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German Pages 338 Year 1984
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 477
Die Freiheit des Rundfunks Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Artikel 12 Absatz 1 GG
Von Joachim Wieland
Duncker & Humblot · Berlin
JOACHIM WIELAND
Die Freiheit des Rundfunks
Schriften
zum öffentlichen Band 477
Recht
Die Freiheit des Rundfunks Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik des Artikel 12 Absatz 1 GG
Von
Joachim Wieland
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Wieland, Joachim: Die Freiheit des Hundfunks: zugl. e. Beitr. zur Dogmatik d. A r t . 12 Absatz 1 GG / von Joachim Wieland. — B e r l i n : Duncker u n d Humblot, 1984. (Schriften zum öffentlichen Recht; Bd. 477) I S B N 3-428-05726-0 NE: GT
Alle Rechte vorbehalten © 1984 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1984 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed In Germany ISBN 3-428-05726-0
Vorwort Eine neue Rundfunkorganisation nimmt Gestalt an. Kommerzielle Veranstalter treten neben die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland. Diese Entwicklung w i r f t vielfältige verfassungsrechtliche Fragen auf. Ich untersuche i n meiner Dissertation, welche Vorgaben für die Organisation des Rundfunks das Grundgesetz enthält, insbesondere ob es ein Grundrecht der Rundfunkunternehmerfreiheit gewährleistet. Diese Frage ist nicht nur von erheblicher Bedeutung für die Entscheidung der Landesgesetzgeber, ob sie privaten Rundfunk zulassen, sondern auch für die Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens i n den einzelnen Rundfunkgesetzen. Um sie beantworten zu können, muß nicht nur A r t i k e l 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausgelegt, sondern auch die herrschende Interpretation des A r t i k e l 12 Abs. 1 GG kritisch überprüft werden. A u f dieser Grundlage untersuche ich die Verfassungsmäßigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkorganisation und erörtere anhand eines rechtsvergleichenden Blicks nach Großbritannien die verfassungsrechtliche Problematik des Nebeneinanders von öffentlichrechtlichem und kommerziellem Rundfunk. Angeregt zu meinem Thema hat mich Herr Professor Dr. ErnstJoachim Mestmäcker, Direktor des Max-Planck-Institutes für ausländisches und internationales Privatrecht i n Hamburg. Ich bin i h m sehr dankbar, daß er m i r schon 1976, als die Diskussion über die künftige Rundfunkordnung der Bundesrepublik noch i n den ersten Anfängen steckte, vorgeschlagen hat, während eines Studienjahres an der Universität Cambridge i n Großbritannien das Verhältnis zwischen öffentlichrechtlichem und kommerziellem Rundfunk zu untersuchen. Betreut hat die Arbeit mein akedemischer Lehrer, Herr Richter des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde. Seit mehr als zehn Jahren habe ich als sein Mitarbeiter von i h m immer wieder neue Anregungen für die wissenschaftliche Arbeit erhalten. I n der auf freimütigen Austausch von Meinungen angelegten geistigen Atmosphäre seines Lehrstuhls bestand stets Gelegenheit, eigene Gedanken zu entwickeln und auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Besonders wertvoll waren dafür die Lehrstuhlgespräche, zu denen sich Herr Professor Dr. Böckenförde und Herr Professor Dr. Rainer Wahl allwöchentlich mit ihren Mitarbeitern i m Institut für öffentliches Recht der Universität Freiburg treffen. Sowohl für die außergewöhnlich gün-
6
Vorwort
stigen Rahmenbedingungen wissenschaftlicher Arbeit als auch für und Zuspruch, die direkt auf meine Dissertation bezogen waren, ich Herrn Professor Dr. Böckenförde ganz herzlich. Sie haben geblich dazu beigetragen, daß mir die Promotion Freude gemacht
Kritik danke maßhat.
Herrn Richter des Bundesverfassungsgerichts Professor Dr. Konrad Hesse, i n dessen Seminar ich über Jahre hinweg zahlreiche engagierte und lehrreiche Diskussionen über aktuelle Probleme des Verfassungsrechts erlebt habe, danke ich dafür, daß er sich trotz seiner Arbeitsbelastung die Zeit genommen hat, das Zweitgutachten für meine Dissertation zu schreiben. Auch von i h m habe ich viel gelernt. Meine Freunde Thomas Emde, Johannes Hellermann, Frank Rottmann, Bernhard Schlink, Reinhard Schmalz und Rita Wellbrock haben m i r i m Verlaufe langer Abende oft genug klar gemacht, wo die schwachen Punkte meiner Argumentation zu finden waren. Für ihre ehrliche K r i t i k danke ich ihnen ebenso wie für ihre aufmunternden Worte. Frau Lisa Maas i n Bonn hat die Arbeit zuverlässig und zügig geschrieben. I h r danke ich es, daß die mehr technischen Probleme einer Dissertation m i r nie zur Last geworden sind. Schließlich danke ich der Studienstiftung des deutschen Volkes für die vielfältige Förderung und Herrn Ministerialrat a. D. Professor Dr. Dr. h. c. Broermann für den großzügigen Verlagsvertrag. Freiburg, i m November 1984 Joachim
Wieland
Inhaltsverzeichnis Einleitung
15 Erster Teil Die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
17
Erstes K a p i t e l Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts richterstattung durch Rundfunk
zur Freiheit
der Be-
I. Das erste Fernsehurteil
18 18
1. Tatbestand
18
2. Analyse der Entscheidungsgründe
19
I I . Das zweite Fernsehurteil
27
1. Tatbestand
27
2. Analyse der Entscheidungsgründe a) Zulässigkeit b) Begründetheit c) Abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck u n d Wand
28 28 28 30
I I I . Das Lebachurteil
32
1. Tatbestand
32
2. Analyse der Entscheidungsgründe
33
I V . Die Entscheidungen zum saarländischen Rundfunkgesetz
34
1. Das saarländische Rundfunkgesetz
34
2. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts v o m 24. März 1976 a) Tatbestand b) Analyse der Entscheidungsgründe
35 35 36
3. Das dritte Fernsehurteil a) Tatbestand b) Analyse der Entscheidungsgründe (1) Zulässigkeit (2) Begründetheit
38 38 40 40 41
V. Der „freie Mitarbeiter"-Beschluß
49
1. Tatbestand
49
2. Analyse der Entscheidungsgründe
50
8
Inhaltsverzeichnis
V I . Der Rundfunkrat-Beschluß
51
1. Tatbestand
51
2. Analyse der Entscheidungsgründe
51
V I I . Zusammenfassung
52
•ν
Zweites K a p i t e l Die Literatur
zur Freiheit
der Berichterstattung
durch Rundfunk
56
I . Das individualrechtliche Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG
57
I I . Das objektivrechtliche Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG
61
I I I . Zusammenfassung
69
Drittes K a p i t e l Die Gewährleistung in Artikel 5 Absatz
der Freiheit der Berichterstattung 1 Satz 2 GG
I. Methodische Vorbemerkung I I . Wortlaut
durch
Rundfunk 71 71 80
1. Berichterstattung
80
2. Berichterstattung durch Rundfunk
83
a) b) c) d) e)
Allgemeiner Sprachgebrauch Doppelter Rundfunkbegriff Außerverfassungsrechtliche Definitionen Literatur Eigene Stellungnahme
83 83 84 86 87
3. Freiheit
92
4. Freiheit w i r d gewährleistet
93
5. Zusammenfassung
94
I I I . Entstehungsgeschichte 1. Herrenchiemsee-Entwurf
97 97
2. Sitzung des Grundsatzausschusses am 29. 9.1948
97
3. Sitzung des Grundsatzausschusses am 24.11.1948
99
4. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11.1.1949
101
5. Zusammenfassung
103
I V . Geschichte des Rundfunks i n Deutschland 1. Die Anfangsjahre bis 1926
109 110
2. Völlige Verstaatlichung 1932/1933
114
3. Zusammenfassung
119
Inhaltsverzeichnis V.Systematik
,
120
1. Parallele zwischen Pressefreiheit u n d Freiheit der Berichterstatt u n g durch Rundfunk 121 2. Stellung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG i m Grundrechtsteil des Grundgesetzes 127 3. Zusammenfassung
128
V I . Folgen
129
1. Auswirkungen auf das Grundrechtsverständnis
129
2. Folgen der Einführung kommerziellen Rundfunks
131
3. Auswirkungen eines Individualgrundrechts der Rundfunkveranstaltungsfreiheit auf den Wettbewerb 134 4. Dogmatische Probleme eines Individualgrundrechts funkveranstaltungsfreiheit
der
Rund-
5. Zusammenfassung
136 137
V I I . Ergebnis
138
Viertes K a p i t e l Die Bedeutung des Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten für die Organisation des Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland 141 I. Gewährleistungsinhalt
141
1. Originaltext
141
2. Übung
143
3. Entscheidungen
143
a) Entscheidung Nr. 3071/67, X gegen Schweden b) Entscheidung Nr. 4750/71, X gegen Großbritannien c) Entscheidung Nr. 6452/74, Sacchi gegen Italien
144 144 145
4. Entstehungsgeschichte
146
5. Zusammenfassung
148
I I . Innerstaatliche Geltung des A r t i k e l 10 Absatz 1 E M R K i n der B u n desrepublik 148
Zweiter
Teil
Die Freiheit der Berufswahl
152
Fünftes K a p i t e l Die Rechtsprechung rufswahl
des Bundesverfassungsgerichts
I. Der Berufsbegriff 1. Die frühe Rechtsprechung
zur Freiheit
der Be153 153 153
10
Inhaltsverzeichnis 2. Das Berufsbild a) Das Berufsbild — gesetzlich b) Das Berufsbild — traditionell
v . . 156 156 161
.
3. Folgerungen
166
I I . Verwaltungsmonopole
169
1. Die frühe Rechtsprechung
169
2. Stufentheorie oder Kompetenz-Kompetenz
169
3. Folgerungen
171
Sechstes K a p i t e l Die Literatur
zur Freiheit
der Berufswahl
174
I. Die allgemeine L i t e r a t u r zur Freiheit der Berufswahl
174
1. Die Ansätze vor dem Apothekenurteil
174
2. Die Reaktion auf das Apothekenurteil
177
3. Sozialwissenschaftliche Alternativen
182
4. Zusammenfassung
186
I I . Die L i t e r a t u r zur Verfassungsmäßigkeit von Verwaltungsmonopolen 186 1. Die Ansätze vor dem Apothekenurteil
187
2. Die Reaktion auf das Apothekenurteil
188
3. Alternativen
190
4. Zusammenfassung
193
I I I . Die neue L i t e r a t u r zum Monopol der öffentlichrechtlichen R u n d f u n k anstalten 193 Siebentes Kapitel Die Gewährleistung GG
der Freiheit
der Berufswahl
in Artikel
12 Absatz 1
I. Bestandsaufnahme I I . Wortlaut
199 199 203
1. „zu wählen"
203
2. „Beruf"
204
3. „frei"
206
4. Zusammenfassung
207
5. Berufsausübung
208
I I I . Systematik 1. Die freie W a h l von Arbeitsplatz u n d Ausbildungsstätte
209 209
Inhaltsverzeichnis 2. Arbeitszwang u n d Zwangsarbeit
210
3. Bindung der Gesetzgebung an die Grundrechte
210
IV. Geschichtliche Entwicklung des Grundrechts
211
1. Frühkonstitutionalismus
211
2. Weimarer Reichsverfassung
..,.•..•
214
V. Entstehungsgeschichte
218
1. Vorlagen
218
2. 5. Sitzung des Grundsatzausschusses am 29. September 1948
219
3. 23. Sitzung des Grundsatzausschusses am 19. November 1948
221
4. Zusammenfassung
222
V I . Folgen
224
1. Freiheit der Berufswahl
225
2. Einrichtung von Verwaltungsmonopolen
229
V I I . Zusammenfassung
231
Dritter
Teil
Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation im Lichte der Anforderungen des Grundgesetzes
235
Achtes K a p i t e l Die Vereinbarkeit dem Grundgesetz
der
öffentlichrechtlichen
Rundfunkorganisation
I. Die allgemeinen Prinzipien des öffentlichrechtlichen Rundfunks
mit 238 238
1. Das Modell
238
2. Die verfassungsrechtliche Beurteilung
242
I I . Die Verfassungsmäßigkeit der einzelnen Rundfunkgesetze
245
1. Gremienbesetzung durch die gesellschaftlichen Gruppen
246
2. Gremienbesetzung durch staatliche Stellen
248
a) Die einzelnen gesetzlichen Regelungen (1) Zweites Deutsches Fernsehen (2) Der Saarländische Rundfunk (3) Westdeutscher Rundfunk (4) Die Bundesrundfunkanstalten
248 248 249 250 251
b) Die Verfassungsmäßigkeit der Regelungen
252
3. Ergebnis I I I . Zusammenfassung
256 258
12
Inhaltsverzeichnis
Neuntes K a p i t e l Das Nebeneinander von öffentlichrechtlichem funk in Großbritannien
und kommerziellem
I. Maßgebliche Grundlinien des britischen Staatsrechts
Rund260 261
I I . Die rechtliche Ordnung des Rundfunks i n ihrer geschichtlichen E n t wicklung 262 1. Die B B C
263
2. Kommerzieller Rundfunk a) Die Vorgeschichte b) Die G r u n d s t r u k t u r des kommerziellen Fernsehens c) Die Entwicklung des kommerziellen Rundfunks d) Die Rechtsgrundlagen des kommerziellen Rundfunks
266 266 267 268 273
I I I . Die tatsächliche Lage des Rundfunks
276
1. Die Aufgaben des Rundfunks
277
2. Das Programm des kommerziellen Fernsehens
280
3. Werbung
284
4. Die Zusammenarbeit zwischen den Programmgesellschaften
286
5. Auswirkungen des kommerziellen Fernsehen auf das Fernsehprogramm der B B C 288 6. Die Finanzen der BBC u n d des kommerziellen Rundfunks
290
7. Die Beteiligung der Presseverleger am kommerziellen Rundfunk 294 8. Der Einfluß der Regierung auf den Rundfunk
296
9. Die Beziehungen zwischen I B A u n d den Programmgesellschaften 297 I V . Zusammenfassung
303
Schluß
306
Ergebnisse in Thesen
309
Literaturverzeichnis
311
Sachverzeichnis
333
Abkürzungsverzeichnis A.C. BBC BCC DRADAG EKM FCC FRAG GVRS IBA ITN ITV OBA ORTF Q.B. RAI RRG U.S.
= = = = = = = =
= = = = -
= = = =
Appeal Cases B r i t i s h Broadcasting Corporation Broadcasting Complaints Commission Drahtlose Dienst Aktiengesellschaft Expertenkommission Neue Medien Federal Comunications Commission Freie Rundfunk Aktiengesellschaft Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen i m Saarland v o m 2. Dezember 1964 Independent Broadcasting A u t h o r i t y Independent Television News Independent Television Open Broadcasting A u t h o r i t y Organisation Radiodiffusion Télévision Française Queen's Bench Division Radiotelevisione Italiana Reichs-Rundfunk-Gesellschaft Entscheidungen des Supreme Court der USA
Wegen der übrigen Abkürzungen siehe Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Auflage, B e r l i n 1982.
Einleitung Die Freiheit des Rundfunks hängt von der Organisation des Rundfunks ab. Die Organisation des Rundfunks w i r d i n der Bundesrepublik seit Jahren heftig diskutiert. Die rasche Entwicklung der Kommunikationstechnik hat neue Möglichkeiten der Massenkommunikation eröffnet, über deren Nutzung interessierte Kreise der Öffentlichkeit, aus Politik und Wirtschaft streiten. Für die Öffentlichkeit gewinnt der Rundfunk seine Bedeutung als M i t t e l der aktuellen Information. Die parlamentarische Demokratie ist auf den informierten Bürger angewiesen, da nur er i n der Lage ist, verantwortungsvoll am politischen Leben teilzunehmen und seine Bürgerrechte auszuüben. Der Bürger selbst kann kaum überprüfen, ob und wieweit er dem Rundfunk vertrauen kann. Die Möglichkeiten der Manipulation sind zahlreich. Der Einfluß des Rundfunks auf die öffentliche Meinung macht ihn für die Politiker begehrenswert. Sie sind auf eine ihnen günstige öffentliche Meinung angewiesen, um Wahlerfolge zu erringen. Der Rundfunk muß ihnen als geeignetes M i t t e l erscheinen, ihr Ziel zu erreichen. Deshalb versuchen sie, sich des Rundfunks zu bemächtigen. Die Wirtschaft ist weniger an der meinungsbildenden Wirkung des Rundfunks interessiert als an der Gelegenheit, durch die Veranstaltung von Rundfunk und den Verkauf von Werbezeit Gewinne zu erzielen. Auch schafft die Kommunikationstechnik neue Märkte: Wenn die Bundesrepublik verkabelt wird, fallen Investitionen i n Milliardenhöhe an, werden Arbeitsplätze geschaffen. Zugleich w i r d unser tägliches Leben spürbar verändert. Die Entscheidungen über die zukünftige Organisation des Rundfunks haben also weitreichende Auswirkungen und werden aus unterschiedlichen Gründen von verschiedener Seite zu beeinflussen versucht. Dadurch kann leicht die Freiheit des Rundfunks i n Gefahr geraten. Deshalb gilt es zu fragen, wie das Grundgesetz die Freiheit des Rundfunks verfassungsrechtlich absichert und welche Formen der Organisation des Rundfunks den Anforderungen des Grundgesetzes genügen. Diese beiden Fragen sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit. I n ihrem ersten Teil geht es u m A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Grundlegend für die Interpretation dieser Vorschrift ist die Recht-
16
Einleitung
sprechung des Bundesverfassungsgerichts, die i n Kapitel 1 analysiert wird. Es folgt eine geraffte Darstellung des Standes der Lehre i n Kapitel 2, bevor i n Kapitel 3 die Auslegung des Artikels 5 Absatz 1 Satz 2 GG entwickelt wird, die zeigt, daß diese Norm kein Individualgrundrecht des Bürgers enthält, selbst Rundfunk zu veranstalten. I n Kapitel 4 w i r d nachgewiesen, daß sich ein solches Individualgrundrecht auch nicht aus A r t i k e l 10 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention ableiten läßt. Der zweite Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Bedeutung des i n A r t i k e l 12 Absatz 1 GG verbürgten Grundrechts jedes Deutschen, seinen Beruf frei zu wählen, für die Organisation des Rundfunks. Kapitel 5 untersucht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Freiheit der Berufswahl und insbesondere zur Frage der Zulässigkeit von Verwaltungsmonopolen. Kapitel 6 behandelt die einschlägigen Stellungnahmen der Lehre. I n Kapitel 7 w i r d die restriktive Interpretation des A r t i k e l 12 Absatz 1 GG als Grundrecht jedes Deutschen entwickelt, zwischen den einzelnen Berufen i n ihrer gesetzlich geregelten Form ohne staatlichen Druck wählen zu dürfen. Dieses Grundrecht begrenzt nicht das Recht des Staates, Verwaltungsmonopole zu errichten. Nachdem die beiden ersten Teile der Untersuchung die Anforderungen des Grundgesetzes an die Organisation des Rundfunks ermittelt haben, wendet sich der abschließende dritte Teil tatsächlich existierenden Formen der Rundfunkorganisation zu und überprüft ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung. I n Kapitel 8 geht es u m die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation der Bundesrepublik Deutschland i n ihrer bisherigen Gestalt. Kapitel 9 behandelt angesichts der für die Bundesrepublik absehbaren Entwicklung zu einem Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und kommerziellem Rundfunk die Rundfunkorganisation Großbritanniens. Dabei geht es darum, welche Lehren aus den fast 30jährigen Erfahrungen der Briten mit der Konkurrenz von öffentlichrechtlichem und kommerziellem Fernsehen gezogen werden können und inwieweit sich die rechtliche Gestaltung des britischen Rundfunks mit dem Grundgesetz vereinbaren läßt.
Erster Teil
D i e Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k Das Grundgesetz gewährleistet i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 neben der Pressefreiheit die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Diese Vorschrift bildet den K e r n der verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation des Rundfunks. Sie ist Gegenstand dreier Fernsehurteile des Bundesverfassungsgerichts aus den Jahren 1961, 1971 und 1981 sowie weiterer Entscheidungen dieses Gerichts. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat die Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG so nachhaltig geprägt, daß die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte daneben keine eigene Bedeutung entwickeln konnte. Kapitel 1 beschränkt sich demgemäß auf die Analyse der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das zweite Kapitel gibt einen kurzgefaßten Überblick über die reichhaltige Literatur zur Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. I m dritten Kapitel folgt die Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG als institutionelle Rahmengarantie, die ausschließt, dieser Vorschrift ein Individualgrundrecht der Rundfunkveranstaltungsfreiheit zu entnehmen. Auch A r t i k e l 10 Absatz 1 E M R K enthält kein solches Individualgrundrecht (Kapitel 4).
Erstes Kapitel
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk Für die Frage, welche Anforderungen das Grundgesetz an die Organisation des Hundfunks stellt, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von herausragender Bedeutung. Sie hat sowohl die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte als auch die wissenschaftliche Diskussion entscheidend geprägt. Den Auftakt bildet das erste Fernsehurteil aus dem Jahre 1961 zur Deutschland-Fernsehen-GmbH, das sich sowohl mit dem Oligopol der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten als auch mit den Bedingungen für privaten Rundfunk befaßt (I). Zehn Jahre später wiederholt das Gericht i m zweiten Fernsehurteil, i n dem es u m die Mehrwertsteuerpflicht der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten geht, seine Rechtsprechung, während eine Minderheit des Zweiten Senats ein neues Verständnis der Freiheit des Rundfunks entwickelt (II). M i t dem Lebach-Urteil (III) und den Entscheidungen zum saarländischen Rundfunkgesetz wendet sich dann der Erste Senat dem Thema Freiheit und Organisation des Rundfunks zu. Der Beschluß zu den freien Mitarbeitern i m Rundfunk (V) und der Rundfunkratsbeschluß (VI) bilden 1982 den vorläufigen Abschluß der Rechtsprechung, die gemeinsam von beiden Senaten des Bundesverfassungsgerichts getragen wird. I. Das erste Fernsehurteil 1. Tatbestand
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 28. 2.1961 mit seinem ersten Fernsehurteil den sog. Fernsehstreit zwischen den Ländern Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Bremen auf der einen und dem Bund auf der anderen Seite 1 . Anlaß zu diesem Verfahren hatte die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH am 25. 7.1960 gegeben. Gesellschafter waren die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundeskanzler, die 12 000,— D M des Stammkapitals übernahm, 1 BVerfGE 12, 205; vgl. auch Günter dem Bundesverfassungsgericht.
Zehner
(Hrsg.), Der Fernsehstreit vor
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
19
und Bundesfinanzminister Schäffer. Er sollte die restlichen 11 000,— D M des Gesellschaftskapitals für die 11 Bundesländer bis zu deren Beitritt halten. Als die Länder sich weigerten beizutreten, übertrug er seinen Geschäftsanteil an die Bundesrepublik, die damit Alleingesellschafter wurde. Gemäß § 2 der Satzung war Aufgabe der Gesellschaft „die Veranstaltung von Fernseh-Rundfunksendungen, die den Rundfunkteilnehmern i n ganz Deutschland und i m Ausland ein umfassendes B i l d Deutschlands vermitteln sollen" 2 . M i t diesem Vorgehen hatte sich die damalige Bundesregierung unter Bundeskanzler Adenauer die Möglichkeit verschafft, i n Konkurrenz zur ARD Fernsehsendungen i n eigener Regie zu veranstalten. Hamburg und Hessen sahen jedoch i n dem Verhalten der Bundesregierung einen Verstoß gegen die A r t i k e l 5 und 30 GG i n Verbindung mit A r t i k e l 87 Abs. 3 GG und gegen die Pflicht des Bundes zu länderfreundlichem Verhalten, durch den sie sich i n ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt fühlten. Sie leiteten ein Bund-Länder-Streitverfahren gemäß A r t i k e l 93 Abs. 1 Nr. 3 GG ein, dem die Länder Bremen und Niedersachsen beitraten. Außerdem beantragte Hamburg i m Verfahren der abstrakten Normenkontrolle gemäß A r t i k e l 93 Abs. 1 Nr. 2 GG festzustellen, daß § 3 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk vom 16. 2.1955, der das Monopol des NDR begründete 3 , mit dem Grundgesetz vereinbar sei. 2. Analyse der Entscheidungsgriinde
Das Bundesverfassungsgericht stellt i n seinem U r t e i l fest, daß das den Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk betreffende hamburgische Gesetz4 insoweit mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig ist, als es dem Norddeutschen Rundfunk ein Monopol zur Errichtung und zum Betrieb von Sendeanlagen einräumt. Der sendetechnische Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der Studiotechnik fällt unter die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Post- und Fernmeldewesen i n A r t i k e l 73 Nr. 7 GG. Dagegen steht nicht dem Bund, sondern den Ländern die Befugnis zu, die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter von Rundfunksendungen zu regeln und Vorschriften über das Programm zu erlassen 5. 2
Abgedruckt bei Zehner (FN 1), Bd. 1, S. 141. GVB1. H a m b u r g 1955 I, S. 197. 4 Dieses Gesetz, nicht der Staatsvertrag selbst w a r formell Gegenstand der verfassungsgerichtlichen Prüfung, vgl. BVerfGE 12, 205, 220 f. 5 BVerfGE 12, 205, 223 ff. 3
2*
20
I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
I m Bund-Länder-Streit kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß der Bund durch die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH gegen A r t i k e l 30 i n Verbindung mit A r t i k e l 83 ff. GG, gegen das verfassungsrechtliche Gebot zu bundesfreundlichem Verhalten und gegen A r t i k e l 5 GG verstoßen hat. Dafür sind folgende Gedanken maßgebend: Rundfunk zu veranstalten ist nach der deutschen Rechtsentwicklung eine öffentliche Aufgabe. Wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe i n irgendeiner Form befaßt, w i r d sie zu einer staatlichen Aufgabe. Da das Grundgesetz keine andere Regelung getroffen oder zugelassen hat, ist ihre Erfüllung gemäß A r t i k e l 30 GG Sache der Länder. A r t i k e l 30 GG gilt sowohl für die gesetzesakzessorische als auch für die gesetzesfreie Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Auch das procedere und der S t i l der Verhandlungen, die zwischen dem Bund und seinen Gliedern und zwischen den Ländern i m Verfassungsleben erforderlich werden, stehen unter dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens. Deshalb hätte die Bundesregierung unmittelbar mit allen Landesregierungen über ihren Plan, die Deutschland-Fernsehen-GmbH zu gründen, verhandeln müssen6. Während das erste Fernsehurteil insoweit auf allgemeine Zustimmung gestoßen ist, stehen die folgenden Ausführungen zur Interpretation des A r t i k e l 5 GG noch heute i m Widerstreit der Meinungen. Das Gericht geht aus von der Pressefreiheit. Über das individuelle Abwehrrecht des Bürgers hinaus, seine Meinung frei zu äußern, gewährleistet Satz 2 des A r t i k e l 5 Abs. 1 GG die institutionelle Eigenständigkeit der Presse. Sie schließt es aus, daß der Staat die Presse reglementiert oder steuert. Hier zieht das Gericht eine Parallele zum Rundfunk, der ebenfalls zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln gehört. Er ist nicht nur Medium, sondern auch Faktor der öffentlichen Meinungsbildung. Sein Einfluß auf die öffentliche Meinung beschränkt sich nicht auf politische Sendungen. Vielmehr verwirklicht er sich i n Auswahl und Gestaltung eines jeden Programms. Auch das Grundgesetz zieht die Parallele zwischen Presse und Rundfunk, indem es i n A r t i k e l 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk neben der Pressefreiheit gewährleistet. Nachdem das U r t e i l so zunächst die institutionellen Gemeinsamkeiten von Presse und Rundfunk herausgearbeitet hat, wendet es sich den Unterschieden zwischen beiden Medien zu. Einleitend betont es ausdrücklich, daß die aufgezeigte Parallele zwischen Presse und Rundfunk noch nichts über den Weg sagt, „auf dem diese Freiheit des Rundfunks i m allgemeinen und die Berichterstattung durch Rundfunk i m beson« BVerfGE 12, 205, 243 ff.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
21
deren gesichert werden muß, damit dem A r t i k e l 5 GG Genüge getan ist" 7 . Diese Feststellung ist für die Interpretation des A r t i k e l 5 Abs. 1 Satz 2 GG von erheblicher Bedeutung. Presse und Rundfunk üben erheblichen Einfluß auf die öffentliche Meinung aus, so daß für beide die institutionelle Freiheit gleich wichtig ist. Diese Gemeinsamkeit erkennt das Grundgesetz an, wenn es die institutionelle Freiheit beider Medien i n einem Satz garantiert. Die Gleichheit des Ziels institutionelle Freiheit sagt jedoch noch nichts über den Weg, der beschritten werden muß, u m dieses Ziel zu erreichen. Den Schluß vom gleichen Ziel auf dem gleichen Weg lehnt das Urteil ausdrücklich ab. Statt dessen geht es auf die Besonderheit ein, die den Rundfunk von der Presse unterscheidet: Die Zahl der Rundfunkveranstalter muß aus technischen Gründen und mit Rücksicht auf den außergewöhnlich großen finanziellen Aufwand verhältnismäßig klein bleiben. Zwar können auch Zeitungen nicht i n beliebiger Zahl neu gegründet und unterhalten werden. I m Unterschied zum Rundfunk konkurriert jedoch bereits eine relativ große Zahl von Presseunternehmen miteinander. Das Gericht sieht also die Entwicklungsmöglichkeiten, die Marktzutrittschancen bei Presse und Rundfunk gleich. Dagegen unterscheidet sich die gegenwärtige, historisch gewachsene Situation beider Medien: relativ große Vielfalt der Presse gegenüber der notwendig verhältnismäßig kleinen Zahl der Rundfunkveranstalter. „Diese Sondersituation i m Bereich des Rundfunkwesens fordert besondere Vorkehrungen zur Verwirklichung und Aufrechterhaltung der i n A r t i k e l 5 GG gewährleisteten Freiheit des Rundfunks 8 ." Als Zwischenergebnis lassen sich folgende Gedankenschritte des Urteils festhalten: Institutionelle Freiheit ist für Presse und Rundfunk wegen ihres Einflusses auf die Bildung der öffentlichen Meinung von gleicher Bedeutung. Diese Parallele sagt nicht, daß der Weg zu der vom Grundgesetz geforderten institutionellen Freiheit für beide Medien der gleiche ist. Für die A n t w o r t auf die Frage nach dem richtigen Weg ist es bedeutsam, daß der historisch gewachsenen Vielfalt der Presse eine notwendig kleine Zahl von Rundfunkveranstaltern gegenübersteht. Diese Besonderheit der tatsächlichen Situation fordert besondere rechtliche Maßnahmen, um die Freiheit des Rundfunks zu gewährleisten. Das Gericht zählt die erforderlichen Sondervorkehrungen nun nicht etwa abschließend auf, sondern begnügt sich damit festzustellen, daß das Prinzip der öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisation ein geeignetes M i t t e l ist. Zwei Punkte dieser Aussage sind festzuhalten: Gebilligt w i r d das Prinzip des öffentlichrechtlichen Rundfunks, nicht jede Form 7 8
BVerfGE 12, 205, 261. BVerfGE 12, 205, 2 6 .
22
I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
der tatsächlichen Ausgestaltung; und die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation w i r d nur als ein, nicht als das M i t t e l zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks bezeichnet 9 . Das Prinzip des öffentlichrechtlichen Rundfunks zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: — Veranstalter ist eine Person des öffentlichen Rechts; — die juristische Person w i r d durch Gesetz geschaffen; — sie ist höchstens unterworfen;
einer
beschränkten staatlichen
Rechtsaufsicht
— sie verfügt über Kollegialorgane, die faktisch i n angemessenem Verhältnis aus Repräsentanten aller bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen zusammengesetzt sind; — diese haben die Macht, die Programmgestalter darauf zu kontrollieren und dahin zu korrigieren, daß den gesetzlichen Grundsätzen für eine angemessene anteilige Heranziehung aller am Rundfunk Interessierten Genüge getan wird 1 0 . Methodisch geht das Gericht hier so vor, daß es aus der tatsächlichen Regelung der Organisation ein Prinzip des öffentlichrechtlichen Rundfunks ableitet, das durch fünf Faktoren geprägt wird. Die Richter entwerfen nicht selbst ein theoretisches Modell, sondern untersuchen die Wirklichkeit und zeigen i n dieser Wirklichkeit eine Struktur auf. A u f fällig ist der Verweis darauf, daß sich die Kollegialorgane faktisch aus Gruppenvertretern zusammensetzen. M i t dieser Formulierung trägt das U r t e i l der Tatsache Rechnung, daß nicht alle Rundfunkgesetze regeln, wer Mitglied der Kollegialorgane wird. Indem die faktischen Gegebenheiten einbezogen werden, w i r d deutlich, daß Prinzip i n diesem Zusammenhang nicht als Rechtsprinzip zu verstehen ist. Prinzip meint hier vielmehr alle für die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation leitenden Gedanken, unabhängig davon, ob sie rechtlich gefaßt sind oder nicht. Die Kollegialorgane haben die Aufgabe, gesetzliche Grundsätze durchzusetzen, und zwar Grundsätze darüber, wie die am Rundfunk Interessierten herangezogen werden. Diese Formulierung ist unklar. Die deutschen Rundfunkgesetze kennen zwar eine Vielzahl von Programmgrundsätzen, äußern sich jedoch nicht zu der Frage, wie am Rundfunk Interessierte heranzuziehen sind. Offenbar bezieht sich dieser Satz auf die Pflicht der Rundfunkanstalten, die weltanschaulichen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Richtungen zu berücksichtigen, die so oder in ähnlicher Form i n fast allen Rundfunkgesetzen enthalten ist 1 1 . 9 10
BVerfGE 12, 205, 261. BVerfGE 12, 205, 261.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Das Urteil kommt zu dem Ergebnis, daß einer Rundfunkanstalt, die dem herausgearbeiteten Prinzip entspricht, unter den gegenwärtigen technischen Gegebenheiten und auf Landesebene ein Monopol eingeräumt werden darf, keinesfalls jedoch muß 1 2 . Der Bezug auf die gegenwärtigen technischen Gegebenheiten läßt nun nicht den Umkehrschluß zu, daß unter anderen technischen Gegebenheiten ein Monopol verfassungswidrig wäre. Vielmehr ist die Einschränkung nur Ausfluß der Tatsache, daß es sich bei der Entscheidung u m das Urteil eines Gerichts handelt, das nur über den vorliegenden Fall entscheidet. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten allgemeine verfassungsrechtliche Aussagen zur Rundfunkorganisation zu machen. Das Gericht sollte nur entscheiden, ob unter den gegebenen Umständen das Monopol der Landesrundfunkanstalten dem Grundgesetz entsprach. U m seine Position zu verdeutlichen, weist das Gericht i m folgenden Absatz ausdrücklich darauf hin, daß auch Gesellschaften des privaten Rechts Rundfunkveranstalter sein dürfen, wenn sie durch ihre Organisation hinreichende Gewähr bieten, daß ähnlich wie i m öffentlichrechtlichen Rundfunk alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen und die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt. Weitere Voraussetzungen sind eine gesetzlich geschaffene Gesellschaftsform, die die institutionelle Freiheit des Rundfunks sichert, und eine Staatsaufsicht 18 . Diese Ausführungen werfen zunächst die Frage auf, warum das Bundesverfassungsgericht überhaupt zu den Anforderungen des Grundgesetzes an die privatrechtliche Organisation von Rundfunk Stellung nimmt. Denn es hat bereits entschieden, daß dem Bund die Kompetenz zur Errichtung der Deutschland-Fernsehen-GmbH fehlt 1 4 und daß das Monopol der öffentlichrechtlichen Landesrundfunkanstalten verfassungsgemäß ist 15 . Welchen Sinn hat es dann noch, verfassungsrechtliche Bedingungen für die Veranstaltung von Rundfunk i n den Formen des Privatrechts zu erörtern? Handelt es sich nicht u m ein obiter dictum, mit dem das Gericht weitergehende Ausführungen macht, als das zur Entscheidung des i h m vorgelegten Falles erforderlich ist? Diese Einwände überzeugen nicht. Das Bundesverfassungsgericht stellt i m Urteilstenor fest, daß der Bund durch die Gründung der Deutschland-Fern11
Z.B. § 4 Satz2 WDR-Gesetz; § 4 Abs. 1 Satz2 Staatsvertrag über den NDR v o m 16. 2.1955. 12 BVerfGE 12, 205, 262. 13 BVerfGE 12, 205, 262. 14 BVerfGE 12, 205, 243 ff. 15 BVerfGE 12, 205, 261 f.
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I . T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
sehen-GmbH gegen A r t i k e l 30 i n Verbindung m i t dem V I I I . Abschnitt des Grundgesetzes sowie gegen den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens und gegen A r t i k e l 5 des Grundgesetzes verstoßen hat 1 6 . Damit sieht es i m Verhalten des Bundes einen dreifachen Verstoß gegen das Grundgesetz. Die drei Gründe für den Verfassungsverstoß stehen gleichberechtigt nebeneinander, und das Gericht ist zumindest berechtigt, wenn nicht verpflichtet, sie allesamt festzustellen, auch wenn bereits der Verstoß gegen eine Vorschrift des Grundgesetzes ausreicht, u m das Verhalten des Bundes verfassungswidrig zu machen. Anderenfalls entschiede das Urteil nur einen Teil des Bund-Länder-Streits, indem es gemäß A r t i k e l 93 Absatz 1 Nr. 3 GG u m die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder geht. Z u den Pflichten des Bundes zählt das Gericht zu Recht auch, die Freiheit des Rundfunks unangetastet zu lassen, die von fundamentaler Bedeutung für das gesamte öffentliche, politische und verfassungsrechtliche Leben i n den Ländern ist. Es widerspräche dem Sinn des Artikels 93 Absatz 1 Nr. 3 GG als eines Instruments zur rechtsförmigen Lösung von Konflikten i m Bundesstaat, den Bund-Länder-Streit allein auf Meinungsverschiedenheiten über das Verständnis von Grundgesetzvorschriften zu beschränken, die unmittelbar das Verhältnis zwischen Bund und Ländern regeln. Also zählen auch die Ausführungen über eine privatrechtliche Rundfunkorganisation zu den tragenden Entscheidungsgründen. Behält man diesen Hintergrund der Ausführungen i m Auge, so w i r d auch klar, daß die i m Urteil formulierten Bedingungen für privatrechtlichen Rundfunk an die für die Zeit der Entscheidung festgestellte Sondersituation gebunden sind, auch wenn das i m Urteil nicht ausdrücklich gesagt wird. Das Gericht hatte nicht darüber zu entscheiden, wie privatrechtlicher Rundfunk irgendwann einmal zu organisieren sein werde, sondern welche Anforderungen das Grundgesetz i m Zeitpunkt des konkreten Bund-Länder-Streits an einen Rundfunk i n der Form des Privatrechts stellte. Unter diesen Umständen müssen i n einer Rundfunkgesellschaft des privaten Rechts alle gesellschaftlich relevanten Kräfte zu Wort kommen, und die Freiheit der Berichterstattung muß unangetastet bleiben. Diese doppelte Anforderung ist insofern bemerkenswert, als das Grundgesetz ausdrücklich nur fordert, die Freiheit der Berichterstattung zu gewährleisten. Das Gericht versteht die Freiheit der Berichterstattung nur als einen Teil der umfassenden Freiheit des Rundfunks, wie auch schon die vorausgehende Formulierung von der „Freiheit des Rundfunks i m allgemeinen und die der 1β
BVerfGE 12, 205, 207.
. K a p . : Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Berichterstattung durch Rundfunk i m besonderen" 17 erkennen läßt. Die allgemeine Freiheit des Rundfunks ist mit der institutionellen Freiheit identisch, sie stellt Anforderungen an die Organisation des Rundfunks. Die Freiheit der Berichterstattung ist nur ein Ausschnitt der institutionellen Freiheit. Der Gehalt dieser Freiheit w i r d i m Urteil noch näher erläutert. Kernpunkt der institutionellen Freiheit ist es, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Daraus zieht das Gericht Folgerungen: — Rundfunkveranstalter müssen so organisiert sein, daß alle i n Betracht kommenden Kräfte i n ihren Organen Einfluß haben und i m gesamten Programm zu Wort kommen können; — auch den Vertretern des Staates darf i n den Organen der „neutralisierten" Träger der Veranstaltung ein angemessener Anteil eingeräumt werden, ohne daß der Staat einen Rundfunkveranstalter jedoch unmittelbar oder mittelbar beherrschen dürfte; — für den Inhalt des Gesamtprogramms müssen Leitgrundsätze verbindlich sein, die ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten; — ein Gesetz muß die organisatorischen und sachlichen Grundsätze allgemein verbindlich machen 18 . Auch diese Folgerungen sind wieder auf die konkrete Situation bezogen, i n der das Gericht sein Urteil zu fällen hatte. Bezüglich der organisatorischen Anforderungen fällt auf, daß das Gericht von „neutralisierten" Trägern spricht, also von der Vorstellung ausgeht, daß sich die i n den Kollegialorganen aufeinandertreffenden Sonderinteressen gegenseitig aufheben. Darin kommt eine Grundannahme über die Wirkung pluralistischer Gremienbesetzung zum Ausdruck, die jedoch nicht näher erläutert wird. Für den Programminhalt verlangt das U r t e i l ein Mindestmaß inhaltlicher Ausgewogenheit des Gesamtprogramms, also nicht etwa die volle Ausgewogenheit jedes einzelnen Programmbeitrags. Eine Analyse der Entscheidung hat stets i m Auge zu behalten, daß hier ein Gericht ein Urteil i n einem ihm vorgelegten Fall erlassen hat. Verfassungsgerichtsentscheidungen geraten leicht i n Gefahr, nach gleichen Maßstäben wie die Verfassung selbst beurteilt zu werden; die Entscheidungsgründe werden interpretiert, als formulierten sie eine in der Verfassung oft nur kurz und stichwortartig angedeutete Rege17 18
BVerfGE 12, 205, 261. BVerfGE 12, 205, 262 f.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
lung aus und stellten selbst eine abstrakt-generelle, i m Verfassungsrang stehende Norm dar. Selbstverständlich enthalten die Urteile des Bundesverfassungsgerichts abstrakt-generelle Aussagen, die als Obersätze für die Subsumtion benötigt werden. Diese Obersätze werden jedoch anders als (verfassungs-) gesetzliche Regelungen m i t Blick auf einen konkreten Sachverhalt formuliert. Dieser Bezug auf einen konkreten Fall unterscheidet eine Bundesverfassungsgerichtsentscheidung von der Verfassung. Liest man das erste Fernsehurteil unter diesem Blickwinkel, besteht kein Zweifel, daß weite Passagen der Interpretation des Artikels 5 A b satz 1 Satz 2 GG vor dem Hintergrund der vom Gericht festgestellten Sondersituation des Rundfunks zu verstehen sind. Nur unter den Umständen des Jahres 1961 erklären die Richter das Oligopol der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten für verfassungsgemäß. N u r i m Blick auf binnenplurale Elemente i n der Organisation der DeutschlandFernsehen-GmbH 19 sind die Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Rundfunkveranstalter i n der Form einer Gesellschaft des privaten Rechts zu erklären. Dagegen besteht die Parallele zwischen Presse und Rundfunk i m Bezug auf ihren Einfluß auf die öffentliche Meinung und die daraus folgende gleiche Bedeutung der institutionellen Freiheit für beide Medien unabhängig von technischen und finanziellen Gegebenheiten. Unabhängig davon gilt auch der Satz, daß aus der gleichen Bedeutung der institutionellen Freiheit für Presse und Rundfunk nicht eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit gleicher Organisation folgt. Bezieht man so den zu entscheidenden Streit i n die Interpretation des Urteils ein, vermeidet man auch die Gefahr, es als abschließende Regelung der Rundfunkverfassung zu begreifen. Wichtige Fragen bleiben offen und müssen auch offenbleiben, w e i l sie nicht entscheidungsrelevant sind. So sagt das Gericht nichts darüber aus, wie der Rundfunk nach Wegfall der Sondersituation zu organisieren ist, wenn man davon absieht, daß er auch dann weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Guppe i n die Hände fallen darf — diese Forderung ergibt sich aus der institutionellen Freiheit unabhängig von der Sondersituation. Festzuhalten ist, daß das Gericht die Freiheit des Rundfunks nur institutionell interpretiert, von einem individualrechtlichen Gehalt ist nicht die Rede, brauchte auch nicht die Rede zu sein, w e i l Individualrechte des Bürgers i n einem Bund-Länder-Streit jedenfalls keine unmittelbare Bedeutung haben. Die institutionelle Freiheit w i r d aber auch unabhängig von der Sondersituation angenommen und vom 19
§ 10 der Satzung der Deutschland-Fernsehen-GmbH, Zehner (FN 1), Bd. 1 S. 18 f.
abgedruckt
bei
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Gericht nicht etwa als notdürftiger Ersatz der eigentlichen, individualrechtlichen Freiheit behandelt. I m Ergebnis t r i f f t das Bundesverfassungsgericht i m ersten Fernsehurteil unabhängig von der Sondersituation nur folgende Feststellungen zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation des Rundfunks: 1. Die gleiche Bedeutung der institutionellen Freiheit für Presse und Rundfunk zwingt nicht dazu, beide in gleicher Weise zu organisieren. 2. Der Rundfunk muß so organisiert werden, daß er weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Bezogen auf die Sondersituation sind folgende Aussagen: 1. Das gesetzliche Monopol der Landesrundfunkanstalten w i r d vom Grundgesetz zugelassen, aber nicht gefordert. 2. Die gruppenplurale Organisation der Landesrundfunkanstalten ist ein Weg, um die institutionelle Freiheit des Rundfunks zu sichern. 3. Eine Gesellschaft des Privatrechts muß auf gesetzlicher Grundlage gruppenplural organisiert werden, wenn sie Rundfunk veranstalten will. I m übrigen bleiben die Anforderungen Organisation des Rundfunks offen.
des Grundgesetzes an die
I I . Das zweite Fernsehurteil 1. Tatbestand
I n seinem zweiten Fernsehurteil entschied das Bundesverfassungsgericht am 27. J u l i 1971 die Frage, ob die Gebühreneinnahmen der Rundfunkanstalten der Umsatzsteuerpflicht unterworfen werden dürfen. § 2 Absatz 3 Satz 2 Umsatzsteuergesetz 1967 fingierte die Tätigkeit der Rundfunkanstalten als gewerbliche oder berufliche, so daß i h r Gebührenaufkommen umsatzsteuerpflichtig wurde 2 0 . § 4 Nr. 22 UStG 1957 hatte die Gebühren dagegen noch ausdrücklich von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen 21 . Das Land Hessen leitete gemäß A r t i k e l 93 20 § 2 Abs. 3 U S t G 1967 (BGBl. I , S.545): „Die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind i m Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher A r t (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftssteuergesetzes) u n d ihrer land- u n d forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig. Die Tätigkeit der R u n d f u n k anstalten g i l t als gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i m Sinne dieses Gesetzes." 2! BGBl. I, S. 1743.
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
Abs. 1 Nr. 2 GG ein Normenkontrollverfahren gegen die Neuregelung ein, sieben Rundfunkanstalten erhoben Verfassungsbeschwerde 22 . 2. Analyse der Entscheidungsgründe a)
Zulässigkeit
Das Gericht entscheidet zunächst über die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde. Nach ständiger Rechtsprechung stehen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Grundrechte nicht zu, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen, weil der Staat anderenfalls gleichzeitig Adressat und Berechtigter der Grundrechte wäre 2 3 . Den Rundfunkanstalten w i r d jedoch zugestanden, sich auf A r t i k e l 5 Absatz 1 GG zu berufen, weil sie gerade u m die Verwirklichung des Grundrechts zu ermöglichen als vom Staat unabhängige, sich selbst verwaltende Anstalten durch Gesetz geschaffen worden sind 24 . Das Bundesverfassungsgericht behandelt die Rundfunkanstalten insoweit ebenso wie die Universitäten und Fakultäten 2 5 . Diese Zulässigkeitsentscheidung macht deutlich, daß die Rundfunkanstalten trotz ihrer öffentlichrechtlichen Organisationsform nicht zum eigentlichen Bereich des Staatlichen gehören und daß A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG sich nicht i n seiner objektivrechtlich-institutionellen Bedeutung erschöpft, sondern ein subjektives Grundrecht der Rundfunkanstalten umfaßt. b)
Begründetheit
A r t i k e l 105 Absatz 2 GG a. F. 2 e verlieh dem Bund die Gesetzgebungsbefugnis über die Verbrauch- und Verkehrsteuern. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts fällt darunter nur die Besteuerung eines privatwirtschaftlichen Leistungsaustausches 27 . Der Bund ist nicht befugt, diese Grenze seiner Gesetzgebungsbefugnis durch Fiktion zu durchbrechen. I m Gegensatz zur Auffassung des Bundesministers der 22
BVerfGE BVerfGE Nachweisen. 24 BVerfGE 25 BVerfGE 23
31, 314. 21, 362, 369 ff.; vgl. auch BVerfGE 45, 63, 78 m i t umfassenden 31, 314, 321 f. 15, 256, 261 f.; vgl. auch von Mutius,
Rdnr. 78 ff. zu A r t . 19
Abs. 3 GG in BK (Zweitbearbeitung 1975) und Sigurd Hendrichs, Rdnr. 38 f. zu A r t . 19 i n : G G - K , Bd. 1, 2. Aufl., m i t weiteren Nachweisen. 26 Bis zum I n k r a f t t r e t e n des Einundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v o m 12. M a i 1969 (BGBl. I , S. 359) lautete A r t . 105 Abs. 2 Nr. 1 GG: „Der B u n d hat die konkurrierende Gesetzgebung über die V e r brauch· u n d Verkehrsteuern m i t Ausnahme der Steuern m i t örtlich bedingtem Wirkungskreis, insbesondere Grunderwerbssteuer, Wertzuwachssteuer u n d der Feuerschutzsteuer." 27 BVerfGE 31, 314, 330 ff.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Finanzen handelt es sich bei § 2 Absatz 3 Satz 2 UStG 1967 auch um eine Fiktion und nicht lediglich u m eine Klarstellung. Das ergibt sich nach dem Urteil aus dem für die Einrichtung Rundfunk, geltenden verfassungsrechtlichen Grundsätzen sowie den Rundfunkgesetzen und Staatsverträgen der Länder 2®. So kommt das Gericht i n dem Verfassungsstreit über die Reichweite der Steuergesetzgebung des Bundes zu der Notwendigkeit, zehn Jahre nach dem ersten Fernsehurteil zum zweiten M a l zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rundfunkorganisation Stellung zu nehmen. Es wiederholt die zehn Jahre zuvor entwickelten Grundsätze und stellt fest, daß sie auch 1971 noch gelten. Die Frage, ob diesen Grundsätzen mehrere und gegebenenfalls welche Organisationsformen entsprechen können, bleibt ausdrücklich offen. Die Richter schließen aber grundsätzlich aus, daß der Rundfunk als eines der mächtigsten Kommunikations- und Massenmedien dem freien Spiel der Kräfte überlassen wird. Dazu reichen seine Wirkungen und Möglichkeiten zu weit. Auch die Gefahr des Mißbrauchs zum Zweck einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung w i r d erwähnt. Dieses Verbot, den Rundfunk einfach den Kräften des Marktes und der Interessenten zu überlassen, geht über das erste Fernsehurteil hinaus. Es w i r d nicht aus der Sondersituation des Rundfunks entwickelt, sondern allgemein aus den Wirkungen, besonders des Fernsehens, abgeleitet. Wenn auch schon 1961 der Einfluß des Rundfunks auf die öffentliche Meinung herausgearbeitet worden war, rückt nun doch zum ersten M a l die Gefahr ihrer Manipulation i n das Blickfeld. Wie der Einfluß des Rundfunks auf die öffentliche Meinung seine institutionelle Freiheit erfodert, so bedingt die Gefahr einer Manipulation der öffentlichen Meinung das Verbot, den Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. I m weiteren Fortgang seiner Argumentation schildert das Urteil die Grundzüge der landesrechtlichen Rundfunkorganisation, bestätigt ihre Übereinstimmung mit A r t i k e l 5 GG. „Unter den obwaltenden Umständen" ist auch das Monopol der öffentlichrechtlichen Anstalt verfassungsgemäß. Die Form der Rundfunkorganisation zeigt nach Auffassung des Gerichts, daß die Rundfunkanstalten nicht als Unternehmer gewerblich oder beruflich tätig werden, sondern eine öffentlichrechtliche Aufgabe erfüllen. Damit enthält § 2 Absatz 3 Satz 2 UStG 1967 eine Fiktion, die von der Gesetzgebungsbefugnis des Bundes aus A r t i k e l 105 Absatz 2 GG a. F. nicht gedeckt ist 2 9 . Wichtig für die Rundfunkorganisation ist an diesem U r t e i l dreierlei: Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hält mehrheitlich an 28 29
BVerfGE 31, 314, 323 ff. BVerfGE 31, 314, 327 ff.
30
I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
den Ausführungen i m ersten Fernsehurteil fest, erklärt das Monopol der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten auch unter den Umständen des Jahre 1971 für verfassungsgemäß und schließt es wegen der Gefahren für die öffentliche Meinung aus, den Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. c) Abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck und Wand Auch die abweichende Meinung der Richter Geiger, Rinck und Wand äußert sich zu den Anforderungen, die das Grundgesetz an die Organisation des Rundfunks stellt. I m Ausgangspunkt sind sie mit der Senatsmehrheit einig: Die Veranstaltung von Rundfunk ist eine öffentliche Aufgabe, die nach A r t i k e l 5 GG weder unmittelbar noch mittelbar zur staatlichen Aufgabe gemacht werden darf, sondern i n den Raum der Gesellschaft verwiesen wird. A r t i k e l 5 GG gebietet, daß sie nicht einer Gruppe der Gesellschaft überlassen wird, sondern daß alle gesellschaftlich relevanten Gruppen mit ihren Vorstellungen, Überzeugungen, Meinungen und Wertungen beteiligt werden und i n einem ausgewogenen Verhältnis zu Wort kommen. Daraus ziehen sie unter Berufung auf das erste Fernsehurteil die Folgerung, daß jede vermeidbare Monopolisierung der Veranstaltung von Rundfunk mit A r t i k e l 5 GG unvereinbar ist. Diese Schlußfolgerung geht über das erste Fernsehurteil hinaus. Dort war nur festgestellt worden, daß sowohl das Sendemonopol einer binnenplural organisierten Landesrundfunkanstalt als auch die Sendemöglichkeit einer binnenplural organisierten Gesellschaft des Privatrechts i n der Sondersituation des Rundfunks mit dem Grundgesetz vereinbar ist 30 . Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht weder 1961 noch 1971 gesagt, daß nach Fortfall der Sondersituation das Sendemonopol und die binnenplurale Organisation verfassungswidrig werden. Auch die Forderung, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen am Rundfunk zu beteiligen und i n einem ausgewogenen Verhältnis zu Wort kommen zu lassen, ist neu. Das Verfassungsgericht verlangt nur, daß alle gesellschaftlich relevanten Gruppen an einem binnenplural organisierten Rundfunkveranstalter zu beteiligen sind. Dagegen fordert die abweichende Meinung, daß i n jeder Rundfunkorganisation alle gesellschaftlich relevanten Gruppen beteiligt werden und außerdem i n einem ausgewogenen Verhältnis zu Wort kommen. Danach muß der Staat den Rundfunk zwar der Gesellschaft überlassen, zugleich aber für die Beteiligung der Gruppen und darüber hinaus für ihre ausgewogene Beteiligung i m Programm sorgen. Die Senatsminderheit vertritt die A u f 30
BVerfGE 31, 314, 337 f.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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fassung, daß der Rundfunk zur Zeit nicht dem freien Belieben von einzelnen oder Gruppen überlassen werden kann. Zur Begründung verweist sie auf Frequenzknappheit, Kostspieligkeit der Studiotechnik und den außerordentlich großen Aufwand für die Programmgestaltung. Diese Faktoren würden mit Sicherheit dazu führen, daß sich wenige kapitalkräftige oder gesellschaftlich mächtige Gruppen des Rundfunks bemächtigten. Die Mindermeinung sieht diese Gefahr beseitigt, wenn allen interessierten Gruppen eine Frequenz zugewiesen werden kann 3 1 . Die abweichende Meinung unterscheidet sich von der Senatsmehrheit darin, daß sie den Rundfunk nur vorübergehend nicht dem freien Belieben überlassen w i l l . Diese Übergangszeit sieht sie — wie das erste Fernsehurteil die Sondersituation des Rundfunks — geprägt durch Frequenzmangel und Kapitalbedarf. Der Rundfunk soll jedoch schon nach Wegfall des Frequenzmangels dem freien Belieben offenstehen. Der Kapitalbedarf, der auch dazu führt, daß „zur Zeit" (also 1971) „ m i t Sicherheit" kapitalkräftige Gruppen sich des Rundfunks bemächtigen, verliert i n den Augen der abweichenden Richter nach Wegfall der Frequenzknappheit offenbar seine Bedeutung. Für das Jahr 1971 fordert auch die abweichende Meinung, daß der Gesetzgeber den Rundfunk staatsfrei und binnenplural organisiert 32 . Darüber hinaus leitet sie aus A r t i k e l 5 GG ab, daß jede nach dem Stand der Technik und der wirtschaftlichen Vernunft mögliche Verwirklichung von Freiheit i m Rundfunk zu gewähren ist. Der Gesetzgeber hat alle dazu nötigen Organisationsformen zur Verfügung zu stellen. Das Programmniveau dagegen haben die Gruppen und Zuschauer zu bestimmen. Die Rundfunkveranstalter und ihre Mitarbeiter sind nicht Herren des Rundfunks, sondern nur Instrument der Gruppen, denen sie zu dienen haben. Die Freiheit des Rundfunks besteht i n der freien Beteiligung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen an der Gestaltung des Programms 33 . Diese Ausführungen enthalten zwei Thesen zum Inhalt der Freiheit des Rundfunks: Sie ist dann gegeben, wenn alle technischen Möglichkeiten genutzt werden und die Gruppen sich frei an der Programmgestaltung beteiligen. Dieses Freiheitsverständnis w i r d nicht näher erläutert, sondern vorausgesetzt. Nach diesen grundsätzlichen Ausführungen zur Rundfunkorganisation kommt die abweichende Meinung zu ihrem eigentlichen Thema. Die Rundfunkanstalten lassen i n Aufbau, Organen und Aufgabenerfüllung öffentlichrechtliche Elemente vermissen und gleichen als Dienstleistungsunternehmen beliebigen anderen 31 32 33
BVerfGE 31, 314, 338. BVerfGE 31, 314, 338 f. BVerfGE 31, 314, 339 f.
32
I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
Großunternehmen. Deshalb können sie auch zur Umsatzsteuer herangezogen werden 34 . Die abweichende Meinung stellt andere verfassungsrechtliche A n forderungen an die Organisation des Rundfunks als die beiden Fernsehurteile. Für sie bedeutet Freiheit des Rundfunks, daß alle gesellschaftlichen Gruppen am Rundfunk beteiligt sind und i n i h m ausgewogen zu Wort kommen, und zwar unabhängig von der Sondersituation des Rundfunks. Während die beiden Fernsehurteile aus der Garantie der instituionellen Freiheit nur folgern, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer Gruppe überlassen werden darf, leitet die Minderheit aus der Freiheitsgarantie positive Bedingungen für die Rundfunkorganisation ab, die Gruppen werden kraft Verfassungsrechts zu Trägern des Rundfunks. Eng damit verbunden ist die Forderung, Monopole i m Rundfunk soweit wie möglich zu vermeiden. Damit w i r d das öffentlichrechtliche Rundfunkmonopol nicht als gleichberechtigte Organisationsform eingeordnet, sondern nur für eine Übergangszeit hingenommen, die m i t der Frequenzknappheit zu Ende geht. Danach w i r d der Rundfunk dem freien Belieben überlassen. Der Staat hat jede nach dem Stand der Technik mögliche Entwicklung i m Rundfunk durchzuführen und alle nötigen Organisationsformen zur Verfügung zu stellen. Letztlich w i r d aus A r t i k e l 5 Absatz 1 GG ein Konkurrenzmodell des Rundfunks herausgelesen, dessen Träger die gesellschaftlichen Gruppen i m freien Spiel der Kräfte sind. Binnenplural organisierter öffentlichrechtlicher Rundfunk genügt den Anforderungen des Grundgesetzes nur, solange die technischen Möglichkeiten für eine freie Konkurrenz der Gruppen noch nicht zu schaffen sind. I I I . Das Lebachurteil 1. Tatbestand
Zwei Jahre nach dem zweiten Fernsehurteil erhielt 1973 zum ersten M a l der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts die Gelegenheit, sich zur Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk zu äußern. Das Zweite Deutsche Fernsehen hatte ein Dokumentarspiel über den sogenannten Soldatenmord von Lebach produziert. Einer der Beteiligten, der unter Nennung seines Namens dargestellt wurde, hatte sich beim Landgericht Mainz und beim OLG Koblenz vergeblich u m eine einstweilige Verfügung bemüht, die dem ZDF die Ausstrahlung des Films untersagen sollte, und wandte sich daraufhin an das Bundesverfassungsgericht 35 . 34 85
BVerfGE 31, 314, 340 ff. BVerfGE 35, 202, 207 ff.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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2. Analyse der Entscheidungsgründe
Das Bundesverfassungsgericht hält i m Rahmen der Interpretation der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz eine Interessenabwägung für erforderlich, die der Ausstrahlungswirkung der Freiheit des Rundfunks gemäß A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG einerseits und des Persönlichkeitsschutzes gemäß A r t i k e l 2 Absatz 1 i n Verbindung m i t A r t i k e l 1 Absatz 1 GG andererseits Rechnung trägt 3 6 . U m abwägen zu können, ermittelt das Gericht zunächst den Inhalt der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, die es kurz als Rundfunkfreiheit zusammenfaßt. Wie die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit ist sie schlechthin konstituierend für die freiheitlichdemokratische Grundordnung. Es führt die Argumentation i m ersten Fernsehurteil fort, indem es darauf hinweist, daß dem Rundfunk für die Verbindung zwischen dem Volk und den Staatsorganen, für deren Kontrolle und für die Integration der Gemeinschaft i n allen Lebensbereichen maßgebende Wirkung zukommt. Der Rundfunk informiert den Bürger über das Zeitgeschehen, über Entwicklungen i m Staatswesen und das gesellschaftliche Leben. Er ermöglicht die öffentliche Diskussion und hält sie i n Gang, er vermittelt die Kenntnis verschiedener Meinungen, er gibt einzelnen und Gruppen Gelegenheit, Meinungen zu bilden und stellt selbst einen entscheidenden Faktor i m permanenten Prozeß der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung dar. Nach Auffassung des Gerichts unterscheidet sich die Rundfunkfreiheit wesensmäßig nicht von der Pressefreiheit: wenn auch das Grundgesetz nur von „Berichterstattung" spricht, erstreckt sich die Freiheit i n gleicher Weise auf rein berichtende wie auf andere Sendungen 37 . A u f der Grundlage dieses Verständnisses der Freiheit des Rundfunks kommt das Verfassungsgericht zu dem Ergebnis, daß das Oberlandesgericht Koblenz bei der i m Rahmen des § 23 K U G vorgenommenen Abwägung zwischen dem Recht am eigenen B i l d und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit den K o n f l i k t zwischen der Rundfunkfreiheit nach A r t i k e l 5 Absatz 1 GG und dem Persönlichkeitsschutz nach A r t i kel 2 Absatz 1 und A r t i k e l 1 GG nicht richtig gelöst hat. Es erläßt deshalb selbst die beantragte einstweilige Verfügung 38 . Wenn der Erste Senat i m Lebachurteil zu Fragen der Rundfunkorganisation auch noch keine Stellung nimmt, ist die Entscheidung i m Zusammenhang dieser Arbeit doch von Bedeutung. Der Erste Senat zeigt, daß er i n seinem Interpretationsansatz mit dem Zweiten Senat übereinstimmt, und führt dessen Gedanken zum Einfluß des Rundfunks 3e 37 38
BVerfGE 35, 202, 219. BVerfGE 35, 202, 221 f. BVerfGE 35, 202, 238 ff.
3 Wieland
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
auf die öffentliche Meinung fort. Auch er versteht die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk über den Wortlaut hinaus als Freiheit der Gestaltung des Rundfunkprogramms. Insoweit sieht er eine wesensmäßige Gleichheit der Freiheit von Presse und Rundfunk. Interessant i m Hinblick auf spätere Interpretationen des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ist die Einführung des Begriffs Rundfunkfreiheit in die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht macht deutlich, daß es diesen Begriff nur als sprachliche Kurzform für den etwas umständlichen Ausdruck Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk verwendet. Da es die Freiheit des Rundfunks ebenso wie die Pressefreiheit auf den gesamten Kommunikationsinhalt bezieht, liegt die begriffliche Parallele nahe. Andererseits birgt sie die Gefahr i n sich, daß auch der weiterreichende traditionelle Gewährleistungsinhalt der Pressefreiheit (Verlegerfreiheit) in die Rundfunkfreiheit hineingelesen wird. I m Lebachurteil geht es jedoch nur u m die objektivrechtliche Seite der Freiheit des Rundfunks. M i t einem subjektiven Recht auf Rundfunkfreiheit wurde das Bundesverfassungsgericht erst i n dem Rechtsstreit konfrontiert, der schließlich zum dritten Fernsehurteil führte.
I V . D i e Entscheidungen z u m saarländischen Rundfunkgesetz 1. Das saarländische Rundfunkgesetz
A m 1. J u l i 1967 trat i m Saarland das Gesetz Nr. 84439 i n Kraft. Es änderte und ergänzte das Gesetz Nr. 806 über die Veranstaltung von Rundfunksendungen i m Saarland (GVRS) vom 2. Dezember 196440 dahin, daß nunmehr für Veranstalter privaten Rechts die Möglichkeit geschaffen wurde, Programme i n deutscher Sprache auszustrahlen. Vorher konnten nur Konzessionen für fremdsprachige Rundfunksendungen gemäß § 38 Absatz 2 GVRS a. F. erteilt werden. Eine Gruppe von Abgeordneten aus CDU, SPD und F.D.P. hatte die Gesetzesänderung praktisch i m Handstreich an einem Tag durchgepaukt. Sie hatten heimlich geplant, eine privatrechtlich organisierte saarländische Fernsehgesellschaft zu gründen. Die Landesverbände der drei Parteien sollten zu 58 °/o an der Gesellschaft beteiligt werden, um aus deren Einkünften ihre Finanzen zu verbessern 41 . 89
Amtsbl. S. 478. Amtsbl. S. 1111. 41 Landtag des Saarlandes, Stenographische Protokolle, 6. Wahlperiode, S. 927 ff. (36. u n d 37. Sitzung); Ernst-Wolfgang Fuhr/Walter Konrad, Verfassungs- u n d aktienrechtliche Überlegungen zu dem novellierten saarländischen Rundfunkgesetz, U F I T A 1967, 562; Dietrich Rauschning, Die Sicherung der 40
l . K a p . : Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Nach der Gesetzesänderung konnte die Landesregierung gemäß § 39 Absatz 1 in Verbindung m i t § 40 Absatz 1 GVRS privaten Rundfunkveranstaltern i n der Rechtsform der Aktiengesellschaft eine Konzession erteilen, auf die allerdings kein Rechtsanspruch bestand (§ 39 Absatz 1 Satz 3 GVRS). Die für den Saarländischen Rundfunk i n §§ 10, 11 GVRS aufgestellten Sendegrundsätze und Jugendschutzbestimmungen sollten auch private Veranstalter binden (§ 46 a GVRS), über die der Staat die Rechtsaufsicht ausübte (§§ 41, 42 GVRS). Eine Konzession durfte einer Aktiengesellschaft erteilt werden, die über einen Beirat verfügte, der die Allgemeinheit gegenüber dem Veranstalter vertreten sollte. Dieser Beirat mußte ähnlich wie die Organe der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gruppenplural zusammengesetzt sein und sollte den Veranstalter beraten (§§ 46, 46 b ff. GVRS). 2. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 1976"
a) Tatbestand Die „Freie Rundfunk Aktiengesellschaft i n Gründung" (FRAG) i n Saarbrücken hatte sich seit 1967 um die Erteilung einer Konzession zur Veranstaltung von Rundfunk bemüht. Als i h r Antrag bis zum 22. November 1971 noch nicht beschieden war, erhob sie Verpflichtungsklage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes, die am 30. Juni 1972 abgewiesen wurde. Die FRAG berief sich auf ein subjektives öffentliches Recht auf eine Konzession aus A r t i k e l 5 Abs. 1 Satz 2 GG, das zur Verfassungswidrigkeit des entgegenstehenden § 39 Absatz 1 Satz 3 GVRS führe. Sie erfülle alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession, ihre Grundrechtsausübung dürfe nicht i n das Ermessen eines Exekutivorgans gestellt werden. A u f die Berufung der FRAG h i n hat das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob das Gesetz Nr. 844 insoweit verfassungswidrig sei, als es die private Veranstaltung von Rundfunksendungen i n deutscher Sprache regele. Nach seiner Auffassung bietet die gesetzliche Regelung der Organisation privater Rundfunkveranstalter keine hinreichende Gewähr dafür, daß alle politisch oder gesellschaftlich relevanten Kräfte i n den Organen der Gesellschaft Einfluß haben und i m Gesamtprogramm zu Wort kommen, weil der vorgeschriebene gruppenplurale Beirat nur beratende Funktion hat 4 3 . M i t dieser Begründung stützt sich das Oberverwaltungsgericht Beachtung von Verfassungsrecht, S. 80 f.; Klaus Stern/Herbert fentlichrechtlicher u n d privatrechtlicher Rundfunk, S. 31 ff. 42 BVerfGE 42, 42. 43
3«
OVG Saarlouis v. 25. 4.1974, in: DÖV 1974, 497.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
vor allem auf Ausführungen von Fuhr und Konrad 4 4 , Schmitz 45 sowie Stern und Bethge4®. b) Analyse der Entscheidungsgründe Das Bundesverfassungsgericht weist die Vorlage als unzulässig zurück. Es geht von allgemeinen Überlegungen zu Sinn und Zweck der konkreten Normenkontrolle aus. Sie führen zu dem Ergebnis, daß i n diesem Verfahren keine Rechtsfragen beantwortet werden können, die für die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage bedeutungslos sind. Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluß „angesichts der besonderen, i n mehrfacher Hinsicht singulären Konstellation des Ausgangsverfahrens" nicht. Wenn das Bundesverfassungsgericht die saarländische Regelung für verfassungswidrig erklärt, weist das Oberverwaltungsgericht die Klage ab. Stellt das Gericht die Verfassungsmäßigkeit des saarländischen Rundfunkgesetzes fest, w i r d das Oberverwaltungsgericht ein Bescheidungsurteil erlassen und die Landesregierung i m Rahmen ihres Ermessens die Konzession verweigern. „Die Entscheidung der eigentlichen Streitfrage" hängt somit nicht von der Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkgesetzes ab. Das konkrete Normenkontrollverfahren läuft nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts auf eine abstrakte Normenkontrolle hinaus. Zudem fehlt es an Parallelverfahren, so daß es sich u m einen singulären F a l l handelt. „Unter diesen Voraussetzungen kann es nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sein, die maßgebenden, bislang nicht ausdiskutierten medienrechtlichen und medientechnischen Gesichtspunkte zu erörtern und vor den i n erster Linie zur Klärung und Sachentscheidung berufenen Organen Festlegungen zu treffen." Frühere Entscheidungen, i n denen das Bundesverfassungsgericht eine konkrete Normenkontrolle für zulässig gehalten hatte, obwohl die abschließende Entscheidung offen blieb, erklärt das Gericht mit Besonderheiten des Revisionsverfahrens, Erwägungen der Prozeßökonomie sowie berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten 47 . M i t diesem Beschluß versucht das Bundesverfassungsgericht — ähnlich wie der Supreme Court i n den USA m i t seiner „political question doctrine" 4 8 — eine offenbar primär als politisch eingeschätzte Entscheidung zu vermeiden. Das Verfassungsgericht läßt diese Absicht allerdings nur zwischen den Zeilen anklingen, stützt sich formell hin44
U F I T A 1967, 562. Bernhard Schmitz, Privatwirtschaftliches Fernsehen i m lokalen Bereich? i n : D Ö V 1969, 698. 46 Stern/Bethge (FN 41). 47 BVerfGE 42, 42, 49 ff. 48 Dazu Fritz Wilhelm Scharpf, Grenzen der richterlichen Verantwortung. 45
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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gegen auf eine prozessuale Argumentation. Dieses Vorgehen führt jedoch zu Schwierigkeiten bei der Auslegung von A r t i k e l 100 Absatz 1 GG und § 80 Abs. 2 BVerfGG und zu Widersprüchen gegenüber der eigenen Rechtsprechung. Das Gericht erklärt die Vorlage deshalb für unzulässig, weil weder bei Verfassungsmäßigkeit noch bei Verfassungswidrigkeit der saarländischen Regelung eine Konzession erteilt werde. Damit bezieht es die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht auf die Entscheidung des Ausgangsprozesses, sondern auf die Entscheidung der i h m zugrundeliegenden Sachfrage. Wenn A r t i k e l 100 Absatz 1 Satz 1 GG formuliert: „Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, . . so war darunter bisher stets die Entscheidung des vorlegenden Gerichts verstanden worden. Das ist i m Z i v i l - oder Strafprozeß auch nicht anders denkbar, weil außer der Gerichtsentscheidung keine andere Entscheidung i n Rede steht. I m Verwaltungsprozeß gibt es vor der Entscheidung des Gerichts häufig eine Verwaltungsentscheidung. Sinn und Zweck der Vorlagepflicht sprechen jedoch ebenso wie der Wortlaut von A r t i k e l 100 Absatz 1 Satz 1 GG und § 80 Absatz 2 BVerfGG dagegen, i n Verwaltungsprozessen die Entscheidungserheblichkeit auf die Verwaltungs- statt auf die Gerichtsentscheidung zu beziehen. Während i n A r t i k e l 100 Absatz 1 Satz 1 GG nur der Satzzusammenhang dafür spricht, unter Entscheidung die des vorlegenden Gerichts zu verstehen, stellt § 80 Absatz 2 BVerfGG das ausdrücklich klar: „Die Begründung muß angeben, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig ist . . . " Über diese Vorschrift setzt sich das Bundesverfassungsgericht mit seiner Begründung hinweg. Zugleich läßt sich der Beschluß nur schwer mit dem Sinn der konkreten Normenkontrolle vereinbaren. Sie soll verhindern, daß jeder Richter nachkonstitutionelles formelles Recht für verfassungswidrig erklärt und deshalb nicht anwendet. I m Blick auf die Bindung des Richters an Gesetz und Recht als Teil des Grundsatzes der Gewaltengliederung (Artikel 20 Absatz 3 GG) gewinnt die konkrete Normenkontrolle ihre Bedeutung. Sie bietet dem Richter die Möglichkeit, in dem von ihm zu entscheidenden Fall verbindlich feststellen zu lassen, was Gesetz und Recht ist, wenn nach seiner Auffassung das Parlament mit einem Gesetzesbeschluß gegen die Verfassung verstoßen hat. Aus diesem Zweck der konkreten Normenkontrolle ergibt sich zugleich ihre Begrenzung. Da dem Richter ein U r t e i l i n dem i h m vorliegenden Fall ermöglicht werden soll, ist die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht auf gesetzliche Normen beschränkt, die i n die richterliche Entscheidung einfließen 40 . 49 Vgl. dazu Karl August Bettermann, Die konkrete Normenkontrolle u n d sonstige Gerichtsvorlagen, i n : Bundesverfassungsgericht u n d Grundgesetz I, S.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Das Bundesverfassungsgericht versteht i n ständiger Rechtsprechung unter Entscheidung i m Sinne von A r t i k e l 100 Absatz 1 Satz 1 GG die richterliche Entscheidung. Eine Norm ist dann entscheidungserheblich, „wenn das Gericht i m Ausgangs verfahren bei Ungültigkeit der Norm anders entscheiden müßte als bei deren Gültigkeit" 5 0 . Da nach Auffassung auch des Bundesverfassungsgerichts das Oberverwaltungsgericht bei Ungültigkeit der saarländische Regelung die Klage der FRAG abweisen, bei ihrer Gültigkeit jedoch ein Verpflichtungsurteil erlassen müßte, liegen diese Voraussetzungen hier vor. I n den vom Bundesverfassungsgericht zitierten eigenen früheren Entscheidungen hatten Gerichte Vorlagebeschlüsse erlassen, obwohl ihre Entscheidung noch von weiteren Ermittlungen abhing. Wenn das Bundesverfassungsgericht i n diesen Fällen das Erfordernis der Entscheidungserheblichkeit großzügig interpretiert hat, so hat das nichts mit dem i m vorliegenden Fall neu entwickelten Verständnis des Begriffs „Entscheidung" zu tun. Auch die hilfsweise Begründung, das Vorlageverfahren trage hier nicht einmal zur Klärung allgemeiner, praktisch bedeutsamer verfassungsrechtlicher Fragen bei, stößt angesichts der 1976 längst entbrannten Diskussion i n Öffentlichkeit und Fachkreisen über die Verfassungsmäßigkeit kommerziellen Rundfunks 5 1 auf Erstaunen. Letztlich konnte das Bundesverfassungsgericht mit seinem taktischen Vorgehen eine Stellungnahme zum saarländischen Rundfunkgesetz nur verschieben, nicht jedoch verhindern. 3. Das dritte Fernsehurteil
a) Tatbestand A u f den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts h i n erließ das Oberverwaltungsgericht am 20. M a i 1976 ein Bescheidungsurteil gegen die beklagte Landesregierung. Es fühlte sich wegen des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet, von der Gültigkeit der saarländischen Regelung auszugehen. Die FRAG habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Sie erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession. Weder ganz allgemeine Erwägungen, über die der Landesgesetzgeber bereits entschieden habe, noch Überlegungen, die sich auf gänzlich ungewisse Sachverhalte gründeten, rechtfertigten es, den Antrag abzulehnen. 323; Rdnr. 15 zu §80 i n Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz. 50 BVerfGE 22, 175, 176 f. unter Verweis auf BVerfGE 7, 171, 173 f.; 11, 294, 296 ff.; 11, 330, 334 ff.; vgl. weiter BVerfGE 9, 250, 254; 10, 258, 261; 25, 129, 136; 44, 297, 301. 51 Siehe dazu unten 2. Kapitel.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Die Landesregierung lehnte jedoch am 26. Oktober 1976 den Konzessionsantrag mit der Begründung ab, ihre Rundfunkpolitik verbiete es, den Saarländischen Rundfunk i n Existenzschwierigkeiten zu bringen oder den von allen Bundesländern vereinbarten Pilotprojekten vorzugreifen. Gegen diesen Bescheid erhob die FRAG Verpflichtungsklage. Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht am 21. August 1978 einen Vorlagebeschluß mit der Frage, ob §§ 38, 40 Absatz 1, 46 und 46 b Absatz 1 GVRS mit dem Grundgesetz vereinbar seien, soweit sie die private Veranstaltung von Hörfunk regelten. Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage begründet das Verwaltungsgericht mit der Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null, die bei Gültigkeit der gesetzlichen Regelung nur noch die Erteilung der Konzession zulasse. Das Gericht fühlt sich an die Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts gebunden, daß die FRAG die Voraussetzungen der Konzessionserteilung erfülle und die Landesregierung die Erteilung der Konzession nicht mit ganz allgemeinen politischen Erwägungen ablehnen dürfe. Die Landesregierung stütze sich aber mit dem Argument, der Saarländische Rundfunk dürfe nicht gefährdet werden, gerade auf eine allgemeine politische Überlegung, die der Gesetzgeber durch seine Regelung ausgeschlossen habe. Andere Gesichtspunkte, die eine Ablehnung des Konzessionsantrages rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Ebenso wie auch das Oberverwaltungsgericht den ersten Vorlagebeschluß begründet das Verwaltungsgericht seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der saarländischen Regelung damit, daß die gesetzlich festgelegte Organisation der Veranstalter keine hinreichende Gewähr dafür biete, daß alle gesellschaftlich relevanten Gruppen i n ihren Organen Einfluß hätten und i m Gesamtprogramm zu Wort kommen könnten 5 2 . M i t dieser Begründung nimmt das Verwaltungsgericht dem Bundesverfassungsgericht geschickt die Möglichkeit, die Vorlage wiederum aus dem Grund als unzulässig zurückzuweisen, sie sei nicht entscheidungserheblich. Denn nunmehr sind die Entscheidungsalternativen ein klageabweisendes und ein die Landesregierung zur Erteilung der Konzession verpflichtendes Urteil. Das macht es für das Verfassungsgericht unmöglich, die Entscheidungserheblichkeit noch einmal auf die Sachfrage Erteilung oder Ablehnung der Konzession zu beziehen — i n der neuen Konstellation entscheidet das Verwaltungsgericht m i t seinem Urteil zugleich über die Sachfrage. Zwar ist die Annahme einer Ermessensreduzierung auf N u l l nicht über jeden Zweifel erhaben, zumal § 39 Absatz 1 Satz 3 GVRS ausdrücklich einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Konzession ausschließt. Das Bundesverfassungs52
BVerfGE 57, 295.
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
gericht geht jedoch i n ständiger Rechtsprechung davon aus, daß die Entscheidungserheblichkeit auf der Grundlage der Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts beurteilt werden muß, sofern sie nicht offensichtlich unhaltbar ist 5 3 . Unter diesen Umständen war abzusehen, daß das Bundesverfassungsgericht nun doch die heikle Frage beantworten mußte, welche Voraussetzungen das Grundgesetz an die Veranstaltung kommerziellen Rundfunks stellt. Das rief alle, die aus ganz unterschiedlichen Motiven an der A n t w o r t interessiert waren, auf den Plan. Neben dem Bundesminister des Innern, der sich nur zur Zulässigkeit der Vorlage äußerte, und der FRAG nahmen die Regierungen der Länder Niedersachsen und Hessen (letztere i m Einvernehmen mit dem Senat der Freien Hansestadt Bremen und dem Senat der Freien Hansestadt Hamburg), der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, die ARD, der Saarländische Rundfunk und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. Stellung und legten Gutachten von Prof. Dr. Badura, Prof. Dr. Bethge und Bundesverfassungsrichter a. D. Prof. Dr. Geiger vor 5 4 . b) Analyse der Entscheidungsgründe (1) Zulässigkeit Das Bundesverfassungsgericht erklärt die erneute Vorlage für zulässig. Dabei erweitert es ihren Gegenstand i n zwei Punkten: Über die vom Verwaltungsgericht genannten Paragraphen hinaus bezieht es den gesamten Abschnitt C I und I I des Gesetzes i n die Prüfung ein, soweit er deutschsprachige Sendungen betrifft. Unter Verweis darauf, daß das Gesetz zwischen Hörfunk und Fernsehen nicht unterscheide und eine solche Unterscheidung sachlich Zusammengehörendes ohne zwingenden Grund trenne, erstreckt es die Entscheidung auch auf kommerzielles Fernsehen. Wie beabsichtigt, hält das Bundesverfassungsgericht wegen der neuen prozessualen Lage auch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage für gegeben. Angesichts dessen mache der singuläre F a l l allein die Vorlage nicht unzulässig 55 . Da auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts i m Falle der Nichtigkeit der von i h m genannten Paragraphen zu prüfen war, ob der gesamte Abschnitt C I und I I nichtig ist, soweit er deutschsprachige Sendungen betrifft, lag diese Ausdehnung der Vorlagefrage für das Bundesverfassungsgericht nahe. Die Einbeziehung des Fernsehens dagegen ist nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Diskussion zu verstehen, die vornehmlich um kommerzielles 53
BVerfGE 7, 171, 175; siehe auch BVerfGE 2, 181, 190 f. u n d 44, 297, 299. BVerfGE 57, 295, 306. " BVerfGE 57, 295, 313 ff. 54
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Fernsehen und nur i n zweiter Linie um kommerziellen Hörfunk geht. Hätte das Gericht in dieser Situation das Fernsehen nicht in sein Urteil einbezogen, wäre kaum eine klärende und streitschlichtende Wirkung zu erwarten gewesen. So steht das Vorgehen des Gerichts allerdings nicht i m Einklang mit seiner sonstigen, sehr restriktiven Auslegung von Vorlagefragen. Schon gleich zu Beginn seiner Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht herausgearbeitet, daß i m Gegensatz zur abstrakten Normenkontrolle nach A r t i k e l 93 Absatz 1 Nr. 2 GG, wo die Aufgabe des Gerichts als Hüter der Verfassung durchaus i m Vordergrund steht, diese Aufgabe bei der konkreten Normenkontrolle zurücktritt. Nach dem Grundgedanken des A r t i k e l 100 GG ist es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts zu verhüten, daß jedes einzelne Gericht sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt 56 . Zu diesem Zweck ist es nie erforderlich, die Vorlagefrage weiter auszudehnen, als sie das vorlegende Gericht mit Blick auf die von i h m zu treffende Entscheidung formuliert hat. Demgemäß hat sich das Bundesverfassungsgericht von Beginn seiner Rechtsprechung an für befugt erklärt, die verfassungsrechtliche Prüfung auf den entscheidungserheblichen Teil der zu prüfenden Norm zu beschränken 57 . Diese Begrenzung hat das Gericht sogar dort vorgenommen, wo sie sich nur dadurch erreichen ließ, daß die zu prüfende Vorschrift auf einen von ihr nicht ausdrücklich genannten, aber von ihr erfaßten Tatbestand beschränkt wurde 5 8 . Vor dieser traditionell restriktiven Auslegung von Vorlagefragen erscheint die Einbeziehung des Fernsehens als großzügig. Sie zeigt ebenso wie die Tatsache, daß die Singularität des Falles nunmehr für unbedeutend erklärt wird, daß das Bundesverfassungsgericht sich jetzt der Problematik des kommerziellen Rundfunks stellen will. (2) Begründetheit Schon der Beginn der Ausführungen zur Begründetheit macht jedoch unmißverständlich klar, daß das Gericht nicht etwa alle verfassungsrechtlichen Fragen, die sich auf den kommerziellen Rundfunk beziehen, beantworten w i l l , sondern nur zu den Problemen Stellung nimmt, die es für entscheidungserheblich hält. So beschäftigt es sich nicht mit der Frage, ob der Ausschluß privaten Rundfunks zugunsten der öffentlichrechtlichen Anstalten auch unter den technischen Bedingungen zum Zeitpunkt der Entscheidung mit dem Grundgesetz vereinbar ist bzw. ob das Grundgesetz den Gesetzgeber verpflichtet, privaten Rundfunk 5
« BVerfGE 1, 184, 195, 197; 10, 124, 127 f. BVerfGE 3, 187, 195 f.; st.Rspr. 58 BVerfGE 43, 291, 361; st. Rspr. 57
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I . T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
einzuführen. Ebensowenig w i r d ein Individualrecht des Bürgers erörtert, Rundfunk zu veranstalten. Das Gericht hält beide Themen nicht für entscheidungsrelevant, weil der saarländische Gesetzgeber sich dafür entschieden hat, privaten Rundfunk zu ermöglichen. A u f die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzgebungsverfahrens geht das Urteil nicht ein, weil sich die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes schon aus dem Vorstoß gegen die i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit des Rundfunks ergibt 6 9 . Da gerade die Frage nach einem Individualrecht des Bürgers, Rundfunk zu veranstalten, und das entsprechende objektivrechtliche Problem der Verfassungsmäßigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkorganisation i m Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und Auseinandersetzungen steht, wurden die allgemeinen Erwartungen auf ein klärendes Wort des Bundesverfassungsgerichts durch dieses Vorgehen enttäuscht. Andererseits ist das Gericht nur dazu berufen, die zur Beantwortung der Vorlagefrage notwendigen verfassungsrechtlichen Feststellungen zu treffen, nicht aber das gesamte Rundfunkverfassungsrecht darzustellen. Insoweit ist seine Zurückhaltung nur konsequent. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob das Gericht tatsächlich die saarländische Regelung an der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk messen kann, ohne zumindest indirekt zu der Grundfrage nach der Rundfunkveranstaltungsfreiheit Stellung zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, daß das saarländische Rundfunkgesetz i n seinem Abschnitt C I und I I in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen des Grundgesetzes genügt und daher nichtig ist. Grundgedanke der Begründung ist, daß A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG für die Veranstaltung privater Rundfunksendungen eine gesetzliche Regelung verlangt, die die zur Sicherung der Rundfunkfreiheit erforderlichen Vorkehrungen trifft. Das ergibt sich aus Aufgabe und Eigenart der Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung. Aufgabe ist ebenso wie bei den übrigen Garantien des A r t i k e l 5 Absatz 1 GG, die freie Meinungsbildung zu sichern. Deshalb gewährleistet A r t i k e l 5 A b satz 1 GG Meinungsäußerungs-, Meinungsverbreitungs- und Informationsfreiheit als Menschenrechte und begründet insoweit subjektive Rechte. Daneben w i r d die Meinungsfreiheit als objektives Prinzip der Gesamtrechtsordnung normiert, wobei subjektiv- und objektivrechtliche Elemente einander bedingen und stützen. Wie Rundfunk „Medium" und „Faktor" des Prozesses freier Meinungsbildung ist, so „ist Rundfunkfreiheit primär eine der Freiheit der Meinungsbildung i n ihren subjektiv- und objektivrechtlichen Elementen dienende Freiheit." Indem sie diese Freiheit ergänzt und verstärkt, dient sie der Aufgabe, 5rt
BVerfGE 57, 295, 318 f.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
freie und umfassende gewährleisten.
Meinungsbildung
durch
den Rundfunk
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zu
Aus dieser Aufgabe leitet das Gericht Eigenart und Bedeutung der Freiheit ab: Wie die klassischen Freiheitsrechte wehrt die Rundfunkfreiheit staatliche Beherrschung und Einflußnahme ab. Bloße Staatsfreiheit stellt aber freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk noch nicht sicher. Dazu reicht eine lediglich negatorische Gestaltung nicht aus, so daß eine positive Ordnung erforderlich wird. Sie muß möglichst umfassende Meinungsvielfalt und Information durch materielle, organisatorische und Verfahrensregeln sicherstellen 60 . M i t diesen Ausführungen entwickelt das Gericht ein Verständnis der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, das sich klar von dem des klassischen Freiheitsrechts unterscheidet. Die Freiheit des Rundfunks w i r d vornehmlich nicht um ihrer selbst willen gewährleistet, sondern ist auf die Meinungsfreiheit ausgerichtet. Dieses dienende Element der Freiheit des Rundfunks schließt es aus, sie nur als Abwehrrecht zu verstehen. A l l e i n durch die Abwehr staatlichen Einflusses kann sie ihre Aufgabe für die freie Meinungsbildung nicht erfüllen. Dazu muß der Staat eine Ordnung schaffen. Kennzeichnend für die Freiheit der Berichterstattung ist nicht wie bei einem klassischen Freiheitsrecht ein Raum, den der Bürger nach seinem Belieben ausfüllen kann, sondern ein Raum, dem der Staat durch seine Regelungen eine Ordnung geben muß. Diese Ordnung darf er jedoch nicht beliebig gestalten. Vielmehr muß die Ordnung auf ein ganz bestimmtes, von der Verfassung vorgeschriebenes Ziel ausgerichtet sein: auf umfassende Meinungsvielfalt und Information. Freiheit des Rundfunks besteht nicht in der bloßen Abwehr des Staates, sondern i n seiner gleichzeitigen Inpflichtnahme als Garant einer Ordnung, die freie Meinungsbildung ermöglicht. Anders als bei der Meinungsfreiheit, die als subjektives (Menschen-) Recht bezeichnet wird, ist von einem subjektiven Gehalt der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk entsprechend der einleitenden Ausklammerung dieser Frage nicht die Rede. Nachdem das Gericht zunächst herausgearbeitet hat, daß A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG eine positive Ordnung des Rundfunks verlangt, wendet es sich dem Weg zu, auf dem diese Ordnung zu erreichen ist. Die notwendigen Entscheidungen unterliegen als wesentliche Entscheidungen dem Vorbehalt des Gesetzes, weil sie i m grundrechtsrelevanten Bereich ergehen und wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte sind. Der Gesetzgeber muß die Kollision zwischen der Informationsfreiheit der Bürger und der Meinungsfreiheit der Mitarbeiter des Rundfunks lösen. Dabei handelt es sich um einen Parlamentsvorbehalt. 60
BVerfGE 57, 295, 319 f.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Die Landesparlamente müssen das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche bestimmen. Aus A r t i k e l 5 Absatz 1 GG folgt jedoch nur die Aufgabe, die Rundfunkfreiheit rechtlich auszugestalten, nicht jedoch die Befugnis, das Grundrecht zu beschränken. Die besteht nur i m Rahmen des A r t i k e l 5 Absatz 2 GG. Das Gericht betont aber ausdrücklich die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers: „Wie der Gesetzgeber seine Aufgabe erfüllen w i l l , ist Sache seiner eigenen Entscheidung. Das Grundgesetz schreibt i h m keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vor; es kommt allein darauf an, daß freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung i m dargelegten Sinne gewährleistet ist, daß Beeinträchtigungen oder Fehlentwicklungen vermieden werden." Z u der freien, umfassenden und wahrheitsgemäßen Meinungsbildung gehört, daß der Rundfunk nicht einer oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird, daß die i n Betracht kommenden gesellschaftlichen Kräfte i m Gesamtprogramm zu Wort kommen und daß die Freiheit der Berichterstattung unangetastet bleibt 0 1 . Die Ausführungen zum Vorbehalt des Gesetzes entsprechen der vom Gericht entwickelten Wesentlichkeitstheorie 62 . Entsprechend den Ausführungen i m Kalkar-Beschluß 63 nimmt das Gericht einen Parlamentsvorbehalt an, ohne weiter zwischen Kriterien für den Vorbehalt des Gesetzes überhaupt und dem Vorbehalt des formellen Gesetzes zu unterscheiden. Die Kennzeichnung einer Entscheidung als wesentlich begründet sowohl den Vorbehalt des Gesetzes als auch den Parlamentsvorbehalt. Der Hinweis darauf, daß diese Pflicht zur Ausgestaltung der Freiheit des Rundfunks nicht die Befugnis zu ihrer Beschränkung umfaßt, w i r k t wie eine salvatorische Klausel, weil das Urteil nicht sagt, wo die Grenze zwischen beiden zu ziehen ist. Die räumliche Vorstellung von einem Bereich der Freiheit des Rundfunks, dessen Grenze sich aus A r t i k e l 5 Absatz 2 GG ergibt, während seine innere Struktur gemäß A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ausgestaltet ist, w i r k t zwar recht plastisch. Es bleibt aber die Frage, wie eine konkrete Regelung der Rundfunkorganisation — z. B. die Entscheidung für ein Oligopol binnenplural organisierter öffentlichrechtlicher Anstalten — entweder als begrenzende oder ausgestaltende Vorschrift eingeordnet werden kann, ob sie nicht sowohl die Grenzen der Rundfunkfreiheit festlegt als sie auch ausgestaltet. 61
BVerfGE 57, 295, 320 f. Vgl. dazu den Beschluß des Ersten Senats zur Sexualerziehung (BVerfGE 47, 46, 78 f.) u n d den Kalkar-Beschluß des Zweiten Senats (BVerfGE 49, 89, 126 f.), beide m i t weiteren Nachweisen. 63 BVerfGE 49, 89, 127: „Nach den gleichen Maßstäben beurteilt sich, ob der Gesetzgeber, w i e der verfassungsrechtliche Gesetzesvorbehalt weiter fordert ( . . . ), m i t der zur Prüfung vorgelegten N o r m die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs selbst festgelegt u n d dies nicht dem Handeln der V e r w a l t u n g überlassen hat." 82
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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Bemerkenswert ist der Gestaltungsspielraum, den das Gericht dem Gesetzgeber einräumt. Nicht nur, daß i h m keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorgeschrieben wird, er w i r d auch nicht etwa auf die Auswahl zwischen einigen wenigen Formen beschränkt — z. B. zwischen einem rein privatrechtlichen oder einem dualen Rundfunksystem —, sondern das Gericht hebt ausdrücklich hervor, daß allein das Ziel entscheidend ist: die freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung. Es läßt sich schwer vorstellen, wie mit dieser Freiheit des Gesetzgebers eine Pflicht vereinbar sein sollte, privaten Rundfunk einzuführen. Wenn er den öffentlichrechtlichen Rundfunk so organisiert, daß die freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung gewährleistet ist, erfüllt er ja seine grundgesetzliche Pflicht. I m nächsten Schritt seiner Urteilsbegründung wendet sich das Bundesverfassungsgericht der vielzitierten Sondersituation des Rundfunks zu. Es stellt fest, daß das Grundgesetz unabhängig von der Knappheit der Sendefrequenzen und dem hohen finanziellen Aufwand für die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen gesetzliche Vorkehrungen zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks verlangt. „Auch bei einem Fortfall der bisherigen Beschränkungen könnte nicht mit hinreichender Sicherheit erwartet werden, daß das Programmangebot i n seiner Gesamtheit kraft der Eigengesetzlichkeit des Wettbewerbs den Anforderungen der Rundfunkfreiheit entsprechen werde." Das Gericht hält es nicht für sicher, sondern nur für möglich, daß sich i m Rundfunk eine begrenzte Vielfalt wie bei den überregionalen Tageszeitungen entwickelt. Anders als beim Rundfunk hat die geschichtliche Entwicklung der Presse zu einem gewissen Gleichgewicht geführt, das nur erhalten werden muß. I m Rundfunk ist die Konzentration von Meinungsmacht möglich, und es droht der Mißbrauch zum Zwecke einseitiger Einflußnahme auf die öffentliche Meinung. Deshalb darf der Rundfunk nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, zumal Fehlentwicklungen nicht oder nur bedingt oder unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig zu machen wären. Es liegt vielmehr i n der Verantwortung des Gesetzgebers, daß ein Gesamtangebot besteht, i n dem die für die freiheitliche Demokratie konstitutive Meinungsvielfalt zur Darstellung gelangt. „Es muß der Gefahr begegnet werden, daß auf Verbreitung angelegte Meinungen von der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen werden und Meinungsträger, die sich i m Besitz von Sendefrequenzen und Finanzmitteln befinden, an der öffentlichen Meinungsbildung vorherrschend mitwirken." Auch wenn neben einem privaten der öffentlichrechtliche Rundfunk fortbestände, veränderte das die Pflichten des Gesetzgebers nicht, weil eine zusätzliche einseitige Berücksichtigung
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
einzelnen Meinungen „das Gleichgewicht des ,Zu-Wort-Kommens' der gesellschaftlichen Gruppen stören, wenn nicht aufheben" würde 8 4 . Diese Ausführungen des dritten Fernsehurteils enthalten eine klare Absage an die Vorstellung, die Freiheit des Rundfunks werde am besten bei Abstinenz des Staates i n einem Marktmodell gewährleistet. Das Gericht lehnt ausdrücklich das Argument ab, nur die technische und finanzielle Sondersituation nehme den Staat i n die Verantwortung für die Freiheit des Rundfunks, nach ihrem Wegfall sei es die beste Freiheitsgarantie, den Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Abgelehnt w i r d auch die immer wieder gezogene Parallele zwischen Rundfunk und Presse, die den Richtern i m Hinblick auf ihre ganz unterschiedliche geschichtliche Entwicklung nicht vergleichbar erscheinen. Zudem läßt das Wort von der „begrenzten Vielfalt" der überregionalen Tageszeitungen erkennen, daß die Lage der Tagespresse dem Bundesverfassungsgericht keinesfalls als ideales Modell für die Organisation eines Massenmediums erscheint. Die Umstände, unter denen das Bundesverfassungsgericht die Freiheit des Rundfunks erreicht sieht, kommen klar zum Ausdruck: Es muß ein Meinungsmarkt vorhanden sein, auf dem alle oder wenigstens ein Teil der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen tatsächsich zu Wort kommen. Weder dürfen auf Verbreitung angelegte Meinungen von der öffentlichen Meinungsbildung ausgeschlossen werden noch darf einzelnen mächtigen Meinungsträgern verstärkt Einfluß auf die öffentliche Meinung eingeräumt werden. Das dritte Fernsehurteil sieht die Freiheit des Rundfunks i n einem umfassenden Gleichgewicht der Meinungen verwirklicht. Dieses Gleichgewicht ist nicht allein auf gesellschaftliche Gruppen bezogen, sondern auch auf geistige Richtungen, die nicht immer von einer Gruppe getragen werden müssen. Von diesem Erfordernis „gleichgewichtiger Vielfalt" ausgehend, erscheint es folgerichtig, daß ein Nebeneinander von öffentlichrechtlichem und den Kräften des Marktes überlassenem privaten Rundfunk abgelehnt wird. Das Gleichgewicht der Meinungen muß sich auf den gesamten Rundfunk, nicht nur auf einen Teil beziehen, anderenfalls ist die freie Bildung der öffentlichen Meinung i m Sinne des Gleichgewichtsmodells bedroht. Als Zwischenergebnis der Analyse des dritten Fernsehurteils können folgende Grundgedanken festgehalten werden, die die Interpretation der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk kennzeichnen: 1. Die Freiheit der Berichterstattung ist ausgerichtet auf die Menschenrechte Informations- und Meinungsfreiheit, denen sie dient. 64
BVerfGE 57, 295, 324 f.
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2. Anders als die klassischen Freiheitsrechte erschöpft sie sich nicht i n der Abwehr staatlichen Einflusses, sondern verpflichtet den Staat zu einer positiven Ordnung des Rundfunks. 3. Diese Ordnung hat durch Parlamentsgesetz zu erfolgen. 4. I n der Ausgestaltung der Ordnung ist der Gesetzgeber frei, solange das Ziel einer freien, umfassenden und wahrheitsgemäßen Meinungsbildung erreicht wird. 5. Die staatliche Verantwortung für die Freiheit des Rundfunks hängt nicht von der Sondersituation des Rundfunks ab. 6. Der Rundfunk darf nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden, weil der freie Wettbewerb keine hinreichende Gewähr bietet, daß alle gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen i m Gesamtprogramm gleichgewichtig zu Wort kommen. 7. Die Freiheit des Rundfunks w i r d nicht schon dadurch genügend gewährleistet, daß die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten neben einem sich selbst überlassenen privaten Rundfunk fortbestehen. Diese Sätze bilden nach Auffassung des Gerichts das verfassungsrechtliche Fundament der Rundfunkorganisation. Es leitet aus ihnen Einzelanforderungen an die gesetzliche Regelung ab, für die es aber ausdrücklich keine Vollständigkeit in Anspruch nimmt. So läßt das Urteil die Frage offen, ob die Finanzierung privater Rundfunkveranstaltungen gesetzlich geregelt werden muß. Gesetzlich geregelt werden muß aber die Grundentscheidung über eine öffentlichrechtliche, private oder gemischte Rundfunkordnung, selbst bei zeitlich und örtlich begrenzten Versuchen. I m weiteren unterscheidet das Gericht zwischen „binnenpluralistischer" und „außenpluralistischer" Rundfunkorganisation. I m ersten Fall muß der Gesetzgeber Vielfalt dadurch sichern, daß die gesellschaftlichen Kräfte entsprechend ihrer Bedeutung repräsentiert werden und effektiven Einfluß auf den Rundfunk haben. Auch i m zweiten Fall darf der Gesetzgeber den Rundfunk nicht sich selbst überlassen, sondern muß durch geeignete Vorkehrungen gewährleisten, „daß das Gesamtangebot der inländischen Programme der bestehenden Meinungsvielfalt auch tatsächlich i m wesentlichen entspricht." I n jedem Fall hat der Gesetzgeber durch „Leitgrundsätze" ein M i n destmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung zu gewährleisten. Während i m binnenpluralistischen Modell das Gesamtprogramm eines Veranstalters diesen Anforderungen genügen muß, stellt das Gericht i m außenpluralistischen Modell geringere Anforderungen an die einzelnen Veranstalter: Sie werden zu einem Mindestmaß an gegenseitiger Achtung sowie zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information verpflichtet. Außerdem muß
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
die gesetzliche Regelung privaten Rundfunks eine begrenzte Staatsaufsicht umfassen, deren einzige Aufgabe es ist, die zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen Bestimmungen durchzusetzen. Der Zugang privater Veranstalter ist durch ein gesetzliches Erlaubnisverfahren zu regeln, das nur dazu dienen darf, die Rundfunkfreiheit zu gewährleisten. Daneben dürfen nur „allgemeine Voraussetzungen wie Geschäftsfähigkeit und Zuverlässigkeit" geprüft werden. Die Kriterien für eine Erlaubnis muß der Gesetzgeber selbst bestimmen. Er muß i m Hinblick auf den Gleichheitssatz auch Regeln über die Auswahl der Bewerber aufstellen, falls die zur Verfügung stehenden Übertragungsmöglichkeiten nicht für alle Interessenten ausreichen. Sofern er sich nicht für eine Aufteilung der Sendezeiten entscheidet, müssen die Auswahlgrundsätze jedem Bewerber die gleiche Chance gewährleisten 65 . Diese Einzelanforderungen an eine gesetzliche Regelung nehmen zum Teil Gedanken des ersten Fernsehurteils auf (Grundentscheidung über das Rundfunkmodell, Gewährleistung von Vielfalt, Leitgrundsätze sowie begrenzte Staatsaufsicht) und formulieren sie nun unabhängig von der Sondersituation, zum Teil werden sie aber auch neu aus den vorausgehenden allgemeinen Grundsätzen als verfassungsrechtliche Bedingungen für die Organisation privaten Rundfunks entwickelt (Erlaubnisverfahren, Bewerberauswahl). Entsprechend seinem grundsätzlichen Verständnis, daß die Freiheit des Rundfunks ein gleichgewichtiges „Zu-Wort-Kommen" der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen verlangt und nicht etwa darin besteht, den Rundfunk dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen, muß das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber auch dann zu relativ weitgehenden Regelungen verpflichten, wenn er sich für ein außenpluralistisches System entscheidet. Staatliche Vorsorge und Verantwortung für tatsächliche Meinungsvielfalt lautet das Prinzip, nicht hingegen Vertrauen auf einen freien Meinungsmarkt durch Wettbewerb. Demgemäß besteht auch kein großer Unterschied zwischen den Leitgrundsätzen für die Programme binnenpluralistischer und außenpluralistischer Veranstalter. Wenn ein Veranstalter i m außenpluralistischen Modell auch nicht auf die Ausgewogenheit seines Gesamtprogramms verpflichtet werden muß, hat er doch sachgemäß, umfassend und wahrheitsgemäß zu informieren und i n seiner Meinungsäußerung ein Mindestmaß an Achtimg zu wahren. Aus diesen Anforderungen ergibt sich deutlich, daß das Gericht Freiheit des Rundfunks nicht i m Sinne einer Meinungsfreiheit des Rundfunkveranstalters versteht. Da die Freiheit der Berichterstattung der Meinungs- und Informationsfreiheit dient, geht es ihr nicht um die Selbstentfaltung des Rundfunkveranstalters, sondern um die freie Meinungsbildung der Bürger. Der Supreme Court der USA hat i n seiner berühm65
BVerfGE 57, 295, 324 ff.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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ten Entscheidung Red L i o n Broadcasting Co. ν. FCC das gleiche Prinzip so formuliert: „ I t is the right of the viewers and listeners, not the right of the broadcasters, which is paramount 6 0 ." Der Gedanke des Vorrangs der Rechte von Zuschauern und Zuhörern vor den Rechten der Rundfunkveranstalter prägt die Freiheit des Rundfunks, wie sie das Bundesverfassungsgericht versteht. Die Gewährleistung dieser Freiheit fordert gemäß dem dritten Fernsehurteil die gesetzliche Regelung folgender Einzelpunkte: 1. die Grundentscheidung für ein Modell der Rundfunkorganisation; 2. Vorkehrungen für die tatsächliche Vielfalt des Gesamtprogramms; 3. Leitgrundsätze für ein Mindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung; 4. eine begrenzte Staatsaufsicht; 5. ein Erlaubnisverfahren; 6. Regeln für die Auswahl der Bewerber. I m letzten Teil des dritten Fernsehurteils mißt das Bundesverfassungsgericht das saarländische Rundfunkgesetz an diesen Anforderungen. Es erkennt an, daß der Landesgesetzgeber die Grundlinien der Ordnung des Rundfunks gesetzlich bestimmt, Leitsätze für die Programmgestaltung vorgeschrieben sowie eine staatliche Aufsicht eingerichtet hat. Dagegen sind der Zugang zur Veranstaltung privaten Rundfunks wegen des Ermessens der Landesregierung nicht verfassungsgemäß, die Auswahl der Bewerber überhaupt nicht und die Befugnisse des Beirats nicht so geregelt, daß die gesellschaftlich relevanten Kräfte i n den Organen der Veranstalter hinreichenden Einfluß hätten und i m Gesamtprogramm zu Wort kommen könnten. Aus diesen Gründen erklärt das Gericht den Abschnitt C I und I I des saarländischen Rundfunkgesetzes für nichtig, soweit er die Veranstaltung von deutschsprachigen Rundfunksendungen betrifft 6 7 . V. Der „freie Mitarbeiter"-Beschluß 1. Tatbestand
Die Rundfunkanstalten beschäftigen zahlreiche „freie Mitarbeiter", die keinen Arbeitnehmerstatus haben und demgemäß auch nicht den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz genießen. Ein Teil der freien Mitarbeiter w i r d ständig beschäftigt und weitgehend betrieblich einββ 67
395 U. S. 367, 390. BVerfGE 57, 295, 327 ff.
4 Wieland
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
gegliedert. Eine größere Zahl dieser ständigen freien Mitarbeiter hat vor den Arbeitsgerichten auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses geklagt und vor dem Bundesarbeitsgericht obsiegt. Der Westdeutsche Rundfunk hat gegen mehrere Urteile des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde erhoben 68 . 2. Analyse der Entscheidungsgründe
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts nimmt i n seinem Beschluß die bisherige Rechtsprechung auf. Danach ist wesentlicher Bestandteil der Rundfunkfreiheit die Programmfreiheit. Sie verbietet nicht nur staatliche, sondern jede fremde Einflußnahme auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme. Das Gericht verweist aber darauf, daß die Programmfreiheit i m öffentlichrechtlichen Rundfunksystem nicht mit der Tendenzfreiheit als Teil der Pressefreiheit gleichzusetzen ist. Die Rundfunkanstalten müssen i n ihrem Gesamtprogramm allen Tendenzen Raum geben. A l l e i n durch die i m dritten Fernsehu r t e i l geforderte gesetzliche Regelung der Rundfunkorganisation und der Anforderungen an den Programminhalt kann die gebotene Vielfalt nicht gesichert werden. Die Qualität des Programms hängt nicht von rechtlichen, sondern von personellen Voraussetzungen ab: Die Rundfunkanstalten benötigen eine Vielzahl qualifizierter Mitarbeiter, die nicht alle auf Dauer, sondern zum Teil nur für die Zeit beschäftigt werden, i n der man sie benötigt. Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Mitarbeiter, die das Programm inhaltlich gestalten, sind ebenso wie Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung des Programms gegen fremde Einflüsse geschützt. Das Recht, Mitarbeiter frei oder fest einzustellen, findet seine Schranken wie die gesamte Rundfunkfreiheit i n den allgemeinen Gesetzen i m Sinne des A r t i k e l 5 Abs. 2 GG, hier i n den Vorschriften des Dienstvertrags- und Arbeitsrechts. Das Bundesverfassungsgericht legt diese Regelungen gemäß seiner ständigen Rechtsprechung zur Wechselwirkungstheorie 60 i m Blick sowohl auf das Sozialstaatsprinzip und die Berufsfreiheit, den durch die allgemeinen Gesetze geschützten Rechtsgütern, als auch auf die Rundfunkfreiheit aus und kommt zu dem Ergebnis, daß die Urteile des Bundesarbeitsgerichts die Einwirkung der Rundfunkfreiheit verkannt haben 70 . Neu gegenüber dem dritten Fernsehurteil ist i n diesem Beschluß, daß die Programmfreiheit auf die Freiheit der Rundfunkanstalten erweitert wird, die an der Programmgestaltung beteiligten Mitarbeiter auszuω eo 70
BVerfGE 59, 231; vgl. weiter BVerfGE 64, 256. BVerfGE 7, 198, 208 f. BVerfGE 59, 231, 257 ff.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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wählen und über die Form ihrer Beschäftigungsverhältnisse zu entscheiden. Zugleich stellt das Bundesverfassungsgericht klar, daß die Programmfreiheit nicht nur staatlichen, sondern überhaupt jeden fremden Einfluß auf die Programmgestaltung abwehrt. Diese Programmfreiheit gesteht der Beschluß den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten als subjektives Recht zu und nimmt damit die Rechtsprechung aus dem zweiten Fernsehurteil wieder auf 71 .
V I . Der Rundfunkrat-Beschluß 1. Tatbestand
Die Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben am 20. August 1980 einen neuen Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk geschlossen. Nach § 17 Absatz 1 Nr. 1 und 2 des Vertrages 72 stand dem Landesverband Schleswig-Holstein der Freien Demokratischen Partei ein Entsendungsrecht i n den Rundfunkrat des NDR nicht zu, w e i l sie weder i m Schleswig-Holsteinischen Landtag i n der erforderlichen Stärke (Nr. 1) noch i n mindestens zwei gesetzgebenden Körperschaften der vertragsschließenden Länder vertreten war (Nr. 2). Die F.D.P. kann sich nur als weitere gesellschaftlich bedeutsame Organisation oder Gruppe gemäß § 17 Absatz 3 des Staats Vertrages u m einen Sitz i m Rundfunkrat bewerben. Der Landesverband der F.D.P. hat i m Verfahren des Landesorganstreits gemäß A r t i k e l 99 GG, § 13 Nr. 10 BVerfGG i n Verbindimg mit A r t i k e l 37 Nr. 1 der Landessatzung Schleswig-Holstein vom Bundesverfassungsgericht die Feststellung begehrt, daß Landesregierung und Landtag gegen A r t i k e l 21 Absatz 1 i n Verbindung m i t A r t i k e l 3 Absatz 1 und 5 Absatz 1 GG verstoßen haben, indem sie dem Staatsvertrag zugestimmt und das entsprechende Zustimmungsgesetz i m Landtag eingebracht bzw. das Gesetz verabschiedet haben 78 . 2. Analyse der Entscheidungsgründe
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts erklärt den Antrag für unzulässig, w e i l die F.D.P. durch die Regelung des Staatsvertrages i n dem den politischen Parteien durch A r t i k e l 21 GG verliehenen verfassungsrechtlichen Status nicht verletzt sein kann. Aufgabe des Rundfunkrates ist es nicht, an der politischen Willensbildung des Volkes m i t 71
Siehe oben I I . 2. b. GVB1. Schleswig-Holstein 1980, S. 302; auch abgedruckt i n Media-Perspektiven 1980, 480. 73 BVerfGE 60, 53. 72
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
zuwirken, sondern zur Verwirklichung und Sicherung der Rundfunkfreiheit beizutragen. Der Zweite Senat übernimmt die Ausführungen des Ersten Senats zur Rundfunkfreiheit i m dritten Fernsehurteil. Er folgert daraus, daß der Rundfunkrat als Sachwalter der Interessen der Allgemeinheit wirken muß. Seine Aufgabe ist es, die Programmgestalter auf Einhaltung der Programmleitsätze zu kontrollieren, nicht jedoch selbst auf die Meinungsbildung Einfluß zu nehmen. „Die Mitglieder des Rundfunkrates sind nach alledem nicht dazu berufen, das Programm des NDR an den besonderen Zielsetzungen und Auffassungen der politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen, die sie entsenden, auszurichten, um auf diese Weise deren Bestrebungen zu fördern 7 4 ." M i t diesem Beschluß übernimmt der Zweite Senat voll die Interpretation der Freiheit des Rundfunks, wie sie vom Ersten Senat i m dritten Fernsehurteil entwickelt worden war. Er stellt klar, daß sich die gesellschaftlichen Gruppen nicht auf eigene subjektive Rechte aus A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG berufen können. Soweit sie in den Organen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten vertreten sind, ist das nicht Ausfluß ihrer eigenen verfassungsrechtlichen Stellung und soll ihnen nicht ermöglichen, ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Vielmehr haben die Gruppenvertreter als Sachwalter der Interessen der A l l gemeinheit zu wirken und die Mitarbeiter des Rundfunks zu kontrollieren. Das Gericht stellt eindeutig klar, daß der Rundfunk weder den Parteien noch den gesellschaftlichen Gruppen gehört, mögen sie sich i n der Praxis auch manchmal als dessen Herren aufspielen.
V I I . Zusammenfassung
Der Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG und den daraus abgeleiteten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation des Rundfunks zeigt ein klares und recht detailliertes Bild. Die Grundlage bildet das erste Fernsehurteil des Zweiten Senats, dessen Gedanken von der das zweite Fernsehurteil tragenden Mehrheit zehn Jahre später bestätigt wurden, während die abweichende Meinung einen Ansatz i n eine andere Richtung versuchte. Das dritte Fernsehurteil, nunmehr vom Ersten Senat, bildet heute den Kern der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Es folgt nicht den Überlegungen der dissentierenden Richter, sondern entwickelt die i n den beiden ersten Fernsehurteilen niedergelegten Grundsätze der Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 74
BVerfGE 60, 53, 66.
1. Kap.: Die Rechtsprechung des B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t s 5 3
Satz 2 GG i m Blick auf privaten Rundfunk weiter. Der Beschluß zu den freien Mitarbeitern des Rundfunks enthält ergänzende Ausführungen über die Personalfreiheit als Teil der Programmfreiheit. I m Rundfunkratsbeschluß übernimmt der Zweite Senat die Interpretation der Freiheit des Rundfunks i m dritten Fernsehurteil und stellt das Verhältnis der gesellschaftlich relevanten Gruppen — speziell der Parteien — zum öffentlichrechtlichen Rundfunk klar. Das Bundesverfassungsgericht erstreckt die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk auf das gesamte Programm und bezeichnet sie kurz als Rundfunkfreiheit. Die so verstandene Rundfunkfreiheit w i r d primär objektivrechtlich, i n ihrer Ausrichtung auf die Meinungsund Informationsfreiheit als dienende Freiheit verstanden. Das Gericht betont die Bedeutung der Rundfunkfreiheit für die Bildung der öffentlichen und der privaten Meinung der Bürger und damit für das Funktionieren der parlamentarischen Demokratie. Anders als die klassischen Freiheitsrechte erschöpft sie sich nicht i n der Abwehr staatlichen Einflusses, sondern verlangt vom Gesetzgeber eine positive Ordnung durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen. Diese gesetzliche Regelung muß die Voraussetzungen für eine freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung schaffen. Rundfunkfreiheit ist dann gegeben, wenn das Gesamtprogramm des Rundfunks der Vielfalt der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen tatsächlich Ausdruck verleiht. Der Rundfunk darf deshalb unabhängig von der frequenztechnischen und finanziellen Sondersituation nicht sich selbst überlassen werden. Das Bundesverfassungsgericht erkennt aber auch eine subjektivrechtliche Komponente der Rundfunkfreiheit an: Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten können sich auf sie berufen, sie i m Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen und vor allem ihre Programmfreiheit nicht nur gegen jeden staatlichen, sondern gegen jeden fremden Einfluß überhaupt i n Anspruch nehmen. Die Frage nach einem I n d i v i dualgrundrecht des Bürgers, privaten Rundfunk zu veranstalten, klammert das Gericht dagegen ebenso aus wie das entsprechende Problem der Verpflichtung des Staates, privaten Rundfunk zuzulassen. A u f der Grundlage dieses Verständnisses der i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk entwickelt das Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Anforderungen an die Organisation des Rundfunks: — Sie unterliegt dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes. — Sie muß gewährleisten, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe i n die Hände fällt, sondern die Viel-
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
fait der gesellschaftlichen Gruppen und geistigen Richtungen in seinem Gesamtprogramm tatsächlich zum Ausdruck bringt. — Sie muß bei einer binnenpluralistischen Struktur der Veranstalter die maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte bestimmen und gewichten und den effektiven Einfluß der entsprechenden Kollegialorgane sicherstellen. — Sie muß i m außenpluralistischen System privaten Rundfunks für eine gleichgewichtige Vielfalt sorgen und darf auch privaten Rundfunk neben öffentlichrechtlichem Rundfunk nicht den Kräften des Marktes überlassen. — Sie muß Leitgrundsätze für den Inhalt des Gesamtprogramms umfassen, die ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung gewährleisten und i m außenpluralistischen Modell den einzelnen Veranstalter zu sachgemäßer, umfassender und wahrheitsgemäßer Information und einem M i n destmaß an Achtung verpflichten. — Sie muß eine begrenzte Staatsaufsicht errichten. — Sie muß ein Erlaubnisverfahren einrichten, das nur der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit dient. — Sie muß für die Auswahl der Bewerber Grundsätze festlegen, die Chancengleichheit gewährleisten. Zugleich betont das Gericht jedoch, daß das Grundgesetz dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkorganisation vorschreibt, sondern daß es allein darauf ankommt, daß die gewählte Organisationsform freie, umfassende und wahrheitsgemäße Meinungsbildung gewährleistet. Aus der Verfassungsrechtsprechung zu A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG läßt sich somit klar ablesen, welchen Spielraum das Grundgesetz dem Gesetzgeber i n den Augen des Gerichts bei der Organisation des Rundfunks läßt und welche Anforderungen es an eine gesetzliche Regelung stellt. Zwar hat das Gericht die Frage nach einem Individualgrundrecht des Bürgers, Rundfunk zu veranstalten, ausdrücklich noch nicht beantwortet. Indem es i m dritten Feunsehurteil jedoch betont, daß das Grundgesetz dem Gesetzgeber keine bestimmte Form der Rundfunkverfassung vorschreibt, sondern allein auf die Gewährleistung einer freien, umfassenden und wahrheitsgemäßen Meinungsbildung abhebt, deutet es zumindest an, wie nach seiner Auffassung die Frage zu beantworten ist. Das Bundesverfassungsgericht hat die Diskussion über das richtige Verständnis der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk so nachdrücklich geprägt, daß die Rechtsprechung der übrigen Gerichte zu den einschlägigen verfassungsrechtlichen Fragen praktisch keine
1. Kap.: Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
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eigene Bedeutung erlangt hat. Das gilt für die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 30. Juni 1977, die es für verfassungsgemäß erklärt hat, daß A r t i k e l 111 a Absatz 2 der Verfassung des Freistaates Bayern den Betrieb von Rundfunk nur i n öffentlicher Verantwortung und i n öffentlicher Trägerschaft zuläßt; der Verfassungsgerichtshof schließt sich hier ausdrücklich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an 75 . Das gilt aber auch für das vorangehende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 1971, i n dem die Vereinbarkeit des öffentlichrechtlichen Rundfunkmonopols i n Westberlin „unter den derzeit gegebenen Umständen" mit A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ebenfalls unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts festgestellt wird 7 6 . Deshalb w i r d diese Rechtsprechung hier nicht näher untersucht, sondern sogleich das einschlägige Schrifttum i n Augenschein genommen.
75
V e r f G H 30, 78, 95. B V e r w G E 39, 159, 165; entsprechend O V G Münster v. 24. 9.1976, i n : D Ö V 1978. 519. 76
Zweites Kapitel
Die Literatur zur Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk Das rundfunkrechtliche Schrifttum spiegelt das wachsende Interesse an dem Massenmedium wider. Die Zahl der Veröffentlichungen ist i n der zweiten Hälfte der siebziger Jahre stark angestiegen. Eine ganze Reihe von Staatsrechtslehrern hat Gutachten zu den einschlägigen Fragen erstattet, Ministerialbeamte und Rundfunkmitarbeiter haben ihre Überlegungen publiziert, Referate und Diskussionsbeiträge zahlreicher Tagungen sind veröffentlicht worden. Angesichts der Vielzahl der Beiträge zur Diskussion über die Organisation des Rundfunks und das richtige Verständnis der Freiheit des Rundfunks überrascht es kaum, daß sich die Argumente wiederholen. Das rechtfertigt es, den folgenden Literaturüberblick auf die Wiedergabe der wesentlichen Argumente zu beschränken, statt die einzelnen Veröffentlichungen jeweils gesondert vorzustellen, zumal ein solches Vorgehen den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde 1 . I m Mittelpunkt der aktuellen Diskussion steht der private bzw. kommerzielle Rundfunk. Dogmatischer Kernpunkt ist die Frage nach einem Individualgrundrecht des Bürgers, Rundfunk zu veranstalten, die das dritte Fernsehurteil ausdrücklich ausgeklammert hat 2 . Der Streit u m die richtige A n t w o r t auf diese Frage w i r d die zukünftige rundfunkorganisationsrechtliche Diskussion bestimmen. Das legt es nahe, i n der folgenden Darstellung die Position der Verfechter eines I n d i v i dualgrundrechtes der Rundfunkveranstaltungsfreiheit (I) dem Standpunkt der Gegner eines solchen Individualgrundrechtes (II) gegenüberzustellen. Den Abschluß bildet dann eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse des Überblicks (III).
1 Vgl. aber meine Literaturberichte Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, i n : Der Staat 20 (1981), 97 u n d M a r k t oder Staat als Garanten der Freiheit, i n : Der Staat 23 (1984), 245. 2 BVerfGE 57, 295, 318 f.
2. Kap. : Die L i t e r a t u r
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I . Das individualrechtliche Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G
Die Zahl der Autoren, die i n A r t i k e l 5 Absatz 1 GG ein Individualgrundrecht des Bürgers sehen, Rundfunk zu veranstalten, hat deutlich zugenommen 3 . Begründer dieser Meinung ist Krause-Ablaß, der 1962 3 Martin Bullinger, Kommunikationsfreiheit i m S t r u k t u r w a n d e l der Telekommunikation, S. 62 ff. ; Christoph Degenhart, A n m . zu BVerfG, Urt. v. 16.6.1981, i n : D Ö V 1981, 960; Willi Geiger, Sicherung der Informationsfreiheit des Bürgers als Verfassungsproblem, i n : A f P 1977, 256, 258 unter Bezug auf derselbe, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, i n : Festschrift für Adolf A r n d t , S. 119 ff.; derselbe, Sicherung der Informationsfreiheit des B ü r gers i m Fernsehen als Verfassungsproblem, S. 39; Carl Haensel, R u n d f u n k freiheit u n d Fernsehmonopol, S. 101 ff.; derselbe, Fünfzig Jahre R u n d f u n k freiheit u n d die N o r m s t r u k t u r der neuen Fernseh-Betriebe, i n : Epirrhosis, Festgabe f ü r Carl Schmitt, S. 245 ff., 249 ff. ; Günter Herrmann, Fernsehen u n d H ö r f u n k i n der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 123, 135 f.; Roman Herzog, Rdnr. 236 zu A r t . 5, i n : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz; Hans H. Klein, Das Jedermannsrecht auf Zugang zu den K o m munikationsmitteln, i n : A f P 1979, 232; derselbe, Rundfunkmonopol oder Pressezensur — Medienfreiheit auf dem Prokrustesbett, i n : Festschrift für M a r t i n Löffler, S. 111 ff.; derselbe, Die Rundfunkfreiheit, S. 20, 32 ff.; derselbe, Der Begriff der Rundfunkfreiheit i m U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts v o m 16.6.1981, i n : Funk-Korrespondenz Nr. 40 v o m 30. September 1981, S. I f f . ; Günter Β. Krause-Ablaß, Kommunaler u n d privater Rundfunk i m lokalen Bereich, i n : DÖV 1962, 249, 252; Klaus Kröger, Vor dem Ende des Rnudfunkmonopols der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten, N J W 1979, 2537, 2543; Edgar Kuli, Verschüttung u n d Ausgrabung der Rundfunkfreiheit, i n : A f P 1971, 98, 102; derselbe, Rundfunkgleichheit statt Rundfunkfreiheit, i n : A f P 1981, 378; derselbe, Das F R A G - U r t e i l — K r i t i k u n d Prognose, i n : F i l m u n d Recht 1981, 644; Detlef Merten, A r t . Massenkommunikationsmittel, i n : Evangelisches Staatslexikon, 2. Aufl., Sp. 1537; Ernst-Joachim Mestmäcker, Medienkonzentration u n d Meinungsvielfalt, S. 21 f.; 210ff.; derselbe, S t r u k t u r wandel u n d Verfassung der Medien, S. 7 ff.; Christian v. Pestalozza, Erneuter Scheintod des Privatfernsehens, i n : A f P 1972, 265, 268; aber auch derselbe, Rundfunkfreiheit i n Deutschland, i n : ZRP 1979, 25, 28 f., w o er ein subjektives Recht, Rundfunk zu veranstalten, i n A r t . 5 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich nicht verankert sieht; dagegen jetzt wieder derselbe, Der Schutz vor der Rundfunkfreiheit i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : N J W 1981, 2158, 2160; Walter Rudolf, Über die Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 22; Ulrich Scheuner, Das Rundfunkmonopol u n d die neuere Entwicklung des Rundfunks, i n : A f P 1977, 367, 368, 371; derselbe, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit, S. 12 ff.; Walter Schmitt Glaeser, K a b e l k o m m u n i k a t i o n u n d Verfassung, S. 143 ff.; derselbe, Neue Medien i n Baden-Württemberg, i n : VB1BW 1981, 337, 340 ff. ; Rupert Scholz, Private Rundfunkfreiheit u n d öffentlicher R u n d f u n k vorbehalt — B V e r w G E 39, 159, i n : JuS 1974, 299; derselbe, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, i n : J Z 1981, 561; Christian Starck, Staatliche Organisation u n d staatliche Finanzierung als H i l f e n zu G r u n d rechtsverwirklichungen, i n : Bundesverfassungsgericht u n d Grundgesetz, Bd. 2, S. 480, 488 ff.; derselbe, Kommunikationsfreiheit u n d Rundfunkorganisation hierzulande u n d anderswo, i n : JZ 1980, 436, 437 ff.; derselbe, Zur notwendigen Neuordnung des Rundfunks, i n : N J W 1980, 1359, 1360; Werner Weber, Rundfunkfreiheit — Rundfunkmonopol, i n : Festschrift f ü r Ernst Forsthoff zum 70. Geburtstag, S. 474 f.; derselbe, Z u r Diskussion über die Zulassung eines privaten Fernsehens, i n : Der Staat (1972), 82, 92; Klaus Stern, Neue Medien — neue Aufgaben des Rechts? i n : DVB1. 1982, 1109, 1113 ff.; Werner
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
kurz nach dem ersten Fernsehurteil die These aufgestellt hat, aus der grundsätzlichen Freiheit der rundfunkpublizistischen Betätigung folge das Recht des Bürgers, Rundfunkunternehmen zu errichten und zu betreiben. Er erklärt den Unterschied i n der Formulierung zwischen „Pressefreiheit" und „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk" für unbeachtlich: Jede Freiheit der Betätigung ist unvollständig, solange der Zugang zu der Betätigung unfrei ist. Die Gewährleistung einer Freiheit bedeutet, daß jeder das Recht hat, von der Freiheit Gebrauch zu machen4. Damit hat Krause-Ablaß schon zum Auftakt der Diskussion i m wesentlichen die Argumente genannt, die i n den folgenden zwanzig Jahren von den Befürwortern eines Grundrechts auf Rundfunkveranstaltungsfreiheit mehr oder weniger abgewandelt zur Unterstützung ihrer Auffassung vorgetragen werden. Die meisten Autoren leiten das Individualgrundrecht aus A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ab, aber auch Satz 1 und 3 des Absatzes werden herangezogen 5. Dabei bereitet der Wortlaut des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG allgemein Schwierigkeiten. Da neben der Pressefreiheit nicht die Rundfunkfreiheit, sondern die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet wird, behelfen sich die Autoren. Sie sprechen davon, die Vorschrift gewähre die Rundfunkfreiheit 6 , Presse und Rundfunk umschließe der gleiche Wortlaut 7 , oder sie erklären den Unterschied i m Wortlaut der Freiheitsgewährleistung für die Presse einerseits und Rundfunk und F i l m andererseits ohne Begründung für irrelevant 8 . Rudolf hält die freie Veranstaltung von Rundfunksendungen für „begrifflich unmöglich" ohne die Freiheit, Rundfunkunternehmen zu errichten®. H. H. K l e i n betrachtet es „angesichts der Verankerung der Rundfunkfreiheit i m Grundrechtsteil des Grundgesetzes" als EinMeng, Die Folgen des technischen Fortschritts auf dem Gebiet der Telekomm u n i k a t i o n f ü r die Informationsfreiheit i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Rudolf Bernhardt, U l r i c h Beyerlin (Hrsg.), X I . Internationaler Kongreß f ü r Rechtsvergleichung, Caracas 1982, Deutsche Landesreferate zum ö f f e n t l i chen Recht u n d Völkerrecht, S. 77, 79 ff., 84; vgl. i m übrigen Lücke, der die Rundfunkfreiheit teils als Gruppengrundrecht, teils als individuelles Z u gangsrecht versteht: Jörg Lücke, Die Rundfunkfreiheit als individuelles Z u gangsrecht, i n : J Z 1977, 41; derselbe, Die Rundfunkfreiheit als Gruppengrundrecht, i n : DVB1. 1977, 977. 4 Krause-Ablaß (FN 3), S. 251 f. 5 A u f die A b l e i t u n g eines Individualgrundrechtes der Rundfunkveranstaltungsfreiheit aus A r t . 12 Abs. 1 gehe ich unten i m zweiten T e i l der A r b e i t ein. β Scheuner, Rundfunkmonopol (FN 3), S. 368, 371. 7 Scheuner, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 22. 8 Schmitt Glaeser (FN 3), S. 143 ff. • Rudolf (FN 3), S. 22.
2. Kap. : Die L i t e r a t u r
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engung des Tatbestandes, wenn i n A r t i k e l 5 Absatz 1 GG nicht die Rundfunkfreiheit gewährleistet gesehen wird. Deshalb sollen die Vertreter einer solchen „tatbestands-einengenden Auffassung" die Beweislast für die Richtigkeit ihrer Behauptung tragen 10 . Neben dem Wortlaut w i r d die systematische Auslegung herangezogen. Mehrere Autoren verweisen darauf, daß i m gleichen Satz wie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und F i l m die Pressefreiheit gewährleistet ist, die ganz unbestritten das Recht jedes Bürgers umfasse, Presseunternehmen zu gründen und auf kommerzieller Basis zu betreiben 11 . K l e i n vermengt Argumente aus Wortlaut und Systematik und behauptet, für die Annahme eines Grundrechts auf freie Gründung von Funkunternehmen spreche „wegen der parallelen Verbürgung von Presse-, F i l m - und Rundfunkfreiheit die Vermutung, also der Wortlaut der Verfassung" 12 . Damit lehnt er sich an Formulierungen von Herrmann an 18 . Als zweites systematisches Argument w i r d eine Verbindung zwischen Satz 2 und Satz 1 des A r t i k e l 5 Absatz 1 GG hergestellt: Alle Rechte des Satz 1 sichern dem Bürger einen individuellen Freiheitsraum i n Abwehr gegen den Staat. Die Freiheitsgewährleistungen des Satz 2 müssen i m Lichte dieser Bedeutung des Satz 1 ebenfalls als Individualgrundrechte interpretiert werden 14 . Das dritte systematische Argument liefert die Stellung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG i m Grundrechtsteil der Verfassung: Grundrechte sind Individualrechte 1 5 und binden gemäß A r t i k e l 1 Absatz 3 GG Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung 16 . Für ein Grundrecht des Bürgers, Rundfunk zu veranstalten, w i r d weiter die Entstehungsgeschichte der Vorschrift angeführt. Ein Antrag des Abgeordneten von Mangoldt i m Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates, der die Sicherung der Rundfunkfreiheit durch eine Garantie der öffentlichrechtlichen Rundfunkorganisation erreichen wollte, sei abgelehnt worden. Damit stehe die genetische Interpretation einem Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG als Rundfunkveranstaltungsfreiheit zumindest nicht entgegen 17 . 10
Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 41. Kuli, Verschüttung (FN 3); Schmitt Glaeser (FN 3), S. 143 ff.; Starch (FN 3), S. 1360. 12 Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 41. 13 Herrmann (FN 3), S. 123, 135 f. 14 Klein, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 32 ff.; Mestmäcker, Strukturwandel (FN 3), S. 7 f.; Stern (FN 3), S. 1115 f. 15 Klein, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 20. 16 W. Weber, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 474 ff. 11
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Auch die Geschichte des Rundfunks i n Deutschland ziehen die Befürworter dieser Interpretation zur Unterstützung ihrer Auffassung heran. Sie verweisen darauf, daß in den ersten Jahren nach 1923 private Gesellschaften m i t privatem Kapital den Rundfunk i n Deutschland veranstaltet hätten. Das zeige ebenso wie ausländische Beispiele, daß Rundfunkveranstaltungen auf privater Basis eine durchaus sachgerechte Organisationsform darstellten 18 . Als Zweck der Garantie der Berichterstattungsfreiheit w i r d angeführt, der Rundfunk solle mit der Grundrechtsgewährleistung der individuellen Freiheit der Bürger, der unternehmerischen Initiative und der Freiheit des Wettbewerbs überlassen werden. Das Grundgesetz habe in den A r t i k e l n 2, 5, 12 und 14 Entscheidungen zugunsten p r i v a t w i r t schaftlicher, privatrechtlicher und privatnütziger Tätigkeiten und Rechtspositionen getroffen 19 . Der Rundfunk sei mit der grundrechtlichen Gewährleistung der privaten Hand überantwortet 2 0 , der Private als allgemeiner Grundrechtsträger sei primärer und prinzipieller Rechtsträger des i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheitsrechts 21 . Es handele sich um ein typisches Abwehrrecht, die Rundfunkfreiheit sei grundsätzlich eine private bzw. gesellschaftliche Freiheitsverbürgung 22 . Ähnlich argumentiert Merten, daß Träger der Rundfunkfreiheit der Private sein müsse, weil die Grundrechte primär subjektionsrechtliche Abwehrrechte gewährleisteten 23 . Auch Kröger verweist darauf, daß die Rundfunkfreiheit als Recht des einzelnen, als Selbstzweck konzipiert und primär darauf angelegt sei, ein subjektives Freiheitsrecht zu gewährleisten 24 . Quintessenz dieser Überlegungen ist es, die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation i m freiheitlich verfaßten Staat des Grundgesetzes nur als Notlösung anzusehen, die nach Wegfall der technischen und finanziellen Sondersituation nicht länger verfassungsgemäß ist. Eigentliche Freiheit sichert nur der private Zugriff auf den Rundfunk, nur private Organisation macht frei 2 5 . Die Mehrzahl der genannten Autoren geht davon aus, daß die Rundfunkveranstaltungsfreiheit von Anfang an i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 17 Klein, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 42; Kuli, Verschüttung (FN 3), S. 102; Schmitt Glaeser (FN 3), S. 143 ff. 18 Klein, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 42. 19 Mestmäcker, Medienkonzentration (FN 3), S. 210 ff. 20 Klein, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 52. 21 Scholz, Private Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 303 f. 22 Scholz, Private Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 301. 23 Merten ( FN 3), Sp. 1537. 24 Kröger (FN 3), S. 2537. 25 Mestmäcker, Medienkonzentration (FN 3), S. 210 ff.; Scheuner, Rundfunkfreiheit (FN 3), S. 12 f f
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GG angelegt und nur „verschüttet" 2 6 bzw. „eingefroren" 2 7 gewesen sei, solange ein Mangel an Übertragungskapazitäten bestanden habe. Dagegen vertritt Bullinger die Auffassung, mit der von i h m festgestellten bzw. prognostizierten „Individualisierung" der Telekommunikation habe sich auch die Bedeutung des entsprechenden Grundrechts zu einer „Individualisierung der Kommunikationsfreiheit" verändert, die eher der individuellen Meinungsfreiheit entspreche als dem traditionellen Verständnis der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Er bezieht i n seine Argumentation auch die anderen Garantien des A r t i kel 5 Absatz 1 GG ein und hebt dabei vor allem auf das Recht ab, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Solange es der Staat dem Bürger verwehrt, privaten Rundfunk zu veranstalten, greift er i n die Informationsfreiheit ein 28 . Auch Geiger hält den Gesetzgeber für verpflichtet, das Notwendige zu regeln, u m das Recht des Bürgers auf ungehinderte Information zu sichern. Deshalb muß er für möglichst viele Formen von Informationsquellen und damit auch für privatrechtliche Rundfunkunternehmen sorgen. Der Bürger, nicht der Staat soll dann entscheiden, welche Form die beste ist 29 . Hinter der Argumentation für ein Individualgrundrecht auf Rundfunkveranstaltungsfreiheit steht die Vorstellung, das Grundgesetz räume dem Bürger einen Freiheitsbereich Rundfunk ein, aus dem sich der Staat grundsätzlich fernzuhalten habe. Der Staat soll den Rundfunk sich selbst bzw. den Bürgern überlassen, die beste Freiheitsgarantie besteht in einer möglichst großen Enthaltsamkeit des Staates. Das liberale Abwehrrecht steht i m Vordergrund des Grundrechtsverständnisses, objektivrechtliche Elemente werden nur nach Maßgabe des A b wehrrechts anerkannt. Die Annahme eines Individualgrundrechts der Rundfunkveranstaltungsfreiheit w i r d i m wesentlichen von einer teleologischen Interpretation, unterstützt durch systematische Argumente, getragen, während Wortlaut und Entstehungsgeschichte nur entnommen wird, daß sie dem Interpretationsergebnis nicht entgegenstehen. I I . Das objektivrechtliche Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G
Anders als die Befürworter eines Individualgrundrechts auf Rundfunkveranstaltungsfreiheit versteht ein beträchtlicher Teil der Literatur die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk vornehmlich insti26 27 28
29
Kuli, Verschüttung (FN 3), S. 98. Rudolf (FN 3), S. 22. Bullinger (FN 3), S. 61 ff.
Geiger (FN 3), S. 39.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
tutionell bzw. objektivrechtlich. Nach dieser Auffassung geht es A r t i kel 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht um die Freiheit des Rundfunkveranstalters, sondern um die Institution freier Rundfunk und ihre Bedeutung für Staat und Gesellschaft. Seine Grundlage findet dieses Verständnis in zwei Gutachten, die Lerche 30 sowie Stern und Bethge 31 1970 bzw. 1971 veröffentlicht haben. Da alle späteren Arbeiten, die die Freiheit des Rundfunks vornehmlich institutionell oder objektivrechtlich verstehen, auf den beiden Gutachten aufbauen, sollen zunächst sie i n ihren wesentlichen Gedanken vorgestellt werden. Auf die spätere einschlägige Literatur gehe ich nur noch insoweit ein, als sie neue Gedanken i n die Diskussion einführt. Beide Arbeiten sehen i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG die Freiheit des Meinungs- und Willensbildungsprozesses gesichert 82 . Das verbietet es, die Vorschrift allein als staatsgerichtetes Abwehrrecht zu interpretieren 88 , sondern legt ein institutionelles Verständnis nahe, das sich auf das geschichtlich-sozial Gewordene bezieht 84 . Neben der Freiheitsgewährleistung umfaßt A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG auch einen konstitutiven Ordnungsgehalt, einen Regelungs- und Ordnungsauftrag an den Gesetzgeber 85. Stern und Bethge verweisen auf die für den Rundfunk typische Kombination von technischer Fertigkeit, psychologischer Eindringlichkeit und akustisch-visueller Intensität. Sie machen es notwendig, das Medium einem Mindestmaß an öffentlicher Verantwortung zu unterwerfen, und verbieten es, den Rundfunk der an Gewinnoptimierung orientierten unternehmerischen Privatinitiative auszuliefern. Deshalb halten sie eine Privatisierung i m Sinne einer Kommerzia30 Peter Lerche, Rundnfunkmonopol. Lerche hat seine Auffassung später mehrfach wiederholt: derselbe, Verfassungsrechtliche Aspekte neuer k o m munikationstechnischer Entwicklungen, i n : B a y V B l . 1976, 530; derselbe, L a n desbericht Bundesrepublik Deutschland, i n : M a r t i n B u l l i n g e r / F r i e d r i c h K ü b ler (Hrsg.), Rundfunkorganisation u n d Kommunikationsfreiheit, S. 15 ff.; derselbe, Hoheitliche Programmanforderungen f ü r private Rundfunkveranstaltungen, i n : Festschrift für Otto B. Roegele zum 60. Geburtstag, S. 291 ff.; derselbe, Die Rechtsnatur von Streitsachen aus Rundfunksendungen, i n : Festschrift f ü r M a r t i n Löffler zum 75. Geburtstag, S. 217 ff.; derselbe, Rechtliche Aspekte staatlicher Medienhilfe, i n : Der Staat als Mäzen der Medien?, S. 1 ff.; derselbe, Beteiligung Privater i m Rundfunkbereich u n d Vielfaltstandard, i n : N J W 1982, 1676. 31 Klaus Stern/Herbert Bethge, öffentlich-rechtlicher u n d privatrechtlicher R u n d f u n k ; vgl. auch die späteren Gutachten von Herbert Bethge, Staatshaft u n g f ü r den staatsfreien Rundfunk? u n d Die verfassungsrechtliche Problematik der Zulassung von Rundfunkveranstaltern des Privatrechts sowie Klaus Stern, Neue Medien — neue Aufgaben des Rechts?, i n : DVB1. 1982, 1109. 32 Lerche, Rundfunkmonopol (FN 30), S. 34; Stern/Bethge (FN 31), S. 45 f. 33 Lerche, Rundfunkmonopol (FN 30), S. 37; Stern/Bethge (FN 31), S. 45 f. 34 Lerche, Rundfunkmonopol (FN 30), S. 99 ff.; Stern/Bethge (FN 31), S. 43. 35 Lerche, Rundfunkmonopol (FN 30), S. 37.
2. Kap.: Die L i t e r a t u r
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lisierung für ausgeschlossen. Die meinungsbildende und integrierende Funktion des Massenmediums darf nicht über das Privatrecht ausgehöhlt werden, sondern muß auch i m Bereich privatrechtlicher Gestaltungsformen dominieren 88 . Eine Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk lehnen beide Arbeiten ab: Angesichts des Trends zur Oligopolisierung des Pressewesens i n der Hand weniger Zeitungsgruppen halten Stern und Bethge die Prämisse jener Ansicht für hinfällig, die die Privatisierung des Rundfunks unter Berufung auf die faktisch nicht mehr vorhandene, sondern nur axiomatisch unterstellte Vielfalt i m Bereich der Presse forcieren wollen 8 7 . Lerche verweist darauf, daß privater Rundfunk i m Gegensatz zur Presse von einer Startsituation stehe, die gesetzliche Vorkehrungen erfordere. Auch verschafft A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 1 GG dem Einzelnen keinen Leistimgsanspruch gegen den Staat, bestimmte Äußerungsformen zur Verfügung zu stellen, sondern gibt nur das Recht, unter den verfügbaren Formen nach Belieben zu wählen und sich nach Belieben zu äußern. Ebensowenig erfordert die Informationsfreiheit solche Quellen, deren technische Allgemeinzugänglichkeit erst durch spezielles staatliches Handeln erreicht werden könnte 88 . Damit sind die gebräuchlichen Argumente für ein vorwiegend objektivrechtliches bzw. institutionelles Verständnis der Freiheit des Rundfunks genannt: die Ausrichtung der Garantie auf die freie Meinungsbildung, die öffentliche Verantwortung für den Rundfunk, aus der sowohl der Ordnungsauftrag für den Gesetzgeber als auch die Ablehnun einer Kommerzialisierung des Mediums folgen, und schließlich die tiefgreifenden Unterschiede zwischen Presse und Rundfunk, die es verbieten, beide Medien rechtlich gleich zu behandeln. Eine ganze Reihe von Autoren baut i n den folgenden Jahren auf den Gutachten von Lerche sowie Stern und Bethge auf, vertieft einzelne Gedanken oder setzt die Akzente anders 89 . So lehnt Wufka ein institu38
Stern/Bethge (FN 31), S. 42, 51, 58 ff. Stern/Bethge (FN 31), S. 52 f. 38 Lerche, Rundfunkmonopol (FN 30), S. 35, 98 f.; derselbe, Verfassungsrechtliche Aspekte (FN 30), S. 535. 39 Peter Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen der Rundfunkgesetzgebung; Konrad Berendes, Die Staatsaufsicht über den R u n d f u n k ; Rolf Groß, Z u den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Privatisierung des Rundfunks, i n : DVB1. 1980, 933, 935 ff.; derselbe, Das D r i t t e R u n d f u n k u r t e i l des Bundesverfassungsgerichts, i n : DVB1. 1982, 561; Wolf gang Hoffmann-Riem, Sozialstaatliche Wende der Medienverantwortung? i n : J Z 1975, 469; derselbe, Chancengleichheit i n zukünftigen Kommunikationssystemen, i n : ZRP 1976, 291; derselbe: Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, S. 15 ff.; derselbe, Die Z u k u n f t des Rundfunks — ein Verfassungsproblem, i n : RuF 1979, 143; derselbe, Modellversuch als Scheintest, i n : ZRP 1980, 31, 32 f.; derselbe, E i n A n l a u f zu privatem Rundfunk, i n : ZRP 1981, 177, 1781; derselbe, V o r 87
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
t i o n e l l e s V e r s t ä n d n i s des A r t i k e l s 5 A b s a t z 1 Satz 2 G G ab. E r h ä l t eine I n s t i t u t i o n a l i s i e r u n g v o n Z u s a m m e n h ä n g e n , die i n d e r W i r k l i c h k e i t f u n k t i o n i e r e n , sich a u f ö f f e n t l i c h r e c h t l i c h e N o r m e n g r ü n d e n u n d auf r e i n technischen B e d i n g t h e i t e n b e r u h e n , f ü r e i n e n v e r f e h l t e n j u r i s t i schen A u s g r i f f i n die dogmatische T e c h n i k , die sich j e d e m j u r i s t i s c h e n D a u e r z u g r i f f entziehe 4 0 . I n F o r t f ü h r u n g der G e d a n k e n R i d d e r s 4 1 l e i t e t e r R u n d f u n k f r e i h e i t n i c h t n u r aus A r t i k e l 5 A b s a t z 1 Satz 2 G G , s o n d e r n zugleich aus A r t i k e l 21 A b s a t z 1 Satz 1 G G u n d d e m D e m o k r a t i e gebot des A r t i k e l 20 A b s a t z 1 G G ab. A u f diesem W e g k o n s t r u i e r t e r e i n o b j e k t i v k o l l e k t i v r e c h t l i c h e s , demokratisches F r e i h e i t s r e c h t , das n i c h t u m des i n d i v i d u e l l e n Persönlichkeitsbereiches des E i n z e l b ü r g e r s , s o n d e r n u m der ö f f e n t l i c h e n M e i n u n g u n d d e r d e m o k r a t i s c h e n G r u n d bemerkungen zum Stellenwert der „Thesen zur Fortentwicklung des Rundfunksystems", i n : R u F 1981, 463; derselbe/Dieter Stammler/Martin Stock, Thesen zur Fortentwicklung des Rundfunksystems,in: RuF 1981, 466; Hans D. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 155 ff.; derselbe, Die Freiheit des Rundfunks v o m Staat, S. 11 ff.; Karl Heinz Ladeur, Rundfunkverfassung u n d Pluralismus, i n : R u F 1978, 141, 157 ff.; derselbe, Die Rundfunkfreiheit u n d der Wegfall der „besonderen Umstände" ihrer Ausübung, i n : N J W 1982, 359; Bernd-Peter Lange, Kommerzielle Ziele u n d binnenpluralistische Organisation bei Rundfunkveranstaltern, S. 10 f.; derselbe, Das F R A G - U r t e i l des Bundesverfassungsgerichts i n seinen Feststellungen u n d Konseqenzen, i n : F i l m u n d Recht 1981, 417; Gerhard Leibholz, Bundesverfassungsgericht u n d Rundfunkfreiheit, i n : Festschrift für W i l l i Geiger zum 65. Geburtstag, S. 9, 12 ff.; Wolf gang Lieb, Kabelfernsehen u n d Rundfunkgesetze, S. 231 ff, 247; Fritz Ossenbühl, Rundfunkrechtliche Aspekte des lokalen Fernsehens, i n : D Ö V 1972, 293; derselbe, Rundfunk zwischen Staat u n d Gesellschaft, S. 7 ff.; derselbe, Rundfunkprogramm — Leistung i n treuhänderischer Freiheit, i n : D Ö V 1977, 381, 383 ff.; derselbe, Programmnormen i m Rundfunkrecht, i n : Rundfunkrecht, S. 1, 9 ff.; Erich Schickedanz, Private Fernsehfreiheit, i n : BayVBl. 1973, 141, 142 ff.; Walter Schmidt, Die Rundfunkgewährleistung, S. 77 ff.;derselbe, Rundfunkfreiheit u n d Rundfunkgewährleistung, i n : ZRP 1980, 132; derselbe, A n m e r k u n g zu B V e r f G v. 16.6.1981, i n : DVB1. 1981, 920; derselbe, Flankenschutz für die Rundfunkfreiheit, i n : N J W 1982, 1442; Eberhard Ulrich Schwandt, Privater Kabelfunk, i n : D Ö V 1972, 693, 701 f.; Dieter Stammler, Verfassungs- u n d organisationsrechtliche Probleme des Kabelrundfunks, S.20ff.; Ekkehart Stein, Die Programmgrundsätze von R u n d f u n k u n d Fernsehen, i n : Rundfunkrecht, S. 71, 75 ff.; Martin Stock, Kirchenfreiheit u n d Medienfreiheit, i n : Z e v K R 1975, 256, 289 ff.; derselbe, Neues über V e r bände u n d Rundfunkkontrolle, i n : AöR 104 (1979), 1; derselbe, K o m m u n i k a tionsfreiheit ohne Medienfreiheit? i n : RuF 1980, 336, 347 ff.; derselbe, Noch einmal: Rundfunkorganisation u n d Kommunikationsfreiheit, i n : R u F 1980, 583, 588 ; derselbe, Koordinationsrundfunk i m Modellversuch, S. 80 ff., 167 ff.; derselbe, Z u r Theorie des Koordinationsrundfunks, S. 35 f.; Eduard Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, S. 34 ff.; Wolf gang Hoffmann-Riem, Z u m Verfassungsgebot der Programm Vielfalt i m Rundfunk, i n : DVB1. 1982, 1118; derselbe, Massenmedien, i n : Ernst Benda/Werner Maihofer/Hans-Jochen Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, S. 389, 406 ff. ; Martin Stock, Das H ö r f u n k - u n d Fernsehsystem i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : M a r t i n Seidel (Hrsg.), Hörfunk u n d Fernsehen i m Gemeinsamen M a r k t , S. 25, 35 ff. 40 Wufka (FN 39), S. 46 f. 41 . Helmut Ridder, Meinungsfreiheit, i n : Die Grundrechte I I , S, 243 ff.
2. Kap.: Die L i t e r a t u r
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strukturen willen gewährleistet ist 4 2 . Seine Ergebnisse stimmen allerdings mit denen der Vertreter eines institutionellen Verständnisses überein. Berendes versteht formelle Rundfunkfreiheit als institutionelle Garantie. Sie gewährleistet einen freien Rundfunk als Einrichtung, i n der ein Kernbereich von Strukturprinzipien verfassungsrechtlich abgesichert ist 4 3 . Als konstituierendes Element der Demokratie bedarf die Rundfunkfreiheit institutionellen Schutzes, neben dem individualrechtliche Elemente nicht in Erscheinung treten 4 4 . Lieb betont, daß der Wortlaut des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG keinen Anhaltspunkt für ein Grundrecht auf Rundfunkgründungsfreiheit abgibt. Dagegen verlange die grundgesetzliche Garantie der Rundfunkfreiheit Organisationsgesetze, bei deren Gestaltung dem Staat zur Absicherung eines „politischen Entscheidungspotentials" ein breites Ermessen zusteht 45 . Zum gleichen Ergebnis kommt Stammler aufgrund seines Verständnisses von Rundfunk: Danach ist Rundfunk keine private Einrichtung, die lediglich dazu dient, die persönliche Meinung ihres Besitzers i n die Öffentlichkeit zu tragen. Vielmehr handelt es sich um hochtechnisierte, von einer Vielzahl verschiedener Personen und Kräfte beeinflußte Großapparate. Sie nehmen die für das Funktionieren einer spezialisierten, arbeitsteiligen Massengesellschaft lebensnotwendige Aufgabe wahr, eine gemeinsame Informations- und Kommunikationsbasis über alle Gruppen hinweg herzustellen. Darin liegt ihre konstitutive Bedeutung für die freiheitlich-demokratische Verfassung. Dementsprechend ist die grundrechtliche Freiheit des Rundfunks auch nicht als Recht einzelner, individualisierbarer Personen zu begreifen, sondern bezieht sich auf die Institution selbst. A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleistet ihren Bestand und ihre Funktionsfähigkeit um ihrer gesamtgesellschaftlichen Bedeutung willen und stellt gemeinsam mit Demokratie- und Sozialstaatsprinzip verbindliche Ordnungskriterien für den Kommunikationsprozeß auf. Die institutionelle Bestandsgarantie bezieht sich auf den Rechts- und Funktionskomplex Rundfunk, nicht auf seine öffentlichrechtliche Struktur. Während der Gesetzgeber einen erheblichen politischen Gestaltungsspielraum hat, können dem einzelnen aus A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG nur „Reflexrechte" erwachsen 48 . 42
Wufka (FN 39), S. 74, 78 ff. Berendes (FN 39), S. 48 ff. 44 Berendes (FN 39), S. 62 ff. 46 Lieb (FN 39), S. 231 ff., 247. 46 Stammler (FN 39) unter Bezug auf denselben, Die Presse als soziale u n d verfassungsrechtliche Institution. 43
5 Wieland
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I
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Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
Ähnlich wie Stammler geht Hoffmann-Riem davon aus, daß die Reichweite der Grundrechte des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG an der Funktion der jeweiligen Massenmedien i m demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu messen ist. Für ihn ist das Modell eines freien Meinungsmarktes Gegenstand eines Versprechens und Gebots staatlicher Gewährleistung. Dagegen ist es unvereinbar mit der auf Chancengleichheit ausgerichteten demokratischen Prägung der Meinungsfreiheit, dem Verleger oder Rundfunkveranstalter mehr Meinungsbildungsmacht einzuräumen als anderen Grundrechtsträgern 47 . Ossenbühl hat die Begriffe Grundrechtsgesamthand und Grundrechtstreuhand i n die Diskussion gebracht. Er leitet sie aus der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit gegenüber der Informationsfreiheit ab. Für i h n hat die Freiheit des Rundfunks nach außen staatsabwehrende Bedeutung, nach innen stellt sie eine Grundpflicht der Rundfunkveranstalter dar, Demokratie als einen permanenten, unreglementierten, offenen und freien Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes zu ermöglichen und zu fördern 48 . Jarras geht von kommunikationstheoretischen und -soziologischen Überlegungen aus, mit deren Hilfe er vier Typen der Massenkommunikation unterscheidet: Aktualvermittlung, Lehrtypus, Autorepräsentation und Konsumtypus 4 0 . A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG bezieht sich i n seinen Augen nur auf die Aktualvermittlung, die er vor der Abhängigkeit von einer gesellschaftlichen Machtgruppe und vor dem Staatsapparat schützt. Daraus folgt ein Verbot staatlicher Dominanz von Vermittlungsinhalten 50 . Diesen Gedanken hat Jarras i n einer neueren Monographie vertieft. Dort weist er besonders auf die dialektische Spannungslage hin, i n die der Gesetzgeber gestellt ist: Einerseits gebietet das Grundgesetz i h m Enthaltsamkeit i m Rundfunkbereich, andererseits verpflichtet es ihn, Entfaltung und Bestand eines freien Rundfunks zu sichern 51 . Für Badura sind die Träger von Rundfunkveranstaltungen und das Rundfunkwesen insgesamt Subjekte des Grundrechts aus A r t i k e l 5 A b satz 1 Satz 2 GG. Die Norm betrifft nicht einen gewissermaßen natürlich der individuellen Freiheitsentfaltung zukommenden Handlungsbereich. Vielmehr w i r d ein Sozialbereich durch eine objektive Gewährleistung i n Schutz genommen 52 . Die Medienfreiheiten sind Grundrechte, 47 48 49 50 61 62
Die Z u k u n f t des Rundfunks (FN 39), S. 143 ff. Rundfunk — Leistung i n treuhänderischer Freiheit (FN 39), S. 383 ff. Die Freiheit der Massenmedien, S. 155 ff. Jarass (FN 49), S. 193 ff. Die Freiheit des Rundfunks v o m Staat, S. 14 ff. Badura (FN 39), S. 22 f.
2. Kap. : Die L i t e r a t u r
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denen wesentlich ein institutionelles und objektiv auf den politischen und kulturellen Prozeß bezogenes Element innewohnt 5 8 . Dabei versteht Badura unter Institution das spezifische Schutzziel der Rundfunkfreiheit i m Hinblick auf den freien Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung i n der Demokratie, nicht dagegen die Gewährleistung öffentlichrechtlich geordneter Einrichtungen und Rechtsinstitute 54 . Ein subjektives Recht, Rundfunk zu veranstalten, erkennt er nur insoweit an, als dadurch nicht die Freiheit des Rundfunks — das ist die Programmfreiheit i m Sinne von Staatsfreiheit, Unabhängigkeit und NichtInstrumentalisierung — beeinträchtigt zu werden droht 5 5 . Auch für Walter Schmidt ist Rundfunkfreiheit nicht ein einzelnes, rundfunkbezogenes Individualgrundrecht, sondern eine normative Bündelung aller denkbaren rundfunkbezogenen individuellen Berechtigungen aus dem Bereich der Meinungsfreiheit, die primär objektivrechtlich w i r k t 5 6 . Dieses Verständnis gründet er ähnlich wie Stammler auf die Besonderheit des Mediums Rundfunk: Unter den Massenmedien ist nur er i n der Lage, das Zeit- und Raumproblem zu überwinden. Deshalb ist er wegen seines Zeitvorsprungs bei aktuellen Ereignissen das „primäre" Medium. Der Empfänger von Rundfunk ist an die Zeitstruktur des Programmablaufs gebunden, der Fernsehzuschauer ist der stärkeren Intensität des optischen Eindrucks und der Kombination von B i l d und Ton ausgesetzt. Mehr als Sprache täuscht das B i l d unmittelbare Realität vor. Werbefunk kann durch Programmunterbrechungen, die Auswahl des Programms und Rücksichtnahmen auf den Sponsor zu Programmverzerrungen führen 57 . Ebenso wie Walter Schmidt arbeitet Bethge i n einem zweiten Rechtsgutachten, das auf dem zehn Jahre zuvor gemeinsam mit Stern erstellten Gutachten aufbaut, die Wirkungsintensität des Rundfunks als eines Machtmittels allerersten Ranges heraus 58 . Er weist auf die Gefahren freiheitsgefährdender Machtkumulation für die Meinungs- und Willensbildung i n der Demokratie und die Integrationsaufgabe des Rundfunks hin, die sich aus Meinungsmonopolen i m Rundfunk ergeben können 59 . Anders als die übrigen Autoren lehnt Stock ein Verständnis des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG als Instrumentalgrundrecht oder als Annex der Meinungsfreiheit ab. Er sieht i n der Vorschrift ein selbstän63 64
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Badura (FN 39), S. 26. Badura (FN 39), S. 32 f. Badura (FN 39), S. 29 f. Die Rundfunkgewährleistung, S. 92. Schmidt (FN 56), S. 77 ff. Die verfassungsrechtliche Problematik (FN 31), S. 39 ff. Die verfassungsrechtliche Problematik (FN 31), S. 42 ff.
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Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch
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diges Funktionsgrundrecht: die publizistische Vermittlungsfreiheit bzw. die strukturlogisch selbständige Medienfreiheit. Der Rundfunk ist als eine auf alle Subjekte von Kommunikationsgrundrechten fiduziarisch bezogene Vermittlungsinstanz zu organisieren. Durch eine professionell zu bewirkende „Integrationsgleichheit" soll ein offener Meinungsmarkt gewährleistet werden. Eine der bisherigen Anstaltsfreiheit gleichwertige Medienfreiheit muß auch i n Zukunft fortbestehen, während eine lediglich außenpluralistisch betätigte, unselbständige Rundfunkfreiheit i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht garantiert wird 6 0 . Dieser sehr geraffte, notwendig verkürzende Überblick kann die Position der einzelnen Autoren nicht umfassend wiedergeben. Er läßt aber die wesentlichen Argumente deutlich werden, die i n der Literatur für ein vornehmlich objektivrechtliches, häufig als „institutionell" bezeichnetes Verständnis der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk angeführt werden. Die genannten Verfasser begreifen die Freiheit des Rundfunks nicht vom einzelnen Bürger her, der Rundfunk veranstalten w i l l — gleich ob aus publizistischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Motiven heraus —, sondern i m Blick auf die Bedeutung des Rundfunks für die Allgemeinheit, die Information der Bürger, die Bildimg der individuellen wie der öffentlichen Meinung und die parlamentarische Demokratie. Das legt es nahe, die Vorschrift als Teil des objektiven Rechts zu sehen. Dem Bürger als potentiellen Rundfunkveranstalter werden — wenn überhaupt — subjektive Rechte nur zugestanden, sofern sich das mit der objektivrechtlichen Gewährleistung vereinbaren läßt. Mehrere Autoren arbeiten die Unterschiede zwischen Rundfunk und Presse heraus und rechtfertigen so, daß die Freiheit beider Medien durch unterschiedliche Organisationsformen gesichert werden soll. Das objektivrechtliche Verständnis der Freiheit des Rundfunks geht einher m i t einer Interpretation, die sich fast völlig auf die Funktion und Aufgabe des Rundfunks konzentriert. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG erlangen keine Bedeutung, systematische Argumente beschränken sich auf einige Bemerkungen zu Presse- und Informationsfreiheit, Sozialstaats- und Demokratieprinzip. I m Mittelpunkt der Argumentation steht die Überzeugung, daß ein kommerzieller Rundfunk kein freier Rundfunk ist, daß der Staat aus seiner Verantwortung für die Organisation des Rundfunks heraus tätig werden muß. Freiheit des Rundfunks ist nur durch staatliches Handeln zu gewährleisten, nicht durch staatliche Abstinenz. Damit w i r d das objektivrechtliche Verständnis der Freiheit des Rundfunks vornehmlich nicht von einer Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG 80
Z u r Theorie des Koordinationsrundfunks, S. 35 f.
2. Kap. : Die L i t e r a t u r
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bestimmt, sondern von einer Überzeugung von der richtigen Weise, die Freiheit des Rundfunks zu sichern, die i m Grunde unabhängig von der Bestimmung des Grundgesetzes besteht.
I I I . Zusammenfassung Der vorstehende Überblick hat gezeigt, daß die Literatur zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation des Rundfunks zwei einander klar entgegengesetzte Positionen widerspiegelt: A u f der einen Seite stehen die Anhänger eines Individualgrundrechts des B ü r gers, Rundfunk zu veranstalten, auf der Gegenseite die Verfechter eines objektivrechtlichen Verständnisses der Freiheit des Rundfunks. Beide Auffassungen gehen nicht eigentlich vom Text des Grundgesetzes aus, sondern tragen an i h n ihre Überzeugung von dem richtigen Weg zur Sicherung der Freiheit des Rundfunks heran. Diese Überzeugungen sind beeinflußt von der politischen Auseinandersetzung u m die künftige Rundfunkorganisation. Zugleich und stärker sind sie aber auch Ausdruck verfassungstheoretischer Grundpositionen: Dem i m Prinzip ausnahmslosen Vertrauen i n die freiheitssichernde W i r k u n g staatlicher Zurückhaltung steht die Auffassung gegenüber, daß zumindest auf manchen Gebieten — zu denen auch der Rundfunk gehört — der Staat die Freiheit des Bürgers sichern muß. Ausdruck für diese unterschiedlichen Grundpositionen sind die jeweiligen Reaktionen auf das dritte Fernsehurteil 81 , das zwar die eigentliche Streitfrage ausklammert, zugleich aber i n seinen Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Zulassung privaten Rundfunks deutlich den Staat als Wahrer der Freiheit i n die Pflicht nimmt. Dieser Ansatz stößt auf harsche K r i t i k der Befürworter eines Individualgrundrechts der Rundfunkfreiheit 8 2 , während die Anhänger eines objektivrechtlichen Verständnisses der Freiheit des Rundfunks sich i m Grundsatz bestätigt sehen und dem Urteil zustimmen 83 . Auch 61 Dazu Ernst-Wolf gang Böckenförde/Joachim Wieland, Die „ R u n d f u n k freiheit" — ein Grundrecht? i n : A f P 1982, 77, 82. 62 Degenhart, A n m e r k u n g (FN 3), S. 960 ff.; Klein, Der Begriff der R u n d funkfreiheit (FN 3), S. I f f . ; Kuli, Rundfunkgleichheit (FN 3), S. 378 ff.; derselbe, Das F R A G - U r t e i l (FN 3), S. 644ff.; v. Pestalozza, Der Schutz vor der Rundfunkfreiheit (FN 3), 2158 ff.; Scholz, Das dritte Fernsehurteil (FN 3), S. 561 ff. 63 Groß, Das D r i t t e R u n d f u n k u r t e i l (FN 39), S. 561 ff.; Hoffmann-Riem, Ein A n l a u f zu privatem Rundfunk (FN 39), S. 178 f.; Lange, Das F R A G - U r t e i l (FN 39), S. 417 ff.; Lerche, Beteiligung Privater (FN 30), 1676 ff.; Schmidt, A n merkung (FN 39), S. 920 ff.; zum d r i t t e n Fernsehurteil vergleiche weiter die eher neutralen Stellungnahmen von Thomas Oppermann, A u f dem Wege zur gemischten Rundfunkverfassung i n der Bundesrepublik Deutschland? i n : J Z 1981, 722, 725 ff.; Reinhart Ricker, Freiheit u n d Ordnung des Rundfunks nach
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T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
diese Aufnahme des Urteils w i r d davon bestimmt, ob das Bundesverfassungsgericht die jeweilige grundsätzliche Einstellung zur Gewährleistung der Freiheit des Rundfunks bestätigt oder nicht. Die Frage, ob das Gericht den A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG korrekt interpretiert, t r i t t demgegenüber zurück. I n dieser Lage erscheint es m i r wenig sinnvoll, den Meinungsstreit der Literatur u m eine weitere Stellungnahme zu ergänzen, die mein Verständnis von der Bedeutimg des Rundfunks für den einzelnen und den Staat darlegt. Es dürfte kaum gelingen, eine Auffassung über die Freiheit des Rundfunks auf der allgemeinen Ebene der gegenwärtigen Diskussion als richtig zu erweisen. Sowohl das Vertrauen auf das freie Spiel der Kräfte als auch die Überzeugung von der Notwendigkeit staatlicher Vorsorge können sich auf gute Argumente stützen. Letztlich kann die Frage nach dem richtigen Weg, die Freiheit des Rundfunks zu sichern, nur politisch beantwortet werden. Diese Frage ist — so gestellt — aber auch keine verfassungsrechtliche. Zum Verfassungsrecht gehört dagegen die Frage, ob das Grundgesetz die Organisation des Rundfunks dem politischen Prozeß überläßt oder welche Vorgaben es dafür macht. U m diese Frage geht es i m folgenden Kapitel, das i m Gegensatz zu den erwähnten allgemeinen Ausführungen der Literatur über das richtige Freiheitsverständnis von der speziellen Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ausgeht.
dem d r i t t e n R u n d f u n k u r t e i l des Bundesverfassungsgerichts, i n : N J W 1981, 1925; Herbert Bethge, Freiheit u n d Gebundenheit der Massenmedien, i n : DVB1. 1983, 369.
Drittes Kapitel
Die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk in Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG I. Methodische Vorbemerkung Das Grundgesetz stellt i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 kurz und prägnant fest, daß die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und F i l m gewährleistet werden. Während die Garantie der Pressefreiheit i n Deutschland bereits eine lange Tradition hat, ist die Gewährleistung der Freiheit von Rundfunk und F i l m neu. Was bedeutet es, wenn das Grundgesetz die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk garantiert? Wer diese Frage beantworten w i l l , steht vor einer Schwierigkeit, die für die Auslegung der Verfassung und insbesondere der Grundrechte typisch ist: Der Text der Norm ist karg, die einzelnen Vorschriften stehen mehr oder weniger unmittelbar nebeneinander. Die Grundrechte werden deshalb zutreffend als lapidare Generalklauseln bzw. als Lapidarformeln bezeichnet 1 . I n der Diagnose der relativen Unbestimmtheit vieler Normen des Verfassungsrechts ist sich die Staatsrechtslehre weitgehend einig 2 . Keine Einigkeit besteht dagegen über die Folgerungen, die aus dieser Diagnose zu ziehen sind. Nach einer Auffassung erschöpft sich der Unterschied zwischen Verfassung und einfachen Gesetzen i m Graduellen, qualitative Bedeutung 1 Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 197; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Grundrechtstheorie u n d Grundrechtsinterpretation, i n : N J W 1974, 1529; derselbe, Die Methoden der Verfassungsinterpretation — Bestandsaufnahme u n d K r i t i k , i n : N J W 1976, 2089, 2091. 2 Ralf Dreier, Z u r Problematik u n d Situation der Verfassungsinterpretation, i n : derselbe/Friedrich Schwegmann, Probleme der Verfassungsinterpretation, S. 14; Horst Ehmke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation, i n : W D S t R L 20 (1961), 53, 62; Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 19 (S. 11); Hans Georg Hinderling, Rechtsnorm u n d Verstehen, Rdnr. 289 (S. 176); Hans Hub er, Über die K o n k r e tisierung der Grundrechte, i n : Gedächtnisschrift Imboden, S. 294; Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, S. 202; derselbe, Juristische Methodik, S. 102 f.; Gert Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, i n : Bundesverfassungsgericht u n d Grundgesetz I I , S. 46; Klaus Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland I, § 4 I 4 b (S. 89).
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
ist i h m nicht beizumessen. Dieser eher traditionellen Richtung stehen zahlreiche neuere Ansätze gegenüber, die die Unbestimmtheit von Verfassungsnormen durch eine Weiterentwicklung der herkömmlichen Interpretationsmethoden überwinden wollen. Typischer Vertreter der traditionellen Methode war Forsthoff. Seine Ausführungen zur Umbildung des Verfassungsgesetzes mit ihrer K r i t i k der geisteswissenschaftlichen Methode der Verfassungsinterpretation, die auf Smend zurückgeht 3 , steht am Anfang der neueren Diskussion über die Verfassungsauslegung. Forsthoff forderte, die Gesetzesform der Verfassung wieder ernst zu nehmen und mit i h r die Hermeneutik, wie sie Savigny i m ersten Bande seines Systems des heutigen Römischen Rechts klassisch dargestellt habe 4 . Auslegung zeichnet sich nach Savigny dadurch aus, daß der Interpret sich auf den Standpunkt des Gesetzgebers versetzt und dessen Geschäft i n sich künstlich wiederholt. Vier „Elemente der Auslegung" sollten die „Reconstruction des dem Gesetze innewohnenden Gedankens" ermöglichen: das grammatische Element entspricht der heutigen Wortlautauslegung; das logische Element geht auf die Gliederung des Gedankens ein; das historische Element untersucht die Rechtslage vor Inkrafttreten des fraglichen Gesetzes, um festzustellen, wie es den vormaligen Rechtszustand geändert hat; das systematische Element schließlich ordnet das Gesetz i n das Rechtssystem ein, i n den „inneren Zusammenhang, welcher alle Rechtsinstitute und Rechtsregeln zu einer großen Einheit verknüpft." Über diese vier Elemente hinaus den Grund des Gesetzes (ratio legis) heranzuziehen, hält Savigny für bedenklich, w e i l er nur schwierig zu ermitteln sei 5 . Trotz des eindringlichen Appells von Forsthoff hat sich die Staatsrechtslehre jedoch nicht auf diese klassischen Elemente der Interpretation beschränkt. Allerdings mag auch niemand auf sie verzichten. Vielmehr werden sie auf ganz unterschiedliche A r t und Weise modifiziert und angereichert. Hollerbach hat Forsthoff entgegengehalten, Rechtswissenschaft sei Geisteswissenschaft und müsse sich dementsprechend geisteswissenschaftlicher Methoden bedienen, wobei geisteswissenschaftliche Auslegung keinesfalls eine beliebige Methodenvielfalt ermögliche®. Neuerdings hat sich i h m Larenz ausdrücklich ange8 Rudolf Smend, Verfassung u n d Verfassungsrecht (1928), wiederveröffentlicht i n : derselbe, Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, S. 119, 233 ff. 4 Ernst Forsthoff, Die U m b i l d u n g des Verfassungsgesetzes, i n : Festschrift f ü r Carl Schmitt, S. 35, 36; derselbe, Z u r Problematik der Verfassungsauslegung, S. 40., 5 Carl Friedrich von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts I, §§ 33 f.; S. 212 ff.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
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schlossen und betont, es sei die Verfassung selbst, die die Beachtung bestimmtér Werte und Sinnbezüge zur Pflicht mache7. Auch Ehmke betont die Bedeutung der geisteswissenschaftlichen Methode für die Rechtswissenschaft. Er sieht i n ihr allerdings nur die erkenntnistheoretische Grundlage einer juristischen Interpretationslehre, nicht die Interpretationslehre selbst 8 . „Die eigentliche verfassungsrechtliche Hermeneutik kann nur eine sachbezogene, die Problemhorizonte erschließende, die ,Vor-Urteile' begründende und die FallPraxis ^erarbeitende' Verfassungstheorie sein 9 ." Bei diesem topischen Vorgehen entscheidet der Konsens aller „Vernünftig- und GerechtDenkenden" darüber, welches verfassungstheoretische Vorverständnis maßgebend ist 10 . Die Topik soll sich für die Auslegung der Grundrechte geradezu anbieten 11 . Während Savigny i n der Auslegung nur die dem Gesetz innewohnenden Gedanken rekonstruieren wollte, geht es geisteswissenschaftlicher Methode und Topik u m die Einbeziehung des tatsächlichen Lebens i n die Interpretation. Smend bezeichnet die Verfassung als „Lebensgesetz einer Konkretheit", die er als einheitlichen, die Wirklichkeit immer von neuem herstellenden Lebensprozeß (Integration) sieht 12 . Für Ehmke spielen bei der Auslegung die Prinzipien der Verfassungsinterpretation eine tragende Rolle, die er als „am Problem entwickelte sachliche Regeln für Problemlösungen" definiert 1 3 . Sogar Forsthoff hält es unter Berufung auf Gadamer 14 für notwendig, die Verfassung i m Hinblick auf die Fälle ihrer Anwendung zu interpretieren. Diese Ausrichtung der Interpretation auf die Lebenswirklichkeit zieht sich durch alle neueren Ansätze, allerdings i n unterschiedlicher Intensität und Form. Für Forsthoff fließt die Wirklichkeit nicht i n die Auslegung selbst ein, sie bildet nur deren Bezugspunkt. Weitergehend betrachtet Smend das staatliche Integrationssystem als Sinnzusammen® Alexander Hollerbach, Auflösung der rechtsstaatlichen Verfassung?, i n : AöR 85 (1960), 241, 263. 7 Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 346 f. 8 Ehmke (FN 2), S. 61. » Ehmke (FN 2), S. 64. 10 Ehmke (FN 2), S. 71 f. 11 Christian von Pestalozza, Kritische Bemerkungen zu Methoden und P r i n zipien der Grundrechtsauslegung i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : Der Staat 2 (1963), 427, 429 unter Bezug auf Theodor Viehweg, Topik u n d Jurisprudenz u n d Josef Esser, Grundsatz u n d N o r m ; ebenso Ulrich Scheuner, Pressefreiheit, i n : W D S t R L 22 (1963), S. 38 F N 111. 12 Smend (FN 3), S. 239. 13 Ehmke (FN 2), S. 72. 14 H ans-Georg Gadamer, Wahrheit u n d Methode, S. 308.
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Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
hang, den die Staatsrechtslehre ihrer Arbeit zugrunde zu legen hat 1 5 . Ehmkes Problemdenken bezieht die Wirklichkeit noch direkter i n die Interpretation ein, indem er aus i h r die Regeln der Problemlösung zu entwickeln sucht. Dieser Bezug zur Wirklichkeit, zum tatsächlichen Fall war i n der Konzeption Savignys gerade nicht enthalten. Seine Vorstellung, die Gedanken des Gesetzgebers zu rekonstruieren, beruht auf der Annahme, das Gesetz allein reiche aus, um die juristische Lösung eines Falles zu entwickeln. Dagegen hat sich i n der neueren Diskussion die Vorstellung durchgesetzt, die Interpretation solle die Normen der Verfassung konkretisieren1®. Diese begriffliche Übereinstimmung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die einzelnen Autoren unter Konkretisierung durchaus Unterschiedliches verstehen. Sehr weitgreifend spricht Hans Huber von Konkretisierung als „Verfassungsentfaltung, Ausschöpfung und Anreicherung, Rechtsfortbildung durch Erfüllung ganzer Normprogramme, i m Laufe der Zeit und i m Wandel der Gesellschaft." So verstanden, entfernt sich Konkretisierung von der Auslegung eines Textes, den sie manchmal weit hinter sich läßt 1 7 . Noch mehr als Huber weicht Häberle mit seiner pluralistischen und „prozessualen" Verfassungsinterpretation vom herkömmlichen Verständnis einer Textauslegung ab. „Wer die Norm »lebt4, interpretiert sie auch (mit)." Häberle sieht allerdings selbst, daß ein so weiter Begriff von Interpretation die Frage nach ihrer Methode sinnlos macht 18 . Während Häberles Ausführungen als Beschreibung der Wirklichkeit, i n der die Verfassung konkretisiert wird, durchaus ihre Berechtigung hat, muß sie deshalb doch dort ausscheiden, wo es um die Methode der Verfassungsinterpretation i m herkömmlichen Sinne geht. U m sie bemühen sich Kriele und Müller. Beide machen i n ganz unterschiedlicher Weise die Lebenswirklichkeit für die Interpretation nutzbar. Kriele legt dar, daß die herkömmlich als Auslegung bezeichnete Tätigkeit nur einen Teil der Rechtsgewinnung i m Verfassungsrecht bildet. Tatsächlich gehe der Jurist bei der Rechtsgewinnimg nicht von der Norm, sondern vom Fall aus und arbeite dann m i t einer Vermutung zugunsten des Präjudizes. I n der Praxis weiche man nur dann von einem Präjudiz ab, wenn man dafür eine Rechtfertigung finde. U m eine Disziplinierung solcher rechtfertigenden Argumentationen geht es Kriele vor allen Dingen 19 . 15
Smend (FN 3), S. 235. Vgl. dazu schon die Nachweise bei Pestalozza (FN 11), S. 427 f. m i t F N 11. 17 Huber (FN 2), S. 192. 18 Peter Häberle, die offene Gesellschaft der Verfassungsinterpreten, i n : J Z 1975, 297; derselbe, Zeit u n d Verfassung, i n : ZfP 21 (1974), 111. 19 Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 159 ff. 18
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Friedrich Müller bezieht die Lebenswirklichkeit mit Hilfe seiner Unterscheidung zwischen Normprogramm — dem Wortlaut der zu interpretierenden Vorschrift — und Normbereich, „d. h. dem Ausschnitt sozialer Wirklichkeit i n seiner Grundstruktur, den sich das Normprogramm als seinen Hegelungsbereich ,ausgesucht' oder z. T. erst geschaffen hat", i n die Auslegung der Verfassung ein 20 . Dementsprechend bedeutet Normkonkretisierung Auslegung des Normtextes und Analyse des Normbereichs 21 , sie stellt sich als Rechtsschöpfung dar, die an der Norm orientiert ist 22 . Müller hat seine Methodik i n einer Vielzahl von Arbeiten entfaltet 23 . Dabei bezieht er die Realität nur insoweit i n die Auslegung ein, als sie durch die Perspektive des Normprogramms ausgewählt wird 2 4 . Juristische Argumentation muß stets noch am Normtext zu legitimieren sein 25 . Sie ist allerdings nicht auf die Normtextbehandlung i m Sinne grammatischer, historischer, genetischer, systematischer und teleologischer Auslegung sowie auf Prinzipien der Verfassungsinterpretation und Fragen der formalen Logik beschränkt, sondern verwertet über die Analyse des Normbereichs zusätzlich Elemente des Sachverhalts 26 . Müller ordnet dogmatische, lösungstechnische, theorie- und verfassungspolitische Elemente methodisch ein und entwickelt eine Rangordnung der Konkretisierungselemente 27 . So scheinen die Arbeiten von Kriele und Müller ganz unterschiedlich und kaum miteinander vereinbar zu sein. Beide Autoren bescheinigen sich gegenseitig, einen wertvollen Beitrag zur Methodendiskussion geleistet zu haben, der jedoch wesentliche Fragen offen lasse 28 . Müller w i r f t Kriele vor, bei i h m setze Intuition zu früh ein, ohne daß i h r die Anstrengung des Verstehens i m vollen Umfang vorausgegangen sei. Eine Theorie der Rechtsgewinnung dürfe sich nicht nur darauf beschränken, rechtspolitisch wertende Elemente der Rechtsfindung zu 20
Friedrich Müller, Juristische Methodik, S. 117. Müller (FN 20), S. 120 f. 22 Müller (FN 20), S. 139. 23 Vgl. Friedrich Müller, N o r m s t r u k t u r u n d Normativität, S. 184 ff. ; derselbe, Normbereich von Einzelgrundrechten i n der Rechtsprechung des B u n desverfassungsgerichts; derselbe, Die Positivität der Grundrechte; derselbe, Fragen einer Theorie der Praxis, i n : AöR 95 (1970), 154; derselbe, Fallanalysen zur Juristischen M e t h o d i k ; derselbe, Recht — Sprache — Gewalt, Elemente einer Verfassungstheorie I ; derselbe, Juristische Methodik u n d p o l i t i sches System, Elemente einer Verfassungstheorie I I und schließlich derselbe, Die Einheit der Verfassung, Elemente einer Verfassungstheorie I I I . 24 Müller (FN 20), S. 121. 25 Müller (FN 20), S. 85. 26 Müller (FN 20), S. 146 ff. 27 Müller (FN 20), S. 184 ff. 28 Müller, Fragen einer Theorie der Praxis (FN 23), S. 168; Kriele (FN 19), S. 315. 21
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disziplinieren 29 . Umgekehrt hält Kriele Müllers Verfeinerung des Methodenkanons zwar für eindrucksvoll, meint aber, daß auch die Anwendung dieser verfeinerten Methoden „ i n jedem Fall, ausnahmslos" nur bis an die Grenzen möglicher Alternativen führe. Dort müsse eine Entscheidung dann mit Sachargumenten begründet werden 30 . Diese gegenseitige K r i t i k weist den Weg zu einer sachgerechten Einordnung der Arbeiten beider Autoren. Für sich allein genommen liefert weder Kriele noch Müller eine umfassende Methode der Verfassungsinterpretation. Es besteht aber auch keine Notwendigkeit, sich auf einen der beiden Ansätze zu beschränken, selbst wenn den beiden Autoren vorgeschwebt haben sollte, eine umfassende Theorie der Verfassungsinterpretation geliefert zu haben. Vielmehr sind sowohl die Verfeinerung des Methodenkanons als auch die Disziplinierung rechtspolitischer Wertungen bei der Arbeit mit Präjudizien notwendig, um methodisch sauber juristische Entscheidungen treffen zu können. Deshalb sind sowohl die Arbeiten von Müller als auch die von Kriele bei der Interpretation der Verfassung heranzuziehen. Eine Kombination mehrerer Interpretationsansätze gebraucht auch Hesse. Er geht davon aus, daß die Interpretation anhand von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang, der Geschichte der Regelung und Sinn und Zweck der Norm, die heute i n Weiterentwicklung der klassischen vier Elemente von Savigny als herkömmliche Auslegungsregeln angesehen werden 31 , zur Interpretation der Verfassung nicht ausreichen. Man müsse sach- und problemgebunden auslegen, um die interpretierte Norm schöpferisch zu vollenden und zu konkretisieren. Dabei wirke ein Vor-Verständnis von Norm und Problem mit, das verfassungstheoretisch begründet werden müsse. I n normativ gebundenem topischen Vorgehen dürften nur Gesichtspunkte herangezogen werden, die problembezogen seien und zu Normbereich und Normprogramm der betreffenden Vorschrift gehörten. Hinzu treten bei Hesse Prinzipien der Verfassungsinterpretation wie Einheit der Verfassung, praktische Konkordanz, funktionelle Richtigkeit, integrierende W i r k u n g und normative K r a f t der Verfassung. Sie leiten und begrenzen die Arbeit mit den Gesichtspunkten der Problemlösung. Zugleich betont Hesse die Bedeutung der Vorentscheidungen gleichgelagerter Fälle. Die Grenze der Verfassungsinterpretation bildet der Normtext. A u f diese Weise verbindet Hesse die herkömmliche Interpretationsmethode mit dem topischen Problemdenken, Müllers Unterscheidung von Normprogramm und Normbereich sowie Krieles Be29 39 31
Müller (FN 23), S. 165, 168. Kriele (FN 19), S. 316 f. Karl Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 76 ff.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
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tonung der Präjudizien 3 2 . Er muß sich allerdings fragen lassen, wie der Normtext, den er selbst nicht für eindeutig hält 3 3 , die Interpretation begrenzen soll 34 . Böckenförde spricht von einem hermeneutischen Zirkel, aus dem nur die Entwicklung einer verbindlichen Verfassungstheorie des Grundgesetzes herausführen könne 35 . Dieser Vorschlag stößt allerdings selbst auf den Vorwurf, die Forderung nach einer richtigen Verfassungs- (Grundrechts-)theorie verfalle dem hermeneutischen Zirkel 3 6 . Böckenförde sieht jedoch einen Unterschied zwischen Vorverständnis i n seinem Sinne, das nur den ersten Ausgangspunkt der Interpretation bilde „und dann der strengen Bewährimg an den (normativen) Aussagen, Voraussetzungen, dem Entstehungszusammenhang usf. der konkreten Verfassung unterliege", und der herkömmlichen Funktion des Vorverständnisses. Letzteres werde schon als solches, ohne kritische Bewährung, als Maßstab und Orientierungspunkt der Interpretation etabliert und bestimme seinerseits als topische Satzung den Inhalt der Verfassung 37 . Eine entsprechende Unterscheidung zwischen Entdeckungs- und Rechtfertigungszusammenhang macht Schlink zum Mittelpunkt seiner Skizze einer juristischen Wissenschaftstheorie, die eine kritisch-rationalistische Position i m Sinne Poppers zur Grundlage hat 3 8 . Schlink geht davon aus, daß zum Finden juristischer Erkenntnis „ein gehöriges Maß an unmethodischer Phantasie und Kreativität" gehören. Die unmethodisch gefundenen Aussagen müßten aber methodisch nach den Kriterien der Falsifikation gerechtfertigt werden. Denn Verifikation einer Aussage sei nur über einer abgeschlossenen Wirklichkeit möglich, während juristische Aussagen sich auf eine unabgeschlossene Wirklichkeit bezögen und deshalb nur falsifiziert werden könnten 39 . Schlink verwendet Wortlaut, Genese und Folgenerwägungen als Elemente der Falsifikation. Er muß allerdings einräumen, daß die falsifizierenden Kriterien unter Umständen die Entscheidung zwischen konkurrierenden Hypothesen 32
Hesse (FN 2), Rdnr. 53 ff. (S. 21 ff.). Hesse (FN 2), Rdnr. 57 (S. 22). 34 Ernst-Wolf gang Böckenförde, i n : N J W 1976, 2098. 35 Böckenförde (FN 34); vgl. sodann derselbe, i n : N J W 1974, 1536 ff. zu einer verfassungsgemäßen Grundrechtstheorie. 36 Dreier (FN 2), S. 13, 42 f. 37 Böckenförde (FN 34), S. 2098. 38 Bernhard Schlink, Juristische Methodik zwischen Verfassungstheorie u n d Wissenschaftstheorie, i n : Rechtstheorie 7 (1976), 94, 101 f.; vgl. dazu Friedrich Müller, Rechtsstaatliche Methodik u n d politische Rechtstheorie, i n : derselbe, Rechtsstaatliche F o r m Demokratische Politik, S. 271; weiter Bernhard Schlink, Bemerkungen zum Stand der Methodendiskussion i n der Verfassungsrechtswissenschaft, i n : Der Staat 19 (1980), 73, 87 unter Bezug auf Karl R. Popper, L o g i k der Forschung, S. 18 f. 39 Schlink, Bemerkungen (FN 38), S. 87 ff. 33
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und Theorien nicht leisten können, so daß Richter und Rechtswissenschaftler über einen entsprechenden Entscheidungsspielraum verfügen 40 . Das bedeutet aber, daß Böckenfördes Erwiderung auf die K r i t i k Dreiers nicht zu überzeugen vermag. Denn die Vorstellung von einer richtigen oder verbindlichen Verfassungstheorie, die ausdrücklich oder implizit i m Grundgesetz enthalten und aus Verfassungstext und aus Verfassungsentstehung m i t rationalen Erkenntnismitteln erhebbar ist, geht davon aus, daß der Interpret mit einer Hypothese an die Verfassung herangeht und sie zu falsifizieren sucht. Da die Falsifikation aber oft nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt, stehen dann wieder mehrere Verfassungstheorien gleichrangig nebeneinander, von denen sich keine als richtig oder verbindlich erweisen läßt. Schon dieser kurze Blick auf den Stand der Methodendiskussion hat eine erstaunliche Vielfalt der Ansätze gezeigt, die als „eher anarchisch anmutender Methodenpluralismus" bezeichnet worden ist 41 . Trotz dieses Pluralismus der Methoden und Ansätze läßt sich aber doch eine gewisse Grundübereinstimmung zwischen den verschiedenen Meinungen feststellen. Niemand w i l l auf die klassischen Elemente der Interpretation verzichten. Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Telos der Norm ziehen alle Autoren heran, und auch die Praxis verwendet sie unbefangen 42 . Müller spricht von historischen, genetischen, systematischen und teleologischen Elementen der Konkretisierung 4 8 , Ehmke räumt ihnen jedenfalls ein relatives Recht darin ein, „daß sie bestimmte — allgemeine, nicht dem jeweiligen Problembereich eigene — Gesichtspunkte für juristische Problemlösungen herausstellen" 44 . Ähnlich w i l l Kriele die Savignyschen Stufen der Gesetzesauslegung anwenden, soweit sie Entscheidungen ermöglichen 45 . Es läßt sich also auch heute noch insoweit Übereinstimmung i n der Methodendiskussion feststellen, daß die klassischen Elemente der Interpretation für die Verfassungsauslegung heranzuziehen sind. Von dieser Erkenntnis ausgehend läßt sich Schlinks Ansatz der Falsifikation für die Verfassungsinterpretation nutzbar machen. Während die herrschende Meinung nur den Wortlaut als Grenze der Interpretation sieht, müssen daneben auch Entstehungsgeschichte, Systematik und Folgenerwägungen als Schranken der Interpretation bzw. als Kriterien der 40
Schlink (FN 38), S. 100 ff. Ernst-Wolf gang Böckenförde, Die Eigenart des Staatsrechts Staatsrechtswissenschaft, i n : Festschrift f ü r Scupin, S. 317, 331. 42 Vgl. BVerfGE 11, 126, 130 u n d Roellecke (FN 2), S. 24. 48 Juristische Methodik, S. 160 ff. 44 V V D S t R L 20 (1961), 53, 59. 45 Theorie der Rechtsgewinnung, S. 84. 41
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3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G
Falsifikation herangezogen werden. Das bedeutet konkret, daß nur eine Auslegung zulässig ist, deren Ergebnis mit keinem dieser Interpretations- bzw. Falsifikationskriterien i m Widerspruch steht. Dabei kann sich juristische Interpretation jedoch keinesfalls auf Falsifikation beschränken. Bevor ein Auslegungsergebnis falsifiziert werden kann, ist es zunächst zu finden. Und i m Rahmen der Normfindung haben topisches Problemdenken, Präjudizien und Normkonkretisierung i m Sinne von Müller ebenso ihren Platz wie die herkömmlichen Elemente der Interpretation. Praktisch folgen Normfindung und Falsifikation allerdings nicht zeitlich aufeinander, sondern werden ineinander verschränkt 46 . Damit besteht der Unterschied zwischen der herrschenden Meinung und der hier vertretenen Methode der Interpretation praktisch nur darin, daß neben dem Text auch Systematik, Entstehungsgeschichte und Folgenerwägungen die Grenze der Interpretation bilden 4 7 . Widerspricht die Interpretation einer Norm auch nur einem dieser Kriterien, ist sie falsifiziert und damit für die juristische Arbeit unbrauchbar. Unterstellt man aber nicht einfach die Gesetzesfunktion der Verfassung, wenn man ihre Normen i n der hier beschriebenen Weise auslegt 48 ? Böckenförde sieht für die Interpretation einen deutlichen Unterschied zwischen Gesetz und Verfassung. Er stellt als Eigenart des Staatsrechts heraus, daß es kein Kodex nach A r t eines „Staatsgesetzbuches", sondern unvollständiges, fragmentarisches Recht sei. Es arbeite mit allgemeinen, i n sich unbestimmten, lapidaren Begriffen. Außerdem halte es für den politischen Prozeß bewußt Spielräume offen, es schaffe eine Rahmenregelung 49 . Beide Fragen sind zu unterscheiden. Was die oft lapidare Kürze der A r t i k e l des Grundgesetzes betrifft, so stellt sie nur einen graduellen, nicht jedoch prinzipiellen Unterschied zu anderen Gesetzen dar, die ebenfalls Generalklauseln enthalten 50 . Die §§ 242 und 823 Absatz 1 BGB bieten ebenso wie die Begriffe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der Gefahr i m Polizeirecht gute Beispiele für Lapidarformeln i m einfachen Recht. Demgemäß erscheint es nicht notwendig, die Verfassung grundsätzlich anders zu interpretieren als das einfache Recht. Auch stellt Verfassungsrecht nicht eigentlich fragmentarisches Recht dar. Fragmentarisches Recht ist bruchstückhaftes, unvollendetes Recht, ein Recht, dem etwas abgeht oder mangelt. Das Grundgesetz ist jedoch keinesfalls bruchstückhaft oder unvollendet. Es regelt den Grund46
Vgl. Schlink (FN 39), S. 87 f. Schlink (FN 39), S. 100 ff. 48 Böckenförde (FN 34), S. 2097. 48 Böckenförde (FN 41), S. 321 f. » Dreier (FN 2), S. 14.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch
undfunk
rechtsschutz und die staatliche Organisation der Bundesrepublik umfassend. Nur die Regelungsdichte seiner Normen ist i n manchen Bereichen relativ gering. Zutreffend ist allerdings die Klassifizierung des Grundgesetzes als Rahmenregelung. Das Grundgesetz schreibt den Staatsorganen i n der Regel nicht ein bestimmtes Handeln vor, sondern läßt einen breiten Spielraum für den politischen Prozeß. Verfassungsinterpretation muß feststellen, i n welchem Rahmen dieser Prozeß abläuft. Der Rahmen ist deutlich zu machen, darf aber nicht ausgefüllt werden, da sonst der politische Gestaltungsspielraum beseitigt wird. Konkretisierung muß sich immer auf den Rahmen, darf sich nie auf den umrahmten Raum beziehen. Andernfalls verfehlt die Verfassungsinterpretation ihre A u f gabe. Auch die Eigenart, Rahmenregelung zu sein, hat die Verfassung mit Teilen des einfachen Rechts gemein. Dort, wo es um das Handeln staatlicher Stellen geht, räumen die Gesetze oft Ermessen ein. Die Prozeßordnungen lassen den Richtern Spielräume zur Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens. Auch dort muß der Interpret berücksichtigen, daß es nur darum gehen kann, den Rahmen selbst zu bestimmen, nicht jedoch den eingerahmten Raum rechtlich auszufüllen. Berücksichtigt man das, kann die Verfassung i m Prinzip wie ein Gesetz interpretiert werden. Bei der Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG geht es vor allem u m die Frage, ob die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk das Recht des Bürgers umfaßt, selbst Rundfunk zu veranstalten. Nach einer Analyse des Wortlauts (II) w i r d die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (III) verfolgt. Beide Erkenntnisquellen haben noch nicht die gebührende Beachtung gefunden. Dagegen sind die Geschichte des Rundfunks i n Deutschland (IV) und systematische Argumente (V) schon bisher i n die Interpretation eingeflossen. Hier geht es darum festzustellen, ob sie zutreffend gedeutet werden. Abschließend w i r d ein Blick auf die Folgen der verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten sowie auf Sinn und Zweck der Gewährleistung geworfen (VI).
I I . Wortlaut 1. Berichterstattung
Das Grundgesetz gewährleistet neben der Pressefreiheit nicht Rundfunkfreiheit und Filmfreiheit, sondern die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Sprachlich steht einer parallelen Begriffsbildung nichts i m Wege, Rundfunkfreiheit klingt ebenso gut
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
G G 8 1
wie Pressefreiheit. So w i r d der Ausdruck Hundfunkfreiheit i n der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion vor allem von den Anhängern eines Individualgrundrechts auch immer wieder benutzt 51 . Der unterschiedliche Wortlaut der Freiheitsgewährleistung für die Presse auf der einen, für Rundfunk und F i l m auf der anderen Seite, bleibt oft unbeachtet 52 oder w i r d einfach auf den Kürzungsdrang des allgemeinen Redaktionsausschusses zurückgeführt und für irrelevant erklärt 5 3 . Ein solches Vorgehen nimmt die Verfassung nicht genügend ernst. Erscheinen i m Grundgesetz unterschiedliche Formulierungen, wo gleiche Formulierungen möglich wären, dann spricht das dafür, daß auch Unterschiedliches gemeint ist. Rundfunkfreiheit gewährleistete umfassend die Freiheit des Rundfunks, so wie Pressefreiheit umfassend die Freiheit der Presse garantiert. Die Freiheit der Berichterstattung dagegen ist nur ein Teil der Freiheit des Rundfunks. Als weitere Gewährleistungen von Freiheit i m Bereich des Rundfunks sind die Freiheit der Veranstaltung von Rundfunk und die Freiheit der Gründung von Rundfunkunternehmen, aber auch die Freiheit des Zugangs zu bestehenden (öffentlichrechtlichen) Rundfunkunternehmen denkbar. Sie erwähnt das Grundgesetz jedoch nicht. Die Beschränkung der Freiheit des Rundfunks auf die Berichterstattimg durch Rundfunk spricht gegen die Annahme, A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleiste dem Bürger das Recht, selbst Rundfunk zu veranstalten. U m zu ermitteln, was i n diesem Zusammenhang mit Berichterstattung gemeint ist, werfen w i r zunächst einen Blick auf den allgemeinen Sprachgebrauch. Das Grundgesetz muß den allgemeinen Sprachgebrauch nicht übernehmen, aber es kann das tun. Wörterbücher der deutschen Sprache weisen für „Berichterstattung" folgende Bedeutung nach: Vortrag 5 4 , Weitergeben von Informationen 5 5 bzw. Information durch einen Bericht 56 . Der Ausdruck w i r d sowohl für eine offizielle amtliche Unter51 Christoph Degenhart, A n m . zu B V e r f G v. 16.6.1981, i n : D Ö V 1981, 960, 961; Hans Hugo Klein, Die Rundfunkfreiheit; Edgar Kuli, Rundfunkgleichheit statt Rundfunkfreiheit, i n : A f P 1981, 378; Christian v. Pestalozza, Der Schutz vor der Rundfunkfreiheit i n der Bundesrepublik Deutschland, i n : N J W 1981, 2158; Ulrich Scheuner, Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit; Rupert Scholz, Das dritte Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts, i n : J Z 1981, 561, 563. 52 Hans D. Jarass, Die Freiheit der Massenmedien, S. 156 f. 53 Walter Mallmann, Rundfunkreform i m Verwaltungswege, i n : Günter Zehner (Hrsg.), Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, Bd. 1, S. 234, 256. 64 Jacob Grimm/ Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Erster Band, Stichwort Berichterstattung. 55 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Stichwort Berichterstattung. 56 Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache, 1. Band, Stichwort Berichterstattung.
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T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
richtung („Der Botschafter w i r d zur Berichterstattung zurückgerufen.") als auch für die publizistische Tätigkeit („die Berichterstattung der Medien") verwandt. Letzteres t r i f f t für A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG zu. Der Duden verweist darauf, daß der Gegenstand des Berichts zumeist sachlichen Charakter hat, daß „Berichterstattung" i m allgemeinen als steif empfunden und oft besser durch „berichten" ersetzt werde 57 . Sicherlich gehört das Wort „Berichterstattung" eher der Schriftsprache als der gesprochenen Sprache an, ist jedoch zur Bezeichnung publizistischer Tätigkeit durchaus gebräuchlich. Es meint journalistische Tätigkeit, die Informationen vermittelt. Jarass hat zutreffend herausgearbeitet, daß Berichterstattung notwendig eine intensive Quellenorientierung voraussetzt. Er unterscheidet sie von Stellungnahmen, i n denen eigene Meinungen ausgedrückt werden, und fiktiven Inhalten i n K u l t u r und Unterhaltung 5 8 . I n der rundfunkrechtlichen Literatur ist unbestritten, daß Berichterstattimg auch die quellenorientierte Weitergabe von Informationen umfaßt, insoweit also allgemeiner und juristischer Sprachgebrauch übereinstimmen. I m Anschluß an das erste Fernsehurteil w i r d jedoch darüber hinaus das gesamte Rundfunkprogramm unter Berichterstattung gefaßt, weil jeder Beitrag durch Auswahl und Gestaltung meinungsbildend wirke 5 9 . Richtig ist an dieser Auffassung, daß sich quellenorientierte Informationsvermittlung, Stellungnahmen und fiktive Inhalte i n der Praxis nicht immer scharf voneinander trennen lassen. Auch läßt sich nicht bestreiten, daß selbst Programmbeiträge mit fiktiven Inhalten i n K u l t u r und Unterhaltung Einfluß auf die Meinungsbildung haben können. Faßt man aus diesem Grund alle Programminhalte unter die Berichterstattimg durch Rundfunk, erweitert man jedoch die Bedeutung des Ausdrucks aus einer teleologischen Argumentation heraus über den Sprachgebrauch hinaus. Denn weder die Umgangssprache noch die juristische Fachsprache bezeichnen die Ausstrahlung eines Musikstückes, eines Gedichtvortrags oder der Lesung eines Buches als Berichterstattung. Mögen auch gute Gründe für die erweiternde Auslegung sprechen, so ist doch zunächst festzuhalten, daß der Wortlaut des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG die Berichterstattung i m Sinne einer quellenorientierten Informationsvermittlung schützt.
67 58 69
Duden, Vergleichendes Synonymwörterbuch, Stichwort Berichterstattung. Jarass (FN 52), S. 156 f. BVerfGE 12, 205, 260.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG
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2. Berichterstattung durch Rundfunk
a) Allgemeiner
Sprachgebrauch
Gegenstand der Verfassungsgarantie ist nicht jede Form der Berichterstattung, sondern die Berichterstattung durch Rundfunk. Was ist i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG mit Rundfunk gemeint? Greifen w i r auch hier zunächst wieder auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurück und zitieren die Definition eines verbreiteten Lexikons: Danach versteht man unter Rundfunk „die Verbreitimg von Darbietungen i n Ton oder B i l d durch elektromagnetische Wellen meist drahtlos, aber auch über Fernsprech- und Starkstromleitungen, für einen unbegrenzten Personenkreis" 6 0 . Diese Definition ist abstrakt, wissenschaftlich, u m Exaktheit bemüht, verbindet technische und publizistische Elemente. Orientiert man sich dagegen an der alltäglichen Umgangssprache, w i r d Rundfunk häufig statt Hörfunk als Gegenbegriff zum Fernsehen verwandt. A b gesehen von dieser sprachlichen Ungenauigkeit versteht man i n der Umgangssprache unter Rundfunk das, was die Rundfunkanstalten produzieren, häufig auch i n einem weiteren Sinne zusätzlich diese Rundfunkanstalten selbst. Rundfunk ist i n diesem Sinne ein stark von der praktischen Erfahrung geprägter Begriff. Der Sprachgebrauch entspricht den tatsächlichen, historisch gewordenen Gegebenheiten i n Deutschland. Darin treffen sich die abstrakte Umschreibung des Lexikons und die alltägliche Umgangssprache. b) Doppelter
Rundfunkbegriff
Ist das aber auch der Sprachgebrauch des Grundgesetzes? Die rechtliche Diskussion unterscheidet i m Anschluß an das erste Fernsehurteil 6 1 einen fernmelderechtlichen von einem kulturrechtlichen Rundfunkbegriff 6 2 . Diese Unterscheidung spiegelt die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern i m Rundfunkwesen wider. Der Bund hat gemäß A r t i k e l 73 Nr. 7 GG die ausschließliche Gesetzgebung über das Fernmeldewesen. Zum Fernmeldewesen gehört der technischen Bereich des Rundfunks unter Ausschluß der Studiotechnik. Dagegen betrifft die Befugnis, die Organisation der Veranstaltung und die innere Organisation der Veranstalter zu regeln oder Vorschriften i n bezug auf die Sendungen zu erlassen, den Rundfunk als kulturelles Phänomen 60
funk. 61
Brockhaus
Enzyklopädie i n zwanzig Bänden, 17. Aufl., Stichwort R u n d -
BVerfGE 12, 205, 224 ff. Günter Herrmann, Fernsehen u n d H ö r f u n k i n der Verfassung der B u n desrepublik Deutschland, S. 21 ff.; Peter Lerche, Rundfunkmonopol, S. 14 ff.; Gertrud Paptistella, Z u m Rundfunkbegriff des Grundgesetzes, i n : D Ö V 1978, 495. 62
6*
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T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
und fällt damit gemäß A r t i k e l 70 Absatz 1 GG i n die Gesetzgebungskompetenz der Länder 6 *. Das Bundesverfassungsgericht selbst gebraucht jedoch die Ausdrücke „fernmelderechtlicher" bzw. „kulturrechtlicher" Rundfunkbegriff überhaupt nicht. I h m geht es i m ersten Fernsehurteil an der zitierten Stelle nicht u m den Rechtsbegriff Rundfunk, sondern u m den Rechtsbegriff Fernmeldewesen i n A r t i k e l 73 Nr. 7 GG, genauer darum, ob die Befugnis, das Fernmeldewesen gesetzlich zu regeln, den Rundfunk als Ganzes erfaßt. Das Gericht mußte also von dem tatsächlichen Phänomen Rundfunk, so wie es i n der Wirklichkeit der Bundesrepublik bestand, ausgehen und entscheiden, wer nach der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes i n diesem Bereich zur Gesetzgebung zuständig ist. Indem es nicht das gesamte Rundfunkwesen als Teil des Fernmeldewesens ansah, schuf das Gericht die Grundlage für die Unterscheidung der beiden Rundfunkbegriffe i m Schrifttum. Hesse hat aber schon bald darauf hingewiesen, daß der Rundfunk sich i n der staatlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit als ein einheitliches Sachgebiet, als ein einheitlicher Wirkfaktor des Verfassungslebens darstellt 6 4 . So unterscheidet A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht zwischen einer Gewährleistung der fernmelderechtlichen und einer der kulturrechtlichen Seite des Rundfunks, sondern garantiert einheitlich die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk. Wer die Bedeutung des Rechtsbegriffs Rundfunk i n diesem Zusammenhang ermitteln w i l l , steht vor der umgekehrten Aufgabe wie das Bundesverfassungsgericht i m ersten Fernsehurteil: Das Gericht hatte zu entscheiden, inwieweit das i n der Wirklichkeit vorhandene Phänomen Rundfunk unter den Verfassungsbegriff Fernmeldewesen zu subsumieren ist. Dagegen geht es bei der Interpretation des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG darum, welche tatsächlichen Phänomene unter den Verfassungsbegriff Rundfunk fallen. Das schließt es aus, die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung von A r t i k e l 73 Nr. 7 GG als Definition von Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG zu übernehmen. Die Aufspaltung des Rundfunks i n eine fernmelderechtliche und eine kulturrechtliche Seite findet ihre Berechtigung allein i n Fragen der Gesetzgebungskompetenz, nicht jedoch bei der Grundrechtsinterpretation. c) Außerverfassungsrechtliche
Definitionen
U m zu klären, was unter Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG zu verstehen ist, werden häufig außerverfassungsrechtliche Definitionen 63
BVerfGE 12, 205, 225. Konrad Hesse, Die Regelung von Rundfunkleistungen der Bundespost durch Rechtsverordnung, S. 12. 64
3. Kap. : Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
G G 8 5
herangezogen, w i e sie i m S t a a t s v e r t r a g ü b e r die R e g e l u n g des R u n d f u n k g e b ü h r e n w e s e n s v o m 5. D e z e m b e r 1974, i m Fernmeldeanlagegesetz sowie i m Internationalen Fernmeldevertrag v o n Malaga-Torremolinos 1973 e n t h a l t e n s i n d . Das Fernmeldeanlagengesetz d e f i n i e r t i n § 1 A b satz 1 Satz 2 „ F u n k a n l a g e n " 6 5 , d e r R u n d f u n k g e b ü h r e n s t a a t s v e r t r a g i n A r t i k e l 1 „ R u n d f u n k " 6 6 u n d die A n l a g e 2 z u m I n t e r n a t i o n a l e n F e r n m e l d e v e r t r a g „ R u n d f u n k d i e n s t " 6 7 . A u c h die deutschen L a n d e s r u n d funkgesetze u m s c h r e i b e n i h r e n Gegenstand. D i e w e i t g e h e n d ü b e r e i n s t i m m e n d e n F o r m u l i e r u n g e n l e h n e n sich a n e i n e n D e f i n i t i o n s v o r s c h l a g an, d e n B r e d o w i m J a h r e 1947 gemacht h a t 6 8 : „Der R u n d f u n k i m Sinne dieses Gesetzes umfaßt die Veranstaltung u n d Ü b e r m i t t l u n g von Darbietungen aller A r t unter Benutzung elektrischer Schwingungen i n Wort, Ton u n d B i l d , soweit sie sich an „ A l l e " wendèn. Andere Rundfunksendungen, w i e Presserundfunk, Wirtschaftsrundfunk u n d dergl., m i t denen ein bestimmter Bezieherkreis beliefert w i r d , werden durch dieses Gesetz nicht berührt." § 1 des R u n d f u n k g e s e t z e s des L a n d e s W ü r t t e m b e r g - B a d e n v o m 12. N o v e m b e r 1950 ü b e r d e n Süddeutschen R u n d f u n k s t i m m t fast w ö r t l i c h m i t dieser D e f i n i t i o n ü b e r e i n , n u r ist „ a l l e " d u r c h „ d i e A l l g e m e i n h e i t " ersetzt 6 9 . S o w e i t d i e ü b r i g e n R u n d f u n k g e s e t z e d e n B e g r i f f R u n d f u n k n ä h e r e r l ä u t e r n , v e r w e n d e n sie sinngemäße F o r m u l i e r u n g e n 7 0 . 65 § 1 Abs. 1 Satz 2 FernmG: „Funkanlagen sind elektrische Empfangseinrichtungen, bei denen die Ü b e r m i t t l u n g oder der Empfang von Nachrichten, Zeichen, B i l d e r n oder Tönen ohne Verbindungsleitungen oder unter Verwendung elektrischer, an einem Leiter entlang gehender Schwingungen stattfinden kann." 66 A r t . 1 Staatsvertrag über die Regelung des Rundfunkgebührenwesens v o m 5. Dezember 1974, veröffentlicht unter anderem i m GBl. B a d e n - W ü r t temberg 1975, S. 234 (Gesetz v o m 8. 4.1975): „ R u n d f u n k ist die f ü r die A l l g e meinheit bestimmte Veranstaltung u n d Verbreitung von Darbietungen aller A r t i n Wort, i n Ton u n d i n B i l d unter Benutzung elektrischer Schwingungen ohne Verbindungsleitungen oder längs oder mittels eines Leiters." e7 Anlage 2 zum Internationalen Fernmeldevertrag von Malaga-Torremolinos 1973 (BGBl. 1976 I I , 1090, 1150) i m französischen Wortlaut, der gemäß A r t . 16 I I I i m Zweifelsfall verbindlich ist: „Service de radiodiffusion : Service de radio communication dont les émissions sont déstinées à être reçues directement par le public en général. Ce service peut comprendre des émissions sonores, des émissions de télévision ou d'autres genres d'émission." „Radiocommunication : Télécommunication réalisée à l'aide des ondes radioélectrique." 68 Vgl. Schuster, Funkhoheit u n d Unterhaltungsrundfunk nebst den i n den drei westlichen Besatzungszonen geltenden Rundfunkgesetzen, i n : Archiv f ü r Post- u n d Fernmeldewesen 1949, 309, 321, 333. e9 RegBl. 1951,1. 70 § 2 Gesetz über die Errichtung u n d die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts „Der Bayerische R u n d f u n k " v o m 10.8.1948 i d F v. 27.7. 1973: „Aufgabe des Bayerischen Rundfunks ist die Veranstaltung u n d V e r m i t t l u n g von Sendungen i n Wort, Ton u n d B i l d über die von i h m betriebenen Anlagen" ; § 2 Gesetz über den Hessischen R u n d f u n k v o m 2.10. 1948 i d F v.
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T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
N e b e n d e n B e g r i f f s b e s t i m m u n g e n d e r L a n d e s r u n d f u n k g e s e t z e g i b t es n o c h z w e i B e r i c h t e d e r R u n d f u n k r e f e r e n t e n d e r L ä n d e r aus d e n J a h r e n 1975 u n d 1979, die sich u m eine D e f i n i t i o n des B e g r i f f s R u n d f u n k i m S i n n e v o n A r t i k e l 5 A b s a t z 1 Satz 2 G G b e m ü h e n 7 1 . B e i d e B e r i c h t e s i n d entstanden, w e i l technische N e u e n t w i c k l u n g e n i m B e r e i c h d e r M e d i e n d i e F r a g e a u f w e r f e n , ob d e r R u n d f u n k b e g r i f f f o r t e n t w i c k e l t u n d d e r n e u e n T e c h n i k angepaßt w e r d e n m u ß . D i e L ä n d e r n e h m e n f ü r sich das Recht i n A n s p r u c h , d e n i n A r t i k e l 5 A b s a t z 1 Satz 2 G G v e r w e n d e t e n R u n d f u n k b e g r i f f z u k o n k r e t i s i e r e n . Z u g l e i c h s t e l l e n sie aber fest, daß sie d e n R u n d f u n k b e g r i f f n i c h t ä n d e r n k ö n n e n . N a c h i h r e r A u f f a s s u n g ist A r t i k e l 1 des R u n d f u n k g e b ü h r e n s t a a t s v e r t r a g e s A u s d r u c k des verfassungsrechtlichen G r u n d t a t b e s t a n d e s R u n d f u n k . D i e s e r G r u n d t a t b e s t a n d sei d i e V e r a n s t a l t u n g v o n „ S e n d u n g e n " u n t e r B e n u t z u n g e l e k t r i s c h e r S c h w i n g u n g e n i n a l l e n technisch m ö g l i c h e n F o r m e n . d)
Literatur
D i e A u f f a s s u n g d e r L ä n d e r ist j e d o c h keineswegs u n b e s t r i t t e n , w e d e r i n d e r p o l i t i s c h e n noch i n d e r wissenschaftlichen A u s e i n a n d e r s e t z u n g . So n e n n t das F o l g e g u t a c h t e n z u m T e l e k o m m u n i k a t i o n s b e r i c h t 1978 „ n e b e n a n d e r e n " sieben „ v e r t r e t b a r e " A b g r e n z u n g s k r i t e r i e n f ü r eine n o r m a t i v e F e s t l e g u n g des R u n d f u n k b e g r i f f s . A b e r auch diese sieben a u s g e w ä h l t e n A b g r e n z u n g s k r i t e r i e n f ü h r e n z u durchaus u n t e r s c h i e d -
e n . 1962: „Aufgabe des Hessischen Rundfunks ist die Verbreitung von Nachrichten u n d Darbietungen bildender, unterrichtender u n d unterhaltender A r t . E r errichtet u n d betreibt zu diesem Zweck Rundfunksendeanlagen"; Satzung der Rundfunkanstalt Sender Freies B e r l i n 1974 (GVB1. 1953, S. 1400; GVB1. 1975, S. 145): „Zweck der Anstalt ist die Errichtung u n d der Betrieb v o n Rundfunksendeanlagen (einschließlich Fernsehsendeanlagen) u n d die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen"; § 3 Abs. 3 Staatsvertrag über den Südwestfunk v o m 27. August 1951 (Bad.GVBl. 1952, S. 40) i d F v. 16. März 1959 (GVB1. Bad.-Württ. S. 56): „Aufgabe des Südwestfunks ist die f ü r die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Nachrichten u n d Darbietungen erbauender, bildender, belehrender u n d unterhaltender A r t i n Wort, T o n u n d B i l d unter Benutzung elektrischer Schwingungen, die ohne V e r b i n dungsleitungen oder längs eines Leiters (Drahtfunk) übermittelt werden"; § 3 Gesetz über den Westdeutschen R u n d f u n k K ö l n v o m 25. M a i 1954 (GS N W S. 251): „Aufgabe der Anstalt ist die f ü r die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Nachrichten u n d Darbietungen i n Wort, Ton u n d Bild. Sie betreibt u n d errichtet zu diesem Zweck i m Lande Nordrhein-Westfalen (Sen71 degebiet) die hierfür erforderlichen Anlagen des Hörrundfunks u n d Veranstaldes FernBericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage der sie versorgt die Anlagen des tsehfunks; u n g privater Rundfunksendungen u n d Drahtfunks." des Rundfunkbegriffs — „SchlierseePapier" — v o m 29. A p r i l 1975, insbesondere Teil Β I ; Zweiter Bericht der Rundfunkreferenten der Länder zur Frage des Rundfunkbegriffs, insbesondere der medienrechtlichen Einordnung von „Videotext", „ K a b e l t e x t " u n d „Bildschirmtext" (Teleschriftformen) — „Würzburger Papier" — v o m 25. M a i 1979, insbesondere C I (beide abgedruckt bei Ring, Deutsches Rundfunkrecht I I unter F — I 1.5, 1.6).
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liehen Ergebnissen 72 . Wohl vor allem wegen dieser Schwierigkeiten hatte die Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems 1975 i n ihrem Telekommunikationsbericht zwar den damaligen Stand der Technik dargelegt und einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen gegeben, sich jedoch zu den verfassungsrechtlichen Fragen nicht geäußert 78 . So verwundert es nicht, daß der Rundfunkbegriff auch i m rechtswissenschaftlichen Schrifttum noch heftig umstritten ist. Tettinger vert r i t t die Auffassimg, man müsse ein Abgrenzungsmerkmal als maßgeblich anerkennen und entscheidet sich für das „ K r i t e r i u m der individuellen Steuerbarkeit des Informationsvorganges". Warum er gerade dieses K r i t e r i u m wählt, begründet er jedoch nicht 7 4 . Lerche setzt auf eine gestaltende Entscheidung des Gesetzgebers 75. Dagegen scheidet B u l l i n ger die „Neuen Medien" aus dem Rundfunkbegriff des Grundgesetzes aus. U m Massenkommunikation durch Rundfunk i m Sinne von A r t i k e l 5 GG handele es sich nur dann, „wenn nach einem einseitig festgelegten Programmschema eine fortlaufende Folge von Einzelsendungen einem unbestimmten Empfängerkreis zu gleichzeitigem Empfang zugeleitet w i r d " 7 8 . Nach Königs Auffassung w i r d der Rundfunkbegriff vor allem durch die Verbreitungstechnik, nämlich durch die Verwendimg elektrischer Schwingungen, geprägt. Diese Technik bedinge eine „Flüchtigkeit der Informationen" und führe zur „unmittelbaren Reproduktion" beim Rezipienten. Daneben hält er vor allem die Gestaltung und Übermittlung eines Programms für funktional wesentlich 77 . e) Eigene Stellungnahme Die Umschreibungen von Rundfunk i n juristischen Texten außerhalb des Grundgesetzes werfen ein methodisches Problem auf: Welche Bedeutung haben gesetzliche oder vertragliche Begriffsdefinitionen für die Auslegung der Verfassung? Einigkeit dürfte darüber bestehen, daß die Definition eines verfassungsrechtlichen Begriffes nicht ohne weiteres 72 Wolf gang Kaiser u. a., K a b e l k o m m u n i k a t i o n u n d Informationsvielfalt, S. 238 ff. 78 Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems, Telekommunikationsbericht, Anlageband 7, S. 47 f. 74 Peter J.Tettinger, Neue Medien u n d Verfassungsrecht, S. 28 f. 75 Peter Lerche, Verfassungsrechtliche Aspekte neuer kommunikationstechnischer Entwicklungen, i n : B a y V B l . 1976, 530 ff.; derselbe, Die Kirchen u n d die neuen Entwicklungen i m Rundfunkbereich — verfassungsrechtlich gesehen, i n : Essener Gespräche zum Thema Staat u n d Kirche 13, S. 89, 92 ff. 7β Martin Bullinger, Kommunikationsfreiheit i m S t r u k t u r w a n d e l der Telekommunikation, S. 32 f. m i t weiteren Nachweisen i n F N 64 f.; vgl. aber auch denselben, S t r u k t u r w a n d e l von R u n d f u n k u n d Presse, i n : N J W 1984, 385, 388. 77 Eberhard König, Die Teletexte, S. 121.
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aus anderen Normen übernommen werden darf. Wer sein Verständnis eines Ausdrucks, den das Grundgesetz verwendet, aus einem Landesgesetz, einem Staatsvertrag oder einem internationalen Vertrag ableitet, muß begründen, warum er das tut, warum die Definition übertragbar ist. Dafür reicht es nicht aus, auf die Gesetzgebungsbefugnis der Länder für den Sachbereich Rundfunk zu verweisen und daraus i h r Recht abzuleiten, Rundfunk i m Sinne des Grundgesetzes zu bestimmen oder zu konkretisieren. Denn wo streitig ist, was der Begriff Rundfunk umfaßt, wie er — insbesondere zur Presse — abzugrenzen ist, ist zugleich streitig, wie weit die Gesetzgebungsbefugnis der Länder reicht. Schon aus diesem Grund ist es keine Lösung, die Definition des Verfassungsbegriffs Rundfunk dem Landesgesetzgeber zu überlassen. Selbst wenn man von dem Problem, die Gesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern abzugrenzen, einmal absieht, ist der einfache Gesetzgeber zudem nicht befugt, über den Inhalt eines Verfassungsbegriffes zu verfügen. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, was nun unter Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG zu verstehen ist. Da das Grundgesetz selbst Rundfunk nicht definiert, sind Rechtsprechung und Lehre gefordert, den Schutzbereich der Gewährleistung zu bestimmen. Die besondere Problematik des Rundfunkbegriffs liegt i n seiner engen Beziehung zur Technik. Inwieweit kann die technische Entwicklung i n das Verständnis des Verfassungsbegriffs einfließen? Hier ergibt sich ein Dilemma: Lehnt man es ab, Entwicklungen der Technik bei der Interpretation der Verfassung zu berücksichtigen, droht die Gefahr, daß die Verfassung versteinert, der Lebenswirklichkeit nicht mehr entspricht und somit auch nicht mehr normativ auf sie einwirken kann. N i m m t man hingegen technische Neuerungen i n den Verfassungsbegriff auf, geht man über die bloße Interpretation hinaus und schöpft neues Verfassungsrecht. Da die Grenzen zwischen Interpretation und Rechtsschöpfimg fließend sind und letztlich jede Interpretation ein rechtsschöpferisches Moment enthält, spricht das nicht notwendig gegen eine gewisse Flexibilität der Verfassungsinterpretation. Wer Recht anwendet, muß sich jedoch davor hüten, zu weit i n die Sphäre der Rechtsschöpfung vorzudringen. Gerade i m Verfassungsrecht ist gegenüber einer zu flexiblen, betont rechtsschöpferischen Interpretation angesichts der erschwerten Abänderbarkeit des Grundgesetzes gemäß A r t i k e l 79 GG Zurückhaltung geboten. Der Übergang zur Verfassungsänderung ist stets i m Auge zu behalten. Es kann nicht Aufgabe der Grundgesetzinterpretation sein, jede noch so weitreichende Veränderung tatsächlicher Gregebenheiten i n vorhandene verfassungsrechtliche Begriffe aufzunehmen. Das gilt angesichts der allgemein anerkannten Auffangfunktion des A r t i k e l 2 Absatz 1 GG vor allem für das Verständnis des Schutzbereichs von Spezialgrundrechten. Was nicht unter die Freiheit
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l
Absatz 1 Satz 2
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der Berichterstattung durch Rundfunk fällt, entbehrt nicht jeden grundrechtlichen Schutzes, sondern unterfällt — vorbehaltlich des Eingreifens anderer Spezialgrundrechte — dem A r t i k e l 2 Absatz 1 GG. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze läßt sich zur Interpretation (des Rundfunkbegriffs von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG folgendes sagen: Zwar wurde oben dem Landesgesetzgeber das Recht bestritten, über den Inhalt eines Verfassungsbegriffs zu verfügen. Das bedeutet nun allerdings nicht, daß die erwähnten vertraglichen und gesetzlichen Definition ohne Bedeutimg für die Auslegung von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG sind. Man w i r d hier zu unterscheiden haben: Wenn das Fernmeldeanlagengesetz „Funkanlagen" definiert, so handelt es sich dabei u m einen anderen Begriff als Rundfunk, so daß es nicht sinnvoll erscheint, diese gesetzliche Definition hier einzubeziehen. Dagegen kommt der Definition von „Rundfunkdienst" i m Internationalen Fernmeldevertrag die gleiche Bedeutung zu wie auch sonst rechtsvergleichenden und völkerrechtlichen Argumenten. Selbstverständlich braucht der Rundfunkbegriff des Grundgesetzes aus dem Jahre 1949 nicht der gleiche zu sein wie der eines internationalen Vertrages von 1973. Aber es ist auch für die deutsche Diskussion nicht ohne Gewicht, wenn internationale Übereinstimmung besteht, daß „Rundfunkdienst" ein Funkdienst ist, der sich an die Allgemeinheit wendet und Ton, Fernsehen und andere Ausstrahlungen umfassen kann. Diese internationale Einigkeit kann eine deutsche Interpretation des Verfassungsbegriffs stützen. Vorbehalte sind dagegen sowohl gegenüber den Formulierungen des Rundfunkgebührenstaatsvertrages als auch der Rundfunkreferenten der Länder anzumelden. Sie sind vor dem Hintergrund der sich ankündigenden Auseinandersetzungen u m das richtige Verständnis des Rundfunkbegriffs von interessierter Seite möglichst umfassend gewählt worden. Ihnen kommt nicht mehr Bedeutung zu als sonstigen einschlägigen Äußerungen interessierter Kreise. Hilfreich für die Auslegung von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG scheint m i r dagegen ein Blick auf die Definition von Bredow sowie auf die deutschen Rundfunkgesetze aus den Nachkriegs jähren, zumal wenn sie vor Inkrafttreten des Grundgesetzes beschlossen wurden. Sie beschreiben das Phänomen Rundfunk, so wie es zur Zeit der Entstehung des Grundgesetzes existierte und den Zeitgenossen — unter ihnen auch den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates — selbstverständlich war. Bredows Rundfunkbegriff zeichnet sich durch fünf Merkmale aus: 1. Veranstaltung und Übermittlung 2. von Darbietungen aller A r t 3. unter Benutzung elektrischer Schwingungen
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4. i n Wort, Ton und Bild, 5. die sich an die Allgemeinheit wenden. Dieses ist eine allgemeine Beschreibung dessen, was nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges i n Deutschland als Rundfunk bekannt war. Hörfunk wurde i n Deutschland von 1923 bis heute auf i m Prinzip gleiche A r t und Weise ausgestrahlt. Aber auch das Fernsehen kann in Deutschland auf eine lange Tradition zurückblicken: Der erste Fernsehsender wurde am 22. März 1935 i n Betrieb genommen. Während der Olympiade i n Berlin 1936 strahlte er täglich ein achtstündiges Programm aus7*. Nach kriegsbedingter Unterbrechung beschloß der Verwaltungsrat des NWDR am 13. August 1948 mit Zustimmung der b r i t i schen Militärregierung, einen Fernsehsendebetrieb aufzunehmen. Weihnachten 1952 begann dann der NDWR mit einem regelmäßigen täglichen Programmdienst 79 . So besteht denn auch kein Streit, daß Hörfunk und Fernsehen wie sie seit Jahrzehnten i n Deutschland betrieben werden, von dem Verfassungsbegriff Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG umfaßt werden. Damit ist zunächst einmal ein gutes Stück sicheren Bodens gewonnen worden. Als das Grundgesetz i n K r a f t trat, bestand insoweit Einigkeit darüber, was unter Rundfunk zu verstehen ist. Noch nicht geklärt ist jedoch die Einordnung neuerer technischer Entwicklungen. Hier ist zu unterscheiden: A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG schützt eine bestimmte, historisch gewordene Form der Massenkommunikation, nicht einen technischen Weg ihrer Übertragung. Solange die übertragenen Darbietungen i n ihrer Grundstruktur gleich bleiben, sind deshalb Änderungen der Übertragungstechnik irrelevant. Weder für die Programmgestalter noch für die Zuschauer und Zuhörer ist es von Bedeutung, ob die Sendungen durch den Äther, durch Kupferoder Lichtfaserkabel ausgestrahlt werden. Da die Form der Übertragimg ohne Einfluß auf den Inhalt der Kommunikation ist, ist sie auch ohne Bedeutung für den verfassungsrechtlichen Begriff „Rundfunk". Anders verhält es sich mit den technischen Neuentwicklungen Videotext und Bildschirmtext. Videotext w i r d i n der sogenannten Austastlücke des Fernsehbildes übertragen und auf dem Fernsehgerät sichtbar gemacht. Übertragungstechnisch bestehen also keine Unterschiede zum Fernsehen. Betrachtet man dagegen den Kommunikationsinhalt, ergeben sich erhebliche Unterschiede: Es werden kurze Texte angeboten, die ständig i n einer bestimmten Reihenfolge ausgestrahlt werden und aus denen sich der Benutzer die ihn interessierenden auswählt. Dieser Auswahlvorgang, über den sich der Benutzer an die gesuchte Texttafel 78 79
Ansgar Diller, R u n d f u n k p o l i t i k i m D r i t t e n Reich, S. 184 ff. Hans Bausch, R u n d f u n k p o l i t i k nach 1945, 1. Teil, S. 266 ff.
3. Kap. : Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
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heranarbeitet, benötigt einige Zeit. Die Übertragungskapazität ist gering. Dem Benutzer werden wesentlich weniger Informationen und Eindrücke vermittelt als beim Fernsehen, der Text ist schlagzeilenartig, es fehlen gesprochenes Wort und Bild 8 0 . Videotext ist eine Form der Massenkommunikation, die bei Entstehung des Grundgesetzes unbekannt war. Sie hat die Übermittlung von Texten mit der Presse, die elektromagnetische Übertragung und den Fernsehschirm mit dem Fernsehen gemeinsam. Angesichts dieser Z w i schenstellung erscheint es wenig sinnvoll, Videotext unter Vernachlässigung einer der beiden Gemeinsamkeiten entweder Presse oder Rundfunk zuzuordnen. Wenn ein besonderer verfassungsrechtlicher Schutz von Videotext für erforderlich gehalten wird, so ist das durch eine ausdrückliche Ergänzung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG i m Wege der Verfassungsänderung zu erreichen. Aufgrund des Staatsvertrages über Bildschirmtext vom 18. März 1983 soll ab M a i 1984 dieser neue Fernmeldedienst der Deutschen Bundespost bundesweit eingeführt werden 81 . M i t dieser Telekommunikationsform werden Texte über das Fernsprechnetz übertragen und auf dem B i l d schirm eines Fernsehgerätes wiedergegeben. Technisch zeigt hier schon die Benutzung des Telefonnetzes zur Übertragung von Texten die Unterschiede zum Rundfunk. Die Benutzer werden an Informationszentren angeschlossen, auf deren Daten sie individuell zugreifen können. Dabei handelt es sich nicht u m eine Form der Massenkommunikation, so daß Bildschirmtext nicht als Rundfunk i m Sinne von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG anzusehen ist 8 2 . Rundfunk i m Sinne von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ist also unter den gegenwärtigen Umständen auf Hörfunk und Fernsehen i n der traditionellen Form beschränkt, wobei allerdings die A r t und Weise der Übertragung irrelevant ist, w e i l das Grundgesetz die Freiheit der Kommunikation i n bezug auf ihren Inhalt unter besonderen Schutz stellt, nicht jedoch i n bezug auf eine bestimmte Übertragungstechnik. Die derzeit i n der Bundesrepublik erprobten sogenannten „Neuen Medien" Videotext und Bildschirmtext sind kein Rundfunk i m Sinne von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Bildschirmtext schon deshalb nicht, w e i l er keine Massenkommunikation darstellt, Videotext w e i l er m i t der elektronischen Textübertragung auf einem Bildschirm sowohl Elemente 80 Expertenkommission Neue Medien — EKM Baden Württemberg, Abschlußbericht I, S. 741. 81 Vgl. dazu Bernd-Peter Lange, Bildschirmtextfeldversuch — Begleitforschung — Staatsvertrag der Bundesländer, i n : Media Perspektiven 1983, 65 u n d Joachim Scherer, Rechtsprobleme des Staatsvertrages über Bildschirmtext, i n : N J W 1983, 1832. 82 Vgl. dazu E K M I (FN 80), S. 74.
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von Presse als auch von Rundfunk vereinigt und deshalb angemessen nur als neue Form der Massenkommunikation bezeichnet werden kann. 3. Freiheit
Nachdem die Wortbedeutung des Gegenstandes der Garantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG geklärt ist, geht es jetzt um die Frage, was darunter zu verstehen ist, daß die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet wird. Zur E r m i t t l u n g der Bedeutung des Wortes Freiheit auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückzugreifen, erweist sich als schwierig. Von Freiheit spricht man nicht völlig unbefangen, gleichsam ohne theoretischen Hintergrund. Von jeher fließen Grundüberzeugungen vom Menschen, seinem Leben, dem Sinn des Lebens, von metaphysischen Wahrheiten i n den allgemeinen Sprachgebrauch ein. E i n Blick i n die Wörterbücher der deutschen Sprache begegnet i n diesem Fall deshalb besonderen methodischen Bedenken. Gemeinsam ist den Bedeutungsangaben, daß sie Freiheit negativ definieren, als Abwesenheit von etwas. Der Duden spricht von einem „Zustand, i n dem der Betreffende von bestimmten persönlichen oder gesellschaftlichen als Zwang oder Last empfundenen Bindungen oder Verpflichtungen frei ist und sich i n seinen Entscheidungen o. ä. nicht (mehr) eingeschränkt fühlt" 8 3 . Freiheit w i r d als Zustand des Freiseins beschrieben, das Substantiv auf das A d j e k t i v zurückgeführt. Schon das Grimmsche Wörterbuch stellte vor 100 Jahren fest, daß die Bedeutungen von Freiheit denen des Adjektivs frei folgen und verwies auf den Gegensatz zu Knechtschaft und Unterwürfigkeit. Die Bedeutung von „frei" wiederum wurde so angegeben: „der freie ist sein selber eigen, sui juris, keines andern eigen 84 ." Auch der Brockhaus Wahrig umschreibt Freiheit negativ als „Unabhängigkeit von Zwang oder Bevormundung" 8 5 . Insoweit besteht kein Unterschied zwischen dem Sprachverständnis i n der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik, obwohl man vermuten könnte, daß ein so ideologienaher Begriff wie Freiheit i n beiden Teilen Deutschlands ganz unterschiedlich verstanden wird. Das Wörterbuch von Klappenbach und Steinitz beschreibt Freiheit i m politischen Sinne als Unabhängigkeit von äußerer und innerer Unterdrückung, i n mehr allgemeinem Sinn als „Möglichkeit, Recht etw. ungehindert t u n zu können, sich ungehindert entfalten, betätigen zu können"8®. 83 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache i n sechs Bänden, Band 2, Stichwort Freiheit. 84 Jacob Grimm/Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Vierten Bandes Erste Abtheilung, Erste Hälfte, Stichwort Freiheit. 85 Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch i n sechs Bänden, Zweiter Band, Stichwort Freiheit.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
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Gemeinsam ist allen diesen Bedeutungsangaben, daß sie Freiheit negativ definieren, als Fehlen von Zwang, Druck, Hindernissen, A b hängigkeit etc. Läßt man einmal alle philosophischen Überlegungen beiseite und begnügt sich mit diesen Angaben zur Wortbedeutung i m allgemeinen Sprachgebrauch, so bedeutet Freiheit der Berichterstattung, daß auf die Berichterstattung kein Druck oder Zwang ausgeübt wird. Garantiert w i r d ein bestimmter Zustand der Berichterstattung, der i n einem Schutz vor zwanghaftem Einfluß von außen besteht. Das heißt nicht, daß der Berichterstattung Freiheit von jedem Einfluß gesichert werden soll. I m Gegenteil, jede Berichterstattung ist ebenso wie der Berichterstatter von äußeren Umständen abhängig, auf Quellen angewiesen und durch sie beeinflußbar. Sie kann nur versuchen, sich selbst der zahlreichen Einflüsse bewußt zu werden und sie so gering wie möglich zu halten. Die grundrechtliche Garantie soll nur vor einem bestimmten Einfluß schützen, der m i t den M i t t e l n von Druck und Zwang arbeitet. Die richtige Behandlung anderer Einflüsse dagegen ist eine Frage des professionellen Ethos, nicht der rechtlichen Gewährleistung. Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk ist dann gegeben, wenn sie vor staatlicher und gesellschaftlicher Macht, vor deren Druck und Zwang geschützt wird. 4. Freiheit wird gewährleistet
Das Grundgesetz sagt, daß die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet wird. Die Bedeutung des Verbs zu ermitteln, bietet keine Schwierigkeit. Es handelt sich u m eine Zusammensetzung aus „die Gewähr leisten" und meint, „etwas verbürgen, sichern oder garantieren" 87 . Das ist ein durchaus typischer Ausdruck für die Formulierimg eines Grundrechts. Ins Auge fällt jedoch, daß die Freiheit nicht einem Subjekt gewährleistet wird, sondern selbst Subjekt der Gewährleistung ist. Denkbar wäre etwa folgender Text gewesen: „Jeder hat das Recht auf Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film." M i t dieser Wortwahl wäre deutlich geworden, daß das Grundgesetz dem Menschen auch i m Bereich der Massenmedien einen Freiraum zugestehen wollte, i n den der Staat grundsätzlich nicht eingreifen dürfte. Statt eines Menschen nimmt dagegen die Freiheit die Stelle dès Subjekts ein. Das Grundgesetz geht nicht vom Menschen aus, dem ein 86 Ruth Klappenbach/Wolf gang Steinitz, Wörterbuch der deutschen Gegen^ wartssprache, 2. Band, Stichwort Freiheit. 87 Brockhaus Wahrig, (FN 85), D r i t t e r Band, Stichwort gewährleisten; Duden (FN 83), B a n d 3, Stichwort gewährleisten; Klappenbach/Steinitz (FN 86), Stichwort gewährleisten.
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Freiheitsraum gesichert werden muß, sondern von einem Zustand des Massenmediums Rundfunk. Geschützt w i r d die Berichterstattung, die Freiheit bezieht sich auf das Programm. Sprache und Grammatik des Satzes stellen klar, daß das Grundgesetz nicht dem einzelnen B ü r ger ein subjektives Individualgrundrecht einräumt, sondern objektivrechtlich einen Zustand der Berichterstattung durch Rundfunk schützt. Wenn A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG davon spricht, daß die Freiheit der Berichterstattung gewährleistet wird, nicht daß sie gewährleistet ist, so betont das „werden" ein Geschehen. Die Freiheit der Berichterstattung w i r d nicht ein für alle M a l eingeräumt und besteht dann von selbst fort, sondern ist ein Prozeß, der stets i n Gang gehalten werden muß. Zwar w i r d nicht ausdrücklich gesagt, von wem dieser Prozeß immer wieder neu zu sichern ist. Das ist aber angesichts des A r t i k e l 1 Absatz 3 GG überflüssig, der alle drei Staatsgewalten an die Grundrechte bindet. I n die Pflicht genommen w i r d der Staat. Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk fällt i n seine Verantwortung. Indem das Grundgesetz so dem Staat die Sorge für den Rundfunk überträgt, formuliert es eine objektivrechtliche Verpflichtung der Staatsgewalt, nicht ein subjektives Individualgrundrecht des Bürgers.
5. Zusammenfassung
Die Untersuchung des Wortlauts von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG hat folgendes Ergebnis gebracht: Wenn die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk gewährleistet wird, so weist diese Formulierung darauf hin, daß die Garantie der Freiheit des Rundfunks nicht einfach als Rundfunkfreiheit parallel zur Pressefreiheit zu verstehen ist. Gewährleistet w i r d nicht ein Raum freier Entfaltung des Menschen, gewährleistet w i r d ein Vorgang, werden die Rahmenbedingungen für eine Tätigkeit. Dabei betont „werden", daß es sich nicht u m einen Zustand handelt, der nur einmal erreicht werden muß, sondern u m einen Prozeß, der ständiger Sicherung bedarf. „Berichterstattung" hebt den besonderen Schutz der quellenorientierten publizistischen Tätigkeit hervor. „Freiheit" der Berichterstattimg ist dann gegeben, wenn weder Zwang noch Druck von außen auf den Rundfunk ausgeübt wird. Das Grundgesetz nennt keinen Grundrechtsträger und macht so deutlich, daß die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk als eine A r t institutioneller Rahmengarantie zu verstehen ist, die sich an den Gesetzgeber wendet und i h n zur Freiheitsgewährleistung verpflichtet. „Rundfunk" erfaßt jedenfalls die herkömmlichen Erscheinungen von Hörfunk und Fernsehen, wie sie i n Deutschland eine lange Tradition haben. Dagegen gehören Videotext und Bildschirmtext, die i n der
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2
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Bundesrepublik erprobt werden, nicht zu Rundfunk i m Sinne von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Wortlaut und Grammatik der Gewährleistung sprechen eher gegen ein Individualgrundrecht der Rundfunkveranstaltungsfreiheit und für eine A r t institutioneller Rahmengarantie, die objektivrechtlich zu verstehen ist. Diese Interpretation steht auch m i t dem sonstigen Sprachgebrauch des Grundgesetzes i n Einklang. Formulierungen, die dem Wortlaut des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG verwandt sind, finden sich noch i n A r t i k e l 4 Absatz 2, 7 Absatz 4 Satz 1 und 9 Absatz 3 Satz 1 GG. I n letzteren beiden Vorschriften w i r d jedoch ein Recht — i n A r t i k e l 9 Absatz 3 Satz 1 GG sogar ausdrücklich ein Recht für jedermann und alle Berufe — gewährleistet, so daß sich direkt aus dem Wortlaut der i n d i v i dualrechtliche Gehalt der Vorschrift ergibt. Da i m Gegensatz zu A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG das subjektive Recht i m Text der Verfassung zum Gegenstand der Gewährleistung gemacht ist, müssen A r t i k e l 7 Absatz 4 Satz 1 und A r t i k e l 9 Absatz 3 Satz 1 GG demzufolge individualrechtlich ausgelegt werden. Ebenso scheint es bei A r t i k e l 4 Absatz 2 GG zu sein. Die ganz herrschende Meinung sieht i n dem Satz „Die ungestörte Religionsausübung w i r d gewährleistet", der vom Aufbau her A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG entspricht, ein Individualrecht verbürgt 8 8 . Grundlegend für die allgemein anerkannte Auslegung ist die sogenannte „Rumpelkammer-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1968. I n diesem Beschluß stellt das Gericht fest, das Grundrecht der ungestörten Religionsausübimg sei „an sich" i m Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit enthalten, der auch die Freiheit des kultischen Handelns, des Werbens und der Propaganda umfasse. „Mindestens seit der Weimarer Verfassung geht die Freiheit der Religionsausübung inhaltlich i n der Bekenntnisfreiheit auf." Die ausdrückliche Gewährleistung i n A r t i kel 4 Absatz 2 GG sucht das Gericht damit zu rechtfertigen, daß das exercitium religionis i m älteren Recht stets von der Bekenntnisfreiheit unterschieden wurde. Auch bringe sie die Abwehrhaltung gegenüber den Störungen der Religionsausübung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Ausdruck. M i t dieser Argumentation lehnt sich das Gericht an Ausführungen von Hamel 8 9 und Scheuner®0 an. Diese Interpretation hat jedoch den Nachteil, daß sie A r t i k e l 4 A b satz 2 GG auf eine rein deklaratorische Bedeutung reduziert. Es machte 88 F ü r alle Roman Herzog, Rdnr. 63 ff. zu A r t . 4 GG, i n : M a u n z / D ü r i g / H e r zog/Scholz. 89 , Walter Hamel, Glaubens- u n d Gewissensfreiheit, i n : K a r l August Bettermann/Hans Carl Nipperdey/Ulrich Scheuner, Die Grundrechte I V / 1 , S. 37, 62. 90 Ulrich Scheuner, Die Religionsfreiheit i m Grundgesetz, i n : D Ö V 1967, 585, 589.
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keinen Unterschied, wenn die Bestimmung überhaupt nicht i m Grundgesetz enthalten wäre. Aus methodischen Gründen ist es aber geboten, zunächst einmal nach dem eigenen Gehalt einer Verfassungsvorschrift zu suchen, bevor sie für bedeutungslos erklärt wird. Andernfalls w i r d der normative Geltungsanspruch des Grundgesetzes nicht ernst genommen. Ein Blick i n die Materialien zeigt, daß A r t i k e l 4 Absatz 2 GG durchaus seine eigenständige Bedeutimg hat. Der Herrenchiemsee-Entwurf enthielt i n A r t i k e l 6 Absatz 2 GG noch folgende Formulierung: „Der Staat gewährleistet die ungestörte Religionsausübung" 91 . Diese Wortwahl macht deutlich, daß es nicht u m ein Abwehrrecht des Bürgers, sondern u m eine objektivrechtliche Verpflichtung des Staates geht. Entsprechend hatte schon A r t i k e l 135 Satz 2 WRV gelautet: „Die ungestörte Religionsausübung w i r d durch die Verfassung gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz." Diese Formulierung untrscheidet sich deutlich von der i n entsprechenden Bestimmungen i m 19. Jahrhundert, z. B. A r t i k e l 12 Satz 1 der preußischen Verfassung von 1850: „Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, der Vereinigung zu Religionsgesellschaften (Art. 30 und 31) und der gemeinsamen häuslichen und öffentlichen Religionsausübung w i r d gewährleistet." Während damals aus historischen Gründen das Individualrecht der häuslichen und öffentlichen Religionsausübung gesondert gewährleistet werden sollte, trat i n der Weimarer Verfassung die Schutzpflicht des Staates i n den Vordergrund. Der Staat wurde verpflichtet, Eingriffe i n die Religionsausübung abzuwehren 92 . Nachdem die Religionsausübung mittlerweile inhaltlich i n der Bekenntnisfreiheit aufgegangen war, wie das Bundesverfassungsgericht zutreffend feststellt, ging es i n Herrenchiemsee darum, über das I n d i v i dualrecht des A r t i k e l 4 Absatz 1 GG die besondere staatliche Schutzverpflichtung i n A r t i k e l 4 Absatz 2 GG fortzuschreiben. Der Parlamentarische Rat übernahm zwar nicht die Formulierung i m A k t i v des Herrenchiemsee-Entwurfs, die ausdrücklich die besondere Inpflichtnahme des Staates zum Schutze der Religionsausübung erkennen ließ, sondern entschied sich ebenso wie die Weimarer Reichsverfassung für das Passiv. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß damit eine Bedeutungsänderung i n Richtung auf den früheren individualrechtlichen Gehalt 91 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidenten-Konferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v o m 10. bis 23. August, S. 62. 92 Fritz Poetzsch-Heff ter, Handkommentar der Reichsverfassung v o m 11. August 1919, A n m . 3 zu A r t . 135; auch Anschütz hebt die Verpflichtung des Staates hervor, sieht daneben aber noch ein Individualrecht dés Bürgers garantiert, siehe Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches v o m 11. August 1919, A n m . 5 zu A r t . 135.
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beabsichtigt gewesen wäre 9 3 . A r t i k e l 4 Absatz 2 GG beschränkt sich also nicht auf eine rein deklaratorische Erläuterung der i n A r t i k e l 4 Absatz 1 GG garantierten Bekenntnisfreiheit, sondern begründet eine weitergehende objektivrechtliche Pflicht des Staates, die ungestörte Religionsausübung seiner Bürger zu sichern. Wie diese Pflicht derjenigen zur Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, so entspricht der Wortlaut des A r t i k e l 4 Absatz 2 GG dem des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. I I I . Entstehungsgeschichte 1. Herrenchiemsee-Entwurf
Die Entstehungsgeschichte des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG beginnt mit A r t i k e l 7 des Entwurfs eines Grundgesetzes, der vom Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vorgelegt wurde. Er erwähnte den Rundfunk nur insofern, als er Empfangsbeschränkungen für unzulässig erklärte. Dagegen wies A r t i k e l 7 Absatz 2 der Presse ausdrücklich A u f gabe und Recht zu, über das öffentliche Leben wahrheitsgemäß zu berichten 94 . 2. Sitzung des Grundsatzausschusses am 29. 9.1948
Diese Beschränkung auf die Presse hat der Parlamentarische Rat nicht übernommen. Schon i m Entwurf eines Unterausschusses des Grundsatz-Ausschusses des Parlamentarischen Rates, der am 29. September 1948 beraten wurde, lautete A r t i k e l 9 Absatz 3: „Presse, Rundfunk u n d F i l m haben das Recht, ohne Beschränkung durch Zensur über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse wahrheitsgetreu zu berichten u n d zu ihnen Stellung zu nehmen 9 5 ." 93 Vgl. Parlamentarischer Rat, Schriftlicher Bericht zum E n t w u r f des Grundgesetzes für die Bunderepublik Deutschland, S. 8; Klaus-Berto v. Doemming/Rudolf Werner Füsslein/Werner Matz, Entstehungsgeschichte der A r t i k e l des Grundgesetzes, i n : JöR N F 1 (1951), V, 73 ff. 94 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee v o m 10. bis 23. August 1948, i n : Der Parlamentarische Rat 1948—1949, Band 2, Dokument Nr. 14, S. 504, 580 f.: „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung frei u n d öffentlich zu äußern u n d sich über die Meinung anderer zu unterrichten. Beschränkungen des Rundfunkempfangs u n d des Bezugs von Druckerzeugnissen sind unzulässig. (2) Die Presse hat die Aufgabe u n d das Recht, über Vorgänge, Zustände, Einrichtungen u n d Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wahrheitsgemäß zu berichten. (3) Eine Zensur ist unstatthaft."
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Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch R u n d f u n k
Der Abgeordnete Heuß begründete diese Ergänzung damit, „daß man das Pressewesen nicht mehr isoliert ansehen kann, wie es die klassische Tradition war. Heute wenden sich Presse, Rundfunk und i n gewissem Sinn sogar der F i l m i n den Wochenschauen an die Allgemeinheit " β β . Formulierung und Begründung ergeben, worum es dem Grundsatzausschuß ging. Die Freiheit des Rundfunks sollte in zwei Richtungen gesichert werden: Einmal sollte der Rundfunkempfang nicht beschränkt werden 97 , zum anderen garantierte man dem Rundfunk das Recht, über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse zu berichten. Dieses Recht erfaßte zwar einerseits nur wahrheitsgetreue Berichte, erstreckte sich andererseits aber auch auf Stellungnahmen. Den Grund für diese Garantien nennt der Berichterstatter: Es geht um die Unterrichtung der Allgemeinheit durch die Massenmedien. Zu den Massenmedien zählte 1948 neben Presse und Rundfunk auch der F i l m mit seinen Wochenschauen. Zwar ist nicht von „öffentlicher Meinung" die Rede, inhaltlich geht es aber u m nichts anderes. Das macht der Verweis auf die „Angelegenheiten von allgemeinem Interesse" i m Text ebenso deutlich wie die Formulierimg i n der Begründung, Presse, Rundfunk und F i l m wendeten sich „an die Allgemeinheit". Dem Grundsatzausschuß ging es u m die Bedeutung der Massenmedien für die Allgemeinheit, für die demokratische Öffentlichkeit. Wichtig erschienen dafür Bericht und Stellungnahme. Der Bericht sollte wahrheitsgetreu sein, eine Zensur wurde ausgeschlossen. Allen diesen Regelungen merkt man die noch frischen Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus an, als der Staat sich der Massenmedien bemächtigt hatte, Zensur ausgeübt, Berichte unterdrückt und verfälscht sowie Stellungnahmen einheitlich gelenkt wurden. Dem stellte man nun i n der Verfassung selbst das eigene B i l d von Presse, Rundfunk und F i l m entgegen: staatlich nicht beeinflußte, wahrheitsgetreue Berichte, eigene Stellungnahmen der Medien, keine Zensur — ein Idealbild der Massenmedien und ihrer Rolle i m demokratisch-parlamentarischen Staat. Sie bildeten von Anfang an den Gegenstand der Bemühungen des Parlamentarischen Rates, nicht hingegen die Freiheit des Bürgers, Presseerzeugnisse zu verlegen oder Rundfunk zu veranstalten. 05 Parlamentarischer Rat, Drucksache Nr. 203, A r t . 8 Abs. 3 (abgedruckt i n : Parlamentarischer Rat, Grundgesetz f ü r die Bundesrepublik Deutschland, Entwürfe, S. 2). 96 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Grundsatzausschusses am 29. 9.1948, S. 46. 97 A r t . 9 Abs. 2 des i n der Sitzung am 29. 9.1948 vorgelegten Entwurfes (abgedruckt als A r t . 8 Abs. 2 i n Drucksache Nr. 203 (FN 95) : „Jede Beschränkung i n der freien Unterrichtung u n d Meinungsbildung aus allgemein zugänglichen Quellen insbesondere beim Rundfunkempfang oder dem Bezug von Druckerzeugnissen ist unstatthaft."
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG
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3. Sitzung des Grundsatzausschusses am 24.11.1948
Erst in einer späteren Sitzung erörterte der Ausschuß die wirtschaftliche Seite der Massenmedien. Der Abgeordnete Lensing, als Zeitungsverleger selbst unmittelbar betroffen, verwies darauf, daß die Freiheit der Verbreitung von Presseerzeugnissen bisher völlig ausgelassen worden sei. Er erwähnte die Möglichkeit, einen besonderen Absatz einzufügen: „Niemand darf daran gehindert werden, Presseerzeugnisse zu verlegen oder F i l m e herzustellen."
und fuhr fort: „ B e i m Rundfunk ist das j a etwas anderes 98 ."
I n wirtschaftlicher Hinsicht unterschied man also von vornherein zwischen Presse und F i l m auf der einen und Rundfunk auf der anderen Seite. Der Ausschuß stellte Presse und Rundfunk nur i n publizistischen Fragen gleichberechtigt nebeneinander, nicht dagegen i n der unternehmerischen Freiheit. Das ist von erheblicher Bedeutung für die heutige Argumentation, die aus dem Grundgesetz die Forderung nach einer rechtlichen Gleichbehandlung von Presse und Rundfunk ableitet. Der von Lensing ins Gespräch gebrachte besondere Absatz über die Verlegerfreiheit wurde dann aber doch nicht i n den Text des Verfassungsentwurfs aufgenommen. Lensing selbst folgte dem Vorschlag von Professor Richard Thoma, neben der Freiheit der Meinungsäußerung die Freiheit der Meinungsverbreitung zu sichern. Thoma wollte das Zensurverbot streichen, weil wegen der sittlichen Gefährdung der Jugend auf eine Vorzensur des Films nicht verzichtet werden könne und „beim Rundfunk Vorzensur i n der Natur der Sache liegt" 9 9 . Thoma war demnach der Auffassung, daß der Rundfunk nicht einmal i n publizistischer Hinsicht die gleiche Freiheitsgewährleistung genießen könne wie die Presse. Der Grundsatzausschuß schloß sich i h m jedoch insoweit nicht an. Übernommen wurde sein Vorschlag, die Freiheit der Meinungsverbreitung gesondert zu gewährleisten, weil Heuß mit Lensing der Auffassung war, daß damit für Presse und F i l m die Gewerbefreiheit zum Ausdruck gebracht werde 1 0 0 .
98 Stenographisches Protokoll der 25. Sitzung des Grundsatzausschusses am 24.11.1948, S. 6. 99 Richard Thoma, Kritische Würdigung des v o m Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates beschlossenen u n d veröffentlichten Grundrechtskatalogs, Parlamentarischer Rat, Drucksache 244, S. 6 f., 15 f. 100 Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 7. *
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Der unterschiedliche Wortlaut der Freiheitsgewährleistung für die Presse auf der einen sowie für Rundfunk und F i l m auf der anderen Seite geht auf einen Vorschlag von Mangoldts zurück. Er schlug den traditionellen Begriff Pressefreiheit vor 1 0 1 . Aus seiner Begründung ergibt sich, daß die Textdifferenzierung nicht etwa auf sprachästhetische Gründe zurückgeht, sondern der Presse über den Schutz der Berichterstattung hinaus weiterreichende Freiheit gewährleistet werden sollte. Von Mangoldt erwähnte, daß Pressefreiheit ein fester Begriff sei, und ergänzte: „bei Rundfunk und F i l m bezieht sich die Freiheit nur auf die Berichterstattung." Schließlich bemerkte er noch zum Verhältnis der Massenmedien untereinander: „Denn i n der Verbreitung von Nachrichten stehen Rundfunk und F i l m der Presse gleich 102 ." Diese Äußerungen belegen, daß die Freiheitsgewährleistung für Rundfunk und F i l m mit Bedacht auf die Berichterstattung beschränkt worden ist. Man wollte zwar angesichts der gewachsenen Bedeutung der beiden Medien auf den grundrechtlichen Schutz ihrer Tätigkeit nicht verzichten, wollte sie aber nur i n der Berichterstattung der Presse gleichstellen. M i t dem Wechsel der Formulierung trat zugleich das Substantiv „Berichterstattung" an die Stelle des Verbs „berichten", ohne daß damit eine inhaltliche Änderung verbunden war. Die weitere Diskussion i n der Sitzung drehte sich zunächst u m die Frage, ob man den Rundfunk auf die „objektive Berichterstattung" beschränken oder ob man i h m auch das Recht zu Stellungnahmen zugestehen sollte. Von Mangoldt befürchtete, daß dann „jeder kleine Kommentator" finden werde, „daß hier für i h n ein Grundrecht gewährleistet ist, während der Rundfunk als eine A r t Staatsmonopol oder doch wenigstens Monopol der Allgemeinheit diese Dinge und seine Leute i n der Hand behalten muß". Heuß hatte wegen der Amerikaner Bedenken i n bezug auf ein Staatsmonopol. Von Mangoldt schlug dagegen vor, „zur Sicherung der Freiheit der Berichterstattung des Rundfunks, überhaupt der Unabhängigkeit vom Staate eine Vorschrift des Inhalts aufzunehmen, daß den Rundfunksendern ihre Stellung als öffentlich-rechtliche Anstalt gewährleistet w i r d " 1 0 3 . 101 Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 14: „Ich schlage vor, die Sache etwas auseinanderzuziehen. W i r haben zu dieser Fassung schon gewisse Bedenken auch v o m Rundfunk gehört. Ich w ü r d e eher vorschlagen zu sagen: Die Pressefreiheit sowie die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk u n d F i l m — das w a r neu; ich w ü r d e vorschlagen, daß m a n das auch offenhält — w i r d gewährleistet. R u n d f u n k u n d F i l m haben beide sehr begrüßt, daß neben der Pressefreiheit auch ihnen die Freiheit der Berichterstattung gewährleistet w i r d . " 102 Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 18. 108 Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 18 ff.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G 1 0 1
Heuß erklärte es kategorisch für unmöglich, eine solche Vorschrift i n die Verfassung aufzunehmen, weil die Rundfunkorganisation i n den einzelnen Ländern bzw. Zonen total verschieden aussehe. Von Mangoldt sah die Garantie der öffentlichrechtlichen Rundfunkorganisation aber gerade als Mittel, die Unabhängigkeit des Rundfunks vom Staat zu sichern. A u f seine Bemerkung hin, eine solche Garantie „würde die Freiheit des Rundfunks, j a der Meinungsäußerung über den Rundfunk besonders gewährleisten", verwies der Abgeordnete Bergstraeßer darauf, daß die Meinungsäußerung i m Rundfunk schon i n der Auswahl der Nachrichten und i n den Kommentaren bestehe. Lensing stimmte i h m zu, sah darin jedoch trotz der meinungsbildenden W i r k i m g noch keine Stellungnahme des Rundfunks. I h m ging es u m etwas anderes: „Aber der Rundfunk selbst soll sich der parteipolitischen Beeinflussung enthalten. Es darf keinen sozialdemokratischen, keinen CDU-Rundfunk usw. geben 104 ." Damit sprach er i n kluger Voraussicht eine Gefahr an, die sich i n den folgenden Jahrzehnten als Hauptproblem des öffentlichrechtlichen Rundfunks herausgestellt hat. Als er dann noch einmal wiederholte, daß er den Rundfunk als Monopol zu einer gewissen Objektivität zwingen wolle, nahm von Mangoldt dieses Anliegen zur Unterstützung seines Vorschlags auf. Wenn man den Rundfunk dem Staat unmittelbar unterstelle, werde letzterer bestimmte Leute nicht zu Wort kommen lassen. Er konnte jedoch die übrigen Mitglieder des Grundsatzausschusses nicht überzeugen. Der A b geordnete Eberhard entgegnete ihm: „Die Frage, wie man den Rundfunk am besten behandelt, ist noch völlig ungeklärt, nicht nur i n Deutschland, sondern auch i n anderen Ländern. . . . Es ist alles so i n Fluß, daß ich das Rundfunkgesetz nicht durch etwas präjudizieren möchte, was jetzt hier hereingeschrieben wird. W i r kennen die Konsequenzen gar nicht alle." Daraufhin kam von Mangoldt zunächst nicht mehr auf seinen Vorschlag zurück. Interessant i m Hinblick auf die heutige Diskussion ist allerdings noch seine Bemerkung, daß man nicht „Rundfunkfreiheit" sagen könne, sondern nur „Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk" 1 0 5 . 4. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11.1.1949
Anfang Januar griff von Mangoldt seinen Gedanken wieder auf, „daß man durch die Form der Ausübung des Betriebs der Sendeanlagen eine Sicherung der Rundfunkfreiheit noch erreichen könnte". Er schlug vor, den E n t w u r f um folgenden Satz zu ergänzen: 104 105
Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 20. Stenographisches Protokoll (FN 98), S. 21 ff.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
„ Z u r Sicherung dieser Freiheit u n d der Überparteilichkeit des Rundfunks werden die Sendeanlagen durch selbständige Anstalten des öffentlichen Rechts betrieben, die auch die Sendeprogramme bestimmen 1 0 6 ."
Auch diesmal stieß er i m Ausschuß auf einmütige Ablehnung. Heuß plädierte für ein bundeseinheitliches Rundfunkrecht: „Dann würde ich aber diese Geschichte m i t den Sendeanlagen und den Anstalten des öffentlichen Rechts doch nicht hier hineinnehmen, denn das ist die Vorwegnahme einer Gesetzgebung, die heute sehr bunt durcheinander geht und die w i r selbstverständlich in die Hand des Bundes bekommen wollen. W i r wollen nicht drei- oder viererlei Radiorecht haben." Süsterhenn stimmte i h m zu: „Ich halte es für falsch, die zukünftige Form des Rundfunks ein für allemal i n der Verfassung festzulegen. Ich könnte m i r vorstellen, daß w i r eine Form des Rundfunks für das Richtige halten, wie sie i n Holland besteht, oder einen Rundfunk, wie i h n die Amerikaner haben, die private Rundfunkgesellschaften nach einem bestimmten Verfahren geschaffen haben. I n Holland hat zum Beispiel die katholische und die evangelische Kirche einen Rundfunksender. Ich w i l l nicht sagen, daß das notwendig ist, aber wollen w i r uns das nicht verbauen und nicht von vornherein i n der Verfassung etwas vorsehen, dessen Güte w i r noch nicht erproben konnten." Die Abgeordnete Weber stimmte zu: „Ich würde i m Hinblick auf die Verschiedenheit des Rundfunks in der amerikanischen, britischen und französischen Zone davor warnen 1 0 7 ." Von Mangoldt versuchte noch einmal, seinen Vorschlag zu retten: „Aber auf der anderen Seite ist — gerade nach der A r t wie durch Herrn Goebbels vom Rundfunk Gebrauch gemacht worden ist — hinsichtlich des staatlichen Rundfunkbetriebs zu sagen: ,vestigia terrent', und zwar i n aller Schärfe. W i r müssen zur Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks praktisch mehr tun, als nur zu sagen: Die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk w i r d gewährleistet. Damit ist garnichts gesagt. Es wäre tatsächlich ein gewisser Schritt nach der Richtung hin, dem Rundfunk eine gewisse Unabhängigkeit vom Staat zu sichern, wünschenswert. Auch bei einer selbständigen Anstalt, die öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, bleibt die Staatsaufsicht erhalten 1 0 8 ." Diese Argumente vermochten jedoch seine Kollegen nicht zu überzeugen. Heuß wiederholte seine Ablehnung und führte zur Begründung zusätzlich an: „Es ist noch eine Frage der Wellenlänge, aber die Mög108 Stenographisches Protokoll der 32. Sitzung des Grundsatzausschusses am 11.1.1949, S. 41. 107 Stenographisches Protokoll (FN 106), S. 41 ff. 108 Stenographisches Protokoll (FN 106), S. 44.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G 1 0 3
lichkeit, daß meinethalben der Staat sich einen Rundfunk macht und auf der anderen Seite Gruppen privater oder kirchlicher Organisationen das gleiche tun, sollte gegeben sein. Es ist geplant, i n Bamberg einen gemeinsamen christlichen Sender von beiden Kirchen aufzubauen — so war es wenigstens i n den Zeitungen zu lesen —, und das sollte man an sich nicht beschneiden. Die Entwicklungen sind auf dem Gebiet vorhanden. Dann kann der Hörer sich aussuchen, was er hören will. Ich bin nicht dafür, staatliche oder staatlich konzessionierte Monopole von vornherein zu begünstigen." Als auch Eberhard seine Ablehnung noch einmal bekräftigte — „Ich meine, w i r sollten darauf verzichten, i m Grundgesetz die Gesetze der nächsten zehn Jahre i m voraus zu bestimmen. Die technische Entwicklung kann es vielleicht bald ermöglichen, daß beinahe jeder seine eigene Wellenlänge hat." — zog von Mangoldt seinen Vorschlag zurück 109 . I n seinen weiteren Beratungen ist der Parlamentarische Rat nicht mehr auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation des Rundfunks eingegangen 110 .
5. Zusammenfassung
Die Beratungen des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates geben eindeutigen Aufschluß darüber, worum es dem Verfassungsgeber i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG ging. Das Grundgesetz sollte nicht nur die Freiheit des herkömmlichen Massenmediums Presse gewährleisten, sondern auch dem neuen Medium Rundfunk verfassungsrechtlichen Schutz sichern. Aus der Erfahrung mit dem Goebbels'schen Rundfunk heraus war den Mitgliedern des Parlamentarischen Rates nur zu klar i n Erinnerung, welchen Einfluß der Staat über den Rundfunk auf die Bevölkerung ausüben kann. U m diesen Gefahren zu wehren, wollte man zunächst den Rundfunk zu wahrheitsgetreuen Berichten verpflichten. Als man erkannte, wie gefährlich eine solche Verpflichtung auf „die Wahrheit" sein kann — alles hängt davon ab, wer bestimmt, was wahrheitsgetreu ist —, beschränkte man sich auf die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung. Überlegungen, wie sich die Freiheit der Presse, die mehr umfassen sollte als die Freiheit der Berichterstattung, von der Freiheit des Rundfunks unterscheidet, durchziehen weite Teile der Beratungen. Der Grundsatzausschuß wählte schließlich für die Presse den hergebrachten Ausdruck „Pressefreiheit", der sowohl die Freiheit des Verlegers als auch die Freiheit zu Stellungnahmen umfassen sollte. Zwar wollte er dem Rundfunk als Ganzem das Recht zu Stellungnahmen nicht verwehren, ohne jedoch den einzel109 110
Stenographisches Protokoll (FN 106), S. 41 ff. Vgl. JöR N F 1, 86 ff.
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I. T e i l : Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
nen Rundfunkmitarbeitern das Recht einzuräumen, sich auf eine entsprechende Bestimmung zu berufen. Von der wirtschaftlichen Seite der Massenmedien war nur i n bezug auf Presse und F i l m die Rede, der Rundfunk wurde insoweit von vornherein gesondert behandelt. Eine „Rundfunkveranstaltungsfreiheit" wurde i m Parlamentarischen Rat nie erwähnt. Dieser Problemkreis ist jedoch nicht etwa zufällig unerörtert geblieben. Vielmehr hat der Grundsatzausschuß aus Anlaß der Vorschläge von Mangoldts, eine Garantie des öffentlichrechtlichen Rundfunks i m Grundgesetz zu verankern, Fragen der Rundfunkorganisation zweimal ausführlich diskutiert. Die Erörterungen zeichneten sich durch eine erstaunliche Sachkenntnis gepaart mit einem beachtlichen Weitblick der Abgeordneten aus und führten schließlich zu einem einmütigen Ergebnis, als von Mangoldt seinen Vorschlag zurückzog. Aus der Diskussion geht hervor, daß der Parlamentarische Rat die Organisation des Rundfunks dem Gesetzgeber überlassen wollte. Man hatte dabei durchaus die unterschiedlichen Möglichkeiten vor Augen, die sich dem Gesetzgeber boten: Sowohl das privatwirtschaftliche Rundfunkmodell der USA als auch der Koordinationsrundfunk der Niederlande fanden Erwähnung. Auch das mögliche Ende des Mangels an Übertragungskapazitäten wurde i n die Überlegungen einbezogen. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates hielten außerdem kirchliche Sender für denkbar. Diese Überlegungen entsprechen i m Prinzip dem heutigen Stand der Diskussion, obwohl inzwischen mehr als dreißig Jahre verstrichen sind und die Kommunikationstechnik erhebliche Fortschritte gemacht hat. Der Parlamentarische Rat hat aber nicht nur die Absicht gehabt, die Organisation des Rundfunks dem Gesetzgeber zu überlassen, er hat diese Absicht auch i m Text des Grundgesetzes deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Freiheitsgarantie für Presse, Rundfunk und F i l m wurde nicht einheitlich gestaltet, sondern Rundfunk und F i l m wurde allein die Freiheit der Berichterstattung zugestanden, die Verwendung des Begriffs „Rundfunkfreiheit" ausdrücklich abgelehnt. Dagegen gestand man der Presse nicht nur die Freiheit der Berichterstattung, sondern umfassend Pressefreiheit zu. Aus den Beratungen des Grundsatzausschusses w i r d deutlich, wo der Parlamentarische Rat Gefahren für die Freiheit des Rundfunks sah: Der Goebbels'sche Rundfunk wurde als Beispiel dafür genannt, wie sich der Staat des Rundfunks bemächtigen und ihn mißbrauchen kann. Deshalb sollte die Staatsfreiheit des Rundfunks gesichert werden. Aber nicht nur vom Staat her sah man Gefahren für den Rundfunk drohen, auch von den politischen Parteien. Damit waren schon 1949 die gesell-
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G 1 0 5
schaftlichen Gruppen genannt, die i n der Folgezeit die Freiheit des Rundfunks mehr und mehr bedroht haben. Freiheit des Rundfunks vom Staat und Freiheit des Rundfunks von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen — sprich: von den Parteien — diese verfassungsrechtlichen Forderungen an die Organisation des Rundfunks hat nicht etwa das Bundesverfassungsgericht i m ersten Fernsehurteil erfunden. Sie leiteten vielmehr schon die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bei ihrer Arbeit und führten zur Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Dagegen ergibt sich aus den Protokollen, daß der Verfassunggeber den Rundfunk nicht als ein Feld der Selbstverwirklichung des einzelnen Bürgers verstand, dem ein Freiheitsraum als Rundfunkveranstalter zur Verfügung gestellt werden sollte. Nicht der Bürger als Rundfunkveranstalter, sondern der Bürger als Empfänger von Rundfunksendungen beschäftigte die Abgeordneten. Sie gingen aus von der Bedeutung des Rundfunks für die Allgemeinheit, von seiner Berichterstattung über Fragen, Tatsachen, Ereignisse und Persönlichkeiten von allgemeinem Interesse. Dieser Sicht, die auf die öffentliche Meinung und die umfassende Information des Bürgers i n der parlamentarischen Demokratie gerichtet war, entsprach es, kein Individualrecht des einzelnen auf die Veranstaltung von Rundfunk zu garantieren, sondern die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk zu gewährleisten. Diese Freiheit verstand man als eine A r t institutionelle Garantie — allerdings nicht i m Sinne Carl Schmitts, der unter institutioneller Garantie die verfassungsrechtliche Gewährleistung einer öffentlichrechtlichen Institution als solcher versteht 111 . Denn die Institution des öffentlichrechtlichen Rundfunks sollte gerade nicht i m Grundgesetz verankert werden, wie die zweimalige Ablehnung des Vorschlags von Mangoldts i m Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rats beweist. Verankert werden sollte ein Rahmen für die Organisationsregelungen des Gesetzgebers. I h m bleibt es vorbehalten, ein Organisationsmodell für den Rundfunk auszuwählen und auszugestalten. Den Rahmen für diesen Gestaltungsraum bildet die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung. Die Organisation des Rundfunks muß gewährleisten, daß die Berichterstattung, die journalistische Tätigkeit des Rundfunks frei vonstatten geht, frei sowohl von staatlichem Einfluß als auch frei vom Einfluß einzelner oder bestimmter gesellschaftlicher Gruppen. Man kann diese verfassungsrechtliche Gewährleistung als institutionelle Rahmengarantie bezeichnen 112 . 111 Carl Schmitt, Grundrechte u n d Grundfreiheiten, i n : Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924—1954, S. 181, 213. 112 Ernst-Wolfgang Böckenförde/Joachim Wieland, Die „Rundfunkfreiheit" — ein Grundrecht? i n : A f P 1982, 77.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Abschließend ist zu fragen, welche Bedeutung die Entstehungsgeschichte für die Auslegung von A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG hat. Über den Wert der genetischen Interpretation ist lange gestritten worden. Das Bundesverfassungsgericht hat sie zu Beginn seiner Rechtsprechung als subsidiär bezeichnet. Entscheidend für die Auslegung sei „der objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt". Die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder könne die Richtigkeit der so gewonnenen Auslegung bestätigen oder Zweifel beheben, die nach der Analyse von Wortlaut und Sinnzusammenhang noch bestehen blieben 113 . I n einer späteren Entscheidung übernimmt das Gericht die Formulierung Radbruchs, daß der Staat nur i m Gesetz selbst spreche, nicht i n den persönlichen Äußerungen der an der Entstehung des Gesetzes Beteiligten. „Der Wille des Gesetzgebers fällt zusammen mit dem Willen des Gesetzes 114 ." U m den objektivierten Willen des Gesetzgebers zu ermitteln, werden neben Wortlaut, Systematik und Zweck auch die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte herangezogen, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Das Bundesverfassungsgericht warnt aber davor, die Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen: „Der Wille des Gesetzgebers kann bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden, als er i n dem Gesetz selbst seinen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat 1 1 5 ." I m Laufe seiner Rechtsprechung hat sich das Gericht jedoch keineswegs strikt an diese programmatischen Ausführungen gehalten. Schon sehr früh stützt es Entscheidungen allein auf die Entstehungsgeschichte. Als es um die Frage geht, ob das Grundrecht der Freizügigkeit auch Deutschen i n der DDR und i n Ostberlin zusteht, behandelt der Vorlagebeschluß nur die Genese des A r t i k e l 11 GG, aus der sich „zwingend" ergebe, daß die Aufhebung der Freizügigkeit für die Bewohner der DDR i n Notaufnahmelagern der Bundesrepublik unzulässig sei 116 . Wenn sich die Interpretation einer Norm des Grundgesetzes zwingend aus der Entstehungsgeschichte ergeben kann, widerspricht das der Forderung, die Vorstellungen des Gesetzgebers nur subsidiär zur Auslegung heranzuziehen. Das gilt auch für eine wenig später ergangene Entscheidung, die allein unter Berufung auf die Beratungen des Parlamentarischen Rates A r t i k e l 16 Absatz 2 Satz 1 GG dahin auslegt, daß eine Über113
BVerfGE 1, 299, 312. Gustav Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 211. us BVerfGE 11, 126, 130.
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116 BVerfGE 2, 266, 272, 276; das Bundesverfassungsgericht sprach damals von der sowjetischen Besatzungszone u n d Ostberlin.
3. Kap. : Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G
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Stellung Beschuldigter eines Strafverfahrens aus der Bundesrepublik i n die DDR von dieser Vorschrift nicht erfaßt werde 1 1 7 . I n einem Plenarbeschluß aus dem Jahre 1980 mißt das Bundesverfassungsgericht dann den anhand des Gesetzgebungsverfahrens deutlich werdenden Regelungsabsichten des Gesetzgebers „erhebliches Gewicht" bei der Auslegung zu, sofern Wortlaut und Sinnzusammenhang der Norm Zweifel offenlassen. Jedenfalls bei zeitlich neuen und sachlich neuartigen Regelungen dürfe die Auslegung über die erkennbare Regelungsabsicht nicht hinweggehen 118 . Insgesamt bietet damit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Entstehungsgeschichte für die Interpretation ein wenig einheitliches Bild. Letztlich gehen die aufgezeigten Unsicherheiten und Unklarheiten auf das Festhalten an der überholten Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Methode der Auslegung zurück. Nach der subjektiven Theorie, die i m 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorherrschte, bestand das Ziel der Auslegung darin, den Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln, der als verbindlich für jede Interpretation galt. Maßgebliche Vertreter waren Friedrich Carl von Savigny 1 1 9 , Bernhard Windscheid 120 , Philipp Heck 1 2 1 und Hans Nawiarsky 1 2 2 . Schon 1885 und 1886 haben K a r l Binding 1 2 3 , Adolf Wach 124 und Josef Kohler 1 2 5 der subjektiven jedoch ihre objektive Theorie der Auslegung gegenübergestellt, nach der es nicht auf den empirischen, sondern auf den vernünftigen Willen des Gesetzgebers ankomme 126 . Sie ist i m Laufe der Zeit — wenn auch i n ganz verschiedenen Ausprägungen — herrschend geworden 127 .
117 BVerfGE 4, 299, 304 f.; weitere Nachweise zur Rechtsprechung des B u n desverfassungsgerichts i n : B G H Z 46, 74, 79 ff.; vgl. zum Ganzen Friedrich Müller, Juristische Methodik, S. 26 ff.; Gert Roellecke, Prinzipien der Verfassungsinterpretation i n der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, i n : Bundesverfassungsgericht u n d Grundgesetz I I , S. 22, 24 f. ne BVerfGE 54, 277, 297 f. 119 System des heutigen Römischen Rechts, 1. Band, §33, S. 213; siehe dazu oben I, S. 79 f. 120 Lehrbuch des Pandektenrechts, 1. Band, S. 50 ff. 121 Gesetzesauslegung u n d Interessenjurisprudenz, S. 59 ff. 122 Allgemeine Rechtslehre, S. 126 ff.; weitere Vertreter der subjektiven Theorie bei Karl Engisch, Einführung i n das juristische Denken, S. 88 f. 123 Handbuch des Strafrechts, S. 450 ff. 124 Handbuch des Deutschen Civilprozeßrechts, S. 254 ff. 125 Über die Interpretation von Gesetzen, i n : Grünhut's Zeitschrift für das P r i v a t - u n d öffentliche Recht der Gegenwart 13 (1886), 1 ff. 126 Z u r objektiven Auslegungstheorie Karl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 31 ff. 127 Engisch, (FN 122), S. 89.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk
Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich mit seiner Formulierung, daß für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift „der i n dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers" maßgebend sei, formell auf den Boden der objektiven Theorie gestellt 128 . Die oben dargestellten Entscheidungen zeigen jedoch, daß das Gericht zumindest gelegentlich materiell der subjektiven Theorie folgt. N i m hält es Engisch zwar für möglich, die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes nicht nur streng historisch zu erforschen, sondern sie objektivierend zu deuten. Dazu müsse man sie zur Grundlage „objektiv-sinnhafter historischer Konstruktionen" machen, statt sie als Beweismittel für die realen Gedanken und Absichten des Gesetzgebers auszuwerten 129 . Solche oder ähnliche Gedanken äußern vor allem Vertreter vermittelnder Theorien 1 3 0 . Es liegt aber auf der Hand, daß die objektive Auslegungsmethode die Entstehungsgeschichte nur m i t Zurückhaltung heranziehen darf. Andernfalls würde sie gerade ihre Grundlage verlassen, anstelle des Willens des historischen Gesetzgebers den Willen des Gesetzes zu erforschen. Unabhängig von diesen Zweifelsfragen entspricht es jedoch nicht mehr dem Stand der Methodendiskussion, Auslegung als Ermittlung des — sei es empirisch-historischen, sei es vernünftig-objektivierten — Willens des Gesetzgebers bzw. des Gesetzes zu verstehen. Hesse weist zutreffend auf die Fragwürdigkeit der Vorstellung hin, i n der Verfassung einen subjektiven oder objektiven „Willen" ermitteln zu wollen. Das bedeute, am Willensdogma i m Recht festzuhalten, das die Pandektenwissenschaft des 19. Jahrhunderts entwickelt und dem Staatsrecht weitergegeben habe 131 . Der Gedanke, Verfassungsinterpretation bestehe i m Nachvollziehen eines vorgegebenen Willens, darf jedoch heute als überwunden betrachtet werden, womit zugleich der alte Streit zwischen Subjektivisten und Objektivisten seine Bedeutung verloren hat 1 3 2 . Verfassungsinterpretation besteht nach heutigem Verständnis darin, die einzelnen Normen der Verfassung zu konkretisieren. Als M i t t e l zur Konkretisierung findet die Analyse der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift dabei ebenso ihren Platz wie Wortlaut, Systematik oder Folgenerwägungen. Weder liefert eines dieser Elemente für sich genommen das Ergebnis der Interpretation, noch ist es möglich, m i t Hilfe aller Interpretationselemente einen bereits vollständig i n der Verfassung ent128 BVerfGE 1, 299, 312. 129 Engisch, (FN 122), S. 97. 130 V g L Engisch (FN 122), S. 89; Larenz (FN 126), S. 304. 131 Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 56 (S. 21 f.). 132 Dazu Müller (FN 117), S. 31 f., 128 ff.; Martin Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 173 f., 209 ff.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G 1 0 9
haltenen Willen des Gesetzes zu ermitteln, der dann nur noch auf den konkreten Fall angewandt werden müßte. Das bedeutet für die Interpretation des Grundgesetzes, daß die Äußerungen der Mitglieder des Parlamentarischen Rates während der Beratungen der Jahre 1948/49 zur Interpretation der Verfassung herangezogen werden müssen. Aus ihnen ergeben sich die Regelungsabsichten, die hinter den Formulierungen des Grundgesetzes stehen. Sie gewinnen i n dem Maße an Bedeutung für die Interpretation einzelner A r t i k e l des Grundgesetzes, wie sie i m Text der betreffenden Norm zum Ausdruck kommen. Bloße Absichten der Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die nicht i n den Text eingeflossen sind, müssen dagegen bei der Interpretation außer Betracht bleiben, weil es letztlich nicht um das Verständnis der Beratungen des Parlamentarischen Rates, sondern um das Verständnis des Grundgesetzes geht. Insgesamt ist der Entstehungsgeschichte für die Interpretation des Grundgesetzes relativ hohe Bedeutung beizumessen, weil es sich um vergleichsweise junge Normen handelt, so daß die Vorstellungen der Verfassungsväter noch ohne Schwierigkeiten auf die Wirklichkeit passen, wie sie sich jetzt darstellt. Wenn wie bei der Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG unter den Schöpfern einer Norm schließlich völlige Einigkeit darüber besteht, was diese Norm bedeuten soll, wenn diese Absicht i m Text zum Ausdruck kommt und i m Blick auf künftige Entwicklungen entstanden ist, die dann tatsächlich eingetreten sind, gebietet es die Loyalität zum Verfassungsgeber, dessen Willen so zu beachten, wie er im Grundgesetz zum Ausdruck kommt.
IV. Geschichte des Rundfunks in Deutschland Die Verfechter eines Individualgrundrechts der Rundfunkveranstaltungsfreiheit berufen sich darauf, daß privater Rundfunk der deutschen Rechtsordnung nicht fremd sei, sondern i n Deutschland durchaus existiert habe. I n den Jahren nach 1923 sei der Rundfunk privat w i r t schaftlich betrieben worden 1 3 3 . Ich untersuche i m Folgenden die Überzeugungskraft dieses Arguments.
133 Hans Hugo Klein, Die Rundfunkfreiheit, S. 42; Carl Haensel, Fünfzig Jahre Rundfunkfreiheit u n d die N o r m s t r u k t u r der neuen Fernseh-Betriebe, i n : Epirrhosis I, S. 245, 246; Günter Herrmann, Fernsehen u n d H ö r f u n k i n der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, S. 133 f. m i t weiteren Nachweisen.
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I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch
undfunk
1. Die Anfangsjahre bis 1926
Verantwortung des Staates für den Rundfunk hat i n Deutschland Tradition 1 3 4 . Sie war schon an dem Einfluß zu erkennen, den der Staatssekretär i m Postministerium, Hans Bredow, auf die Entwicklung des Rundfunks genommen hat. Er hat aus dem Ministerium heraus die Entstehung des Rundfunks gelenkt. Wichtig war zunächst vor allem, privates Kapital zu beschaffen. Die Post konnte 1923 wegen der sich immer mehr beschleunigenden Inflation keine Staatsgelder i n den Rundfunk investieren. So sorgte Bredow für die Gründung regionaler Rundfunkgesellschaften i n der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Er machte den Gründern zur Bedingung, daß 50 °/o der Aktienanteile und drei Aufsichtsratssitze an das Reichspostministerium, das Reichsinnenministerium und an die Deutsche Stunde, Gesellschaft für drahtlose Belehrung und Unterhaltung mbH, abzugeben seien. Gesellschafter der Deutschen Stunde waren zu je 50°/o die Post und ein Treuhänder, der seine Anteile zu einem späteren Zeitpunkt der Post übertragen sollte, damit der entscheidende Reichseinfluß gesichert war 1 3 5 . Die Anfangs jähre des Rundfunks sind geprägt durch Machtkämpfe zwischen Innenministerium und Postministerium des Reiches, die beide beizeiten die Bedeutung des neuen Massenkommunikationsmittels erkannt hatten und sich den entscheidenden Einfluß darauf sichern wollten. Nicht private Initiative, sondern die Aktivitäten staatlicher Stellen waren von entscheidender Bedeutung. Sie betrieben die Gründung privatrechtlicher Rundfunkgesellschaften. Die privaten Unternehmer durften nur das Kapital für den Rundfunk aufbringen. Als Gegenleistung wurden den privaten Rundfunkgesellschaften 1,20 Mark von den 2 Mark Teilnahmegebühren aus ihrem Einzugsgebiet zugesprochen. Die Herrschaft i n den einzelnen Gesellschaften übte dagegen die Post aus 136 . Zu einer offenen Beherrschung der regionalen Rundfunkgesellschaften durch die Post kam es nach der Gründung der Reichs-RundfunkGesellschaft durch fünf regionale Rundfunkgesellschaften am 20. J u l i 1925. Nach und nach traten auch die übrigen Rundfunkgesellschaften 134 zum Folgenden: Hans Bausch, Der Rundfunk i m politischen Kräftespiel der Weimarer Republik; Ansgar Diller, R u n d f u n k p o l i t i k i m D r i t t e n Reich; Ingo Fessmann, Rundfunk u n d Rundfunkrecht i n der Weimarer Republik; Winfried B. Ler g, Die Entstehung des Rundfunks i n Deutschland; derselbe, R u n d f u n k p o l i t i k i n der Weimarer Republik; Heinz Pohle, Der Rundfunk als Instrument der Politik. 135 Lerg, Die Entstehung (FN 134), S. 124, 208 f. 136 Bausch (FN 134), S. 11 ff.; Fessmann (FN 134), S. 19 ff.; Lerg, Die E n t stehung (FN 134), S. 122 ff.; derselbe, R u n d f u n k p o l i t i k (FN 134), S. 247; Pohle (FN 134), S. 27 ff.
3. Kap.: Die Gewährleistung des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 G G 1 1 1
bei und übertrugen der Reichsrundfunkgesellschaft die Majorität ihrer Aktien. Schließlich erhielt die Reichspost 51 °/o der Anteile an der Reichsrundfunkgesellschaft kostenlos übertragen und verpflichtete sich, als Gegenleistung den regionalen Gesellschaften die endgültige Konzession für ihren Sendebetrieb zu erteilen. A m 26. Februar 1926 tagte dann erstmals die Gesellschafterversammlung der neu konstituierten Reichsrundfunkgesellschaft i n Stuttgart. Die Post hatte es geschafft, ihre beherrschende Stellung i m deutschen Rundfunk zu konsolidieren, indem sie das Druckmittel benutzte, die endgültige Sendekonzession nur bei Erfüllung ihrer Bedingungen zu erteilen. M i t der Reichsrundfunkgesellschaft hatte sie eine privatrechtlich organisierte Verwaltungsspitze geschaffen, die es i h r ermöglichte, frei von den Bindungen des Verwaltungsrechts ihren Einfluß auf den Rundfunk auszuüben. U m die komplizierten Beziehungen zwischen Staat und Rundfunk zu koordinieren, richtete der Postminister das A m t eines „Rundfunkkommissars des Reichspostministers" ein. Der nahm alle dem Reichspostminister i m Rundfunk obliegenden Aufgaben und Befugnisse wahr, konnte aber durch seine Stellung außerhalb des Ministeriums frei von politisch-parlamentarischen Einflüssen und unbehelligt vom Wechsel der Regierungen tätig werden. A m 1. Juni 1926 gab Hans Bredow sein A m t als Staatssekretär i m Reichspostministerium auf und wurde Rundfunkkommissar. Obwohl er die Kompetenzen des Postministers wahrnahm, erhielt er sein Gehalt von der Reichsrundfunkgesellschaft. Auch i n diesem Punkt war es der Post gelungen, sich Einfluß ohne Einsatz eigener finanzieller M i t t e l zu verschaffen 137 . Auch Reichsinnenministerium und Länder blieben nicht untätig. Gemäß A r t i k e l 2 Nr. 2 der Sendegenehmigung hatten die Rundfunkgesellschaften ihren Nachrichten- und Vortragsdienst nach bestimmten Richtlinien durchzuführen 138 . Über diese Richtlinien kam es zu einem Konflikt zwischen Reich und Ländern. Preußen und Bayern vertraten die A u f fassung, der Erlaß der Richtlinien sei als Ausfluß der Kulturhoheit Sache der Länder, das Reich berief sich auf seine Funkhoheit. Schließlich machte das Reich den Ländern einige inhaltliche Konzessionen, setzte aber durch, daß gemäß A r t i k e l 67 WRV verfahren wurde 1 3 9 . Danach wurden die Richtlinien als Gegenstand der Reichsgeschäfte behan137 Bausch (FN 134), S. 39 ff.; Fessmann (FN 134), S. 65 ff.; Lerg, Die E n t stehung (FN 134), S. 122 ff.; derselbe, R u n d f u n k p o l i t i k (FN 134), S. 247; Pohle (FN 134), S. 47 ff. 138 A r t . 2 Nr. 2: „Der Nachrichten- u n d Vortragsdienst ist nach beiliegenden R i c h t l i n i e n ' auszuführen." (abgedruckt bei Fessmann [FN 134], S. 256). 139 A r t . 67 W R V : „Der Reichsrat ist von den Reichsministern über die F ü h rung der Reichsgeschäfte auf dem laufenden zu halten. Z u Beratungen über wichtige Gegenstände sollen von den Reichsministern die zuständigen Ausschüsse des Reichsrats zugezogen werden."
112
I. Teil: Die Freiheit der Berichterstattung durch
undfunk
delt. Auf einer Sitzung der Vereinigten Ausschüsse des Reichsrats stimmten die Länder mit Ausnahme Württembergs A r t i k e l 2 Nr. 2 der Sendekonzession und den dazugehörigen Richtlinien zu 1 4 0 . Die Richtlinien bestimmten, daß der Rundfunk keiner Partei diene und sein gesamter Nachrichten- und Vortragsdienst daher streng überparteilich zu gestalten sei (Nr. 1). Die Gesellschaften erhielten die Nachrichten — abgesehen von den unpolitischen Sport-, Wetter- und Wirtschaftsnachrichten (Nr. 6) — von einer vom Reich zu bestimmenden Nachrichtenstelle (Nr. 2). Nur die von ihr als „Auflagenachrichten" bezeichneten Meldungen mußten unverzüglich, unverkürzt, unverändert und unentgeltlich verbreitet werden (Nr. 3). Dagegen hatten die Rundfunkgesellschaften das Recht, unter den übrigen ihnen übermittelten Nachrichten frei auszuwählen (Nr. 4) 141 . Der Reichsinnenminister bestimmte am 24. J u l i 1926 die Drahtlose Dienst A G als Nachrichtenstelle 142 . 51 aus. Berücksichtigt man noch Abschreibungen i n Höhe von 3 °/o, so verbleibt ein Reingewinn von 3 °/o, also £ 16,5 Millionen. Dagegen w i r k t das Einkommen der Hörfunkprogrammgesellschaften eher bescheiden. Sie haben i m gleichen Geschäftsjahr zusammen nur £ 42 Millionen eingenommen. Stellt man die Einkünfte der BBC für ihre Inlanddienste von insgesamt £ 507,7 Millionen i n dem Geschäftsjahr, das am 31. März 1981 endete, gegenüber 144 , so scheint sich kein wesentlicher Unterschied zu den Einkünften aller Programmgesellschaften von insgesamt £ 592 M i l lionen zu ergeben. Bei einem solchen Vergleich ist aber zu berücksichtigen, daß die BBC zwei nationale Fernsehprogramme, vier nationale Hörfunkprogramme und lokale Hörfunkprogramme finanzieren mußte, während die Programmgesellschaften nur Ausgaben für ein nationales Fernsehprogramm und lokalen Hörfunk hatten. Unter Berücksichtigung ihres wesentlich größeren Programmangebots verfügt die BBC also über erheblich geringere M i t t e l als ihre kommerzielle Konkurrenz. Das w i r k t sich auf den Wettbewerb zwischen beiden aus. Die Programmgesellschaften können nicht nur deutlich höhere Gehälter zahlen als die BBC, sie sind infolge ihrer Finanzkraft auch i n der Lage, sich exklusive Übertragungsrechte von bedeutenden Ereignissen zu sichern 145 . Nachdem schon 1966 die Konkurrenten die Preise für die Übertragung der Fußballweltmeisterschaft i n astronomische Höhen getrieben hatten, konnte sich zum Beispiel 1978 London Weekend Television für £ 5 M i l lionen vom britischen Fußballbund auf drei Jahre die Exklusivrechte für die Übertragung aller Spiele der 92 in der Fußballiga zusammengeschlossenen Proficlubs sichern. Als das kommerzielle Fernsehen Mitte der 60er Jahre Zuschauer an die BBC verlor, warb es den populärsten Entertainer sowie zwei beliebte Komiker der BBC ab. 1978 gingen 80 Techniker von der BBC zum kommerziellen Fernsehen, weil man ihnen dort u m 50 €/o höhere Gehälter zahlt. Die britischen Erfahrungen lassen vermuten, daß es auch i n der Bundesrepublik bei Einführung von kommerziellem Rundfunk i n mehrfacher Hinsicht Finanzprobleme geben könnte: Einmal muß sich der Staat entscheiden, ob er durch Konzessionsabgaben Gewinne der kom144
British
Broadcasting
Corporation,
S. 93. 145
von Haase (FN 124), S. 18 ff.
A n n u a l Report and Handbook 1982,
9. Kap.: Duale
undfunkorganisation i n Großbritannien
293
merziellen Veranstalter abschöpft und i n welcher Höhe das geschehen soll. Entschiedet er sich für Gewinnabschöpfungen, gewinnt die w i r t schaftliche Situation des kommerziellen Rundfunks sofort Bedeutung für die Staatsfinanzen. Dem Staat muß zur Verbesserung seiner Einnahmesituation an wirtschaftlichen Erfolgen der Rundfunkveranstalter gelegen sein. M i t der Höhe der entsprechenden Abgaben entscheidet er zugleich darüber, wie ertragreich der kommerzielle Rundfunk für die Privatunternehmer ist, deren Gewinnchancen damit nicht nur vom Markt abhängen. Problematisch ist die Berechnungsweise einer Abgabe. Die britischen Erfahrungen haben gezeigt, daß Leistungen, die von den Einnahmen der Veranstalter abhängig gemacht werden, i n wirtschaftlich schwierigen Zeiten dazu führen können, daß die Unternehmer trotz eigener Verluste Zahlungen an den Staat leisten müssen. Eine gewinnabhängige Abgabe vermeidet diesen Nachteil, verleitet die Veranstalter aber leicht zur Ansammlung verdeckter Gewinne. Immerhin hat aber i n Großbritannien die Anknüpfung an die Gewinne der Programmgesellschaften dazu geführt, daß diese ihre Erträge auch wieder i m Bereich des Rundfunks investieren und nicht i n andere Wirtschaftszweige leiten. Eine bessere finanzielle Lage der Veranstalter kommerziellen Rundfunks als der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten führt leicht zu ungleichen Chancen i n dem angestrebten Wettbewerb zwischen beiden. Sind die kommerziellen Veranstalter i n der Lage, ihren Mitarbeitern deutlich höhere Gehälter zu zahlen als die öffentlichrechtliche Konkurrenz — was i n der Bundesrepublik angesichts des Gehaltsniveaus i n den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten allerdings nur schwer vorstellbar ist —, können sie erfolgreiche Mitarbeiter abwerben. Zudem führt die Konkurrenz beim Ankauf von Übertragungsrechten automatisch dazu, daß deren Preise steigen. I n Großbritannien hat das Parlament dem Innenminister deshalb das Recht eingeräumt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Parlaments zu verhindern, daß die BBC oder das kommerzielle Fernsehen Exklusiwerträge über die Übertragung von sportlichen oder anderen Großereignissen abschließen 146 . Das hat allerdings den erwähnten Exklusivvertrag über die wöchentlichen Fußballübertragungen nicht ausgeschlossen. I n der Bundesrepublik wären entsprechende gesetzliche Regelungen durchaus denkbar, nur beseitigen sie jeweils den an sich mit der Einführung kommerziellen Rundfunks angestrebten Wettbewerbseffekt.
146
s. 23 Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973.
294
I I I . T e i l : Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation 7. Die Beteiligung der Presseverleger am kommerziellen Rundfunk
Die Verleger haben sich i n Großbritannien von Anfang an am kommerziellen Fernsehen beteiligt 1 4 7 . 1960 waren die Verhältnisse bei den einzelnen Gesellschaften jedoch ganz unterschiedlich 148 : Von den vier großen Network-Gesellschaften wies nur Associated Television eine Verlegerbeteiligung auf (40°/o des stimmberechtigten / 24 °/o des nicht stimmberechtigten Kapitals). Bei den kleineren Gesellschaften waren die Verleger i m Durchschnitt zu 28 % am stimmberechtigten und zu 29 °/o am nicht stimmberechtigten Kapital beteiligt. Hinter dieser Durchschnittszahl verbergen sich jedoch ganz unterschiedliche Machtverhältnisse bei den einzelnen Gesellschaften. Sie reichen von der völligen Verlegerherrschaft bei Scottish Television (80 °/o / 100 °/o) über immerhin noch beträchtliche Anteile bei Southern Television (62 °/o / 0 %), Border Television (39 °/o / 45 %>), T W W (39 °/o / 1 8 % ) und Anglia Television (34 % / 32 °/o) bis hinunter zu marginalen Beteiligungen bei Westward Television (1,6 % / 1,2 °/o). Der Pilkington-Report konnte zwar keine negativen Folgen der Pressebeteiligung am kommerziellen Fernsehen feststellen, sah i n ihr aber eine mögliche Gefahr unzulässigen Einflusses auf die öffentliche Meinung. Er wandte sich deshalb gegen einen dominierenden Einfluß der Presse auf eine Programmgesellschaft, der dann anzunehmen sei, wenn die Verlegerbeteiligung die größte Einzelbeteiligung an der betreffenden Gesellschaft darstelle 149 . 1975 hatten sich die Verhältnisse deutlich geändert 150 : Von den fünf großen Network-Gesellschaften wiesen nur noch Thames und Granada keine Verlegerbeteiligung auf. Der Presseanteil an Associated Television war angestiegen (42,6 % / 27,6 °/o). Auch bei der neuen NetworkGesellschaft London Weekend Television war der Verlegeranteil beträchtlich (33,5 °/o / 53 °/o), zumal wenn man berücksichtigt, daß zum Grundkapital noch ein Darlehn von £ 1 M i l l i o n kam, an dem die Presse zu 36 °/o beteiligt war. Dagegen ist die Pressebeteiligung an der fünften Network-Gesellschaft Yorkshire Television gering 1 5 1 . Von den kleinen Gesellschaften wiesen Southern T V (62,4 % / 0 °/o), Border (43,2%/ 42,3 %) und Anglia (32,83 % / 10,6 %) die höchste Beteiligung der Presse auf. Dagegen hat die Thomson-Gruppe ihren A n t e i l an Scottish Television auf Druck der I B A h i n auf 25 % reduziert. 147
Dix (FN 33), S. 371 f.; Montag (FN 26), S. 57 f. Z u m Folgenden Pilkington-Report (FN 37), Abschnitt 623, S. 180 f. 149 Pilkington-Report (FN 37), Abschnitte 624 ff., S. 181 ff. 150 Annan-Report (FN 46), Appendex D, S. 511. 151 9,4 %/5,9 % an Trident Television, der Muttergesellschaft von Yorkshire Television u n d Tyne Tees Television. 148
9. Kap. : Duale Rundfunkorganisation i n Großbritannien
295
Der A n t e i l der Presse an den Programmgesellschaften spiegelt die Auffassung der I B A wider, daß eine gewisse Verbindung zwischen Presse und kommerziellem Fernsehen beide stärken könne. Die A u f sichtsbehörde verlangte deshalb sowohl von Yorkshire Television als auch von London Weekend Television, Zeitungsverlagen Beteiligungen einzuräumen. Der Annan-Report sieht i n der Beteiligung der Presse am kommerziellen Fernsehen Gefahren, hält aber die gesetzliche Befugnis des Innenministers, bei Gefahren für die Interessen der Allgemeinheit den Vertrag mit der entsprechenden Programmgesellschaft zu k ü n digen 152 , für eine ausreichende Sicherung. Weder beim Fernsehen noch beim Rundfunk sei es allerdings wünschenswert, daß ein Verlag über mehr als 10 % des stimmberechtigten Kapitals verfüge oder daß die Pressebeteiligung insgesamt mehr als 25 % des Kapitals ausmache. Das gesetzliche Recht der örtlich betroffenen Zeitungsverleger, an Hörfunkstationen beteiligt zu werden 1 5 3 , hält die Annan-Kommission für überflüssig, nachdem sich herausgestellt habe, daß die Verleger durch den kommerziellen Hörfunk keine finanziellen Nachteile erleiden 154 . 1976 war die Pressebeteiligung an den damals bestehenden Hörfunkgesellschaften zum Teil jedoch erheblich höher. Den Extremfall bildete Thames Valley Radio Ltd., wo ein Verlag 4 5 % des stimmberechtigten Kapitals hielt 1 5 5 . Auch i n der Bundesrepublik ist die Beteiligung der Verleger am kommerziellen Rundfunk eine heftig umstrittene Frage. Die Verleger argumentieren vor allem damit, daß sie durch eine Beteiligung für Einnahmeverluste entschädigt werden müßten, die sich aus der Verringerung der Anzeigenwerbung ergebe. Die Schlagkraft dieses Arguments erscheint vor dem Hintergrund der britischen Erfahrungen zumindest zweifelhaft. Für die Verleger ist eine Beteiligung am kommerziellen Rundfunk deshalb besonders reizvoll, weil sie über Erfahrungen i m Bereich der Massenkommunikation verfügen und ihre personellen und sächlichen Ressourcen bei einer entsprechenden Beteiligung mehrfach nutzen können. Sie verfügen über Kontakte zur werbetreibenden Wirtschaft und die entsprechenden Aquisitionsmöglichkeiten. Sowohl unter Gesichtspunkten des Wettbewerbsrechts 156 als auch der Gewährleistung der Meinungsvielfalt erscheint eine Verlegerbeteiligung am kommerziellen Rundfunk dagegen äußerst problematisch. Ange152
s. 14 (1) Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973, siehe oben I I 2 d. s. 18 Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973, siehe oben I I 2 d. 154 Annan-Report (FN 46), Abschnitt 14.18, S. 210. 155 Annan-Report (FN 46), Appendix D, S. 514 ff. ΐ5β v g l . Sondergutachten der Monopolkommission, Wettbewerbsprobleme bei der Einführung von privatem H ö r f u n k u n d Fernsehen. 153
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I I I . Teil: Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation
sichts der fortschreitenden Konzentration auf dem Pressemarkt 157 ist es kaum noch vertretbar, durch eine Vergabe von Rundfunklizenzen an Verleger diesen Konzentrationsprozeß weiter zu fördern. A u f jeden Fall sind gesetzliche Sicherungen gegen Meinungsmonopole erforderlich. Wie sie i m einzelnen auszusehen haben, hängt von der Gestaltung des kommerziellen Rundfunks i n der Bundesrepublik ab. Die institutionelle Rahmengarantie der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG schließt es jedenfalls aus, daß ein Verleger, der die einzige Tageszeitung am Ort herausgibt, auch noch nennenswerten Einfluß auf den lokalen Rundfunk ausübt. Nur bei einer Mehrzahl lokaler Rundfunkstationen darf ihm die Möglichkeit zur Beteiligung an einer dieser Stationen eingeräumt werden. Ein entsprechender Anspruch besteht jedoch nicht. 8. Der Einfluß der Regierung auf den Rundfunk
Wie oben 158 dargelegt, räumen sowohl Licence and Agreement der BBC als auch der Independent Broadcasting Authority Act 1974 dem Innenminister das Recht ein, den Rundfunkveranstaltern die Behandlung bestimmter Themen und damit die Ausstrahlung einzelner Beiträge zu untersagen. Tatsächlich beachtet die Regierung jedoch die Unabhängigkeit des Rundfunks i n der Führung der täglichen Geschäfte peinlich genau. So weigert sich der für den Rundfunk zuständige Minister, i m Parlament Fragen zu beantworten, die die Programmgestaltung betreffen. Sowohl das Pilkington-Committee als auch die Annan-Kommission halten die Verbindung von weitreichenden rechtlichen Einwirkungsbefugnissen auf den Rundfunk mit der äußersten Zurückhaltung i n der Ausübung dieser Befugnisse für einen gelungenen Kompromiß. Einerseits müsse die Regierung imbedingt die Macht haben, den Rundfunk kontrollieren zu können, w e i l er so große Bedeutung für die Gesellschaft habe. Andererseits müsse sie jedoch auf jeden Fall seine Unabhängigkeit wahren und dürfe sich nicht i n Fragen der Programmgestaltung einmischen. Man vertraut mehr auf die öffentliche Empörung, falls die Regierung die Unabhängigkeit einmal nicht beachten sollte, als auf rechtliche Sicherungen 159 . Tatsächlich hat sich dieses Vertrauen bisher als gerechtfertigt erwiesen. Nur einmal i n der jüngeren Vergangenheit stand eine ausdrückliche Anweisung des zuständigen Ministers zur Diskussion. Die BBC sendete i m Januar 1972 den Beitrag „The Question of Ulster". Anfang 157
Vgl. Monopolkommission (FN 156), S. 12 f. I I 1 u n d 2 d. 159 Pilkington-Report (FN 37), Abschnitte 378 ff., S. 114 ff.; Annan-Report (FN 46), Abschnitte 5.8 ff., S. 42 ff.; Lincoln (FN 8), S. 126. 158
9. Kap.: Duale Rundfunkorganisation i n Großbritannien
297
Dezember 1971 hatte der Innenminister den Vorsitzenden und den Generaldirektor der BBC dazu bewegen wollen, diesen Beitrag abzusetzen. Zu dieser Zeit war der Innenminister zwar für Nordirland, nicht jedoch für den Rundfunk zuständig. Letztere Zuständigkeit lag vielmehr damals noch beim Postmaster General. Die Vertreter der BBC weigerten sich, den Beitrag von sich aus zu streichen. Sie schlugen jedoch vor, daß die Regierung die Ausstrahlung des Beitrags untersagen könne, falls sie das wünsche. Die BBC würde eine entsprechende Anweisung befolgen, sie aber auch den Zuschauern bekanntgeben. Daraufhin verzichtete die Regierung darauf, eine solche Anweisimg zu erteilen 160 . I n diesem Fall hat sich die Trennung der Verantwortlichkeit und das Recht der BBC, Anweisungen der Regierung bekanntzugeben, als sinnvoll erwiesen. Hätte die Regierung die Ausstrahlung des Beitrags tatsächlich für unzumutbar gehalten, hätte sie selbst die entsprechende Entscheidung treffen und diese i n der Öffentlichkeit vertreten müssen. Die BBC wurde so davor geschützt, daß sie infolge des Drucks der Regierung ihr Programm ändern mußte, obwohl sie dazu nach eigener Einschätzung keine Veranlassung hatte. A u f die Bundesrepublik läßt sich die britische Regelung jedoch nicht übertragen. Einmal abgesehen davon, daß eine entsprechende Tradition der Regierungszurückhaltung und ein entsprechendes Bewußtsein der Öffentlichkeit erst noch begründet werden müßten, erlaubt die institutionelle Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG einen Zugriff der Regierung auf das Rundfunkprogramm nicht. Das Grundgesetz legt die Sicherung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk in die Hände des Gesetzgebers. Das schließt eine Lösung nach britischem Vorbild mit weitreichenden Vollmachten der Regierung, die nur i n Ausnahmefällen i n Anspruch genommen werden, aus.
9. Die Beziehungen zwischen I B A und den Programmgesellsdiaften
Während die Einwirkungsmöglichkeiten der Regierung auf den kommerziellen Rundfunk i n der Praxis kaum Bedeutung haben, bildet die I B A den Punkt, wo staatlicher und privater Bereich aufeinandertreffen 181 . Die I B A ist nicht Aufsichtsbehörde, sondern zumindest nach den Buchstaben des Gesetzes Veranstalter des kommerziellen Rundfunks. Die Programmgestaltung liegt jedoch in den Händen der Programm180
Annan-Report (FN 46), Abschnitt 5.11, S. 43. Z u m Folgenden Dix (FN 33), S. 364 ff.; Montag (FN 26), S. 63 f.; Michael Schacht, Macht u n d Ohnmacht öffentlicher K o n t r o l l e über privaten R u n d funk, i n : Media Perspektiven 1981, 689. 161
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I I I . T e i l : Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation
gesellschaften, die I B A verfügt allerdings über die oben 162 geschilderten weitreichenden Weisungsbefugnisse gegenüber den Gesellschaften. Diese eigentümliche Gemengelage zwischen Staat und Privatwirtschaft hat i n Großbritannien immer wieder zu Problemen geführt. Die Pilkington-Kommission hat i n i h r das Grundübel der Organisation des kommerziellen Rundfunks gesehen: Wenn die I T A die Programmgesellschaften ausgewählt habe, hänge das Programm des kommerziellen Fernsehens allein von deren Initiative ab. Deshalb sei es entscheidend, die richtigen Gesellschaften auszuwählen. Sie haben zwei Aufgaben zu erfüllen: eine öffentliche, die mit Ausgaben verbunden ist, — das bestmögliche Fernsehprogramm zu liefern — und eine private, die Einnahmen bringt, — Werbezeit zu verkaufen. I m Idealfall sollte die I T A solche Programmgesellschaften auswählen, die der öffentlichen Aufgabe Vorrang vor der privaten einräumen — trotz ihrer natürlichen kommerziellen Interessen und trotz der Pflichten des Managements gegenüber den Gesellschaftern. Es läßt sich aber kaum durchführen, die persönliche Überzeugung der Verantwortlichen einer Programmgesellschaft tatsächlich zum entscheidenden Auswahlkriterium zu machen. Ein früheres Mitglied der I T A , Dr. Honeyman, berichtete denn auch, daß es zwar oberstes Ziel des Auswahlverfahrens war, keine Spekulanten als Vertragspartner zu bekommen, daß aber genau das von wenigen Ausnahmen abgesehen geschah 183 . Die Pilkington-Kommission hielt die Kontrollbefugnisse der I T A nach Vergabe der Verträge für illusorisch und unbedeutend. Die möglichen Vertragsstrafen machten wegen ihrer Höhe auf die Gesellschaften keinen Eindruck, während das Kündigungsrecht bei Verstößen gegen Programmrichtlinien einen so harten Eingriff bildete, daß es auch nach eigener Auffassimg der I B A praktisch kaum anzuwenden war, zumal in einem solchen F a l l in absehbarer Zeit kein Ersatz für die ausgefallene Gesellschaft zu beschaffen wäre. So bleibe nur die Möglichkeit, die Ausstrahlung einer beanstandeten Sendung zu verweigern. Auch diese Sanktion komme aber nur i n extremen Einzelfällen i n Betracht und sei als allgemeines M i t t e l der Programmkontrolle ungeeignet 184 . 162
I I 2 d. Pilkington-Report (FN 37), Abschnitte 552 ff., S. 62 ff. Diese Einschätzung stimmt m i t dem Bericht überein, den der Mehrheitsgesellschafter von Scottish Television, der spätere L o r d Thomson of Fleet, i n seinen Memoiren gibt: Er w a r zwar Miteigentümer mehrerer kleiner Hörfunkstationen i n Kanada, hatte sich aber nie u m deren Betrieb gekümmert u n d besaß auch keine Vorstellungen darüber, w i e man Fernsehen veranstaltet. W e i l er sich jedoch v o m Betrieb einer kommerziellen Fernsehstation große Gewinne v e r sprach, bewarb er sich u m einen Vertrag u n d erhielt i h n ohne Schwierigkeiten, vgl. Lord Thomson of Fleet (FN 133), S. 40 ff., 49. 164 Pilkington-Report (FN 37), Abschnitte 558 ff., S. 164 ff. 163
9. Kap. : Duale Rundfunkorganisation i n Großbritannien
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Abhilfe sah die Pilkington-Kommission nicht i n der Erweiterung der Kontrollbefugnisse der I T A , die am Grundproblem nichts ändern w ü r den. Vielmehr müsse die Programmgestaltung von dem kommerziellen Anreiz getrennt werden, die größtmögliche Zahl von Zuschauern und damit größtmögliche Werbeeinnahmen zu erreichen. Der Gewinn der Programmgesellschaften müsse von der Qualität ihrer Programme abhängen. Dazu müßten die Gesellschaften auf die Produktion von Beiträgen für ein kommerzielles Fernsehen beschränkt werden, das die I T A plane und durch Verkauf von Werbezeit finanziere 1®5. Da diese Empfehlung nicht verwirklicht wurde, blieben die folgenden Kommissionen darauf angewiesen, systemimmanente K r i t i k zu üben. Das Select Committee kritisierte, daß die I B A sich mehr von den Bedürfnissen der Programmgesellschaften, insbesondere der großen Network-Gesellschaften, als von den Bedürfnissen des Publikums leiten lasse1®®. Wiederum wurde festgestellt, daß die I B A selbst bei extrem schlechten Leistungen einer Programmgesellschaft faktisch nicht i n der Lage sei, deren Vertrag zu kündigen, w e i l es zu lange dauern würde, bis Ersatz gefunden wäre 1®7. Der Bericht warnte davor, bei der Entscheidung über die Vergabe von Verträgen die bisherigen Vertragspartner zu bevorzugen, weil das zu einem ewigen Monopol beim Verkauf von Werbezeit für ein bestimmtes Gebiet führe 1®8. Konkret kritisierte das Select Committee das Verhalten der I T A während der Krise von London Weekend Television i m Jahre 1971. Die Gesellschaft hatte aufgrund ihrer Programmpläne 1968 zum ersten Mal einen Vertrag erhalten, konnte jedoch i n der Folgezeit die i n sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Zudem hatte nach Vertragsschluß ein Zéitungskonzern beherrschenden Einfluß i n der Gesellschaft gewonnen. Die I B A griff trotzdem aus Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen und den Schwierigkeiten bei der Ersatzbeschaffung nicht ein1®9. Die K r i t i k des Annan-Committee ging praktisch i n die entgegengesetzte Richtung, wenn es der I B A vorwarf, sich zu sehr i n die Programmproduktion einzumischen. Die Verantwortungsbereiche sollten klar getrennt werden: Die Gesellschaften entscheiden, welche Beiträge sie i n welcher Form anbieten, die I B A entscheidet über die Ausstrahlung der angebotenen Beiträge. Eine Vermischung beider Verantwortungsbereiche derart, daß Behördenvertreter mit den Verantwortlichen der Programmgesellschaften geplante Sendungen bis ins Einzelne ab105 168 167 168 169
Pilkington-Report Select Committee Select Committee Select Committee Select Committee
(FN 37), Abschnitte 577 ff., S. 169 f. (FN 38), Abschnitt 148, S. L X I I I . (FN 38), Abschnitte 37 f., S. X V I I I . (FN 38), Abschnitte 34, 40, S. X V I I , X I X . (FN 38), Abschnitte 36 ff., S. X V I I ff.
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I I I . T e i l : Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation
stimmen, sei abzulehnen. Die I B A solle sich auf allgemeine Richtlinien beschränken und nur i n den Ausnahmefällen einen einzelnen Beitrag vor der Ausstrahlung ansehen, wo sie begründeten Anlaß zu der Vermutung habe, daß Programmgrundsätze nicht beachtet worden seien. Kleine Fehler könne die I B A nachträglich i n internen Besprechungen beanstanden, bei gröberen Verstößen könne die K r i t i k öffentlich erfolgen und eine öffentliche Entschuldigung der Programmgesellschaft verlangt werden 1 7 0 . Diese Bemerkungen des Annan-Report sind vor dem Hintergrund mehrerer Vorfälle zu sehen, i n denen die Ausübung der Kontrollbefugnisse durch die I B A Gegenstand öffentlicher Diskussion gewesen war. So hatte die I B A 1971 den Beitrag South of the Border und 1973 einen Dokumentarfilm über Michael Collins verhindert, die sich beide mit dem Irland-Problem befaßten und angeblich geeignet waren, Gewalttätigkeiten herbeizuführen. 1973 entzündete sich an einer ähnlichen Frage ein Rechtsstreit, der i n Großbritannien viel Aufsehen erregte. Die Programmgesellschaft Granada hatte einen F i l m über das Leben von Andy Warhol angekündigt. Zeitungsberichte erweckten den Eindruck, der F i l m enthalte anstößige Szenen. Leitende Angestellte der IBA, nicht jedoch deren Mitglieder, sahen den F i l m und billigten seine Ausstrahlung. Daraufhin erwirkte Mr. McWhirter, der i n keinerlei besonderer Beziehung zu dem F i l m stand, eine einstweilige Verfügung des Court of Appeal, die die Ausstrahlung vorläufig untersagte. Nach Auffassung des Gerichts hätten unter den außergewöhnlichen Umständen des Falls die Mitglieder der I B A ihrer Pflicht, sich soweit wie möglich zu überzeugen, daß das Programm des kommerziellen Fernsehens nicht gegen den guten Geschmack verstoße 171 , nur dadurch genügen können, daß sie selbst den F i l m angesehen hätten. Nachdem die Mitglieder der I B A das getan hatten, hob der Court of Appeal die einstweilige Verfügung auf und erklärte, daß er nur dann eine Entscheidung der I B A aufheben werde, wenn sie rechtswidrig sei oder gegen Denkgesetze verstoße 172 . Bemerkenswert an diesem U r t e i l ist nicht so sehr, daß das Gericht die Mitglieder der I B A dazu verpflichtet, persönlich t ä t i g zu werden. Das legt schon der W o r t l a u t des Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973 nahe 1 7 3 . Interessant ist aber die prozessuale Entscheidung, daß ein beliebiger Bürger unter bestimmten Umständen die T ä t i g k e i t der I B A gerichtlich überprüfen lassen kann. Es handelt sich dabei u m eine Besonderheit des britischen Prozeßrechts, dem grundsätzlich eine Popularklage fremd ist. Die Interessen 170
Annan-Report (FN 46), Abschnitte 13.1 ff., S. 186 ff. s. 4 (1) (a) Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973. 172 Attorney- General ex rel. M c W h i r t e r v. Independent Broadcasting A u t h o r i t y (1973) Q. B. 629. 173 Siehe F N 171. 171
9. Kap. : Duale
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der Allgemeinheit v e r t r i t t der Attorney-General, ein Regierungsmitglied, der auch den Staat oder staatliche Organe verklagen kann. W i l l sich ein beliebiger, nicht besonders betroffener Bürger trotzdem selbst an die Gerichte wenden, muß er sich der relator action bedienen. Dabei handelt es sich u m eine Klage i n Vertretung des Attorney-General (action on the relation of the Attorney-General), die dessen Zustimmung bedarf. I n dem geschilderten F a l l hatte es der Attorney-General abgelehnt, von A m t s wegen einzuschreiten. Er hatte es jedoch dem Kläger M c W h i r t e r freigestellt, u m seine Z u s t i m m u n g zu einer relator action zu bitten. Als M r . M c W h i r t e r d i r e k t zum Gericht ging, ohne zuvor u m diese Z u s t i m m u n g nachzusuchen, verweigerte i h m Forbes J., ein Richter der Queen's Bench Division des H i g h Court, die beantragte einstweilige Verfügung. Der Court of Appeal gewährte sie, w e i l er der Auffassung war, die Zeit bis zur geplanten A u s strahlung des Beitrags sei zu kurz gewesen, u m das Zustimmungsverfahren durchzuführen. Später stellt sich diese Annahme als unzutreffend heraus, der Attorney-General gab jedoch nachträglich seine Zustimmung zu der Klage McWhirters.
Unabhängig von den geschilderten prozessualen Feinheiten ist es bemerkenswert, daß ein Mitglied des Publikums i n jedem Fall mit Zustimmung des Attorney-General, unter außergewöhnlichen Umständen sogar aus eigenem Recht 174 Programmentscheidungen gerichtlich überprüfen lassen kann. 1974 verhinderte die I B A unter Berufung auf ihre Verpflichtung, für die Unparteilichkeit (due impartiality) 1 7 5 des Fernsehprogramms zu sorgen, den Beitrag Cudlipp's Crusade, w e i l darin sozialistische A n schauungen geäußert würden. Z u anderen Zeiten beständen dagegen keine Bedenken, 1974 wurden jedoch allgemein Parlamentswahlen erwartet, deren Termin i n Großbritannien der Premierminister bestimmt. Obwohl das offiziell noch nicht geschehen war, hielt die I B A den Beitrag zu dieser Zeit für unzulässig. Ein anderer Vorfall betraf den F i l m Reds under the Bed, der sich mit den Beziehungen zwischen Labour Party, kommunistischer Partei und Gewerkschaften befaßte. Der Produzent des Films, Woodrow Wyatt, durfte nicht sagen, daß Briefwahlen bei Gewerkschaftswahlen der richtige Weg seien, um die kommunistische Kontrolle der Labour Party zu beenden. Nach Auffassung der I B A verbietet die Verpflichtung zu due impartiality, daß ein Produzent seine Meinung wie eine Tatsachenbehauptung äußert 176 . E i n anderes M a l griff die I B A i n eine Sendung des bekannten b r i t i schen Fernsehstars David Frost über Nordirland ein. Die I B A unter174 Vgl. dazu Gouriet v. Union of Post Office Workers (1977), Q. B. 729; zum Ganzen Street (FN 8), S. 79 f. 175 Vgl. s. 4 (1) (f) Independent Broadcasting A u t h o r i t y A c t 1973 u n d Lincoln (FN 8), S. 129 f. 17β Dazu Street (FN 8), S. 79 f.
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I I I . Teil: Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation
sagte die Live-Übertragung des Beitrags, i n dem Frost Rory O'Brady, den Führer von Sinn Féin, interviewen wollte, und bestand auf einer Aufzeichnung. O'Brady befand sich i n einem Studio i n Hamburg, die Zuschauer i n einem Studio i n Leeds. I n London sollten noch vier Parlamentsabgeordnete teilnehmen. Als O'Brady auf dem Bildschirm erschien, verließ ein Großteil des Publikums das Studio. Auch die vier Abgeordneten entfernten sich aus dem Londoner Studio, w e i l sie vorher nicht über den A u f t r i t t von O'Brady informiert worden waren. A u f die Beschwerde der Abgeordneten h i n untersagte der Generaldirektor der I B A die Ausstrahlung des Beitrags 177 . Granada mußte einen F i l m über den Poulson-Konkurs kürzen, der in Großbritannien großes Aufsehen erregt hatte. Betroffen waren Äußerungen über Beteiligte, die i m Konkursverfahren gemacht worden waren und über die die Presse vollständig und rechtmäßig berichtet hatte. Die I B A begründete i h r Vorgehen damit, daß die Betroffenen i m Konkursverfahren keine Möglichkeit gehabt hätten, Gegenbeweise vorzulegen 178 . I m vorliegenden Zusammenhang geht es nicht darum, ob die I B A sich i n den geschilderten Fällen richtig verhalten hat. Das ist ohne nähere Kenntnis der einzelnen Umstände nicht zu sagen. Die Beispiele sollen nur zeigen, daß die I B A tatsächlich auch i n Einzelfragen aktiv i n die Programmgestaltung eingreift und ihre gesetzliche Verantwortung wahrnimmt. Letztlich entscheiden nicht die Programmgesellschaften, sondern die I B A verbindlich über den Inhalt des Programms. Die Tätigkeit der I B A hinwieder kann unter bestimmten Voraussetzungen gerichtlich überprüft werden. Andererseits ist es aber nicht die I B A , die das Programm zusammenstellt. Das ist vielmehr Aufgabe der Programmgesellschaften. A u f die Bundesrepublik läßt sich ein solches Organisationsmodell nicht übertragen. Sowohl die institutionelle Rahmengarantie des A r t i kel 5 Absatz 1 Satz 2 GG als auch das Zensurverbot des A r t i k e l 5 A b satz 1 Satz 3 GG schließen es aus, daß einerseits die Programmgestaltung privaten Unternehmen überlassen wird, dann aber eine staatliche Stelle i n Einzelfällen i n die Programmgestaltung eingreift und Weisungen erteilt. Es wäre nur möglich, daß ähnlich dem Vorschlag der Pilkington-Kommission eine öffentlichrechtliche, nichtstaatliche Einrichtung als Rundfunkveranstalter auftreten und privaten Unternehmen Programmbeiträge abkaufen würde, u m sie selbst i n eigener Verantwortung zu senden. Eine solche Konstruktion hätte zwar den Vorteil, das i m britischen Modell typische Auseinanderfallen von kommerziellen 177 178
Z u m Ganzen Lincoln (FN 8), S. 136 f. Dazu Street (FN 8), S. 81 f.
9. Kap. : Duale Rundfunkorganisation i n Großbritannien
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Interessen der Programmgesellschaften an möglichst vielen Zuschauern und öffentlichem Interesse an einem guten Programm zu vermeiden. Es läßt sich aber kaum noch als kommerzieller Rundfunk bezeichnen, da die Programmgestaltung nicht i n den Händen von Privatleuten läge. Überläßt man hingegen privaten Unternehmen die Programmgestaltung und räumt einer Behörde nur Aufsichtsrechte ein, kommt es mit Sicherheit zu dem geschilderten Interessengegensatz. Die britischen Erfahrungen scheinen m i r zu zeigen, daß dieser Interessengegensatz unlösbar mit dem Prinzip des kommerziellen Fernsehens verbunden ist und nicht von der Ausgestaltung der staatlichen Aufsichtsrechte abhängt. Selbst eine noch so weitreichende Aufsicht bleibt auf Kontrollfunktionen beschränkt und muß die kreative Tätigkeit der Programmgestaltung privaten Unternehmern überlassen, die dabei naturgemäß von ihren kommerziellen Zielen geleitet werden. Die M i t t e l des Rechts reichen nicht aus, den Interessen der Allgemeinheit gegenüber den kommerziellen Interessen zum Durchbruch zu verhelfen. Das gilt besonders angesichts der verfassungsrechtlichen Beschränkungen für Einwirkungen auf private Rundfunkveranstalter, die das Grundgesetz i m Zensurverbot des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 3 GG und der institutionellen Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG enthält. Wenn der Gesetzgeber sich i n der Bundesrepublik für die Einführung von kommerziellem Rundfunk entscheidet, muß er sich auf allgemeine Programmrichtlinien beschränken und darf die Veranstalter nicht Einwirkungen bezüglich der Programmgestaltung unterwerfen.
I V . Zusammenfassung Der Blick auf die Lage des Rundfunks i n Großbritannien hat Probleme gezeigt, die sich auch i n der Bundesrepublik Deutschland ergeben können, wenn neben die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten private Veranstalter treten, die kommerzielle Ziele verfolgen. Sicherlich werden nicht alle britischen Entwicklungen sich wiederholen. Dazu sind beide Länder trotz aller Gemeinsamkeiten zu unterschiedlich, dazu ist die technische Entwicklung i n den letzten dreißig Jahren zu schnell vorangeschritten. Zum Beispiel ist kaum zu erwarten, daß die Zulassung privater Rundfunkveranstalter i n der Bundesrepublik große Probleme aufwerfen wird, da aller Voraussicht nach genügend Übertragungswege zur Verfügung stehen werden. Eher könnte es problematisch sein, genügend Veranstalter zu finden, u m die erforderliche Vielfalt i m Rundfunk sicherzustellen. Es ist keineswegs sicher, daß die bundesdeutsche Wirtschaft ihre Ausgaben für die Werbung so steigern
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I I I . Teil: Tatsächliche Formen der Rundfunkorganisation
wird, daß mehrere kommerzielle Rundfunkveranstalter davon existieren können. Wenn die Zahl der angebotenen Programme steigt, sinkt zudem die Zahl der Zuschauer und Zuhörer, die das einzelne Programm erreicht. Damit verringern sich automatisch die Werbeeinnahmen. Für die Frage der Übertragbarkeit britischer Erfahrungen ist weiter die unterschiedliche geschichtliche Situation beider Staaten von Bedeutung 179 . Die Briten blicken auf eine jahrhundertealte demokratischparlamentarische Tradition zurück, i n der sich Regeln für das politische Leben entwickelt haben, die zwar oft rechtlich nicht bindend sind, die aber von allen Beteiligten als verbindlich beachtet werden. Die Gesellschaft Großbritanniens w i r d noch deutlich durch Klassenunterschiede geprägt. Eine Elite beherrscht das öffentliche Leben, die auch aufgrund ihrer gemeinsamen Erziehung an den traditionellen Schulen und Universitäten des Landes Grundvorstellungen über den Ablauf des öffentlichen Lebens teilt („old-boy-system"). Wer ein öffentliches A m t innehat, fühlt sich in der Regel zumindest nicht vornehmlich einer politischen Partei verpflichtet, sondern bemüht sich um eine unparteiische Amtsführung, sei es aus einem bestimmten Ethos heraus, sei es, um die Erwartungen seiner Umwelt nicht zu enttäuschen. Dagegen kann die Bundesrepublik Deutschland auf solche ungebrochenen Traditionen nicht zurückblicken. Es gibt keine Machtelite, die das öffentliche Leben auf der Grundlage gemeinsamer Überzeugungen beherrscht. Die Rolle der politischen Parteien reicht weit über den Bereich des Parlaments hinaus, öffentliche Ämter werden von den Parteien oft i n Erwartung entsprechender Gegenleistungen vergeben. Neben die sozialen Unterschiede treten die gravierenden Unterschiede i n der Rechtsordnung. I n Großbritannien fehlt eine geschriebene Verfassung mit Grundrechten, das Parlament gilt als souverän, i n der Bundesrepublik ist das Parlament an das Grundgesetz gebunden, über dessen Auslegung das Bundesverfassungsgericht verbindlich entscheidet. Das macht es immöglich, Regelungen des britischen Rechts einfach i n die Bundesrepublik hinüberzunehmen. Es schließt aber nicht aus, Lehren aus den britischen Erfahrungen mit der Lösung von Problemen zu ziehen, die die Einführung kommerziellen Rundfunks mit sich bringt. Als Grundproblem hat es sich in Großbritannien erwiesen, daß die Interessen der kommerziellen Rundfunkveranstalter an möglichst viel Zuschauern nicht mit dem Interesse der Allgemeinheit an einem möglichst guten Programm übereinstimmen. Wenn i n der Bundesrepublik behauptet wird, der beste Beweis für ein gutes Programm sei die Zahl der Zuschauer, so setzen die Überlegungen des Pilkington-Committee 179
Vgl. zum Folgenden auch von Haase (FN 124), S. 17.
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zur mangelnden Aussagekraft der Zuschauerzahl für die Befriedigung der Interessen der Zuschauer hinter diese Behauptung zumindest ein deutliches Fragezeichen. Es sollte zu denken geben, daß auch die Befürworter kommerziellen Rundfunks i n der Bundesrepublik die Programmgestaltung keineswegs allein den privaten Unternehmern überlassen, sondern ihnen Programmrichtlinien vorschreiben und entsprechend Aufsichtsbehörden einrichten wollen. Könnte man wirklich auf das freie Spiel der Kräfte vertrauen, wären solche Beschränkungen überflüssig. Die britischen Erfahrungen mit dem Versuch, die öffentlichen Interessen gegen die privaten Interessen durchzusetzen, sind nicht sehr ermutigend. Wenn es nicht gelingt, das kommerzielle Fernsehen von vornherein so zu organisieren, daß der wirtschaftliche Erfolg für den Unternehmer nicht von der Zahl der Zuschauer abhängt, sind Programmgrundsätze und Programmaufsicht offenbar keine sonderlich effektiven Mittel, u m eine bestimmte Gestaltung des Programms durchzusetzen. Organisationsformen, die den wirtschaftlichen Erfolg an die Programmqualität knüpfen, sind Pay-TV und ein System, bei dem die privaten Unternehmer nur die Beiträge für das Programm einer öffentlichrechtlichen Einrichtung liefern, die auch das Werbegeschäft übernimmt. Gerade daß man i n Großbritannien trotz nahezu unbeschränkter rechtlicher Möglichkeiten nur sehr begrenzte Erfolge mit der externen Programmsteuerung gehabt hat, gibt für die Bundesrepublik zu Bedenken Anlaß. Die institutionelle Rahmengarantie der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk verlangt zwar vom Staat, daß er auch i m kommerziellen Rundfunk die Meinungsvielfalt sichert. Sie schließt es jedoch ebenso wie das Zensurverbot des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 3 GG aus, daß der private Veranstalter bei der Gestaltung des Programms Einzelweisungen unterworfen wird. Wesentlich erscheint m i r weiter, daß die i n der Bundesrepublik oft gehörte Behauptung, die Einführung von kommerziellem Rundfunk lasse den öffentlichrechtlichen Rundfunk unberührt, sich angesichts der britischen Erfahrungen nicht halten läßt. Auch i n der Bundesrepublik würden die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten genötigt sein, den Kampf u m die Zuschauergunst aufzunehmen. „Mehr Wettbewerb" ist ja auch gerade ein Hauptargument der Befürworter eines kommerziellen Rundfunks i n der Bundesrepublik. Wer für die Einführung von kommerziellem Rundfunk i n der Bundesrepublik plädiert, muß sich darüber i m klaren sein, daß er damit die Einschaltquoten zum obersten Programmgrundsatz erhebt.
Schluß Das Grundgesetz schätzt die Freiheit des Rundfunks durch die institutionelle Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Sie räumt dem Gesetzgeber für die anstehenden Entscheidungen über die Organisation des Rundfunks politischen Gestaltungsspielraum ein, nimmt i h n zugleich aber auch i n die Verantwortimg. Mangels eines Individualgrundrechts des Bürgers, selbst Rundfunk zu veranstalten, ist der Staat verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, neben oder an Stelle der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten privaten bzw. kommerziellen Rundfunk einzuführen. Er ist aber i n jedem Fall verpflichtet, den Rundfunk vor dem Zugriff des Staates oder einzelner gesellschaftlicher Gruppen zu schützen und dafür Sorge zu tragen, daß der Bürger sich sachgerecht informieren kann. Der Rundfunk insgesamt muß ein Forum für die Vielfalt der i n der Bundesrepublik vertretenen Meinungen sein. U m diese Freiheit des Rundfunks geht es dem Grundgesetz, nicht um die Gewährleistung wirtschaftlicher Betätigungschancen möglicher Rundfunkveranstalter. Auch für A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gilt, was der U.S. Supreme Court i n seiner Entscheidung Red Lion Broadcasting Co. v. FCC First Amendment der Verfassung der USA gesagt hat: „ I t is the right of the viewers and listeners, not the right of the broadcasters, which is paramount 1 ." Die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk ist nicht um ihrer selbst w i l l e n gewährleistet, sie ist auch nicht u m der Rundfünkveranstalter willen gewährleistet, sondern wegen ihrer Bedeutung für die Information der Bürger und für die freie B i l dung der öffentlichen Meinung. Auch A r t i k e l 12 Absatz 1 GG nötigt den Staat nicht, alle technisch möglichen Formen der Rundfunkkommunikation tatsächlich zu verwirklichen. Selbst wenn der Beruf des privaten Rundfunkveranstalters theoretisch denkbar erscheint, kann der Bürger aus dem Grundrecht der freien Wahl des Berufs keinen Anspruch darauf ableiten, selbst solch einen Beruf zu erfinden. Das Grundrecht schützt i h n nur davor, daß der Staat i h m einen Beruf zuweist oder bei der Berufswahl Druck auf ihn ausübt. Gegenstand seiner Wahl sind aber nur die Berufe i n der Gestalt, wie sie der Gesetzgeber ausgeformt hat. Solange in der Bundesrepublik die Veranstaltung von Rundfunk öffentlichrechtlichen 1
395 U. S. 367, 390.
Schluß
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Anstalten vorbehalten bleibt, ist der Bürger darauf beschränkt, den Beruf des Mitarbeiters einer dieser Rundfunkanstalten zu wählen. A r t i k e l 12 Absatz 1 GG hindert den Gesetzgeber auch nicht, bestimmte Tätigkeiten wie die Veranstaltung von Rundfunk dem Bereich der W i r t schaft zu entziehen. Das Grundgesetz läßt die Frage nach der W i r t schaf tsverfassung und damit die Frage nach der Grenze zwischen dem Bereich des Staates und dem Bereich unternehmerischer Tätigkeit offen. Der Staat ist bei der Einrichtung von Verwaltungsmonopolen nur an die allgemeinen Schranken seiner Tätigkeit wie Kompetenzbestimmungen, das Willkürverbot und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gebunden. Die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation der Bundesrepublik genügt i m Prinzip den Anforderungen des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. Der Gesetzgeber verstößt nicht gegen die institutionelle Rahmengarantie, wenn er die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk i n die Hände pluralistisch besetzter Kollegialorgane der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten legt. Er muß die Gruppenvertreter allerdings ausdrücklich darauf verpflichten, nicht die Sonderinteressen ihrer Gruppen, sondern die Interessen der Allgemeinheit i m Bereich des Rundfunks zu vertreten. Außerdem müssen Organisation und Verfahren der Besetzung der Kollegialorgane so angelegt sein, daß sie nicht dem Zugriff der Staatsvertreter oder der Vertreter einzelner gesellschaftlicher Gruppen, insbesondere der politischen Parteien, offenstehen. Diesen Anforderungen genügt die gesetzliche Organisation des Zweiten Deutschen Fernsehens, des Saarländischen Rundfunks, des Westdeutschen Rundfunks und der Bundesrundfunkanstalten nicht. Sie ist deshalb verfassungswidrig. Die institutionelle Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG erlaubt es dem Staat, privaten Rundfunk einzuführen. Er muß aber dann dafür Sorge tragen, daß der Rundfunk insgesamt nicht einzelnen Gruppen i n die Hände fällt, daß er dem Bürger eine objektive Information ermöglicht und daß i n seinen Programmen die tatsächlich bestehende Meinungsvielfalt zum Ausdruck kommt. Der Blick nach Großbritannien zeigt, daß die Einführung kommerziellen Rundfunks neben dem bestehenden öffentlichrechtlichen Rundfunk erhebliche Probleme mit sich bringt. Es ist äußerst schwierig, das Interesse der Allgemeinheit an einem guten Rundfunkprogramm gegen das Interesse der kommerziellen Veranstalter an möglichst vielen Zuschauern und damit möglichst hohen Werbeeinnahmen durchzusetzen. Das gilt besonders für die Bundesrepublik, weil die institutionelle Rahmengarantie der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk es ausschließt, privaten Rundfunkveranstaltern über allgemeine Programmrichtlinien hinaus 20·
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Schluß
Einzelweisungen bezüglich der Programmgestaltung zu erteilen. Das britische Modell weitreichender rechtlicher Eingriffsmöglichkeiten des Staates i n den kommerziellen Rundfunk bei gleichzeitiger tatsächlicher strikter Zurückhaltung des Staates läßt sich wegen A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 und 3 GG nicht auf die Bundesrepublik übertragen. So erlaubt die institutionelle Rahmengarantie dem Gesetzgeber zwar, kommerziellen Rundfunk einzuführen, belastet i h n aber auch mit der schwierigen Aufgabe, die Freiheit des Rundfunks durch Vorkehrungen zur Wahrung der Interessen der Allgemeinheit zu sichern. Das Grundgesetz stellt nur einen Rahmen für die gesetzliche Regelung der Organisation des Rundfunks auf. Diesen Rahmen auszufüllen, bleibt dem politischen Prozeß der parlamentarischen Demokratie überlassen.
Ergebnisse in Thesen 1. A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG gewährleistet die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk als institutionelle Rahmengarantie. 2. Die institutionelle Rahmengarantie überläßt die Entscheidung über die Organisation des Rundfunks dem Gesetzgeber, der allerdings dafür zu sorgen hat, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer einzelnen Gruppe ausgeliefert wird, die Bürger sachgerecht informiert sowie die Meinungsvielfalt, die i n der Bundesrepublik besteht, zum Ausdruck bringt. 3. Ein Individualgrundrecht des Bürgers, Rundfunk zu veranstalten, ist i n A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG nicht enthalten. 4. A r t i k e l 12 Absatz 1 GG gewährleistet das Recht des Bürgers, zwischen den Berufen i n ihrer gesetzlich ausgestalteten Form frei und ohne Druck des Staates zu wählen. 5. Ein Recht des Bürgers, Berufe zu erfinden, ist i n A r t i k e l 12 A b satz 1 GG ebensowenig enthalten wie eine Grenze für die Befugnis des Staates, Verwaltungsmonopole einzurichten. 6. Die öffentlichrechtliche Rundfunkorganisation i n der Bundesrepublik ist unabhängig von der Weiterentwicklung der Kommunikationstechnik i m Prinzip m i t dem Grundgesetz vereinbar. 7. Die rechtliche Organisation des Zweiten Deutschen Fernsehens, des Saarländischen Rundfunks, des Westdeutschen Rundfunks und der Bundesrundfunkanstalten schützt diese Rundfunkveranstalter nicht vor dem Zugriff staatlicher Stellen sowie der politischen Parteien und verstößt deshalb gegen die institutionelle Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 GG. 8. Das britische Modell des Schutzes der Freiheit des Rundfunks durch weitreichende rechtliche Eingriffsbefugnisse staatlicher Stellen verbunden mit tatsächlicher äußerster Zurückhaltung des Staates verstieße i n der Bundesrepublik gegen die institutionelle Rahmengarantie des A r t i k e l 5 Absatz 1 Satz 2 QQ und ist deshalb nicht übertragbar,
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Ergebnisse i n Thesen
9. Das britische Beispiel zeigt, daß es sehr schwierig ist, mit rechtlichen M i t t e l n wie Programmgrundsätzen und Programmaufsicht den Interessen der Allgemeinheit an einem guten Rundfunkprogramm gegenüber den kommerziellen Interessen privater Rundfunkveranstalter an möglichst vielen Zuschauern und möglichst hohen Werbeeinnahmen zum Druchbruch zu verhelfen. 10. Das britische Beispiel zeigt ebenfalls, daß kommerzielle Konkurrenz auch öffentlichrechtliche Rundfunkveranstalter zwingt, ihr Programm mehr auf Einschaltquoten denn auf Programmgrundsätze auszurichten.
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averzeichnis A b w ä g u n g 181, 185, 201, 227, 229 Abwehrrecht 20, 59 ff., 96, 129, 140, 184, 213, 216, 224, 228 f. additional payments 291 ff. A k t u a l v e r m i t t l u n g 66 Alltagstheorie 227 Angemessenheit 161 ff., 200 f., 217 f., 227 232 Apotheker 161 f., 175 A p o t h e k e n - A n w ä r t e r 157, 165 Apotheken-Mehrbetrieb 155,160 f. Arbeitsgemeinschaft der H u n d f u n k anstalten Deutschlands 40, 287 Arbeitskräftemangel 170,172 Arbeitslosigkeit 172 Arbeitsplatz 209, 231 A r b e i t s v e r m i t t l u n g 170, 173 Arbeitszwang 210, 222 A r z n e i m i t t e l Verordnung 154 A r z t 162, 175, 220 Attorney-General 301 Aufsichtsmittel 241 Auslegung 73 ff. Ausbildungsstätte 209, 212, 231 Auswärtige Gewalt 149 Bayerischer R u n d f u n k 246 ff. Bedürfnisprüfung 175, 220 ff. Bekenntnisfreiheit 95 f. Beruf 153 ff., 228 — Aufnahme 177,180 — Ausbildung 212 f., 220, 223 — Ausübimg 155 f., 161, 165, 174 ff., 186, 199 f., 208, 214, 216, 220, 232 — Ausübungsregelung 156 ff., 164, 217 221 f. 227 — Begriff 162, 166, 177 f., 181, 186, 189, 200 f. — Bestimmung 154, 200, 203, 207, 210, 216, 223, 226, 231 f. — B i l d 153 ff., 165 ff., 170, 176 ff., 186, 194, 200 f., 216 f., 225 ff. — Fähigkeit 177 — L e n k u n g 185, 225, 229 — staatlich gebundener 194 — Tätigkeit 162, 184, 201, 209 — T e i l 200, 228 — W a h l 156 f., 161, 165, 174 ff., 179 ff., 195, 199 f., 202, 206 ff., 218 ff., 280, 306
— Zulassungs Voraussetzungen 154 ff., 163 f., 168, 174 ff., 189, 193, 220 ff. — Z w a n g 177 Berufsauffassung 204 ff. Berufsrecht 174 ff., 189, 217, 225 Besatzungsmacht 239 Besatzungsrecht 238 Bezirksschornsteinfeger 169 Bildschirmtext 90 f., 94 Bindungswirkung 201 Binnenpluralismus 47 ff., 246 ff., 307 B r i t i s h Broadcasting Company 263 B r i t i s h Broadcasting Corporation 147 f., 236, 261, 263 ff., 288 ff. Broadcasting Complaints Commission 273 Buchführungshilfe 158, 162 Buchführungsprivileg 158 ff. Bundesrechtsanwaltsordnung 217 Bundesrundfunkanstalten 241 f., 251 ff., 307 Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger 40 Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände 251 Bundesverkehrsminister 165 Chancengleichheit 194 ff. Channel Four Television Company L i m i t e d 271 c i v i l liberties 261 f. Committee on the Future of Broadcasting 277 ff. constitutional conventions 265 Court of Appeal 300 f . Demokratie 65, 67 f., 98, 105, 117, 131, 172, 243, 278, 308 Deutsches Reich 215 Deutsche Stunde 110 Deutsche Welle (s. Bundesrundfunkanstalten) Deutschland-Fernsehen-GmbH 18, 20, 23 f., 26, 239 Deutschlandfunk (s. Bundesrundfunkanstalten) Diskriminierungsverbot 215 Drahtlose Dienst A G 112, 114 f., 117 Drittes Reich 137, 191, 214, 218 Droschkenverkehr 228
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averzeichnis
Eigentum 127, 214 Eignung (s. Geeignetheit) Eingriff 96, 165, 181 Einheit der Verfassung 76 Einkommensumverteilung 233 Einschaltquoten 289 ff., 305 Elite 304 Ein-Zeitungs-Kreis 123 Entdeckungszusammenhang 77 Entscheidungstheorie 183 Entstehungsgeschichte 77 f., 106, 108, 127, 138, 146, 148, 191, 218 ff., 231 Erdölerzeugnis 164 Erforderlichkeit 159 ff., 200 f., 217 f., 226 f., 232 Ersatzvornahme 241 Europarat 146 Exklusivrechte 292 f. Facharzt 165 Falsifikation 77 ff. Fernmeldeanlagengesetz 85, 89 Fernmeldevertrag, Internationaler von Malaga/Torremolinos 85, 89 Fernmeldewesen 83 ff. Fernsprechnetz 91 Filmfreiheit 59, 71, 80, 97 ff., 121 Folgenerwägungen 77, 108 Freiheit — Begriff 62 f. — der Berichterstattung durch Rundfunk (s. Rundfunk) — individualrechtliche 27, 34, 63 — institutionelle 21, 23 f., 26 ff., 32, 61 ff., 224, 229 — objektivrechtliche 34, 53, 61 f., 67 ff., 94 f., 129, 224 freies Spiel der K r ä f t e 29 ff., 45 ff., 124, 139, 172, 196, 214, 280, 305 Freizügigkeit 106, 214 f., 219, 221 f. Frequenzknappheit 31 f., 45, 61, 102 ff., 122, 196 Frühstücks-Fernsehen 270 Funkanlagen 85, 89 Funkhoheit 111 Funktionsgrundrecht 68 Geeignetheit 159 ff., 200 f., 217 f., 226 f., 232 Geisteswissenschaft 72 f. Gemeinschaftsgut 159 f., 165, 168, 171 f., 178 f., 186, 190, 192, 195 ff., 228, 230, 234 Genese (s. Entstehungsgeschichte) Generalklausel 79 Gesetz — allgemeines 136, 139 — Materialien 106 — Vorbehalt 174, 208, 219 ff.
Gesetzgebungskompetenz 19, 83 ff., 102, 149 f., 167, 227, 255, 307 Gewerbe 174, 213, 220 — Freiheit 99, 175, 212, 216, 222 — Ordnung 174 f., 215, 222 f. Gewerberecht 174, 220 f. Gewerkschaften 251, 301 Gewinnabschöpfung 293 Gewohnheitsrecht 182 Glaubensfreiheit 95 Gleichheit 184 Grundrechte 261 f., 304 (s. auch A b wehrrecht, Funktionsgrundrecht, Individualrecht, Instrumentalgrundrecht, Maßgabegrundrecht) — Dogmatik 139 — Interpretation 84, 229 — Theorie 77 Gruppen, gesellschaftliche 22 ff., 30 ff., 39, 44, 46 ff., 51 ff., 104 f., 129, 239 ff., 276, 306 Güterfernverkehr 165 Handlungsfreiheit, allgemeine 217, 226, 230, 232 Handwerksordnung 156 Hermeneutik 72 f. Herrenchiemsee-Entwurf 96, 218 Hessischer Rundfunk 246 H i g h Court 301 Hochschulwesen 170 House of Commons 261 House of Lords 261 Indigenat 215 Independent Broadcasting A u t h o r i t y 263, 269 ff. Independent Local Radio 270 Independent Television A u t h o r i t y 267 ff . Independent Television News 286 Individualisierung 61 Individualgrundrecht (s. I n d i v i d u a l recht) Individualrecht 26, 28, 35, 42, 51 ff., 56 ff., 61, 67 ff., 81, 94 ff., 120, 123, 127 ff., 134, 136 ff., 196, 207, 209, 224, 229, 235, 262, 279, 306 Informationsfreiheit 33, 42 f., 46, 61, 66, 68, 128, 138 institutionelle Garantie 105, 128, 196 institutionelle Rahmengarantie 17, 94 f., 105, 129, 137 ff., 235 ff., 276, 280, 296 f., 302 f., 305 ff. Instrumentalgrundrecht 67 Integration 73, 76 Integrationsgleichheit 68 Interpretation 73 ff. — Methoden 72 ff.
Sachverzeichnis Kassenarzt 162 f. Kehrbezirk 169 Kehrzwang 169 Kirche 102, 250 f. Kodex 79 K ö n i g / K r o n e 261 f. Kommission für den Ausbau des technischen Kommunikationssystems 87 Kompetenz-Kompetenz 192, 232 Konkretisierung 74 f., 78, 80, 108 Konkurrenz 32, 132, 134, 138 (s. auch Wettbewerb) Konsumenten 132 Konzession 34 ff., 49, 54, 103, 111 ff., 136, 142, 146 ff., 151, 221, 262 f., 273, 288 ff., 296 Konzessionsabgabe 292 Koppelungstarif 125 Krankenversicherung 162 K u l t u r h o h e i t 111, 116, 149 Ladenschlußzeiten 193 Landesmediengesetze 235 Lapidarformel 71, 79 Liberalismus 176 Lindauer Vereinbarung 150 Lizenz (s. Konzession) Lohnbuchhaltung 159 f. M a r k t 29, 46, 48, 54, 66, 68, 122, 124, 135, 138, 163 f., 232, 242, 283, 285 ff. — Zutrittschancen 21, 135, 288 Marktwirtschaft 232 f. (s. auch P r i vatwirtschaft) Maßgabegrundrecht 186, 229 Medienfreiheit 68 Medien Verflechtung 124 Meinungsbildung 25, 42 ff., 52 ff., 62 f., 66 f., 101, 123, 128, 190, 243, 306 Meinungsfreiheit 33, 42 f., 46, 48, 61, 66 f., 99 ff., 127 f., 129, 137 f., 140 ff., 147 f., 194, 227, 279, 288 Merkantilismus 216 Methode 74 ff., 107 — geisteswissenschaftliche 72 Methodendiskussion 78 Methodenkanon 76 Methodenvielfalt 72, 78 Milchgesetz 154 Minderheiten 133 f., 278 ff., 290 Mindestposition 226 Mineralölimporthandel 164 f. Monopol 19, 23, 27, 29 ff., 67, 101, 112, 123, 134 f., 143 f., 146 ff., 155, 167 ff., 174, 186 ff., 296, 299 — Arbeitsvermittlung 169, 171 ff., 189, 192, 202 — B r a n n t w e i n 169
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— Finanz 169 — Gebäudeversicherung 169,171,173, 190, 202 — K e h r 169 — öffentlichrechtliches 187 f. — Staats 100, 103, 171 f., 187, 229 — Verwaltungs 174, 187 ff., 202, 218, 223 ff., 307 — Zündwaren 169 Monopolkommission 123 f., 135 Mühle 161 Mühlengesetz 161 Nationalsozialismus 95, 98, 120, 121 Norddeutscher Rundfunk 19,51,244 ff. Nordwestdeutscher Rundfunk 90 Norm — Bereich 75 f. — Konkretisierung 75, 79 — Programm 75 f. — T e x t 75 f. numerus clausus 217, 220 f. öffentliche Aufgabe 171 öffentliche Meinung 15, 20 f., 29 f., 33, 45 f., 53, 68, 98, 105, 131 f., 135, 138, 140, 172 f., 243 f., 279, 294, 306 old-boy-system 304 Oligopol 18, 26, 44, 63, 138, 193, 288 Open Broadcasting A u t h o r i t y 270 Open University 271 Pandekten 108 Parlament 201, 252, 259, 261 f., 275 f., 290 ff., 304 Parlamentarischer Rat 89, 96 ff., 121, 126, 214, 216, 218 ff., 231, 233 — Allgemeiner Redaktionsausschuß 221 — Grundsatzausschuß 97 f., 219 ff. Parteien 51 ff., 104 f., 247 ff., 265, 272, 304, 307 — Proporz 137, 252 ff. Paulskirchenverfassung 212, 214 f. P a y - T V 132, 305 Pilkington-Kommission 276 ff. Pilotprojekte 39, 167, 235 political question doctrine 36 Polizeistaat 214 Postmaster-General 148, 263, 297 Präjudiz 74, 76 f., 79 Prärogative 261 f. Präsidialregierung 116 praktische Konkordanz 76 Presse 45 f., 63, 68, 91 f., 97 ff., 125, 131, 134 ff., 272, 294 ff. — Freiheit 17, 20, 33 f., 50, 59, 68, 71, 80 f., 94, 98 ff., 120 ff.
336
averzeichnis
— Fusionskontrolle 123 — Konzentration 122, 124 f., 296 — Unternehmen 21, 59, 66, 121 ff., 131, 275, 277, 294 ff. Preußenschlag 116 Privatsphäre 274 Privatwirtschaft 218 (s. auch M a r k t wirtschaft) P r i v y Council 262 Prognosespielraum 173 Programmgesellschaften 267 ff. pharmazeutisch-technischer Assistent 157, 165 Queen's Bench Division 301 Quellenorientierung 82, 94 Radio Bremen 246 ff. Radiotelevisione Italiana 145 Rechtfertigungszusammenhang 77 Rechtsanwalt 175, 220 Rechtsfortbildung 74 Rechtsgewinnung 74 f. Rechtskontrolle 183, 241 Rechtspflege 140, 217 Rechtsprechung 140 Rechtsschöpfung 88 Rechtsstaat 66, 217, 232 Rechtstradition 170, 190 f., 200 Rechtsvergleichung 236, 260 ff. Rechtswissenschaft 72 Regal 187 Reichsbürgerrecht 215 Reichsinnenministerium 110 ff. Reichskonkordat 150 Reichspostministerium 110 ff. Reichspropagandaministerium 118 f. Reichsrundfunkgesellschaft 110 ff. Reichsverband der Deutschen Presse 112 relator action 301 Religionsausübung 95 f. Religionsgemeinschaft 249, 272 rentals 267 ff. Repräsentation 243 Richter 220 Royal Charter 263 f. Rundfunk — Anstalt 18, 22 f., 26 ff., 35, 41, 44, 47, 49 ff., 68, 100 ff., 130, 132, 137, 167 f., 171 ff., 193, 235 ff., 290 ff., 305 ff. — Aufgaben 277 ff. — Beauftragter 258 — Begriff 83 ff. — Beschwerdekommission 258 — Dienst 85, 89 — dualer 45, 260 ff. — Empfangsbeschränkungen 97 f.
— Finanzausgleich 238 — Freiheit der Berichterstattung durch 17, 20, 23 ff., 33 f., 42, 44, 48, 52 f., 58 f., 61, 68, 71, 80 f., 84, 89, 93 f., 97 ff., 120, 125, 127, 129 f., 137 ff., 202, 235 ff., 276, 296 f., 305 ff. — Gebühren 27, 132, 134, 272, 278, 290 — Gebührenstaatsvertrag 85, 89, 238 — Gesellschaften 110 f., 115, 117 f. — Gesetze 22, 29, 36, 85, 89, 101, 140, 166 f., 238 ff. — Intendant 239 ff., 264 — Kabel 145, 272 — Kollegialorgane 22, 25, 54, 239 ff., 264 — Kommissar 111, 114 f. — Koordinations 104 — Network 286 ff. — öffentlichrechtlicher 23, 26, 42, 45 f., 50, 53 f., 59 f., 101 ff., 131 ff., 144 ff., 152, 168, 171 ff., 187, 193, 195 ff. 234 f.., 260 ff., 290 ff., 306 f. — Ordnung 43, 47, 49, 53, 63 — Organisation 15, 17 f., 21 ff., 30 ff., 39, 42 f., 45, 47 ff., 56, 60, 68, 70, 83, 101 ff., 114, 116 f., 129 f., 136 ff., 149, 152, 172 f., 187, 194 f., 202, 234 ff., 253 ff., 306 f. — privater/kommerzieller 38 f., 41 f., 45 ff., 53, 56, 61 ff., 68 f., 102 ff., 119 f., 123, 131 ff., 142 ff., 148 f., 151, 166 f., 173, 194 ff., 234 ff., 257, 260 ff. — Programm 132 f., 136, 235 ff., 279 ff., 288 ff., 296 ff. — Programmbeirat 250 ff., 275 — Programmrichtlinen 19, 22, 25, 35, 47, 49, 52, 54, U l f . , 134, 136, 240ff., 274, 283 f., 298, 300, 303, 305, 307 — Rat 51 ff., 241 ff., 264 — Referenten 86, 89 — Satzungen der Rundfunkanstalten 238 ff. — Sondersituation 21, 26, 29 ff., 45 ff., 53, 60, 122, 172 — Staatsaufsicht 22 f., 35, 48 f., 54, 102, 239 ff., 283 ff., 303, 305 — Veranstaltung 15, 19 ff., 25 f., 30 f., 34 f., 39 f., 42, 47 ff., 56 ff., 66 f., 119, 128, 130 ff., 142, 144, 148, 151 f., 166 ff., 172 f., 187, 194, 234 f., 285, 293 f. — Veranstaltungsfreiheit/Unternehmerfreiheit 17, 42, 65, 80 f., 95, 98 ff., 120 ff., 129 f., 134, 136 ff., 148 f., 196 f., 202, 262, 279, 306 — Verwaltungsrat 241 ff. Saarländischer Rundfunk 39 f., 242, 248 ff., 307 Schlachtvieh Versicherung 190, 194
Sachverzeichnis Schutzpflicht 96 f. Selbsteintritt 241 Selected Committee on Nationalized Industries 277 ff. Sender Freies B e r l i n 246 ff. Souveränität 261 f., 275, 304 Sozialanwalt 217 Sozialarbeiter 217 Sozialisierung 233 Sozialmodell 184 Sozialstaat 50, 65, 68, 187, 192 Staatsangehörigkeit 215 Staatsaufsicht (s. Rundfunk, Staatsaufsicht) Staatsrecht, britisches 261 f. Staatsverständnis 193, 214, 280 Staatsvertrag 29 Startsituation 63, 135 Steuerberater 193 Steuerberatungsgesetz 156, 159 Steuerrechtspflege 158 ff. Studiengang 209 Studienplatz 209 Studiotechnik 19, 31, 83, 135 Stufentheorie 155 f., 161, 163, 170 ff., 178 f., 183, 186, 188 ff., 217, 227, 230 f. subjektives Recht (s. Individualrecht) Süddeutscher Rundfunk 246 ff. Südwestfunk 246 ff. Supreme Court 36, 48 Systematik 72, 78, 106 ff., 127 f., 209 f., 216, 224, 231 Telebiella 145 Telegraphen-Union 112 Telekommunikationsbericht 86 Telos 78 Tierarzneimittel Vertreter 163 Topik 73, 76 f., 79 Transformation 144, 149 f. Übergangsregelung 157, 159, 217, 232 Übermaßverbot 192, 228 Uberwachungsausschuß 113, 115 ff. Vereinte Nationen 146 f. Verfassung — Änderung 88, 91 — Gesetzesfunktion der 79 — Interpretation 71 ff., 88, 108 f., 224 — normative K r a f t der 76 — als Rahmenregelung 80 — Theorie 73, 77 f. Verhältnismäßigkeit 155 ff., 168, 179, 185, 191, 199 f., 217, 226 ff., 307
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Verhältniswahl 255 Verifikation 77 Verkehrsauffassung 163 f., 200, 227 Verleger (s. Presseunternehmen) Vermittlungsfreiheit 68 Vertragstrafe 298 Vertrauensschutz 157 ff., 200, 217, 230 Verwaltungsgerichte 17 f., 258 Verwaltungsabkommen 238 Videotext 90 f., 94 Vielfalt 21, 43, 45, 47 ff., 53 f., 63, 123 f., 138, 242 ff., 295, 303, 306 Völkerrecht 149 Vor-Verständnis 76 Wahlrecht 215 Wechselwirkungstheorie 50 Weimarer Reichsverfassung 95 ff., 176, 216, 222, 231 Weimarer Republik 114, 116, 119 f., 137 179 191 Werbung 196, 267 ff., 277, 284 ff. — Block 284 f. — Spot 284 f. Werbeeinnahmen 173, 267 ff., 281 ff., 304, 307 Werbezeit 132, 134, 267 ff., 283 ff. Wesentlichkeitstheorie 44 Westdeutscher Rundfunk 241 f., 248, 250 ff., 307 Wettbewerb 45, 48, 60, 123, 129, 131, 133, 138, 192, 214, 271, 286 ff., 305 (s. auch Konkurrenz) — Verdrängungs 195 — Recht 134 f., 295 Wiener Vertragskonvention 144, 146 Willensdogma 108 W ü l k ü r v e r b o t 156, 159, 227, 307 Wirtschaftspolitik 176 Wirtschaftsrat 232 Wirtschaftsverfassung 193, 214, 224, 229, 233 f., 307 Wissenschaftstheorie 77 Wochenschau 98 Wolff's Telegraphisches Bureau 112 Wortlaut 72, 77 f., 95, 106ff.,'138, 174, 191, 202, 207 f., 213, 216, 224, 230 f. Zahnheilkundiger 157 Zensur 98 f., 113, 128, 264, 302 f., 305 Zentralrat der Juden i n Deutschland 259 Zumutbarkeit 185 Zwangsarbeit 210, 220 Zweites Deutsches Fernsehen 32,238, 241 f., 248 ff., 307