermessensakt, d.h. als nicht justiziable Verwaltungshandlung bestimmt werden. Es sei vielmehr notwendig, durch gerichtliche Kontrollmöglichkeiten die Freiräume des Handeins der Verwaltung einzugrenzen. Verbleibt trotz Anwendung aller bekannter Kontrolltechniken ein - rechtsstaatlich unerwünschter - Freiraum, ist dieser als Ermessen oder als Zweckmäßigkeit zu bezeichnen. Es handele sich beim Ermessen daher um keine Befugnis der Verwaltung, sondern vielmehr um einen Beweis dafiir, daß die gerichtlichen Kontrollmechanismen unterentwickelt sind3S8 . Die Gerichte seien aber verpflichtet, den Freiraum durch die Schaffung neuer rechtlicher Kontrollmöglichkeiten einzuengen und den bisher als Zweckmäßigkeitsbereich anerkannten Freiraum der Verwaltung zu kontrollieren. Für diese Haltung gäbe es schon einige Beispiele aus der Rechtsprechung3S9 .
3S6 Fermindez Rodriguez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 17. 357 Sänchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 95f. 358 Femändez Rodriguez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 116fT. 359 S TS 4. April 1988 Ar. 2580; S TS 20. März 1990 Ar. 2243.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
(2)
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Das Ermessen als Folge normativer Ermächtigung/Die Ermächtigungslehre
Garcia de Enterria, Delgado Barrio und Villar Palasi halten zwar einen Freiraum der Verwaltung für notwendig360 , dieser müsse jedoch auf eine eng begrenzte Zweckmäßigkeit reduziert und demnach ein Ausnahmefall sein361 . Die Regel bleibe die vollständige gerichtliche Kontrolle des Verwaltungshandelns362 . Der anerkannte Freiraum (Zweckmäßigkeit) stehe jedoch nicht außerhalb der Legalität. Das Legalitätsprinzip wirke vielmehr als "Gewaltzuweisungstechnik" . Danach kann eine Behörde ein Ermessen nur dann ausüben, wenn sie gesetzlich ausdrücklich dazu ermächtigt worden ist363 . Die Verwaltung ist folglich vollständig positiv gebunden. Das entspricht weitgehend dem als "normative Ermächtigungslehre" bezeichneten Ansatz in der deutschen Lehre und Rechtsprechung364 . Die Ausübung des Ermessens findet nicht mehr außerhalb, sondern innerhalb der Rechtsordnung statt, so daß das Ermessen nicht mehr eine Beschränkung, sondern vielmehr eine Ausprägung des Legalitätsprinzips ist365 .
(3)
Funktionell-rechtlicher Ansatz
Die herrschende Ansicht in Lehre und Rechtsprechung hingegen lehnt eine vollständige positive Bindung in diesem Sinne ab366 , und zwar zunächst aus praktischen Erwägungen. Der Gesetzgeber wäre durch die Pflicht, das gesamte Verwaltungshandeln lückenlos vorauszusteuern, vollkommen überfordert367 . Zudem besitze die Verwaltung die größere Sachkenntnis rur die zu treffende Entscheidung368 .
360 Garcia de Enterria, Curso I, S. 454; zustimmend Garrido Falla, Art. 106 CE, S. 1463. 361 Garcia de Enterria, La lucha, S. 48; Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 96. 362 Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 97. 363 Villar PalasiIVillar Ezcurra, Principios 11, S. 29; dem zustimmend Leguina Villa, Principios generales, S. 27. 364 Vgl. MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 185. 365 Villar PalasilVillar Ezcurra, Principios 11, S. 29. 366 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 76f. 367 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 105; Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 96. 368 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 114 und S. 118 Fn. 21. 17 Martinez Soria
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Darüber hinaus findet nach dieser Ansicht das freie Ermessen auch einen Rückhalt in der Verfassung; es steht mithin innerhalb der Rechtsordnung369 . Grundlage des Verwaltungshandelns ist Art. 103 Abs. 1 CE, demzufolge die öffentliche Verwaltung dem öffentlichen Interesse dient. Daraus entnimmt diese Ansicht einen unmittelbaren Gestaltungsauftrag der Verfassung zugunsten der Verwaltung. Die Verwaltung darf, soweit nicht aus anderen Bestimmungen ein Gesetzesvorbehalt abgeleitet wird, das öffentliche Interesse definieren und die Maßnahmen festlegen, soweit sie nicht der Rechtsordnung widersprechen370 . Die Funktion der Verwaltung i.S.d. Art. 97 CE beschränkt sich demnach nicht allein auf den Vollzug von Gesetzen, sondern sie erstreckt sich auch auf eine aktive Gestaltung371 . Im Rahmen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten kann die Verwaltung sowohl Einzelmaßnahmen erlassen als auch Verordnungen. Die Zulässigkeit solcher Verordnungen ohne einfachgesetzliche Verordnungsermächtigungen (reglamentos independientes) war lange umstritten; sie ist jedoch nunmehr rur den grundrechtsneutralen Bereich anerkannt372 . Ermessen wird somit definiert als das gesamte verfassungsrechtlich legitimierte Handeln der Verwaltung, das nicht durch eine einfachgesetzliche Bestimmung vollständig geregelt ist373 . Das Gesetz ermächtigt daher die Verwaltung nicht zum Handeln im Rahmen eines Ermessens, sondern es begrenzt den verfassungsrechtlich möglichen Handlungsfreiraum. Das Ermessen ist folglich eine Reduzierung der einfachgesetzlichen Bindung der Verwaltung, nicht hingegen der (verfassungs-) rechtlichen nach Art. 103 Abs. 1 CE374. Folglich kann man nicht mehr von einer positiven Bindung der Verwaltung an das Gesetz sprechen, sondern vielmehr von einer "strategischen Lenkung der Verwaltung durch Gesetze"375 .
369 Parejo Alfonso, Adrninistrar y juzgar, S. 117; zum funktionell-rechtlichen Ansatz in Deutschland: Ossenbühl, Die richterliche Kontrolle, S. 735f und S. 746. 370 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 13; ebenso Nieto, Estudios hist6ricos, S.261; in Deutschland insbesondere vertreten von Feuchte, Prognose, S.306. 371 Sanchez Mor6n, Miguel, Discrecionalidad administrativa, S. 106f. und 112. 372 S TS 24. November 1980 Ar. 4597; S TS 11. April 1981 Ar. 1831; S TS 4. Februar 1982 Ar. 834; S TS 8. Juni 1982 Ar. 4776; S TS 30. November 1983 Ar. 5868; S TS 18. März 1985 Ar. 1621; S TS 19. Juni 1985 Ar. 3146; Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 105; Leguina Villa, Principios generales, S. 27. 373 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad adrninistrativa, S. 13; ebenso Nieto, Estudios hist6ricos, S. 261 374 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 121 375 Parejo Alfonso, Crisis y renovaci6n, S. 61.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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Durch diese Generalermächtigung der Verwaltung ist der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes auf die verfassungsrechtlich angeordneten Fälle beschränkt. Insbesondere bei den Grundrechten spielt er eine entscheidende Rolle376 . Nach Art. 53 Abs. 1 CE muß jeder wesentliche Eingriff in die Grundrechte durch ein formelles Gesetz bestimmt werden377 . Daher plädiert ein Teil der Lehre zugunsten eines allgemeinen Parlamentsvorbehalts bei Verwaltungsmaßnahmen, die in irgendeiner Weise Rechte oder Rechtspositionen des Bürgers berühren378 . Die herrschende Ansicht in Lehre und Rechtsprechung lehnt diese Konzeption aber ab. Vielmehr braucht die Regelung im Sinne der Wesentlichkeitslehre nur die wesentlichen Linien zu bestimmen; die Regelung unwesentlicher Einzelfragen kann dem Ermessen der Verwaltung überlassen werden. Große Bedeutung hat hier die umfassende Regelung der sozialen Grundrechte. Nach Art. 53 Abs. 3 Satz 2 CE bedürfen alle Maßnahmen der Leistungsverwaltung, die in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den verfassungsrechtlich in den Art. 39-52 CE geschützten "Leitprinzipien der Sozialund Wirtschaftspolitik" stehen, einer gesetzlichen Grundlage 379 . Weitgehende Konsequenzen fiir die Praxis ergeben sich aber aus dieser Forderung nicht, da die Maßnahmen der Verwaltung gerade in diesem Bereich sorgfältig normiert sind380 . bb) Das Verhältnis der Ermessenskontrolle zur Gewaltenteilung! Die Ersetzungsbefugnis der Gerichte Das Ermessen der Verwaltung steht also nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht im Widerspruch zur Legalität, vielmehr ist es Ausprägung der Aufgaben, die der Verwaltung zugewiesen sind. Daher stellt sich in Spanien die Frage, ob nicht jede Kontrolle der administrativen Funktion zu 376 Ebenso in Deutschland: Vgl. Pietzcker, Diskussionsbeitrag in: Götz) KleinlStarck, Die öffentliche Verwaltung, S. 113; Schnapp, Verwaltungsvorbehalt, S. 184f 377 Diese Lehre war in Spanien im Hinblick auf die gesetzgeberische und gerichtliche Tradition revolutionär, so daß die Qualifizierung als "Banalität", wie von OssenbOhl, Der Vorbehalt des Gesetzes, S.24, vorgenommen, ihrer Bedeutung nicht entspricht; zutreffend kritisch daher Bachof, Diskussionsbeitrag in: GötzJKleinlStarck, Die öffentliche Verwaltung, S. 109f 378 Garcia de Enterria, Curso I, S. 439; befWwortend Rubio Llorente, EI principio de legalidad, S. 29; kritisch hingegen: 000, Derecho Constitucional, S.234. 379 Rubio Llorente, EI principio de legalidad, S. 29; Sommermann, Schutz, S. 186. 380 Rubio Llorente, EI principio de legalidad, S. 29. 17*
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
einem erheblichen und damit verfassungswidrigen Eingriff in die Gewaltenteilung ruhrt. Das wäre der Fall, wenn die Gerichte den Freiraum der Verwaltung selbst ausrullen, indem sie das Verwaltungshandeln ersetzen. Während jedoch in Deutschland die Möglichkeit eines solchen Eingriffes aufgrund der Leistungsklagen und insbesondere der Verpflichtungsklagen öfters gegeben ist, wird dieses Problem in Spanien durch die im Grundsatz kassatorische Wirkung der Klagen kaum aktue1l 381 . Die Kontroverse ist jedoch dann in Spanien von Bedeutung, wenn statt der getroffenen rechtswidrigen Entscheidung nicht eine Vielzahl rechtmäßiger Entscheidungsvarianten möglich ist, sondern vielmehr nur eine einzige rechtmäßige, d.h. in den Fällen der sogenannten Ermessensreduzierung auf Nu1l382 . Das ist z.B. in Auswahlverfahren der Fall, in denen sich nur zwei Bewerber gegenüberstehen383 . Dann fragt sich, ob der klagende unterlegene Bewerber beanspruchen kann, das Gericht möge die Verwaltung verpflichten, statt des eindeutig weniger geeigneten Bewerbers den Kläger einzustellen. Ein Teil der Lehre bejaht einen solchen Anspruch384 , soweit rechtliche Kriterien eine solche Reduzierung erlauben385 . Grundlage rur diese Auffassung ist ein neues Verständnis der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle als rein subjektiver Rechtskontrolle. Ziel des richterlichen HandeIns sei primär die effektive Verwirklichung des subjektiven Rechts des Bürgers, nicht hingegen die Kontrolle der objektiven Legalität. Diese Ansicht, die insbesondere von der Rezeption der deutschen Lehre geprägt ist, entspricht jedoch nicht der Rechtswirklichkeit in Spanien. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in vereinzelten Fällen die Ersetzung des administrativen durch gerichtliches Handeln zugelassen386 , im übrigen ist er 381 Siehe S. 127. 382 Femandez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 173f. 383 Vgl. hierzu S TC 264/1994, vom 3. Oktober, in: Rep. Ar. 1994/3, S. 63-70~ S TC 305/1994, vom 14. November, in: Rep. Ar. 1994/3, S. 494-502. 384 Femandez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 174, zitiert hierzu die Entscheidung S TS 11. Juni 1991. 385 Femandez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 16. 386 S TS 15. Oktober 1981 (Persönliche und fachliche Bewertung eines Richters zur Genehmigung der Weiterbeschäftigung über die Ruhestandsgrenze hinaus)~ S TS 17. April 1986 Ar. 2795 (Auswahl eines Beamten)~ S TS 27. Juni 1986 Ar. 4899 (materielle Korrektur des entscheidenden Kriteriums)~ S TS 10. Februar 1987 Ar. 584 (fmanzielle Bewertung eines archäologischen Gegenstands)~ dieses erfolgte auch im weiten Bereich des Planungsrechts: S TS 15. Dezember 1986 Ar. 7460 (Kontrolle der
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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aber nicht über die Annullierung und die Verpflichtung zu Schadensersatzleistung hinausgegangen. Das Verfassungsgericht hat bis 1993 diese Zurückhaltung stets bestätigt und festgestellt, der Gewaltenteilungsgrundsatz verbiete es den Gerichten, das im Rahmen eines Ermessens erfolgte Handeln der Verwaltung zu ersetzen387 . Dem folgt auch die herrschende Lehre388 . Im Gegensatz zu Deutschland, wo der geistige Hintergrund fiir die umfangreiche gerichtliche Kontrolle der Verwaltung ein "tief verwurzeltes, nicht weiter reflektiertes Grundmißtrauen gegen die Verwaltung ist, dem umgekehrt ein Grundvertrauen in den Richter entsprach"389 , steht in Spanien dem geschichtlich gewachsenen Grundmißtrauen gegen die Verwaltung ein ebenso großes gegenüber den Richtern zur Seite3 90 . Nieto spricht dabei in Anlehnung an Huber von der gerichtlichen Kontrolle der Ermessensakte als dem "Trojanischen Pferd der richterlichen Entscheidungsfreude im politischen und rein verwaltungsrechtIiehen Bereich"391 . Die administrative Funktion, die sich insbesondere im weiten Bereich des Ermessens widerspiegele, sei verfassungsrechtlich ebenso legitimiert, wie die gerichtliche Funktion. Art. 106 Abs. 1 CE spreche ausdrücklich nur von der Kontrolle der Verwaltung, nicht hingegen von der, Übernahme der Funktionen392 ; genauso wie das Verfassungsgericht im Grundsatz nur ein negativer Gesetzgeber sei, der allein das Handeln des eigentlichen Gesetzgebers kontrollieren, nicht aber ersetzen dürfe, handele es sich bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit um eine negative Verwaltung393 . Aus diesem Grunde werden die Versuche in Deutschland, die gerichtliche Kontrolle des Ermessens wieder zu beschränken, in Spanien aufmerksam verfolgt394 .
Vernünftigkeit bei fehlender Übereinstimmung mit den Tatsachen); vgl. die Nachweise bei Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 32. 387 S TC 39/1983, vom 16. Mai, FI. 4, in: JC 6, S.63-71 (70f.); aA: S TC 193/1987, vom 9. Dezember, FJ. 7, in: JC 19, S. 481-492 (491f.): Hinsichtlich eines Auswahlverfahrens über die Stelle eines Sekretärs im Rathaus von Le6n hat das Gericht in seiner Entscheidung das Recht des Beschwerdefllhrers auf Ernennung zum Sekretär anerkannt, da er im Gegensatz zu dem von der Verwaltung Ernannten die meisten Punkte im allein ausschlaggegebenden Auswahltest erzielt hatte. 388 Vgl. die Nachweise bei Sanchez Mor6n, EI control, S. 43. 389 Starck, Verwaltungsermessen, S. 24. 390 Vgl. Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa y control judicial, S. 15. 391 Nieto, Estudios hist6ricos, S. 274. 392 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 38. 393 Parejo Alfonso, Crisis y renovaci6n en el Derecho PUblico, S. 65f. 394 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 117; insbesondere die Veröffentlichungen von Bullinger und der von ihm vertretene Ansatz zu einer Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle des Ermessens (vgl. Bullinger, Das Ermessen der öffentlichen
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Die Kontrolle des Ermessens wird in Spanien also darauf beschränkt festzustellen, ob das Handeln der Verwaltung innerhalb der verfassungsrechtIichen Kompetenzzuweisung liegt395 . Hat die Verwaltung die Kompetenz überschritten (Überschreitung, Mißbrauch oder Fehlgebrauch des Ermessens) kann das Gericht die Handlung aufheben, nicht jedoch ersetzen, da es sich beim Ermessenshandeln nicht um einen kognitiven, sondern allein um einen voluntativen Prozeß handelt396 . Eine Ersetzungsbefugnis fUhrt nach dieser Ansicht zur Vermischung von verfassungsrechtlich sanktionierten Kompetenzen397 . In einer Entscheidung aus dem Jahre 1993 398 hat jedoch das Verfassungsgericht eine Umkehr seiner bisherigen Rechtsprechung vollzogen, indem es feststellte, daß es keinen unzulässigen Eingriff in die Sphäre der Verwaltung bedeute, wenn das Gericht den Inhalt einer Verwaltungsmaßnahme selbständig ändere399 . Unmittelbare Auswirkungen auf die verwaltungsgerichtliche Kontrolle hat das Urteil aber bislang nicht gehabt, und es bleibt abzuwarten, ob es durch weitere bestätigt wird. Zusammenfassend betrachtet kann das Ermessen in Spanien gegenwärtig beschrieben werden als die Realisierung der verfassungsrechtlich gewährleisteten administrativen Funktion, die allein durch den Gesetzgeber beschränkt wird400 . Einer einfachgesetzlichen Ermächtigung bedarf es aufgrund des Art. 103 Abs. 1 CE nicht. Die gebotene Kontrolle der Legalität des Ermessens betrifft daher nicht die Frage, ob ein Ermessen eingeräumt ist, sondern vielmehr die, ob der Freiraum möglicherweise durch die Verfassung ausgeschlossen war (Wesentlichkeitslehre) und ob er durch gesetzliche Bestimmungen
Verwaltung, S. 100Iff.) wurden aufmerksam verfolgt: Vgl. u.a. Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 50f. 395 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 121. 396 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 122. 397 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar: dos funciones constitucionales distintas y complementarias, Madrid 1993, S. 126. 398 S TC 148/1993, vom 29. April, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1993/1, S.1573-1585 (1581). 399 Siehe auch S. 325. 400 Vgl. S TC 39/1983, vom 16. Mai 1983, FJ. 3, in: JC 6, S. 63 - 71 (69f.); S TS 2. Dezember 1985 Ar. 6510.
E. Gegenstand Wld Dichte der Kontrolle
263
(Zuständigkeiten, Zweck des Handeins, unbestimmte Rechtsbegriffe) und den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts begrenzt wird401 . Dieser unterschiedliche Ansatz bei der Kontrolle des Ermessens erschwert trotz ähnlicher und zum Teil sogar gleicher Begrifllichkeit einen Vergleich zwischen dem deutschen und dem spanischen System.
3. Die Kontrolle beh6rdlicher Ermessensakte durch die Gerichte a) Konkretisierung des Ermessens durch Ausgrenzung der gebundenen Elemente Die Rechtsschutzgarantie verlangt, daß rur die gebotene Kontrolle die gesetzlichen Grenzen des Ermessens herausgearbeitet werden. Hier steht das spanische Recht noch am Anfang der Entwickiunt02 . Die Lehre und mittlerweile auch die Rechtsprechung haben sich zunächst von der einheitlichen Konzeption der Verwaltungsmaßnahme weitgehend gelöst403 und damit eine Herausarbeitung der gesetzlichen Grenzen, d.h. von gebundenen Elementen der Verwaltungsmaßnahmen ermöglicht404 . Zu diesen gebundenen Elementen zählen, wie in Frankreich, u.a. die Zuständigkeit, das Verfahren, die zugrundeliegenden Tatsachen sowie die bestimmten Rechtsbegriffe. Diese Elemente werden im Grundsatz umfassend kontrolliert. Auf der deutschen Dogmatik aufbauend übernahm Garcia de Enterria in seinem grundlegenden Aufsatz "La lucha contra las inmunidades dei poder" aus dem Jahre 1962 ein weiteres gebundenes Element: Die unbestimmten Rechtsbegriffe40.5 . aa) Die unbestimmten Rechtsbegriffe (1)
Rechtsnatur der unbestimmten Rechtsbegriffe
Die Untersuchung der unbestimmten Rechtsbegriffe im Rahmen der Ermessenskontrolle ist - im Gegensatz zu Deutschland - nach spanischem Verständnis unproblematisch, da die aus Deutschland bekannte, nunmehr jedoch auch hier umstrittene Trennung zwischen einem tatbestandlichen Freiraum, 401 S TS 3. Mai 1985 Ar. 4747; Sanchez Mor6n, Miguel, Discrecionalidad administrativa, S. 159. 402 Sanchez Mor6n, Discrecionalidad adrninistrativa, S. 24. 403 Vgl. u.a. S TS 3. Mai 1985
Ar. 4747; Garcia de Enterria, La lucha, S. 25.
404 Nachweise bei Gonzalez Berenguer, Materia contenciosa, S. 157ff.
40.5 Garcia de Enterria,La lucha, S. 38ff.
264
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
der durch den unbestimmten Rechtsbegriffbegrenzt wird, und dem Rechtsfolgeermessen nicht vorgenommen wird406 . Ursprünglich wurde jede unpräzise Tatbestandsvoraussetzung nach französischem Vorbild als Ermessensbefugnis aufgefaßt407 . Erst aufgrund der von der deutschen Lehre und Rechtsprechung langsam übernommenen Kontrolltechnik der "unbestimmten Rechtsbegriffe" wurden diese Begriffe justiziabel 408 . Diese in Spanien als conceptos juridicos indeterminados bezeichneten Begriffe spielen bei der Bestimmung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens eine zentrale Rolle409 . Der unbestimmte Rechtsbegriff zeichnet sich dadurch aus, daß er nur eine einzige Auslegung der im Grundsatz offen definierten Tatbestandsvoraussetzung zuläßt41O . Damit steht er zum einen im Gegensatz zum Ermessen, das mehrere, rechtmäßige Lösungen zuläßt411 , zum anderen ermöglicht die objektive Bestimmbarkeit der "gerechten" Auslegung eine vollständige Kontrolle der Voraussetzung412. Die gerichtliche Kontrollmöglichkeit der unbestimmten Rechtsbegriffe ist durch das Verfassungsgericht in einem obiter dictum bestätigt worden413 . Im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie besteht bei den unbestimmten Rechtsbegriffen sogar die Pflicht der Gerichte zu umfassender Kontrolle. Eine Bestimmung, wonach die Kontrolle dieser Begriffe eingeschränkt wird, wie sie heute wieder in Deutschland zur Diskussion steht, wür-
406 Vgl. Starck, Diskussionsbeitrag Symposion, S. 190; Schlette, Kontrolle, S. 357. 407 Garcia de Enterria, La lucha, S. 34f; zu Frankreich vgl. Schlette, Kontrolle, S.115. 408 Ossenbühl in Erichsen, § 10 Rdnr. 27f; Maurer, § 7 Rdnr. 58. 409 Nieto, La Administracion, S. 2246; S TS 6. Dezember 1974 Ar. 4831; S TS 26. Dezember 1974 Ar. 5087; S TS 27. Dezember 1975 Ar. 1079; S TS 6. Mai 1975 Ar. 1678. Es wird jedoch in der spanischen Verwaltungsrechtsterminologie weiterhin nicht zwischen der Eingrenzung und der Kontrolle von Ermessensakten unterschieden. 410 Kritisch dazu Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 118f., Mozo Seoane, La discrecionalidad de la Administracion, S. 229ff. 411 S TS 21. Mai 1994 Ar. 4277; Hofmann, Landesbericht Spanien, S. 166. 412 So deutlich S TS 28. April 1964 bezüglich des gerechten Preises; oder S TS 24. Juni 1994 Ar. 4721 bezüglich des Wertes eines Grundstücks. 413 S TC 6911984, vom 11. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 183-194 (191).
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
265
de demnach in Spanien (ebenso wie in Deutschland) gegen die Rechtsschutzgarantie verstoßen414 .
(2)
Anwendungsfälle
Bei der Anerkennung eines unbestimmten Rechtsbegriffs und damit einer weiteren gerichtlichen Kontrollmöglichkeit sind die spanischen Gerichte im Vergleich zu den deutschen sehr zurückhaltend. Kriterien, nach denen festgestellt werden kann, ob ein unbestimmter Rechtsbegriff vorliegt, sind nicht entwickelt worden. Ebenso fehlen noch umfassende Arbeiten zu diesem Thema. Daher können hier nur die in der Rechtswirklichkeit wichtigsten unbestimmten Rechtsbegriffe genannt werden. Zu diesen Begriffen zählt ruina (Baufälligkeit)415. Die Feststellung, daß ein Gebäude baufällig ist, wandelt nach Art. 247 Ley de Suelo die Instandhaltungspflicht des Eigentümers gemäß Art. 245 Ley de Suelo in eine Abrißpflicht um. Diese Feststellung ist jedoch an bestimmte alternative Voraussetzungen gebunden, die sämtlich von den Gerichten kontrolliert werden: So müssen die Reparaturkosten um 50% höher liegen als der Wert des Gebäudes ohne das Grundstück; oder es müssen die tragenden Elemente des Gebäudes überfordert sein. Schließlich muß die Baufälligkeit festgestellt werden, wenn die Baugenehmigung für die Reparaturarbeiten nicht erteilt werden kann, da das Gebäude bauordnungswidrig errichtet worden ist416 . Der Begriff des justo precio (gerechter Preis) spielt bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe eine entscheidende Rolle. Über die Höhe der Entschädigung ist zwar im Grundsatz nach Ermessen zu entscheiden, das Gericht hat aber die konkrete Festsetzung anhand dieses unbestimmten Rechtsbegriffs immer voll überprüft. Beispiel hierfür ist der Fall der Dama de Baza. Der Eigentümer des Grundstücks, auf dem diese prähistorische Skulptur gefunden worden war, machte seinen gesetzlichen Anspruch auf 50% des Wertes der Figur geltend. Die Verwaltung setzte den Wert jedoch anhand des Verkaufspreises fest, den eine gleichwertige Skulptur, die Dama de Elche, bei ihrem Verkauf 1897 erzielt hatte. Das Gericht hob die Festsetzung des Preises als
414 Götz, Handlungsspielräume, S. 255. 415 Vgl. die frühen Nachweise bei Hofmann, Landesbericht Spanien, S. 166. 416 Vgl. umfassend hierzu Parada Vazquez, Derecho Administrativo III, S. 384.
266
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
nicht mit der Tatbestandsvoraussetzung justo precio im Einklang stehend
auF l7 .
Weiterhin hat der unbestimmte Rechtsbegriff procedente (rur sachgerecht halten) eine Rolle bei der Frage der Weiterbeschäftigung von Richtern im Pensionsalter gespielt418 , sowie der Begriff valor (Wert) eines Grundstücks bei der Festlegung der Steuerschuld419 . Aufgrund einer umfangreichen Rechtsprechung sind nunmehr als unbestimmte Rechtsbegriffe weitgehend anerkannt: urgencia (Eilbedürftigkeit), orden publico (öffentliche Ordnung), calamidad publica (öffentlicher Notstand), medidas adecuadas 0 proporcionales (geeignete bzw. verhältnismäßige Maßnahmen), necesidad publica (öffentliches Bedürfnis), utilidad publica (öffentlicher Nutzen) und vor allem interes publico (öffentliches Interesse bzw. Interesse der Allgemeinheit), probidad (Zuverlässigkeit)420 und andere Bewertungen von Beamten421 . Die Kontrolle der unbestimmten Rechtsbegriffe in Spanien ist jedoch nicht vergleichbar mit der entsprechenden Kontrolle in Deutschland. Die spanischen Gerichte beschränken sich im wesentlichen auf eine Willkürkontrolle, d.h. ob die getroffene Entscheidung nachvollziehbar ist422 . Die unbestimmten Rechtsbegriffe zählen in Spanien somit weiterhin zum Ermessensbegriff. Das wird insbesondere beim unbestimmten Rechtsbegriff "öffentliches Interesse" deutlich.
417 S TS 10. Februar 1987 Ar. 584; kritisch Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 137 Fn. 48. 418 S TS 17. Mai 1983 Ar. 3330. 419 S TS 23. Mai 1994 Ar. 3538; S TS 24. Juni 1994 Ar. 472l. 420 Garcia de Enterria, La lucha, S. 39; vgl. S TS 12. Dezember 1979 Ar. 4358; Gaststättenerlaubnis: STS 17. Februar 1981 Ar. 1981; STS 3. Mai 1985 Ar. 2890; Jagdschein: S TS 2l. Juni 1985 Ar. 5684; S TS 15. Oktober 1985 Ar. 4801; S TS 26. Januar 1987 Ar. 1992; S TS 30. November 1987 Ar. 8356. 421 Für die Bewertung von Grundschullehrern: S TS 13. Mai 1994 Ar. 4422. 422 Beispielhaft ist das Urteil S TS 5. Mai 1994: "En la discrecionalidad los mo-
tivos licitos no son controlables, pero han de ser conocidos, justamente para que pueda examinarse si la decisi6n es [ruto de la discrecionalidad razonable 0 dei capricho de los [uncionarios".
E. Gegenstand Wld Dichte der Kontrolle
(3)
267
Das 6./Jentliche Interesse nach Art. J03 Abs. J CE als unbestimmter Rechtsbegriff
Das öffentliche Interesse (interes publico) als finales Element jeden Verwaltungshandelns spielt als unbestimmter Rechtsbegriff eine wichtige Rolle423 , da das Handeln der Verwaltung nach Art. 103 Abs. 1 CE allein durch das verfolgte Ziel, die Realisierung der öffentlichen Interessen, gerechtfertigt und von der gerichtlichen Kontrolle befreit ist424 . Das Handeln der Verwaltung muß daher allgemein und nicht nur in den gesetzlich ausdrücklich genannten Fällen dem öffentlichen Interesse dienen 425 . Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, daß es sich beim öffentlichen Interesse um einen gerichtlich voll zu überprüfenden unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Die deutsche Lehre bestimmt das öffentliche Interesse in jedem Fall gesondert426 . Die spanische Lehre, die der Oberste Gerichtshof und das Verfassungsgericht übernommen haben, geht zunächst davon aus, daß das öffentliche Interesse immer ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, der von den Gerichten vollständig kontrolliert werden kann 427 . Dadurch erhalte jedes Verwaltungshandeln ein weiteres gebundenes Element428 . Diese Einordnung ist jedoch auch in Spanien nicht ausnahmslos. Sie stößt dort an ihre Grenzen, wo das öffentliche Interesse gesetzlich nicht näher konkretisiert ist429 . Hier erkennen ein Großteil der Lehre und die Rechtsprechung grundsätzlich einen weiten Beurteilungsspielraum bzw. ein tatbestandliches Ermessen der Verwaltung an430 . Sie greifen dabei auf die Motive zur LJCA zurück, denenzufolge ein Ermessen immer dann vorliegt, wenn "die Rechtsordnung einem Organ die Kompetenz überträgt, bei einem bestimmten Sachverhalt festzulegen, was
423 S TS 6. Dezember 1974 Ar. 4831; S TS 26. Dezember 1974 Ar. 5087; S TS 27. Dezember 1975 Ar. 1079; S TS 6. Mai 1975 Ar. 1678; vgl. dazu die Darstellung von Nieto, La Administracion sirve, S. 2239ff.; zur deutschen Lehre umfassend Häberle, Öffentliches Interesse, S. 596ff. 424 Siehe S. 258f. 425 Garcia de Enterria, Curso I, S. 460. 426 Häberle, Öffentliches Interesse, S.240ff. 427 S TC 69/1984, vom 11. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 183-194 (191); S TS 6. Dezember 1974 Ar. 4831; S TS 26. Dezember 1974 Ar. 5078; S TS 27. Dezember 1975 Ar. 1079; S TS 6. Mai 1975 Ar. 1678. 428 Pera Verdaguer, Comentario, S. 544. 429 Nieto, La administracion, S. 2247f. 430 Nieto, La administracion, S. 2248f.; Sanchez Moron, Discrecionalidad administrati va, S. 21.
268
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
im öffentlichen Interesse liegt.,431 . Die Verwaltung genießt daher die Prärogative bei der Feststellung des öffentlichen Interesses. Die Kontrolle bleibt eine Willkürkontrolle432 . bb) Der Beurteilungsspielraum Aus der Stellung des Richters im Hinblick auf die administrative Funktion folgt, daß er nur eine Rechtskontrolle vornehmen darf'33 . Zwar können unbestimmte Rechtsbegriffe kontrolliert werden, jedoch erkennen sowohl Lehre und Rechtsprechung gleichzeitig einen weiten Beurteilungsspielraum an, der als ein Verzicht des Gesetzgebers bei der Festlegung der Voraussetzungen und der Möglichkeiten des Verwaltungshandelns zugunsten der Verwaltung definiert wird434 . (1)
Beurteilungsspielraum als wiederauflebendes Tatbestandsermessen
Die unbestimmten Rechtsbegriffe schließen nach der h.M. im Grundsatz das Vorliegen eines Ermessensbereichs auf der Tatbestandsseite der Normen aus435 . Dennoch kann der Rechtsbegriff in Ausnahmefällen Einschätzungen bzw. Wertungen auf der tatsächlichen Ebene verlangen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen den Konzeptionen des Ermessens in Spanien und Deutschland. Zwar ist auch in Spanien der Begriff des Beurteilungsspielraums (margen de apreciaci6n) bekannt, aber dort ist der Freiraum der Verwaltung das allgemeine freie Ermessen, während nach der deutschen Lehre und Rechtsprechung der Beurteilungsspielraum ein enger Ausnahmefall der im Grundsatz voll überprüfbaren Verwaltungsmaßnahme und damit eine wesensmäßig andersartige Erscheinung ist436 . Der Beurteilungsspielraum ist folglich nach spanischem Verständnis konzeptionell nicht notwendig.
431 Motive IV 3) 7. Absatz. 432 S TS 2. Juni 1967 Ar. 2550; S TS 11. Dezember 1973 Ar. 5117; S TS 20. Mai 1975 Ar. 2405. 433 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 52. 434 Parejo Alfonso, Administrar y juzgar, S. 118f. 435 Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 21; Cassagne, La revision de la discrecionalidad, S. 352f. 436 Grundlegend Bachof, Beurteilungsspielraum, S. 98. Für eine inhaltliche Gleichsetzung der Begriffe "Beurteilungsspielraum" und "Ermessen": SchmidtAßmann, Verwaltungsverantwortung, S.252; Scholz, Verwaltungsverantwortung, S. 167; Starck, Einführung zu GötzlKleiniStarck, Die öffentliche Verwaltung, S. 5.
E. Gegenstand W1d Dichte der Kontrolle
269
Der Beurteilungsspielraum wird in Spanien oft auch als "technisches Ermessen" (discrecionalidad tecnica) bezeichnet437 . Der Begriff des technischen Ermessens ist daher wesentlich weiter als der deutsche Begriff eines Ermessens im Recht der Technik438 . So liegt ein technisches Ermessen/ein Beurteilungsspielraum vor, wenn "die Verwaltungsmaßnahme einen rein technischen Bestandteil hat, oder sie eine Wertung oder Einschätzung von Situationen voraussetzt, die ein technisches Urteil, ein Werturteil oder ein Erfahrungsurteil voraussetzt"439. Weiter geht eine Definition, wonach die Verwaltung in all den Bereichen einen Beurteilungsspielraum hat, in denen es erforderlich ist, daß die Verwaltung eine Prärogative hat bei der Festlegung der tatbestandlichen und rechtlichen Voraussetzung für das Verwaltungshandeln440 . Es ist demnach möglich, daß in einer Verordnung, die beispielsweise die Genehmigung von Zufahrten zu Grundstücken betrifft, die Art und Weise der Erteilung der Genehmigung vollständig in das "technische" Ermessen der Behörde gestellt wird441 . Das spanische Verfassungsgericht hat in dem Ausschluß der gerichtlichen Kontrolle beim Vorliegen eines Beurteilungsspielraums keine Verletzung des Art. 24 Abs. 1 CE gesehen. Die dort anerkannten Sachverhalte würden "technische" Beurteilungen voraussetzen, die allein durch eine qualifizierte Behörde getroffen werden könnten, nicht hingegen durch ein Gericht, das aufgrund der Rechtsschutzgarantie allein die der Beurteilung zugrundeliegenden Tatsachen prüfen könne442 . Nach Ansicht eines Teils der Lehre hingegen verbietet die Rechtsschutzgarantie, daß ex ante ein Beurteilungsspielraum anerkannt wird. Dieser Freiraum sei vielmehr Folge der faktischen Grenze der Beweisbarkeit443 . Im Grundsatz werde die Vernünftigkeit der Verwaltungsmaßnahme vermutet. Die Vermutung kann jedoch jederzeit durch einen Gegenbeweis widerlegt werden. 437 Cassagne, La revision de la discrecionalidad, S. 354; Cruz Ferrer, Sobre el control, S. 74f; umfassend nunmehr Peiiarrubia Iza, Modema jurisprudencia, S. 330ff. 438 Coca Vita, Legalidad constitucional, S. 1039 weist darauf hin, daß es sich um eine neue EinordnWlg von bestehenden Ausschlüssen der rechtlichen Kontrolle handelt. 439 Fernandez Rodriguez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 2264. 440 S TS 13. Juli 1983 Ar. 4044. 441 S TS 13. Juli 1983 Ar. 4044. 442 S TC 97/1993, vom 22. März, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1993/1, S. 1097-1108 (1107). 443 Garcia de Enterria, Curso I, S. 459 spricht daher nicht mehr von einer Einschränkung der Kontrolle, sondern vielmehr von der Schwierigkeit der Kontrolle.
270
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Der Beurteilungsspielraum der Verwaltung besteht demnach allein, weil der Bürger nicht in der Lage ist, die zugrundeliegende Kriterien rur die Entscheidung zu beweisen bzw. zu widerlegen. So kann der Student seine Examensreife, der Offizier seine Eignung fiir einen höheren Dienstgrad zumeist nicht hinreichend darlegen und damit das Gericht überzeugen. Soweit das Gericht jedoch genug Anhaltspunkte bekommt, um ein Urteil über die von der Verwaltung vorgenommene Wertung zu treffen, kontrolliert es auch. Die Problematik verlagert sich von einen Ausschluß der gerichtlichen Kontrolle von Rechts wegen hin zu einer faktischen Unkontrollierbarkeit444 . Daher folge aus der Rechtsschutzgarantie die Pflicht der Verwaltung und der Gerichte, die Beweisbarkeit dieser Sachverhalte (durch Prüfungsprotokolle, etc.) zu verbessem445 . Dieser praktische Ansatz, der nun auch in Deutschland seit den Prüfungsentscheidungen des Bundesverfassungsgericht vertreten wird446 , kann in Spanien auf einige Beispiele aus der Rechtsprechung verweisen, in denen die Gerichte ihre geringere Kontrolle damit begründet haben, daß die der Entscheidung der Behörde zugrundeliegenden Abwägungen nicht (oder nicht mehr) nachvollziehbar sind447 .
(2)
Beurteilungsspielräume der Verwaltung bei Prlifungsentscheidungen und beamtenrechtliche Beurteilungen
Die folgende Darstellung des bestehenden Beurteilungsspielraums kann aufgrund der Weite des Beurteilungsspielraums/ des tatbestandlichen Ermessens in Spanien nicht abschließend sein; sie konzentriert sich auf die Fallgruppen der Prüfungsentscheidungen und der persönlichen Beurteilungen von Beamten und Militärangehörigen, die Gegenstand zahlreicher Urteile gewesen sind448 .
444
Garcia de Enterria, Curso I, S. 459;
445 Garcia de Enterria, Curso I, S. 459 446 Vgl. BVerfGE 84, 34 (50); 88,40 (56); VG Schleswig U.v. 17.3.1980 - 10 A 512n6 - (Brokdorf), NJW 1980, S. 1296 (1298); Rauschning, Kontrolle, S. 551f.
447 Vgl. Nachweise bei Garcia de Entenia, Curso I, S. 460; Femandez Rodriguez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 2267, hinsichtlich der Entscheidung S TS 27. Juni 1986 Ar. 4900. 448 S TS 17. Dezember 1986 Ar. 7471; S TS 18. Juli 1988 Ar. 5639; S TS 16. März 1989 Ar. 2102; S TS 28. September 1989 Ar. 6374; eine umfassende Übersicht
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
271
Im Grundsatz beschränkt der Oberste Gerichtshof die Kontrolle des Beurteilungsspielraums auf die Prüfung des Verfahrens449 . Er begründet dies zumeist mit einem pauschalen Verweis auf die Natur des Streitgegenstandes450 , der "durch die Souveränität der administrativen Auswahlgremien"451 , bzw. durch die Gewaltenteilung452 bestimmt sei. Eine Prüfung, ob Rechtsrnaßstäbe vorliegen, die eine rechtliche Kontrolle ermöglichen mirden, wird gar nicht erst durchgefiihrt. Auch das Verfassungsgericht nahm diese Position ein, als es im Jahre 1983 in einem Urteil, in dem ein Offizier gegen die unterbliebene Bef6rderung zum General klagte, die Überprüfbarkeit der hierzu notwendigen Beurteilung verneinte453 . Der Oberste Gerichtshof hatte die Klage abgewiesen, da nach seiner Ansicht die Verwaltung einen Beurteilungsspielraum bei der Bef6rderung von Militärangehörigen hat, der von ihm nicht überprüft werden durfte 454 . Das Verfassungsgericht hat im Rahmen der Verfassungsbeschwerde Art. 24 Abs. 1 CE herangezogen und festgestellt, daß die Beurteilungsspielräume nicht die Legalität des Aktes betreffen und deshalb nicht von einem Gericht kontrolliert werden dürfen. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Beurteilung der Kandidaten hinsichtlich ihrer Eignung einzig und allein von der dafür zuständigen Verwaltungsbehörde vorgenommen werden455 . Entscheidend war die formelle Zuständigkeit des Entscheidungsorgans, nicht hingegen das Vorliegen von rechtlichen Kriterien, die das Gericht nach der Rechtsschutzgarantie hätte prüfen müssen. Die Verwaltung hat hier nicht nur eine Einschätzungsprärogative, sondern vielmehr die ausschließliche der Rechtsprechung von 1986 bis 1989 zwn Bereich der Auswahl verfahren siehe Piiiar Mai'las, EI pleno control jurisdiccional, S. 166-178. 449 Zustimmend Nieto, Reduccionjurisdiccional, S. 147ff. 450 Ausdrücklich S TS 8. November 1989 Ar. 7828; Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 133. 451 S TS 2. Mai 1972 Ar. 2167; S TS 27. Oktober 1973 AI. 4282; S TS 24. Mai 1976 AI. 2116; S TS 19. Juni 1980 AI. 3222; S TS 22. November 1983 AI. 5427; in S TS 27. Juni 1986 AI. 4900 wird dies sogar als echtes Dogma im Bereich der Auswahlverfahren und Prüfungen bezeichnet; vgl. Femandez Rodriguez, AIbitrariedad y discrecionalidad, S. 2265 m.w.N. 452 Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 1000. 453 S TC 39/1983, vom 16. Mai 1983, FJ. 3, in: JC 6, S. 63 - 71 (70): Gegenstand der Beschwerde war die fehlende Überprüfung des privaten und dienstlichen Lebenslaufes durch die Militärverwaltung bei ihrer Entscheidung, vgl. dazu Coca Vita, Legalidad constitucional, S. 1041 Fn. I. 454 S TS 24. September 1980 Ar. 3278. 455 S TC 39/1983, vom 16. Mai 1983, FJ. 4, in: JC 6, S. 63 - 71 (70f.); kritisch Chamorro Bemal, La tute1ajudicial, S. 21; wortgleichjedoch auch S TC 9711993, vom 22. März, FJ. 2, in: Rep. AI. 1993/1, S. 1097-1108 (1107).
272
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Einschätzungsbefugnis. Diese Ansicht des Obersten Gerichtshofes und des Verfassungsgerichts ist von der Lehre heftig kritisiert worden456 . Seit 1985 hat der Oberste Gerichtshof seine Rechtsprechung radikal geändert457 . In einem Urteil zum Auswahlverfahren für die Aufnahme von Ärzten in das Staatliche Gesundheitsamt, hat das Gericht die Annahme, Beurteilungsspielräume seien "kraft Natur der Sache" unkontrollierbar, als Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 CE angesehen. Die Entscheidung der Prüfungskommission könnten zwar als Quasi-Sachverständigengutachten Grundlage des gerichtlichen Urteils sein, doch sei ein Gegenbeweis durch den klagenden Bürger möglich. Ferner sei das Gericht bei der Würdigung der von der Behörde der Verwaltungsmaßnahme zugrundegelegten Tatsache frei 458 . Noch weiter ging eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, derzufolge trotz der Anerkennung eines Beurteilungsspielraums die Entscheidung eines Auswahlgremiums dahingehend überprüft werden müsse, ob es die von ihm selbst aufgestellten Bewertungsmaßstäbe, die damit objektive rechtliche Kriterien geworden seien, seiner Entscheidung zugrundegelegt habe459 . Diese kontrollfreundliche Richtung innerhalb der Rechtsprechung hat sich bislang jedoch nicht durchsetzen können46o . In der Regel lehnt der Oberste Gerichtshof eine Kontrolle der Beschlüsse von Prüfungskommissionen kraft Natur der Sache ab. So hob er eine Entscheidung des Territorialgerichts (Audiencia Territorial) von Valencia auf, in der sich dieses Gericht rur eine vollständige Kontrolle der Auswahlverfahren ausgesprochen hatte461 . Wegweisend könnte jedoch nun ein Urteil des Obersten Gerichts zur Auswahl des Generalstaatsanwalts aus dem Jahre 1994 sein462 . Dort hat der Gerichtshof 456 Vgl. u.a. Coca Vita, Legalidad constitucional, S. lO72ff.; ebenso Alsonso Garcia, EI art. 24.1, S. 1000; eine umfassende Übersicht bei Pmar Mai!.as, EI pleno control jurisdiccional, S. 142-146. 457 S TS 2. April 1985 Ar. 2854; Vorläufer fmden sich jedoch schon in S TS 13. Juli 1983 Ar. 4044. Auch in dem Urteil vom 27. Juni 1986 Ar. 4900 überprüften die Richter die Kenntnisse. 458 Vgl. auch die Besprechung von Coca Vita, Tambien la discrecionalidad tecnica, S.207ff. 459 S TS 17. April 1986, wiedergegeben bei Pmar Mai!.as, EI pleno control jurisdiccional, S. 157. 460 Muii.oz Machado, Reserva, S. 2761 spricht insoweit treffend von "vaivenes". 461 S TS 19. Dezember 1986, wiedergegeben bei Muii.oz Machado, Reserva, S. 2761; ebenso Piilar Mai!.as, EI pleno controljurisdiccional, S. 143. 462 S TS 28. Juni 1994 Ar. 5050; vgl. dazu S. 207.
E. Gegenstand lUld Dichte der Kontrolle
273
das Verfahren anband der vom Gesetz vorgegebenen Kriterien (Alter, Berufserfahrung) überprüft und nur noch das Merkmal des "Ansehens der Person" der freien Beurteilung durch die Verwaltung überlassen.
(3)
Zusammenfassung und Bewertung
Auch wenn nur diese Beurteilungsspielräume ausdrücklich anerkannt sind, darf daraus nicht gefolgert werden, die tatbestandliche Seite werde umfassend überprüft. Erstens erfordert der weite Begriff des Ermessens nicht die ausdrückliche Anerkennung eines Beurteilungsspielraums und zweitens sind die spanischen Gerichte sehr zurückhaltend bei der Kontrolle der unbestimmten Rechtsbegriffe. Während in Deutschland die unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich vollständig geprüft werden, das Gericht also insbesondere den Sachverhalt unter den vom Gericht selbst definierten Begriff subsumiert, beschränkt sich die Kontrolle in Spanien auf die Nachvollziehbarkeit der von der Verwaltung getroffenen Entscheidung. Diese Zurückhaltung ist zum Teil verfahrensbedingt. Aufgrund des Beibringungsgrundsatzes kann das Gericht im Grundsatz nur auf die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen zurückgreifen. Oft kann der klagende Bürger der von der Verwaltung vorgetragenen und begründeten Wertung nur schwer fundiert widersprechen. Hier ordnet das Gericht, soweit es die Wertung der Verwaltung nachvollziehen kann, kein selbständiges Beweisverfahren an. Zum Teil ist diese Zurückhaltung aber Folge der Qualifizierung des Beurteilungsspielraums als Ermessensbereich. So wird der Ausnahmecharakter des Spielraums nicht deutlich und die Gerichte sind eher bereit, Tatbestände, die Wertungen der Verwaltung erfordern, nur anhand der weiten Maßstäbe der Ermessenskontrolle zu überprüfen463 . Die pauschale Ablehnung einer materiellen Kontrolle der Ergebnisse von Prüfungskommissionen widerspricht der Rechtsschutzgarantie464 . Die sich insbesondere aus Art. 106 Abs. 1 CE ergebende Kontrollbefugnis der Richter wandelt sich in eine Kontrollpflicht um, soweit dem Richter rechtliche Kriterien vorliegen, anhand derer er Verwaltungsentscheidungen nachprüfen kann. Bei beamtenrechtIichen Auswahlprüfungen ist Art. 103 Abs. 3 CE zu nennen, 463 Insoweit ist die vom BVerfG geforderte TrennlUlg zwischen Ermessen lUld Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die spanische Erfahrung aufrechtzuerhalten: BVerfGE 11, 168 (191f.); dagegen jedoch Starck, Einfilhrung zu GötzlKlein/Starck, Die öffentliche Verwaltung, S. 5. 464 Piiiar Maiias, EI pleno control jurisdiccional, S. 157. 18 Martinez Soria
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
274
der den Zugang zu öffentlichen Ämtern durch den Grundsatz der Eignung und Befähigung regelt. Soweit diese unbestimmten Rechtsbegriffe465 normativ konkretisiert worden sind, kann das Gericht prüfen, ob die konkrete Verwaltungsentscheidung diese Kriterien eingehalten hat466 . Eine pauschale Berufung auf "die Souveränität der Kommissionen" ist unzulässig. Fehlen jedoch rechtliche Kontrollmaßstäbe, können die Gerichte sie nach dem spanischen Gewaltenteilungsverständnis nicht ersetzen, sondern müssen sich mit einer Willkürprüfung begnügen467 . Obwohl das Konzept der unbestimmten Rechtsbegriffe aus dem deutschen Recht rezipiert worden ist und zu einer Verdichtung der Kontrolle geführt hat, ist die spanische Rechtsprechung noch weit davon entfernt, die in Deutschland mittlerweile mögliche Kontrolldichte zu erreichen. cc) Der Zweck als unbestimmter Rechtsbegriff/ Die Kontrolle der Motive (desviaci6n de poder) (1)
Begriffsbestimmung
Die Verwaltung zeichnet sich gegenüber den anderen Staatsgewalten dadurch aus, daß sie eine funktionalisierte Befugnis ausübt468 : Jede gesetzliche Regelung, die der Verwaltung eine Befugnis einräumt, verfolgt damit ein gesetzlich konkret definiertes oder definierbares Ziel. Dieses Ziel ist immer auf das öffentliche Interesse i.S.v. Art. 103 Abs. 1 CE zurückzuführen469 . An dieses Ziel in all seinen Konkretisierungen, das Teil des LegalitätsbegrifIs ist, ist die Verwaltung gemäß Art. 103 Abs. 1 CE und Art. 106 Abs. 1 CE gebunden47o . Gleichzeitig rechtfertigt dieser Zweck des Verwaltungshandeins, wie oben dargelegt, das Verwaltungsermessen. Soweit die Verwaltung zur Verwirklichung des durch die Gesetze konkretisierten oder durch die Verfassung allgemein anerkannten Zwecks gestaltend handelt, ist ihr Handeln weitgehend von einer gerichtlichen Kontrolle befreit. Sie handelt innerhalb ihrer Gewalt. 465 Piilar Mailas, EI pleno control jurisdiccional, S. 146fI 466 Piilar Mailas, EI pleno control jurisdiccional, S. 154. 467 S TS 5. Oktober 1989 Ar. 6848; Piilar Mailas, EI pleno control jurisdiccional,
S.157.
468 Cuetara, Las potestades, S. 20f.; vgl. auch Art. 152 Abs. I, in dem von der funci6n administrativa die Rede ist. Daher wird in Spanien auch von FunktionBefugnis gesprochen: Chinchilla Marin, La desviacion, S. 50. 469 Hintergrund der gesamten Prüfung ist das in Art. 9 Abs. 3 geregelte Legalitätsprinzip: Soriano Garcia, Hacia eI control de la desviacion, S. 181ff. 470 vgl. Chinchilla Marin, La desviacion, S. 85.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
275
Verfolgt sie jedoch einen anderen Zweck, überschreitet sie ihre Gewalt: Die Gewalt wird abgelenkt, es liegt mithin in Anlehnung an die französische Bezeichnung detournement de pouvoir eine "desviacion de poder" (Ablenkung der Macht), vor471 ; ein Ermessensfehler, der in Deutschland unter dem Begriff des "Ermessensfehlgebrauch" bekannt ist.
(2)
Geschichtlicher Hintergrund und heutige Regelung
Vorbild rur diese Kontrolle der Motive des Verwaltungshandelns war das französische Recht472 . Wie dort verstand die spanische Verwaltungsrechtswissenschaft die desviacion de poder ursprünglich als absolutes Fehlen der Zuständigkeit eines Organs und damit als schweren Eingriff in die Zuständigkeit einer anderen Gewalt473 . Aus dieser objektiven Prüfung entwickelte sich in den dreißiger Jahren durch die Rechtsprechung das Verständnis der desviacion de poder als Handeln im Rahmen einer eingeräumten Gewalt, doch jenseits der gesetzlichen Ermächtigung474. Von dort aus war es nur noch ein Schritt hin zur Anerkennung des Mißbrauchs der Gewalt, d.h. deren Gebrauch innerhalb der tatbestandlichen Voraussetzungen jedoch zum falschen Zweck. Diesen Schritt vollzog der Oberste Gerichtshof mit einem Urteil vom 2. Oktober 1931 475 , das aber eine Einzelentscheidung blieb. Zwar erlaubte Art. 10 1 der republikanischen Verfassung vom 9. Dezember 1931, Ermessensfehlgebrauch zu überprüfen, aber wegen der politischen Umstände (Bürgerkrieg! Franco-Regime) und der daraufhin wiedereinsetzenden Zurückhaltung des Obersten Gerichtshofs entwickelte sich diese Rechtsfigur, anders als in Frankreich und Italien, nicht weiter476 . Daran änderte 1956 auch die konkrete Regelung in Art. 83 der LJCA bzw. 1958 in Art. 48 der LPA nichts477 . So 471 Art. 83 Abs. 3 LJCA enthält eine LegaldefInition des Ennessensfehlgebrauchs: Danach liegt ein Ennessensfehlgebrauch vor, wenn die Verwaltungsgewalten zu einem anderen Zweck als dem gesetzlich festgesetzten angewandt werden". 472 Der Oberste Gerichtshofberuft sich auch darauf: S TS 12. Mai 1986 Ar. 2912; vgl. zum detoumement de pouvoir Schlette, Kontrolle, S. 180ff. 473 Chinchilla Marin, La desviacion, S. 25. 474 Chinchilla Marin, La desviacion, S. 26; Martin-Retortillo, La desviacion, S. 153. 475 Wiedergegeben bei: Chinchilla Marin, La desviacion, S.26 und bei MartinRetortillo, La desviacion, S. 153. 476 Martin Retortillo, La desviacion, S. 134; Chinchilla Marin, La desviacion, S.33. 477 Das Gericht betonte immer wieder die große Zurückhaltung, die bei der Anwendung dieser Technik angebracht sei: S TS 28. Februar 1962 Ar. 1070; S TS 25. Mai 1976 Ar. 3016; S TS 30. April 1985 Ar. 2184; Soriano Garcia, Hacia el control de 18*
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
konnte Santamaria de Pastor 1974 feststellen, daß es sich bei der desviaci6n de poder um einen praktisch unnützen Kontrollmaßstab handele478 . Hintergrund der mangelnden praktischen Bedeutung war zum einen die Möglichkeit nach Art. 94 Abs. 2 a) LJCA a.F., gegen jede auf der desviaci6n de poder beruhende Entscheidung Berufung einzulegen. Dadurch waren die Parteien geneigt, diesen Rechtsfehler stets pauschal zu behaupten479 . Entscheidend war jedoch zum anderen die Anerkennung einer weiten Prärogative der Verwaltung bei der Festlegung des zu verfolgenden Ziels480 . Erst die Verfassung von 1978, insbesondere ihre Rechtsschutzgarantie, hat hier eine Änderung gebracht481 .
(3)
Rechtliche Regelung der "desviacion de poder"
Der unmittelbare Einfluß der Verfassung fußt darauf, daß das Verbot der desviacion de poder in der Verfassung selbst verankert ist. So bestimmt Art. 106 Abs. 1 CE , daß die Gerichte die Bindung der Verwaltung an die Ziele, die ihr Handeln rechtfertigen, kontrollieren482 . Damit hat die Kontrolltechnik der desviacion de poder Verfassungsrang erhalten483 . Art. 106 Abs. 1 CE wurde in Art. 8 LOPJ wörtlich wiederholt. Art. 63 Abs. 1 LRJPA bestimmt, daß "die Verwaltungsmaßnahmen aufhebbar sind, die gegen die Rechtsordnung verstoßen, einschließlich der desviaci6n de poder". Art. 83 Abs. 2 LRJCA regelt gleichbedeutend, daß "das Urteil der Klage stattgeben wird, wenn die Verwaltungsmaßnahme oder die Verordnung in jeglicher Form, einschließlich der desviacion dei poder, gegen die Rechtsordnung verstößt".
la desviaci6n, S. 174 spricht von einem "Versagen unserer Gerichte", da sie trotz besserer gesetzlicher Vorgaben als in Frankreich oder Italien dieses Rechtsinstitut nicht anwendeten; vgl. noch die optimistische Darstellung von Verde Aldea, Quelques particularites, S. 364ff. 478 Santarnaria Pastor, Renovaci6n dogmlltica, S. 304. 479 Soriano Garcia, Hacia la desviaci6n, S. 176. 480 Soriano Garcia, Hacia la desviaci6n, S. 176f. Letztlich verursachte der, wie Soriano Garcia es ironisch formuliert, "traditionelle Respekt der Verwaltungsgerichte gegenüber der Macht", eine weitere Zurückhaltung. 481 Vgl. dazu S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5835; S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; Soriano Garcia, Hacia la desviaci6n, S. 178; Übersicht über die heutige Rechtsprechung bei Villag6mez Cebrilln, Doctrina general, S. 165ff. 482 So ausdrücklich S TS 12. Mai 1986 Ar. 2912; S TS 24. Juni 1986 Ar. 3776. 483 Martin Rebollo, La administraci6n de garantias, S. 44.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
(a)
277
Handeln der Verwaltung
Die desviacion de poder erstreckt sich im Sinne des Art. 106 Abs. 1 CE ausschließlich, aber auch umfassend auf das Verwaltungshandeln; d.h. auch der Erlaß von untergesetzlichen Rechtsvorschriften kann ennessensfehlerhaft sein484 . Insbesondere die erste Entscheidung des Obersten Gerichtshof zur desviacion de poder vom 6. Juli 1959 war wegweisend für die Entwicklung der gerichtlichen Kontrolldichte485 . In diesem Urteil prüfte das Gericht eine Verordnung des Präsidialamtes, die die Zahl der Tierärzte in einer bestimmten Gemeinde auf einen einzigen beschränkte. Die zugrundeliegende Regelung selbst sah bei einer bestimmten Einwohnerzahl der Gemeinde zwei Tierärzte vor, stellte es jedoch ins Ennessen der Verwaltung, von dieser Zahl abzuweichen. Das Gericht untersuchte die vom Kläger dargelegten Motive der Verwaltung für das Unterschreiten der gesetzlichen Ärztezahl, kam zu der Überzeugung, daß die Beschränkung allein die bisherigen Einkünfte des einzigen Tierarztes der Gemeinde sichern sollte und hob die Verordnung auF 86 . Die Besonderheiten dieser Entscheidung lagen darin, daß eine Verordnung des Präsidialamtes aufgehoben wurde sowie daß zum ersten Mal allein ein "echter" Ennessensfehler der Verwaltung zur Aufhebung führte. Weil das Schweigen der Verwaltung Klagegegenstand sein kann, darf das Schweigen nach mehrheitlicher Ansicht in Lehre und Rechtsprechung anhand der desviacion de poder kontrolliert werden487 . Darum ging es beispielsweise in einem Urteil, bei dem ein Bauprüfer (aparejador), der als Angestellter bei einer Gemeinde beschäftigt war, ein Auswahlverfahren beantragt hatte, um in ein beamtenrechtliches Dienstverhältnis zu wechseln. Die Möglichkeit, an einem Auswahlverfahren teilzunehmen, war langjährigen Angestellten durch eine Verordnung "zur Nonnalisierung ihrer Rechtsverhältnisse eröffnet" wor484 Nachweise bei Pera Verdaguer, Comentarios, S. 544. Eine Kontrolle der Beweggründe beim Handeln der Gerichte und des Gesetzgebers ist theoretisch nicht möglich, da es sich bei beiden Gewalten nicht um fimlctionalisierte Gewalten handelt: S TS 1. Dezember 1959 Ar. 7151 vom Jahrband 1960; Chinchilla Marin, La desviacion de poder, S. 51; dafilr hingegen: Clavero Arevalo, La desviacion de poder, S. 122-128; Martin-Retortillo Baquer, 1., DeI control de la discrecionalidad, S. 1096 stellt zutreffend fest, daß von einer solchen Kontrolle allein die Maßnahmen administrativer Art (Zulassung der Öffentlichkeit) erfaßt sein können, die das eigentliche Urteil begleiten. 485 S TS 6. Juli 1959, wiedergegeben bei Chinchilla Marin, Desviacion, S. 66f. 486 Vgl. aber schon die Entscheidung vom 20. Februar 1959, in der eine Verordnung aufgehoben wurde, in der die Reduzierung der Lohnbezüge unzulässig als Strafmittel angewandt wurde: wiedergegeben bei Chinchilla Marin, Desviacion, S. 65f. 487 S TS 5. Oktober 1983 Ar. 4829; S TS 3. Februar 1984 Ar. 613; Soriano Garcia, Hacia el control, S. 191.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
den, wobei jedoch der Behörde ein Ermessen eingeräumt wurde, ob sie ein Auswahlverfahren durchführen wollte. Die Stadtverwaltung hatte nun in Ausübung dieses Ermessens kein Auswahlverfahren veranstaltet, sondern den Kläger entlassen und einen neuen Mitarbeiter eingestellt. Der Oberste Gerichtshof sah in dem Unterlassen des Auswahlverfahren eine "Abweichung der Macht". Die Verwaltung habe so das vom Gesetz verfolgte Ziel, die Normalisierung der Arbeitsverhältnisse der Angestellten, umgangen488 . Sowohl in der Lehre 489 als auch in der Rechtsprechung490 Spaniens findet sich anders als z.B. in Frankreich491 häufig die Aussage, die desviacion de poder sei nicht nur bei Ermessensakten anzuwenden, sondern mit ihrer Hilfe könne auch die Kontrolle bei gebundenen Verwaltungsmaßnahmen verdichtet werden. Beispiel für eine solche Kontrolle bei gebundenen Verwaltungsmaßnahmen ist das Urteil vom 29. Mai 1985 492 . Der Oberste Gerichtshof hatte dort über eine mit einer Auflage verbundene Genehmigung für den Betrieb eines Autoverleihs zu entscheiden. Das Gericht stellte zunächst fest, daß es sich bei dieser Genehmigung um eine gebundene Entscheidung handele. Ihr läge jedoch ein Ermessensfehlgebrauch zugrunde. Die im Grundsatz zulässige Auflage, eine Liste der Leihwagen aufzustellen, diente allein dem fiskalischen Interesse, die Gebührenerhebung zu sichern. Daher hob das Gericht die Ge-
488 Weitere Beispiele: S TS 19. Juni 1984 Ar. 4633; 17. März 1986 Ar. 1824. 489 GonzaIez Berenguer, Materia contenciosa, S. 164ff.; Soriano Garcia, Hacia el contro!, S. 189; Chinchilla Marin, Desviacion, S. 64 erkennt zwar die Möglichkeit der Überprüfung an, hält diese Kontrolle jedoch im Hinblick auf die vorrangige Rechtrnäßigkeitskontrolle fitr überflüssig; gegen eine Einbeziehung der gebundenen Verwaltungsmaßnahme Clavero Arevalo, La desviacion de poder, S. 114-117; Garrido Falla, Tratado I, S. 434; Martin Mateo, Manual, S. 328. 490 Für eine Einbeziehung der gebundenen Verwaltungsmaßnahme S TS 24. Oktober 1959 Ar. 4024; S TS 1. Dezember 1959 Ar. 7151 vom Jahrband 1960; S TS 20. Juni 1977 Ar. 3508; S TS 8. November 1978 Ar. 3491; S TS 16. November 1979 Ar. 3990; S TS 29. Juni 1984 Ar. 3915; S TS 29. Mai 1985 Ar. 3148; so spricht S TS 24. Juni 1986 Ar. 3776 von jeglichem Verwaltungshandeln; vgl. auch S TS 2. Juli 1986 Ar. 3079, S TS 13. Juni 1986 Ar. 3244; S TS 5. Juni 1986 Ar. 3223; S TS 9. Juni 1986 Ar. 3231; S TS 21. Mai 1986 Ar. 3265; S TS 30. Juni 1986 Ar. 3310; S TS 19. Mai 1986 Ar. 3071; S TS 27. April 1986 Ar. 1820; S TS 14. April 1986 Ar. 1988; S TS 22. Februar 1986 Ar. 2173; ausdrücklich gegen die Einbeziehung der gebundenen Verwaltungsmaßnahme S TS 21. Februar 1979 Ar. 693; S TS 29. September 1985 Ar. 5288. 491 Vgl. dazu Schlette, Kontrolle, S. 183f. 492
S.62f.
S TS vom 29. Mai 1985, wiedergegeben bei Chinchilla Marin, La desviacion,
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
279
nehmigung auf493 . Dieses Beispiel zeigt aber, daß die Lehre unzutreffenderweise von einer Ganzheitskonzeption der Verwaltungsmaßnahme ausgeht. Trennt man nämlich nicht zwischen den gebundenen Elementen der Verwaltungsmaßnahme (Genehmigung) und den Ermessensteilen (Auflage) und verhindert man dadurch die selbständige Kontrolle von Auflagen, ruhrt dieses zu dem Mißverständnis, daß auch gebundene Verwaltungsmaßnahmen auf den von der Behörde verfolgten Zweck hin überprüft werden können. Eine solche Möglichkeit ist jedoch theoretisch nicht denkbar, da die gebundene Verwaltungsmaßnahme der Verwaltung keinen Spielraum rur ein eigenständiges zweckgelenktes Handeln beläßt. (b)
Der kontrollierte Zweck
Charakteristisch rur die desviacion de poder ist das teleologische Element der Ermessensvorschrift, das zum Gegenstand der gerichtliche Prüfung wird494 . Demnach setzt diese Kontrolltechnik den Vorsatz der Behörde voraus, unter Einhaltung aller formellen Vorgaben ein anderes Ziel anzustreben als das gesetzlich determinierte, d.h. als das der Förderung des öffentlichen Interesses49S . Diese Einhaltung des Gesetzesziels ist nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die causa der Verwaltungsmaßnahme, d.h. eine wesentliche Voraussetzung rur Wirksamkeit496 . Eine gewollte Umgehung des gesetzlichen
493 Eine isolierte Anfechtung der mit der Grundverwaltungsmaßnahme verbundenen Auflage ist in Spanien nicht möglich, da durch die Aufhebung der Auflage die Verwaltungsmaßnahme modifiziert werden würde; dadurch würde das Gericht aber den Gewaltenteilungsgrundsatz verletzen. Der Bürger muß daher im Ergebnis eine teilweise begünstigende Verwaltungsmaßnahme anfechten. 494 S TS 14. Mai 1959 Ar. 2320; S TS 29. Oktober 1985 Ar. 5325; S TS 31. März 1987 Ar. 1608; Chinchilla Marin, La desviaci6n, S. 40. 49S S TS 15. Mai 1959; S TS 24. Oktober 1959 Ar. 4024; S TS 9. April 1968 Ar. 2059; S TS 2. Februar 1982 Ar. 383; S TS 10. Oktober 1983 Ar. 4918; S TS 10. November 1983 Ar. 5396; S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; S TS 26. September 1985 Ar. 5288; S TS 31 März 1987 Ar. 1608; keine Erwähnung der Absicht bei S TS 10. Dezember 1985 Ar. 6532.
496 S TS 29. Oktober 1985 Ar. 5325; S TS 12. Juli 1985 Ar. 4213 spricht von dem wesentlichen Merkmal der causa, d.h. dem konkreten öffentlichen Interesse, das den Inhalt der Verwaltungsentscheidung prägt und charakterisiert, so daß dieser Zweck bzw. das öffentliche Interesse des Aktes, der Grund bzw. die rechtfertigende causa des Aktes selbst sind.
280
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Ziels ist ein Ermessensfehlgebrauch und fuhrt zur Unwirksamkeit der Verwaltungsmaßnahme497 . Ein Ermessensfehlgebrauch kann zum einen darin gesehen werden, daß die Behörde rechtmäßige Ziele anstrebt (z.B. fiskalische Gesichtspunkte), die jedoch nicht das konkrete Handeln rechtfertigen498 . Zum anderen handelt die Behörde ebenso ermessensfehlerhaft, wenn der handelnde Beamte rechtswidrige499 oder rein persönliche Ziele (Freundschaft, Feindschaft, ParteizugehörigkeitSOO ) verfolgt.
497 S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288. Die Überprüfung der Einhaltung des Gesetzesziels ist jedoch nicht zu verwechseln mit der Überprüfung der "motifs", mit denen oftmals wie im französischen Recht die dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden rechtlichen und tatsächlichen Begebenheiten bezeichnet werden: so z.B. Martin Retortillo, EI exceso, S. 166ff. 498 S TS 10. Mai 1983 Ar. 2539; S TS 29. Mai 1984 Ar. 3149 (Genehmigung des Autoverleihs zu einem anderen fiskalischen Zweck als dem gesetzlich vorgesehenen); S TS 24. Mai 1985 Ar. 2600 (Versetzung eines OffIziers aufgrund seiner zahlreichen Beschwerden); S TS 27. September 1985 Ar. 4794; S TS 22. Januar 1986 Ar. 65 (Baurechtliche Nutzungserlaubnis wird nicht erteilt); S TS 24. Juni 1986 Ar. 3776 (Versetzung eines Polizisten, um Spannungen in der Belegschaft abzubauen); S TS 27. Juli 1986 Ar. 7685 (Einordnung eines Bereiches als nicht bebaubares Gebiet, obwohl es 1972 als bebaubares Land defmiert worden war. Es diente zur Senkung der späteren Enteignungskosten); S TS 13. Juli 1987 Ar. 6893 (Bedingung filr die Erlangung eines Anwohnerparkausweises war die Zahlung der Kraftfahrzeugssteuer). 499 S TS 10. Juni 1981 Ar. 2400 (Verweigerung eines Auswahlverfahrens); S TS 30. November 1981 Ar. 4611 (Freihalten einer Stelle bis zum Erfullen der Voraussetzungen durch den betreffenden gewünschten Kandidaten); S TS 2. Februar 1982 Ar. 383; S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5835 (Entlassung einer kompetenten Fachkraft und Ersetzung durch einen Neuling); S TS 8. Juli 1983 Ar. 3833 (Unterlassene Ausschreibung, um Aufstiegsmöglichkeiten zu verhindern); S TS 3. Februar 1984 Ar. 613 (Fehlendes öffentliches Auswahlverfahren); S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; S TS 1. Juli 1985 Ar. 3598 (Einrichtung eines Apotheken-Nachtdienstes zugunsten der Interessen der Apotheker und nicht der Bürger); S TS 27. September 1985 Ar. 4794 (Auswahlverfahren bei der Post); S TS 14. November 1985 Ar. 5670 (Suspendierung vom Dienst eines Beamten filr 13 Jahre und 6 Monate aufgrund der Weigerung, dem Bürgermeister eine Heizung zu genehmigen); S TS 29. November 1985 Ar. 5574 (Auswahl eines bestimmten Gemeindevertreters im Vorstand der Sparkassen); S TS 11. Februar 1986 Ar. 375 (Entlassung eines Bauprüfers); S TS 11. April 1986 Ar. 1979 (Universitäres Auswahlverfahren); S TS 11. Juni 1986 Ar. 678 (Auswahlverfahren, deren Kriterien ausschließlich auf einen Bewerber, einen Ratsherrn, zugeschnitten waren); S TS 29. Juni 1987 Ar. 6592 (Aufhebung einer Baugenehmigung aus gewerkschaftspolitischen Erwägungen); S TS 31. März 1987 Ar. 1608 (Entlassung eines
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
(4)
281
Die desviacion de poder als Technik bei der Rechtmäßigkeitskontrolle
In frühen Urteilen hat der Oberste Gerichtshof zur Rechtsnatur der desviacion de poder festgestellt, daß sie "jenseits der ordentlichen Legalitätsprüfung in einer ethischen Sphäre anzusiedeln sei", mithin ein moralischer Kontrollmaßstab seisol . Das Gesetz könne nie vollständig das bestehende Ermessen binden und damit kontrollieren. Daher müsse der Kontrollrnaßstab in der nächsthöheren Sphäre angesetzt werden, der Moral 502 . Bis heute hält der Oberste Gerichtshof in vielen Urteilen an dieser Konzeption einer Prüfung der desviacion de poder als Kontrolle der Moral der Verwaltung fest S03 . Konsequenterweise wäre nach dieser Ansicht die Kontrolle der Motive kein Teil der Legalitätsprüfung im Sinne des Art. 106 Abs. 1 CE i.V.m. Art. 24 Abs. 1 CE. Diese Rechtsprechung, die aus Frankreich übernommen wurde s04 , ist daher von der Lehre heftig kritisiert worden 50S . Sie widerspreche dem verfassungsrechtlichen Legalitätsbegriff, demzufolge sich das Ermessen innerhalb der Rechtsordnung hält, ohne jedoch von ihr ausdrücklich anerkannt werden zu müssen. Diese Ansicht wird auch durch die positivrechtliche Regelung bestätigt. So spricht Art. 83 Abs. 2 LJCA vom Verstoß gegen die Rechtsordnung, einschließlich des Ermessensfehlgebrauchs. Somit handelt es sich bei der Kontrolle dieses Ermessensfehlers wie in Deutschland (und nunmehr auch in Frankreich) um ein Element der Rechtmäßigkeitskontrolle s06 .
leitenden Beamten); S TS 6. März 1987 Ar. 1906 (Bevorzugung eines Unternehmens bei der Bergwerksgenehmigung). 500 S TS 23. Januar 1978 Ar. 515; S TS 30. Juni 1979 Ar. 1977; S TS 14. November 1985 Ar. 5670. SOl S TS 24. Oktober 1959 Ar. 4024. 502 Serra Piftar, EI recurso por desviaci6n de poder, Revista de la Facultad de Derecho 1942, S. 182; Alvarez Gendin, Teoria y Pnictica de 10 ContenciosoAdrninistrativo. Glosas a la nueva ley, Barcelona 1960, S. 113. 503 S TS 30. April 1985 Ar. 2184; S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; S TS 13. Dezember 1986 Ar. 7457; S TS 26. Juni 1987 Ar. 4302. 504 Vgl. zur Diskussion in Frankreich umfassend Schlette, Kontrolle, S. 184; Hauriou, Precis, S. 442f. 505 Chinchilla Marin, La desviaci6n, S. 99-\05 mit einer Übersicht über den Meinungsstand. 506 S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; Martin Retortillo, La desviaci6n de poder, S. 129ff.; Garcia de Enterria, Curso I, S. 465; Garrido Falla, Tratado I, S. 435; Chinchilla Marin, La desviaci6n de poder, S. \05.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Besondere Beweisregeln bei der desviacion de poder
Wie auch in den anderen Bereichen der Kontrolldichte steht das Beweisverfahren auch hier einer effektiven Ausgestaltung der gerichtlichen Kontrolle entgegen. Die Verwaltung läßt oftmals nicht erkennen, weshalb sie in einer bestimmten Form gehandelt hatS07 . Dem Kläger ist es dann nicht möglich, das Gericht vom falschen Beweggrund des Handeins der Verwaltung zu überzeugen508 . Der Oberste Gerichtshof hat aber bis 1981 gerade bei der desviacion de poder besonders strenge Anforderungen an die Beweisbarkeit gestellt509 . Es oblag dem Kläger, eindeutig die Verfehlung des Zwecks durch die Behörde zu beweisen510 . Er mußte nicht nur darlegen, daß das verfolgte Ziel nicht dem gesetzlich vorgesehenen entsprach, sondern auch, welches Ziel die Verwaltung statt dessen verfolgt hatte; bloße Vermutungen genügten nicht 511 . 1981 hat der Oberste Gerichtshof auf einen positiven Beweis des von der Behörde verfolgten Zwecks verzichtet und sich dabei auf die Rechtsschutzgarantie berufen 512 . Ein solcher Beweis käme einer probatio diabOlica gleich 513 . Stattdessen genüge ein negativer Beweis, also der Nachweis, daß der von der Behörde verfolgte Zweck zumindest nicht das gesetzlich vorgesehene öffentliche Interesse sei 514 . Weiterhin hat das Gericht den Begriff der Überzeugung insoweit relativiert, als nur noch eine "moralische Überzeugung
507 S TS 9. Juli 1980 Ar. 3011; Soriano Garcia, Hacia el control de la desviacion,
S.187.
508 S TS 7. Oktober 1972 Ar. 4422; S TS 12. November 1975 Ar. 3937; S TS 7. Juni 1977 Ar. 3339; S TS 13. Mai 1985 Ar. 2346. 509 S TS 7. Juni 1966 Ar. 3040; S TS 8. Mai 1981 Ar. 1880.
510 S TS 26. Dezember 1960 Ar. 4215; S TS 3. Juli 1963 Ar. 3400; S TS 19. Juni 1980 Ar. 3222. 511 S TS 3. November 1966 Ar. 5040; S TS 3. Dezember 1966 Ar. 5797; S TS 23. Januar 1967 Ar. 859; S TS 2. Februar 1982 Ar. 383; S TS 15. Juni 1982; S TS 30. April 1985; S TS 8. Mai 1985 Ar. 2288; S TS 26. September 1985 Ar. 5288; S TS 13. Oktober 1986 Ar. 5270; S TS 21. Oktober 1986 Ar. 5278; S TS 31. März 1987 Ar. 1608; S TS 22. Juli 1987 Ar. 5787; S TS 5. Oktober 1987 Ar. 6697. 512 S TS 10. Juni 1981 Ar. 2400; S TS 26. September 1981 Ar. 3847; S TS 5. Oktober 1983 Ar. 4829; S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5835. 513 S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5835. 514 S TS 10. Juni 1981 Ar. 2400; S TS 26. September 1981 Ar. 3847; S TS 5. Ok-
tober 1983 Ar. 4829; S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5835.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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des Gerichts statt eines Realitätsbeweises notwendig" ist515 . Diese Tendenz scheint sich zu festigen 516 . 50 ließ ein Urteil im Jahre 1987 schon die Vermutung einer Zweckverfehlung genügen517 .
(6)
Die Begründungspjlicht der Verwaltung
Begründet die Verwaltung ihr Handeln entgegen Art. 54 LRJPA nicht, hat der Bürger nur sehr wenige Anhaltspunkte fur eine Zweckverfehlung der Behörde. Dadurch werden seine Rechtsschutzmöglichkeiten erheblich beeinträchtigt. Deshalb hat die spanische Lehre (anders als in Deutschland518 ) und nunmehr auch das Verfassungsgericht 519 aus der Rechtsschutzgarantie eine Begründungspflicht der Verwaltung entnommen, also nicht nur aus der einfachgesetzlichen Regelung (in Art. 54 LRJPA)520 . Aufgrund dieser Pflicht der Verwaltung gewinnt die oben genannte Befugnis der Gerichte zur Beweiserhebung von Amts wegen eine besondere Bedeutung. Der Richter ist nach Ansicht der Lehre hier verpflichtet, von der Behörde die Beweise anzufordern, aus denen die Motive ihres HandeIns entnommen werden können 521 . Weitergehend hat sich 5ainz Moreno in Anlehnung an die französische Lehre522 dafur ausgesprochen, aus dem Fehlen einer Begründung der Verwaltung auf das Fehlen des öffentlichen Interesses zu schließen
515 S TS 30. April 1985 Ar. 2184; S TS 29. November 1986 Ar. 6641; S TS 16. Juni 1986 Ar. 6771; S TS 11. November 1966 Ar. 6585. Vgl. S TS 12. Juli 1985 Ar. 4231. 516 S TS 1. Oktober 1982 Ar. 5832; S TS 10. Februar 1984 Ar. 466; S TS 11. Dezember 1984 Ar. 6093; S TS 6. Dezember 1984; S TS 27. September 1985 Ar. 4794; Chinchilla Marin, La desviacion, S. 47. 517 S TS 10. Oktober 1987 Ar. 8334; vgl. jedoch auch das Urteil vom S TS 16. Oktober 1984 Ar. 4927. 518 MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 253; vgl. zur Kontroverse über die verfassungsrechtliche Verankerung der Begründungspflicht die Nachweise bei v. Mutius, Gerichtsverfahren, S. 579. 519 S TC 22/1994, vom 27. Januar, FJ. 2, Rep. Ar. 1994/1, S. 231-245 (239); vgl. auch die Besprechung bei Gonzalez Salinas, La motivacion, S. 285ff. 520 Vgl. S. 233; eine einfachgesetzliche Regelung fmdet sich in Deutschland in § 39 VwVfG; auf der Ebene der Europäischen Union, vgl. Art. 190 EGV; vgl. zum europarechtlichen Grundsatz der Begründung von Handlungen: Muiioz Machado, Los principios generales del procedimiento administrativo, S. 525f. 521 Martin-Retortillo, La desviacion de poder, S. 173f. 522 vgl. dazu Chinchilla Marin, La desviacion, S. 125f.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
und damit die Beweislast umzukehren 523 . Das korrespondiert mit der allgemeinen Tendenz in der spanischen Lehre, die Begründung als Kriterium rur die Abgrenzung zwischen Ermessen und Willkür heranzuziehen524 . Dieser Forderung hat sich der Oberste Gerichtshof in einigen Entscheidungen angeschlossen, in denen er Verwaltungsmaßnahmen allein schon wegen Fehlens einer Begründung als willkürlich aufgehoben hat525 . Hierbei handelt es sich jedoch bislang um Einzelentscheidungen. Die durch den Ermessensfehlgebrauch mögliche Kontrolle ist daher theoretisch dicht, praktisch spielt sie aber wegen des Beweisverfahrens eine nur untergeordnete Rolle. Neben der Ermessensüberschreitung, die in Spanien eine reine Rechtsverletzung ist526 und dem Ermessensfehlgebrauch, der desviacion de poder, ist in Deutschland noch der Fehler des Ermessensnichtgebrauchs anerkannt. Diese Frage wird jedoch in Spanien nicht gestellt. Die spanische Verwaltung handelt per definitionem im verfassungsrechtlich geWährleisteten "Frei-"raum, der allein durch Gesetze beschränkt wird. Es ist daher nicht möglich, daß die Verwaltung handelt und sich dabei ihrer Gestaltungsmöglichkeiten nicht bewußt ist. b) Die Kontrolle der Verwaltung anhand allgemeiner Rechtsgrundsätze Die allgemeinen Rechtsgrundsätze schließen als umfassende Kontrollmaßstäbe rur die gebundenen und die Ermessenshandlungen die gerichtliche Kontrolle der Verwaltung ab 527 .
523 Sainz Moreno, wiedergegeben von Chinchilla Marin, La desviacion, S. 126. 524 Vgl. dazu insbesondere Fernändez Rodriguez, Arbitrariedad y discrecionalidad, S. 2298f. Siehe auch S. 290. 525 S TS 30. Juni 1982 Ar. 4861; S TS 15. Oktober 1985 Ar. 4595; S TS 29. November 1985 Ar. 5574; plastisch drückt diese Einstellung das Urteil vom S TS 17. Juni 1981 Ar. 2726 aus: "Die Begründung ist nicht nur eine Frage der grundlegenden Höflichkeit, sondern eine zwingende Voraussetzung der belastenden Verwaltungsmaßnahme; eine wesentliche Garantie des Verteidigungsrechts, die zu den Befugnissen zu rechnen ist, die sich aus Art. 24 Abs. 1 CE ergeben"; vgl. ebenso S TS 11. Juli 1981 Ar. 3478. 526 Siehe S. 281. 527 Delgado Barrio, Reflexiones, S. 2315 spricht daher von einer jurisprudencia principal; Villar PalasiIVillar Ezcurra, Principios II, S. 41; Clavero Arevalo, La doctrina, S. 100; Cruz Ferrer, Sobre el control, S. 97ff. In der deutschen Ermessenslehre haben die allgemeinen Grundsätze im Rahmen der Ermessensüberschreitung sowie
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
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Die spanische Lehre schätzt die Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze rur die Kontrolle als sehr hoch ein; sie dienen zur "abschließenden und umfassenden Überprüfung der Verwaltungsmaßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit"S28. Dem kann im Hinblick auf das Ermessen zugestimmt werden, da durch die allgemeinen Rechtsgrundsätze weitere rechtliche Kriterien geschaffen worden sind, um die Verwaltung zu kontrollieren S29 . aa) Begriffsbestimmung Allgemeine Rechtsgrundsätze dienen als Grundlage des positiven Rechts S30 . Mit dem positiven Recht befinden sie sich in einem Wechselwirkungsverhältnis, so daß durch sukzessive Verallgemeinerung der konkreten Bestimmungen der Gesetze wiederum allgemeine Rechtsgrundsätze entstehen 531 . Als solche sind sie ein Kontrollmaßstab im Sinne der Rechtsschutzgarantie. bb) Kodifizierte allgemeine Rechtsgrundsätze Ausgangspunkt rur die positivrechtliche Verankerung der allgemeinen Rechtsgrundsätze ist das in Art. 9 Abs. 3 sowie Art. 103 Abs. I CE garantierte Legalitätsprinzip. Legalität wird hier weiter verstanden als die formelle Gesetzmäßigkeit532 . Nach allgemeiner Ansicht erfaßt sie auch die allgemeinen Grundsätzen des Rechts 533 . Hierbei handelt es sich nämlich nicht um moralische Wertmaßstäbe, sondern um Rechtsgrundsätze534 . Somit ist die Kontrolle beim Ermessensfehlgebrauch eine ergänzende Funktion: Zu den Ausnahmen siehe Maurer, § 7 Rdnr. 15. 528 Peman Gavin, Algunas manifestaciones deI principio "pro actione" de la reciente jurisprudencia deI Tribunal Supremo, RAP 104, S. 245f. 529 Garcia de Entenia, Reflexiones sobre la Ley, S. 37f. 530 Albadalejo, Derecho Civil I, S. 114. 531 Zur Rechtsnatur der insbesondere aus Art. 9 Abs. 3 gewonnenen Grundsätze siehe S TC 27/1981, vom 20. Juli, Fl 10, in: JC 2, S. 166-189 (186f.); S TC 2011987, vom 19. FebruarFl 4, in: JC 17, S. 187-198 (195f.); S TC 4/1981, vom 2. Februar, in: JC 1, S. 31-61 (40); S TC 1511982, vom 23. April, FI. 8, in: JC 3, S. 196-209 (208); S TC 62/1982, vom 15. Oktober FJ. 5, in: JC 4, S. 270-293 (289f); S TC 1011985, vom 28. Januar, FJ. 4, in: JC 11,S. 90-99 (98), sowie Leguina Villa, Principios generales, S.7-37 insbesondere S. 7-15; Garcia de Entenia, Curso I, S.74; Suay Rinc6n, La doctrina, S. 381. 532 Siehe S. 248. 533 S TS 30. April 1988 Ar. 3294; Soriano Garcia, Hacia la desviaci6n, S. 181f. 534 Garcia de Entenia, Curso I, S. 472.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
des Venvaltungshandelns anband der Prinzipien eine Rechtskontrolle im Sinne des Art. 106 CE535 . Weiterhin ist Art. 1 Abs. 4 des Zivilgesetzbuches (C6digo Civi/, CC) zu nennen. Danach prägen allgemeine Rechtsgrundsätze die gesamte Rechtsordnung, so daß jede ermächtigende Norm im Lichte dieser Grundsätze gelesen werden muß 536 . Die allgemeinen Rechtsgrundsätze entstammen zumeist dem Zivilrecht; sie sind jedoch auch im Venvaltungsrecht anwendbar. Eine strikte Trennung zwischen den Rechtsinstituten des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts, wie sie beispielsweise Otto Mayer gefordert hat537 , ist gerade bei allgemeinen Rechtsgrundsätzen paradox538 . Bei der Kontrolle des Venvaltungshandelns sind allerdings nur einige wenige bedeutsam539 . Dazu gehören das Prinzip von Treu und Giauben 540 , der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit und der strikten Legalität der Sanktion541 , das Willkürverbot (insbesondere im Bau-
535 Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 95 m.w.N. 536 S TC 4/1981, vom 2. Februar, FJ. 3, in: JC I, S. 31~1 (43) und S TC 151/1986, vom 1. Dezember, in: JC 16, S.409-417 sprechen von den allgemeinen Rechtsgrundsätzen als "der Luft, die wir juristisch atmen". Diese Äußerung geht zuruck aufDe Castro, Derecho civil, S. 421; S TS 16. Mai 1990 Ar. 4167; vgl. weiterhin S TS 16. September 1988 Ar. 7046; S TS 30. April 1988 Ar. 3293; S TS 17. Juni 1989 Ar. 4730; Suay Rinc6n, La doctrina, S. 396. 537 Mayer, Verwaltungsrecht, S. 117. 538 Forsthoff, Lehrbuch, S. 168. 539 Die Auswahl wird insbesondere durch das Gewaltenteilungsprinzip geprägt, vgl. Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 1000. 540 S TS 13. Juni 1960 Ar. 2857; S TS 22. Juni 1960 Ar. 2864; S TS 13. Mai 1971 Ar. 2421; S TS 19. März 1983 Ar. 2226; S TS 4. Juli 1983 Ar. 3972; S TS 2. Dezember 1983 Ar. 6943; S TS 9. Mai 1985 Ar. 2908. 541 S TS 31. Mai 1985 Ar. 5682; S TS 8. Februar 1994 Ar. 1077.
E. Gegenstand Wld Dichte der Kontrolle
287
recht)542, das Prinzip der Rechtssicherheit543 und das Verhältnismäßigkeitsprinzip544 . cc) Allgemeinen Rechtsgrundsätze als Auslegungskriterien
ce
Die Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze wird in Art. 1 Abs. 4 spezifiziert. Sie rollen die Lücken des Rechts und sie prägen das Recht 545 . Ein Beispiel ror die erste Funktion ist der vom Obersten Gerichtshof entwickelte allgemeinen Grundsatz der Haftung des Staates ror sein Handeln. Nach diesem Grundsatz hat er die Haftungsregelungen der LOPJ auf die sonst ungeregelten Tatbestände aus der Zeit zwischen der Verkündung der Verfassung (1978) und dem Erlaß der LOPJ (1985) erstreckt546 . Die Anwendungsfälle sind jedoch beschränkt547 , weil die allgemeinen Grundsätze zu abstrakt sind, als daß sie selbst eine Ermächtigung ror ein bestimmtes Verwaltungshandelns sein können 548 . Nur in ihrer zweiten Funktion dienen sie daher der Ermessenskontrolle. Als rechtliche und damit gerichtlich überprüfbare Kriterien begrenzen sie den Freiraum der Verwaltung mit.
542 S TS 10. Mai 1983 Ar. 2908; S TS 8. April 1983 Ar. 2083; S TS 16. Januar 1985 Ar. 439; S TS 21. März 1985 Ar. 1424. Zur Anwendbarkeit des GrWldsatzes "Keine Gleichheit im Umecht": S TS 4. Januar 1983 Ar. 2229; in Deutschland hierzu Götz, Über die Gleichheit im Umecht, S. 245ff. 543 S TS 4. Juli 1980 Ar. 3412; S TS 16. Juni 1994 Ar. 5251. 544 S TS 12. Mai 1987 Ar. 4150; S TS 5. Dezember 1987 Ar. 9368; S TS 21. Dezember 1987 Ar. 9683; S TS 29. Dezember 1987 Ar. 9856; S TS 30. April 1988 Ar. 3294; S TS 22. Juli 1988 Ar. 6364; S TS 28. Oktober 1988 Ar. 8297; S TS 23. Januar 1989 Ar. 421. 545 Übersicht über die zivil- Wld verfassWlgsrechtliche RechtsprechWlg bei Santos Briz, C6digo Civil, S. 2f. 546 S TS 2l. April 1989 Ar. 3217: Begründet wurde dieses damit, daß die HaftWlgsregelung des Art. 121 CE ein Spiegelbild des Art. 24 darstellt. 547 Beispiele fmden sich weiter im Bereich der Veröffentlichungspflicht von BebauWlgsplänen: Die bisher nur fllr endgültige BebauWlgspläne geltende VeröffentlichWlgspflicht wurde aufgTWld des VeröffentlichWlgsgTWldsatzes von Normen nach Art. 9 Abs. 3 CE auch auf vorläufige erweitert: S. TS 10. April 1990 Ar. 3593; vgl. S TS 9. Juli 1990 Ar. 6023; zur bisherigen RechtsprechWlg siehe S TS 24. Januar 1989 Ar. 431; entsprechend für lokale Vereinbarungen S TS 1. September 1987 Ar. 7713, in dem sogar eine Popularklage begründet wird. Anhand des Grundsatzes der Rechtssicherheit wurde die gesetzlich ungeregelte VeIjährung von Verwaltungssanktionen gerichtlich geregelt: S TS 13. Mai 1985 Ar. 1208 m.w.N. 548 Sanchez Moren, Discrecionalidad administrativa, S. 111 f.
288
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Hier soll nur auf die Grundsätze eingegangen werden, die im Besonderen Auswirkungen auf die Kontrolle des Ermessens haben. dd) Die verfassungskonforme Auslegung Wie in Deutschland ist der Grundsatz der verfassungskonformen und insbesondere der grundrechtskonformen Auslegung in Spanien von besonderer Bedeutung549 , wo er vehement von Garcia de Enterria vertreten wurde 550 . Auch die Rechtsprechung hat diesen Auslegungsgrundsatz mittlerweile angenommen. Jedoch begrenzen in Spanien die materiellen Grundrechte bislang im Gegensatz zu Deutschland nur sehr beschränkt das Ermessen. Allein im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt sind sie bedeutsam55l . Allerdings entnimmt die Rechtsprechung zum Teil aus den allgemeinen Grundsätzen der Sozial- und Wirtschaftspolitik Kriterien für die Kontrolle des Ermessens 552 . Das Recht auf Gesundheitspflege nach Art. 41 CE beschränkt demnach erheblich das Ermessen der Verwaltung bei der Regelung der Zulassung und der Öffnungszeiten von Apotheken 553 . Weiter wird das Ermessen durch das Recht auf eine auf Vollbeschäftigung gerichtete Politik reduziert. So prüft der Oberste Gerichtshof bei der Abwägung, ob er die Suspendierung der Vollziehbarkeit einer Verwaltungsmaßnahme anordnen soll, besonders die Frage der durch die Vollstreckung gefährdeten Arbeitsplätze554 . Auch den Bau und die Eröffnung eines Supermarktes wertet das Gericht als eine Einrichtung im sozialen Interesse; dadurch muß die Verwaltung den Bau im grundsätzlich unbebaubaren Außenbereich ermöglichen, obwohl sonst die Zulassung von Bauten im Außenbereich im Ermessen der Behörde steht. Grundlage dieser Ermessensreduzierung ist wiederum die mit der Eröffnung des Supermarktes verbundene und grundrechtlich geforderte Schaffung neuer Arbeitsplätze (Art. 35 Abs.l CE )555 . Jedoch wurde eine entsprechende Argumentation im Hin549 So z.B. in dem Fall der LOJP S TS 21. April 1989 Ar. 105; zu den Voraussetzungen zur Tätigkeit als Letrado S TS 3. April 1990 Ar. 3578; weiterhin S TS 23. Januar 1990 Ar. 79, S TS 12. März 1990 Ar. 2215, S TS 10. April 1990 Ar. 3542; S TS 21. April 1990 Ar. 3325; S TS 30. April 1990 Ar. 3626; S TS 9. Juli 1990 Ar. 6021; S TS 13. Juli 1990 Ar. 6382; Santos Briz, Codigo Civil, S. 3.. 550 Garcia de Entenia, La constitucion corno norma, S. 95fT.; ebenso Leguina Villa, Principios generales, S. 16fT. 55l Kritisch daher Sarmiento Acosta, Control de la discrecionalidad, S. 234f. Siehe auch S. 250. 552 Sanchez Moron, Funcion administrativa, S. 681 553 S TS 15. Dezember 1986 Ar. 8107; S TS 31. März 1987 Ar. 4171. 554 A TS 9. Oktober 1989 Ar. 6845; A TS 16. November 1989 Ar. 8562. 555 S TS 9. Dezember 1986 Ar. 1023 von 1987.
E. Gegenstand Wld Dichte der Kontrolle
289
blick auf die Verwirklichung des Rechtes auf Zugang zur Kultur (Art. 44 Abs.l CE ) durch den Bau eines Theatergebäudes ausdrücklich abgeiehntSS6 . Darüber hinaus wirken sich die prozessualen Garantien auf ein bestehendes Ennessen der Behörde in Verfahrensfragen aus. So spielten die Garantien aus Art. 24 Abs. 2 CE (Rückwirkung des günstigsten Gesetzes, Irrtum als Schuldausschluß) und insbesondere die strafprozessualen Garantien des Art. 25 CE eine entscheidende Rolle bei der Verrechtlichung der Verwaltungssanktionen SS7 . Diese Sanktionen waren während der Franco-Diktatur weitgehend einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Beispielsweise konnte die Behörde in einzelnen Fällen die Höhe der Strafe nach freiem Ennessen festiegen SS8 . Von Bedeutung war weiter das Grundrecht auf Mitwirkung nach Art. 9 Abs. 2 CE und insbesondere Art. 23 Abs.l CES59. In einem Urteil hat der Oberste Gerichtshof unter Hinweis auf dieses Grundrecht festgestellt, daß die Mitwirkung der beruflichen Interessenvertretungen bei der Verordnungsgebung eine gebundene Maßnahme darstellt und nicht, wie bisher angenommen S60 , eine Ennessensmaßnahme der verordnenden Behörde 561 .
SS6 8 T8 29. Januar 1992 Ar. 2239. SS7 Z.B. die Rückwirkung des gilnstigsten Gesetzes (8 T8 22. Februar 1988 Ar. 1378); Irrtums als 8chuldausschluß (8 T8 16. Mai 1988 Ar. 3759); groodlegend dazu die Urteile des VerfasssWlgsgerichts 8 TC 18/1981, vom 8. JWli, FJ. 2, in: JC 2, 8. 2941 (38); 8 TC 77/1983, vom 3. Oktober, FJ. 2, in: JC 7, 8. 1-10 (8); 8 TC 6611984, vom 6. JWli, FJ. 2, in: JC 9,8.133-141 (138); S TC 31/1985, vom 5. März, FJ. 2, in: JC 11, S. 350-358 (355); 8 TC 74/1985, vom 18. JWli, FJ. 4, in: JC 12, S. 148-157 (156f.); 8 T8 8. Februar 1994 Ar. 1077.
558 Vgl. die DarstellWlg von Garcia de Enterria, Curso 11, S. 161ff. 5S9 S T8 29. Dezember 1986 Ar. 7187; ebenfalls zum Mitwirkungsprinzip im Bereich des BauplanWlgsrechts siehe 8 TS 11. Juli 1986 Ar. 5060; 8 T8 4. November 1986 Ar. 6119; S TS 28. Oktober 1988 Ar. 8295; S TS 30. Januar 1989 Ar. 578; 8 T8 30. April 1990 Ar. 3626.
560 Z.B. noch in 8 T8 19. Mai 1988 Ar. 5060, wo aus dem Wortlaut des Art. 130 Abs. 4 des alten VerwaltWlgsverfahrensgesetzes auf das Ermessen geschlossen wurde. 561 S. T8 29. Dezember 1986 Ar. 7187; nach der mittlerweile erfolgten ÄndeTWlg des VerwaltWlgsverfahrensgesetzes hat diese RechtsprechWlg auch ihren Niederschlag in den Art. 84ff. LRJPA gefWlden. 19 Marlinez Soria
290
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren ee) Das Willkürverbot
Im Mittelpunkt der Kontrolle des Ermessens steht das Willkürverbot in Art. 9 Abs. 3 CE562 , eine Ausprägung des Gleichheitsgebots563 . Willkür bedeutet hier fehlende rationale Nachvollziehbarkeit der administrativen Maßnahme. Der Oberste Gerichtshof vermutet in der Regel, daß die Maßnahme nicht willkürlich getroffen wurde, so daß der Bürger beweispflichtig ist. In einigen Entscheidungen genügt dem Gerichtshof nunmehr rur die Feststellung der Willkür, daß einer Entscheidung die Begründung fehlte 564 . Die Begründung selbst wird nur daraufhin geprüft, ob sie offensichtlich willkürlich ist; die Kontrolle ist also auch hier nur oberflächlich565 . fi) Das Verhältnismäßigkeitsprinzip
Ein weiterer zentraler Grundsatz ist, wie in Deutschland, das Verhältnismäßigkeitsprinzip566. Es hat im spanischen Recht drei Ausprägungen: Es verpflichtet die Verwaltung, den von ihr verfolgten Zweck dem gesetzlichen vorgesehenen Zweck anzupassen und ermächtigt zur Prüfung der Zweckverfehlung. Weiter müssen die Mittel zur Erreichung des Zieles geeignet und erforderlich sein 567 . Es ist von wesentlicher Bedeutung bei der Kontrolle der 562 Garcia de Enterria, Curso I, S. 473; S TS 1. Dezember 1986 Ar. 7101; zwn Begriff der Willkür vgl. S TS 21 November 1985 Ar. 5571; zur Etymologie des Begriff arbitrariedad: FemAndez Rodriguez, De la arbitrariedad de la administraci6n, S. 152ff.; Leguina Villa, Principios generales, S. 31f. 563 S TC 22/1981, vom 2. Juli, FJ. 3, in: JC 2, S. 76-98 (86); S TC 67/1982, vom 15. November, FJ. 4, in: JC 4, S. 339-357 (354); S TC 23/1984, vom 20. Februar, FJ. 3, in: JC 8, S. 278-291 (286); S TC 93/1984, vom 16. Oktober, FJ. 3, in: JC 10, S. 4863 (57); S TC 99/1984, vom 5. November, FJ. 2, in: JC 10, S. 120-127 (126); S TS 19. Mai 1987 Ar. 5815. 564 Siehe S. 284. Damit korrespondiert auch die oben dargelegte Pflicht der Verwaltung zur Begrilndung der Verwaltungsmaßnahme: Siehe S. 233. 565 Santamaria Pastor, Veinticinco aftos de aplicaci6n, S. 142. 566 Es fmdet sich häufig im Sanktionsbereich S TS 30. Januar 1987 Ar. 2037; S TS 7. Februar 1987 Ar. 2908; S TS 7. März 1987 Ar. 3506; S TS 21. April 1987 Ar. 2987; S TS 27. April 1987 Ar. 4764; S TS 12. Mai 1987 Ar. 4150; S TS 5. Dezember 1987 Ar. 9368; S TS 21. Dezember 1987 Ar. 9683; S TS 29. Dezember 1987 Ar. 9856; S TS 30. April 1988 Ar. 3294; S TS 22. Juli 1988 Ar. 6364; S TS 28. Oktober 1988 Ar. 8297; S TS 23. Januar 1989 Ar. 421; S TS 8. Juli 1989 Ar. 5592; S TS 13. Oktober 1989 Ar. 8386; S TS 18. April 1990 Ar. 3601; S TS 16. Mai 1990 Ar. 4167; ebenso auf europarechtlicher Ebene findet es Anwendung vgl. Mufioz Machado, Los principios generales deI procedimiento administrativo, S. 527f.; Garberi Llobregat, EI procedimiento, S. 123f; Cruz Ferrer, Sobre el control, S. 99ff. 567 S TS 7. Februar 1987 Ar. 2908.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
291
Verwaltungsmaßnahme in den Bereichen des Baurechts 568 , der Sanktionen 569 und der Ausweisung von Ausländern570 . Der Oberste Gerichtshof hat Art. 25 Abs. 1 a) des Generalstatuts für Anwälte für unverhältnismäßig und daher für unwirksam erklärt, soweit diese Norm die Ausübung des Berufes an den Abschluß einer Versicherung knüpfte 571 . Insbesondere im Disziplinarrecht korrigierten die Gerichte Maßnahmen der Behörden gegenüber ihren Beamten, die offensichtlich unverhältnismäßig waren. Z.B. hatte eine Behörde von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht, die Gehaltszahlungen eines Beamten während der Dauer des gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens einzustellen. Das Verfahren zog sich jedoch über sieben Jahre hin. Der Oberste Gerichtshof hat diese Maßnahme für offenkundig unverhältnismäßig erachtet572 . Ebenso diente das Verhältnismäßigkeitsprinzip dazu, Auflagen bei Baugenehmigungen zu beschränken. Die Auflagen wurden von der Behörde nach freiem Ermessen beigefiigt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann nunmehr eine Auflage nur ausgesprochen werden, wenn sie Fehlern vorbeugen wi1l 573 . c) Die Kontrolle des Planungsermessens Das Planungsermessen stellt einen besonderen Freiraum der Verwaltung dar. Die deutsche Lehre und Rechtsprechung bezeichnet in ihrem Bemühen, eine scharfe Trennlinie zwischen tatbestandlichem Freiraum und dem Rechtsfolgeermessen zu ziehen, das Planungsermessen als planerische Gestaltungsfreiheit 574 . In Spanien ist allein vom Planungsermessen
568 S TS 4. Juni 1994 Ar. 4617; S TS 21. Juni 1994 Ar. 5338. 569 S TS 31. Januar 1994 Ar. 551; S TS 25. März 1994 Ar. 2239; Garberi Llobregat, EI procedimiento, S. 123ff. 570 S TS 29. Januar 1994 Ar. 2038; S TS 31. Mai 1994 Ar. 4350. 571 S TS 30. April 1988, wiedergegeben bei Delgado Barrio, Reflexiones, S.2343ff.
572 S TS 6. Februar 1963 Ar. 587. 573 S TS 21. April 1987 Ar. 4580; S TS 20. Dezember 1988; S TS 2. Februar 1989; S TS 8. Juli 1989. 574 EmstlZinkhahnlBie1enberg, § 1 Rdnr. 181; Für eine Gleichsetzung der Begriffe "Verwaltungsermessen" und "Planungsermessen": Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverantwortung, S. 251; vgl. zur Kontrolle des Planungsermessens in Deutschland Hoppe, Planung und Pläne, S. 755ff. und S. 774; lbler, Schranken, S. 36. 19*
292
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
(discrecionalidad de planificacion) die Rede 575 , so daß im Folgenden diese
Bezeichnung benutzt werden soll.
Die Planung spielt in der Praxis eine herausragende Rolle, insbesondere als Städteplanung (Planes de urbanismo), Regionalentwicklungsplanung, Wirtschaftsplanung (Plan economico)576 , Flurbereinigungsplanung (Plan de Ordenacion te"itorial) und bei der fiir das wasserarme Spanien wichtigen wasserrechtlichen Planung (Plan hidrolOgico)~m . Im folgenden soll allein auf die fiir alle Bürger bedeutsame Städteplanung eingegangen werden s78 . Die Entwicklung von Maßstäben für die Gerichtskontrolle des Planungsermessens steht in Spanien jedoch erst am Anfang S79 . Hierfiir ist der weite Spielraum ausschlaggebend, der dadurch gewährleistet wird, daß einschränkende Bestimmungen im Vergleich zum deutschen Baurecht bisher nur in geringem Umfang bestanden sowie wiederum der Beibringungsgrundsatz. Nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist in der Regel von der Vernünftigkeit des Verwaltungshandelns auszugehen, das aufgrund eines bestehenden Planungsermessens erfolgtS80 . Er prüft daher - wie beim Ermessen - nur die Nachvollziehbarkeit der vorgelegten Begründung und
575 Vgl. u.a. SAnchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 122. 576 Vgl. Art. 131 Abs. 1 und 2 CE. 577 Parada Vazquez, Derecho Administrativo III, S. 126fT. 578 Das Bauplanungsrecht sieht in Spanien einen Nationalen Ordnungsplan (Plan Nacional de Ordenacion) vor, der jedoch bislang nicht erlassen worden ist. Auf der Ebene der autonomen Gemeinschaften sind Koordinationspläne (Planes Directores Territoriales de Coordinacion) oder sonstige Maßnahmen der Autonomen Gemeinschaften vorgesehen, die der Ordnung des gesamten oder eines Teilgebiets der Autonomen Gemeinschaft dienen. Auf kommunaler Ebene muß ein allgemeiner Bauleitplan (Plan General Municipal) erlassen werden; dieser muß das städtische Gebiet (suelo urbano) planen und kann weiterhin zu erschließendes (suelo urbanizable programado) sowie sonstiges Gebiet (suelo urbanizable no programado) vorsehen. Das zu erschließende Gebiet wird durch Teilpläne (Planes parciales) konkretisiert. Desweiteren sind noch besondere Pläne (Planes especiales), Teilpläne filr das sonstige Gebiet (Pragramas de Actuacion Urbanistica) sowie Detailpläne vorgesehen (Estudios de Detalle); Parada, Derecho administrativo III, S. 396fT.. 579 Vgl. Sanchez Mor6n, Discrecionalidad administrativa, S. 124. 580 S TS 24. November 1981 Ar. 5299; S TS 11. Juli 1987, wiedergegeben bei Fernandez Rodriguez, De la arbitrariedad de la administraci6n, S. 48. Der Plan hat in Spanien - ebenso wie in Deutschland (vgl. hierzu Götz, Bauleitplanung, S. 12) - einen normativen Charakter: Parada, Derecho Administrativo III, S. 399.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
293
geht daher regelmäßig vom Einklang der Planung der Behörden mit den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen aus 581 . Die Rechtsschutzgarantie fordert jedoch, jedes rechtliche Kriterium des Verwaltungshandelns zu kontrollieren. Diese verfassungsrechtlich gebotene Kontrolle ist zunächst hinsichtlich formeller Schranken des Planungsermessens realisiert worden. Hier ist die gerichtliche Prüfung unbeschränkt und der Schwerpunkt der Kontrolle des Planungsermessens in Spanien582 . Von besonderer Bedeutung ist der Bestimmtheitsgrundsatz. Er wurde von Lehre und Rechtsprechung damit begründet, daß aus dem gebundenen Charakter der Baugenehmigung folge, daß der Bebauungsplan keinen Freiraum mehr rur das Handeln der Verwaltung enthalten darP 83 . Ferner steht im Mittelpunkt der Kontrolle des Planungsermessens wie auch des "ordentlichen" Ermessens die Begründung des Bebauungsplans584 . Grundlage jeden Planes muß demnach eine Begründung sein, die fiir die Verwaltung bindend ist585 . Die Gerichte in Spanien begnügen sich dabei zumeist mit der Feststellung, daß eine Begründung vorliegt586 , deren materielle Kontrolle unterlassen die Gerichte hingegen mangels Beweismöglichkeit und aufgrund der anerkannten Gestaltungsfreiheit. Dieser Bereich der materiellen Schranken des Planungsermessens ist daher bis heute in Spanien weitgehend unerforscht. Während in der Bundesrepublik ein differenzierter Katalog von Schranken entwickelt worden ist (Plan581 Zum Teil sucht das Gericht sogar selbständig nach weiteren Rechtfertigungsgründen, vgl. S TS 24. November 1981 Ar. 5299. 582 Nachweise bei Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 29fT. 583 Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S.31f. m. w.N. aus der Rechtsprechung. 584 Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 41fT. 585 Vgl. die Nachweise bei Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S.48. Die Bindung der Verwaltung an ihre eigene Planbegründung wurde in dem bekannten Fall S TS 16. Juni 1977 Ar. 3502 vom Obersten Gerichtshof begründet. Dort verlangten die Bewohner eines gesamten Stadtteils, daß sich die Verwaltung an ihre Begründung, eine Stadtgebietsanierung durchzufilhren und den bisherigen Bewohnern das Wohnrecht in ihren renovierten Häusern zu garantieren, halten solle. Der Oberste Gerichtshof gab der Klage der Bürger statt, die als Dank einen Platz im Stadtteil den "Platz der bindenden Begründung" (Plaza de la Memoria Vinculante) tauften: vgl. hierzu Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 41 fT. 586 Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 47f.
294
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
rechtfertigung, Planungsleitsätze, Optimierungsgebote und Schranken, die den einzelnen Gesetzen immanent sind sowie das Abwägungsgebot)587, unterscheidet der Oberste Gerichtshof bei den Kontrollmaßstäben nicht zwischen dem Planungsermessen und dem "ordentlichen" Ermessen588 . Zwar steht theoretisch auch in Spanien das Abwägungsgebot im Mittelpunkt der materiellen Kontrolle des Planungsermessens589 , praktisch werden aber Fehler beim Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis nicht überprüft, da das Gericht "nicht die Kriterien der Verwaltung ersetzen möchte"590 . Allein das Vorliegen der abwägungserheblichen Tatsachen wird von den Gerichten kontrolliert 591 . Jedoch stellte der Oberste Gerichtshof gerade hierzu fest, daß die Gerichte nur dann befugt sind, die Entscheidungen der Verwaltung aufzuheben, wenn klar und offensichtlich ist, daß die Planung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt 592 . Es wird deutlich, daß die Vemünftigkeitsvermutung eine Kontrolle des Planungsermessens auf eine Willkürprüfung beschränkt. Die Lehre hat eine intensivere Kontrolle durch die Gerichte gefordert593 , jedoch wurden diese Forderungen nur in vereinzelten Urteilen aufgegriffen: In einem Rechtsstreit hatte eine Gemeinde ein Grundstück im Bebauungsplan als "Stadtpark" qualifiziert. Die Aufsichtsbehörde594 hob diese Einordnung auf und ersetzte sie durch "administrative Gemeinschaftseinrichtung" (equipamiento comunitario administrativo), um dort eine Polizeikaserne zu errichten. Das Gericht überprüfte diese Einordnung mit den von der klagenden Gemeinde vorgetragenen tatsächlichen Gegebenheiten und stellte fest, daß die Einordnung der Klägerin wegen der raren Grünflächen der Stadt und der Einzigartigkeit des Grundstücks zweckmäßiger war595 . Insbesondere wider587 Gätz, Gerichtskontrolle, S. 12f.; Ibler, Schranken, S. 44ff. 588 Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 125. 589 Sanchez Moron, Discrecionalidad administrativa, S. 124. 590 S TS 11. Juli 1987 Ar. 6877. 591 S TS 14. Dezember 1987 Ar. 9485; S TS 4. April 1988 Ar. 2584; vgl. auch die Nachweise bei Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 103-116. 592 S TS 4. April 1988 Ar. 2584. 593 Fernandez Rodriguez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 22l. 594 Zur Besonderheit der bauplanungsrechtlichen "Sonderaufsicht" siehe S. 154. 595 Nach Art. 83 Abs. 2 Ley de Suelo müssen 18 rn2 Grün- bzw. Erholungsfläche oder Sportanlagen pro Quadratmater Wohnfläche im kommunalen Bauplan vorgesehen sein: vgl. hierzu Parada, Derecho Administrativo m, S. 402.
E. Gegenstand und Dichte der Kontrolle
295
sprach die Qualifizierung der Aufsichtsbehörde den bauplanungsrechtlichen Geboten einer Infrastruktur (es mangelte an Zufahrtswegen) und der Anpassung an örtliche Umstände (eine anstehende Erweiterung einer benachbarten Schule wäre verhindert worden)s96. Es lag mithin ein Ermessensfehler vor, der zur Aufhebung der aufsichtsbehördlichen Festsetzung fiihrte S97 . Es finden sich auch Urteile, in denen der Oberste Gerichtshof schwierige Wertungen der Verwaltung überprüft; so z.B. die Einordnung eines Platzes als schützenswertes Grundstück (patio a conservar), die eine künstlerische Bedeutung des Platzes (interes artistico) voraussetztS98 . Noch weiter ging der Oberste Gerichtshof, als ein Bürger gegen die bauplanungsrechtliche Ausweisung seines Grundstücks als "private Grünfläche von besonderem Interesse" klagte. Diese Ausweisung setzt das Bestehen einer schützenswerten Grünfläche und ihre Eingliederung in die Umgebung voraus. In diesem Fall jedoch handelte es sich, wie die Sachverständigengutachten ergaben, um eine vereinzelt bewachsene Grünfläche, deren Bewuchs krank und deren Boden qualitativ schlecht und hochgradig verseuchungsgefährdet war599 . Daher hob das Gericht die von der Verwaltung vorgenommene Ausweisung auf6° o . Da nach Ansicht der Richter den Gutachten zufolge kraft Natur der Sache (geschlossene Bebauung) und aufgrund baurechtlicher Bestimmungen dieses Grundstück nur als Baugebiet mit geschlossener Bebauung (zona residencial en manzana cerrada) qualifiziert werden konnte, habe hier eine Ermessensreduzierung auf Null vorgeiegen601 . Ein wesentliches Problem der Kontrolle ist das Beweisverfahren. Von Teilen der Lehre wird vorgeschlagen, die Vernünftigkeitsvermutung zugunsten der Verwaltung aufzugeben und statt dessen die Beweislast der Verwaltung zu
596 Vgl. Art. 138 Ley de Suelo. 597 S TS 1. Dezember 1986 Ar. 417 von 1987; in einem anderen Fall hat das Gericht die Denkma1schutzerldärung filr ein Bauwerk aufgehoben, da diese irrational sei: S TS 23. Januar 1989, wiedergegeben bei De1gado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 108. 598 S TS 22. September 1986 Ar. 6078 599 S TS 15. März 1993, wiedergegeben bei Fernandez Rodriguez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 166 und S. 177tr. 600 Vgl. die Besprechung bei Fernandez Rodriguez, De la arbitrariedad de 1a administracion, S. 179. 601 Ein paralleler Fall ist S TS 22. Oktober 1990, wiedergegeben bei Delgado Barrio, EI control de la discrecionalidad, S. 119.
296
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
übertragen602 . Effizienter wäre hingegen, den Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsprozeß einzufiihren. Teilweise finden sich schon ermutigende Beispiele hierfür in der Rechtsprechung: So in dem Urteil gegen den allgemeinen Bebauungsplan der Stadt Lloret de Mar (Gerona). Der Plan sah eine Umgehungsstraße vor, die über die Grundstücke mehrerer Bürger verlaufen sollte. Diese Bürger begründeten ihre Klage dreifach. Erstens durchschneide die Straße einen Campingplatz und bringe damit erhebliche wirtschaftliche Schäden fiir den Eigentümer. Zweitens verliefe die Straße über sehr schwieriges Gelände (25% Steigungen), das fiir eine solche Straße ungeeignet sei und drittens bestehe schon parallel zur geplanten Straße eine andere, die durch geringe Veränderung den gleichen Zweck, die Umleitung des Verkehrs, erfüllen würde603 . Der Oberste Gerichtshof der Region Katalonien erhob selbständig Beweis und machte sich im Ergebnis die ökonomischen und technischen Argumente der Kläger zu eigen. Das Urteil wurde durch den nationalen Obersten Gerichtshof später bestätigt604 .
VI. Bewertung Aus Art. 24 Abs. 1 CE kann nur wenig hinsichtlich des Gegenstandes und der Dichte der Kontrolle entnommen werden. Das Urteil muß begründet sein und auf der Grundlage des Rechts ergehen. Der Gegenstand und die Dichte der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle bestimmen sich vielmehr aus Art. 106 Abs. 1 CE, der Art. 24 Abs. 1 CE ergänzt. Art. 106 Abs. 1 CE gewährleistet das Recht auf eine umfassende tatsächliche und rechtliche Kontrolle der administrativen Tätigkeit der öffentlichen Gewalt. Auszugehen ist demnach von einem funktionellen Begriff der Verwaltung, der auch das administrative Handeln legislativer und judikativer Organe erfaßt. Die Kontrolle der Legalität nach Art. 106 Abs. 1 CE i. V.m. Art. 24 Abs. 1 CE erfaßt im wesentlichen die Überprüfung der zugrundeliegenden Tatsachen, die Auslegung der bestimmten Rechtsbegriffe in Tatbestand und Rechtsfolge und die Subsumtion. Die Kontrolle der unbestimmten Rechtsbegriffe ist in der Praxis von dem traditionellen Bewußtsein geprägt, der Gesetzgeber habe durch seine unbestimmte Formulierung die Verwaltung zum AusfiilIen der Lücken ermächtigen wollen, nicht jedoch die Gerichte. Das entspricht der aus Art. 103 602 Femandez Rodriguez, De la arbitrariedad de la administracion, S. 87f. 603 S TSJ Catalufia 7. Juli 1988, wiedergegeben bei Suay Rincon, EI control, S.255ff. 604 S TS 4. April 1990 Ar. 3587; wiedergegeben und besprochen von Suay Rincon, EI control de la actividad discrecional, S. 249ff.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
297
Abs. 1 CE entnommenen Konzeption der Venvaltung als "Funktion" und daher als einer den Gerichten gleichwertige Gewalt, deren Gestaltungsspielräume nicht eingeräumt, sondern allein beschränkt werden können. Folglich steht zwar die Kontrolle des Zwecks im Mittelpunkt der Ermessenskontrolle, die aber auch hier aufgrund der Beweisregelungen sehr beschränkt bleibt. Die mangelnde Möglichkeit des Bürgers, die Unvernünftigkeit des Venvaltungshandeins darzulegen, zeigt sich insbesondere im Planungsrecht. Hier wäre eine Untersuchungspflicht des Richters zwar rechtspolitisch wünschenswert, aus der Rechtsschutzgarantie ist eine solche hingegen nicht entnehmbar. Entscheidend für die bislang unterbliebene effiziente Beschränkung des Venvaltungsermessens ist die unzureichende Berücksichtigung der Grundrechte durch die Rechtsprechung6°s aufgrund des Respekts gegenüber der administrativen GewaltlFunktion. Gerade die Grundrechte waren aber in Deutschland die theoretische Grundlage für die Reduzierung möglicher Letztentscheidungsrechte der Exekutive606 . "Alle Personen haben das Recht auf effektiven Rechtsschutz... " (Art. 24 Abs. I CE).
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes: Der einstweilige Rechtsschutz I Die Vollstreckung von Urteilen Der durch die Venvaltungsgerichte gewährleistete Rechtsschutz muß nach
Art. 24 Abs. 1 CE ein "effektiver Rechtsschutz" (tutela efectiva) sein. Dieser Zusatz "effektiv" fehlt zwar in Art. 19 Abs. 4 GG und in Art. 24 der italieni-
schen Verfassung, in diesen Ländern ist er aber durch die Lehre und die Rechtsprechung entwickelt worden und auch hier steht er im Mittelpunkt der Lehre zur Rechtsschutzgarantie des Bürgers l .
60S S TS 29. Dezember 1986 Ar. 1572; S TS 25. September 1989 Ar. 6698.
606 Götz, Handlungsspielräume, S. 253. 1 Finkelnburg, Effektivität, S. 170f.; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rdnr. 383 m.w.N.; Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 152; filr Italien: Lavagne, Costituzione, S. 318ff. Es handelt sich jedoch hierbei, wie das spanische Verfassungsgericht in S TC 15/1986, vom 3l. Januar, FI. 3, in: JC 14, S. 136-143 (140) zutreffend festgestellt hat, um eine Tautologie. Der Begriff der Effektivität stellt auf das Verhältnis von Nonn zur Wirklichkeit ab, d.h. auf einen tatsächlichen Rechtsschutz. Die
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Die "Effektivität des Rechtsschutzes" hat einen Doppelcharakter. Sie ist zunächst ein Attribut der Verfahrensgarantien: Der Zugang zu den Gerichten, die Ladung, die Anhörung, die Kontrolle muß effektiv sein. Dariiber hinaus hat das Merkmal "Effektivität" in zwei Bereichen eine eigenständige Bedeutung2 : Beim einstweiligen Rechtsschutz und bei der Vollstreckung von Urteilen. Es soll verhindern, daß durch Verzögerung der gerichtlichen Entscheidung der zugrundeliegende Sachverhalt oder das Klagebegehren gegenstandslos wird und daß der Kläger dadurch schutzlos bleibt. Zum anderen kann eine ungenügende Umsetzung das gerichtliche Urteil zu einer für die obsiegenden Partei weitgehend wertlosen bloßen Deklaration reduzieren. Einstweiliger Rechtsschutz und wirkkräftige Vollstreckbarkeit von Gerichtsentscheidungen sind rur die Effektivität des Rechtsschutzes besonders wichtig und sollen deshalb hier näher untersucht werden.
I. Der einstweilige Rechtsschutz Die Effizienz des Rechtsschutzes kann gewährleistet werden, indem das Verfahren nicht unnötig verzögert wird und indem das Gericht die rechtliche Möglichkeit zu Maßnahmen erhält, mit denen es verhindern kann, daß vor der Verkündung des Endurteils irreparable Schäden entstehen. J. Das Recht auf ein "Verfahren ohne unn6tige Verz6gerungen"
Die mögliche Beeinträchtigung des Rechtsschutzes durch ein überlanges Verfahrens hat der Verfassunggeber gesehen und deshalb in Art. 24 Abs. 2 CE ausdrücklich ein Recht auf ein Verfahren ohne unnötige Verzögerungen (derecho a un proceso sin dilaciones indebidas) gewährleistet3 . Er konkretisierte damit eine Forderung, die - wie auch in Deutschland4 - schon aus der
Rechtsschutzgarantie gewährleistet hingegen einen "effizienten" (eficiente), d h. einen wirksamen Rechtsschutz. So auch die vom BVerfG vielfach verwendete Bezeichnung: BVerfGE 35, 263 (274); 55, 349 (369); 65, 1 (70); BVerfG NJW 1994, 3087; vgl. auch Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 152.
2 Vgl. Garcia de Enterria, Reflexion sobre 1a constitucionalizacion, S. 628; Parejo Alfonso, La tutela judicial, S. 19f. 3 Umfassend hierzu Femändez-Viagas, EI derecho, S.208tT; Jimena Quesada, Los derechos del justiciable, S. 260f. 4
BVerfGE 55, 349 (369); 60, 253 (269).
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
299
Rechtsschutzgaranties und überdies aus Art. 6 Abs. 1 EMRK folgt, der eine Anhörung der Partei innerhalb einer angemessenen Frist verlangt6 . Dieses Recht ist in Spanien im Vergleich zu Deutschland von größerer Bedeutung, da in Deutschland die für den Rechtsschutz nachteilige Auswirkungen von Verfahrensverzögerungen zumeist durch den einstweiligen Rechtsschutz kompensiert werden. Der Bürger muß daher in der Regel in Deutschland nicht befürchten, daß durch die Verzögerung seine Klage gegenstandslos wird. In verwaltungsgerichtlichen Verfahren in Spanien hingegen fehlt, wie unten dargelegt wird, ein effektiver einstweiliger Rechtsschutz7 . Das Recht des Bürgers wird somit erst durch das Endurteil geschützt, nicht hingegen vorläufig in einem gesonderten Verfahren. Es ist jedoch regelmäßig schwierig festzustellen, wann das Verfahren unnötig verzögert worden ist. Das Verfassungsgericht bestimmt dies von Fall zu Fall, indem es alle verfahrensrechtlichen Umstände (Komplexität der Sache, das Verhalten von Kläger und beklagter Behörde) berücksichtigt8. Wenn es dabei auf die Rechtsprechung des EGMR zurückgreift9 , muß bedacht werden, daß der EGMR diese Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit spani-
5 S TC 10/1991, vom 17. Januar, FFJJ 2 und 3, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 101-109 (107-109), wo die Kriterien fi1r die Bestimmung der Verzögerung anband der von dem EGMR entwickelten dargestellt werden; diferenzierend S TC 49/1991, vom 1l. März FJ. 1, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 535-541 (540), das feststellt, daß die Verzögerung i.S.d. Abs. 2 erst dann zu einer Verteidigungslosigkeit i.S.d. Abs. 1 führt, wenn sie entsprechend lang ist; vgl. auch zur Trennung der beiden Grundrechte: S TC 26/1983, vom 13. April, FJ. 2, in: JC 5, S. 243-251 (288); S TC 36/1984, vom 24. März, FJ. 1, in: JC 8, S. 424-434 (429); S TC 133/1988, vom 4. Juli, FJ. 3, in: JC 21, S. 459-468 (465); S TC 158/1989, vom 5. Oktober, FFJJ 2 und 4, in: JC 25, Rep. Ar. 182-188 (186 und 188); S TC 250/1994, vom 19. September, FJ. 3, in: BJC 162 (1994), S. 37-40 (39).
6 Vgl. die Verweise des spanischen Verfassungsgerichts auf die EMRK in: S TC 24/1981, vom 14. Juli, FJ. 3 und 4, in: JC 2, S. 113-121 (119f.); ebenso S TS 2l. Januar 1994 Ar. 410; Romero Coloma, EI articulo 24, S. 25; aA S TC 26/1983, vom 13. April 1983, FJ. 2, in: JC 5, S.280-291 (288), das das Recht allein dem Abs. 2 entnimmt; kritisch dazu die Lehre: vgl. Romero Coloma, EI articul0 24, S. 26. 7
Parada Väzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 699; siehe S. 306.
8 S TC 21/1981, vom 15. Juni 1981, vom 15. Juni, FJ. 9, in: JC 2, S. 58-75 (71) mit Verweis auf die Rechtsprechung des EGMR; zustimmend Almagro, Art. 24 CE, S.54. 9
(104f.).
S TC 10/1991, vom 17. Januar, FFJJ. 2 und 3, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 101-109
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
300
schen Verfahren entwickelt hat lO . Das Verfassungsgericht selbst hat aber nur selten eine unnötige Verzögerung festgestellt 11 . Ursache dafür ist, daß es auch Umstände berücksichtigt hat, die außerhalb des Verfahrens lagen, z.B. die Ausstattung der Gerichte (erhöhte Arbeitsbelastung)12. Es hat hingegen die Tatsache, daß im spanischen Verwaltungsprozeß der einstweilige Rechtsschutz im Ergebnis fehlt, und daher einige Entscheidungen aufgrund der mit ihnen verbundenen möglichen Rechtsverletzungen eines besonders schnellen Verfahrens bedurft hätten, nicht bei der Feststellung der "Unnötigkeit" der Verzögerung berücksichtigt13 . Die Dauer der Verfahren wird von der Lehre scharf kritisiert 14 . Es fehlen jedoch, soweit ersichtlich, umfassende Untersuchungen über die Verfahrensdauer in allen Instanzen. Der Oberste Gerichtshof entscheidet in der Regel frühestens in 7 bis 8 Jahren, nachdem er mit der Sache befaßt wird 15 . Aber auch das spanische Verfassungsgericht verstößt mittlerweile nach Ansicht des EGMR gegen das Gebot eines verzögerungsfreien Verfahrens 16 .
10 EGMR Urteil Union Alimentaria Sandares, S.A. / Spanien vom 7. Juli 1989, ECHR SeriesA 157, §§ 29-42, S. 12-16: Es handelte sich hierbei um ein zivilgerichtliches Verfahren, das sich über 7 Jahre erstreckte, wobei der EGMR von einer wirklichen Verfahrensdauer von funf Jahren, 2 Monaten und 13 Tagen ausging; EGMR Urteil Ruiz-Mateos / Spanien, vom 23. Juni 1993, ECHR Series A 262, §§ 33-53, S. 19-23. 11 S TC 10/1991, vom 17. Januar, FFJJ. 2 und 3, in: Rep. Ar. 199111, S. 101-109 (104f.); S TC 4911991, vom 11. März,FI 1, in: Rep. Ar. 199111, S. 535-541 (537). 12
Femandez-Viagas Bartolome, EI derecho, S. 208f.
13 EGMR Urteil Ruiz-Mateos / Spanien, vom 23. Juni 1993, ECHR Series A 262,
§ 52 S. 23.
14 S TC 24/1981, vom 14. Juli, FJ. 3 und 4, in: JC 2, S. 113-121 (119f.); Vgl. insbesondere die soziologische Studie von Martin Mateo, Eficacia social de la jurisdiccion contencioso-administrativa, Madrid 1989; Sanniento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 389; Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 694. Es fehlt in Spanien aber an einer umfassenden Statistik: vgl. Tomos i Mas, La situacion actual, S. 106. Eine partielle Übersicht enthalten die Jahresberichte des Volksverteidigers: z.B. Informe anua11993, S. 142ff. 15 Gonzalez Perez, Los obstaculos de1 acceso, S. 360. 16 So z. B. im Urteil Ruiz-Mateos 1 Spanien, vom 23. Juni 1993, ECHR Series A
262, S. 23, § 53, in dem der EGMR feststellt, daß das erstinstanzliche Gericht gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK verstoßen hat, indem es sieben Jahre und neun Monate fUr das Urteil benötigt hat. Ausschlaggebend filr die Verzögerung war insbesondere die Vorlage an das Verfassungsgericht. Zutreffend fordert daher das BVerfG, daß bei der Er-
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
301
2. Der einstweilige Rechtsschutz im System der subjektiven Rechtskontrolle
Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes ist es, die Rechtssphäre des Bürgers während des Prozesses vor irreparablen Schäden zu sichern. In einem gerichtlichen Verfahren, das die Rechte des Bürgers zum Gegenstand hat - wie z.B. das durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotene -, muß der Gesetzgeber den Gerichten ermöglichen, zum Schutz der Rechte vorläufige Maßnahmen zu ergreifen 17 . Die Hervorhebung des subjektiven Elements erlaubt eine Abwägung zwischen subjektiven Interessen und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit. Daher sind in Deutschland umfassende Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes entwickelt worden, die den Klagemöglichkeiten des Bürgers entsprechen. So wird unterschieden, ob vorläufig ein Nachteil abgewehrt oder ein Vorteil erlangt werden soll. Bekämpft der Bürger einen Nachteil, so kann ein irreparabler Schaden nur verhindert werden, wenn die aufschiebende Wirkung der Vollziehung des belastenden Verwaltungsakts angeordnet wird. Droht der Schaden erst, realisiert sich der einstweilige Rechtsschutz in einer Anordnung des Gerichts, daß der gegenwärtige Zustand zunächst erhalten werden soll. Begehrt der Bürger hingegen ein Handeln der Verwaltung, kann ein ohne dieses Handeln drohender Schaden allein durch eine vorläufige Anordnung des Gerichts bis zum Urteil verhindert werden. 3. Der einstweilige Rechtsschutz und die objektiv-rechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 24 Abs. 1 CE
a) Das Fehlen einstweiligen Rechtsschutzes im System der objektiven Rechtskontrolle Das die Rechtsschutzgarantie mitverwirklichende "ordentliche" Verfahren 18 in Spanien dient nicht primär dem subjektiven Rechtsschutz, sondern einer objektiven Legalitätskontrolle. In diesem Verfahren spielt der einstweilige Rechtsschutz keine Rolle, denn jede Maßnahme ist aus dem Blickwinkel der objektiven Legalität reparabel, so Z.B. durch Aufhebung einer rechtswidrigen Maßnahme, notfalls auch durch Schadensersatz. Weiter steht in diesem Verfahren das subjektive Interesse des Einzelnen, das sich allein auf eine heblichkeit der Vorlage ein strenger Maßstab angelegt werden muß, um solche Verzögenmgen zu venneiden: BVerfGE 78,165 (178). 17 So auch die ständ. Rspr. des BVerfG: BVerfGE 35, 263 (274); 44, 105 (120); 51, 268 (284); 69, 315 (364); 79, 69 (74ff.); Bender, Die einstweilige Anordnung, S.657. 18 Zum "außerordentlichen" Verfahren zum Schutze der Grundrechte siehe S.351.
302
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
mögliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns gründet, nicht über dem objektiven Interesse, das gemäß Art. 56 LRJPA die sofortigen Vollziehung fordert. Bis Anfang der neunziger Jahre sah das spanische Verfassungsgericht das Ob und das Wie einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich als eine Frage der einfachen Gesetzgebung an 19 . Es lag mithin im Ermessen des Gesetzgebers, ob und welche Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes möglich sind20 . Einige Autoren haben aus einem Urteil des Verfassungsgerichts von 1987 die Forderung des Gerichts herausgelesen21 , es müsse aufgrund der Rechtsschutzgarantie zumindest eine Form des einstweiligen Rechtsschutzes geben. Diesem Normenkontroll-Urteillag Art. 34 des Ausländergesetzes zugrunde22 , der einstweiligen Rechtsschutz gegen alle behördlichen Maßnahmen nach diesem Gesetz ausschloß. Diese Auslegung der Entscheidung durch die Lehre ist aber ungenau. Das Verfassungsgericht hat zwar die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung festgestellt, begründet dies jedoch ausschließlich mit einem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot nach Art. 14 CE, nicht hingegen mit der Rechtsschutzgarantie 23 . Konsequenterweise hat das Gericht es auch abgelehnt, kraft der Rechtsschutzgarantie oder einer anderen Verfassungsbestimmung eine automatische Suspendierung bei Klageerhebung zu fordem 24 . Vielmehr sah es in der sofortigen Vollstreckbarkeit der Verwaltungsakte trotz Einlegung eines Rechtsbehelfs eine Konkretisierung des Grundsatzes des effizienten Verwaltungshan-
19
Chamorro Bemal, La tutela judicial, S. 290
20
Vgl. Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n, S. 1685;
21
S TC 115/1987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575-600 (597).
22 Ley Organica 7/1985, vom 1. Juli, de Derechos y Libertades de los Extranjeros en Espaifa (BOE Nr. 158, vom 3. Juli). 23
S TC 115/1987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575-600 (597),
24 S TC 66/1984, vom 6. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 133-141 (140); ebenso: S TC 115/1987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575-600 (597): "La efectividad de la tutela judicial efectiva que el articulo 24 de la Constitucion establece no impone en todos los casos la suspension dei acto administrativo recurrido, pues dicho precepto 10 que garantiza es la regular y adecuada proteccion jurisdiccional, en un proceso con todas las garantias por parte de los organ os judiciales"; daher ist die Analyse von Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 173 zu S TC 66/1984, vom 6. Juni unzutreffend; kritisch Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 64.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
303
delns i.S.v. Art. 103 Abs. 1 CE25. Eine andere Regelung würde die Venvaltung lähmen26 . Das gilt auch für Venvaltungssanktionen27 . Der Oberste Gerichtshof hat diese Lehre des Verfassungsgerichts zunächst übemommen28 . b) Die einfachgesetzliche Gestalt des einstweiligen Rechtsschutzes Art. 122 Abs. 2 LJCA geht somit über die Forderungen der spanischen Rechtsschutzgarantie hinaus, weil er die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ermöglicht. Die Regelung läßt aber erkennen, daß auch der Gesetzgeber sie nur als Ausnahme sah29 .
25 S TC 22/1984, vom 17. Februar, FJ. 4, in: JC 8 S. 243-277 (272): "La potestad de la Administracion de autoejecucion de las resoluciones y autos dictados por ella se encuentra en nuestro Derecho positivo vigente legalmente reconocida y no puede considerarse que sea contraria a la Constitucion. Es verdad que el articulo 117.3 de la Constitucion atribuye el monopolio de la potestad jurisdiccional consistente en ejecutar 10 decidido a los jueces y Tribunales, pero no es menos cierto que el articulo 103 reconoce como uno de los principios a los que la Administracion P"blica ha de atenerse el de ejicacia con sometimiento pleno a la Ley y al Derecho"; vgl S TC 144/1987, vom 23. September, FJ. 2, in: JC 19, S. 10-17 (15); S TS 28. Januar 1987 Ar. 224; 28. Mai 1987 Ar. 3491; S TS 18. Februar 1994 Ar. 1410; ebenso S TS 5. März 1987 Ar. 3501; ebenso A TS 15. April 1988 Ar. 2673; A TS vom 18. März 1991 Ar. 2284; Manzana Laguarda, Acerca de la legitimacion, S. 4702; vgl. dazu Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 632; Aguado i Cudolä, La reciente evolucion, S. 1676; Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 134; zum Efflziensprinzip im Verwaltungshandeln vgl. Ortega, EI reto dogmätico, S. 7-16. 26 Noch heute Vgl. Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 177; Cano Mata, Limitaciones al principio de ejecutividad, S. 211. 27 S TC 66/1984, vom 6. Juni, FI. 3, in: Je 9, S. 133-141 (140); S TS 18. Februar 1994 Ar. 1410. 28 Grundlegend A TS 13. Mai 1988 Ar. 3756 FI. 1: "No es cierto que desde la entrada en vigor de la Constitucion Espaifola se deba suspender generalizadamente la ejecuci6n de los actos administrativos, como sostiene La Sociedad apelante, ni tampoco 10 es que nuestra jurisprudencia asi 10 venga proclamando"; ebenso S TS 17. Januar 1994 Ar. 135. 29 Rodriguez-Arana Mufioz, La suspension contenciosa, Rdn. 223; Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 387.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
aa) Der Grundsatz des unmittelbaren Vollzuges der Verwaltungsmaßnahme nach Art. 122 Abs. 1 LJCA Klageerhebung oder Einlegung anderer Rechtsmitte130 verhindern nicht den Vollzug der Verwaltungsmaßnahme (Art. 122 Abs. 1 LJCA). Die Regel ist somit die unmittelbare Vollziehbarkeit von Verwaltungsmaßnahmen unabhängig von der Rechtskraft der durch sie veranlaßten Urteile3 1 . Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz des spanischen Verwaltungsrechts, wie Art. 56 und 100 LRJPA32 und parallele Regelungen in Art. 51 LBRL und Art. 208 ROF sowie die Art. 33, 34, 101 und 116 LRJAE erkennen lassen33 . Hintergrund der sofortigen Vollziehbarkeit der Verwaltungsmaßnahme ist die Wirksamkeitsvermutung der Verwaltungsmaßnahme in Art. 57 LRJA34. Diese Vermutung selbst wird in vielen Urteilen auf den Grundsatz des effizienten Verwaltungshandelns nach Art. 103 Abs. 1 CE zuTÜckgefiihrt; hierdurch erhält die sofortige Vollstreckbarkeit einer Verwaltungsmaßnahme Verfassungsrang3S . bb) Der Suspensiveffekt als Ausnahme bei irreparablen und bei schwer zu behebenden Schäden Das Gericht kann nach Art. 122 Abs. 1 Satz 2 LJCA auf Antrag den Suspensiveffekt anordnen, wenn die Voll ziehung irreparable oder nur schwer zu behebende Schäden und Nachteile verursachen würde (Abs. 2). Dieser Schaden muß demnach gerade wegen der im Prozeß liegenden Verzögerung entstehen, d.h. als ein periculum in mora36 . Die Regelung stellte zwar einen
30 S TC 182/1994, vom 20. Juni, FJ. 3, in: BJC 159 (1994), S. 113-119 (119). 31 GOmez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1155. 32 Vgl. auch die parallelen BestimmWlgen in einigen Verwaltungsverfahrensgesetzen der autonomen Regionen: z.B. Art. 51 Gesetz 1/1983, vom 13. Dezember, dei Gobiemo y Administraci6n de la Comunidad de Madrid; Art. 56 Gesetz vom 26. April 1984 de regimen juridico dei Gobiemo y de la Administraci6n de la Diputacion regio-
nal de Cantabria. 33 Cano Mata, Limitaciones al principio, S. 209f. 34 Parejo Alfonso, La tutela judicial, S. 27; dagegen jedoch Aguado i Cudolä, La reciente evolucion, S. 1675. 3S S TS 28. Januar 1988 Ar. 160; A TS 1l. November 1991 Ar. 8808; A TS 29. Februar 1992 Ar. 3022; A TS 26. November 1993 Ar. 8793; A T8 3. Mai 1994 Ar. 3594; Boquera Oliver, Insusceptibilidad de la suspension, S. 48.
36 A TS 2. Dezember 1988 Ar. 9445; vgl. auch S TS 66/1984, vom 6. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 133-141 (140); Gomez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1156; Chinchilla Marin, La tute1a cautelar, S. 42.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
305
Fortschritt dar im Vergleich zu früheren, die eine Suspendierung nur bei absoluter Irreparabilität der zu erwartenden Schäden ermöglichten37 . Aufgrund ihres Ausnahmecharakters ist sie aber vorn Obersten Gerichtshof sehr restriktiv angewandt worden38 . Entgegen dem Wortlaut des Gesetzes, der von procedera (sie wird angeordnet) spricht, und den in den Motiven genannten Zielen39 , vertrat der Oberste Gerichtshofbis 1990 die Ansicht, die Anordnung der Suspendierung liege im Ermessen der Richter40 . Hingegen legte es den Begriff des schweren oder irreparablen Schadens sehr eng aus41 und verlangte dalÜber hinaus, das der Bürger ihn darlege42 . Dies führte zu unhaltbaren Urteilen, wie z.B. im Beschluß vorn 24. Juni 1975, der es ablehnte, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die sofortige Schließung von vier Fakultäten der Universität von Valladolid (Rechtswissenschaft, Philosophie, Naturwissenschaft und Medizin) anzuordnen. Die BeglÜndung des Obersten Gerichtshofes lautete, der zu erwartende Nachteil bei den Studenten - Verlust der Matrikulationsgebühr - sei wirtschaftlich reparabel und der andere Nachteil - das Fehlen von Lehrveranstaltungen - sei mit etwas Fleiß und häuslicher Arbeit von den Studenten wettzumachen43 . Obwohl mittelbar aus Art. 123 Abs. 2 LJCA und unmittelbar aus den Motiven dieses Gesetzes 44 folgt, daß die Interessen des Klägers an der Suspendie37 VgJ. dazu die Übersicht bei Femandez Pastrana, La influencia de 1a Constituci6n, S. 278f. 38 A TS 22. Dezember 1989 Ar. 8758; ebenso noch A TS 6. März 1990 Ar. 1953; A TS 18. Juli 1990 Ar. 6578; A TS 19. September 1990 Ar. 6880; A TS 17. Oktober 1990 Ar. 8140; A TS 10. Juni 1994 Ar. 5239. Zutreffend spricht Femandez Pastrana, La influencia de la Constituci6n, S. 281 daher von einer "instituci6n irreal, olvidada en la practica, 0 solicitada sin convicci6n ni esperanza"; vgJ. auch Chinchilla Marin, La tute1a cautelar, S. 141f. 39
So zutreffend Femandez Pastrana, La influencia de la Constituci6n, S. 278.
A TS 11. April 1990 Ar. 3598; L6pez Ram6n, Limites constitucionales, S. 63; Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 396. 40 41
Femandez Pastrana, La influencia de la Constituci6n, S. 288.
A TS 22. Dezember 1989 Ar. 8758; zur Beweispflicht A TS vom 22. Februar 1988 Ar. 1441; A TS vom 29. April 1988 Ar. 3287; A TS vom 30. Dezember 1988 Ar. 9721; A TS vom 26. Oktober 1989 Ar. 7496; A TS vom 19. September 1990 Ar. 6880; A TS vom 18. April 1991 Ar. 3050; so noch S TS 17. Januar 1994 Ar. 135, S TS 12. April 1994 Ar. 5315, S TS 17. Mai 1994 Ar. 4270. 42
43 VgJ. Lopez Ramon, Limites constitucionales, S. 69; zurückhaltend kritisch die Besprechung von Sastre Legido, La suspension de los efectos, S. 249ff. 44
Motive zu LJCA V Nr. 7 2. Absatz.
20 Marlinez Soria
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
rung und die der Verwaltung an der sofortigen Vollziehung abzuwägen sind4s , hat der Oberste Gerichtshof eine solche Abwägung bis in die achtziger Jahre unterlassen. Vielmehr vermutet er das Interesse der Verwaltung wegen der gesetzlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes. Aufgrund des Beibringungsgrundsatzes des Verwaltungsprozesses mußte der Bürger diese Vermutung widerlegen und seinen drohenden Schaden konkret nachweisen. In den meisten Fällen lehnte der Gerichtshof die Suspendierung mit der pauschalen Feststellung ab, der Bürger könne keinen Schaden nachweisen46 . Im Ergebnis gab es also keinen einstweiligen Rechtsschutz. Das entsprach der Konzeption der Rechtsschutzgarantie als Garantie einer objektiven Rechtskontrolle, die den Rechten und Interessen des Bürgers verfahrensrechtlich nur eine untergeordnete Rolle beimaß. 4. Subjektivierung des gerichtlichen Rechtsschutzes
Seit Mitte der achtziger Jahre ist jedoch eine Tendenz in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erkennbar, die Rechte und Interessen des Bürgers stärker zu berücksichtigen47 . Angestoßen wurde diese Wende in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs durch einige Regelungen, mit denen der Gesetzgeber von den bisherigen Grundsätzen des einstweiligen Rechtsschutzes abwich48 sowie durch die "Factortame"-Entscheidung des EuGH.
4S Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n, S. 1690; so ausdrücklich der A TS vom 21. März 1990 Ar. 1880. 46 Vgl. insbesondere die Kritik hierzu im Beschluß TS 20. Dezember 1990 Ar. 10412. 47 Es fmden sich aber schon froher einzelne Entscheidungen: A TS' 9. Mai 1979 Ar. 2425; A TS vom 13. April 1981 Ar. 1836; A TS vom 16. Mai 1983 Ar. 2945; mit vorsichtigem Optimismus Font i Llovet, Nuevas consideraciones, S.477; Vgl. Rodriguez-Arana Muiioz, La suspensi6n contenciosa, Rdn. 227; ebenso die Übersicht bei Fermindez Pastrana, La influencia de la Constituci6n, S. 228f 48 Darauf berufen sich ausdrücklich insbesondere A TS vom 7. März 1989 Ar. 1772 und A TS vom 3. Januar 1991 Ar. 494.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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a) Hintergründe aa) Entwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes in der Gesetzgebung Die Gesetzesregelungen, die zumeist zwischen 1978 und 1980, also vor dem Hintergrund der gerade verkündeten Verfassung erlassen worden sind49 , zeichnen sich sämtlich dadurch aus, daß sie grundrechtsbezogen waren. So war das Ziel des mit der LPDF geschaffenen besonderen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der besondere Schutz der Grundrechte50 . Gerade rur diesen besonderen Schutz wurde das bisherige Regel-Ausnahmeverhältnis umgekehrt: In der Regel wird durch die Einlegung eines Rechtsbehelfs die Vollstreckung automatisch suspendiert, so daß die Verwaltung nunmehr das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ausdrücklich nachweisen muß 5 1 . Dadurch ließ der Gesetzgeber erkennen, daß die bisherige Regelung dem Schutz der subjektiven Rechte, seien sie Grundrechte oder einfache Rechte, nicht genügt52. Dieser Einfluß des Grundrechtsschutzes auf den einstweiligen Rechtsschutz läßt auch seine Regelung bei Verfassungsbeschwerden im Organgesetz zum Verfassungsgericht erkennen. Nach Art. 56 Abs. 1 Satz 1 LOTe wird die aufschiebende Wirkung von Amts wegen oder auf Antrag des Bürgers angeordnet, wenn durch die Vollstreckung ein Schaden verursacht würde, der den Rechtsschutz verhindert. Die Verwaltung muß einen schweren Nachteil rur das öffentliche Interesse darlegen oder die Verletzung des Grundrechtes eines Dritten, wenn sie den Verwaltungsakt sofort vollstrecken will. Diese Regelung sieht somit zum ersten Mal eine klar zugunsten der Suspendierung ausgerichtete Güterabwägung vor53 . Nach Art. 44 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes (Ley Orgimica General Penitenciaria)S4 haben alle Rechtsbehelfe gegen Disziplinarmaßnahmen automatisch aufschiebende Wirkung. Eine neue Technik benutzte das Gesetz über den Obersten Rat der Rechtsprechenden Gewalt 49
Übersicht bei Boquera Oliver, Insusceptibilidad de la suspension, S. 45f. und
so
Siehe S. 352ff.
SI
A TS vom 18. Januar 1982 Ar. 12; Lopez Ramon, Limites constitucionales,
S.53ff.
S.65.
52 GOmez-Ferrer Morant Apariencia de buen derecho, S. 1159; das Abwägungsgebot findet sich jedoch auch schon in anderen Verfahren, wie Z.B. bei der Verfassungsbeschwerde nach Art. 56 Abs. 1 LOTe. 53 Lopez Ramon, Limites constitucionales, S. 66.
54
1979). 20'
Organgesetz 1/1979 vom 26. September 1979 (BOE Nr. 239, vom 5. Oktober
308
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
(LOPJ). Nach Art. 44 sind Disziplinarmaßnahmen erst dann vollstreckbar, wenn sie fonnell rechtskräftig sind, d.h. wenn sie nicht mehr im Verwaltungsverfahren angefochten werden können 55 . Im Steuer- und Gebührenverfahren muß die Verwaltung nach Art. 22 Abs. 1 und 81 des Verfahrensgesetzes 56 die Vollziehung aufschieben, wenn ein Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren eingelegt worden ist und der geschuldete Geldbetrag durch Kaution oder Bürgschaft garantiert wird. Diese auf das Verwaltungsverfahren beschränkte Suspendierungsmöglichkeit gilt aber auch im Prozeß, da sonst der Widerspruch entstünde, daß im Verwaltungsverfahren in vielen Fällen, im Gerichtsverfahren hingegen nur selten einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden würde 57 . Auch im Prozeß muß der geschuldete Betrag durch Kaution oder Bürgschaft garantiert werden 58 . Damit steht die spanische Regelung im Gegensatz zur gesetzlichen Untersagung der Suspendierung bei Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 der deutschen VwGO, die die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben sichern soll59. Eine ähnliche Regelung wie im nationalen Steuer- und Gebührenverfahren ist auch im kommunalen nach Art. 192 Abs. 3 der Neufassung des Gesetzes über die Kommunalverwaltung von 1986 enthalten60 .
55 Vgl. Löpez Rarn6n, Limites constitucionales, S. 66 plädiert aber auch filr die Anwendung im gerichtlichen Verfahren. Parejo Alfonso, La tutela judicial cautelar, S. 35f spricht sich filr eine Übernahme dieser Technik als Grundsatz aus. 56 Real Decreto Legislativo 2795/1980, vom 12. Dezember 1980 über die Grundlagen des Verfahrens der Finanzverwaltung (BOE Nr. 313, vom 30. Dezember), das das Rahmengesetz 39/1980, vom 5. Juli (BOE Nr. 177, vom 24. Juli 1980) ausfilhrt. 57 Ständige Rechtsprechung seit 1991: A TS vom 11. April 1990 Ar. 3596; A TS vom 25. September 1990 Ar. 7293; A TS vom 10. Dezember 1991 Ar. 9418; A TS vom 8. Juni 1992 Ar. 5771; A TS vom 14. Juni 1992 Ar. 4576; A TS vom 8. Juli 1992 Ar. 6208; A TS vom 29. September 1992 Ar. 6983; A TS vom 17. Dezember 1993 Ar. 9336; A TS vom 14. März 1994; A TS vom 8. Juni 1994 Ar. 4651; A TS vom 15. Juni 1994 Ar. 4680; Gonzalez Perez, Manual, S. 551; dagegen noch A TS 28. September 1990 Ar. 6866; A TS vom 9. November 1990 Ar. 8471; S TS 12. April 1994 Ar. 5315. 58 A TS 18. Mai 1994 Ar. 3386; A TS 7. Juni 1994 Ar. 5148. Kritisch hinsichtlich einer Verallgemeinerung GOmez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1160f, wonach schon eine Bürgschaft genügt, um das öffentliche Interesse auszuschließen. 59 Kopp, VwGO, § 80 Rdnr. 37; vgl. Redeker/v. Oertzen, § 80 Rdnr. 15ff; EyermannlFröhler, § 80 Rdnr. 17ff. 60 Real Decreto legislativo 781/1986, vom 18. April (BOE Nm. 96 und 97, vom 22. und 23. April).
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
309
Diese subjektiv-rechtliche Tendenz hat der Gesetzgeber nicht auf das allgemeine Verfahren übertragen61 , vielmehr hat Art. 111 des neuen Verwaltungsverfahrensgesetzes (LRJAP) statt einer erhofften Neuregelung weitestgehend die bisherige Rechtslage bestätigt62. Es bleibt somit im allgemeinen Verfahren bei der Regelung des einstweiligen Rechtsschutz als Ausnahme. bb) Die Wirkung der Factortarne-Entscheidung des EuGH auf den Obersten Gerichtshof Das Factortame-Urteil des EuGH vorn 19. Juni 1990 hat, wie kaum ein anderes Urteil des EuGH, in Spanien nicht nur eine heftige Resonanz in der Lehre, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsprechung gehabt63 . In dieser Vorlageentscheidung nach Art. 177 EGV ging es darum, ob eine nationale Rechtsordnung (in diesem Fall die britische), von den Richtern der nationalen Gerichte angewandt werden könne, wenn sie die Anwendung von Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegenüber innerstaatlichen Vorschriften verbietet. Der EuGH hat dies verneint und sich dabei auf den vorn Generalstaatsanwalt Tesauro in seinem Schlußantrag64 genannten "allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts" berufen, wonach die nationalen Gerichte verpflichtet seien, "einen vollständigen und effektiven gerichtlichen Schutz zu gewähren"6S. Deshalb dürfe das Erfordernis, ein Recht im Prozeßwege geltend zu machen, sich nicht zum Nachteil der obsiegenden Partei auswirken.
61
L6pez Ram6n, Limites constitucionales, S. 82.
62 Gonzälez Navarro/Gonzälez Perez, LRJAP, S. 1189f. Die neue Technik, wonach die Rechtskraft erst die Vollziehbarkeit der Verwaltungsmaßnahmen begründete, wurde in dem neuen "Gesetz über die Rechtsprechende Gewalt" von 1985 nur filr den Bereich der Zwangsversetzung und der Suspendierung vom Dienst von Richtern aufrechterhalten (Art. 425 Abs. 7 LOPJ). In allen anderen Bereichen gilt nun das Kriterium der LJCA. Art. 34 des Ausländergesetzes schloß, wie bereits oben dargelegt, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutz bei der Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen generell aus, was jedoch durch das Verfassungsgericht als verfassungswidrig aufgehoben wurde: S TC 115/1987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575..Q00 (597). 63 EuGH-Urteil vom 19. Juni 1990, Rs. C-21311989, (The QueenlSecretary of State for Transport, ex parte Factortame Ud., u.a.), Slg. 1990, S.2433ff.; Vgl. die Besprechung bei Aguado i Cudola, La reciente evoluci6n, S. 1677ff; Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 697; sowie Garcia de Enterria, La bataIla, S. 61-82 und S. 157-211. 64 Schlußantrag Generalstaatsanwalt Tesauro, Nr. 15, vom 17. Mai 1990 zu Rs. 21311989, (The Queen/Secretary ofState for Transport, ex parte Factortame Ud., u.a.), Slg. 1989, S. 2450-2465 (2455).
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Hieraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Der einstweilige Rechtsschutz wird an das Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes geknüpft und erhält den Rang eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes; weiterhin wird seine Zulässigkeit mit den materiellen Erfolgsaussichten der Klage verknüpft. Die Prüfung knüpft an den "mehr oder weniger großen Anschein der Rechtmäßigkeit, den fumus boni iuris", an66 . Einstweiliger Rechtsschutz und der Schutz der Rechte und Interessen des einzelnen hängen folglich nach Ansicht des EuGH eng zusammen. Bei der Anerkennung dieses aIlgemeinen Rechtsgrundsatzes67 hat der EuGH die spanische Rechtsordnung nicht berücksichtigt, die dem Begriff des effektiven Rechtsschutzes eine andere Bedeutung gibt. Hierzu war er auch nicht verpflichtet, da die Anerkennung aIlgemeiner Rechtsgrundsätze nicht erfordert, daß diese in aIlen Mitgliedsstaaten gleichzeitig vorkommen68 . Gleichwohl hat dieser Grundsatz das spanische Recht unmittelbar geprägt. Dieses Urteil des EuGH bestätigt zwei vorangegangene Urteile des Obersten Gerichtshofes, die schon Anfang 1990 hatten erkennen lassen, daß es mit dem Ziel des einstweiligen Rechtsschutzes, die Verwirklichung des noch zu ergehenden Urteils zu sichern, unvereinbar sei, wenn das Urteil ohne jegliche Rücksicht auf die Erfolgsaussichten ergehe69 . Zudem hatten sie einen Widerspruch zwischen dem Ausnahmecharakter des einstweiligen Rechtsschutzes und der Rechtsschutzgarantie erkannt70 . Daher stellte der Oberste Gerichtshof am 20. Dezember 1990 unter ausdrücklichem Hinweis auf die FactortameRechtsprechung des EuGH fest, daß es aufgrund des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem nationalen Recht nicht mehr an die materiellen 65
Chinchilla Marin, La tuteJa cautelar, S. 171.
Bezeichnenderweise geht die vom italienischen Generalstaatsanwalt Tesauro genannte Lehre desfumus boni iuris auf den italienischen Rechtskreis und insbesondere auf den Juristen Calamandrei, Introduzione, S. 59f. zurück; Trocchio, Provvedimenti cauteJari, S. 849f. 66
67
Vgl. hierzu SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 16ff.
68
SchweitzerlHummer, Europarecht, S. 17.
69
A TS vom 17. Februar 1990 Ar. 1439; A TS vom 28. Februar 1990 Ar. 1530.
A TS vom 27. Februar 1990 Ar. 1515: "(...) frente a los criterios tradicionales en la doctrina jurisprudencial, de una gran rigidez denegatoria en las peticiones de suspension, se ha venido abriendo camino una corriente mucho mas benevola, quizd en armonia con la doctrina emanada de la interpretacion de la Constitucion. (...) la suspension de los actos administrativos en general, ya no es algo excepcional 0 chocante". 70
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
311
Grenzen des Art. 122 LJCA gebunden sei71 . Der Bürger habe ein Recht auf einen einstweiligen Rechtsschutz, das unmittelbar aus der Rechtsschutzgarantie abgeleitet werden könne. Die aufschiebende Wirkung müsse losgelöst von einem besonderen Interesse der Verwaltung am Vollzug der Verwaltungsmaßnahme zwingend angeordnet werden, wenn der Anschein des Rechts für den Kläger spreche, selbst wenn diese Voraussetzung in Art. 122 LJCA nicht genannt ist72 . Es handele sich hier jedoch nur um eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers, eine materiell tiefergehende Kontrolle bleibe dem späteren Hauptsacheverfahren vorbehalten73 . Die spanische Lehre hat beide Urteile ausnahmslos begrüßt und darin die Lösung gesehen von der starren Ausklammerung des einstweiligen Rechtsschutzes, die nicht zu der von der Lehre subjektiv verstandenen Rechtsschutzgarantie paßt14 . Jedoch hat sie zutreffend darauf hingewiesen, daß eine gesetzliche Regelung fehle und somit zu befiirchten sei, daß diese Rechtsprechung sich nicht durchsetze7S . Diese Befiirchtung hat sich bewahrheitet, da bisher nicht von einer gefestigten Rechtsprechung gesprochen werden kann76 . 71
S.169.
A TS 20. Dezember 1990 Ar. 10412; Chinchilla Marin, La tutela cautelar,
72 S TS 17. Januar 1991 Ar. 503; S TS 29. Februar 1992 Ar. 3027; S TS 16. Dezember 1993 Ar. 4891; A TS 11. März 1994 Ar. 4142. Gomez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1163f.; Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 45f.; GonZlilez Perez, Manual, S. 555f. 73 Vgl. S TS 6. Juni 1994 Ar. 5146: Danach ist bei der Darlegung der Erfolgsaussichten allein auf einen Augenscheinsbeweis zurückzugreifen (hier bei einer Klage eines Unternehmens gegen Verwaltungssanktionen wegen Verstoßen gegen Gerätesicherheitsbestimmungen); A TS 26. März 1994 Ar. 4125 (Schließung eines Unternehmens); A TS 3. Mai 1994 (Schließung eines Altersheims); S TS 30. Mai 1994 Ar. 3884 (Erklärung eines Nationalparks); Gomez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1163; Aguado i Cudolä, La reciente evolucion de la tutela cautelar, S. 1707 wendet sich aber gegen ein Verständnis dieses Grundsatzes als allein ausreichende Voraussetzung.
74 Vgl. zur Kritik an der bestehenden Regelung Santarnaria Pastor, Tutela judicial efectiva, S. 1610; Diaz Delgadol Escuin Palop, La suspension de los actos administrativos, S. 194; Fernandez Pastrana, La influencia de la Constitucion, S.281; allein Boquera Oliver, Insusceptibilidad de la suspension, S. 66fT. spricht sich zugunsten der Beibehaltung des bisherigen, restriktiven Systems der Suspendierung aus und ftlr eine Beschleunigung des Verfahrens zur Stärkung der Effizienz des Rechtsschutzes. 75
Coca Vita, A vueltas con la suspension, S. 245.
So haben nach Angaben von Aguado i Cudola, La reciente evolucion, S. 1709 Fn. 104 von den 326 im Jahre 1991 ergangenen Urteile zum einstweiligen Rechts76
312
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Obwohl Art. 24 Abs. 1 CE ein Recht auf einstweiligen Rechtsschutz verankert77 und obwohl die Zahl der angeordneten Suspendierungen erkennbar steige8 , bleiben in der Praxis die sofortige Vollstreckbarkeit der Verwaltungsakte und der enge Ausnahrnecharakter der Suspendierung die Rege179 . b) Die Einbeziehung des einstweiligen Rechtsschutzes in Art. 24 Abs. 1 CE durch das Verfassungsgericht Offensichtlich beeindruckt von den Veränderungen in Frankreich, wo der Verfassungsrat (Conseil d'Etat) aus der Verfassung ein Recht des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entwickelt hat80 , und der Factortame-Entscheidung des EuGH81 hat das spanische Verfassungsgericht seine bislang durchgeführte strenge Trennung von einstweiligem Rechtsschutz und dem von Art. 24 Abs. 1 CE geforderten Rechtsschutz gelockert. Nunmehr erkennt es an, daß aus der Verfassungspflicht, einen effektiven Rechtsschutz zu gestalten, die Notwendigkeit zu einstweiligen Maßnahmen folge 82 . Der schutz nur allein 12 dieses Kriterium angewandt, beispielsweise A TS 20. Dezember 1990 Ar. 10413; ebenso A TS 17. Januar 1991 Ar. 503; S TS 10. Juni 1994 Ar. 5114. 77 S TS 10. Juni 1994 Ar. 5114; Aguado i Cudola, La reciente evolucion, S. 1683; vgl. dazu Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 631. 78 Der Wandel der Rechtsprechung wird auch anband der absoluten Zahlen erkennbar: so ordnete der Oberste Gerichtshof nach den Angaben von Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 143f. im Jahre 1988 insgesamt 162 Urteile, 1989 in insgesamt 165 Urteilen, 1991 hingegen schon in 326 Urteilen die Suspendierung an; vgl. die detaillierte Übersicht bei Aguado i Cudola, La reciente evolucion, S. 1719tT.
79 A TS vom 19. Januar 1991 Ar. 425; A TS vom 18. Februar 1991 Ar. 1582. 80 Entscheidung DC 224 vom 23. Januar 1987, Conseil de la concurrence, Entscheidungsgrund Nr. 19, abgedruckt bei Favoreu/Philip, Les grandes decisions du conseil constitutionnel, 5. Aufl., Paris 1989, S. 707ff.; eine Übersicht über die Entwicklung in Frankreich bei Woehrling, Die Reform des Verwaltungsrechtsschutzes, S. 225ff.; und Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S.616ff sowie in den zahlreichen Aufsätzen, die in seinem Werk "Hacia una nueva justicia administrativa", 2. Aufl., Madrid 1992 zusammengefaßt sind. 81 Siehe S. 309ff. 82 S TC 217/1991, vom 14. November Fl. 5, in: Rep. Ar. 1991/4, S.405-417 (414f.); S TC vom 10. Februar 1992 (Pleno sobre 1435 LEC): "(. ..)la audienciaprevia dei afectado podria perjudicar en muchos supuestos la efectividad de la medida cautelar, y siempre la retrasaria en detrimento de su eficacia, 10 cual podria llegar a menoscabar el derecho a una tutela judicial efectiva, reconocido en el articulo 24 de la Constituci6n, pues la tutela judicial no es tal sin medidas cautelares adecuadas que aseguren el efectivo cumplimiento de la resoluci6n definitiva que recaiga en el proceso", vgl. dazu Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 629.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
313
vom Verfassungsgericht gewählte Ansatz ist jedoch wiederum objektivrechtlich. Die Rechtsschutzgarantie fordere, daß die Gerichte jegliches Handeln der Verwaltung, also auch die Frage nach ob und wie des Vollzugs der Verwaltungsmaßnahme, anband rechtlicher Kriterien kontrollieren. Das Verfassungsgericht hält es rur erforderlich, den Gerichten zu ermöglichen, vor dem Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme auf Antrag des Bürgers die vorläufige Suspendierung auszusprechen83 . Das Fehlen einer Möglichkeit zur gerichtlichen Anordnung der Suspendierung verletze Art. 24 Abs. 1 CE84. Dabei sei gleichgültig, ob ein Grundrecht oder ein einfaches Interesse gefahrdet sei 8S . Nach dieser Rechtsprechung ist die Rechtsverletzung nicht primär der Grund rur das Bestehen eines einstweiligen Rechtsschutzes, sondern allein die Befugnis der Gerichte, die Legalität des Vollzuges der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme zu prüfen. Die Rechtsschutzgarantie gewährt dem Bürger also keinen Anspruch auf Anordnung einer Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes bei Verletzung seiner Rechte. Vielmehr weist das Verfassungsgericht Verfassungsbeschwerden, die sich gegen den sofortigen Vollzug einer Verwaltungsmaßnahme richten, mit dem Hinweis auf die Möglichkeit ab, die aufschiebende Wirkung zu beantragen86 . Das Gericht verknüpft aber zum ersten Mal den einstweiligen Rechtsschutzes mit der Rechtsschutzgarantie, denn es verpflichtet den Gesetzgeber, Verfahrensnormen zu erlassen, damit die Gerichte die Möglichkeit haben, über den Vollzug der Verwal83 Diese hatte es jedoch schon 1984 im Hinblick auf VelWaltungsanktionen entwickelt: S TC 66/1984, vom 6. Juni, FI. 3, in: JC 9, S. 133-141 (140): "EI derecho a la tutela se satisface, pues, facilitando que la ejecutividad pueda ser sometida a la decision de un Tribunal y que este, con la informacion contradiccion que resulte menester, resuelva la suspension"; A TC 604/1986, vom 9. Juli, FI. 2, in: JC 15, S. 1073-1077 (1076); A TC 265/1985, vom 24. April, FI. 2, in: JC 11, S. 1809-1815 (1814); ; vgl. Muiioz Machado, Reserva, S. 2769; ebenso Aguado i Cudola, Evoluci6n de la tutela cautelar, S. 1683f; Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 32.
84 S TC 238/1992, vom 12. Dezember, FI. 6, in: Rep. Ar. 1992/3, S. 1207-1218 (1217), wo Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes 34/1979 vom 16. November, über Fincas man ijiestamente mejorables ausdtilcklich als Verstoß gegen Art. 24 gewertet wurde, da jegliche Suspendierung gegen die Klassifikation des Grundstücks ausgeschlossen war: Vgl. die Besprechung bei Garcia de Enterria, Constitucionalizaci6n definitiva, S. 479482; ebenso Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 167-171; schon 1981 war die Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung bezweifelt worden von MartinRetortillo Baquer, L., Evoluci6n reciente, S. 18. 8S S TC 238/1992, vom 12. Dezember, FJ. 6, in: Rep. Ar. 1992/3, S. 1207-1218 (1217); Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 169f. 86
Vgl. die Übersicht bei L6pez Ram6n, Limites constitucionales, S. 76f.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
tungsmaßnahme und dessen Suspendierung zu entscheiden. Weiterhin verpflichtet die so verstandene Rechtsschutzgarantie die Gerichte dazu, den Zeitpunkt und den Modus der Vollstreckung des Verwaltungsaktes anhand rechtlicher Kriterien zu kontrollieren87 . Daraus wiederum folgt, daß die Vollstrekkung bei beantragter Suspendierung solange aufgeschoben werden muß, bis das Gericht über diesen Antrag entschieden hat88 . Da im Zentrum der verfassungsgerichtlichen Konzeption der Rechtsschutzgarantie nicht das zu verwirklichende Recht des Bürgers steht, sondern die Legalität des Verwaltungshandeins, sind weitergehende Möglichkeiten zum Schutz der Rechte (z.B. einstweilige Anordnungen) nicht von Art. 24 Abs. 1 CE erfaßt. Nur wenn eine gesetzliche Regelung besteht, die, wie im Bereich der Grundrechte in Art. 7 Abs. 2 LPDF, weitere Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutz vorsieht, gewährleistet die Rechtsschutzgarantie das Recht des Bürgers, hierauf zurückzugreifen89 . Daraus folgt aber kein Bestandschutz fiir dieses Verfahren, so daß der Gesetzgeber die über die Suspendierung hinausgehenden Regelungen wieder aufheben könnte90 . c) Folgen der Subjektivierung der Rechtsschutzgarantie aa) Das private Interesse als Abwägungskriterium Die Weiterentwicklung des einstweiligen Rechtsschutzes oblag im wesentlichen den ordentlichen Gerichten. So forderte der Oberste Gerichtshof zunächst, daß zusätzlich91 zum bislang allein notwendigen Nachweis eines Schadens die Gerichte die Interessen der Parteien an der Suspendierung bzw. an der Vollziehbarkeit gegeneinander abwägen92 . Dies stellte das Interesse
87
Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 170.
88 So schon A AN vom 19. Januar 1990 Ar. 1273. 89 S TC 23711991, vom 12. Dezember, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199114, S.630-637 (635f.); vgl. S TC 11511987, vom 7. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 575-600 (596f.); ebenso S TS 6. Juni 1989 Ar. 4500; A TS 20. März 1989 Ar. 585 und 6. April 1990 Ar. 2856. Chamorro Bemal, La tutelajudicial efectiva, S. 288. 90 So auch noch heute ein Teil der Lehre: Chamorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 284; dagegen aber Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 135f. 91 Im Gegensatz zu Art. 7 Abs. 2 Ley 62/78, wo es das einzige Kriterium ist: vgl. Femandez Pastrana, La influencia de la Constitucion, S. 290. 92 A TS 2l. März 1988 Ar. 2188; A TS 15. April 1988 Ar. 2623; A TS 15. Juli 1988 Ar. 6078; A TS 25. Juni 1994 Ar. 5266; A TS 27. Juni 1994 Ar. 5396; A TS 28. Juni 1994 Ar. 5095; vgl. die zahlreichen Nachweise bei Osorio Acosta, La suspension
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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des Bürgers dem Interesse der Behörde theoretisch grundsätzlich gleich93 und hatte z.B. schon 1981 in einem Fall zur Folge, daß der Oberste Gerichtshof die aufschiebende Wirkung anordnete, weil die Verwaltung fiir die Schließung einer Fahrschule kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollstreckung dargelegt hatte94 . Insbesondere diese Änderung des Beweisrechts hat die Zahl der Verfahren, in denen der Suspensiveffekt angeordnet worden ist, erhöht und die Rechtsstellung des Bürgers wesentlich verbessert. Seit 1992 hat der Gesetzgeber in Art. 111 Abs. 2 des neuen Verwaltungsverfahrensgesetzes ausdrücklich die Abwägung als Voraussetzung fur die Suspendierung der Vollstreckung im Verwaltungsvorverfahren aufgenommen; im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist sie bislang nicht positivrechtlich verankert. Einige Autoren haben diese Abwägung zwischen den öffentlichen und den privaten Interessen kritisiert. So sieht Garcia de Enterria darin die Gefahr, daß die Gerichte bei der Abwägung weiter pauschal das öffentlichen Interesse bevorzugen95 . Die Verweisung auf das öffentliche Interesse könne aber nicht eine Verletzung der Rechtssphäre und insbesondere der Schutzmöglichkeiten des Bürgers rechtfertigen. Diese Ansicht verkennt allerdings, daß die Verwaltung nunmehr das öffentliche Interesse konkret nachweisen muß, denn öffentliches Interesse und Interesse des Bürgers sind grundsätzlich gleichwertig. Trotz dieser Gleichwertigkeit kann es aber Fälle geben - wie der subjektivrechtliche deutsche Verwaltungsprozeß in § 80 Abs. 2 VwGO zeigt - in denen trotz Rechtsverletzung des Bürgers das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt96 . bb) Die Lockerung der suspendierungsfeindlichen Rechtsprechung zum Schadenserfordernis Des weiteren hat der Oberste Gerichtshof den bisher sehr eng ausgelegten Begriff des "Schadens" erweitert, indem er den Kreis der vom Gericht zu berücksichtigenden Rechte und Interessen vergrößert hat97 . So wurden sogar jurisdiccional, S.59 Fn. 166; Chinchilla Marin, La tutela caute1ar, S. 142; Lopez Ramon, Limites constitucionales, S. 68. 93 S TS 6. Juni 1990 Ar. 4807; 28. September 1990 Ar. 6891; A TS 14. Juni 1994 Ar. 5247; vgl. auch Gonzalez Perez, Manual, S. 554f. m.w.N.; Gomez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1169. 94 A TS 13. April 1981 Ar. 1836: vgl. Besprechung bei Font i Llovet, Nuevas consideraciones, S. 479f.; vgl. auch A TS 14. Juni 1994 Ar. 5246. 95 Garcia de Enterria, La sentencia Factortame, S. 420. 96
Chinchilla Marin, La tute1a caute1ar, S. 185.
97
A TS vom 17. März 1990 Ar. 3405.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Nachteile Dritter an der Vollstreckung berücksichtigt, so z. B. die Entlassungen der Arbeitnehmer bei einer Schließungsanordnung gegenüber einem Untemehmen98 . Das Kemproblem dieser Regelung blieb jedoch das Beweisverfahren, in dem der Bürger den Nachteil darlegen mußte. Dieses Problem linderte der Oberste Gerichtshof, indem er in einigen Fallgruppen die Beweispflicht entfallen ließ und den schweren Nachteil vermutete99 . Dazu zählen alle Sachverhalte, in denen der Bürger die Verletzung eines Freiheits- / Leistungsgrundrechts oder aber auch eines schlicht sozialen Grundrechts rügt. So begründete der Gerichtshof die Suspendierung bei Abrißverfügungen oftmals mit dem Recht auf Wohnung nach Art. 47 CE. Hinsichtlich der pflicht des Staates zur Förderung von Schulen in privater Trägerschaft nach Art. 27 Abs. 9 CE haben die Gerichte ebenfalls die Suspendierung ohne die konkrete Darlegung eines schweren Nachteils vorgenommen: So sollte die Geltung einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung, aufgrund derer der Betrieb einer Privatschule gefördert wurde, nicht verlängert werden. Ein sofortiges Auslaufen der Förderung hielt der Hohe Gerichtshof der Region Valencia fiir einen erheblichen Schaden der Privatschulen angesichts des Art. 27 Abs. 9 CE und ordnete daher die aufschiebende Wirkung der Vollstreckung der Förderungseinstellung und somit die vorläufige Weiterf6rderung an 100 . Schließlich hat der Oberste Gerichtshof auch in den wenigen Fällen einen Schaden angenommen, in denen der Kläger die Verletzung eines einfachgesetzlichen Rechts geltend machen konnte 101 , so Z.B. des Rechts an einer intakten Wasserversorgung gegenüber der angeordneten Schließung einer Wasserleitung 102 , oder des Rechts an einer umfassenden Grundversorgung bei der Untersagung eines Tankstellenbetriebs 103 . Infolgedessen haben sich Fallgruppen gebildet, in denen der schwere Nachteil grundsätzlich angenommen wird, ohne daß der Bürger noch die 98
A TS vom 5. März 1987 Ar. 350l.
Übersicht bei Jimenez-Blanco Carrillo de Albornoz, Aspectos procesales, S.71-136. 100 A TSJ Valencia 3. Januar 1992, wiedergegeben in: Chinchilla Marin, EI Derecho a la tutela cautelar, S. 178; vgl. zur Suspendierung als geeignetes Mittel bei LeistungsansplÜchen S. 320. 101 Siehe S. 128. 99
102 A TS vom 8. Februar 1988 Ar. 786. 103 Vgl. die Beispiele bei Rodriguez-Arana Muiloz, La suspension contenciosa, Rdn.227.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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Verletzung des Grundrechts oder des einfachen Rechts im einzelnen nachweisen müßte lO4 . Dazu zählen Abrißverfiigungen lO5 , Berufsausübungsuntersagungen l06 , Schließung von Geschäften, die fiir den öffentlichen Verkehr bestimmt waren I 07 , Abschiebung von Ausländern, soweit aufgrund der individuellen Umstände die Irreparabilität anzunehmen ist l08 , Wohnungsräumungen lO9 und Ablehnung der Freistellung vom Militärdienst aus Gesundheitsgründen 11 0 . In letzter Zeit werden allerdings in einigen Bereichen wieder 104 Chinchilla Marin,
La tutela cautelar, S. 149f
lOS A TS vom 11. Dezember 1984 Ar. 420; A TS vom 23. März 1988 Ar. 2279; A
TS vom 12. Mai 1988 Ar. 3333; A TS vom 25. Juli 1988 Ar. 6087; A TS vom 27. Juli 1988 Ar. 6723; A TS 14. Dezember 1988 Ar. 9952;A TS vom 15. November 1989 Ar. 8337; A TS vom 29. April 1989 Ar. 3309; A TS vom 6. Juni 1990 Ar. 4810; A TS vom 27. September 1990 Ar. 7296; A TS vom 3. Januar 1991 Ar. 494; A TS vom 15. Januar 1991 Ar. 504; A TS vom 17. Juli 1991 Ar. 6346; A TS vom 31. Juli 1991 Ar. 6517; A TS vom 21. September 1991 Ar. 6819; A TS vom 18. Dezember 1991 Ar. 9747; ausdrücklich in A TS vom 27. März 1991 Ar. 3275; A TS vom 10. Juni 1992 Ar. 5070; A TS vom 31. Juli 1992 Ar. 6221; A TS vom 24. September 1992 Ar. 6983; 15. Juli 1993 Ar. 4530; A TS 10. Mai 1994 Ar. 3602; hingegen wird sie bei geringwertigen Bauohjekten verneint: A TS 17. Juli 1991 Ar. 6343. 106 A TS vom 26. Juli 1989 Ar. 6047; 4. Mai 1989 Ar. 3652; A TS vom 26. Juni 1989 Ar. 4887. 107 A TS 20. Juni 1989 Ar. 4871; Busunternehmen A TS vom 20. Januar 1987 Ar. 1782; Spielhallen A TS vom 11. Februar 1987 Ar. 2959; Bank: A TS vom 12. Juni 1987 Ar. 6122. 108 Dieses ist in der Regel der Fall: A TS vom 6. Februar 1988 Ar. 777; A TS vom 25. April Ar. 3198; A TS vom 2. September 1988 Ar. 7218; A TS vom 10. Oktober 1988 Ar. 7611; A TS vom 6. November 1990 Ar. 8624; A TS vom 19. Juli 1991 Ar. 5856; A TS vom 1l. Januar 1992 Ar. 11; A TS 10. Februar 1992 Ar. 806; A TS vom 5. April 1993 Ar. 2682; A TS vom 22. Juni 1994 Ar. 4888; vgl. die zahlreichen Nachweise bei Utrera Caro, La expulsion de extranjeros, S. 268ff.; in folgenden Fällen wurde die Irreparabilität nicht angenommen: A TS vom 5. April 1990 Ar. 2825; A TS vom 16. April 1991 Ar. 3404; A TS vom 6. Juni 1991 Ar. 4940; A TS vom 20. Juli 1991 Ar. 5858; A TS vom 8. Januar 1993 Ar. 13; Aprell Lasagabaster, Expulsion de extranjeros, S.255f. 109 A TS vom 24. Juni 1988 Ar. 4761; 18. Juli 1988 Ar. 5911; 26. Oktober 1988 Ar. 8230; A TS vom 20. Dezember 1989 Ar. 9142; A TS vom 31. Juli 1990 Ar. 6828; A TS vom 19. Februar 1991 Ar. 1527; A TS vom 5. April 1991 Ar. 2869; A TS vom 15. Juni 1993 Ar. 4638; A TS vom 16. März 1994 Ar. 2492. 110 A TS vom 24. Dezember 1990 Ar. 10052; A TS vom 27. April 1991 Ar. 3085; A TS vom 14. Mai 1991 Ar. 3894; A TS vom 10. Juli 1991 Ar. 5837; A TS vom 14. Januar 1993 Ar. 22; 23. März 1994 Ar. 2498. Hingegen wird bei sonstigen Anträgen auf Befreiung die Suspendierung nicht angeordnet: A TS vom 26. Febraur 1990 Ar. 3149; A TS vom 22. Mai 1990 Ar. 4909; A TS vom 29. Mai 1990 Ar. 4014; A TS vom 15. Oktober 1991 Ar. 6958; A TS vom 12. Januar 1993 Ar. 12; angeordnet wurde sie
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
strengere Anforderungen an die Beweisführung gestellt. So muß der von der Ausweisung bedrohte Ausländer den ausdrücklichen und das Gericht überzeugenden Nachweis der Irreparabilität erbringen 111; entsprechendes gilt für Wohnungsräumungen 112 . In einer anderen Fallgruppe hat der Oberste Gerichtshof grundsätzlich die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt, da dort in der Regel kein irreparabler Schaden durch die Vollziehbarkeit drohe und keine besondere Rechtsposition des Bürgers zu schützen sei. Dazu gehören zunächst aufgrund des geringeren Schutzes des Eigentumsrechts nach Art. 33 CE 113 die Klagen gegen Bebauungspläne 1l4 , gegen erteilte Baugenehmigungen 11S sowie allgemein gegen Enteignungen 116 , gegen Räumung von Dienstwohnungen 117 sowie bei Klagen gegen nur mittelbar wirkende untergesetzliche Rechtsvorschriften 118 .
hingegen in A TS vom 29. Februar 1988 Ar. 1502; A TS 19. Juli 1988 Ar. 5664; deutlich im A TS vom 6. November 1989 Ar. 7817; A TS vom 23. April 1991 Ar. 3078. 111 A TS 26. März 1991 Ar. 2070; A TS 6. April 1994 Ar. 3386; A TS 22. Juni 1994 Ar. 4888. 112 A TS vom 27. Mai 1991 Ar. 4343; A TS 13. Dezember 1991 Ar. 9322. 113 Siehe S. 349. 114 A TS vom 10. Mai 1990 Ar. 4055; A TS vom 31. Juli 1990 Ar. 6826; A TS vom 4. Dezember 1990 Ar. 9717; A TS vom 15. Februar 1991 Ar. 1044; A TS vom 22. März 1991 Ar. 2061; A TS vom 10. Mai 1991 Ar. 4270; A TS vom 23. Juli 1991 Ar. 6283; A TS vom 17. Juni 1992 Ar. 5157; A TS vom 9. September 1992 Ar. 6961; A TS vom 4. Januar 1993 Ar. 35; A TS vom 10. November 1993 Ar. 8334; in den hier anzutreffenden Klagen zwischen zwei Verwaltungen (Gemeinde- und Regionalverwaltung) ordnet der Oberste Gerichtshof immer die Suspendierung an: A TS vom 29. Mai 1990 Ar. 4286; A TS vom 7. September 1991 Ar. 6815. l1S Anordnung eines Baustopps A TS vom 18. Februar 1991 Ar. 957; A TS vom 22. März 1991 Ar. 2252; A TS vom 21. Mai 1991 Ar. 5241; vgl. auch die zahlreichen Nachweise bei O8Orio Acosta, La suspension jurisdiccional, S. 73 Fn. 197.
116 A TS vom 5. Dezember 1988 Ar. 9461; A TS vom 3. Februar 1989 Ar. 784; A TS vom 17. April 1989 Ar. 2862; A TS 23. Apri11991 Ar. 3081; A TS vom 26. Dezember 1990 Ar. 10054; A TS vom 23. April 1991 Ar. 3081; A TS vom 3. Juni 1991 Ar. 4604; A TS vom 10. Juli 1991 Ar. 5770; A TS vom 14. Januar 1992 Ar. 15; A TS vom 6. April 1993 Ar. 2693. 117 A TS vom 23. Mai 1990 Ar. 4011; A TS vom 27. Mai 1991 Ar. 4343. 118 A TS vom 20. März 1990 Ar. 1877; A TS vom 10. April 1990 Ar. 3634; A TS vom 1. März 1991 Ar. 1779; A TS vom 30. September 1991 Ar. 6746; A TS vom 10. November 1993 Ar. 8198.
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Auch bei Verwaltungssanktionen, die zur Geldzahlung verpflichten, ordnet der Oberste Gerichtshof die Suspendierung grundsätzlich nicht an 119 . Dabei sei es gleichgültig, ob die Zahlung vom Bürger garantiert werde 120 oder ob es sich bei der Geldforderung um eine verhängte Geldbuße handele 121 . Grundlage fiir diese Rechtsprechung ist ein vom Obersten Gerichtshof entwickelter Grundsatz, wonach kein schwerer Schaden vorliegt, wenn der durch die Vollstreckung entstandene Schaden bezifferbar ist; dessen Höhe spielt hierbei keine Rolle 122 . Dieses trifft zweifelsohne auf Geldbußen zu. Das Verfassungsgericht hat diese Sichtweise bestätigt. So genüge der Rechtsschutzgarantie grundsätzlich selbst bei Sanktionen, wie z.B. einer Geldbuße gegen einen Bauherrn, wenn das Gericht über die sofortige Vollziehung befinde 123 . Allerdings könne eine inflexible Handhabung dieser Regel mit der Folge, daß die Suspendierung überhaupt nicht mehr angeordnet wird, Art. 24 Abs. 1 CE verletzen l24 . Problematisch war hingegen, daß der Oberste Gerichtshof auf dieser Grundlage bis 1991 immer dann einen Schaden verneinte, in denen der Nachteil durch eine angemessene Entschädigung beseitigt werden könnte 125 . Darunter fielen auch die Sanktionen der Verwaltung, die im wesentlichen nicht finanzieller Art waren, wie z.B. die Schließung eines Geschäfts oder die Untersagung bestimmter Tätigkeiten, soweit sie nach Ansicht des Obersten
119 A TS vom 18. Oktober 1990 Ar. 7445; A TS vom 5. Juni 1992 Ar. 4692; A TS vom 5. November 1993 Ar. 8191; A TS vom 21. Januar 1994 Ar. 2036; A TS vom 16. März 1994 Ar. 2493; A TS 25. Juni 1994 Ar. 5266. 120 Vgl. die Nachweise bei Cano Mata, Limitaciones al principio, S. 217. 121 S TS vom 9. Dezember 1986 Ar. 7131: vgl. Besprechung bei Villag6mez Cebriao, Ratificada la vigencia, S. 149ff. 122 So flUlt eine Verwaltungssanktion von 200.000 Peseten nicht darunter: A TS 17. November 1988 Ar. 8734; kein Nachteil bei Strafe von 100.000 Peseten nimmt auch A TS 30. Mai 1994 Ar. 5393 an; dagegen aber nun A TS 29. Juni 1994 Ar. 4742. 123 S TC 66/1984, vom 6. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 133-141 (140). 124 S TC 66/1984, vom 6. Juni, FI. 3, in: JC 9, S. 133-141 (140): "La rigurosidad de la regla de la no suspension estimatorias dei recurso diflciles formulas reintegrativas 0 permitiendo situaciones irreversibles, 0 generando de una u otra forma limitaciones carentes de justijicacion respecto al acceso a la jurisdiccion, podnin danar el derecho a la tutela judicial y justijicanin que, desde la idea dei articulo 24.1 de la Constitucion, se reinterpreten los preceptos aplicables". 125 Vgl. Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 151.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Gerichtshofes sich noch in eine Geldforderung umwandeln ließen 126 . Bei der Entscheidung über die Suspendierung zu berücksichtigen waren nach dieser Rechtsprechung allein die Schäden, die durch die Schließung eines Geschäfts entstanden, da, etwa der Verlust der Kunden oder die Beendigung von Arbeits- und Lieferverhältnissen nicht durch die Verwaltung durch eine Entschädigung ersetzt werden könnten 127 . Dieser pauschale Ablehnungsgrund fiir die Suspendierung widerspricht jedoch den Motiven der LJCA: Danach "kann die Suspendierung nicht ohne weiteres deshalb abgelehnt werden, weil der Schaden oder Nachteil wirtschaftlich quantifizierbar ist"128 . Zudem ist die strafrechtliche Unschuldsvermutung nach Art. 24 Abs. 2 CE anwendbar 129 . Seit 1992 benutzt der Oberste Gerichtshof das Kriterium der Entschädigungsflihigkeit nicht mehr, so daß die Zahl der angeordneten Suspendierungen der Vollziehbarkeit in diesen Fällen wieder angestiegen ist 130 . cc) Der einstweilige Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Antrags (1)
Zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes
Der Suspensiveffekt ist die geeignete Form des einstweiligen Rechtsschutzes bei Klagen gegen belastende Verwaltungsakte und sonstige Handlungen der Verwaltung, die vom Bürger ein Tun oder Unterlassen verlangen und daher auch vollstreckt werden können. Neben dieser Handlungsform der Verwaltung ist aber der weite Bereich des Verwaltungshandelns von entscheidender Bedeutung, der ein beantragtes Handeln oder Unterlassen der Behörde ausdrücklich oder vermutet ablehnt. Gegen diese Maßnahmen, die in Spanien auch "negative Verwaltungsmaßnahmen" (actos administrativos negativos) 126 A TS vom 23. Januar 1989 Ar. 226; A TS vom 3. November 1989 Ar. 7792; A TS vom 4. November 1989 Ar. 7794; A TS vom 15. November 1989 Ar. 7808; A TS vom 20. November 1989 Ar. 7810. 127 A TS vom 21. Juli 1989 Ar. 6069. 128 Motive V 7) 2. Absatz. 129 Garberi Llobregat, EI procedimiento, S. 51ff. Dieses war insbesondere Grundlage fiIr folgende Bestimmungen: Art. 107 Abs. 2 Medikamentengesetzes (Ley de Medicamentos) bei Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen das Medikamentengesetz; Art. 38 Organgesetzes über den Schutz der Bürgerlichen Sicherheit (Ley Organica 1/1992 de Proteccion de la Seguridad Ciudadana) vom 21. Februar (BOE Nr. 46, vom 22. Februar 1992) bei Sanktionen aufgrund von Verstößen gegen die öffentliche Sicherheit. 130 Vgl. die Nachweise bei Osorio Acosta, La suspension jurisdiccional, S. 71 Fn. 192.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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genannt werden, kann der Bürger entweder direkt oder aber mittels der Technik der vermuteten Verwaltungsmaßnahme, die bei Untätigkeit der Verwaltung auf einen Antrag des Bürgers angewandt wird 131 , klagen. Fraglich ist jedoch, ob die aufschiebende Wirkung der Vollziehbarkeit als einzig gesetzlich vorgesehene Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes auch bei diesen Verwaltungsmaßnahmen angeordnet werden kann. Immerhin verändern sie die bisherige Rechtslage nicht und müssen daher auch nicht vollzogen werden 132 . Die Suspendierung ist für sie nicht das geeignete Mittel 133 . Eine mögliche Suspendierung des Ablehnungsbescheids hätte entweder keine Rechtsfolge oder man verstünde darunter die einstweilige Gewährung des Beantragten. Art. 122 LJCA dient aber von seiner Zielsetzung her der Bewahrung des status quo, nicht hingegen der Schaffung einer neuen - auch nicht nur vorübergehenden - Rechtslage 134 . Daher hat der Oberste Gerichtshof in diesen Fällen grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung angeordnet l3S . Jedoch fällt er seit 1984 vermehrt Entscheidungen, die die aufschiebende Wirkung auch bei negativen Verwaltungsmaßnahmen anordnen 136 . So hat das Gericht die aufschiebende Wir131 Siehe S. 235.
132 A TS 13. Juni 1989 Ar. 4662. 133 Aus diesem Grunde haben daher diese Sachverhalte im deutschen Recht eine
besondere Regelung in der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erhalten. Zu den möglichen Maßnahmen, zu denen die Verwaltung einstweilig verpflichtet werden kann, zählen: Erlaß eines bestimmten Verwaltungsaktes, Erbringung bestimmter Leistungen, Bescheidung eines bestimmten Antrags des Antragstellers, Nichtvornahme eines bestimmten Hoheitsaktes. Vgl. die umfassende Darstellung bei Bender, Die einstweilige Anordnung, S. 658ff. 134 Vgl. A TS 20. Februar 1990 Ar. 1442; A TS vom 20. februar 1991 Ar. 1384: "(...) no resulta viable la suspension de la ejecucion de los actos negativos, entendiendo por tales aquellos que no modifican 0 alterna la situacion juridica preexistente"; Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 156 m.w.N; Rodriguez-Arana Muiioz, La suspension contenciosa, Rdn. 226. 13S A TS 16. April 1991 Ar. 3404; Vgl. die Nachweise bei Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 157f. und bei Aguado i Cudolä, La reciente evolucion, S. 1704 Fn. 92; insbesondere A TS vom 13. September 1990 Ar. 6945: "la posibilidad de suspension no puede converlirse en medio para obtener de los Tribunales la concesion anticipada 0 provisional de 10 demandado por la Administracion"; vgl. dagegen Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 398f. 136 A TS vom 12. März 1984, wiedergegeben bei Suay Rincon, Una resolucion novedosa, S. 265ff. In A TS vom 23. September 1988 Ar. 7246 gewährte das Gericht 2 t Marlincz Soria
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
kung bei einer Klage gegen die Ablehnung der Genehmigung zum Weiterbetrieb einer Spielhalle angeordnet. Diese war jedoch zuvor schon einmal genehmigt worden 137 . Die Lehre hat diese Urteile zwar begrüßt l38 . Sie zeigen aber, daß der Suspensivetrekt in diesen Fällen inadäquat ist 139 . Er kommt nur in Betracht, wenn das Rechtsverhältnis vorher konkretisiert war (Bestehen einer Baugenehmigung, Verlängerung einer Gewerbeerlaubnis fiir Spielhallenbetrieb, einer Förderungsvereinbarung fiir eine Privatschule, etc.). Nur dann kann das Wiederaufleben des alten Rechtsverhältnisses durch die Suspendierung der Ablehnungswirkung konstruiert werden. War es aber zuvor nicht konkretisiert, kann nur eine konstitutive Anordnung des Gerichts die geeignete und effiziente Maßnahme zur Gewährleistung des Rechtsschutzes sein 140 .
(2)
Das Recht auf einstweiligen Rechtsschutz aus Art. 24 Abs. 1 CE als Ermächtigungsgrundlage fiir Regelungsanordnungen
Beispielhaft fiir konstitutive Regelungsanordnungen war die Entwicklung in Frankreich. Dort wurden verschiedene Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (Einstweilige Anordnung = refere expertise / Einstweilige Zahlungsanordnung = refere-provision) aus dem Zivilprozeß entnommen und durch zwei Dekrete 141 in die Verwaltungsgerichtsbarkeit übertragen, die nun dem vorläufig die Genehmigung an das staatliche Eisenbahnunternehmen RENFE zum Betreiben eines Reparaturuntemehmens. Das Verfassungsgericht hat in den Beschlüssen vom 23. Juli 1990 die aufschiebende Wirkung angeordnet bei einer gerichtlichen Ablehnung der Zwangsernährung von Gefangenen. 137 A TS 14. März 1984 Ar. 1329, vgl. dazu die Besprechung von Suay Rinc6n, Una resoluci6n novedosa, S. 265fT; siehe auch den Fall des Hohen Gerichtshofes von Valencia zu den Privatschulen oben S. 316. 138 Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 398f.; Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 65. 139 So deutlich die Audiencia Territorial von Madrid, wiedergegeben in Parejo Alfonso, La tutela judicial cautelar, S. 39: "si el acto no viene aalterar nada, entonces parece claro que nada hay que suspender; y esto es 10 que ocurre con los actos negativos, que se limitan a denegar una soluci6n sin producir la alteraci6n material que antes nos referlamos". 140 Gonzalez Perez, Manual, S.540; Parejo Alfonso, La tutela judicial cautelar, S. 26 und S. 35. 141 Decret Nr. 88-907 vom 2. September 1988 (Journal OfJiciel vom 3. September; berichtigt im Journal Officiel vom 22. Oktober) sowie Decret Nr. 88-905 vom 2. September 1988 (Journal Officiel vom 3. September, berichtigt im Journal Officiel vom 22. Oktober)
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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Richter - trotz des Gewaltenteilungsprinzips - die gestaltenden Anordnungen erlauben l42 . Wie die Bestimmungen der spanischen Zivilprozeßordnung (LEC) zeigen, ist die gestaltende Einflußnahme des Richters auch in Spanien bekannt. Nach Art. 1428 Abs. 1 LEC kann der Richter auf Antrag des Klägers die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Effektivität des noch zu erlangenden Urteils zu sichern. Trotz der subsidiären Geltung der Zivilprozeßordnung nach der 6. Zusatzbestimmung der LJCA hat die Verwaltungsrechtsprechung bislang die von der Lehre l43 geforderte Anwendung dieser Bestimmungen aus der Zivilprozeßordnung, insbesondere Art. 1428 Abs. 1 LEC, abgelehnt, da sie hierin einen Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung sah. Allein das Verfassungsgericht hat aufgrund Art. 80 LOTC, der ebenfalls die hilfsweise Geltung der LEC vorsieht, weitergehende einstweilige Maßnahmen im Rahmen der Verfassungsbeschwerden erlassen l44 . Auf der Grundlage des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 20. Dezember 1990 und des dort anerkannten Rechts auf einstweiligen Rechtsschutz 145 fordert ein Teil der Lehre, sich von den einfachgesetzlichen Schranken des einstweiligen Rechtsschutzes zu lösen l46 . Die Gerichte seien kraft der Rechtsschutzgarantie berechtigt und verpflichtet, alle fiir den Rechtsschutz erforderlichen einstweiligen Maßnahmen zu treffen, auch wenn einfa-
142 Woehrling, Die Reform des VelWaltungsrechtsschutzes, S. 228f; Parejo Alfonso, La tutelajudicial cautelar, S. 40. 143 Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 179; Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n, S. 1699; gegen eine direkte und filr eine analoge Anwendung mit ühu-zeugendem Argument G6rnez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1171 Fn. 16; Mufioz Machado, Reserva, S. 2770; Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 403; Parada Vilzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 697. 144 A TC 145/1990, vom 2. April, in: JC 26, S. 1446.
145 Teilweise war dieses schon ausdrücklich vom Obersten Gerichtshof A TS 20. Dezember 1990 Ar. 10412 gefordert worden: "Lo que (. ..) significa el deber que tienen tanto la Administracion como los tribunales de acordar la medida cautelar que sea necesaria para asegurar la plena efectividad dei acto terminal". 146 Rodriguez-Arana/Sarmiento Acosta, EI contencioso-administrativo, S. 1514; Chinchilla Marin, La tutela cautelar, S. 180; G6rnez-Ferrer Morant, Apariencia de buen derecho, S. 1171 Fn. 16; Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n de la tutela cautelar, S. 1706; Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad de l~ rnedidas cautelares, S. 399f.; Garcia de Enterria, Curso 11, S. 606; Gabald6n L6pez, La ejecuci6n de Sentencias, S.28 zieht noch Art. 118 und 117 Abs. 3 heran; dagegen jedoch Boquera Oliver, Insusceptibilidad de la suspensi6n, S. 66ff. 21*
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
ches Recht dem entgegensteht l47 . Zu diesen Maßnahmen gehören die gestaltenden Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes, d.h. solche, die die Verwaltung zu einem bestimmten Handeln zwingen oder die sogar den Bürger selbst zu einem Handeln berechtigen 148 . Diese Forderungen der Lehre spiegeln sich nunmehr in einzelnen Urteilen wider. Vorreiter - und beispielhaft fiir ein neues, selbstbewußteres Auftreten der Hohen Gerichtshöfe der Autonomen Regionen - war der Hohe Gerichtshof des Baskenlandes in zwei Entscheidungen. In dem, dem Beschluß vom 21. März 1991 zugrundeliegenden Fall beantragte ein Unternehmen vergeblich die für eine Tätigkeit zur Geräteüberwachung notwendige Eintragung in ein Register. Gegen die Ablehnung klagte das Unternehmen und beantragte die Herstellung aufschiebender Wirkung und hilfsweise weitere Maßnahmen, um die gewünschte Tätigkeit aufnehmen zu können. Das Gericht verpflichtete die Verwaltung durch eine einstweilige Anordnung, den bestimmten Antrag des Unternehmens innerhalb von 30 Tagen vorläufig zu bescheiden und diese Entscheidung sorgflUtig zu begründen l49 . In einer Entscheidung vom 14. Oktober 1991 wurde die Verwaltung vorläufig verpflichtet, über die gewerberechtliche Genehmigung eines Restaurationsbetriebs zu entscheiden mit der Maßgabe, eine bestimmte normative Voraussetzung, die in diesem Fall den Erlaß der Verwaltungsmaßnahme verhinderte (das Verbot, daß Restaurationsbetriebe aneinander angrenzen), deren Anwendbarkeit aber umstritten war (die Räumlichkeiten grenzten nur auf der Rückseite an ein anderes Restaurant), zu unterstellen und das Genehmigungsverfahren fortzuführen 150 .
147 Sarmiento Acosta, Nueva funcionalidad, S. 402; Chinchilla Marin, EI Derecho a la tute\a caute\ar, S. 173; Garcia de Enterria, La batalla por las medidas cautelares, S.174. 148 Calvo Rojas, Medidas cautelares en e\ proceso, S.472; Gimeno Sendra, Derecho Procesal, S. 694. 149 A TSJ Baskenland vom 21. MäIZ 1991, wiedergegeben bei Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n, S. 1706: "Asi las cosas, sin destacar aun como posible que en un momento posterior deba este Tribunal adoptar exactamente la medida que la parte recurrente pide, pues no es descartable que asi lIegara a exigirlo la satisfacci6n dei derecho fundamental antes citado, ni descartable tampoco que, ademas, la medida viniera aconsejada por lIegar a obrar en fovor dei recurrente la "apariencia de buen derecho"; Calvo Rojas, Medidas cautelares en el proceso, S. 474. 150 A TSJ Baskenland vom 14. Oktober 1991, wiedergegeben und besprochen bei Garcia de Enterria, La batalla por las medidas cautelares, S. 245fT.; Chamorro Bemal, La tutela judicial efectiva, S. 288. Vgl. auch S TSJ Baskenland vom 29. MäIZ 1993, wiedergegeben bei Calvo Rojas, Medidas caute\ares en e\ proceso, S. 471fT. hinsicht-
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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In einem Beschluß vom 2. November 1993 hat sich der nationale Oberste Gerichtshof dieser, vom baskischen Obersten Gerichtshof initiierten und von der einfachgesetzlichen Regelung losgelösten Rechtsprechung angeschlossen 151 . In diesem Fall klagten Bürger gegen die Eilentscheidung des Ministerrates, der die Enteignung der Grundstücke zum Ausbau des internationalen Flughafens Madrid-Barajas anordnete. Gleichzeitig beantragten sie die Suspendierung der Enteignungsmaßnahmen. In einem weiteren Schriftsatz beantragten sie die gerichtliche Anordnung weiterer Maßnahmen, da die Gefahr drohte, daß die Verwaltung den Verwaltungsprozeß nicht abwarten und die Enteignung durch die Besetzung und den Abriß der Häuser vollziehen würde. Der in erster Instanz handelnde Oberste Gerichtshof hat vor seiner Entscheidung über die vorläufige Suspendierung der Enteignung die Baubehörde angewiesen, Ausfiihrungshandlungen bis zur gerichtlichen Entscheidung über die Suspendierung zu unterlassen i52 . Die Beschwerde der Behörde hingegen wies der Oberste Gerichtshof ab lS3 und legte fest, daß aus dem Recht auf einstweiligen Rechtsschutz nach Art. 24 Abs. 1 CE trotz fehlender einfachgesetzlicher Regelung auch die Befugnis der Gerichte folgt, "einstweiligste" Maßnahmen (medidas provisionalisimas) zu treffen, um die Rechtzeitigkeit selbst einstweiliger Maßnahmen sicherzustellen. Es erwähnte zwar noch Art. 1428 der LEC, betonte jedoch gleichzeitig die reine Hilfsfunktion dieser positivrechtlichen Regelung l54 . Das Verfassungsgericht hat sich erstmalig 1993 vollständig von seiner objektiv-rechtlichen Sicht gelöst und anerkannt, daß der Schutz der Rechte und der Interessen des Bürgers oft nur durch effektive Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutz möglich sei. So hat es zunächst das von der Rechtsprechung entwickelte Abwägungsgebot und damit die Gleichstellung der privaten und
lich einer Klage eines senegalesischen Staatsbürgers gegen den Ablehnung der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis und den damit verbundenen Ausweisungsbeschluß. 151 S TS 21. Februar 1993: wiedergegeben in Calonge Velazquez, Primera decision jurisprudencial, S. 465ff. 152 S TS 21. Februar 1993: wiedergegeben in Calonge Velazquez, Primera decisionjurisprudencial, S. 465ff. 153 S TS 2. November 1993 Ar. 3296 von 1994; vgl. auch die Besprechung bei Osorio Acosta, La suspension jurisdiccional, S. l17f. 154 A TS 2. November 1993 Ar. 3296 von 1994; vgl. Besprechung von Calvo Rojas, Medidas cautelares en el proceso, S. 466f. und von Sanz Gandasegui, " Medidas provisionalisimas?, S. 183ff.; zur Anwendung der LEC zustimmend auch Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 88f.
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2. Teil: Das vetWaltungsgerichtliche Verfahren
der öffentlichen Interessen als verfassungsmäßig legitimiertiSS . Ebenso hält es gestaltende Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes fiir verfassungsrechtlich geboten, da nur sie in bestimmten Fällen die Rechte des Klägers effektiv schützen würden 1S6 . Ein solcher Fall lag einer Verfassungsbeschwerde zugrunde: Ihr Gegenstand war der Aufruf eines nationalen Gewerkschaftsverbandes (Comisiones Obreras, CCOO) zum Generalstreik. Hierauf hatte das Arbeitsministerium der Autonomen Gemeinschaft Andalusien mit acht Anordnungen reagiert, um ein Minimum an öffentlichen Dienstleistungen zu gewährleisten. Auf Antrag der Gewerkschaft hatte der Territorialgerichtshof von Sevilla nach Abwägung der Interessen, dem Streikrecht der Gewerkschaft und dem öffentlichen Interesse an einem Minimum an Dienstleistungen, bei vier Anordnungen die aufschiebende Wirkung angeordnet. Diese Teilanordnung erklärte der Oberste Gerichtshof in der Beschwerdeinstanz fiir unzulässig, weil er in der Aufteilung eine gestaltende gerichtliche Maßnahme und damit einen unzulässigen Eingriff in die Tätigkeit der Verwaltung sah. Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft, und das Verfassungsgericht gab ihr statt 1S7 . Danach hat jedes Gericht das Recht und aus der Rechtsschutzgarantie die Pflicht, durch die notwendigen Maßnahmen zu sichern, daß sein Urteil effizient ist. Darunter können auch Maßnahmen fallen, die den Inhalt der angegriffenen Verwaltungsmaßnahme ändern 1S8 ; dies sei keine unzulässige Einmischung der Gerichte in die Verwaltungstätigkeit, sondern eine Verwirklichung des verfassungsrechtlich geforderten effektiven Rechtsschutzes 1S9 . Eine Beschränkung auf bloße Suspendierung verstoße mithin gegen die Rechtsschutzgarantie, soweit dadurch der Rechtsschutz nicht effizient realisiert werden kann 160 . Dieses Urteil entspricht zwar der Tendenz der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts seit 1990, es ist jedoch zu erwarten, daß diese Rechtsschutzfor-
IS5 S TC 14811993, vom 29. April, FJ. 4, in: Rep. Ar. 199311, S.1573-1585
(1581).
156 S TC 148/1993, vom 29. April, FJ. 4, in: Rep. Ar. 199311, S.1573-1585 (1581f.); vgl. die Besprechung bei Chinchilla Marin, EI Derecho a la tute1a caute1ar, S. 183fT. 157 Vgl. Chinchilla Marin, EI Derecho a la tute1a cautelar, S. 167-189 (183fT.) IS8 S TC 148/1993, vom 29. April, FJ. 6, in: Rep. Ar. 199311, S.1573-1585 (1584). IS9 S TC 14811993, vom 29. April, FJ. 6, in: Rep. Ar. 1993/1, S. 1573-1585 (1584). 160 Vgl. die Besprechung bei Garcia de Enterria, ConstitucionaJizaci6n definitiva, S.482fT.
F. Die EfTektivität des Rechtsschutzes
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men (z.B. einstweilige Anordnung) wegen der damit verbundenen Eingriffe in die Gewaltenteilung auf Ausnahmefälle beschränkt sein werden. Dafiir spricht auch der Reformentwurf fiir die LJCA 161 , der als Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Suspendierung vorsieht l62 . Sie soll nur auf Antrag angeordnet werden, soweit das Interesse des Bürgers aufgrund einer schwierigen oder unmöglichen Irreparabilität das grundsätzlich vermutete öffentliche Interesse überwiegt. Zudem ist nun auch die Suspendierung möglich, soweit der Zweck des gerichtlichen Verfahrens durch die Vollziehung gefährdet ist. Für die Fälle, in denen diese Regelung dem Rechtsschutz nicht genügt, wird weiter auf die neue Rechtsprechung des Verfassungsgerichts zurückgegriffen werden müssen.
5. Zusammenfassung und Bewertung Der einstweilige Rechtsschutz soll vorrangig die Rechte des Bürgers sichern. Ist hingegen - wie in Spanien - Ziel des durch die Rechtsschutzgarantie gebotenen gerichtlichen Verfahrens die Sicherung der objektiven Legalität, ergibt sich eine Verbindung des einstweiligen Rechtsschutzes mit der Rechtsschutzgarantie allein aus der Befugnis des Gerichts, umfassend das Verwaltungshandeln, d.h. auch die Vollziehung der Verwaltungsmaßnahme, zu überprüfen. Auf die Sicherung der Rechte des einzelnen kommt es zunächst nicht an. Die spanische Lehre versteht die Rechtsschutzgarantie subjektiv-rechtlich. Nach ihr soll das Gericht alle Maßnahmen treffen dürfen, um die Sicherung der Rechte durch Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutz zu gewährleisten. Insoweit stand die Lehre bis 1990 im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit und insbesondere zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichts. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist das verfassungsrechtlich gebotene verwaltungsgerichtliche Verfahren objektiv-rechtlich; eine Maßnahme des einstweiligen Rechtsschutzes ginge demnach über das von der Rechtsschutzgarantie geforderte Mindestmaß hinaus. Seit 1990 indes ist als Folge der Rechtsprechung des EuGH eine Subjektivierung der Rechtsschutzgarantie in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erkennbar. Die Rechtsschutzgarantie begründet ein Recht auf einstweilige Maßnahmen zum Schutze der Rechte und Interessen des Bürgers. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollzie161 Vgl. hierzu Fernandez Pastrana, La influencia de la Constitucion, S. 298. 162 Art. 139 bis 142 des Vorentwurfs aus dem Jahr 1986 sowie Art. 128 bis 132 des Arbeitsentwurfs vom 15. Juni 1994: abgedruckt bei Osorio Acosta, La suspension jurisdiccional, S. 159fT.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
hung ist gegenüber diesen Rechten und Interessen nicht notwendig vorrangig, sondern es muß eine Abwägung zwischen diesen Interessen stattfinden. Art. 24 Abs. I CE verlangt wie Art. 19 Abs. 4 GG nur, daß der Rechtsschutz möglich sein muß. Sind jedoch Grundrechte gefährdet, ist deren Schutz grundsätzlich vorrangig vor dem Vollzugsinteresse der Behörde, so daß regelmäßig eine Pflicht zum Erlaß einstweiliger Maßnahmen besteht 163 . Eine darüber hinausgehende Pflicht zur Suspendierung auch bei Eingriffen, die weder Grundrechte noch einfachgesetzliche Rechte verletzen, ist bislang konsequenterweise nicht anerkannt worden. Während in Deutschland solche Eingriffe aufgrund der Anknüpfung der Klage an das subjektive Recht prozessual nicht von Bedeutung sind, steht diese Unterscheidung in Spanien im Mittelpunkt, da aufgrund der weiten Klagebefugnis die Klage des Bürgers nicht immer dem Schutz seiner unmittelbaren Rechtssphäre dient l64 . Vielfach ist sein Rechtskreis nur mittelbar über andere Interessen (wirtschaftliche, moralische, etc.) tangiert. Hier ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung grundsätzlich vorrangig, da in diesen Fällen das Verfahren vorwiegend objektiven Kontrollzwecken dient; es genügt hier, wenn das Gericht die Möglichkeit hat, die Betroffenheit des Bürgers individuell auf Antrag festzustellen und vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren 165 . Aus diesem Grunde haben die Ansichten in der spanischen Lehre, die unter Berufung auf das deutsche System des einstweiligen Rechtsschutzes 166 und unzutreffenderweise auch auf Art. 19 Abs. 4 GG167 die automatische Suspendierung fordern, einen rein rechtspolitischen Charakter168 .
163 S TS 30. Mai 1994 Ar. 3884; S TS 30. Juni 1994 Ar. 4989. 164 EbensoA TS vom 3. Januar 1991 Ar. 494. 165 Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 632. 166 Vgl. die umfassende Darstellung des deutschen Systems des einstweiligen Rechtsschutzes bei Bacigalupo, EI sistema de tutela cautelar, S. 413fT. 167 BVerfGE 35, 382 (402); 51, 268 (284f); 65, 1 (70f.); 67,43 (58f.); BVerfG B vom 3.4.1992, ZKF 1993, 87; BVerfG NJW 1994, 3087 (3088). 168 Parejo Alfonso, La tutela judicial cautelar, S. 34 und S. 36; Fernandez Pastrana, La influencia de la Constitucion, S. 281; allein Garcia de Enterria, Reflexion sobre la constitucionalizacion, S. 631f. weist auch auf die negativen Erfahrungen der deutschen Rechtspraxis mit der automatischen Suspendierung hin.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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11. Die Vollstreckung verwaltungs gerichtlicher Urteile 1. Der effektive Rechtsschutz und die Pflicht zur Urteilsvollstreckung Ein gerichtliches Urteil ist regelmäßig nur dann effektiv, wenn es vollstreckt werden kann, da es ansonsten ein hohles Bekenntnis 169 wäre. Im folgenden soll nur auf den aus der Sicht der Rechtsschutzgarantie allein interessanten Aspekt der Vollstreckung von Urteilen gegen die Verwaltung eingegangen werden 170 . Im Gegensatz zum Grundgesetz, das keine Regelung zur Vollstreckung gerichtlicher Urteile enthält, widmet die spanische Verfassung diesem Bereich zwei Bestimmungen (Art. 117 Abs. 3 und 118 CE). Nach Art. 117 Abs. 3 CE "üben die durch Gesetze bestimmten Richter und Gerichte die gerichtliche Gewalt in allen Verfahrensarten dadurch aus, daß sie richten und das Gerichtete vollstrecken lassen"171. Zudem besteht nach Art. 118 CE die Pflicht, Urteile und andere rechtskräftige Beschlüsse der Richter und Gerichte auszuführen. Diese Pflicht zur Vollstreckung rechtskräftiger Urteile konkretisiert nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts das Effizienzgebot der Rechtsschutzgarantie l72 . Ohne diese Pflicht wären Urteile nur Absichtserklä-
169 Vgl. Schmidt-Jortzig, Effektiver Rechtsschutz, S. 2571. 170 Vgl. Gonzlilez Perez, Manual, S. 392f; vgl. die umfassenden Rechtsprechungsnachweise bei Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos pecuniarios, S. 30 Fn. I. 171 Es handelt sich hierbei um eine traditionelle Umschreibung der judikativen Aufgaben: vgl. Art. 245 der Verfassung von Cadiz von 1812, Art. 66 Verfassung von 1837, Art. 66 Verfassung von 1845, Art. 91 Verfassung von 1869, Art. 76 Verfassung von 1876, Art. 31 Ley Organica dei Estado von 1967 sowie nwunehr in Art. 2 der LOPJ; vgl. dazu Gabald6n L6pez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 29. 172 S TC 3211982, vom 7. Juni, FI. 3, in: JC 3, S. 393407 (405).S TC 6111984, vom 16. Mai, FJ. 1, in: JC 9, S. 87-94 (92); S TC 67/1984, vom 7. Juni, FJ. 2 und 4, in: JC 9, S. 142-166 (157 und 161f.); S TC 16711987, vom 28. Oktober, FI. 2, in: JC 19, S.244-255 (251); S TC 125/1987, vom 15. Juli, FI. 2, in: JC 18, S. 702-715 (711); S TC 411988, vom 21. Januar, FI. 5, in: JC 20, S. 2746 (42f.); S TC 9211988, vom 23. Mai, FI. 2, in: JC 21, S. 54-65 (61f.); S TC 7311991, vom 8. April, FJ. 4, in: JC 199112, S.70-79 (76); S TC 1611991, vom 28. Januar, FJ. 1, in: Rep. Ar. 199111, S. 157-165 (161); S TC 198/1994, vom 4. Juli, FJ. 3, in: BJC 160-161 , S. 47-50 (49); S TS 21. März 1988 Ar. 2183; vgl. auch Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 54ff. m.w.N. aus der Verfassungsrechtsprechung; Martin Rebollo, La administraci6n de garantias, S. 37f.; Figueruelo Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 75; Gonzlilez Ri-
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rungen ohne praktische Relevanz 173 . Daher gehöre die Vollstreckungspflicht schon zum Rechtsstaatsprinzip l74, sie sei ein Grundprinzip sämtlicher Rechtsordnungen l75 , erfasse also auch die Urteile gegen die Verwaltung 176 . Nach Art. 103 LJCA obliegt die Voll ziehung der Urteile ausschließlich dem administrativen Organ, das die Verwaltungsmaßnahme oder die Bestimmung erlassen hat, die Gegenstand des Verfahrens gewesen ist l77 . Eine Vollstrekkung durch gerichtliche oder dritte Verwaltungsorgane ist gesetzlich nicht vorgesehen. Bei Vollstreckungen zugunsten der öffentlichen Hand erfüllt die Verwaltung die Vollstreckungspflicht unproblematisch. Bei Vollstreckungen gegen die öffentliche Hand entstehen aber regelmäßig Probleme 178 , denn traditionell weigert sich die Verwaltung in diesen Fällen, die Urteile zu beachten l79 . vas, Reflexiones sobre algunos criterios, S. 243ff.; Segado, La configuracion jurisprudencial, S. 9250f.; Borrajo Iniesta, Las facultades de los Tribunales, S. 73. 173 S TC 32/1982, vom 7. Juni FJ. 2, in: JC 3, S. 393-407 (404): "EI derecho a la tutela efectiva exige tambien que el fallo judicial se cumpla y que el recurrente sea repuesto en su derecho y compensado, si hubiere lugar a ello, por el daiio sufrido; 10 contrario seria convertir las decisiones judiciales y el reconocimiento de los derechos que ellas comportan en favor de alguna de las partes, en meras declaraciones de intenciones"; S TC 167/1987, vom 28. Oktober, FJ. 2, in: JC 19, S.244-255 (251); Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecucion, S. 429. 174 S TC 6711984, vom 7. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 142-166 (157); deutlich in A TS vom 16. Juni 1991 Ar. 6335: "EI derecho a la ejecuci6n de sentencias no puede concebirse unicamente como un derecho dei particular interesado en la ejecuci6n, sino que es tambien un esencial interes publico el que esta implicado en ello, como fundamenta dei Estado de Derecho"; Sanchez Socias/Gomez Pomar, Garantias, S. 1773f. 175 S TC 15/1986, vom 31. Januar, FJ. 3, in: JC 14, S.136-143 (140); S TC 19011990, vom 26. November, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 515-522 (520). 176 S TC 19811994, vom 4. Juli, FJ. 3, in: BJC 160-161 (1994), S. 47-50 (49); A TS vom 3. Februar 1987 Ar. 2051; A TS vom 25. März 1987 Ar. 3808; A TS vom 5. April 1988 Ar. 2616; A TS vom 27. Juni 1988 Ar. 6044; A TS vom 11. Juli 1989 Ar. 5741. 177 Ruiz Ojeda, La ejecucion de CTl!ditos, S. 106 hat zutreffend darauf hingewiesen, daß Art. 103 LJCA sprachlich unkorrekt formuliert ist, da die Verwaltung die gegen sie selbst gerichteten Urteile nicht vollstrecken, sondern nur ausführen kann. 178 Zu den nunmehr anerkannten Fällen siehe S. 128ff. 179 Borrajo Iniesta, Las facultades de los Tribunales, S. 69; Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 147; Gonzalez Perez, Manual, S. 393 stellt pointiert dar: ,JAs sentencias condenatorias de la Administraci6n dei Estado y, en general, las contrarias a la politica dei partido en el gobiemo- se ejecutan si quieren,
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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Damit bleibt sie hinter der Forderung des Verfassungsgerichts nach einer unbeschränkten Umsetzung der verwaltungsgerichtlichen Urteile weit zurück. Bezeichnend ist, daß diese Haltung der Verwaltung gegenüber gerichtlichen Handlungen ebenso wie ihre Untätigkeit gegenüber Anträgen der Bürger jährlich im Zentrum der Berichte des Volksverteidigers steht 180 . Die Bedeutung der gerichtlichen Kontrolle wird dadurch so entscheidend relativiert: Die Vollstreckung ist daher zutreffend "die Achillesferse der spanischen Verwaltungsgerichtsbarkeit" genannt worden l81 . Die verfassungsrechtliche Legitimation der bestehenden Vollstreckungsregelung, insbesondere die Frage nach dem Vollstreckungsorgan, ist daher in Spanien von entscheidender Bedeutung, ganz anders als in Deutschland, wo sie trotz ähnlicher Regelungen nur eine untergeordnete Rolle spielt, weil dort die verurteilte Verwaltung dem Urteil grundsätzlich freiwillig nachkommt, was ihrem Selbstverständnis von einer rechtsstaatlichen Verwaltung entspricht 182 . 2. Das verfassungsrechtlich gebotene Vollstreckungsorgan
a) Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Urteile und Gewaltenteilung Grundlage der bisherigen positivrechtlichen Regelung des für die Vollstrekkung zuständigen Organs in Spanien ist das Gewaltenteilungsprinzip. Nach der früheren strengen Konzeption, die dem Gericht untersagte, Verwaltungsmaßnahmen vorzunehmen, schied eine Vollstreckung gegen die Verwaltung durch das Gericht selbst aus. Andernfalls hätte der Richter selbst Verwaltungstätigkeit ausgeübt und damit den verfassungsrechtlich geschützten Funktionsbereich der Verwaltung verletzt. Seine Aufgabe beschränkte sich deshalb auf die Annullierung von Verwaltungsakten, auf, wie T.R. Femandez formuliert, eine platonische Annullierung 183 . Die Gesetze schufen konsequenterweise cuando quieren y corno quieren los politicos de tumo". Beispielhaft war der erste Fall des Verfassungsgerichts, der sich mit dieser Frage beschäftigte: Dort klagten Bürger 1982 gegen die Nichtbeachtung eines Urteils des Obersten Gerichtshofes aus dem Jahre 1977, das die rechstwidrige Enteignung eines Gebietes in der Provinz Barcelona untersagte: S TC 32/1982, vorn 7. Juni FJ. 2, in: JC 3, S. 393-407. 180 Defensor del Pueblo, Inforrne (1983), S.53; ders., Inforrne (1984), S.248; Garcia de Enterria, Sobre el principio de inembargabilidad, S. 508. 181 Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 73. 182 Ule, Verwaltungsprozeßrecht, S.406 verweist auf einige Beispiele aus den sechziger Jahren, in denen sich die Verwaltungsbehörden geweigert hätten, ihren Verpflichtungen nachzukommen; Lorenz, Die verfassungsrechtlichen Vorgaben, S. 156. 183 Femandez Rodriguez, De nuevo sobre la ejecuci6n de sentencias, S. 273.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
keine gerichtlichen Möglichkeiten zur zwangsweisen Vollstreckung von Urteilen, ein System der Vollstreckung gab es nicht, sondern nur eine freiwillige Vollziehung der Urteile durch die Verwaltung l84 . Dieses Konzept war durch das hannonische Gesetz von 1888 trotz der Anerkennung der justicia delegada übernommen worden und besteht im wesentlichen bis heute als Relikt der justicia retenida vorbehalten, d.h. der vom Monarchen zurückbehaltenen Rechtsprechung, in der LJCA fort l8S . So beschränkt Art. 110 Abs. 1 LJCA die Aufgabe der Gerichte allein auf eine Kontrolle der Vollziehung der Urteile durch die Verwaltung. Nach Art. 110 Abs. 1 letzter Halbsatz LJCA kann das Gericht allerdings die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Vollziehung zu fordern oder in Gang zu setzen. Zudem bestimmt Art. 110 Abs. 2 LJCA, das Gericht könne die notwendigen Maßnahmen treffen, um die Vollstreckung des Urteils durchzusetzen. Unter dem Begriff der notwendigen Maßnahmen wurde vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsprinzips jedoch nicht eine selbständige Vollstreckung der Urteile durch die Gerichte verstanden l86 , vielmehr hielt der Oberste Gerichtshof bis in die achtziger Jahre an der einschränkenden Auslegung fest, daß die pflicht der Verwaltung zur Vollstrekkung nur eine Naturalobligation sei, d.h. eine gerichtlich nicht durchsetzbare Verpflichtung l87 . Heute ist aber auf dem Boden der Rechtsschutzgarantie eine Neuinterpretation der Vollstreckungsbestimmungen durch die Gerichte und die Lehre erkennbar. b) Rechtsschutzkonforme Auslegung zugunsten einer gerichtlichen Vollstreckung Da die Verwaltung in Spanien bislang offensichtlich keine effektive Umsetzung der sie verurteilenden Urteile gewährleisten kann, hat ein Teil der Lehre
184 So Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 68; Parada Väzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 715. 18S Gabald6n LOpez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 32f.; Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S.40; ders., Las exigencias constitucionales, S. 3103; Garcia de Enterria, Curso 11, S. 626f; aber noch in einer Vielzahl von nachkonstitutionellen Gesetzen fmdet sich eine parallele Regelung: siehe Nachweise bei Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 155.
186 Gonzalez Perez, Manual, S. 656; die Lehre hingegen kritisierte heftig diese zurückhaltende Rechtsprechung: Cano Mata, Ejecuci6n judicial de las resoluciones, S. 27ff.; Montoro Puerto, Nuevas perspectivas en la ejecuci6n, S. 203ff. 187 Beltran de Felipe, Miguel, EI poder de sustituci6n, S. 74f. und S. 262f.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
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sämtliche Vollstreckungsbestimmungen der LJCA rur verfassungswidrig gehalten l88 . Dies entspricht aber nicht dem heutigen Stand der Rechtsprechung, die versucht hat, die bestehende Vollstreckungsregelung verfassungskonform auszulegen: Der durch Art. 24 Abs. 1 CE garantierte Rechtsschutz kann, wie oben dargelegtl89, allein durch die Richter gewährleistet werden. Da die Vollstrekkung ein wesentlicher Teil dieses Rechtsschutzes ist, folgt aus Art. 24 Abs. 1 CE, daß im Grundsatz nur das Gericht das zuständige Organ rur die Vollstreckung von Urteilen sein kann 190 . Aus der Rechtsschutzgarantie folgt hingegen nicht, daß diese, den Gerichten obliegende Vollstreckung notwendig nur durch ein gerichtliches Verfahren verwirklicht werden kann 191 . Art. 117 Abs. 3 CE spricht nämlich vom Vollstreckenlassen (haciendo ejecutar) durch die Gerichte. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist es daher möglich, daß die Gerichte nicht selbst die ihnen obliegende Vollstreckung durchfUhren, sondern ein anderes staatliches Organ damit beauftragen 192 . Hinsichtlich der Exekutive zwingt zudem die Gewaltenteilung, den im Rahmen der Kontrolldichte verfassungsrechtlich anerkannten Freiraum der Verwaltung auch bei
188 Garcia de Enterria, Hacia una nueva justicia administrativa, S. 71f.; dagegen: Parada Vazquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 716. 189 Siehe S. 66. 190 S TC 15511985, vom 12. November, FJ. 2, in: JC 13, S. 360-373 (369); Gimeno
Sendra, Altemativas a la disfimcionalidad, S. 567f.
191 So aber in Deutschland vertreten von Bettermann, Der Schutz der Grundrechte,
S. 805.
192 S TC 32/l982, vom 7. Juni, FJ. 3, in: JC 3, S. 393-407 (405); S TC 6111984, vom 16. Mai, FJ. 1, in: JC 9, S. 87-94 (92); S TC 67/1984, vom 7. Juni, Fl 2, in: JC 9, S. 142-166 (156); S TC 109/1984, vom 26. November, FJ. 2 A), in: JC 10, S. 223-241 (236); S TC 6511985, vom 23. Mai, FJ. 7, in: JC 12, S. 48-57 (56); S TC 106/1985, vom 7. Oktober, FJ. 3, in: JC 13, S. 62-71 (71); S TC 15511985, vom 12. November, FJ. 2, in: JC 13, S. 360-373 (369); S TC 176/1985, vom 17. Dezember, FJ. 2, in: JC 13, S. 543-550 (549); S TC 15/1986, vom 31. Januar, Fl 3, in: JC 14, S. 136-143 (140); S TC 33/1986, vom 21. Februar, Fl 5, in: JC 14, S. 317-328 (327); S TC 34/1986, vom 21 . Februar,Fl 2, in: JC 14, S. 329-336 (336); S TC 11811986, vom 20. Oktober, Fl 4, in: JC 16, S. 79-85 (92); S TC 33/l987, vom 12. März, FJ. 3, in: JC 17, S. 367379 (377); S TC 125/1987, vom 15. Juli, FJ. 2, in: JC 18, S. 702-715 (711); S TS 21. März 1988 Ar. 2183 .
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtIiche Verfahren
der Vollstreckung zu gewähren 193 . Die Behörde handelt in diesem Fall aber nicht mehr selbständig, sondern im Auftrag der Gerichte 194 . Als Konsequenz dieser delegierten Vollstreckung bleiben die Gerichte weiterhin aus der Rechtsschutzgarantie verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zur Vollstreckung anzuordnen 195 und die in ihrem Namen durchgefUhrte Vollstreckung des Urteils sorgfältig zu überwachen l96 . So muß der Richter beispielsweise bei Geldforderungen gegenüber der Verwaltung die notwendigen Maßnahmen treffen, damit die Verwaltung die Verpflichtung in den Haushaltsplan aufnimmt 197 . Bei solcher Auslegung verstößt Art. 103 LJCA, wonach die Vollstreckung der Verwaltung zugewiesen ist, nicht gegen die Rechtsschutzgarantie. Die Verwaltung wird nämlich durch Art. 103 LJCA nicht - wie nach dem bisherigen Verständnis- ermächtigt, das Urteil zu vollstrecken, sondern sie ist vielmehr verpflichtet, die gerichtlichen Beschlüsse effektiv umzusetzen. Daher ist es den Gerichten auch nicht untersagt, die notwendigen Mittel zu ergreifen, um einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten l98 . Art. 103 LJCA konkretisiert somit die verfassungsrechtliche Pflicht der Verwaltung nach Art. 118 CE, an allen Maßnahmen der Vollstreckung mitzuwirken 199 .
193 S TC 6711984, vom 7. Juni 1984, Fl 3, in: JC 9, S. 142-166 (161). 194 Gabald6n LOpez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 36; Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 59; Colom Pastor, Una interpretaci6n progresista, S. 617. 19S 125/1987, vom 5. Juli, FJ. 2, in: JC 18, S. 702-715 (711); S TC 9211988, vom 23. Mai, Fl 2, in: JC 21, S. 54-65 (61); S TC 32/1982, vom 7. Juni, Fl 3, in: JC 3, S. 393-407 (405); S TC 26/1983, vom 13. April, FJ. 2, in: JC 5, S.280-291 (288); Romero Coloma, EI articulo 24, S. 27. 196 S TC 12011991, vom 3. Juni, Fl 2, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 479-490 (485); A TS 2. Dezember 1993 Ar. 3296 von 1994; S TS 1. Februar 1994 Ar. 1075; S TS 18. Februar 1994 Ar. 1410, kritisch dazu Tornos Mas, La situaci6n actual, S. 118. 197 Vgl. S. 338. 198 S TC 67/1984, vom 7. Juni 1984, FJ. 3, in: JC 9, S. 142-166 (161); Gimeno Sendra, Alternativas a la disfuncionalidad, S. 567f.; Garcia de Enterria, Curso TI, S. 628f.; Colom Pastor, Una interpretaci6n progresista, S. 612; vgl. auch Romero Coloma, EI articulo 24, S. 29. 199 S TC 6711984, vom 7. Juni, Fl 3, in: JC 9, S. 142-166 (159): "debiendo interpretar esta competencia (art. 103 LfCA) no como la atribucion de una potestad • sino como la concrecion dei deber de cumplir 10 decidido por las sentencias", vgl. Besprechung bei Colom Pastor, Una interpretaci6n progresista, S. 611; S TC 15511985, vom
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3. Die Vollstreckungsmöglichkeiten der Gerichte Dieses neue Verständnis wird relevant, wenn die Behörde ihrer Pflicht, die Urteile der Gerichte auszufiihren, nicht oder nur unzureichend200 nachkommt und damit die Rechtsschutzgarantie verletzt201 . Unproblematisch ist die Ausführung rein kassatorischer Urteile, also im vom Gesetz vorgesehenen und in der Praxis bestehenden Regelfall. Kassatorische Urteile sind einer Vollstreckung weder fähig noch bedürftig, da sie selbst den angegriffenen Verwaltungsakt aufheben. Mit Eintritt der Rechtskraft ist durch das Urteil selbst schon der angestrebte Erfolg der Klage erreicht. Für die Frage der ordnungsgemäßen Vollstreckung bleiben somit nur zwei Bereiche wichtig: Erstens kann das Gericht die Verwaltung zur Zahlung eines Geldbetrages (Amtshaftung, Enteignungsentschädigung) oder zur Übertragung von anderen Vermögenswerten verurteilen; zweitens ist die Frage zu klären, wie die Gerichte auf Maßnahmen der Verwaltung reagieren, mit der diese die kassatorische Wirkung des Urteils umgeht. Verpflichtungen zu Amtshandlungen finden sich, wie oben bereits dargelegt, in der Praxis kaum, so daß die gegenwärtige Diskussion in der spanischen Lehre, ob und wie solche Verpflichtungen vollstreckt werden können 202 , noch weitgehend theoretisch sind. a) Die Vollstreckung von Geldforderungen aa) Das privilegium fisci Grundsätzlich werden Geldforderungen nach dem Zivilprozeßgesetz (Art. 920 und 922 LEC) dadurch vollstreckt, daß aus dem Vermögen des Schuldners gepfändet wird203 . Diesem steht jedoch rur die hier diskutierten Fälle ein althergebrachtes Prinzip des Prozeßrechtes entgegen: Das Verbot der Pfändung aus und der sonstigen Vollstreckung in das Staatsvermögen (privilegium
12. November,FJ. 2, in: JC 13, S. 360-373 (369); vgl. auch S TC 22/1984, vom 17. Februar, FJ. 4, in: JC 8, S. 243-277 (272); ausdrücklich S TS 13. März 1986 Ar. 1080. 200 Vgl. dazu S TC 85/1991, vom 22. April, FFJJ. 1 bis 5, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 186-194 (l90fI). 201 S TC 33/1987, von 12. März, FJ. 3, in: JC 17, S.367-379 (377); S TC 205/1987, vom 21. Dezember, FJ. 3, in: JC 19, S. 637-650 (646). 202 Übersicht bei Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 277ff. 203 Umfassend dazu Ruiz Ojeda,
La ejecuci6n de cn!ditos, S. 88ff.
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jisci)204. So verbietet Art. 44 LGP den Gerichten Vollstreckungsmaßnahmen wegen Geldforderungen gegenüber dem Staatsvermögen205 . Allein die Verwaltungsbehörde selbst soll zahlen. wozu Art. 108 Abs. 1 LJCA sie ausdrücklich verpflichtet. Dieser Grundsatz ist teilweise in Art. 132 Abs. 1 CE verankert: Danach regelt "das Gesetz die rechtliche Ordnung der Sachen im öffentlichen und kommunalen Eigentum und wird dabei durch die Grundsätze der (... ) Unpfllndbarkeit geleitet". Dadurch erhält das auf dem Gedanken der Gewaltenteilung beruhende Privileg Verfassungsrang und rechtfertigt nach Ansicht des Verfassungsgerichts diese Einschränkung der Effektivität des Rechtsschutzes206 . Bei Geldforderungen genügt es somit der Rechtsschutzgarantie, wenn die Gerichte kontrollieren, ob die Verwaltung ihrer Pflicht zur Vollstreckung nachkommt207 .
Weigert sich die Verwaltung, eine Geldforderung zu erfüllen, stehen dem Gericht zunächst nur Zwangsmittel i.S.d. Art. llO Abs. 1 LJCA zu. Zwar sieht Art. 110 Abs. I LJCA vor, daß ein Antrag des Bürgers notwendig ist, damit das Gericht die Vollstreckung durch die Verwaltung überprüft. Wegen der gebotenen verfassungskonformen Auslegung dieser Zustimmung aber entfallt diese Antragsvoraussetzung, so daß die Gerichte von Amts wegen den ordnungsgemäßen Ablauf der Vollstreckung prüfen müssen208 . Hierfür haben die Gerichte nach Ansicht des Verfassungsgerichts zur Festlegung der erforderlichen Maßnahmen nach Art. llO Abs. 1 LJCA einen weiten Freiraum209 . Dieser Freiraum beschränkt sich aber auf solche Maßnah204 Vgl. dazu Garcia de Enterria, Hacia una nueva Justicia Administrativa, Madrid 1989, S. 99ff.; Gonzalez Perez, Manual, S. 660; dieser Grundsatz wird ausdrücklich in Spezialgesetzen erwähnt: z.B. in Art. 44 Ley General Presupuestaria (Neufassung verabschiedet durch Real Decreto Legislativo 1091/1988 vom 23. September 1988 (BOE Nr. 234, vom 29. September; berichtigt: BOE Nr. 275, vom 16. November); Art. 18 Ley dei Patrimonio dei Estado vom 15. April 1964 (BOE Nr. 311, vom 28. Dezember); in Deutschland ist er in § 170 Abs. 3 VwGO festgehalten. 205 Diese Regelung entspricht damit in seiner Formulierung § 3 des Preußischen Gesetzes über die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts vom 11. Dezember 1934. 206 S TC 61/1 984, vom 16. Mai,
FI. 3 und 4, in: JC 9, S. 87-94 (93).
207 A TS 2. Dezember 1993 Ar. 3296 von 1994; S TS 1. Februar 1994 Ar. 1075. 208 S TC 67/1984, vom 7. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 142-166 (157); S TC 167/1987, vom 28. Oktober, FI. 2, in: JC 19, S. 244-255 (251); Gabald6n L6pez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 29f. 209 S TC 26/1983, vom 13. April, FJ. 3, in: JC 5, S.280-291 (289); S TC 167/1987, vom 28. Oktober, FI. 2, in: JC 19, S. 244-255 (251).
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men, die die Verwaltung zur Vollziehung des Urteils zwingen. Es ist dem Richter somit untersagt, die Verwaltung zu ersetzen und beispielsweise selbst Güter der Verwaltung zu pfänden oder den Haushaltsplan selbst im Hinblick auf eine Zahlungspflicht zu ändern210 . Den Gerichten verbleibt damit die Möglichkeit, durch Verhängung von Verzugszinsen bzw. Zwangsgeld die Verwaltung zur Zahlung der Urteilssumme anzuhalten211 . Zudem können sie nach Art. 109 LJCA über die Möglichkeiten der Amtshaftung der Behörde (Art. 106 Abs. 2 CE i.V.m. Art. 40 LRJAE) bzw. des Beamten (Art. 1902 CC i.Y.m. Art. 40 LRJ) sowie der strafrechtlichen Haftung des Beamten (Art. 369 CP)212 versuchen, die Verwaltung zur Zahlung des geschuldeten Geldes zu bewegen. Schließlich sieht Art. 112 LJCA als politisches Druckmittel vor, daß jährlich im spanischen Gesetzblatt (Boletin Oficial dei Estado, BOE) eine Liste der nicht vollstreckten Urteile veröffentlicht wird. Diese Möglichkeiten, die weitgehend denen der VwGO entsprechen, reichen in der Theorie bei einer an das Legalitätsprinzip gebundenen Verwaltung aus und entsprechen damit theoretisch auch den Erfordernissen eines wirksamen Rechtsschutzes. bb) Weitergehende Möglichkeiten der Gerichte nach Lehre und Rechtsprechung Diese Maßnahmen haben sich jedoch in der spanischen Praxis als wenig effizient erwiesen, so daß die Lehre eine Neubestimmung der Möglichkeiten des Gerichts gefordert hat213 . Das Privileg des Staatsvermögens müsse restriktiv ausgelegt werden. Art. 132 Abs. 1 CE beziehe sich allein auf die Unpfandbarkeit von Sachen im öffentlichen Eigentum (bienes de dominio pub Iico)214. Sonstiges Vermögen hingegen könne nicht pauschal von der Vollstreckung ausgeschlossen werden215 . Das Prinzip der Unvollstreckbarkeit sei in der allgemeinen Form, in der es in Art. 44 LGP festgehalten ist, verfas210 S TC 6111984, vom 16. Mai, FI 4, in: JC 9, S. 87-94 (93). 211 Vgl. Gonzalez Perez, Manual, S. 660; Garcia de Enterria, Curso n, S. 633; Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 111. 212 Rodriguez Devesa/Serrano GOmez, Derecho Penal Espaiiol, S. 1152ff; Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 95f. 213 Gabald6n L6pez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 48f 214 Gonzalez Perez, Manual, S. 661f; Garcia de Enterria, Sobre el principio de inembargabilidad, S. 505; Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 438. 215 So zutreffend auch Garcia de Enterria, Curso II, S. 632f;. ders., Los postulados constitucionales, S. l3f Ebenso hat der bundesdeutsche Gesetzgeber die weite Formulierung des § 3 des Preußischen Gesetzes über die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts vom 11. Dezember 1934, der von Vermögensgegenständen spricht, durch § 170 Abs. 3 VwGO auf bestimmte Sachen beschränkt. 22 Marlinez Soria
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sungswidrig, da die Verfassung keine Rechtfertigung für den damit verbundenen Grundrechtseingriff enthalte2 16 . Die Gerichte seien somit aufgrund des Art. 24 Abs. 1 CE verpflichtet. die zur Vollstreckung der Geldforderung notwendige Willenserklärung der Verwaltungsbehörde zu ersetzen217 . So wird vorgeschlagen, daß das Gericht zu Lasten der Verwaltungsbehörde die Staatsbank von Spanien (Baneo de Espaffa) anweist, die geschuldete Geldsumme an den Gläubiger zu zahlen218 . Durch diese Anweisung verletze das Gericht nicht das Gewaltenteilungsprinzip, da es hierbei keine administrative Maßnahme, sondern vielmehr einen Akt erlasse, der der Justiz zur verfassungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben zustehe219 . Eine ähnliche Lösung hatte der Gesetzgeber bei dem Reformentwurf zur LJCA vor Augen, der jede Behörde verpflichten will, einen Teil ihres Haushaltes der Disposition der Richter rur die Vollstreckung von Urteilen zu überlassen220 . In einer vielbeachteten Stellungnahme hat das Verfassungsgericht festgestellt, daß eine solche Ersetzung des Verwaltungshandelns durch die Gerichte zwar gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen würde221 . Die Prüfung der Gerichte müsse sich daher bei der Vollstreckung nach Art. 110 Abs. 2 LJCA darauf beschränken, ob die behördliche Vollstreckung im Rahmen der Gesetze erfolge. Zu diesen Gesetzen gehöre aber auch die im Verwaltungsprozeß subsidiär geltende Zivilprozeßordnung (LEe). Art. 924 LEC ermögliche, daß das Gericht die Vollstreckung durch eine dritte Behörde auf Kosten der Verwaltung vornimmt222 . Diese Möglichkeit wandele sich im Lichte des Art. 117 Abs. 3 CE und der Rechtsschutzgarantie zur Pflicht223 . Weigert sich 216 Garcia de Enterria, Curso TI, S. 633; Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos, S. 106 spricht bildlich vom Konkurs des Rechtsstaates in diesem Punkte. 217 Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos, S. 110 mit zahlreichen Beispielen. 218 Garcia de Enterria, Curso TI, S. 633; ders., Sobre el principio de inembargabilidad, S. 505f.; Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos, S. 110. 219 Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos pecuniarios, S. 107. 220 Art. 111 Abs.l des Gesetzentwurfes vom Justizministerium von 1986: liEn los Presupuestos de todas las Administrociones publicas y demas entidades u organismos seilalados en el articulo lOde esta Ley se consignara una partida de creditos para gastos de ejecucion de Sentencias de condena al pago de cantidad liquida. Tales creditos tendrtin la condicion de ampliables en los terminos establecidos en la legislacion presupuestaria"; zum Entwurf siehe Montoro Chiner, La ejecuci6n, S. 837ff. 221 S TC 67/1984, vom 7. Juni, FJ. 2, in: JC 9, S. 142-166 (157f.); vgl. dazu Muil.oz Machado, Reserva, S. 2774f. 222 S TC 67/1984, vom 7. Juni, FI. 3, in: JC 9, S. 142-166 (157); vgl. die Besprechung von Morillo-Velarde Perez, "Es procedente el embargo, S. 588f. 223 Gabald6n L6pez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 33.
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demnach eine Behörde, dem Urteil binnen sechs Monaten nachzukommen, muß das Gericht eine andere Behörde anweisen, stellvertretend fiir die zuständige das Urteil zu vollstrecken224 . Die Anweisung muß aber konkret sein und darf der anderen Behörde keinen Gestaltungsspielraum lassen225 . Durch diese Auslegung des Art. 110 Abs. 2 LJCA hat das Verfassungsgericht den Grundsatz der Selbstvollstreckung durch die Verwaltung und somit das Gewaltenteilungsprinzip bewahren können, gleichzeitig aber auch die Effektivität und die Überprüfung durch die Gerichte gewährleistet226 . Die vom Verfassungsgericht gefundene Auslegung hatte, wie es selbst in seinem Urteil feststellte, keine Grundlage in der spanischen Lehre und Rechtsprechung227 . Sie geht vielmehr auf das italienische Recht zurück (giudizio di ottemperanza), das diese Möglichkeit einer kommissarischen Erftillung der Verwaltungsaufgaben bei der gerichtlichen Ermessenskontrolle anwendet228 . Das Urteil fand daher erwartungsgemäß heftige Resonanz in der Lehre, nicht aber in der Rechtsprechung. Allein in einem Fall, der bezeichnenderweise keine Geldforderung betraf, sondern eine Amtshandlung, hat der Oberste Gerichtshofvon der eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht. In diesem Fall bestätigte der Oberste Gerichtshof ein Urteil des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts in La Coruiia, das den Sekretär des Rathauses der Stadt Villagarcia de Arosa (La Coruiia) beauftragt hatte, im Namen des Gerichtes eine Ratsversammlung einzuberufen229 . Dies hatte der nach dem Gemeindegesetz
224 Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de cn!ditos pecuniarios, S. 109. 225 Beltran de Felipe, Las exigencias constitucionales, S. 3107; Ruiz Ojeda, La ejecuci6n de creditos, S. 109. 226 Muiioz Machado, Reserva, S. 2775; Dominguez Rodrigo, La potestad extraordinaria, S. 199ff. 227 S TC 67/1984, vom 7. Juni, FJ. 3, in: JC 9, S. 142-166 (157): "no desconoce que la interpretaci6n antes expuesta en orden a las medidas que puede adoptar desde la perspectiva dei derecho constitucional, no se encuentra consolidada a nivel doctrinal nijurisprudencial"; insoweit war der Optimismus von Morillo-VeIarde Perez, l,Es procedente eI embargo, S. 590f. verfrüht. 228 Beltran de Felipe, Las exigencias constitucionales, S. 3105 m.w.N. Zum italienischen Institut vgl. Piccoza, Ottemperanza, S. 837. 229 S TS 13. März 1986 Ar. 1080; vgl. die Besprechung bei Borrajo Iniesta, Las facultades de los Tribunales, S. 69; ebenso Garcia de Enterria, Sobre eI principio de inembargabilidad, S. 497f. 22'
340
2. Teil: Das verwa1tungsgerichtliche Verfahren
zuständige Bürgermeister rechtswidrig verweigert, da er befürchtete, dort durch Mißtrauensantrag abgewählt zu werden230 . b) Möglichkeiten des Gerichts, wenn die Verwaltung Urteile umgeht Aus der Sicht der Rechtsschutzgarantie sind nicht nur die Fälle interessant, in denen sich die Verwaltung weigert, die Vollstreckung durchzuführen. Der Rechtsschutz wird ebenso gemindert, wenn die Verwaltung die Vollstreckung fehlerhaft durchführt, beispielsweise indern sie die Vollstreckung verzögert. Hier verletzen die Verwaltung und die Gerichte die Rechtsschutzgarantie, wenn die Vollstreckung nicht unverzüglich erfolgt und die Gerichte keine Maßnahmen treffen, um die sofortige Vollstreckung zu erreichen231 . Die Effizienz des Urteils kann aber auch dadurch gemindert werden, daß die Verwaltung weitere Maßnahmen vornimmt, die die Kassation der Maßnahme umgehen, d.h. durch eine sogenannte simulierte Vollstreckung: So war in einern Fall einern Beamten ohne Begründung untersagt worden, seine Versetzung an eine andere spanische Behörde im Ausland zu beantragen. Durch ein rechtskräftiges Urteil wurde dieses Verbot aufgehoben. Daraufhin beantragte er die Versetzung ins Ausland, die dann auch erfolgte. Nach der Versetzung schuf die Behörde allerdings eine neue Stelle, der alle Befugnisse der vorn Kläger besetzten Stelle übertragen wurden. Da die vorn klagenden Beamten besetzte Stelle nunmehr keine Aufgaben mehr hatte, strich die Verwaltung sie und versetzte den Beamten zurück nach Spanien. Die erneute Klage des Beamten wurde von den Gerichten abgewiesen, da nach ihrer Ansicht die Vollstreckung ordnungsgemäß erfolgt war und der Beamte keinen Anspruch auf eine bestimmte Stelle hatte. Das Verfassungsgericht hingegen sah hierin einen Verstoß gegen das Recht auf Vollstreckung eines Urteils232 . Zwar sei die Verwaltung an den Wortlaut des Urteils selbst gebunden und daher auch nur insoweit verpflichtet233 . Ziel des HandeIns der Verwaltung dürfe aber nicht die mechanische Umsetzung des Wortlauts des Urteils sein, sondern
230 Die ausschließliche Befugnis des Bürgenneisters, die Ratsversammlung bei Mißtrauensanträgen einzuberufen, hat zu zahlreichen Streitigkeiten zwischen den Ratsmitgliedern und dem Bürgenneister gef1lhrt: vgl. die Nachweise bei Borrajo Iniesta, Las facultades de los Tribunales, S. 70 Fn. 6. 231 S TC 24/1981, vom 14. Juli, FJ. 3, in: JC 2, S. 113-121 (1l9). 232 S TC 16711987, vom 28. Oktober, FJ. 2 in: JC 19,244-255 (251); vgl. schon S TC 12511987, vom 15. Juli, FJ. 4, in: JC 18, S. 702-715 (713). 233 S TC 11911988, vom 20. Juni, FJ. 2, in: JC 21, S.339-347 (344).
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
341
vielmehr die Verwirklichung des verletzten Rechts des Bürgers234 . Die Verwaltung darf somit weder eine neue Verwaltungsmaßnahme erlassen, die mit dem angefochtenen inhaltsgleich ist oder eine Verwaltungsmaßnahme erlassen, die den Inhalt des Urteils durch Schaffung neuer Tatsachen sinnlos werden ließe235 . Gleichzeitig stellte es fest, daß es bei solchen wiederholenden oder die Vollstreckung umgehenden Verwaltungsmaßnahmen keines neuen Prozesses bedarf, sondern daß es genüge, wenn die Umgehungsmaßnahme dem Gericht mitgeteilt wird und das Gericht den neuen Verwaltungsakt für nichtig erkläre236 . Im übrigen haben aber die Gerichte auf simulierte Vollstreckungen nicht angemessen reagiert, da sie zumeist allein auf die Vollstrekkung des unmittelbaren Wortlauts des Urteils achteten237 . c) Der gesetzliche Ausschluß der Vollstreckung (insbesondere der Rückgabe vermögenswerter Gegenstände) Schließlich ist zu fragen, ob die Rechtsschutzgarantie es dem Gesetzgeber erlaubt, die Vollstreckbarkeit bestimmter Urteile durch Gesetz auszuschließen. Neben dem oben genannten, in der Verfassung verankerten privilegium fisci finden sich zahlreiche Fälle, in denen die Vollstreckbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist. Unproblematisch hinsichtlich der Rechtsschutzgarantie ist die faktische oder rechtliche Unmöglichkeit der Vollstreckung238 . Die Vollstreckung ist faktisch unmöglich, wenn sie die Rückübertragung eines Baugeländes zum Gegenstand hat, das mittlerweile bebaut worden ist239 , oder wenn 234 S TC 14811989, vom 21. September, in: JC 25, S. 59-67 (63). 235 Vgl. auch S TS 23. Juni 1981 Ar. 3951: Nach der Aufhebung eines Bebauungsplans durch ein Gericht versagt die Verwaltung weiterhin Baugenehmigungen unter Berufung auf diesen Bebauungsplan. 236 Die Verwaltung könne sich dabei nicht auf unerörtete Punkte berufen, da sie selbst die Auseinandersetzung mit diesen Punkten verhindert habe: S TC 167/1987, vom 28. Oktober, FI. 2, in: JC 19, S. 244-255 (251); GonzAlez Perez, Manual, S. 400; Romero Coloma, EI articulo 24, S. 27. 237 S TS 13. März 1986 Ar. 1080; A TS 16. Juli 1988 Ar. 5907; Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 59. 238 So A TC 62111985, vom 25. September, FJ. 2, in: JC 13, S. 760-763 (763) unter Hinweis auf den Grundsatz ad impossibilia nemo tenetur; S TC 58/1983, vom 29. Juni, FJ. 3, in: JC 6, S. 278-286 (286); S TC 6711984, vom 7. Juni, in: JC 9, S. 142-166 (161f.); Dominguez Rodrigo, La potestad extraordinaria, S. 199; zur faktischen Unmöglichkeit: vgl. auch A TS vom 30. November 1987 Ar. 9334; zur rechtlichen Unmöglichkeit: vgl. auch A TS vom 30. November 1987 Ar. 9334. 239 A TS 12. Januar 1959 Ar. 134
342
2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
ein Gebäude abgerissen werden soll, das auf einem Gelände gebaut worden war, das aufgrund der Einordnung als "schützenswerte Grünanlage" unbebaubar war240 ; rechtlich ist die Vollstreckung eines Gegenstandes unmöglich, der beispielsweise mittlerweile versteigert worden ist241 . Für diese Fälle verpflichtet Art. 24 Abs. 1 CE zur Entschädigung des Bürgers, die nunmehr in Art. 107 LJCA i.V.m. Art. 18 Abs. 2 LOPJ vorgesehen ist242 . Die Höhe dieser Entschädigung wird, da die Vollstreckung den Gerichten obliegt, vom Richter festgelegt243 . Im übrigen genießt der Gesetzgeber nach Ansicht des Verfassungsgerichts einen weiten Spielraum bei der Frage, ob die Vollstreckbarkeit (der Rückgabe von vermögenswerten Gegenständen) untersagt wird. Die tatbestandlichen Voraussetzungen müssen aber apriori festgelegt, allgemein und abstrakt geregelt werden sowie legitime Ziele verfolgen, zu denen sie im Verhältnis stehen müssen244 . Weiter muß eine solche Regelung eine angemessene Entschädigung vorsehen. Zwar folge aus der Rechtsschutzgarantie das Prinzip der Unabänderbarkeit des Urteils245 . Es sei aber verfassungsrechtlich unerheblich, ob das vollstreckte Gut identisch sei mit dem Gegenstand des Urteils oder ob es durch einen Geldbetrag ersetzt werde246 , soweit ein legitimes Interesse die Ersetzung rechtfertige. Das Vorliegen eines solchen legitimen Interesses muß 240 A TS 11. Dezember 1981 Ar. 5387. 241 S TS 27. Dezember 1960 Ar. 461. 242 A TS vorn 22. März 1988 Ar. 2243; S TS 1. März 1988 Ar. 1764; S TS 21. März 1988 Ar. 2183; A TS vorn 11. April 1990 Ar. 3639; A TS vorn 21. März 1988 Ar. 2241. 243 A TS vorn 22. November 1989 Ar. 8353. 244 S TC 4/1988, vorn 21. Januar, FJ: 5, in: JC 20, S. 27-46 (42f.). 245 S TC 231/1991, vorn 10. Dezember, Fl 5, in: Rep. Ar 1991/4, S.534-548 (542); S TC 380/1993, vorn 20. Dezember, Fl 3, in: BJC 153 (1994), S. 140-143 (142); S TC 182/1994, vorn 20. Juni, Fl 3, in: BJC 159 (1994), S. 113-119 (I 18f.); S TC 198/1994, vorn 4. Juli, Fl 3, in: BJC 160-161 (1994), S. 47-50 (49). 246 S TC 58/1983, vorn 29. Juni, Fl 2, in: JC 6, S. 278-286 (285), das jedoch die Vollstreckung im arbeitsgerichtlichen Verfahren betraf; diese Lehre wurde jedoch ohne weiteres trotz der erheblichen Unterschiede auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen: S TC 67/1984, vorn 7. Juni, Fl 3, in: JC 9, S. 142-166 (160) und 109/1984, vorn 26. November, Fl 2 C), in: JC 10, 223-241 (237); vgl. auch S TC 155/1985, vorn 12. November,Fl 2, in: JC 13, S. 360-373 (369). S TC 167/1987, vorn 28. Oktober, FJ. 2, in: JC 19, S. 244-255 (251); 149/1989, vorn 22. September Fl 3, in: JC 25, S. 91.A TS vorn 23. Juli 1986 Ar. 559; A TS vorn 18. November 1986 Ar. 6731; Gonzalez Perez, Manual, S. 396.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
343
gerichtlich überprüfbar sein247 , die Dichte der gerichtlichen Kontrolle ist aber beschränkt auf die Feststellung der Zuständigkeit des Organs (Regierung) und des Vorliegens der zugrundegelegten Tatsachen248 . Es besteht somit aus verfassungsrechtlicher Sicht kein qualitativer Unterschied zwischen primärem und sekundärem Rechtsschutz. Diese Konzeption steht im Gegensatz zum Verständnis des Rechtsschutzes in Deutschland, das Rechtsschutz als Primärrechtsschutz versteht, die Amtshaftung hingegen nur als ultima ratio249 . Die spanische Rechtsordnung sieht in vier Fällen die Möglichkeit der Vollstreckungsuntersagung vor. Nach Art. 105 Abs 1 b) und c) LJCA ist die Vollstreckung ausgeschlossen2SO : 1. bei einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung2S1 , 2. bei der begründeten Gefahr eines Krieges mit einern anderen Staat, 3. bei der Störung der territorialen Integrität der Nation und 4. wenn ein erheblicher Nachteil fiir den Staatshaushalt zu befiirchten ist2s2 . Wird die Vollstreckung suspendiert oder gänzlich unterlassen, muß nach Art. 106 Abs. 1 eine angemessene Entschädigung gezahlt werden. Zwar sind dies Ausnahmeregeiungen2S3 , was daran erkennbar ist, daß allein die Regierung sie anordnen kann. Problematisch ist aber, daß gesetzlich kein Rechtsschutz gegen diese Anordnungen vorgesehen ist. Ein Teil der Lehre rechnet daher diese 247 A TS vom 23. Juli 1986 Ar. 559; A TS vom 18. November 1986 Ar. 6731; Gonzillez Perez, Comentarios, S. 1227 und 1232. 248 Gabald6n LOpez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 37 und S. 55; Gonzillez Perez, Comentarios, S. 1232. 249 Schon Walter Jellinek, Der Schutz des öffentlichen Rechts, S. 69ff. 2S0 Diese Regelung geht auf Art. 84 des Gesetzes von 1888 zurück, wo es eines der "Sicherheitsventile" darstellte, die in dem Gesetz enthalten waren, um die Kontrollmöglichkeiten der ordentlichen Gerichte über die Verwaltung zu begrenzen; in der heutigen Form wurde sie vom Gesetz Maura von 1904 übernommen: vgl. hierzu Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 340f. 2S 1 Dieses bezieht sich nicht auf den aus dem Gefahrenabwehrrecht bekannten Begriff der "öffentlichen Ordnung", sondern vielmehr auf den ordnungsgemäßen Ablauf der öffentlichen Dienste: vgl. Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 169f.; Martin-Retortillo Baquer, L., Evoluci6n reciente, S. 18. So berief sich die Regierung im Fall des Atomkraftwerkes Asc6 auf diesen Grund, um die Funktionsßlhigkeit dieser Anlage weiter zu gewährleisten; das Verfassungsgericht ließ in seiner Entscheidung offen, ob diese Begründung verfassungsmäßig war: S TC 112/1983, vom 5. Dezember, in: JC 7, S. 409-417. 2S2 Art. 105 Abs. 3 schränkt jedoch diesen weiten Ausschließungsgrund fi1r Urteile, die die Verwaltung zu einer Zahlung verpflichten, insoweit ein, als daß die Verwaltung in diesen Fällen die Zahlungsmodalitäten frei bestimmen kann. 2S3 A TS 16. Juli 1988 Ar. 5907; GonzAlez Perez, Manual, S. 396; BeItran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 343.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
Maßnahmen zu den unkontrollierbaren "politischen Akte der Regierung"254 . Dagegen muß mit der h.M. davon ausgegangen werden, daß diese Maßnahmen aufgrund des Art. 24 Abs. 1 CE gerichtlich daraufhin kontrolliert werden können, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen fiir den Ausschluß der Vollstreckung vorliegen255 . Nach Art. 18 Abs. 2 LOpj256 kann die Zentralregierung aus Gründen des öffentlichen Nutzens oder des sozialen Interesses die durch das Urteil anerkannten Rechte vor der Vollstreckung enteignen. Dem Richter obliegt dann allein die Festsetzung der Enteignungssumme, eine rnateriel1e Prüfung der Enteignung ist nicht vorgesehen257 . Diese Bestimmung ist bislang von der Regierung nicht angewandt worden, so daß eine Stellungnahme der Rechtsprechung hierzu fehlt. Die Lehre258 hält diese Norm für verfassungswidrig, da die Tatbestandsvoraussetzungen zu weit gefaßt sind259 und danach theoretisch auch die Ausübung eines Grundrechts "enteignet werden könnte"260 . Es entspricht zwar der vorn Verfassungsgericht vertretenen objektiv-rechtlichen Sicht der Rechtsschutzgarantie, daß nicht die Verwirklichung des Rechts im 254 Vgl. die Nachweise aus der Lehre bei Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 344; kritisch Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 433. 255 Hinsichtlich des verfassungskonformen Verständnisses der "politischen Akte der Regierung", das eine solche Einordnung der Maßnahmen der Regierung im Rahmen der Vollstreckung nicht mehr zuläßt, siehe S. 207ff. 256 Umstritten war, ob Art. 18 Abs. 2 LOP] die Bestimmungen der LJCA über die Einstellung der Vollstreckung ersetzt oder ergänzt. Zugunsten einer komplementären Sicht: Gimeno Sendra, Derecho Procesal, S. 560; GonzAlez Perez, Manual, S. 396; dagegen: Garcia de Enterria, Curso H, S.634; Sosa Wagner/Quintana L6pez, La ejecuci6n de las sentencias, S. 39 Fn. 34; Beltran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S.360. 257 Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 433; kritisch ebenfalls Garcia de Enterria, Hacia una nuevajusticia administrativa, S. 157; Vgl. Art. 228 der Ley de Suelo; dazu Mui'ioz Machado, Reserva, S. 2761. 258 Garcia de Enterria, Sobre el principio de inembargabilidad, S. 500; unsicher jedoch ders. in Curso H, S. 635; Rodriguez-Arana/Sarmiento Acosta, EI contenciosoadministrativo, S. 1516; Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 427; Font i Llovet, La ejecuci6n de las sentencias, S. 192; Mui'ioz Machado, La reserva de jurisdicci6n, S. 108; Sosa Wagner/Quintana L6pez, La ejecuci6n de las sentencias, S.42; Sosa Wagner/Quintana L6pez, La ejecuci6n de las sentencias, S. 38 sprechen sich ftlr die Verfassungsmäßigkeit der Norm aus, soweit sie restriktiv ausgelegt wird; a.A.: BeItran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 364; Dorninguez Rodrigo, La potestad extraordinaria, S. 214f. 259 Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 430. 260 Garcia de Enterria, Sobre el principio de inembargabilidad, S. 499.
F. Die Effektivität des Rechtsschutzes
345
Vordergrund steht, sondern die objektive Legalität des Verwaltungshandeins. Diese kann auch durch Zahlung einer angemessenen Entschädigung fiir das verletzte Recht gewährleistet sein. Die gerichtliche Kontrolle der Enteignung anerkannter Rechte muß aber weiter möglich sein. Dies folgt sowohl nach objektiv-rechtlichen Gesichtspunkten aus der vollständigen Kontrollierbarkeit des Verwaltungshandelns als auch nach subjektiv-rechtlichen Gesichtspunkten aus dem Schutz der anerkannten Rechte. 4. Bewertung
Kraft der kassatorischen Struktur der verwaltungsgerichtlichen Klage brauchen die meisten Urteile in Spanien nicht vollstreckt zu werden. Die wenigen vollstreckungstahigen Urteile können aber nur unter erschwerten rechtlichen Bedingungen durchgesetzt werden. Hintergrund ist die Vorstellung, das Gewaltenteilungsprinzip verhindere ein eigenes Handeln der Gerichte im administrativen Bereich. Die Rechtsschutzgarantie stellt zwar sicher, daß die Gerichte die Vollstreckungsorgane sind, materielle Eingriffskompetenzen gegenüber der Verwaltung gewährt sie ihnen aber nicht. Auch in Deutschland kann das Gericht bei der Vollstreckung wegen einer Geldforderung gegen die öffentliche Hand die Verwaltung auffordern, ihrer Zahlungspflicht nachzukommen. Dieses reicht in der Praxis aus, um die Vollstreckung zu realisieren. In Spanien hingegen genügt ein Ersuchen nicht, da die Verwaltung sich oft weigert, ihm nachzukommen261 . Die Forderungen der Lehre, die Gerichte zu ermächtigen, das Verwaltungshandeln zu ersetzen, sind vor diesem Hintergrund zwar verständlich, widersprechen aber dem Gewaltenteilungsbegriff des spanischen Verfassungsgerichts. Auch zeigt das Beispiel der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung, die trotz eines grundlegend anderen Verständnisses des Gewaltenteilungsgrundsatzes diese Möglichkeit der Ersetzung des Verwaltungshandelns im Rahmen der Vollstreckung nicht kennt, daß das Problem - wie selbst die spanische Lehre einräumen muß 262 anderer Natur ist: Die unzureichende Bindung der Verwaltung an die Legalität in der Praxis. Solange die Verwaltung nicht bereit ist, ihr Handeln an der gerichtlichen Praxis auszurichten und damit am Gesetz und Recht - was in Deutschland eine Selbstverständlichkeit ist -, kann auch die Übertragung wei-
261 Gabald6n LOpez, La ejecuci6n de Sentencias, S. 36. 262 Beitran de Felipe, EI poder de sustituci6n, S. 482ff.
m.w.N.
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2. Teil: Das verwaltungsgerichtliche Verfahren
terer Kompetenzen an die Gerichte die Vollstreckung kaum endgültig gewährleisten263 .
263 Parada Väzquez, Derecho Administrativo, Parte General, S. 716; Montes Reyes, Reflexiones sobre la ejecuci6n, S. 426.
Toute societe dans laquelle la garantie des droits n 'est pas assuree, (. ..) n 'a point de constitution. "Eine Gesellschaft, in der die Gewährleistung der Rechte ( ... ) nicht gesichert ist, hat keine Verfassung. (Art. 16 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789)
3. Teil
Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz Wenn auch die Rechtsschutzgarantie in Spanien als Gewährleistung einer objektiven Gerichtskontrolle verstanden wird, so fragt sich doch, ob die Bedeutung des Grundrechtsschutzes l ein anderes Verständnis verlangt. Wie gezeigt werden konnte, haben die Grundrechte bisher keine (z.B. in der Kontrolldichte) oder nur wenige Veränderungen (im einstweiligen Rechtsschutz) der objektiv-rechtlichen Ausrichtung des Verwaltungsprozesses erreicht. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Grundrechte in Spanien von untergeordneter Bedeutung sind. Ihre vergleichsweise geringe Prägewirkung auf das allgemeine objektiv-rechtliche Gerichtsverfahren hat seine Ursache darin, daß es ein besonderes Gerichtsverfahren gibt, mit dem alle Anforderungen an einen Grundrechtsschutz eigenständig erfiillt werden sollen. Dieses besondere System des Grundrechtsschutzes wird durch Art. 53 Abs. 2 CE gewährleistet. Es soll im folgenden dargestellt werden2 .
Zum Schutz der Grundrechte in Spanien siehe die umfassende Darstellung von Sommermann, Der Schutz der Grundrechte in Spanien nach der Verfassung von 1978, Berlin 1984 sowie L6pez Pina, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 34ff. 2
Umfassend hierzu Garcia Morillo, La protecci6n, S. 19.
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
A. Die Systematik der Grundrechte und ihrer Schranken in der spanischen Verfassung In Deutschland sieht das Grundgesetz kein besonderes Verwaltungsgerichtsverfahren zum Schutz der Grundrechte vor. Wird ein Grundrecht beispielsweise durch einen Verwaltungsakt verletzt, prüfen die Verwaltungsgerichte im ordentlichen Verfahren und aufVerfassungsbeschwerden gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht die Grundrechtsverletzung. Die Spanische Verfassung hingegen sieht:für bestimmte Grundrechte (Art. 14 bis Art. 29 CE) vor den Verwaltungsgerichten ein besonderes Grundrechtsschutzverfahren neben dem ordentlichen gerichtlichen Verfahren vor. Diese Differenzierung zwischen den Grundrechten entspricht auch einer strengen Unterteilung der Grundrechte in der Verfassung in drei verschiedene Grundrechtskataloge. Diese Kataloge unterscheiden sich hinsichtlich der Form und der Intensität des Schutzes der jeweiligen Grundrechte3 : Im zweiten Kapitel der Verfassung sind die Grundrechte "ersten Ranges" geregelt. Nach Art. 53 Abs. 1 CE erfahren sie folgenden Schutz gegen innere Aushöhlung, der dem der Grundrechte in Deutschland weitgehend entspricht4 : Sie binden die gesamte öffentliche Gewalt, d.h. die Verwaltung, die Justizorgane und den Gesetzgeber. Die Begrenzung dieser Rechte kann nur durch solche Gesetze erfolgen, die den Wesensgehalt dieser Grundrechte respektierens und die im Normenkontrollverfahren vor dem Verfassungsgericht kontrolliert werden können. Das zweite Kapitel des Grundrechtsteils der Verfassung hat zwei Abschnitte, und diese Aufteilung wirkt sich auf den Schutz der dort genannten Rechte aus. Der erste Abschnitt (Art. 14 bis 29 CE) regelt die klassisch-liberalen, bürgerlichen Freiheiten6 . Nach Art. 53 Abs. 2 CE zählen noch das Gleich3 Vgl. hierzu und nun folgenden Garrido Falla, EI articulo 53, S. 178f.; L6pez Pina, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 36ff.; Otto y Pardo, Die Regelung, S. 309ff. 4 Übersicht bei Martin Retortillo BaquerlDe Otto, Derechos fundamentales, S. 95ff. Zwn Begriff der "inneren Aushöhlung": Vgl. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 329ff.
S Martin Retortillo BaquerlDe Otto, Derechos fundamentales, S. 125f.; L6pez Pina, Der gerichtliche Grundrechtsschutz, S. 47f.
6 Das Recht aufLeben und auf körperliche Unversehrtheit (Art. 15 CE), Religionsfreiheit (Art. 16 CE), Freiheit der Person (Art. 17 CE), Schutz der Privatsphäre (Art. 18 CE), Freizügigkeit und Ausreisefreiheit (Art. 19 CE), Meinungs-, Presse-, Kunst- und Lehrfreiheit (Art. 20 CE), Versammlungsfreiheit (Art. 21 CE), Vereinigungsfreiheit (Art. 22 CE), Recht auf Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten und
A. Die Systematik der Grundrechte und ihrer Schranken
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heitsgebot (Art. 14 CE) und das Kriegsdienstverweigerungsrecht nach Art. 30 Abs. 2 CE zu dieser Gruppe. Zusätzlich zu den oben genannten Garantien genießen diese Rechte noch folgenden Schutz: Die Ausfiihrungsgesetze müssen als Organgesetze nach Art. 81 Abs. 1 CE verabschiedet werden. Organgesetze sind eine besondere Gesetzesart, die auch in Frankreich bekannt ist' ; sie können nur mit absoluter Mehrheit des Kongresses verabschiedet, geändert oder aufgehoben werden. Das wichtigste an den genannten Grundrechten des ersten Abschnitts ist jedoch der gerichtliche Schutz, der nach Art. 53 Abs. 2 CE durch ein dort vorgesehenes besonderes Verfahren und abschließend durch Verfassungsbeschwerde vor dem Verfassungsgericht gewährt wird. Zum zweiten Abschnitt gehören die in den Artikel 30 bis 38 CE genannten Grundrechte. Diese gewährleisten das Recht auf Arbeit (Art. 35 Abs. 1 CE), das Recht auf die Verteidigung Spaniens (Art. 30 Abs. 1 CE), die Berufswahlund Berufsausübungsfreiheit (Art. 35 Abs. 1 CE), das Recht der Arbeitnehmer und -geber auf kollektive Verhandlungen und auf kollektive Kampfrnaßnahmen (Art. 37 CE), das Eigentumsrecht (Art. 33 Abs. 1) und die Untemehmensfreiheit (Art. 38 CE). Ein Organgesetzvorbehalt besteht hinsichtlich dieser Grundrechte nicht. Der gerichtliche Schutz dieser Grundrechte richtet sich ausschließlich nach Art. 24 Abs. 1 CE, er erfolgt also nur durch die ordentlichen Gerichte im ordentlichen Verfahren8 ; anders als bei Grundrechten des 1. Abschnitts kann eine Verfassungsbeschwerde nicht auf die Verletzung eines Grundrechts des 2. Abschnitts gestützt werden. Schließlich zählen zu den Grundrechten nach dem Verständnis der spanischen Verfassung noch die sogenannten Leitprinzipien der Sozial- und Wirtschaftspolitik im dritten Kapitel des Grundrechtsteil der Verfassung (Art. 39 bis 52 CE)9. Nach Art. 53 Abs. 3 CE liegen die "Anerkennung, die Achtung auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 23 CE), Rechtsschutzgarantie und andere Verfahrensgarantien (Art. 24 und 25 CE), Verbot von Ehrengerichten (Art. 26 CE), schulische Grundrechte und Privatschulfreiheit (Art. 27 CE), Gewerkschaftsfreiheit und Streikrecht (Art. 28 CE), Petitionsrecht (Art. 29 CE); vgl. zur Ausgestaltung dieser Rechte Sommennann, Schutz, S. 139-172; zur Meinungsfreiheit ausführlich Cremades, Das Grundrecht der Meinungsfreiheit in der spanischen Verfassung, Berlin 1994. 7 Art. 6 Abs. 2, 23. Abs. 2, 27 Abs. 3 Französische Verfassung. 8
Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 11.
9 Darunter fallen der Schutz der Familie (Art. 39 CE), Förderung einer wirtschaftlichen Stabilität (Art. 40 Abs. 1 CE), Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz, Förderung der Berufsbildung, Begrenzung der Arbeitszeit, bezahlter Urlaub, Förderung von Erholungsstätten (Art. 40 Abs. 2 CE), Garantie eines öffentlichen Systems sozialer
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
und der Schutz dieser Grundsätze der positiven Gesetzgebung, der Rechtsprechung und dem Handeln der öffentlichen Gewalten zugrunde. Sie können allein vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Übereinstimmung mit den dafür maßgeblichen Gesetzen geltend gemacht werden". Diese Grundrechtsart muß nicht in Form des Organgesetzes konkretisiert werden. Soweit aber der Gesetzgeber diese Normen überhaupt nicht konkretisiert hat, fragt sich, ob diese Grundsätze unmittelbare Wirkung fUr den Bürger haben. Lehre und Rechtsprechung gehen davon aus, daß es sich hierbei um Normen handelt, die allein soziale Interessen der Bürger begründen. Damit fUhrt eine Verletzung dieser Grundsätze zur Klagebefugnis des Bürgers, da es sich um legitime Interessen i.S.d. Art. 24 Abs. 1 CE handeit lO . Ihre Verletzung hingegen bewirkt nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme, da sie nur Leitprinzipien zur Rechtsordnung sindlI. Sie dienen daher allein als Auslegungskriterien fUr die bestehenden verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich anerkannten subjektiven Rechte und anderer objektiv-rechtlicher Normen 12 . Aus Sicht der Rechtsschutzgarantie ist daher vor allem interessant, wie sich der besondere Schutz, der Grundrechte des ersten Abschnitts des zweiten Verfassungskapitels zur Rechtsschutzgarantie verhält.
Sicherheit (Art. 41 CE), Schutz der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der spanischen Arbeitnehmer im Ausland (Art. 42 CE), Recht auf Schutz der Gesundheit/Gewährleistung einer öffentlichen Gesundheitsvorsorge (Art. 43 CE), Recht auf Zugang zur Kultur und Förderung der Wissenschaft und Technik (Art. 44 CE), Recht auf Umwelt/Gewährleistung der vernünftigen Nutzung der Naturreichtümer (Art. 45 CE), Schutz und Förderung des historischen, kulturellen und künstlerischen Erbes der Völker Spaniens (Art. 46 CE), Recht auf Wohnung (Art. 47 CE), Förderung der Beteiligung der Jugend an der Entwicklung Spaniens (Art. 48 CE), Vorsorge, Behandlung und Rehabilitation der körperlich und geistig Behinderten (Art. 49 CE), Alterssicherung (Art. 50 CE), Förderung der Verbraucherorganisationen (Art. 51 CE) und der Berufsverbände (Art. 52 CE). 10 Garrido Falla, EI articulo 53, S. 177; Cainzos Fernandez, Balance de los diez primeros afios, S. 2591; Sanchez Mor6n, Funci6n adrninistrativa, S. 661 Fn. 49; siehe auch oben S. 140. 11 Zur Systematik siehe Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 11; Garrido Falla, EI articulo 53, S. l87f. 12 Fernandez Rodriguez, Los derechos fundamentales, S. 27ff.
B. Gerichtlicher Gnmdrechtsschutz Wld Rechtsschutzgarantie
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B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie Art. 16 der französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte proklamiert, daß "eine Gesellschaft, die die Gewährleistung der Menschenrechte nicht verankert, keine Verfassung hat". Unter diesem Eindruck hat der spanische Verfassunggeber in der Präambel seiner Verfassung betont, alle spanischen Bürger bei der Ausübung der Menschenrechte schützen zu wollen. Schon die "ordentliche" Rechtsschutzgarantie (Art. 24 Abs. 1 CE) schützt Rechte und legitime Interessen. Zu den "Rechten" zählen - wie in Deutschland l - die Grundrechte, die also vor den Verwaltungsgerichten im ordentlichen Verfahren geltend gemacht werden können. Größere Bedeutung rur den Grundrechtsschutz haben jedoch das besondere verwaltungsgerichtliche Verfahren und die Verfassungsbeschwerde 2 . Dazu ergänzt Art. 53 Abs. 2 CE die allgemeine Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE rur die dort genannten Grundrechte3 . Man kann also von einer allgemeinen Rechtsschutzgarantie nach Art. 24 Abs. 1 CE und einer Grundrechtsschutzgarantie nach Art. 53 Abs. 2 CE sprechen. Weiter ergänzt wird die Rechtsschutzgarantie rur bestimmte Grundrechte durch die von Spanien anerkannte4 Individualbeschwerde nach Artikel 34 EMRK vor der Kommission fiir MenschenrechteS, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll.
2
BVerfGE 60, 253 (266). Ruiz Vadillo, EI recurso preferente y sumario, S. 310.
S TS 15. September 1986 Ar. 4675; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 11; Garcia Morillo, La protecci6n, S. 59; Linde Paniagua, Protecci6n de los derechos, S. 470; zur EntstehWlgsgeschichte des Art. 53 vgl. insbesondere Fairen Guillen, EI procedimiento "preferente y sumario", S. 209fT. 3
4 Erklärung Spaniens vom 7. Juni 1981 fiir den Zeitraum vom 1. Juli 1981 bis 14. Dezember 1985, sowie Erklärung Spaniens vom 18. Oktober 1985 (BOE Nr. 292, vom 6. Dezember) fiir einen Zeitraum von fUnf Jahren, gerechnet ab dem 15. Oktober 1985. Diese Erklärung ist stillschweigend um weitere fiInf Jahre verlängert worden.
S Der ständige Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wird nach dem am 11. Mai 1994 auch von Spanien Wlterzeichneten Reform-Protokoll (Nr. 11) an Stelle der bisherigen Organe Kommision, Gerichtshof Wld Ministerkomitee treten. Vgl. zur Reform umfassend Drzemczewski, AndrewlMeyer-Ladewig, Jens, Gnmdzüge des neuen EMRK-Kontrollmechanismus nach dem am 11. Mai 1994 Wlterzeichneten Reform-Protokoll (Nr. 11), EuGRZ 1994, S. 317-372.
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
I. Das besondere Verfahren zum Schutz der Grundrechte nach Art. S3 Abs. 2 CE J. Historischer Hintergrund
Das besondere Grundrechtsschutzverfahren ist das Ergebnis der Vereinbarungen von 1977 von Moncloa6 . Für die Rechtspolitik stand vor dem Hintergrund der zu Ende gehenden Diktatur im Mittelpunkt der "Vereinbarung über die zukünftige juristische und politische Tätigkeit" (Acuerdo sobre el programa de actuacion juridica y politica), daß der Gesetzgeber die in der Verfassung noch festzulegenden Grundrechte entwickeln und schützen sollte7 . Die Grundrechte sollten nicht mehr nur - wie bisher - reine Programmsätze sein, sondern unmittelbar bindende, einklagbare subjektive öffentliche Rechte 8 . Die bisherigen zivil-, straf-, und vor allem verwaltungsgerichtlichen Verfahren genügten dieser Grundrechtskonzeption jedoch nicht; alle Verfahren hatten strukturelle Defizite, die eine umfassende Reform erfordert hätten (und wie dargelegt, immer noch erfordern)9 . Deshalb sollte, angelehnt an Art. 105 der republikanischen Verfassung von 1931, ein Verfahren zum Grundrechtsschutz geschaffen werden, das sich durch seinen Dringlichkeitscharakter auszeichnet 10 . Anders als bei seinem historischen Vorbild sollte dieses Verfahren jedoch nicht vor neuzuschaffenden, eigenständigen Grundrechtsgerichten stattfinden; es sollte vielmehr nur ein besonderes Verfahren vor den bestehenden Gerichten sein.
6 O'Callagham Muiioz, EI recurso preferente, S. 306. Diese Beschlüsse waren das Ergebnis eines auf Initiative des damaligen Ministerpräsidenten Adolfo Suarez im Oktober 1977 erfolgten Treffens der Vertreter aller im ersten demokratisch gewählten Parlament vertretenen Parteien im Regierungspalast von Moncloa. Das Treffen bezweckte noch vor dem Inkraftreten der Verfassung eine Verständigung über die Wirtschafts-, Sozial- und Rechtspolitik: Vgl. hierzu Sommermann, Schutz, S. 78f 7 Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 83. 8 Vgl. umfassend die Ausfilhrungen von Garcia de Enterria, in: La constituci6n corno norma y el Tribunal Constitucional, 3. Aufl., Madrid 1985.
9 Als Vorbilder dienten die Verfassung der 11. Republik sowie der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes: Vgl. O'Callagham Muiioz, EI recurso preferente y sumario, S. 303; ebenso GonzAlez Rivas, La protecci6n constitucional, S. 2466. 10 Vgl. hierzu Reckhorn-Hengemühle, Der spanische "recurso de amparo" , S. 40ff.
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
353
2. Gesetzliche Regelung
Als Folge der Beschlüsse von Moncloa verabschiedeten am 26. Dezember 1978, demnach 3 Tage bevor die Verfassung in Kraft trat, die beiden Kammern der Cortes das Gesetz Nr. 62/1978 über den gerichtlichen Schutz der Grundrechte der Person (Ley de proteccion jurisdiccional de los derechos fundamentales de la persona, LPDF) 11 • Das Gesetz besteht aus drei Abschnitten, von denen jeder eine Gerichtsbarkeit betrifft. Während es die Zivil- und Strafverfahren nur punktuell ändert, vor allem um sie zu beschleunigen, scham es im zweiten Abschnitt (Art. 6 bis 10 LPDF) ein besonderes verwaltungerichtliches Verfahren zur Anfechtung von Verwaltungshandlungen, die Grundrechte des Bürgers verletzen. 3. Die Rechtsnatur des Verfahrens
Das Gesetz ist davon geprägt, daß neben ihm die Verfassung entwickelt wurde. Es sollte nur eine Übergangslösung sein, die den Mängeln der alten ordentlichen Verfahren möglichst schnell abhelfen sollte. Eine abschließende Regelung sollte das besondere Grundrechtsschutzverfahren erst nach dem Erlaß der Verfassung erfahren. Seine rudimentäre Regelung zeigt sich insbesondere in den geschützten Grundrechten. Die Vereinbarungen von Moncloa wollten vorwiegend die "politischen Grundrechte" (Meinungs-, Presse-, Versammlungs-, Vereinigungsfreiheit, die Unverletzlichkeit der Wohnung, etc.)12 geschützt sehen, die während der Diktatur nicht gewährleistet waren. Da man sich über weitere Grundrechte der zukünftigen Verfassung noch nicht geeinigt hatte, wurde das besondere Grundrechtsschutzverfahren auf die politische Grundrechte beschränkt 13 .
II Gesetz 62/1978, vom 26. Dezember, de proteccion jurisdiccional de los derechos fundamentales de la persona (BOE, Nr. 3, vom 3. Januar 1979).
12 Vgl. Garcia Morillo, La protecci6n, S. 74. 13 Garcia Morillo, La protecci6n, S. 74; zum geschichtlichen Hintergrund siehe
Sauca, La provisionalidad, S. 133fI, der die Ansicht vertritt, das Gesetz sei eine Übergangslösung, die sich trotz offensichtlichem Widerspruch zum Verfassungssystem etabliert hätte; so auch Arag6n Reyes, Art. 161 CE, S. 200; Latorre, Diez ailos de jurisprudencia, S. 2095f Die Diskussion, ob es sich um ein vor- pder nach konstitutionelles Gesetz handelt, ist zutreffend durch Sauca, La provisionalidad, S. 146 beendet worden, der darauf hinweist, daß es sich formell um ein nachkonstitutionelles Gesetz. Das Gesetz erschien nämlich im BOE am 3. Januar 1979 und trat erst 20 Tage später in Kraft. 23 Martinez Sori.
3. Teil: Rechtsschutzgarantie \Uld Gnmdrechtsschutz
354
Diese Entwicklung, von der Entstehung der Verfassung und des dortigen Katalogs nur mittelbar beeinflußt, ließ die Frage aufkommen, ob es sich bei dem in der LPDF geregelten Verfahren wirklich schon um das in Art. 53 Abs. 2 CE geforderte handelt. Die Lehre verneint dies l4 , weil der Kreis der zu schützenden Grundrechte nach Art. 53 Abs. 2 CE wesentlich weiter als der nach der LPDFIS ist und weil das in Art. 53 Abs. 2 CE genannte summarische Verfahren nicht voll verwirklicht wurde: Die LPDF hat das ordentliche Verfahren nur in einigen Punkten beschleunigt16 . Dies entspricht auch der Vorstellung des späteren Gesetzgebers, wie die Übergangsbestimmung Nr. 2 Abs. 2 des Verfassungsgerichtsgesetz (LOTC) erkennbar läßt 17 . Danach ist das Verfahren nach der LPDF nur solange das Vorverfahren für die Verfassungsbeschwerde, "bis die Vorgaben des Art. 53 Abs. 2 CE zur Schaffung eines gerichtlichen Verfahrens zum Schutz der Grundrechte und -freiheiten erfüllt sind". Der Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, ein Verfahren zu schaffen, daß dem effektiven Schutz der Grundrechte dient, ist also nach wie vor aktuell.
4. Die subsidiäre Anwendung der LfCA und die Rechtsschutzgarantie Folglich halten Rechtsprechung und der Großteil der Lehre das besondere Grundrechtsschutzverfahren für eine Variante des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens l8 . Der Umstand, daß die LJCA subsidiär gilt 19 , belegt die Richtigkeit dieser Ansicht. Das Verfahren der LJCA dient allerdings, wie dargelegt20, primär dem objektiven Rechtsschutz. Im folgenden sollen daher die Bereiche unter dem Blickwinkel des Grundrechtsschutzes untersucht werden,
14 Garrido Falla, Art. 106 CE, S. 1465; Sala, Stell\Ulgnahme in EL PAIS vom 8. Februar 1994, S. 18. IS
Garcia Morillo, La protecci6n, S. 73f.
16 Garcia Morillo, La protecci6n, S. 89; O'Callagham Muftoz, EI recurso preferente y sumario, S. 306; Razquin Lizarraga, Agotamiento de la viajudicial, S. 425. 17 Siehe auch Carrillo, La aplicaci6njurisdiccional, S. 84. 18 S TS 18. Dezember 1990 Ar. 9163 vom Jahrband 1992; S TS vom 14. August 1979 Ar. 4676; S TS 27. Oktober 1981 Ar. 4688; S TS 10. Oktober 1988 Ar. 7467; so auch S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ 5, in: JC 18, S. 269-280 (279f.); Martinez L6pezMuftoz, Cuesti6n de fondo, S. 41; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 16; a.A. hingegen Garcia Manzano, Elambito de protecci6n, S. 210.
19 GonzAlez Salinas, Proceso administrativo, S. 27 m.w.N. 20 Siehe S. 379.
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
355
die aufgrund mangelnder ausdliicklicher Regelung im LPDF eine Regelung durch die LJCA erfahren haben. a) Zuständigkeit der Gerichte Zur Durchfiihrung des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens wurden keine eigenen (Grundrechts-) Gerichte bzw. Kammern geschaffen. Die Zuständigkeit der Gerichte bestimmt sich nach der LJCA, bzw. der LOpj21. Grundsätzlich zuständig sind die einfachen Gerichte, d.h. bei verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten erster Instanz in der Regel die Obersten Gerichtshöfe der Autonomen Regionen. Wie bereits dargestellt, verletzt die vollkommen unzureichende Zahl der Gerichte die Rechtsschutzgarantie. Diese Verletzung wird zwar durch den Dringlichkeitscharakter dieses Verfahrens gemildert. Wie die Praxis jedoch gezeigt hat, ist die Zahl der Klagen beim Grundrechtsschutzverfahren so gewachsen, daß die wenigen Gerichte nicht ausreichen. Die Verfahren haben sich erheblich verzögert und damit das urspliingliche Anliegen des Gesetzgebers, die schnelle Entscheidung der Gerichte, zunichte gemacht. b) Klagebefugnis Art. 28 ff. LJCA gelten auch für die Klagebefugnis in diesem Verfahren. Das bedeutet, daß auch die oben dargelegte22 Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofes zu beachten ist, die den Begriff "direkte Interessen" durch den weiteren des "legitime Interessen" ersetzt hat23 . Somit sind nicht nur die unmittelbar und mittelbar betroffenen natürlichen und juristische Personen klagebefugt24, sondern auch die Verbände, die die 21 S TS 30. Juni 1983 Ar. 2380; S TS 7. November 1984 Ar. 5409; A TS 13. Mai 1985 Ar. 2351; S TS 5. Juni 1985 Ar. 4738. 22 Siehe S. 140. 23 S TC 60/1982 vom 11. Oktober FJ 1, in: JC 4, S. 248-259 (254f.); A TC 655/1984 vom 7. November 1984, FJ. 2, in: JC 10, S. 1018-1021 (1020); GonzAlez Rivas, La protecci6n constitucional, S. 2471; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 100. 24 S TC 60/1982, vom 1l. Oktober, FJ. 3, in: JC 4, S. 248-259 (256); Cainzos Femandez, Balance de los diez primeros ailos, S. 2602f.; Garcia Morillo, La protecci6n, S. 98f; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 100; Garcia Morillo, EI amparo judicial, S. 43 23'
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
Interessenvertretung zum Vereinszweck haben2S . Bezüglich der Verordnungen wird die Klagebefugnis nicht eingeschränkt, da Art. 28 Abs. llit b) LJCA aufgrund Verstoßes gegen Art. 24 Abs. 1 CE unanwendbar ist26 . Auch im besonderen Grundrechtsschutzverfahren ist nur klagebefugt, wer einen gegenwärtigen Nachteil geltend macht, ein vorbeugender Rechtsschutz ist daher auch in Form einer Fortsetzungsfeststellungsklage - ausgeschlossen27 . Grundrechte können demnach in Spanien nicht nur von ihren Trägern geltend gemacht werden, sondern auch von Dritten, die durch die Verletzung des Grundrechtes mittelbar einen Nachteil erleiden. Dies steht in Widerspruch zum Grundrechtsschutz in Deutschland, wo nur der Grundrechtsträgers selbst die Verletzung rügen kann. Ein weiterer Unterschied des Grundrechtsschutzes in Spanien besteht auch darin, daß Art. 7 Abs. 6 LPDF und Art. 8 Abs. 4 LPDF eine Beteiligung der Staatsanwaltschaft zum Schutz der Gesetzmäßigkeit vorsehen28 . c) Klagegegenstand Klagegegenstand kann im besonderen Grundrechtsschutzverfahren wie im ordentlichen Verfahren allein eine bestehende Verwaltungsmaßnahme (acto previo) sein29 . Die Form der Verwaltungsmaßnahme ist unbedeutend, sei es eine Einzelmaßnahme oder eine untergesetzliche Rechtsvorschrift. Zwar nennt Art. 6 Abs. 1 LPDF untergesetzliche Rechtsvorschriften selbst nicht als Klagegegenstand30 , gleichwohl werden sie kontrolliert, weil Art. 53 Abs. 2 CE
25 Ständige Rspr.: S TS 31. März 1982 Ar. 1307; S TS 8. Juli 1983 Ar. 3918; S TS 13. Januar 1988 Ar. 269; Gonzalez Salinas, Proceso administrativo, S. 107. 26 S TS 14. August 1979 Ar. 4676; S TS 7. Juli 1983 Ar. 3914; S TS 4. November 1983 Ar. 5441; S TS 5. November 1983 Ar. 5518; siehe S. 160ff 27 Beschluß der Audiencia Territorial von Zaragoza vom 26.12.1988, wiedergegeben bei Garcfa Manzano, EI Ambito de protecci6n, S. 211[; a.A. Garcfa Manzano, EI Ambito de protecci6n, S. 211 [ Dieses war offenbar auch die Grundlage fiIr die Entscheidung der 4. Kammer der Audiencia Territorial von Madrid vom 7. April 1988, wiedergegeben bei Garcfa Manzano, EI Ambito de protecci6n, S. 212, die das Verfahren eröffnete, obwohl nach Festlegung von Mindestdiensten im Prado-Museum ein dortiger Streik abgesagt wurde. 28
S TS 29. Juli 1983 Ar. 4005.
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Rodriguez Garcfa, EI procedimiento especial, S. 16.
30
Rodriguez Garcfa, EI procedimiento especial, S. 16.
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und Art. 43 Abs. 1 LOTC das überprüfbare Verwaltungshandeln nicht einschränken31 . Weiterhin können die Gerichte Grundrechtsverletzungen durch Rea1akte3 2 und durch eine vermutete Verwaltungsmaßnahrne überprüfen33 . Hinsichtlich des Schweigens ist die Frist, die verstreichen muß, damit die vermutete Verwaltungsmaßnahrne wirksam wird, nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 LPDF auf 10 Tage nach AntragsteIlung begrenzt. Danach kann der Bürger, ohne die behördliche Bescheinigung zu beantragen, die vermutete Maßnahme vor Gericht anfechten34 . Vorbereitungsakte sind nach h.M. wie im ordentlichen Verfahren35 auch im besonderen Grundrechtsschutzverfahren nur insoweit überprüfbar, als sie unmittelbar Grundrechte verletzen36 . Auch die untergesetzlichen Handlungen legislativer Organe können im besonderen Grundrechtsschutzverfahren überprüft werden. Art. 42 LOTC erlaubt nämlich eine Kontrolle dieser Akte vor dem Verfassungsgericht, wenn der Rechtsweg i.S.d. Art. 245 Abs. 2 LOPJ erschöpft worden ist37 . Zum Rechts-
31 S TC 3111984, vom 7. März, FJ. 4, in: JC 8, S. 359-382 (375); S TC 31/1984 vom 7. März FJ. 4, in: JC 8, S. 359-382 (375); S TC 141/1985 vom 22. Oktober, FJ. 2, in: JC 13, S. 207-217 (215f.); schon S TS 14. August 1979 Ar. 4676; A TS 5. Juni 1985 Ar. 3173; S TS 17. Oktober 1986 Ar. 5310; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 102; GonzAlez Rivas, Reflexiones sobre algunos criterios, S. 262;Garcia Morillo, La protecci6n, S. 103; Femandez Segado, Sistema de protecci6n, S. 11439; kritisch demgegenüber hingegen S TC 25/1989 vom 3. Februar, FJ. 2, in: JC 23, S. 250-259 (256).
32 Zu Realakten S TS 3. Dezember 1982 Ar. 6965; S TS 3. Dezember 1982 Ar. 7512; S TS 5. Februar 1985 Ar. 797; Garcia Manzano, Elambito de proteccion, S. 205 schlägt insoweit vor, den Wortlaut der Art. 41 TI und 43 I der LOTC, die Verordnungen, Rechtsakten oder einfachen Realakten betreffen, analog anzuwenden. 33
Garcia Manzano, EI ambito de protecci6n, S. 207.
S TS 15. Juni 1983 Ar. 3320; S TS 7. November 1984 Ar. 5408; S TS 18. März 1986 Ar. 1136; S TS 26. Oktober 1987 Ar. 6914; A TS 31. Januar 1983 Ar. 483. 34
35 S TS vom 8. Juli 1981, S TS 9. Februar 1982, S TS 29. Juli 1983 und vom S TS 9. Februar 1988 Ar. 1285; A TS 18. Oktober 1983, 8. Mai 1985 und A TS 14. Oktober 1985; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 17; kritisch hierzu Carrillo, La aplicacionjurisdiccional, S. 102; Garcia Morillo, La proteccion, S. 106f. 36 S TS vom 29. Juli 1983 und S TS 9. Februar 1988 Ar. 1285; A TS 8. Mai 1985 und A TS 14. Oktober 1985.
37
S TC 5/1986 vom 21. Januar 1986, FJ. I a), in: JC 14, S. 32-39 (37).
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
weg zählt auch das besondere Grundrechtsschutzverfahren. Eine Kontrolle gesetzlicher Bestimmungen ist jedoch ausgeschlossen38 . d) Klageziel Zwar soll im Mittelpunkt des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens ausschließlich der Schutz und damit die Verwirklichung der Grundrechte stehen. Dem steht allerdings der Grundsatz des streng kassatorischen Charakters des ordentlichen Verfahrens entgegen. Das Urteil kann zwar auf die Feststellung der Grundrechtsverletzung gerichtet sein und somit auf die Wiederherstellung der grundrechtskonformen Situation durch die Aufhebung der Verwaltungsmaßnahme39 . Besteht aber die Grundrechtsverletzung in der Verweigerung einer auch bislang nicht gewährten Leistung, so kann das Gericht die Verwaltung nicht zu einem Handeln verpflichten; dem stünde der Gewaltenteilungsgrundsatz entgegen. Dies mindert den Schutz der Grundrechte, insbesondere soweit sie Leistungsrechte sind und damit den status positivus des Bürgers dienen, erheblich. Diese Beschränkung entsprach zwar den Vorstellungen der in den Beschlüssen von Moncloa vertretenen Gruppen, ein Verfahren zum Schutz der klassischen liberal-bürgerlichen Grundrechte einzurichten, d.h. von Abwehrrechten. Diese Grundrechte sind verwirklicht, wenn die grundrechtsverletzende Maßnahme aufgehoben wird. Bei Rechten, die den status positivus des Bürgers gewährleisten sollen, ist dieser Schutz unzureichend. Das besondere Grundrechtsschutzverfahren dient nur dem Primärrechtsschutz; der Bürger kann somit keinen Ersatz rur die ihm durch die Grundrechtsverletzung entstandenen materiellen Schäden fordern4o . Dieses ist gerechtfertigt, weil das besondere Grundrechtsschutzverfahren nur dazu dient, schnellstens die Ausübung des Grundrechtes zu sichern; ein sekundärer
38 S TS 22. Dezember 1982 Ar. 8077; siehe zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde unten S. 372. 39 S TS 12. Juni 1986 Ar. 4351; S TS 30. Januar 1989 Ar. 405; damit entspricht es auch Art. 55 Nr.l a LOTe; Garcia Morillo,La protecci6n, S. 143; Garcia Manzano, EI ambito de protecci6n, S. 207. 40 S TS 12. Juni 1986 Ar. 4351; S TS 2. Oktober 1987 Ar. 6692 und S TS 14. Januar 1988 Ar. 277.
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Rechtsschutz durch Ersatzforderungen würde dessen Dringlichkeitscharakter schmälern41 . e) Beweisverfahren Im Grundsatz gelten die Bestimmungen zum Beweisverfahren des ordentlichen Verfahrens42 . Also wird auch das besondere Grundrechtsschutzverfahren durch den Verhandlungsgrundsatz geprägt43, der, wie dargelegt, die Kontrolldichte und damit den Rechtsschutz mindert. Daran ändert auch nichts die notwendige Beteiligung des Staatsanwalts (Ministerio Fiscal) nach Art. 8 Abs. 4 LPDF. 5. Die Eigenheiten des besonderen Grundrechtsschutzverjahrens Die aus der LJCA übernommenen Prinzipien, die den Rechtsschutz mindern, werden durch zwei Eigenheiten des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens ergänzt, bei denen der Gesetzgeber bewußt vorn bestehenden Verwaltungsprozeß abgewichen ist44 : Das Verfahren ist summarisch und vorrangig. a) Der summarische Charakter aa) Der Begriff des summarischen Verfahrens
Was hier "summarisch" (sumariedad) heißt, ist umstritten. Einige Autoren und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts gehen davon aus, daß der Verfassunggeber bei Art. 53 Abs. 2 CE den begrifflichen Unterschied zwischen "summarisch" und "vorrangig" verkannte. Aus diesem Grunde seien die in Art. 53 Abs. 2 CE genannten Verfahrensattribute "summarisch" und "vorrangig" Synonyrne4S . Also handele es sich bei dem rein zeitlich verkürzten Verfahren der LPDF nicht um das verfassungsrechtlich geforderte summarische46 . Dagegen verstehen andere Urteile unter "summarisches" Verfah41 Garda Marilla, La protecci6n, S. 144. 42 S TS 27. April 1988 Ar. 3431. 43 S TS 10. Februar 1988 Ar. 1299. 44
Vgl. Carrillo, La aplicaci6njurisdiccional, S. 85ff.
45 S TC 64/1992, vom 29. April, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1992/1, S. 839-850 (848); 8111992, vom 28. Mai, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1992/2, S. 195-204 (203); Fairen Guillen, EI procedimiento "preferente y sumario", S. 244. Vgl. S TC 84/1987, vom 29. Mai, FJ. 5, in: JC 18, S. 269-280 (279); Garda Morillo, La protecci6n, S. 88. 46
Garda Morillo, La protecci6n, S. 90.
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
ren ein in seinem Gegenstand begrenztes47 . Summarisch heiße, daß im besonderen Grundrechtsschutzverfahren die Verwaltungshandlung nur unter dem Blickwinkel der Grundrechtsverletzung geprüft werde, nicht aber - wie im ordentlichen Verfahren - die gesamte objektive Legalität. Für diese Ansicht sprechen die unterschiedliche Wortwahl der Bestimmung und der Umstand, daß das besondere Grundrechtsschutzverfahren nach der LPDF auf den geschützten Gegenstand begrenzt ist48 . bb) Die durch das besondere Grundrechtsschutzverfahren geschützten Grundrechte Kraft Art. 53 Abs. 2 CE schützt das besondere Grundrechtsschutzverfahren die in Abschnitt 1 des Kapitels 2 anerkannten Freiheiten (Art. 15 bis 29 CE) und das Gleichheitsrecht des Art. 1449 . Diese Grundrechte und öffentliche Freiheiten entsprechen weitgehend dem deutschen Grundrechtskatalog50 . Art. 1 Abs. 2 LPDF erfaßt jedoch nur die für die politische Betätigung bedeutsamen Grundrechte (Meinungs- sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Brief- und Postgeheimnis, die Religionsfreiheit, die Freizügigkeit, die Unverletzlichkeit der Wohnung und die persönliche Freiheit). Er reduziert im Vergleich zu den Verfassungsvorgaben den Schutzumfang also wesentlich. 47 S TS 20. Januar 1987 Ar. 18; S TS 9. April 1987 Ar. 2929; S TS 30. April 1986 Ar. 1811; S TS 10. November 1987 Ar. 8116. 48 Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 85; GonzAlez Perez, Derecho Procesal Constitucional, S. 298; Fairen Guillen, EI procedimiento "preferente y sumario", S. 248f.; Linde Paniagua, La instauraci6n deI principio, S. 574 und S. 578f; Martinez L6pez-Muiloz, Cuesti6n de fondo, S. 40; Prieto Sanchis, EI sistema de protecci6n, S. 416f; O'Callagham Muiloz, EI recurso preferente y sumario, S. 307; Razquin Lizarraga, Agotamiento de la via judicial, S. 427; Sommermann, Schutz, S. 296. 49 S TC 27/1981 vom 20. Juli HlO, in: JC 20, S. 166-189 (188); 10/1989 vom 24. Januar, H 3, in: JC 23, S. 71-79 (79); S TS 12.Juni 1984; S TS 6. Februar 1985 Ar. 469; S TS 27. September 1986 Ar. 4654; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 11 f; Carrillo, La aplicaci6njurisdiccional, S. 93. 50 So gehören dazu das Recht auf Leben und auf körperliche und moralische Unversertheit (Art. 15 CE); die weltanschauliche und religiöse Freiheit (Art. 16 CE); die Freiheit der Person (Art. 17 CE); der Schutz der Privatsphäre (Art. 18 CE); die Freizügigkeit und die Ausreisefreiheit (Art. 19 CE); die Meinungs-, Kunst-, Lehr und Rundfunkfreiheit (Art. 20 CE); die Versammlungsfreiheit (Art. 21 CE); die Vereinigungsfreiheit (Art. 22 CE); das Partizipationsrecht und das recht auf gleichen Zugang zu den öffentlichen Ämtern (Art. 23 CE); die Rechtsschutzgarantie und andere justiziellen Grundrechte (Art. 24 und 25 CE); das Verbot von Ehrengerichten (Art. 26 CE); das Recht auf Bildung (Art. 27 CE); Gewerkschaftsfreiheit und Streikrecht (Art. 28 CE); das Petitionsrecht (Art. 29 CE); vgl. ausfilhrlich zu den einzelnen Grundrechten Sommermann, Schutz, S. 142fI
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
361
Dies beruht, wie gesagt5 1 , darauf, daß dieses Gesetz nur eine Übergangslösung sein sollte. Der Gesetzgeber war sich des provisorischen Charakters bewußt und ennächtigte in der Schlußbestimmung der LPDF die Regierung, bis 1980 weitere Grundrechte durch eine Gesetzesverordnung in den Schutzbereich des Verfahrens nach der LPDF aufzunehmen. Dies geschah am 20. Februar 1979 rur das Recht auf Ehre, auf persönliche und familiäre Privatsphäre, das Recht am eigenen Bild, das Geheimnis der Telekommunikation, die Freizügigkeit, die Ausreisefreiheit, die Lehrfreiheit und die Gewerkschaftsfreiheit52 . Es wurden aber noch immer nicht alle der in Art. 53 Abs. 2 genannten Grundrechte von dem besonderen Grundrechtsschutzverfahren erfaßt. Erst die Übergangsbestimmung Nr. 2 Abs. 2 des Organgesetzes zum Verfassungsgericht vom 3. Oktober 1979 (LOTC) erstreckte den Schutzbereich dieses Verfahrens auf alle Grundrechte des Ersten Abschnitts des Zweiten Kapitels der Verfassung und auf das in Art. 14 genannte Gleichheitsprinzip53. Der Gesetzgeber hat dann sogar den Katalog über die Grenzen des Art. 53 Abs. 2 CE hinaus erweitert, als er 1984 das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen (Art. 30 Abs. 2 CE), das bis dahin nur durch die Verfassungsbeschwerde geschützt wurde (Art. 53 Abs. 2 Satz 2 CE) in den Anwendungsbereich des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens aufnahm 54 . Ferner wird das in Art. 13 Abs. 4 CE gewährleistete Recht auf Asyl entgegen dem Wortlaut des Art. 53 Abs. 2 CE ebenfalls durch das besondere Verfahren geschützt55 . Das besondere Grundrechtsschutzverfahren wird nach der Asyl-
51
Siehe S. 353.
52 Durch ein Decreto legislativo 34211979: O'Callagham Mui'ioz, EI recurso preferente y sumario, S. 305; Hofmann, Landesbericht Spanien, S. 159 Fn. 25; es wurde heftig diskutiert, ob eine solche Regelung nicht der Fonn des Organgesetzes nach Art. 53 Abs. 1 i.Y.m. Art. 81 CE bedurft hätte: Vgl. dazu Garcia Morillo, La protecci6n, S. 75. 53 Vgl. dazu schon Cano Mata, Actos administrativos tacitos, S. 882f.; GonzA1ez Salinas, Proceso administrativo, S. 69f. 54 LO 811984 vom 26. Dezember 1984 (BOE Nr. 311, vom 28. Dezember); Garcia Manzano, EI ambito de protecci6n, S. 202; ebenso GonzAlez Rivas, La protecci6n constitucional, S. 2468; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 11; Hofmann, Landesbericht Spanien, S. 159 Fn. 25; insbesondere jedoch Foraster Serra, Protecci6n jurisdiccional, S. I 98ff. 55 Dieses erfolgte durch Art. 21 Abs. 1 i.V.m. der Ersten Übergangsbestimmung des Asylverfahrensgesetz 511984 vom 26. März; Garcia Manzano, EI ambito de protecci6n, S. 202; Sauca, La provisionalidad de la ley 62n8, S. 172.
362
3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
gesetzreform von 199456 aber nur noch bei Asylverfahren angewandt, die nach einer behördlichen Vorprüfung für zulässig erachtet worden sind57 . Diese Erweiterung der besonders geschützten Grundrechte über den in Art. 53 Abs. 2 CE genannten Katalog ist unbestritten zulässig, weil Art. 53 Abs. 2 CE nur ein Mindestmaß festlegt58. ce) Die Abgrenzung Grundrechtsprüfung - Legalitätsprüfung Die Gerichte entscheiden im besonderen Grundrechtsschutzverfahren allein über Grundrechtsfragen59 . Ob eine Grundrechtsfrage vorliegt, entscheiden die Richter von Amts wegen60 . Bei der Zulässigkeitsprüfung im besonderen Grundrechtsschutzverfahren sind der Oberste Gerichtshof6 1 und das Verfassungsgericht62 sehr restriktiv. Das Verfahren hat nach Ansicht des Verfassungsgerichts einen Ausnahmecharakter, der durch die außerordentlichen Vorteile, die es dem Bürger im Vergleich zum ordentlichen Verfahren gewährt (einstweiliger Rechtsschutz, Schnelligkeit des Verfahrens) gerechtfertigt
56 Gesetz 9/1994, vom 19. Mai, de modificaci6n de la Ley reguladora del derecho de asilo y de la condici6n de refugiado (BOE Nr. 122, vom 23. Mai). 57 Geplant war jedoch, das gerichtliche Asylverfahren gänzlich aus dem beschleunigten Verfahren herauszunehmen: Garcia MoriIlo, La protecci6n, S. 82. 58 Sauca, La provisionalidad de la ley 62/78, S. 144 Fn.20. 59 S TC 98/1988, vom 31. Mai, FJ. 3, in: JC 21, S. 111-121 (119):
"AI Tribunal Constitucional concieme determinar si han sido 0 no vulnerados los derechos fundamentales de los ciudadanos pero no puede ni debe decidir sobre los restantes derechos subjetivos de naturaleza civil 0 administrativa que los ciudadanos hagan vertido? en los procesos seguidos ante los Tribunales de Justicia". Prieto Sanchis, L., EI si sterna de protecci6n de los derechos fundamentales: el articulo 53 de la Constituci6n, ADH 2 (1983) S. 416f.; Razquin Lizarraga, Agotamiento de la via judicial previa y coexistencia del proceso especial de la Ley 62/78 Y el contenciosoadministrativo ordinario, REDA 67 (1990), S. 423-462 (427). 60 S TC 37/1982, vom 16. Juni 1982, FJ. 2, in: JC 3, S. 453-461 (459). 61 Dazu zählen insbesondere folgende Entscheidungen: S TS 14. August 1979; S TS 21. April und S TS 30. Juli 1980; S TS 14. Mai 1981; S TS 8. Juli 1981, S TS 15. September 1981; S TS 27. Oktober 1981; A TS 22. Juli 1981, S TS 5. Januar 1982; S TS 7. Januar 1982, S TS 15. Januar 1983, S TS 9. Juni 1983; S TS 7. Juli 1983, S TS 10. Dezember 1983 und S TS 25. September 1984, S TS 17. Januar 1990 Ar. 79; S TS 25. Juni 1988 Ar. 4728; S TS 20. Dezember 1990 Ar. 10557.
62 S TC 37/1982 vom 16. Juni FJ 1 und 2, in: JC 3, S. 453-461 (458),24/1983 vom 6. April FJ. 2, in: JC 5, S. 252-261 (259),84/1987 vom 29. Mai FJ. 5, in: JC 18, S. 269-280 (279), 34/1989 vom 14. Februar FJ 3, in: JC 23, S. 350-358 (356) und 98/1989 vom 1. Juni FJ 2, in: JC 24, S. 243-267 (257).
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
363
ist63 . Daher könne es nicht im Gutdünken des Bürgers stehen, ob er dieses Verfahren in Anspruch nimmt64 , so daß stets geprüft werden muß, ob das Verfahren primär dem Schutz des beeinträchtigten Grundrechtes dient oder aber dem Schutz eines einfachgesetzlich bestimmten Rechtes oder Interesses65 . Das Verfahren dient dem Grundrechtsschutz, wenn der Bürger unmittelbar, persönlich und wesentlich beeinträchtigt ist66 . Der Bürger muß daher rur die Zulässigkeit seiner Klage qualifiziert darlegen, daß die Verletzung eines Grundrechtes möglich ist67 . Nachweisen muß er die Verletzung nicht; dies ist Frage der Begründetheit68 . Diese strikte Trennung zwischen Grundrechtsprüfung und ordentlicher Rechtmäßigkeitsprüfung entspricht der Trennung, die aus der Verfassungsgerichtsbarkeit bekannt ist. Sie ist schwierig durchzuhalten, wenn Grundrechte durch gesetzliche Maßnahmen verletzt werden69 . In diesen Fällen findet regelmäßig eine inzidente Rechtmäßigkeitskontrolle statt, soweit sie zur Feststellung der Grundrechtsverletzung notwendig ist70 . Vereinzelt setzen die Gerichte aber auch das besondere Grundrechtsschutzverfahren aus und warten die Überprüfung der einfachen Legalität im Rahmen des ordentlichen Verfahrens ab7l . Eine Aussetzung widerspricht jedoch der Ziel richtung des besonderen 63
Garcia Morillo,La protecci6n, S. 7lf.
64
S TC 3711982, vom 16. Juni, in: JC 3, S. 453-461.
65
Nachweise bei Gonzalez Salinas, Proceso administrativo, S. 40ff.
66
Carrillo, La aplicaci6njurisdiccional, S. 88.
A TS 14. Januar 1986 Ar. 33; S TS 11. März 1983. Ausdrucklich dazu S TS 13. Januar 1986 Ar. 26 und S TS 14. Januar 1986 Ar. 30; S TS 13. April 1987 Ar. 2939; Das Verfassungsgericht hat dies in folgenden Entscheidungen bekräftigt: S TC 37/1982 vom 16. Juni FJ 1 und 2, in: JC 3, S. 453-461 (458); S TC 24/1983 vom 6. April FJ. 2, in: JC 5, S. 252-261 (259); S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ. 5, in: JC 18, S. 269-280 (279); Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial de protecci6n, S. 15; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 92f.; Razquin Lizarraga, Agotarniento de la via judicial previa, S. 438; Gonzalez Salinas, Proceso administrativo, S. 45. 67
68
Razquin Lizarraga, Agotarniento de la viajudicial, S. 427.
Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 91; dazu zählen insbesondere die Fremdenrechte, wie z.B. Asylrecht nach Art. 13 N CE. 69
70 S TS vom 23.Februar 1987 Ar. 607; S TS 3. April 1987 Ar. 2857; S TS 2.~Fe bruar 1989 Ar. 777; S TS 18. Februar 1989 Ar. 1067; Garcia Manzano, EI ämbito de protecci6n, S. 207; Garcia Morillo, La protecci6n, S. 129
71
So offensichtlich der S TS 12. Januar 1989 Ar. 165.
364
3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Gnmdrechtsschutz
Grundrechtsschutzverfahrens, das eine möglichst schnellen und effizienten Schutz der Grundrechte ermöglichen will. Die Rechtmäßigkeitskontrolle darf aber nicht Schwerpunkt der gerichtlichen Kontrolle im besonderen Grundrechtsschutzverfahren sein72. So kann das Gericht prüfen, ob das Gleichheitsgebot dadurch verletzt worden ist, daß ein Gesetz bestimmte Anforderungen an die Eintragung von Ausländern in das Arztregister stellt73 . Eine Verletzung des Willkürverbotes nach Art. 9 Abs. 3 CE, das eine Ausprägung des Gleichheitsgebotes ist, ist im besonderen Grundrechtsschutzverfahren nicht kontrollierbar74 . Die Willkürprüfung erfordert eine detaillierte Prüfung der einfachgesetzlichen Rechtslage, die dem summarischen Charakter des Verfahrens widerspricht. Daher wird auch das Ermessen, insbesondere das Planungsermessen75 , im besonderen Grundrechtsschutzverfahren nicht geprüft76 . b) Der Vorrang des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens "Vorrangigkeit" (prejerencia) heißt hier, daß die Fälle des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens zeitlich absoluten Vorrang genießen77 . Das Ziel, ein Verfahren zu schaffen, das schnell den erwünschten Rechtsschutz gewährt, spiegelt sich darin wider, daß folgende Regeln, die das ordentliche Verfahren erheblich verzögern und teilweise zum Versagen des Rechtsschutzes fUhren, im besonderen Grundrechtsschutzverfahren abweichen:
72
S TS 19. Februar 1991 Ar. 3176.
73
S TS 4. Oktober 1984 Ar. 5596.
74
S TS 12. Juni 1984 Ar. 3200
75
TS 9. September 1988 Ar. 6608.
76 S TS vom 30. Januar 1989 Ar. 405; A TS 17. Januar 1990 Ar. 79; zu den Ausnahmen S TS vom 30. Januar 1989 Ar. 405. 77 Dieses ist vom Verfassungsgericht besonders betont worden: S TC 109/1985 vom 8. Oktober, FJ. 4, in: JC 13, S. 100-116 (110) und ATC 655/1984, vom 7. November, FJ. 2, in: JC 10, S. 1018-1021 und A TC 324/1988 vom 14. März, FJ.3, in: JC 20, S. 1576-1582 (1580) sowie S TC 5011991, vom 11. März FJ. 5, in: Rep. Ar. 199111, S. 542-555 (554); S TS 3. November 1982 Ar. 6584; O'CaIlagham Mui'i.oz, EI recurso preferente y sumario, S. 307; Garcia MoriIlo, La protecci6n, S. 84f.; Fermindez Segado, Sistema de protecci6n, S. 11437.
B. Gerichtlicher Gnmdrechtsschutz Wld Rechtsschutzgarantie
365
So ist ein Vorverfahren nach Art. 7 Abs. 1 LPDF zwar möglich, aber anders als im ordentlichen Verfahren nicht zwingend vorgesehen78 ; die Einlegung eines Verwaltungsrechtsmittels würde den Beschleunigungszweck gefahrden79 . Weiter sind alle Fristen stark verkürzt worden. Die Klagefrist beträgt nur zehn Tage nach der Bekanntgabe der Verwaltungsmaßnahrne (Art. 8 Abs. 1 LPDF). Unverzüglich nach Einreichung der Klage wird das zuständige Verwaltungsorgan nach Art. 8 Abs. 2 LPDF "telegraphisch und mit Hinweis auf die Dringlichkeit aufgefordert", binnen fiinf Tagen Stellung zu nehmen. Nach Ablauf dieser Frist werden dem Kläger nach Art. 8 Abs. 4 LPDF die Erwiderung und andere notwendige Vorgänge vorgelegt, damit er binnen weiterer acht Tage seinen konkreten Klageantrag (demanda) formuliert und das notwendige Beweisrnaterial zusammenträgt. Sein Antrag wird nach Art. 8 Abs. 4 LPDF sofort an die Staatsanwaltschaft, an den Vertreter der Behörde und an andere Beigeladene weitergeleitet, damit sie binnen weiterer acht Tage Einwendungen erheben können. Am Tag darauf entscheidet das Gericht gemäß Art. 8 Abs. 6 LPDF über die Eröffnung des Beweisverfahrens, das höchstens 20 Tage dauern darf!° . Nach dem Beweisverfahren entscheidet das Gericht binnen dreier Tage. Faßt man die Fristen zusammen, so dürfen nach den gesetzlichen Vorgaben zwischen der Bekanntgabe des Verwaltungsmaßnahme und der Urteilsverkündung höchsten 54 Tage vergehen. Obwohl diese Fristen zwingend sind und einen absoluten Vorrang vor anderen Fristregelungen in anderen Verfahren haben 81 , waren die Gerichte von Anfang an wegen ihrer großen Arbeitslast nicht imstande, sie einzuhalten82 .
78 S TS 3. November 1982 oder 1983 Ar. 6584 Wld S TC 34/1989 vom 14. Februar FJ 3, in: JC 23, S. 350-358 (356); Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 93; Cano Mata, La Ley de Protecci6n, S. 48; GonzAlez Salinas, Proceso administrativo, S. 90f. 79
Garcia Morillo, La protecci6n, S. 113.
80 Das Gesetz selbst sieht keine Vorprüfung der Zulässigkeit vor. Dennoch hat der Oberste Gerichtshof in vereinzelten, offenkwtdig WlZUlässigen Fällen Klagen wegen Unzulässigkeit abgewiesen Wld das Beweisverfahren nicht eröffnet: A TS 19. Dezember 1986 Ar. 7171; S TS 23. Mai 1989 Ar. 3834; 19. Oktober 1989 Ar. 6982. 81
S TS 27. Januar 1989 Ar. 359.
82 Es stellt sich die Frage, ob die Verkürzung dieser Ausschlußfristen eine VerletZWlg der Rechtsschutzgarantie darstellt, da der Bürger nur wenig Zeit hat, um sein Rechtsersuchen zu formulieren Wld das Beweismaterial zusammenzutragen. Das Verfassungsgericht hat die Verfassungsmllßigkeit dieser Fristen angenommen, soweit dadurch die Rechtsschutzmöglichkeiten nicht vollständig verhindert werden: A TC 655/1984 vom 7. November 1984, FJ. 2, in: JC 10, S. 1018-1021 (1020).
366
3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
c) Suspendierung der Rechtswirkung der Verwaltungsmaßnahme Neu am besonderen Grundrechtsschutzverfahren nach der LPDF gegenüber dem ordentlichen Verfahren war, daß es den Grundsatz der Vollstreckbarkeit der Verwaltungsmaßnahme umkehrte. Nach Art. 7 Abs. 2 und 4 LPDF ist die Vollziehung der Verwaltungsmaßnahme grundsätzlich auf Antrag des Bürgers (Art. 7 Abs. 2 LPDF)83 auszusetzen, und zwar unabhängig von der Zulässigkeit der Klage84 . Die Umkehrung des Vollziehbarkeitsprinzips (Art. 122 LJCA) ist Folge der Schutzvermutung zugunsten der Grundrechte in der notwendigen AbwägungS5 und somit Ausdruck des subjektiven Rechtsschutzcharakters dieses Verfahrens. Nunmehr muß die Verwaltung ihr besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung darlegen 86 . Die Vermutung zugunsten des Grundrechtsschutzes (Art. 7 Abs. 2 bis 4 LPDF i. Y.m. Art. 24 Abs. 1 CE und Art. 53 Abs. 2 CE) heißt nicht, daß die Vollziehbarkeit stets zwingend suspendiert werden muß 87 . Es ist weiter möglich, die Suspendierung abzulehnen, wenn das öffentliche Interesse den Grundrechtsschutz überwiegt. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
83 Vgl. umfassend hierzu Jimenez-Blanco Carrillo de AJbornoz, Aspectos procesales, S. 71-136. 84 Gonzalez Rivas, La protecci6n constitucional, S. 2476; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 103 nennt dieses die bedeutendste EITWlgenschaft des neuen Verfahrens. 85 Garcia de Enterria, Curso I, S. 572; Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 19. 86 A TS vom 23. Februar 1983; S TS 2. November 1985; S TS 12. März 1986 Ar. 1075; Diaz Delgado/ Escuin Palop, La suspensi6n de los actos, S. 208. 87 Ständige Rechtsprechung: A TS 8. März 1991 Ar. 3310: "La suspensiOn regulada en el articulo 7, mimeros 2, 3 Y 4 de la Ley 62/1978, situa en un primer plano el derecho fundamental invocado por el recurrente, 10 que no significa que solicitada aquella deba automaticamente acordarse, ya que el Tribunal debe ponderar si por la adopci6n de esta medida cautelar se sigue 0 puede seguirse un perjuicio grave para el interes general, ya que si fuera asi, si se justijicara la existencia 0 incluso la mera posibilidad de un perjuicio de esta naturaleza, deba denegar la medida cautelar interesada"; ebenso S TS 21. Juli 1982 Ar. 4442; S TS 20.Juni 1985 Ar. 3245; S TS 11. Juni 1986 Ar. 3377; A TS vom 22. Mai 1991 Ar. 4158; so auch TS vom 9. Dezember 1986 Ar. 7116; vgl. auch Aguado i Cudolä, La reciente evoluci6n, S. 1712f.; Carrillo, La aplicaci6njurisdiccional, S. 103.
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
367
ist aber allein auf die Suspendierung der Vollziehbarkeit beschränkt88 , was nur hinsichtlich des status negativus des Bürgers ausreicht89 . Die Lehre hat diese Regelung begrüßt und möchte sie auf das ordentliche Verfahren übertragen90 . Dabei übersieht sie aber, daß die Regelung - wie der Oberste Gerichtshof ausdrücklich feststellt - aus dem Charakter dieses Verfahrens als subjektive Rechtskontrolle folgt91 . Das ordentliche Verfahren dagegen dient der objektiven Legalität. Daher scheidet eine Übertragung insbesondere ohne Änderung der weiten Klagebefugnis aus. Empirisch hat diese Möglichkeit der (fast) automatischen Suspendierung jedoch dazu gefiihrt, daß viele Verfahren nach diesem Gesetz nur dazu gefiihrt wurden, den Vollzug der Verwaltungsmaßnahme aufzuschieben92 .
6. Kompatibilität mit dem ordentlichen Venvaltungsrechtsweg Die Grundrechte können auch im ordentlichen Verfahren überprüft werden93 , so daß sich die Frage nach dem Verhältnis des besonderen Verfahrens zum allgemeinen ordentlichen Verfahren stellt. Grundsätzlich hat der Bürger, der eine Grundrechtsverletzung rügt94 , nach Art. 6 Abs. 1 LPDF freie Wahl zwischen dem ordentlichen und dem beschleunigten Verfahren 95 .
88 A TS vom 16. Februar 1978 Ar. 684. 89 Ebenso Sommermann, Schutz, S. 300. 90 Linde Paniagua, La instauraci6n de1 principio, S. 561fT.; Diaz Delgado/ Escuin
Palop, La suspensi6n de los actos, S. 193; CarriIlo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 105; Cano Mata, La Ley de Protecci6n, S. 50 und S. 52ff. 91 S TS vom 21. Juli 1982; A TS 28. März 1988 Ar. 2546.
92 Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 19. 93 S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ. 5, in: JC 18, S. 269-280 (279); S TC 98/1989
vom 1. Juni FJ 3, in: JC 24, S. 243-267 (257f). 94 S TC 37/1982, vom 16. Juni 1982, FJ. 2, in: JC 3, S. 453-461 (458).
95 A TC 359/1985 vom 29. Mai FJ 1, in: JC 12, S. 880-888 (885) und S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ 5, in: JC 18, S. 269-280 (279), S TC 34/1989 vom 14. Februar FJ. 3, in: JC 23, S. 350-358 (356); S TC 42/1989, vom 16. Februar FJ. 2, in: JC 23, S. 433-445 (442); S TC 98/1989 vom 1. Juni FJ 2, in: JC 24, S. 243-267 (257f); Razquin Lizarraga, Agotamiento de la via judicial, S. 429; CarriIlo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 87; GonzAlez Rivas, Reflexiones sobre algunos criterios, S. 261; Garcia MoriIlo, La protecci6n, S. 72.
368
3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
Jedoch kann er in der Praxis beide Verfahren nicht nacheinander beschreiten96 , da nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts und des Obersten Gerichtshofes die Klagefrist für das ordentliche Verfahren nicht durch die Klage im beschleunigten Verfahren unterbrochen wird97 . Somit ist die Klage im ordentlichen Verfahren nach einern Mißerfolg im beschleunigten praktisch wegen Verfristung ausgeschlossen. Der Bürger muß demnach frühzeitig entscheiden, welches Verfahren er wi1l 98 . Dieser Obliegenheit kann nicht die Rechtsschutzgarantie entgegengehalten werden, die dem Bürger nur das Recht auf ein gerichtliches Urteil zum Schutz seiner Rechte gibt99 . Es ist jedoch aus der Sicht des Art. 24 Abs. 1 CE problematisch, daß beim besonderen Grundrechtsschutzverfahren nach der LPDF die Zulässigkeit nicht gesondert in einern Vorverfahren geprüft wird. Vertraut der Bürger auf die Zulässigkeit seiner Klage und wählt er nur das besondere Grundrechtsschutzverfahren, so ist ihm durch ein Urteil, das die Unzulässigkeit nach zwei Monaten feststellt, ein weiterer Rechtsweg versperrt. Der Bürger darfl00 und muß demnach sowohl im beschleunigten wie auch im ordentlichen Verfahren Klage erheben. Allerdings entstünde so die Gefahr widersprüchlicher Urteile. Diese Gefahr hat das Verfassungsgericht durch eine strikte Rechtsprechung unterbunden: So schließt ein stattgebendes Urteil im besonderen Grundrechtsschutzverfahren, das die Verwaltungsmaßnahme aufhebt, auch das ordentliche Verfahren ab 101 . Weist das Gericht im besonderen Grundrechtsschutzverfahren die Klage ab, ist das Gericht im ordentlichen
96 S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ 5, in: JC 18, S. 269-280 (279); S TC 42/1989, vom 16. Februar FJ. 2, in: JC 23, S. 433445 (442); S TC 98/1989 vom 1. Juni FJ 2, in: JC 24, S. 243-267 (257f.); Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 16. 97
Bor
98
Vgl. die Nachweise bei Garcia Morillo, La protecci6n, S. Garcia Morillo, La protecci6n, S. 132.
99
Vgl. S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ 5, in: JC 18, S. 269-280 (279).
100 S TC 23/1984 vom 20. Februar, FJ. 2, in: JC 8, S. 278-291 (286); ebenso S TC
42/1989 vom 16. Februar, FJ. 2, in: JC 23, S. 433445 (442); Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 15; Carrillo, La aplicaci6n jurisdiccional, S. 89; Razquin Lizarraga, Agotamiento de la viajudicial, S. 425. 101 Razquin Lizarraga, Agotamiento de la viajudicial, S. 456.
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
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Verfahren an das abweisende Urteil des schnelleren Gerichts soweit gebunden, wie Grundrechte betroffen sind l02 . 7. Bewertung Nach Ansicht der Lehre gewährleistet das besondere Grundrechtsschutzverfahren ausreichenden Rechtsschutz l03 . Dem steht jedoch entgegen, daß die Kontrolle nur beim Schutz des status negativus des Bürgers ausreichend ist. Weitergehende grundrechtliehe Ansprüche des Bürgers hingegen werden kaum bzw. nicht geschützt. Besonders schwerwiegend ist dabei, daß der Bereich des Ermessens vollständig einer Kontrolle entzogen ist. Ebenso ist das Verhältnis des "besonderen" Verfahrens zum ordentlichen Verfahren nach der LJCA aus Rechtsschutzgesichtspunkten problematisch. So ist der Kläger gezwungen, zwei Verfahren zu betreiben - mit erhöhtem Prozeßkostenrisiko. Die damit verbundene Verdoppelung der Fälle belastet die Gerichte zusätzlich und gefährdet die Effektivität des Rechtsschutzes erheblich. Der besondere Vorteil des besonderen Grundrechtsschutzverfahrens ist die Schnelligkeit, mit der der Bürger ein Urteil erhält. Da aber die Fristen nicht eingehalten werden können, ist der in diesem Verfahren entwickelte einstweilige Rechtsschutz von entscheidender Bedeutung. Dieser effektive einstweilige Rechtsschutz hat, da ein solcher im ordentlichen Verfahren bislang noch fehlt, dazu gefiihrt, daß dieses Verfahren in der Praxis sehr beliebt ist und damit die Zahl der Klagen überdurchschnittlich hoch sind. Der Gesetzgeber hat durch dieses Verfahren das bestehende objektive ordentliche Verfahren beibehalten und gleichzeitig dem Grundrechtsschutz entsprechen wollen. Damit hat er sich die naheliegende Möglichkeit, einen effektiven einstweiligen Rechtsschutz im ordentlichen Verfahren zu regeln, versperrt.
102 S TC 84/1987 vom 29. Mai FJ 5, in: JC 18, S. 269-280 (279) sowie S TC 42/1989, vom 16. Februar FJ. 2, in: JC 23, S. 433-445 (442) und S TC 98/1989 vom 1. Juni FJ 2, in: JC 24, S. 243-267 (257f.) 103 Vgl. die Stellungnahmen in EL PAIS vom 8. Februar 1994, S. 18. 24 Martinez Soria
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
11. Die Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht Neben dem ordentlichen und dem besonderen Verfahren bei den ordentlichen Gerichten krönt die Verfassungsbeschwerde (recurso de amparo) nach Art. 53 Abs. 2 CE das System des Rechtsschutzes 104 .
1. Gesetzliche Regelung Die Verfassungsbeschwerde ist im Zuständigkeitskatalog des Art. 161 Abs. 1 CE unter Buchstabe b), ihr Verfahren ist im Dritten Titel des Verfassungsgerichtsgesetzes (LOTC) in den Art. 41 bis 47 LOTC geregelt. Geschichtlich geht die spanische Verfassungsbeschwerde auf diejenige der mexikanischen Verfassung von 1917 zurück, die sich ihrerseits an die histori sehen Vorbilder des Land- (Foral-)rechts von Arag6n 10S anlehnt 106 . Anders als die spanische und deutsche Verfassungsbeschwerde ist die mexikanische Regelung nicht auf Fragen der Verletzung spezifischen Verfassungsrecht beschränkt, sondern ist nach zahlreichen Reformen zu einem Verfahren der objektiven Legalitätskontrolle geworden 107 . Spanien hatte diese Klage und ihren objektiven Charakter durch die Verfassung der H. Republik von 1931 (Art. 121 b) übernommen 108 . Nach Art. 35 des Verfahrensgesetzes für das Verfassungsgericht (Tribunal de Garantias) vom 14. Juni 1933 war der Bürger auch befugt, eine abstrakte Normenkontrolle zu beantragen. Weiterhin beschränkte Art. 123 Nr. 5 der Verfassung von 1931 sowie Art. 47 des Verfahrensgesetzes die Beschwerdebefugnis nicht auf den unmittelbar betroffenen Bürger. Die kurze Geltung dieser Bestimmungen (1933-1936) schuf aber keine 104 Zur Verfassungsbeschwerde in Spanien sind zahlreiche Beiträge in deutscher Sprache erschienen: Schmidt-B1eibtreu, in: MaunzlSchmidt-B1eibtreulKleinlUlsamer, BVerfGG, § 90 Rdnr. 13a; Faller, Das spanische Verfassungsgericht, JöR N.F. 29 (1980), S. 279-291; Rubio L1orente, Das spanische Verfassungsgericht, in: StarcklWeber, Verfassungsgerichtsbarkeit in westeuropäischen Ländern, Baden-Baden 1986, S. 243-278; Sommermann, Schutz, S. 319-325; Reckhorn-Hengemühle, Monika, Der spanische "recurso de amparo", S. 150f. lOS Dazu gehören die Proceso de agravios, der Proceso de Firma und der Recurso de Manifestaci6n: vgl. dazu umfassend Reckhorn-Hengemühle, Der spanische "recurso de amparo", S. 7-18.
106 Vgl. hierzu Fix Zamudio, EI derecho de amparo, S. 227ff. 107 Fix Zamudio, Funci6n constitucional, S. 35ff. 108 Zu den Fehlern dieser Verfassung siehe die deutliche Darstellung des 1. Präsidenten der Republik von 1931 Alcala Zamora y Torres, Los defectos de la Constituci6n de 1931, S. 15ff.
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Rechtstradition, an die der Verfassunggeber 1978 hätte anknüpfen können. Daher war das deutsche Grundgesetz, auf das schon bei der Ausgestaltung der liberal-bürgerlichen Grundrechte zurückgegriffen worden war, auch bei der Verfassungsbeschwerde Vorbild. Entsprechend gewährt die heutige Verfassungsbeschwerde dem Bürger kein Recht aUf eine abstrakte Normenkontrolle wie nach der Verfassung von 1931. Im Unterschied zur deutschen Regelung hat der Bürger in Spanien jedoch nicht die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde gegen unmittelbar belastende Gesetze einzulegen. 2. Auswirkungen der (Grund-) Rechtsschutzgarantie auf die Verfassungsbeschwerde
a) Die Geltung der Rechtsschutzgarantie fiir das Verfahren vor dem Verfassungsgericht Art. 19 Abs. 4 GG betrifft nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und einem Teil der Lehre nicht die Verfassungsbeschwerde 109 , weil er nur einen bestimmten Ausschnitt der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten erfaßt llO ; im übrigen könne die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsweges erhoben werdenili.
Auch die spanische Lehre und Rechtsprechung messen das Verfahren beim Verfassungsgericht nicht unmittelbar an Art. 24 Abs. 1 CE. Zwar garantiert Art. 24 Abs. 1 CE den Schutz der Rechte, also auch der Grundrechte, doch sind unter Gerichte hier die ordentlichen Gerichte zu verstehen, die zu der Rechtsprechenden Gewalt i.S.d. Titel VI CE DeI poder judicial zählen. Demgegenüber ist das Verfassungsgericht in der spanischen Verfassung im Gegensatz zum Grundgesetz in einem eigenen Titel (Titel IX) geregelt, was die organisatorische und die verfahrensrechtliche Unabhängigkeit des Gericht ausdrücken soll. In diesem Sinne charakterisiert auch Art. 1 Abs. 1 LOTC das Verfassungsgericht als oberstes Auslegungsorgan der Verfassung, das von den übrigen Verfassungsorganen unabhängig, allein der Verfassung und dem Organgesetz unterworfen ist. 109 BVertGE I, 332 (344); Schmidt-Bleibtreu, in: MaunzlSchmidtBleibtreuJK.leinlUlsamer, BVerfGG, § 90 Rdnr. 18; v. MangoldtlKlein, GG, Art. 19 Arun. VII 5 b); a.A.: BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 Rdnr. 42; Lorenz, Der Rechtsschutz, S. 252; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV, Rdnr. 175. II 0 MangoldtJK.lein, GG, Art. 19 Anm. VII 5 b).
III Schmidt-Bleibtreu, in: MaunzlSchmidt-BleibtreuJK.leinlUlsamer, BVerfGG, § 90 Rdnr. 18. 24*
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie Wld Grundrechtsschutz
Andererseits nennt Art. 53 Abs. 2 CE die Verfassungsbeschwerde ausdrücklich als Rechtsbehelf. Über diese Bestimmung wirkt dann auch Art. 24 Abs. 1 CE auf das Verfahren der Verfassungsbeschwerde. Andere verfassungsgerichtliche Verfahren (Kompetenzstreitigkeiten, insbesondere aber die Normenkontrolle) sind aber nach Ansicht der Lehre und der Rechtsprechung nicht an der Rechtsschutzgarantie zu messen. Die vollständige Ausklammerung des verfassungsgerichtlichen Verfahrens von der Rechtsschutzgarantie in Spanien kann jedoch nach der neueren Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht mehr aufrechterhalten werden, die es im Fall Ruiz Mateos entwickelt hat und die nach Art. 10 Abs. 2 CE unmittelbar auf die Auslegung der spanischen Rechtsschutzgarantie wirkt 112 . In diesem Fall hatten sechs Mitglieder der Unternehmerfamilie Ruiz-Mateos gegen die Enteignung der zu 100 % ihnen gehörenden Aktien des Großkonzerns RUMASA geklagt, die durch ein Regierungsdekret bzw. durch ein für diesen Einzelfall erlassenes Enteignungsgesetz vorgenommen worden war. In diesem Prozeß wurde das spanische Verfassungsgericht gleich zweimal zur konkreten Normenkontrolle eingeschaltet, einmal vom erstinstanzlichen Gericht und einmal vom Berufungsgericht. Jedesmal ließ sich das Verfassungsgericht mehr als zwei Jahre Zeit 113 . Der EGMR betonte in dem Urteil, daß das innerstaatliche Verfahren für Art. 6 Abs. 1 EMRK in seiner Gesamtheit gesehen werden müsse 1 14 . Ist ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht - wie im Fall Ruiz-Mateos - Teil des innerstaatlichen Gerichtsverfahrens, muß es mit diesen zusammen an Art. 6 Abs. 1 EMRK gemessen werden. Es kann geprüft werden, ob das Verfahren vor dem Verfassungsgericht das vor den ordentlichen Gerichten unangemessen verlängert hat 11 S und es kann auch der Verfahrensteil vor dem Verfassungsgericht selbst Gegenstand der Prüfung sein, etwa ob es ein faires Verfahren war 116 . Die Rechtsschutzgarantie nach Art. 6 Abs. 1 EMRK erstreckt sich somit auf alle Verfah112 Urteil EGMR, Ruiz MateosiSpanien, Urteil vom 23. JWli 1993, Serie A Nr. 262; vgl. hierzu insbesondere Matscher, Art. 6 EMRK, S. 449. 113 EGMR Urteil, Ruiz MateosiSpanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A Nr. 262 § 59. 114 EGMR Urteile Delcourt! Belgien vom 17. Januar 1970 ECHR Series All, § 26; Pakellil Deutschland vom 25. April 1983 ECHR Series A 64 § 29; Monell & Morrisl Großbritannien vom 2. März 1987 ECHR Series A 115 § 56. 115 EGMR Urteile Deumelandl Deutschland vom 29. Mai 1986 ECHR Series A 100 § 77; Poissl Österreich vom 23. April 1987 ECHR Serie A 117 § 52; BocklDeutschland vom 29. März 1983 ECHR Serie A 150 § 37. 116 EGMR Urteil, Ruiz MateosiSpanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A Nr. 262 § 59f.
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
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ren, soweit sie dem Indiviualrechtsschutz dienen und sie in einern unmittelbaren Zusammenhang stehen mit dem einfachgerichtlichen Rechtsschutz; ein genereller Ausschluß bestimmter Verfahrensarten aus dem Schutzbereich der Rechtsschutzgarantie ist somit unzulässig 117 . Über Art. 10 Abs. 2 CE ist folglich in diesen Fällen der spanische Verfassungsgerichtsprozeß an der Rechtsschutzgarantie zu messen ll8 . Von Bedeutung ist die Rechtsschutzgarantie beim Gegenstand, bei der Beschwerdebefugnis, dem Prüfungsmaßstab, der Frage der Subsidiarität sowie des einstweiligen Rechtsschutzes. b) Gegenstand der Verfassungsbeschwerde Die Verfassungsbeschwerde in Spanien ist ein Verfahren, das auf die Kontrolle der Grundrechte durch belastende Maßnahmen der öffentlichen Gewalt begrenzt ist ll9 . Das Bestehen einer belastenden Maßnahme, nicht allein die Gefahr einer solchen Maßnahme, ist somit Voraussetzung für die Erhebung
117 EGMR Urteil, Ruiz Mateos/Spanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A Nr. 262 § 57. 118 Diese vom EGMR im Zusammenhang mit einem spanischen Verfahren entwikkelte These ist -trotz des Fehlens einer dem Art. 10 Abs. 2 CE entsprechende Bestimmung - zumindest im Hinblick auf das Gebot eines fairen Verfahrens auf das Verhältnis der deutschen Rechtsschutzgarantie zu verfassungsgerichtlichen Verfahren übertragbar. Die Verfassungsbeschwerde und die konkrete Nonnenkontrolle dienen in Deutschland dem Individualschutz. EinWände, daß durch die Einbeziehung des verfassungsgerichtlichen Rechtsweg seine verfassungsrechtlich gebotene Kontrollbeschränkung aufgehoben werden könnte, sind nicht begründet. Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt keine Pflicht zu einer umfassenden Rechts- und Tatsachenkontrolle in jeder Instanz. Wenn demnach durch die Verfassungsbeschwerde die Kontrolldichte beschränkt wird, hat dieses zur Folge, daß dieses Verfahren nicht den ordentlichen Rechtsweg, in dem eine umfassende Kontrolle gewährleistet sein muß, ausschließen kann: ebenso Lorenz, Der Rechtsschutz, S. 252; MDHS/Schmidt-Aßmann, Art. 19 IV, Rdnr. 175; BKSchenke, Art. 19 Abs. 4, Rdnr. 45. 119 Figueruelo Burrieza, EI derecho ala tute1a, S. 97f; Seit seiner ersten Entscheidung (S TC 1/1981, vom 26. Januar 1981, FJ. 2, in: JC I, S. 1- 13 (6» versteht das spanische Verfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde jedoch auch als Mittel zur Sicherung des objektiven Verfassungsrechts: "La finalidad esencial dei recurso de amparo es la proteeeion, en sede constitucional, de los derechos y deberes que hemos dicho, cuando las vtas ordinarias de proteccion han resultado insatisfactorias. Junto a este designio, proclamado en el art. 53.2, aparece tambien el de la defensa objetiva de la Constitucion, sirviendo de este modo la accion de amparo a un fin que trasciende de 10 singular". Wo der Schwerpunkt der Verfassungsbeschwerde liegt, ist neuerdings wieder umstritten: Diez-Picazo, Dificultades pnicticas, S. 9fT. sowie Cruz Villal6n, Sobre el amparo, , S. 9fI
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
der Verfassungsbeschwerde l20 . Durch die Verfassungsbeschwerde wird somit kein vorläufiger Rechtsschutz gewährt. Der Begriff "Öffentliche Gewalt" wird umfassend verstanden. Dazu gehören nach Art. 43 Abs. 1 LOTC Bestimmungen, Rechtsakte oder tatsächliche Handlungen der exekutiven Organe sowie nach Art. 44 Abs. 1 LOTC Akte und Unterlassungen der Rechtsprechungsorgane, die direkt und unmittelbar ein Grundrecht verletzen. Handlungen der legislativen Organe sind nach Art. 42 nur durch Verfassungsbeschwerde kontrollierbar, wenn sie keinen Gesetzesrang haben. Eine Verfassungsbeschwerde gegen unmittelbar wirkende Gesetze scheidet im Gegensatz zur deutschen Regelung aus l21 . Der Bürger kann die Gesetze nur mit der konkreten Normenkontrolle überprüfen lassen, vorausgesetzt, daß das Gericht oder ein anderes antragsbefugtes Organ, wie z.B. der Volksverteidiger, zur Vorlage bereit ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichts verletzt das Fehlen eines direkten gerichtlichen Rechtsbehelfs gegen legislative Maßnahmen nicht die Rechtsschutzgarantie 122 . Die konkrete Normenkontrolle schütze den Bürger hinreichend l23 ; es sei ihm zumutbar, abzuwarten bis ein belastendes Gesetz durch eine Verwaltungsmaßnahme auf ihn angewendet werde. Die Lehre sieht hierin dagegen einen Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie l24 . Zwar gehe das Rechtsschutzsystem davon aus, daß ein Gesetz als abstrakt generelle Regelung den Bürger nicht unmittelbar in der Grundrechtsausübung beschwere. Die Realität zeige jedoch, daß der Bürger durch eine unmittelbar wirkende Norm, wie z.B. eine Strafnorm, schon unmittelbar in
120 S TC 172/1988, vom 3. Oktober, FFJJ. I bis 3, in: JC 22, S. 139-145 (141-144) 121 S TC 2061990, vom 17. Dezember, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 664-686
(685f. )
122 A TC 13211983, vom 23. März, Einziger FJ, in: JC 5, S. 821-822 (822); A TC 205/1983, vom 5. Mai, Einziger FJ, in: JC 6, S. 645-647 (647); A TC 15111991, vom 8. Juli, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199113, S. 266-276 (273); A TC 11911991, vom 3. Juni, FJ. 2, in: Rep. Ar. 199112, S. 461-478 (473). 123 S TC 16611986, vom 12. Dezember, FJ. 1 - 5, in: JC 16, S. 545-576 (562-564). 124 GonzAlez Perez, EI derecho, S. 267f.; Cruz Villal6n, Sobre e1 amparo, S. 15f.; a.A.: Rodriguez Garcia, EI procedimiento especial, S. 13 rechtfertigt dieses mit der rein objektiven Funktion der Normenkontrolle; ebenso Garcia Martinez, EI recurso, S. 149.
B. Gerichtlicher Gnmdrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
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seinen Grundrechten verletzt sein kann 12S . Das Abwarten und Inkaufnehmen einer Bestrafung sei eine irreparable Grundrechtsbeeinträchtigung und nicht zumutbar. Außerdem könne der Gesetzgeber, wie der Fall RUMASA gezeigt hat, ein Einzelfallgesetz erlassen 126 . Die RUMASA-Aktien der Familie RuizMateos wurden im Februar 1983 durch ein Real-Decreto Ley 127 (Gesetzesverordnung) gemäß Art. 86 Abs. 1 CE enteignet l28 . Im Juni 1983 wurde diese Verordnung durch ein besonderes Enteignungsgesetz abgelöst 129 . Eine Kontrolle dieser Gesetzesverordnungen, die Gesetzesrang haben 130 und des Gesetzes selbst war nur im Normenkontrollverfahren möglich, weder im ordentlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch durch Verfassungsbeschwerde 131 . Im Normenkontrollverfahren ist der Bürger aber nicht selbst Partei und kann daher auch nicht zum Vortrag der Regierung zum Enteignungsgesetz selbst Stellung nehmen 132 . Das verstößt gegen das Gebot aus der Rechtsschutzgarantie auf Gleichheit der prozessualen Waffen.
12S Dagegen aber Diez-Picazo, Dificultades pnicticas, S. 27f.
126 Cruz Villal6n, Sobre el amparo, S. 16f. 127 Real Decreto Ley 211983, vom 23. Februar 1983 (BOE vom 24. Februar 1983). 128 Siehe auch S. 372.
129 Ley de Conversi6n 711983, vom 29. Juni 1983 (BOE vom 30. Juni 1983). 130 Kritisch zu dieser Rechtsfigur Sanchez, EI control, S. 177ff. 131 Guaita, Art. 106 CE, S. 342. Aus diesem Gnmde handelt es sich bei den drei Entscheidungen des Verfassungsgerichts zwn Enteignungsgesetz um NormenkontrolIverfahren: S TC 11111983, vom 2. Dezember, in: JC 7, S. 361-408; S TC 166/1986, vom 19. Dezember, in: JC 16, S. 545-578; S TC 61991, vom 15. Januar, in: Rep. Ar. 1991/1, S. 49-73. Allein gegen den Regierungsbeschluß, das enteignete Kapital zu verkaufen, und die Urteile des Obersten Gerichtshofes, der diese Maßnahme ftlr rechtmäßig erachtet hatte, war Verfassungsbeschwerde möglich, die jedoch als unbegründet abgewiesen wurde: S TC 67/1988, vom 18. April, in: JC 20, S. 796-821; vgl. dazu Gallardo Castillo, RUMASA ante el Tribunal Europeo, S. 615. 132 Sondervotum des Richters Francisco Rubio LLorente zu S TC 166/1986, vom 19. Dezember, in: JC 16, S. 545-576 (576-579): liEn 10 que disiento radicalmente es en la estimacion de que tambien hay posibilidad de tutela judicial (. ..) frente a la transgresion dei derecho a que la expropiacion no se produzca si no es par causa justificada de utilidad publica 0 interes social. Para demostrar 10 insostenible de esta tesis basta con recordar que en nuestro Derecho, ni la jurisdiccion constitucional forma parte dei Poder Judicial, ni cabe el recurso de amparo frente a las Leyes, ni puede reducirse el derecho fundamental a la tutela judicial efectiva a la posibilidad de pedir a un Juez 0 Tribunal que plan tee ante el Tribunal Constitucional una cuestion de inconstitucional, en terminos abstractos basada solo en las dudas que albergue el organa proponente y sin que exista siquiera la posibilidad de que el autor de la peticion (titular dei derecho) comparezca ante nosotros en defensa de sus tesis" (S. 577f.);
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3. Teil: Rechtsschutzgarantie und Grundrechtsschutz
Der EGMR hat hierin konsequenterweise eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 EMRK gesehen 133 , weil die enteignete Unternehmerfamilie ihr Anliegen gerichtlich nicht wirksam vorbringen konnte 134 . Jedem Bürger müsse in einem betreffenden Prozeß ein Anhörungsrecht eingeräumt werden 135 . Bislang hat dieses Urteil aber noch nicht zu einer Änderung des spanischen Verfassungsprozeßrechts geführt. c) Beschwerdebefugnis und Prüfungsmaßstab Nach Art. 162 Abs. 1 b) CE i.Y.m. Art. 46 Abs. 1 LOTC sind alle natürlichen oder juristischen Personen beschwerdebefugt, die ein legitimes Interesse geltend machen 136 . Wie bei der Regelung in der II. Republik ist charakteristisch, daß die Beschwerdebefugnis sehr weit gefaßt ist 137 . Somit ist -im Gegensatz zur deutschen Regelung- in Spanien nicht nur der unmittelbar Betroffene beschwerdebefugt, sondern jeder, der ein "legitimes Interesse" hat 138 . Unter ausdrücklicher Abgrenzung zum deutschen Verfassungsprozeßrecht verlangt das spanische Verfassungsgericht nicht, daß der Beschwerdeführer selbst Träger des Grundrechtes ist; es genügt vielmehr, wenn er mittelbar durch die Verletzung des Grundrechts eines Dritten einen wesentlichen Nachteil erleidet 139 . Darüber hinaus sind gemäß Art. 162 Abs. 1 b) CE LV.m.
Parada Väzquez, ExpTopiaciones legislativas, S. 1152; ebenso Gallardo Castillo, RUMASA ante el Tribunal Europeo, S. 618; Alonso Garcia, EI articulo 24.1, S. 992f 133 Urteil EGMR, Ruiz Mateos/Spanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A NT. 262 § 68. 134 Urteil EGMR, Ruiz Mateos/Spanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A NT. 262 § 65f 135 Urteil EGMR, Ruiz Mateos/Spanien, Urteil vom 23. Juni 1993, Serie A NT. 262 Ziff. 63. 136 S TC 141/1985, vom 22. Oktober, in: JC 13, S. 207-217; S TC 257/1988, vom 22. Dezember, FJ. 3, in: JC 22, S. 1061-1070; S TC 123/1989, vom 6. Juli, FJ. 1, in: JC 24, S. 534-540 (536); S TC 1521990, vom 4. Oktober, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 104-114 (108); S TC 70/1991, vom 8. April, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1991/2, S. 38-50 (47f); Dem widerspricht auch nicht nach verfassungskonformer Auslegung Art. 46 Abs. 1 a) LOTC, der die Befugnis nur bei direkt betroffenen Personen annimmt. 137 S TC 47/1990, vom 20. März, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 571-586 (579); S TC 81/1991, vom 22. April, FJ. 1, in: Rep. Ar. 1991/3, S. 152-163 (155); Figuerue10 Burrieza, EI derecho a la tute1a, S. 97. 138 S TC 47/1990, vom 20. März, FJ. 2, in: Rep. Ar. 1990/1, S. 571-586 (579). 139 S TC 214/1991, vom 11. November, FJ. 3, in: Rep. Ar. 1991/4, S. 352-373
(364).
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Art. 46 Abs. 1 b) LOTC der Volksverteidiger und die Staatsanwaltschaft beschwerdebefugtl40 . Diese weite Beschwerdebefugnis hatte zum Ziel, die Grundrechte vor der öffentlichen Gewalt zu sichern und zu verhindern, daß Grundrechtsverletzungen mangels Bereitschaft oder - wie z.B. bei Asylsuchenden nach der Ausweisung - mangels Fähigkeiten des Verletzten unberucksichtigt blieben. PIiifungsmaßstab ist nach Art. 41 Abs. 3 LOTC allein die Verletzung der in Artikel 14 bis 29 verankerten Grundrechte und des in Art. 30 CE gewährleisteten Rechts auf Wehrdientsverweigerung, nicht hingegen die objektive Verfassungsmäßigkeit l41 . Jedoch muß berucksichtigt werden, daß zur Rechtsschutzgarantie das Recht auf ein rechtmäßiges Urteil gehört; über dieses Recht prüft das Verfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen, die der belastenden Maßnahme der öffentlichen Gewalt zugrundelagen l42 . Damit ermöglicht Art. 24 Abs. 1 CE die Kontrolle der "Verfassungsmäßigen Ordnung" in dem vorn Bundesverfassungsgericht seit dem Elfes-Urteil verstandenen weiten Sinne 143 . d) Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde Die Verfassungsbeschwerde ist nach Art. 53 Abs. 2 CEI44 i.Y.m. Art. 43 Abs. 1 LOTC als subsidiärer Rechtsweg ausgestaltet, d.h. er kann nur beschritten werden, wenn nicht zuvor hinreichender Grundrechtsschutz durch die ordentlichen Gerichte gewährleistet worden ist 145 . Das ist immer dann der Fall, wenn der ordentliche Rechtsweg erschöpft ist l46 .
140 Figueruelo Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 97. 141 S TC 12011990, vom 27. Juni, FJ. 4, in: Rep. Ar. 1990/2, S. 761-772 (768); So aber nunmehr Cruz Villal6n, Sobre el amparo, S. 13; Figueruel0 Burrieza, EI derecho a la tutela, S. 98. 142 Siehe hierzu S. 194. 143 BVerfUE 6,32 (41). 144 Art. 53 Abs. 2 CE spricht von der Verfassungsbeschwerde als gegebenenfalls möglichen Rechtsbehelf. 145 S TC 1211982, vom 31. März, in: JC 3, S. 160-176; S TC 9211985, vom 24. Juli, in: JC 12, S. 419-427; S TC 2611991, vom 11. Februar FJ.l, in: Rep. Ar. 199111, S. 278-286; S TC 5011991, vom 11. März, FJ. 3, in: Rep. Ar. 199111, S. 542-555. 146 L6pez GuerralEspin, Derecho Constitucional Bd. I, S. 399.
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Diese Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde folgt auch zwingend aus der Rechtsschutzgarantie. Das Verfassungsgericht nimmt im Rahmen der Verfassungsbeschwerde keine umfassende rechtliche Kontrolle vor, sondern beschränkt den Prüfungsmaßstab auf die Grundrechte. Damit entspricht diese Kontrolle nicht der durch die Rechtsschutzgarantie gebotenen, die nur durch die ordentlichen Gerichte vorgenommen wird. Daher kann die Verfassungsbeschwerde grundsätzlich nicht einziger Rechtsbehelf gegen eine Verwaltungsmaßnahme sein. Können die ordentlichen Gerichte eine vollständige Kontrolle jedoch nicht gewährleisten, weil beispielsweise ein Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben ist, ennöglicht die Rechtsschutzgarantie dem Verfassungsgericht, das Gebot der Subsidiarität zu durchbrechen l47 . Dies ist auch der Fall, wenn zwar ein gerichtliches Urteil ergangen und mittlerweile rechtskräftig ist, im Verfahren aber wesentliche Verfahrensnonnen und damit der Rechtsschutzgarantie verletzt wurden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens wie nach § 153 VwGO i.V.m. § 578 ff ZPO ist in Spanien nicht vorgesehen. Nach Art. 240 Abs. 2 LOPJ kann ein Gericht von Amts wegen die Nichtigkeit der grundrechtsverletzenden Handlung nur feststellen, soweit die Entscheidung nicht fonnell rechtskräftig ist. Auch die Klage im Rahmen des Verfahren nach der LPDF ist nicht möglich. Dies hat das spanische Verfassungsgericht als Verstoß gegen die Grundrechtsschutzgarantie gewertet. Soweit der Gesetzgeber diese Rechtsschutzlücke nicht aufgehoben hat, gelte das Verfahren vor dem Verfassungsgericht als dritte Instanz 148 .
147 Vgl. dazu das S TC 711994, vom 17. Januar, in: BJC 154 (Februar 1994), S.6070 über die Vaterschaftsbeweise, in dem das Verfassungsgericht die bestehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aufhebt, wonach die Verweigerung der Durchfiihrung biologischer Tests keine Auswirkungen fiir den vermuteten Vater hatte. Nach der neuen Rechtsprechung hat das Gericht die Vaterschaft dem Verweigerer zuzusprechen. In diesem Fall standen sich das Recht auf körperliche Unversertheit (Art. 15) sowie das auf Persönlichkeitsschutz (Art. 18) auf der einen Seite und das Recht auf Nutzung ihrer Verteidigungsmöglichkeit (Art. 24), sowie die Pflicht, die Gerichte zu unterstützen (Art. 118) und der Schutz der Kinder (Art. 39) gegenüber. Das Verfassungsgericht urteilt dann in Punkt 2. des Urteils: "Ha decidido (. ..) ]0 Anular la Sentencia de la Sala de 10 Civil dei Tribunal Supremo de 30 de abril de 1992, con la consiguiente firmeza de la Sentencia de la Audiencia Provincial... ". Es setzt sich damit über den bestehenden Instanzenzug hinweg. 148 S TC 185/1990, vom 15. November, FJ. 5, in: Rep. Ar. 1990/4, S. 452-462 (460); ebenso S TC 202/1990, vom 13. Dezember, FJ. 1 , in: Rep. Ar. 1990/4, S. 619626 (624).
B. Gerichtlicher Grundrechtsschutz und Rechtsschutzgarantie
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e) Einstweiliger Rechtsschutz Die spanische Verfassungsbeschwerde soll einen effektiven Grundrechtsschutz gewährleisten. Daher hat der Gesetzgeber ein Verfahren nach Art. 56 Abs. 1 LOTC des einstweiligen Rechtsschutzes vorgesehen 149. Ziel dieses Verfahrens ist jedoch nur die Suspendierung der Vollziehbarkeit der administrativen Verwaltungsmaßnahme. Eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Grundrechtes, das eine staatliche Leistung voraussetzt, ist nicht möglich. Damit entspricht es grundsätzlich dem einstweiligen Rechtsschutz im Verwaltungsprozeß. Es bestehen jedoch einige Unterschiede: Nach Art. 56 Abs. 1 CE ordnet der Senat die Suspendierung nicht nur auf Antrag des Bürgers hin an, sondern auch - wie zuweilen das Bundesverfassungsgericht 150 - von Amts wegen. Im Gegensatz zum besonderen Grundrechtsschutzverfahren bleibt bei der Verfassungsbeschwerde die Suspendierung des Vollzugs die Regel; denn es kann nicht mehr von einem Vorrang des Grundrechtsschutz ausgegangen werden kann, da der zu beurteilende Sachverhalt schon einmal durch Gerichte geprüft wurde, so daß der "Anschein der Legitimität" für ihn spricht 151 . Der Bürger muß daher darlegen, daß der Vollzug den Schutz seines Grundrechts gefahrdet. Diese enge Auslegung der Suspendierungsbefugnis äußert sich auch darin, daß das Verfassungsgericht nach Art. 57 LOTC jederzeit die Suspendierung wieder aufheben kann, wenn nachträglich Tatsachen dies rechtfertigen. Dagegen ist die Anpassungsmöglichkeit in § 32 Abs. 6 S. 1 BVerfGG fest an die Frist von sechs Monaten gebunden i52 . 3. Bewertung
Die aus der deutschen Verfassungsbeschwerde übernommene subjektive Konzeption des Verfassungsbeschwerdeverfahrens ist in Spanien objektiviert worden. Für den Schutz der Grundrechte zeichnet nicht der verletzte Bürger
149 UnzutrefIenderweise spricht Reckhorn-Hengemühle, Der "recurso de amparo", S. 149f. von einstweiligen Anordnungen. 150 Vgl. schon BVerfGE 1,281 (283); Maunz/Schmidt-BleibtreulKJein, BVerfGG, § 32 Rdnr. 26; doch widerspricht dieses dem System der Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts, da es kein Hauptverfahren von Amts wegen selbst einleiten darf, so daß es auf enge Ausnahmefalle beschränkt bleiben muß; vgl. Fuss, DöV 1959, S. 203. 151 Gonzalez Rivas, Estudio