141 90 2MB
German Pages 384 [385] Year 2012
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 274 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Friederike Schattka
Die Europäisierung der Abschlussprüferhaftung Eine juristisch-ökonomische Analyse
Mohr Siebeck
Friederike Schattka, geboren 1981; Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg, Kyoto, Krakau und Oxford; Referendariat in Darmstadt, Basel, Berlin und Rabat.
Gedruckt mit Unterstützung der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg und mit Mitteln der Exzellenzinitiative. e-ISBN 978-3-16-152088-4 ISBN 978-3-16-151957-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. d-nb.de abrufbar. © 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
In Erinnerung an Dr. Jan Christoph Richter
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist in den Jahren 2006 bis 2009 am Institut für deutsches und europäisches Gesellschaftsrecht der Universität Heidelberg sowie während meiner Aufenthalte am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, an der Jagiellonen-Universität Krakau und der Universität Oxford entstanden. Sie wurde im Sommersemester 2011 von der Juristischen Fakultät Heidelberg als Dissertation angenommen. Die mündliche Doktorprüfung fand am 21.07.2011 statt. Die Arbeit befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Anfang 2011. Neuere Rechtsprechung und Literatur wurden nach Möglichkeit berücksichtigt. Dank gebührt zunächst meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Werner F. Ebke, LL.M. (Berkeley), der auch die Bearbeitung des Themas angeregt hat, für die Betreuung der Dissertation sowie Herrn Professor Dr. Christian Baldus für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Die Promotion erfolgte im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs für Systemtransformation und Wirtschaftsintegration im zusammenwachsenden Europa der Universitäten Heidelberg, Krakau und Mainz (Europäisches Graduiertenkolleg). Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die fachliche sowie die finanzielle Förderung der Arbeit durch Gewährung eines Promotionsstipendiums. Zum Gelingen des Promotionsvorhabens haben die gemeinsamen Veranstaltungen des Kollegs, insbesondere die Gespräche und der Erfahrungsaustausch, maßgeblich beigetragen. Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter-Christian Müller-Graff als Sprecher, den Kollegleitern, meinen Mitkollegiaten und Frau Kinga Niebrzegowska danke ich herzlich für diese Zeit. Ich stehe tief in der Schuld von Herrn Michał Bobrzyński, LL.M. (Harvard), Frau Paulina Ptak, Herrn Dr. Piotr Tereszkiewicz, M.Jur. (Oxford), die mit großer Geduld meine vielen Fragen zum polnischen Recht beantwortet, mir bei Übersetzungen und der Literatursuche geholfen haben. Der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg danke ich für die Finanzierung der Druckkosten, dem Deutschen Akademischen Austausch Dienst für die Ermöglichung meiner Studien- und Forschungsaufenthalte in Polen und England. Zu Dank verpflichtet bin ich ferner den Mitarbeitern der Universität Krakau die mich freundlich aufgenommen und ihr Wissen zu dem bislang kaum aufgearbeiteten Problem der polnischen Abschlussprüferhaftung mit mir geteilt haben; namentlich erwähnt seien in diesem Zusammenhang Herr Dr. Krzysztof Oplustil, Herr Dr. Marcin
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Vorwort
Spyra und Herr Prof. Dr. Dr. h. c. Fryderyk Zoll. Herrn Olle Andréasson danke ich herzlich für seine Hilfe mit der Recherche in Schweden. Dem MaxPlanck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht gilt mein Dank dafür, dass ich die Bibliothek in Hamburg über viele Monate als Gast nutzen durfte. Bei den Direktoren des Instituts, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Basedow, LL.M. (Harvard), Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, LL.M. (Michigan), Dipl.-Kfm., und Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Reinhard Zimmermann, möchte ich mich außerdem für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe bedanken. Jun.-Prof. Dr. Patrick C. Leyens, LL.M. (London) war mir während meiner Zeit am MPI ein wichtiger Gesprächspartner. Besonders herzlich möchte ich Herrn Dr. Walter Doralt danken, der mir von den Anfängen der Arbeit bis zu ihrem Abschluss und darüber hinaus stets mit Ratschlägen und wertvollen Hinweisen zur Seite stand. Frau Dr. Hannelore Guski und Frau Sabine Beseler-Schattka haben die mühevolle Arbeit auf sich genommen, das Manuskript auf Fehler durchzusehen. Herr Michael-Sven Schattka und Herr Hans-Sönke Prien haben mir aus ihrer volkswirtschaftlichen Sicht auf einzelne Gesichtspunkte eine neue Perspektive vermitteln können. Herr Dr. Roman Guski, LL.M. (Notre Dame) hat durch seine vielen kritischen Fragen und seine unermüdliche Diskussionsbereitschaft einen wichtigen Beitrag geleistet. Herr Moritz Schattka hat die Vorbereitung der Drucklegung „technisch“ betreut. Ihnen allen gilt mein aufrichtiger Dank. Ohne den Rückhalt meiner erweiterten Familie hätte die vorliegende Arbeit in dieser Form nicht entstehen können. Für ihre finanzielle und insbesondere persönliche Unterstützung in den vergangenen Jahren kann ich ihnen nicht genug danken. Friederike Schattka
Rabat, 11.11.2011
Inhaltsübersicht Vorwort .......................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ............................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ........................................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... XIX
Einführung ..................................................................................................... 1 A. Hintergründe der Untersuchung................................................................... 1 B. Erkenntnisziel und Gang der Untersuchung ................................................ 3 C. Analytische Schwerpunkte und Eingrenzung des Themas .......................... 5
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der Europäischen Union............................................................................................................... 8 § 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftung .............. 9 A. Prüfung, Prüfer und Prüferhaftung – allgemeine Herausforderungen ....... 10 B. Die Diskussion um die Abschlussprüferhaftung auf EU-Ebene ................ 29 C. Perspektiven ............................................................................................... 44 § 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick .............................................. 45 A. Rechtsvergleichendes Vorgehen ................................................................ 47 B. Abschlussprüferhaftung: Grundlagen, Voraussetzungen, Grenzen ........... 52 C. Resümee: Europäische Modelle der Haftungsbegrenzung ...................... 109
Zweiter Teil: Ökonomische Analyse .................................................. 112 § 3 Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung ................... 113 A. Modelltheoretische Betrachtung der Abschlussprüferhaftung ................ 114
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Inhaltsübersicht
B. Ein Effizienzbegriff für die Abschlussprüferhaftung .............................. 136 C. Ergebnis: Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung ... 171 § 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung ........... 172 A. Prüfungsqualität: Schadensprävention durch Verhaltenssteuerung ......... 172 B. Funktionsschutz und Schadensverteilung ................................................ 202 C. Vertrauensschutz und Systemkosten ....................................................... 229 D. Gestaltung ökonomisch sinnvoller Haftungsbegrenzungen .................... 232
Dritter Teil: Juristische Bewertung ..................................................... 240 § 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem ........................ 241 A. Verhaltenssteuerung im Privatrecht ......................................................... 242 B. Schadensteilung in der zivilrechtlichen Systematik ................................ 248 C. Haftungsprivilegien im Lichte der Kompensationsfunktion ................... 264 § 6 Leitlinien einer juristisch vertretbaren Haftungsbegrenzung ................ 282 A. Das kollektive Interesse an der Berufshaftung ........................................ 283 B. Schutzwürdigkeit der geprüften Gesellschaft und Dritter ....................... 306 C. Juristische Vertretbarkeit ökonomisch sinnvoller Haftungsgrenzen ....... 314
Ergebnis und abschließende Betrachtung .......................................... 321 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 327 Online-Ressourcen der Europäischen Kommission ..................................... 352 Register ......................................................................................................... 353
Inhaltsverzeichnis Vorwort .......................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ............................................................................................... IX Inhaltsverzeichnis ........................................................................................... XI Abkürzungsverzeichnis ............................................................................... XIX
Einführung ..................................................................................................... 1 A. Hintergründe der Untersuchung................................................................... 1 B. Erkenntnisziel und Gang der Untersuchung ................................................ 3 C. Analytische Schwerpunkte und Eingrenzung des Themas .......................... 5
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der Europäischen Union............................................................................................................... 8 § 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftung .............. 9 A. Prüfung, Prüfer und Prüferhaftung – allgemeine Herausforderungen ....... 10 I. Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung .............................................. 10 1. Zweckbestimmung .......................................................................... 11 2. Die Prüfung als Element der Corporate Governance ...................... 14 3. Die Abschlussprüfung als Instrument der Kapitalmarktkontrolle .. 16 II. Zur Rolle und Stellung des Abschlussprüfers...................................... 20 1. Gesellschaftsübergreifende Bedeutung: öffentliche Funktion? ...... 21 2. Doppelfunktion des Prüfers: No One Can Serve Two Masters?..... 25 III. Bedeutung der Abschlussprüferhaftung – Schlussfolgerungen ........... 28 B. Die Diskussion um die Abschlussprüferhaftung auf EU-Ebene ................ 29 I. Von der Rechtsangleichung zur Zielharmonisierung .......................... 30 1. Erste Anläufe ................................................................................... 30 2. Die Ära nach Enron ......................................................................... 33 II. Zwischen Existenzgefährdung und Privilegierung .............................. 34 1. Die neue Abschlussprüferrichtlinie (2006) ..................................... 35 2. Erforschung des Sachverhalts ......................................................... 36
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Inhaltsverzeichnis
a) London Economics-Studie (2006) .............................................. 36 b) Öffentliche Konsultation ............................................................ 37 3. Empfehlung der Europäischen Kommission (2008) ....................... 39 a) Inhalt ........................................................................................... 39 b) Stellungnahme ............................................................................ 40 III. Aktuelle Entwicklungen ...................................................................... 43 C. Perspektiven ............................................................................................... 44 § 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick .............................................. 45 A. Rechtsvergleichendes Vorgehen ................................................................ 47 B. Abschlussprüferhaftung: Grundlagen, Voraussetzungen, Grenzen ........... 52 I. Haftungsinstitute .................................................................................. 52 1. Spezialgesetz und allgemeine Haftungsinstitute ............................. 53 2. Vertrag und Delikt........................................................................... 55 II. Haftungstatbestand............................................................................... 60 1. Allgemeine Voraussetzungen der Abschlussprüferhaftung ............ 60 a) Pflichtverletzung......................................................................... 60 b) Verschulden ................................................................................ 63 c) Schaden....................................................................................... 64 d) Kausalität .................................................................................... 65 2. Die Dritthaftung des Abschlussprüfers ........................................... 66 a) Deutschland ................................................................................ 66 (1) Vertragliche Haftung ............................................................ 67 (2) Deliktsrechtliche Haftung ..................................................... 67 (3) „Expertenhaftung“ ................................................................ 69 (4) Fazit ...................................................................................... 76 b) Schweden .................................................................................... 76 c) England ....................................................................................... 77 (1) Außervertragliche Haftung für reine Vermögensschäden .... 78 (2) Bedeutung des Caparo-Urteils .............................................. 80 d) Systeme der haftungsrechtlichen Generalklausel ....................... 82 (1) Frankreich ............................................................................. 84 (2) Polen ..................................................................................... 85 III. Haftungsbegrenzung ............................................................................ 87 1. Gesetzliche Haftungsbegrenzung .................................................... 87 a) Haftungshöchstsummenbegrenzungen ....................................... 87 (1) Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzungen .................. 88 (2) Relative Haftungshöchstsummenbegrenzungen ................... 89 (3) Anwendbarkeit auf Ersatzansprüche Dritter......................... 90 b) Proportionalhaftung .................................................................... 94 (1) Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere.................. 95 (2) Proportionalhaftung nach relativem Verschulden ................ 97
Inhaltsverzeichnis
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(a) Im Verhältnis zum Prüfungsmandanten ......................... 97 (b) Im Verhältnis zu Dritten ............................................... 100 c) Exkurs: Haftungsbegrenzung als Eingriffsnorm ...................... 103 2. Vertragliche Haftungsbegrenzung ................................................ 104 a) Mitgliedstaaten mit gesetzlicher Haftungsbegrenzung............. 104 b) Mitgliedstaaten ohne gesetzliche Haftungsbegrenzung ........... 106 (1) Das neue englische Modell ................................................. 107 (2) Die Position des französischen Rechts ............................... 109 C. Resümee: Europäische Modelle der Haftungsbegrenzung ...................... 109
Zweiter Teil: Ökonomische Analyse .................................................. 112 § 3 Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung ................... 113 A. Modelltheoretische Betrachtung der Abschlussprüferhaftung ................ 114 I. Rolle der Abschlussprüfer ................................................................. 114 1. Der Abschlussprüfer als Torwächter ............................................. 115 2. Der Abschlussprüfer als Vertrauensintermediär ........................... 118 II. Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Prüfermodells ..................... 119 1. Voraussetzungen einer hohen Prüfungsqualität ............................ 120 2. Negative Anreizstrukturen auf dem Prüfungsmarkt ..................... 122 a) Sorgfalt im Wettbewerb: „Market for Lemons“ ....................... 122 (1) Informationsasymmetrie ..................................................... 123 (2) Interessenasymmetrie ......................................................... 125 (3) Folgen ................................................................................. 126 b) Mangelnde Unabhängigkeit...................................................... 128 (1) Dauerhafte Geschäftsbeziehungen (Quasirentenmodell) ... 129 (2) Umfassende Geschäftsbeziehung („Full Service“-System) 130 (3) Persönliche Nähe (Befangenheit) ....................................... 131 III. Haftung: Kontrolle der Kontrolleure ................................................. 132 1. Reputation als Gegengewicht? ...................................................... 133 2. Abschlussprüferhaftung im Gesamtgefüge des Kontrollsystems . 133 3. Fazit ............................................................................................... 135 B. Ein Effizienzbegriff für die Abschlussprüferhaftung .............................. 136 I. Der Effizienzbegriff in der ökonomischen Analyse des Rechts ........ 137 1. Grundkonzept der ökonomischen Analyse des Rechts ................. 138 a) Ziel: Gesellschaftliches Wohlfahrtsoptimum ........................... 139 b) Analytische Basis und rechtspolitisches Programm ................. 142 (1) Der homo oeconomicus als Verhaltensmodell ................... 143 (2) Das Effizienzprinzip als Bewertungsmaßstab .................... 145 c) Die Rolle des Rechts ................................................................ 147 2. Relevanz der Rechtsökonomik für die vorliegende Fragestellung 151
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Inhaltsverzeichnis
a) Generelle Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts..... 151 b) Ökonomische Analyse und Abschlussprüferhaftungsrecht ...... 153 II. Der Beitrag des Schadensersatzrechts zur Effizienzsteigerung ......... 155 1. Ökonomisches Funktionsverständnis des Schadensersatzrechts .. 156 2. Regelungsmaxime ......................................................................... 158 a) Schadenskosten......................................................................... 158 b) Effizienz als Kompromiss ........................................................ 160 III. Die Kosten der Abschlussprüfung ..................................................... 161 1. Primärkosten: Qualitätsoptimierung ............................................. 161 a) Kosten des Schadenseintritts .................................................... 162 (1) Zum Problem reiner Vermögensschäden ........................... 162 (2) Divergenz zwischen sozialen und individuellen Schäden .. 164 (3) Fazit .................................................................................... 168 b) Kosten der Schadensvorsorge................................................... 168 c) Exkurs: Private Kosten des Abschlussprüfers .......................... 168 2. Sekundärkosten: Funktionsschutz ................................................. 169 3. Tertiärkosten ................................................................................. 170 C. Ergebnis: Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung ... 171 § 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung ........... 172 A. Prüfungsqualität: Schadensprävention durch Verhaltenssteuerung ......... 172 I. Haftungsniveau .................................................................................. 173 1. Verhaltenssteuerung durch Haftung .............................................. 173 a) Kosteninternalisierung – das Grundkonzept ............................ 173 b) Divergenz zwischen Ressourcen- und Verteilungsschäden ..... 175 2. Verzerrungen der verhaltenssteuernden Wirkung ......................... 176 a) Zusätzliche Anreize neben der Haftung (private Kosten) ........ 176 (1) Der Wert der Reputation..................................................... 176 (2) Der Wert der Geschäftsbeziehung ...................................... 178 (3) Zusammenführung der Ergebnisse ..................................... 179 b) Effektivität der Verhaltenssteuerung ........................................ 180 (1) Differenz zwischen Schadens- und Haftungsrisiko ............ 180 (2) Risikostreuung: Versicherung und Kostenweitergabe ....... 181 (3) (Begrenztes) subjektives Haftungsrisiko und Irrationalität 182 (4) Interessendivergenzen und Anreizempfindlichkeiten ........ 182 c) Mittelbare Auswirkungen der Übermaßhaftung ....................... 183 (1) Defensive Auditing ............................................................. 184 (2) Sinkende Attraktivität des Prüferberufs ............................. 185 3. Schlussfolgerungen zum optimalen Haftungsniveau .................... 186 II. Gestaltung einer Haftungsbegrenzung ............................................... 186 1. Proportionalhaftung....................................................................... 187 a) Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere...................... 188
Inhaltsverzeichnis
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(1) Vor- und Nachteile einer strikt(er)en Haftung ................... 189 (a) Sorgfaltsniveau ............................................................. 190 (b) Aktivitätsniveau ............................................................ 191 (c) Mittelbare Steuerungswirkung ..................................... 193 (2) Schlussfolgerungen ............................................................. 194 b) Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil .......................... 195 (1) Gegenüber der geprüften Gesellschaft ............................... 195 (2) Gegenüber Dritten .............................................................. 195 (3) Mittelbare Steuerungswirkung ........................................... 196 2. Haftungshöchstsummenbegrenzungen .......................................... 198 a) Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung ......................... 198 b) Relative Haftungshöchstsummenbegrenzung .......................... 199 c) Vertragliche Haftunghöchstsummenbegrenzung ..................... 200 3. Dritthaftung ................................................................................... 200 4. Schlussfolgerungen zur effizienten Haftungsgestaltung ............... 201 III. Ergebnis: Feinregulierung statt Haftungsniveau................................ 202 B. Funktionsschutz und Schadensverteilung ................................................ 202 I. Problemaufriss: Abschreckung auf dem Aktivitätsniveau................. 203 II. Gegenwärtige Situation auf den europäischen Prüfungsmärkten ...... 206 1. Haftungsrisiken ............................................................................. 206 2. Versicherungsschutz ..................................................................... 209 3. Toleranzgrenze (tipping point) ...................................................... 211 III. Risikoanalyse und Folgenprognose ................................................... 212 1. Zur Marktkonzentration ................................................................ 213 a) Ursachen ................................................................................... 214 b) Bewertung................................................................................. 216 2. Ausscheiden weiterer Prüfungsgesellschaften aus dem Markt ..... 217 a) Auswirkungen auf die Marktkonzentration .............................. 218 b) Prüfungskapazität, Kapitalkosten, Anlegervertrauen ............... 219 IV. Haftungsbeschränkungen ................................................................... 222 1. Auswirkungen auf die Marktkonzentration .................................. 222 a) Stabilisierung des Oligopols ..................................................... 222 b) Öffnung des Prüfungsmarktes .................................................. 223 c) Fazit .......................................................................................... 225 2. Form der Haftungsbeschränkung .................................................. 226 a) Gewährleistung der „Prüfbarkeit“ großer Unternehmen .......... 226 b) Beseitigung von Marktzutrittsschranken .................................. 228 c) Effiziente Verteilung des Schadensrisikos ............................... 228 3. Ergebnis......................................................................................... 229 C. Vertrauensschutz und Systemkosten ....................................................... 229 I. Kosten der Schadensverlagerung ....................................................... 230 II. Kosten mangelnden Vertrauens ......................................................... 230
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Inhaltsverzeichnis
III. Dritthaftung als Versicherung ............................................................ 231 D. Gestaltung ökonomisch sinnvoller Haftungsbegrenzungen .................... 232 I. Zielkonkretisierung: Zielkonflikte, -kongurenzen, -prioritäten ......... 232 II. Haftungsmodelle ................................................................................ 233 1. Haftungshöchstsummenbegrenzung ............................................. 234 2. Proportionalhaftung....................................................................... 234 3. Dritthaftung ................................................................................... 235 4. Vertragliche oder gesetzliche Haftungsbegrenzung...................... 236 III. Fazit ................................................................................................... 239
Dritter Teil: Juristische Bewertung ..................................................... 240 § 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem ........................ 241 A. Verhaltenssteuerung im Privatrecht ......................................................... 242 I. Effizienz als Ziel rechtlicher Gestaltung ........................................... 243 II. Verhaltenssteuerung zwischen privatem und öffentlichem Recht ..... 244 III. Privatautonomie als Grenze staatlicher Verhaltenssteuerung ............ 246 IV. Fazit ................................................................................................... 247 B. Schadensteilung in der zivilrechtlichen Systematik ................................ 248 I. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensersatzrechts ................. 249 1. Entwicklung in der deutschen Zivilrechtsdogmatik ...................... 251 2. Die Regel und ihre Ausnahmen .................................................... 252 a) Durchbrechungen des Bereicherungsverbots ........................... 253 b) Durchbrechungen des Totalreparationsverbots ........................ 255 II. Implikationen für ein europäisiertes Abschlussprüferhaftungsrecht . 258 1. Das Totalreparationsgebots im europäischen Privatrecht ............. 258 2. Totalreparationsgebot im Abschlussprüferhaftungsrecht ............. 261 a) Richterliches Ermessen, Rechtssicherheit, Ideologisierung ..... 261 b) Teilbarkeit der Schadenstragungspflicht .................................. 262 III. Fazit ................................................................................................... 263 C. Haftungsprivilegien im Lichte der Kompensationsfunktion ................... 264 I. Zielkonflikt: Effizienz und Kompensation ........................................ 264 II. Die Kompensationsfunktion und ihre Grenzen ................................. 267 1. Regelungsziel: zwischen Rechtsgüterschutz und Freiheit ............ 267 2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zivilrecht ........................ 269 3. Die Verhältnismäßigkeit der Haftung ........................................... 271 a) Die Regel: ausgleichende Funktion des Haftungsgrundes ....... 271 b) Das Haftungsprivileg als Ausnahme ........................................ 272 (1) Verhältnismäßiges Haftungsprivileg: Voraussetzungen .... 273 (2) Fallgruppen ......................................................................... 275 (3) Einordnung der Abschlussprüferhaftungsproblematik ....... 280
Inhaltsverzeichnis
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III. Schlussfolgerungen ............................................................................ 281 § 6 Leitlinien einer juristisch vertretbaren Haftungsbegrenzung ................ 282 A. Das kollektive Interesse an der Berufshaftung ........................................ 283 I. Bedeutung der (freien) Berufe in der modernen Gesellschaft ........... 283 1. Organische Gesellschaft: Arbeitsteilung und Vertrauen ............... 284 2. Aufbau und Schutz des berufsbezogenen Vertrauens ................... 285 II. Berufliche Expertise – ein haftungsrechtlich relevanter Umstand?... 287 1. Beruflicher Funktionsschutz ......................................................... 288 2. Ausgleich für außerordentliche Haftungsrisiken .......................... 289 a) Berufshaftung in der schadensersatzrechtlichen Dichotomie ... 290 (1) Die schadensersatzrechtliche Dichotomie und ihre Grenzen.. 291 (2) Vertrag – Beruf – Delikt ..................................................... 293 b) Die Abschlussprüferhaftung zwischen Vertrag und Delikt ...... 294 c) Auswirkungen der dichotomischen Unvollkommenheit .......... 297 3. Berufshaftung berufsvergleichend ................................................ 299 a) Faktisches Schadens- und potentielles Haftungsrisiko............. 300 b) Abdingbarkeit der Haftung ....................................................... 302 c) Fazit: Haftungshöchstsumme als Kompromiss ........................ 304 III. Schlussfolgerungen ............................................................................ 305 B. Schutzwürdigkeit der geprüften Gesellschaft und Dritter ....................... 306 I. Prüfungsmandant ............................................................................... 306 1. Mitverschulden und Mitverschuldenseinwand ............................. 307 2. Wirtschaftlicher Nutzen der Prüfung ............................................ 309 3. Privatautonomie ............................................................................ 310 II. Vertragsfremde Dritte ........................................................................ 311 C. Juristische Vertretbarkeit ökonomisch sinnvoller Haftungsgrenzen ....... 314 I. Haftungsmodelle ................................................................................ 315 1. Haftungshöchstsummenbegrenzungen .......................................... 315 2. Proportionalhaftung....................................................................... 315 3. Dritthaftung ................................................................................... 316 4. Regulierung oder Deregulierung: vertragliche Begrenzung ......... 317 II. Vorschlag eines Abschlussprüferhaftungsmodells ............................ 320
Ergebnis und abschließende Betrachtung .......................................... 321 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 327 Online-Ressourcen der Europäischen Kommission ..................................... 352 Register ......................................................................................................... 353
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. ABl. EG/EU Abs. ABGB AHGB A.C. Acct. & Bus. Res. Acct. Rev. AcP a.E. a.F. AGB AG AGG AICPA AktG All ER ALR a.M. Am. J. Comp. L. Art. AT Az. BAG BB BeckBilKomm BCLC B.C. L. Rev. Bd. BFuP BGB BGH BGHZ Big Four
BilReg Bell JoE BNotO
anderer Ansicht am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften/Union Absatz Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (Österreich) Allgemeines Handelsgesetzbuch (Österreich) Law Report (Appeal Cases) Accounting and Business Research The Accounting Review Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesetz All England Law Reports Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten am Main The American Journal of Comparative Law Artikel Allgemeiner Teil Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Betriebs-Berater Der Beck’sche Bilanzkommentar Butterworth’s Company Law Cases Boston College Law Review Band Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Die vier international größten Prüfungsgesellschaften: PricewaterhouseCoopers, Deloitte Touche Tomahatsu, Ernst&Young, KPMG Bilanzrechtsreformgesetz Bell Journal of Economics Bundesnotarordnung
XX BRAO BRewU
bspw. BT BT-Drs. BVerfG bzgl. C.A. C.Civ. C.Com. Cambridge L.J. CEPS Working Paper Series Col. L. Rev. DB DCFR ders. d.h. dies. diesbzgl. DJT D&O-Versicherung DStR DVBl. DVStB
EC-DG ECFR ECMH Econ. J. EG EGV etc. EU EU15-Mitgliedstaaten
EU25-Mitgliedstaaten
EU27-Mitgliedstaaten EuGH
Abkürzungsverzeichnis Bundesrechtsanwaltsordnung ustawa o biegłych rewidentach i ich samorządzie, podmiotach uprawnionych do badania sprawozdań finansowych oraz o nadzorze publicznym [polnisches Abschlussprüfungsgesetz] beispielsweise Besonderer Teil Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht bezüglich Court of Appeal Code civil [französisches Zivilgesetzbuch] Code de Commerce [französisches Handelsgesetzbuch] Cambridge Law Journal Center for Economic Policy Studies Working Paper Series (der Universität Princeton) Columbia Law Review Der Betrieb Draft Common Frame of Reference derselbe das heißt dieselbe(n) diesbezüglich Deutscher Juristentag Directors and Officers Liablity-Versicherung Deutsches Steuerrecht Deutsches Verwaltungsblatt Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften European Commission Direction General European Company and Financial Law Review Efficient Capital Market Hypothesis The Economic Journal Europäische Gemeinschaften Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaften et cetera Europäische Union Die 15 ersten Mitgliedstaaten der Europäischen Union, im Einzelnen: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich (vor 2004) die EU15-Mitgliedstaaten, sowie Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn, Zypern (seit 2004) die EU25-Mitgliedstaaten, sowie Bulgarien und Rumänien (seit 2007) Europäischer Gerichtshof
Abkürzungsverzeichnis Eur. Acc. Rev. Eur. J.L. & Econ. EUR EUV EWS f. (ff.) FEE Fn. FS GAAP GBP GEMA GeS GG ggf. GmbH GmbHG GPR Großkomm HGB H.L. h.L. Harv. L. Rev. h.M. Hrsg. IAB IAS i.d.F. IDW i.S.d. i.S.v. i.Ü. i.V.m. J. J.L. & Econ. J.L. Econ. & Org. J. Acct. & Econ. J. Acct. & Pub. Pol’y J. Econ. Persp. J. Legal Stud. J. Pol. Econ. JuS JZ Kap. Kc Kfz Kom KonTraG
XXI
European Accounting Review European Journal of Law and Economics Euro Vertrag über die Europäische Union Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgende Fédération des Experts Comptables Européens Fußnote Festschrift Generally Accepted Accounting Principles Englische Pfund Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und technische Vervielfältigungsrechte Zeitschrift für Gesellschafts- und Steuerrecht Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Großkommentar Handelsgesetzbuch Handelsgesetzbuch House of Lords herrschende Lehre Harvard Law Review herrschende Meinung Herausgeber International Accounting Bulletin International Accounting Standards in der Fassung Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. im Sinne des im Sinne von im Übrigen in Verbindung mit Judge Journal of Law and Economics Journal of Law, Economics and Organization Journal of Accounting and Economics Journal of Accounting and Public Policy Journal of Economic Perspectives Journal of Legal Studies Journal of Political Economy Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kodeks cywilny [polnisches Zivilgesetzbuch] Kraftfahrzeug Kommentar/Komentarz Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im
XXII
Ksh leg. cit. LG Lit. L.J. Ltd. LuftVG MdEP MDR Mot. MPRA MünchKommBGB MünchKommHGB m.w.Nachw. NBW NJW NJW-RR No. Nr. NVZ Nw. U. L. Rev. NZA NZG OLG OGH OJLS ÖBA ÖZW PartGG PLN ProdHaftG PublG Q.B. Quart. J. Econ Queen’s L.J. RabelsZ RdW REM REMM RIW RL Rn. Rom I-VO
Abkürzungsverzeichnis Unternehmensbereich (Deutschland, v. 1998) Kodeks spółek handlowych [polnisches Gesetzbuch über Handelsgesellschaften] Legis citatae Landgericht Literatur Lord Justice of Appeal Limited Luftverkehrsgesetz Minister des Europäischen Parlaments Monatsschrift für Deutsches Recht Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch Munich Personal Research Papers in Economics Archive Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit weiteren Nachweisen Neue Betriebswirtschaft Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Number Nummer Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Northwestern University Law Review Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Oberster Gerichtshof (Österreich) Oxford Journal of Legal Studies Österreichisches Bankarchiv Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Partnerschaftsgesellschaftsgesetz polnische Złoty Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte Gesetz über die Rechnungslegung von bestimmten Unternehmen und Konzernen Queen’s Bench The Quarterly Journal of Economics Queen’s Law Journal Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Österreichisches Recht der Wirtschaft rationaler egoistischer Mensch resourceful, evaluating, maximizing man Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
Abkürzungsverzeichnis s. S. Sc.St.L. SEC sec. SEK SMU LR S. Cal. L. Rev. Stan. J.L. Bus. & Fin. SKL s.o. sog. SSRN StBerG StVG Sup. Ct. Econ. Rev. SZW/RSDA TBd. Texas L. Rev. TransPuG Tz. u.a. UCLA L. Rev. U. Chi. L. Rev. UGB UKHL UmweltHG US USA USD u.s.w. v. Va. L. Rev. Val. U. L. Rev. Verf. VfGH vgl. VO VorstAG VVG WiPrO WM WPBHV WPg WPK WPK-Mitt. Wash. U. L.Q. Yale L.J.
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siehe Seite/Satz Scandinavian Studies in Law United States Securities and Exchange Commission section schwedische Kronen Southern Methodist University Law Review Southern California Law Review Stanford Journal of Law, Business & Finance Skadeståndslag [schwedisches Schadensersatzgesetz] siehe oben so genannt Social Science Research Network Steuerberatungsgesetz Straßenverkehrsgesetz Supreme Court Economic Review Schweizerische Zeitschrift für Wirtschafts- und Finanzmarktrecht Teilband Texas Law Review Transparenz- und Publizitätsgesetz Textziffer und andere University of California at Los Angeles Law Review University of Chicago Law Review Unternehmensgesetzbuch (Österreich) United Kingdom, House of Lords Umwelthaftungsgesetz United States United States of America US-Dollar und so weiter von/versus Virginia Law Review Valparaiso University Law Review Verfasser Verfassungsgerichtshof (Österreich) vergleiche Verordnung Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung Gesetz über den Versicherungsvertrag Wirtschaftsprüferordnung Wertpapier-Mitteilungen Wirtschaftsprüfer-Berufshaftpflichtversicherungsverordnung Die Wirtschaftsprüfung Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Washington University Law Quarterly Yale Law Journal
XXIV z.B. ZEuP ZfB ZGR ZHR ZIP ZSR z.T. ZVersWiss ZVglRWiss ZZP
Abkürzungsverzeichnis zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für das gesamte Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für schweizerisches Recht zum Teil Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess
Einführung „Rechnungslegung gibt eine ‘rituelle’ Sicherheit für die Ordnung des Chaos.“ Bernhard Großfeld1
A. Hintergründe der Untersuchung Nach jahrelangen Stellungskriegen ist die Diskussion um das Abschlussprüferhaftungsrecht in Europa wieder in Bewegung geraten: Im Juni 2008 hat die Europäische Kommission eine Empfehlung veröffentlicht, in der sie sich für eine Begrenzung der Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers ausspricht. Dieser Akt ist das Ergebnis einer langwierigen Debatte zwischen den Organen der Europäischen Union und nationalen Gesetzgebern sowie Vertretern des Berufsstands und Wissenschaftlern der unterschiedlichen Rechtsordnungen. Für die mitgliedstaatlichen Regelgeber hat die Arbeit damit freilich erst begonnen: Die Kommission gibt die Ziele einer Haftungsrechtsreform auf nationaler Ebene vor – Gewährleistung der Rentabilität der Prüfertätigkeit (economic viability) bei gleichzeitigem Schutz der Prüfungsqualität und des allgemeinen Vertrauens in die Jahresabschlussprüfung2 – und regt zu diesem Zweck die Begrenzung der Abschlussprüferhaftung an.3 Sie vermeidet jedoch, sich auf ein konkretes Haftungsmodell festzulegen, das all diesen Anforderungen genügen kann.4 Die Bewältigung dieser Herausforderung obliegt nunmehr den EU-Mitgliedstaaten. In seiner Funktion als gesetzlicher Jahresabschlussprüfer nimmt der Wirtschaftsprüfer von jeher eine Sonderstellung unter den freien Berufen ein. Als externes Element der Unternehmens(leiter)kontrolle (Corporate Governance) und unabhängige Kontrollinstanz auf dem Kapitalmarkt hat er in frei verfassten Wirtschaftssystemen eine Schlüsselfunktion inne.5 Die schnelllebige, globalisierte und zunehmend anonymisierte Geschäftswelt sorgt für Unsicherheit und Unordnung. Die Rechnungslegung soll insoweit, um auf das Eingangszi1
Großfeld, Zauber des Rechts, S. 47. Vgl. Europäische Kommission, Invitation to Tender (MARKT/2005/24/F). 3 Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 4 Hierzu s. ausführlich unten bei § 1, B. II. 3. 5 Hierzu s. umfassend Ebke, in: FS Yamauchi, 105. Im Einzelnen s. unten bei § 1, A. I. 3. 2
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tat zurückzukommen, zumindest „eine ‚rituelle‘ Sicherheit für die Ordnung des Chaos“ schaffen.6 Der Abschlussprüfer ist Hüter dieser Sicherheit,7 denn um das Ansehen der Unternehmer ist es, meint Jungbluth, „von jeher nicht gut bestellt.“ Er führt aus: „Vermutlich hängt es mit ihrer speziellen Funktion zusammen, dass Unternehmer eher beargwöhnt als geachtet werden. Mit ihrem Wirken bringen sie ja nicht nur Wachstum und Fortschritt, sondern auch Unordnung in die Welt. Sie sind Motoren der Veränderung, und sie stören unsere Sehnsucht nach Sicherheit, Stabilität und Endgültigkeit. Sie gründen, kaufen und verdrängen. Sie schließen, erneuern und zerstören. Sie schaffen anderen Menschen Arbeitsplätze und nehmen sie ihnen auch wieder. Sie sorgen für Konkurrenz, für Dynamik, für Unruhe. Und wird einer von ihnen müde, so beginnt der nächste mit frischem Furor. Das ist für viele beängstigend.“8 Eine gewisse Risikobereitschaft ist für eine erfolgreiche Unternehmensführung unerlässlich. Der Abschlussprüfer ist dem Management indessen zur Seite gestellt, um ebendieser Risikoaffinität Grenzen zu setzen.9 Ihm bringen Aktionäre, Anleger, Kreditgeber und die Öffentlichkeit das Vertrauen entgegen, das sie den Managern versagen – ein Vertrauen, das ebenfalls notwendig für die Funktionsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist.10 Enron, Parmalat, WorldCom, Flowtex – Namen, die inzwischen gerne als Synonyme für Bilanzbetrug und Prüfungsskandal verwendet werden – haben den Glauben an die Qualität der Jahresabschlussprüfung und das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand der Abschlussprüfer schwer erschüttert.11 In den weltweiten Reformdiskussionen, die im Anschluss an diese Ereignisse entbrannten, kam immer wieder auch die zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers ins Gespräch.12 In ihr sieht man nicht nur einen Weg zur Kompensation der Geschädigten, sondern zunehmend auch ein (verhaltenssteuerndes) Mittel zur Steigerung der Prüfungsqualität und zur Stärkung des Investorenvertrauens.13 Entgegen früheren Tendenzen hat sich jedoch inzwischen die Auffassung durchgesetzt, dass ein schärferes Haftungsrecht dem Gemeininteresse nicht unbedingt dienlich sei: Stetig höhere Haftungsrisiken stellen nicht nur eine Bedrohung für die wirtschaftliche Existenz des einzelnen Prüfers dar. Sie können ebenfalls die Institution der Jahresabschlussprü-
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Großfeld, Zauber des Rechts, S. 47. Zur Rolle des Abschlussprüfer als sog. Torwächter (gatekeeper) s. unten bei § 3, A. I. 1. 8 Jungbluth, DIE ZEIT vom 8.9.2009 (3/64), 1. 9 S. unten bei § 3, A. I. 1. 10 Hierzu eingehender unten bei § 3, A. I. 2. 11 Forster, AG 1995, 1, spricht in diesem Zusammenhang von der ernstesten Vertrauenskrise, die der Berufsstand der Abschlussprüfer seit Einführung der Pflichtprüfung (in Deutschland 1931) erlebt. 12 Hierzu s. statt vieler Ebke, in: FS Buxbaum, S. 113, 126 ff. 13 Zur Entwicklung dieser Diskussion in Europa s. unten bei § 1, B. 7
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fung und damit die Effizienz der Kapitalmärkte gefährden.14 Transparenz, Effizienz und letztlich Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte hingegen sind ein Thema, das nicht nur einem einzelnen Berufsstand am Herzen liegt, sondern von allgemeinem Interesse ist. Den Worten Mao Zedongs – derer sich auch der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in schwierigen Augenblicken seiner Amtszeit bediente15 – kommt vor diesem Hintergrund eine ganz neue Bedeutung zu: „Wenn der Himmel einstürzt, sind alle Spatzen tot.“ Wohl aus dieser Einsicht heraus hat die Europäische Kommission eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung für notwendig befunden, um so die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte in der EU sowie letztlich die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Europa zu gewährleisten.16 Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, bei der Haftungsgestaltung die richtige Balance zu finden und ein Haftungsmodell zu identifizieren, das eine Verwirklichung unterschiedlicher wirtschaftlicher Ziele – Sicherung der Rentabilität und Qualität der Prüfung, Stärkung des öffentlichen Vertrauens – verspricht, ohne dabei die Grenzen des juristisch Vertretbaren zu überschreiten. B. Erkenntnisziel und Gang der Untersuchung Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es zu erörtern, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung eine zivilrechtliche Haftung des gesetzlichen Jahresabschlussprüfers in der Europäischen Union gleichermaßen ökonomisch sinnvoll und juristisch vertretbar ist. Die Herausforderung liegt darin, Leitlinien für ein Haftungsmodell zu entwickeln, das sowohl den unterschiedlichen – teilweise widerstreitenden – wirtschaftlichen Zielen gerecht wird als auch in rechtlich vertretbarer Weise umgesetzt werden kann. Die Lösung soll keine Antwort auf eine globaltheoretische Fragestellung sein, sondern einen Weg für die Mitgliedstaaten der EU aufzeigen. Sie muss sich in diesem Sinne an den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in Europa orientieren. Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: Der erste Teil beschäftigt sich mit dem aktuellen Sachstand in der EU, der die Grundlage aller weiterführenden Reformüberlegungen bildet. Das erste Kapitel (§ 1) wird zu diesem Zweck zunächst die allgemeinen Herausforderungen schildern, vor denen die Abschlussprüfung, der Prüfer und die Prüferhaftung stehen, und im Anschluss auf die Rezeption der hieraus erwachsenden Fragestellungen auf europäischer Ebene eingehen. Das zweite Kapitel (§ 2) soll die gegenwärtig in der EU existierenden Haftungssysteme für Abschlussprüfer modellartig skizzieren. Ziel 14
Hierzu ausführlich unten bei § 4, B. III. S. Sievers, Frankfurter Rundschau Online vom 16.9.2008. 16 Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. Hierzu im Einzelnen unten bei § 1, B. II. 3. 15
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des ersten Teils ist es, ein Verständnis für die übergreifenden Probleme der Abschlussprüferhaftung sowie die prägenden Unterschiede zwischen den europäischen Rechtsordnungen zu vermitteln. Der zweite Teil erörtert die Frage, in welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung eine Haftung(sbegrenzung) für gesetzliche Abschlussprüfer ökonomisch sinnvoll ist. Anstoß dieser Auseinandersetzung gab das von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene und im Jahre 2006 veröffentlichte Gutachten des Beraterunternehmens London Economics, das sich mit eben diesem Problem befassen und Lösungsvorschläge entwickeln sollte.17 Das dritte Kapitel (§ 3) wird zunächst die im ersten Kapitel (§ 1) erarbeiteten allgemeinen Anforderungen an Prüfung, Prüfer und Prüferhaftung in die modelltheoretische Betrachtung der ökonomischen Analyse des Rechts übertragen und hieraus in einem zweiten Schritt die allgemeinen Voraussetzungen einer ökonomisch sinnvollen, d.h. effizienten, Abschlussprüferhaftung ableiten; in diesem Zusammenhang wird es entscheidend darauf ankommen, den schillernden Begriff der „Effizienz“ zu konkretisieren und für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung fruchtbar zu machen. Im Rahmen des vierten Kapitels (§ 4) sollen Leitlinien einer wirtschaftlich sinnvollen Haftung entwickelt werden, die den unterschiedlichen (ökonomischen) Zielen der Abschlussprüferhaftung – Funktionsschutz, Qualitätssicherung, Vertrauensstärkung – Rechnung tragen und insbesondere Ansätze zur Lösung bestehender Zielkonflikte aufzeigen. Das Ergebnis des zweiten Teils soll die konkreten Maßgaben einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung – speziell: ihrer Begrenzung – benennen. Der dritte Teil befasst sich mit der Frage, ob und wie die im zweiten Teil aufgestellten Vorgaben an eine Gestaltung der Abschlussprüferhaftung in juristisch vertretbarer Weise umsetzbar sind. Das fünfte Kapitel (§ 5) wird sich daher mit den grundsätzlichen Einwänden, die von juristischer Seite gegen eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung erhoben werden – Verhaltenssteuerung und Privatrecht, schadensrechtliche Haftungsbegrenzung und Totalreparationsgebot, Haftungsprivilegierung und Kompensationsfunktion – auseinandersetzen und die allgemeinen Bedingungen einer juristisch vertretbaren, d.h. verhältnismäßigen Haftung(-sbegrenzung) für Abschlussprüfer formulieren. Im Zuge des sechsten Kapitels (§ 6) sollen die aus juristischer Perspektive widerstreitenden Interessen einander gegenübergestellt, die ökonomische These des zweiten Teils aus rechtlicher Perspektive überprüft und Leitlinien für eine juristisch vertretbare Begrenzung der Abschlussprüferhaftung aufgestellt werden. Am Ende des dritten Teils steht das Ergebnis der Untersuchung: Die Voraussetzungen einer gleichermaßen ökonomisch sinn-
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Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 1, B. II. 2. a).
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vollen und juristisch vertretbaren Abschlussprüferhaftung, die an einem konkreten Vorschlag illustriert werden soll. C. Analytische Schwerpunkte und Eingrenzung des Themas Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der zivilrechtlichen Haftung des Prüfers für Fehler im Rahmen der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung. Die Haftung für andere berufliche Tätigkeiten – insbesondere für die Durchführung freiwilliger Prüfungen, für Beratungen und andere Dienstleistungen – sind nicht Bestandteil der Untersuchung. Gleiches gilt für die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Prüfers und für berufsrechtliche Sanktionen, die eine fehlerhafte Prüfung nach sich ziehen kann. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt, wie bereits angedeutet, auf der Haftungsbegrenzung. Haftung lässt sich auf vielerlei Weise gestalten und beschränken. Die vorliegende Arbeit wird sich vorwiegend mit Möglichkeiten der Begrenzung der Haftung auf Rechtsfolgenseite (schadensrechtliche Haftungsbegrenzung) auseinandersetzen. Im Mittelpunkt des Interesses stehen die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Modelle der Haftsummenbegrenzung und der proportionalen Haftung. Eine Reform des Haftungsrechts im engeren Sinne, des Haftungsgrundes (Verschulden, Schaden, Kausalität), steht gegenwärtig in der EU nicht zur Diskussion und dürfte in Anbetracht der unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet auch kaum durchführbar sein.18 Prozessrechtliche Aspekte, insbesondere die Beweislastverteilung und die Zulässigkeit von Sammelklagen, sind ebenfalls nicht Gegenstand aktueller Reformbestrebungen. Auf diese Aspekte wird im Folgenden daher nur einzugehen sein, sofern dies zum Verständnis der Thematik im Gesamtzusammenhang erforderlich ist. Ein Problemkomplex, der in die laufende Debatte noch keinen rechten Eingang gefunden hat, dem jedoch zur umfassenden Beantwortung der aufgeworfenen Fragen einige Relevanz zukommt, ist die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten (Aktionäre, Anleger, Kreditgeber, Unternehmenserwerber etc.). Kein Haftungsmodell kann die Abschlussprüfer effektiv vor existenzgefährdenden Schadensersatzforderungen schützen, wenn es sich damit begnügt, ihre zivilrechtliche Verantwortlichkeit lediglich gegenüber den Prüfungsmandanten zu begrenzen, die Haftung gegenüber einem möglicherweise unbegrenzten Personenkreis Dritter 18
In diese Richtung bereits im Jahre 1996 die Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.7. Zu den unterschiedlichen europäischen Rechtstraditionen auf dem Gebiet des Deliktsrecht im Allgemeinen s. umfassend v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I und II; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996); Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 197 f. Zu den Gemeinsamkeiten und Abweichungen auf dem Gebiet des Abschlussprüferhaftungsrechts sowie den Schwierigkeiten einer möglichen Harmonisierung im Besonderen s. Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62; ders., Verantwortlichkeit; Wölber, Abschlussprüferhaftung.
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jedoch in voller Höhe besteht.19 Die vorliegende Untersuchung wird daher besonderen Wert darauf legen, die Dritthaftungsproblematik in die Lösungsfindung einzubinden. Das Thema der Arbeit lautet die „Europäisierung“ der Abschlussprüferhaftung. Der Begriff der Europäisierung eines Rechtsgebietes kann zweierlei bedeuten: eine Angleichung der nationalstaatlichen Rechtsordnungen im Sinne einer Rechtsharmonisierung (Rechtsangleichung) oder die kooperative Weiterentwicklung des nationalen Rechts – im Wege einer Zielharmonisierung. Im Rahmen dieser Untersuchung soll der letztere Aspekt beleuchtet werden. Die Fragen nach der Notwendigkeit und der Kompetenz einer Rechtsangleichung auf EU-Ebene sowie nach dem geltenden Kollisionsrecht sind für die Abschlussprüferhaftung bereits aufgearbeitet worden und sollen vorliegend nicht weiter vertieft werden.20 Auch auf eine umfassende Rechtsvergleichung soll verzichtet werden. Die Darstellung der europäischen Haftungsrechtssysteme soll in erster Linie dazu dienen, dem Leser eine Vorstellung von den unterschiedlichen Konzeptionen der Jahresabschlussprüfung und der Prüferhaftung in den EU-Mitgliedstaaten zu vermitteln, sie erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem Pluralismus der Privatrechtsordnungen, zu dem sich die Europäische Union bekennt, erwachsen die besonderen Herausforderungen einer Rechtsharmonisierung zwischen acquis commun und acquis communautaire. Bei ihrer Bewältigung helfen auch die Erfahrungen des US-amerikanischen Föderalstaates im „Kampf (...) um Einheit und Vielfalt“ nur begrenzt weiter, denn die Rechtskulturen Europas dürfte nicht die gleiche „Seelenverwandtschaft“ verbinden wie die Bundesstaaten der USA.21 Vor diesem Hintergrund kann und muss das Ergebnis dieser Arbeit keine Einheitslösung für das Abschlussprüferhaftungsrecht der EU präsentieren. Sie soll vielmehr aufzeigen, in welchen Bereichen gemeinsame oder zumindest funktional vergleichbare Lösungen denkbar und wo sie weniger wahrscheinlich sind (z.B. bei der Dritthaftung). Vor allem aber sollen die unterschiedlichen Abschlussprüferhaftungsmodelle der Mitgliedstaaten die abstrakten Überlegungen im zweiten und dritten Teil veranschaulichen und deren theoretische Argumente durch konkrete Erfahrungswerte untermauern.
19
Vgl. auch Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1. Zum Kollisionsrecht der Abschlussprüferhaftung s. aus neuster Zeit Ebke, ZVglRWiss 109 (2010), 397. S. hierzu aber auch bereits MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 171–195; ders., Verantwortlichkeit, S. 54 f.; Leicht, Qualifikation, S. 174 ff.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 166–186. Zum Kollisionsrecht und internationalen Privatrecht der Expertenhaftung im Allgemeinen s. umfassend Sprenger, Internationale Expertenhaftung. Zur Harmonisierung des Abschlussprüferhaftungsrechts in Europa s. umfassend Wölber, Abschlussprüferhaftung. 21 Ebke, in: FS Großfeld, S. 189 f., 199. 20
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Zuletzt sei auf Folgendes hingewiesen: Die vorliegende Arbeit ist darauf ausgerichtet, aus der Perspektive des deutschen Rechts, wenngleich rechtsordnungsübergreifend und interdisziplinär, eine Lösung für ein Problem zu entwickeln, das sehr spezifisch erscheinen mag – das Berufshaftungsrecht des gesetzlichen Jahresabschlussprüfers – und dennoch sehr grundlegende und allgemeine Themen berührt. Hier liegt die besondere Bedeutung der Aufgabenstellung und zugleich ihre größte Herausforderung. Die gegenwärtigen Maßnahmen auf europäischer Ebene sind wirtschaftspolitisch motiviert. Den „juristischen Details“ misst die Europäische Kommission nicht allzu viel Beachtung bei.22 In der Vergangenheit ist vornehmlich im Bereich der ökonomischen Analyse des Rechts über die Präventionswirkung von Haftung theoretisiert worden. Rechtswissenschaftler hingegen haben über die Dogmatik des Abschlussprüferhaftungsrechts und seine Grenzen diskutiert, weniger jedoch über den Sinn und Zweck der gerne beschworenen Haftungsausweitung.23 Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die verschiedenen Ansätze zusammenzuführen. Es wird in diesem Zusammenhang entscheidend darauf ankommen, vermeintliche sowie echte Zielkonflikte und -synergien zu identifizieren, um sie einander gegenüberzustellen. Ökonomische Forderungen sollen aus rechtlicher Perspektive kritisch hinterfragt werden und umgekehrt. Die interdisziplinäre Forschung ist ebenso wie die Rechtsvergleichung ein gefährliches Unterfangen, wagt man sich doch auf fremdes Fachgebiet vor. Im Rahmen der gemeinschaftlichen Rechtsentwicklung bewegt sich die Jurisprudenz jedoch notwendigerweise auf gemeinsamem Terrain mit Politik- und Wirtschaftswissenschaft. Sie sieht sich mit Fragen konfrontiert, die in ihrer Komplexität einer Beurteilung aus verschiedenen Blickwinkeln bedürfen. Die Möglichkeit, im Zuge disziplinübergreifender Erörterungen einem der berüchtigten Pfeile im Rabelschen Sinne zu erliegen, muss daher – Konrad Zweigert und Hein Kötz folgend – bewusst in Kauf genommen werden, denn „... jeder Treffer dient der Wahrheit.“24
22
Schattka, GPR 2008, 193, 195. Kritisch daher Ebke, JZ 1990, 688, 689, der anmerkt, in der Berufshaftung gehe es heute um „die Frage nach dem Sinn oder Unsinn der ständigen, angeblich so modernen Haftungsausweitung, nicht um ihre ‘Machbarkeit‘.“ 24 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung (1984), Bd. I, S. VI. 23
Erster Teil
Die Abschlussprüferhaftung in der Europäischen Union „A living body of law is not a collection of doctrines, rules, terms and phrases. It is not a dictionary but a culture; and it has to be apprehended as such.” L. M. Friedman1
In welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung ist eine Haftung des gesetzlichen Jahresabschlussprüfers ökonomisch sinnvoll und juristisch vertretbar? Mit der Frage nach der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft und dritten Personen beschäftigen sich Wissenschaft und Praxis in aller Welt.2 Es dürfte jedoch kaum möglich sein, diese Frage, die auch Leitfrage der vorliegenden Arbeit ist, abstrakt zu beantworten. Ein Idealkonzept eines Haftungssystems, das losgelöst von seinen wirtschaftlichen und politischen Grundlagen sowie seinen materiell-rechtlichen Wurzeln und prozessrechtlichen Gegebenheiten einen Absolutheitsanspruch erheben könnte, existiert nicht. Recht ist nicht lediglich ein Mittel, das zur Verwirklichung (irgend)eines wirtschaftspolitischen Ziels beliebig formbar wäre. Es ist Bestandteil einer Rechtskultur.3 Dieser Umstand verleiht jedem Reformprozess eine inhärente Eigendynamik. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nicht, eine universelle Lösung für die Abschlussprüferhaftung zu finden. Am Ende soll vielmehr eine europäische Antwort stehen. Der erste Teil legt insoweit den Grundstein für die weitere Untersuchung, als er die allgemeinen Probleme in den konkreten Kontext einordnet: Er schildert den gegenwärtigen Sachstand des Abschlussprüferhaftungsrechts in der EU. Auf dieser Basis wird es möglich sein, die Fragen nach einer ökonomisch sinnvollen und juristisch vertretbaren Haftung im zweiten und dritten Teil der Untersuchung aus einer europäischen Perspektive heraus zu beantworten. Das dritte Kapitel (§ 3) soll zu diesem Zweck zunächst die allgemeinen Herausforderungen des Prüfungs- und Prüferhaftungsrechts sowie die Rezeption dieser Thematik auf Gemeinschaftsebene darlegen. Das
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Friedman, in: FS Merryman, S. 49, 50. Ebke, in: FS Trinkner, S. 493. 3 Zum Begriff der Rechtskultur und ihrer Bedeutung s. Mankowski, JZ 2009, 321. 2
§ 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftungle
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vierte Kapitel (§ 4) wird die unterschiedlichen, in der EU bereits existierenden Haftungssysteme modellartig skizzieren. Der Begriff der Abschlussprüfung bezeichnet im Folgenden ausschließlich die gesetzlich vorgeschriebene Prüfung von Jahres- und Konzernabschlüssen und bezieht sich insbesondere nicht auf die der gesetzlichen Abschlussprüfung nachgebildeten freiwilligen Prüfungen kleiner Kapitalgesellschaften sowie nach § 264 a HGB nicht prüfungspflichtiger Personengesellschaften. In diesem Sinne sind unter Abschlussprüfern im Rahmen dieser Arbeit auch nur solche juristischen oder natürlichen Personen zu verstehen, die mit der Durchführung der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung betraut sind. Die Haftung der Wirtschaftsprüfer für sonstige Dienstleistungen (Durchführung freiwilliger Prüfungen, Gutachten etc.) ist hingegen nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
§ 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftungle Der gesetzliche Abschlussprüfer ist eine Schlüsselfigur des modernen Kapitalmarktes. Zusammen mit der Rechnungslegung und der Publizität bildet die Jahresabschlussprüfung einen der drei Grundpfeiler der Kapitalmarkttransparenz.4 Nicht nur für die prüfungspflichtige Gesellschaft ist die Prüfung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Auch andere Personen vertrauen bei der Vornahme vermögensrelevanter Entscheidungen – Kreditgeschäften, Kapitalanlagen – auf die Richtigkeit der im Jahresabschluss veröffentlichten Unternehmensdaten. Die Tätigkeit des Abschlussprüfers berührt viele, häufig miteinander widerstreitende Interessen. Seine Stellung ist komplex. Obgleich er in den meisten Rechtsordnungen als Privater auf Grundlage eines Vertrages mit der prüfungspflichtigen Gesellschaft tätig wird,5 ist seine gesetzliche Aufgabe von gesellschaftsübergreifender Bedeutung;6 manche sprechen gar von einer öffentlichen Funktion.7 Aus dieser Doppelverpflichtung erwachsen Konflikte und rechtliche Probleme, die Regelgeber und Wissenschaftler in aller 4
Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 106. Die einzige Ausnahme im europäischen Vergleich stellt insoweit Frankreich dar. Hier wird der Abschlussprüfer nicht auf Grundlage eines Vertrages tätig. Seine Pflichten ergeben sich vielmehr ausschließlich aus Gesetz. Hierzu s. ausführlich unten bei § 2, B. I. 2. 6 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 30; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 11 ff. Zur Stellung des Abschlussprüfers s. auch unten bei § 1, A. II. 1. 7 Die neue Abschlussprüferrichtlinie von 2006 geht insoweit von einer „Funktion der Abschlussprüfer für das öffentliche Interesse“ aus. Vgl. Erwägungsgrund Nr. 9 der Richtlinie 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87. Zur Frage der „Öffentlichkeit“ der Abschlussprüfungsfunktion s. eingehend unten bei § 1, A. II. 1. m.w.Nachw. 5
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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Welt bei der Gestaltung des Prüferrechts vor Herausforderungen stellen.8 Auf der Suche nach einer Lösung kommt immer wieder auch die zivilrechtliche Haftung des Abschlussprüfers ins Gespräch.9 Dieser Abschnitt soll zunächst einen Überblick über Funktionen und Bedeutung der Jahresabschlussprüfung vermitteln, anhand dessen es möglich sein wird, Ansatzpunkte und Zielrichtung der Abschlussprüferhaftung sowie möglicher Reformen auf diesem Gebiet aufzuzeigen. Im Anschluss soll die Entwicklung der Diskussion um die Abschlussprüferhaftung auf EU-Ebene kurz nachgezeichnet werden. Zur begrifflichen Klarstellung: ein europäisches Abschlussprüferhaftungsrecht existiert gegenwärtig nicht. Die Haftung des Abschlussprüfers in der EU richtet sich ausschließlich nach dem jeweils einschlägigen Recht der Mitgliedstaaten. Nach dem gegenwärtigen Stand der Entwicklung ist, wie im Folgenden zu sehen sein wird,10 auch nicht damit zu rechnen, dass in naher Zukunft insoweit auf EU-Ebene einheitliche „europäische“ Regelungen geschaffen werden; schon die Kompetenz der EU auf diesem Gebiet ist fraglich.11 Es gibt jedoch Bestrebungen eines maßgeblich von der Europäischen Kommission gesteuerten gemeinsamen bzw. koordinierten Tätigwerdens der Mitgliedstaaten auf diesem Rechtsgebiet, wobei der Zielharmonisierung, auf die an späterer Stelle noch einzugehen sein wird,12 maßgebliche Bedeutung zukommt. Ein solches europäisches Vorgehen muss sich einerseits an den allgemeinen Herausforderungen der Abschlussprüferhaftung, andererseits an den Besonderheiten der mitgliedstaatlichen Regelungen dieses Rechtsgebiets sowie individuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten, Rechtstraditionen und Erfahrungen orientieren. Insoweit kann und wird im Rahmen dieser Arbeit von den Herausforderungen „einer europäischen Abschlussprüferhaftung“ gesprochen. A. Prüfung, Prüfer und Prüferhaftung – allgemeine Herausforderungen I. Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung unterliegt, ebenso wie die Volkswirtschaft selbst, einem ständigen funktionalen und strukturellen Wandel.13 Die zunehmende Internationalisierung der Prüfung14 im Zuge der Liberalisierung und Globalisierung der Märkte stellt den Berufsstand vor die stetig neuen Herausforderungen einer zunehmend komplexeren Tätigkeit, bei kürzeren
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Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 1, A. II. 2. S. Ebke, in: FS Buxbaum, S. 113, 126 ff. 10 § 1. B. 11 Hierzu s. sogleich unten bei § 1, B. I. 1. m.w.Nachw. 12 §1: B. I. 13 Flint, 1 Acc’g & Bus. Res. 287 (1971). 14 Vgl. Ebke, in: FS Mestmäcker, S. 863, 865 ff. 9
§ 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftungle
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Anpassungsphasen und intensiverem Wettbewerb.15 Die Umstände der Prüfung und die an sie gestellten Anforderungen haben sich seit Einführung der gesetzlichen Prüfungspflicht erheblich gewandelt. 1. Zweckbestimmung Ein Bedarf an externer Überprüfung der innerhalb eines Wirtschaftsunternehmens produzierten Geschäftsdaten entstand erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts infolge der Industrialisierung, die von einem Wandel der Unternehmenslandschaft begleitet war: Die moderne Kapitalgesellschaft schuf durch ihre Größe und die Komplexität ihrer Unternehmensstrukturen sowie auf Grund der für sie typischen begrenzten Haftung der Unternehmensleitung, der Trennung von Herrschaft und Eigentum16 und der damit einhergehenden Spaltung der unternehmensinternen Interessenlage eine Nachfrage nach unabhängigen und objektiven Informationen.17 Unternehmenskrisen und -skandale der 1920er Jahre waren in vielen europäischen Ländern, wie auch 1931 in Deutschland, Anlass für die Einführung einer gesetzlichen Pflichtprüfung der Jahresabschlüsse von Aktiengesellschaften durch qualifizierte, unternehmensexterne Personen.18 In der Öffentlichkeit entstand vor diesem Hintergrund das – nur teilweise gesetzlich fundierte – Bild vom gesetzlichen Abschlussprüfer als „Krisenwarner.“ Heute stehen die großen Kapitalgesellschaften nicht nur weiterhin im Spannungsfeld der Interessen ihrer Eigentümer und ihrer Geschäftsleitung: Als Arbeitgeber, als Institutionen zur Sammlung und Mehrung von Kapital sind sie vielmehr Träger einer funktionsfähigen und prosperierenden Volkswirtschaft. Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung ist als Informationsmedium und Kontrollinstrument aus dem modernen Kapitalmarktgeschehen nicht mehr wegzudenken.19 Mit dem Wandel ihrer wirtschaftlichen Bedeutung änderte sich auch die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit. Gesetzgeber und Berufsstände weltweit bemühen sich nun, die Inhalte der Prüfung – in Anbetracht der wachsenden Bedeutung ihrer gesellschaftsübergreifenden Funktion20 – den Erwartungen
15 Zu den Hintergründen s. Lanfermann, in: FS Havermann, S. 373. und Wiedemann, WPg 1998, 338, 339. 16 Grundlegend Berle/Means, The Modern Corporation & Private Property. 17 Anderson/Francis/Stokes, 12 J. Acct. & Pub. Pol’y 353, 372 (1993); Chow, 57 Acc. Rev. 272, 273 f. (1982); Flint, 1 Acc’g & Bus. Res. 287, 288 f. (1971). 18 Zur historischen Entwicklung der Abschlussprüfung in Deutschland vgl. Kragler, Wirtschaftsprüfung, S. 58–62; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 3 ff. 19 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105. 20 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 30; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 11 ff.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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der Allgemeinheit anzunähern, um die Erwartungslücke (expectation gap)21 zu schließen.22 Die Diskussion um den Umfang der Prüfungspflichten, beispielsweise ob sie die Aufdeckung von Straftaten und die Abgabe einer eigenständigen Risiko- und Chancenbewertung23 durch den Prüfer erfassen (sollten),24 wird seit langem geführt und hat in den letzten Jahren zu einer stetigen Ausweitung seines Pflichtenprogramms geführt.25 Dessen ungeachtet bestehen nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen dem, was die breite Öffentlichkeit sich von der Prüfung erhofft, und dem, was diese tatsächlich leisten kann und nach dem Gesetz leisten soll.26 Insbesondere ist die mit positivem Befund abgeschlossene Prüfung – in Deutschland die Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks (§ 322 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. Nr. 1 HGB) – entgegen weit verbreiteter Meinung in der Öffentlichkeit27 nach wie vor kein Gütesiegel für die wirtschaftliche Gesundheit eines Unternehmens.28 Die Hauptfunktion des Bestätigungsvermerks (Testats) besteht vielmehr darin, zu bestätigen, dass der Jahresabschluss29 auf Grund der bei der Prüfung 21
S. z.B. Biener, in: FS Havermann, S. 37; Humphrey/Moizer/Turley, 3 Critical Perspectives on Accounting 137 (1992); Kragler, Wirtschaftsprüfung, S. 353 ff.; Kirsch, in: FS Baetge, S. 955. 22 In Deutschland z.B. hat sich im Zuge der letzten Reformen des Abschlussprüferrechts, insbesondere durch das KonTraG (1998) und das BilReg (2004), eine zunehmende Abwendung vom traditionellen, primär für interne Gesellschaftszwecke geeigneten financial audit hin zum business audit vollzogen, das enger an den Informationsinteressen der externen Prüfungsadressaten ausgerichtet ist. Zu den Unterschieden und der Entwicklung im Einzelnen s. Böcking, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 53, 59 f. 23 Der deutsche Abschlussprüfer muss gemäß § 317 Abs. 2 S. 2 HGB prüfen, ob die Risiken und – seit dem BilReg (2004) – die Chancen der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind. Nach h.M. in der Literatur muss der Abschlussprüfer dabei die Prognose des Vorstands auf ihre Plausibilität und Vollständigkeit hin überprüfen, ggf. zu diesem Zweck auch Einsicht in Finanzpläne etc. nehmen, aber keine persönliche Stellungnahme abgeben. Hierzu s. Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 108; Böcking/Orth, WPg 1998, 351, 358 f.; Dörner, DB 1998, 1, 2; ders. WPg 1998, 302, 304; P.-J. Schmidt, WPg 1998, 319, 321; Wiedemann, WPg 1998, 338, 344; a.A. Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2571; Forster WPg 1998, 41, 46; ders., in: FS Baetge, S. 935, 942 f.; Ernst, WPg 1998, 1025, 1028. Zur Rechtslage in Polen s. Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 745, der auf Grundlage des polnischen Rechts die Auffassung vertritt, der Abschlussprüfer müsse eine eigenständige Wirtschaftsprognose unter Berücksichtigung des jeweiligen Wirtschaftszweiges und zukünftiger ökonomischer Ereignisse treffen. 24 Für einen länderüberübergreifenden Überblick über den Umfang der Prüfungspflichten in den EU15-Mitgliedstaaten s. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 45, 47. 25 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 2, B. II. 1. a). 26 Statt vieler s. P.-J. Schmidt, in: Hopt/Kanda/Roe/Wymeersch/Prigge (Hrsg.), Comparative Corporate Governance, S. 743, 752. 27 Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 3.14. 28 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113; Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung, § 316 HGB, Rn. 23; OLG Karlsruhe, WM 1985, 940, 942; Clemm, in: FS Havermann, S. 83, 86 f. 29 Gleiches gilt bei der Prüfung von Konzernen für den Konzernabschluss, vgl. § 322 Abs. 3 S. 1 HGB.
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gewonnenen Erkenntnisse den gesetzlichen Vorschriften entspricht und unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Unternehmenslage vermittelt (§ 322 Abs. 3 S. 1 HGB).30 Im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung ermittelt der Abschlussprüfer, ob die von der Unternehmensleitung aufgestellten Jahres- und Konzernabschlüsse31 ordnungsgemäß erfolgt sind, d.h. den einschlägigen Vorschriften entsprechen. Die Prüfung ist Voraussetzung für die Feststellung des Jahresabschlusses (§ 316 Abs. 1 S. 2 HGB). Die Durchführung der Abschlussprüfung ist im deutschen Recht Aufgabe des Wirtschaftsprüfers.32 In den übrigen EU-Mitgliedstaaten betrauen die nationalen Gesetze ebenfalls akkreditierte Berufsträger: Abschlussprüfungen führen der Commissaire aux comptes in Frankreich, der Registered Accountants in England, der Biegły rewident in Polen und der Godkänd (Auktoriserad) Revisorer in Schweden durch. Die Vornahme und das Ergebnis der Prüfung tut der Prüfer im Bestätigungsvermerk und im Prüfungsbericht kund.33 Genügt die Rechnungslegung nicht den gesetzlichen Anforderungen, kann der Bestätigungsvermerk eingeschränkt (§ 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HGB), auf Grund von Einwendungen versagt (§ 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 HGB) oder gemäß § 322 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 HGB nicht erteilt werden, weil der Abschlussprüfer nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten nicht zur Klärung des Sachverhalts in der Lage war (disclaimer).34 Die Jahresabschlüsse unterliegen mit dem Bestätigungsvermerk oder dem Vermerk über dessen Versagung der Publizität (§ 325 Abs. 1 S. 2 HGB). Das Prüfungsergebnis ist daher nicht nur den Gesellschaftern des prüfungspflichtigen Unternehmens, sondern insbesondere auch (potentiellen) Anlegern, Kreditgebern sowie der interessierten Öffentlichkeit zugänglich.
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Statt vieler s. MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 7. Als Jahresabschluss wird der Einzelabschluss eines Unternehmens für das abgelaufene Geschäftsjahr bezeichnet. Ein Konzernabschluss ist der vom Mutterunternehmen jährlich aufzustellende Abschluss für den gesamten Konzern. Näher hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 2–15. 32 § 319 Abs. 1 Satz 1 HGB sieht vor, dass der deutsche Abschlussprüfer grundsätzlich ein Wirtschaftsprüfer oder eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist. Die Abschlüsse und Lageberichte von mittelgroßen (§ 267 Abs. 2 HGB) GmbHs und prüfungspflichtigen Personengesellschaften (§ 264 a Abs. 1 HGB) können nach § 319 Abs. 1 Satz 2 HGB auch durch vereidigte Buchprüfer oder Buchprüfungsgesellschaften geprüft werden. 33 Das deutsche Recht unterscheidet insoweit zwischen einer unternehmensinternen Berichterstattung, der der Prüfer in erster Linie durch Verfassung eines Prüfungsberichts zur Kenntnisnahme durch den Aufsichtsrat nachkommt (§ 321 HGB), und einer externen Berichterstattung, die über das Prüfungstestat (§ 322 HGB) erfolgt. Im Einzelnen s. MünchKommHGB/Ebke, § 321 Rn. 2. 34 Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 322 Rn. 42. 31
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
2. Die Prüfung als Element der Corporate Governance Die für moderne Korporationen typische Streuung des Gesellschaftseigentums führt zu einer weitgehenden Entmachtung der Eigentümerposition im Rahmen der Unternehmensführung.35 Dem einzelnen Gesellschafter fehlen insbesondere in Publikumsgesellschaften sowohl die Informationen, die für die effektive Ausübung seiner Eigentümerrechte notwendig wären, als auch die Möglichkeit, seinen Willen mit den anderen Anteilseignern zu koordinieren. Der Unternehmensleitung wächst im Gegenzug ein hohes Maß an Eigenständigkeit zu. Dem Verlust der eigentumsvermittelten Unternehmenssteuerung entspricht eine Diskrepanz der gesellschaftsinternen Interessenlage (principal/agent-Konflikt).36 Der Vorstand und die Aktionäre einer AG37 ziehen nicht selten aus unterschiedlichen Geschäftsentscheidungen Vorteile. Sofern nicht korrigierende Mechanismen dieses Ungleichgewicht auffangen, besteht die Gefahr, dass die Leitung eines Unternehmens (agent) ihren Informationsvorsprung ausnutzt, um sich auf Kosten ihrer Eigentümer (principals) zu bereichern.38 Die grundlegende These von der Trennung von Eigentum und Herrschaft (separation of ownership and control) – die nach wie vor ein Kernproblem aller kapitalistisch verfassten Wirtschaftssysteme darstellt – legten Berle und Means bereits 1932 in ihrem inzwischen zum Klassiker avancierten Werk „The Modern Corporation and Private Property“ vor.39 Es lassen sich zwei Hauptansätze zur Überwindung des principal/agentKonflikts unterscheiden: die interne und die externe Corporate Governance. Die Abschlussprüfung soll zur Funktionsfähigkeit beider Modelle einen Beitrag leisten.40 Die interne Corporate Governance setzt bei der Unternehmensleitung und der Unternehmensleiterkontrolle primär auf Organisations- und Überwachungsstrukturen; sie ist darauf ausgerichtet, eine gesellschaftsinterne Machtbalance über die Unternehmensverfassung herzustellen.41 Der Abschlussprüfer tritt – ähnlich wie der Aufsichtsrat im deutschen Gesellschafts-
35 Zu diesem Problem s. aus rechtsvergleichender Perspektive Großfeld/Ebke, 26 Am. J. Comp. L. 397 (1978) m.w.Nachw. 36 Chow, 57 Acc. Rev. 272, 273 (1982). 37 Zwar unterliegen nicht nur die Aktiengesellschaften, sondern – in Abhängigkeit vom einschlägigen nationalen Recht – auch andere Gesellschaftsformen der Prüfungspflicht, im Folgenden soll aber, der terminologischen Einfachheit halber, von der AG und ihren Organen ausgegangen werden. Die getroffenen Aussagen lassen sich aber größtenteils auch auf andere Kapitalgesellschaften, namentlich prüfungspflichtige GmbHs, übertragen. 38 Statt vieler Behrens, in: FS Drobnig, S. 491, 495; Kremer, Verantwortlichkeit, S. 60 ff. 39 Berle/Means, The Modern Corporation & Private Property. 40 Statt vieler s. Cunningham, 52 UCLA L. Rev. 413, 414 (2004). 41 Statt vieler s. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 3, 12 f.
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recht (two-tier-model) – als zusätzlicher agent neben den Vorstand.42 Die einfache principal/agent-Beziehung wird auf diese Weise um ein zusätzliches Kontrollorgan erweitert.43 Die externe Corporate Governance dagegen beruht auf dem Gedanken der Außenkontrolle,44 insbesondere durch den Kapitalmarkt (capital market control).45 Sie ist darauf ausgerichtet, die dem principal/agent-Konflikt zu Grunde liegenden Interessengegensätze durch vertraglich vereinbarte und kapitalmarktvermittelte Anreizstrukturen, wie stock options und erfolgsabhängige Vergütung, abzubauen; solche Maßnahmen sollen die individuellen Interessen der Manager (agents) mit denen der Anteilseigner (principals) in Einklang bringen.46 Dem Kapitalmarkt kommt dabei die Rolle eines externen Bewertungsmediums zu. Der Hypothese der Kapitalmarkteffizienz (ECMH) zufolge gibt der Kapitalmarkt den objektiven Wert eines Unternehmens – umfassende Information unterstellt – über den Börsenkurs zutreffend wieder.47 Die Abschlussprüfung erhöht das Informationsniveau auf dem Kapitalmarkt48 und trägt auf diese Weise zur besseren (Aktien)Preisbildung und damit zu einer effizienteren, funktionstüchtigeren externen Unternehmens(leiter)kontrolle bei. Keines der beiden Modelle, weder die externe noch die interne Corporate Governance, existiert heute in Reinform. Interne und externe Steuerungsmechanismen überlagern und ergänzen sich in allen Wirtschaftssystemen.49 Traditionell messen die sog. shareholder-orientierten Marktwirtschaften, beispielsweise Großbritannien und die USA, den externen Steuerungsmechanismen durch die 42
Zur Rolle des Abschlussprüfers im principal/agent-Konflikts s. Gelter, Unabhängigkeit, S. 24; Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 161. Zum Aufsichtsrat ders., Information des Aufsichtsrates, S. 19. 43 Hierzu s. Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 639, 645. 44 Zu den unterschiedlichen Instrumenten der externen Corporate Governance s. z.B. Großfeld/Ebke, 26 Am. J. Comp. L. 397, 422 ff. (1978). 45 Statt vieler s. v. Werder, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 3, 13; Großfeld/Ebke, 26 Am. J. Comp. L. 397, 425 ff. (1978); Behrens, in: FS Drobnig, S. 491, 497. 46 Hierzu s. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 6, 16 f. m.w.Nachw. 47 Inzwischen hat sich ein der Wissenschaft freilich die Meinung durchgesetzt, dass die Kapitalmärkte der ECMH in der Realität nicht entsprechen, sie insbesondere regelmäßig den Unternehmenswert nicht vorhersehbar zutreffend über den Aktienpreis wiedergeben. Statt vieler s. Malkiel, CEPS Working Paper No. 91. Dessen ungeachtet taugt die ECMH weiterhin als theoretisches „Arbeitsmodell“. Insoweit wird auch auf die entsprechenden Ausführungen zum homo oenconomicus als Grundlage der positiven Analyse des Rechts unten bei § 3, B. I. 1. b) (1) verwiesen. 48 Hierzu s. unten § 1, A. I. 3. 49 Hierzu s. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 6, 16 ff.
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Kapitalmarktkontrolle eine größere Bedeutung bei, während die stakeholderorientierten Marktwirtschaften, namentlich Deutschland und Japan, vorwiegend auf organisationsrechtliche Mechanismen zurückgreifen.50 Die Unterschiede sind nicht nur in den rechtlichen und ökonomischen Gegebenheiten eines Landes und in den vorherrschenden wissenschaftlichen Überzeugungen begründet, sondern erwachsen aus den jeweiligen Unternehmens- und Rechtskulturen, aus der historischen, geografischen und weltanschaulichen Prägung.51 Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung ist ein wichtiges Element sowohl der Binnen- als auch der Außensteuerung52 eines Unternehmens53 und weist dem Abschlussprüfer insoweit eine Doppelrolle zu.54 3. Die Abschlussprüfung als Instrument der Kapitalmarktkontrolle Die wirtschaftliche Bedeutung der Jahresabschlussprüfung beschränkt sich jedoch nicht auf ihren Beitrag zu einer effektiven Corporate Governance. Ihre Wirkung erstreckt sich vielmehr über das individuelle Unternehmen hinaus auf den Kapitalmarkt in seiner Gesamtheit. Die Effizienz eines Kapitalmarktes beruht wesentlich auf der Verfügbarkeit aussagekräftiger, verlässlicher und glaubwürdiger Unternehmensdaten. Nur mit Hilfe dieser Informationen ist es den Anlegern möglich, einsatzbereites Kapital dort zu investieren, wo der dringendste Bedarf die höchste Rendite bei ausreichender Sicherheit ver50
Hierzu s. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle und Unternehmenskultur, S. 6, 16 f. 51 Dazu grundlegend Großfeld, in: FS Kastner, S. 175. Zwar liegt angesichts der Globalisierung und des internationalen Wettbewerbs gerade im Bereich der Wirtschaft nahe, dass sich letztlich das „optimale System“ gegen die übrigen durchsetzt, tatsächlich aber scheinen sich im Ergebnis immer auch bestimmte Grundhaltungen und Überzeugungen auszuwirken, die sich einer qualitativen Bewertung weitestgehend entziehen. Vgl. Ebke, in: Sandrock/Jäger (Hrsg.), Internationale Unternehmenskontrolle, S. 6, 15 f. 52 Hierzu s. ausführlich Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 639, 645 ff.; Ebke, in: FS Hopt, S. 559, 562; Leyens, JZ 2007, 1061, 1067. 53 In Deutschland unterscheidet man insoweit die Kontroll-, die Informations- und die Beglaubigungsfunktion der Prüfung: Die Abschlussprüfung stellt wichtige Daten zusammen, die sowohl die Gesellschafter des prüfungspflichtigen Unternehmens als auch dessen Arbeitnehmer, Kreditgeber, (potentielle) Investoren, der Staat und die Allgemeinheit benötigen, um ihre interne und externe Kontrolle effektiv ausüben zu können. Sie dient weiterhin der internen Information der gesetzlichen Vertreter, der Gesellschafter und ggf. des Aufsichtsrats und ermöglicht ihnen die Wahrnehmung ihrer organschaftlichen Rechte und Pflichten. Gegenüber den externen Adressaten des Jahresabschlusses wirkt die Prüfung weiterhin als Beglaubigung des Jahresabschlusses. Hierzu s. im Einzelnen MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 24–29; Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 11 ff.; Scheffler, in: FS Havermann, S. 651, 666; Adler/Düring/ Schmaltz, Rechnungslegung, § 316 Rn. 17–22. Rechtsvergleichend zum französischen und englischen Recht s. Senninger, Harmonisierung, S. 51 ff. 54 Zur „Doppelverantwortung“ des Abschlussprüfers nach deutschem Recht s. Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 639, 645–647.
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spricht.55 Kapitalallokationseffizienz setzt mithin zweierlei voraus: Zum einen müssen die erforderlichen Daten zugänglich und vor allem zutreffend sein, zum anderen müssen die Kapitalinhaber auch auf ihre Verlässlichkeit vertrauen dürfen.56 Das größte Hindernis der Kapitalallokationseffizienz liegt in der ungleichen Verteilung relevanter Informationen. Auf der einen Seite stehen die kapitalnachfragenden Unternehmen, die das Informationsmonopol besitzen, auf der anderen die Anleger.57 Rechnungslegung, Publizität und Jahresabschlussprüfung leisten einen wesentlichen Beitrag zum Abbau dieser Asymmetrie. Der Abschlussprüfer steht mit seiner Sachkunde und Unabhängigkeit58 für die Verlässlichkeit der veröffentlichten Daten.59 Von der Funktionsfähigkeit dieses Prüfungsmodells profitieren sowohl die prüfungspflichtigen Gesellschaften und die übrigen Kapitalmarktakteure60 als auch letztlich die Volkswirtschaft insgesamt. Eine die Informationsbedürfnisse des Kapitalmarktes befriedigende Prüfung kann unnötiger Mehrfachproduktion gleichartiger Kapitalmarktinformationen vorbeugen und die Vertriebseffizienz des Marktes (sog. operationale Effizienz) erhöhen.61 Sie nimmt dem Anleger private Kosten ab, die er in Vorbereitung einer Investitionsentscheidung andernfalls zur Suche und Auswertung unterschiedlicher, möglicherweise widersprüchlicher Informationen aufwenden müsste.62 Ein verifizierter Jahresabschluss liegt jedoch ebenfalls im Interesse des geprüften Unternehmens: Er wirkt sich positiv auf die Reputation des Emittenten aus, steigert die Nachfrage nach dessen Wertpapieren63 und senkt im Ergebnis die Kapitalkosten.64 Der Wert der Jahresabschlussprüfung für das geprüfte Unternehmen erschöpft sich freilich nicht in ihrer externen Wirkung. Sie hat auch interne Informationsfunktion.65 Eine verlässliche Publizität erhöht außerdem – 55
Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 114. Zur Bedeutung des Abschlussprüfers als Torwächter und Vertrauensintermediär s. im Einzelnen unten § 3, A. I. 57 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 108. 58 Zur Bedeutung unabhängiger Informationsintermediäre für den Kapitalmarkt s. allgemein Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423. 59 An das Prüfungstestat knüpft sich „das Vertrauen des Rechtsverkehrs“, s. MünchKommHGB/ Ebke, § 316 Rn. 28 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, WM 1996, 1777, 1779. 60 Vgl. dazu Marten/Quick/Ruhnke, Wirtschaftsprüfung, S. 36. 61 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113; ders., in: FS Hopt, S. 559, 569. In diesem Sinne auch Cunningham, 52 UCLA L. Rev. 413, 414 (2004); C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 725; Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 431. 62 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113; C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 726. 63 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 412. 64 Verrecchia, 97 J. Acct. & Econ. 164 f. (2001). 65 Die Jahresabschlussprüfung stärkt in ihrer Informationsfunktion die interne Unternehmenskontrolle, da der Prüfer z.B. über schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter der geprüften Gesellschaft und ihrer Arbeitnehmer Bericht erstattet. Vgl. im Einzelnen MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 26 f. 56
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und hierin liegt ihre eigentliche Bedeutung – die Transparenz der Kapitalmärkte. Je mehr (zutreffende) Informationen sich in dem Marktpreis eines Unternehmens widerspiegeln, desto effizienter funktioniert die preisgesteuerte Kapitalallokation.66 Wenngleich die Jahresabschlussprüfung unbestritten zu einem insgesamt höheren Informationsniveau auf den Kapitalmärkten beisteuert, lohnt es sich, ihre Eignung als Grundlage individueller Anlageentscheidungen kritisch zu hinterfragen; auch für die rechtspolitische Beurteilung einer allgemeinen Abschlussprüferdritthaftung ist dieser Aspekt relevant.67 Nur die wenigsten Anleger dürften bei der Entscheidung über den Kauf oder Verkauf einer Aktie den Jahresabschlussbericht tatsächlich zu Rate ziehen. Dennoch herrscht gemeinhin der Glaube vor, der Abschlussprüfer werde den Kapitalmarkt im Falle einer Unternehmenskrise schon rechtzeitig warnen (sog. whistleblower function).68 Nicht das konkrete Vertrauen in die Aussage eines Prüfungsergebnisses, sondern das abstrakte Vertrauen in die Institution der Prüfung als Element der Informationskontrolle ist mithin in der Praxis des Aktienhandels von Bedeutung. Aber ist dieses Vertrauen auch gerechtfertigt? Wie oben bereits ausgeführt ist die Abschlussprüfung in erster Linie eine Gesetzes- und Ordnungsmäßigkeitskontrolle.69 Ob und inwieweit den Prüfer daneben weitere Berichtspflichten gegenüber gesellschaftsexternen Körperschaften oder der Allgemeinheit treffen, ist in den einzelnen EU-Staaten unterschiedlich geregelt.70 Dem Abschlussprüfer generell die Funktion eines „Krisenwarners“ zuzuschreiben, wäre jedoch verfehlt. Der gesetzliche Abschlussprüfer hat gegenüber anderen Informationsintermediären auf dem Kapitalmarkt (Rating-Agenturen, Investmentbanken, Börsenmakler, Finanzanalysten) in jedem Fall zwei entscheidende Vorteile: Zum einen ist er gesetzlich mit weit reichenden Einsichts- und Auskunftsrechten ausgestattet, auf die andere Informationsintermediäre nicht zurückgreifen können (§ 320 HGB).71 66
C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 726; Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 114; Coffee, 70 Va. L. Rev. 717, 734 (1984). 67 Hierzu s. unten bei § 2, B. II. und § 6, B. II. 68 Vgl. C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 727. 69 S.o. bei § 1, A. I. 1. 70 Hierzu s. im Einzelnen den tabellarischem Überblick über die mitgliedstaatlichen Regelungen bei Buijink/Maijoor/Meuwissen/Witteloostijn, Role, Position and Liability, S. 82 f.; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 45, 47. 71 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 110 f.; ders, in: FS Hopt, S. 559, 565. Allerdings sind Auskunfts- und Einsichtsrechte des Abschlussprüfers in den EU-Staaten unterschiedlich ausgestaltet: Nach deutschem Recht kann der Abschlussprüfer seine Einsichts- und Auskunftsrechte nicht auf dem Klageweg durchsetzen, sondern im Zweifel lediglich den Bestätigungsvermerk einschränken oder auf die Hilfe des Aufsichtsrates zurückgreifen, der gegenüber dem Vorstand weiterreichende (und einklagbare) Rechte besitzt. Dem englischen Wirtschaftsprüfer ist hingegen durch eine Reform des Companies Act im Jahre 2004 die gerichtli-
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Er hat auch zu sensiblen Daten Zugang, die ein Unternehmen zum Schutze des Betriebsgeheimnisses oder zur Verdeckung einer Krise nicht freiwillig preisgeben würde. Zum anderen ist der Abschlussprüfer zur Unabhängigkeit verpflichtet (§§ 319, 319 a, 319 b, 318 HGB).72 Der Adressat des Jahresabschlusses darf – zumindest in der Theorie – davon ausgehen, dass das Prüfungsergebnis nicht durch persönliche Interessen des Ausstellers subjektiv gefärbt ist.73 Andererseits ist zu bedenken, dass die Prüfung sich im Wesentlichen auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge und Daten bezieht.74 An diesem Umstand hat auch das Bilanzrechtsreformgesetz von 2004, nach dem der Abschlussprüfer nunmehr ebenfalls verpflichtet ist, festzustellen, ob die „Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung“ zutreffend darstellt sind (§ 317 Abs. 2 S. 2 HGB), im Grundsatz nichts geändert.75 Der begrenzte Umfang des Prüfungsgegenstandes und sein schnelles „Verfallsdatum“ schränken seine Brauchbarkeit als Informationsquelle für Kapitalmarktanleger erheblich ein.76 Andere Informationsintermediäre hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie von vornherein zweckorientiert die für die Anleger relevanten Informationen sammeln, bündeln, aufbereiten und zukunftsorientiert bewerten.77 Trotz der erhobenen Einwände ist die Bedeutung der Abschlussprüfung für den Kapitalmarkt im Ergebnis nicht zu leugnen: Sie schafft – um ihre oben dargestellten Vorzüge noch einmal zu resümieren – Transparenz, die für die effiziente Preisbildung und Kapitalallokation notwendig ist, und sie tut dies zu für die Anleger und die Volkswirtschaft relativ günstigen Kosten.78 Sie erhöht nicht nur die Qualität, sondern wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit des Prüfers vor allem auch die Glaubwürdigkeit der testierten Jahresabschlüsse. Auf Grund der gesetzlichen Prüfungspflicht schafft die Jahresabschlussprüfung zudem eine Vergleichbarkeit der veröffentlichten Unternehmensdaten.79 che Durchsetzbarkeit seiner Auskunftsrechte eingeräumt worden. Vgl. C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 729, 732. 72 Ebke, in: FS Hopt, S. 559, 567 f. 73 Zu den Möglichkeiten der Durchführung eines Ersetzungsverfahrens bei Besorgnis der Befangenheit s. MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rn. 32 f. 74 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 109; Biener, in: FS Havermann, S. 37, 54 f. 75 Vgl. Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 108 f.: Nach wie vor obliegt die Darstellung der Unternehmenslage primär der Geschäftsführung, während der Prüfer diese Darstellung lediglich auf Vollständigkeit und Plausibilität überprüfen kann und muss. 76 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 108 f. 77 Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 108; ders., in: FS Hopt, S. 559, 564. 78 Zum Kostenvorteil durch Spezialisierung und der Vermeidung unnötiger Mehrfachproduktion gleichartiger Kapitalmarktinformationen s. Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 111, 113. 79 Für welche Unternehmen im Einzelnen die gesetzliche Prüfungspflicht gilt, richtet sich nach nationalem Recht. In Deutschland sind alle Kapitalgesellschaften, die nicht kleine i.S.d. § 267 HGB sind, prüfungspflichtig (§ 316 HGB). Für kapitalorientierte Unternehmen (§ 264 d HGB), Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen und
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Eine ganz andere Frage ist wiederum, inwieweit die gesellschaftsübergreifende Funktion der Tätigkeit des Abschlussprüfers und die ihm entgegengebrachte Erwartungshaltung mit seiner gesellschaftsinternen Aufgabe und seiner Stellung als privatrechtlich beauftragtem Sachverständigen in Einklang gebracht werden können. II. Zur Rolle und Stellung des Abschlussprüfers Der gesetzliche Abschlussprüfer kapitalmarktorientierter Unternehmen bewegt sich in unterschiedlichen Spannungsfeldern – zwischen den Eigentümern und der Leitung der prüfungspflichtigen Unternehmen sowie zwischen den Unternehmen in ihrer Gesamtheit und dem Kapitalmarkt.80 Der Abschlussprüfer erfüllt in vielerlei Hinsicht eine Doppelrolle: Einerseits wird er als privater Dienstleister von seinem Mandanten mit der Erbringung einer Leistung beauftragt, andererseits muss er seinem gesetzlichen Auftrag gemäß unabhängig handeln.81 Die Konflikte sind vorgezeichnet: Während die Eigentümer einer Gesellschaft intern ein möglichst wirklichkeitsnahes Bild der Geschäftssituation wünschen, ziehen die Manager, insbesondere bei erfolgsabhängiger Vergütung, eine möglichst positive Bewertung ihrer eigenen Leistung vor.82 In der Außendarstellung ist es das Ziel eines jeden Unternehmens, den Eindruck einer gesunden wirtschaftlichen Konstitution zu vermitteln, um sich im Wettbewerb um Kapital, Kredite, lukrative Verträge und qualifiziertes Personal durchsetzen zu können. Die potentiellen und gegenwärtigen Gläubiger hingegen sind an der Bonität ihres Schuldners, die Anleger am Potential ihrer Investition interessiert. Der Abschlussprüfer nimmt vor diesem Hintergrund eine außergewöhnliche Position ein: Die Unabhängigkeit ist ein wesentliches Merkmal seiner Rollenbeschreibung – seine Pflichten folgen aus dem Gesetz83 –, aber dennoch wird er als Privater tätig und steht in vertraglicher Beziehung zu dem geprüften Unternehmen.84 Fraglich ist, wie seine Stellung vor diesem Hintergrund rechtlich einzuordnen ist.
Pensionsfonds gelten bei der Prüfung erhöhte Voraussetzungen (§§ 319 a, 340 k, 341 k HGB). 80 Hierzu s. auch Senninger, Harmonisierung, S. 46 f. 81 Wenngleich er eine gesetzliche Pflicht erfüllt, wird der Abschlussprüfer in allen EUMitgliedstaaten – mit Ausnahme von Frankreich – auf Grundlage eines privatrechtlich mit der prüfungspflichtigen Gesellschaft geschlossenen Vertrags tätig. S. im Einzelnen unten § 2, B. I. 2. 82 Statt vieler s. Seibert, WM 1997, 1, 6 f.; Sunder, WPg 2003, 141, 145 f. 83 Vgl. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 14; MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32: „gesetzlich umrissene Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsaufgaben“. 84 Anders ist die rechtliche Lage einzig in Frankreich, s. im Einzelnen unten § 2, B. I. 2. m.w.Nachw.
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1. Gesellschaftsübergreifende Bedeutung: öffentliche Funktion? Ungeachtet der Tatsache, dass die prüfungspflichtige Gesellschaft den Prüfungsauftrag erteilt und den Abschlussprüfer für seine Tätigkeit vergütet, wird dieser nicht ausschließlich im Interesse seines Prüfungsmandanten tätig.85 Das folgt bereits aus der Entstehungsgeschichte der Pflichtprüfung.86 Sie dient ebenfalls der Information der (potentiellen) Aktionäre, der Waren- und Geldkreditgeber, der Arbeitnehmer, des Staates und der interessierten Öffentlichkeit.87 Die europäischen Rechtsordnungen haben daher den Wirtschaftsprüfer als beruflichen Experten mit der Durchführung der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung betraut.88 Die Schaffung und der Erhalt eines funktionsfähigen Aktienwesens und effizienter Kapitalmärkte sind wichtige Belange des Allgemeinwohls und entsprechen dem öffentlichen Interesse an einer wettbewerbsgesteuerten und wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft.89 Nach inzwischen herrschendem Verständnis im deutschen Recht90 nimmt der Abschlussprüfer aus diesen Gründen auch keine gesellschaftsinnenrechtliche Stellung ein, ist weder Organ91 der Gesellschaft noch Gehilfe des Aufsichtrates.92 Mit Blick auf seine gesellschaftsübergreifende Funktion wird bisweilen die Frage nach der öffentlich-rechtlichen Natur seiner Tätigkeit aufgeworfen. Der Abschlussprüfer hat jedoch keine öffentlich-rechtliche Stellung inne.93 Er ist weder Behörde noch Beliehener des Staates.94 Dennoch 85
Statt vieler s. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rn. 11; Ebke, in: Ferrarini/Hopt/ Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 407, 516; Hopt, ZHR 1977, 389, 402; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411 f.; Hellwig, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 67. 86 Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 31; Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 412 f. 87 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 30. 88 Ebke, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 407, 514 f. 89 Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411, 412. 90 Statt vieler s. MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32 m.w.Nachw.; ähnlich Lutter, ZSR 124 (2005) II, 415, 445. 91 Anderer Auffassung jedoch z.B. noch BGHZ 16, 17, 25. Im Einzelnen s. hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32 und Fn. 106 m.w.Nachw. 92 Anderer Auffassung jedoch z.B. Hommelhoff, BB 1998, 2567, 2568; ders.: in Baetge (Hrsg.), Auswirkungen des KonTraG, S. 115, 122. Im Einzelnen s. hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32 und Fn. 107–109 m.w.Nachw. 93 Diese Auffassung findet auch im europäischen Privatrecht eine Stütze: Würde die Abschlussprüfung als hoheitliche Aufgabe qualifiziert, wäre sie nach Art. 45 EG generell bereits aus diesem Grunde vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommen. Die Europäische Kommission erachtete es jedoch für notwendig, die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer in Art. 17 Ziffer 15 der Richtlinie von wesentlichen Vorschriften zu befreien. Es ist daher anzunehmen, dass Art. 45 – jedenfalls nach Ansicht der Europäischen Kommission – nicht einschlägig ist und sie die Abschlussprüfung daher nicht als hoheitliche Tätigkeit ansieht. Vgl. C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 731.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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wird ihm im Rahmen der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung teilweise – unter Verweis auf seine Pflicht zur Unabhängigkeit (Unbefangenheit, Unparteilichkeit), die ihm eingeräumten hoheitlich anmutenden Befugnisse (z.B. Auskunfts- und Einsichtsrechte gegenüber der geprüften Gesellschaft)95 und Redepflichten gegenüber staatlichen Behörden96 sowie letztlich die Bedeutung der Prüfung für prüfungsvertragsfremde Personen und die Allgemeinheit – eine öffentliche Funktion zugeschrieben. An dieser Stelle bedarf es freilich einer Klarstellung dessen, was genau unter dem Begriff der „öffentlichen Funktion“ zu verstehen sein soll. Der mangelnde Konsens in dieser Frage ist wohl nicht nur auf inhaltliche Differenzen zurückzuführen, sondern vor allem auch auf das uneinheitliche terminologische Verständnis und auf die unterschiedlichen haftungsrechtlichen Schlussfolgerungen, die aus der Qualifikation als „öffentliche Funktion“ gezogen werden: Einige Autoren begreifen die öffentliche Funktion des Prüfers bzw. seine Tätigkeit im öffentlichen Interesse wohl lediglich als Synonym für seine (unbestritten)97 gesellschaftsübergreifende Funktion.98 Andere stehen dem Siegel der „Öffentlichkeit“ vornehmlich deshalb mit Vorbehalten gegenüber, weil aus der „öffentlichen Funktion“ oft vorschnell subjektive Rechte der Allgemeinheit oder einzelner Individuen abgleitet werden (Problem der Dritthaftung).99 Das eigentliche Problem liegt mithin nicht in der Entscheidung, ob man die Funktion des Abschlussprüfers als „gesellschaftsübergreifende“ oder „öffentliche“ betitelt. Die zentrale Frage ist vielmehr, ob die gesetzliche Aufgabe, die der Abschlussprüfer wahrnimmt, eine drittschützende Wirkung gegenüber Individuen innerhalb der Allgemeinheit entfaltet und damit allen Ad94
Im Einzelnen C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 727–731 m.w.Nachw. Nach deutschem Recht bestehen Auskunftsrechte des Abschlussprüfers auch gegenüber Mutter- und Tochterunternehmen, wenn diese Informationen für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. Vgl. BeckBilKomm/Förschle/Heinz, § 320 Rn. 16. 96 Der französische Abschlussprüfer z.B. hat die Pflicht, den Behörden Mitteilung von der drohenden Insolvenz eines geprüften Unternehmens zu machen, und muss bei der Staatsanwaltschaft aufgedeckte Gesetzesverstöße zur Anzeige bringen. Im Einzelnen s. Charron, in: Europäische Kommission (Hrsg.), Act of the Conference, S. 177, 178; Dammann, in: FS Sonnenberger, S. 23, 26; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. III 90. In diesem Zusammenhang s. auch IDW/WPK, Gemeinsame Stellungnahme vom 27.3.2006 (VO 1/2006), Tz. 4.2 Rn. (58), die sich für die Einführung von Regeln aussprechen, die gewährleisten, dass Prüfungsaufträge nur angenommen bzw. fortgeführt werden, nachdem die Pflichten des Geldwäschegesetzes erfüllt wurden. 97 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 38 m.w.Nachw. 98 So wohl Hopt, ZHR 1977, 389, 402: „Da der Prüfungsvertrag voll auf die Rechnungslegung bezogen ist und diese nicht nur gesellschaftsinternen Zwecken dient, kann insoweit tatsächlich von einer öffentlichen Funktion des Abschlussprüfers gesprochen werden.“; ähnlich C. Koch, Der Konzern 2005, 723. 99 Differenzierend daher MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 38; ebenso Schattka, GPR 2008, 193, 195. 95
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ressaten des Jahresabschlusses einklagbare subjektive Rechtspositionen eröffnet. Hier gilt es zu differenzieren, denn aus der Öffentlichkeit der Prüfungsfunktion folgt nicht automatisch eine umfassende Dritthaftung des Abschlussprüfers für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Der Grundsatz des neminem laedere gilt – anders als beispielsweise in Frankreich100 – im deutschen Haftungsrecht gerade nicht.101 Völlig unabhängig lassen sich die Problemkreise Funktion der Prüfung und (Dritt)Haftung freilich nicht betrachten: Diente die Abschlussprüfung ausschließlich den Interessen des Vertragspartners, der prüfungspflichtigen Gesellschaft, würde der Diskussion um eine mögliche Dritthaftung überhaupt kein Raum eröffnet. Der gesellschaftsübergreifende – oder öffentliche – Charakter der Jahresabschlussprüfung ist mithin notwendige, wenn auch nicht hinreichende Voraussetzung einer Dritthaftung. Aus diesem Grunde ist der Zweck der Prüfung auch Ausgangspunkt aller Erörterungen zur Haftung des Abschlussprüfers gegenüber anderen Personen als der geprüften Gesellschaft.102 Auf dieses Problem wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.103 Die Ansichten der EU-Mitgliedstaaten sind in der Frage, wie weit die „öffentliche Funktion“ der Prüfung reicht – ob sie als lediglich gesellschaftsübergreifend oder quasi staatlich einzuordnen ist – und ob hieraus ein subjektiver Drittschutz folgt, gespalten. Die neue Abschlussprüferrichtlinie aus dem Jahre 2006104 bezieht insoweit keine klare Position: Sie bezeichnet die Abschlussprüfung zwar als „Funktion für das öffentliche Interesse“,105 zieht daraus aber keine Schlussfolgerungen für die gesellschaftsrechtliche Stellung des Abschlussprüfers.106 Im deutschen Recht betrachtet man den Abschlussprüfer, wie bereits dargestellt, überwiegend als unabhängigen Vertragspartner der prüfungspflichtigen Gesellschaft, der im Rahmen der Pflichtprüfung gesetzlich festgeschriebene Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsaufgaben
100
Zum französischen Recht s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 17 f. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 53 f., 59 m.w.Nachw. 102 So Lord Oliver in: Caparo Industries plc. v. Dickman, [1990] 1 All ER, 568, 583. Die rechtsvergleichende Betrachtung zeigt zudem, dass europäische Rechtsordnungen wie Frankreich, die den öffentlichen Aspekt der Prüfung stärker betonen, einer Dritthaftung des Abschlussprüfers gegenüber aufgeschlossener sind. Man muss sich jedoch durchaus die Frage stellen, ob die umfassendere Dritthaftung in Frankreich auf die Funktion des Abschlussprüfers im französischen Recht oder nicht vielmehr (auch) auf das allgemeine Haftungsrecht zurückzuführen ist, das im Unterschied zum deutschen Deliktsrecht über die große Generalklausel (Art. 1182 f. C.Civ.) einen umfassenden Rechtsgüterschutz gewährt. Im Einzelnen s. hierzu unten bei § 2, B. II. 2. 103 Hierzu s. unten bei § 2, B. II. 2. 104 RL 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87. 105 Vgl. Erwägungsgrund (9) der Richtlinie 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87. 106 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 36. 101
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
wahrnimmt.107 Die Abschlussprüfung erfüllt zwar bestimmungsgemäß ein Informationsbedürfnis Dritter und der Öffentlichkeit, doch aus Interesse und Nutzen der Allgemeinheit lassen sich noch keine subjektiven Rechte individueller Dritter ableiten.108 Auf ähnlicher Linie liegt das englische Recht.109 In Frankreich hingegen gilt der Abschlussprüfer als Verwaltungshelfer.110 Seine Pflichten, zu denen insbesondere auch spezielle Aussagepflichten gegenüber den Behörden zählen, ergeben sich ausschließlich aus dem Gesetz.111 Zwischen ihm und der von ihm geprüften Gesellschaft besteht zudem keine vertragliche Beziehung; insoweit stellt das französische Abschlussprüferrecht in der EU eine Ausnahme dar.112 In Polen tendiert das Rollenverständnis in eine ähnliche Richtung, wenngleich die gesetzliche Ausgestaltung seiner Pflichten und des Prüfungsverhältnisses nicht dem französischen Muster entspricht.113 Der Abschlussprüfer soll aber „quasi die Funktion einer Person des öffentlichen Vertrauens“ einnehmen.114 In Schweden wird der Abschlussprüfer hingegen – obgleich die Prüfung auch hier unstrittig nicht ausschließlich den Interessen des Prüfungsmandanten dient – als Repräsentant oder Vertreter der prüfungspflichtigen Gesellschaft bezeichnet.115 Die Konzeptionen der Mitgliedstaaten liegen mithin zum Teil weit auseinander. Mit der Frage, wie sich dieses abweichende Verständnis von der Funktion des Prüfers auf die mitgliedstaatlichen Haftungsregime auswirkt, insbesondere auf die Dritthaftung des Abschlussprüfers und die Begrenzung seiner zivilrechtlichen Verantwortlichkeit, wird sich die vorliegende Untersuchung noch eingehend beschäftigen.116 107 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 39; ders., Wirtschafsprüfer, S. 14; ihm ausdrücklich folgend OLG Düsseldorf DB 2006, 1670; ähnlich Lutter, ZSR 124 (2005) II, 415, 445: „unabhängiger Vertragspartner“. Hingegen für die Qualifizierung der Abschlussprüfung als öffentliche Aufgabe z.B. Schulze-Osterloh, ZGR 1976, 411 („Abschlussprüfung als öffentliche Aufgabe“). Für weitere Nachweise s. MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32 und Fn. 111. 108 Ebke, Arbeitspapiere, S. 42; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 319 Rn. 11. 109 Vgl. Baker/Mikol/Quick, 10 Eur. Acc. Rev. 763, 769 (2001). Im Einzelnen s. unten bei § 2, B. II. 2. c). 110 „Adjunct of the state“, vgl. Baker/Mikol/Quick, 10 Eur. Acc. Rev. 763, 772 (2001); in diesem Sinne auch Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. III 90: „Man kann sogar von einer den commissaires aux comptes im Gemeininteresse übertragenen Funktion sprechen.“ 111 Baker/Mikol/Quick, 10 Eur. Acc. Rev. 763, 772 f. (2001); Charron, in: Europäische Kommission (Hrsg.), Act of the Conference, S. 177, 178; Dammann, in: FS Sonnenberger, S. 23, 26; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, Rn. III 90. 112 Im Einzelnen s. unten bei § 2, B. I. 2. m.w.Nachw. 113 Hierzu s. unten bei § 2, B. I. 2. 114 Aus dem Urteil des Obersten Gerichts vom 01.12.2006 (Az. I CSK 315/06). Vgl. hierzu die Besprechung mit kritischen Anmerkungen von Jastrzębski, Glosa 2007, 15. 115 Moberg, 37 Sc.St.L. 215, 217 (2004). 116 Im Einzelnen s. unten bei § 2.
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2. Doppelfunktion des Prüfers: No One Can Serve Two Masters? Unabhängig davon, ob man den Abschlussprüfer nun juristisch als Verwaltungshelfer117 oder als unabhängigen Vertragspartner mit gesellschaftsübergreifender Funktion118 einordnet und welche Folgen sich daraus für die Reichweite seiner haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit ergeben – das Problem der Doppelgleisigkeit seiner Aufgabe bleibt bestehen: Denn mit der geprüften Gesellschaft verbindet den Abschlussprüfer eine vertragliche Beziehung,119 gesetzlich ist er jedoch im gesellschaftsübergreifenden Interesse120 zur Unabhängigkeit verpflichtet.121 Vertreter der US-amerikanischen Literatur ziehen grundsätzlich in Zweifel, dass der Abschlussprüfer dieser Rolle überhaupt gerecht werden kann: „No One Can Serve Two Masters.“122 Nun gilt es freilich zwischen gesetzlich zugewiesener Funktion, externen (faktischen) Erwartungen und Haftung zu unterscheiden.123 Rechtlich ist der Abschlussprüfer weder den Interessen der prüfungspflichtigen Gesellschaft verpflichtet noch denen der externen Adressaten. Seine Aufgaben ergeben sich vielmehr aus dem Gesetz.124 Das gesetzliche Aufgabenprofil des Abschlussprüfers und die Erwartungen der Öffentlichkeit fallen teilweise auseinander. Dieses Phänomen wird gemeinhin als Erwartungslücke (expectation gap)125 bezeichnet. Seit Einführung der Pflichtprüfung haben sich die öffentlichen Erwartungen an die Jahresabschlussprüfung gewandelt. Das Recht hingegen ist den diesem Wandel zu Grunde liegenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen nur teilweise gefolgt. War der Abschlussprüfer ursprünglich primär als interne Kontrollinstanz für die geprüfte Gesellschaft von Bedeutung, so ist heute das Interesse Dritter in den Vordergrund gerückt.126 Selbst kleine Unternehmen verfügen inzwischen über ausreichende Buchhaltungserfahrung, um einen ordnungsgemäßen Jahresabschluss auch ohne die Hilfe eines Wirt-
117
„Adjunct of the state“, vgl. Baker/Mikol/Quick, 10 Eur. Acc. Rev. 763, 772 (2001). Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 39; ders., Wirtschafsprüfer, S. 14; Lutter, ZSR 124 (2005) II, 415, 445. 119 In der EU besteht einzig nach französischem Recht keine vertragliche Beziehung zwischen dem Abschlussprüfer und der von ihm geprüften Gesellschaft. Hierzu s. unten bei § 2, B. I. 2. 120 Hierzu s. im Einzelnen oben bei § 1, A. I. 3. 121 Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 439. 122 Seligman, 80 Wash. U. L.Q. 449 (2002); in diesem Sinne auch O’Connor, 45 B.C. L. Rev. 741, 824 (2004). 123 Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 250 ff.; ders., Verantwortlichkeit, S. 18 ff. 124 Vgl. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 14; MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 32: „gesetzlich umrissene Kontroll-, Informations- und Beglaubigungsaufgaben“; Erle, Bestätigungsvermerk, S. 349. 125 S.o. bei § 1, A. I. 1. 126 Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 250. 118
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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schaftsprüfers aufstellen zu können.127 Aus diesem Grunde werden vielfach nun die externen Adressaten des Jahresabschlusses, insbesondere Investoren, als die „wahren Kunden“ des Abschlussprüfers bezeichnet.128 Das ändert freilich nichts daran, dass es nach wie vor nicht diese Dritten sind, die den Abschlussprüfer beauftragen und bezahlen. Sie sind daher weder Kunden im eigentlichen Sinne – Vertragspartner – noch steht ihnen bei Schlechtleistung des Abschlussprüfers notwendigerweise ein Schadensersatzanspruch zu.129 Von dem tatsächlichen Bedarf der Wirtschaft allein kann nicht ohne weiteres auf einen erweiterten Aufgaben- und Pflichtenkreis des Abschlussprüfers und erst recht nicht auf seine zivilrechtliche Verantwortlichkeit gegenüber Dritten geschlossen werden. Zwischen Vertrauen, Vertrauendürfen und Haftung bei enttäuschtem Vertrauen bestehen vielmehr gravierende Unterschiede. Nicht jede Verursachung eines Schadens zieht eine Schadensersatzpflicht nach sich. Das gilt insbesondere in Bezug auf die so genannten reinen Vermögensschäden.130 Der Rollenwandel des Abschlussprüfers in der öffentlichen Wahrnehmung lässt sich aus legislativer und rechtswissenschaftlicher Sicht dennoch nicht vollständig ausblenden. Er birgt insbesondere für die Regelgeber beachtliche Herausforderungen. Zum einen stellt sich die Frage, ob der wachsenden externen Bedeutung der Jahresabschlussprüfung durch eine entsprechende Gestaltung der Abschlussprüfer(dritt)haftung entsprochen werden sollte. Dieses Problem wird im zweiten und dritten Teil dieser Arbeit noch wiederholt zur Sprache kommen. Zum anderen mag man vielleicht zu Recht bezweifeln, dass der privatrechtlich (wie ein Unternehmer) tätig werdende Abschlussprüfer überhaupt in der Lage ist, die ihm zugedachte Stellung auf dem Kapitalmarkt zu erfüllen; möglicherweise sind seine Aufgaben über die rechtliche Grundkonzeption seiner Person hinausgewachsen.131 Vor dem Gesetz ist er zwar nicht „Diener zweier Herren“, faktisch befindet er sich jedoch in der außergewöhnlichen Situation, als Vertragspartner der geprüften Gesellschaft das objektive Urteil eines unabhängigen Sachverständigen abgeben zu müssen. Hält das Recht tatsächlich geeignete Mechanismen bereit, die eine Stabilisierung des Balanceakts zwischen gesellschaftsübergreifender bzw. öffentlicher Funktion und freiberuflicher Tätigkeit ermöglichen?
127
Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 487. In diesem Sinne Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 487; Sunder WPg 2003, 141, 143; Shore, 53 SMU LR 387, 416 f (2000). 129 Zu den Voraussetzungen der Dritthaftung s. unten bei § 2, B. II. 2. 130 Zur Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden s. bspw. Schäfer/Dari-Mattiacci, German Working Papers in Law and Economics 2007, Art. 4. Eingehend zu diesem Problem auch unten bei § 2, B. II. 2. und § 3, B. III. 1 a) (1) m.w.Nachw. 131 In diesem Sinne O’Connor, 45 B.C. L Rev. 741, 827 (2004). 128
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Bei Licht betrachtet lohnt die Beantwortung dieser Frage nicht: Es fehlt gegenwärtig schlichtweg an zukunftsträchtigen Alternativen.132 Vorschläge, die Doppelfunktion der gesetzlichen Abschlussprüfung aufzulösen und sie entweder auf die öffentliche Garantiefunktion oder auf die vertraglich-interne Unterstützungsfunktion133 zu reduzieren, sind durchaus schon in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht worden. Denkbar wäre es beispielsweise, die Pflichtprüfung insgesamt abzuschaffen und durch eine Versicherung aller Investoren gegen Schäden aus Bilanzbetrug zu ersetzen. Aufgabe des Abschlussprüfers wäre es dann lediglich, das Einstandsrisiko der Versicherung durch Überprüfung der Rechnungslegung zu verringern.134 Man könnte auch die Einführung einer direkten staatlichen Kontrolle oder die Einrichtung eines unabhängigen Aktienamts erwägen.135 Beide Gestaltungsvarianten zeichnen sich gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage dadurch aus, dass sie dem Prüfer eine klare Position zuteilen, doch keine von ihnen könnte den Bedeutungsgehalt seiner jetzigen Funktion vollumfänglich erhalten. In dem einen System wäre er in erster Linie Gehilfe der Versicherung, in dem anderen Vertreter des Staates; als Unternehmensberater tätige Wirtschaftsprüfer und solche, die freiwillige Prüfungen durchführen und Gutachten erstellen, würden in beiden Systemen wohl nach wie vor existieren. Während der Abschlussprüfer als Beauftragter der Versicherung zwar den Interessen der Investoren, nicht aber denen der Allgemeinheit und anderer betroffener Personengruppen (Arbeitnehmer, Kunden, Warenkreditgeber) dienen würde, verlöre er im staatlichen Amt seine gesellschaftsinternen Funktionen, nach deutschem Recht insbesondere die Unterstützungsfunktion gegenüber dem Aufsichtsrat.136 Eine Verstaatlichung könnte zudem die Effizienz und Qualität der Prüfung beeinträchtigen.137 In jedem Fall wäre eine Aufspaltung der Prüfungsfunktion mit volkswirtschaftlichen Mehrkosten verbunden.138 Denn die Informationen, die ein Prüfer im Auftrag der Versicherung, des geprüften Unternehmens oder des Staates zusammenstellen würde, könnten ohne erhebliche Mehrkosten auch
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Im Einzelnen C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 731 f. m.w.Nachw. Zu der Differenzierung zwischen der Unterstützungsfunktion des Abschlussprüfers im Rahmen der internen Corporate Governance und seiner Garantiefunktion als „öffentlicher Garant der Rechnungslegung“ im Rahmen der externen Corporate Governance s. Hommelhoff/Mattheus, in: Hommelhoff/Hopt/v. Werder (Hrsg.), Handbuch, S. 639, 645 ff. 134 So der Vorschlag von Ronen, 8 Stan. J.L. Bus. & Fin. 39, 48–60 (2002). Ebenso Cunningham, 52 UCLA L. Rev. 413 (2004); ders., 106 Colum. L. Rev. 1698, 1742 (2006). 135 Ausführlich s. M. Richter, Sicherung der aktienrechtlichen Publizität, S. 245 ff. 136 C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 731 f. 137 Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 299 f. unter Verweis auf entsprechende Erfahrungen in den USA. 138 Zur Abschlussprüfung als Mittel zur Vermeidung unnötiger Mehrfachproduktion gleichartiger Kapitalmarktinformationen s. Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113. 133
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden.139 Die Inanspruchnahme zusätzlicher Informationsintermediäre zur Unterrichtung individueller Interessenten (Kreditgeber, Aktienerwerber etc.) und der Öffentlichkeit wäre daher ineffizient.140 Ob letztlich die Vorteile der gegenwärtigen Konzeption ihre Nachteile tatsächlich überwiegen, mag dahingestellt bleiben. Tatsache ist jedenfalls, dass auf europäischer Ebene derzeit keine Bestrebungen zur Abschaffung der Doppelfunktion bestehen. Aus diesem Grunde beschränkt sich die vorliegende Arbeit auf die Frage, ob und wie das gegenwärtige System verbessert werden kann. Es gilt insbesondere zu klären, welchen Beitrag die zivilrechtliche Haftung des Prüfers zur Abmilderung der aus seiner Doppelfunktion entspringenden und insoweit systemimmanenten Konflikte zu leisten vermag. III. Bedeutung der Abschlussprüferhaftung – Schlussfolgerungen Spektakuläre Rechnungslegungsskandale der vergangenen zwei Jahrzehnte – Enron, WorldCom, Parmalat, Flowtex, um nur einige prominente Beispiele zu nennen – haben Zweifel geschürt, ob die Abschlussprüfer den Herausforderungen ihrer beruflichen Rolle gewachsen oder zu ihrer Erfüllung überhaupt bereit sind. Ein komplexer Finanzbetrug wie im Falle Enron wäre ohne die Mitwirkung, zumindest Duldung, der zuständigen Abschlussprüfer überhaupt nicht möglich gewesen.141 In diesem Zusammenhang sind weltweit Debatten entbrannt, die nach den Ursachen für das Versagen der Prüfer – why did the watchdog not bark? – und nach Lösungen der identifizierten Probleme suchen. Über die Ursachen herrscht weitgehende Einigkeit: mangelnde Unabhängigkeit und unzureichende Sorgfaltsanreize, die aus der oben skizzierten prekären Position des Prüfers im Spannungsfeld eigener und fremder Interessenkonflikte erwachsen. Im Ringen um eine Lösung dieses Problems rückt immer wieder die zivilrechtliche Haftung ins Zentrum der Diskussion. Da eine grundlegende Umgestaltung der Prüfungsfunktion im Sinne einer vollständigen Befreiung des Wirtschaftsprüfers von seiner gesellschaftsübergreifenden Garantiefunktion oder seiner vertraglich-internen Unterstützungsfunktion gegenwärtig nicht zur Diskussion steht, bleibt nunmehr zu klären, wie der Erfolg des alten Modells, auch unter neuen Marktbedingungen und veränderten wirtschaftlichen Anforderungen, gewährleistet werden kann. Die Leitfrage ist gleichwohl enger gefasst, denn das Vorhaben besteht darin zu eruieren, wie die zivilrechtliche Haftung zur Verwirklichung dieses Zieles beitragen kann.
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Zu den Synergieeffekten bei gleichzeitiger Prüfung und Beratung s. auch unten bei § 3, A. II. 2. b) (2). 140 Hierzu s. Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 113. 141 Statt vieler s. Coffee, Gatekeepers, S. 15.
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Diese spezifische Themensetzung sollte jedoch keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass die zivilrechtliche Haftung nur eines von vielen rechtlichen Mitteln ist, die auf eine ordnungsgemäße Pflichtenerfüllung durch den Abschlussprüfer hinzuwirken vermögen;142 sie ist nur ein – wenngleich wichtiges – Rädchen im Getriebe eines komplexen Kontrollsystems. Von der Haftung erhofft man sich zunächst eine positive verhaltenssteuernde Wirkung: Sie soll gewährleisten, dass der Prüfer den Anforderungen seiner Doppelfunktion, trotz „moralischer Zwänge“ (moral hazards),143 gerecht wird; ob diese Hoffnung berechtigt ist, wird im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit noch zu hinterfragen sein. Haftungsrecht stiftet aber auch Vertrauen unter den Teilnehmern am Rechtsverkehr. Es dient – und das ist nach herrschender Auffassung in der Rechtswissenschaft nach wie vor seine primäre Funktion – der Abwälzung zurechenbar verursachter Schäden von dem Opfer auf den Verursacher.144 Damit soll keineswegs gesagt sein, dass Haftung allgemein oder auch nur im kapitalmarktlichen Kontext per se positiv ist. Eine übermäßige Haftung kann Existenzen vernichten und ganze Berufszweige zerstören; sie kann auch gemeinwohlförderliche Aktivitäten unterdrücken, paralysierend wirken.145 Eine der größten Herausforderungen eines jeden Gesetzgebers ist es daher, im Schadensersatzrecht die richtige Balance zwischen Rechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit zu finden. Über diesen Zielkonflikt ist auch auf dem Gebiet des Abschlussprüferhaftungsrechts viel diskutiert worden. Der folgende Abschnitt soll diesen Prozess auf Gemeinschaftsebene nachzeichnen. B. Die Diskussion um die Abschlussprüferhaftung auf EU-Ebene Die Bemühungen der Europäischen Kommission um Harmonisierung und Novellierung des Haftungsrechts für Abschlussprüfer in der EU haben eine lange Tradition.146 Bereits im Jahre 1972 nahm die Diskussion mit dem Vorschlag einer fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (Strukturrichtlinie)147
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Im Einzelnen s. unten bei § 3, A. III. 2. Zu diesen sog. moral hazards zählen insbesondere wirtschaftliche Anreize zur parteiischen Prüfung, die in Konflikt zu der gesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit des Prüfers stehen. Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 3, A. II. 2. 144 Statt vieler s. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9. 145 Hübner, NJW 1981, 5, 11. 146 Zur historischen Entwicklung und der aktuellen Lage s. Ebke, in: FS Westermann, S. 875; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 39 ff. 147 Vorschlag einer fünften Richtlinie zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter hinsichtlich der Struktur der Aktiengesellschaft sowie der Befugnisse und Verpflichtungen ihrer Organe vorgeschrieben sind, ABl. EG 1972 C 131/49. 143
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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ihren Anfang.148 Sie ist in jüngerer Vergangenheit durch die Abschlussprüferrichtlinie von 2006149 und die im Anschluss eingeleiteten Maßnahmen der Kommission – insbesondere die Veröffentlichung einer Empfehlung zur Begrenzung der Abschlussprüferhaftung im Jahre 2008150 – neu entfacht worden. Zwei Fragen sind es, die den internationalen Diskurs zum Haftungsrecht von seinem Beginn an bis in die Gegenwart durchziehen: die gesetzliche Höchstsummenbegrenzung der gegen den Abschlussprüfer durchsetzbaren Ersatzansprüche und die Eingrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten (Problem der Dritthaftung). I. Von der Rechtsangleichung zur Zielharmonisierung Der Entwicklungsprozess auf europäischer Ebene zeichnet sich durch eine Doppelgleisigkeit der Reformbestrebungen aus: Zum einen beschäftigt man sich in der EU, ebenso wie in anderen Rechtskreisen, mit der optimalen Gestaltung des Abschlussprüferhaftungsrechts zur Steigerung der Funktionsfähigkeit und Attraktivität europäischer Kapitalmärkte. Zum anderen stellen speziell die europäische Wissenschaft und Praxis mit Blick auf den gemeinsamen Binnenmarkt immer wieder auch die Frage nach einer möglichen Vereinheitlichung des stark variierenden Haftungsrechts. 1. Erste Anläufe Die frühen Reformvorhaben gründeten sich primär auf dem Gedanken der Rechtsangleichung.151 Die Berufshaftung für Abschlussprüfer war nur ein Teil weiterreichender Projekte auf dem Gebiet des europäischen Gesellschaftsrechts. Von einer Angleichung des Prüfungsrechts versprach man sich in erster Linie eine Vertiefung des Binnenmarktes für Abschlussprüfungsdienstleistungen, der sich – wohl aufgrund der starken regionalen Bindung der Prüfungstätigkeit – auffallend schleppend entwickelte, sowie eine Förderung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit der Abschlussprüfer.152 Im Mittelpunkt der Debatte standen von jeher – insbesondere aus deutscher Perspektive – die Fragen nach der summenmäßigen Begrenzung der Haftung des Ab148
Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 40 f. Richtlinie 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87. Hierzu s. unten bei B. II. 1. 150 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 151 Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 2 f.; ders., in: FS Westermann, S. 873, 875. 152 Wenngleich insbesondere die großen Prüfungsgesellschaften europa- und weltweit in grenzüberschreitenden Netzwerken tätig sind, die intern Technologien und Personal austauschen und gemeinschaftliche Selbstversicherungsfonds (sog. captives) unterhalten, so ist doch die Prüfungstätigkeit selbst ein lokales Geschäft geblieben. Im Einzelnen s. Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 80 ff.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 39; Buijink/MaijoorMeuwissen/ van Witteloostuijn, Role, Position and Liability, S. 118; Senninger, Harmonisierung, S. 116 ff. 149
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schlussprüfers für Fahrlässigkeit und seine Verantwortlichkeit gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten. Der Vorschlag der Strukturrichtlinie153 gab den Mitgliedstaaten auf, die Haftung des Abschlussprüfers sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber Dritten für Vorsatz und Fahrlässigkeit der Höhe nach unbegrenzt zu regeln.154 Die Verfasser des Statutentwurfs für eine Europäische Aktiengesellschaft (Societas Europaea) vom April 1975155 beschritten einen ähnlichen Weg.156 Beide Vorschläge hätten für das Recht einiger Mitgliedstaaten, namentlich Deutschland, eine signifikante Haftungserweiterung bedeutet.157 Das Fehlen von Haftungshöchstgrenzen sowie die Erstreckung der Dritthaftung auf fahrlässige Pflichtverletzungen stießen nicht nur auf Seiten des Berufsstandes auf massive Kritik.158 Zweifel an der Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft zur Rechtsangleichung auf diesem Gebiet wurden laut.159 Zudem wurde die Notwendigkeit einer Harmonisierung grundsätzlich in Frage gestellt.160 In der Folge trat die Europäische Kommission vorübergehend den Rückzug an.161
153
ABl. EG 1972 C 131/49. Im Einzelnen s. Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 875 m.w.Nachw. 155 Beilage 4/75 zum Bulletin der EG. 156 Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 875 f. 157 Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 2 ff. 158 Hierzu s. mit entsprechenden Nachweisen Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 876; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 2 ff. 159 Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 3 f.; ders., 79 Nw. U. L. Rev. 663, 667 Fn. 28 (1984); ders., in: FS Trinkner, S. 493, 516; ders., in: FS Westermann, S. 873, 876; Baus, ZVglRWiss 103 (2004), 219, 257; Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 203; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 239–277; Senninger, Harmonisierung, S. 124 ff. 160 Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 41 und Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 876 m.w.Nachw. 161 Der geänderte Vorschlag einer fünften gesellschaftsrechtlichen Richtlinie aus dem Jahre 1983, ABl. EG 1983 Nr. C 240/2, war erkennbar bemüht, den gegen die Angleichung der Dritthaftung geäußerten Bedenken entgegenzukommen. Im Unterschied zu der ursprünglichen Fassung sollten die Mitgliedstaaten nunmehr lediglich verpflichtet werden, die Haftung der Abschlussprüfer gegenüber deren Mandanten zu regeln. Die Einstellung der Verhandlungen über eine fünfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie von 1991, ABl. EG 1991 Nr. C 321/9, zog vorerst einen Schlussstrich unter die europäische Diskussion der Abschlussprüferhaftung. Der zweite geänderte Vorschlag für eine Verordnung über ein Statut für eine Europäische Aktiengesellschaft vom August 1989, ABl. EG 1989 Nr. C 263/41, sparte dieses Thema vollständig aus. Nach Art. 9 Abs. 1 lit (c) (ii) sind vielmehr die „Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die auf eine nach dem Recht des Sitzstaates der Societas Europaea gegründeten Aktiengesellschaft Anwendung finden würden“, maßgeblich. Diese Fassung wurde unverändert in das 2001 verabschiedete Statut der Europäischen Aktiengesellschaft übernommen, vgl. VO (EG) Nr. 2157/2001 vom 8.10.2001, ABl. EG 2001 Nr. L 294/l. Zum Ganzen s. im Einzelnen m.w.Nachw. Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 877; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 209; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 43 f. 154
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Bereits Mitte der 90er Jahre nahm sich die Kommission jedoch im Zuge großer Unternehmenspleiten und weltweit entbrannter Diskussionen zur Rolle und Unabhängigkeit des Abschlussprüfers der Haftungsfrage erneut an. Im Unterschied zu früheren Reformbestrebungen war das Abschlussprüfungsrecht nunmehr nicht lediglich Nebenobjekt umfassenderer Gesetzesvorhaben, sondern rückte zunehmend in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. In ihrem 1996 veröffentlichten Grünbuch zur „Rolle, Stellung und Haftung des Abschlussprüfers in der Europäischen Union“162 griff die Europäische Kommission das Thema aus Sicht der internen und externen Unternehmensverfassung, wiederum unter besonderer Berücksichtigung der Dritthaftung, auf. Die Kommission vertrat, unter Verweis auf das öffentliche Interesse an der Pflichtprüfung, die Auffassung, dass kein Anlass dazu bestehe, die Haftung des Abschlussprüfers personell auf das geprüfte Unternehmen zu beschränken. Sie wies jedoch ebenfalls auf die mit einer umfassenden (insbesondere gesamtschuldnerischen) Dritthaftung verbundene Gefahr des deep pocketSyndroms hin. Der in aller Regel berufshaftpflichtversicherte Abschlussprüfer werde mit besonderer Vorliebe verklagt und in einigen Mitgliedstaaten mit Schadensersatzforderungen konfrontiert, die „in keinem Verhältnis zur Höhe des Honorars und der unmittelbaren Verantwortung des Abschlussprüfers für die Insolvenz des betreffenden Unternehmens standen.“163 Daher „wäre es wohl angebracht, die Haftung auf Beträge zu begrenzen, die dem Ausmaß der Pflichtverletzung entsprechen.“164 Eine im Dezember 1996 einberufene Konferenz in Brüssel eröffnete den betroffenen Kreisen und Fachleuten die Möglichkeit, Stellung zu den im Grünbuch angeregten Fragestellungen zu beziehen.165 Viele äußerten Zweifel an der Notwendigkeit und der Durchführbarkeit einer Harmonisierung der Abschlussprüferhaftung.166 Einhelliger Tenor der Konferenz war, dass die Berufshaftung des Abschlussprüfers eine „äußerst komplexe“ Angelegenheit sei, die einer weiteren Untersuchung bedürfe, „und zwar unbeschadet der Klärung der Frage, ob weitere Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich sind oder nicht.“167 In einer Mitteilung vom Mai 1998168 erklärte die Kommission, zu-
162
Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1. Dem Grünbuch lag eine Studie des Maastrichter Forschungszentrums für Rechnungswesen und Prüfung (MARC) zu Grunde: Buijink/Maijoor/Meuwissen/van Witteloostuijn, Role, Position and Liability. Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 44 ff. 163 Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.1. 164 Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.6. 165 Zu den Haftungsfragen aus Sicht des deutschen Rechts vgl. den Vortrag von Ebke, in: Europäische Kommission (Hrsg.), Act of the Conference, S. 211 = WPK-Mitt. 1997, 22. 166 Europäische Kommission, Mitteilung vom 8.5.1998, Abl. EG 1998 Nr. C 143/12, Tz. 3. 167 Europäische Kommission, Ergebnisbericht Act of the Conference, S. 17, 19, Tz. 5.
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nächst das einschlägige Recht in den Mitgliedstaaten näher erforschen zu müssen, bevor sie eine Entscheidung über etwaige Maßnahmen auf EU-Ebene treffen könne. Eine in der Folge bei der Anwaltssozietät Thieffry & Partner in Auftrag gegebene und 2001 veröffentlichte rechtsvergleichende Studie169 trug jedoch wenig zur Erhellung der Situation bei.170 2. Die Ära nach Enron Die endgültige Kehrtwende läuteten die Enron-Affäre und der damit verbundene Niedergang der Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen ein, der die Gruppe der Big Five-Wirtschaftsprüfer auf die Big Four reduzierte. Die durch diese Ereignisse entfachte internationale Debatte verschob auch in der EU den Fokus auf die Ausgestaltung und „Verbesserung“ der Haftung, die inzwischen in erster Linie als Mittel der Kontrolle und Prävention angesehen wurde.171 Die Notwendigkeit eines gemeinsamen Tätigwerdens auf Gemeinschaftsebene – die Zielharmonisierung – rückte in den Vordergrund und degradierte Fragen der Rechtsangleichung zum bloßen Nebenkriegsschauplatz.172 Die Europäische Kommission veröffentlichte im Zuge des Enron-Falles sowie anderer nationaler und internationaler Rechnungslegungs- und Prüfungsskandale (z.B. WorldCom, Parmalat, Flowtex) einen Zehn-Punkte-Aktionsplan auf dem Gebiet der Abschlussprüfung in der EU.173 Ziel des Aktionsplanes war es, das Vertrauen der Anleger in die Kapitalmärkte zu stärken und das öffentliche Ansehen des Berufsstandes der Abschlussprüfer wiederherzustellen.174 Die zivilrechtliche Haftung der Abschlussprüfer betrachtete die Europäische Kommission „in erster Linie als Mittel zur Sicherung der Qualität der Ab168
Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission betreffend die Abschlussprüfung in der Europäischen Union: künftiges Vorgehen vom 8.5.1998, Abl. EG 1998 Nr. C 143/12. 169 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability. 170 Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 880; ebenfalls kritisch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 47. 171 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament – Stärkung der Abschlussprüfung in der EU vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C 236/2, Tz. 3.10. Die Haftung wird hier als Mittel der Qualitätssicherung bezeichnet. Hierzu s. Schattka, GPR 2007, 139, 140. 172 Die Europäische Kommission weist insoweit darauf hin, dass eine Harmonisierung des Abschlussprüferhaftungsrechts im Anschluss an das Grünbuch zwar überwiegend für unmöglich und unnötig befunden worden sei, einer europäischen Initiative auf diesem Gebiet aber breite Unterstützung aus Abschlussprüferkreisen entgegengebracht werde. Die Kommission selbst glaube nicht, dass eine Harmonisierung des Haftungsrechts „nicht notwendig“ sei. Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C 236/2, Tz. 3.10. 173 Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C 236/2. Hierzu s. auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 47 f. 174 Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C 236/2, Tz. 1.
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schlussprüfung.“175 Eine vor diesem Hintergrund bemerkenswerte Wende vollzog sich in der Haltung der Kommission zur Haftungsbegrenzung: Eine unbegrenzte Haftung galt lange Zeit als Garant einer möglichst hohen Prüfungsqualität.176 Unter Berücksichtigung der im Zusammenhang mit dem Grünbuch geäußerten Kritik der Vertreter des Berufsstandes177 klangen in der Mitteilung vom Mai 2003 hingegen deutlicher als zuvor Bedenken gegen eine unbegrenzte Haftung (insbesondere gegen eine gesamtschuldnerische Haftung) an.178 Die Kommission behielt sich jedoch (wiederum) eine genauere Erforschung des Sachverhalts – konkret: der wirtschaftlichen Auswirkungen geltender Haftungsregelungen – vor.179 II. Zwischen Existenzgefährdung und Privilegierung Wenngleich die Entwicklung konkrete Ergebnisse noch vermissen ließ, waren auf europäischer Ebene 2003 doch bereits die entscheidenden Fragen gestellt worden: Auf der einen Seite sollte die Haftung nach Auffassung der Europäischen Kommission ein Mittel zur Steigerung der Prüfungsqualität – ein Mittel der (Schadens)Prävention – sein. Auf der anderen Seite erkannte die Kommission jedoch auch, dass eine unbegrenzte Abschlussprüferhaftung nicht notwendigerweise von Vorteil sein muss, sondern Risiken existenzgefährdender Klagen gegen Prüfungsgesellschaften birgt.180 Eine „Haftungsbeschränkung“, wie sie in diesem Zusammenhang thematisiert wurde, ist jedoch lediglich als Gegensatz zu einer unbegrenzten Haftung im Sinne einer der Höhe nach nicht gedeckelten gesamtschuldnerischen Haftung für Fahrlässigkeit und Vorsatz gegenüber der geprüften Gesellschaft und Dritten zu verstehen.181 Die Begrenzung der Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft bei fahrlässiger Schadensverursachung und die Dritthaftung waren in der Diskussion um die Abschlussprüferhaftung von jeher Gegenstand von Kontroversen.182 Aus Sicht des verhältnismäßig restriktiven deutschen Abschlussprüferhaftungs-
175 Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C Tz. 3.10. 176 Schattka, GPR 2008, 192, 194. 177 Hierzu s. oben § 1, B. I. 1. m.w.Nachw. 178 Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C Tz. 3.10. 179 Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C Tz. 3.10. 180 S. Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C Tz. 3.10. 181 Schattka, GPR 2007, 139, 140. 182 Hierzu s.o. bei § 1, B. I. 1.
236/2,
236/2, 236/2, 236/2,
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rechts183 könnte auch eine Begrenzung der Haftung in dem von der Kommission gebrauchten Wortsinne tatsächlich eine Verschärfung bedeuten.184 Im Grundsatz ging – und geht – es nach wie vor um die Frage, ob eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung bei Fahrlässigkeit als unangemessene Privilegierung des Berufsstandes oder als erforderlicher Schutz gegen existenzgefährdende Haftungsrisiken zu werten ist. 1. Die neue Abschlussprüferrichtlinie (2006) Am 17.5.2006 wurde eine neue Abschlussprüferrichtlinie (2006/43/EG) verabschiedet,185 die weite Teile des Prüfungsrechts regelte, Fragen der Haftung jedoch weitgehend aussparte.186 Art. 31 der Richtlinie gab der Kommission lediglich auf, einen Bericht über die Auswirkungen der derzeitigen nationalen Haftungsregelungen für Abschlussprüfer auf die Kapitalmärkte und die Versicherungsbedingungen für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, einschließlich einer objektiven Analyse der Haftungsbegrenzung, vorzulegen. Im Anschluss könne die Kommission, „wenn sie es für angemessen hält“ (Art. 31 RL 2006/43/EG), eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten aussprechen. In seiner letztlich verabschiedeten Fassung war Art. 31 der Richtlinie das Ergebnis eines Kompromisses:187 Sowohl der Berichterstatter des federführenden Rechtsausschusses MdEP Lambert Doorn als auch EU-Kommissar Charlie McCreevy hatten sich wohl eine weitergehende Lösung gewünscht. Das Europäische Parlament diskutierte in seinen Beratungen gar, eine unbegrenzte Haftung des einzelnen Abschlussprüfers neben der Prüfungsgesellschaft durch die Richtlinie verbindlich auszuschließen.188 Diese Idee scheiterte jedoch am Widerstand im Ministerrat. Es wurde bezweifelt, dass die Regelung der Haftung in einer auf Art. 4 EGV (Recht des Binnenmarktes) gestützten Richtlinie erfolgen könne. Viele Mitgliedstaaten hielten eine verbindliche Haftungsbegrenzung darüber hinaus mit der ursprünglichen Stoßrichtung des Kommissionsvorschlags – Stärkung des öffentlichen Vertrauens in den Berufsstand und die Tätigkeit der Abschlussprüfer – für unvereinbar.189 183
Im Einzelnen s. hierzu bei § 2, B. II. 2. a) und § 2, B. III. 1. a) (1). Schattka, GPR 2007, 139, 140. 185 Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87. Die Richtlinie trat am 29.6.2006 in Kraft. Sie ist inzwischen durch die Richtlinie 2008/30/EG, ABl. EG L 81/53, vom 11.3.2008 geändert worden. Die Änderungen lassen jedoch Fragen der Haftung unberührt. 186 Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 218–221; Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 881–884; Dammann, GPR 2006, 138. 187 Zur Entwicklung des Gesetzgebungsverfahrens s. Tiedje, WPg 2006, 593, 604 f. 188 Tiedje, WPg 2006, 593, 604 f. 189 Tiedje, WPg 2006, 593, 604 f. 184
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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2. Erforschung des Sachverhalts Zur Vorbereitung des ihr durch Art. 31 der Abschlussprüferrichtlinie aufgetragenen Berichts gab die Europäische Kommission zunächst eine unabhängige Studie – Study on the Economic Impact of Auditors’ Liability Regimes – bei dem Beraterunternehmen London Economics in Auftrag. Die Ergebnisse der Studie und der Abschlussbericht liegen seit September 2006 vor.190 a) London Economics-Studie (2006) Aufgabe der Studie war es, unterschiedliche Abschlussprüferhaftungssysteme im Hinblick auf die Struktur des Marktes für Prüfungsdienstleistungen, auf Versicherungsbedingungen für Abschlussprüfer und auf die Qualität der Prüfung selbst zu untersuchen. Auf Grundlage der gewonnenen Informationen und Erkenntnisse sollten die Verfasser Vorschläge für ein mögliches europäisches Modell für die Abschlussprüferhaftung unterbreiten. Ihr Ziel war es, eine Haftungslösung zu entwickeln, die einerseits eine hohe Qualität der Abschlussprüfung gewährleistet, ohne andererseits die Rentabilität (economic viability) der Prüfertätigkeit zu gefährden.191 Die London Economics-Studie untersuchte die ökonomischen Auswirkungen verschiedener mitgliedstaatlicher Haftungssysteme aus Sicht von Wirtschaftsprüfern, Unternehmensleitern, des Kapitalmarkts und des Versicherungsmarkts. Sie stellt fest, dass der für den Kapitalmarkt bedeutsame internationale Prüfungsmarktsektor von den Netzwerken der Big Four-Prüfungsgesellschaften dominiert wird.192 Auf Grund zahlreicher Markteintrittsschranken193 für mittelständische Prüfungsgesellschaften werde sich diese Struktur auch in Zukunft nicht wesentlich ändern.194 Die Verfasser der Studie sehen im Gegenteil vielmehr die Gefahr, dass die Marktkonzentration weiter steigen könnte. Während sich in den vergangenen Jahren das Haftungsrisiko – insbesondere bei der Prüfung großer und börsennotierter Unternehmen – erhöht habe, sei der kommerziell erhältliche Versicherungsschutz drastisch gesun-
190
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F). Hierzu s. W. Doralt, SZW/RSDA 2006, 168, 170; Ebke, in: FS Westermann, S. 873, 884 ff.; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 223; Klaas, WPg 2006, 1489; Schattka, GPR 2007, 138. 191 Europäische Kommission, Invitation to Tender (MARKT/2005/24/F). 192 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 14 ff. Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 4, B. III. 1. 193 Diese sollen sich aus mangelnder Reputation, unzureichender Kapazität und Größe der Netzwerke, regionaler Gebundenheit sowie letztlich auch aus der Kombination von unzureichendem Versicherungsschutz und unbeschränkter Haftung in vielen Mitgliedstaaten ergeben. Im Einzelnen unten bei § 4, B. III. 1. a). 194 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 14 ff.
§ 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftungle
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ken. Das Auseinanderfallen von Haftungsrisiko und Versicherungsschutz195 birgt London Economics zufolge die reale Gefahr existenzgefährdender Klagen (catastrophic claims) gegen Abschlussprüfer, die eine oder gar mehrere der Big Four-Gesellschaften in den Konkurs zwingen könnten – mit potentiell gravierenden Folgen für die Kapitalmärkte.196 Die Studie kommt in Anbetracht der aufgezeigten Missstände und Risiken zu dem abschließenden Ergebnis, dass eine Beschränkung der Abschlussprüferhaftung geboten ist. Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung197 ziehen die Verfasser des Gutachtens den Schluss, dass die (unbegrenzte) Haftung gerade kein quality driver sei und eine Begrenzung der Haftung im Gegenzug nicht notwendigerweise negative Auswirkungen auf die Prüfungsqualität habe.198 Eine Haftungsbegrenzung könne vielmehr zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Abschlussprüfung beitragen. London Economics schlägt verschiedene Modelle der Haftungsbegrenzung vor.199 Die Form der Beschränkung ist nach Aussage der Gutachter nicht ausschlaggebend. Es komme vielmehr auf das Haftungsniveau an.200 Eine europäische Einheitslösung (onesize-fits-all-approach) sei angesichts der beträchtlichen Größenunterschiede zwischen den Prüfungsgesellschaften und prüfungspflichtigen Unternehmen in der EU ohnehin nicht Ziel führend. b) Öffentliche Konsultation Im Anschluss an die Veröffentlichung des London Economics-Gutachtens gab die Europäische Kommission im Januar 2007 ein eigenes Arbeitspapier her195 Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der auf dem Markt erhältliche gewerbliche Versicherungsschutz weniger als 5% der größeren gegenwärtig ausstehenden Klagen gegen Big Four-Prüfungsgesellschaften abdeckt. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/ 2005/24/F), S. 99. 196 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 76 ff. Im Einzelnen s. unten bei § 4, B. III. 2. 197 In diese Richtung beispielsweise Dammann, GPR 2006, 138. 198 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 137 ff. Auf den von den Verfassern festgestellten fehlenden Zusammenhang von Haftung und Prüfungsqualität ging die Europäische Kommission in ihrer anlässlich der Veröffentlichung der London EconomicsStudie herausgegebenen Pressemitteilung aber erstaunlicherweise zunächst nicht ein, obgleich es sich hierbei um die wohl bahnbrechendste These des Gutachtens handeln dürfte. Vgl. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 4.10.2006 (IP/06/1307). Hierzu auch: Klaas, WPg 2006, 1489, 1491; Schattka, GPR 2007, 138, 142. Der zuständige EU-Kommissar Charlie McCreevy hebt jedoch in seinem Beitrag zur FEE Conference on Audit Regulation mit der Studie übereinstimmend hervor, dass eine Haftungsbeschränkung die Gefahr drohender existenzgefährdender Klagen gegen Abschlussprüfer mindern könnte, ohne die Prüfungsqualität negativ zu beeinflussen. Vgl. McCreevy, Rede vom 12.10.2006 (SPEECH/06/592). 199 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 182 ff. Dazu s. sogleich unten § 1, B. II. 2. a). 200 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 207.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
aus und leitete eine öffentliche Konsultation ein.201 Sie lud die betroffenen Kreise ein, sich zur Notwendigkeit einer Reform auf diesem Gebiet sowie zu den in Betracht kommenden Haftungskonzepten zu äußern. Kurzfristiges Ziel einer etwaigen Reform sollte sein, existenzgefährdende Haftungsklagen und damit das Ausscheiden einer oder mehrerer der großen Prüfungsgesellschaften aus dem Markt zu verhindern.202 Auf mittlere Sicht sollte zudem mittelständischen Prüfungsgesellschaften der Zutritt zum internationalen Prüfungsmarkt erleichtert werden. Die Kommission äußerte die Hoffnung, dass es auf diesem Wege möglich wäre, auf dem internationalen Prüfungsmarkt langfristig die Marktkonzentration zu senken und die Prüfungskapazität zu steigern.203 Im Juni 2007 veröffentlichte die Kommission die Ergebnisse der Konsultation.204 Die geschlossene Unterstützung einer Reform durch den Berufsstand war wenig überraschend.205 Im Übrigen waren die Meinungen geteilt. Die Mehrzahl der Diskussionsteilnehmer sah in der hohen Marktkonzentration zwar eine Gefahr für die Effizienz der europäischen Finanzmärkte, nicht alle aber stimmten überein, dass eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung ein geeignetes Mittel zur Verbesserung des status quo sei: Viele wiesen insbesondere darauf hin, dass weniger europäische als vielmehr internationale – namentlich amerikanische – Haftungsrisiken sowie der mit einem Prüfungsskandal verbundene Reputationsverlust eine Gefahr für den Fortbestand der großen Prüfungsnetzwerke darstellen würden.206 Eine auf die EU begrenzte Haftungsreform könne diese Risiken nicht ausräumen.207 Hinsichtlich der Auswirkungen einer Haftungsbegrenzung auf die Prüfungsqualität herrschte ebenfalls Unstimmigkeit: Die Abschlussprüfer und Vertreter der Mitgliedstaaten, in denen die Abschlussprüferhaftung traditionell begrenzt ist, waren überwiegend der Auffassung, eine Haftungsbegrenzung beeinträchtige nicht die Prüfungsqualität, sondern könne sogar einen positiven Einfluss haben, weil die Anreize zum so genannten defensive auditing geringer seien.208 Die Gegenseite äußerte hingegen die Besorgnis, eine Haftungsbegrenzung könne Anreize für eine hohe Prüfungsqualität mindern 201 Vgl. Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen; dies., Pressemitteilung vom 18.1.2007 (IP/07/60). 202 Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 12 f. Tz. 2.7. 203 Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 14 f. Tz. 2.8. 204 Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 18.6.2007 (IP/2007/845). 205 S. Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 6. 206 Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 2. 207 Des Weiteren wird die Befürchtung geäußert, eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung könnte zu einer Verlagerung des Haftungsrisikos auf die Organe der prüfungspflichtigen Gesellschaft führen und den Versicherungsmarkt in diesem Segment beeinträchtigen. Vgl. Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 2, S. 7 ff. 208 Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 2, S. 6 ff.
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und das Vertrauen der Investoren schädigen.209 Kein Konsens wurde in der Entscheidung für ein bestimmtes Haftungsmodell erzielt. Während der Berufsstand eindeutig eine absolute Haftungshöchstgrenze (allenfalls in Kombination mit der Proportionalhaftung) vorzog,210 sprachen sich die übrigen Diskussionsteilnehmer mehrheitlich für eine proportionale Begrenzung aus.211 3. Empfehlung der Europäischen Kommission (2008) Am 5. Juni 2008 folgte die Europäische Kommission dem Drängen der Mehrheit und übermittelte auf Grundlage des Art. 31 der Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten.212 a) Inhalt In ihrer Empfehlung schlägt die Europäische Kommission eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung für fahrlässige Pflichtverletzungen bei der Prüfung von Jahres- und konsolidierten Abschlüssen börsennotierter Unternehmen vor. Die Begrenzung soll auch Ansprüche Dritter, die nach nationalem Recht Schadensersatz geltend machen können, erfassen, das Recht der Geschädigten auf einen gerechten Ausgleich jedoch unberührt lassen. In ihrer Begründung stützt sich die Kommission in erster Linie auf die Notwendigkeit, zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte eine nachhaltige Prüfungskapazität zu gewährleisten, deren Erhöhung bei einer gesamtschuldnerischen und unbegrenzten Haftung wenig Aussicht auf Erfolg habe.213 Die Kommission trägt den Mitgliedstaaten auf, Maßnahmen zur Begrenzung der Haftung zu ergreifen und schlägt folgende Optionen vor: –
Festlegung einer finanziellen Haftungshöchstsummenbegrenzung (absolute cap)214 oder einer Formel zur Berechnung eines solchen Höchstbetrages (relative cap)215
209 Die Gegenmeinung beruft sich darauf, dass der Niedergang einer großen und bekannten Prüfungsgesellschaft für das Vertrauen der Öffenlichkeit noch schädlicher sei. Vgl. Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 2. 210 Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 3, 21 ff. 211 Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 3, 24 ff. 212 Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission vom 5.6.2008 zur Beschränkung der zivilrechtlichen Haftung von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 213 Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39, Erwägungsgrund (2) und (3). 214 Diese Form der Haftungsbegrenzung existierte damals bereits in Belgien, Deutschland, Slowenien sowie neuerdings in Polen, s. unten bei § 2, B. III 1 a) (1). 215 Für dieses Modell haben sich Österreich und Griechenland entschieden, s. unten bei § 2, B. III 1 a) (2).
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Bestimmung von Grundsätzen, nach denen der Abschlussprüfer und gegebenenfalls die Prüfungsgesellschaft neben anderen Schadensverursachern über ihren tatsächlichen Beitrag zur Schadensverursachung bei einem Geschädigten hinaus nicht unbeschränkt und nicht gesamtschuldnerisch haften (Proportionalhaftung) Einführung einer Regelung, die es dem prüfungspflichtigen Unternehmen und dem Abschlussprüfer gestattet, eine Haftungsbegrenzung zu vereinbaren; ein entsprechender Beschluss soll in den prüfungspflichtigen Unternehmen durch die Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane gemeinsam getroffen, durch die Aktionäre gebilligt und im Jahresabschluss veröffentlicht werden216
Die Mitgliedstaaten waren aufgefordert, die Kommission innerhalb von zwei Jahren, bis zum 5. Juni 2010, über die auf Grundlage dieser Empfehlung getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. b) Stellungnahme Zwei wichtige Entscheidungen trifft – oder besser: vermeidet – die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung und bezieht dadurch implizit Stellung zu lange umstrittenen Fragen: Sie spricht sich nachdrücklich für eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung aus, lässt den Mitgliedstaaten jedoch bei der Wahl der nationalstaatlich für passend erachteten Form weitgehende Freiheit. Ihre Vorschläge umfassen alle in den EU-Mitgliedstaaten vertretenen Modelle der Haftungsbegrenzung217 und lassen zusätzlich Raum für neue Varianten. Vergleichende Bewertungen fehlen. Ihr Bemühen um Rechtsangleichung hat die Europäische Kommission offenkundig endgültig zurückgestellt. Was sich im Verlauf der vergangenen Jahre zunehmend herauskristallisiert hat, bestätigt die Empfehlung nun: Der als äußerst schwierig befürchtete Eingriff in die „unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten im Bereich der zivilrechtlichen Haftung“218 wird ausbleiben. Die Kommission gibt der Gemeinschaft ein gemeinsames Ziel vor. Den Weg muss jeder Mitgliedstaat selbst wählen.219 Was für viele den Abschluss langjähriger Diskussionen verkörpern mag, markiert für den Juristen erst den Beginn der eigentlichen Arbeit. Die Motivation der angeregten Rechtsreformen – die Begrenzung der Haftung zum Schutze der Rentabilität der Prüfertätigkeit – beruht vornehmlich auf wirtschaftspolitischen Erwägungen; diese Tatsache spricht bereits aus dem Umstand, dass die Empfehlung sich ausschließlich auf die Prüfung börsenno216 Die Vorgaben zur vertraglichen Haftungsbegrenzung sind wohl der englischen Lösung nachgebildet. Hierzu s. im Einzelnen m.w.Nachw. unten bei § 2, B. III. 2. b) (1). 217 Hierzu s. ausführlicher unten bei § 2, B. III. 218 Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.7. 219 Schattka, GPR 2008, 192.
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tierter Unternehmen bezieht.220 Die „juristischen Details“, die Frage, wie eine Begrenzung rechtlich konstruiert werden sollte, bleiben den nationalen Gesetzgebern überlassen. Politisch ist dieses Vorgehen nachvollziehbar. Eine rechtsvereinheitlichende Reform auf dem Gebiet des Abschlussprüferhaftungsrechts müsste sich in die Tiefen der mitgliedstaatlichen Zivilrechtsordnungen vorwagen. Der Prozess wäre ohne Zweifel langwierig und würde auf massiven Widerstand stoßen. Die aktuellen Herausforderungen auf dem Gebiet der Abschlussprüfung – Funktionsschutz, Qualitätssicherung und Vertrauenssteigerung – hingegen sind akut. Zweifel, ob der Zweck der Rechtsvereinheitlichung denn in einem angemessenen Verhältnis zu seinem Aufwand steht, klingen bereits 1996 im Grünbuch an.221 Die Europäische Kommission begründet ihre Zurückhaltung bei der Bewertung und dem Vergleich der unterschiedlichen Haftungsmodelle mit der von London Economics übernommenen These, eine Einheitslösung für Europa (one-size-fits-all-approach) sei nicht sinnvoll. Sie verweist insoweit auf die rechtliche Vielfalt der Haftungssysteme in der EU.222 Die Aussage von London Economics hingegen bezog sich primär auf wirtschaftliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sowie auf die stark variierenden Größen von Prüfungsgesellschaften, -netzwerken und prüfungspflichtigen Gesellschaften.223 Im Ergebnis ist der Europäischen Kommission immerhin insoweit zuzustimmen, als sich die Suche nach einer gemeinsamen (rechtlichen) Lösung für Europa kompliziert gestaltet hätte und möglicherweise nicht zweckmäßig gewesen wäre. Es sprechen daher gute Argumente für einen unverbindlichen (soft law) und primär funktional ausgerichteten Ansatz, der auf eine Annäherung der mitgliedstaatlichen Regeln unter stärkerer Einbindung der nationalen Gesetzgeber und Berufsverbände zielt. Allerdings mutet die Empfehlung der Europäischen Kommission im Hinblick auf ihre eigenen Zielvorstellungen ein wenig zu vage an: Wenn nunmehr nicht ein konkretes Haftungsmodell, sondern ein adäquates Haftungsniveau zum gemeinsamen Vorhaben der EUMitgliedstaaten erhoben wird, so sollte dieses Ziel für die Adressaten der Empfehlung wenigstens in Umrissen bestimmbar sein. In diesem Sinne hätte es sich beispielsweise angeboten, Anhaltspunkte für die Höhe etwaiger Haf220 Stünde für die Europäische Kommission das Zusammenwachsen Europas, die Vertiefung des Binnenmarktes, im Vordergrund, gäbe es für eine solche inhaltliche Beschränkung keinen Anlass. Ihre Aktivitäten in jüngerer Zeit richten sich offenkundig auf das für die Kapitalmärkte und damit die Volkswirtschaften Europas relevantere Marktsegment für Prüfungsdienstleistungen, auf den internationalen Prüfungsmarkt für große und sehr große Unternehmen. 221 Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.7. 222 Europäische Kommission, Commission Recommendation on limitation of auditors’ liability: frequently asked questions (MEMO/08/366). 223 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 207.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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tungshöchstsummenbegrenzungen zu formulieren.224 Auch der Kompensationsgedanke – „Geschädigte haben ein Recht auf angemessene Entschädigung“225 – hätte näherer Ausführungen bedurft. Andernfalls besteht die Gefahr, dass er weniger „zentraler Grundsatz“226 einer Haftungsreform wird, sondern vielmehr zum politischen Statement verkommt. Zudem hat die Kommission das Problem der Dritthaftung weitestgehend ausgespart und sich insoweit auf den Hinweis beschränkt, die Haftungsbeschränkung müsse sich auch auf Dritte erstrecken, um die gewünschte Wirkung zu entfalten.227 Dem ist zweifelsohne zuzustimmen – zumindest soweit prüfungsvertragfremden Dritten nach nationalem Haftungsrecht bei bloßer Fahrlässigkeit überhaupt ein Anspruch gegen den Abschlussprüfer zusteht.228 Es ist freilich für einen Regelgeber rechtlich nicht einfach, eine Dritthaftung sinnvoll mit einer Haftungshöchstsummenbegrenzung zu kombinieren.229 Denn einerseits darf die Dritthaftung den Zweck der Haftsummenbegrenzung (Vorhersehbarkeit des Risikos) nicht unterlaufen, andererseits muss bei einer etwaigen Deckelung der Summe aller Dritthaftungsansprüche eine gerechte und tatsächlich durchführbare Aufteilung des Haftungsfonds gewährleistet sein.230 Sofern Dritthaftungsansprüche nicht insgesamt – d.h. in der Summe – gedeckelt sind, hat die Frage, gegenüber welchen und wie vielen Personen der Abschlussprüfer haftbar ist, erheblichen Einfluss auf die Höhe seines Haftungsrisikos. Es bleibt daher zu überdenken, ob nicht die Schaffung eines einheitlichen Rahmens für die Dritthaftung ein notwendiger Schritt zur Angleichung des Haftungsniveaus ist. 231
224
Solche Vorschläge finden sich aber in den Beiträgen zur öffentlichen Konsultation, z.B. Bigus/Schäfer, Comment on the European Commission Staff Working Paper, S. 2. 225 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 226 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 227 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. In diese Richtung bereits Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1. 228 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit die gegenwärtige deutsche Regelung im Einklang mit der Empfehlung der Kommission steht. Ob die Haftungshöchstsummenbegrenzung in § 323 Abs. 2 HGB auch auf etwaige Dritthaftungsansprüche Anwendung findet, ist streitig. Hierzu s. unten bei § 2, B. III. 1 a) (3). Dieses Problem ist in der Praxis jedoch von geringer Relevanz, da eine Abschlussprüferdritthaftung bei Fahrlässigkeit nach deutschem Recht nur unter hohen Voraussetzungen in Betracht kommt, die in der Praxis regelmäßig nicht vorliegen. Im Einzelnen s. hierzu bei § 2, B. II. 2 a). 229 Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 160; Ebke, WPK-Mitt. 1997, 108, 112. 230 Zu den Problemen der Anwendung einer Haftungshöchstsummenbegrenzung auf Dritte und möglichen Gestaltungsvarianten s. unten bei § 2, B. III. 1. a) (3). 231 S. Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1, 3; W. Doralt/Hellgardt/Hopt/ Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 2; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 63 (2008); Schattka, GPR 2007, 138, 143.
§ 1 Herausforderungen einer europäischen Abschlussprüferhaftungle
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III. Aktuelle Entwicklungen Die Diskussion in Europa ist mit der Kommissionsempfehlung nicht abgeschlossen, sondern wird – zunächst auf nationalstaatlicher Ebene – weitergeführt. Vieler noch klärungsbedürftiger Punkte zum Trotz ist die in der Empfehlung getroffene Grundsatzentscheidung bedeutsam: Die Europäische Kommission hat explizit für eine Beschränkung der Abschlussprüferhaftung Position bezogen. Sie scheint mithin die Auffassung von London Economics, dass eine Haftungsverschärfung nicht notwendigerweise die Prüfungsqualität steigere,232 zu teilen; in jedem Falle räumt sie dem Schutz der Prüfungsfunktion Vorrang vor einer etwaigen qualitätssteigernden Wirkung der unbegrenzten Haftung ein. Die Diskussion um die Abschlussprüferhaftung in der EU hat sich endgültig von einem „Ob“ auf das „Wie“ einer Begrenzung verlagert. An den EU-Mitgliedstaaten ist dieser Trend, ungeachtet des mangelnden zwingenden Charakters der von der Kommission ergriffenen Maßnahmen, nicht vorbeigegangen: Das Vereinigte Königreich hat bereits im Jahre 2006 im Rahmen der Novellierung seines Unternehmensgesetzbuchs (Companies Act 2006) Vorschriften zu der bis dahin unzulässigen vertraglichen Haftungsbegrenzung zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft erlassen. Der englische Gesetzgeber ist damit der Empfehlung der Europäischen Kommission zuvorgekommen. Der Zusammenschluss der Europäischen Abschlussprüfer (FEE) vermeldete bereits am 18. Juni 2007, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten (namentlich Bulgarien, Estland, Schweden, Spanien, Tschechien) die Einführung einer Haftungsbegrenzung in Erwägung zögen oder bereits eingeleitet hätten.233 Im Anschluss an die Kommissionsempfehlung am 22. September 2008 wies der FEE auf jüngste Reformvorhaben in Lettland, der Slowakei sowie Bulgariens hin und begrüßte insbesondere den von der schwedischen Regierung am 17. September 2008 verkündeten Vorschlag, die Abschlussprüferhaftung in Schweden gesetzlich auf 100 Millionen SEK (knapp 10 Millionen Euro) zu begrenzen.234 Die schwedische Regierung hat inzwischen eine Konsultation unter den betroffenen Gruppen durchgeführt und plant dem Parlament Mitte 2011 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.235 Der polnische Gesetzgeber hat am 7. Mai 2009 ein neues Gesetz über die Abschlussprüfung, ustawa o biegłych rewidentach, erlassen. Art. 51 des Gesetzes beschränkt die bislang unbegrenzte Haftung des Prüfers auf 12 Millionen (ca. 2.8 Millionen Euro) bzw. 3 Millionen PLN (ca. 715.000 232
Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 137 ff. FEE, Fact Sheet No. FST 06/07 vom 18.06.2007 234 FEE, INFO vom 22.9.2008; Maher, IAB 439 (November 2008). Ein entsprechendes Reformgesetz ist jedoch bislang nicht verabschiedet worden. Hierzu s. unten bei § 2, B. III. 1. a) (1). 235 Auskunft des Schwedischen Justizministeriums auf Anfrage der Verf. im November 2010. 233
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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Euro) pro Prüfung oder auf das Zehn- bzw. Zwanzigfache der vereinbarten Vergütung. C. Perspektiven Was genau zeichnet die Haftung der Abschlussprüfer aus? Diskussionen um eine spezialgesetzliche Regelung der Abschlussprüferhaftung, um eine „Haftungsprivilegierung“ dieses Berufsstandes, stoßen oft auf Unverständnis. Das Besondere an der Tätigkeit des Abschlussprüfers ist, dass sie nicht nur für die prüfungspflichtige Gesellschaft, für den Mandanten, von Bedeutung ist. Als unabhängiger Sachverständiger soll der Abschlussprüfer vielmehr auch dazu beitragen, die Trennung zwischen Unternehmenskontrolle und -eigentum in der modernen Kapitalgesellschaft zu überbrücken sowie die Asymmetrie zwischen den Informationsemittenten und -rezipienten auf dem Kapitalmarkt zu überwinden.236 Die vertragliche Beziehung zur geprüften Gesellschaft einerseits und seine gesetzliche Pflicht zur Unabhängigkeit andererseits können zu Interessenkonflikten führen.237 Diese Konfliktsituation überträgt sich auch auf sein Haftungsrecht, das dem Problem eigentlich – so wenigstens die Hoffnung – Abhilfe schaffen soll: Das Haftungsrisiko wird rechtspolitisch vielfach als Gegengewicht zu den wirtschaftlichen Anreizen angesehen, die den Abschlussprüfer zu einer parteiischen oder nachlässigen Prüfung verleiten können, als quality driver.238 Auf der anderen Seite können jedoch exorbitante Haftungsrisiken – gerade weil die Abschlussprüfung eine wichtige Bedeutung für die Allgemeinheit hat – nicht nur für den Prüfer, sondern auch für die Kapitalmärkte und die Volkswirtschaften insgesamt eine Gefahr darstellen. Die Europäische Kommission hat dieses Problem erkannt und sich für eine Haftungsbegrenzung ausgesprochen, die einerseits eine hohe Prüfungsqualität gewährleistet und das Recht der Geschädigten auf gerechten Ausgleich unberührt lässt, aber andererseits die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Prüfertätigkeit schützt. Die Gestaltung einer Abschlussprüferhaftung, die diesen Anforderungen gerecht wird, ist in jedem Fall eine Gratwanderung – wenn nicht gar die Quadratur des Kreises. Da die Kommission Fragen der konkreten juristischen Umsetzung weitgehend offen gelassen hat, steht den nationalen Gesetzgebern die eigentliche Herausforderung noch bevor. Es gilt zu klären, in welchem Rahmen eine Haftungsbegrenzung wirtschaftlich sinnvoll, jedoch gleichermaßen juristisch vertretbar und umsetzbar ist. Entscheidend sind nicht zuletzt auch die dogmatischen Grundlagen der nationalen Haftungssysteme und die sich teilweise hieraus erschließende Systemkonformität unterschiedlicher Formen der Haftungsbegrenzung. Da auch eine nationalstaatlich durch236
S.o. § 1, A. Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 3, A. II. 2. b). 238 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 3, A. III. 2. 237
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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geführte Reform mit europäischer Zielsetzung ebenso wie „die Rechtsangleichung (...) ohne vorherige Rechtsvergleichung undenkbar ist“,239 wird der erste Schritt sein, das mitgliedstaatliche Recht im Hinblick auf die aufgeworfenen Fragen zu begutachten.
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick Wissenschaftler und Regelgeber in aller Welt beschäftigen sich mit dem Problem, in welchem Umfang und welcher Ausgestaltung eine Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers sowohl ökonomisch als auch juristisch sinnvoll und angemessen ist. Eine für alle Rechtssysteme gleichermaßen zutreffende Antwort auf diese Frage ist jedoch kaum möglich. Nicht einmal innerhalb Europas ist eine Einheitslösung ohne weiteres denkbar; zu unterschiedlich sind nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die rechtlichen Voraussetzungen.240 Recht ist mehr als ein Instrument zur Verwirklichung eines politischen Zieles. Als Kulturbestandteil ist es stets auch Ausdruck der gesellschaftlichen „Haltung zu ‚Recht’“ und seinem jeweiligen Regelungsobjekt.241 Das bedeutet, dass eine bei abstrakt-theoretischer Betrachtung „beste“ Haftungsregel nicht notwendigerweise den optimalen Lösungsweg für ein tatsächlich bestehendes Rechtssystem aufzeigt. Ein bereits existierendes Haftungskonzept kann allein durch Dauer und Übung zum bestmöglichen werden. Der Ökonom mag diese Schlussfolgerung mit den „Transaktionskosten“ der Systemtransformation begründen. Den Juristen hingegen treibt in erster Linie die Sorge um die Kohärenz der Rechtsordnung. Formales Recht muss zumindest einen Kernbestandteil gesellschaftlicher Werte und Grundüberzeugungen aufnehmen, um zu „gelebtem“ Recht zu werden. Das soll freilich nicht heißen, dass dem Recht jeglicher Wandel unmöglich sei – im Gegenteil. Der Initiator einer Gesetzesreform darf jedoch die Zielrechtsordnung, in die das neue Recht verpflanzt werden soll, ihre bestehenden juristischen Strukturen und Denkmuster, nicht aus den Augen verlieren. Die vorliegende Arbeit sucht nach einer europäischen Antwort auf eine universelle Fragestellung. Es ist daher unerlässlich, zunächst die rechtliche Ausgangslage in der EU in den Blick zu nehmen – genauer: die rechtlichen Ausgangslagen, denn die bunte Vielfalt der europäischen Identitäten spiegelt sich in den gleichermaßen vielfältigen mitgliedstaatlichen Haftungsrechtsord239
Ebke, in: FS Großfeld, S. 189. Aus diesen Gründen gegen einen one-size-fits-all-Ansatz in der EU bereits London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 207, 210, 297 und EU-Binnenmarktkommissar McCreevy, Rede vom 12.10.2006 (SPEECH/06/592); a.A. Ojo, MPRA Paper No. 10068 (2008), 7. 241 Großfeld, Zauber des Rechts, S. 15; ähnlich Bell, French Legal Culture, S. 2–11. 240
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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nungen wider. Das Abschlussprüferhaftungsrecht bildet insoweit keine Ausnahme. Nun könnte man meinen, dass sich ein hoch spezialisiertes Rechtsgebiet wie die Berufshaftung des gesetzlichen Abschlussprüfers auf Grund seines internationalisierten, vorwiegend wirtschaftlich geprägten Tätigkeitsfeldes weitgehend losgelöst von nationalstaatlichen Eigenheiten entwickelt habe und allenfalls locker mit den Grundaxiomen der jeweiligen Zivilrechtsordnung verbunden sei. Tatsächlich aber weichen die Regelungen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet, trotz einer nicht zu leugnenden Konvergenz, teilweise wesentlich voneinander ab.242 In nahezu allen EU-Mitgliedstaaten beurteilt sich die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des gesetzlichen Abschlussprüfers, wenigstens teilweise, nach den allgemeinen Regeln des vertraglichen und außervertraglichen Haftungsrechts.243 Die rechtshistorischen und kulturellen Wurzeln der nationalen Haftungsrechtsordnungen prägen das positive Recht, seine Auslegung und Anwendung auch in diesem Nischengebiet. Zudem hat sich die Rolle des Abschlussprüfers in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich und nicht immer in die gleiche Richtung entwickelt: Das französische Recht betont traditionell die öffentliche Funktion seiner Tätigkeit.244 Die englische Rechtsprechung dagegen hebt verstärkt sein Tätigwerden im Interesse der prüfungspflichtigen Gesellschaft und ihrer Aktionäre hervor.245 Deutschland und andere „alte“ EU-Mitgliedstaaten können auf Jahrzehnte der Rechtsentwicklung im Bereich der Abschlussprüferhaftung zurückblicken, während die relevanten Probleme für junge Marktwirtschaften Mittel- und Osteuropas noch neu sind: In Polen beispielsweise wurde der Beruf des Abschlussprüfers in seiner jetzigen Form erst im Jahre 1992 eingeführt.246 Das Oberste Gericht in Polen hat, soweit ersichtlich,247 erst einen einzigen Abschlussprüferhaftungsfall entschieden;248 Urteile zur Dritthaftung des Abschlussprüfers wurden noch keine veröffentlicht. 242
Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 65 f.; ders., Verantwortlichkeit, S. 7 f. Hierzu s. unten bei § 2, B. I. 1. 244 S.o. bei § 1, A. II.1. 245 Im Einzelnen s. unten bei § 2, B. II. 2. c) m.w.Nachw. 246 Der Berufsstand der Abschlussprüfer wurde erst durch das Gesetz über die Prüfung und Offenlegung von Jahresabschlüssen sowie über die Wirtschaftsprüfer und ihre Selbstverwaltung aus dem Jahre 1991 (Ustawa z dnia 19.10.1991 o badaniu i ogłaszaniu sprawozdań finansowych oraz biegłych rewidentach i ich samorządzie) geschaffen. Das Gesetz trat zum 2.1.1992 in Kraft. Den diplomierten sachverständigen Buchprüfern wurde in der Folge die Möglichkeit gegeben, den Titel des Wirtschaftsprüfers zu erwerben. Zur Entstehung des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer in Polen s. im Einzelnen Nowicka, Wirtschaftsprüfer in Polen, S. 111 ff. 247 Da in Polen auch oberste Gerichtsentscheidungen jedoch nicht veröffentlicht werden müssen, lassen sich hieraus keine endgültigen Schlussfolgerungen ziehen. 248 Urteile des Obersten Gerichtshofs I CSK 315/06 vom 1.12.2006 und II CSK 304/07 und 5.12.2007. Dazu s. die Besprechungen von Jastrzębski, Glosa 2007, 15. Der Oberste Gerichtshof war mit diesem einen Fall zweimal befasst: Die Revision wurde im Jahre 2007 243
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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Das vorliegende Kapitel soll einen rechtsvergleichenden Überblick über die Abschlussprüferhaftungssysteme in der EU vermitteln. Auf diese Weise wird es möglich sein, die abstrakte Fragestellung – in welchem Umfang und welcher Ausgestaltung ist eine Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer ökonomisch sinnvoll und juristisch vertretbar? – in den konkreten Kontext einzuordnen sowie Vorzüge und Schwierigkeiten etwaiger Reformen besser zu beurteilen. A. Rechtsvergleichendes Vorgehen Ziel dieses Abschnitts ist es nicht, ein detailliertes Bild der materiellrechtlichen Ausgangslage in der EU zu zeichnen. Seine Ambition liegt auch nicht darin, infolge eines intensiven Studiums der einzelnen Rechtsordnungen Erkenntnisse der nationalen Abschlussprüferhaftungsrechtssysteme präsentieren zu können, die der rechtsvergleichenden Literatur zu diesem Thema bislang vollkommen verborgen geblieben wären. Eine ausführliche vergleichende Darstellung der materiellrechtlichen Probleme verspricht geringen wissenschaftlichen Neugewinn, da dieses Thema in der Fachliteratur bereits zu großen Teilen aufgearbeitet worden ist;249 eine tief greifende und umfassende rechtsvergleichende Abhandlung würde den Rahmen der vorliegend Arbeit erschöpfen und darüber hinaus gehenden Fragen keinen Raum lassen. Dieses zweite Kapitel soll daher, auf der Vielzahl von Vorarbeiten aufbauend, eine skizzenhafte Gesamtschau über die für die vorliegende Themenstellung relevanten Fakten vermitteln. Dieser grobe Überblick, soll als Grundstein und Anschauungsmodell für die weitere ökonomische und juristische Analyse im zweiten und dritten Teil der Arbeit dienen. Haftungsinstitut, Haftungsgrund250 und Rechtsfolge der Haftung251 sind dabei gewissermaßen die „Modellbausteine“ eines Haftungssystems. Die schadensrechtliche Haftungsbegrenzung zunächst aus formellen Gründen an die untere Instanz zurückverwiesen. Gegen das zweite Urteil des Berufungsgerichts wurden erneut Rechtsmittel eingelegt, so dass der Oberste Gerichtshof im Jahre 2008 in der Sache selbst entschied. 249 Rechtsvergleichend zur Abschlussprüferhaftung nach deutschem, englischem und französischem Recht s. z.B. Wölber, Abschlussprüferhaftung und Land, Wirtschaftsprüferhaftung. Zur Rechtslage in Deutschland und Österreich s. W. Doralt, Abschlussprüfer. Überblicke über die Abschlussprüferhaftung in Europa bieten Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 61–89; ders., Zivilrechtliche Verantwortlichkeit; Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer. Zur Dritthaftung des Abschlussprüfers nach deutschem und US-amerikanischem Recht s. Ebke, Wirtschaftsprüfer sowie aus neuerer Zeit unter Einbeziehung des kanadischen Rechts J. Richter, Dritthaftung. Zur Haftung des Abschlussprüfers nach kontinentaleuropäischem und anglo-amerikanischem Recht, mit Blick auf die Rechtsentwicklungen in anderen Rechtsordnungen (Kanada, Australien u.a.) s. Ebke/Struckmeier, Civil Liability; Senninger, Harmonisierung. 250 Auch als Haftungsrecht im engeren Sinne bezeichnet. 251 Auch als Schadensrecht bezeichnet.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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im Wege der Haftungshöchstsummen- oder der proportionalen Haftungsbegrenzung bildet das Kernstück der gegenwärtigen Reformbestrebungen auf EU-Ebene. Auf ihr soll daher der Schwerpunkt der Betrachtung liegen. Für das Haftungsrisiko des Abschlussprüfers gleichermaßen bedeutsam ist der Kreis der potentiell anspruchsberechtigten Personen. Eine Haftungsbegrenzung im Verhältnis zum Prüfungsmandanten ist schließlich wenig effektiv, wenn der Abschlussprüfer gegenüber anderen Geschädigten (Anlegern, Kreditgebern etc.) unbegrenzt – oder auch nur gegenüber unbegrenzt vielen Geschädigten in (jeweils) begrenzter Höhe – haftet.252 Dessen ungeachtet hat das Thema „Dritthaftung“ in den aktuellen Reformdebatten der Europäischen Kommission bisher eine eher stiefmütterliche Behandlung erfahren. Im Folgenden ist es einer eingehenden Begutachtung zu unterziehen. Die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen und einschlägigen Haftungsinstitute hingegen sollen lediglich kurz zum besseren Verständnis der Fragestellung im haftungsrechtlichen Gesamtzusammenhang dargestellt werden. Die rechtsvergleichende Umschau schließt zwar alle 27 Mitgliedstaaten ein, setzt sich aber exemplarisch mit dem deutschen, englischen, französischen, polnischen und schwedischen Abschlussprüferhaftungsregime vertieft auseinander. Soweit andere Rechtsordnungen besonders originelle, seltene oder in anderer Weise für die vorliegende Themenstellung interessante Lösungswege beschritten haben, wird auf diese gesondert hingewiesen werden. Die fünf gewählten Rechtsordnungen sind als Anschauungsbeispiele schon allein deshalb prädestiniert, weil sie Mutterrechtsordnungen bzw. repräsentative Vertreter der unterschiedlichen europäischen Rechtsfamilien – des deutschen, englischen, romanischen, nordischen und ehemaligen sozialistischen Rechtskreises – sind;253 insbesondere England, Deutschland und Frankreich beheimaten zudem die drei größten Kapitalmärkte in der EU. Der sozialistische Rechtskreis,254 dem ursprünglich auch Polen angehörte,255 ist zwar mit
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S. auch Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1. Die Arbeit folgt der von Zweigert/Kötz vorgenommenen Aufteilung der Rechtskreise, von denen vier, der deutsche, englische/common law, romanische und der nordische/skandinavische, in der EU vertreten sind. Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996), S. 73. Ähnlich bereits Arminjon/Nolde/Wolff, Traité de droit comparé, Bd. I, S. 47 f. 254 Vgl. im Einzelnen Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1984), Bd. I, S. 332 ff. 255 Die Ursprünge des polnischen Zivilgesetzbuches (Kodeks cywilny) von 1964 gehen freilich auf vorsozialistische Zeiten zurück. Eine Kodifizierungskommission wurde bereits 1919, im Jahr nachdem Polen seine Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, eingesetzt. Die Arbeit wurde während der deutschen Besatzung nach 1939 teilweise im Untergrund fortgeführt. Das letztlich im Jahre 1964 in Kraft getretene Gesetz ist wesentlich durch diese Vorarbeiten geprägt und trug auch vor 1989, „nur oberflächlich sozialistische Spuren“. Vgl. Liebscher/Zoll, in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 107–109. Das polnische Zivilrecht ist mithin nie ein typisches Beispiel sozialistischer Rechtsgebung gewe253
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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dem Zusammenbruch der Sowjetunion untergegangen, Polen deswegen jedoch pauschal dem französischen oder deutschen Rechtkreis zuzuordnen, wäre verfehlt. Der polnische Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des Zivilgesetzbuches (Kodeks cywilny), dem auch die Grundlagen der Abschlussprüferhaftung entnommen werden, bewusst gegen die Übernahme einer bestimmten Rechtsordnung entschieden, sondern Elemente der europäischen Kernrechtsordnungen frei kombiniert und dabei von deren Erfahrungen profitiert.256 Als verhältnismäßig junge Zivilrechtsordnung konnte das polnische Recht auch auf dem Gebiet der Abschlussprüferhaftung frei von „kulturellem Ballast“ allein auf Grundlage pragmatischer Erwägungen zwischen verschiedenen Regelungskonzepten wählen. Dieser frische Blick kann auch anderen, ohne vergleichbare Brüche tradierten Rechtsordnungen neue Impulse vermitteln. Ungeachtet seiner kaum ausgeprägten Tradition im Abschlussprüferhaftungsrecht ist der polnische Beitrag für diese Arbeit, wie im Folgenden zu sehen sein wird, daher wertvoll. Die untersuchten Rechtsordnungen unterscheiden sich in der Anatomie ihrer Schadensersatzrechtssysteme erheblich und vertreten speziell im Bereich des Abschlussprüferhaftungsrechts abweichende Auffassungen. Die Disparitäten spiegeln sich insbesondere auch in unterschiedlichen Modellen der Haftungsbegrenzung – oder im Verzicht auf Haftungsgrenzen jedweder Art – wider. Im Vertragsrecht hat sich im Rahmen der EU eine weitgehende Rechtsangleichung vollzogen. Im Deliktsrecht hingegen, das sich speziell für das Problem der Dritthaftung als relevant erweisen wird,257 ist die Harmonisierung weniger weit fortgeschritten. Die Vereinheitlichung auf diesem Gebiet ist auch deshalb so schwierig, weil das Deliktsrecht selbst in den kodifizierten Rechtsordnungen nur unzureichend gesetzlich geregelt ist.258 So haben Deutschland, Frankreich und Polen zwar ihr Deliktsrecht kodifiziert, aber zahlreiche Aspekte des Haftungs- und Schadensrechts sind wesentlich durch das Fallrecht geprägt;259 man denke nur an Verkehrssicherungspflichten,260 an die sonstigen Rechte i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB,261 insbesondere an das allgesen. Es war jedoch, da vor der Wiedervereinigung von 1918 fünf verschiedene Rechtsordnungen in Polen galten, von jeher ein Pool europäischer Rechtssysteme. 256 Vgl. im Einzelnen Liebscher/Zoll, in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 107–109. 257 Außer in Deutschland und in Österreich kann ein geschädigter prüfungsvertragsfremder Dritter gegen den Abschlussprüfer allenfalls aus Deliktsrecht vorgehen. Die (theoretische) Möglichkeit, ihn in Deutschland und Österreich zusätzlich nach den Grundsätzen der (quasi/vor)vertraglichen Haftung in Anspruch zu nehmen, unterliegt in der Praxis erheblichen Einschränkungen. Im Einzelnen s. unten § 2, B. II. 2. a). 258 Vgl. Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 197 f. 259 Statt vieler s. Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 197. 260 Hierzu s. z.B. MünchKommBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 25 f. und § 823 Rn. 258. 261 Statt vieler s. hierzu MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 142 ff.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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meine Persönlichkeitsrecht262 und an viele weitere Beispiele. In England hingegen ist das law of torts Teil des richterrechtlichen common law. Die Deliktsrechtsordnungen des nordischen Rechtskreises sind eine Mischung aus Fall- und kodifizertem Recht; Schweden beispielsweise tendiert heute jedoch eher zum Lager der kodifizierten Deliktsrechtssysteme.263 Im Hinblick auf Struktur und Schutzrichtung der Deliktsrechtsordnungen sind ebenfalls zwei Gruppen zu unterscheiden: Frankreich gewährt einen umfassenden deliktsrechtlichen Interessenschutz auf Grundlage einer „großen“ haftungsrechtlichen Generalklausel und Polen ist insoweit dem französischen Beispiel gefolgt. In Deutschland, England und Schweden hingegen existieren (konzeptionell) restriktivere tatbestandsbasierte Deliktsrechtssysteme, die einen differenzierten Rechtsgüterschutz gewähren: Immaterialgüterrechte und das Vermögen an sich unterliegen einem engeren Schutz als Leib, Leben und Eigentum.264 Der infolge eines fehlerhaften Prüfungstestats geschädigte vertragsfremde Dritte befindet sich daher schadensersatzrechtlich in Frankreich in einer ungleich günstigeren Ausgangslage als in Deutschland oder England.265 Dieser Umstand ist nicht nur auf die bereits angesprochene stärkere Betonung der öffentlichen Funktion des Abschlussprüfers im französischen Recht zurückzuführen. Das Verständnis von der Funktion des Deliktsrechts, die Rechtskultur und letztlich das Gesellschaftsbild spielen ebenfalls eine entscheidende Rolle.
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Statt vieler s. hierzu MünchKommBGB/Wagner, § 823 Rn. 178 ff. Das Schadensersatzrecht wurde erst spät, in den 70er (Schweden 1972, Finnland 1974) und 80er Jahren (Dänemark 1984) des 20. Jahrhunderts kodifiziert. Das dänische Schadensersatzrechtsgesetz z.B. regelt jedoch lediglich das Schadensrecht, also die Rechtsfolgen der Haftung, nicht aber ihre Voraussetzungen (Haftungsrecht im engeren Sinne); dieser Ansatz ist ebenfalls im englischen, schwedischen und schottischen Haftungsrecht zu beobachten und findet sich insbesondere auch im englischen Abschlussprüferhaftungsrecht. In den schwedischen und finnischen Gesetzbüchern finden sich ähnlich wie in den kodizifierten Rechtsordnungen ebenfalls Vorschriften über den Haftungsgrund. Nichtsdestotrotz sind bestimmte Elemente des case law, insbesondere die Tendenz, jeden Fall individuell anhand konkreter Fakten zu lösen anstatt ihn einem höheren Prinzip oder System unterzuordnen, fest im Rechtsdenken verwurzelt. Im Einzelnen s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 252– 257. 264 Diese Grundhaltung findet sich zwar auch im französischen Recht, aber nicht in der gleichen Ausprägung: Das französische Recht differenziert insoweit nicht über einen selektiven Rechtsgüterschutz im Tatbestand, wie er sich aus dem Zusammenspiel der §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB ergibt, sondern über andere Mechanismen, über den Grundsatz des noncumul und insbesondere über die unterschiedliche Auslegung des Verschuldensmerkmals (faute), in Abhängigkeit davon, an welchem Rechtsgut der Schaden eingetreten ist. Vgl. statt vieler Wagner, in: Reimann/R. Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook, S. 1003, 1014– 1016. 265 Im Einzelnen s. hierzu unten bei § 2, B. II. 2. m.w.Nachw. 263
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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Auf der soziologischen Ebene des Rechtsvergleichs besteht stets die Gefahr, auf allzu grobe Verallgemeinerungen und letztlich kulturelle Vorurteile zurückzugreifen. Dennoch lässt sich beispielsweise kaum leugnen, dass das französische Verständnis von der Funktion des Rechts wesentlich durch die ideologische Färbung des Code civil, insbesondere durch den Gedanken der Solidarität, geprägt ist.266 Die deliktsrechtliche Generalklausel (Art. 1382, 1383 C.Civ.) beruht auf der Vorstellung einer Verantwortung eines jeden für einen jeden; sie trägt dem Grundsatz der Brüderlichkeit (fraternité) Rechnung, der wegweisendes Prinzip der französischen Revolution war.267 Das englische Recht verkörpert im europäischen Vergleich das andere Extrem. Es erkennt im Unterschied zum französischen Deliktsrecht kein generelles Prinzip der Verantwortlichkeit für schuldhaft verursachte Schäden anderer an.268 Mit seiner (wirtschafts)liberalen Grundhaltung wäre eine solches Denken unvereinbar: „English Law (...) tolerates a certain moral insensitivity in the interest of economic efficiency.269“ Der französische Gesetzgeber hingegen hat bewusst Moral durch Gesetz in positives Recht umgewandelt.270 Die gesellschaftliche Bedeutung des weit reichenden französischen Schadensersatzrechts ist infolge der rasanten Entwicklung des Versicherungswesens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch gewachsen und nimmt heute eine wichtige soziale Funktion ein.271 In der schwedischen wie in allen skandinavischen Rechtsordnungen wiederum hat die Schadensverteilung über Versicherungssysteme auf Gegenseitigkeit das Prinzip der Schadensabnahme auf der Grundlage von Verantwortlichkeit zunehmend abgelöst.272 In England, Deutschland und Polen ist die Situation wenigstens formal eine andere. Die geschilderten Unterschiede schlagen sich nicht nur in den gegenwärtigen europäischen Haftungsrechtsordnungen für Abschlussprüfer nieder, sondern könnten sich ebenfalls auf die Haltung der Mitgliedstaaten zu etwaigen
266
S. Ghestin, Droit Civil, Bd. II, S. 192–194. Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 150 f.; Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 16; Jansen, ZEuP 9 (2001), 30, 36 f. Zum „revolutionären Geist“ des Code civil ebenfalls Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. I, Rn. 1A323a f. Freilich darf der Code civil nicht vorschnell und undifferenziert zum geistigen Kind der Revolution ernannt und nur in diesem Lichte betrachtet werden. Das Gesetz ist erst unter Napoleon entstanden (1804 in Kraft getreten) und wenngleich der Code civil viele Ideale und Errungenschaften der Revolution bewahrt hat, so sind doch viele seiner Institute deutlich älter und gehen noch auf das römische Recht zurück. Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996), S. 85. 268 Whittaker in: Bell/Boyron/Whittaker, Principles of French Law, S. 360. 269 Nicholas, in: Harris/Tallon (Hrsg.), Contract Law Today, S. 187; zustimmend R. Zimmermann/ Whittaker, Good Faith in European Contract Law, S. 15. 270 Ghestin, Droit Civil, Bd. II, S. 192–194. 271 Viney, in: Berman/Picard (Hrsg.), Introduction to French Law, S. 237, 238, 244 ff. 272 Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Introduction to Swedish Law, S. 297, 306. 267
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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Reformen in diesem Bereich auswirken. Franzosen und Deutsche, die ihre Zivilgesetzbücher als wichtige Errungenschaften ihrer Zivilisation betrachten, lösen sich nur ungern von den eigenen Rechtsinstituten, sondern zeigen sich bestrebt, sie nach Europa zu importieren. Engländer und Schweden hingegen, die ihr Zivilrecht nicht um eine Kodifikation herum fortentwickelt haben, teilen nicht das apriorisch-deduktive Rechtsdenken Kontinentaleuropas, sondern sind – in den Worten von Zweigert und Kötz – tendenziell improvisatorischer veranlagt.273 Im Gegenzug verteidigt jedoch insbesondere das Vereinigte Königreich seinen wirtschaftlichen Liberalismus gegen die fortschreitende Europäisierung des Privatrechts. In den Diskussionen um die Voraussetzungen und Grenzen der Abschlussprüferhaftung – sowohl auf nationaler als auch auf supranationaler Ebene – bestätigt sich nur allzu oft das unter Gemeinschaftsprivatrechtlern bekannte Klischee, dass die Sorge der deutschen Juristen in erster Linie dem „System“ gilt, während die Franzosen um „la culture“ und die Engländer um das „business“ bangen. Ziel des folgenden Abschnitts ist es, die nationalstaatliche Prägung der Abschlussprüferhaftungssysteme in der EU und die potentiellen Hürden ihrer „Europäisierung“ vor diesem Hintergrund herauszuarbeiten. B. Abschlussprüferhaftung: Grundlagen, Voraussetzungen, Grenzen Einer dogmatischen Einordnung der Abschlussprüferhaftung stellen sich zwei Fragen: Zum einen ist zu klären, ob sich die Haftung des Prüfers ausschließlich nach den allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts bestimmt oder ob die Rechtsgrundlage aus speziellem Berufshaftungsrecht folgt. Zum anderen gilt es zwischen vertraglichen und außervertraglichen Haftungsgrundlagen zu differenzieren. I. Haftungsinstitute Die Beantwortung der ersten Frage ist primär für die Umsetzung einer Haftungsreform, weniger für ihre inhaltliche Ausgestaltung entscheidend: Sofern nämlich in einem Mitgliedstaat keine besonderen Haftungsvorschriften für Abschlussprüfer bestehen, wird die Einführung einer berufsspezifischen Haftungsbegrenzung regelmäßig die Einführung eines neuen Gesetzes, andernfalls lediglich die Änderung eines alten, erfordern;274 freilich können selbst 273
Vgl. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996), S. 69. Allerdings gilt diese Annahme nur, sofern die Reform der Abschlussprüferhaftung im Sinne der Kommissionsempfehlung eine Ausnahme zu den allgemeinen Haftungsregeln darstellt. Regelmäßig wird dies der Fall sein. Ausnahmen erscheinen möglich, wenn sich ein Mitgliedstaat für die gesetzliche Verschuldensproportionalhaftung oder die vertragliche Begrenzbarkeit entscheidet und diese Prinzipien bereits allgemein gelten. Im Gegenzug ist ebenfalls denkbar, dass ein Mitgliedstaat zur Begrenzung der Abschlussprüferhaftung lediglich 274
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
53
bereits bestehende Sonderregelungen mögliche Friktionen im allgemeinen Schadensersatzrechtssystem infolge einer solchen Reform nicht verhindern. Für die dogmatische Ausgestaltung der Haftungsgrenzen sind die Wurzeln des nationalstaatlichen Abschlussprüferhaftungsrechts sowie insbesondere auch das Konkurrenzverhältnis vertraglicher und deliktsrechtlicher Ansprüche bedeutsam. 1. Spezialgesetz und allgemeine Haftungsinstitute Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union lassen sich im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen der Abschlussprüferhaftung in zwei Hauptgruppen unterteilen: In acht Mitgliedstaaten, namentlich Dänemark, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta, den Niederlanden, Ungarn und Zypern, richtet sich die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der prüfungspflichtigen Gesellschaft und Dritten ausschließlich nach den allgemeinen Regeln des vertraglichen und außervertraglichen Haftungsrechts.275 Ein sonderprivatrechtliches Haftungsrecht für Abschlussprüfer existiert nicht. In den übrigen Mitgliedstaaten276 werden die allgemeinen Haftungsinstitute durch spezialgesetzliche Haftungstatbestände ergänzt. Einzig das italienische Recht hat die Haftung des Abschlussprüfers umfassend und abschließend spezialgesetzlich in Art. 164 Testo unico della intermediazione finanziaria (italienisches Finanzvermittlungsgesetz) geregelt.277 In einer Reihe von Rechtsordnungen kommt den sondergesetzlichen Haftungsregeln für Abschlussprüfer jedoch lediglich deklaratorische Bedeutung zu: So regelt das französische Recht die Abschlussprüferhaftung zwar sonderprivatrechtlich in Art. L. 822-17 C.Com.(seit September 2005), tatsächlich handelt es sich bei dieser Vorschrift wohl aber lediglich um einen individuell normierten Fall der inhaltsgleichen deliktsrechtlichen Generalklausel (Art. 1382 Code Civil).278 Die allgemeinen Grundsätze der deliktsrechtlichen Haf-
eine spezialgesetzliche Vorschrift abschaffen muss (beispielsweise ein standesrechtliches Verbot der vertraglichen Haftungsbeschränkung), um durch ausschließliche Geltung der allgemeinen Regeln das Reformziel zu erreichen. 275 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 6, Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 1; Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 66. 276 Im Einzelnen: in Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Lettland, Österreich, Portugal, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, dem Vereinigten Königreich. Daten für Bulgarien und Rumänien liegen nicht vor. Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 6; Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 1; Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 66 f. 277 Iudica/Scarso in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 65, 66. 278 So die allgemeine Ansicht von Literatur und Rechtsprechung. Statt vieler s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 127 m.w.Nachw. zur alten Rechtslage; Senninger, Harmonisierung, S. 173.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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tung finden im Rahmen der Abschlussprüferhaftung Berücksichtigung.279 Von einem Sonderhaftungsrecht für Abschlussprüfer im funktionalen Sinne kann daher nicht die Rede sein. Ähnlich war bis vor kurzem die Rechtslage in Polen. In Art. 482 des polnischen Handelsgesetzbuchs (Kodeks spółek handlowych) findet sich eine Vorschrift, die den Schadensersatzanspruch der Aktiengesellschaft gegenüber demjenigen regelt, der „bei der Prüfung des Jahresabschlussberichts der Gesellschaft schuldhaft zulässt, dass der Gesellschaft ein Schaden zugefügt wird.“280 Die polnische Rechtsprechung und Wissenschaft gingen jedoch stets davon aus, dass sich die Haftung der Abschlussprüfer nach der allgemeinen vertraglichen (Art. 471) und der deliktsrechtlichen (Art. 415) Haftungsgeneralklausel im Zivilgesetzbuch (Kodeks cywilny) richtet.281 Insbesondere leiteten sie aus der engeren Fassung des Art. 482 Ksh keine Sperrwirkung gegenüber Art. 415 Kc ab, der nach seinem Anwendungsbereich auch Ansprüche anderer prüfungspflichtiger Gesellschaften (als der Aktiengesellschaft) und prüfungsvertragsfremder Dritter begründet. Es ist daher anzunehmen, dass es sich bei Art. 481 Ksh im Verhältnis zu Art. 415 Kc282 um ein reines superfluum mit allenfalls klarstellender Funktion handelt.283 Mit dem neuen Abschlussprüfungsgesetz (ustawa o biegłych rewidentach) vom 7.5.2009 hat Polen kürzlich ein echtes Sonderhaftungsrecht für den Abschlussprüfer eingeführt: Wenngleich die Art. 451, 471 Kc weiterhin Grundlage seiner Haftung bilden, so haftet der Jahresabschlussprüfer nach Art. 51 Abs. 2 BRewU nunmehr lediglich bis zu einer gesetzlich festgelegten Höchst279
Statt vieler s. Senninger, Harmonisierung, S. 173. Szaikowski, in: Sołtyński/Szajkowski/Szwaja/Zawłocki (Hrsg.), Kodeks spółek handlowych, Art. 482, S. 120–125; Litwińska-Werner, Kodeks spółek handlowych, Art. 482, S. 1080; Kidyba, Kodeks spółek handlowych, Bd. II, Art. 482, S. 909 f. 281 Die Mehrzahl der Kommentierungen zu Art. 482 Ksh erörtern die Möglichkeit einer Haftung für ein fehlerhaft ausgestelltes oder nicht ausgestelltes Testat auf Grundlage dieser Vorschrift überhaupt nicht. Vgl. z.B. Szaikowski, in: Sołtyński/Szajkowski/Szwaja/Zawłocki (Hrsg.), Kodeks spółek handlowych, Art. 482; Kidyba, Kodeks spółek handlowych, Art. 482; Litwińska-Werner, Kodeks spółek handlowych, Art. 482; anders Czerniawski, Kodeks spółek handlowych, Art. 482. Nowicka, Wirtschaftsprüfer in Polen, S. 196 benennt ausschließlich die allgemeinen haftungsrechtlichen Vorschriften des Zivilgesetzbuches (Kodeks cywilny) als mögliche Anspruchsgrundlagen der Abschlussprüferhaftung. Die Europäische Kommission ordnet Polen ebenfalls den Mitgliedstaaten zu, die das Abschlussprüferhaftungsrecht nicht sonderprivatrechtlich geregelt haben, s. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 1. Auch die polnische Rechtsprechung stützt sich ausschießlich auf die allgemeinen Haftungsinstitute, s. Urteil des Obersten Gerichts vom 01.12.2006 (Az. I CSK 315/06). Vgl. hierzu Besprechung von Jastrzębski, Glosa 2007, 15. 282 Da Art. 482 Ksh nicht an der Verletzung vertraglicher Pflichten ansetzt („Wer bei der Prüfung“), ist davon auszugehen, dass diese handelsrechtliche Spezialnorm deliktsrechtlicher Natur ist. In diesem Sinne auch Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 746. 283 Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 744, 746. 280
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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grenze.284 Auch in Deutschland und Schweden ergänzen die spezialgesetzlichen Vorschriften zur Abschlussprüferhaftung die allgemeinen Haftungsinstitute nicht nur formell, sondern auch materiell. Der in Kap. 29 § 2 des schwedischen Unternehmensgesetzbuchs (Aktiebolagslagen) geregelte Sonderhaftungstatbestand für den Abschlussprüfer erweitert den Umfang seiner zivilrechtlichen Verantwortlichkeit. Er ist neben der geprüften Gesellschaft explizit auch vertragsfremden Dritten – und zwar Aktionären ebenso wie Gläubigern und Arbeitnehmern285 – zum Ersatz von Schäden verpflichtet, die er oder seine Gehilfen ihnen vorsätzlich oder fahrlässig im Zuge der Jahresabschlussprüfung zufügen.286 Das allgemeine Deliktsrecht dagegen gewährt außervertraglichen Ersatz reiner Vermögensschäden prinzipiell nur, wenn ihnen eine Straftat zu Grunde liegt.287 In Deutschland wiederum erweitert und begrenzt die sonderprivatrechtliche Norm des § 323 Abs. 1 HGB die Haftung des Abschlussprüfers gleichermaßen. Sie begründet Ansprüche von und gegen Personen, die nicht Partei des Prüfungsvertrags sind: Die mit dem Prüfungsmandanten verbundenen Unternehmen können gemäß § 323 Abs. 1 S. 2 HGB Schadensersatzforderungen geltend machen, die Gehilfen des Abschlussprüfers sowie die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer zum Abschlussprüfer bestellten Prüfungsgesellschaft sind unter Umständen Schuldner solcher Ansprüche.288 Des Weiteren beschränkt § 323 Abs. 1 Satz 4 HGB jedoch die Haftung für jede Prüfung auf eine bzw. vier Millionen Euro, obgleich eine solche Haftungshöchstgrenze der deutschen Verschuldenshaftung im Allgemeinen fremd ist.289 In England wiederum sind zwar die Pflichten des Abschlussprüfers in speziellen Vorschriften des Companies Act 2006 geregelt, seine Haftung aber folgt aus den allgemeinen Haftungsinstituten des common law und beruht auf den Prinzipien von contract und tort.290 2. Vertrag und Delikt In der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten stehen der geprüften Gesellschaft gegen den Abschlussprüfer Schadensersatzansprüche aus Vertrag zu, den prü284
Dem Wortlaut der Vorschrift ist jedoch nicht zu entnehmen, ob sich diese Höchstsummenbegrenzung ausschließlich auf den Anspruch der geprüften Gesellschaft oder ebenfalls auf etwaige Ansprüche Dritter bezieht. 285 Skog/Fäger, The Swedish Companies Act, S. 142. 286 Vgl. hierzu auch Skog/Fäger, The Swedish Companies Act, S. 141 f. 287 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 18. 288 MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 14. 289 Müller-Graff, GPR 2007, 509. 290 Oliphant, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 41 ff.; Quick/Niemann, RIW 1992, 836, 837 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 95 ff. Eine Ausnahme bilden insoweit die Voraussetzungen der vertraglichen Begrenzbarkeit der Haftung, die seit der Unternehmensrechtsreform im Jahre 2006 ebenfalls unternehmensrechtlich statuiert sind (sec. 534 ff. Companies Act 2006).
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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fungsvertragsfremden Dritten aus Delikt.291 Einzig im französischen und finnischen Recht richten sich auch die Schadensersatzansprüche der prüfungspflichtigen Gesellschaft ausschließlich nach außervertraglichen Grundlagen.292 In einer Reihe von Rechtsordnungen kann sich die geprüfte Gesellschaft neben den vertraglichen auch auf deliktsrechtliche Haftungsgrundlagen berufen. Nach österreichischem und deutschem Recht sind indessen auch vertragliche und vertragsähnliche (bspw. aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter) Ansprüche Dritter denkbar.293 Sofern neben den vertraglichen auch außervertragliche Haftungsansprüche in Betracht kommen, stellt sich die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis. In Deutschland294 und Schweden stehen vertragliche und deliktische Haftungsansprüche prinzipiell in Anspruchskonkurrenz nebeneinander.295 Im deutschen Recht verdrängt jedoch die spezialgesetzliche Regelung des § 323 HGB nicht nur allgemeine vertragliche, sondern auch etwaige deliktsrechtliche Haftungsansprüche der geprüften Gesellschaft.296 Nach schwedischem Recht bleibt das allgemeine Deliktsrecht zwar theoretisch anwendbar, seine praktische Relevanz in Abschlussprüferhaftungsfällen ist aber gering, da Kap. 29 § 2 Aktiebolagslagen der geprüften Gesellschaft umfassende Schadensersatzansprüche zuerkennt.297 Das könnte sich ändern, wenn das schwedische Parlament den Vorschlag zur Begrenzung der Abschlussprüferhaftung durch Einführung einer absoluten Höchstsumme umsetzt.298 In England war das Verhältnis zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung lange
291
Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 67; Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 2; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7 f. 292 Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 67; Monéger/Granier, Le Commissaire aux comptes, S. 136; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7 f. 293 Nach Ansicht einer Mindermeinung gründet sich auch im portugiesischen Recht die Dritthaftung auf ein vertragliches bzw. vorvertragliches Rechtsverhältnis zum Abschlussprüfer. Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 8. 294 Zu den Problemen und Streitfragen der Konkurrenz vertraglicher und außervertraglicher Haftung im deutschen Recht s. grundlegend Schlechtriem, Vertragsordnung und außervertragliche Haftung, S. 27 ff. 295 Allerdings ist das schwedische Haftungsrecht nicht durch eine klare Gliederung in vertragliches und deliktisches Haftungsrecht, sondern vielmehr durch die besondere Ausprägung spezieller Haftungsgebiete geprägt. In einigen von ihnen (z.B. im Verkehrsunfallrecht) verdrängen die deliktsrechtlichen Regelungen die vertraglichen. Vgl. Witte, Landesbericht Schweden, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 21. Zu der vergleichbaren Sitaution im dänischen Recht s. Cartwright/Hesselink, Precontractual Liability in European Private Law, S. 24. 296 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 66 m.w.Nachw. 297 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 18. 298 Zu den Reformbestrebungen s. unten bei § 2, B. III. 1. a) (1) m.w.Nachw.
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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unklar.299 Heute ist gemeinhin anerkannt, dass der vertragliche Schadensersatzanspruch der geprüften Gesellschaft gegen ihren Abschlussprüfer – sofern ein solcher besteht300 – ihre Ansprüche aus Delikt nicht ausschließt.301 Es besteht grundsätzlich Anspruchskonkurrenz (concurrent liability).302 Da aber der vertragliche Anspruch303 dem Prüfungsmandanten keinen weiterreichenden Schutz gewährt als der deliktische, ist das tort of negligence304 auch im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und Prüfungsmandant die in der Praxis entscheidende Anspruchsgrundlage;305 einem vertragsfremden Dritten stehen nach englischem Recht ohnehin keine vertraglichen oder quasi-vertraglichen Haftungsansprüche zu.306 In Polen ist weniger das Konkurrenzverhältnis als vielmehr die Abgrenzung von vertraglichen und deliktischen Haftungsansprüchen im Abschlussprüferhaftungsrecht von aktueller Bedeutung.307 Art. 443 Kc stellt klar, dass der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung eines Vertrages nicht 299 Lord Scarman ging in Tai Hing Cotton Mill Ltd v. LiuChong Hing Bank Ltd, [1986] A.C. 80 davon aus, dass ein vertragsrechtliches Verhältnis zwischen den Parteien einen deliktsrechtlichen Anspruch ausschließt. Das Gericht war der Ansicht, dass eine Ausdehnung der deliktsrechtlichen Haftbarkeit auf Vertragsverhältnisse nicht sinnvoll wäre. Innerhalb eines Vertragsverhältnisses würde es den Parteien obliegen, privatautonom die gegenseitigen Rechte und Pflichten zu gestalten. 300 Nach englischem Recht besteht keine Pflicht zum Abschluss eines Prüfungsvertrags. In der Praxis erfolgen Prüfungsleistungen jedoch meist auf Grundlage eines Dienstvertrags (service contract). Vgl. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 97. 301 Allerdings ist ein weiterreichender Anspruch aus Delikt nur denkbar, wenn die deliktsrechtliche Verantwortlichkeit nicht durch den Vertrag begrenzt wird, Henderson v. Merrett Syndicates Ltd, [1995] 2 A.C., 145, 186. Vgl. hierzu im Einzelnen Dugdale in: Clerk & Lindsell/Torts, 1-05, 8-102 bis 8-103. 302 Zur Entwicklung der Anspruchskonkurrenz im englischen Recht, insbesondere im Hinblick auf die Haftung für reine Vermögensschäden aus Vertrag und Delikt, s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 424 ff.; Oliphant, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 41, 46. 303 Nach englischem Recht muss die prüfungspflichtige Gesellschaft keinen Vertrag mit ihrem Abschlussprüfer eingehen. Tut sie es jedoch, so kann ihr im Falle einer Pflichtverletzung ein vertraglicher Haftungsanspruch aus breach of contract zustehen. Im Einzelnen s. hierzu Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 97. 304 Der Begriff der negligence bezeichnet im englischen Recht nicht nur die Verschuldensform der Fahrlässigkeit, sondern ebenfalls einen von der Rechtsprechung entwickelten eigenständigen Deliktstatbestand. Prinzipiell ist zwar ebenfalls eine Haftung des Abschlussprüfers aus tort of deceit denkbar, die erforderliche bösgläubige Behauptung einer falschen Tatsache liegt in der Praxis aber seltener vor und ist meistens schwierig zu beweisen. 305 Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 109 f. 306 Im Einzelnen s. hierzu unten bei § 2, B. II. 2. c). 307 Der Oberste Gerichtshof in Polen hat sich in einer Entscheidung vom 1.12.2006 (Az. I CSK 315/06) mit ebendieser Frage auseinandersetzen müssen. Der vertragliche Schadensersatzanspruch der klagenden Gesellschaft war bereits verjährt, der deliktsrechtliche hingegen nicht. Vgl. hierzu die Besprechung des Urteils von Jastrzębski, Glosa 2007, 15.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
den Anspruch aus Deliktsrecht ausschließt, sofern dieselbe Handlung ebenfalls den Tatbestand einer unerlaubten Handlung erfüllt.308 Wenngleich das polnische Haftungsrecht nach französischem Vorbild auf einer deliktischen und einer vertragshaftungsrechtlichen Generalklausel beruht, hat es darauf verzichtet, auch den Grundsatz des non-cumul zu übernehmen.309 Grundsätzlich kann sich die prüfungspflichtige Gesellschaft mithin auf beide Ansprüche nebeneinander berufen. Fraglich ist jedoch, unter welchen Voraussetzungen die Verletzung einer vertraglichen Pflicht, wie insbesondere die fahrlässig fehlerhafte Prüfung, ebenfalls eine unerlaubte Handlung darstellt. Eine einflussreiche polnische Literaturmeinung differenziert insoweit zwischen absolut und relativ rechtswidrigen Pflichtverletzungen.310 Sie nimmt an, dass der Tatbestand der deliktischen Generalklausel in Art. 415 Kc neben dem allgemeinen Verschuldens- auch ein (objektives) Rechtswidrigkeitsmerkmal besitzt.311 Ein deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch setze ein absolut rechtswidriges Verhalten, einen Verstoß gegen eine gegenüber jedermann bestehende Pflicht, voraus. Die Verletzung einer relativen, d.h. durch Vertrag gegenüber einer bestimmten Person begründeten Pflicht, könne lediglich einen vertraglichen Ersatzanspruch begründen.312 Von besonderer praktischer Relevanz ist diese Frage, weil Ansprüche auf Ersatz eines durch unerlaubte Handlung verursachten Schadens erst drei Jahre nach der Aufdeckung des Schadens und Feststellung der verantwortlichen Person verjähren (Art. 442 § 1 Kc), vertragliche Ansprüche dagegen gemäß Art. 118 Kc bereits drei Jahre nach dem schadensursächlichen Ereignis (Ausstellung des fehlerhaften Testats). Da sich insbesondere Schäden infolge einer fehlerhaften Jahresabschlussprüfung oft erst nach Jahren bemerkbar machen, kann diese Differenz
308 Der außervertragliche Anspruch ist lediglich in seiner Anwendung beschränkt, wenn die Gestaltung der vertraglichen Verpflichtung eine parallele Anwendung der Deliktshaftung ihrem Sinn nach ausschließt, beispielsweise weil die Parteien einen speziellen Verschuldensmaßstab oder eine Garantie vereinbart haben. Hierzu s. Bobrzyński/Liebscher/Zoll in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 254; Poczobut, Landesbericht Polen, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 29. Zum Verhältnis von Art. 415 Kc (deliktsrechtliche Haftungsgeneralklausel) und Art. 471 Kc (vertragsrechtliche Haftungsgeneralklausel) s. Czachóski, Zobowiązania, S. 205 ff. 309 Vgl. im Einzelnen unten § 2, B. I. 2. 310 Es ist denkbar, dass sich ein eigenständiges Rechtswidrigkeitskriterium entgegen dem gesetzlichen Wortlaut im polnischen Recht durchsetzen wird. Anders als z.B. im schwedischen oder deutschen Recht könnte das haftungsrechtliche Rechtswidrigkeitskriterium jedoch weniger erfolgs- bzw. rechtsgutsbezogen, sondern eher verhaltensorientiert ausgerichtet sein. Vgl. Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 747. 311 Vgl. dazu Żmij, in: Heiderhoff/Żmij (Hrsg.), Tort Law in Poland, S. 13, 16 ff. m.w.Nachw.; Habdas, ebenda, S. 105, 107. 312 Bobrzyński/Liebscher/Zoll in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 254 m.w.Nachw.
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für eine realistische Chance auf Kompensation nicht selten fallentscheidend sein. Über die Frage, ob die Pflicht zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung haftungsrechtlich eine „absolute Pflicht“ ist, gehen die Meinungen in Europa auseinander.313 Der Oberste Polnische Gerichtshof (Sąd Najwyzszy) vertrat in seiner Entscheidung vom 1.12.2006 zur Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft die Auffassung, dass die Pflicht zur sorgfältigen Prüfung absoluten Charakter habe.314 Der gesetzliche Jahresabschlussprüfer erfülle „quasi die Funktion einer Person des öffentlichen Vertrauens“. Ein Verstoß gegen die Berufsausübungsregelungen der Abschlussprüfer sei daher als unerlaubte Handlung zu werten.315 Die Einordnung der Pflicht zur sorgfältigen und unabhängigen Prüfung als vertragsunabhängige, d.h. gegenüber jedermann bestehende Pflicht, die das Gericht in seiner Entscheidung implizit voraussetzt, könnte auch auf die Dritthaftung des Abschlussprüfers Auswirkungen haben.316 Das französische Recht geht in dieser Hinsicht noch einen Schritt weiter: Pflichtverstöße im Rahmen der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung stellen stets absolut unerlaubte Handlungen dar, denn die Pflichten des Abschlussprüfers folgen nicht aus Vertrag, sondern ausschließlich aus Gesetz und gelten gegenüber jedermann.317 Dieser Umstand ist auf die im französischen Recht besonders hervorgehobene öffentliche Funktion der Abschlussprüfung zurückzuführen.318 Nach französischem Rechtsverständnis ist die Beziehung zwischen Abschlussprüfer und geprüfter Gesellschaft daher auch nicht privatrechtlich ausgestaltet.319 Da das deliktische Haftungsrecht als Teil des französischen ordre public zudem bindend ist,320 scheitert eine konkurrierende vertragliche Haftung der geprüften Gesellschaft sowohl am fehlenden Vertrag als auch an dem Grundsatz des non-cumul.321 313
Hierzu s.o. bei § 1, A. II. 1. Urteil des Sąd Najwyzszy vom 01.12.2006 (Az. I CSK 315/06). 315 Aus dem Urteil des Obersten Gerichts vom 1.12.2006 (Az. I CSK 315/06). Hierzu s. die Besprechung von Jastrzębski, Glossa 2007, 15. 316 Im Einzelnen s. hierzu unten bei § 2, B. II. 2. d) (2). 317 Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 127, 139 m.w.Nachw.; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7 f. Zur Dritthaftung des Abschlussprüfers in Frankreich s. im Einzelnen unten bei § 2, B. II. 2. d) (1). 318 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7. 319 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 139; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7 f. 320 Vgl. statt aller Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. II, Rn. 2O19. 321 Nach der heute h.M. im französischen Recht schließen sich deliktsrechtliche und vertragliche Haftungsansprüche aus. Zur Entwicklung dieser Diskussion s. Ferid/Sonnenberger, Das französische Zivilrecht, Bd. II, Rn. 20O41 ff. sowie R. Zimmermann/Whittaker, Good Faith in European Contract Law, S. 671. Der Ausschluss der Anspruchskonkurrenz gilt außer in Frankreich grundsätzlich auch im belgischen Recht. Der belgische Cour de Cassation hat jedoch eine Rechtsprechung etabliert, der zufolge die Vertragspartei gegen den Abschlussprü314
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II. Haftungstatbestand Zum Haftungsgrund sollen im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht allzu viele Worte verloren werden.322 Wer sich jedoch auf die Suche nach einer Lösung für die Haftungsfolgenbegrenzung begibt, darf keinesfalls den Umstand vernachlässigen, dass alle Rechtssysteme bereits bei der Ausgestaltung des Haftungstatbestandes einschränkende Mechanismen entwickelt haben. Es ist notwendig, die Frage der schadensrechtlichen Haftungsbegrenzung in den Gesamtzusammenhang einzuordnen. Die Entscheidung, welcher Person unter welchen Voraussetzungen die ihr entstandenen Schäden zu ersetzen sind, ist eine der grundlegenden Aufgaben eines jeden Vertrags- und Deliktsrechts.323 Schließlich kann in den Worten v. Bars, „(...) kein vernunftgesteuertes Recht wirklich Ernst machen mit dem Satz, daß jeder, der sich unsorgfältig verhalten hat, für jeden Schaden eines anderen einstehen muß, den dieser ohne Fahrlässigkeit seines Zeitgenossen nicht hätte hinnehmen müssen.“324 Sowohl des einzelnen Schadenverursachers wegen als auch zum Erhalt der Wirtschaftsordnung, des Justiz- und des Deliktsrechtssystems, kommt eine Rechtsordnung daher nicht umhin, bestimmte Folgen einer Handlung, selbst wenn sie fahrlässig erfolgte, aus der Reichweite des Ersatzanspruchs auszuschließen.325 Haftungsvoraussetzungen haben stets auch haftungsbeschränkende Funktion. Das gilt sowohl für das Haftungsrecht insgesamt als auch speziell für das Haftungsrecht der Abschlussprüfer. Aus diesem Grunde sollen im Folgenden die allgemeinen Vorraussetzungen der Abschlussprüferhaftung kurz dargestellt werden, bevor im Anschluss ausführlicher auf das besondere Problem der Abschlussprüferdritthaftung einzugehen ist. 1. Allgemeine Voraussetzungen der Abschlussprüferhaftung Die Schadensersatzpflicht des Abschlussprüfers setzt in allen Mitgliedstaaten voraus, dass er die ihm gegenüber einer anderen Person obliegende Pflicht schuldhaft verletzt und ihr dadurch (kausal) einen Schaden zufügt. a) Pflichtverletzung Die Abschlussprüfung fügt sich nicht in ein starres, für die „Ewigkeit gemachtes“ Regelungssystem ein – auditing is an art not a science.326 Sie ist ein dynamischer Prozess, der sich den ständigen Wandlungen neuer Erkenntnisse fer ausnahmsweise auch aus Delikt vorgehen kann, wenn sie eine besondere, weitergehende Verletzung nachweist. Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7 f. 322 Zu den Gründen s.o. § 2, A. 323 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1984), Bd. I, S. 332 f. 324 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 3. 325 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 2 f. 326 Ebke, BFuP 2000, 549, 568.
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des Prüfungswesens anpassen muss.327 Aus diesem Grund flüchten sich die Regelgeber aller EU-Mitgliedstaaten in Generalklauseln und offene Rechtsbegriffe328 und überlassen es weitgehend den Gerichten festzustellen, ob die Prüfungsmaßnahmen und die Prüfungstiefe im Einzelfall den Anforderungen entsprechen.329 Nach deutschem Recht ist der Abschlussprüfer zur „gewissenhaften“ Prüfung (§§ 323 Abs. 1 S. 1, 317 Abs. 1 S. 3 HGB) verpflichtet. Er soll solche Unrichtigkeiten und Verstöße aufdecken, die sich auf die Darstellung des sich nach § 264 HGB ergebenden Bildes der Vermögens-, Ertragsund Finanzlage des Unternehmens „wesentlich“ auswirken (§ 315 Abs. 1 S. 3 HGB).330 Ähnliche Formulierungen finden sich auch in anderen Gesetzen. Der englische Abschlussprüfer muss beurteilen, ob der Jahresabschluss einen zutreffenden Eindruck (true and fair view) der Unternehmenslage vermittelt (sec. 495 (3) Companies Act 2006). Das polnische Recht verpflichtet den Abschlussprüfer in Art. 65 § 1 des polnischen Rechnungslegungsgesetzes (Ustawa o rachunkowości) festzustellen, ob der Jahresabschluss die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage den tatsächlichen Verhältnissen entsprechend darstellt.331 Er muss unter anderem auf „wesentliche“ Unsicherheiten hinsichtlich der Unternehmensfortführung hinweisen (Art. 65 § 3 Nr. 2 leg. cit.).332 Das Rechnungswesen bietet unterschiedliche Möglichkeiten der bilanziellen Erfassung eines Sachverhalts. Aus diesem Grunde existiert auch nicht „der eine“ ordnungsgemäße Jahresabschluss schlechthin in dem Sinne, dass lediglich ein Satz Zahlen die Unternehmenslage korrekt widerspiegeln würde.333 Die Aufgabenstellung des Abschlussprüfers eröffnet mithin Bewertungsspielräume und setzt umfangreiche Tatsachenerforschungen voraus, die auf Grund von Zeitdruck und stetig wachsendem Prüfungsstoff nicht lückenlos, sondern nur stichprobenartig und in unterschiedlicher Prüfungsintensität durchgeführt werden können (und müssen).334 Nicht nur für den Prüfer, sondern vor allem auch für die Gerichte – denen letztlich die Kontrolle über die Anforderungen an den Umfang der Abschlussprüfung obliegt335 – ist die Ermittlung des „richtigen“ Sorgfaltsmaßstabes eine Herausforderung. Als Orientierungshilfe die327
Zur Methodik der Herleitung von Grundsätzen ordnungsgemäßer Abschlussprüfung s. MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 15–20; ders., ZVglRWiss 100 (2001), 62, 68. 328 MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 14. 329 Ebke, ZVglRWiss 100 (2001), 62, 68; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 141. 330 Zum Grundsatz der Wesentlichkeit in der Abschlussprüfung MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 67; Mekat, Grundsatz, S. 123 ff. 331 Dazu Goppelt/Dudek, WPg 1995, 649, 655. 332 Zur Warnpflicht des Prüfers vor drohender Insolvenz Zoll, in: FS P. Doralt, 743, 745 f. 333 S. nur Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 3.10. 334 Zum deutschen Recht s. MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 42–69 m.w.Nachw. Zum englischen und französischen Recht s. ergänzend Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 141 f.; Senninger, Harmonisierung, S. 89 ff. 335 MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 20; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 141.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
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nen gemeinhin die Empfehlungen der Berufsorganisationen, in Deutschland beispielsweise die IDW-Prüfungsstandards und IDW-Prüfungshinweise,336 die jedoch in keinem EU-Mitgliedstaat Rechtsnormqualität haben.337 Nach Art. 26 der Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG338 kann die Europäische Kommission mittels Durchführung eines Anerkennungsverfahrens (adoption) die Anwendung der International Standards of Accounting (ISA) innerhalb der EU – ganz oder teilweise – für verbindlich erklären und so ein Mindestmaß an Harmonisierung auf diesem Gebiet verwirklichen.339 Die Kommission führte aus diesem Grunde im Jahre 2009 eine öffentliche Konsultation durch.340 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse liegt seit März 2010 vor. Die Mehrzahl der Teilnehmer sprach sich für eine Übernahme der ISA aus.341 Bislang bestehen zwischen den Mitgliedstaaten noch gravierende Unterschiede hinsichtlich des Pflichtenprogramms für den Prüfer.342 Uneinheitlich wird beispielsweise die Frage beantwortet, wie weit die Verpflichtung des Abschlussprüfers reicht, durch die Gesellschaftsorgane begangene Straftaten (bspw. Untreue, Unterschlagung) aufzudecken.343 Es besteht ebenfalls kein Konsens, ob er vor einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der geprüften Gesellschaft warnen muss.344 Besonders ausgeprägt ist seine Rolle als whistleblower in Frankreich, wo er eine drohende Insolvenz des geprüften Unternehmens der Staatsanwaltschaft melden muss.345 Eine entsprechende Warnpflicht besteht jedoch ebenfalls in Deutschland.346 Wegen Bruchs der Vertraulichkeit kann die geprüfte Gesellschaft den Abschlussprüfer in den meisten, wenn nicht gar in allen Mitgliedstaaten belangen.347 Hingegen ist er nur in einigen Rechtsordnungen verpflichtet, über die Nichtanzeige bestimmter Verträge und Transaktionen, über Änderungen der Satzung und Gesellschafts336
Im Einzelnen s. hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 21 ff. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 141. 338 ABl. EG 2006 Nr. L 157/87 339 Kritisch Klein/Tielmann, WPg 2004, 650, 653 und Klein/Klaas, WPg 2006, 885, 892. 340 S. Europäische Kommission, Konsultation zur „Übernahme der International Standards on Auditing“ (ISA). 341 Vgl. Europäische Kommission, Zusammenfassung der Kommentare – Konsultation zur „Übernahme der International Standards on Auditing“ (ISA), S. 2. 342 Ebke/Struckmeier, Civil Liability. 343 Zum deutschen Recht s. umfassend Hauser, Jahresabschluss. 344 Zum deutschen Recht s. MünchKommHGB/Ebke, § 317 Rn. 75–78. Zum polnischen Recht s. Zoll, in: FS P. Doralt, 743. 345 Charron, in: Europäische Kommission (Hrsg.), Act of the Conference, S. 177, 178; Dammann, in: FS Sonnenberger, S. 23, 26. 346 Vgl. § 321 Abs. 1 S. 3 und § 322 Abs. 2 S. 3 HGB. Hierzu s. Ebke, in: FS Hopt, S. 559, 563, 584 f. 347 Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 47 in Bezug auf die EU15Mitgliedstaaten, in denen der Abschlussprüfer wegen Bruchs der Vertraulichkeit überall haftbar war. 337
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struktur oder über Kapitalerhöhungen und –senkungen zu berichten.348 Allein auf Grund des unterschiedlichen Pflichtenprogramms in den einzelnen EUStaaten ist die grenzüberschreitende Tätigkeit der Abschlussprüfer – insbesondere auch im Hinblick auf ihre Haftung – mit Unsicherheiten belastet. b) Verschulden Der Abschlussprüfer haftet in allen EU-Staaten verschuldensabhängig.349 Die Verletzung seiner Pflichten muss vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt sein.350 Er haftet grundsätzlich sowohl für eigenes Verschulden als auch für das seiner Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen) und der Partner in einer Prüfungsgesellschaft sowie in den meisten Mitgliedstaaten für externe Experten, die er zur Unterstützung bei der Prüfung heranzieht.351 Der Verschuldensmaßstab richtet sich in der Regel nicht nach den persönlichen Fähigkeiten des Prüfers, sondern ist grundsätzlich objektiv zu bestimmen. Entscheidend ist das Verhalten eines durchschnittlich umsichtigen, gewissenhaften und fachkundigen Berufsangehörigen, der unter Anwendung vorgeschriebener Prüfungsstandards und im Rahmen der gängigen Prüfungspraxis tätig wird.352 Einige Rechtsordnungen353 passen den objektiven Maßstab jedoch an die konkreten Umstände der Prüfung an oder berücksichtigen subjektiv-individuelle Kriterien, beispielsweise die berufliche Qualifikation, die Erfahrung und die Höhe des Prüfungshonorars.354
348 Für einen Überblick über Lage in den EU15-Mitgliedstaaten s. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 47. 349 Das französische Recht unterscheidet insoweit zwischen der obligation de moyens und der obligation de résultat, bei der das Verschulden vermutet wird (Beweislastumkehr). Dem Abschlussprüfer obliegt lediglich eine obligation de moyens, d.h. ein Prüfungsfehler allein genügt nicht, um die Haftung zu begründen. Es muss vielmehr der Beweis erbracht werden, dass der Prüfer die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Vgl. Dammann, in: FS Sonnenberger, S. 23, 28. 350 Die verschuldensabhängige Abschlussprüferhaftung ist die Regel und gilt insbesondere für Fehler bei der Prüfung des Jahresabschlusses. In einigen EU-Mitgliedstaaten ist die Haftung für Verstöße gegen bestimmte untergeordnete Pflichten, die keine Wertungsspielräume beinhalten, verschuldensunabhängig ausgestaltet. In Luxemburg, den Niederlanden und Spanien z.B. unterliegt der Abschlussprüfer einer strikten Haftung, wenn er den Prüfungsbericht nicht fristgemäß einreicht. Hierzu s. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 42 f. mit weiteren Beispielen. 351 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 50. 352 S. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 70; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 142 f; Magnus, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 19, 22. 353 Zu diesen Rechtsordnungen zählt z.B. Schweden, s. Moberg, 37 Sc.St.L. 215, 218 (2004). 354 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 52 f.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
64 c) Schaden
Es ist weiterhin erforderlich, dass der Abschlussprüfer durch seine Pflichtverletzung einen Vermögensschaden verursacht.355 Die Pflichtverletzung allein oder eine bloße Gefährdung des Vermögens sind nicht ausreichend.356 Den Verlust einer Gewinnchance dagegen hat die neuere französische Rechtsprechung als Schaden anerkannt, wenn diese réelle et sérieuse ist.357 Ein Schaden der prüfungspflichtigen Gesellschaft liegt auf jeden Fall vor, wenn die Prüfung auf Grund des Prüfungsfehlers wiederholt werden muss.358 Regelmäßig ist zur Verursachung des Vermögensschadens eine Disposition auf Grundlage des fehlerhaften Prüfungsergebnisses erforderlich (Folgeschäden).359 So ist ein Schaden beispielsweise zu bejahen, wenn die Gesellschaft auf Grund eines in der Bilanz fälschlich (zu hoch) ausgewiesenen Gewinns Dividenden an die Aktionäre ausschüttet, die sie nicht zurückverlangen kann,360 wenn sie zu hohe Steuern361 oder Prämien an Mitglieder der Geschäftsführung zahlt.362 Die Unterlassung und Verzögerung notwendiger Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens363 oder zur Vorsorge gegen ein Fehlverhalten der Gesellschaftsorgane oder -angestellten364 sind ebenfalls als ersatzfähige Schäden anerkannt worden.365 Besonders schwierig ist die Bestimmung und Bemessung von Anlegerschäden – sofern eine Dritthaftung nach nationalem Recht überhaupt in Betracht kommt. Ein Schaden kann in der Kursdifferenz einer erworbenen Aktie oder in dem Minderwert des Gesellschaftsanteils bestehen.366 Ein Schaden kommt ebenfalls in Betracht, wenn Aktionäre auf Grund positiver – jedoch tatsächlich unzutreffender – Unternehmensdaten ihre Anteile nicht (rechtzeitig) verkaufen.367 Die Probleme, die im Rahmen von Dritt355
Großkomm/Zimmer, § 323 Rn. 30. Magnus, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 19, 23; Großkomm/Zimmer, § 323 Rn. 30. 357 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 133. 358 OLG Braunschweig, WPK-Mitt. 1995, 210; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–075. 359 Magnus, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 19, 23. 360 BeckBilKomm/Winkeljohann/Feldmüller, § 323 Rn. 107. 361 Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–76 f. Ein Schaden kann auch in Steuernachzahlungen mit Verzugszinsen bestehen. S. z.B. das Urteil des polnischen Sąd Najwyzszy vom 1.12.2006 (Az. I CSK 315/06). 362 Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–73. 363 BGHZ 16, 20, 30. 364 Dammann, in: FS Sonnenberger, S. 23, 31; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–74 m.w.Nachw. 365 Weitere Fallbeispiele finden sich bei Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 178–180; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 59 f., 102, 132 f.; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17-70 ff.; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 124–128, 270–288. 366 Messer, Dritthaftung, S. 208–213. 367 Messer, Dritthaftung, S. 213. 356
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haftungsansprüchen gegen den Abschlussprüfer auftreten können, sind bisher nicht einmal im Bereich des nationalen Rechts abschließend aufgearbeitet und gelöst worden. Im europäischen Vergleich dürften die Auffassungen zum Teil weit auseinander liegen. d) Kausalität Die Pflichtverletzung des Prüfers muss kausal für den Schadenseintritt sein. Die Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten, namentlich Frankreich, lassen insoweit bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Pflichtverletzung Ursächlichkeit im Sinne der sine-qua-non-Formel genügen.368 Im Allgemeinen wird die Verantwortlichkeit für die bloße naturgesetzliche Verursachung eines Schadens durch wertende Kriterien eingeschränkt. Eine Reihe von Rechtsordnungen, zu denen auch Deutschland und Polen zählen, haben zu diesem Zweck theoretische Lehren der adäquaten Schadensverursachung entwickelt.369 Andere Rechtskulturen (England, Frankreich, Schweden) verlassen sich insoweit ausschließlich oder zusätzlich auf den gesunden Menschenverstand (common sense) des Richters.370 Whittaker bemerkt diesbezüglich: „French jurists have never really had quite the same taste for theorizing about causation as have their German counterparts.“371
368 Außerdem Belgien, Luxemburg und Spanien. Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 56. 369 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 56. Zur Adäquanzlehre im deutschen Recht vgl. statt vieler Kötz/Wagner, Deliktsrecht, S. 60–62. Zum polnischen Recht Bobrzyński/Liebscher/Zoll in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 241; Poczobut, Landesbericht Polen, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 17. Inhaltlich variieren die nationalstaatlichen Lösungen in Details, die Ansätze stimmen jedoch überein. Hierzu s. statt vieler Wurmnest, Europäisches Haftungsrecht, S. 159 ff. 370 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 102 f, 133 f; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 5 f.; Zur Kausalität im französischen Recht s. Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 28–32; Viney, in: Bermann/Picard (Hrsg.), Introduction to French Law, S. 237, 258 f.; dies., La responsabilité, S. 406 ff. Nach englischem Recht ist nicht erforderlich, dass die Pflichtverletzung des Prüfers die einzige Ursache des Schadens war, ausreichend ist vielmehr, dass sie wesentlichen („real and substantial“) Einfluss auf den Schadenseintritt hatte. Tettenborn, in: Clerk & Lindsell/Torts Rn. 10–193. Im schwedischen Haftungsrecht kommen pragmatischen Erwägungen und solchen des „gesunden Menschenverstandes“ nicht nur bei Feststellung der Haftungsvoraussetzungen, sondern auch bei Festsetzung des Umfangs der Ersatzpflicht eine gewichtige Rolle zu. Vgl. Witte, Landesbericht Schweden, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 21, 41; Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Introduction to Swedish Law, S. 297, 307. 371 In: Bell/Boyron/Whittaker, Principles of French Law, S. 410.
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2. Die Dritthaftung des Abschlussprüfers Nicht nur die geprüfte Gesellschaft, sondern auch andere Personen können im Vertrauen auf ein fehlerhaftes Prüfungsergebnis für sie nachteilige vermögenswirksame Entschlüsse treffen und dadurch einen Schaden erleiden. Zu diesem Personenkreis zählen insbesondere gegenwärtige und frühere Gesellschafter, Unternehmenserwerber, (potentielle) Anleger, (Waren)Kreditgeber, Konkursgläubiger, Arbeitnehmer und der Fiskus372 sowie die nach deutschem Recht haftungsrechtlich privilegierten verbundenen Unternehmen. Für die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Geschädigten hat sich im deutschsprachigen Rechtsraum in Anschluss an Ebke373 der Begriff der Dritthaftung durchgesetzt (englisch: third party liability). Grundsätzlich eröffnen alle europäischen Rechtsordnungen vertragsfremden Dritten Schadensersatzansprüche gegen den gesetzlichen Abschlussprüfer.374 Die Dritthaftung für lediglich fahrlässig verursachte Schäden ist jedoch in einer Reihe von EU-Mitgliedstaaten weitgehend ausgeschlossen. Hintergrund ist, dass fehlerhafte Prüfungstestate typischerweise reine Vermögensschäden375 verursachen, die in vielen Haftungssystemen nur sehr eingeschränkten außervertraglichen Schutz genießen. a) Deutschland Das deutsche Dritthaftungssystem für Abschlussprüfer ist im europäischen Vergleich als verhältnismäßig restriktiv bekannt. Obgleich sich Stimmen in der Literatur376 seit Jahren dafür einsetzen, die Haftung des Abschlussprüfers auf vertragsfremde Dritte zu erweitern, ist der Gesetzgeber diesem Begehren bislang noch nicht nachgekommen. Der haftungsrechtliche Sondertatbestand für Abschlussprüfer in § 323 Abs. 1 S. 3 HGB beschränkt den Kreis der Anspruchsberechtigten auf die geprüfte Gesellschaft und die mit ihr verbundenen Unternehmen. Andere Geschädigte können nur nach allgemeinem Haftungsrecht gegen den Abschlussprüfer vorgehen.377 Fraglich ist in diesem Zusam-
372
MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 85. Ebke, Wirtschaftsprüfer. 374 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 3. 375 Eine einheitliche Definition des reinen Vermögensschadens existiert nicht. Gemeinhin wird unter einem reinen Vermögensschaden eine Vermögensminderung verstanden, die weder aus dem Tod oder der Verletzung einer Person noch aus der Beschädigung oder dem Verlust einer Sache folgt. Nach anderer Auffassung ist ein Vermögensschaden ein Vermögensnachteil, der nicht Folge einer Rechts- oder Rechtgutsverletzung ist. Abgrenzungsprobleme bleiben jedoch bestehen. Im Einzelnen s. hierzu v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 31 f. m.w.Nachw.; Faust, AcP 210 (2010), 555, 556. 376 S. z.B. Grunewald, ZGR 1999, 583, 587 f. 377 Allgemeine Auffassung, s. statt vieler MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 86. 373
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menhang jedoch, wie weit die Sperrwirkung des § 323 Abs. 1 S. 3 HGB reicht. (1) Vertragliche Haftung Es ist prinzipiell möglich, dass der Prüfer mit einer anderen Person als dem Prüfungsmandanten, beispielsweise mit einem (potentiellen) Investor der geprüften Gesellschaft, einen eigenen Vertrag abschließt, typischerweise einen Auskunftsvertrag. In diesem Fall liegt freilich keine Dritthaftung im eigentlichen Sinne vor,378 sondern eine sonstige Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers, die zwar möglicherweise aus Anlass, aber nicht im Rahmen der Abschlussprüfung erfolgt. Nach allgemeiner Ansicht entfaltet § 323 HGB gegenüber solchen vertraglichen Ansprüchen keine Sperrwirkung. Die Voraussetzungen eines unabhängigen Auskunftsvertrages liegen jedoch in Pflichtprüfungsfällen schon allein mangels unmittelbaren Kontakts zwischen dem Prüfer und den externen Adressaten des Prüfungstestats praktisch niemals vor. Aus denselben Gründen scheidet regelmäßig auch eine Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers gegenüber Dritten aus (echtem) Vertrag zu Gunsten Dritter, aus Haftungseinstand, Haftungsübernahme und Garantie aus.379 (2) Deliktsrechtliche Haftung Deliktsrechtliche Ansprüche sind ebenfalls nicht durch die handelsrechtliche Sondernorm gesperrt. Prüfungsvertragsfremde Dritte können daher grundsätzlich Ansprüche nach den §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB geltend machen.380 Sie stoßen jedoch schnell an die engen Grenzen des deutschen Deliktsrechts, das – bewusst – nur einen selektiven Rechtsgüterschutz gewährt.381 In § 823 Abs. 1 BGB sind die generell-absolut deliktsrechtlich geschützten Interessen enumerativ aufgelistet.382 Reine Vermögensschäden, wie sie infolge einer
378
Zutreffend Stahl, Dritthaftung, S. 73. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 130 f. 380 Ein Schadensersatzanspruch wegen Kreditgefährdung nach § 824 BGB kommt theoretisch ebenfalls in Betracht, hat jedoch in der Praxis der Dritthaftungsansprüche keine Bedeutung erlangt. Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 109; BeckBilKomm/Winkeljohann/Feldmüller, Rn. 181 f.; Quick, BB 1992, 1675, 1680. 381 Die deliktsrechtliche Lösung des BGB, die das Merkmal der Rechtswidrigkeit als eigenständige Voraussetzung des Haftungsgrundes begreift, sie darüber hinaus in drei Grundtatbestände gliedert (§§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 826 BGB) und zwischen haftungsbegründendem und haftungsausfüllendem Tatbestand unterscheidet, ist ein bewusster Gegenentwurf zur deliktsrechtlichen Generalklausel des Code civil, die keinen selektiven Rechtsgüterschutz kennt. Statt vieler s. MünchKomm-BGB/Wagner, vor § 823 Rn. 7–15. 382 Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder ein „sonstiges Recht“ (§ 823 Abs. 1 BGB). 379
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fehlerhaften Abschlussprüfung auftreten können, sind nicht erfasst.383 Die anderen beiden deliktsrechtlichen Grundtatbestände (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB) erweitern den deliktsrechtlichen Vermögensschutz auf besonders verwerfliche Formen der Verletzungsbegehung: Verstoß gegen ein Schutzgesetz (§ 823 Abs. 2) und die vorsätzlich sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB).384 Als Schutzgesetze in diesem Sinne kommen prinzipiell nur die vermögensschützenden Strafgesetze in Betracht,385 die typischerweise – ebenso wie § 826 BGB – Vorsatz des Schädigers voraussetzen.386 In der Praxis fehlt es jedoch regelmäßig an einem solchen Schädigungsvorsatz des Prüfers; zudem ist es für den Geschädigten kaum möglich, den entsprechenden Beweis zu führen. Dessen ungeachtet hat § 826 BGB in der Rechtsprechung zur Abschlussprüferdritthaftung zweifelhafte Popularität erlangt. Erkennbar von dem Wunsch getragen, die Reichweite des deliktsrechtlichen Vermögensschutzes auszudehnen, setzte die Rechtsprechung die hohen Anforderungen an das Merkmal der Sittenwidrigkeit teilweise erheblich herab und macht § 826 BGB damit zum „Einfalltor“ für Dritthaftungsfälle.387 Sie ließ auf objektiver Tatbestandsseite für das Merkmal der Sittenwidrigkeit bereits genügen, dass der Prüfer in einer Weise leichtfertig handelt, die als Gewissenlosigkeit388 zu werten ist.389 Die ohnehin problematische Abgrenzung im subjektiven Tatbestand zwischen dolus eventualis – der nach Auffassung der Gerichte genügen soll390 – und grober Fahrlässigkeit wurde auf diese Weise noch zusätzlich er383
Das Vermögen ist insbesondere kein „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 218. 385 Insbesondere § 263 StGB, § 264 StGB, § 264 a StGB, § 264 a StGB, 265 b StGB, § 266 StGB, § 267 StGB, §§ 283–283 d StGB, § 332 HGB, § 333 HGB, sowie § 403 AktG, § 18 PublG, § 137 VAG, § 150 GenG, § 404 AktG, § 19 PublG § 138 VAG, § 151 GenG. Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 95; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 212. 386 Die Pflichten des Abschlussprüfers nach § 323 Abs. 1 S. 1 HGB sowie die berufsrechtlichen Vorschriften nach § 43 Abs. 1 S. 1 WPO und §§ 4, 7 der Berufssatzung der WPK sind keine Schutzgesetze. Die handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften scheiden als Schutzgesetze ebenfalls aus. Allgemeine „Verkehrspflichten zum Schutze fremden Vermögens“ sind in der Rechtsprechung bis heute nicht anerkannt worden. Im Einzelnen s. hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 96–103 m.w.Nachw. 387 Vgl. Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389. 388 Gewissenlos in diesem Sinne soll z.B. ein Prüfer handeln, der sich leichtfertig über erkennbare Bedenken hinwegsetzt, bewusst auf die unerlässliche eigene Prüfung verzichtet oder Prüfungsergebnisse ungeprüft übernimmt. Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 105. 389 BGH WM 2006, 423, 427; BGH NJW 1987, 1758; OLG Celle NZG 2000, 613, 615 mit Anmerkung von Großfeld; OLG Düsseldorf WPK-Mitt. 1999, 258, 260 mit Anmerkung von Ebke/Paal; OLG Düsseldorf BB 1996, 2614, 2616. 390 BGH NJW 1986, 181; OLG Düsseldorf WPK-Mitt. 2003, 266, 267; LG Hamburg WM 1999, 139, 142; LG Frankfurt a.M. BB 1997, 1682, 1684. 384
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schwert.391 Im Ergebnis senkte die Jurisprudenz die subjektive Schwelle des § 826 BGB faktisch auf das Niveau einer groben Fahrlässigkeit ab. Kritische Stimmen in der Literatur warfen ihr deshalb vor, eine deliktsrechtliche Haftung für fahrlässige Vermögensschädigung unter dem „Deckmantel des Vorsatzes“ einzuführen.392 Diese Tendenz ist insofern problematisch, als der Berufspflichtversicherer des Abschlussprüfers nach § 103 VVG bei der vorsätzlichen und widerrechtlichen Schadensherbeiführung von seiner Deckungspflicht befreit ist.393 Wenngleich bei restriktiver Auslegung der Norm der leichtfertig verursachte Schaden nicht unter den Ausschlusstatbestand fällt,394 so birgt eine Haftung nach § 826 BGB für den Abschlussprüfer doch ein erhebliches persönliches Haftungsrisiko. (3) „Expertenhaftung“ Auf Grund des differenzierten Rechtsgüterschutzes im Deliktsrecht und der Relativität der vertraglichen Haftung gewährt das deutsche Schadensersatzrecht keine umfassende Garantie des Vermögens als solchem. Fahrlässig und außervertraglich verursachte Vermögensschäden begründen regelmäßig keine Ersatzansprüche. Betroffen sind nicht nur die externen Adressaten der Jahresabschlussprüfung, sondern alle Personen, die außerhalb einer bestehenden Vertragsbeziehung auf fahrlässig falsche Aussagen Sachverständiger (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Anwälte etc.) vertrauen und deswegen eine nachteilige vermögenswirksame Verfügung treffen. Teile der Rechtsprechung und der Literatur empfanden dieses Ergebnis von jeher als unbillig.395 Von ihrem Bemühen, die vermeintlichen Lücken im Rechtschutz des Haftungsrechts zu füllen, zeugen zahlreiche Entscheidungen und Abhandlungen, die danach streben, die so genannte „Expertenhaftung“ für fehlerhafte Informationen durch Vorstöße im Bereich des vertraglichen und quasivertraglichen Haftungsrechts zu erweitern.396 391
Ein Schädigungsvorsatz sollte bereits vorliegen, wenn der Prüfer damit rechnen muss, dass Dritte auf das Prüfungsergebnis vertrauen und dadurch einen Schaden erleiden: „Daß ein unrichtiger Prüfungsbericht eines Wirtschaftsprüfers (...) einen Kreditgeber in seinen Entschlüssen beeinflusst, entspricht dem regelmäßigen Verlauf der Dinge und liegt nicht von vornherein außer aller Wahrscheinlichkeit“ (BGH MDR 1957, 29, 30). 392 Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 390 m.w.Nachw.; ferner Ebke, BB 1997, 1731, 1733 („Verwässerungstendenzen“ in der Rechtsprechung); ähnlich Honsell, JuS 1976, 621, 628. 393 Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 390; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 215, 231 f. 394 Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 214. 395 Zur Haftung des Abschlussprüfers s. Grunewald, ZGR 1999, 583, 587 f. 396 Das Problem der außervertraglichen Auskunftshaftung ist infolge der wachsenden Bedeutung des Informationsmarktes auch in vielen anderen Rechtsordnungen zentrales Thema geworden. Auf Grund der mangelnden Flexibilität des Deliktsrechts und einer Reihe von Vorteilen, die das vertragliche Haftungsrecht bietet (keine Exkulpation nach § 831 BGB,
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
Die ältere Rechtsprechung stützte die Expertenhaftung auf einen stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag zwischen dem Sachverständigen und dem Geschädigten. Für eine rechtsgeschäftliche Einigung ließ sie teilweise objektive Kriterien, namentlich die berufliche Sachkunde des Auskunfterteilenden und die erkennbar erhebliche Bedeutung für den Empfänger – „jedem den es angeht“397 –, genügen.398 Dieser dogmatische Ansatz, der letztlich auf eine reine Fiktion des Vertragsschlusses hinausläuft, stieß in der Literatur auf berechtigte Kritik.399 Der BGH nahm daraufhin von seiner großzügigen Auslegung eines Geschäftsbindungswillens Abstand.400 Rechtsprechung und Teile der Literatur gingen in der Folge nahtlos dazu über, die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte401 auf Fälle der Expertenhaftung anzuwenden und seine Voraussetzungen, soweit notwendig, anzupassen. Schwierigkeiten bereitet von jeher der Umstand, dass die
Beweislastumkehr nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB), vollzog sich die Entwicklung in Deutschland jedoch anders als in anderen Rechtsordnungen (z.B. England) über die vertraglichen Haftungsinstitute. In der rechtsvergleichenden Analyse zeigt sich, dass eine Haftungsausdehnung nach den Grundsätzen der Berufshaftung stets über das Haftungsinstitut (Vertrag oder Delikt) erfolgt, das flexibler und klägerfreundlicher ist, obgleich die Voraussetzungen der Expertenhaftung rechtsordnungsübergreifend häufig dieselben sind. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 1301 ff. 397 BGHZ 12, 105, 109; BGH NJW 1970, 1737. Dazu s. Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 391. 398 BGH WM 1972, 466; BGH WM 1979, 530; BGH WM 1985, 450, 451. 399 Die Literatur warf dem BGH zu Recht vor, sich mit Erwägungen des Verkehrsbedürfnisses und der Risikoverteilung über den Grundsatz der Privatautonomie hinwegzusetzen, die Tore zu einer uferlosen Expertenhaftung über reine Vertragsfiktionen zu öffnen und damit die Grenze der zulässigen Rechtsfortbildung zu überschreiten. So z.B. Ebke, JZ 1998, 991, 993; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 45 f.; ders., Zivilrechtliche Verantwortlichkeit, S. 66 ff.; Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 391 („Fiktion eines Auskunftsvertrages“); Honsell, JZ 1985, 952 („schlechte Konstruktionsjurisprudenz“, „blutleere Fiktionen“); ders., JuS 1976, 621, 628 („Einführung einer dem Deliktsrecht vorbehaltenen ‚Allwirkung’ ins Vertragsrecht“); J. Koch, AcP 204 (2004), 59, 71 f.; Schneider, ZHR 163 (1996), 246, 252. 400 Der BGH zog sich auf den Standpunkt zurück, dass die näher konkretisierten objektiven Anhaltspunkte allenfalls als Indizien zur Auslegung des subjektiven Parteienwillens dienen, ihn jedoch nicht ersetzen könnten. Vgl. BGH NJW 1986, 180, 181. 401 Der Vertrag mit Schutzwirkung ist nach zutreffender Ansicht gesetzlich nicht kodifiziert, jedoch als quasivertragliches Haftungsinstitut gewohnheitsrechtlich allgemein anerkannt. Nach a.A. hingegen ist der Vertrag mit Schutzwirkung nunmehr in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gesetzlich geregelt. S. z.B. Kilian, NZV 2004, 489, 494. Der Wortlaut der Norm ist insoweit offen. Die systematische Stellung, das Regelbeispiel in Satz 2 und die Begründung zum Gesetzesentwurf (Begründung des Regierungsentwurfs zu § 311 Abs. 3, BT-Drs. 14/6040, S. 375) lassen jedoch darauf schließen, dass der Gesetzgeber – wenigstens primär – die in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze der Sachwalterhaftung im neuen Schuldrecht (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB) verankern wollte. Statt vieler s. MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 111 m.w.Nachw.
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für den Vertrag mit Schutzwirkung entwickelten Kriterien402 bei restriktiver Auslegung in der Praxis der Berufshaftungsfälle selten vorliegen und bei extensiver Auslegung403 keine tauglichen Eingrenzungskriterien für den Kreis der potentiell anspruchsberechtigten Dritten bieten. Insbesondere fehlt es regelmäßig am Interesse des Auftragebers an der Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich404 sowie an der Erkennbarkeit für den Sachverständigen; es fehlt mithin wiederum am Willen der Vertragsparteien.405 Der BGH und die Instanzgerichte hielten formal stets an dem Parteienwillen als Maßstab zur Bestimmung des Umfangs der Schutzweite des Vertrags fest.406 Allerdings – und darin liegt die entscheidende Schwäche dieser Recht402 Zu diesen Kriterien zählen: Leistungsnähe, Interesse des Gläubigers am Schutz des Dritten, Erkennbarkeit seiner Einbeziehung in den Schutzbereich für den Experten, Schutzbedürftigkeit des Dritten. Zu den allgemeinen Voraussetzungen s. im Einzelnen statt vieler Staudinger/Olzen, Einleitung zum Schuldrecht Rn. 216. 403 Insbesondere schlagen Teile der Literatur vor, auf das Bedürfnis des Parteienwillens im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zu verzichten und ihn durch Kriterien der objektiven Drittbezogenheit zu ersetzen. Vgl. Schinkels, JZ 2008, 272, 273 m.w.Nachw. 404 Für Fälle der Expertenhaftung ist es geradezu typisch, dass der Auftraggeber und der geschädigte Dritte unterschiedliche Interessen im Hinblick auf den Rat des Sachverständigen verfolgen: Der Verkäufer eines begutachteten Gebäudes oder ein kreditsuchendes Unternehmen wünschen regelmäßig eine möglichst positive Bewertung durch den Sachverständigen, während der potentielle Käufer bzw. die kreditgebende Bank einer realistischen Einschätzung des Objektwertes bedürfen. Im Rahmen der Berufshaftung wird jedoch ein Interesse des Auftraggebers an der Einbeziehung des Dritten vielfach selbst bei Gegenläufigkeit der Interessen unterstellt. In diesem Sinne BGH JZ 1998, 624, 625. Hierzu s. auch Canaris JZ 1998, 603 (zum Bausachverständigen); OLG München WM 1997, 613 (zum Steuerberater). Zu dieser Entwicklung kritisch Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 215; Faust, AcP 210 (2010), 555, 568. Sofern der objektive Vertragsinhalt mit dem Sachverständigen auf ein unabhängiges Gutachten bezogen ist, das sich der Auftraggeber gegenüber dem Dritten auch (wirtschaftlich) zunutze macht (z.B. indem er einen günstigeren Preis erzielt, weil der andere zusätzliche Aufwendungen in Form eigener Wertermittlungen erspart), scheint es sachgemäß, aus der inneren Interessengegenläufigkeit zumindest keinen Ausschlussgrund für eine Haftung aus Vertrag mit Schutzwirkung abzuleiten. In diese Richtung BGH NJW 1987, 1758, 1759 f. Die Situation ist jedoch eine andere, wenn dem Auftraggeber die Nutzung der Informationen durch den Dritten gleichgültig ist, z.B. wenn er professionelle Investitionsempfehlungen bezieht, die ein anderer unentgeltlich mitnutzt. Ausführlich zu diesem Problem v. Bar, RabelsZ 44 (1980), S. 455–486. 405 Auch wenn man die Schutzwirkung des Vertrages nicht aus dem Willen der Parteien herleitet, sondern auf das Vertrauensprinzip oder Gesetz stützt, bleibt die Erkennbarkeit notwendige Voraussetzung. Vgl. MünchKommBGB/Gottwald, § 328 Rn. 126. 406 Der Wille zur Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages sollte indessen das engere Merkmal der Fürsorgepflicht des unversehrten Vertragspartners für den geschädigten Dritten (Verantwortlichkeit für das „Wohl und Wehe“), das vormals Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Haftungsinstituts gewesen war, ersetzen. Vgl. BGH NJW 1984, 355 = WM 1984, 34; BGH NJW-RR 1986, 484 = WM 1985, 450; BGH NJW 1987, 1758; BGH NJW 1977, 1916.
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sprechung – griffen die Gerichte zur Willensauslegung wiederum auf die bereits bekannten objektiven, typisierenden Merkmale zurück:407 auf die Identität der Interessen von Auftraggeber und Dritten,408 die Sachkunde des Prüfers, die erkennbare Relevanz für den Dritten.409 In ihrem offenkundigen Bestreben, eine allgemeine Expertenhaftung zu etablieren, ersetzte die Judikative lediglich die eine (Willens)Fiktion – den konkludenten Auskunftsvertrag – durch eine andere.410 Die Konstruktion überzeugt weder im Ansatz noch im Ergebnis. Gradliniger und daher vorzugswürdig sind die in der Literatur entwickelten Systeme einer eigenständigen beruflichen Vertrauenshaftung zwischen Vertrag und Delikt, die objektiv aus der besonderen Stellung des Sachverständigen – Expertise, berufliches Auftreten, Bedeutung für den Rechtsverkehr, berechtigtes Vertrauen – folgt.411 Es fehlt jedoch bislang die erforderliche gesetzliche Grundlage. Konzeptionell mit diesen Vorschlägen verwandt ist allenfalls das in der Rechtsprechung entwickelte Institut der Sachwalterhaftung, das nunmehr im Zuge 407
So bejahte der BGH die drittschützende Wirkung der Zwischenabschlussprüfung unter Verweis auf das gemeinsame Interesse des Auftraggebers und des Dritten an der „Beweiskraft“ der gutachterlichen Äußerung. BGH NJW 1987, 1758, 1759 f. Zu dieser Entwicklung s.2 Ebke, Verantwortlichkeit, S. 41 ff. 408 S. jedoch Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 392 f., die daraus, dass der BGH nicht konsequent an dem Merkmal der „Gegenläufigkeit“ der Interessen des Auftraggebers und des Dritten als Anspruchsausschlusskriterium festhielt (BGH WM 1985, 450, 452; BGH WM 1989, 375, 376 f.), schließen, dass das Gericht von seiner Argumentation offenbar selbst nicht überzeugt war. 409 Vorschläge zur objektiven Abgrenzbarkeit des geschützten Personenkreises wurden auch in der Literatur geäußert. So diskutiert Hopt die Möglichkeit, eine Abgrenzung durch Beschränkung der Schutzwirkung auf die an der ersten Transaktion Beteiligten zu erreichen und auf diese Weise den Haftungsrisiken sog. Weitergabefälle entgegenzuwirken. Er kritisiert diese Idee jedoch selbst im Hinblick auf die theoretisch immer noch (unbegrenzt) große Anzahl Dritter. S. Hopt, NJW 1987, 1745, 1746. Kritisch zu diesem Vorschlag auch Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 393 unter Hinweis auf die Willkürlichkeit der auf diese Weise erzielten Ergebnisse in einzelnen Fallgestaltungen. 410 Vgl. Canaris, JZ 1995, 441, 445; Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 392. 411 Den wissenschaftlichen Diskurs besonders beeinflusst haben das von Canaris konzipierte Rechtsinstitut der Vertrauenshaftung und die von Hopt ausgearbeiteten Grundsätze der Berufshaftung. S. Canaris, Vertrauenshaftung; ders., JZ 1998, 603, 605 f.; Hopt, AcP183 (1983), 608–718. Andere Autoren haben jedoch ebenfalls entsprechende Vorschläge vorgelegt, s. z.B. Hirte, Berufshaftung, S. 417 zur „genuin vertraglichen“ unternehmerischen Außenhaftung; Hohloch, NJW 1979, 2369 zur Vertrauenshaftung; Stoll, in: FS Flume Bd. I, S. 741 zum Vertrauensschutz bei einseitigen Leistungsversprechen; Lorenz, in: FS Larenz, S. 575, S. 618 f.; Jost, Vertragslose Auskunfts- und Beratungshaftung; Lammel, AcP 179, (1979) 337, 365 zur „privatrechtlichen Haftung kraft Amtes“; Grunewald, AcP 187 (1987), 286, 299 ff. zur Haftung auf Grund einer „Garantieerklärung“; dies., ZGR 1999, 585, 598 ff.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag; Picker, in: FS Medicus, 397, 439 zur „vertragslosen, gleichwohl privatautonom begründeten faktischen Leistungsbeziehung“ als Haftungsgrund. Kritisch zu einigen dieser Ansätze Canaris, ZHR 163 (1999), 206, 219.
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der Schuldrechtsmodernisierungsreform (2002) in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB eine gesetzliche Stütze gefunden hat. Welche Rolle § 311 Abs. 3 S. 2 BGB in der weiteren Entwicklung der Expertenhaftung spielen wird, ist noch nicht abschließend geklärt.412 Für die Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers hingegen ist der Weg nach der jetzigen Gesetzeslage – wenigstens was den Umfang seiner Haftung betrifft – weitgehend vorgezeichnet: Die in der spezialgesetzlichen Regelung des § 323 Abs. 1 S. 3 HGB angelegte Risikoverteilung setzt der Fortentwicklung des Haftungsrechts in diesem Bereich klare Grenzen. Zwar hat der BGH bislang nicht entschieden, ob die Rechtsfigur des Vertrages mit Schutzwirkung prinzipiell neben § 323 Abs. 1 S. 3 anwendbar ist oder ob dieser insoweit eine Sperrwirkung entfaltet,413 die Sondervorschrift gebietet aber jedenfalls eine restriktive Anwendung des allgemeinen Haftungsinstituts.414 Der Prüfungsvertrag entfaltet demnach insbesondere keine generelle Schutzwirkung gegenüber (allen) vertragsfremden Dritten; jede andere Interpretation wäre mit dem Wortlaut und der Wertung des § 323 HGB unvereinbar.415 Diese Auffassung bestätigt der BGH in einer jüngeren Entscheidung aus dem Jahr 2006.416 Eine umfassende Dritthaftung würde den Sinn und Zweck der Haftungsbegrenzung – Schutz des Prüfers vor existenzgefährdenden Klagen, Versicherbarkeit des Haftungsrisikos im Verhältnis zu der geprüften Gesellschaft – unterlaufen.417 Ein Dritthaftungsanspruch nach den Grundsätzen des Vertra412
Einige Autoren gehen davon aus, dass die neue Vorschrift die herkömmlichen Grundlagen der Expertenhaftung verdrängen und eine exklusive Vorrangstellung einnehmen wird. Andere nehmen an, dass der Gesetzgeber lediglich einen neuen Weg zur Lösung dieser Fälle aufzeigen wollte, ohne die Rechtsprechung hierauf festzulegen. Wieder andere schließen aus, dass § 311 Abs. 3 S. 2 BGB auf die Haftung von Experten für fehlerhafte Informationen Einfluss haben wird. Im Einzelnen s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 117 mit entsprechenden Nachweisen. 413 MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 140 m.w.Nachw. 414 Diese Auffassung teilt die herrschende Lehre, s. nur MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 136; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 38 ff.; ders., Zivilrechtliche Verantwortlichkeit, 20, 22, 35 ff.; ders. BFuP 2000, S. 549, 555; ders. JZ, 1998, 991, 992 ff.; ders., BB 1997, 1731, 1732; ders., in: FS Trinkner, S. 492, 514; v. Bar, AcP 192 (192), 441, 444 (Fn. 10). 415 Insoweit a.A. Stahl, Dritthaftung, S. 199, der einwendet, der Gesetzgeber habe durch Regelung der „wirtschaftlichen Besonderheiten“ der Abschlussprüferhaftung in § 323 HGB nicht die Möglichkeit ausschließen wollen, Dritten nach allgemeinen Grundsätzen Haftungsansprüche zuzusprechen. Hierzu kritisch MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 144. 416 BGH NJW 2006, 1975. Hierzu s. Lettl, NJW 2006, 2817. 417 Das wäre selbst dann der Fall, wenn die Haftsummenbegrenzung von 2 bzw. 4 Millionen EUR auf jeden einzelnen Dritthaftungsanspruch anwendbar wäre, weil der Kreis der Dritten gerade bei Publikumsgesellschaften eine unüberschaubar große Anzahl Geschädigter umfassen kann. Würde der Abschlussprüfer gegenüber den geschädigten Dritten in unbegrenzter Höhe haften, würde dies zusätzliche theleologische Widersprüchlichkeiten nach sich ziehen, weil der zahlende Vertragspartner gegenüber dem die Informationen unentgeltlich nutzenden Dritten haftungsrechtlich benachteiligt würde. Der Sinn und Zweck des § 323
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ges mit Schutzwirkung für Dritte kann allenfalls (!) entstehen, wenn der Abschlussprüfer und die geprüfte Gesellschaft die vertragsfremde Person explizit in den Schutzbereich des Prüfungsvertrages einbezogen haben.418 In der Praxis der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung dürfte eine solche Vereinbarung jedoch so gut wie nie vorkommen, denn in aller Regel hat weder die geprüfte Gesellschaft noch der Abschlussprüfer ein Interesse daran, das aus dem Prüfungsvertrag resultierende Haftungsrisiko und damit auch die Kosten der Prüfung zu erhöhen.419 Zudem ist für den Abschlussprüfer üblicherweise nicht vorhersehbar, welche – oder auch nur wie viele – vertragsfremde Dritte das Testat zu welchen Zwecken nutzen; an einem persönlichen Kontakt fehlt es ohnehin.420 Aus diesem Grunde scheidet auch eine Haftung aus konkludentem Auskunftsvertrag in den meisten Fällen aus. Denkbar erscheint es, die Dritthaftung des Abschlussprüfers in Zukunft auf § 311 Abs. 3 S. 2 BGB zu stützen; dogmatisch wäre diese Lösung einer Expansion der vertraglichen Haftung im Wege der Willensfiktion oder einer Überdehnung des § 826 BGB durch Verzicht auf Vorsatz und Sittenwidrigkeit überlegen. Es stellt sich jedoch auch hier die Frage, ob § 323 HGB nicht insoweit eine Sperrwirkung entfaltet. Zudem müsste der Abschlussprüfer „besonderes Vertrauen“ des Dritten für sich „in Anspruch“ nehmen.421 Bislang hat kein deutsches GeAbs. 2 HGB könnte nur durch die Anwendung der Haftungshöchstgrenzen auf die Summe aller Haftungsansprüche aus einer Jahresabschlussprüfung gewahrt werden. Dann käme jedoch die Einbeziehung eines Dritten in den Schutzzweck des Prüfungsvertrages stets einer Begrenzung des Haftungsanspruchs des Prüfungsmandanten gleich, die nach § 323 Abs. 4 HGB grundsätzlich unzulässig ist und mit den Rechten der Aktionäre unvereinbar wäre. Zu den Problemen der Anwendung von Haftungshöchstsummenbegrenzungen auf Ansprüche Dritter s. im Einzelnen unten bei § 2, B. III. 1. a) (3). 418 Ebke, WPK-Mitt. 1997, 108, 109 (Fn. 1); MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 136; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 198; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 80. Da es dem Abschlussprüfer unbelassen ist, gegenüber dritten Personen unabhängig von dem Prüfungsvertrag –durch Abschluss eines Auskunftsvertrages oder Abgabe einer Garantieerklärung – Gewähr für die Richtigkeit des Prüfungsergebnisses zu übernehmen, ist gegen eine Erweiterung des prüfungsvertraglichen Schutzes durch privatautonome Vertragsgestaltung grundsätzlich nichts einzuwenden. Bei entsprechend restriktiver Auslegung des Vertrages mit Schutzwirkung steht die Sperrwirkung des § 323 HGB seiner Anwendung nicht entgegen. 419 Statt vieler s. Großkomm/Zimmer, § 323 Rn. 53 f. Ausnahmen sind jedoch z.B. denkbar, wenn zum Zeitpunkt der Jahresabschlussprüfung bereits der Verkauf des geprüften Unternehmens geplant ist. In solchen Fällen kann es ökonomisch sinnvoll (Ersparnis zusätzlicher Transaktionskosten durch Einholung weiterer Gutachten) und im Interesse aller Parteien sein, den Erwerber in den Schutzbereich einzubeziehen. Üblicherweise liegt der Zweck der Prüfung für die prüfungspflichtige Gesellschaft jedoch einzig in der Erfüllung gesetzlicher Pflichten. 420 S.o. § 2, B. II. 2. a) (1). 421 Der im Zuge der Schuldrechtsmodernisierungsreform (2002) eingeführte § 311 Abs. 3 S. 2 BGB trifft eine Regelung zur vorvertraglichen Haftung in Bezug auf vertragsfremde
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richt einen Fall der Dritthaftung des Abschlussprüfers über § 311 Abs. 3 S. 2 BGB gelöst.422 Für abschließende Prognosen ist es daher zu früh. Nach hier vertretener Ansicht gebietet die spezialgesetzliche Regelung in § 323 HGB, ähnlich wie im Hinblick auf den Vertrag mit Schutzwirkung, jedenfalls eine restriktive Auslegung des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB. Die Ausstellung eines Testats als gesetzlicher Jahresabschlussprüfer allein kann daher nicht genügen, um besonderes Vertrauen im Sinne des Regelbeispiels (§ 311 Abs. 3 S. 2 BGB) „in Anspruch“ zu nehmen.423 Zwar ist dem Abschlussprüfer bewusst, dass voraussichtlich vertragsfremde Dritte auf den geprüften Jahresabschluss vertrauen und möglicherweise vermögenswirksame Entscheidung auf seiner Grundlage treffen, aber ob sie dies auch tatsächlich tun, ist ihm letztlich gleichgültig.424 Er nimmt daher ihr Vertrauen nicht „in Anspruch“.425 Eine Haftung des Abschlussprüfers auf Grundlage des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn der Abschlussprüfer dem Dritten direkt, oder indirekt über die geprüfte Gesellschaft, eine persönliche Gewähr für die Richtigkeit der Prüfungsergebnisse gibt.426
Dritte. S. MünchKommHGB/ Ebke, § 323, Rn. 115. Gemäß § 311 Abs. 3 S. 1 BGB kann ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB auch zu solchen Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Wie bereits oben dargelegt (s. Fn. 401) regelt § 311 Abs. 3 S. 1 BGB nach der hier vertretenen Ansicht nicht die Haftung gegenüber vertragsfremden Dritten (keine Kodifikation des Vertrags mit Schutzwirkung), sondern erfasst lediglich Fälle, in denen der Dritte selbst verpflichtet wird. Aus dem Regelbeispiel in § 311 Abs. 3 S. 2 BGB ist zu schließen, dass der Gesetzgeber in § 311 Abs. 3 BGB die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Sachwalterhaftung sowie darüber hinaus wohl auch die Vertretereigenhaftung regeln wollte. Zur näheren Konkretisierung der Voraussetzungen eines Schuldverhältnisses nach § 311 Abs. 3 S. 1 BGB ist auf anerkannte Grundsätze und Fallgruppen zurückzugreifen. Ein Sonderrechtsverhältnis nach § 311 Abs. 3 BGB entsteht demnach zu solchen Personen, die in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nehmen und dadurch die Vertragverhandlungen oder den Vertragsschluss beeinflussen (§ 311 Abs. 3 Satz 2 BGB) sowie zu solchen, die erkennbar ein starkes wirtschaftliches Eigeninteresse an dem Vertrag haben (sog. Vertretereigenhaftung). Statt vieler s. MünchKommBGB/ Emmerich, § 311, Rn. 232 ff. Für die Haftung von Sachverständigen ist lediglich die erste Fallgruppe relevant, da Experten im Normalfall kein mit einer Vertragspartei vergleichbares wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss haben. 422 MünchKommHGB/Ebke, § 323, Rn. 118. 423 Hierzu s. auch J. Richter, Dritthaftung, S. 286 f. 424 Vgl. Faust, AcP 210 (2001), 555, 572. 425 In diesem Sinne zur Anwendung des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB auf Expertenhaftungsfälle Faust, AcP 210 (2001), 555, 572. 426 S. hierzu auch J. Richter, Dritthaftung, S. 284 ff., der vorschlägt, die Dritthaftung des Abschlussprüfers auf § 311 Abs. 3 S. 2 BGB zu stützen und die entsprechenden Haftungsvoraussetzungen unter Bezugnahme auf die englische und US-amerikanische Rechtsprechung präzisiert.
Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
76 (4) Fazit
Nach deutschem Recht haftet der Abschlussprüfer prüfungsvertragsfremden Dritten grundsätzlich nicht für Schäden, die sie im Vertrauen auf ein lediglich fahrlässig fehlerhaftes Prüfungsergebnis erleiden. Eine Schadensersatzpflicht kann lediglich ausnahmsweise begründet werden, wenn der Abschlussprüfer gegenüber einem bestimmten Dritten willentlich (!) eine Sonderverpflichtung in Bezug auf die Richtigkeit des Testats eingeht. In der Praxis der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung kommen solche Fallkonstellationen jedoch so gut wie nie vor. b) Schweden Das allgemeine Deliktshaftungsrecht Schwedens hat einen ähnlich engen Schutzbereich wie das deutsche. Der generalklauselartige Grundtatbestand des schwedischen Deliktsrechts (Kap. 2 § 1 SKL) mag auf den ersten Blick andere Erwartungen wecken, die Norm des Kap. 2 § 4 SKL relativiert diesen Eindruck jedoch wieder. Sie bestimmt, dass reine Vermögensschäden nach den Regeln über den Ersatz von Personen- und Sachschäden nur zu ersetzen sind, wenn ihnen eine Straftat zu Grunde liegt.427 Ebenso wie in Deutschland besteht mithin in Schweden grundsätzlich keine Ersatzpflicht für fahrlässig verursachte Vermögensschäden.428 Die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers ist jedoch spezialgesetzlich erheblich erweitert worden: Nach Kap. 29 § 2 Aktiebolagslagen haftet der Abschlussprüfer nicht nur für vorsätzlich, sondern auch für fahrlässig verursachte (Vermögens)Schäden. Die Ersatzpflicht besteht sowohl gegenüber der geprüften Gesellschaft als auch gegenüber einzelnen Aktionären, Kreditgebern, Arbeitnehmern und sonstigen Dritten.429 Der Umfang der Dritthaftungspflicht des Abschlussprüfers wird in der schwedischen Rechtsprechung vorwiegend über das Merkmal der Adäquanz im Rahmen der Kausalität begrenzt.430 Die Legislative entschied sich bewusst gegen eine weitergehende Eingrenzung des Kreises der Anspruchsberechtigten durch Einführung des Erfordernisses einer besonderen Nähebeziehung zwischen dem Abschlussprüfer und dem geschädigten Dritten, wie sie Teile der Literatur propagieren.431
427
v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 258 f.; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 18. 428 Nahezu identisch ist die Rechtslage in Dänemark und Finnland, wenngleich das dänische Deliktsrecht auf Richter- und Gewohnheitsrecht beruht. Hierzu s. v. Bar, Deliktsrecht, Bd. I, S. 258 f. 429 Skog/Fäger, The Swedisch Companies Act, S. 142. 430 Moberg, 37 Sc.St.L. 215, 231 f. (2004). 431 Moberg, 37 Sc.St.L. 215, 232 f. (2004) m.w.Nachw.
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c) England Grundsätzliche Vorbehalte gegen die außervertragliche Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden (pure economic losses) kennt auch das englische Recht.432 Eine Pflicht zum Schutze des Vermögens als solchen erkannte das common law lange Zeit nur innerhalb vertraglicher Beziehungen an. Anders als im deutschen Recht erstrecken sich die vertraglichen Pflichten im englischen Recht jedoch ausschließlich auf die Vertragsparteien. Sein strenges Verständnis der Relativität von Schuldverhältnissen beruht traditionell auf den Prinzipien der privity of contract433 und der consideration doctrine.434 Nach englischem Recht sind aus diesem Grunde (quasi-)vertragliche Dritthaftungsansprüche gegen den Abschlussprüfer, wie sie im deutschen Recht erörtert werden, undenkbar. 435 Zwar eröffnet der am 11. November 1999 in Kraft getretene Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 den Vertragsparteien die Möglichkeit, ein eigenes vertragliches Forderungsrecht für Dritte zu begründen (ähnlich dem echten Vertrag zu Gunsten Dritter),436 in Pflichtprüfungsfällen fehlt es aber typischerweise an der erforderlichen Einigung zwischen prüfungspflichtiger Gesellschaft und Prüfer.437 Auf Grund seines restriktiven 432
Statt vieler s. Dugdale/Stanton, Professional Liability, S. 104; Bernstein, Economic Loss, S. 1; Witting, in: Boom/Koziol/Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 102. 433 Der Grundsatz des privity of contract besagt, dass vertragliche Rechte und Pflichten nur im Verhältnis zwischen den Vertragsparteien, jedoch nicht gegenüber Dritten Wirkung entfalten: „Only a peson who is a party to a contract can sue on it“, vgl. Dunlope Pneumatic Tyre Co Ltd. v. Selfridge and Co Ltd. [1915] AC 847, 853 (HL). Zur historischen Entwicklung s. Ibbetson, A Historical Introduction to the Law of Obligations, S. 76 ff., 140 f. 434 Der Grundsatz des consideration besagt, dass die Entstehung eines vertraglichen Anspruchs eine vertragliche Gegenleistung von ökomischem Wert (consideration) erfordert. S. White v. Bluett [1853] 23 L.J. Ex. 36. 435 Die Erstreckung der Schutzwirkung des Prüfungsvertrags auf Dritte scheitert an dem Grundsatz der privity of contract, ein konkludenter Auskunftsvertrag an der fehlenden consideration. Hierzu s. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232; Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 117; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 111. 436 Durch Einführung des Contracts (Right of Third Parties) Act 1999 ist der privityGrundsatz modifiziert und eingschränkt worden, bleibt jedoch außerhalb der (echten) Verträge zu Gunsten Dritter weitgehend unangetastet. Vgl. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn. 577 f. Die Rechtsprechung zieht es dennoch vor, die Haftung gegenüber Vertragsfremden nach den Grundsätzen des law of torts zu lösen, was in der Literatur – insbesondere unter Verweis auf die Notwendigkeit einer Abgrenzbarkeit von Vertrag und Delikt – teilweise begrüßt wird, vgl. etwa Barker, 14 OJLS 137, 144 f. (1994). Kritisch hingegen Markesinis, The German Law of Torts, S. 49 f. Zu diesen Fragen s. auch Whittaker, 15 OJLS 327, 328 f. (1995). 437 Nach sec. 1 (1) Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999 müssen sich die Vertragsparteien ausdrücklich oder konkludent dahingehend einigen, dass dem Dritten ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt werden soll. Der vertragliche Drittschutz bei der Pflichtprüfung wird durch diese Neuregelung praktisch nicht tangiert. Vgl. Oliphant, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 41, 55; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 112.
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Vertragsverständnisses ist im englischen Recht die Ausweitung des Vermögensschutzes im Rahmen der Expertenhaftung über das Deliktsrecht erfolgt.438 (1) Außervertragliche Haftung für reine Vermögensschäden Seit Mitte des 19. Jahrhunderts setzte sich im Zuge der Industrialisierung im common law der Gedanke vertragsunabhängiger Pflichten (duties) durch, aus dem heraus sich die außervertragliche Fahrlässigkeitshaftung, tort of negligence,439 entwickelte.440 Ihr Schutzbereich war jedoch lange Zeit, ähnlich wie im deutschen Recht,441 auf bestimmte Rechtsgüter, auf Leib, Leben, Gesundheit und Eigentum beschränkt.442 Eine außervertragliche Haftung für reine Vermögensschäden existierte nur im Rahmen der intentional torts, bei fraud oder deceit.443 Die hohen subjektiven Anforderungen444 setzte zwar auch die common law-Rechtsprechung in Einzelfällen herab,445 der Anwendungsbereich der vorsätzlichen vermögensschädigenden Deliktstatbestände blieb aber begrenzt. In der Sache Candler v. Crane, Christmas & Co. (1951) lehnte das zuständige Gericht den Anspruch eines Anteilseigners gegen den Abschlussprüfer mit Verweis auf das fehlende Vertragsverhältnis ab.446 Mit der Entscheidung Hedley Byrne & Co. Ltd. v. Heller & Partner447 aus dem Jahre 438 Ein Überblick über die Fallrechtsprechung findet sich bei v. Bar, RabelsZ 44 (1980), 455, 457 ff. 439 Tort of negligence bezeichnet im englischen Sprachgebrauch nicht nur die Verschuldensform der Fahrlässigkeit, sondern einen eigenständigen Haftungstatbestand für fahrlässiges Fehlverhalten. Er wurde im englischen Recht erstmals 1932 in der Entscheidung des House of Lords in Donoghue v. Stevenson [1932] A.C. 562 anerkannt. Vgl. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232; Quick/Niemann, RIW 1992, 836, 838. 440 Wegweisende Entscheidung in den USA war 1916 das Urteil in dem Produkthaftungsfall McPherson v. Buick Motor Co., 111 N.E. 1050 (1916). Hierzu s. Ebke, Verantwortlichkeit, S. 9 f.; Quick/ Niemann, RIW 1992, 836, 837. 441 Wenngleich die englische Definition des Schutzbereiches der fahrlässig unerlaubten Handlung beim Handlungsunrecht und nicht bei der (erfolgsbezogenen) Verletzung bestimmter Interessen ansetzt, so sind doch Intention und Ergebnis sehr ähnlich, insbesondere deckt sich der Katalog der geschützten Rechte und Rechtsgüter weitgehend mit dem des § 823 Abs. 1 BGB. S. Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 220. 442 Ebke, Verantwortlichkeit, S. 7 f. 443 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 294. Zur Entwicklung des englischen Deliktsrechts s. ders., a.a.O., S. 424 ff. Zu den Voraussetzungen der Haftung des Abschlussprüfers nach dem tort of deceit s. Ehrle, Dritthaftung, S. 92 f. 444 Im Einzelnen s. Ehrle, Dritthaftung, S. 92 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 112. 445 Ebke, Verantwortlichkeit, S. 9; ders., Wirtschaftsprüfer, S. 159 f. 446 Candler v. Crane, Christmas & Co. [1951] 2 K.B. 164 (C.A.). Dazu s. Wölber, Abschussprüferhaftung, S. 113; Quick/Niemann, RIW 1992, 836, 838. 447 Hedley Byrne and Co. v. Heller & Partners [1964] A.C. 465. Dazu s. Ehrle, Dritthaftung, S. 114 ff.
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1964 erkannte das House of Lords erstmals eine Haftung für reine Vermögensschäden auf Grund fahrlässig unwahrer Äußerungen an.448 Es stieß damit die Entwicklung des tort of negligence in die Richtung einer Generalklausel oder eines Grundtatbestands nach kontinentaleuropäischem Muster an449 und machte den Weg für eine Haftung des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten frei.450 Die Versicherungen reagierten auf die neuen Verhältnisse mit einer sprunghaften Erhöhung der Versicherungsprämien für den berufshaftungsrechtlichen Schutz der Wirtschaftsprüfer.451 Die englische Rechtsprechung sah sich in Anbetracht der durch Hedley Burne begründeten Weite der außervertraglichen Pflichten nunmehr gezwungen, der Fahrlässigkeitshaftung neue Grenzen zu setzen und insbesondere die Voraussetzungen der duty of care neu zu formulieren. Nach dem in Anns v. Merton London Borough Council (1978)452 entwickelten Zwei-Stufen-Test sollte zur Begründung der außervertraglichen Sorgfaltspflicht prinzipiell eine hinreichende Nähebeziehung (sufficient relationship of proximity) der Form genügen, dass für den Schädiger der Schadenseintritt beim Geschädigten infolge seiner Nachlässigkeit vorhersehbar war. Aus allgemeinen Billigkeitserwägungen (policy considerations) waren auf zweiter Stufe Einschränkungen der Haftung möglich.453 Auf dieser Grundlage wurde eine hinreichende Nähebeziehung zwischen dem Prüfer und einem Anleger beispielsweise schon deshalb bejaht, weil der Prüfer wusste, dass die geprüfte Gesellschaft auf der Suche nach Investoren war454 bzw. weil er ihren Bedarf nach neuem Kapital hätte erkennen müssen – ohne Rücksicht darauf, ob dem Abschlussprüfer die Kläger der Person nach oder die Investitionsvorhaben im Einzelnen bekannt waren.455 Viele Seiten kritisierten den Anns-Test wegen der nunmehr uferlosen Weite der außervertraglichen Fahrlässigkeitshaftung.456
448 Zu dieser Entscheidung ausführlich Dugdale/Stanton, Professional Liability, S. 106 ff.; Bernstein, Economic Loss, S. 548 ff.; Shaw, Landesbericht England und Wales, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 24. 449 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 295 f. 450 Zur Entwicklung der englischen Rechtsprechung zur Dritthaftung des Abschlussprüfers ausführlich Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232 ff.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 113–121. 451 Ehrle, Dritthaftung, S. 179. 452 Anns v. Merton London Borough Council [1978] A.C., 728, 751. 453 Im Einzelnen s. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 114 f. 454 JEB Fastners v. Marks, Bloom & Co. [1981] 3 All E.R. 289, 301. Im Ergebnis wurde die Klage aber mangels hinreichenden Kausalzusammenhangs abgelehnt. Hierzu s. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 115. 455 Twomax Ltd. v. Dickinson, McFarlane & Robinson [1983] S.L.T. 98. Hierzu s. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 232. 456 S. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 114 f. m.w.Nachw.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
In den abweichenden Entscheidungen Caparo v. Dickmann457 und Murphy v. Brentwood458 distanzierte sich die Rechtsprechung von dem umfassenden Sorgfaltspflichtenverständnis in Anns und hob die auf seiner Grundlage entschiedenen Fälle zur Abschlussprüferdritthaftung auf.459 Die Entscheidung Caparo Industries plc. v. Dickman and others (1990) konkretisierte den duty of care-Begriff speziell für die Abschlussprüfung neu.460 Der Umfang der Schutzpflicht soll sich demnach nicht mehr (nur) nach der Vorhersehbarkeit (forseeability) des Schadenseintritts, sondern in erster Linie nach dem gesetzlichen Zweck der Pflichtprüfung sowie der im Einzelfall bestehenden Nähe (proximity) zwischen Prüfer und geschädigtem Dritten richten.461 In casu entschied das House of Lords, die gesetzliche Jahresabschlussprüfung diene dem Interesse des prüfungspflichtigen Unternehmens und dem seiner Gesellschafter in ihrer Gesamtheit. Ihr Sinn und Zweck liege in der Bereitstellung zuverlässiger und für die Kontrolle der Geschäftsleitung notwendiger Informationen. Der einzelne Aktionär hingegen sei in seinem Besitzstand und in seiner Eigenschaft als Investor ebenso wenig geschützt wie potentielle Anleger, da die Jahresabschlussprüfung nicht als Grundlage für Investitionsentscheidungen bestimmt sei.462 (2) Bedeutung des Caparo-Urteils Bemerkenswert am Caparo-Urteil ist das Bemühen der Richter, den Kreis der Anspruchsberechtigten abstrakt im Hinblick auf die Ziele der Jahresabschlussprüfung einzudämmen und dadurch einer Ausuferung der Dritthaftung im Wege einer klaren Grenzziehung entgegenzuwirken. Das House of Lords differenziert dabei funktional zwischen den durch die fehlerhafte Prüfung beeinträchtigten Interessen – den kollektiven Kontrollinteressen der Eigentümer einerseits und den individuellen Gewinninteressen einzelner Aktionäre
457 Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1990] 1 All ER 568. Hierzu s. Ebke/Antonio de la Garza, Revista de Investigaciones Juridicas 18 (1994), 349; Ebke/Bert, EWS 1993, 229; Ehrle, Dritthaftung, S. 146–155. 458 Murphy v. Brentwood [1990] 1 A.C. 398. 459 Erst das Murphy-Urteil setzte die bisherige Rechtsprechung formal außer Kraft. Die entscheidenden Argumente finden sich jedoch bereits in der Caparo-Entscheidug, die eine „Trendwende“ in der englischen Rechtsprechung zur Abschlussprüferdritthaftung einläutete. Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 115 f. 460 Dugdale/Stanton, Professional Liability, S. 139 ff. 461 Im Einzelnen s. Shaw, Landesbericht England und Wales, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 24 f.; Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 233 ff.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S.115 ff. 462 Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1990] 1 All ER 568, 569, 581 (Lord Bridge), 583, 599 (Lord Oliver), 607 (Lord Jauncey).
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andererseits –, nicht nach dem Status des Klägers.463 Grundsätzlich soll der Abschlussprüfer nur dem geprüften Unternehmen verantwortlich sein.464 Unter besonderen Umständen hält das House of Lords jedoch eine Erweiterung des Schutzkreises auf konkrete Geschäfte individueller Dritter für möglich. Voraussetzung einer solchen duty of care ist nach den in Caparo niedergelegten Prinzipien eine hinreichend nahe Beziehung (proximity) im Einzelfall, die voraussetzt, dass der Prüfer von der Weiterleitung seines Berichts, von der Transaktion des Adressaten und von dessen Vertrauen in das Prüfungsergebnis bei Vornahme der vermögenswirksamen Entscheidung Kenntnis hatte.465 Dieser so genannte transaction-Test stellte die Weichen für die Abschlussprüferdritthaftung im englischen Recht neu; er wurde in einer Reihe nachfolgender Entscheidungen zur Dritthaftung für fehlerhafte Auskünfte bestätigt.466 In England läutete das Caparo-Urteil die endgültige Trendwende in einer langen Entwicklung der konsekutiven Haftungsausdehnung ein.467 Die Entscheidung des House of Lords erging im Bewusstsein um die Gefahren einer unbegrenzten haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit für Abschlussprüfungen und Auskünfte im Allgemeinen. Sie hob die privity-Wurzeln des Haftungsrechts wieder stärker hervor, ohne den Stellenwert sachkundigen Rates in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen. Das Caparo-Urteil war damit nicht nur für die Abschlussprüferdritthaftung sondern für die Expertenhaftung und die Haftung für reine Vermögensschäden insgesamt von wegweisender Bedeutung.468 463
Der Court of Appeal hatte in Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1989] Q.B. 653 insoweit noch zwischen dem Status der Geschädigten als gegenwärtige Anteilseigner einerseits und als potentielle Anteilseigner andererseits unterschieden. Nach Auffassung von L.J. Bingham und L.J. Taylor sollte dem Abschlussprüfer gegenüber den gegenwärtigen Aktionären, unabhängig von dem betroffenen Interesse, eine Sorgfaltspflicht (duty of care) obliegen, gegenüber den zukünftigen Aktionären hingegen nicht. Im Unterschied zu L.J. Bingham und L.J. Taylor sprach sich L.J. O’Connor gegen eine Sorgfaltspflicht des Abschlussprüfers gegenüber einzelnen Gesellschaftern aus. Eine solche Pflicht bestünde nur gegenüber den Gesellschaftern in ihrer Gesamtheit. Vgl. Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1989] Q.B. 653, 695 f. Hierzu s. im Einzelnen Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 234; J. Richter, Dritthaftung, S. 104 ff. 464 S. hierzu m.w.Nachw. Ebke/Bert, EWS 1993, 229, 233, Fn. 58; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 115, Fn. 490. 465 Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1990] 1 All E.R. 568, 576 f. (Lord Bridge), 589 (Lord Oliver). Hierzu s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 117 m.w.Nachw. 466 Im Einzelnen s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 118–121 und J. Richter, Dritthaftung, S. 114–131 m.w.Nachw. 467 Ein ähnlicher Trend ist auch in anderen common law-Ländern zu beobachten, s. Ebke, RIW 1993, 767, 768 f. 468 J. Richter, Dritthaftung, S. 114. Die in Caparo Industries plc. v. Dickman and others [1990] 1 All E.R. 568 aufgestellten Prinzipien wurden in den folgenden Monaten und Jahren in einer Reihe von Entscheidungen zur Auskunfthaftung von Experten angewandt und weiter
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
In England hat die Entwicklung des außervertraglichen Haftungsrechts für reine Vermögensschäden rechtsdogmatisch einen anderen Weg eingeschlagen als in Deutschland. Das enge vertragsrechtliche Verständnis (privity, consideration) des englischen Rechts einerseits und das restriktive deutsche Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) andererseits haben der Ausdehnung schadensersatzrechtlicher Verantwortung Grenzen gesetzt.469 In Anbetracht dieser dogmatischen Unterschiede fallen die parallelen Entwicklungsschritte470 und argumentatorischen Übereinstimmungen umso mehr ins Auge: Beide Haftungsrechtsordnungen standen der Haftung für reine Vermögensschäden traditionell zurückhaltend gegenüber.471 Im Zuge der wachsenden Bedeutung, die den Informationen Sachverständiger im Wirtschaftsverkehr zukam,472 entstand jedoch ein Bedürfnis, Experten – auch Abschlussprüfer – stärker in die haftungsrechtliche Verantwortung zu nehmen. Vertragsfremde Dritte profitierten von dem wohlfahrtstaatlichen Verständnis eines erweiterten Vertrauensschutzes.473 Heute steht in England und Deutschland wieder zunehmend die Privatautonomie der Experten im Vordergrund. Im Abschlussprüferhaftungsrecht ist man sich einig, dass es unangemessen wäre, dem Prüfer das Schadensrisiko vertragsfremder Dritter unentgeltlich und ohne seinen Willen schon bei fahrlässigem Fehlverhalten aufzuerlegen. Ein grundlegend anderer Ansatz lässt sich dagegen im polnischen und französischen Recht beobachten. d) Systeme der haftungsrechtlichen Generalklausel Eine Reihe von Rechtsordnungen, vornehmlich aus dem romanischen Rechtskreis, haben nach Vorbild des französischen Code civil eine abstrakte delikts-
präzisiert. Im Einzelnen s. die Rechtsprechungsübersicht bei J. Richter, Dritthaftung, S. 114 ff. 469 Hintergrund mag ebenfalls die funktional abweichende Vorstellung von der Abgrenzung zwischen vertraglicher und deliktrechtlicher Haftung sein. Das deutsche Recht unterscheidet nach der Art und Weise, in der die Verantwortung für Schäden durch den Haftenden übernommen wird. Tritt er willentlich durch privatautonome Entscheidung in die Position des Verantwortlichen ein, so gehört seine Haftung im weitesten Sinne dem vertraglichen Bereich an, wird sie ihm durch Gesetz auferlegt, ist sie regelmäßig deliktsrechtlicher Natur. Das englische Recht dagegen differenziert nicht nach dem Akt der Risikoübernahme, sondern nach der Beziehung zwischen den Parteien. Das Rechtsverhältnis zwischen Vertragsparteien bestimmt sich nach vertraglichen Regeln, das zu anderen Personen grundsätzlich nach außervertraglichen. Allerdings kann der potentielle Haftungsschuldner die deliktrechtliche Haftung willentlich übernehmen – ein Gedanke, der dem deutschen Rechtsdenken fremd ist. Hierzu s. Smith, 17 OJLS 643, 656 f. (1997); Witting, in: Boom/Koziol/ Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 102, 108. 470 Im Einzelnen s. Baus, ZVglRWiss 103 (2004), 219, 251 f. 471 Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. II. 2. a) und c) (1). 472 Zu den gesellschaftlichen Hintergründen s. im Einzelnen unten § 6, A. I. 473 v. Bar, RabelsZ 44 (1980), 455, 481 f.
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rechtliche Generalklausel inkorporiert, derzufolge ein jeder einem jeden für einen schuldhaft verursachten Schaden ersatzpflichtig ist. Diese Rechtsordnungen befinden sich – sowohl im Hinblick auf die Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden im Allgemeinen als auch im Rahmen der Abschlussprüferdritthaftung – in einer rechtsdogmatisch wesentlich anderen Ausgangslage als das deutsche und das englische Recht. Die „große“ deliktsrechtliche Generalklausel des Art. 1382, 1383 C.Civ. gewährt umfassenden haftungsrechtlichen Schutz eines jeden Interesses, sofern es nicht rechtswidrig ist oder gegen die guten Sitten verstößt.474 Jede Form des Verschuldens und jede Form der Schadensverursachung kann grundsätzlich einen Haftungsanspruch begründen.475 Die Generalklausel kennt weder ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Rechtswidrigkeit476 noch einen differenzierten Rechtsgüterschutz wie das deutsche oder schwedische Recht, noch das Bemühen um Eingrenzung der persönlichen Schutzpflichten (own duty of care)477 wie das englische common law. Das bedeutet freilich nicht, dass die Reichweite der Art. 1382, 1383 C.Civ. auch tatsächlich grenzenlos wäre. In der Rechtsprechung haben sich andere – „technische“478 – Kriterien der Haftungseinschränkung herausgebildet.479 Außerdem obliegt dem geschädigten Dritten die Beweislast.480 Er 474 Biesalski, Deliktshaftung, S. 19 ff.; Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 17; Whittaker, 15 OJLS 327, 331 f. (1995). 475 Whittaker, 15 OJLS 327, 331 (1995). 476 Die illicité (Rechtswidrigkeit) ist kein eigenständiges Tatbestandsmerkmal sondern Bestandteil eines im Vergleich zum deutschen Verständnis erweiterten Verschuldensbegriffs, der faute, in den objektive und subjektive Elemente mit einfließen. Sie grenzt jedoch im Unterschied zu den zuvor betrachteten Rechtsordnungen den Schutzkreis des Deliktsrechts nicht im Hinblick auf geschützte Interessen und deliktrechtlich relevante Verhaltensquellen ab. Dazu s. Viney, in: Bermann/Picard, Introduction to French Law, S. 237, 247; Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 224 f; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996), S. 623. 477 Whittaker, 15 OJLS 327, 331 (1995). 478 Radé/Bloch, in: Boom/Koziol/Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 41, 44 ff. 479 Grenzen der Haftung werden unter den Haftungsvoraussetzungen faute und dommage gezogen. Im Einzelnen s. Radé/Bloch, in: Boom/Koziol/Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 41, 44; Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 226 ff. Insbesondere dem Einwand des fehlenden bzw. unterbrochenen Kausalzusammenhanges kommt in der Praxis große Bedeutung zu. S. aus jüngerer Zeit z.B. die Entscheidung des Cour de cassation, Urteil vom 23.03.2010, Az. 09–10791, abrufbar unter: http://www.legifrance.gouv.fr/ affichJuriJudi.do?oldAction=rechJuriJudi&idTexte=JURITEXT000022027997&fastReqId=1 32179505&fastPos=1 (07.11.2011), wobei das Gericht in diesem Fall den Einwand der beklagten Prüfungsgesellschaft, es fehle an einem unmittelbaren Ursachenzusammenhang zwischen dem Prüfungsfehler und dem Drittschaden, im Ergebnis ablehnte. Interessant ist in diesem Zusammenhang der gewissermaßen umgekehrte Fall, in dem der Cour de cassation eine Haftung der ehemaligen Gesellschafter gegenüber den Erwerbern eines Unternehmens ablehnte, weil der Versuch des Wirtschaftsprüfers, die Käufer vom Abschluss des Geschäfts abzuhalten, den Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit der Gesellschafter und
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muss zudem – ebenso wie die geprüfte Gesellschaft – damit rechnen, von dem Abschlussprüfer im Falle einer ungerechtfertigten Klage widerklagend auf Ersatz des Reputationsschadens in Anspruch genommen zu werden.481 Das prinzipiell weite Verständnis von der Verantwortung des Einzelnen für die Interessen seiner Mitbürger, Grundsatz des neminem laedere, den die Generalklausel zum Ausdruck bringt,482 ist jedoch ein prägendes Merkmal – oder die „ewige Wahrheit“483 – des französischen Deliktsrechts, das in seiner Formulierung und Konzeption maßgeblich durch den revolutionären Gedanken der Brüderlichkeit (fraternité) geprägt ist.484 (1) Frankreich Nach französischem Recht haftet der Abschlussprüfer auch vertragsfremden Dritten deliktisch für Schäden, die er durch vorsätzliches und fahrlässiges Fehlverhalten bei der Prüfung verursacht hat.485 Das Konzept des reinen Vermögensschadens ist in Frankreich unbekannt und stellt insoweit schadensersatzrechtlich keine Schwierigkeit dar.486 Aus der französischen Generalklausel sowie aus der Sondervorschrift des Art. L. 822-17 C.Com. lassen sich Ersatzansprüche prüfungsvertragsfremder Dritter unproblematisch ableiten. Da in Frankreich auch der geprüften Gesellschaft lediglich ein außervertraglicher Anspruch gegen den Prüfer zusteht, differenziert das Recht insoweit nicht zwischen ihren Ansprüchen und denen externer Dritter. Insbesondere ist kein besonderes Näheverhältnis erforderlich.487 Die haftungsrechtliche Position Dritter wird zusätzlich, wenigstens deklaratorisch, durch die besondere Hervorhebung der gesellschaftsübergreifenden Funktion des französischen Abschlussprüfers gestärkt. Während die englischen Richter in der CaparoEntscheidung betonten, dass die Jahresabschlussprüfung primär im Interesse
dem Drittschaden unterbrochen habe: Cour de cassation, Entscheidung vom 30.06.2011, Az. 10–16330, abrufbar unter: http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rech JuriJudi&idTexte=JURITEXT000024296561&fastReqId=443646530&fastPos=1 (07.11.2011). 480 Senninger, Harmonisierung, S. 174 m.w.Nachw. 481 Kremer, Verantwortlichkeit, 253; Senninger, Harmonisierung, S. 142. 482 Hierzu s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 17 f. 483 Hierzu s. Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 17; Jansen, ZEuP 9 (2001), 30, 36 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 151 f. 484 Zum „revolutionären Pomp“ der Generalklausel s. v. Bar, Das deutsche Deliktsrecht, S. 4; Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 16 f. 485 Opitz, Vergleich der Wirtschaftsprüfung, S. 230; Kovarik, Le Commissaire aux comptes, S. 190 ff. 486 Radé/Bloch, in: Boom/Koziol/Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 41; Markesinis, The German Law of Torts, S. 44. 487 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 150.
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des Prüfungsmandanten erfolgt,488 soll sie nach der französischen Konzeption eine „Mission im Interesse der Allgemeinheit“489 sein. Anders als im deutschen und englischen Recht existiert in Frankreich eine – im Hinblick auf den Kreis der potentiell Anspruchsberechtigten – umfassende Dritthaftung des Abschlussprüfers. Das potentielle Dritthaftungsrisiko des französischen Abschlussprüfers deckt sich freilich nicht mit seinem tatsächlichen Risiko, von einem geschädigten Dritten vor den französischen Gerichten erfolgreich auf Schadensersatz verklagt zu werden.490 Grenzen des Dritthaftungsrisikos ergeben sich im Einzelfall insbesondere aus der Auslegung des Kausalitäts- und Verschuldenserfordernisses in der Rechtsprechung.491 Anders als beispielsweise in England oder in Deutschland sind jedoch in der französischen Rechtsprechung keine Bestrebungen erkennbar, in der Expertenhaftung im Allgemeinen oder in der Dritthaftung des Abschlussprüfers im Besonderen Kriterien zur Abgrenzung des geschützten Personenkreises aufzustellen.492 (2) Polen In Polen ist bislang keine gerichtliche Entscheidung zur Dritthaftung des Abschlussprüfers veröffentlicht worden; die einzige relevante Entscheidung des Obersten Gerichtshofes betrifft die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der geprüften Gesellschaft.493 Die Frage der Dritthaftung des Abschlussprüfers gegenüber den Gläubigern eines insolventen Unternehmens hätte im Zusammenhang mit großen Insolvenzen in der Werftindustrie praktisch relevant werden können.494 Die betroffenen Kreditgeber sahen jedoch von einer Klage gegen die Abschlussprüfer ab.495 Alle Überlegungen zur Abschlussprüferdritthaftung sind somit in Polen bislang rein theoretischer Natur und müssen sich in der Praxis noch beweisen. Der Anspruch eines prüfungsvertrags488
S.o. bei § 2, B. II. 2. c) (2). Vgl. Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 7. Kritisch hierzu Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 150 f. 490 Ebke/Struckmeier, Civil Liability, S. 30 f. 491 Im Einzelnen Ebke/Struckmeier, Civil Liability, S. 30; Radé/Bloch, in: Boom/Koziol/ Witting (Hrsg.), Pure Economic Loss, S. 41, 44; Wagner, in: R. Zimmermann (Hrsg.), Grundstrukturen, S. 189, 226 ff. 492 Sprenger, Internationale Expertenhaftung, S. 57. 493 S.o. bei § 2, B. I. 2. m.w.Nachw. 494 In diesem Sinne auch die Überlegungen zur Dritthaftung von Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743 ff. 495 Über die Gründe lässt sich nur spekulieren. Da eine gesicherte Rechtsprechung oder fundierte wissenschaftliche Aufarbeitung auf dem Gebiet Berufshaftungsrechts für Abschlussprüfer bislang fehlt, ist anzunehmen, dass in Anbetracht des unberechenbaren Prozessrisikos eine außergerichtliche Klärung sowohl für die Kläger als auch für die Wirtschaftsprüfgesellschaften vorteilhafter war. In diese Richtung auch Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 746. 489
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fremden Dritten könnte sich aus der deliktsrechtlichen Generalklausel in Art. 415 Kc ergeben.. Sie ist dem Vorbild der französischen Generalklausel nachgebildet496 und gewährt somit auch Ersatz für fahrlässig verursachte reine Vermögensschäden.497 Nach Einführung des neuen Abschlussprüfungsgesetzes im Jahre 2009 (ustawa o biegłych rewidentach) ließe sich der Dritthaftungsanspruch nunmehr womöglich auch auf die Sonderhaftungsvorschrift für Abschlussprüfer in Art. 51 Abs. 1 BRewU stützen. Der Wortlaut ist insoweit offen: Der Abschlussprüfer „(...) haftet für einen Schaden, der durch sein Handeln oder Unterlassen entstanden ist.“ Da es sich bei Art. 51 Abs. 1 BRewU jedoch lediglich um eine spezialgesetzliche Ausprägung der allgemeinen haftungsrechtlichen Generalklauseln handelt, müssen grundsätzlich die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 415 Kc vorliegen.498 Anders als im französischen Recht ist mithin für die Entstehung eines Dritthaftungsanspruchs nach polnischem Recht insbesondere erforderlich, dass die schadensursächliche Pflichtverletzung des Abschlussprüfers „absolut“ rechtswidrig ist.499 Die Entscheidung, ob die Pflicht zur ordnungsgemäßen Prüfung eine absolute Pflicht ist, trifft der polnische Gesetzgeber nicht. Aus diesem Grunde lässt sich die Frage nach der qualifizierten Rechtswidrigkeit eines (fahrlässigen) Prüfungsfehlers nur aus dem Zweck der verletzten Norm oder des überschrittenen Verhaltensgebots heraus beurteilen.500 Stimmen in der polnischen Literatur halten eine (umfassende) Abschlussprüferdritthaftung grundsätzlich für möglich.501 Ein Verstoß gegen die Vorschriften des Rechnungslegungsgesetzes könne, so die Argumentation von Zoll, die Voraussetzungen des Art. 415 Kc auch dann erfüllen, wenn der Schaden im Vermögen einer prüfungsvertragsfremden Person eintritt, da die Prüfung auch zugunsten der (potentiellen) Gläubiger eines Unternehmens stattfinde.502 Dies ergebe sich schon aus den Veröffentlichungspflichten.503 Die Auffassung von Zoll entspricht dem Tenor einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (Sąd Najwyższy) aus dem Jahre 2006, der die Verletzung 496
Zur Entstehungsgeschichte des polnischen Zivilgesetzbuchs s.o. Fn. 255 m.w.Nachw. Czachórski, Zobowiązania, S. 206; Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 447. 498 Zu den allgemeinen Voraussetzungen s. Czachórski, Zobowiązania, S. 206; Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 447. 499 Absolut rechtswidrig ist der Verstoß gegen eine generelle Verhaltenspflicht, die nicht nur „relativ“ gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner gilt. Dazu s.o. § 2, B. I. 2. m.w.Nachw. 500 In diese Richtung Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743 ff., 747. Ähnlich auch die Argumentation des Sąd Najwyzszy, in seinem Urteil zur Abschlussprüferhaftung vom 1.12.2006 (Az. I CSK 315/06). Dazu s. auch die Besprechung von Jastrzębski, Glosa 2007, 15. 501 S. Nowicka, Wirtschaftsprüfer in Polen, S. 196; Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743 ff., 748. 502 Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 747 f. 503 Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743, 747 f.; ebenso Oplustil, Rzeczpospolita 296/2002 (vom 20.12.2002). 497
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der Prüfungspflichten unter Verweis auf die besondere Stellung des Abschlussprüfers („quasi die Funktion einer Person des öffentlichen Vertrauens“) als unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 415 Kc wertete.504 Im konkreten Fall musste das Gericht freilich über einen Schadensersatzanspruch der geprüften Gesellschaft befinden; der Rückgriff auf den deliktsrechtlichen Haftungsanspruch war lediglich notwendig, weil der vertragliche bereits verjährt war. Ob diese Rechtsprechungslinie in Dritthaftungsfällen Bestand haben wird, bleibt abzuwarten. III. Haftungsbegrenzung Im Schadensrecht aller Staaten der Europäischen Union gilt das Totalreparationsprinzip.505 Liegt ein Haftungsgrund vor, ist grundsätzlich der gesamte eingetretene Schaden durch den Schädiger zu ersetzen. Eine Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite, wie sie die Europäische Kommission in ihrer Empfehlung vom Juni 2008 vorschlägt,506 stellt eine schadensersatzrechtliche Ausnahmeerscheinung dar. In einigen EU-Mitgliedstaaten hat jedoch insbesondere die Haftungshöchstsummenbegrenzung bei der Abschlussprüferhaftung Tradition. Der folgende Abschnitt wird die unterschiedlichen bereits existierenden Haftungs(begrenzungs)systeme im Einzelnen darstellen. 1. Gesetzliche Haftungsbegrenzung Die Haftung des Abschussprüfers kann gesetzlich auf einen konkreten Höchstbetrag (absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung) oder durch Regeln begrenzt werden, die eine Beschränkung des Haftungsanspruchs auf Grund bestimmter objektiver Umstände – z.B. auf Grund der Größe des Prüfungsmandanten oder der Höhe des Prüfungshonorars – festlegen (relative Haftungshöchstsummenbegrenzung).507 Möglich ist des Weiteren eine Begrenzung nach Verschuldensschwere oder Mitverschuldensanteil. a) Haftungshöchstsummenbegrenzungen Die gesetzliche Begrenzung der Haftung auf eine bestimmte Höchstsumme ist die wohl umstrittenste Form der Haftungsbegrenzung. Im Rahmen der Ver504 Aus dem Urteil des Obersten Gerichts vom 1.12.2006 (Az. I CSK 315/06). Hierzu s. die Besprechung von Jastrzębski, Glosa 2007, 15 ff., S. 15. 505 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 155. Zum französischen Recht s. Viney, in: Bermann/Picard (Hrsg.), Inroduction to French Law, S. 237, 259 f.; Whittaker in: Bell/Boyron/Whittaker, Principles of French Law, S. 353. 506 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 507 Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39, Tz. 5 a): „Festlegung eines finanziellen Höchstbetrags oder einer Formel zur Berechnung eines solchen Betrags.“
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schuldenshaftung erscheint die gesetzliche Haftsummenbegrenzung als ein der Gefährdungshaftung entliehener Fremdkörper,508 im besten Falle als „systemkreative“ Lösung eines ökonomisch-juristischen Konflikts. Kritiker berufen sich darauf, dass eine solche Regelung in offenkundigem Widerspruch zur Schadensausgleichsfunktion des privaten Haftungsrechts stehe. Je weiter der eingetretene Schaden die Haftungshöchstsummenbegrenzung (cap) überschreite, desto geringer sei schließlich die relative Kompensationswirkung der Ersatzleistung.509 Aus diesem Grunde wurde in Österreich im Jahre 2002 gar aus verfassungsrechtlichen Bedenken ein Antrag auf Aufhebung der Haftsummenbeschränkung erhoben.510 Dessen ungeachtet existierte in fünf der 27 Mitgliedstaaten – in Belgien, Deutschland, Griechenland, Österreich und Slowenien – bereits vor der Kommissionsempfehlung diese Form der Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer. Polen hat im Jahre 2009 nachgezogen. In Schweden und anderen Mitgliedstaaten sind entsprechende Reformprozesse angelaufen,511 jedoch bislang nicht umgesetzt worden. (1) Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzungen In Belgien, Deutschland, Griechenland, Slowenien und neuerdings auch Polen ist die Haftung des Abschlussprüfers für Fahrlässigkeit gesetzlich auf einen absoluten Höchstbetrag (absolute cap) begrenzt. Deutschland, Polen und Belgien differenzieren insoweit zwischen börsennotierten und sonstigen Gesellschaften. Nach § 323 Abs. 2 Satz 1 HGB ist die Haftung des deutschen Abschlussprüfers auf eine Million Euro beschränkt; bei der Prüfung von Aktiengesellschaften, deren Aktien zum Handel im amtlichen Markt zugelassen sind, auf vier Millionen Euro. Die Höchstsumme bezieht sich jeweils auf einen Prüfungsvorgang. Unerheblich ist, wie viele Personen (Wirtschaftsprüfer und Gehilfen) an der Prüfung beteiligt waren und wie viele zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen wurden (§ 323 Abs. 2 S. 3 HGB).512 Die 508
Müller-Graff, GPR 2007, 209. W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 100; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 179. 510 VfGH 11.12.2002, G 216/02: Die Antragsteller vertraten die Auffassung, die Haftungsbegrenzung verstoße gegen das Sachlichkeitsverbot und verletze das Eigentumsrecht der Geschädigten. Der österreichische Verfassungsgerichtshof wies den Antrag mit der Begründung ab, dass mangels zivilrechtlicher Entscheidung in der Sache weder der Haftungsgrund noch der Umfang des Schadens feststünden und daher die Betroffenheit der Antragsteller nicht geklärt sei. Vgl. im Einzelnen Chvosta, GeS 2003, 300; ders., GeS 2002, 72; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 187–192; W. Doralt/Stöger, ÖBA 2003, 265; Holoubek/ Karollus/Rummel, ÖBA 2002, 953. 511 FEE, INFO vom 22.9.2008; Maher, IAB 439 (November 2008). 512 Im Einzelnen hierzu s. Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 186 m.w.Nachw.; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 72; BeckBilKomm/Winkeljohann/Feldmüller, § 323 Rn. 133. 509
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Prüfung des Jahresabschlusses der Mutteruntergesellschaft und des Konzernabschlusses zählen jedoch als zwei getrennte Prüfungen.513 Einzelne Prüfungen in diesem Sinne sind auch die Abschlussprüfungen aufeinander folgender Jahre.514 Der polnische Gesetzgeber hat sich offenkundig an der deutschen Gesetzeslage orientiert: bei der Prüfung von Gesellschaften öffentlichen Interesses515 (jendostki zainteresowania publicznego) beträgt die Haftungshöchstgrenze gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 1 BRewU 12 Millionen PLN (ca. 715.000 Euro), ansonsten gemäß Art. 51 Abs. 2 Nr. 2 BRewU 3 Millionen PLN (ca. 2,8 Millionen Euro). In Belgien ist die Haftungsgrenze dreimal so hoch wie in Deutschland und liegt bei 3 bzw. bei 12 Millionen Euro pro Mandat.516 In Slowenien dagegen ist die Haftungshöchstgrenze auf 150.000 Euro festgesetzt, unabhängig davon, ob der Prüfungsmandant eine börsennotierte Gesellschaft ist.517 Einen ausgefallenen Maßstab zur Bestimmungen der absoluten Haftungshöchstgrenze wendet das griechische Recht an: Die Haftung des Abschlussprüfers richtet sich nach dem Jahresgehalt des Gerichtshofspräsidenten und beträgt maximal das Fünffache dieses Betrags.518 Ebenso wie im polnischen wird auch im griechischen Recht die absolute Haftungssummenbegrenzung durch eine relative ergänzt.519 In Schweden bestehen gegenwärtig Bestrebungen die Haftung des Abschlussprüfers auf 10 Millionen SEK (ca. 10 Millionen Euro) zu begrenzen.520 Die Regierung hat diesbezüglich eine Konsultation durchgeführt, im Rahmen derer sie Vertreter unterschiedlicher Interessengruppen befragte. Sie plant, dem Parlament Mitte 2011 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.521 (2) Relative Haftungshöchstsummenbegrenzungen Eine andere Möglichkeit der Haftungssummenbegrenzung ist die relative Haftungshöchstgrenze (relative cap) in Abhängigkeit von der Größe des Prüfungsmandanten, des Umsatzes des Prüfers, des vereinbarten Prüfungshonorars oder auf andere Weise. Für dieses Modell haben sich Österreich sowie – 513
BeckBilKomm/Winkeljohann/Feldmüller, § 323 Rn. 133. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 72; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 161, Fn. 422. 515 Hierzu zählen gemäß der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 4 BRewU insbesondere börsennotierte Unternehmen und bestimmte Finanzinstitute (Banken, Versicherungen). 516 Europäische Kommission, Annex II to the Commision Staff Working Paper, S. 8. 517 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9. 518 Im Unterschied zu den anderen Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten gelten die Haftungshöchstgrenzen im griechischen Recht jeweils für jeden Partner oder Teilhaber einer als Abschlussprüfer bestellten Prüfungsgesellschaft. Vgl. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 8. 519 Hierzu s. sogleich unten bei § 2, B. III. 1. a) (2). 520 FEE, INFO vom 22.9.2008; Maher, IAB 439 (November 2008). 521 Auskunft des schwedischen Justizministeriums auf Nachfrage der Verf. im November 2010. 514
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ergänzend zur ebenfalls bestehenden absoluten Höchstsummenbegrenzung – Griechenland und Polen entschieden. In Österreich richtet sich die Haftung des Abschlussprüfers bei Fahrlässigkeit nach der Größe der geprüften Gesellschaft. Gemäß § 275 Abs. 2 UGB beträgt die Haftungshöchstgrenze bei der Prüfung kleiner und mittelgroßer Gesellschaften (§ 221 Abs. 2 UGB) 2 Millionen Euro, bei der Prüfung großer Gesellschaften 4 Millionen Euro. Bei der Prüfung einer Gesellschaft, die eines der in Euro ausgedrückten Größenmerkmale der großen Gesellschaft um das Fünffache überschreitet, kann der Prüfer bis zu einer Summe von 8 Millionen Euro in Anspruch genommen werden. Bei der Prüfung eines Unternehmens, das die Größenmerkmale um das Zehnfache überschreitet, liegt die Haftungsgrenze bei 12 Millionen Euro. Die Haftungshöchstsumme in Griechenland bestimmt sich zwar nach dem fünffachen Jahreseinkommen des Gerichtshofspräsidenten (s.o.), sofern dieses aber niedriger ist als das Jahreshonorareinkommen des in Anspruch genommenen Abschlussprüfers, ist letzterer Betrag ausschlaggebend.522 Nach polnischem Recht wird von den in Art. 51 Abs. 2 BRewU statuierten absoluten Haftungshöchstummen abgewichen, wenn sie das Zwanzigfache (börsennotierte und andere Gesellschaften von öffentlichem Interesse) bzw. Zehnfache (sonstige Gesellschaften) des Prüfungshonorars überschreiten. In diesem Fall ist der niedrigere Betrag ausschlaggebend. Weitere Varianten der relativen Haftungshöchstsummenbegrenzung sind neben diesen bereits in der EU existierenden Modellen denkbar.523 (3) Anwendbarkeit auf Ersatzansprüche Dritter Ein bislang weitgehend ungeklärtes Problem tritt auf, wenn Dritthaftungsansprüche und eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung aufeinander treffen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und auf welche Weise die Haftungsbegrenzung auch auf Schadensersatzansprüche vertragsfremder Dritter anzuwenden ist. Vier Möglichkeiten sind denkbar: Entweder der Prüfer haftet den Dritten gegenüber unbegrenzt.524 Oder er haftet jedem einzelnen Geschädigten – der geprüften Gesellschaft und jedem geschädigten Dritten – jeweils maximal bis zur Höchstgrenze. Oder er ist gegenüber der Gesamtheit aller Schadensersatzgläubiger bis zur Höchstsummenbegrenzung haftbar (ein Haftungsfonds). Oder er haftet sowohl der geprüften Gesellschaft als auch der Gruppe Dritter bis zu einer jeweils bestimmten Höchstgrenze (zwei Haftungsfonds). Die Gesetzgeber der von diesem Problem betroffenen europäischen 522
Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 8. Eine Möglichkeit, die in der Literatur diskutiert wird, ist die Festsetzung eines bestimmten Prozentsatzes des eingetretenen Schadens, für den der Prüfer aufkommen muss. S. Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, 167; Partony, 79 Wash. U. L.Q. 491, 492 (2001); London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 206. 524 Für diese Lösung im österreichischen Recht Kalss, ÖBA 2002, 187, 200 f. 523
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Abschlussprüferhaftungsregime haben bisher vermieden, zu diesen Fragen Stellung zu beziehen. Die erste Option, die unbegrenzte Dritthaftung, würde den (zahlenden!) Prüfungsmandanten schlechter stellen als den unentgeltlich von dem Prüfungstestat profitierenden Vertragsfremden. Ob dies unter Verhältnismäßigkeitserwägungen vertretbar ist, erscheint fragwürdig.525 Die zweite Option würde die Intention der Haftungshöchstgrenze – Schutz des Prüfers vor existenzbedrohenden Klagen – unterlaufen. Der Prüfer sähe sich zwar jeweils gedeckelten Ersatzansprüchen, jedoch in potentiell unbegrenzter Anzahl ausgesetzt. Die dritte Option ginge von einer Gleichrangigkeit der Ansprüche der geprüften Gesellschaft mit denen Dritter aus. In der Folge würde (nach Ausschöpfung der Haftungshöchstsumme) jede nachteilige Vermögensverfügung eines Vertragsfremden den durchsetzbaren Schadensersatzanspruch der geprüften Gesellschaft mindern. Man mag zu Recht bezweifeln, dass eine solche Aushöhlung ihres Kompensationsanspruchs zu Gunsten Dritter angemessen ist.526 Zwei getrennte Haftungsfonds, einer für den Mandanten und einer für die Gesamtheit aller vertragsfremden Dritten, könnten diesem Problem entgegenwirkten. Praktisch schwierig gestaltet sich jedoch die Aufteilung des „Drittfonds“, aus dem unter Umständen eine Vielzahl von Gläubigern zu befriedigen sein kann, deren Ansprüche den Fonds in der Summe überschreiten: Die Anwendung des Prioritätsprinzips birgt die Gefahr eines „Windhundrennens“ und produziert bei Haftungsnotstand des verantwortlichen Prüfers lediglich zufällige Ergebnisse.527 Eine Verteilung nach Quoten im Verhältnis zu der Höhe des entstandenen Anspruchs (Insolvenzmodell) und ähnliche Ansätze528 erscheinen insoweit sachgerechter. Schäden realisieren sich jedoch häufig erst Jahre nach der Prüfung und eine Publikumsgesellschaft kann eine kaum überschaubare Anzahl von Anteilseignern haben. Die Zurücklegung der gesamten Haftungssumme für einen bestimmten Zeitraum ist daher die wohl 525
Vertreten ließe sich eine solche Bevorzugung des Dritten allenfalls, wenn man in der Haftungsbegrenzung gegenüber der prüfungspflichtigen Gesellschaft einen pauschalen Mitverschuldensabschlag auf Grund ihrer Mitverantwortung für den fehlerhaft testierten Jahresabschluss sieht. Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 6, B. I. 1. 526 S. auch W. Doralt, RdW 2006, 687, 689. Diese Auffassung folgt freilich aus dem deutschen (ebenso in England beheimateten) Verständnis, dass die Prüfung in erster Linie dem Interesse der geprüften Gesellschaft und ihrer Aktionäre dient. Insbesondere im französischrechtlichen Kontext könnte die Schlussfolgerung hingegen eine andere sein. Dazu s.o. § 2, B. II. 2. c) (1) und § 2, B. II. 2. d) (1). 527 MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 160; ders., WPK-Mitt. 1997, 108, 112; Nonnenmacher, Der Konzern 2003, 476, 478. 528 S. nur MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 160; Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 478; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnunglegung, § 323 HGB Rn. 157 zum „Konkurrenzprinzip“; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 245 zur „Gleichbehandlung im Wege des Deckungskonkurs“; Baums/Fischer, in: FS Drukarczyk, S. 37, 44.
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einzig sinnvolle Lösung.529 Für den einzelnen Kläger, der einen berechtigten und belegbaren Anspruch hat, kann die Verzögerung der Auszahlung jedoch eine unangemessene Härte darstellen. Im restriktiven (Dritt)Haftungssystem Deutschlands ist die praktische Relevanz dieses Problems gering. Nach dem Wortlaut des § 323 Abs. 2 HGB fallen jedenfalls die Ansprüche der „privilegierten Dritten“, der verbundenen Unternehmen,530 unter die Haftungsbegrenzung. Das gilt nach der herrschenden Meinung auch für die Ansprüche sonstiger Dritter531 – jedenfalls sofern sie aus dem Prüfungsvertragsverhältnis folgen. Auf Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte findet die Haftungshöchstsummenbegrenzung aus diesem Grunde Anwendung,532 denn die abgeleitete Rechtsposition des Dritten kann keine weitergehende Schutzwirkung bieten als das Grundverhältnis selbst.533 Das ergibt sich schon aus dem Rechtsgedanken des § 334 BGB: Der vertragsfremde Dritte darf nicht besser gestellt sein als der Vertragspartner, der den Abschlussprüfer für seine Tätigkeit vergütet.534 Diese Auffassung teilt im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung der BGH.535 Da jeder zusätzliche vertragsfremde Gläubiger potentiell die Werthaltigkeit des Schadensersatzanspruchs der geprüften Gesellschaft schmälert, darf die drittschützende Wirkung nicht leichtfertig festgestellt werden; insbe529
Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 303 f. Dazu Ebke/Paal, ZGR 2005, 895, 899 ff. 531 Statt vieler s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 72. 532 Das setzt freilich voraus, dass man den Ursprung der Drittschutzwirkung in der Willensentscheidung der Vertragsparteien sieht (streitig). Im Abschlussprüferhaftungsrecht ist jedoch eine Erweiterung der vertraglichen Schutzwirkung auf Dritte – mit Blick auf die Sperrwirkung des § 323 HGB – ohne den Willen der Vertragsparteien gar nicht möglich. Zu den Gründen s. bei § 2, B. II. 2. a) (3) m.w.Nachw. 533 Hierzu s. allgemein Frost, „Vorvertragliche“ und „vertragliche“ Schutzpflichten, S. 237–240. Aus dem gleichen Grunde muss sich der prüfungsvertragsfremde Dritte nach zutreffender Ansicht auch ein Mitverschulden der geprüften Gesellschaft anrechnen lassen, s. OLG Köln, NJW-RR 1988, 335. Zustimmend Ebke/H. Scheel, WM 1991, 389, 394 m.w.Nachw. 534 Ebke, JZ 1998, 991, 996; Grunewald, ZGR 1999, 583, 589; Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 202; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 81. Fraglich ist darüber hinaus, ob die Haftungsbegrenzung nicht im Verhältnis zu einem vertragsfremden Dritten abbedungen werden kann. Zu dieser Frage s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 81 m.w.Nachw. Das OLG München WM 1997, 613 hat bei einem gegen einen Steuerberater gerichteten Dritthaftungsanspruch angenommen, dass die im Verhältnis zum Vertragspartner bestehende Haftungsbegrenzung abbedungen wurde; das erkennende Gericht ging gar von einem stillschweigenden Ausschluss der Haftungsbegrenzung aus. Auf die gesetzliche Jahresabschlussprüfung dürfte dieses Ergebnis hingegen nicht übertragbar sein, da die in § 323 Abs. 2 HGB statuierte Haftungshöchstsummenbegrenzung kein dispositives Recht ist. In diese Richtung auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 81. 535 BGH JZ 1998, 1013, 1015: Die Haftungsbegrenzung des § 323 Abs. 2 HGB müsse auch im Verhältnis zu Dritten Berücksichtigung finden, weil er den Vertragsregelungen des BGB als Spezialregelung vorgehe. 530
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sondere ist nicht nur der Wille des Abschlussprüfers, sondern ebenfalls der Wille des Prüfungsmandanten zur Einbeziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbereich erforderlich. Hat der Dritte dagegen originäre (d.h. vom Prüfungsvertrag unabhängige) Haftungsansprüche, weil ein Auskunftsvertrag geschlossen wurde oder ausnahmsweise die Voraussetzungen des § 311 Abs. 3 S. 2 BGB vorliegen, ist die Anwendung der spezialgesetzlich geregelten Haftungsbegrenzung prinzipiell ausgeschlossen.536 Auch vor diesem Hintergrund sind entsprechend hohe Anforderungen an das Entstehen einer solchen Sonderbeziehung zwischen dem Prüfer und einem Dritten im Zusammenhang mit der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung zu stellen. In Polen, wo Dritthaftungsansprüche nach der geltenden Rechtslage und herrschenden Rechtsauffassung durchaus in Betracht kommen,537 wäre eine Klärung des zwischen mehreren Gläubigern geltenden Verteilungsmaßstabes nahe liegend und notwendig; das Gesetz bezieht jedoch insoweit keine Stellung. Mit derselben Frage sieht sich nunmehr auch das österreichische Recht konfrontiert, da der OGH im Jahre 2001 die Dritthaftung des Prüfers grundsätzlich anerkannt hat.538 Der OGH sprach sich, da das österreichische Gesetz ebenfalls zur Dritthaftungsproblematik schweigt, für eine „analoge“ Anwendbarkeit der Haftungshöchstgrenzen aus.539 Ob dies jedoch bedeutet, dass der Prüfer für die Summe aller Drittschäden540 oder jedem einzelnen Geschädigten bis zur Höchstsummenbegrenzung haftet, bleibt offen.541 Das neue österreichische Unternehmensgesetzbuch sah in seiner Entwurfsfassung die Einrichtung eines zweiten Haftungsfonds für Dritte vor, übernahm diese Idee jedoch nicht in die endgültige Fassung.542 Die grundsätzliche Anerkennung von Dritthaftungsansprüchen zieht in haftungshöchstsummenbegrenzten Ab536
So auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 91 f. in Bezug auf § 311 Abs. 2 BGB; a.A. wohl Staudinger/Löwisch, § 311 Rn. 158, der davon ausgeht, dass die Eigenhaftung des Dritten (Sachwalters) nicht weiter gehen könne als die des Geschäftsherrn und ihm ein Haftungsausschluss deshalb zugute komme. 537 S.o. bei § 2, B. II. 2. d) (2). 538 Urteil des OGH vom 27.11.2001, 5 Ob 262/01t, ÖZW 2002, 88. 539 S. das Urteil des OGH vom 27.11.2001, 5 Ob 262/01t, ÖZW 2002, 88 sowie die Urteilsanmerkungen von Artmann, ÖZW 2002, 90 und W. Doralt, ÖBA 2002, 820. 540 W. Doralt, RdW 2006, 687, 688. 541 Wurmnest/W. Doralt, GPR 2007, 118, 126 f. 542 Der Entwurf in § 275 Abs. 6 UGB sieht vor, dass der Haftungshöchstbetrag, sofern der Abschlussprüfer neben der geprüften Gesellschaft und den mit ihr verbundenen Unternehmen auch Dritten zu Schadensersatz verpflichtet ist, beiden Gruppen jeweils zur Hälfte zur Befriedigung ihrer Ansprüche zur Verfügung steht. Sofern die Ansprüche einer Gruppe diesen Betrag nicht ausschöpfen, sind die Ansprüche der anderen Gruppe aus diesem Überschuss zu befriedigen. Übersteigen die Ansprüche einer Gruppe den zur Verfügung stehenden Haftungsbetrag, werden die Ansprüche der individuellen Gläubiger anteilig befriedigt. Vgl. hierzu das österreichische Gesellschaftsrechtsänderungsgesetz (GesRÄG) 2005, Auszüge abgedruckt bei W. Doralt, Abschlussprüfer, S. 249, 253 (Anhang).
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schlussprüferhaftungssystemen eine Reihe von Schwierigkeiten rechtlicher und tatsächlicher Natur nach sich, die noch weiterer Klärung bedürfen. Das ist kein Argument gegen die Dritthaftung, es bedarf jedoch klarer gesetzlicher (!) Vorgaben, die eine angemessene Risikoverteilung zwischen Prüfer, prüfungspflichtiger Gesellschaft und vertragsfremden Dritten sicherstellen. b) Proportionalhaftung Die proportionale Haftung des Abschlussprüfers hat sich zum geflügelten Wort der Reformdebatten auf EU-Ebene entwickelt. Sie wurde im Rahmen der öffentlichen Konsultation intensiv diskutiert, von vielen Seiten befürwortet543 und letztlich als Vorschlag zur Haftungsbegrenzung in die Empfehlung der Europäischen Kommission explizit aufgenommen.544 Problematisch ist in diesem Zusammenhang die weit verbreitete Unsicherheit im Umgang mit dem Begriff der „proportionate liability“, der für unterschiedlichste Formen der Haftungsbegrenzung und Haftungsaufteilung verwendet wird. Die Bezeichnung „Proportionalhaftung“ impliziert, dass der Ersatzpflichtige nicht voll, sondern nur anteilig für einen Schaden haften soll; die Frage ist jedoch, anteilige Haftung im Verhältnis wozu? Proportionalhaftung kann bedeuten, dass ein möglicher Schädiger anteilig in Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit seiner Schadens(mit)verursachung haftet.545 Proportionalhaftung kann ebenfalls heißen, dass ein Schädiger nur in Höhe einer vertraglich festgelegten Schadensquote bzw. Höchstsumme schadensersatzpflichtig ist546 oder dass sich der Umfang seiner Haftung nach seinem Verschulden richtet. Es ist notwendig, insoweit zu differenzieren: Die Europäische Kommission empfiehlt, Grundsätze festzulegen, nach denen der Abschlussprüfer nicht über seinen „tatsächlichen Beitrag zum Schaden eines Geschädigten hinaus“ haftet.547 In 543
S. z.B. Ebke, Consultation on Auditor’s Liability. Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 4; dies., Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39, Methode b) und c) (S. 4). 545 S. nur Wagner, in: FS H.-B. Schäfer, S. 193 der sich, unter Bezugnahme auf die USamerikanische Rechtsprechung (insbesondere die sog. market share liability) mit der Proportionalhaftung als Prinzip der Haftungsaufteilung bei alternativer Kausalität befasst. Es geht namentlich um solche Fälle, in denen zwar feststeht, dass einer, aber nicht welcher, von mehreren potentiellen Verursachern die tatsächliche Ursache für den Schaden gesetzt hat. Bei Anwendung der Grundsätze der Proportionalhaftung wird die Haftung nach Wahrscheinlichkeit der Verursachung (nicht nach tatsächlichem Verursachungsbeitrag) im Außenverhältnis aufgeteilt; d.h. jeder mögliche Schädiger haftet – jedoch jeweils nur in Höhe seiner Wahrscheinlichkeitsquote. Im Rahmen der market share liability wird die Wahrscheinlichkeit der Verursachung nach Marktanteil bestimmt. Zu der market share liability in der US-amerikanischen Rechtsprechung s. im Einzelnen Ebke, in: FS Drobnig, S. 507, 511 ff. 546 Teilweise wird der Begriff der proportionalen Haftung auch als Synonym für die vertraglich begrenzte Haftung verwendet. Hierzu s. Wurmnest/W. Doralt, GPR 2007, 118, 128. 547 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 544
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diesem Sinne ist die Proportionalhaftung im Folgenden als verschuldensproportionale Haftung zu verstehen. Bei mehreren Schadensverursachern soll der Abschlussprüfer nicht über seinen Verantwortungsbeitrag hinaus schadensersatzpflichtig sein.548 Da sich Verantwortung für einen Schaden aus Verursachung und Verschulden zusammensetzt549 und der Verursachungsbeitrag des Abschlussprüfers im Hinblick auf Prüfungsschäden weitgehend konstant sein dürfte – sein Verursachungsbeitrag liegt regelmäßig in der Nichterkennung bzw. Nichtaufdeckung eines im Jahresabschluss enthaltenen Fehlers550 –, muss der Schwerpunkt der proportionalen Haftungsaufteilung auf dem Verschulden liegen.551 Die Schadensteilung bei der verschuldensproportionalen Haftung kann sich jedoch wiederum nach verschiedenen Maßstäben vollziehen: Denkbar wäre zunächst, dass der Abschlussprüfer proportional zu seinem eigenen Verschulden, also letztlich in Abhängigkeit von der Verschuldensschwere, haftet. Ebenfalls möglich ist eine Aufteilung der Schadenstragungspflicht zwischen dem Prüfer, dem Geschädigten und etwaigen anderen Schädigern nach ihrem relativen Verschulden, d.h. nach der Schwere ihres Verschuldens im Verhältnis zueinander; entscheidend ist in diesem Zusammenhang insbesondere das Verschulden des Abschlussprüfers bei der Prüfung im Verhältnis zum Verschulden des Vorstandes bei der Aufstellung des Jahresabschlusses.552 (1) Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere Ein echtes proportionales Haftungssystem mit abgestufter Haftung nach Verschuldensschwere, wie es im Allgemeinen Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 vorgesehen war (vgl. Titel 6, §§ 10 ff. ALR),553 existiert 548 S. auch London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 143: „Under a strict proportionate liability rule (...) the auditor has to compensate plaintiffs by damage payments that equal product of the damages and the percentage of responsibility.“ 549 Geteilte Verantwortung mehrerer Personen für einen Schaden beruht regelmäßig sowohl auf kumulativer Kausalität als auch auf beidseitigem Verschulden. Verschulden und Kausalität lassen sich jedoch nicht immer klar differenzieren. Zur Berücksichtigung der beiden Kriterien bei Bemessung der Anspruchskürzung im Rahmen des Mitverschuldenseinwands nach deutschem Recht s. MünchKommBGB/Oetker, § 254 Rn. 108, 110 ff. Zum französischen Recht s. Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, 49 ff. 550 Sog. Beta-Fehler. Vgl. hierzu sogleich unten Fn. 565. 551 Freilich ist zu beachten, dass dieser Einschätzung das deutsche Rechtsverständnis zu Grunde liegt. Andere Rechtsordnungen greifen Probleme, die das deutsche Recht unter dem Stichwort des Verschuldens dikutiert, im Rahmen von Kausalitäts- und Zurechnungsfragen auf. S. hierzu sogleich unten bei § 2, B. III. 1. b) (2) (b) m.w.Nachw. 552 Im Rahmen der Dritthaftung wäre ebenfalls denkbar, das Mitverschulden des Dritten zu berücksichtigen. Hierzu s. sogleich unten bei § 2, B. III. 1. b) (2) (b). 553 Im Einzelnen s. Armasow, Schaden und abgestufte Haftung.
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heute in Europa nirgends mehr. Zwar haftet der Abschlussprüfer in allen europäischen Rechtsordnungen (nur) verschuldensabhängig, alle Mitgliedstaaten der EU folgen aber grundsätzlich dem schadensrechtlichen Totalreparationsprinzip, das ungeachtet der Verschuldensform (Vorsatz, grobe, mittlere oder leichte Fahrlässigkeit) eine volle Haftung anordnet.554 Die Verschuldensschwere des Abschlussprüfers spielt bei der Bemessung seines Haftungsumfangs mithin nur eine untergeordnete Rolle. Sie ist allenfalls insoweit bedeutsam, als der Verschuldensgrad bestimmte Haftungsprivilegien ausschließen kann. Haftungshöchstsummenbegrenzungen finden lediglich auf die Haftung des Abschlussprüfers für fahrlässiges Fehlverhalten Anwendung.555 Bei Vorsatz haftet der Prüfer auch in Belgien, Deutschland,556 Griechenland, Österreich und Polen ausnahmsweise unbegrenzt; in Slowenien kann das Gericht schon bei grober Fahrlässigkeit von der Anwendung der Haftungshöchstsumme absehen.557 Ein System der abgestuften Haftung nach Verschuldensschwere – die Einführung unterschiedlicher Haftungshöchstsummenbegrenzungen für einfache, mittlere und grobe Fahrlässigkeit – würde Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Bestimmung der einschlägigen Haftungsstufe nach sich ziehen und zu beachtlichen Rechtsunsicherheiten führen.558 Völlig abwegig ist eine abgestufte Abschlussprüferhaftung in Europa indessen nicht. So koppelte das alte österreichische AHGB559 unterschiedliche Haftungshöchstsummenbegrenzungen an den Grad der Fahrlässigkeit: Gemäß § 275 Abs. 2 HGB a.F. haftete der Abschlussprüfer für reine Fahrlässigkeit bis zu einer Summe von zwei Millionen bzw. vier Millionen Euro (Prüfung börsennotierter Unternehmen). Bei grober Fahrlässigkeit galt der fünffache Betrag.560 Es zeigte sich jedoch, dass die Versicherungen diese Form der abgestuften Haftungsbegrenzung nicht angemessen berücksichtigen konnten.561 Das UGB verzichtete daher auf die Abstufung nach Verschulden und führte stattdessen die relative Haftungsbegrenzung nach der Größe des geprüften Unternehmens ein.562
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Dazu s. im Einzelnen unten bei § 5, B. I. und § 5, B. II. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 7 ff. 556 Das vorsätzliche Handeln anderer an der Prüfung beteiligter Personen schließt die Einschlägigkeit der Haftungshöchstgrenze dagegen nach § 323 Abs. 2 S. 3 HGB nicht aus. Vgl. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 72. 557 S. den Überblick über die mitgliedstaatlichen Regelungen bei Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 7–11. 558 In diese Richtung auch Ojo, MPRA Paper No. 10068 (2008), 5. 559 Das AHGB wurde durch das Handelsrechtsänderungsgesetz (HaRÄG) zum 1. Januar 2007 umfassend novelliert und in Unternehmensgesetzbuch (UGB) umbenannt. 560 W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 161. 561 W. Doralt, Abschlussprüfer, S. 262 (Anhang). 562 S.o. § 2, B. III. 1. a) (2). 555
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(2) Proportionalhaftung nach relativem Verschulden Die Proportionalhaftung nach relativem Verschuldensanteil ist als Alternative zur Gesamtschuld zu verstehen.563 Neben einem weiteren Schadensverantwortlichen (bspw. neben dem Vorstand der geprüften Gesellschaft) muss der Abschlussprüfer im Außenverhältnis (gegenüber dem Prüfungsmandanten oder Dritten) nicht für den gesamten Schaden, sondern nur für seinen relativen Verschuldensbeitrag einstehen. Eine relative Proportionalhaftung bedeutet jedoch auch, dass sich der Geschädigte ein Mitverschulden seinerseits anspruchsmindernd anrechnen lassen muss.564 (a) Im Verhältnis zum Prüfungsmandanten Ein Problem von großer praktischer Relevanz ist die Frage, ob sich der Prüfungsmandant ein Mitverschulden seines für die Rechnungslegung zuständigen Organs (in der Regel der Vorstand) zurechnen lassen muss. Wenngleich die Pflichten des Vorstands und die des Abschlussprüfers gegenüber dem prüfungspflichtigen Unternehmen nicht identisch sind,565 so liegt doch einem unzutreffendem Testat typischerweise eine fehlerhafte Bilanz zu Grunde.566 Abschlussprüfer halten Schadensersatzklagen ihrer Mandanten daher gerne den Mitverschuldenseinwand entgegen.567 Im Allgemeinen erkennen alle mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen an, dass ein Mitwirken des Geschädigten an der Schadensverursachung seinen Ersatzanspruch wenigstens teilweise ausschließen kann.568 Ob der Mitverschuldenseinwand jedoch auch speziell im Verhältnis zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft greift oder ob er viel-
563
In diesem Sinne Buijink/Maijoor/Meuwissen/Witteloostijn, Role, Position and Liability,
S. 96. 564
Klarstellend Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 3. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 75; Europäische Kommission, Annex I to the Commission Staff Working Paper, S. 7; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–080. 566 Es werden zwei Sorten von Prüfungsfehlern unterschieden: Entweder enthält der Jahresabschluss einen Fehler, den der Prüfer nicht aufdeckt (sog. Beta-Fehler), oder der Prüfer befindet einen tatsächlich ordnungsgemäß aufgestellten Jahresabschluss unzutreffend für falsch (sog. Alpha-Fehler). Das Risiko eines Beta-Fehlers im endgültigen Prüfungsurteil – uneingeschränkte Testierung eines fehlerhaften Abschlusses – ist größer, da die prüfungspflichtige Gesellschaft regelmäßig dafür Sorge tragen wird, die Richtigkeit ihrer Angaben zu belegen, um eine positive Bewertung durchzusetzen. S. Bertl/Fröhlich in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 1, 2 f.; Stibi, Prüfungsrisikomodell, S. 50. 567 Hierzu s. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 150; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–080. 568 Im Einzelnen s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 549 ff; Magnus, Drittmitverschulden, S. 15, 41, 65; Magnuns/Wurmnest, Casebook Europäisches Haftungs- und Schadensrecht, 313–323. 565
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
mehr der (Kontroll)Funktion der Jahresabschlussprüfung widerspricht,569 ist in vielen Rechtsordnungen streitig. Ein länderübergreifender Überblick auf europäischer Ebene fehlt bislang.570 Im deutschen Recht nimmt die bisher herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur an, dass die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers wenigstens teilweise entfallen kann, wenn den Vorstand – als gesetzlichen Vertreter der geprüften Gesellschaft – eine Mitverantwortung für den Schaden trifft.571 Der BGH hat diese Auffassung in einer Entscheidung vom 10.12.2009 jüngst bestätigt.572 Handeln der Vorstand oder seine Mitarbeiter vorsätzlich, beispielsweise indem sie den Abschluss verfälschen oder wissentlich falsche Auskünfte erteilen, so soll sich die geprüfte Gesellschaft ein Mitverschulden nach § 254 BGB bis hin zum gänzlichen Haftungsausschluss anrechnen lassen müssen – und zwar selbst dann, wenn auch der Prüfer vorsätzlich gehandelt hat.573 Lediglich fahrlässige Fehler des Vorstandes können ebenfalls eine Minderung des Schadensersatzes wegen Mitverschuldens nach sich ziehen.574 Ähnlich war wohl – jedenfalls bisher – die Rechtslage in Frankreich zu beurteilen.575 Im englischen Recht kann der Abschlussprüfer nach bisher gängiger Rechtsprechung die in sec. 4 (1) Law Reform (Contributory Negligence) Act 569 Kritisch hinsichtlich der Anerkennung des Mitverschuldenseinwandes im Verhältnis zwischen Prüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft bereits Heck, AcP 140 (1935), 154, 159 f. Aus neuerer Zeit s. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 150 ff.; Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337; Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, HGB, § 323 Rn. 7; Schulze-Osterloh, in: FS Canaris, Bd. II, S. 379; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 183. 570 Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, spart dieses Thema vollständig aus. Buijink/Maijoor/Meuwissen/Witteloostijn, Role, Position and Liability, behandeln nur die Frage nach der gesamtschuldnerischen oder proportionalen Haftung von Prüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft gegenüber Dritten (S. 96). Die Europäische Kommission stellt dieses Problem in ihrem Arbeitsblatt nur abstrakt, ohne konkrete Beispiele, dar. S. Europäische Kommission, Annex I to the Commission Staff Working Paper, S. 7. 571 Im Einzelnen s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 74 m.w.Nachw. 572 BGH NJW-Spezial 2010, 144 = DStR 2010, 774 mit Anmerkung von Pöschke, a.a.O., 775. 573 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 63; Quick, BB 1992, 1676. 574 Handelt der Prüfer jedoch vorsätzlich, der Vorstand hingegen lediglich fahrlässig, so kann sich der Prüfer nicht auf den Mitverschuldenseinwand berufen. Statt vieler s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 74. Handeln beide fahrlässig, gehen die Meinungen auseinander. Im Einzelnen s. Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 182 ff. 575 Nach allgemeinem französischen Haftungsrecht entfällt die Schadensersatzpflicht, wenn das Verschulden des Opfers schwerer wiegt als das des Schädigers oder wenn beide vorsätzlich handeln. Liegt dagegen nur beim Schädiger Vorsatz vor, so haftet er voll. Führen beide den Schaden fahrlässig herbei, so wird er nach Verschuldensbeiträgen aufgeteilt. Vgl. Biesalski, Deliktshaftung, S. 133. Die prüfungspflichtige Gesellschaft muss sich ein Verschulden ihrer Organe nach diesen Maßstäben zurechnen lassen. S. Le Tourneau/Cadiet, Droit de la responsabilité et de contrats, Rn. 1873, 1877, 1882; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 136 m.w.Nachw.
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1945 statuierte Einrede des Mitverschuldens geltend machen.576 Es mehren sich jedoch in England577 und Deutschland,578 ebenso wie in anderen EUMitgliedstaaten,579 Stimmen, die speziell im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft einen Haftungsausschluss wegen Mitverschuldens für unvereinbar mit der Funktion der Prüfung und daher für unzulässig erachten.580 Aus diesem Grunde lehnen auch der OGH581 und die überwiegende Literatur582 in Österreich die Zulässigkeit des Mitverschuldenseinwandes im Verhältnis zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft ab. Das House of Lords hat zwar dem Abschlussprüfer in der Sache Moore Stephens v. Stone Rolls Ltd.583 aus dem Jahre 2009 den Mitverschuldenseinwand zugestanden, es bestehen jedoch in England Anhaltspunkte für einen möglichen Richtungswechsel in der Rechtsprechung: Zum einen ging die Entscheidung nur knapp mit einer Mehrheit von zwei zu drei zu Gunsten des sich auf den Mitverschuldenseinwand berufenden Abschlussprüfers aus. Zum anderen bestand die Besonderheit des konkreten Falles darin, dass die geprüfte Gesellschaft ein „Ein-Mann-Unternehmen“ war – ein Umstand, auf den zwei der die Mehrheit bildenden Richter (Lord Walker und Lord Brown) ausdrücklich hinwiesen.584 Es ist daher durchaus denkbar, dass die englische Rechtsprechung in einem Fall, in dem Eigentümer und Geschäftsleitung – Mitverursacher und Opfer des Schadens – nicht personenidentisch sind, anders entscheiden wird.585
576
Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17–080. Die Vorschrift gilt prinzipiell nur für deliktsrechtliche Ansprüche. Auf Grund andernfalls widersinniger Ergebnisse erkennt die Rechtsprechung die Einrede des Mitverschuldens jedoch auch gegen solche vertraglichen Haftungsansprüche an, denen die Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht zu Grunde liegt, die gleichzeitig auch einen Deliktstatbestand erfüllt. Dies trifft insbesondere auch auf die Verletzung der Prüfungspflichten zu. S. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 106 f. m.w.Nachw. 577 Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 651 ff.; Jackson/Powell, Professional Liability, Rn. 17– 081. Zum englischen Recht s. auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 107 f. m.w.Nachw. 578 Heck, AcP 140 (1935), 154; Bärenz, BB 2003, 1781, 1783 f.; Baumbach/Hopt/ Hopt/Merkt, HGB, § 323 Rn. 7; Schulze-Osterloh, in: FS Canaris, Bd. II, S. 379; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 183. 579 S. insbesondere Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337. 580 Hierzu s. im Einzelnen auch unten bei § 6, B. I. 1. 581 OGH, Urteil vom 23.10.2000, 8 Ob 141/99i, AG 2002, 573. Hierzu s. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 152 ff. 582 W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 150 ff. m.w.Nachw.; Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337; Honsell, in: FS Medicus, S. 211, 230; a.A. Bydlinski, in: FS Ostheim, S. 349, 370, Fn. 77; Haberl, Die Haftung des Wirtschaftsprüfers, S. 46 f. 583 Moore Stephens v. Stone Rolls Ltd. [2009] UKHL 39. 584 Hierzu s. im Einzelnen Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 653. 585 In diese Richtung auch Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 656.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
Französische Urteile aus neuerer Zeit, legen ebenfalls den Schluss nahe, dass sich die Abschlussprüfer nicht darauf verlassen sollten, sich in Zukunft mit einem (selbst vorsätzlichen) Fehlverhalten des Vorstandes entlasten zu können, wenn ihnen jedenfalls eine fahrlässige Verletzung ihrer Pflichten vorzuwerfen ist: So entschied der Cour de cassation in einem Urteil aus dem Jahr 2011,586 dass eine Haftung einzelner Mitglieder des conseil d’administration für die pflichtwidrige Unterlassung der Einleitung geeigneter Maßnahmen zum Schutze des Unternehmens nicht deswegen ausgeschlossen sei, weil der directeur général im Unterschied zu den verklagten Verwaltungsratsmitgliedern erwiesenermaßen nicht lediglich fahrlässig sondern vorsätzlich pflichtwidrig gehandelt hatte. Das Gericht begründete diese Entscheidung damit, ausschlaggebend sei einzig und allein, dass den Beklagten eine Pflichtverletzung vorzuwerfen sei, die sich letztlich (quasi-)kausal in einem Schaden des Unternehmens realisiert habe. Grundsätzlich soll nach der auch in anderen Entscheidungen vertretenen Linie des Cour de cassation jedes einzelne Mitglied des Vorstands bzw. Verwaltungsrates bei Fehlern des Organs haften, sofern es nicht darlegen kann, sein Pflichten ggf. durch aktive Opposition gegen einen mehrheitlich gefassten Beschluss gewissenhaft wahrgenommen zu haben.587 Übertragen auf die Haftung der Gesellschaftsorgane und des Abschlussprüfers gegenüber dem geprüften Unternehmen muss dieses Argument erst recht greifen, da ihre jeweiligen Pflichten gegenüber dem Unternehmen nicht lediglich parallel sind, sondern der Abschlussprüfer zur Kontrolle der Geschäftsleitung eingesetzt ist. Freilich besteht in der dem Urteil zu Grunde liegenden Fallkonstellation nicht die dogmatische Besonderheit, dass das Fehlverhalten der Organe im Verhältnis zum Abschlussprüfer als Mitverschulden der geschädigten Gesellschaft zu qualifizieren sein könnte. Die weitere Entwicklung der Rechtsprechung auf diesem Gebiet bleibt daher mit Spannung abzuwarten. (b) Im Verhältnis zu Dritten Ob sich der Abschlussprüfer gegenüber einem Dritten auf dessen Mitverschulden berufen kann, hängt zunächst davon ab, wie weit seine Pflichten gegenüber prüfungsvertragsfremden Personen reichen. In Rechtsordnungen, die eine umfassende Dritthaftung anerkennen, setzt die Pflicht des Dritten zur Eigenvorsorge der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit des Prüfers Grenzen. So kann sich der Prüfer nach französischem Recht auf ein Mitverschulden des
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Cour de cassation, Urteil vom 31.03.2011, Az. 09-13975, 09-14026 09-16522 und 0967661, abrufbar unter : http://www.legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rechJuri Judi&idTexte =JURITEXT000024117878&fastReqId=64309884&fastPos=1 (07.11.2011). 587 Cour de cassation, Urteil vom 30.03.2010, Az. 08-17841, Bulletin 2010, IV, n° 69.
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Dritten berufen.588 Gleiches gilt im polnischen Recht589 und anderen Haftungsregimes, die einen ähnlich weiten außervertraglichen Rechtschutz gewähren.590 Ob der Mitverschuldenseinwand im Einzelfall tatsächlich mit Erfolg geltend gemacht werden kann, richtet sich jedoch insbesondere auch danach, welche Pflichten nach der jeweiligen Rechtsprechung dem Dritten aufzuerlegen sind. Der Oberste Gerichtshof Schwedens hat sich konkret dahingehend ausgesprochen, dass den Dritten, der auf das Ergebnis der Abschlussprüfung vertraut, eine Pflicht zur (anderweitigen) Eigenvorsorge trifft.591 Andere Gerichte vertreten eine restriktivere Linie. Das Mitverschulden wird dabei häufig implizit im Rahmen von Kausalitätsproblemen abgehandelt. In Frankreich z.B. wies der Cour de cassation 2010 die Revision einer Prüfungsgesellschaft gegen eine Entscheidung des Instanzgerichts (Cour d'Appel Orléans), das davon ausgegangen war, der Prüfer könne sich bei dargelegtem Kausalzusammenhang zwischen seinem Fehlverhalten und dem Schaden eines Dritten (Gläubiger des geprüften Unternehmens) nicht auf dessen Mitverschulden berufen, zurück: Entscheidend sei einzig, dass der Drittschaden in einem „direkter Ursachenzusammenhang“ (à l’origine directe) zu der Pflichtwidrigkeit des Prüfers stehe.592 Nach englischem und deutschem Recht wiederum steht dem Abschlussprüfer im Verhältnis zum Prüfungsmandanten zwar grundsätzlich der Mitverschuldenseinwand offen, wenn die geprüfte Gesellschaft bzw. deren Geschäftsführung den Schaden mitverursacht hat.593 In den (wenigen) Fällen aber, in denen dem Abschlussprüfer ausnahmsweise eine duty of care, eine vertragliche oder vertragsähnliche Verantwortung ge-
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Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 136. Zoll, in: FS P. Doralt, S. 743. 590 Wegweisend insoweit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Kaliforniens in der Sache Bily v. Arthur Young & Co., 11 Cal. Rptr. 2 d 51, 67 (Cal. 1992). Das Gericht stellte fest, dass es Dritten möglich und zumutbar sei, durch eigene Prüfung oder im Wege sog. privity letters Vorsorge zu treffen und schränkte damit den Anwendungsbereich der Dritthaftung erheblich ein. Dazu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 166 f.; ders., WPK-Mitt. 1995, 11; ders., WPK-Mitt. Sonderheft April 1996, 17, 26 f. Zum „deutschen Einfluss“ auf die BilyEntscheidung s. Großfeld, in: FS Havermann, S. 183, 195. 591 Im Einzelnen s. Moberg, 37 Sc.St.L. 215, 235 (2004) m.w.Nachw. 592 Cour de cassation, Urteil vom 23.03.2010, Az. 09-10791, abrufbar unter: http://www. legifrance.gouv.fr/affichJuriJudi.do?oldAction=rechJuriJudi&idTexte=JURITEXT000022027 997&fastReqId=132179505&fastPos=1 (07.11.2011). 593 Dies hat der BGH in seiner Entscheidung vom 10.12.2009 (Az. VII ZR 42/08) jüngst bestätigt. S. BGH NJW-Spezial 2010, 144 = DStR 2010, 774 mit Anmerkung von Pöschke, a.a.O., 775. Zur Berücksichtigung des Mitverschuldens im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft s. im Einzelnen oben bei § 2, B. III. 1. b) (2) (a). 589
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
genüber einem Prüfungsvertragsfremden obliegt, trifft letzteren gerade keine Pflicht, sich anderweitig abzusichern.594 Eine ganz andere Frage ist hingegen, ob sich der Abschlussprüfer gegenüber dem geschädigten Dritten auf ein Mitverschulden der geprüften Gesellschaft (bzw. ihrer Organe) berufen kann. Denn der Abschlussprüfer verschuldet einen Schaden, den ein Dritter infolge eines unzutreffenden Prüfungsergebnisses erleidet, nicht allein.595 Da jedoch die geprüfte Gesellschaft in Haftungsfällen häufig insolvent und der Abschlussprüfer in jedem Fall besser versichert ist, wird vorzugsweise er verklagt. Die proportionale Außenhaftung der verschiedenen Schädiger im Verhältnis zu vertragsfremden Dritten – die Aufhebung der Gesamtschuld von Prüfer und geprüfter Gesellschaft – wäre mithin ein effektives Mittel, um diesem so genannten deep pocket-Syndrom entgegenzuwirken. Gegenwärtig ist die Rechtslage in den meisten EUMitgliedstaaten jedoch eine andere: Nach englischem596, polnischem (Art. 441 § 1 Kc) und, soweit es sich um deliktische Dritthaftungsansprüche handelt, auch nach deutschem (§ 840 Abs. 1 BGB) Recht kann der Dritte den Abschlussprüfer als Gesamtschuldner grundsätzlich in voller Schadenshöhe in Anspruch nehmen. Die Ausnahmevoraussetzungen, unter denen eine Teilung der Schuld im Außenverhältnis denkbar ist – der Schädiger muss der Sphäre des Geschädigten zurechenbar sein (bspw. in Arbeitsverhältnissen)597 –, liegen im Verhältnis zwischen dem Prüfer, der prüfungspflichtigen Gesellschaft und externen Dritten regelmäßig nicht vor.598 Sofern dem Dritten nach deutschem Recht ausnahmsweise ein quasivertraglicher Anspruch aus einem Prüfungsvertrag mit Schutzwirkung zusteht, kommt theoretisch eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der geprüften Gesellschaft in Betracht.599 Im französischen Recht ist die Haftung des Ab594 Allgemeine BGH-Rechtsprechung zur Auskunftshaftung. Zur Haftung von Börsendiensten s. Hopt, in: FS Fischer, S. 237, 254; Zum englischen Recht s. ebenso Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 124. 595 S.o. bei § 2, B. III. 1. b) (2) (a). 596 S. Magnus, Drittmitverschulden, S. 47. 597 Zur gestörten Gesamtschuld im deutschen Recht s. statt vieler Schlechtriem/SchmidtKessel, Schuldrecht AT, S. 393 ff. Zur rule of identification im englischen Recht s. Magnus, Drittmitverschulden, S. 47 ff. Zu den Ausnahmen von der Solidarhaftung im polnischen Recht s. Bobrzyński/ Liebscher/Zoll, in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 246 f. 598 Zu diesem Ergebnis kommen für das deutsche und englische Recht auch Buijink/Maijoor/Meuwissen/Witteloostijn, Role, Position and Liability, S. 96. 599 Grundsätzlich gilt, dass der Drittschutz eines Vertrages nicht weiter gehen kann als die Schutzwirkung des Vertrages selbst (§ 334 BGB analog), so dass sich der Dritte auch ein Mitverschulden des Vertragspartners (geprüfte Gesellschaft) anspruchsmindernd anrechnen lassen muss. S. M. Weber, NZG 1999, 1, 8; a.A. im Hinblick auf den „unechten“ Vertrag zu Gunsten Dritter Berg, MDR 1969, 613, 617. Die Rechtsprechung hält § 334 BGB z.T. für stillschweigend abdingbar, vgl. BGHZ 127, 378, 385. Der BGH beruft sich in dieser Ent-
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schlussprüfers und der prüfungspflichtigen Gesellschaft gegenüber Dritten ansatzweise proportional ausgestaltet:600 In Frankreich haften Abschlussprüfer und prüfungspflichtige Gesellschaft zwar prinzipiell als deliktische Gesamtschuldner601 in solidum,602 das Fremdverschulden kann aber im Rahmen der Kausalität603 berücksichtigt werden. Wenn der Schaden auf dem Verhalten einer anderen Person (cause étrangère) beruht und für den Prüfer nicht vorhersehbar war, ist ein Anspruch gegen ihn mangels kausalen Zusammenhangs ausgeschlossen.604 Die Haftungsbefreiung wegen Fremdverschuldens ist jedoch eine Ausnahme, die typischerweise bei der Pflichtprüfung im Verhältnis zwischen dem Prüfer, dem Prüfungsmandanten und Dritten nicht vorliegt.605 c) Exkurs: Haftungsbegrenzung als Eingriffsnorm Bei Abschlussprüferhaftungsfällen mit Auslandsbezug kann sich die Frage stellen, ob eine gesetzliche Haftungsbegrenzung, wie etwa die deutsche Haftungshöchstsummenregelung in § 323 Abs. 2 HGB, als Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Rom I-VO zu qualifizieren ist. Sofern dies der Fall ist, müsste das angerufene Gericht die Haftungsbegrenzung nach nationalem Recht gemäß Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO auf den Schadensersatzanspruch der geprüften Gesellschaft auch dann anwenden, wenn sich diese mit dem Abschlussprüfer dahingehend geeinigt hat, dass der Prüfungsvertrag einem ausländischen Recht unterliegen soll. Ein deutsches Gericht könnte der geschädigten Gesellschaft bei einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Abschlussprüfers lediglich einen Schadensersatz in Höhe von einer bzw. vier Millionen Euro zusprechen, auch wenn sich der Prüfungsvertrag gemäß der Rechtswahl der Vertragsparscheidung zur Haftung eines Bausachverständigen darauf, dass beiden Parteien – wenigstens bei Auslegung der Willenserklärung des Auftraggebers aus objektiver Sicht – an einer hohen Beweiskraft des Gutachtens gelegen gewesen sei. Aus diesem Grunde könne von einer stillschweigeden Abbedingung des § 334 BGB ausgegangen werden. Kritisch hierzu Faust, AcP 210 (2010), 555, 568 f. Umfassend zu diesem Streitstand s. auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 82 f. 600 Ähnlich ist die Rechtslage wohl auch in Schweden, s. Buijink/Maijoor/Meuwissen/ Witteloostijn, Role, Position and Liability, S. 96. 601 S. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 137 m.w.Nachw. 602 Das französische Recht kennt zwei Formen der gesamtschuldnerischen Haftung, die solidarité débiteurs i.S.d. Art. 1200 C.Civ. und die Haftung in solidum. Die Haftung nach Art. 1200 C.Civ. schafft eine weitergehende Abhängigkeit der Schuldner voneinander als die Haftung in solidum; sie greift jedoch nur in den wenigen gesetzlich geregelten Fällen und bei vertraglicher Vereinbarung ein. Die Haftung in solidum verpflichtet ebenfalls mehrere Schadensverursacher im Außenverhältnis jeweils zum Ersatz des gesamten Schadens. Im Einzelnen s. Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 49 ff. 603 Verschulden und Kausalität trennt das französische Recht nicht streng. Gotthard, Landesbericht Frankreich, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 49 ff. 604 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 134. 605 Magnus, Drittmitverschulden, S. 79 ff.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
teien im übrigen nach französischem Recht beurteilt, das eine solche Haftungsbegrenzung nicht kennt.606 Es ist bislang nicht abschließend geklärt, ob die Regelung des § 323 Abs. 2 HGB den Anforderungen einer Eingriffsnorm nach Art. 9 Rom I-VO genügt und sich als solche ggf. gemäß Art. 9 Abs. 2 Rom I-VO gegen das von den Vertragsparteien gewählte ausländische Vertragsstatut durchsetzen kann.607 Soweit ersichtlich ist dieses Problem auch in anderen Rechtsordnungen mit vergleichbaren Regelungen noch nicht entschieden. Es kommt insoweit auf den Regelungszweck der Haftungshöchstsummenbegrenzung, insbesondere auf die Frage an, ob die Haftungsbegrenzung nach der gesetzgeberischen Intention nicht nur auf nationale, sondern auch auf internationale Sachverhalte Anwendung finden soll, weil dies für die Wahrung des öffentlichen Interesses zwingend ist.608 Sofern man davon ausgeht, dass die Regelung des § 323 Abs. 2 HGB nicht ausschließlich den individuellen Interessen der Angehörigen des Berufsstands (Schutz vor Haftungsrisiken), sondern einem gewichtigem öffentlichen Interesse – nämlich dem (Funktions)Schutz der Jahresabschlussprüfung als Institution des Kapitalmarkts und der Corporate Governance – dient,609 sprechen gute Argumente dafür, die Haftungshöchstsummenbegrenzung als Eingriffsnorm i.S.d. Rom I-VO anzusehen.610 Die weitere Erörterung dieser Problemstellung in Rechtsprechung und Literatur bleiben abzuwarten. 2. Vertragliche Haftungsbegrenzung Eine Haftungshöchstsumme oder eine verschuldensproportionale Haftung muss nicht durch Gesetz vorgegeben, sondern kann auch vertraglich vereinbart werden. Da das Berufsrecht jedoch teilweise stark reguliert ist, sind der Privatautonomie des Abschlussprüfers und seiner Vertragspartner in diesem Bereich Grenzen gesetzt. a) Mitgliedstaaten mit gesetzlicher Haftungsbegrenzung Rechtsordnungen mit gesetzlicher Haftungshöchstsummenbegrenzung für Abschlussprüfer schließen eine weiterreichende vertragliche Beschränkung seiner Haftung im Verhältnis zum Prüfungsmandanten typischerweise aus.611 In Belgien kann eine prüfungspflichtige Gesellschaft zwar bereits vor Entste-
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Hierzu s. § 2, B. II. 2. b) (2). Ebke, ZVglRWiss 109 (2010), 397, 418 m.w.Nachw. 608 Im Einzelnen s. Ebke, ZVglRWiss 109 (2010), 397, 418 ff. 609 Hierzu s. § 1, A.; § 4, B.; § 6, A. 610 So im Ergebnis Ebke, ZVglRWiss 109 (2010), 397, 420. 611 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9 ff. 607
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hung des Schadens612 wirksam auf ihre Haftungsansprüche verzichten, solche Vereinbarungen unterliegen aber strengen Voraussetzungen, sind erst nach Beendigung des Prüfungsverfahrens zulässig und dürfen Drittinteressen nicht berühren.613 In Österreich wiederum können der Prüfer und die prüfungspflichtige Gesellschaft eine höhere Haftungshöchstsumme vereinbaren, die Vereinbarung einer niedrigeren Haftungshöchstsumme ist hingegen nicht möglich.614 Nach deutschem Recht sind solche haftungserweiternden Absprachen zwar nicht gesetzlich verboten, sie verstoßen aber nach allgemeiner Auffassung gegen Berufsgrundsätze.615 Eine echte Ausnahme unter den europäischen Abschlussprüferhaftungssystemen stellt in diesem Zusammenhang Polen dar: Art. 51 Abs. 2 BrewU bestimmt, alternativ zur gesetzlich festgelegten absoluten Haftungshöchstsumme, den zehn- bzw. zwanzigfachen Betrag der vereinbarten Vergütung als die maximale Haftungsgrenze. Da der jeweils niedrigere Betrag ausschlaggebend ist, können sich Prüfer und Mandant durch entsprechende Gestaltung des Honorars auf eine geringere als die gesetzlich vorgesehene Haftungshöchstsumme einigen; lediglich die Vereinbarung einer höheren Haftungshöchstsummenbegrenzung ist ihnen verwehrt. Die relative Haftungsbegrenzung nach Vergütung ist insoweit eine verdeckte – oder weniger transparente – Form der vertraglichen Haftungsbegrenzung. Zudem schließt das polnische Gesetz auch eine weiterreichende vertragliche Haftungsbegrenzung nicht aus.616 Polen ist damit das einzige europäische Abschlussprüferhaftungssystem, in dem eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung durch vertragliche Vereinbarung nach unten abgeändert werden kann. Nach deutschem Recht ist lediglich im Verhältnis zu vertragsfremden Dritten – nicht jedoch gegenüber dem Prüfungsmandanten (§ 323 Abs. 4 HGB) – ein Haftungsausschluss durch entsprechende Willenserklärung möglich. In Abhängigkeit von der dogmatischen Grundlage des Dritthaftungsanspruchs sind die Einzelheiten jedoch teilweise streitig. Ein vertraglich vereinbarter (Teil)Verzicht des Dritten auf Ansprüche aus Auskunftsvertrag oder Delikt ist 612
Ein Verzicht oder Vergleich nach Entstehen des Schadensersatzanspruchs hingegen ist z.B. auch in Deutschland zulässig, s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 62 m.w.Nachw. 613 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9. 614 In der Praxis kommen solche haftungserweiternden Vereinbarungen jedoch kaum vor. Vgl. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 172; W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 100 und Fn. 46. 615 Als Argument werden die Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der großen Prüfungsgesellschaften und das Problem der Versicherbarkeit der Haftung genannt. Im Einzelnen s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 73; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 62 f; Magnus in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 19, 27. Kritisch W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 164 ff. 616 Lediglich der Haftungsausschluss für vorsätzliche Schädigung ist gemäß Art. 473 § 2 Kc unwirksam.
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
in den Grenzen der §§ 138 BGB, 276 Abs. 3, 309 Nr. 7 BGB wirksam. Teile der deutschen Literatur bestreiten hingegen, dass der Prüfer andere Dritthaftungsansprüche, insbesondere aus der Schutzwirkung des Prüfungsvertrags, im Wege der einseitigen Haftungsfreizeichnung oder durch Vereinbarung mit der prüfungspflichtigen Gesellschaft, ausschließen kann.617 Da der Prüfungsvertrag nach der hier vertretenen Ansicht jedoch keinen originären Anspruch Dritter begründet und ohne den Willen der Vertragsparteien auch keine drittschützende Wirkung entfaltet, ist ein solcher – im Ergebnis lediglich deklaratorischer – Ausschluss der Dritthaftung möglich.618 b) Mitgliedstaaten ohne gesetzliche Haftungsbegrenzung In vielen EU-Mitgliedstaaten, in denen eine Haftungshöchstsumme gesetzlich nicht vorgesehen ist, kann eine Haftungsbegrenzung für Fahrlässigkeit619 unter bestimmten Voraussetzungen vertraglich vereinbart werden (z.B. England, Schweden).620 In anderen Rechtsordnungen, namentlich Frankreich, ist eine vertragliche Begrenzung der Abschlussprüferhaftung ausgeschlossen.621 Im schwedischen und englischen Recht muss eine Haftungsbegrenzung durch den Willen der Eigentümer legitimiert werden: Nach schwedischem Recht ist die Vereinbarung einer Haftungsbegrenzung nur wirksam, wenn nicht mindestens 10% der Hauptversammlungsteilnehmer gegen sie stimmen.622 Ein bedeutsames Modell für die vertragliche Begrenzbarkeit der Abschlussprüferhaftung ist das kürzlich reformierte englische Abschlussprüferhaftungsrecht, das in der gegenwärtigen europäischen Diskussion als viel versprechender Ansatz zur Begrenzung der Prüferhaftung gehandelt wird.623 Es lohnt daher
617 J. Richter, Dritthaftung, S. 244, der insoweit § 323 Abs. 4 HGB für anwendbar hält und daher jedwede vertragliche Begrenzung der Haftung ausschließt; ähnlich Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 100; differenzierend M. Weber, NZG 1999, 1, 8. 618 Der Vertragsfremde wird durch den Haftungsausschluss nicht unrechtmäßig benachteiligt, sondern es wird ihm lediglich eine privilegierte Rechtsstellung versagt, auf die er kein originäres Anrecht hat. In diese Richtung Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 82 f. Zur Anwendung der gesetzlichen Haftungshöchstgrenze auf die Ansprüche vertragsfremder Dritter s.o. § 2, B. III. 1. a) (3). 619 Die Haftung für vorsätzliche – teilweise auch für grob fahrlässige – Pflichtverletzungen kann hingegen durch vertragliche Vereinbarung nicht wirksam ausgeschlossen werden. Vgl. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9 f. 620 Hierzu s. den Überblick über die jeweiligen Rechtslagen in den EU-Mitgliedstaaten bei Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9–11. 621 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9 ff. Zum französischen Recht s. sogleich ausführlicher bei § 2, B. III. 2. b) (2). 622 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 10. 623 S. W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, 67 Cambridge L.J. 62, 66 ff. (2008).
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eine nähere Betrachtung. Im Anschluss soll kurz auf das französische Gegenmodell eingegangen werden. (1) Das neue englische Modell Das Vereinigte Königreich ist der Empfehlung der Europäischen Kommission zuvorgekommen und hat sein Abschlussprüferhaftungsrecht im Rahmen des neuen Companies Act 2006 grundlegend reformiert. Zuvor unterlag die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der prüfungspflichtigen Gesellschaft weder einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung, noch war sie – im Unterschied zur Dritthaftung624 – vertraglich begrenzbar.625 Eine entsprechende Vereinbarung war wegen Verstoßes gegen sec. 310 (1) und (2) des Companies Act 1985 nichtig. Die Novellierung des Gesetzes dereguliert das Berufshaftungsrecht für Abschlussprüfer: Eine vertragliche Begrenzung der Abschlussprüferhaftung gegenüber dem Prüfungsmandanten für fahrlässiges Fehlverhalten ist nach sec. 534 ff. Companies Act 2006 nunmehr möglich.626 Die konkrete Form der Haftungsbegrenzung gibt das Gesetz nicht vor (sec. 535 (4) leg. cit.).627 Die Vertragspartner können sich mithin auf eine Haftungshöchstsumme, auf eine Aufteilung der Haftung nach Verschulden (Proportionalhaftung) oder auf andere Art (z.B. Schadensquoten) einigen. Der wirksame vertragliche Haftungsausschluss ist jedoch an drei Grundvoraussetzungen geknüpft: Legitimation, Inhaltskontrolle und Publikation. Die Haftungsbegrenzung bedarf der Zustimmung durch die Aktionäre. Die Hauptversammlung muss sie entweder nachträglich genehmigen oder im Voraus in ihre wesentlichen Be-
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Ob das Verbot der Haftungsbeschränkung in sec. 310 (1) Companies Act 1985 auch im Verhältnis von Abschlussprüfer zu Dritten galt, war lange unklar. Prinzipiell wurde jedoch eine Freizeichnung gegenüber Prüfungsvertragsfremden in den Grenzen des Unfair Contract Terms Act 1977 für zulässig erachtet. Gleiches dürfte auch weiterhin gelten, denn der Companies Act 2006 regelt die Dritthaftung nicht. Haftungsausschließende oder –beschränkende Klauseln und Absprachen unterliegen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und Transparenz. Sie müssen insbesondere dem benachteiligten Dritten in zumutbarer Weise zugänglich gemacht werden. Eine bloße Einigung zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft erfüllt diese Anforderungen nicht (Killick v. PricewaterhouseCoopers [2001] 1 BCLC, 65). Das Institute of Chartered Accountants empfiehlt seit der Entscheidung des Scottish Court of Session (Outer House) in der Sache The Royal Bank of Scotland plc. v. Bannerman Johnstone Maclay [2003] SLT 181 eine Haftungsbeschränkung gegenüber Dritten durch Aufnahme einer entsprechenden Ausschlussklausel im Prüfungsbericht. Im Einzelnen s. Oliphant in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 41, 60. 625 Rogers, in: Boom/Koziol/Witting, Pure Economic Loss, S. 93, 96. 626 Zu den Einzelheiten der neuen gesetzlichen Regelung s. auch Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 648 f. 627 Sec. 535 (2) Companies Act 2006 eröffnet dem Secretary of State jedoch die Möglichkeit, durch Verordnung bestimmte haftungsbegrenzende Klauseln vorzuschreiben (sec. 535 (2) (a) leg. cit.) oder ihre Anwendung zu verbieten (sec. 535 (2) (b) leg. cit.).
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
dingungen628 einwilligen (sec. 536 (3) leg. cit.).629 Der Privatautonomie der Vertragparteien sind zudem insoweit jedoch Schranken gesetzt, als die nach sec. 537 (1) leg. cit. vereinbarte Haftungsbegrenzung angemessen („fair and reasonable“) sein muss. Die nachträgliche gerichtliche Überprüfbarkeit ergänzt insoweit die ex ante-Kontrolle durch die Aktionäre.630 Vereinbaren die Vertragsparteien ein zu niedriges Haftungsmaß, so muss das Gericht den Haftungsausschluss geltungserhaltend reduzieren, d.h. eine nach seiner Auffassung angemessene Haftung anordnen.631 Die dritte und letzte Wirksamkeitsvoraussetzung der Haftungsbegrenzung ist ihre Bekanntgabe gemäß sec. 538 leg. cit.632 Das neue britische Haftungsregime zeichnet sich durch seine differenzierte Regelung einer wirksamen vertraglichen Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer aus. Das System kombiniert Mechanismen der internen und externen Corporate Governance und betont im Einklang mit dem Caparo-Urteil die gesellschafts- und gesellschaftseigentümerorientierte Funktion der Jahresabschlussprüfung. Die Interessen individueller Anleger, Gläubiger und anderer externer Dritter an der Abschlussprüfung werden durch das Publikationsgebot nur indirekt und dezentral über den Markt gewährleistet: Durch Investitionsentscheidungen können sie darauf Einfluss nehmen, wie sich das Haftungsniveau des Abschlussprüfers auf den Wert des Prüfungstestats als „Label“ auswirkt (Kapitalmarktaußensteuerung). Der Companies Act 2006 grenzt sich auf diese Weise auch klar von dem französischen und dem deutschen System ab, die die Abschlussprüferhaftung der gesetzlichen Regulierung unterwerfen.
628 Wesentliche Bedingungen (principal terms) sind die Formen pflichtwidrigen Handelns und Unterlassens, die von der Haftungsbegrenzungsvereinbarung gedeckt sind, das Jahr, auf das sich die Einigung bezieht und die festgelegte Haftungsbegrenzung (limit), s. sec. 536 (4) (a)–(c) Companies Act 2006. 629 Ähnliches gilt für Personengesellschaften, s. sec. 536 (2) (a) Companies Act 2006. Jedoch können Personengesellschaften im Unterschied zu Kapitalgesellschaften die Aufhebung der Zustimmungsbedürftigkeit haftungsbegrenzender Vereinbarungen beschließen (sec. 536 (2) (a) leg. cit.). 630 Welche Haftung jeweils angemessen ist, bestimmen die Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere die Verantwortlichkeit (responsibility) des Prüfers, seine berufliche Sachkunde sowie Natur und Zweckrichtung seiner vertraglichen Pflicht (nature and purpose). Vgl. sec. 537 (1) (a)–(c) Companies Act 2006. Hierzu s. ebenfalls W. Doralt/Hellgardt/ Hopt/Leyens/Roth/ R. Zimmermann, 67 Cambridge L.J. 62, 67 (2008). 631 Kritisch W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, 67 Cambridge L.J. 62, 67 (2008). 632 Die Einzelheiten sind durch Verordnung zu regeln. Sinnvoll und nahe liegend scheint jedoch insbesondere die Veröffentlichung der Haftungsbegrenzungsvereinbarung im Jahresabschluss. Dazu s. sec. 538 (2) (a) Companies Act 2006.
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(2) Die Position des französischen Rechts Im Unterschied zu allen anderen europäischen Rechtsordnungen beurteilt sich die Haftung des Abschlussprüfers nach französischem Recht – sowohl gegenüber der geprüften Gesellschaft als auch gegenüber Dritten – ausschließlich nach Deliktsrecht,633 das nach ständiger Rechtsprechung zum ordre public zählt und damit zwingendes Recht im Sinne des Art. 6 C.Civ ist. Das bedeutet, dass die deliktsrechtliche Haftung weder allgemein noch speziell für den Abschlussprüfer privatautonom beschränkt werden kann.634 Zwischen dem Verhältnis des Abschlussprüfers zur geprüften Gesellschaft und dem Verhältnis des Abschlussprüfers zu prüfungsvertragsfremden Dritten bestehen insoweit keine Unterschiede. Frankreich ist haftungsrechtlich eine Ausnahme unter den europäischen Haftungsrechtsordnungen. Nirgends sonst ist die Freizeichnung von der deliktsrechtlichen Haftung grundsätzlich und absolut ausgeschlossen.635 Die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme ist jedoch speziell den Abschlussprüfern gegenwärtig ebenfalls in Estland, Irland, Italien, Malta, Portugal, der Slowakei, Ungarn und Zypern untersagt.636 C. Resümee: Europäische Modelle der Haftungsbegrenzung Die Abschlussprüferhaftungssysteme der EU unterscheiden sich nach wie vor erheblich. Selbst die Rechtsordnungen, die sich für eine Begrenzung der Ersatzpflicht entschieden haben, setzen sich insoweit aus einer bunten Vielfalt unterschiedlichster Konzepte zusammen, die zum Teil ganz unterschiedliche Prioritäten bei der Haftungsgestaltung offenbaren. Mit Blick auf den Umfang der Haftung lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt drei Gruppen unterscheiden, denen die einzelnen Rechtsordnungen zugeordnet werden können: Die gesetzlich angeordnete unbegrenzte Prüferhaftung (Frankreich), die gesetzlich vorgeschriebene höchstsummenbegrenzte Haftung (Deutschland), die vertraglich disponible Prüferhaftung (England). Einige Rechtsordnungen haben eine Kombination aus der zweiten und dritten Gruppe gewählt. So ist in Österreich und Polen die Haftung gesetzlich auf einen Höchstbetrag begrenzt, der jedoch in Österreich vertraglich erweitert und umgekehrt in Polen mittelbarvertraglich637 begrenzt werden kann. Soweit ersichtlich hat dagegen bislang kein europäischer Staat eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung 633
S.o. bei § 2, B. I. 2. Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 171 f.; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 136. 635 Einschränkungen bestehen regelmäßig bei vorsätzlicher und grob fahrlässiger Haftung. S. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9 ff. 636 In Tschechien ist eine vertragliche Begrenzung der Haftungssumme erst nach Eintritt des schadensverursachenden Ereignisses möglich. In Finnland ist die Rechtslage unklar. S. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9. 637 S.o. bei § 2, B. III. 2. a). 634
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Erster Teil: Die Abschlussprüferhaftung in der EU
vollständig dispositiv ausgestaltet, d.h. es besteht für den Prüfer und die geprüfte Gesellschaft nirgends die Möglichkeit, von dem legislativen „Vorschlag“ einer Haftungsdeckelung vertraglich sowohl nach oben als auch nach unten abzuweichen. Mithin existieren folgende Modelle der Prüferhaftung: 1) die (nicht dispositive) gesetzlich unbegrenzte Haftung (Frankreich) 2) die (nicht dispositive) gesetzlich durch einen Höchstbetrag begrenzte („gedeckelte“) Haftung (Deutschland) 3) die vertraglich disponible (aber andernfalls unbegrenzte) Haftung (England) 4) die gesetzlich durch einen Höchstbetrag begrenzte („gedeckelte“) und teilweise vertraglich disponible Haftung a) mit Möglichkeit der Haftungserweiterung (Österreich) b) mit Möglichkeit der weiterreichenden Haftungsbegrenzung (Polen) Diese Modelle beziehen sich freilich nur auf das Verhältnis zwischen Prüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft. In Bezug auf die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten fallen die Mitgliedstaaten in zwei Lager: Es gibt auf der einen Seite jene Rechtsordnungen, die Dritthaftungsansprüche für Fahrlässigkeit grundsätzlich anerkennen (Frankreich, Polen, Schweden), und diejenigen, die dies prinzipiell nicht tun (Deutschland, England). Die Kombination aus einer umfassenden Dritthaftung und einer Haftungsbegrenzung gestaltet sich schwierig. Keine der betroffenen Rechtsordnungen hat bisher eine überzeugende Lösung gefunden. Zusammenfassend sind vorerst die drei großen Variablen eines Haftungs(begrenzungs)modells festzuhalten, an denen sich alle folgenden Überlegungen orientieren müssen: Zu fragen ist, 1) ob die Haftung überhaupt zu begrenzen ist: begrenzte oder unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers 2) ob die Haftungsbegrenzung dispositiv zu gestalten ist: Regulierung oder Liberalisierung des Berufshaftungsrechts 3) ob und gegebenenfalls in welchem Maße die Haftung auf Dritte zu erstrecken ist. Die Beantwortung dieser Fragen ist notwendig, weil sie über Umfang, Umsetzung und letztlich implizit auch über die Schutzrichtung des Abschlussprüferhaftungsrechts entscheiden. Ein Konsens wird innerhalb der EU jedoch kaum möglich sein, weil Themen betroffen sind, die von prinzipieller Bedeutung für die allgemeinen Schadensersatzrechtssysteme der Mitgliedstaaten sowie für ihr Verständnis von der Funktion des gesetzlichen Jahresabschussprüfers sind. Eine (gesetzlich) der Höhe nach begrenzte Haftung beispielsweise steht im
§ 2 Die Haftungssysteme der EU im Überblick
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Widerspruch zu dem schadensrechtlichen Totalreparationsprinzip,638 beschneidet die Kompensation der Geschädigten und privilegiert den Prüfer. Die Disponibilität des Berufshaftungsrechts beeinflusst das gesellschaftliche Rollenbild des Prüfers.639 Die Dritthaftung wiederum lässt sich nicht unabhängig von dem Problem der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden diskutieren. Im Vergleich zu diesen grundlegenden Fragen sind alle weitergehenden klärungsbedürftigen Aspekte – ob eine Haftungsgrenze absolut oder relativ ausgestaltet werden sollte, ob Mit- oder Fremdverschulden zu berücksichtigen sind, ob in einem disponiblen Haftungssystem im Zweifel eine unbegrenzte oder begrenzte Haftung eintritt – von untergeordneter Bedeutung. Das Abschlussprüferhaftungsrecht ist in allen Rechtsordnungen eine Ausnahmeerscheinung; Friktionen zum allgemeinen Schadensersatzrecht lassen sich auch im Rahmen einer nationalstaatlichen Lösungsfindung kaum vermeiden. Trost vermögen vielleicht insoweit allenfalls die Worte Smiths zu spenden: „Coherence is not the only virtue of a legal system. Although the ideal legal system is a coherent one, in our imperfect world, imperfectly coherent solutions are sometimes the best that can be achieved, at least in the short run.“640
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Im Einzelnen unten bei § 5, B. Die Unabdingbarkeit der persönlichen Haftung ist ein typisches Merkmal des Berufsrechts vieler freier Berufe. Sie wird mit der besonderen Sachkunde der Berufsträger, der gesellschaftlichen Bedeutung ihrer Tätigkeit und dem besonderen berufsbedingten Vertrauen begründet. Im Einzelnen unten bei § 6, A. Je stärker ausgeprägt der „öffentliche“ Aspekt der Prüfertätigkeit in der nationalen Rechtsordnung ist, desto weniger wahrscheinlich dürfte eine Liberalisierung des Berufshaftungsrechts für den gesetzlichen Abschlussprüfer sein. 640 Smiths, 17 OJLS 643, 661 (1997). 639
Zweiter Teil
Ökonomische Analyse „I take it as given that the principal functions of ‚accident law’ are to compensate victims and reduce accident costs. Such incidental benefits as providing respectable livelihoods for a large number of lawyers and insurance agents are at best benificient side effects.“ Guido Calabresi1
In den USA wurde in den 1960er Jahren erstmals wissenschaftlich erörtert, ob man Rechtssysteme als marktähnliche Institutionen ansehen könne, die auf ökonomische Effizienz ausgerichtet sind. Von dieser These ausgehend begannen die immer noch andauernden wissenschaftlichen Bemühungen, Recht mit Hilfe der Ökonomie zu ordnen und zu erklären.2 Insbesondere die kontinentaleuropäische Rechtswissenschaft hat diese Entwicklung mit Skepsis und anhaltendem Widerstand begleitet. Die ökonomische Analyse des Rechts genießt bis heute nicht die allgemeine Anerkennung als finales und umfassendes Lösungsschema für rechtliche Problemstellungen, die ihr nach ihrem Selbstverständnis zukommt. Sie ist in der europäischen Rechtswissenschaft und Rechtspraxis weit weniger einflussreich als in den USA. Gleichwohl haben sich rechtsökonomische Argumente auch in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen als fester Bestandteil rechtspolitischer Diskurse etabliert und prägen die gegenwärtige Diskussion um die Abschlussprüferhaftung maßgeblich. Die wirtschaftswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Abschlussprüferhaftung ist nicht neu. Sie hat zwei Hauptströmungen hervorgebracht: die theoretische Lehre, die vornehmlich mit formalen spieltheoretischen Modellen argumentiert,3 und die juristisch-ökonomische Analyse der Abschlussprüferhaftung, die das Haftungsrecht im Hinblick auf soziale Nutzenmaximierung im Sinne der wohlfahrtsökonomischen Effizienz untersucht.4 Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die Erkenntnisse beider 1
Calabresi, 78 Harv. L. Rev. 713 (1965). Zu der historischen Entwicklung und insbesondere dem Einfluss von Coase s. Brennan, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation, S. 283, 283 ff. 3 In der deutschen Literatur s. Ewert, Wirtschaftsprüfung; Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 420–558; Nguyen, WPg 2005, 11–19. 4 S. Hermann, Ökonomische Analyse. 2
§ 3 Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung
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Ansätze zu kombinieren,5 um die Rahmenbedingungen für eine wirtschaftlich sinnvolle – das bedeutet vor allem: effiziente – Haftung des Abschlussprüfers zu skizzieren. Nachdem der erste Teil der Arbeit den „Ist-Zustand“ des europäischen Haftungsrechts beleuchtet hat, soll im Folgenden der ökonomische Idealzustand umrissen werden. Ausgangspunkt dieses Vorhabens bilden die von der Europäischen Kommission vorgegebenen (Zwischen)Ziele einer möglichen Haftungsreform, deren Verwirklichung zum Schutz der Funktionsfähigkeit und der Effizienz der europäischen Kapitalmärkte beitragen soll: die Sicherung der Prüfungsqualität und Stärkung des Anlegervertrauens einerseits und die Gewährleistung der wirtschaftlichen Rentabilität (economic viability) der Prüfertätigkeit andererseits.6 Methodik und Erkenntnisse der Ökonomie sollen fruchtbar gemacht werden, um unterschiedliche Abschlussprüferhaftungsregime im Hinblick auf die vorgegebene wirtschaftliche Zielsetzung analysieren und vergleichen zu können. Die Nutzen und die Risiken der Abschlussprüferhaftung, ihre Auswirkungen auf den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer, auf die prüfungspflichtigen Unternehmen, Investoren und den Kapitalmarkt insgesamt sollen anhand spieltheoretischer Modelle und unter zur Hilfenahme der ökonomischen Analyse des Rechts evaluiert werden. Es wird dabei zunächst im Rahmen des dritten Kapitels (§ 3) entscheidend darauf ankommen, Ziele und Zielkonflikte der Haftung als verhaltenssteuerndes Instrument zu identifizieren und den schillernden Begriff der „Effizienz“, der als ökonomischer Bewertungsmaßstab dienen soll, im Hinblick auf die vorliegende Problemstellung zu konkretisieren. Im vierten Kapitel (§ 4) gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse zusammenzuführen und Leitlinien für eine ökonomisch sinnvolle Abschlussprüferhaftung aufzustellen.
§ 3 Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung In der europäischen Diskussion um die „Europäisierung“ der Abschlussprüferhaftung ist das Bemühen um Rechtsvereinheitlichung, das den Diskurs in den Anfangsjahren beherrschte, in den Hintergrund getreten.7 Spätestens seit Enron diskutiert nun auch Brüssel – in bester Tradition der US-amerikanischen Rechtsökonomen – die Berufshaftung für Abschlussprüfer in erster Linie als Mittel zur Gewährleistung einer hohen Prüfungsqualität,8 als Instrument der Verhaltenssteuerung, der Prävention und der Abschreckung. Erklär5
S. auch Gelter, WPg 2005, 486, der ebenfalls beide Ansätze zusammenführt. Europäische Kommission, Invitation to Tender (MARKT/2005/24/F). 7 S.o. bei § 1, B. I. 8 In diese Richtung Europäische Kommission, Mitteilung vom 21.5.2003, ABl. EG 2003 Nr. C 236/2. 6
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
tes Ziel der Kommission ist es, das durch die Bilanz- und Rechnungslegungsskandale der vergangenen Jahre erheblich beeinträchtigte Vertrauen der Öffentlichkeit in die Jahresabschlussprüfung und den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wieder aufzubauen, um letztlich die Funktionsfähigkeit der europäischen Kapitalmärkte zu stärken und deren Effizienz zu steigern.9 Während jedoch die unbeschränkte Haftung lange Zeit als Garant einer höchstmöglichen Prüfungsqualität galt, hat nunmehr die Sorge überhand gewonnen, die steigenden Haftungsrisiken könnten eine Bedrohung für die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Berufstandes – und damit auch für die kapitalmarktliche Ordnung – darstellen.10 Die Europäische Kommission hat sich vor diesem Hintergrund im Jahre 2008 für eine Beschränkung der Abschlussprüferhaftung in der EU ausgesprochen.11 Drei Zielen muss eine ökonomisch effiziente Abschlussprüferhaftung nach den Vorstellungen der Kommission mithin genügen: Sie soll 1.) eine hohe Prüfungsqualität gewährleisten, 2.) die Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung als Instrument der Kapitalmarktkontrolle schützen sowie 3.) das (Anleger)Vertrauen in die Verlässlichkeit der Prüfungstestate fördern, um auf diesem Wege die Effizienz und letztlich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kapitalmärkte zu stärken. Im Rahmen dieses Kapitels gilt es zu ermitteln, in welchem Verhältnis die Ziele zueinander stehen und welche Voraussetzungen an eine ökonomisch sinnvolle – effiziente – Haftung der Abschlussprüfer hieraus erwachsen. A. Modelltheoretische Betrachtung der Abschlussprüferhaftung Zunächst gilt es, die Funktion der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung innerhalb der bereits zu Beginn des ersten Kapitels (§ 1) vorgezeichneten principal/agent-Interessenskonflikte in das ökonomisch-modelltheoretische Konzept des Kapitalmarkts zu übertragen. Im Anschluss wird es möglich sein, die Bedeutung der Haftung im Gesamtzusammenhang des Kontrollsystems für Abschlussprüfer zu präzisieren. II. Rolle der Abschlussprüfer Der Abschlussprüfer steht als Informationsintermediär zum einen zwischen den Eigentümern und der Geschäftsführung der prüfungspflichtigen Gesell9
Im Einzelnen s.o. bei § 1, B. Das von der Europäischen Kommission beauftragte Beraterunternehmen London Economics (s.o. bei § 1, B. II. 2. a)) und das US-amerikanische Committee on Capital Markets Regulation (vgl. Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report) beschäftigen sich in ihren nahezu zeitgleich veröffentlichten Gutachten eingehend mit den tatsächlichen und potentiellen negativen Auswirkungen einer übersteigerten Haftung auf die Kapitalmärkte und haben die internationale Diskussion auf diesem Gebiet nachhaltig geprägt. 11 Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. 10
§ 3 Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung
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schaft sowie zum anderen zwischen dem prüfungspflichtigen Unternehmen und externen Anlegern.12 Die beiden Spannungsfelder, in denen sich der Abschlussprüfer beruflich bewegt, sind durch Interessenkonflikte und durch Informationsasymmetrien zu Lasten der Rezipienten (principals) geprägt. Zwar tragen die Publizität des Jahresabschlusses, ad hoc-Mitteilungen und ähnliche Maßnahmen zur Angleichung des Informationsniveaus bei, aber die bestehenden Interessenkonflikte gefährden sowohl die Qualität dieser Informationen als auch das Vertrauen der Rezipienten in ihre Verlässlichkeit. Die Effizienz der Kapitalmärkte hängt jedoch wesentlich von dem Zugriff auf und dem Vertrauen potenzieller Anleger in zutreffende Unternehmensdaten ab. Nur unter diesen Voraussetzungen ist gewährleistet, dass Investoren ihr Kapital dort einsetzten können, wo es die höchste Rendite verspricht – und dies auch tatsächlich tun. Verschiedene Informationsintermediäre – Finanzanalysten, Rating-Agenturen und Abschlussprüfer – sollen die Verlässlichkeit und die Vertrauenswürdigkeit der veröffentlichten Unternehmensdaten erhöhen. Die Aufgabe einiger Informationsintermediäre, insbesondere die der Abschlussprüfer, ist jedoch nicht auf die Evaluation publizierter Informationen beschränkt. Sie können ebenfalls – diese Einsicht entstammt der US-amerikanischen Literatur,13 setzt sich aber zunehmend auch im europäischen Raum durch14 – gezielt als verhaltenssteuernde Instanzen eingesetzt werden, als Torwächter (gatekeepers) und Vertrauensintermediäre. 1. Der Abschlussprüfer als Torwächter Die gesetzliche Prüfungspflicht verleiht dem Abschlussprüfer die Befugnis darüber zu entscheiden, welche Informationen bezüglich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens unangefochten auf den Markt gelangen. Die Prüfer wirken auf den kapitalmarktinternen Informationsfluss ein, indem sie Korrekturen des Jahresabschlusses durchsetzen oder wenigstens seine Fehlerhaftigkeit als solche kennzeichnen. Sie fungieren als Informationsfilter – als Torwächter zwischen den Informationsemittenten und dem Markt.15 Ihre Funktion erschöpft sich jedoch nicht in einer nachträglich korrigierenden Rolle. Das Wissen um die externe Kontrolle setzt dem prüfungspflichtigen Unternehmen und seinen Organen zusätzliche Anreize, ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Berichterstattung nachzukommen. Dem von 12
S.o. bei § 1, A. I. 2. und 3. Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986); Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001); ders., Gatekeepers; ders., in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 599. 14 S. nur Gelter, WPg 2005, 486; C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 725; Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159. 15 Hierzu s. auch Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 435; Gelter, Unabhängigkeit, S. 26. 13
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
US-amerikanischen Rechtsökonomen entwickelten „Torwächter-Modell“16 liegt die Annahme zu Grunde, dass es in vielen Fällen sinnvoller sein kann, die Befolgung einer Verhaltenspflicht nicht nur durch direkte Einwirkung auf den Primärverpflichteten (zivilrechtliche Haftung, berufs- und strafrechtliche Sanktionen), sondern durch Einsatz eines Sekundärgaranten durchzusetzen (sog. third-party enforcement strategies).17 Als Torwächter sind solche Personen besonders geeignet, die ihrer gesetzlichen Bestimmung gemäß oder aus ihrer besonderen Marktposition heraus Einfluss auf den Primärverpflichteten besitzen. Torwächter zeichnen sich gegenüber anderen Drittüberwachungsinstanzen18 dadurch aus, dass sie ein Wohlverhalten des Primärverpflichteten durch bloße Passivität erzwingen können.19 Ihre Wächterposition gründet sich auf der Kontrolle über Ressourcen oder Rechtsakte (z.B. Genehmigungen).20 Der Einsatz eines Torwächters bietet sich an, wenn unmittelbar gegen den Primärverpflichteten gerichtete Maßnahmen keine oder nicht die gewünschte verhaltenssteuernde Wirkung erzielen. Dieser Umstand kann entweder auf die mangelnde Einsichtsfähigkeit des Primärverpflichteten (bspw. Kinder, Betrunkene, Süchtige) sowie auf seine Unempfindlichkeit gegenüber den angedrohten Sanktionen zurückzuführen sein. Für den Torwächter dagegen müssen adäquate Anreize zum regelkonformen Handeln bestehen.21 Aus diesen Gründen werden im gesellschaftsrechtlichen Kontext typischerweise unabhängige, freiberuflich tätige Experten als Torwächter rekrutiert.22 Zum einen besetzen diese Personen häufig Positionen, in denen sie durch Verweigerung einer Urkunde, einer Unterschrift oder 16 Gilson/Kraakman, 70 Va. L. Rev. 549 (1984); Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). Aus jüngerer Zeit s. Coffee, Gatekeepers. 17 Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). 18 Der Einsatz von Drittgaranten ist auch innerhalb besonderer Macht- und Rechtsverhältnisse möglich, z.B. durch Verpflichtung Vorgesetzter oder gesetzlicher Vertreter. Sie kann auch außerhalb hierarchischer Strukturen erfolgen, insbesondere durch Rekrutierung sog. whistleblower. Hierzu s. grundlegend Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986). 19 „Gatekeepers (...) prevent misconduct by withholding support.“, Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53, 54 (1986). 20 Torwächter in diesem Sinne werden nicht nur auf dem Kapitalmarkt sondern in vielen Lebensbereichen eingesetzt. Man denke nur an die Rolle von Gastwirten, Kino-, Videotheken- und Ladenbesitzern bei der Durchsetzung von Rauchverboten, Vorschriften über den Alkoholmissbrauch oder den Jugendschutz sowie an die Funktion von Ärzten und Apothekern bei der Kontrolle des Medikamentenumlaufs. 21 Nach Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53 (1986) müssen daher die vier folgenden Voraussetzungen bei Einsatz eines Torwächters vorliegen: 1) Es muss die Gefahr eines Fehlverhaltens des Primärverpflichteten bestehen, der durch zweckmäßige Formen der Sanktion nicht entgegengewirkt werden kann. 2) Anreize zur privaten Vorsorge (private gatekeeping) bestehen nicht. 3) Der Torwächter kann das besagte Fehlverhalten verlässlich verhindern. 4) Der Einsatz des Torwächters zur Verhaltenskontrolle muss verhältnismäßig und effizient sein. 22 S. z.B. Coffee, Gatekeepers, S. 2 f.
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durch Bekanntgabe einer gegenteiligen Stellungnahme das Handeln ihrer Geschäftsherren und seine Auswirkungen kontrollieren können. Zum anderen besitzen Freiberufler als sog. repeat players ein hohes Reputationskapital. Die Bedeutung der Reputation für ihren wirtschaftlichen Erfolg sensibilisiert die Experten gegenüber den nachteiligen Folgen eines Fehlverhaltens ihrerseits.23 Die genannten Voraussetzungen treffen insbesondere auch auf den Abschlussprüfer zu. Das Gesetz ermöglicht es ihm, die Erteilung des unbeschränkten Bestätigungsvermerkes von der ordnungsgemäßen Aufstellung des Jahresabschlusses abhängig zu machen (§ 322 HGB). Er nimmt nicht lediglich die Stellung eines unabhängigen Beobachters ein, sondern er kann den Informationsfluss zwischen dem rechnungslegenden Unternehmen und dem Markt tatsächlich steuern. Für Primärverpflichtete, die prüfungspflichtige Gesellschaft und ihre Organe (§§ 242, 264 Abs. 1 S. 1 HGB), hingegen kann ein Regelbruch mit Vorteilen verbunden sein.24 Gegen Sanktionen sind sie teilweise immun: So kann die Gesellschaft als juristische Person in manchen Rechtsordnungen, namentlich in der deutschen, nicht strafrechtlich belangt werden.25 Die handelnden natürlichen Personen wiederum sind durch das Gesellschaftsrecht – corporate veil – vor dem Risiko einer persönlichen zivilrechtlichen Haftung zumindest teilweise geschützt.26 Zudem ist die effektive haftungsrechtliche Abschreckung des Vorstands auch dem unternehmerischen Erfolg, der eine gewisse Risikobereitschaft der Geschäftsleitung voraussetzt, nicht dienlich; sie liegt daher nicht unbedingt im Interesse der Eigentümer. Anderes gilt freilich für den Abschlussprüfer, der sich strikt darauf beschränken muss, die Gesetzes- und Ordnungsmäßigkeit der Bilanzen zu überprüfen. Der berufliche Erfolg des Abschlussprüfers baut, wie der Niedergang von Arthur Andersen anschaulich belegt hat, primär auf seinem Ruf (reputational capital) auf.27 Er muss daher im Falle seines Versagens nicht nur Schadensersatzzahlungen, sondern um seine wirtschaftliche Existenz fürchten. Aus diesen Gründen ist der Abschlussprüfer – zumindest in der Theorie – ein prädestinierter Torwächter.
23 Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53, 93 (1986); Coffee, in: Ferrarini/Hopt/Winter/ Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 599, 605. 24 Hierzu s. auch oben bei § 1, A. I. 2. 25 Bei strafbarem Verhalten von Gesellschaftsorganen und anderen natürlichen Personen in leitender Stellung eines Unternehmens kommt nach deutschem Recht gegen die juristische Person oder Personenvereinigung lediglich eine Geldbuße nach § 30 OWiG in Betracht. 26 Freilich ist dieser Schutz begrenzt. Zur Außenhaftung von Gesellschaftsorganen s. nur BGH NJW 2006, 830 = BGHZ 166, 84. 27 Statt vieler s. Coffee, Gatekeepers, S. 2.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
2. Der Abschlussprüfer als Vertrauensintermediär „Vertrauen“, schreibt Luhmann, „beruht auf Täuschung. Eigentlich ist nicht so viel Information gegeben, wie man braucht, um erfolgssicher handeln zu können. Über die fehlende Information setzt sich der Handelnde willentlich hinweg.“28 Wie oben dargelegt, genügt es nicht, dass die auf dem Kapitalmarkt kursierenden Unternehmensdaten die Wirklichkeit zutreffend wiedergeben; Investoren müssen auch auf ihre Zuverlässigkeit vertrauen. Mangels entsprechender Einsichtsrechte und Fachwissens können die Adressaten des Jahresabschlussberichtes seinen Wahrheitsgehalt kaum – jedenfalls nicht zu vertretbaren Kosten – beurteilen.29 Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind zu komplex. Ist „Chaos“, so Luhmann an anderer Stelle, „ (...) die einzige Alternative zum Vertrauen, so lässt sich daraus folgern, der Mensch solle, seinem Wesen entsprechend, Vertrauen schenken, wenn auch nicht blindlings und nicht in jeder Hinsicht.“30 Da sicheres und vollständiges Wissen auf dem Kapitalmarkt unrealistisch ist, kommt dem Vertrauen hier wesentliche Bedeutung zu. Nun könnten die Kapitalmarktteilnehmer freilich auf die Redlichkeit der Unternehmen und ihrer Vorstände selbst vertrauen. Im Hinblick auf ihre offenkundig gegenläufigen Interessen werden sich Anleger, Aktionäre und Kreditgeber jedoch nicht alleine auf die Auskünfte des jeweiligen Unternehmens und seiner Geschäftsleitung verlassen. Ihr Vertrauen lässt sich, zumindest teilweise, über das Schadensersatzrecht – über die (Außen)haftung31 des 28
Luhmann, Vertrauen, S. 38. Gelter, WPg 2005, 486, 487. 30 Luhmann, Vertrauen, S. 38. 31 Zur Außenhaftung eines Gesellschaftsorgans für Informationen (inkriminierende Äußerungen) s. des Weiteren das Kirch-Urteil des BGH vom 24.01.2006, BGH NJW 2006, 830 = BGHZ 166, 84. Der BGH traf in dieser Entscheidung die Feststellung, dass das im Vertragsverhältnis zwischen der Gesellschaft und dem geschädigten Vertragspartner bestehende Pflichtenprogramm (Interessenwahrungs-, Schutz- und Loyalitätspflichten auf Grund eines Darlehensvertrags) ebenfalls die Pflichten und damit die deliktische Außenhaftung des Gesellschaftsorgans gegenüber dem Vertragspartner prägt: „Es geht nicht an, anzunehmen, Pflichten seien nur an den Unternehmensträger, nicht aber an das Organ adressiert, gleichzeitig aber die Möglichkeit einer eigenen Deliktsrechtlichen Haftung des Organs mit dem Argument zu leugnen, dessen Verhalten sei Handeln der juristischen Person selbst (...). Angesichts der Einheit der Rechtsordnung erscheint es außerdem widersprüchlich, ein und dasselbe Verhalten des Bekl. zu 2 für das die Bekl. zu 1 haftet, im Verhältnis zwischen der Bekl. zu 1 und der PrintBeteiligungs GmbH ebenso wie im Innenverhältnis zwischen den beiden Bekl. als pflichtwidrig anzusehen, im Verhältnis zwischen dem Bekl. zu 2 und der PrintBeteiligungs GmbH dagegen als rechtmäßig.“ (BGH NJW 2006, 830, 843 = BGHZ 166, 84, 115). Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass sich aus dieser Rechtsprechung zur (erweiterten) Haftung von Gesellschaftsorganen gegenüber Vertragspartnern der Gesellschaft für die Verletzung von Integritätsinteressen weitreichende Schlüsse für die Haftung von Gesellschaftsorganen gegenüber externen Adressaten eines fehlerhaften Jahresabschlusses ziehen lassen. Denn ein fehlerhafter Jahresabschluss verletzt – anders als eine inkriminierende Äußerung – nicht 29
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Informationsemittenten32 – ver-33 oder durch den Erwerb zusätzlicher Informationen auf eigene Kosten absichern. Da jedoch sowohl die Haftung für fehlerhafte Jahresabschlüsse34 als auch eigenständige Nachforschungen der Anleger mit Kosten verbunden sind, könnte es gesamtwirtschaftlich sinnvoll sein, eine Person als Vertrauensintermediär einzusetzen, die den Ruf besonderer Vertrauenswürdigkeit genießt.35 Eine solche Rolle weist die rechtsökonomische Literatur dem – unabhängigen! – Abschlussprüfer im Verhältnis zu den Adressaten des Jahresabschlusses zu.36 An das Testat knüpft sich das Vertrauen des Rechtsverkehrs.37 Wie realistisch hingegen das Bild vom Abschlussprüfer als Garant des Vertrauens der Kapitalmarktteilnehmer ist, wird im Folgenden noch kritisch zu hinterfragen sein. III.
Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Prüfermodells
Die Tatsache, dass das modelltheoretische Wunschbild des Abschlussprüfers als Torwächter der Realität nicht entspricht, ist spätestens seit Enron fest im öffentlichen Bewusstsein verankert.38 Sein Scheitern in dieser Rolle entwertet auch seine Position als Vertrauensintermediär. Die Funktionsfähigkeit des Torwächtermodells beruht auf der Annahme, dass der Abschlussprüfer nicht – und insbesondere nicht den gleichen – moralischen Versuchungen (moral hazards) ausgesetzt ist, wie die mit der Rechnungslegung betraute Unternehmensleitung.39 Andernfalls produziert die Prüfung der Bilanz keinen Mehrwert für die Kapitalmarktteilnehmer.40 Abschlussprüfer und andere Informationsintermediäre sind jedoch nicht frei von Interessenkonflikten.41 Ihre Reputation bietet offenkundig auch keine ausreichende Garantie für ihre Unabhändas Integritätsinteresse der Adressaten im engeren Sinne. Er greift insbesondere nicht in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder in ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB ein. 32 Hierzu s. Leyens, JZ 2007, 1061, 1068. 33 Die Schadensersatzpflicht befreit den Vertrauenden insoweit von seinem Schadensrisiko, als er davon ausgehen kann, bei Enttäuschung seines Vertrauens entschädigt zu werden. Zur Versicherungsfunktion des Schadensersatzes aus rechtsökonomischer Perspektive eingehend unten bei § 3, B. II. 1. und § 3, B. III. 3. 34 Zu den Kosten der Haftung s. unten bei § 3, B. II. 1. 35 Nowicka, Wirtschaftsprüfer in Polen, S. 38. Zur Funktion von Informationsintermediären bei der Vermarkung von Vertrauensgütern im Allgemeinen s. Leyens, in: Baum/Fleckner/ Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 424 f. 36 S.o. bei § 3, A. I. 1. 37 MünchKommHGB/Ebke, § 316 Rn. 28 mit Verweis auf OLG Düsseldorf, WM 1996, 1777, 1779. 38 Statt vieler s. Coffee, Gatekeepers, S. 5 f. 39 Gelter, WPg 2005, 486, 487. 40 In diesem Sinne s. auch Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 436 f. 41 Ausführlich hierzu Kumpan/Leyens, ECFR 2008, S. 72.
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gigkeit. Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, welche Gründe die Abschlussprüfer in der Vergangenheit veranlasst haben mögen, Rechnungslegungsfehler und Bilanzbetrügereien nicht zu erkennen oder wenigstens von ihrer Aufdeckung abzusehen, obgleich sie dadurch ihre individuelle Reputation sowie die Vertrauenswürdigkeit des gesamten Berufsstandes aufs Spiel setzten. Mit anderen Worten: warum ist die Qualität der Jahresabschlussprüfung nicht so hoch, wie sie sein sollte? 1. Voraussetzungen einer hohen Prüfungsqualität Nicht nur die Messung42 der Prüfungsqualität, bereits ihre Definition bereitet Schwierigkeiten.43 Da die gesetzliche Jahresabschlussprüfung nicht nur den Interessen des Auftraggebers dient, sondern von gesellschaftsübergreifender Bedeutung ist,44 würde ein subjektiver Qualitätsbegriff, der sich an den Vorstellungen des (einen) Leistungsempfängers orientiert, ihrer Funktion nicht gerecht.45 Sie ist vielmehr anhand objektiver Maßstäbe zu bestimmen. Die designierten Regelgeber – die nationalen Legislativorgane, Berufsverbände sowie die Europäische Kommission – vermeiden es jedoch, sich hier festzulegen.46 Wenig weiterführend ist auch eine Definition wie die Flints: „What is needed in auditing is something dynamic, a critical, penetrating, enquiring 42 Da die Fehlerquote bei der Prüfung außerordentlich gering ist, sagt auch ein zutreffendes Ergebnis wenig über die Qualität der Arbeit aus, vgl. Sunder, WPg 2003, 141, 43. London Economics schlägt daher vor, die Prüfungsqualität anhand der Übereinstimmung von accruals und der ihnen gegenüber stehenden Geldströme zu bewerten. London Economics postuliert, dass die Qualität der Prüfung insgesamt wesentlich durch die Qualität der Prüfung der accruals bestimmt wird. In einer durchgeführten Untersuchung werden bereits früher festgestellte Zusammenhänge bestätigt. Zudem ist auch diese Messungsmethode an dem „Erfolg“ der Prüfung ausgerichtet, der insoweit wenig repräsentativ für ihre Qualität ist, als ein von vorneherein einwandfreier Jahresabschluss letztlich keiner Prüfung bedarf um zutreffende Unternehmensdaten zu publizieren (s.o.). London Economics erkennt die Grenzen der Anwendung dieses Maßstabs an, weist aber auch darauf hin, dass für eine empirische Analyse kein anderes Kriterium denkbar ist. S. hierzu London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 156. 43 Statt vieler s. Kragler, Wirtschaftsprüfung, S. 87; Lück, DB 2000, 1 f. 44 S.o. bei § 1, A. II. 1. m.w.Nachw. 45 Kragler, Wirtschaftsprüfung, S. 87. Anders mag die Situation bei freiwilligen Prüfungen und anderen Leistungen des Wirtschaftsprüfers (Gutachte etc.), die außerhalb der gesetzlichen Prüfungspflicht erbracht werden, zu beurteilen sein. S. Albach, in: FS Forster, S. 2, 5. 46 So enthalten weder das deutsche HGB noch die WPO nähere Angaben zu den Voraussetzungen einer hohen Prüfungsqualität. Die neue Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87, setzt sich zwar ausführlich mit der Bedeutung der Prüfungsqualität sowie den Möglichkeiten ihrer Sicherung und Harmonisierung auseinander, schweigt sich aber über die dahinter stehende Definition der Qualität aus. Ebenso Europäische Kommission, Empfehlung der Kommission vom 15.11.2000 Mindestanforderungen an Qualitätssicherungssysteme für die Abschlussprüfung in der EU, ABl. EG 2001 Nr. L 91/91.
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attitude of mind, and a deep conviction of a vital social purpose.“47 Wenn man von dem Sinn und Zweck der Abschlussprüfung ausgeht, so gibt es zumindest zwei Voraussetzungen, die ein Prüfer erfüllen muss, um eine qualitativ hochwertige Leistung zu erbringen: er muss urteilsfähig und vorurteilsfrei sein. An der beruflichen Kompetenz und der Unabhängigkeit des Prüfers orientiert sich auch DeAngelos nunmehr klassische Definition der Prüfungsqualität:48 Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Prüfer einen Fehler in der Rechnungslegung entdeckt (Kompetenz) und diesen auch gegen den Willen und das Interesse seines Mandanten offen legt (Unabhängigkeit), desto hochwertiger ist die Prüfung. Die Kompetenz erfordert nicht nur die generelle professionelle Befähigung des Prüfers, er muss auch in concreto kompetent handeln;49 insbesondere muss er hinreichend geschultes Personal einsetzen, aussagekräftige Tests durchführen und sich die notwendige Zeit nehmen. Unabhängigkeit bedeutet im Rahmen der Abschlussprüfung zuerst und vor allem Unparteilichkeit. Der Wert der Abschlussprüfung beruht wesentlich darauf, dass der Abschlussprüfer sein Urteil frei von eigenen oder Interessen Dritter ausschließlich auf der Grundlage sachlicher Gesichtspunkte trifft.50 Es lassen sich zwei Teilaspekte der Unabhängigkeit unterscheiden, die äußere Unabhängigkeit (independence in appearance) und die innere Unabhängigkeit (independence in fact/of mind).51 Äußere Unabhängigkeit bedeutet, dass objektiv keine Besorgnis der Befangenheit besteht. Ein Mangel an äußerer Unabhängigkeit beeinträchtigt nicht notwendigerweise die Qualität des Prüfungsergebnisses, weil aus ihr nicht zwingend folgt, dass der Prüfer tatsächlich unfrei handelt. Die äußere Abhängigkeit erhöht jedoch die Gefahr von Interessenskonflikten sowie einer hieraus folgenden Beeinträchtigung der inneren Unabhängigkeit und beschädigt zudem das Vertrauen der Adressaten in die Zuverlässigkeit Prüfungstestats.52 Die innere Unabhängigkeit besagt, dass der Prüfer unbefangen und damit tatsächlich frei in seiner Urteilsfindung ist. Die innere Unabhängigkeit wird freilich – insbesondere in einem System, das die Durchführung der gesetzlichen Prüfungspflicht Privaten überträgt – niemals absolut sein. In den 47
Flint, 1 Acc’g & Bus. Res. 287 (1971). DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 183, 186 (1981). Ihr folgend z.B. Moizer, in: Moizer (Hrsg.), Governance and Auditing, S. xiv, der die Kompetenz und Unabhängigkeit des Prüfers als „twin aspects“ der Prüfungsqualität bezeichnet. 49 In diesem Sinne auch Moizer, in: Moizer (Hrsg.), Governance and Auditing, S. xiv: „behave in a competent fashion“. 50 S. hierzu K. Müller, Unabhängigkeit, S. 23. 51 Zu den Begrifflichkeiten im Einzelnen s. statt vieler Ebke, in: Ferrarini/Hopt/Winter/ Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 507, 517 f.; Bigus/R.-C. Zimmermann, in: Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsentwicklung, S. 554, 556; K. Müller, Unabhängigkeit, S. 23–25. 52 Hierzu s. auch Ebke, in: FS Immenga, S. 517, 526 f. 48
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formenanalytischen Modellen zur Prüfungstheorie wird der Grad der Unabhängigkeit mit der Wahrscheinlichkeit gleichgesetzt, dass der Prüfer einen Fehler, den er erkannt hat, auch offen legt.53 2. Negative Anreizstrukturen auf dem Prüfungsmarkt Fachliche Qualifikation, Sorgfalt, äußere Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Prüfers sind die vier Grundpfeiler des Torwächter-Modells.54 Viele Reformvorhaben, nicht zuletzt im Bereich des Haftungsrechts, zielen darauf, diese essentiellen Bestandteile der Jahresabschlussprüfung zu garantieren.55 In der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität bewacht der Prüfer kein isoliertes Tor im elfenbeinernen Turm, er steht mitten im tosenden Leben des freien Marktes. Wirtschaftliche Abhängigkeiten, aber auch persönliche Bindungen und die nach einer Vielzahl von Prüfungen einsetzende Betriebsroutine vermögen sein Urteil zu trüben. a) Sorgfalt im Wettbewerb: „Market for Lemons“ Der freie Wettbewerb ist gewissermaßen Glaubensbekenntnis aller kapitalistisch organisierten Volkswirtschaften. Berufsstandesrechtliche Wettbewerbsbeschränkungen, wie sie für Wirtschaftsprüfer und andere freie Berufe üblich sind, gerieten unter diesem Vorzeichen immer wieder in die Kritik. Der freie Markt soll das „richtige“ Verhältnis von Nachfrage und Angebot, von Preis und Qualität gewährleisten. In der Realität zeigt sich jedoch nur allzu oft, dass die ordnende Kraft, die „unsichtbare Hand“ des Marktes,56 versagt. An die Stelle des Smithschen Idealbilds eines funktionierenden, effizienten Marktes tritt der Akerlof’sche „market for lemons.“ Akerlof zeigt am Beispiel des USamerikanischen Automarktes auf, dass ein komplexer Markt mit einem differenzierten Angebot eines fortgeschrittenen Informationsniveaus bedarf.57 53
Watts/J. Zimmermann, The Market for Independence and Independent Auditors (unveröffentlicht), zitiert bei DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113, 116 (1981). Diese Definition der Unabhängigkeit geht der theoretischen Einfachheit halber davon aus, dass die Wahrscheinlichkeiten des Fehlererkennens (beruhend auf fachlicher Befähigung und Sorgfalt) und die des Fehleraufdeckens isoliert voneinander betrachtet werden können. Tatsächlich ist wohl davon auszugehen, dass ein im Sinne der Geschäftsleitung wohlwollend vorgehender Prüfer auch weniger gründlich nach Verstößen gegen die Bilanzierungsregeln suchen wird als ein unabhängiger Prüfer. Unabhängigkeit und Sorgfalt sind in der Realität daher interdependent. Vgl. DeAngelo a.a.O. 54 Zur Eignung des Abschlussprüfers als Torwächter s.o. bei § 3, A. I. 1. Zu den Voraussetzungen einer hohen Prüfungsqualität s.o. bei § 3, A. II. 1. 55 Aus jüngster Zeit s. Europäische Kommission, Grünbuch, KOM(2010) 561 endg. Hierzu s. sogleich unten bei § 3, A. III. 3. 56 Grundlegend A. Smith, Wealth of Nations. 57 Akerlof, 84 Quart. J. Econ. 488, 489 f. (1970).
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Wird das gleiche Produkt in unterschiedlichen Qualitätsstufen angeboten, so kann der Marktpreis diese Unterschiede nur wiedergeben, wenn die Nachfrage die Qualität beurteilen kann. Sofern dies nicht der Fall ist, reflektiert der Preis nicht die tatsächliche Qualität der Leistung, sondern passt sich den Vorstellungen der potentiellen Abnehmer an. Im Ergebnis führt diese Informationsasymmetrie nicht nur zu vorübergehenden Preisverzerrungen. Sie bewirkt vielmehr, dass sich letztlich die qualitativ geringwertigeren Objekte einer Spezies – auf dem Kfz-Markt so genannte lemons – durchsetzen, weil der Anbieter mit ihrem Verkauf einen höheren Gewinn erzielt (adverse selection).58 Es gibt Grund zu der Annahme, dass auch der Markt für Jahresabschlussprüfungen Potential hat, ein solcher „market for lemons“ zu sein. Der Zusammenbruch des US-amerikanischen Prüfungsmarktes im Anschluss an die Aufhebung standesrechtlicher Wettbewerbsbestimmungen scheint diese Vermutung empirisch zu untermauern.59 Aus theoretischer Warte bezweifelten Kritiker von jeher, dass der freie Markt im Hinblick auf das Informationsgefälle zwischen Experten und Laien fähig sei, die Leistung von Freiberuflern zu kontrollieren.60 Auf dem Prüfungsmarkt verschärft die Interessenasymmetrie zwischen Auftraggebern des Prüfers und Nutzern des Testats dieses Problem. (1) Informationsasymmetrie Die Funktionsfähigkeit der Marktmechanismen setzt ein Mindestmaß an Informationssymmetrie voraus. Vor diesem Hintergrund stellt das überlegene Expertenwissen, das viele Freiberufler61 – ebenso wie den Gebrauchtwagen58 Freilich nur unter der Prämisse, dass der Anbieter selbst die Qualität bewerten kann und somit eine Informationsasymmetrie besteht. Akerlof, 84 Quart. J. Econ. 488, 490 (1970). 59 In den USA setzte in den 1970er Jahren eine Entwicklung ein, im Zuge derer man die Wettbewerbsbeschränkungen für die Angehörigen freier Berufe zu lockern begann. Die AICPA, ebenso wie die meisten anderen Berufsverbände freier Berufe, beseitigten wettbewerbbeschränkende Bestimmungen aus ihren Standesordnungen. Zu Beginn der 1980er Jahre war der Prüfungsmarkt zu einem market for lemons geworden. Die Qualität der Prüfungsleistung hatte keinen messbaren Markwert und der nunmehr liberalisierte Wettbewerb wirkte sich zunehmend zu Lasten der Sorgfalt aus. Die amerikanischen Wirtschaftsprüfer sahen sich gezwungen, ihre Gebühren zu senken. Im Gegenzug mussten sie ihre Aufwendungen auf Kosten der Prüfungsqualität zu reduzieren, indem sie z.B. kostengünstigerer wenngleich weniger aussagekräftigere Tests durchführten. Unter diesen Wettbewerbsbedingungen wurde es letztlich unmöglich, die Abschlussprüfung als eine sich wirtschaftlich selbst tragende berufliche Tätigkeit auszuüben – ein Umstand, der den Einstieg der Prüfer in das lukrativere Beratergeschäft forcierte. Vgl. im Einzelnen m.w.Nachw. Sunder, WPg 2003, 141, 142. 60 Statt vieler s. Sunder, WPg 2003, 141 m.w.Nachw. 61 Die unterschiedlichen europäischen Rechtsordnungen und das Europarecht kennen zwar keine einheitliche Definition der „freien Berufe“, es existieren jedoch gemeinsame Merkmale,
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händler in Akerlofs Beispiel – auszeichnet, wettbewerbstheoretisch ein Problem dar. Dem Laien ist es regelmäßig nicht möglich, seinen Arzt, Architekten, Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer fachlich zu beurteilen; er muss sich häufig sogar bei der Frage, welche Leistung er überhaupt benötigt, auf dessen Urteil verlassen. Charakteristisch und essentiell für das Verhältnis zwischen dem Freiberufler und seinem Auftraggeber ist daher die besondere Vertrauensbeziehung.62 Im Unterschied zu anderen Experten verkehrt der Abschlussprüfer nicht mit Laien, sondern regelmäßig mit in der Buchhaltung spezialisierten Führungskräften, Geschäftsleitern und Aufsichtsräten. Die Adressaten des Jahresabschlusses dagegen, insbesondere die Aktionäre und potentiellen Anleger, können die Qualität der Prüfungsleistung mehrheitlich nicht zutreffend bewerten. Ursächlich ist neben dem hohen fachlichen Standard der Tätigkeit – „auditing is an art not a science“63 – ebenfalls die geringe Fehlerquote bei der Prüfung.64 Das Berufsrisiko des Abschlussprüfers wird als „Großrisiko mit geringer Frequenz“ bezeichnet.65 Kennzeichnend ist ein weitgehend schadensfreier Tätigkeitsverlauf, den seltene, dann allerdings große Schadensfälle unterbrechen. Im Regelfall muss der Prüfer lediglich den ordnungsgemäß durch die Gesellschaft aufgestellten Jahresabschluss bestätigen. Ob ein zutreffend erteiltes unbeschränktes Testat auf umfassender und umsichtiger Prüfung beruht oder – im Extremfall – lediglich auf einwandfreier Arbeit des Vorstands und bloßer Untätigkeit des Prüfers, lässt sich von Außen nicht beurteilen.66 Die Messung der Prüfungsqualität und -sorgfalt erfordert einen tiefer gehenden Einblick in den Prüfungsprozess. In der Praxis besteht jedoch die Schwierigkeit, dass die – unjuristisch gesprochen – „eigentlichen Auftraggeber“ des Prüfers, die Aktionäre der prüfungspflichtigen Gesellschaft, in deren Interesse die Prüfung erfolgt, mit dem Prüfungsvorgang regelmäßig gar nicht in Berührung kommen. Die Gesellschafter der prüfungspflichtigen Gesellschaft sind
die auf bestimmte Berufsgruppen – zu denen neben Ärzten und Rechtsanwälten insbesondere auch Wirtschaftsprüfer zählen – zutreffen. Hierzu s. ausführlich Heckendorn, Haftung freier Berufe; zu den nationalen Regelungen s. insbesondere a.a.O., Rn. 151 ff., zum Europarecht a.a.O., Rn. 135 ff., zu den übergreifenden Merkmalen a.a.O., Rn. 166 ff. Zu dem Begriff der freien Berufe nach deutschem Recht vgl. § 1 Abs. 2 PartGG. 62 Die Leistungen des Abschlussprüfers sind keine „Erfahrungsleistungen“ sondern sog. „Vertrauensleistungen“. Der Nutznießer kann die Qualität nicht auf Grundlage eigener Erfahrung und Sachkunde überprüfen, sondern muss darauf vertrauen, dass der Abschlussprüfer die für den Außenstehenden unüberprüfbaren Spielräume nicht zu seinen Gunsten ausnutzt. S. Weißenberger, in: M. Richter (Hrsg.), Theorie und Praxis, Bd. I, S. 71, 79 f. 63 Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 279. 64 Die Prüferfehlerquote soll unter 1% liegen, vgl. Sunder, WPg 2003, 141, 143. 65 S. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 277 m.w.Nachw. 66 Der Rückschluss vom richtigen Ergebnis auf eine einwandfreie Leistung greift deswegen in der Abschlussprüfung nicht. S. Sunder, WPg 2003, 141, 143.
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zwar für die Wahl des Abschlussprüfers zuständig67 – die Erteilung des Prüfungsauftrags hingegen obliegt nach deutschem Recht (sofern vorhanden) dem Aufsichtsrat;68 sie treten aber – jedenfalls als Aktionäre einer AG – in aller Regel nicht mit dem Abschlussprüfer in direkten Kontakt.69 Die Personen, welche die Tätigkeit des Abschlussprüfers am besten beurteilen könnten, sind die an der Aufstellung des Jahresabschlusses beteiligten Mitglieder des Vorstandes und gegebenenfalls die des Aufsichtsrates, sofern ein solcher nach nationalem Recht für die jeweilige Gesellschaftsform vorgesehen ist.70 Insbesondere für den Vorstand ist jedoch eine hohe Prüfungsqualität von geringerer Bedeutung als für die Eigentümer des geprüften Unternehmens und potentielle Investoren. Für die Mitglieder der Geschäftsleitung kann ein positives Bild der Unternehmenslage – vor allem wenn ihre Vergütung an den Aktienkurs gekoppelt ist – weit wichtiger sein als ein realitätsnahes.71 (2) Interessenasymmetrie Die Bedeutung der Prüfung für die Adressaten des Jahresabschlusses liegt in dem zusätzlichen Informationsgewinn gegenüber dem von der Geschäftsleitung aufgestellten Jahresabschluss und dem Lagebericht. Je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Prüfung einen Fehler in der Rechnungslegung aufdeckt, desto größer ist ihr subjektiver Wert für die Gesellschafterversammlung, die zur Ausübung einer effektiven Unternehmensleiterkontrolle zuverlässiger Informationen bedarf;72 gleiches gilt für (potentielle) Investoren. Üblicherweise73 haben diese Personengruppen daher ein Interesse an einer sorgfältigen und unabhängigen Prüfung. 67
Zum deutschen Recht vgl. § 318 Abs. 1 S. 1 HGB. Vgl. §§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG, 52 Abs. 1 GmbHG. Im Einzelnen s. MünchKommHGB/ Ebke, § 318 Rn. 25 f. 69 Die Bestellung des Abschlussprüfers erfolgt nach deutschem Recht in drei Verfahrensschritten: In einem ersten Schritt wählen die Gesellschafter den Abschlussprüfer (§ 318 Abs. 1 S. 1 HGB). In einem zweiten Schritt erteilt das zuständige Gesellschaftsorgan den Prüfungsauftrag (§ 318 Abs. 1 S. 4 HGB); im Falle der Aktiengesellschaft ist hierfür der Aufsichtsrat zuständig (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG). In einem dritten Schritt erfolgt die Annahme des Prüfungsauftrags durch den Abschlussprüfer. Im Einzelnen s. MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rn. 1, 3–30 m.w.Nachw. 70 Zum deutschen Recht s. MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rn. 25 f. 71 Hierzu s. auch sogleich unten bei § 3, A. II. 2. a) (2). 72 DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 183, 186 (1981). 73 Ausnahmen sind allenfalls denkbar, wenn die Veröffentlichung des Prüfungsergebnisses das Verhalten anderer Personen in unerwünschter Weise beeinflussen kann, z.B. weil dadurch der Wert einer bereits erworbener Aktien fällt, ein „Geheimtip“ zum Allgemeingut wird oder der wirtschaftliche Fortbestand der Gesellschaft und damit die Werthaltigkeit bereits getätigter Investitionen in Gefahr gerät. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass auch Anleger und Gesellschafter kein unbeschränktes Interesse an einer unabhängigen und sorgfältigen Prüfung haben. 68
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Bei der Geschäftsleitung des geprüften Unternehmens ist die Situation ein andere, denn der Vorstand, der den Jahresabschluss aufstellt, hat Zugang zu denselben Unternehmensdaten wie der Abschlussprüfer. Der Mehrwert der Prüfung besteht lediglich in der Möglichkeit einer Selbstkontrolle. Der fachliche Rat des Prüfers ist für die prüfungspflichtigen Unternehmen heute nicht mehr in gleicher Weise bedeutsam wie zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als in vielen Ländern die Pflichtprüfung einführt wurde; insbesondere die größeren und börsennotierten Gesellschaften verfügen über hinreichend interne Sachkunde.74 Die Bedeutung der Jahresabschlussprüfung liegt in ihrer vertrauenssteigernden Außenwirkung gegenüber den Kapitalanlegern, in ihrer Beglaubigungsfunktion. Da aber die Kapitalmarktteilnehmer die objektive Qualität der Prüfung nicht zu beurteilen vermögen (s.o.), überträgt sich ihr Wunsch nach einer sorgfältigen und unabhängigen Prüfung indessen nicht auf die Motivation der Unternehmensleitung; die Kapitalmarktkontrolle (capital market control) versagt. Die Adressaten des Jahresabschlusses können sich lediglich an der Reputation des Prüfers orientieren. Auch für den Prüfungsmandanten bzw. seine Unternehmensleitung ist daher in erster Linie der gute Name des Abschlussprüfers entscheidend.75 Die Qualität der Arbeit ist allenfalls zweitrangig. Vielmehr kann einzelnen Vorstandmitgliedern, die den Gestaltungsspielraum bei der Rechnungslegung zu Beschönigung der tatsächlichen Unternehmenslage strapazieren, an einem besonders gewissenhaften Prüfer wenig gelegen sein. 76 (3) Folgen Die Reputation, nicht die Qualität seiner Leistung, ist daher der entscheidende Aktivposten und die wichtigste Eigenschaft des Prüfers im Wettbewerb um Mandate. Hingegen produziert der Prüfungsmarkt keinen Marktwert der Prüfungsleistung, die ihrer Qualität entspräche. Das mag paradox klingen, ist es doch gemeinhin der freie Markt, der den „richtigen“ Preis über Angebot und Nachfrage bildet. Die Qualität der Prüfung bestimmt sich jedoch anhand objektiver Kriterien und ist im Gegensatz zu ihrem Marktwert von subjektiven Erwartungen und Vorstellungen unabhängig.77 Auf dem Prüfungsmarkt besteht hingegen das Problem, dass die eigentlichen Nutzer des Testats (Gesellschafter, Anleger und Kreditgeber), zum einen seine objektive Güte nicht be74
Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 487. Hierzu s.o. bei § 4, B. III. 1. a). 76 Ein positiver Jahresabschluss erleichtert beispielsweise die Akquise von Investoren, den Zugang zu externen Kapitalquellen. Zudem ist die Vergütung der Unternehmensleitung nicht selten an den Aktienkurs gekoppelt. Statt vieler s. Seibert, WM 1997, 1, 6 f; Heukamp, ZHR 169 (2005), 471 Fn. 48 m.w.Nachw. 77 Dies ergibt sich daraus, dass die Pflichten des Abschlussprüfers aus Gesetz folgen. Hierzu s. im Einzelnen oben bei § 1, A. II. 2. m.w.Nachw. 75
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urteilen können (s.o.) und zum anderen nicht die faktische Nachfrage repräsentieren. Zwar ist beispielsweise in Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern, die Aktionärshauptversammlung mit der Bestellung des Abschlussprüfers betraut (§ 318 Abs. 1 S. 1 HGB), in der Praxis aber ändert dies wenig daran, dass der Vorstand gewichtigen Einfluss auf die Auswahl des Prüfers hat – obgleich seine eigene Leistung Gegenstand der Prüfung ist.78 Um diesem Problem entgegenzuwirken, bestimmt das deutsche Recht nunmehr, dass für eine Aktiengesellschaft – im Unterschied zu früher – nicht der Vorstand, sondern der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag erteilt (§ 111 Abs. 2 S. 3 AktG).79 Im Grundsatz und insbesondere bei rechtsordnungsübergreifender Betrachtung ist die Situation jedoch nach wie vor die, dass auf dem Prüfungsmarkt zwar ein Bedürfnis, aber keine diesem Bedürfnis entsprechende Nachfrage nach einer hohen Prüfungsqualität besteht. Aktionäre größerer Publikumsgesellschaften sind regelmäßig zu diversifiziert und häufig zu weit von den Alltagsgeschäften des Unternehmens entfernt, als dass ihnen eine Koordination des gemeinsamen Willens und Ausübung einer effektiven Kontrolle möglich wäre.80 Die potentiellen Anleger und Kreditgeber sind ohnehin nicht Auftraggeber des Abschlussprüfers. Ein Vorstandsmitglied der Prüfungsgesellschaft Ernst & Young fasst den Konflikt des Abschlussprüfers folgendermaßen zusammen: „Aus Kundensicht wird Qualität wahrgenommen, wenn man die Erwartungen der Kunden erfüllt oder, noch besser, übererfüllt. (.....) Hier zeigt sich natürlich sofort das Problem der Abschlussprüfungen. Wer ist der Kunde? Mit der Abschlussprüfung schaffen wir Werte für Personen, die hinterher nicht unsere Rechnungen zahlen.“81 Dem Prüfer fehlt daher der Anreiz, Anstrengungen – insbesondere Kostenaufwendungen – zu unternehmen, um die Prüfungsqualität zu steigern. Zudem eröffnet die Qualität der Prüfer dem Anbieter auch kaum Möglichkeiten, sich gegenüber anderen Konkurrenten auf dem Markt hervorzuheben.82 So komplex der Prüfungsvorgang selbst auch sein mag, das Testat ist im Ergebnis ein
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Sunder, WPg 2003, 141, 143. Die Vorschrift gilt, sofern ein Aufsichtsrat besteht, auch für GmbHs. Zum Ganzen s. im Einzelnen MünchKommHGB/Ebke, § 318 Rn. 25 f. 80 Auch bei konzentriertem Unternehmenseigentum besteht jedoch die Gefahr, dass der Abschlussprüfer als Torwächter versagt. Problematisch ist hier weniger der Informationsvorsprung des Managements vor den Aktionären, der zu Bilanzmanipulationen einlädt, als vielmehr der potentielle Einfluss der (Mehrheits)Aktionäre auf den Abschlussprüfer (Gefahr für die Unabhängigkeit). Im Einzelnen s. Coffee, in: Armour/McCahery (Hrsg.), After Enron, S. 215, 228 ff. 81 Zitiert aus Petersdorf, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 35 (vom 2.9.2007), 37. 82 S. hierzu Wiedemann, WPg 1998, 338, 341 f. 79
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Einheitsprodukt, eine „Standarddienstleistung“.83 Insbesondere der internationale Prüfungsmarkt ist stark konzentriert und wird als Oligopol im Wesentlichen von den so genannten Big Four-Prüfungsgesellschaften dominiert,84 die sich in ihrer Unternehmensstruktur und der Qualifikation ihrer Mitarbeiter kaum unterscheiden. Solange eine Prüfungsgesellschaft davon ausgehen kann, dass sich ihre Konkurrenten ähnlich verhalten, besteht für sie keine wirtschaftliche Notwendigkeit, ihre Sorgfaltsbemühungen über das durchschnittliche Maß hinaus zu erhöhen.85 Als einziger Differenzierungsparameter am Markt verbleibt der Preis. Die Anbieter sind daher gezwungen, die Prüfungsgebühren über Zeit und Kostenersparnis, etwa durch den Einsatz weniger qualifizierten Personals und Anwendung weniger aufwändiger Tests,86 zu senken.87 Eine starke und ungezügelte Konkurrenz auf dem Prüfungsmarkt mag zwar nicht die Ursache dafür sein, dass der Wettbewerb unter Abschlussprüfern in einen reinen Preiskampf (low balling) umschlägt, 88 aber sie fördert eine solche Entwicklung, indem sie den Druck auf den Prüfer erhöht (Sorgfalts)Kosten einzusparen. Ein freier und intensiver Wettbewerb auf dem Markt für Prüfungsdienstleitungen wirkt sich mithin nicht zwingend positiv auf die Qualität der Prüfung aus.89 Im Gegenteil besteht vielmehr die Gefahr, dass sich die Prüfertätigkeit zu einem kaum gewinn- oder gar verlustbringendem Geschäft entwickelt und der Wirtschaftsprüfer daher wirtschaftlich gezwungen ist, die Jahresabschlussprüfung mit dem lukrativeren Beratergeschäft zu verbinden.90 Aus diesem Geschäftsmodell, das sich heute alle großen Prüfungsgesellschaften zueigen gemacht haben, erwachsen neue Gefahren für die Unabhängigkeit der Prüfung. b) Mangelnde Unabhängigkeit Je unabhängiger der Abschlussprüfer, desto größer ist der Wert des Prüfungstestats für die Adressaten des Jahresabschlusses.91 Entgegen des Idealbilds eines Torwächters steht der Abschlussprüfer als privater Dienstleistender jedoch unter dem Einfluss persönlicher Verbindlichkeiten, ökonomischer Zwänge und Versuchungen (moral hazards). Diesen Druck übt zu einen in 83
Wiedemann, WPg 1998, 338, 342. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 14 ff. 85 Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 163. 86 Im Einzelnen s. Sunder, WPg 2003, 141, 143. 87 In diese Richtung z.B. auch K. Müller, Unabhängigkeit, S. 24; P.-J. Schmidt in: M. Richter (Hrsg.), Theorie & Praxis, S. 236, 236 f.; Sunder, WPg 2003, 141, 143; Wiedemann, WPg 1998, 338, 342; Quick, DBW (2000), 60, 61. 88 Grundlegend DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). 89 Sunder, WPg 2003, 141. 90 Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 485; Sunder, WPg 2003, 141, 143 f. 91 S.o. bei § 3, A. II. 1. 84
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nicht unerheblichem Maße die prüfungspflichtige Gesellschaft selbst aus, indem sie sich unter Umständen einer unliebsamen Kontrolle zu entziehen versucht, „by shopping on the market for a compliant gatekeeper or by attempting to corrupt a familiar gatekeeper.“92 Die Jahresabschlussprüfung wird in Europa gerade nicht durch staatliche Prüfungsbehörden sondern durch Private durchgeführt.93 Mit der Tätigkeit der Abschlussprüfer als Freiberufler geht einher, dass sie den Zwängen des Marktes für Prüfungsdienstleistungen – dem Wettbewerb miteinander und der wirtschaftlichen Abhängigkeit von der Nachfrage nach ihren Leistungen – unterworfen sind.94 An die Person des Abschlussprüfers stellen Gesetz und öffentliche Erwartungen jedoch besondere Anforderungen, die ihn von anderen Marktakteuren abheben: Der Abschlussprüfer soll unabhängig sein. Eine enge Mandantenbindung – selbst eine ausgeprägte Interessenkonvergenz, die bei anderen Freiberuflern völlig unbedenklich wäre – stellt eine potentielle Gefahr für die Funktion der Jahresabschlussprüfung dar. Zudem ist der Abschlussprüfer in der Praxis in besonderem Maße auf die Fortführung einer bereits bestehenden Geschäftsbeziehung angewiesen. Diese für den Abschlussprüfer typische spezifische Mandantenbindung räumt dem prüfungspflichtigen Unternehmen eine erhebliche Machtposition ein, welche die Wahrscheinlichkeit einer „wohlwollenden“ Prüfung erhöht.95 (1) Dauerhafte Geschäftsbeziehungen (Quasirentenmodell) In den 1980er Jahren stellte DeAngelo erstmals den theoretischen Zusammenhang zwischen der Struktur der Prüfungskosten und -gebühren in einem mehrjährigen Prüfungszyklus und der Unabhängigkeit des Abschussprüfers dar.96 Der Grundthese des Modells zufolge erwirtschaftet der Prüfer zu Beginn seiner Tätigkeit für ein bestimmtes Unternehmen so genannte Quasirenten, von denen er bei Fortführung des Mandats profitiert. Die Ursache liegt in der erheblichen Differenz zwischen den Kosten einer Erst- und jeder Folgeprüfung. Die erstmalige Prüfung einer Gesellschaft ist mit hohen Aufwendungen ver92 Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53, 64 (1986). In diesem Sinne auch Ebke, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 507, 518 f. 93 Hierzu s. bereits oben § 1, A. II. 2. 94 M. Richter, Sicherung der aktienrechtlichen Publizität, S. 136. 95 Zu diesem Phänomen in Europa s. auch Buijink/Maijoor/Meuwissen/Witteloostijn, Role, Position and Liability, S. 117. 96 DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). Andere Autoren haben ihr Quasirentenmodell weiterentwickelt und teilweise abgewandelt. S. insbesondere die Ansätze von Magee/Tseng, 65 Acct. Rev. 315 (1990) sowie von Gigler/Penno, 70 Acct. Rev. 317 (1995) und von Lee/Gu, 73 Acct. Rev. 533 (1998). Überblicke und kritische Würdigung der verschiedenen Modellabwandlungen finden sich bei Stefani, Abschlussprüfung, S. 93 ff.; K. Müller, Unabhängigkeit, S. 28 ff; Ewert, in: M. Richter (Hrsg.), Theorie und Praxis, Bd. II, S. 35, 41–50.
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bunden. Bei jeder weiteren Prüfung kann der Prüfer jedoch auf den Grundstock an gewonnenen Erstinformationen zurückgreifen. Es ist ihm daher möglich, die Prüfung im Folgejahr – als einziger Marktanbieter – zu erheblich geringeren Kosten durchzuführen. Die Weiterbetreuung eines Mandats ist daher gegenüber der Neuaufnahme eines Mandats für den Abschlussprüfer in doppelter Hinsicht vorteilhaft: Zum einen spart er die Kosten des Mandantenwechsels (Transaktionskosten), die mit jeder Begründung einer neuen Geschäftsbeziehung anfallen.97 Zum anderen kann er bei Veranschlagung eines konkurrenzfähigen Preises eine höhere Gewinnmarge erzielen. Der ökonomische Anreiz zur Weiterführung des Mandats wird durch das Phänomen des low balling noch verstärkt.98 Um nämlich mit dem bisherigen Prüfer um ein neues Mandat konkurrieren zu können, müssen alle Markanbieter bereit sein, die Erstprüfung zu einem unter den tatsächlichen Kosten liegenden Preis anzubieten. Gewinne aus Folgeprüfungen sind daher nicht nur willkommene Einkünfte: Sie sind notwendig, damit sich die Investitionen in die Aufnahme der Mandantenbeziehung – die Verluste der Erstprüfung – rentieren. (2) Umfassende Geschäftsbeziehung („Full Service“-System) Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Prüfers von der Fortführung einer Mandantenbeziehung erhöht sich, wenn nicht nur die Renteneinkünfte aus zukünftigen Prüfungsdienstleistungen, sondern ebenfalls Einkünfte aus Nichtprüfungsdienstleistungen (non-audit services), insbesondere aus Beratung, zur Disposition stehen.99 In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Beratergeschäft zur entscheidenden Einnahmequelle der Wirtschaftsprüfer entwickelt. Die gesetzliche Jahresabschlussprüfung dient unterdessen vornehmlich als „Türöffner“.100 Nicht nur der Preisverfall auf dem Abschlussprüfermarkt hat diesen Trend gefördert, sondern auch die wachsende Nachfrage der prüfungspflichtigen Unternehmen nach zeitnahen und zukunftsorientierten Informationen.101 Dieser moderne Prüfungsansatz (business audit)102 ermöglicht es dem Wirtschaftsprüfer, bereits während der Abschlussprüfung wertvolle Informa97
Hierzu zählen die Kosten der erstmaligen Kontaktaufnahme, Vertragsverhandlungen etc. Hierzu s. DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113, 118 (1981). 98 Entgegen früher vertretener Meinung ist das low balling aber nicht die Ursache für die wirtschaftliche Abhängigkeit der Prüfer, sondern vielmehr nur Folge ihres Wettbewerbs um Quasirenten. S. DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113 (1981). Ebenso Ewert, in: M. Richter (Hrsg.), Theorie und Praxis, Bd. II, S. 35, 51. 99 Heni, DStR 1997, 1210, 1211; Klook, DB 1975, 845, 846; Scheffler, WPg 2002, 1289, 1290; Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 440. 100 Dörner, WPG 1998, 302, 302; Sunder, WPg 2003, 141, 144; P.-J. Schmidt, WPg 1998, 319; ders., Diskussionsbeitrag, in: M. Richter (Hrsg.), Theorie und Praxis, Bd. I, S. 236. 101 Dörner, WPG 1998, 306 f. 102 Zur Entwicklung vom vergangenheitsorientierten financial audit zum risiko- und zukunftsorientierten business audit s. z.B. C.-P. Weber, in: FS Baetge, S. 781, 793.
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tionen für weiterreichende Beratungsleistungen zu sammeln. Er kann seinem Prüfungsmandanten für verhältnismäßig geringen zusätzlichen Kostenaufwand eine umfassende Betreuung anbieten. Die Kombination von Prüfung und Beratung birgt unbestreitbare ökonomische Vorteile;103 sie vermeidet insbesondere einen doppelten Aufwand zur Beschaffung gleichartiger Informationen. Auf der anderen Seite ist die Vereinigung beider Tätigkeiten in einer Hand – oder zumindest unter einem Dach – mit einem Verlust an Prüferunabhängigkeit verbunden, dessen Kosten gegen ihre Synergieeffekte abzuwägen sind.104 Bei Einwendungen gegen den ihm vorgelegten Jahresabschluss riskiert der Prüfer nunmehr nicht nur den Verlust der Gewinne aus zukünftigen Prüfungs- sondern auch aus den Nichtprüfungshonoraren. Er wird dadurch empfänglicher für die Vorstellungen seines Mandanten.105 Die Sorge, dass die gleichzeitige Erbringung von Prüfungs- und prüfungsfremden Leistungen die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers beeinträchtigt, offenbaren auch Erwägungsgrund 11 und Art. 22 der Abschlussprüferrichtlinie aus dem Jahre 2006 (2006/43/EG)106 sowie das neue Grünbuch der Europäischen Kommission vom Oktober 2010.107 Der deutsche Gesetzgeber bemüht sich in §§ 319 Abs. 3 Nr. 3, 319 a Abs. 1 Nr. 2, 3 HGB ebenfalls um eine Trennung von Prüfung und Beratung.108 Abgrenzungsprobleme bei der Unterscheidung von im Hinblick auf eine gleichzeitige Abschlussprüfung zulässigen und unzulässigen Leistungen bleiben jedoch bestehen.109 (3) Persönliche Nähe (Befangenheit) Die Zusammenarbeit zwischen dem Prüfer und seinem Mandanten im Zuge der beratenden Tätigkeit schafft nicht nur ein wirtschaftliches Druckmittel in der Hand des prüfungspflichtigen Unternehmens. Sie birgt ebenfalls das Risiko, dass der Abschlussprüfer dem Prüfungsgegenstand nicht mehr unvorein103 Die gleichzeitige Prüfung und Beratung ermöglicht die mehrfache Nutzung zusammengestellter Informationen. Der Prüfer ist besser qualifiziert als viele andere Berater und hat ihnen gegenüber zudem einen Informations- und Vertrauensvorsprung. Hierzu s. Ballwieser, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 104 f.; C. Koch, Der Konzern 2005, 723, 725, Fn. 14; Kaminski/Marks, in: FS Havermann, S. 247, 274; Weißenberger, in: M. Richter (Hrsg.), Theorie und Praxis, Bd. I, S. 71, 74 ff. 104 In diesem Sinne auch Kaminski/Marks, in: FS Havermann, S. 247, 274; Nguyen, WPg 2005, 11, 16 f.; Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 437. 105 Ballwieser, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 109. Selbst wenn er nicht persönlich für die Beratung zuständig ist, so ist der zuständige Prüfungspartner letztlich doch der Einflussnahme seiner beratend tätigen Kollegen ausgesetzt. S. Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 44 f. 106 Zu den Hintergründen s. MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rn. 28 m.w.Nachw. 107 Europäische Kommission, Grünbuch, KOM(2010) 561 endg. 108 S. MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rn. 28, 54 ff. 109 MünchKommHGB/Ebke, § 319 Rn. 58 f.
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genommen gegenüber steht, weil er de facto im Rahmen der Prüfung seine eigene Arbeit, bzw. die Arbeit der beratend tätigen Partner seiner Gesellschaft, beurteilen muss. Inwieweit die gleichzeitige Beratung einer unparteiischen Abschlussprüfung entgegensteht, lässt sich nicht absolut bestimmen, sondern hängt wesentlich von der Natur der Tätigkeit und ihrer inhaltlichen Nähe zum Jahresabschluss ab.110 Ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Prüfern und den Mitgliedern des Vorstandes kann jedoch die Objektivität des Prüfungsurteils trüben. Ein solches Vertrauen muss nicht auf Bekannt- oder Verwandtschaft beruhen, es kann in einer langjährigen Geschäftsbeziehung wachsen;111 Routine kann zu Betriebsblindheit führen und den professionell-kritischen Blick trüben. Geschäftliche Verflechtung auf anderen Ebenen, beispielsweise weil der Abschlussprüfer selbst, seine Familienmitglieder oder Freunde an der Leitung des geprüften Unternehmens beteiligt oder Eigentümer sind, können offenkundig ebenfalls zu Interessenkonflikten führen. Freilich sind solche Konstellationen im Regelfall schon gesetzlich unzulässig.112 IV. Haftung: Kontrolle der Kontrolleure Die Qualität der Prüfung sieht sich, wie dargelegt, zwei wesentlichen Gefahrenquellen ausgesetzt: Zum einen kann die Nähebeziehung zur geprüften Gesellschaft eine unvoreingenommene Urteilsfindung durch den Prüfer vereiteln, zum anderen verfügen die Mandanten über erhebliche wirtschaftliche Druckmittel – Entzug der Quasirenten und der Einkünfte aus Nichtprüfungsdienstleistungen –, um den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk auch wider besseren Urteils des Prüfers durchzusetzen. Das soll keinesfalls heißen, dass die Abschlussprüfer tatsächlich so wenig redlich handeln, wie die Darstellung des theoretischen Grundkonzepts Glauben machen könnte. Objektiv sind sie jedoch Anreizen ausgesetzt, die im Widerspruch zu der Funktion ihrer Tätigkeit stehen. Die zivilrechtliche Haftung der Prüfer strebt, ebenso wie verschiedene andere Kontrollmechanismen, einen Ausgleich dieses Interes110
Zu den einzelnen Nichtprüfungsdienstleistungen und ihrer Vereinbarkeit mit der gesetzlichen Abschlussprüfung in Deutschland und der EU im Vergleich zu den USA s. ausführlich K. Müller, Unabhängigkeit, S. 146 ff. Zum Abgrenzungskriterium des BGH, der sog. „funktionalen Entscheidungszuständigkeit“ (Allweiler-Urteil, vom 21.4.1997, BGHZ 135, 260) s. Heni, DStR 1997, 1210, 1211; Ballwieser, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 99, 102 f.; Schindler/Rosin, in: Lutter (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer, S. 117, 129. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Neuregelung in § 319 a Abs. 1 Nr. 2 HGB zu. Hierzu s. Ring, WPg 2005, 197, 200 f. 111 Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 486; K. Müller, Unabhängigkeit, S. 95. Da insbesondere die Beratertätigkeit gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen voraussetzt, ist die Gefahr, dass der Prüfer sich mit den Interessen seines Mandanten identifiziert, bei gleichzeitiger Beratung und Prüfung besonders hoch. Vgl. Hellwig, ZIP 1999, 2117, 2122. 112 Für das deutsche Recht s. insbesondere § 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 1–3, S. 2 HGB.
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senkonflikts an. Von der Bedeutung seiner Reputation für den Prüfer erhofft man sich ebenfalls eine regulierende Wirkung. Im Folgenden soll ein Versuch unternommen werden, die Haftung funktional in die den Prüfer umgebende Anreizstruktur sowie das Gesamtgefüge des Kontrollsystems für Abschlussprüfer einzugliedern. 1. Reputation als Gegengewicht? Die Reputation des Abschlussprüfers soll ein Gegengewicht zu den im vorangehenden Abschnitt beschriebenen negativen Anreizstrukturen bilden. Sie ist der „ökonomische Erklärungsschlüssel“ zu der Torwächterstellung des Abschlussprüfers.113 Da es den Abnehmern der Prüfungsdienstleistungen in erster Linie auf die Außenwirkung ankommt, ist der „gute Ruf“ für den Abschlussprüfer Grundlage seiner wirtschaftlichen Lebensfähigkeit.114 Diese Tatsache illustriert in drastischer Weise der Niedergang der ehemaligen Big Five-Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen, der letztlich nicht auf die Schadensersatzforderungen, sondern auf die Reputationsschädigung infolge des Enron-Skandals zurückzuführen war. Der Abschlussprüfer muss in seinen guten Namen investieren. Er muss sich, da er in vielen Ländern wettbewerbsbeschränkenden Bestimmungen, insbesondere Werbeverboten, unterliegt, zunächst als so genannter repeat player auf dem Markt bewähren. Die Kosten eines Reputationsverlustes bei Aufdeckung von „Nachlässigkeiten im Zusammenhang mit der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung“115 können die aus einem Fehlverhalten resultierenden Gewinne (Quasirenten etc.) und Kostenersparnisse (durch eingeschränkte Sorgfaltsaufwendungen) deutlich reduzieren.116 Freilich verlässt sich kein Regelgeber auf die abschreckende Wirkung eines Reputationsverlustes allein. Gesetzliche und standesrechtliche Vorschriften haben daher ein umfassendes Kontrollsystem geschaffen, das die Qualität der Jahresabschlussprüfung sicherstellen soll. 2. Abschlussprüferhaftung im Gesamtgefüge des Kontrollsystems Die zivilrechtliche Haftung ist nur eines von vielen Mitteln zur Sicherung der Prüfungsqualität.117 Ihre Bedeutung kann nicht losgelöst von dem Kontrollsystem in seiner Gesamtheit beurteilt werden. Alle Initiativen setzen an der Urteilsfähigkeit und Urteilsfreiheit – an dem „Zwillingsgestirn“ der Prüfungs113
Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 161. Statt vieler s. Gelter, WPg 2005, 486, 487. 115 So wortwörtlich die Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 5. 116 Gelter, WPg 2005, 486 schlägt daher auch vor, den Wert der Reputation mit dem erwarteten Einkommen aus Quasirenten gleichzusetzen. Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 4, A. I. 2. a) (1). 117 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 176 f. 114
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qualität118 – an. Ihre Wirkungsweise unterscheidet sich jedoch. Eine hohe Prüfungsqualität setzt, wie oben dargelegt, viererlei Eigenschaften des Prüfers voraus: Berufliche Qualifikation und äußere Unabhängigkeit als externe Merkmale seiner objektiven Eignung sowie die Motivation zur Anwendung der gebotenen Sorgfalt im konkreten Fall und die innere Unabhängigkeit als subjektive Merkmale seiner internen Haltung.119 Anhand ihrer Angriffspunkte und Wirkungsweise lassen sich die Instrumente zur Qualitätskontrolle in drei Hauptkategorien unterteilen.120 Eine erste Gruppe ist primär121 auf die nachträgliche Aufdeckung von Prüfungsfehlern gerichtet; man kann insoweit auch von einer „Kontrolle im engeren Sinne“ sprechen. Sie vereinigt alle Maßnahmen, die eine Überprüfung der Prüfungsleitung beinhalten und auf diese Weise die Transparenz des Prüfungsmarktes steigern. Hierzu zählen insbesondere die Berufsaufsicht und externe Qualitätskontrollen, monitoring oder peer review.122 Die zweite Gruppe zielt auf Prävention von Prüfungsfehlern durch Verbesserung der äußeren Qualitätsmerkmale. Diesem Typus gehören zum einen all diejenigen Regeln an, die ein adäquates fachliches Niveau der Prüfungsanbieter gewährleisten, also insbesondere Vorschriften über Ausbildung, Fortbildung und Berufszulassung sowie im weiteren Sinne allgemeine Prüfungsstandards und sonstige Orientierungshilfen. Zum anderen erfasst diese zweite Gruppe auch solche Kontrollmechanismen, die schon der Entstehung bestimmter Zwangslagen, die durch mangelnde äußere Unabhängigkeit des Prüfers bedingt sein können entgegenwirken. Man denke nur an spezielle Ausschlussgründe für die Prüfung, insbesondere Vorschriften über die Unvereinbarkeit bestimmter Tätigkeiten und Umsatzabhängigkeitsgrenzen123 sowie Gebote der internen oder externen Prüferrotation.124 Die zivilrechtliche Haftung des Prüfers reprä118 Vgl. Moizer, Introduction, in: Moizer (Hrsg.), Governance and Auditing, S. xiv: „twin aspects“. 119 S.o. bei § 3, A. II. 1. 120 Einen Vorschlag zur funktionalen Differenzierung innerhalb des Qualitätskontrollsystems für Abschlussprüfer s. Lück, DB 2000, 1, 2 f., der insoweit zwischen Planungs-, Informations-, Kontroll- und Steuerungssystem differenziert. 121 Freilich wohnt dem Wissen um die nachträgliche Kontrolle immer auch eine präventive Wirkung bei inne. 122 Ausführlich hierzu Kragler, Wirtschaftsprüfer; s. auch K. Müller, Unabhängigkeit, S. 207 ff. 123 S. z.B. §§ 319, 319 a, 319 b HGB. 124 In einem System der externen Rotation ist die Hoffnung des Prüfers, aus der gleichen Geschäftsbeziehung zukünftige Gewinne zu erzielen, von vornherein ausgeschlossen oder zumindest geringer. Die externe Rotation setzt auf diese Weise – wenigstens in der Theorie – das Quasirentenmodell, das auf eine periodische Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehung ausgelegt ist (multiperiod world), außer Kraft. Die externe Rotation mindert den wirtschaftlichen Anreiz, wohlwollend im Sine des Auftraggebers zu prüfen. Hierzu s. DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113, 116 (1981); Nguyen, WPg 2005, 11, 16 ff. Freilich gilt dies nur bei ent-
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sentiert die dritte Gruppe. Sie wirkt präventiv verhaltenssteuernd auf die innere Motivation des Prüfers ein. Ähnlich wie der drohende Verlust der Reputation soll sie ein Gegengewicht zu den Anreizen bilden, die mit der parteiischen und weniger sorgfältigen Prüfung einhergehen.125 Das Haftungsrisiko kann materielle Vorteile ausgleichen, die dem Prüfer aus einer tendenziösen Bewertung zu Gunsten seines Mandanten entstehen. Es kann die durch einen geringeren Sorgfaltsmaßstab ermöglichten Ersparnisse ganz oder teilweise verzehren. Zudem verstärkt die zivilrechtliche Haftung den Reputationseffekt, weil ein vor Gericht ausgetragener Schadensersatzprozess die Öffentlichkeit erhöht.126 3. Fazit In der Gesamtschau sind insbesondere die Interdependenzen zwischen der Haftung und den Maßnahmen zur Minimierung der äußeren Abhängigkeit evident: Bedarf für eine Verhaltenssteuerung durch Haftung besteht nur unter sprechend kurzen Rotationszyklen. Ein Prüfer der ein Unternehmen über mehrere Jahre prüfen darf (s. nur § 319 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HGB), wird seine Kostenplanung darauf ausrichten, dass er sein Mandat über diesen Zeitraum hält. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht daher auch im Rahmen einer solchen Geschäftsbeziehung. Ein Prüfer hingegen, der eine Gesellschaft nur ein einziges Mal prüfen und ihr keine über die Prüfung hinausgehenden Beraterdienste anbieten dürfte, wäre gezwungen, die Einzelprüfung als sich finanziell selbst tragendes Geschäft auszugestalten. Er wäre – abgesehen von möglichen Auswirkungen auf seinen Ruf – frei von dem wirtschaftlichen Druck, seinen Mandanten zufrieden stellen zu müssen, da die Konnexität zwischen dem aktuell zu treffenden Prüfungsurteil und zukünftigen Gewinnchancen aus Prüfungs- oder Beratungshonoraren aufgehoben wäre. Entsprechende Vorschläge wurden in der Vergangenheit diskutiert, jedoch soweit ersichtlich in keiner Rechtsordnung in dieser Radikalität umgesetzt. S. Sunder, WPg 2003, 141, 145 zu der Entwicklung in den USA. Kritisch hingegen zur Effektivität einer gesetzlichen Rotationspflicht auf dem oligopolistischen Prüfungsmarkt für große und sehr große Unternehmen Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 214 (2003), 45, Fn. 87: „(...) it will likely lead to only reciprocal swaps of clients among audit firms.“ Einen ähnlichen Effekt wie die externe Rotation könnte auch ihr Gegenentwurf erzielen: das Verbot des Prüferwechsels oder alternativ die Einführung einer Offenlegungspflicht für die Gründe der Abbestellung eines Prüfers. Die Möglichkeiten der Mandanten, die Kooperation des Prüfers zu „erpressen“, würden durch eine solche Lösung ebenfalls erheblich eingeschränkt. Hierzu s. auch DeAngelo, 3 J. Acct. & Econ. 113, 124 (1981). Im Gegensatz zur externen Rotation verpflichtet die interne Rotation, wie sie das deutsche Recht vorsieht (§ 319 a Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HGB), nicht notwendigerweise zum regelmäßigen Wechsel der beauftragten Prüfungsgesellschaft, sondern lediglich zum Austausch des für einen bestimmten Mandanten verantwortlichen Partners. Sie mindert nicht die wirtschaftliche Abhängigkeit der Prüfungsgesellschaft, soll jedoch der Vermeidung von „Betriebsblindheit“ der Prüfungsverantwortlichen auch in längeren Geschäftsbeziehungen dienen. S. MünchKommHGB/Ebke, § 319 a Rn. 30 m.w.Nachw. 125 In diesem Sinne zu den Torwächtern im Allgemeinen Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 10. 126 Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 493.
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der Bedingung, dass der Prüfer Anlass hat, parteiisch und nachlässig zu prüfen; also stets dann, wenn es nicht möglich ist, Bedingungen für einen hinreichend transparenten und funktionsfähigen Prüfungsmarkt zu schaffen und die äußeren Abhängigkeitsstrukturen zwischen dem Prüfer und seinem Mandanten aufzulösen.127 Haftung ist nur ein Mittel unter vielen, um die Qualität der Jahresabschlussprüfung zu erhöhen. Eine Alternative ist stets, andere Anreize für höhere Sorgfalt zu setzen und seine Unabhängigkeit zu fördern. Alle Ansätze haben auch negative Nebenfolgen. Die Lösung wird damit in der richtigen Kombination unterschiedlicher Methoden liegen. Nach dieser Einsicht handelt offenkundig auch die Europäische Kommission, die am 13.10.2010 ein Grünbuch für „Weiteres Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung: Lehren aus der Krise“ veröffentlicht hat.128 In diesem Grünbuch weist die Kommission insbesondere auf das Problem mangelnder wirtschaftlicher Unabhängigkeit der Abschlussprüfer hin und erörtert die Möglichkeiten, die Bestellung und Vergütung des Abschlussprüfers zukünftig durch eine Regulierungsbehörde vornehmen zu lassen, eine (externe) Rotationspflicht einzuführen, eine weitergehende Trennung von Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen durchzusetzen und die Vergütungsstrukturen von Prüfungsgesellschaften offen zu legen. 129 B. Ein Effizienzbegriff für die Abschlussprüferhaftung Der vorangehende Abschnitt hat sich mit dem theoretischen Modell der Jahresabschlussprüfung beschäftigt. Ziel war es, die Rolle der zivilrechtlichen Haftung in diesem Zusammenhang, insbesondere ihre Funktion als verhaltenssteuerndes Mittel zur Sicherung der Prüfungsqualität, zu konkretisieren. Die Haftung soll dazu beitragen, die Sorgfalt und Unabhängigkeit des Prüfers zu steigern. Zudem kommt ihr eine vertrauensstiftende Funktion innerhalb der Rechts- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie insbesondere auf dem Kapitalmarkt zu. Eine übermäßige Haftung kann indessen nicht nur eine Bedrohung für die Existenz des haftenden Prüfers, sondern eine Gefahr für das gesamte Prüfungswesens und den Kapitalmarkt darstellen.130 Es deutet sich ein Zielkonflikt an, den es im Rahmen dieses Abschnitts aus ökonomischer Perspektive zu untersuchen gilt. Der vorige Abschnitt (§ 3: A.) hat die Funktion der Haftung im ökonomischen Kontext und mit Blick auf das Vorhaben der Europäischen Kommission präzisiert. Nachdem die Frage geklärt ist, warum der 127 Zu dem Zusammenhang zwischen der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und der Notwendigkeit seiner zivilrechtlichen Haftung s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 262 ff. 128 Europäische Kommission, Grünbuch, KOM(2010) 561 endg. Hierzu s. die Stellungnahme von W. Doralt/Fleckner/Hopt/Kumpan/Steffek/R. Zimmermann/Hellgardt/Augenhofer, Comments on the European Commission Green Paper. 129 Europäische Kommission, Grünbuch, KOM(2010) 561 endg., Tz. 3. 130 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 4, B.
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Prüfer – aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive131 – haften soll, ist nun zu erörtern, wie viel Haftung ökonomisch sinnvoll ist. Das Schadensersatzrecht kann den einmal eingetretenen Schaden nicht aus der Welt schaffen, sondern nur sinnvoll und gerecht unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen – denen des Schädigers, des Geschädigten und der Allgemeinheit – eine Verteilung des Schadens anordnen.132 Aus juristischer Perspektive soll das Schadensersatzrecht eine gerechte Schadensverteilung zwischen der geschädigten und der schädigenden Person gewährleisten und insgesamt einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Rechtsgüterschutz und Handlungsfreiheit finden.133 Aus ökonomischer Perspektive kommt der Haftung eine andere Aufgabe zu. Sie soll, ebenso wie das Gesellschaftssystem in seiner Gesamtheit, der Wohlfahrtssteigerung dienen. Der Wert einer Haftungsregel bemisst sich danach, ob sie unter dieser Maßgabe effizient ist. Ziel dieses Abschnitts ist es, die Grundvoraussetzungen für ein effizientes – und mithin gesamtwirtschaftlich sinnvolles – Abschlussprüferhaftungssystem aufzustellen. Um insbesondere dem juristischen Leser den Umgang mit dieser Themenstellung zu erleichtern, wird eine kurze Einführung in die ökonomische Analyse des Rechts am Anfang stehen, die vor allem den schillernden Begriff der „Effizienz“ für die Zwecke der Untersuchung greifbarer machen soll. Im Anschluss daran wird speziell auf die ökonomische Analyse des Schadensersatzrechts einzugehen sein, um auf diesen Erkenntnissen aufbauend eine eigenständige Definition der effizienten Abschlussprüferhaftung formulieren zu können. I. Der Effizienzbegriff in der ökonomischen Analyse des Rechts Der in den USA aus dem Rechtsrealismus des 20. Jahrhunderts heraus entwickelte Forschungsansatz oder, vielleicht treffender, das „facettenreiche Phänomen“134 der economic analysis of law hat sich unter dem Begriff der ökonomischen Analyse des Rechts nicht nur im Sprachgebrauch, sondern, wenngleich schleppend,135 auch als Argumentationsansatz im deutschsprachigen rechtswissenschaftlichen Diskurs etabliert. Von einem ungetrübten Siegeszug der ökonomischen Analyse des Rechts kann jedoch, zumindest in kontinentaleuropäischen Rechtskreisen, keine Rede sein.136 Furcht oder Ignoranz der Juristen ist freilich ebenso wenig ein Argument für oder gegen den rechtsöko131
Dem Opferausgleich, der aus juristischer Perspektive an erster Stelle steht, kommt in der Rechtsökonomie kein eigenständiger Wert zu. Seine Bedeutung ergibt sich vielmehr aus der Versicherungsfunktion der Schadensersatzpflicht. Hierzu s. Gelter, WPg 2005, 486, 490. 132 Statt vieler s. Großfeld, in: FS Coing, S. 111, 112 f. m.w.Nachw. 133 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 5, C. II. 1. 134 Kübler, Effizienz als Rechtsprinzip, in: FS Steindorff, S. 687. 135 S. nur Kötz, ZVersWiss 1994, 57, 58. 136 Zur Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts s. unten bei § 3, B. I. 2. a).
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
nomischen Lösungsweg wie die Vorurteile des Wirtschaftswissenschaftlers gegenüber seinem rechtsgelehrten Kollegen es sein mögen. Es ist vielmehr notwendig, sich näher mit der Methode und den Beweggründen der Rechtsökonomik auseinandersetzen, um beurteilen zu können, ob überhaupt und in welchem Umfang wirtschaftliche Analysen zur Lösung juristischer Probleme beitragen können. 1. Grundkonzept der ökonomischen Analyse des Rechts Den Grundstein der ökonomischen Analyse des Rechts legte bereits Smith in seinem Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ (1776). Seine Theorien zu den Mechanismen und der natürlichen Ordnung des freien Marktes sowie der Hypothese über das eigennützige Verhaltens der Wirtschaftssubjekte ebneten den Weg für die sozialwissenschaftlich orientierte Ökonomie, oder auch Ökonomik,137 zu der heute auch die ökonomische Analyse des Rechts zählt. Posner unterscheidet insoweit zwischen der von Smith begründeten Ökonomie, die sich mit der Ordnung und den Gesetzen des freien Marktes beschäftigt, und der auf Bentham zurückgehenden ökonomischen Analyse nichtmarktlichen menschlichen Verhaltens (nonmarket behavior).138 Die ersten Vorstöße auf das Gebiet des Rechts unternahmen Coase und Calabresi in ihren unabhängig voneinander in den Jahren 1960 und 1961 veröffentlichten Aufsätzen „The Problem of Social Cost“139 und „Some Thoughts on Risk Distribution and the Law of Torts“.140 Posner führte ihre grundlegenden Gedanken in seinem 1973 erstmals erschienenen Lehrbuch „Economic Analysis of Law“ weiter.141 Er entwarf, auf den mikroökonomischen Schlussfolgerungen Coases aufbauend, ein utilitaristisch142 ausgerichtetes wissenschaftliches Universalkonzept für die Gestaltung rechtlicher Lösungen.143 Bis in die Gegenwart hinein bildet das coase-posnersche Erbe das Herzstück der Rechtsökonomik. Die Arbeiten Calabresis zur Haftung für Unfallschäden bilden nach wie vor die Grundlage der ökonomischen Analyse des Schadensersatzrechts. Die deutsche Literatur ist insbesondere durch die Arbeiten H.-B. Schäfers, Otts und Eidenmüllers geprägt. Bis zum heutigen Tage sind zahlreiche Abhandlungen zur ökonomischen Analyse aller nur denkbaren Rechtsgebiete erschienen.144 In ihrem Verständ137
Eidenmüller, Effizienz, Fn. 6. Posner, 46 U. Chi. L. Rev. 281, 281 f. (1979). 139 Coase, 3 J. L. & Econ., 1 ff. (1960). 140 Calabresi, 70 Yale L.J. 499 ff. (1961). 141 Posner, Economic Analysis of Law. 142 Zum Erbe des Utilitarismus und seine Auswirkungen auf die ökonomische Analyse des Rechts s. Eidenmüller, Effizienz, S. 22 ff. 143 Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S. 16. 144 Zur ökonomischen Analyse des Strafrechts s. Becker, 76 J. Pol. Econ. 169 (1968). 138
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nis von der Zielsetzung, Geltungsreichweite und Relativität der Rechtsökonomik unterscheiden sich die Beiträge teilweise erheblich. Man kann daher nur noch eingeschränkt von „der“ ökonomischen Analyse des Rechts sprechen. Vom kleinsten gemeinsamen Nenner ausgehend lässt sich die ökonomische Analyse des Rechts als der Versuch definieren, das Instrumentarium der Wirtschaftswissenschaften für die Behandlung rechtlicher Probleme fruchtbar zu machen.145 Ökonomen bieten Juristen eine wissenschaftliche Theorie an, die den Einfluss des Rechts auf das menschliche Verhalten zu erklären vermag.146 Wenn die ökonomische Analyse des Rechts sich auch auf einigen fragwürdigen – realitätsfernen – Annahmen gründet, die berechtige Zweifel an der Aussagekraft ihrer Ergebnisse schüren, so besticht sie doch durch konkrete Ergebnisse und einen soliden theoretischen Unterbau.147 Sie ist bislang konkurrenzlos in der Folgenforschung auf dem Gebiet des Rechts.148 Mit der Erklärung und Vorhersage menschlicher Reaktionen auf Recht und Gesetz, der so genannten positiven Analyse,149 begnügt sich die Rechtsökonomik freilich nicht. Sie stellt vielmehr den Anspruch, ein eigenes rechtsökonomisches Konzept vorzugeben und unterschiedliche Regelungsmodelle bewerten zu können (sog. normative Analyse).150 a) Ziel: Gesellschaftliches Wohlfahrtsoptimum Der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie liegen drei wesentliche Annahmen zu Grunde: Die Prämisse der Güterknappheit, die Maxime rationalen Handelns (Nutzenmaximierung) und die These des eigennützigen Verhaltens.151 Das Ausgangsproblem, mit der sich die Ökonomie konfrontiert sieht, liegt darin, dass menschliche Bedürfnisse prinzipiell grenzenlos, die Mittel zu ihrer Befriedigung jedoch beschränkt sind. Aus dieser theoretischen Ausgangssituation folgt das Postulat der Nichtverschwendung und die Maxime der Nutzenmaximierung.152 Der Gemeinnutz einer Gesellschaft bildet sich aus der 145
Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 116. Cooter/Ulen, Law & Economics, S. 3. 147 Im Einzelnen s. unten bei § 3, B. I. 2. a) m.w.Nachw. 148 So auch der Rechtssoziologe Ellickson, Order Without Law, S. 147; Ähnlich Posner, 2 Eur. J.L. & Econ. 265, 273 (1995), der den Erfolg der ökonomischen Analyse des Rechts, im Unterschied zum zaghaften Vorstoß der Rechtssoziologie auf die Durchsetzungskraft ihres normativen Anspruchs („normative punch“) zurückführt. 149 Zur positiven ökonomischen Analyse des Rechts s. statt vieler Faust, in: Reimann/R. Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook, S. 837, 839–842. 150 Zur normativen ökonomischen Analyse des Rechts s. statt vieler Faust, in: Reimann/R. Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook, S. 837, 842–844. 151 Zum Ganzen s. statt vieler Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 30 ff. m.w.Nachw. 152 Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 33. Um das größtmögliche Maß an Befriedigung zu erzielen, muss der Mensch seine Bedürfnisse und Mittel in der Weise gegeneinander abwiegen, dass er bei Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Mittel den größtmöglichen 146
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
Summe des Nutzniveaus seiner Individuen.153 Ziel allen Strebens einer Gesellschaft soll es sein, die Wohlfahrt der Gemeinschaft zu optimieren. Wohlfahrt bedeutet nicht Reichtum im Sinne von Geld, sondern gesamtgesellschaftliche Nutzenmaximierung.154 Aufgabe der Wirtschaftswissenschaften ist es, Wege zu identifizieren, um Verschwendung von Ressourcen zu vermeiden und auf diese Weise die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt zu fördern.155 Das Recht soll, vereinfacht gesagt, wirtschaftliche Kräfte dort stimulieren oder simulieren, wo der Markt versagt.156 Der Erfolg eines Wirtschaftssystems bemisst sich an dem Grad der Bedürfnisbefriedigung, den es leistet. Das mag auf den ersten Blick plausibel sein. Tatsächlich ist man sich jedoch über die Grundlage des Leistungsvergleichs, insbesondere über die einzelnen Kriterien der Wohlfahrt sowie deren Stellenwert, nach wie vor uneinig. Im Zentrum wissenschaftlicher Erörterung steht das Allokationsoptimum.157 Die Allokation beschäftigt sich mit dem Problem der Zuteilung von Gütern. Eine optimale Güterallokation ist gewährleistet, wenn jedes Gut – in diesem Kontext sind auch Rechte Güter – demjenigen Individuum zugeordnet ist, das es am nutzbringendsten verwenden kann.158 Bei Verwirklichung des internen Allokationsoptimums kann eine Gesellschaft in der Summe den größtmöglichen Reichtum erwirtschaften. Über die Verteilung dieses Reichtums innerhalb einer Gemeinschaft und über die Gerechtigkeit einer solchen Güterzuordnung ist damit freilich noch nichts gesagt. Die Frage, ob ein Wirtschaftssystem alleine an seiner Allokationseffizienz gemessen werden darf
Nutzen erzielt. Da er nicht alle seine Bedürfnisse stillen kann, muss er eine Präferenzordnung aufstellen. Das Rationalitätsprinzip besagt, dass ein jedes Individuum diese Evaluation vernunftgesteuert, auf der Basis rationaler Erwägungen, vornimmt. Der Nutzen eines bestimmten Gutes lässt sich jedoch nicht kardinal messen, das heißt ihm kann kein „Preis“ im Sinne einer absoluten Größe zugeordnet werden. Der Nutzen unterschiedlicher Güter ist nur ordinal, in Relation zu anderen, bewertbar. Des Weiteren kann der Nutzen nicht objektiv für die ganze Gesellschaft bestimmt werden, sondern nur subjektiv anhand der Präferenzen von Individuen. Die ökonomische Theorie nimmt insoweit an, dass jede Person der Aufstellung seiner Präferenzen – und seines Handeln insgesamt – eigennützige Motive zu Grunde legt (sog. methodologischer Individualismus). 153 Statt vieler s. Adams, Ökonomische Analyse, S. 36; Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 35; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 116. Vor diesem Hintergrund sind gesamtgesellschaftliche oder staatliche Wertvorstellungen nicht Ausdruck „eigener“ Werte eines Staates oder einer Gesellschaft, sondern vielmehr das Produkt einer kollektiven Entscheidung, in welche alle individuellen Präferenzen einfließen. 154 In diesem Sinne Posner, 2 Notre Dame J.L. Ethics & Pub. Pol’y 85, 86 (1985); ders., 8 J. Legal Stud. 103, 119 (1979). 155 H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 1. 156 Im Einzelnen s. unten bei § 3, B. I. 1. c). 157 So wird vielfach auch die Allokationseffizienz mit der wirtschaftlichen Effizienz im Allgemeinen gleichgesetzt, vgl. z.B. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 82. 158 Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 83.
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oder ob – und gegebenenfalls welche – Rolle daneben auch die Verteilung und sonstige Gerechtigkeitskriterien spielen, ist weitgehend ungeklärt. Schon die Frage, ob Allokations- und Verteilungseffizienz Gerechtigkeitskriterien sind159 oder ob man vielmehr die Allokationseffizienz, Verteilungsgerechtigkeit und kommutative Gerechtigkeit160 als drei eigenständige Säulen der Wohlfahrt begreifen muss, wird in der rechtsökonomischen Literatur uneinheitlich beantwortet.161 So richten sich auch Einwände gegen die ökonomische Analyse des Rechts gegen die Tatsache, dass sich die Rechtsökonomen einzig mit der Allokationseffizienz beschäftigen und der Distribution allenfalls eine instrumentale Hilfsfunktion beimessen.162 Die Verwirklichung von „sozialer Gerechtigkeit“ im weiteren Sinne wird allenfalls auf eine zweite Stufe verschoben,163 die dann jedoch rechtsphilosophischen Abhandlungen überlassen bleibt.164 In einem System, das Allokationseffizienz verwirklicht, wird Verteilungsgerechtigkeit gemeinhin unterstellt.165 Theoretisch soll diese Annahme zwar auch umgekehrt gelten, die Rechtsökonomik setzt aber traditi-
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So wohl Sailer, Prävention, S. 130. S. J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 102 f. 161 Hierzu s. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 83–104; ebenso J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 102 f. Für eine Differenzierung zwischen wirtschaftlicher Effizienz und Gerechtigkeit spricht sich Calabresi, Cost of Accidents, S. 25, aus: „This suggests that justice is a totally different order from accident cost reduction.“ 162 Reichtumsmaximierung setzt in erster Linie Allokationseffizienz voraus, diese wird aber durch die Primärverteilung von Gütern in einer Gesellschaft gefördert oder behindert. Hierzu s. Posner, 1 Economia delle Scelte Pubbliche 15, 23 f. (1987). 163 So sieht Calabresi die Gerechtigkeit nicht als Ziel, sondern vielmehr als Begrenzungskriterium an, das ein bestimmtes (effizientes) System mit einem Veto belegen kann. Vgl. Calabresi, Cost of Accidents, S. 25. H.-B. Schäfer und Ott hingegen treten für eine Differenzierung nach unterschiedlichen Rechtsgebieten ein. So soll z.B. das Recht des Güter und des Leistungsaustausches ausschließlich der Allokationseffizienz dienen, während (mehr) Verteilungsgerechtigkeit über Sozial- und Steuerrecht erzielt werden könne. Vgl. H.-B. Schäfer/Ott., Ökonomische Analyse, S. 30. 164 Mit dieser Frage haben sich z.B. Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, insbesondere Bd. II, und Rawls, A Theory of Justice, befasst. 165 S. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 91: „Solange die zu realisierende Einkommensverteilung nicht bekannt ist, bleibt das Wohlfahrtsoptimum im Sinne des Effizienzkriteriums unbestimmt. Man kann auch sagen: Bei der Anwendung des Effizienzkriteriums wird das Verteilungsproblem als gelöst unterstellt“. Daher kritisch J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 103. 160
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
onell bei der Allokation an.166 Dass beide Zustände tatsächlich interdependent sind, ist nicht bewiesen.167 b) Analytische Basis und rechtspolitisches Programm Die ökonomische Analyse prognostiziert die Folgen von Recht in der Rechtswirklichkeit und bewertet sie nach Gesichtspunkten der ökonomischen (Allokations)Effizienz; sie zieht aus diesen Erkenntnissen Schlussfolgerungen für die Gestaltung und Anwendung des Rechts. Anhand ihres Inhalts und ihrer Zielsetzung kann man innerhalb der ökonomischen Analyse des Rechts einen positiven und einen normativen Zweig unterscheiden. Die positive Analyse beschreibt und kommentiert die Auswirkungen des Rechts unter Verwendung des ökonomischen Verhaltensmodells.168 Die normative Analyse geht einen Schritt weiter. Sie vergleicht den Einfluss unterschiedlicher Rechtssysteme und bewertet sie im Hinblick auf deren Effizienz.169 Die ökonomische Analyse erhebt die Effizienz zur Richtlinie der Legislative und zum Entscheidungskriterium für die Rechtsprechung.170 Die ökonomische Analyse des Rechts ist
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Umgekehrt geht beispielsweise Rawls vor, der in seiner Theorie der Gerechtigkeit von der Verteilung ausgeht. Eine ungleiche Güterverteilung ist demnach nur gerechtfertigt, wenn sie zum Vorteil der Ärmsten einer Gesellschaft gereicht (Differenzprinzip). Im Einzelnen s. Rawls, A Theory of Justice. 167 Gerade weil sich ein Zusammenhang zwischen Allokations- und Distributionseffizienz aber nicht herleiten lässt, spricht vieles dafür, beide als eigenständige Kriterien des Wohlfahrtsziels anzuerkennen. Das grundsätzliche Problem von Allokations- und Verteilungseffizienz liegt darin begründet, dass die modernen Allokationstheorien kardinale Nutzenmessung und interpersonelle Nutzenvergleiche grundsätzlich ausschließen (s.o. bei § 3, B. I. 1. b) (2)). Die Ermittlung bzw. Ermittelbarkeit von Verteilungseffizienz setzt jedoch beides voraus. Umverteilungsmaßnahmen, die die Verteilungsgerechtigkeit steigern – Beispiel: Eine Umverteilung, die drei bedürftigen Familien das Jahreseinkommen sichert und dafür einer reichen den Indoor-Pool nimmt – sind niemals pareto-effizient, weil mindestens ein Individuum schlechter gestellt wird. Sie sind auch nicht automatisch effizient i.S.d. Kaldor/HicksKriteriums, weil der hypothetische Kostenausgleich nicht kardinale Nutzwerte zur Grundlage seiner Berechnung macht. Hierzu s. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 92. 168 Statt vieler s. Faust, in: Reimann/R. Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook, S. 837, 839–842. 169 Der Unterschied besteht in den Worten Posners darin, dass die positive Analyse die Welt erklärt, wie sie ist, während die normative Analyse danach strebt, sie zu verbessern. Vgl. Posner, 46 U. Chi. L. Rev. 281, 285 (1979). Zur Abgrenzung der beiden analytischen Ansätze s. auch Faust, in: Reimann/R. Zimmermann (Hrsg.), Oxford Handbook, S. 837, 839 ff. 170 Die Bedeutung des Effizienzkriteriums in der Rechtsprechung ist problematisch. Zunächst einmal ist in der kontinentaleuropäischen Rechtstradition – anders als in den common law-Ländern – vorrangig die Legislative und nicht die Judikative für die Fortentwicklung des Rechts zuständig. Darüber hinaus muss man sich auch grundsätzlich die Frage stellen, – sofern und soweit man dem ökonomischen Effizienzkriterium bei der Rechtsgestaltung überhaupt eine Bedeutung zugesteht – ob Richter die geeigneten Personen sind, das Reformpro-
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damit mehr als nur ein Folgenforschungsansatz. Sie erhebt sich selbst zum rechtspolitischen Konzept. (1) Der homo oeconomicus als Verhaltensmodell Das ökonomische Verhaltensmodell basiert auf dem Grundtyp des homo oeconomicus, dem rationalen egoistisch ausgerichteten Menschen (REM).171 Die REM-Hypothese entstammt ursprünglich der Mikroökonomik. Sie nimmt an, dass sich Unternehmen und Haushalte egoistisch und rational verhalten, dass sie Entscheidungen treffen, die ihren eigenen Nutzen maximieren.172 Inzwischen wird diese Formel jedoch auch zur Erklärung menschlichen Verhaltens in Lebensbereichen außerhalb des Wirtschaftsverkehrs verwendet.173 Das Konzept von Rationalität und Nutzenmaximierung besagt, dass das Individuum aus verschiedenen Verhaltensvarianten stets diejenige auswählt, die den größten Grad an Befriedigung verspricht. Auf Grund der Ressourcenknappheit kann der Entscheidungsträger sich aber nicht alleine von seinen Bedürfnissen leiten lassen, sondern ist in seinen Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Rational und Nutzen maximierend nimmt er daher stets die Option wahr, die nach seinem Kenntnisstand, unter Berücksichtigung der ihm zustehenden Mittel, seiner Präferenzordnung am ehesten entspricht.174 Das Konzept der Rationalität und Nutzenmaximierung vermag lediglich zu erklären, wie sich ein Individuum mit einer bestimmten Präferenzordnung gramm der ökonomischen Analyse umzusetzen. Im Einzelnen s. hierzu Eidenmüller, Effizienz, S. 393 ff. 171 Im englischen Sprachraum hat sich der Begriff der REMM-Hypothese für das Modell des „resourceful, evaluating, maximizing man“ etabliert. Die deutsche Übersetzung ist unpräzise, weil man sich uneinig ist, ob der homo oeconomicus tatsächlich egoistisch ist oder ob das „E“ nicht vielmehr für „eigennützig“ stehen müsste. Hierzu s. des Weiteren auch unten Fn. 823 m.w.Nachw. 172 Eidenmüller, Effizienz, S. 28 ff.; Hermann, Ökonomische Analyse, S. 37 ff.; Kirchgässner, JZ 1991, 104, 106; H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 58 ff; Fleischer/Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 12 f. 173 So soll die REM-Hypothese Aufschluss über die Ursachen von Kriminalitätsraten geben und gar Prognosen über die Partnerwahl bei Eheschließungen erlauben. S. nur Beckers umfassende Abhandlungen des menschlichen Verhaltens aus ökonomischer Perspektive, z.B. zum Thema Ehe, Fortpflanzung und Familie oder Vorurteile und Diskriminierung, bei Becker, The Economic Approach to Human Behavior. 174 Ein solches Verhalten setzt allerdings klar definierte Bedürfnisse, die in einer vollständigen und transitiven Präferenzordnung angesiedelt sind, voraus. Das bedeutet, dass der homo oeconomicus wissen muss, welche von zwei Handlungsalternativen er vorzieht. Stehen ihm eine Vielzahl von Möglichkeiten offen, so müssen die Wertigkeiten der paarweisen Vergleiche auf die ganze Gruppe übertragbar sein. Zieht er die Option A gegenüber B und B gegenüber C vor, so muss er im Gegenschluss auch A gegenüber C vorziehen. Im Einzelnen s. Eidenmüller, Effizienz, S. 29 f.; H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 59 f.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
verhält. Es trifft keine Aussage darüber, welche Bedürfnisse es hat bzw. welche Bedürfnisse der homo oeconomicus haben darf. Antwort auf diese Frage soll die Hypothese vom egoistischen Menschen geben, eine bei Gegnern der Rechtsökonomik beliebte Angriffsstelle.175 Aber auch ihre Verfechter sind sich uneins, ob der homo oeconomicus egoistisch im engeren Sinne oder lediglich eigennützig176 ist und welche Bedürfnisse folglich in die modelltheoretische Präferenzstruktur einfließen müssen.177 Mit anderen Worten: Ist der homo oeconomicus durch und durch Egoist, unberührt von den Bedürfnissen seines sozialen Umfelds, oder „darf“ er das Glück anderer zu seinem eigenen Nutzen erheben? Beide Varianten haben ihre modelltheoretischen Vorteile: das nicht ausschließlich eigennützig handelnde Individuum mag lebensnaher erscheinen, der Egoist ist verallgemeinerungsfähiger. Obgleich die ökonomische Analyse des Rechts Anstoß erregt hat, weil sie ihre Theorie „auf die Schultern dieses anrüchigen Wesens gelegt“178 hat, ist daran zu erinnern, dass der homo oeconomicus lediglich ein theoretisches Modell ist, das als solches keinen Anspruch erhebt, ein authentisches Abbild des menschlichen Wesens zu vermitteln. Es ist ein Instrument, das zur Analyse relevanten menschlichen Verhaltens in ausgewählten Situationen dient.179 Wichtig ist nicht, dass der homo oeconomicus selbst sich der Wirklichkeit annähert, sondern dass die auf seiner Grundlage getroffenen Prognosen repräsentativ sind.180 Das ökonomische Verhaltensmodell ist folglich weder „richtig“ noch „falsch“, sondern produziert – in Abhängigkeit vom jeweiligen Anwendungsgebiet – mehr oder weniger zutreffende Ergebnisse. Es ist offenkundig, dass die nicht im menschlichen Egoismus verwurzelten Präferenzen, so genannte meddlesome preferences,181 in einigen Lebensbereichen einflussreicher sind als in anderen. Bei Tätigung einer Anlageentscheidung mögen sie kaum eine Rolle spielen, bei der Familienplanung hingegen schon eher. Weizsäcker differenziert insoweit zwischen „Geldtauschgemeinschaften“ und „Zeittauschgemeinschaften“, einer Dichotomie zweier grundsätzlich ver-
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S. nur Fezer, JZ 1998, 223, 228. Diese Auffassung vertritt z.B. White, in: Oppenheimer/Mercuro (Hrsg.), Law and Economics, S. 351, 353. 177 Eigennutz schließt Sympathie und Antipathie – die positive oder negative Beeinflussung durch den Nutzen anderer Personen –, selbst Altruismus ein. Egoismus hingegen setzt eine vollständige Fixierung auf die eigenen Bedürfnisse voraus, die von denen anderer unabhängig sind. Handlungen aus Freundschaft, Familiensinn, Solidarität oder Mitgefühl können somit eigennützig aber nicht egoistisch sein. Zu der Differenzierung s. näher H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 61 f. 178 H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 63. 179 Becker, 101 J. Pol. Econ. 385 (1993); Eidenmüller, Effizienz, S. 31. 180 Vgl. Friedmann, in: Hahn/Hollies (Hrsg.), Philosphy and Economic Theory, S. 18 ff. 181 H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 61. 176
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schiedener sozialer Systeme innerhalb einer Gesellschaft.182 Von der untersuchten Situation hängt ab, um welche Faktoren die REM-Hypothese sinnvollerweise ergänzt werden sollte.183 Es hat sich unter dem Einfluss psychologischer Verhaltensforschung inzwischen ebenfalls die Einsicht durchgesetzt, dass Menschen nicht immer vorhersehbar und rational, sondern vielfach sogar vorhersehbar irrational handeln.184 Auch hier gilt das oben gesagte: Die REMHypothese bedarf unter Einbeziehung neuer Erkenntnisse sicherlich einer Anpassung und Verfeinerung in Abhängigkeit von der jeweiligen Forschungsmaterie. Ihre Bedeutung als tragfähige analytische Basis der Rechtsökonomik wird dadurch jedoch nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen.185 (2) Das Effizienzprinzip als Bewertungsmaßstab Das zweite wichtige Standbein der ökonomischen Analyse des Rechts ist das Effizienzprinzip. Anhand der REM-Hypothese prognostiziert die Rechtsökonomik die Folgen von Recht. Effizienz ist der Maßstab, an dem diese Folgen gemessen werden. Was ist Effizienz? In seiner wohl gebräuchlichsten Verwendung bezieht sich die Effizienz stets auf das Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag. Effizient ist die Verwirklichung eines bestimmten Ziels mit möglichst wenig Aufwand. Da die Rechtswissenschaft keinen eigenen Effizienzbegriff kennt,186 muss sie auf die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften zurückgreifen. Ziel der Ökonomie ist es, den Wohlstand einer Gesellschaft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu maximieren.187 Effiziente Allokation ist in der Wirtschaftswissenschaft der wichtigste Weg zur Wohlfahrtssteigerung. Schwierigkeiten bereitet von jeher die Definition und Messung von Effizienz: 182
Eigennützige Geldtauschgemeinschaften dienen der Steigerung der wirtschafltichen Produktivität durch Arbeitsteilung. REM-Verhalten ist nicht nur akzeptiert sondern gewünscht. Innerhalb altruistischer Zeittauschgemeinschaften (Ehe, Familie, Freundschaften etc.) steht der Austausch von Leistungen ohne Berücksichtigung eines geldwerten Gegenwertes im Vordergrund. REM-Handlungsweisen, die in der Geldtauschgemeinschaft gefördert werden, können in der Zeittauschgemeinschaft einem Verhaltenstabu unterliegen. Vgl. v. Weizsäcker, Zeit und Geld (unveröffentlicht), zitiert bei Adams, Ökonomische Theorie, S. 51. 183 Im Hinblick auf den altruistischen homo oeconomicus so auch Eidenmüller, Effizienz, S. 33. 184 Hierzu s. Fleischer, in: FS Immenga, S. 575, 576 ff.; ders./Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 14 f. m.w.Nachw.; Altmann/Falk/ Marklein, a.a.O., S. 63. 185 In diesem Sinne auch Fleischer/Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 41. 186 Eidenmüller, Effizienz, S. 55. 187 S.o. bei § 3, B. I. 1. a).
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
Bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vertrat die herrschende Meinung in der Ökonomie die Auffassung, dass individueller Nutzen kardinal gemessen und interpersonal verglichen werden könne. Man ging davon aus, dass die bloße Eigentumsumverteilung von einem Individuum auf ein anderes, für das die verschobene Vermögensposition von größerem Nutzen ist, die Wohlfahrt der gesamten Gesellschaft steigere.188 Von der kardinalen Messbarkeit und der interpersonalen Vergleichbarkeit von Nutzen ist die moderne Wohlfahrtsökonomie abgerückt.189 Um Änderungen des Wohlfahrtsniveaus zu bewerten, zieht man heute Effizienzkriterien heran, die lediglich mit dem ordinalen Nutzenbegriff arbeiten und auf interpersonale Vergleiche verzichten. In der ökonomischen Analyse des Rechts haben insbesondere das ParetoKriterium und das Kaldor-Hicks-Kriterium190 Bedeutung erlangt191. Pareto zufolge setzt Wohlfahrt voraus, dass jedes Individuum so gut gestellt ist, wie irgend möglich. Ein Zustand ist einem anderem vorzuziehen (paretosuperior), wenn mindestens eine Person ihn gegenüber dem anderen vorzieht und keine ihn gegenüber dem anderen ablehnt.192 Eine Wohlfahrtssteigerung im paretoschen Sinne kann daher niemals durch Umverteilung zu Lasten einer Einzelperson erfolgen.193 Ein Zustand ist pareto-optimal (bzw. paretoeffizient),194 wenn es keinen anderen Zustand gibt, den nicht wenigstens ein 188
Prominenter Vertreter dieses Standpunkts war Pigou. Er begründete seine Auffassung mit der Hypothese vom abnehmenden Grenznutzen des Einkommens. Für den armen Mann sei die Einkommenssteigerung in bestimmter Höhe von größerem Nutzen als für den reichen. Übertrüge man ein bestimmtes Einkommen von einem Reichen auf einen Armen, so sei der Nutzenzuwachs bei dem Armen – bei gleicher Gesamtvermögensdifferenz – höher als die Nutzeneinbuße bei dem Reichen. Die reine Einkommensumverteilung könne so den Nutzen und damit die Wohlfahrt der Gesamtgesellschaft steigern. Hierzu s. umfassend Pigou, The Economics of Welfare. 189 Die Kritiker wandten sich gegen drei Annahmen, auf die sich Pigou stützte: die kardinale Messbarkeit und die interpersonelle Vergleichbarkeit von Nutzen sowie die identische Genussfähigkeit verschiedener Individuen. S. Robbins, Nature and Significance of Economic Science, S. 137 ff.; ders., 48 Econ. J. 635, 636, 640 (1938). 190 Das sog. Kaldor/Hicks-Kriterium geht auf die Arbeiten der Ökonomen Kaldor und Hicks zurück. Im Einzelnen s. Kaldor, 49 Econ. J. 549–552 (1939); Hicks, 49 Econ. J. 696– 712 (1939). 191 Posner hat als weiteres Effizienzkriterium das Reichtumsmaximierungsprinzip entwickelt, das jedoch auf Kaldor/Hicks aufbaut und im Wesentlichen mit diesem übereinstimmt. S. Posner, 8 J. Legal Stud. 103, 119 ff (1979); Eidenmüller, Effizienz, S. 54 f. 192 Dieses Entscheidungskriterium entwickelte der italienische Ökonom und Soziologen Vilfredo Pareto um die vorletzte Jahrhundertwende herum. Es wurde in der Folge nach ihm als Pareto-Kriterium benannt. Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 48. 193 Ein Zustand ist pareto-superior gegenüber einem anderen, wenn ein Individuum oder mehr ihn vorziehen und alle übrigen indifferent sind, d.h. den Wechsel von einem Zustand zum anderen wenigstens nicht ablehnen. 194 Beide Begriffe werden synonym verwandt. H.-B. Schäfer und Ott plädieren für die Verwendung der Pareto-Effizienz, weil das Pareto-Kriterium verteilungspolitische Ziele nicht
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Individuum vorzieht und keines ablehnt. Wenngleich die Ergebnisse, die das Pareto-Kriterium auf Grundlage seiner (hypothetischen) Sozialwahl erzielt, überzeugen, ist es als Mittel der Rechtspolitik und damit für die normative Analyse des Rechts nur sehr eingeschränkt nutzbar. Die Rechtswirkung von Normen und Urteilen ist kaum je vorteilhaft für alle Betroffenen; in jeder anderen Situation aber versagt das Pareto-Kriterium als Entscheidungsmaßstab. Kaldor und Hicks haben Voraussetzungen einer Wohlfahrtssteigerung formuliert, die dieses Problem bewältigen. Eine Wohlfahrtssteigerung soll demnach unter der Bedingung vorliegen, dass die Gewinner einer Umverteilung die Verlierer kompensieren könnten.195 Der Wechsel von einem Zustand zu einem anderen ist effizient, wenn die Gewinne der durch den Wechsel bevorzugten Personen höher sind als die Verluste der Benachteiligten. Es kommt allerdings nicht darauf an, dass die Bessergestellten die Nachteile der Schlechtergestellten tatsächlich kompensieren. Eine Wohlfahrtsteigerung im Sinne des Kaldor-Hicks-Kriteriums kann demnach auch vorliegen, wenn es Einzelnen ex post schlechter geht.196 Auf Grund seiner Kosten/Nutzen-Rechnung ist das Kaldor-Hicks-Kriterium vielseitiger einsetzbar, aber es löst nicht alle Probleme. Es lässt insbesondere offen, welche Wertungen bei der Kalkulation von Kosten und Nutzen berücksichtigt werden sollten.197 c) Die Rolle des Rechts Die Aufgabe einer Rechtsordnung besteht aus ökonomischer Perspektive darin, zur Verwirklichung des wohlfahrtsökonomischen Ziels beizutragen, insbesondere die effiziente Allokation von Gütern zu fördern. Unter Gütern in diesem Sinne sind keine körperlichen Einheiten – bewegliche und unbewegliche Sachen – zu verstehen, sondern vielmehr die durch sie verkörperten Rechtsbündel, so genannte property rights. 198 Der Begriff des property right ist weiter gefasst als der des dinglichen Rechts. Er verleiht einem Gut seine
berücksichtige, und damit nicht zwangsweise optimal im Sinne einer sozialen Verbesserung sei. Vgl. H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 26. 195 S. Eidenmüller, Effizienz, S. 51 ff.; H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 31 ff. 196 Das bedeutet, dass eine kaldor/hicks-effiziente Umverteilung nur potentiell paretosuperior ist. Hierzu z.B. Stringham/White, in: Oppenheimer/Mercuro (Hrsg.), Law and Economics, S. 374, 384. 197 Dem Kaldor/Hicks-Kriterium wird außerdem entgegengehalten, dass es teilweise zu logisch widersprüchlichen Ergebnissen führe. S. Eidenmüller, Effizienz, S. 53 f.; Hermann, Ökonomische Analyse, S. 54. 198 Coase weist in seinem grundlegenden Aufsatz, The Problem of Social Cost, darauf hin, dass der Nutzen einer Sache nicht durch ihr Wesen selbst, sondern in erster Linie durch ihre originäre Ausstattung an Rechten bestimmt wird. Diese sog. property rights eröffnen Handlungsmöglichkeiten (z.B. das Recht zur Nutzung, zur Fruchtziehung, zur Abwehr, zur Veräußerung oder Veränderung). Vgl. Coase, 3 J.L. & Econ. 1 ff. 1960.
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soziale Verwendungsmöglichkeit.199 Eine effiziente Güterordnung bedeutet somit eine effiziente Zuordnung und Verteilung von Handlungsrechten. Die Frage ist, wie und auf welcher Grundlage die Verteilung vorzunehmen ist. Aus Erwägungen der Allokationseffizienz soll die soziale Ordnung ein bestimmtes Gut prinzipiell demjenigen zuteilen, der den höchsten Nutzen aus ihm zieht; das ist derjenige, der letztlich den höchsten Preis zu zahlen bereit ist. Das Problem ist jedoch, dass externe Effekte den „echten“ Preis unter Umständen verzerren. Externe Effekte sind soziale Kosten, die bei der Produktion eines Gutes entstehen, jedoch nicht in die interne Kostenrechnung einfließen und daher interne Ersparnisse bilden.200 Handlungen werden daher ausgeführt, obwohl die Summe der privaten und sozialen Kosten höher ist als der gesellschaftliche Nutzen. Die Funktion des Rechts besteht darin, externe Kosten zu internalisieren. Coase wollte nachweisen, dass sich externe Kosten ohne staatliche Intervention201 durch Verhandlungen Privater internalisieren lassen, dass bei vollständigem Wettbewerb soziale (externe) und private (interne) Kosten gleich sind. Das Coase-Theorem202 besagt, dass ein jedes Gut (property rights) im Wege der Verhandlung zwischen rational Handelnden und Nutzen maximierenden Marktteilnehmern letztendlich auf denjenigen übertragen wird, der es am höchsten bewertet (Effizienzthese), und zwar unabhängig von der ursprünglichen Güterzuordnung (Invarianzthese).203 Die Effizienz- und die In199
H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 99. Klassische Beispiele sind Fabrikbetreiber, die das Grundwasser verunreinigen oder die Luftqualität in Mitleidenschaft ziehen. Der gesellschaftliche Nutzen, den der Produzent schafft, ist tatsächlich nicht so groß, wie der Preis impliziert, weil die Nachteile (schlechtere Luft- und Wasserqualität) von der Allgemeinheit getragen werden. Verschwendung und allokative Ineffizienz sind die Folge Näher hierzu H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 81 f., 109 f. 201 Der konventionelle, vornehmlich von Pigou vertretene Ansatz setzte sich für eine interventionistische Lösung ein. Externe Kosten sollten durch staatliche Regulierung (Steuern) internalisiert werden. Vgl. Pigou, The Economics of Welfare. 202 Stigler, Theory of Price, S. 113. 203 Coase illustriert seine These mit dem Beispiel zweier benachbarter Bauern, einem Viehbesitzer und einem Getreidezüchter. Das Ausgangsproblem besteht darin, dass das Vieh regelmäßig in das Feld des Nachbarn ausreißt. Der Schaden, der an dem Saatgut entsteht, steigt mit der Größe der Herde. Entsprechend steigen mit der Anzahl der Tiere zwar die Einnahmen aus der Tierzucht, aber gleichzeitig sinkt der Ertrag aus der Feldernte. Coase folgert, dass die Größe der Herde – die Güterallokation – bei unterstellten Transaktionskosten von Null immer gleich groß sein werde, unabhängig davon, ob das Gesetz dem Viehbauern eine Schadensersatzpflicht für das zerstörte Getreide auferlegt oder nicht. Die Herde werde immer genau so groß sein, dass die Summe der Erträge aus Vieh und Getreide ihr Maximum erreicht. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass im ersten Szenario (Schadensersatzpflicht) der Viehbauer den Getreidebauern für die „Benutzung“ seines Feldes bezahlen würde, während im zweiten Szenario (keine Schadensersatzpflicht) der Getreidebauer den Viehzüchter dafür bezahlen würde, dass dieser die Anzahl seiner Tiere reduziert. Vgl. Coase, 3 J.L. & 200
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varianzthese Coases beruhen auf der Annahme des freien und kostenlosen Gütertausches. Der Erfolg der Verhandlungslösung setzt voraus, dass die property rights eindeutig spezifiziert sind und dass das System ihre freie Übertragbarkeit zu Transaktionskosten von Null gewährleistet.204 Unter optimalen Marktbedingungen wäre damit das Recht aus ökonomischer Sicht entbehrlich.205 In der Realität treffen die Annahmen Coases freilich nicht verlässlich zu. Irrationales menschliches Verhalten, unzureichende und asymmetrisch verteilte Informationen, ineffiziente Erstgüterzuordnungen und marktbeherrschende Positionen – um nur einige der wichtigsten Gründe zu nennen – verhindern in der Realität das „ungestörte“ Wirken des Markmechanismus. Smiths „unsichtbare Hand“, die ordnende Kraft des freien Marktes aus sich selbst heraus, ist ein theoretisches Idealkonzept. An dieser Stelle – an der mangelnden Perfektion des Marktes –findet das Recht aus Sicht der ökonomischen Analyse seinen Einsatz und seine Legitimation. Es soll dazu beitragen, die Optimalbedingungen eines freien Marktes, wie sie den Theorien Coases und Smiths zu Grunde liegen,206 entweder herzustellen oder wenigstens zu simulieren.207 Die beiden entscheidenden Hürden, die es mit Hilfe des Rechts zu überkommen gilt, sind die hohen Transaktionskosten, die bei der Übertragung von Gütern anfallen, und ineffizientes menschliches Verhalten.208 Die Herstellung des Allokationsoptimums im Wege von Verhandlung und Tausch, wie sie dem Coase-Theorem zugrunde liegt, setzt theoretisch eine Vielzahl individueller Transaktionen zwischen den Marktteilnehmern voraus. Jede von ihnen ist jedoch mit Kosten verbunden. Eine rational handelnde, Nutzen maximieEcon. 1 ff. (1960); kritisch Calabresi, 11 J.L. & Econ. 67 (1968). Im Ergebnis, darauf legt Coase Wert, ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen identisch. Es ändert sich nur die Verteilung der Kosten zwischen den beiden Bauern. Aus ökonomischer Wohlfahrtsperspektive ist jedoch einzig das Gesamtergebnis, die Summe aller Kosten und Erträge, entscheident: „In devicing and chosing between social systems we should have regard for the total effect. This, above all, is the change in approach which I am advocating.“ Vgl. a. a. O., S. 44. Kritisch aus soziologischer Perspektive Ellickson, Order Without Law, S. 57, 61, 76. 204 H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 102. 205 Eidenmüller, Effizienz, S. 63. 206 Coase baut auf den theoretischen Grundlagen Smiths auf und ähnelt ihm in der Herangehensweise und seiner theoretischen Marktkonzeption. Hierzu s. Posner, 7 J. Econ. Persp. 195, 203 (1993). 207 S. Eidenmüller, Effizienz, S. 65; Ott/H.-B. Schäfer, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 131, 147. 208 Die übrigen „Störfaktoren“ können jeweils einem dieser beiden Hauptproblemfelder zugeordnet werden: mangelnde Informationen sind als potentielle Informationskosten, ebenso wie Entscheidungs- und Kontrollkosten, Teil der Transaktionskosten. Gleiches trifft auf eine ineffiziente Primärverteilung zu, die letztlich nur die Anzahl und damit die Kosten der zur Verwirklichung des Allokationsoptimums erforderlichen Transaktionen erhöht. S. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 107 ff.
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rende Person wird sich nur für die Übertragung eines Gutes entscheiden, wenn der erwartete Nutzen (Kooperationsgewinn)209 den zur Herbei- und Durchführung erforderlichen Aufwand (Transaktionskosten) überschreitet.210 Die Rechtsordnung soll Transaktionskosten senken und den Austausch erleichtern.211 Soweit die Verhandlungslösung von Coase versagt, weil überschießende Transaktionskosten oder faktische Gründe verhindern, dass die aus Effizienzgesichtspunkten gebotene Transaktion vorgenommen wird, ist es Aufgabe des Rechts, den funktionsfähigen Marktmechanismus zu simulieren (mimic the market).212 Das Recht soll die Verhandlungslösung als Denkmodell rekonstruieren, um die effiziente Verteilung regulativ anzuordnen.213 Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die Funktion des Rechts als Mittel der Verhaltenssteuerung. In der ökonomischen Analyse des Schadensersatzrechts steht sie im Mittelpunkt des Interesses. Die ökonomische Analyse weist dem Recht die Funktion zu, Individuen zum rationalen Nutzen maximierenden Verhaltens zu veranlassen,214 denn sie geht ganz im Sinne des Utilitarismus Benthamscher Prägung davon aus, dass das rationalegoistisch-nutzenmaximierende Handeln des Menschen nicht nur ein Fakt, sondern unter optimalen Marktbedingungen aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive grundsätzlich wünschenswert ist. Recht soll wohlfahrtssteigernde Aktivitäten stimulieren und irrationales, vom ökonomischen Verhaltensmodell abweichendes menschliches Verhalten, sanktionieren.215 Rechtsnormen – sowohl zivil- als auch straf- und öffentlichrechtliche – entfalten Anreiz- und 209
Der Kooperationsgewinn, der kooperative Überschuss, ist die individuelle Nutzensteigerung im Zuge der Vornahme einer effizienten Transaktion. Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S. 61. 210 Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 106 f. 211 Das bedeutet zunächst, dass die Rechtsordnung die effiziente Zuordnung von Gütern nicht von vorneherein ausschließen oder behindern darf (z.B. durch Formvorschriften, Steuern etc.). Die Rolle des Rechts erschöpft sich nach der ökonomischen Analyse jedoch nicht darin, kein Störfaktor zu sein. Das Recht soll vielmehr aktiv die Funktionsfähigkeit des Marktes erhöhen, indem es Störungen innerhalb der Übertragungsvorgänge abmildert oder kompensiert. Rechtliche Regelungen können den Entscheidungsaufwand reduzieren, indem sie die Zahl der Entscheidungsalternativen, die Zahl der beteiligten Akteure, die Zahl der erforderlichen Zustimmungen oder die Zahl der zu treffenden Entscheidungen verringern. Eine Effizienzsteigerung ist z.B. durch die Regelung von Detail- und Eventualproblemen in dispositiven und subsidiär geltenden Normen sowie durch die Typisierung von Verträgen möglich. Zudem schafft Recht Vertrauen. Es bietet Gewähr, dass andere Marktteilnehmer sich staatlichen und selbst gesetzten Regeln unterwerfen und fördert auf diese Weise den Handel. Hierzu s. ausführlich Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 91 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 63 f. 212 So insbesondere im Deliktsrecht, vgl. Ott/H.-B. Schäfer, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 131, 147. 213 Eidenmüller, Effizienz, S. 65. 214 Taupitz, AcP 196 (1996), 115, 162. 215 Adams, ZZP 99 (1986), 129, 144; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 62.
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Abschreckungswirkung. Für den homo oeconomicus ist die Verbindlichkeit einer Verhaltensvorschrift untrennbar mit der Existenz und der Höhe einer Sanktion verknüpft.216 An eine Regel hält er sich nur, wenn die Vorteile ihrer Befolgung die Nachteile des Verstoßes übertreffen. Ge- und Verbote haben für sich genommen keinen Wert. Die angedrohte Sanktion belegt die Handlungsalternative des Regelbruchs mit einem Preis.217 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Recht in der ökonomischen Analyse in erster Linie eine instrumentale Rolle zukommt. Es soll ordnen und steuern. Seine Funktion besteht darin, property rights zu definieren, zuzuordnen und ihre Transaktion zu erleichtern. Es soll die perfekten Marktbedingungen stimulieren, gegebenenfalls simulieren und auch die Marktteilnehmer zu rationalem Nutzen maximierenden Handeln anhalten. 2. Relevanz der Rechtsökonomik für die vorliegende Fragestellung Nachdem die Grundzüge der ökonomischen Analyse rekapituliert worden sind, gilt es nunmehr im Folgenden zu klären, welchen Beitrag die ökonomische Analyse zu der Lösung juristischer Probleme im Allgemeinen und der vorliegenden Fragestellung im Besonderen zu leisten vermag. a) Generelle Kritik an der ökonomischen Analyse des Rechts Bei Juristen erregt in erster Linie der „Imperialismus“218 bzw. „Paternalismus“219 der Rechtsökonomen, ihre Überzeugung, alle Rechtsgebiete und Ausprägungen von Recht220 anhand der REM-Hypothese analysieren und nach wohlfahrtsökonomischen Effizienzgesichtspunkten ordnen zu können, Anstoß. Die Kritik richtet sich zunächst gegen methodische Schwächen. Aus dem rechtwissenschaftlichen Lager hört man beispielsweise, die Rechtsökonomik besteche durch den Schein naturwissenschaftlich analytischer Klarheit, sie lasse jedoch an den entscheidenden Stellen substantiierte Begründungen 216
Eidenmüller, Effizienz, S. 34. Eine Analyse der verhaltenssteuernden Wirkung strafrechtlicher Normen findet sich bei Becker, 76 J. Pol. Econ. 169 ff. (1968). S. auch Eidenmüller, Effizienz, S. 34 ff. 218 Hierzu s. Kirchner, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Effiziente Verhaltenssteuerung und Kooperation, S. 44, 46. 219 Hierzu s. Fleischer/Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 46 f. 220 Nach ihrem Selbstverständnis ist die Rechtsökonomik auf Familien- und Strafrecht ebenso anwendbar wie auf das Handelsrecht, auf geschriebenes Recht ebenso wie auf Richterrecht und die privatautonome Rechtsgestaltung. Dass aus diesem Anspruch Problem erwachsen können, erkennt auch Posner, 53 Texas L. Rev. 757, 757 f. (1975): „The application of economics to law is not itself new or controversial. What is new and controversial in the variety of problems in the field of law to which economics is now being applied.“ In die gleiche Richtung Salzberger, in: FS H.-B. Schäfer, S. 23, 31–33. 217
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und definitorische Bestimmtheit vermissen.221 Dass diese Kritik nicht jeder Grundlage entbehrt, zeigt sich beispielsweise an der – trotz intensiver wissenschaftlicher Auseinandersetzung – bislang nur unzureichenden Konkretisierung des Begriffs der „Effizienz“.222 Ein weiterer Kritikpunkt ist die Realitätsferne der ökonomischen Theorie infolge der Simplifizierung unterschiedlicher Einflussfaktoren und der Generalisierung individueller Präferenzordnungen anhand der REM-Hypothese.223 Von den methodischen sind generelle Zweifel am Geltungsbereich der Rechtsökonomik zu unterscheiden – Zweifel an der (Allokations)Effizienz als Maxime der Rechtsgestaltung: Juristen halten der ökonomischen Analyse vor, ihr eindimensionales Verständnis von Recht trage der Komplexität seiner Funktionen nicht angemessen Rechnung. Ihr auf Allokationseffizienz ausgerichtetes Denken beschneide das Recht um wesentliche originäre (!) Funktionen und Wertungen, die sich auf das Ziel der Wohlfahrtsmaximierung nicht zurückführen lassen.224 Wie Rawls anmerkt: „(...) laws and institutions no matter how efficient and well-arranged must be abolished if they are unjust.“225 Heute hat auch die Mehrheit der Rechtsökonomen von dem Gedanken Abstand genommen, dass die Wohlfahrtsmaximierung unter den Zielen des Rechts absolute Priorität genießt.226 Welchen Stellenwert jedoch insbesondere Individualinteressen neben dem Gemeinwohl einnehmen, ist un-
221 Schwierigkeiten treten insbesondere dann auf, wenn die ökonomische Analyse bestimmte Probleme nicht mehr aus sich selbst heraus lösen kann, weil entweder mehrere (Rechtsgestaltungs- bzw. Anwendungs)optionen gleich effizient sind oder weil – im Rahmen einer „abgemilderten“ ökonomischen Analyse des Rechts, die auf ihren „Alleinbewertungsanspruch“ verzichtet – auf Grund der zur Entscheidung stehenden Materie neben der Effizienz auch andere Faktoren Berücksichtigung finden müssen. Hierzu s. Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 124, 126 f. m.w.Nachw. 222 Es ist insbesondere im Einzelnen oft unklar, welche Kosten- und Nutzenposten in die Analyse einbezogen werden können. Hierzu s. bereits oben bei § 3, B. I. 1. b) (2). 223 S.o. bei § 3, B. I. 1. b) (1). 224 Kaldor/Hicks-Effizienz setzt schließlich nicht voraus, dass der durch eine Umverteilung Bevorzugte den Benachteiligten tatsächlich entschädigt, sondern lediglich, dass er ihn entschädigen könnte. Im Haftungsrecht erlegt die ökonomische Theorie die Schadenstragungspflicht dem so genannten cheapest cost avoider auf – eine Schadensverteilungsregel, die in eklatantem Widerspruch zum Verschuldensprinzip steht. Ein logisches Spannungsverhältnis existiert jedoch z.B. auch zwischen der Idee der Verhaltenssteuerung mit dem Ziel der Effizienzsteigerung und der Handlungsfreiheit. Hierzu s. Hoppmann, in: FS Mestmäcker, S. 177, 184 ff. 225 Rawls, A Theory of Justice, S. 3. 226 Es gibt auch auf Seiten der Rechtsökonomen Bemühungen, „unökonomische“ Werte in die Gleichung mit einzubeziehen, insbesondere ausgewählte Rechtspositionen – Leben, Freiheit, körperliche Unversehrtheit – für im Kern unverfügbar zu erklären und ihnen den Rang unabwägbarer Positionen einzuräumen. Hierzu s. Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 126.
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klar.227 Das Problem ist aber, dass sich andere Werte nicht ohne weiteres in das System der ökonomischen Analyse integrieren lassen. Sie sind weder zuverlässig messbar noch können sie einer klaren Rangordnung zugeordnet werden.228 Die ökonomische Analyse baut auf einer in sich geschlossenen Werteordnung auf und ist daher prinzipiell nicht in der Lage, etwaige Zielkonflikte zwischen Allokationseffizienz und (anderen) Gerechtigkeitszielen – sofern sie solche anerkennt – aus sich selbst heraus zu lösen. Das vorläufige Ergebnis muss daher lauten, dass die ökonomische Analyse die Frage nach „dem richtigen Recht“ nicht als umfassendes Referenzmodell beantworten kann. Das bedeutet freilich nicht, dass die ökonomische Analyse für die Rechtsentwicklung bedeutungslos wäre. Zwar ist sie keine Universaltheorie, sie kann jedoch mit ihrem Blick auf wohlfahrtspolitisch wünschenswerte Ergebnisse wertvolle Impulse geben und die Entscheidungsrationalität des Gesetzgebers erhöhen229 und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen kann die ökonomische Analyse des Rechts als „positive“ Analyse eine Prognose darüber treffen, ob eine bestimmte rechtliche Maßnahme die beabsichtigte Wirkung erzielt, ohne dass sie das Ergebnis zwingend auch normativ bewerten müsste.230 Zum anderen kann sie als „normatives“ Modell, jedenfalls in wirtschaftlichen Rechtszusammenhängen, dazu beitragen, beabsichtigte Effizienzziele zu konkretisieren. Ein unbestreitbarer Vorteil der Ökonomik ist ihr interdisziplinärer und globaler Ansatz, der bei europäischen oder internationalen Fragestellungen eine gemeinsame Diskursbasis eröffnet. b) Ökonomische Analyse und Abschlussprüferhaftungsrecht Die Frage, ob ökonomische Erkenntnisse bei der Lösung eines konkreten rechtlichen Problems hilfreich sein können, entscheidet sich für den Juristen im Wesentlichen anhand zweier Aspekte: Zum einen gilt es zu erörtern, wie REM-ähnlich sich die Akteure in dem betreffenden Regelungssachverhalt verhalten und wie repräsentativ daher die Ergebnisse der positiven Analyse sind. Zum anderen ist zu klären, welche Bedeutung dem Effizienzziel in dem einschlägigen Rechtsgebiet zukommt.
227 Kritiker aus dem juristischen Lager vermuten, dass ihnen ein Gewicht bei der Abwägung mehrerer Entscheidungsvarianten nur dann eingeräumt wird, wenn diese gleich effizient sind. S. Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 124. 228 Daher verteidigt Posner den herkömmlichen Ansatz der Reichtumsmaximierung mit der Begründung, „moralische Argumente“ seien analytisch nicht fruchtbar und sollten deswegen in der Rechtspolitik keine Berücksichtigung finden. Vgl. Posner, 24 Val. U. L. Rev. 163, 184 (1990). 229 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 137. 230 I.d.S. Fleischer/Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 46.
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Vorläufig lässt sich festhalten: Da die Jahresabschlussprüfung selbst wirtschaftlichen Zwecken dient, sind ökonomische Argumente bei der Bewertung des Prüferrechts zweifelsohne zu berücksichtigen. Die Prüfung ist kein Selbstzweck. Ihr Wert bemisst sich vielmehr nach ihrer ökonomischen Leistungsfähigkeit, nach ihrem Beitrag zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität, insbesondere durch Erhöhung der Kapitalmarkteffizienz. Über diesem Umstand kann auch das Berufshaftungsrecht nicht hinwegsehen.231 Taupitz spricht insoweit von einem „partiellen Begründungsgleichklang“ in wirtschaftlich geprägten Rechtsgebieten.232 Dies schließt freilich nicht aus, dass neben der Effizienz des Abschlussprüferhaftungsrechts noch anderer Aspekte Berücksichtigung finden müssen. Die positive ökonomische Analyse des Rechts soll im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Aufschluss über die Auswirkungen unterschiedlicher Haftungsregime auf das Verhalten der Abschlussprüfer und anderer Marktteilnehmer geben. Sie fungiert insoweit als Realitätskontrolle der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Haftungsmodelle. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen Kapitalmarktsubjekte, die in ihrer Funktion als Berufsträger, Unternehmer oder private Anleger vorwiegend Gewinn-, d.h. nutzenmaximierende Interessen verfolgen. Andersartige Präferenzen (meddlesome preferences) treten in den Hintergrund.233 Je weiter die natürliche Person in ihrer Funktion innerhalb einer größeren Wirtschaftseinheit aufgeht, desto rationaler und somit vorhersehbarer ist ihr Handeln. Die REM-Hypothese ist daher als Untersuchungsmethode für den vorliegenden Sachzusammenhang grundsätzlich geeignet. Wie steht es nun aber mit den systemimmanenten Wertungen des Rechts, die sich nicht auf ökonomische Effizienz zurückführen lassen? Das Schadensersatzrecht, auch soweit es die Haftung von Abschlussprüfern betrifft, hat nach herkömmlicher rechtswissenschaftlicher Überzeugung weniger mit der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes als vielmehr mit Verantwortung, berechtigtem Vertrauen und angemessener Risikoverteilung zu tun. Zur Bestimmung des potentiellen Konkurrenzverhältnisses zwischen den jeweiligen Referenzsystemen bietet sich ein zweistufiges Vorgehen an, das juristische und ökonomische Argumente trennt. Der vorliegende zweite Teil dieser Arbeit (§§ 3, 4) soll sich ausschließlich mit der wirtschaftlich sinnvollen – effi231 Diese Auffassung liegt auf einer Linie mit der Position der Europäischen Kommission, die die Abschlussprüferhaftung nunmehr vornehmlich als Mittel zur Sicherung der Prüfungsqualität und Steigerung des Anlegervertrauens sieht. S.o. bei § 1, B. 232 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 121. 233 Das bedeutet freilich nicht, dass Personen bei geschäftlichen Entscheidungen zwingend frei von irrationalen „Reflexen“ wäre. Vielmehr scheint die einschlägige Forschung nahe zu legen, dass z.B. bei Anlageentscheidungen auf dem Kapitalmarkt systematische Abweichungen vom rationalen Verhaltensmodell auftreten. Hierzu s. Fleischer/Ulrich/Schmolke/Zimmer, in: Fleischer/Zimmer (Hrsg.), Verhaltensökonomie, S. 9, 48 ff. m.w.Nachw.; Klöhn, a.a.O., S. 83, 87.
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zienten – Gestaltung von Abschlussprüferhaftungssystemen beschäftigen. Die rechtliche Bewertung dieses ökonomischen Ergebnisses, die Frage nach ihrer juristischen Vertretbarkeit, wird erst in einem zweiten Schritt folgen.234 Dieser methodische Ansatz trägt dem Umstand Rechnung, dass Gerechtigkeit, wie Calabresi formuliert, einer ganz anderen Ordnung angehört als die ökonomische Effizienz, und weniger Ziel einer Haftungsregelung ist, „(...) but rather a constraint that can impose a veto on systems or on the use of particular devices or structures within a given system (...).“235 II. Der Beitrag des Schadensersatzrechts zur Effizienzsteigerung Das Schadensersatzrecht dient in der ökonomischen Theorie, ebenso wie andere Rechtsgebiete, der Maximierung des sozialen Nutzens und der Verwirklichung von Effizienz im wohlfahrtsökonomischen Sinn.236 Insbesondere die Regeln über die außervertragliche Schadensersatzpflicht sollen eine effiziente Zuordnung von property rights in Situationen ermöglichen, in denen die Coasesche Verhandlungslösung an faktischen Hindernissen, bzw. auf Grund horrender Transaktionskosten, scheitert (z.B. im Unfallrecht).237 Aber auch nicht dispositives Haftungsrecht, wie es vornehmlich im Berufs-238 und Verbraucherschutzrecht existiert, simuliert letztlich optimale Marktergebnisse dort, wo eine privatautonome Vereinbarung zwar möglich wäre, aber eine ökonomisch sinnvolle (effiziente) Einigung – im Hinblick auf Informationsasymmetrien, marktbeherrschende Stellungen, mangelnde Internalisierung externer Kosten etc. – nicht zu erwarten ist. Ziel dieses Abschnitts ist es, letztlich einen eigenständigen Effizienzbegriff für die Abschlussprüferhaftung zu entwickeln. Hierfür wird es zunächst notwendig sein, das spezifisch ökonomische Funktionsverständnis des Haftungsrechts, in Abgrenzung zu der traditionellen juristischen Auffassung, herauszustellen. Im Anschluss sollen die allgemeinen Voraussetzungen eines effizienten Schadensersatzrechts, welches die Rechtsökonomik vornehmlich auf Grundlage der von Calabresi hervorgebrachten Theorie über die Schadenskosten des Unfallrechts239 entwickelt hat, dargestellt und schließlich auf das Abschlussprüferhaftungsecht übertragen werden.
234
S. auch Hermann, Ökonomische Analyse, S. 45. Calabresi, Cost of Accidents, S. 25. 236 Statt vieler s. Stringham/White, in: Oppenheimer/Mercuro (Hrsg.), Law and Economics, S. 374; Gelter, WPg 2005, 486, 489. 237 Adams, ZZP 99 (1986), 129, 144. 238 Hierzu s. unten bei § 6, A. II. 3. b). 239 Erstmals Calabresi, 78 Harv. L. Rev. 713 (1965). 235
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1. Ökonomisches Funktionsverständnis des Schadensersatzrechts Das Schadensersatzrecht ist ein Instrumentarium, um mit nachteiligen Folgen von Schadensfällen umzugehen. Seine Funktion besteht darin, den eingetretenen Schaden – in Abweichung von dem Grundsatz casum sentit dominus – ausnahmsweise von der Person, die ihn erlitten hat, auf eine andere zu verlagern. Vorrangige Ziele der Schadensumwälzung sind die Schadenskompensation,240 die Schadensprävention241 und die Schadensdistribution;242 sie alle beleuchten letztlich den gleichen Vorgang, namentlich die Schadensverlagerung, lediglich aus verschiedenen Perspektiven. 243 Juristen und Rechtsökonomen haben sich mit den Zwecken des Schadensersatzrechts gleichermaßen auseinandergesetzt, ordnen ihnen aber im Ergebnis unterschiedliche Bedeutung zu. In der Rechtswissenschaft ist die Kompensation, d.h. der Rechtsgüterschutz im Wege des nachträglichen Schadensausgleiches, traditionell als vorrangige Funktion des Schadensersatzrechts anerkannt.244 Der Grundsatz, das Opfer von einem rechtswidrig und schuldhaft zugefügten Schaden zu entlasten, ist „so fundamental im einheimischen Rechtsverständnis verankert, dass er beinahe als unabdingbares Element der Gerechtigkeit erscheint.“245 Entscheidend ist wohlgemerkt die Entlastung des Geschädigten, nicht die Belastung des Schädigers.246 Da jedoch der Ausgleich des Opfers im privaten 240 Zur terminologischen Verwendung und Konkretisierung des Kompensationsbegriffs, insbesondere in Abgrenzung zur Reparation und Restitution, s. umfassend Dreier, Kompensation, S. 18 f. 241 Statt vieler s. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9. 242 Weitere (Neben)Funktionen des Schadensersatzrechts sind z.B. die Garantie, die Versicherung, die Abgrenzung von Handlungs- und Freiheitsbereichen, die Steuerung des Regresses zwischen kollektiven Schadensträgern, die Strafe (streitig). Hierzu s. Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 72; Gelter, WPg 2005, 486, 493; Dreier, Kompensation, S. 18 f.; MünchKommBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 38 ff. 243 Das Kompensationsziel nimmt die Situation des Verletzten in den Blick. Der Schadensersatz soll das ihm zugefügte Übel ausgleichen (Schadensabnahme). Das Präventionsziel richtet sich gegen den potentiellen Verletzer. Die mit der Pflicht zur Schadensersatzleistung verbundenen Nachteile sollen ihn zu angemessener Sorgfalt (Schadensvorsorge) anhalten. Der Distributionsgedanke setzt sich mit der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Schadenseintritts auseinander. Die Verteilung des Schadens verhindert, dass sich die durch ihn verursachten Belastungen nicht in sozial unerträglicher Weise auf einer Person konzentrieren. Hierzu s. Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 70. 244 Statt aller s. MünchKommBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 38. 245 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 138 m.w.Nachw.; kritisch gegenüber der vollständigen Überwälzung des Schadens auf den Täter aus „Sympathie“ Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 69. 246 Die traditionelle deutsche Rechtswissenschaft erkennt die Prävention nach wie vor nicht als gleichrangiges Ziel neben der Kompensation an. Sie ist allenfalls willkommener Nebeneffekt. Statt vieler s. Deutsch, Haftungsrecht, Bd. I, S. 73 f.; Wagner, AcP 2006 (2006), 352.
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Haftungsrecht notwendigerweise mit einer Ersatzpflicht des zurechenbaren Schädigers korrespondiert, sind Kompensation und Prävention in den Augen der Jurisprudenz untrennbar miteinander verbunden. Neben der individuellen Funktion des Schadensersatzrechts ist heute weitgehend anerkannt, dass – zumindest das Deliktsrecht – über die Verhaltenssteuerung und Risikostreuung auch kollektive Aufgaben im Rahmen einer sozialen Schadensverteilung wahrnimmt.247 Die ökonomische Analyse des Rechts nähert sich dieser Problematik aus einer anderen Richtung. Das Schadensersatzrecht dient aus ihrer Perspektive, wie die Rechtsordnung insgesamt, der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtmaximierung, mithin dem kollektiven Interesse. Es soll die Wohlfahrtsverluste, die im Schadensfall zwingend auftreten (beispielsweise durch Vernichtung von Sachwerten), minimieren. Nach ökonomischem Verständnis ist ein Schaden nicht entweder Unglück des Geschädigten oder ersatzfähiges Unrecht, sondern ein Kostenfaktor. Der durch ihn verursachte Wohlfahrtsverlust kann nicht im Zuge einer Ausgleichsleistung zwischen Schädiger und Geschädigtem aus der Welt geschafft werden.248 Im Gegenteil verursacht die Schadensabwicklung zusätzliche Kosten, insbesondere Informationskosten zur Ermittlung der Sach- und der Rechtslage sowie typischerweise Rechtsberatungsund Gerichtskosten. Der Schadensausgleich ist mithin volkswirtschaftlich zunächst einmal ein Negativgeschäft, denn er fügt dem bereits eingetretenen Wohlfahrtsverlust einen weiteren hinzu.249 Die Einführung einer Schadensersatzpflicht ist daher nur unter der Prämisse sinnvoll, dass sie gegenüber potentiellen Schädigern eine Abschreckungswirkung entfaltet und auf diese Weise dem Eintritt weiterer Schäden vorbeugt. Aus diesem Grunde steht in der ökonomischen Analyse des Schadensersatzrechts die Präventionsfunktion an erster Stelle; der vorbeugende Rechtsschutz geht dem wiedergutmachenden vor.250 Die Kompensation ist kein Selbstzweck. Zwar kann ihr im Einzelfall eine (Vertrauens)Versicherungs- und Schadensverteilungsfunktion zukommen,251 aber anders als die Rechtswissenschaft empfindet die Rechtsökonomik die Verknüpfung von Kompensation und Prävention nicht als zwin-
247
Grundlegend zur Problematik der Verhaltenssteuerung im Zivilrecht Wagner, AcP 2006 (2006), 351. 248 Mataja, Das Recht des Schadenersatzes, S. 19. 249 Statt vieler s. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 138. 250 Zu den Zielrichtungen des vorbeugenden und wiedergutmachenden Rechtsschutzes s. ausführlich Dreier, Kompensation, S. 15 ff., der zutreffend darauf hinweist, dass selbstverständlich auch der vorbeugende Rechtsschutz an einem bereits verwirklichten Haftungstatbestand als Ausgangspunkt ansetzt. Lediglich die Intentionen, die mit der schadensrechtlichen Verfolgung bereits begangenen Unrechts verbunden sind, richten sich auf die Zukunft und nicht die Vergangenheit (a.a.O., S. 16). 251 Gelter, WPg 2005, 486, 490, 493.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
gend.252 Für die präventive Wirkung einer Zahlungspflicht ist unerheblich, ob der Geschädigte im Gegenzug einen Ausgleich erhält.253 Ähnlich wie das Strafrecht ist auch das Schadensersatzrecht lediglich ein Mittel, um externe Effekte zu internalisieren. 2. Regelungsmaxime Die Auferlegung einer Schadensersatzpflicht soll Anreize zur effektiven Schadensvorsorge vermitteln (Prävention). Es ist nicht Bestreben der Rechtsökonomen, den Eintritt eines Schadens „um jeden Preis zu verhindern“254 – sondern nur zum optimalen Preis.255 Dementsprechend soll das Haftungsrecht über die rechtliche Zuteilung des Schadensrisikos die Summe aller Schadenskosten auf das kleinstmögliche Maß reduzieren.256 Da insoweit nicht nur die bei Eintritt des Schadensfalls vernichteten Werte (sog. Ressourcenschaden), sondern beispielsweise auch die zur Schadensvorsorge erforderlichen Aufwendungen zu berücksichtigen sind, kann es im Einzellfall wirtschaftlich sinnvoll sein, einen Schaden rechtlich in Kauf zu nehmen, wenn die Kosten seiner Vorbeugung den tatsächlichen Ressourcenschaden überschreiten. Prävention ist mithin kein Ziel über allen anderen.257 a) Schadenskosten Calabresi hat drei Kategorien von Wohlfahrtsverlusten gebildet:258 primäre, sekundäre und tertiäre Schadenskosten. Zu den primären Kosten zählen zum einen die so genannten Ressourcenschäden, d.h. Verluste, die durch die Zerstörung von Nutzwerten unmittelbar infolge des Schadensereignisses (bspw. die Zerstörung einer Sache, Tötung einer Person) eintreten. Zum anderen fallen unter die Primärkosten auch die Kosten des zur Schadensvorsorge betriebenen Aufwands.259 Bei einem Flugzeugabsturz setzen sich die Primärkosten 252
Calabresi, Costs of Accidents, S. 22 f. Die Sanktion des Täters ohne die im Gegenzug erfolgende Begünstigung des Opfers ist dem deutschen Zivilrecht unbekannt. In Polen hingegen kann das Gericht gemäß Art. 448 Kc im Falle der Verletzung eines persönlichen Rechtsguts auf Verlangen des Rechtsgutsinhabers anordnen, den Schädiger zur Zahlung eines bestimmten Geldbetrags für einen gemeinnützigen Zweck zu verurteilen. Dieser Geldbetrag kann höher sein als der ansonsten zu zahlende Schmerzensgeldbetrag. Hierzu s. Bobrzyński/Liebscher/Zoll, in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 253. 254 Grundlegend Calabresi, 78 Harv. L. Rev. 713 (1965). 255 In diesem Sinne Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 139 f. 256 Calabresi, 78 Harv. L. Rev. 713 (1965). 257 Taupitz, Acp 196 (1996), 114, 139. 258 Calabresi, 78 Harv. L. Rev. 713–745 (1965); ders., The Costs of Accidents. 259 Umfassend zu den Primärkosten H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 129 ff.; Gelter, WPg 2005, 486, 489; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 138 f. 253
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mithin aus dem Wert des Jets und den Kosten der katastrophenvorbeugenden Maßnahmen (z.B. Sicherheitschecks) zusammen. Das Schadensersatzrecht kann die Primärkosten dadurch minimieren, dass es Anreize zur optimalen – nicht größtmöglichen – Sorgfalt setzt. Das optimale Sorgfaltsniveau ist erreicht, wenn die marginale Abnahme des zu erwartenden Schadenswertes durch die zusätzliche Sorgfalt den Grenzkosten der Sorgfalt selbst entspricht.260 Sofern mehrere Personen zur Schadensvereitelung beitragen können, kommt es insbesondere darauf an, das Schadenstragungsrisiko auf die Person, bzw. die Personen, zu verlagern, denen die Schadensvermeidung zu den geringsten Kosten möglich ist (sog. cheapest cost avoider).261 Sekundäre Kosten sind Effizienzverluste, die auf einer sozial unverträglichen Schadensverteilung beruhen. Es ist nicht möglich, den sozialen Schaden ausschließlich über seinen Geldwert zu ermitteln, weil der persönliche Nutzen überproportional zu den Kosten eines Schadens sinken kann.262 Wenn eine Person hundert Euro hat, ist der Verlust von hundert Euro nicht „zehnmal so schlimm“ wie der Verlust von zehn Euro, sondern unter Umständen fatal. Aus diesem Grunde ist es aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive nicht gleichgültig, ob zehn Personen jeweils einen Verlust von zehn Euro erleiden oder eine Person alles verliert. Der Wohlfahrtsverlust der Gruppe ist im zweiten Falle höher.263 Im Bereich der Sekundärkosten wird das bereits angesprochene Problem der interpersonalen Nutzenmessung und die Frage nach dem Stellenwert der distributiven neben der allokativen Effizienz erneut relevant.264 260
So die gängige Definition in Abwandlung der von Judge Learned Hand entwickelten Formel, die jedoch noch von den Gesamtkosten und nicht von den Grenzkosten ausging. Statt vieler s. Feess, in: FS H.-B. Schäfer, S. 141, 142. Ähnlich der Ansatz „Three Tests“ von Calabresi/Klevorick, 14 J. Legal Stud. 585, 587 (1985). Zur Learned Hand-Formel s. im Einzelnen unten bei § 4, A. I. 1. a). 261 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Wechselwirkung zwischen dem Verhalten unterschiedlicher Personen. So kann die volle Haftung des Schädigers die Anreize des Opfers zur eigenständigen Schadensvorsorge mindern, wenn ein Mitverschulden keine Berücksichtigung findet. S. Adams, Ökonomische Theorie, S. 166 ff. 262 Das ist der Rückschluss aus dem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen des Einkommens. Hierzu s. H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 135 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 140 f. 263 Bei einer solchen distributiven Betrachtung des sozialen Schadens muss man konsequenter Weise ebenfalls das Verhältnis der Schadensprimärkosten zum Einkommen der den Schaden tragenden Individuen berücksichtigen. Sofern die betrachtete Gruppe aus einem Millionär und neun Studenten bestünde, könnte der Wohlfahrtsverlust bei einer Streuung des Schadens größer sein, als wenn ihn der Millionär alleine trüge. In diese Richtung auch Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 143. Allerdings müsste eine solche Bewertung auf Grundlage von kardinaler Nutzenmessung und interpersonellem Vergleich erfolgen. Zu den Problemen eines solchen analytischen Vorgehens und Lösungsvorschlägen s. H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 134 ff. 264 S.o. bei § 3, B. I. 1. a) und § 3, B. I. 1. b) (2).
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Der systematischen Einfachheit halber setzen Ökonomen die Sekundärkosten zum Teil mit sozialer Gerechtigkeit gleich.265 Das klassische Mittel zur Minimierung von Sekundärkosten ist die Schadensstreuung auf eine Vielzahl von Trägern, typischerweise über Versicherungsmodelle.266 Eine weitere Strategie besteht in der Verlagerung des Schadens auf besonders wohlhabende oder solche Personen, die ihrerseits in der Lage sind, die Kosten zu streuen (sog. deep pocket-Strategie). Tertiäre Kosten sind all jene Aufwendungen, die bei der Einrichtung, Unterhaltung und Durchführung eines umfassenden Schadensorganisationssystems anfallen.267 Hierzu zählen insbesondere die „Transaktionskosten des Schadensausgleichs“268, namentlich die Informations- und Rechtsverfolgungskosten in jedem einzelnen Schadensfall. Tertiäre Kosten kann eine Rechtsordnung umfassend dadurch ausschließen, dass sie unter strenger Befolgung des Grundsatzes casum sentit dominus den Opfern jedweden Ausgleich von Schadensersatzansprüchen versagt. Tertiärkosten lassen sich, wenn auch in geringerem Umfang, durch solche Regelungen reduzieren, die Beweis und Verfahren vereinfachen oder den Ersatz besonders schwer bestimmbarer Schäden – z.B. ideeller Schäden – ausschließen. b) Effizienz als Kompromiss Ökonomisch ideal wäre ein Schadensersatzrecht, das die Wohlfahrtseinbuße aller drei Kostenkategorien jeweils minimieren könnte. Der Natur des Ideals entspricht freilich die Unmöglichkeit seiner Verwirklichung. Die Maßnahmen, die erforderlich sind, um einzelne Kosten zu senken, verursachen stets andere.269 So vermag die Abwälzung des Haftungsrisikos auf den potentiellen Schädiger zwar Primärkosten im Wege der Schadensprävention zu senken, sie zieht jedoch unweigerlich Kosten der Schadensabwicklung nach sich. Umgekehrt senkt die Abschaffung des Schadensersatzrechts die Tertiärkosten auf Null, sie nimmt aber gleichzeitig den Individuen den ökonomischen Anreiz, die Schädigung anderer Personen zu vermeiden. Ein ähnlicher Zielkonflikt 265
Calabresi, Cost of Accidents, Fn. 2. Zu den Mitteln zur Senkung sekundärer Kosten zählen nicht nur Versicherungen im engeren Sinne, sondern auch versicherungsähnliche Modelle, wie beispielsweise die Garantiehaftung von Produzenten, die letztlich über den Kaufpreis refinanziert wird. Entscheidend ist, dass im Ergebnis eine Vielzahl von Personen – nicht nur der tatsächliche Schädiger und der tatsächlich Geschädigte – den Schaden tragen. Hierzu s. Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 141; H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 138 f. 267 Horn, AcP 176 (1976), 307, 324. 268 Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 141. Zu dem Transaktionskostenkonzept im Allgemeinen s. Behrens, Ökonomische Grundlagen, S. 106 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S. 91 ff. 269 Zu diesem Zielkonflikten s. umfassend H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 140 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 142 f. 266
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besteht im Verhältnis zwischen Primär- und Sekundärkosten: Die Schadensstreuung durch Versicherung mindert das individuelle Schadensrisiko und somit die abschreckende Wirkung der Schadensersatzpflicht. Abnehmende Sekundärkosten erhöhen daher potentiell die Primärkosten. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Effizienz einer Schadensersatzrechtsordnung nur auf einem Kompromiss aufbauen kann.270 Ein effizientes Schadensersatzrechtssystem muss die Summe aus primären, sekundären, tertiären Schadenskosten minimieren.271 In ihrer Flexibilität stellt diese Gleichung einen Gesetzgeber allerdings vor Herausforderungen. Schon theoretisch sind eine Vielzahl von Kombinationen denkbar, die zu einem optimalen Ergebnis führen; je nachdem zu Lasten welcher Kostenkategorie man den Effizienzkompromiss schließt. Auf die Frage, welchem Ziel in einem Kollisionsfall Vorrang einzuräumen ist, z.B. der Prävention oder der sozialen Verträglichkeit der Schadenstragung, gibt die ökonomische Analyse keine Antwort. Hinzu kommt ein weiteres Problem: die einzelnen Kosten sind objektiv – unabhängig von rechtlichen und möglicherweise ethischen Wertungen – nicht ohne weiteres bestimmbar. Der folgende Unterabschnitt wird sich mit diesem Problem konkret im Hinblick auf die Abschlussprüferhaftung befassen. III. Die Kosten der Abschlussprüfung Die oben dargelegte Schadenskostentheorie Calabresis ist speziell auf das Unfallhaftungsrecht ausgerichtet. Im Folgenden sollen die gewonnenen Erkenntnisse auf die Abschlussprüferhaftung übertragen und an seine Besonderheiten angepasst werden. 1. Primärkosten: Qualitätsoptimierung Aus Primärkostenperspektive besteht das Ziel des Abschlussprüferhaftungsrechts darin, die Kosten von Schäden, die infolge fehlerhafter Jahresabschlussprüfungen entstehen können (Prüfungsschäden), zu einem effizienten Kostenaufwand zu minimieren (Qualitätsoptimierung). Da sich die Expektanzkosten des Schadeneintritts in erster Linie nach der Wahrscheinlichkeit eines Prüfungsfehlers bestimmen, steht insoweit die Optimierung – nicht: Maximierung! – der Prüfungsqualität im Mittelpunkt. Wenn die Summe der Kosten, die bei Durchführung der Prüfung (Schadensvorsorgemaßnahmen) und auf Grund von Prüfungsfehlern entstehen, minimal ist, ist ein optimales Qualitätsniveau verwirklicht. Insbesondere die Bestimmung der Kosten von Prüfungsschäden gestaltet sich jedoch schwierig.
270
H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 141 f.; Taupitz, AcP 196 (1996), 114,
142 f. 271
Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 143.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
a) Kosten des Schadenseintritts Die Schäden, die durch fehlerhafte Prüfungsergebnisse verursacht werden können, sind stets reine Vermögensschäden. Das zweite Kapitel dieser Arbeit (§ 2) hat sich näher mit den juristischen Vorbehalten gegen einen umfassenden haftungsrechtlichen Schutz des Vermögens befasst. Doch hat auch die Rechtsökonomik ein ambivalentes Verhältnis zu der Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden. (1) Zum Problem reiner Vermögensschäden Das Problem liegt, vereinfach gesagt, darin, dass mit dem Vermögensschaden einer Person in aller Regel der Gewinn einer anderen einhergeht, der ihn in der Summe ausgleicht: Wenn auf Grund falscher Informationen im geprüften Jahresabschluss eine Aktie zu einem überteuerten Preis verkauft wird, erleidet der Erwerber einen Verlust. Der Veräußerer erzielt jedoch einen Gewinn in gleicher Höhe. Gesamtwirtschaftlich gesehen bewirkt das fehlerhafte Prüfungstestat mithin zunächst einmal keinen Schaden. Die bloße Umverteilung von Vermögen ist aus volkswirtschaftlicher Sicht vielmehr ein „Nullsummenspiel.“272 Gleiches gilt auch bei Ausfall eines Kredits: Ein Kreditgeber, der einem Unternehmen im falschen Vertrauen auf dessen Kreditwürdigkeit ein Darlehen gegeben hat, erleidet zwar einen persönlichen Verlust, aber die übertragenen Geldwerte sind nicht vernichtet, sondern existieren nach wie vor.273 Bei Unfallschäden, wie sie dem Kostenmodell Calabresis zu Grunde liegen, ist die Situation eine andere: Der Eintritt des Schadensereignisses vernichtet Sachwerte und verursacht daher echte Ressourcenschäden. Der individuelle Schaden des Rechtsgutsträgers ist mit dem Schaden der Gemeinschaft (Sozialschaden) identisch.274 Bei reinen Vermögensschäden hingegen, wie sie typischerweise infolge fehlerhafter Informationen auftreten, ist die Summe der privaten Vermögensschäden höher als der Sozialschaden.275 272 Wörtlich Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S.171, 179; ebenso bereits H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 814. Jedoch gilt diese These nur für in sich geschlossene Wirtschaftssysteme, für die Umverteilung von Kapital innerhalb einer Volkswirtschaft. Wenn Kapital im Rahmen internationaler Investitionen ins Ausland fließt, kann es durchaus vorkommen, dass eine Volkswirtschaft in der Gesamtbilanz einen Verlust erleidet. Aus globaler Perspektive liegt wiederum eine reine Umverteilung vor. 273 Freilich gehen mit der Übertragung von Kapital auf zahlungsunfähige Unternehmen regelmäßig auch volkswirtschaftliche Verluste einher. Hierzu s. sogleich unten m.w.Nachw. 274 Erleidet ein Kraftfahrzeug einen Totalschaden, so entsteht den Eigentümern, aber auch der Volkswirtschaft insgesamt, ein Verlust in Höhe seines Wertes. Die Zerstörung einer Sache verursacht in der gesamtwirtschaftlichen Bilanz immer ein Minus; ein „schlechtes Geschäft“ (z.B. eine Fehlinvestition) als solches hingegen nicht notwendigerweise. 275 Grundlegend zu diesem Problem in Bezug auf die Haftung des Wirtschaftsprüfers für fehlerhafte Informationen s. H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 807; ders., 12 Supreme Court
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Wirkliche Ressourcenschäden kann eine fehlerhafte Kapitalmarktinformation erst auf nachgelagerter Ebene verursachen. Im Unterschied zum klassischen Unfall ist die Verlautbarung einer falschen Information, die Veröffentlichung eines fehlerhaften Jahresabschlusses, zunächst einmal ohne jede Außenwirkung. Sofern Kapitalmarkteilnehmer von der Information Kenntnis nehmen, auf sie vertrauen und auf ihrer Grundlage eine vermögensrelevante Entscheidung vornehmen, kommt es auf einer zweiten Ebene zu einer Vermögensverschiebung, die individuell nachteilig sein kann, gesamtwirtschaftlich jedoch neutral ist. Erst auf einer dritten gedanklichen Ebene kann dieser reine Umverteilungsschaden einen echten Ressourcenschaden nach sich ziehen. Wenn nämlich in das überbewertete Unternehmen Kapital fließt, das an anderer Stelle eine höhere Rendite eingebracht hätte, entsteht neben dem individuellen Verlust ein Sozialschaden auf Grund mangelnder Allokationseffizienz.276 Ein echter Ressourcenschaden kann ebenfalls in der Form auftreten, dass eine Person zur Vornahme der individuell nachteiligen Vermögensverschiebung Aufwendungen tätigt, die sich im Nachhinein als wertlos erweisen.277 Kommt es letztlich zu einer Aufdeckung des Abschlussprüferversagens, können zudem weitere Ressourcenschäden auf Grund des Vertrauensverlustes auf dem Kapitalmarkt folgen.278 Bestenfalls führt dieser Vertrauensverlust dazu, dass Anleger und Kreditgeber zusätzliche – tatsächlich überflüssige – private Kosten aufwenden, um die zugänglichen Unternehmensdaten zu verifizieren. Viel größer ist jedoch die Gefahr, dass die allgemeine Investitionsfreudigkeit auf dem Kapitalmarkt sinkt. Zusammenfassend lassen sich mithin drei Formen von Prüfungsfehlerschäden unterscheiden, deren Eintritt jeweils von zusätzlichen Bedingungen abhängt: 1) Die Vornahme einer vermögenswirksamen Entscheidung im Vertrauen auf ein fehlerhaftes Prüfungstestat kann einen individuellen Vermögensschaden nach sich ziehen, der gesamtwirtschaftlich keine Kosten verursacht (reiner Umverteilungsschaden). 2) Eine individuell nachteilige Vermögensumverteilung kann jedoch ebenfalls Ressourcen vernichten bzw. ihre optimale Nutzung verhindern und so einen echten Sozialschaden verursachen, wenn: – mit der Vermögensverschiebung eine ineffiziente Fehlleitung von Kapital verbunden ist (Allokationsschaden) Ec. R. 181 (2004); ders., in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Kapitalmarktinformationshaftung, S. 161; H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8, 11; Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S. 171; Feess, in: FS H.-B. Schäfer, S. 141; Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 164 f. 276 H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 814; Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S. 171, 179. 277 H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 814; Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S. 171, 179. 278 H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 814; Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S. 171, 179.
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oder wenn das Versagen des Prüfers einen sozial relevanten Vertrauensverlust verursacht (Vertrauensschaden).
(2) Divergenz zwischen sozialen und individuellen Schäden Üblicherweise enthält der durch eine fehlerhafte Jahresabschlussprüfung verursachte Schaden eine lediglich individuell nachteilige Umverteilungsschadenskomponente und eine sozial relevante Ressourcenschadenskomponente.279 Wenngleich ein Ressourcenschaden meist einen Umverteilungsschaden voraussetzt,280 so ist der soziale Schaden jedoch mit den individuellen Schäden weder kostenidentisch noch inhaltlich deckungsgleich. Ist beispielsweise ein börsennotiertes Unternehmen überbewertet worden, so erleidet der Aktienkäufer einen Schaden, weil er einen überhöhten Preis zahlt und damit ein schlechtes Geschäft abschließt. Seine privaten Schadenskosten ergeben sich aus der Differenz zwischen dem ausgeschriebenen Kurs und dem tatsächlichen Wert des Unternehmensanteils. Der Ressourcenschaden ist inhaltlich und kostenmäßig von diesem Umverteilungsschaden losgelöst, nämlich von dem Eintritt weiterer Umstände abhängig. Er kann sich daraus ergeben, dass der geschädigte Anleger nicht an anderer Stelle investiert hat (Allokationsschaden) oder auch daraus, dass der Fehler des Prüfers bekannt wird und das nunmehr beeinträchtigte Anlegervertrauen, die Investitionsfreudigkeit auf dem Kapitalmarkt hemmt (Vertrauensschaden).281 Die fehlende Identität von Individual- und Sozialschäden bereitet bei der Gestaltung eines effizienten Schadensersatzrechts Schwierigkeiten. Die Funktion der Schadensersatzpflicht besteht aus ökonomischer Perspektive in der Internalisierung externer Kosten. Sie verlagert das soziale Schadensrisiko auf den potentiellen Schädiger, um ihn auf diese Weise zur effizienten Schadensvorsorge anzuhalten. Während sich der Umfang einer Schadensersatzpflicht mithin an der Höhe des Sozialschadens orientieren muss, kann zivilrechtlich – auf Grund der Konnexität von Haftung und Ausgleichsanspruch – nur der Individualschaden Ausgangspunkt einer Haftungsregel sein. Eine Internalisie-
279
H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 813 f. Nicht jeder Ressourcenschaden setzt einen Individualschaden voraus. Es ist z.B. theoretisch denkbar, dass eine vom Abschlussprüfer tolerierte Bilanzmanipulation noch vor Veröffentlichung des Jahresabschlusses aufgedeckt wird und so einen Vertrauensschaden verursacht jedoch keine wirtschaftlich nachteiligen Investitionen veranlasst. Jedoch dürfte dieses Szenario – Ressourcenschaden ohne Individualschaden – den Ausnahmefall darstellen. 281 Dass diese mangelnde Identität von sozialem und individuellem Schaden eine besondere Eigenheit der reinen Vermögensschäden infolge fehlerhafter Informationen ist, zeigt sich wiederum am Gegenbeispiel eines typischen Autounfalls: Die privaten Kosten des Schadenseintritts entsprechen dem Wert des vernichteten Wagens; die sozialen Kosten ebenfalls. Der private Schaden liegt in der Zerstörung des Sachwerts; der soziale Schaden ebenfalls. 280
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rung der externen Schäden ist daher im engeren Sinne nicht möglich.282 Das Haftungsrecht kann lediglich das Schadenstragungsrisiko des Abschlussprüfers dem sozialen Schadensrisiko annähern, indem es einen Teil der individuellen Verteilungsschäden auf ihn abwälzt. Die Abwälzung aller Individualschäden auf den Abschlussprüfer (insbesondere durch Einführung einer umfassenden Dritthaftung) würde ihn mit Kosten belasten, die den Sozialschaden im Regelfall übersteigen dürften. Die internen Schadenskosten des Prüfers wären höher als die externen. Das hätte zur Folge, dass der Abschlussprüfer – theoretisch – ineffizient hohe Kosten zur Vermeidung des Schadensfalles aufwenden würde. Um eine solche Übermaßhaftung283 zu vermeiden, kommt der Gesetzgeber nicht umhin, eine Auswahl zu treffen: Er muss definieren, welche der vielen individuellen (Umverteilungs)Schäden, die ein Testat verursachen kann, haftungsrechtlich auf den Abschlussprüfer verlagert werden sollen. Eine Abgrenzung der Schadensersatzpflicht ist freilich nicht nur anhand des Kreises potentieller Gläubiger, sondern auch der Höhe nach oder auf andere Weise (z.B. Proportionalhaftung) denkbar.284 Diese Entscheidung muss die Legislative abstrakt, mithin unabhängig davon fällen, wie das Kostenverhältnis zwischen individuellen und sozialen Schäden im konkreten Fall sein wird. Mit wirtschaftlichen Erkenntnissen alleine ist der aufgezeigte Konflikt nicht lösbar. Wenn auch das Ziel der haftungsrechtlichen Privilegierung einzelner Schäden ökonomische Effizienz ist, so kann sich doch die Auswahl selber nur an rechtlichen Wertungen orientieren.285 Rechtsökonomische Abhandlungen stellen die Effizienz einer umfassenden Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden innerhalb vertraglicher Beziehungen grundsätzlich nicht in Frage, während sie im Rahmen der Dritthaftung intensiv diskutiert wird. Die Vertragsparteien können sich im Regelfall selbst über die effiziente Verteilung des Schadenrisikos einigen. „Die Grenze der Vertragsfreiheit ist ent282
Vor diesem Hintergrund s. zum gänzlichen Ausschluss der Haftung für reine Vermögensschäden im Deliktsrecht und den ökonomischen Voraussetzungen im Einzelnen Bishop, 2 OJLS 1 ff. (1982). Zur Begrenzung der Haftung für fehlerhafte Wertgutachten gegenüber vertragsfremden Dritten auf grobe Fahrlässigkeit s. H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 835 ff. Zu diesem Vorschlag s. auch Ott, in: FS H.-B. Schäfer, S.171, 180 f. und Feess, in: FS H.B. Schäfer, S. 140, 143 f. 283 Eine Übermaßhaftung liegt vor, wenn die Haftung den sozialen Schaden überschreitet. Statt vieler s. Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 167. 284 In diesem Sinne auch H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8, die sich für einen niedrigeren Verschuldensmaßstab (Haftung nur bei grobem Verschulden des Abschlussprüfers) auf dem Sekundärmarkt aussprechen. 285 So wäre insbesondere eine Regelung, derzufolge ein fehlerhaftes Prüfungstestat nur unter der Bedingung eine Schadensersatzpflicht begründet, dass es neben dem Individualschaden auch einen Sozialschaden verursacht hat, auf Grund der mangelnden Identität der beiden Schadenskomponenten willkürlich und daher juristisch unvertretbar.
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sprechend § 138 BGB und darüber hinaus aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht bereits dann erreicht, wenn die wirtschaftspolitischen Wirkungen eines Vertrages ineffizient werden.“286 Mit Blick auf die im Raum stehende gesetzliche (nicht dispositive) Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer im Verhältnis zu ihren Prüfungsmandanten ist jedoch eine umfassendere Betrachtung dieses Problems notwendig. Insbesondere stellt sich die Frage, ob eine abschlusshaftungsrechtliche Differenzierung zwischen den prüfungspflichtigen Gesellschaften und Dritten ökonomisch indiziert ist. Einige Autoren regen insoweit an, die Haftung des Abschlussprüfers speziell im Verhältnis zu Dritten auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu beschränken.287 Bigus und Schäfer288 begründen ihren Vorschlag damit, dass Anleger auf dem Sekundärmarkt infolge eines fehlerhaften Testats gleichermaßen Verluste erleiden und Gewinne erzielen können. Bei einer umfassenden Dritthaftung des Abschlussprüfers übersteige sein Schadensrisiko das Schadensrisiko der Anlegerschaft in ihrer Gesamtheit. Um eine Übermaßhaftung zu vermeiden, sei daher eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit sinnvoll. Die Autoren unterscheiden insoweit zwischen der Abschlussprüferhaftung (Sekundärmarkt) und der Prospekthaftung des Wirtschaftsprüfers (Primärmarkt). Auf dem Primärmarkt, bei der Ausgabe von Aktien (z.B. beim erstmaligen Börsengang des Unternehmens), sind alle Anleger Aktienkäufer. Das bedeutet, dass die Anleger eines überbewerteten Unternehmens auf dem Primärmarkt stets einen Schaden erleiden, dem – innerhalb der Anlegerschaft – kein gleichwertiger Gewinn gegenübersteht. Es ist zutreffend, dass die Anlegerschaft in ihrer Gesamtheit auf dem Primärmarkt immer einen Schaden erleidet, auf dem Sekundärmarkt hingegen nicht. Diese These baut auf einem Vergleich auf, der die Schutzinteressen der Anlegerschaft – als isolierte Gruppe289 – in unterschied286
H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 816. Hierzu s. auch Adams, ZZP 1986, 129, 144; Ott/H.-B. Schäfer, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 131, 147. 287 So im Ergebnis H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8; ebenso J. Richter, Dritthaftung, S. 297 ff. 288 H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8; dies., Comment on the European Commission Staff Working Paper, S. 1 f.; H.-B. Schäfer, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Kapitalmarktinformationshaftung, S. 161. 289 Verdichtete man den Rawlschen Schleier des Nichtwissens dagegen und wüssten die Beteiligten nicht, ob sie emittierendes Unternehmen oder Aktienkäufer bzw. Verkäufer wären, so sähe die Situation schon wieder ganz anders aus: in beiden Marktszenarien wäre das Schutzinteresse gleich hoch. Freilich gilt diese Annahme nur bei Risikoneutralität des Befragten, da der Anleger auf dem Sekundärmarkt mit einem diversifizierten Aktienportfolio typischerweise nicht Gewinner oder Verlierer ist, sondern sich auch die interne Bilanz seiner Schäden infolge fehlerhafter Prüfungsergebnisse auf lange Sicht ausgleicht. Hierzu s. H.B. Schäfer, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Kapitalmarktinformationshaftung, S. 161. Auf dem Primärmarkt hingegen würde der jeweilige Marktteilnehmer entweder als emittierendes Unternehmen einen Reingewinn erzielen oder als Anleger einen reinen Verlust erleiden.
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lichen Marktszenarien betrachtet. An der Qualität der Anlegerschäden aus volkswirtschaftlicher Perspektive ändert dies freilich nichts. Vielmehr ist insoweit Feess dahingehend zuzustimmen, dass das effiziente Sorgfaltsniveau auf beiden Märkten gleich hoch ist.290 Der soziale Schaden folgt jeweils – sowohl auf dem Primär- als auch auf dem Sekundärmarkt – daraus, dass eine falsche vermögenswirksame Entscheidung auf Grundlage einer fehlerhaften Prüfung auch zur Vernichtung oder Nichtnutzung von Ressourcen führt (Allokations-, Vertrauensschäden).291 Ob ein Anleger von der Fehlinformation zugleich profitieren kann oder ob die Gruppe der Anleger zwangsweise verliert, ist aus volkswirtschaftlicher Perspektive ohne Bedeutung.292 Existieren im Hinblick auf die Qualität der Individualschäden Gründe, die Schäden der geprüften Gesellschaft und Dritter unterschiedlich zu behandeln? Vielleicht ließe sich argumentieren, dass insbesondere bei Anlegerschäden die Ressourcenkomponente typischerweise marginal ist. Der irregeleitete Prüfungsmandant hingegen mag eher gefährdet sein, auf Grundlage eines fehlerhaften Prüfungsberichts Geschäftsentscheidungen zu fällen, die zu einer sozial relevanten Kapitalfehlallokation führen, beispielsweise durch Verzögerung der Insolvenzanmeldung. Diese Unterscheidung zwischen der sozialen Relevanz typischer Drittschäden und typischer Schäden der prüfungspflichtigen Gesellschaft gründet sich jedoch auf allerlei Spekulationen. Die Auswahl der individuellen Schäden, für die das Haftungsrecht dem Prüfer eine Ersatzpflicht auferlegen soll, muss sich an anderen Kriterien – an der verhaltenssteuernden Wirkung von Sekundär- und Tertiärkosten sowie rechtlichen Aspekten – orientieren.
290
Feess, in: FS H.-B. Schäfer, S. 140, 148 ff. Feess, in: FS H.-B. Schäfer, S. 140, 150. 292 Auch auf dem Primärmarkt sind die Schäden der Anleger reine Umverteilungsschäden, denen die gleichwertigen Gewinne des emittierenden Unternehmens entsprechen. Der ökonomisch unbeachtliche Umverteilungsschaden wird nicht dadurch zum Sozialschaden, dass sich auf dem Sekundärmarkt immer Anleger als Gewinner und Verlierer gegenüber stehen, während die Umverteilung auf dem Primärmarkt immer zum Vorteil der börsennotierten Gesellschaft und zum Nachteil der Aktienerwerber erfolgt. Jedoch haben die Anleger in ihrer Gesamtheit auf dem Primärmarkt ein Interesse an einem höheren Schutzniveau als auf dem Sekundärmarkt. Denn auf dem Sekundärmarkt deckt sich Gruppeninteresse der Anlegerschaft mit dem der Allgemeinheit, der einzelne Anleger ist daher risikoneutral. Der Vorschlag von H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8, auf dem Sekundärmarkt ein geringeres haftungsrechtliches Schutzniveau einzuführen als auf dem Sekundärmarkt, ist mithin auf hypothetischer Vertragsbasis (Coase’sche Verhandlungslösung) begründbar. Zweifelnd hingegen Feess, in: FS H.-B. Schäfer, S. 140, 149–151, der insoweit der Auffassung ist, die Anleger würden das niedrigere Schutzniveau akzeptieren und sich im Gegenzug für ihr Schadensrisiko kompensieren lassen. 291
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(3) Fazit Die individuellen Verluste, die infolge fehlerhafter Prüfungen auftreten können, sind über das Haftungsrecht ersatzfähig, jedoch aus volkswirtschaftlicher Perspektive keine Schäden. Alle rechtsökonomischen Bemühungen, aus den Individualschäden diejenigen herauszufiltern, die haftungsrechtlich auf den Informanten (Abschlussprüfer) abgewälzt werden sollen, sind lediglich Versuche, sein Haftungsrisiko dem sozialen Schadensrisiko anzugleichen. Zu einer echten Internalisierung der sozialen Schäden kommt es im Informationshaftungsrecht allgemein und dementsprechend auch im Abschlussprüferhaftungsrecht nicht. Aus ökonomischer Sicht besteht die Herausforderung der Abschlussprüferhaftung mithin darin, aus der Vielzahl individueller Schäden diejenigen auszuwählen, die sich am besten und kostengünstigsten zum Zweck der Verhaltenssteuerung instrumentalisieren lassen. b) Kosten der Schadensvorsorge Zu den sozialen Kosten der Schadensvorsorge zählen alle Sorgfaltsaufwendungen, die der Abschlussprüfer tätigt, um die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung eines Fehlers im Jahresabschluss zu erhöhen, insbesondere seine Zeitund Personalkosten. Er kann seine Kosten verringern, indem er den relativen Anteil der analytischen Prüfungen gegenüber den kostenintensiveren Detailprüfungen (Einzelprüfungen) erhöht oder weniger qualifiziertes Personal einsetzt. c) Exkurs: Private Kosten des Abschlussprüfers Nicht unerwähnt bleiben dürfen in diesem Zusammenhang die ausschließlich privaten Kosten, die der Abschlussprüfer zur Schadensvermeidung und im Schadenseintritt tragen muss. Die privaten Kosten des Schädigers erwachsen in der Regel aus dem zur Schadensvorsorge betriebenen Sorgfaltsaufwand sowie der Ausgleichszahlung an den Geschädigten. Die privaten primären Schadenskosten des (potentiellen Schädigers) entsprechen in einem effizienten Haftungssystem typischerweise den sozialen Kosten.293 Der Abschlussprüfer trägt jedoch über diese Kosten hinaus eine zusätzliche Last: die finan-
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Die zur Schadensvermeidung aufgewandte Zeit und Arbeit bindet Ressourcen, die gleichermaßen einen privaten und sozialen Wert haben. Die Ausgleichszahlungen des Schädigers zur Erfüllung der Schadensersatzpflicht hingegen stellen zwar volkswirtschaftlich keinen Verlust dar, sondern sind als bloße Vermögensverschiebungen in der Gesamtbilanz neutral, sie sind aber in der theoretischen Betrachtung internalisierte externe (soziale) Kosten. Das bedeutet: Wenngleich private und soziale Kosten nicht identisch sind, so sind sie doch deckungsgleich. Auf die Schadensersatzpflicht für reine Vermögensschäden trifft diese Feststellung nur eingschränkt zu. Hierzu s.o. bei § 3, B. III. 1. a) (1).
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ziellen Nachteile eines Reputationsverlusts (Stigmatisierung) einerseits294 und die wirtschaftlichen Verluste infolge einer Beschädigung der Mandantenbeziehung andererseits.295 Jeder Prüfungsfehler birgt für den Abschlussprüfer – unabhängig davon, ob er zu einer Haftung des Prüfers führt – das Risiko eines Reputationsverlustes. Eine Rufschädigung führt regelmäßig zu einem Rückgang an Aufträgen und in der Folge zu Gewinneinbußen. Im Rahmen der Schadensvorsorge läuft der Abschlussprüfer Gefahr, das Wohlwollen seines Prüfungsmandanten und damit seine Quasirente zu verspielen, wenn er bei der Prüfung des Jahresabschlusses zu kritisch oder unflexibel agiert. Diese persönlichen Schäden, die der Abschlussprüfer infolge des Reputationsverlustes oder der Beschädigung einer Mandantenbeziehung erleidet, sind keine unmittelbaren sozialen Schäden;296 aus diesem Grunde sind sie im Hinblick auf die Schadenskostenminimierung durch das Haftungsrecht prinzipiell irrelevant. Sie sind jedoch unter dem Aspekt der Verhaltenssteuerung, die das vorrangige Mittel zur Reduktion der Primärkosten ist, bedeutsam, denn Ziel der Haftung ist es, Anreize für ein effizienzförderliches Verhalten zu setzen. Die genannten ausschließlich privaten Kosten des Abschlussprüfers entfalten eine verhaltenssteuernde Wirkung, die den Effekt der Haftung verstärken oder abfedern kann. Sie müssen daher bei der Bestimmung des effizienten Haftungsniveaus Berücksichtigung finden. 2. Sekundärkosten: Funktionsschutz Sekundärkosten spielen im Abschlussprüferhaftungsrecht eine wichtige Rolle und zwar unter dem Aspekt der Existenz- und Funktionsgefährdung. Mit der Konzentration erheblicher Schadensrisiken geht stets die Gefahr der wirtschaftlichen Existenzvernichtung einzelner Rechtsgutsträger einher. Wie oben ausgeführt, diskutiert die ökonomische Analyse den Sekundärkostenaspekt in erster Linie unter dem Aspekt der distributiven Gerechtigkeit, der wenigstens teilweise auf dem so nicht mehr vertretenen kardinalen und interpersonal vergleichbaren Nutzenbegriff fußt.297 Die Schadensrisiko-Konzentration kann jedoch ebenfalls „echte“ wirtschaftliche Effizienzeinbuße nach sich ziehen. So auch im Falle der Abschlussprüferhaftung: Ein übermäßiges Berufshaftungsrisiko birgt die Gefahr, ganze Berufsstände zu vernichten oder jedenfalls 294
Hierzu s.o. bei § 4, A. I. 2. a) (1). Hierzu s.o. bei § 4, A. I. 2. a) (2). 296 Mittelbar können freilich echte Ressourcenschäden entstehen. So ist der Prüferwechsel stets mit Synergieverlusten verbunden, weil der neue Prüfer zusätzliche Aufwendungen tätigen muss, um sich einen Ersteindruck von dem prüfungspflichtigen Unternehmen zu verschaffen. Hierzu s.o. bei § 3, A. II. 2. B) (1). Darüber hinaus kann sich der Reputationsverlust eines Abschlussprüfers zu einer allgemeinen Vertrauenskrise mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Effizienzeinbußen ausdehnen. 297 S.o. bei § 3, B. I. 1. b) (2). 295
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die qualifizierten und seriösen Vertreter aus dem Markt zu verdrängen.298 Da insbesondere die freien Berufe, zu denen auch der des Wirtschaftsprüfers zählt, wichtige gesellschaftliche Funktionen ausüben, ist die Bedrohung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit eines Berufsstandes nicht nur für die betroffenen Berufsträger von unmittelbarem Nachteil, sondern für die Gesellschaft insgesamt.299 So löste beispielsweise die Ärztehaftungswelle der 1960er und 1970er in den USA einen Mangel an Neurochirurgen und Gynäkologen aus, da sich Mediziner vorzugsweise auf andere, weniger haftungsträchtige Gebiete spezialisierten.300 Das Gutachten von London Economics hat die Gefahren, die mit einer Konzentration des Schadensrisikos zu Lasten der Abschlussprüfer einhergehen könnten – steigende Konzentration und mangelnde Kapazitäten der Prüfungsmärkte, schwindende Attraktivität des Prüferberufs –, erneut ins öffentliche Bewusstsein gerufen.301 Es ist kaum möglich, Sekundärkosten in „harten Zahlen“ zu messen. In der Theorie jedoch entsprechen die Sekundärkosten der Prüferhaftung den Effizienzeinbußen,302 die der Kapitalmarkt infolge einer weniger funktionsfähigen, qualitativ minderwertigen Jahresabschlussprüfung verzeichnen müsste. 3. Tertiärkosten Die Tertiärkosten, die Kosten des Systems und der Schadensabwicklung, fallen in aller Regel in der Gesamtsumme nicht sehr ins Gewicht, sofern die Kosten des Schadenseintritts nicht vernachlässigbar gering sind. Dies gilt grundsätzlich auch für die Abschlussprüferhaftung. Einige Besonderheiten sind dennoch zu beachten: Mit Blick auf die Europäisierung des Abschlussprüferhaftungsrechts – die Reform des nationalen Haftungsrechts nach gemeinschaftlichen Zielvorgaben – sind die Kosten des Systemwechsels zu berücksichtigen. Die Umstellung von einem bestehenden Haftungsregime auf ein anderes, theoretisch „effizienteres“, ist mit Nutzeneinbußen verbunden.303 Rechtsreformen sind vor und nach ihrer Umsetzung kostenintensiv. Neue Gesetze müssen ausgehandelt, veröffentlicht und erlernt werden. Problematisch kann auch die Implementierung eines fremden Systemteils in ein bestehendes Rechtsgebilde sein. Friktionen zwischen dem allgemeinen nationalen Recht und einem europainspirierten Sonderrecht kann die Effektivität des letzteren 298 Zu diesem Problem grundlegend Hamdani, 77 S. Cal. L. Rev. 53 (2003); Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 58. 299 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 6, A. 300 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 f. und Fn. 278. 301 London Economics-Studie. Hierzu s.o. bei § 1, B. II. 2. sowie eingehend unten bei § 4, B. II. und § 4, B. III. 302 Genauer: Die Sekundärkosten der Prüferhaftung entsprechen den relativen Effizienzeinbußen – relativ im Verhältnis zu einer optimal funktionierenden Jahresabschlussprüfung. 303 In diese Richtung zutreffend auch Hermann, Ökonomische Analyse, S. 83.
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beeinträchtigen. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass die gesetzliche Anordnung der Schadensabnahme durch den Abschlussprüfer nicht nur Kosten verursacht, sondern auch Vertrauen auf dem Kapitalmarkt schaffen kann. Haftung kann eine Form der Versicherung von Vertrauen darstellen, wenn der Vertrauende zum Kreis der potentiellen Schadensersatzgläubiger zählt.304 Zudem hat die Umfrage von London Economics ergeben, dass die Mehrheit der institutionellen Investoren der Ansicht ist, die (unbegrenzte) Haftung des Prüfers steigere die Prüfungsqualität und damit die Verlässlichkeit.305 Ungeachtet seiner Begründetheit kann ein solcher Glaube die Investitionsbereitschaft und damit die Kapitalmarkteffizienz erhöhen.306 Man kann insoweit auch von einer sekundären Steuerungsfunktion des Abschlussprüferhaftungsrechts sprechen.307 C. Ergebnis: Voraussetzungen einer effizienten Abschlussprüferhaftung Wie die vorangegangenen Ausführungen belegen, ist die ökonomische Effizienz auch im Abschlussprüferhaftungsrecht ein komplexes Phänomen. Ein effizientes Haftungsregime muss die Summe aller Schadenskosten, die im Zusammenhang mit Prüfungsfehlern auftreten, minimieren. Zu diesen Kosten zählen insbesondere, jedoch nicht ausschließlich: die sozialen Kosten des Schadeneintritts auf Grund eines falschen Prüfungsergebnisses in Form von Kapitalfehlallokationen und Vertrauensverlusten, die Kosten der Prüfungsdurchführung (Primärkosten), die gesellschaftlichen Kosten, die mit einer Gefährdung der Prüfungsfunktion infolge einer wirtschaftlich untragbaren Konzentration des Schadenstragungsrisikos zu Lasten des Berufsstandes der Abschlussprüfer einhergehen (Sekundärkosten) sowie die Kosten der Systemumstellung im Rahmen einer Europäisierung des Prüfungsrechts, die Kosten der Rechtsdurchsetzung und die Kosten von Effizienzverlusten bei einer Umgehung des gesetzlichen Haftungsrechts (Tertiärkosten). Mit anderen Worten: Ein ökonomisch sinnvolles Haftungssystem muss eine hohe Prüfungsqualität zu vertretbaren Aufwendungen gewährleisten, die Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung sichern und das Vertrauen der Kapital304
Gelter, WPg 2005, 486, 493. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 156, Tabelle 67. 306 Es muss zwar nicht das Vertrauen in die qualitätssteigernde Wirkung der unbegrenzten Haftung, wohl aber das Vertrauen in die Verlässlichkeit der veröffentlichten Daten berechtigt sein. 307 Die primäre Steuerungsfunktion der Haftung entfaltet gegenüber dem Prüfer unmittelbare Wirkung und gibt ihm Anreiz zum pflichtgemäßen Verhalten. Die sekundäre Steuerungswirkung zielt mittelbar auf das potentielle Opfer (Anleger etc.) und verleitet es dazu, im Vertrauen auf die präventive und vor allem kompensatorische Wirkung der Haftung freier, d.h. risikoneutraler, zu agieren. Hierzu s. allgemein Bachmann, in: Bachmann/Casper/C. Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen, S. 93, 95. 305
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marktteilnehmer in die Verlässlichkeit der geprüften Jahresabschlüsse stärken. Es muss sich darüber hinaus nach Möglichkeit in die Rechtstradition und den systematischen Zusammenhang des allgemeinen Haftungsrechts einfügen. Bei allem Bemühen um Konkretisierung einzelner Kostenfaktoren lässt sich der Effizienzbegriff doch keinesfalls auf eine auflösbare mathematische Gleichung reduzieren. Das nachfolgende Kapitel wird daher den Einfluss von Haftung (Haftungsniveau und -gestaltung) auf die einzelnen Kostenfaktoren näher untersuchen, um mögliche Zielkonflikte zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten aufzeigen zu können.
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung Das Vorhaben dieses Abschnitts besteht nun darin, auf der im vorigen Abschnitt (§ 1) geschaffenen theoretischen Basis einen konkreten Lösungsansatz für die übergeordnete Fragestellung des zweiten Teiles zu erarbeiten: In welchem Umfang und in welcher Ausgestaltung ist eine Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers effizient und daher ökonomisch sinnvoll? Die Untersuchung wird sich an den drei Hauptzielen einer Haftungsreform bzw. den jeweilig zugehörigen Schadenskostenkategorien orientieren: Zunächst sind die Auswirkungen der Haftung getrennt im Hinblick auf Prüfungsqualität (Primärkosten), Funktionsschutz (Sekundärkosten) und Vertrauensstärkung (Tertiärkosten) zu analysieren. Im Anschluss wird es möglich sein, konkretere Aussagen über etwaige Zielkonflikte oder -kongruenzen zu treffen und Leitlinien für ein effizientes Haftungsregime aufzustellen. Die beiden entscheidenden Aspekte, welche die nachfolgenden Erörterungen herausarbeiten sollen, sind das Niveau und die Ausgestaltung einer effizienten Haftung. A. Prüfungsqualität: Schadensprävention durch Verhaltenssteuerung Ob ein Haftungsregime ökonomisch sinnvoll ist, bestimmt sich maßgeblich nach seiner Eignung, dem Eintritt von Schäden zu einem angemessenen Aufwand entgegenzuwirken. Ziel des Haftungsrechts für Abschlussprüfer ist es mithin, eine hohe Qualität der Prüfung zu gewährleisten, um so die Fehlerwahrscheinlichkeit im testierten Jahresabschluss zu minimieren.308 Mit der (theoretischen) Effizienz der Haftung alleine ist der Prüfungsqualität freilich nicht gedient. Die durch die Haftbarkeit des Prüfers bezweckte Verhaltenssteuerung muss gleichsam effektiv sein, insbesondere den möglichen Regelumgehungen in der Praxis entgegenwirken.309 308 309
Zu den Voraussetzungen einer hohen Prüfungsqualität s.o. bei § 3, A. II. 1. Kirchner, in: Assmann/Kirchner/Schanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse, S. 62, 72.
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I. Haftungsniveau Zunächst ist zu klären, welches Haftungsniveau310 – unabhängig von der Ausgestaltung des materiellen Rechts – unter Präventionsgesichtspunkten für die Verwirklichung einer hohen Prüfungsqualität vorzugswürdig ist. Es gilt insbesondere festzustellen, ob und gegebenenfalls welche Gründe gegen eine unbegrenzte Haftung sprechen oder ob vielmehr das landläufige Postulat „je höher die Haftung, desto höher die Qualität“ der Leistung auf den Abschlussprüfer zutrifft.311 1. Verhaltenssteuerung durch Haftung Die zivilrechtliche Haftung soll den Abschlussprüfer anhalten, im Geiste unabhängig und mit optimaler – nicht maximaler – Sorgfalt vorzugehen.312 a) Kosteninternalisierung – das Grundkonzept Die Kosten des Aufwands zur Schadensvermeidung dürfen nicht außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stehen. Nach der klassischen Learned Hand-Regel muss sich der Sorgfaltsmaßstab an drei Größen orientieren: an der Höhe des Schadens im Falle seines Eintritts, an der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts und an den Kosten der Vorkehrungen, die einen Schadenseintritt vermieden hätten.313 Wenn das Produkt aus Höhe des Schadens und Wahrscheinlichkeit seines Eintritts höher ist als die zur Schadensvermeidung notwendigen Kosten, führt ein Unterlassen der Vorkehrungsmaßnahmen zu einer Haftung aus Fahrlässigkeit.314 Auf dieser Grundlage aufbauend entwickelte 310
Der Begriff des Haftungsniveaus soll im Folgenden das Haftungsrisiko (Produkt aus Umfang der Schadensersatzpflicht und Haftungswahrscheinlichkeit) im Falle des Schadenseintritts auf Grund eines Prüfungsfehlers bezeichnen. Faktische Voraussetzungen der Rechtsverfolgung, insbesondere die (rechtzeitige) Aufdeckung und Beweisbarkeit des zu Grunde liegenden Sachverhalts sowie die Bereitschaft (und finanziellen Mittel) der Geschädigten zur Klageerhebung, sind zu unterstellen. 311 Kritisch zu dieser These Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 683 (1984): „No one has proven conclusively, however, that imposing harsh liability upon auditors in fact deters professional malpractice or prevents its repetition.“ 312 S.o. bei § 3, A. III. 2. 313 Der amerikanische Richter Learned Hand formulierte die algebraische Formel zur Bestimmung des gebotenen Sorgfaltsstandards im Rahmen der Verschuldenshaftung in United States v. Caroll Towing Co., 159 F.2d. 169 (2d. Cir. 1947). Posner zufolge konkretisierte Judge Hand jedoch lediglich einen Fahrlässigkeitsmaßstab, den US-amerikanische Gerichte traditionell in Verschuldenshaftungsfällen heranzogen, s. Posner, 1 J. Legal Stud. 29, 32 (1972). 314 Haftungsbegründende Fahrlässigkeit setzt nach der Learned Hand-Regel demnach voraus, dass die Aufwendungen, die der Schädiger zur Vermeidung des Schadens ergriffen hat, geringer sind als die Kosten des Schadenseintritts multipliziert mit der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit. Die ökonomische Analyse des Rechts zieht diese Formel zur Bestimmung des
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die rechtsökonomische Literatur die noch heute verwandte grenzkostenorientierte Formel zur Bestimmung eines optimalen Sorgfaltsmaßstabs: Ein optimales Maß an Sorgfalt ist erreicht, wenn die Grenzkosten zusätzlicher Sorgfaltsaufwendungen dem Grenzgewinn, also der Kostenersparnis durch die Abwendung andernfalls eingetretener Schäden, entsprechen.315 An diesem Punkt sind die Primärkosten – die Höhe des unmittelbaren Schadens, gewichtet mit der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts316 und die Kosten der schadensvorbeugenden Maßnahmen – minimal. Zusätzlichen Sorgfaltsaufwendungen stünde kein gleichwertiger Nutzen gegenüber. Der Gesellschaft wäre daher mit der Hinnahme des Schadens und dem Verzicht auf (ineffiziente) Vorbeugungsmaßnahmen besser gedient. Dem wohlfahrtsökonomisch wünschenswerten Ziel einer optimal-sorgfältigen und unabhängigen Jahresabschlussprüfung wird sich der Abschlussprüfer als homo oeconomicus freilich nicht aus rein altruistischen Zielen verschreiben. In einem strikten casum sentit dominus-System, in dem der eingetretene Schaden dem Opfer niemals abgenommen würde, bestünde für den potentiellen Schädiger kein ökonomischer Anreiz, durch Schadensvorsorge zu einer Minimierung der Primärkosten beizutragen. Schließlich würden ihn lediglich die Kosten zusätzlicher Sorgfaltsvorkehrungen treffen. Seinen privaten Kosten stünde jedoch kein privater Nutzen gegenüber. Die Haftung soll externe Kosten internalisieren, um auf diese Weise die sozialen Schadenskosten eines potentiell schädlichen Verhaltens über die Haftung mit den privaten Kosten des Schädigers gleichzusetzen.317 Die Schadensersatzpflicht motiviert ihn, sich aus egoistischen Gründen in einer wohlfahrtförderlichen Weise zu verhalten. Die rechtsökonomische Theorie geht davon aus, dass ein potentieller Schadensverursacher stets den gesamtwirtschaftlich optimalen Sorgfaltsmaßstab wählen wird, wenn er alle Kosten der Schadensvorsorge und des Schadenseintritts tragen muss. Mit diesem Argument propagieren viele Autoren die strikte (verschuldensunabhängige) und auch anderweitig unbegrenzte Haftung.318 Den Grundsatz der vollständigen Kosteninternalisierung auf den Abschlussprüfer übertragend, müsste man zunächst einmal annehmen, dass eine optimalen (effizienten) Sorgfaltsaufwands ex ante heran – unabhängig davon, ob die Haftung im jeweiligen System verschuldensabhängig oder strikt ausgestaltet ist. Im Einzelnen s. hierzu Eidenmüller, Effizienz, S. 17 ff.; Gelter, WPg 2005, 486, 489; ausführlich H.-B. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 19 ff. 315 Statt vieler s. Gelter, WPg 2005, 486, 489 m.w.Nachw. 316 Die Schadenskosten werden ex ante mit ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtet. Betragen die Kosten des Schadens im Falle seines Eintritts 10 und ist die Schadenswahrscheinlichkeit ein Viertel, so liegen die ex ante-Schadenskosten bei 2,5. Hierzu s. Gelter, WPg 2005, 486, 489 und Fn. 31. 317 Allgemein hierzu Adams, Ökonomische Analyse, S. 47. 318 Hierzu im Einzelnen unten bei § 4, A. II. 1. a) (1) (a).
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umfassende Haftung gegenüber dem Mandanten und prüfungsvertragsfremden Dritten Impulse für ein effizientes Prüfungsverhalten vermittelt.319 Diese Formel steht freilich auf tönernen Füßen: Sie betrachtet das Verhältnis zwischen Prüfer, Schaden und Haftung isoliert und blendet dabei die Möglichkeit aus, dass zwischen dem Verhalten anderer Personen und der Schadenseintrittswahrscheinlichkeit einerseits sowie zwischen der Prüferhaftung und dem Verhalten besagter Personen andererseits Interdependenzen bestehen. Andere Faktoren, die das Verhalten des Prüfers beeinflussen (persönliches Vertrauen, Sympathie, beruflicher Verhaltenskodex, straf- und berufsrechtliche Sanktionen), finden ebenfalls keine Berücksichtigung. Vor allem aber, und auf diesen Aspekt soll zuerst eingegangen werden, bewirkt eine unbegrenzte Haftung des Prüfers (gegenüber allen Geschädigten) ohnehin weder eine Schadensinternalisierung noch automatisch eine Gleichsetzung der privaten Kosten des Prüfers mit denen der Allgemeinheit. b) Divergenz zwischen Ressourcen- und Umverteilungsschäden Das Konzept der vollständigen Schadensinternalisierung ignoriert die bereits im vorigen Kapitel angesprochene mangelnde Schadensidentität und die Divergenz zwischen der Summe der individuellen Schäden und dem Sozialschaden, die für reine Vermögensschäden infolge fehlerhafter Informationen typisch sind. Der Schaden, den die geprüfte Gesellschaft, ihre Anleger und Kreditgeber infolge nachteiliger vermögenswirksamer Entscheidungen im Vertrauen auf einen tatsächlich fehlerhaften Jahresabschluss erleiden, besteht zunächst einmal aus bloßen Verteilungsschäden, die in der gesamtwirtschaftlichen Bilanz durch die Gewinne anderer Individuen ausgeglichen werden. Es gibt mithin keine sicheren Zusammenhänge zwischen den beiden Schadensgruppen. Im Regelfall dürfte jedoch die Summe der individuellen Schäden infolge eines Prüfungsfehlers den Sozialschaden überschreiten. Eine umfassende und unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers ist daher tendenziell eine Übermaßhaftung.320
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Tatsächlich wird mit diesem Argument häufig die Notwendigkeit einer umfassenden Dritthaftung des Abschlussprüfers propagiert. Hierzu s. Ebke, in: FS Buxbaum, S. 113, S. 129, der auf diesen Standpunkt jedoch lediglich hinweist, ohne ihn selbst einzunehmen. S. auch Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 489. Für eine verschuldensunabhängige Haftung des Abschlussprüfers sprechen sich z.B. Ewert/Feess/Nell, 9 Eur. Acc. Rev. 371 (2000) aus. 320 Zu diesem Problem s. ausführlich oben bei § 3, B. III. 1. a).
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2. Verzerrungen der verhaltenssteuernden Wirkung Die Haftung wirkt nicht isoliert als einziger Anreizfaktor im Tätigkeitsumfeld des Prüfers. Es kann daher in der Praxis zu Verzerrungen ihrer verhaltenssteuernden Wirkung kommen.321 a) Zusätzliche Anreize neben der Haftung (private Kosten) Eine Gleichsetzung privater und sozialer Kosten könnte das Abschlussprüferhaftungsrecht jedoch auch dann nicht erzielen, wenn es theoretisch möglich wäre, dem Prüfer eine Schadensersatzpflicht in Höhe des tatsächlichen Ressourcenschadens aufzuerlegen, denn die Summe seiner privaten Kosten erschöpft sich nicht in den Sorgfaltsaufwendungen zur Schadensvorbeugung und den Schadensersatzzahlungen im Falle des Schadenseintritts.322 Vielmehr kann eine besonders gewissenhafte Prüfung, wenn sie dem Mandanten unliebsam ist, mit einem Verlust der Geschäftsbeziehung einhergehen.323 Ein Prüfungsfehler hingegen ist nicht nur potentiell mit Haftungskosten, sondern gleichzeitig mit der Gefahr einer Rufschädigung verbunden.324 Wenn das private Haftungsrisiko des Abschlussprüfers das soziale Schadensrisiko übersteigt, unterliegt er einer Übermaßhaftung, mit der die Gefahr der „Überabschreckung“ (overdeterrence) einhergeht. Um den Haftungsfall zu verhindern, ergreift er vorsorgende Maßnahmen, die im Verhälntis zum möglichen Sozialschaden unangemessen hoch sind. Ist dagegen das private Schadenstragungsrisiko niedriger, besteht für ihn kein hinreichender Anreiz die gesamtwirtschaftlich indizierte Sorgfalt walten zu lassen (underdeterrence). In beiden Szenarien ist seine Schadensvorsorge ineffizient. (1) Der Wert der Reputation Der wirtschaftliche Ruin der ehemaligen Big Five-Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen infolge des Enron-Skandals ist das wohl eindringlichste Beispiel für die Bedeutung der Reputation im Prüfungsgeschäft. Als repeat player auf dem Markt investieren Wirtschaftsprüfer teilweise erheblich in die Begründung einer Mandantenbeziehung. Ein in der Öffentlichkeit ausgetragener Haftungsfall kann unter ungünstigen Umständen die Fortführung rentabler Mandate (Quasirenten) gefährden. Bereits in die Geschäftsbeziehung getätigte Investitionen bringen keine Rendite und auch die erwarteten – und einkalkulierten – Gewinne aus einer parallelen Beratertätigkeit kann die betroffene 321 Allgemein hierzu Ott/H.-B. Schäfer, in: Ott/H.-B. Schäfer (Hrsg.), Präventivwirkung, S. 131, 148 ff. 322 Im Einzelnen s.o. bei § 3, B. III. 1. c). 323 Hierzu s.o. bei § 3, A. II. 2. b) (1). 324 Hierzu s.o. bei § 3, A. II. 2. b) (2).
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Prüfungsgesellschaft verlieren. Gelter schlägt daher vor, den Reputationswert für den Prüfer mit der „Summe der Quasirenten aus allen bestehenden Mandaten sowie der auf Grund der zum Aufbau des Wirtschaftsprüfungsbetriebes getätigten Investitionen erwarteten Einkünfte“ gleichzusetzen.325 Hinzurechnen muss man der Vollständigkeit halber wohl ebenfalls die bei Fortführung des Geschäftsbeziehung zu erwarteten Gewinne nach Abgeltung der Anfangsinvestitionen (echte Renten).326 Wie schwer ein Reputationsverlust tatsächlich wiegen wird, lässt sich nicht abstrakt-generell prognostizieren sondern variiert. Ausschlaggebend sind jeweils die Bedeutung des Falles, der Bekanntheitsgrad des Prüfers, die Vorwerfbarkeit des zum Schaden führenden Verhaltens, das Medieninteresse an den Geschehnissen sowie die allgemeine Stimmung auf dem Kapital- und Prüfungsmarkt. Solange nur die geprüfte Gesellschaft betroffen ist, wird das öffentliche Interesse relativ gering sein. Anders sieht es aus, wenn beispielsweise eine Vielzahl von externen Anlegern oder Arbeitsplätze betroffen sind. Prüfer von börsennotierten Gesellschaften sind daher besonders reputationsempfindlich.327 Es bleibt festzuhalten, dass der Abschlussprüfer in jedem Fall neben den Haftungskosten auch mit einer Rufschädigung belastet wird. Er muss daher in der internen „Anreizbilanz“, einen Prüfungsfehler nicht nur mit dem Haftungsrisiko veranschlagen, sondern zusätzlich die Kosten des Reputationsverlusts berücksichtigen. Von der rechtsökonomischen Ausgangsformel ausgehend, die dem Grunde nach besagt, dass die Summe der privaten ex ante-Schadenskosten eines potentiellen Schädigers den sozialen Schadenskosten entsprechen soll, müsste das Haftungsrecht dem Abschlussprüfer einen „Abschlag“ für die Kosten gewähren, die ihn privat treffen, ohne gleichzeitig einen Wohlfahrtsverlust darzustellen (Kosten des Reputationsverlustes). Anreize zur optimalen Sorgfalt bietet mithin ein Haftungssystem, in dem das soziale Schadensrisiko gleich den Risikokosten des Prüfers aus Haftung und Reputationsverlust ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass das Haftungsrisiko des Prüfers dem Sozialschadensrisiko abzüglich des Reputationsverlustsrisikos entsprechen muss. Ex ante gestaltet sich die Auflösung dieser Gleichung schon alleine deshalb kompliziert, weil die Verursachung der jeweiligen Kostenfaktoren von unterschiedlichen Ereignissen abhängen und daher unterschiedlich wahrscheinlich
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Gelter, WPg 2005, 486, 489. Da die Erstprüfung deutlich teurer als alle Folgeprüfungen sind, besteht das wirtschaftliche Interesse des Prüfers an der Fortführung der Geschäftsbeziehung auch nach Abgeltung der Anfangsinvestitionen fort. S. Gelter, WPg 2005, 486, 488, Fn. 25. Im Einzelnen hierzu unten bei § 3, A. II. 2. b) (1). 327 Aus diesem Grunde kann man davon ausgehen, dass gerade die großen Prüfungsgesellschaften sich in den meisten Haftungsfällen um eine schnelle und „stille“ außergerichtliche Einigung bemühen. S. Pohl, WPg 2004, 460, 463. 326
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sind.328 Da die Höhe der Reputations-, Ressourcen- und Verteilungsschäden infolge einer fehlerhaften Prüfung aber ohnehin nicht vorhersehbar sind, ist die rechtliche Abbildung dieser Details aus gesetzgeberischer Perspektive von untergeordneter Bedeutung. (2) Der Wert der Geschäftsbeziehung Im Unterschied zur Prüfungssorgfalt ist eine ineffizient hohe (innere)329 Unabhängigkeit des Prüfers nicht denkbar. Die Haftung soll ein Gegengewicht zu den Anreizen bilden, die aus den äußeren Abhängigkeiten des Prüfers erwachsen.330 Sie soll der Gefahr der direkten oder indirekten Einflussnahme durch die Geschäftsleitung des Prüfungsmandanten entgegenwirken. Fordert der Prüfer die Korrektur der Bilanz und verweigert er andernfalls das uneingeschränkte Testat, riskiert er, das Wohlwollen (good will) seines Mandanten und damit die Geschäftsbeziehung zu verlieren. Ihm droht ein Verlust der Quasi- und „echten“ Renten sowie etwaiger Einkünfte aus Beratung, die er andernfalls aus der betreffenden Geschäftsbeziehung bezogen hätte. Die Summe aller erwarteten Gewinne aus der konkreten Geschäftsbeziehung repräsentiert deren Wert für den Prüfer. Das private Schadensrisiko des Prüfers (aus Haftung und Reputationsverlust) muss daher den Geschäftseinbußen, die ein gewissenhafter Prüfer in einer Konfliktsituation in Kauf nehmen muss – also dem wirtschaftlichen Wert der bereits bestehenden Geschäftsbeziehung – mindestens entsprechen. Die privaten ex ante-Fehlerrisiken des Prüfers, die Summe aus Reputationsverlusts- und Haftungskosten multipliziert mit ihrer jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeit, müssen daher mindestens so hoch sein wie die situationsbedingt relativ sicheren Kosten des Verlusts der Geschäftsbeziehung. Da der Reputationswert mit den Gewinnen aus potentiell allen Mandaten berechnet wird, steht mithin, vereinfacht gesagt, der sichere Verlust eines Mandanten dem möglichen Verlust aller Mandanten sowie dem Haftungsrisiko gegenüber. Welche Option für den Prüfer schmerzhafter ist, hängt vom Haftungsni328 So hängt das Sozialschadensrisiko u.a. von der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Ressourcenschadens ab. Das Haftungsrisiko des Prüfers bestimmt sich nach dem Individualschadensrisiko sowie seinem Haftungsrisiko im Schadensfall. Die Reputationskosten richten sich nach der Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung eines Prüfungsfehlers und werden ferner durch die Öffentlichkeitswirkung des Falles beeinflusst. 329 Anderes gilt für die äußere Unabhängigkeit: Da insbesondere der gleichzeitigen Beratung und Prüfung sowie der mehrjährigen Betreuung eines Prüfungsmandanten Synergieeffekte innewohnen, die zu Kostenersparnissen führen, ist eine „absolute“ äußere Unabhängigkeit mit Effizienzeinbußen verbunden. Eine Steigerung der äußeren Unabhängigkeit ist daher nicht notwendigerweise ökonomisch sinnvoll. Dazu s.o. § 3, A. II. 2. b) (1) und § 3, A. II. 2. b) (2). 330 Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 10.
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veau, vom Haftungs- und Reputationsrisiko aber nicht zuletzt auch davon ab, welchen relativen Wert der eine Mandant für den Prüfer verkörpert. Ob der Prüfer durch Widerstand gegen einen ihm wissentlich falsch vorgelegten Jahresabschluss den sicheren Verlust eines Kunden wählt oder ob er den möglichen Verlust aller Mandate vorzieht, hängt maßgeblich davon ab, wie viele Mandate er insgesamt unterhält und wieviel Prozent seines Geschäftsumsatzes auf diesen einen Kunden zurückgehen. Je weiter der Prüfer seine Prüfungsund Beratungstätigkeiten streut, desto schwerer wiegt im Verhältnis die Gefahr des Reputationsverlustes und desto weniger lohnt sich eine Kooperation mit dem Auftraggeber. In der Praxis sind es vorwiegend die großen Prüfungsgesellschaften, die einen solch großen Mandantenkreis besitzen, dass die Einnahmen aus einer Mandantenbeziehung für den Gesamtumsatz eher unbedeutend sind.331 (3) Zusammenführung der Ergebnisse Nach dem bisherigen Stand der Untersuchung gilt für das theoretisch optimale Haftungsmaß Folgendes: –
–
Zur Erzielung effizienter Sorgfalt muss das Haftungsrisiko des Prüfers dem ex ante-Sozialschaden, abzüglich des Reputationsverlustsrisikos, entsprechen. Zur Verwirklichung einer möglichst hohen Unabhängigkeit muss das Haftungsrisiko mindestens den Kosten des Prüfers aus dem Verlust einer Geschäftsbeziehung abzüglich der Kosten des Reputationsschädigungsrisikos entsprechen.
Um Anreize für einen optimalen Sorgfaltsmaßstab zu schaffen, ist daher nach diesem Stand der Untersuchung eine Beschränkung der Haftung geboten – entweder durch Eingrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises (z.B. durch Ausschluss der Dritthaftung), durch Einführung von Haftungshöchstgrenzen oder auf andere Weise. Für die Gewährleistung optimaler Unabhängigkeit ist eine Begrenzung der Haftung nicht erforderlich, sie ist aber auch nicht schädlich, sofern das vorgegebene Mindestmaß (Differenz aus den Kosten des Verlustes der konkreten Geschäftsbeziehung und dem Reputationsschädigungsrisiko) nicht unterschritten wird. In der Praxis hängen die jeweiligen Kostenfaktoren von zahlreichen, für den Einzelfall unvorhersehbaren Variablen ab. Es soll nicht der Versuch unternommen werden, diese Gleichung aufzulösen. Sie kann jedoch als Denk- und Argumentationsmuster hilfreich sein. Festzuhalten bleibt, dass der subjektive Wert der Reputation für den Prü-
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Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 10 f. und Fn. 17.
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fer das ökonomische Bedürfnis nach Haftung mindert,332 während der subjektive Wert der einzelnen Geschäftsbeziehung dieses Bedürfnis erhöht. Im Folgenden wird sich jedoch zeigen, dass die von den „Kosten“ einer Handlung ausgehende Anreizwirkung sich in der Praxis ohnehin nicht ohne Reibungsverluste im Verhalten des Prüfers umsetzt. b) Effektivität der Verhaltenssteuerung Bei aller Sorge um die Folgen einer Übermaßhaftung darf nicht in Vergessenheit geraten, dass die Abschreckungswirkung, die dem Haftungsrisiko theoretisch anhaftet, in der Praxis teilweise erheblich abgeschwächt wird. Der Prüfer orientiert sich bei der Abwägung unterschiedlicher Verhaltensalternativen nicht an dem theoretischen Umfang seiner Haftbarkeit, sondern an der realen Wahrscheinlichkeit, tatsächlich und persönlich Vermögenseinbuße zu erleiden.333 Der Präventionseffekt steigt daher nicht potentiell und unbegrenzt mit dem Haftungsniveau, denn begrenzt ist die Haftung in irgendeiner Form immer; in letzter Instanz bestimmt das Vermögen des Prüfers, in welchem Umfang bestehende Schadensersatzansprüche tatsächlich getilgt werden können.334 (1) Differenz zwischen Schadens- und Haftungsrisiko Zunächst sind das Schadens- und das Haftungsrisiko des Prüfers nicht identisch. Zwar mag – in Abhängigkeit vom Haftungsregime – der Eintritt eines durch einen Prüfungsfehler zurechenbar verursachten Schadens genügen, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, doch ob der Gläubiger in der Folge einen Zahlungsanspruch gegen den Prüfer durchsetzt, hängt von einer Vielzahl anderer Faktoren ab. Der relevante Sachverhalt muss (rechtzeitig) aufgedeckt werden335 und der Kläger muss ihn gegebenenfalls vor Gericht beweisen können. Für die Effektivität der Verhaltenssteuerung durch Haftung ebenfalls wichtig ist, dass sich die Klageerhebung für die Geschädigten auch angesichts der Rechtskosten lohnt. Insbesondere im Falle diversifizierter An332 Statt vieler s. Kraakman, 2 J.L. Econ. & Org. 53, 93 (1986). Jedoch ist zu bedenken, dass die Haftung die Abschreckungswirkung, die mit der Gefahr einer Rufschädigung einhergeht, stärkt. Sie produziert Schadensersatzprozesse und dadurch eine Öffentlichkeit, die sich im Schadensfall (besonders) nachteilig auf die Reputation des Haftenden auswirkt. Dies ist ein entscheidendes Gegenargument gegen die Schlussfolgerung, die Abschreckungswirkung des drohenden Reputationsverlustes sei alleine ausreichend, um den Prüfer zu angemessener Sorgfalt anzuhalten. Hierzu s. z.B. Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 493; Gelter, WPg 2005, 486, 494. 333 Gelter, WPg 2005, 486, 493. 334 Gelter, WPg 2005, 486, 493. 335 Zwischen dem Fehlverhalten eines Wirtschaftsprüfers und dessen Aufdeckung liegt regelmäßig ein Zeitraum von mehreren Jahren, s. Pohl, WPg 2004, 460, 460 f.
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legerschäden kann daher entscheidend sein, ob Sammelklagen in der betreffenden Rechtsordnung zulässig sind.336 (2) Risikostreuung: Versicherung und Kostenweitergabe Die individuelle Abschreckungswirkung der Haftung wird weiterhin durch Streuung des Risikos gemildert. Wenn das Haftungsniveau auf dem Prüfungsmarkt insgesamt steigt, können die Prüfer einen Teil des allgemeinen Risikos bereits im Vorhinein durch eine Erhöhung der Prüfungsgebühren auf die prüfungspflichtigen Gesellschaften und damit deren Aktionäre verlagern.337 Auf Grund des intensiven Gebührenwettbewerbs kann der einzelne Prüfer individuelle Kosten jedoch nicht in größerem Umfang, als die Konkurrenz es tut, auf seine Mandanten verlagern. Zudem federt die Berufsversicherung, die in allen EU-Mitgliedstaaten durch Berufsverbände oder Gesetz vorgeschrieben ist, das konkrete Schadenstragungsrisiko und damit die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung ab.338 Zumindest ein Teil der Präventionswirkung lässt sich jedoch durch entsprechende Ausgestaltung der Versicherungsbedingungen erhalten, beispielsweise über Bonus-Malus-Systeme, durch Ausschluss der Einstandspflicht bei bestimmten Verschuldensformen oder durch Selbstbehalte.339 Freilich besteht hier ebenfalls die Gefahr, dass der Prüfer die zusätzlichen Versicherungskosten über die Prüfungsgebühren an seine Mandanten, und letztlich die Allgemeinheit, weitergibt.340 Im Ergebnis besteht kein Zweifel daran, dass die Versicherung im Alltag der Berufs-
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Ferrarini/Guidici, in: Armour/McCahery (Hrsg.), After Enron, S. 159, 197 f. Ebke, Verantwortlichkeit, S. 32; Leyens, JZ 2007, 1061, 1068. Den Umfrageergebnissen von London Economics zufolge können die Abschlussprüfer das Haftungsrisiko jedoch nicht in vollem Umfange abwälzen. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 97. 338 Speziell zur Abschlussprüferhaftung s. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 184, der aus diesem Umstand ein gewichtiges Argument gegen die häufig propagierte Notwendigkeit einer (vollständigen) Versicherungsdeckung des Haftungsrisikos gewinnt. Allgemein zum Zusammenhang von Versicherung und Prävention durch Haftung Schlobach, Präventionsprinzip, S. 318; J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 181. 339 Hierzu s. Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 356; Schlobach, Präventionsprinzip, S. 318; Nguyen, WPg 2005, 11, 19. Nach deutschem Recht ist bei der Versicherung von Abschlussprüfern die Vereinbarung eines Selbstbehaltes bis ein Prozent der Mindestversicherungssumme zulässig (§ 2 Abs. 2 WPBHV). Im Einzelnen s. hierzu MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 11 m.w.Nachw. In Deutschland ist im Zuge des VorstAG nunmehr ein zwingender Selbstbehalt für Vorstandsmitglieder bei Abschluss einer D&O-Versicherung eingeführt worden (vgl. § 93 Abs. 2 S. 3 AktG). Fraglich ist, wie sich ein solcher Selbstbehalt auf das Verhalten der Vorstandsmitglieder und damit letztlich auf die Qualität der Jahresabschlüsse auswirken könnte. Hierzu s. unten bei § 4, A. II. 1. a) (1) (c). 340 Ebke, Verantwortlichkeit, S. 32; Leyens, JZ 2007, 1061, 1068. Zum Parallelproblem bei Steuerberatern s. Ebke/Mößle, JZ 1998, 1179, 1180. 337
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haftungsfälle, und speziell auch bei der Abschlussprüferhaftung, eine entscheidende Rolle spielt.341 (3) (Begrenztes) subjektives Haftungsrisiko und Irrationalität Die Präventionswirkung der Schadensersatzpflicht reicht immer nur so weit wie das Vermögen des Schadensersatzpflichtigen. Wenn der potentielle Schädiger insolvent ist oder sein Vermögen die Ersatzsumme deutlich unterschreitet, erhöht ein darüber hinausgehender Haftungsumfang die Abschreckungswirkung der Schadensersatzpflicht nicht.342 Zudem trifft die Annahme der ökonomischen Analyse, dass Menschen grundsätzlich rational handeln, in der Realität häufig nicht zu. Insbesondere im Hinblick auf drohende Schadensfälle neigen natürliche Personen dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen oder intuitiv darauf zu vertrauen, „dass schon alles gut geht“.343 Ein Prüfungsunternehmen mag REM-ähnlicher agieren, an der Prüfung sind jedoch immer auch Menschen beteiligt, für die diese Vermutung nicht in gleicher Weise zutrifft. (4) Interessendivergenzen und Anreizempfindlichkeiten Die effektive Steuerung des Abschlussprüferverhaltens wird durch die internen Strukturen großer Prüfungseinheiten erschwert. Innerhalb komplexer Gesellschafts-344 und Netzwerkstrukturen verliert sich die Bedeutung der Reputation als eigenständiger Kontrollmechanismus. Die Entlohnungsschemata tragen ebenfalls dazu bei, dass Individual- und Verbundinteressen auseinander laufen und schaffen beträchtliche moral hazard-Gefahren: Eine große und bekannte Prüfungsgesellschaft ist besonders reputationsempfindlich. Für den Einzelnen in der Gesellschaft gilt dies jedoch nicht gleichermaßen.345 Ein angestellter Wirtschaftsprüfer, selbst ein Partner einer großen Prüfungsgesellschaft, mag durchaus bereit sein, den Ruf der gesamten Gesellschaft oder des Netzwerkes zu gefährden, um die Geschäftsbeziehung zu einem bestimmten
341 Zu den Grenzen der Leistungsfähigkeit des Versicherungswesen im Abschlussprüferhaftungsrecht s. unten bei § 4, B. II. 2. 342 J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 230. 343 J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 233 ff. 344 Im Unterschied zu anderen Freiberuflern können sich Wirtschaftsprüfer in Europa, außer in Irland, zu Kapitalgesellschaften zusammenschließen, vgl. nur § 27 Abs. 1 WPO. Im Einzelnen s. Straßer, Wirtschaftsprüfer, S. 121; Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 2. Die mit der Formierung als Kapitalgesellschaft einhergehenden Gefahren (Abschwächung der Präventionswirkung der Haftung) werden teilweise dadurch abgemildert, dass die für einen Prüfungsfehler verantwortlichen Partner und Mitarbeiter gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft haften. Vgl. z.B. § 323 Abs. 1 S. 4 HGB. 345 Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 11.
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Mandanten zu sichern.346 Das Risiko des Reputationsverlusts der Prüfungsgesellschaft tritt hinter den persönlichen Gewinnchancen zurück.347 Einem solchen Prüfer mag zwar die Kündigung drohen, wenn er die Gesellschaft auf Grund seines opportunistischen Handelns in einen Prüfungsskandal verwickelt, verliert er aber ein Schlüsselmandat an einen Konkurrenten, kann ihn das gleiche Schicksal ereilen.348 Eine unbegrenzte Haftung, selbst die persönliche Haftung der involvierten Partner und Mitarbeiter, kann dieses Problem nicht unbedingt beheben. Schon eine begrenzte Haftung auf mehrere Millionen Euro mag das reale Vermögen der agierenden natürlichen Person überschreiten. Für den betreffenden Prüfungspartner ist es dann belanglos, ob die Haftung sich auf 10 oder 100 Millionen Euro beläuft. Er spielt ohnehin um alles oder nichts. Aus dem gleichen Grunde bietet auch die persönliche Stigmatisierung des verantwortlichen Partners oder angestellten Prüfers – so schmerzhaft sie den einzelnen treffen mag – keine Garantie für ein effizientes Sorgfaltsniveau bei der Prüfung.349 Eine Lösung kann insofern nur über Anreize zur Weitergabe der Abschreckungswirkung innerhalb einer Prüfungsgesellschaft (z.B. über stärkere interne Kontrollen) erfolgen, insbesondere durch die Haftung der Prüfungsgesellschaft für ein Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter und Partner. a) Mittelbare Auswirkungen der Übermaßhaftung Bislang ist die Übermaßhaftung, ein ineffizient hohes Haftungsniveau, nur im Hinblick auf die „Gefahr“ ineffizient hoher Sorgfaltsbemühungen des Prüfers kritisch diskutiert worden. Eine (gefühlte) Überabschreckung kann jedoch gravierendere Konsequenzen als einen unökonomisch teuren Prüfungsprozess nach sich ziehen.350 Paradoxerweise wirken sich exorbitante Haftungsrisiken oft mittelbar negativ auf die Qualität der Prüfung aus.
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Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 492 f. Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 13. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich letztlich auch Arthur Andersens Rolle in dem Enron-Skandal erklären: Enron war zwar ein wichtiges Mandat, aus dem die Prüfungsgesellschaft ca. 10 Millionen USD Jahreseinahmen bezog, aber das gesamte Jahreseinkommen von Arthur Andersen betrug 9 Milliarden USD, bevor die Prüfungsgesellschaft infolge ihrer Beteiligung an dem EnronSkandal wirtschaftlichen Schiffbruch erlitt. Vgl. Coffee, Gatekeepers, S. 5 f. m.w.Nachw. 348 Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 44. 349 Hierzu s. Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 685 (1984). 350 Wenn alle Prüfer auf Grund einer Haftungsregelung gezwungen wären, ihren Sorgfaltsmaßstab (z.B. durch aufwendigere Tests) zu erhöhen, so würden letztlich lediglich die Kosten der Prüfung und damit die Prüfungsgebühren steigen. Prüfungsgebühren machen jedoch relativ betrachtet nur einen geringen Anteil der Betriebskosten eines prüfungspflichtigen Unternehmens aus und würden daher letztlich kaum ins Gewicht fallen. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 135. 347
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(1) Defensive Auditing Eine überschießende Haftung kann den Abschlussprüfer dazu veranlassen, seine Sorgfaltsbemühungen bei der Prüfung nicht nur auf Vermeidung eines Fehlers, sondern speziell auf die Vermeidung seiner Haftung auszurichten.351 Dieses so genannte defensive auditing stellt eine echte Gefahr für den Wert der Prüfungsergebnisse dar.352 Unter die Methode des defensive auditing fallen alle Maßnahmen, die der Abschlussprüfer im Rahmen seiner Aufgabenerfüllung ergreifen kann, um sein Haftungsrisiko zu verringern, ohne die Qualität der Prüfung zu steigern, beispielsweise durch übermäßige Dokumentation des Prüfungsvorgangs.353 Solche Haftungsvorkehrungen sind im besten Fall aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive überflüssig und damit „nur“ ineffizient. Sie können sich aber zugleich nachteilig auf die Prüfungsqualität und das Schadensrisiko auswirken, etwa weil sich der Prüfer auf Grund der zusätzlichen Aufwendungen gezwungen sieht, an anderer Stelle Zeit und Kosten zu sparen oder zu Gunsten anerkannter und damit „sichererer“ Tests auf aussagekräftigere verzichtet. Im Rahmen der Verschuldenshaftung kann der Prüfer seine Haftung ausschließen, indem er vorschriftsmäßig handelt, selbst wenn sein Verhalten nicht optimal auf die Aufdeckung von Rechnungslegungsfehlern ausgerichtet ist.354 Er muss lediglich die anerkannte Sorgfalt anwenden und dies im Nachhinein auch beweisen können. Da die Abschlussprüfung ein äußerst komplexer Vorgang ist, den Außenstehende kaum nachvollziehen können, muss auch das über etwaige Schadensersatzansprüche entscheidende Gericht zur Bewertung der Prüfungssorgfalt auf konkretisierende Prüfungsstandards und die gängige Praxis zurückgreifen. Für den Abschlussprüfer besteht daher aus schadensersatzrechtlichen Erwägungen kein Anreiz, durch zusätzliche Bemühungen oder effektivere und innovative Prüfungsmethoden, vom etablierten Prüfungsmuster abzuweichen. Eine Verschuldenshaftung – insbesondere in Kombination mit präzisen Prü351
Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report, S. 88. Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 691 f. (1984). Das Parallelproblem defensive medicine ist auch im Arzthaftungsrecht bekannt. Hierzu s. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 15 m.w.Nachw. 353 Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 304. 354 Aus diesem Grunde zieht die herrschende rechtsökonomische Literatur die strikte Haftung der Verschuldenshaftung vor. Der potentielle Schädiger, so die Begründung, werde sich im Rahmen einer Verschuldenshaftung lediglich an das vorgeschriebene Minimum zur Abwendung von Schäden halten. Eine strikte Haftung rege zu zusätzlichen Bemühungen und zur Suche nach innovativen Wegen der Schadensabwehr an. Außerdem wähle der einer strikten Haftung Unterliegende stets den effizienten Sorgfaltsmaßstab. Der verschuldensabhängig Haftende tue dies nur, sofern der Sorgfaltsmaßstab auf der richtigen Höhe angesetzt sei. Vgl. Shavell, 9 J. Legal Stud. 1 (1980); Posner, John M. Olin Law & Economics Working Papers No. 53 (1998), 4; Adams, Ökonomische Theorie, S. 147; s. hierzu auch Gelter, WPg 2005, 486, 489, Fn. 35 m.w.Nachw. 352
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fungsstandards – lädt daher zur Anwendung konservativer Prüfungsmethoden ein.355 Sie kann gar dazu führen, dass die Abschlussprüfung zum reinen „Häkchen machen“ verkommt.356 Zudem kann sich der Prüfer, speziell in Haftungssystemen mit umfassendem Drittschutz, veranlasst sehen, eine positive Darstellung der Unternehmenslage (§ 317 Abs. 2 S. 1 HGB) bzw. eine positive Prognose bezüglich der künftigen Entwicklung (§ 317 Abs. 2 S. 2 HGB) einer unangemessen kritischen Prüfung zu unterziehen, um Klagen zu vermeiden.357 Die Gefahr des defensive auditing besteht grundsätzlich ebenfalls, wenn das Haftungsrisiko begrenzt ist. Der Trend zum defensive auditing steigt jedoch erfahrungsgemäß sprunghaft an, wenn sich existenzgefährdende und unsichere Haftungsrisiken358 zu einer gefühlten Überabschreckung auf dem Prüfungsmarkt verbinden.359 (2) Sinkende Attraktivität des Prüferberufs Hohe Haftungsrisiken beeinträchtigen die Attraktivität der Prüfertätigkeit. Umfragen von London Economics haben ergeben, dass es den Prüfungsgesellschaften zunehmend schwerer fällt, qualifizierten Nachwuchs, insbesondere für Partnerpositionen, zu rekrutieren.360 Auch dieser Aspekt einer übersteigerten Haftung, auf den an späterer Stelle noch zurückzukommen sein wird,361 kann sich mittelbar nachteilig auf die Qualität der Prüfung auswirken. Qualifiziertes Personal und gewissenhafte Marktakteure wandern in andere Berufsfelder ab.362 Es besteht das Risiko, dass mehrheitlich solche Prüfer auf dem 355
Ebenso Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report, S. 88. Diese Befürchtung äußern H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8, 11. 357 Vgl. Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 58. Zwar ist ein risikofreudiges Verhalten bei Abschlussprüfern grundsätzlich gerade nicht erwünscht (s.o. bei § 3, A. I. 1.), übervorsichtige Prüfungsurteile und pessimistische Prognosen aber hemmen Investitionen auch dort, wo sie rentabel wären. Jahresabschlüsse, die das Unternehmen unterbewerten, schaden daher sowohl der Kapitalmarkteffizienz (ineffiziente Kapitalallokation) als auch der geprüften Gesellschaft. 358 Die gefühlte Überabschreckung kann durch Unsicherheiten im Hinblick auf die gerichtliche Würdigung und den Ausgang etwaiger Schadensersatzprozesse verstärkt werden. S. Shavell, 13 Bell JoE 120, 131 (1982); Gelter, WPg 2005, 486, 492. Deswegen drängen die Berufsvereinigungen der Abschlussprüfer bei steigender Haftung typischerweise auf konkretere Prüfungsvorgaben und Sorgfaltsstandards, s. Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report, S. 88. Es ist jedoch ebenfalls zu bedenken, dass gerade präzise Standards die Exkulpation und damit das defensive auditing erleichtern. In diesem Sinne H.-B. Schäfer/Bigus, German Working Papers in Law and Economics 2005, Art. 8, 11. 359 Vgl. Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report, S. 88. 360 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 176, Tabellen 82 und 83. 361 Hierzu s. unten bei § 4, B. III. 2. b). 362 Zum Parallelproblem im Arzthaftungsrecht s. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 f. und Fn. 278. 356
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Markt verbleiben, deren Interesse auf eine kurzfristige Gewinnmaximierung unter Inkaufnahme hoher Schadensgefahr ausgerichtet ist (sog. fly-by-nightrisk)363 – ein Geschäftsmodell, das den Anforderungen des Aufgabenprofils des Jahrsabschlussprüfers gerade nicht entspricht.364 3. Schlussfolgerungen zum optimalen Haftungsniveau Eine unbegrenzte Haftung, soviel ist vorläufig festzuhalten, verbessert nicht per se die Qualität der Prüfung. Auf Grund der Nebenfolgen, die eine Überabschreckung des Prüfers in seinem Prüfungsverhalten hervorzurufen mag, und der daraus resultierenden Auswirkungen auf die Qualität des Prüfungsergebnisses, ist eine Begrenzung der Haftung aus Primärkostenperspektive grundsätzlich angezeigt. Entscheidend ist lediglich, dass der Präventionseffekt insgesamt nicht das Maß unterschreitet, das zur Gewährleistung der Unabhängigkeit und effizienten Sorgfalt erforderlich ist. Aus diesem Grunde ist ein „Mindesthaftungsniveau“ notwendig. Eine darüber hinausgehende – die unbegrenzte – Haftung bewirkt jedoch keine zusätzlichen Wohlfahrtsgewinne. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Abschreckungswirkung von Haftung und Reputation durch Umstände und Mechanismen der Rechts- und Wirtschaftspraxis wesentlich gedämpft werden können. Ein lediglich höheres Haftungsniveau kann diesen Missständen, wie oben ausgeführt, nur in sehr begrenztem Umfang Abhilfe verschaffen. Hingegen kann eine sinnvolle Gestaltung der Haftung, insbesondere die Form ihrer Begrenzung, die Effektivität der Haftung als Instrument der Verhaltenssteuerung stärken. II. Gestaltung einer Haftungsbegrenzung London Economics kommt zum Ergebnis, dass nicht die Form der Haftungsbeschränkung, sondern das Haftungsniveau entscheidend ist.365 Diese These gilt es im Folgenden mit Blick auf die effiziente Anreizgestaltung und Prüfungsqualität kritisch zu hinterfragen, bildet sie doch die Grundlage der insgesamt wenig erhellenden Schlussfolgerung, die die Europäische Kommission aus ihren umfassenden Nachforschungen (RL Art. 31 2006/43/EG) zieht:366 363 Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 58; ders., in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, 455, 493. 364 Modelltheoretisch soll der auf Grund seiner Reputation risikoaverse Prüfer der tendenziell risikofreudigen Geschäftsleitung als regulierendes Kontrollorgan zur Seite gestellt werden, s.o. bei § 3, A. I. 1. 365 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 207: „The key issue in terms of reduced risk for audit firms and increased competition by the audit firms is not so much the precise form of the limitation as the level of liability that firms face in a regime in which auditors’ liability is limited.“ 366 Hierzu s. Schattka, GPR 2008, 193.
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Sie empfiehlt, die zivilrechtliche Haftung der gesetzlichen Abschlussprüfer für reine Fahrlässigkeit – letztlich auf irgendeine Weise – zu begrenzen, ohne zu unterschiedlichen Formen der Haftungsbegrenzung wertend Stellung zu beziehen.367 Wäre tatsächlich nur das Haftungsniveau ausschlaggebend, so müsste es beispielsweise irrelevant sein, ob ein Haftungsregime die Gefahr einer uferlosen Haftung durch gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzungen oder durch eine proportionale Haftung nach anteiligem Verschulden bändigt, sofern das Niveau im Ergebnis gleich ist. Um diesen Gedankengang zu veranschaulichen, folgende Überlegung: Man nehme einmal an, dass jedes fehlerhafte Testat der prüfungspflichtigen Gesellschaft einen durchschnittlichen Schaden von 8 Millionen Euro verursacht, und unterstelle ferner, dass den Abschlussprüfer und den Vorstand jeweils ein Mitverschulden von 50% treffen. Unter dieser Prämisse müsste es für das Verhalten des Prüfers unerheblich sein, ob eine Rechtsordnung den Schadensersatzanspruch des Mandanten gesetzlich auf 4 Millionen Euro begrenzt oder ob sie stattdessen den Mitverschuldensbeitrag des Vorstands haftungsmindernd berücksichtigt. Das Haftungsniveau des Abschlussprüfers wäre in beiden Fällen gleich hoch. Die Aussage von London Economics, die Form der Haftungsbegrenzung sei zweitrangig, bezieht sich freilich primär auf die Auswirkungen der Haftung auf den Prüfungsmarkt.368 Mit Blick auf die Prüfungsqualität hingegen ist ihre Behauptung, wie im Folgenden zu sehen sein wird, nicht haltbar. 1. Proportionalhaftung In einem proportionalen Haftungsregime entscheidet der Verschuldensbeitrag des Prüfers über den Umfang seiner Schadensersatzpflicht. In diesem Zusammenhang stellen sich vornehmlich zwei Fragen: Zunächst einmal muss geklärt werden, wie die haftungsrechtliche Berücksichtigung seines eigenen Verschuldens das Verhalten des Prüfers beeinflusst (Proportionalhaftung in Abhängigkeit von der Verschuldensschwere). In einem nächsten Schritt ist zu analysieren, welche Auswirkungen ein Haftungsregime, das bei der Bemessung des Haftungsumfangs nicht nur die Verantwortlichkeit des Prüfers am Schadenseintritt, sondern ebenfalls die Verantwortlichkeit anderer Personen einbezieht, auf die Prüfungsqualität hat (Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil). Da es für die Effizienz der Kapitalmärkte im Ergebnis nicht einzig auf die Qualität des Prüfungsvorgangs, sondern auf die Verlässlichkeit der 367
Sie legt den Mitgliedstaaten nahe, die Abschlussprüferhaftung beispielsweise, nicht jedoch ausschließlich, im Wege der von ihr aufgezeigten Haftungsmodelle (absolute und relative Haftungshöchstsummen, Proportionalhaftung, vertragliche Haftungsausschlüsse) zu begrenzen. Vgl. Europäische Kommission, Empfehlung vom 5.6.2008, ABl. EG 2008 Nr. L 162/39. Hierzu s.o. bei § 1, B. II. 3. 368 Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 4, B.
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Testate ankommt, darf sich eine Betrachtung der verhaltensteuernden Wirkung der Abschlussprüferhaftung jedoch nicht auf den Prüfer beschränken. Es ist vielmehr erforderlich, auch ihren mittelbaren Einfluss auf die Handlungen der prüfungspflichtigen Gesellschaft, ihrer Organe und Dritter einzubeziehen. a) Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere Wenngleich der Umfang der Abschlussprüferhaftung in keiner europäischen Rechtsordnung mehr nach der Verschuldensschwere gestaffelt ist,369 so spielt das Verschulden nach wie vor eine wichtige Rolle. Der Prüfer unterliegt prinzipiell keiner strikten (Gefährdungs)Haftung, sondern haftet verschuldensabhängig.370 Auch verschuldensabhängige Haftungssysteme können unterschiedlich strikt ausgestaltet sein und den Verschuldensgrad des Prüfers haftungsmildernd oder -verschärfend berücksichtigen.371 Die verschuldensabhängige und die strikte Haftung gehören nicht grundsätzlich andersartigen Kategorien haftungsrechtlicher Verantwortlichkeit an. Die Unterschiede sind – insbesondere wenn man das Augenmerk nicht auf die dogmatische Begründung, sondern auf die verhaltenssteuernde Wirkung richtet – lediglich gradueller Natur. Entscheidend sind der haftungsauslösende Verschuldensgrad (leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit) und die korrelierenden Sorgfaltsanforderungen. Eine Verschuldenshaftung mit hohen, schwer einhaltbaren Sorgfaltsanforderungen nähert sich der verschuldensunabhängigen Haftung an.372 Mit der Haftung des Prüfers für seine Mitarbeiter und die der Prüfungsgesellschaft für ein Fehlverhalten ihrer Organe geht zudem einher, dass der Prüfer auch ohne persönliches Verschulden in Anspruch genommen werden kann. Je unklarer die Verhaltensanforderungen sind und je weiter sich die Verantwortlichkeit auf das Handeln anderer Personen erstreckt, desto weniger Kontrolle hat letztlich der haftungsrechtlich Verantwortliche über die Einhaltung der gebotenen Sorgfalt. Der folgende Abschnitt wird die Vor- und Nachteile einer strikten Haftung für Abschlussprüfer kurz darstellen. Anhand dessen wird es möglich sein, eine Aussage darüber zu treffen, wie strikt – bzw. wie verschuldensabhängig – eine effiziente Abschlussprüferhaftung ausgestaltet sein sollte.
369
S.o. bei § 2, B. III. 1. b) (1). S.o. bei § 2, B. II. 1. b) m.w.Nachw. 371 So schließen die europäischen Rechtsordnungen eine Anwendung der Abschlussprüferhaftungsprivilegien (z.B. Haftungshöchstsummenbegrenzungen) regelmäßig bei Vorsatz, teilweise auch bei grober Fahrlässigkeit, aus. Gleiches gilt teilweise für den Mitverschuldenseinwand. Eine Dritthaftung hingegen kommt z.B. nach deutschem Recht faktisch nur bei (sehr) grober Fahrlässigkeit in Betracht. Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. III. und § 2, B. II. 2. a). 372 Gelter, WPg 2005, 486, 491. 370
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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(1) Vor- und Nachteile einer strikt(er)en Haftung Die verschuldensunabhängige Einstandspflicht ist nach wie vor eine Ausnahme im Schadensersatzrecht. Ökonomen jedoch betonen die Vorzüge der so genannten strikten (auch Gefährdungs)Haftung. Ihre Argumente sind bekannt: die strikte Haftung setze – umfassende Information und rationales Verhalten des Regelungsadressaten unterstellt – stets optimale Sorgfaltsanreize. Eine Verschuldenshaftung tue dies nur unter der Bedingung, dass der Gesetzgeber den optimalen Sorgfaltstandard zur Verhaltensnorm erhoben hat und die Überprüfung seiner Anwendung durch die Gerichte gewährleistet ist.373 Shavell weist darauf hin, dass die strikte Haftung darüber hinaus – im Unterschied zur Verschuldenshaftung – nicht nur die Sorgfalt bei Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, sondern auch den Umfang der Tätigkeitsausübung, das Aktivitätsniveau, zu steuern vermag.374 Der Abschlussprüfer haftet in keinem EU-Mitgliedstaat verschuldensunabhängig. Ausführungen zu diesem Thema beschränken sich auf theoretische Erörterungen, vornehmlich unter Einbeziehung rechtsökonomischer Erkenntnisse.375 Hierfür gibt es einen entscheidenden Grund: Einem fehlerhaften Prüfungsergebnis liegt in aller Regel nicht nur eine Nachlässigkeit des Abschlussprüfers zu Grunde, sondern zugleich auch ein Fehler des Mandanten, der den Jahresabschluss aufgestellt und vorgelegt hat.376 Den Abschlussprüfer für ein nicht – oder nicht zu einem vernünftigen Aufwand – aufdeckbares Fehlverhalten eines Anderen zur Verantwortung zu ziehen, scheint grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen zu widersprechen.377 Aber auch aus rechtsökonomischer Perspektive sprechen gewichtige Gründen gegen eine strikte Haftung von Abschlussprüfern.
373
Sofern die Maßnahmen zur optimalen Schadensvorkehrung kostenintensiver sind als die Einhaltung der einschlägigen Verhaltensregel, wird der potentielle Schädiger ein ineffizient hohes Schadensrisiko eingehen. Statt vieler s. Gelter, WPg 2005, 486 m.w.Nachw. 374 Nur auf diese Weise sei eine vollständige Kosteninternalisierung möglich. In einem strikten Haftungsregime müsse der potentielle Schädiger nicht nur den Nutzen und die Kosten eines bestimmten Sorgfaltsniveaus bei Ausübung einer schadensgeneigten Tätigkeit gegeneinander abwägen. Die strikte Haftung halte ihn vielmehr dazu an, den aus der Handlung fließenden Nutzen als solchen zu überdenken und von ihr insgesamt Abstand zu nehmen, wenn die Kosten den persönlichen Nutzen überschreiten. In einem verschuldensabhängigen Haftungsregime dagegen trägt die Allgemeinheit die Kosten des „Betriebsrisikos“ einer bestimmten Aktivität. Grundlegend hierzu Shavell, 9 J. Legal Stud. 1 (1980); s. ebenfalls Posner, John M. Olin Law & Economics Working Papers No. 53 (1998), 4; Adams, Ökonomische Theorie, 147. 375 S. nur Partony, 79 Wash. U. L.Q. 491 (2001); Ewert/Feess/Nell, 9 Eur. Acc. Rev. 371 (2000); Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 166 f. 376 Statt vieler s. Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 338. 377 In diese Richtung auch Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 168.
Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
190 (a) Sorgfaltsniveau
In der Theorie mag es zutreffen, dass die im Rahmen einer Verschuldenshaftung entwickelten generellen Sorgfaltsregeln das im konkreten Fall tatsächlich effiziente Sorgfaltsniveau niemals präzise wiedergeben können und Effizienzverluste daher unvermeidbar sind. In der Praxis besteht diese Gefahr jedoch auch bei der Gefährdungshaftung, denn der Einzelne besitzt kaum das Wissen und die Kenntnis, die erforderlich wären, um eine hinreichend umfassende – mit vertretbarem Aufwand – Nutzen-Kosten-Analyse durchzuführen. Je weniger regulative Orientierung dem Einzelnen zuteil wird, desto größer ist das Risiko, dass er sich verkalkuliert oder intuitiv handelt; dies gilt insbesondere in komplexen Sachzusammenhängen wie der Jahresabschlussprüfung, in der sich das Verhalten vieler Personen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit und den Umfang des Schadens auswirkt. Der Abschlussprüfer kann ex ante kaum abschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der ihm vorgelegte Jahresabschluss fehlerhaft ist.378 Und wenngleich er auf Grund seiner Tätigkeit einen Überblick über das Volumen und das Tätigkeitsfeld der geprüften Gesellschaft erhält, so bleiben die Breitenwirkung des Testats, die Natur und Anzahl der Geschäfte, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Prüfungsergebnisses abgeschlossen werden, insbesondere in einem Haftungssystem mit umfassender Dritthaftung, unvorhersehbar. Die eigenständige Bestimmung des adäquaten Sorgfaltsniveaus erscheint daher kaum praktikabel. Dies gilt insbesondere, wenn eine Vielzahl von Personen – einzelne Prüfungspartner, Angestellte, Gehilfen – am Prüfungsprozess beteiligt sind. Verhaltensregeln und -standards sind sowohl zur Orientierung ex ante als auch zur Überprüfung ex post, ob und von wem ein Fehler verursacht wurde, unverzichtbar. Legislative und judikative Zurückhaltung auf diesem Gebiet haben lediglich zur Folge, dass große Gesellschaften, Netzwerke und Zusammenschlüsse von Prüfern (insbesondere Wirtschaftsprüferkammern) entsprechende Regeln eigenverantwortlich entwickeln. Die theoretisch zweitbeste Lösung, ein unpräziser und möglicherweise nicht optimaler Sorgfaltsmaßstab, ist mithin letztlich die geeignetste, weil sie umsetzbar ist und wenigstens die Durchsetzung einer Mindestsorgfalt ermöglicht. London Economics geht noch einen Schritt weiter: die Autoren vertreten die Meinung, die verschuldensabhängige Haftung sei der strikten vorzuziehen, da sie dem Prüfer einen zusätzlichen Sorgfaltsanreiz vermittele. Eine sorgfältige Prüfung lohne sich für ihn einerseits, weil er dadurch die Schadenseintrittswahrscheinlichkeit vermindere und andererseits, weil er dadurch seine Haftung auch bei Eintritt des Schadens ausschließen könne.379 Der von London Economics vermittelte Eindruck, der Abschlussprüfer werde in einem ver378 379
Hamdani, 77 S. Cal. L. Rev. 53, 72 (2003). Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 142.
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
191
schuldensabhängigen Haftungssystem eher pflichtgemäß handeln als in einem verschuldensunabhängigen, weil zwei Sorgfaltsanreize bestünden, ist jedoch irreführend: Die Exkulpationsmöglichkeit auf Grund mangelnden Verschuldens vermittelt dem Abschlussprüfer unter der REM-Hypothese niemals einen Sorgfaltsanreiz zur Ergreifung zusätzlicher ökonomisch sinnvoller (d.h. effizienter) Vorsorgemaßnahmen. Wenn sich bestimmte Vorsorgemaßnahmen nicht schon aus Gründen der Schadensvermeidung wirtschaftlich lohnen (d.h. effizient sind), dann ist es ökonomisch auch nicht sinnvoll, dass der Prüfer weitere Vorkehrungen trifft, damit er sich in den Schadensfällen, die aus ökonomischen Gründen in Kauf zu nehmen waren, exkulpieren kann. Zutreffend ist hingegen, dass die verschuldensabhängige Haftung in Verbindung mit bestimmten, konkretisierten (!) Sorgfaltsmaßstäben dann Anreize zur effizienten Schadensvorsorge setzen kann, wenn die abschreckende Wirkung des Schadenseintritts als Mittel zur effizienten Verhaltenssteuerung versagt, z.B. weil der Handelnde die Risiken seines Verhaltens auf Grund komplexer Zusammenhänge nicht zutreffend abschätzen kann. Das Verschuldenskriterium kann mithin zusätzliche Anreize zur effizienten Sorgfalt setzen, jedoch keine Anreize zu zusätzlicher und gleichzeitig effizienter Sorgfalt. Im Ergebnis bleibt aber festzuhalten, dass die verschuldensabhängige Haftung gegenüber der strikten vorzugswürdig ist. In einem strikten Haftungsregime steht hingegen zu befürchten, dass nicht Fakten und rationales Handeln, sondern vielmehr die Risikofreudigkeit einzelner Akteure das Prüfungsverhalten beeinflussen. Das beliebte Argument gegen die Verschuldenshaftung, gesetzlich oder auf andere Weise definierte Sorgfaltsregeln könnten ein ineffizient niedriges Sorgfaltsniveau vorgeben und somit keine ausreichenden Anreize zur Schadensvorsorge setzen, sollte insbesondere im Rahmen der Abschlussprüferhaftung nicht überbewertet werden. Die Abschlussprüfung eröffnet in nahezu allen Phasen des Arbeitsprozesses Bewertungsspielräume, die professionelles Urteilsvermögen erfordern. Verhaltensregeln oder Standards können schlichtweg nicht so präzise formuliert werden, dass der Abschlussprüfer, der lediglich den Minimaleinsatz bringt, sich seiner Exkulpation von der Haftung sicher sein kann.380 (b) Aktivitätsniveau Eine verschuldensunabhängige und auch ansonsten unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers liefe letztlich auf eine umfassende Versicherung der geprüf380
Der Abschlussprüfer muss in jedem Fall damit rechnen, von einem Geschädigten, der sich Erfolgschancen im Prozess ausrechnet, verklagt zu werden und in der Folge wenigstens einen Reputationsschaden zu erleiden. Insoweit ist den häufig beanstandeten, weil wenig präzisen, Verhaltensstandards auch Positives abzugewinnen: Sie erhalten eine relative hohe Anreizwirkung der Verschuldenshaftung und wirken defensive auditing-Strategien entgegen. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 142.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
ten Gesellschaft, ihrer Gläubiger, der Anleger und sonstiger Dritter gegen das Risiko mangelnder Verlässlichkeit der im Jahresabschluss veröffentlichten Unternehmensdaten, letztlich auch gegen betrügerische Handlungen des Vorstands, hinaus.381 Der Abschlussprüfer müsste nicht nur für sein eigenes, sondern auch für fahrlässiges oder gar vorsätzliches Fehlverhalten der mit der Rechnungslegung und der Erstellung des Jahresabschlusses betrauten Personen einstehen. Freilich birgt jede einwandfreie Prüfung das Restrisiko eines faktisch kaum aufdeckbaren Fehlers in dem Jahresabschluss. Dies beruht unter anderem auf der Struktur der Abschlussprüfung, die darauf angelegt ist, durch stichprobenartige Kontrolle Unregelmäßigkeiten mit großer, doch eben nicht hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit, aufzudecken. Ein Restrisiko bleibt selbst bei vernünftiger Vorsorge bestehen und wird sich früher oder später in einem Schaden materialisieren. Von einer Haftung für dieses unausweichliche Restrisiko geht kein Sorgfaltsanreiz mehr aus, der sich in ökonomisch sinnvollen Schadensvorsorgemaßnahmen umsetzen ließe. In einer solchen Situation schlägt die verhaltenssteuernde Wirkung vom Sorgfalts- auf das Aktivitätsniveau durch: Der potentiell Haftende steht nicht mehr vor der Wahl des richtigen Sorgfaltsmaßstabs, sondern vor der Entscheidung, das Restschadensrisiko in Kauf oder von der haftungsgeneigten Tätigkeit insgesamt Abstand zu nehmen. Diese letzte Konsequenz – der Grund, aus dem Shavell strikte Haftung gegenüber Verschuldenshaftung propagiert382 – wäre freilich speziell im Bereich der Prüferhaftung fatal. Schließlich ist die Jahresabschlussprüfung, anders als beispielsweise die Produktion von Atomenergie oder auch nur das Führen eines Kraftfahrzeugs, keine per se gefährliche Tätigkeit. Die Jahresabschlussprüfung produziert keine sozialen Kosten. Sie trägt in Abhängigkeit von ihrer Qualität lediglich in unterschiedlichem Maße zu ihrer Reduktion bei, indem sie die Wahrscheinlichkeit vermindert, dass falsche Unternehmensdaten in den Umlauf geraten. Selbst eine nachlässige Prüfung ist aus ökonomischer Sicht besser als – oder wenigstens gleich gut – wie der vollständige Verzicht auf die Prüfung.383 Vor diesem Hintergrund bietet die Exkulpationsmöglichkeit in einem verschuldensabhängigen Haftungsregime einen Anreiz für den Prüfer, seine aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive sinnvolle Tätigkeit auch dann auszuüben, wenn selbst bei Anwendung angemessener Sorgfalt ein Schadenrestrisiko verbleibt, dessen Übernahme für ihn persönlich nicht mehr attraktiv ist.
381
Ewert/Feess/Nell, 9 Eur. Acc. Rev. 371, 378 (2000). Im Einzelnen s.o. bei § 4, A. II. 1. a) (1). 383 S. unten bei § 4, B. I. 382
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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(c) Mittelbare Steuerungswirkung Eine strikte Haftung des Abschlussprüfers wirkt sicht nicht nur auf sein Verhalten, sondern auch auf dasjenige der geprüften Gesellschaft, ihrer Organe und Dritter aus, und zwar in mehrerlei Hinsicht: Für eine strikte Abschlussprüferhaftung spricht das private enforcement-Argument, denn sie begründet nicht nur zusätzliche Schadensersatzansprüche, sondern erleichtert vor allem auch die Beweislast wesentlich, weil sie dem Geschädigten den für ihn schwierig zu führenden Verschuldensnachweis erspart. Es ist daher anzunehmen, dass die Einführung einer strikten Haftung die Klagebereitschaft – insbesondere in Ländern, in denen stets die unterlegene Partei die Prozesskosten trägt (z.B. Deutschland, England) – erheblich steigern würde.384 In Frankreich entfiele zugleich das Risiko des Klägers, nach Unterliegen mit seiner Haftungsklage von dem Abschlussprüfer auf Schadensersatz wegen Reputationsverlust in Anspruch genommen zu werden.385 Die faktische Durchsetzbarkeit von bestehenden Schadensersatzansprüchen erhöht die Effektivität des Haftungsrechts als Mittel der Verhaltenssteuerung und könnte sich daher positiv auf die Prüfungssorgfalt auswirken.386 Ein gewichtiges Argument gegen eine strikte Haftung des Schädigers ist ihre mangelnde Anreizwirkung für potentielle Opfer: Sie haben – vom Aufwand und Risiko der Schadensabwicklung (mangelnde Solvenz des Schädigers) abgesehen – keinen Grund, selbst zur Schadensvorsorge beizutragen.387 Ihre Schadenskosten sind theoretisch gleich Null. Eine strikte Haftung des Abschlussprüfers mindert den Anreiz der Gesellschafter, ihre Geschäftsführer sorgsam auszuwählen und erhöht so das Risiko eines Rechnungslegungsfehlers.388 Anleger wiederum würden motiviert, auch „blind“ und wider bessere Einsicht auf eine positive Jahresbilanz zu vertrauen in der Hoffnung, von einer aktuellen Blase profitieren zu können und ohne Furcht, das Risiko eines solchen Spekulationsgeschäftes letztlich selbst tragen zu müssen. Eine strikte Haftung kann deswegen – selbst wenn sie die Qualität der Prüfung verbessern würde – das Schadensrisiko insgesamt
384
Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 481. Zum Risiko des Dritten von dem Abschlussprüfer wegen Rufschädigung in Anspruch genommen zu werden s. Ebke/Struckmeier, Civil Liabiliy, S. 31. 386 So Wagenhofer/Ewert, Externe Unternehmensrechnung, S. 481 f. Andererseits ist jedoch auch zu bedenken, dass die Tendenz zur außergerichtlichen Einigung wegen der Reputationsempfindlichkeit von Abschlussprüfern bereits unter einem verschuldensabhängigen Haftungsregime beachtlich ist. Wenngleich die Verschuldensunabhängigkeit das Stigma der Haftung abmildern würde, bliebe zu befürchten, dass Prüfer sich aus Sorge um ihre Reputation gezwungen sähen, vergleichsweise hohe Vergleichssummen zu zahlen. Hohe Vergleichssummen könnten wiederum zu einer Überabschreckung sowie zu steigenden Prüfungs- und Versicherungssummen führen. Zu den Folgen s. im Einzelnen unten bei § 4, B. III. 387 Hierzu s. z.B. Adams, Ökonomische Theorie, S. 159. 388 Gelter, WPg 2005, 486, 491. 385
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
erhöhen. Freilich könnte diesem Problem über eine Berücksichtigung des Mitverschuldens Abhilfe verschafft werden. (2) Schlussfolgerungen Eine strikte Haftung mag Vieles vereinfachen und, auf Grund der geringen Rechtskosten, insbesondere aus Tertiärkostenperspektive attraktiv sein. Angesichts der komplexen Sachzusammenhänge, die bei einer Abschlussprüfung zusammenspielen, scheint es jedoch zweifelhaft, dass sich unter einem strikten Haftungsregime ohne weiteres ein optimaler Sorgfaltsmaßstab in der Prüfungspraxis herausbilden würde. Noch bedenklicher ist die Tatsache, dass die selbst bei optimaler Sorgfalt verbleibenden Restrisiken – jedenfalls ohne eine adäquate Berufsversicherungsstruktur389 – zu einer Abschreckung auf dem Aktivitätsniveau führen könnten. Schon in einem formal verschuldensabhängigen System ist dieses Restrisiko beachtlich: Gesetzliche Abschlussprüfer sehen sich mit dem Problem konfrontiert, dass sie einerseits bei Erfüllung ihrer Aufgaben weite Beurteilungsspielräume ausfüllen müssen und andererseits, vor allem bei großen Prüfungsgesellschaften, für eine Vielzahl von natürlichen Personen (Prüfungspartner, Angestellte) verantwortlich zeichnen. Innerhalb internationaler Prüfungsnetzwerke besteht für nationale Gesellschaften zunehmend die Gefahr, wegen scheinbarer Identität für das Fehlverhalten einer ausländischen Gesellschaft haftbar gemacht zu werden.390 Die Wahrscheinlichkeit ist daher hoch, dass ein Abschlussprüfer im Rahmen seiner Tätigkeit für einen zwar (juristisch) zurechenbaren, aber faktisch nicht vermeidbaren Schaden haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. Aus diesem Grunde scheint es vorzugswürdig, eine Effektivität des Haftungsrechts gegebenenfalls über eine entsprechende Ausgestaltung des Prozessrechts (Zulässigkeit von Sammelklagen, Umkehr der Beweislast) sicherzustellen, von einer strikteren Haftung jedoch abzusehen. Aus Präventionsgesichtspunkten ist eine Haftung immer dann überflüssig, wenn keine sinnvolle Schadensvorsorge mehr betrieben werden kann, denn der Sinn und Zweck der Abschreckung durch Haftung entfällt bei (faktisch) nicht steuerbarem Verhalten. Deswegen muss gelten: Je unvermeidbarer der Schaden für den haftungsrechtlich Verantwortlichen bei natürlicher Betrachtung ist, desto gebotener ist eine Begrenzung des Haftungsumfanges.
389
Hierzu s. im Einzelnen unten bei § 4, B. II. 2. Zum Problem des „holding out“ s. Ebke, in: FS Mestmäcker, S. 863 ff.; ders., Verantwortlichkeit, S. 62 ff; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 197 f.; Immenga, Internationale Kooperation, S. 201 ff. 390
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b) Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil (1) Gegenüber der geprüften Gesellschaft Der generelle Einwand gegen eine Berücksichtigung des Mitverschuldens der geprüften Gesellschaft durch Zurechnung des Fehlverhaltens ihrer Organe richtet sich gegen die in der Folge erheblich verminderte Abschreckungswirkung der Haftung für den Abschlussprüfer.391 Dieser kann im Regelfall davon ausgehen, dass den Vorstand für einen Fehler im Jahresabschluss eine mindestens ebenso große Verantwortung trifft wie ihn selbst392 und dass er deswegen für den Schaden nicht alleine aufkommen muss. Außerdem – und dieser Aspekt ist der eigentlich entscheidende – wäre der Anreiz des Abschlussprüfers zur Aufdeckung von Rechnungslegungsfehlern dann am geringsten, wenn sein Einsatz am dringendsten benötigt würde, nämlich bei einem vorsätzlichen Fehlverhalten des Vorstandes.393 Aus diesem Grunde ist die Berücksichtigung des konkreten relativen Mitverschuldens der Vorstandsmitglieder, d.h. eine Abwägung ihres Verschuldens gegen das des Abschlussprüfers, aus Präventionsgesichtspunkten nicht empfehlenswert; insbesondere darf ihr Vorsatz eine Haftung des Prüfers nicht automatisch ausschließen. Zwar trifft den Prüfer, der Opfer eines raffinierten Bilanzbetrugs geworden ist, unter Umständen keine Verantwortung für den daraus resultierenden Schaden. Sein persönliches Verschulden wiegt jedoch nicht weniger und sein Einsatz ist nicht weniger wichtig, nur weil dem Vorstand ebenfalls ein Vorwurf zu machen ist.394 (2) Gegenüber Dritten Aus Gründen der Qualitätssicherung wäre es nicht weiter bedenklich, wenn der Abschlussprüfer einem prüfungsvertragsfremden Dritten – Dritthaftung unterstellt – ein Mitverschulden seinerseits entgegenhalten könnte. Der Abschlussprüfer wird ex ante kaum davon ausgehen können, dass der Dritte sorgfaltswidrig auf die Zuverlässigkeit eines Testats vertraut hat. Insofern würde die Zulässigkeit des Mitverschuldenseinwandes die abschreckende Wirkung der Haftung nicht wesentlich dämpfen. Anderes gilt bei der Frage, ob der geschädigte Dritte sich ein Mitverschulden der geprüften Gesellschaft bzw. ihrer Organe anrechnen lassen muss: In der Regel haften die geprüfte Gesellschaft und der Abschlussprüfer einem geschädigten Dritten in der EU 391
Statt vieler s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 143. Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 652; Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 338. 393 Zwar würde der Abschlussprüfer offenkundig selbst vorsätzlich handeln, wenn er eine Bilanzfälschung erkennen und dennoch nicht aufdecken würde, es wäre aber schwerer, ihm den Vorsatz nachzuweisen als den aktiv handelnden Vorstandsmitgliedern. 394 S. auch W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 4; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 66 (2008). 392
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
als Gesamtschuldner.395 Die proportionale Dritthaftung würde dem Prüfer einen Teil dieser Last abnehmen und Dritten das Insolvenzrisiko der geprüften Gesellschaft jedenfalls partiell zuweisen. Die Proportionalhaftung nimmt Dritten den Anreiz, prozessual primär gegen den Prüfer vorzugehen (deep pocket-Problematik), und mindert die abschreckende Wirkung der Haftung. Je nachdem, ob andernfalls die Gefahr einer Über- oder Unterabschreckung besteht, kann dies ein Vor- oder Nachteil sein.396 Bedenklich wäre wiederum, wenn der Prüfer nicht auf Grund eines geringes Verschuldens seinerseits, sondern auf Grund eines höheren Verschuldens seines Mandanten entlastet würde: Seine Unabhängigkeit wäre dann besonders gefährdet, wenn der Dritte ihrer am meisten bedürfte. Eine Aufteilung der Dritthaftung zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft nach relativer Verschuldensschwere ist daher abzulehnen. (3) Mittelbare Steuerungswirkung Müsste sich eine geprüfte Gesellschaft ein Mitverschulden ihres Vorstandes nicht auf den Schadensersatzanspruch gegen den Abschlussprüfer anrechnen lassen, so bestünde für die Gesellschafter ein geringerer Anreiz zur sorgsamen Auswahl und Überwachung ihrer Geschäftsleitung. Die Nichtberücksichtigung des Mitverschuldens erhöht das Risiko einer fehlerhaften Rechnungslegung und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass irreführende Unternehmensdaten veröffentlicht werden. Um diesem Trend entgegenzuwirken, haben etwa US-amerikanische Gerichte den Mitverschuldenseinwand zugelassen.397 Auch in Deutschland geht die höchstrichterliche Rechtsprechung – wie der BGH in einer Entscheidung vom 10.12.2009 jüngst bestätigt hat398 – davon aus, dass der Abschlussprüfer einem Haftungsanspruch der geprüften Gesellschaft grundsätzlich die Mitverursachung des entstandenen Schadens durch ihre Gesellschaftsorgane gemäß §§ 254, 31 BGB analog entgegenhalten kann.399 In einem System der verschuldensabhängigen Haftung wird das Argument, eine Berücksichtigung des Mitverschuldens halte die geprüfte Gesellschaft bzw. ihren Vorstand zu höherer Sorgfalt bei Erstellung des Jahresabschlusses an, jedoch entkräftet. Die Gesellschafter können nicht sicher damit rechnen, dass die Nichtaufdeckung eines Fehlers auf einer Sorgfaltswidrigkeit des Abschlussprüfers beruht – und dass sie ihm diesen auch nachweisen können – und sie müssen daher befürchten, auf ihren Schäden sitzen zu bleiben. Eine Haftungshöchstsummenbegrenzung könnte dem aufgezeigten Problem 395
S.o. bei § 2, B. III. 1. b) (2) (b). In diesem Sinne auch London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 143. 397 Hierzu s. Gelter, WPg 2005, 486, 491, Fn. 51 m.w.Nachw. 398 BGH DStR 2010, 774 = NJW-Spezial 2010, 144. 399 Im Einzelnen s. hierzu oben bei § 2, B. III. 1. b) (2) (a). 396
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ebenfalls Abhilfe verschaffen: wenn von Vorneherein ein Teil des Schadenstragungsrisikos bei dem Prüfungsmandanten verbleibt, erhalten sich die Anreize zur internen Schadensvorsorge. Mit Blick auf moral hazard-Situationen, die vorgezeichnet sind, wenn sich der Prüfer durch ein besonders verwerfliches Verhalten des Vorstandes entlasten könnte, spricht daher viel dafür, das konkrete Mitverschulden (die anteilige Verschuldensschwere) nicht zu berücksichtigen. Interessengerechter ist es, dem Prüfer an Stelle des Mitverschuldenseinwandes einen „pauschalen Mitverschuldensabschlag“ in Form einer Haftungshöchstsummenbegrenzung zu gewähren. Bei der Wahl zwischen gesamtschuldnerischer und proportionaler Dritthaftung erscheint die Situation zunächst ähnlich. Eine proportionale Haftung würde den Anreiz zur sorgfältigen und vor allem unabhängigen Prüfung dann erheblich herabsetzen, wenn ein besonders schweres Verschulden des Mandanten (bzw. seines Managements) den Abschlussprüfer erheblich entlastet. London Economics meint jedoch, dass auch ein geringer proportionaler Haftungsanteil des Prüfers zwar Sorgfaltsanreize und Prüfungsverhalten, aber letztlich nicht die Verlässlichkeit des Jahresabschlusses beeinflusst.400 Die Verfasser der Studie begründen ihre Ansicht mit der „strategischen Interdependenz“ des Vorstandsverhaltens: Je kleiner die Haftungsquote des Abschlussprüfers, desto schwächer sei zwar einerseits der vom Haftungssystem ausgehende Anreiz zur sorgfältigen Prüfung, aber desto geringer sei auch andererseits die Versuchung des Vorstands zur Abschlussmanipulation, da dessen eigenes Haftungsrisiko im gleichen Maße steige, wie das des Abschlussprüfers sinke. Die geringere Wahrscheinlichkeit, dass der Prüfer bei Anwendung einer niedrigen Haftungsquote einen Fehler im Jahresabschluss aufdeckt, soll durch die geringere Wahrscheinlichkeit, dass überhaupt ein Fehler vorliegt, gewissermaßen ausgeglichen werden. Ob sich die jeweiligen Anreizsysteme tatsächlich so perfekt ausbalancieren, mag man – insbesondere im Hinblick auf die restriktive Außenhaftung des Vorstands und die in der Praxis übliche Versicherung der Geschäftsleitungsmitglieder (D&O-Versicherung) – bezweifeln. Die Funktion des Abschlussprüfers besteht schließlich gerade darin, den Vorstand zu kontrollieren, weil dieser weniger haftungs- und reputationsempfindlich ist.401 Nun gibt es freilich Bestrebungen, das persönliche Haftungsrisiko der Vorstandsmitglieder zu erhöhen. Das am 5. August 2009 in Deutschland in Kraft getretene VorstAG sieht beispielsweise vor, dass Aktiengesellschaften beim Abschluss einer D&O-Versicherung einen Selbstbehalt der Versicherten vereinbaren müssen (§ 93 Abs. 2 S. 3 AktG). Ob und auf welche Weise sich diese neue gesetzliche Regelung auf das Verhalten der Vorstandsmitglieder auswirken könnte, wird unter anderem davon abhängen, 400
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 143. S.o. bei § 3, A. I. 1. sowie speziell zum Mitverschuldenseinwand ausführlich unten bei § 6, B. I. 1. 401
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zu welchen Konditionen sie das ihnen auferlegte Restrisiko anderweitig versichern können. Auf Grund der verbleibenden Unsicherheiten scheint es aus den oben genannten Gründen dennoch sinnvoller, die Haftung des Abschlussprüfers nicht an das konkrete Mitverschulden des Mandanten zu koppeln, sondern seine Haftung gegebenenfalls auf andere Weise zu begrenzen. 2. Haftungshöchstsummenbegrenzungen Die Effizienz der haftungsrechtlichen Verhaltenssteuerung hängt wesentlich davon ab, ob das Haftungsrisiko dem sozialen Schadensrisiko zumindest ungefähr entspricht. Des Weiteren muss es die Vorteile, die eine parteiische oder nachlässige Beurteilung des Jahresabschlusses für den Prüfer beinhaltet, ausgleichen, eine Überabschreckung jedoch vermeiden. Die unterschiedlichen Varianten der Haftungshöchstsummenbegrenzung begegnen diesen Herausforderungen auf unterschiedliche Weise. a) Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung Die absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung berücksichtigt weder die Höhe des Schadensrisikos noch die moral hazard-Gefahren des Prüfers. Sie gewährleistet eine „Mindestabschreckung“, deren Wirkung jedoch relativ gesehen verschwindend gering sein kann. Eine Haftungsbegrenzung von vier Millionen Euro, wie sie gegenwärtig in Deutschland besteht, kann die Quasirenten eines Prüfers aus einem Mandat (inklusive Beratungshonorar) deutlich unterschreiten; den Schaden ohnehin. Zudem nimmt die Ausgleichspflicht relativ zum Schaden gesehen ab. Ein schwerer Verstoß zieht daher nicht notwendigerweise eine schärfere Sanktion nach sich. Die absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung bevorzugt außerdem tendenziell große Prüfgesellschaften, die Mandate mit einem überdurchschnittlich hohem Schadenspotential betreuen. Es wird kaum möglich sein, eine einheitliche Haftungshöchstsummenbegrenzung festzulegen, die für alle Prüfungsgesellschaften und alle EU-Mitgliedstaaten gleichermaßen geeignet ist.402 Isoliert betrachtet ist die absolute Haftungshöchstgrenze nach den oben aufgestellten Maßstäben nicht sonderlich gut als Instrument der Verhaltenssteuerung geeignet – sieht man von der Tatsache ab, dass sie jedenfalls einer Überabschreckung des Prüfers vorbeugt. Die absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung sollte dennoch nicht vorschnell abgeschrieben werden. Es ist insbesondere die verhaltenssteuernde Wirkung der Reputation zu bedenken, deren Bedeutung, gegenläufig zu der abschreckenden Wirkung der Haftung, mit Größe und Bekanntheit des Prüfers steigt.
402
Insoweit a.A. Ojo, MPRA Paper No. 10068 (2008), 7, die sich für eine einheitliche Haftungshöchstsummenbegrenzung auf europäischer Ebene ausspricht.
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b) Relative Haftungshöchstsummenbegrenzung Die relative Haftungshöchstsummenbegrenzung nach Größe des geprüften Unternehmens, wie sie das österreichische Recht vorsieht,403 trägt dem Schadenspotential eines fehlerhaften Testats Rechnung.404 Zwar bestimmt sich das Schadenspotential nicht nur nach der Größe (Börsenwert, Mitarbeiteranzahl etc.) eines prüfungspflichtigen Unternehmens, unter anderem ist beispielsweise auch die Branche wichtig,405 aber sie ist immerhin ein relevanter Faktor. Die relative Haftungsbegrenzung nach Umsatz des Prüfers (Griechenland) richtet sich in erster Linie nach seiner Haftungsempfindlichkeit. Sie kann mithin zum einen einer Überabschreckung des Prüfers entgegenwirken und zum anderen vermeiden, dass die Schadensersatzpflicht, in Anbetracht tatsächlicher und möglicher Einkünfte, nahezu bedeutungslos ist.406 Sie steht jedoch völlig außer Verhältnis zum Schaden und setzt daher nicht unbedingt Anreize zu einer effizienten Schadensvorsorge.407 Gleiches gilt für die relative Haftungshöchstsumme als Ausdruck eines Vielfachen des Prüferhonorars.408 Sie kann zwar die wirtschaftliche Abhängigkeit des Prüfers von seinem Mandanten widerspiegeln und in diesem Sinne ein Gegengewicht zu dessen Einfluss bilden, dies gilt aber nur, sofern alle Einkünfte aus einer Mandatsbeziehung – inklusive der Beratungshonorare409 – in die Berechnung einbezogen werden.410 Andernfalls handelt es sich lediglich um eine weniger transparente Form der vertraglichen Haftungsbegrenzung.
403
Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. III. 1. a) (2). Kritisch hingegen mit Blick auf die Unsicherheiten bei der Kategorisierung eines Unternehmens Ojo, Limiting Audit Firm’s Liability, S. 3. 405 Vgl. Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 2. In diese Richtung auch W. Doralt/Hellgardt/ Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 3; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 64 (2008). 406 Hierzu s. Coffee, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 455, 493–495. 407 Diesem Problem kann jedoch teilweise dadurch entgegengewirkt werden, dass die relative Haftungshöchstsummenbegrenzung in Abhängigkeit vom Umsatz des Prüfers mit einer relativen Haftungshöchstsummenbegrenzung in Abhängigkeit von der Mandantengröße oder – so das griechische Haftungsregime – mit einer hinreichend hohen absoluten Haftungshöchstsummenbegrenzung kombiniert wird. 408 Kritisch daher auch Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 2 f. 409 Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 301 ff. 410 Insbesondere die Prüfungsgebühren werden in der Regel künstlich niedrig gehalten und spiegeln daher nicht die tatsächliche wirtschaftliche Abhängigkeit des Prüfers von seinem Mandanten wider. Vgl. W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 4; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 65 (2008). Zu dem Problem des low balling s. im Einzelnen oben bei § 3, A. II. 2. b) (1). 404
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
c) Vertragliche Haftunghöchstsummenbegrenzung Auf die vertragliche Haftungshöchstsummenbegrenzung trifft das oben Ausgeführte im Wesentlichen zu, je nachdem auf welche Form der Haftsummenbegrenzung sich die Parteien vertraglich einigen. Der Vorteil einer vertraglichen Haftungshöchstsummenbegrenzung ist jedoch, dass der Prüfer und sein Mandant theoretisch die Möglichkeit haben, eine Höchstsummenbegrenzung zu vereinbaren, die im Hinblick auf das geprüfte Unternehmen und sein wirtschaftliches Umfeld adäquater ist als beispielsweise die österreichische 4Stufen-Lösung.411 3. Dritthaftung Ein Abschlussprüferhaftungssystem, das alle Dritthaftungsansprüche ausschlösse, würde die Unabhängigkeit der Prüfung gefährden. Der Abschlussprüfer hat ohnehin ein erhebliches Eigeninteresse daran, die Geschäftsbeziehung zu seinem Mandanten zu sichern. Aus dieser Motivation heraus erwächst eine wenigstens latente Neigung, Jahresabschlüssen, die ein Unternehmen überbewerten, einen uneingeschränkten Prüfungsvermerk zu erteilen.412 Eine Überbewertung ist typischerweise im Interesse der geprüften Gesellschaft,413 kann sich jedoch zu Lasten von Aktienkäufern, Kreditgebern und Konkurrenten414 auswirken. Das bedeutet, dass eine Überbewertung für den Abschlussprüfer nicht nur mit „Sympathiegewinnen“ bei seinem Mandanten verbunden ist: Bei einer Überbewertung ist ebenfalls die Wahrscheinlichkeit geringer, von dem Vertragspartner schadensersatzrechtlich in Anspruch genommen zu werden. Dieser Effekt würde noch verstärkt, wenn der Abschlussprüfer sich auf ein Mitverschulden des Vorstands berufen könnte, von seinem Mandanten also ohnehin keine vollumfänglichen Ersatzforderungen erwarten müsste. Die Dritthaftung bewirkt insofern eine gewisse Balance, weil sie die Überbewertung mit Kosten belegt und auf diese Weise einem Interessengleichlauf zwischen dem prüfungspflichtigen Unternehmen und
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Hierzu s.o. bei § 2, B. III. 1. a) (2). H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 829; dem folgend Leyens, in: FS H.-B. Schäfer, S. 159, 165. 413 Freilich können auch geprüfte Unternehmen durch eine Überbewertung Nachteile erleiden (z.B. überhöhte Steuerforderung, Unterlassung notwendiger Sanierungsmaßnahmen etc.), regelmäßig überwiegen jedoch die Vorteile. 414 Marktkonkurrenten können durch eine Überbewertung des geprüften Unternehmens Nachteile erleiden, wenn Kapital, das aus Gründen der Allokationseffizienz bei ihnen hätte investiert werden müssen, auf Grund falscher Unternehmensinformationen jedoch in das überbewertete Unternehmen fließt. 412
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
201
dem Abschlussprüfer entgegensteuert.415 Sie würde außerdem die Effektivität der Haftung (private enforcement) stärken. Gegen eine Dritthaftung spricht jedoch, dass ihr potentieller Umfang für den Abschlussprüfer unvorhersehbar (Gefahr der Massenschäden) und deswegen als Instrument der kontrollierten Verhaltenssteuerung eher ungeeignet ist. Ihr wohnt vielmehr das Risiko einer Überabschreckung inne, weil schon ein einziger Fehler bei einer hohen Anzahl Anspruchsberechtigter existenzvernichtend sein kann. Zwar mag der Abschlussprüfer im Einzelfall auch nicht vorhersehen, wie sich ein fehlerhaftes Testat auf die Vermögenslage seines Mandanten auswirken wird, aber eine umfassende Dritthaftung multipliziert dieses Risiko um die unbekannte Größe einer unbekannten Vielzahl unbekannter Testatsnutzer.416 Aus diesen Gründen sollte eine Dritthaftung des Prüfers nicht ausgeschlossen werden. Sie sollte jedoch entweder faktisch vermeidbar oder vorherseh- und damit versicherbar ausgestaltet sein. Es bietet sich daher an, die Dritthaftung des Prüfers entweder auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz zu beschränken oder sie durch eine Höchstsummenreglung zu begrenzen oder den Kreis der potentiell anspruchsberechtigten Dritten einzuschränken. 4. Schlussfolgerungen zur effizienten Haftungsgestaltung Um Anreize für ein effizientes Prüfungsverhalten zu setzen, muss sich die Haftung auf steuerbares Verhalten beziehen. Im Umkehrschluss gilt: Die Haftung über das Maß hinaus, an dem noch eine Verhaltenssteuerung des Prüfers möglich ist, insbesondere seine Belastung mit Risiken, die er faktisch nicht vollständig ausschließen kann (Fehlverhalten von Mitarbeitern, leichte bis mittlere eigene Fahrlässigkeit), muss aus Gründen der Prävention keinesfalls unbegrenzt sein. Eine unbegrenzte Haftung für die inhärenten und unvermeidbaren Restrisiken der Prüfung kann sogar für die Prüfungsqualität schädlich sein, wenn die verhaltenssteuernde Wirkung auf das Aktivitätsniveau durchschlägt. Um eine Überabschreckung des Berufträgers zu vermeiden, ist es sinnvoll, das unvermeidbare Risiko dem Umfang nach vorhersehbar zu 415 Zur Bedeutung der fehlenden Vertragspolarität für die rechtliche Beurteilung der Lastwirkungen von Verträgen auf Dritte s. Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 55 f., 87 ff. 416 Vor diesem Risiko einer unbegrenzten und unbegrenzbaren Haftung warnte Cardozo bereits im Jahre 1931 in Ultramares Corporation v. Touche, 255 N.Y. 170, 179 (Court of Appeals of N.Y.). H.-B. Schäfer weist darauf hin, dass dieser Einwand als Argument gegen eine Dritthaftung für fehlerhafte Informationen nicht gelten kann, wenn sich der Schaden lediglich von dem Mandanten auf einen Dritten verlagert, sich dadurch aber nicht erhöht, sondern in gleichem Umfang bei der anderen Person eintritt. Vgl. H.-B. Schäfer, AcP 202 (2002), 808, 819, 826. Anders als beispielsweise in Fällen fehlerhafter Bausachverständigengutachten führt jedoch die Nutzung eines fehlerhaften Prüfungstestats durch Vertragsfremde regelmäßig zu einer Vervielfachung des Schadens.
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gestalten (Haftungshöchstgrenzen etc.). Um moral hazard-Problemen entgegenzuwirken und Interessenkonflikte auszugleichen, muss sichergestellt sein, dass die Haftungsanreize speziell in solchen Situationen erhalten bleiben, in denen die Kontrolle des Prüfers besonders notwendig und seine Unabhängigkeit gefährdet ist. Im Rahmen der Proportionalhaftung gilt daher zu berücksichtigen, dass es zwar sachgerecht sein kann, ein geringes Verschulden des Prüfers haftungsmindernd zu berücksichtigen, ein besonders schweres Verschulden des Mandanten bzw. seiner Organe darf jedoch keinesfalls Grundlage für eine Exkulpation des Prüfers sein. Aus ähnlichen Erwägungen ist auch eine Dritthaftung des Prüfers geboten, die jedoch wegen des unvorhersehbaren Schadensrisikos begrenzt sein sollte. III. Ergebnis: Feinregulierung statt Haftungsniveau Eine unbegrenzte Haftung ist isoliert betrachtet kein Garant hoher Prüfungsqualität. Haftung ist lediglich einer von vielen Faktoren, die das PrüferHandeln beeinflussen. Eine Reihe tatsächlicher Umstände und rechtlicher Prämissen verzerren, mildern und übersteigern ihre verhaltenssteuernde Wirkung. Aufgabe des Abschlussprüferhaftungsrechts aus Primärkostenperspektive ist es daher, zwar ein Mindestmaß an Abschreckung zu garantieren, darüber hinaus aber vor allem auch die Effektivität der Haftung als Mittel der Verhaltenssteuerung zu stärken und potentiellen Interessenkonflikten gezielt entgegenzusteuern. Zur Gewährleistung einer effizienten Schadensvorsorge durch den Prüfer kommt es daher gerade nicht nur auf das Haftungsniveau, sondern vorrangig auch auf die Feinregulierung an – sowohl im Haftungsrecht als auch außerhalb (z.B. im Prozessrecht). B. Funktionsschutz und Schadensverteilung Auf die Schadensprävention muss zwangsläufig die Auseinandersetzung mit der Verteilung des eingetretenen Schadens folgen. Während sich das Schadensersatzrecht aus Primärkostenperspektive daran orientiert, wer einen eingetretenen Schaden am kostengünstigsten verhindern kann, ist auf Sekundärkostenebene vielmehr die Schadenstragungskapazität entscheidend. Ziel ist eine sozial verträgliche Schadensdistribution. Im Rahmen der Abschlussprüferhaftung stehen insoweit freilich weniger Aspekte der distributiven Gerechtigkeit als vielmehr der Schutz der Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung im Vordergrund, denn als Instrument der Kapitalmarktkontrolle kommt ihr ein „echter“, d.h. nach Kriterien der Allokationseffizienz wirtschaftlich messbarer Wert zu.417 Der Wert der Jahresabschlussprüfung ergibt sich aus den durch sie produzierten Effizienzgewinnen der Kapitalmärkte (allokative 417
S.o. bei § 3, B. III. 2.
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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und funktionale Effizienz) abzüglich der Kosten ihrer Durchführung.418 Die Rechtsordnung muss das Schadensrisiko fehlerhafter Kapitalmarktinformationen mithin so zwischen den verschiedenen Akteuren – Prüfern, prüfungspflichtigen Unternehmen, Berufspflichtversicherern, Investoren – aufteilen, dass es die Institution der Jahresabschlussprüfung dadurch nicht gefährdet. Der folgende Abschnitt wird diese Thematik mit einem kurzen theoretischen Problemaufriss einleiten, bevor er die tatsächliche Situation auf den europäischen Prüfungsmärkten näher beleuchtet. I. Problemaufriss: Abschreckung auf dem Aktivitätsniveau Eine der üblichen Methoden zur Senkung von Sekundärkosten ist die Schadensstreuung.419 Der aus Sekundärkostenperspektive geeignete Schadensträger muss risikoneutral sein.420 Risikoneutralität in diesem Sinne liegt vor, wenn das Sicherheitsäquivalent einer zukünftigen unsicheren Auszahlung dem Erwartungswert dieser Auszahlung entspricht.421 Auf das Haftungsrecht übertragen bedeutet Risikoneutralität mithin Indifferenz gegenüber den Alternativen, ein Schadensrisiko zu übernehmen oder eine sichere Zahlung in gleicher Höhe zu leisten. Einem risikoneutralen Prüfer beispielsweise ist es gleichgültig, ob er mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 % einen Schaden in Höhe von 8.000 Euro ersetzen muss oder ob er in jedem Fall eine Summe von 4.000 Euro zahlt. Jedes Individuum hat im Verhältnis zu seinen Ressourcen unterschiedliche Schwellengrenzen, an denen er einem Risiko nicht mehr risikoneutral, sondern risikoavers gegenüber steht und folglich die sichere geringere Zahlungspflicht der möglichen höheren Schadensersatzpflicht vorzieht. Um Sekundärkosten der Abschlussprüfung zu minimieren, muss ein Haftungssystem vermeiden, dass die Schadensrisikobelastung jenen Schwellenwert übersteigt. Es muss vermeiden, dass die Abschreckungswirkung der Haftung vom Sorgfalts- auf das Aktivitätsniveau durchschlägt422 und sich der Abschlussprüfer entweder mangels Rentabilität (economic viability) gegen die Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit entscheidet oder durch horrende Schadensersatzforderungen in seiner wirtschaftlichen Existenz vernichtet wird. Eine Abschreckung auf dem Aktivitätsniveau ist im Rahmen des Abschlussprüferhaftungsrechts – anders als im Unfallrecht –gerade nicht gewollt, weil mit ihr auch der aus dieser Tätigkeit fließende Nutzen verloren ginge; aus diesem Grunde ist auch eine Übertragung der Kostentheorie Calabresis423 auf
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S. auch London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 140 f. S.o. bei § 3, B. II. 2. a). 420 Gelter, WPg 2005, 486, 490. 421 Statt vieler s. J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 147. 422 Hierzu s.o. bei § 4, A. II. 1. a) (1) (b). 423 Calabresi, Cost of Accidents. 419
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
das Berufshaftungsrecht nicht ohne weiteres möglich, da sie den Nutzen der schadensträchtigen Tätigkeit nicht einbezieht. Der Abschlussprüfer gilt, insbesondere unter geschädigten Anlegern und Gläubigern, gemeinhin als der Verantwortliche, gegen den ein haftungsrechtliches Vorgehen am aussichtsreichsten ist (deep pocket-Syndrom).424 Das mag auf die Zahlungsbereitwilligkeit des Reputationsempfindlichen zurückzuführen sein, auf seine Berufsversicherung sowie auf den Umstand, dass in den publikumsträchtigen Fällen groß angelegter Jahresabschlussskandale häufig nur gegen den Abschlussprüfer ein Schadensersatzanspruch durchsetzbar ist. Neben einer insolventen Gesellschaft und ihren Vorstandmitgliedern, auf deren begrenztes Privatvermögen die restriktive Organaußenhaftung den Zugriff erschwert, erscheinen insbesondere die großen Prüfungsgesellschaften als attraktive „Bürgen“ für einen fehlerfreien Jahresabschluss. Tatsächlich haben die Abschlussprüfer jedoch kein erhebliches Eigenvermögen, das zur Befriedigung einer Schadensersatzklage verwendet werden könnte.425 Zwar sind Abschlussprüfer in Europa (außer in Finnland) berufspflichtversichert,426 doch sind dem Umfang der Versicherbarkeit von Prüfungsrisiken Grenzen gesetzt. Ein nicht unerhebliches Restrisiko der Prüfer, für einen Teil des Schadens aufkommen zu müssen, bleibt mithin in jedem Falle bestehen. In den USA – wo eine Versicherungspflicht gerade nicht besteht427 – und zunehmend auch in Europa wird man sich der Risiken einer unbegrenzten Abschlussprüferhaftung bewusster.428 Nun könnte man freilich meinen, eine Prüfungsgesellschaft, die eine Vielzahl von Mandanten betreut, sei am ehesten in der Lage, das Schadensrisiko zu streuen, das eines oder mehrere „schwarze Schafe“ unter den prüfungspflichtigen Unternehmen auf dem Finanzmarkt verkörpern. Dieser Versicherungsgedanke taucht in Diskussionen um die Prüferhaftung immer wieder auf. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Versicherung gegen fehlerhafte Jahresabschlüsse sozial tatsächlich wünschenswert ist, gibt es gute Gründe, bereits an der Funktionsfähigkeit eines solchen Konzepts zu zweifeln. Die Fehlerquote bei Jahresabschlussprüfungen ist zwar gering, die Vermögensausfälle können sich wegen der Gefahr von Massenschäden aber schon in einem einzelnen Fall auf exorbitante Summen belaufen.429 Bei vollständiger Abwälzung auf den Prüfer ist schon ein solcher Fall 424
Hierzu s. Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 682 (1984). Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 104. Allgemein zu diesem Problem Adams, Ökonomische Theorie, S. 147. 426 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 12 f. 427 Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 285, Fn. 190; ders., 79 Nw. U. L. Rev. 663, 683 f. (1984). 428 Zur Situation in den USA s. grundlegend Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report. Zur Situation in Europa s. im Einzelnen London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F). 429 Es handelt sich um ein sog. Großrisiko mit geringer Frequenz. Hierzu s. Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 277 m.w.Nachw. 425
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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unter Umständen geeignet, dessen wirtschaftliche Existenz zu vernichten.430 Eine unbegrenzte Haftung für einen faktisch kaum vermeidbaren Schaden kann die Risikoneutralität des Prüfers weitgehend aufheben, weil es ihm unmöglich ist, dieses Restrisiko in seinen Geschäftsplan zu integrieren; der Prüfer kann ein solches Risiko weder versichern noch im Vorfeld über die Prüfungsgebühren innerhalb seines Mandantenkreises streuen. Ein längerfristig planendes Prüfungsunternehmen könnte angesichts solcher Umstände nur eine Konsequenz ziehen: den Rückzug vom Markt der Prüfungsdienstleistungen. Zwar ist nicht davon auszugehen, dass es für Unternehmen per se unmöglich sein würde, ihrer gesetzlichen Prüfungspflicht nachzukommen. Es wäre aber zu befürchten, dass solche Abschlussprüfer den Markt übernähmen, die auf kurzfristige Gewinnerzielung unter Inkaufnahme frühzeitiger Unternehmensauflösung fokussiert sind (sog. fly-by-night-risk).431 Darüber, ob ein solches Marktverhalten prinzipiell wirtschafts- oder sozialschädlich ist, lässt sich in anderen Branchen gewiss politisch streiten. Für die Abschlussprüfung darf eine solche unternehmerische Strategie hingegen keinesfalls in Betracht kommen. Setzte sich ein solches Geschäftsmodell auf dem Markt für Prüfungsdienstleistungen tatsächlich durch, ginge die Bedeutung der Reputation des Abschlussprüfers als Anknüpfungspunkt für das Vertrauen der Marktteilnehmer in die Zuverlässigkeit der publizierten Unternehmensdaten verloren – ebenso wie ihre Anreiz- und Kontrollwirkung für den Abschlussprüfer. Der Abschlussprüfer wäre dann nur ein weiterer Finanzanalyst mit weiterreichenden Einsichtsrechten, die Abschlussprüfung als Institution im herkömmlichen Sinne hinfällig. Man erinnere sich insoweit der an früherer Stelle zitierten Worte McCreevys „Auditing is not just any industry but one that plays a pivotal role in our capital markets.“432
430 Solche Szenarien sind nicht fernliegend. Man denke nur an den Skandal um den USamerikanischen Finanz- und Börsenmakler Bernard Madoff. Keine noch so gut berufsversicherte Prüfungsgesellschaft besitzt die Ressourcen, um Verluste in der Größenordnung aufzufangen, wie sie im Zuge der Weltwirtschaftskrise auf den Finanzmärkten zu Tage getreten sind. Hierzu s. auch Coffee, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 455, 459. London Economics hat in seinem Gutachten Daten aus dem Jahre 2005 veröffentlicht, denen zufolge sich die großen Prüfungsgesellschaften in der EU zum Teil Klagen in Höhe von über 785.000.000 EUR ausgesetzt sahen. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 88. Die Autoren zogen bereits aus diesen Daten den Schluss, es bestünde eine reelle Gefahr, dass eine weitere der nunmehr vier großen internationalen Prüfungsgesellschaften in naher Zukunft aus dem Markt ausscheiden könnte. Hierzu s. sogleich unten bei § 4, B. II. 3. 431 Coffee, Columbia Law School Working Paper No. 191 (2001), 58. 432 McCreevy, Rede vom 12.10.2006 (SPEECH/06/592).
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II. Gegenwärtige Situation auf den europäischen Prüfungsmärkten Die Sorge der Europäischen Kommission vor einem Zusammenbruch des Prüfungsmarktes liegt in den steigenden Haftungsrisiken der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung bei gleichzeitigem Rückgang des erhältlichen Versicherungsschutzes begründet. Mit dem Auseinanderfallen der möglichen Schadensersatzsummen und der zur Verfügung stehenden Versicherungsdeckung ist auch die Gefahr existenzgefährdender Klagen gestiegen. Die sechs größten europäischen Prüfungsgesellschaften433 sehen sich gegenwärtig Ansprüchen aus so genannten Mega-Klagen (mega claims) ausgesetzt, deren Umfang den auf dem Markt erhältlichen gewerblichen Versicherungsschutz um bis zu 95% übersteigt.434 Von den 69 am 31.10.2005 ausstehenden Klagen bezogen sich 28 auf Schadensersatzsummen von über 79 Millionen Euro, elf davon auf über 160 Millionen Euro und fünf auf über 785 Millionen Euro.435 1. Haftungsrisiken Der Anstieg des Haftungsrisikos bei der Durchführung der Jahresabschlussprüfung wird gemeinhin auf vier Gründe zurückgeführt: auf grenzüberschreitende Tätigkeit des Abschlussprüfers, auf seine erweiterte Verantwortlichkeit im Rahmen von Konzernabschlüssen und in Prüfungsnetzwerken, auf die höhere Marktkapitalisierung der prüfungspflichtigen Unternehmen sowie seit kurzem auch auf einen „neuen Klägertyp.“ Das Risiko der international tätigen Prüfungsgesellschaften ist nicht darauf beschränkt, für die im eigenen Land erbrachten Leistungen nach der eigenen Rechtsordnung auf Schadensersatz verklagt zu werden. Sie können für die Prüfung eines einheimischen Unternehmens im Inland auch im Ausland verklagt werden, wenn dieses Unternehmen in Beziehung zu diesem Land steht, beispielsweise an der dortigen Börse notiert ist oder eine ausländische Tochtergesellschaft besitzt.436 Diese Gefahr besteht insbesondere auch, wenn eine europäische Prüfungsgesellschaft als Mitglied eines internationalen Netzwerks an der Prüfung eines im Ausland ansässigen Konzerns mitwirkt, indem sie etwa eine europäische Tochtergesellschaft prüft.437 Da der Konzernabschlussprüfer gemäß Art. 27 a) der Abschlussprüferrichtlinie aus dem Jahre 2006 (2006/43/EG)438 die „volle Verantwortung für den Bestätigungsvermerk 433
Hierzu zählen die sog. Big Four (Deloitte Touche Tohmatsu, Ernst & Young, KPMG, Pricewaterhouse Coopers) sowie die beiden größten mittelständischen Prüfungsgesellschaften (BDO und Grant Thornton). 434 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 99. 435 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. xxxiii, 88 f., Tabelle 47. 436 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 79 Nr. 2. 437 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 79 Nr. 3. 438 ABl. EG 2006 Nr. L 157/87.
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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zu den konsolidierten Abschlüssen trägt“, könnte eine als Konzernprüfer bestellte europäische Prüfungsgesellschaft nunmehr für eine fehlerhafte Prüfung haftbar gemacht werden, die eine ausländische Gesellschaft als Teil des Konzernabschlusses durchgeführt hat.439 Der Zusammenschluss zu internationalen Prüfungsnetzwerken mit unterschiedlich festen Bindungen, die eine Tätigkeit auf transnationaler Ebene erleichtern, birgt ebenfalls zusätzliche Haftungsrisiken. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Kläger eine Prüfungsgesellschaft lediglich wegen ihrer Zugehörigkeit zum gleichen Netzwerk in Anspruch nimmt, und sei es nur auf Grund einer scheinbaren Firmenidentität.440 Ob das Risiko einer „Netzwerkhaftung“ – der haftungsrechtlichen Inanspruchnahme von Mitgliedern eines Prüfungsnetzwerkes für ein Fehlverhalten eines anderen Netzwerkmitglieds – nunmehr gestiegen ist, da die neue Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EG den Begriff des Netzwerks in Art. 2 Nr. 7 legaldefiniert, bleibt abzuwarten.441 Mit der Tätigkeit in und dem Auftreten als internationales Prüfungsnetzwerk steigt jedoch in jedem Fall die Gefahr unverschuldet, auf Grund eines Fehlverhaltens einer anderen Prüfungsgesellschaft, einen Reputationsverlust zu erleiden. Zusätzliche Unsicherheiten erwachsen aus dem Kollisionsrecht, divergierenden IPR-Vorschriften innerhalb der EU und der rechtsordnungsübergreifend unklaren Einordnung der Dritthaftung zwischen Vertrag und Delikt.442 Die international agierenden Prüfungsgesellschaften sind mithin nicht nur nationalen und europäischen, sondern vor allem auch internationalen Haftungsrisiken ausgesetzt; ein großer Anteil der transnationalen Klagen wird in den USA erhoben, nicht in den EU-Mitgliedstaaten.443 Da die wenigen großen Prüfungsgesellschaften (Big Four plus zwei) den europäischen Markt für die Prüfung großer und sehr großer börsennotierter Unternehmen fast vollständig abdecken,444 können ihre internationalen Haftungsrisiken durchaus zur Bedrohung für die europäischen Prüfungs- und Kapitalmärkte werden. Die Kosten der Schadensersatzklagen445 pro Geschäftsjahr sind über die vergangenen zwei Jahrzehnte in der EU im Durchschnitt leicht gestiegen, es sind jedoch
439
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 79 Nr. 4. Ausführlich hierzu Ebke, in: FS Mestmäcker, S. 863 ff. 441 Eine der dem Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2006/43/EG, ABl. EG 2006 Nr. L 157/87, entsprechende Definition des Prüfungsnetzwerkes hat nunmehr auch das deutsche Recht in § 319 b Abs. 1 S. 3 HGB eingeführt. Hierzu s. im Einzelnen BeckBilKomm/Förschle/Schmidt, § 319 b Rn. 6 ff. 442 MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 171–195; ders., Verantwortlichkeit, S. 54 ff.; Schinkels, JZ 2008, 278; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 166–186. 443 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 80. 444 Im Einzelnen s. unten bei § 4, B. II. 1. 445 Hierunter fallen die Belastungen der Abschlussprüfer und ihrer Versicherungen in Form von Schadensersatzzahlungen und Rücklagen von Reserven für künftige Klagen. 440
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
starke Schwankungen zu verzeichnen.446 Umfangreiche Datenerhebungen447 belegen, dass sich das Haftungsrisiko der Abschlussprüfer vornehmlich durch zweierlei auszeichnet: durch eine hohe und tendenziell steigende Grundbelastung448 sowie insbesondere auch durch die Gefahr desaströser Schadensersatzforderungen, die sich ebenfalls gemehrt haben.449 Europäische Abschlussprüfer führen diese Entwicklung nicht nur auf die höhere (Fremd)Marktkapitalisierung prüfungspflichtiger Gesellschaften450 und Klagen US-amerikanischen Ursprungs, sondern ebenfalls auf den besagten neuen Klägertyp zurück. Den Aussagen einiger von London Economics befragten Netzwerkvertretern zufolge wurden Kläger bis vor kurzem von Anwaltskanzleien vertreten, die sich auf solche Berufshaftungsfälle spezialisiert haben. Sie waren daher an einer wiederholten Auseinandersetzung mit den Prüfungsgesellschaften und entsprechend auch an deren Fortbestand interessiert. Es bestand folglich eine relativ geringe Gefahr, dass sie einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hätten, der die wirtschaftliche Überle-
446 Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 84 f., Schaubild 4 und Tabelle 44. 447 Die Kosten einer durchschnittlichen Klage gegen eine Big Four/Five Prüfungsgesellschaft beliefen sich im Jahre 1984 auf 340 Millionen USD, im Jahr 1985 hingegen nur auf 18.5 Millionen USD; im Jahre 2002 waren es 60.9 Millionen USD, in den Jahren 2001 und 2003 sogar 256.9 USD bzw. 224.1 Millionen USD. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 84 f., Schaubild 4 und Tabelle 44. Über den Zeitraum von 1981 bis 2003 betrugen die durchschnittlichen Kosten einer Klage gegen eine Big Four/FiveGesellschaft 187 Millionen USD. Die jährliche Standardabweichung lag jedoch bei 11.4 Millionen USD; folglich müssen in einigen Jahren einzelne Klagen den Durchschnittswert erheblich überschritten haben, s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 86, Schaubild 5. 448 Insbesondere im Hinblick auf die Rentabilität der Prüfertätigkeit kommt es freilich nicht in erster Linie auf die absolute, sondern auf die relative Belastung der Prüfer durch die Schadensersatzforderungen an. Datenerhebungen in den USA haben ergeben, dass die Haftungskosten der Big Four-Gesellschaften (Ausgleichszahlungen und Rechtskosten) im Verhältnis zum Einkommen aus der Jahresabschlussprüfung innerhalb von fünf Jahren (1999 bis 2004) von 7,6 % auf knapp 11% gestiegen sind. Bezieht man die Kosten der Haftungsvorsorge und Versicherung mit ein, steigen die relativen Kosten über den gleichen Zeitraum noch steiler an, von 7,7 % auf über 14 %. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 83 f., Tabelle 43 m.w.Nachw. Vergleichbare Daten aus Europa sind, soweit ersichtlich, nicht verfügbar. Vertreter der großen Prüfungsnetzwerke haben gegenüber London Economics geäußert, dass die relativen Haftungskosten in der EU in den vergangenen Jahren ebenfalls gestiegen sind, dass sie jedoch (vermutlich) insgesamt niedriger sind als in den USA. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 84. 449 In den USA ist seit Ende der 1990er Jahre sogar ein Rückgang der Klagen gegen Abschlussprüfer zu verzeichnen, während die Summe der durchschnittlichen und die Anzahl horrender – existenzgefährdender – Schadensersatzzahlungen im gleichen Zeitraum gestiegen ist. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 82. 450 Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 4.
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bensfähigkeit des Prüfers auf lange Sicht ernsthaft gefährdet hätte. Neuerdings würden die Rechtsstreitigkeiten zunehmend von hedge funds, Insolvenzverwaltern und Portfoliomanagern geführt, die auf eine einmalige gewinnmaximierende Zahlung ohne Rücksicht auf eine etwaige Existenzvernichtung der Prüfungsgesellschaft aus seien.451 Nun ist es freilich so, dass auch Anwälte nicht gegen den Willen ihrer Mandanten nur einen Teilschaden geltend machen können, ohne sich selbst haftbar zu machen. Ein größeres Bemühen um eine Kompromisslösung auf ihrer Seite scheint hingegen nachvollziehbar. Selbst wenn der Verdacht der Netzwerkvertreter also zutreffend sein sollte, stellt sich die Frage, ob diese neue Entwicklung negativ zu bewerten ist. Möglicherweise stand das wirtschaftliche Eigeninteresse der Anwaltskanzleien zuvor vielmehr einer effektiven Rechtdurchsetzung im Sinne einer Qualitätskontrolle entgegen. Prinzipiell ist es schließlich bedenklich, wenn sich die Interessen der Klägervertreter und des Beklagten – (und sei es auch nur im begrenzten Umfang) decken. Das ist – wie z.B. auch Berlins ehemaliger Justizsenator Wieland die Beauftragung der Kanzlei Linklaters, „die ansonsten mit maroden Banken ihr Geld verdient“, mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Staatshilfe für Banken kommentierte – „ungefähr so, als ob man zum Trockenlegen des Sumpfes die Frösche beauftragte.“452 Und doch entspricht das den Kanzleien unterstellte Bestreben letztlich dem der Europäischen Kommission: Die Prüfer zahlen zwar, aber nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten. 2. Versicherungsschutz Während das Haftungsrisiko – insbesondere bei der Prüfung großer und börsennotierter Unternehmen – in den vergangenen Jahren gestiegen ist, wurde der Versicherungsschutz drastisch reduziert. Die berüchtigten Mega-Klagen sind daher faktisch nicht versicherbar.453 Mitglieder international tätiger Prüfungsnetzwerke unterhalten aus diesem Grund Selbstversicherungsgesellschaften auf Gegenseitigkeit, so genannte captives. Diese privaten Haftungsfonds dienen jedoch primär der Erleichterung der Schadensabwicklung und der Schadensteilung. Einen effektiven Schutz gegen die von einer MegaKlage ausgehende Existenzgefährdung bieten sie nicht. Die Rückversicherung der captives über kommerzielle Anbieter454 ist nur teilweise möglich. Nach Auskunft von Swiss Re, dem führenden Rückversicherer für Abschlussprüfer, gegenüber London Economics deckt der auf dem Markt erhältliche Versiche451
Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 81. Zitiert nach Gathmann, Spiegel Online vom 12.8.2009. 453 Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 99 ff. 454 Hierzu s. allgemein Bialek, Captive-Versicherung, insbesondere S. 21 ff; Niquille, Risikofinanzierung. 452
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rungsschutz lediglich 5% der größeren gegenwärtig ausstehenden Haftungsklagen ab.455 In den vergangenen Jahren sind die Versicherungsprämien bei gleichzeitiger Beschneidung der Leistungen erheblich gestiegen.456 Das eigentliche Problem aber ist, dass das Angebot für Rückversicherung der captives internationaler Prüfungsnetzwerke eingebrochen ist.457 Die Haftpflichtversicherung war international kein profitables, die Abschlussprüferhaftpflicht gar ein Verlustgeschäft.458 Entsprechend sind die Anbieter kaum bereit, einen umfassenden Versicherungsschutz gegen Prüfungshaftschäden anzubieten. Es drängt sich die Frage auf, wie das möglich sein kann. Theoretisch müsste der Versicherungsmarkt bei entsprechendem Preisangebot schließlich alle nachgefragten Leistungen bieten können. Die Tatsache, dass er dies nicht tut, ist wohl auf die besonderen Charakteristika des Prüferhaftungsrisikos zurückzuführen:459 Ein Schadensrisiko, das sowohl in seiner Eintrittswahrscheinlichkeit als auch in seinem Umfang unvorhersehbar ist, kann eben nur schwerlich zutreffend bewertet und zu einem angemessenen Preis abgenommen wer455 Das mag im Ergebnis kein so verschwindend geringer Anteil sein, wie man nun meinen könnte, da der vom Gericht letztlich zugesprochene Schadensersatz teilweise erheblich niedriger ist als der von den Klägern eingeforderte Betrag. In den Jahren 1975 bis 2005 wurden in der EU sieben Klagen gegen Big Four/Five-Gesellschaften erhoben, die auf über 785 Millionen EUR Schadensersatz gerichtet waren. Die Prüfer mussten in keinem der Fälle mehr als 10% zahlen; in fünf der sieben Fälle waren es sogar weniger als 5%. In den zehn Verfahren, in denen Ansprüche von 79 Millionen EUR bis 160 Millionen EUR geltend gemacht wurden, betrug die Rate zwischen erhobenen und durchgesetzten Schadensersatzsummen zwischen 5% und 40%. Vgl. im Einzelnen London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 87, Tabelle 47. Es ist jedoch zu beachten, dass diese Daten nur den öffentlich zugänglichen Quellen entnommen wurden. Welche Beträge im Rahmen außergerichtlicher Einigungen geflossen sein mögen, ergibt sich hieraus nicht. 456 Zwischen 2000 und 2005 haben sich die Preise einer Rückversicherung verdoppelt. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 101. 457 Die Versicherung des Berufshaftungsrisikos der Abschlussprüfer erfolgt über drei Stufen: Zunächst greift die vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung ein. Die Versicherung der durch Gesetz oder den Berufsverband auf nationaler Ebene vorgeschriebenen Mindestdeckung ist üblicherweise unproblematisch möglich. Auf Grund ihrer geringen Höhe ist diese jedoch für die Versicherung größerer Prüfungsmandate nicht ausreichend, insbesondere dann nicht, wenn neben der geprüften Gesellschaft auch Dritte Ansprüche erheben können. Zudem werden eine Reihe transnationaler Haftungsrisiken durch den Versicherungsvertrag ausgeschlossen. Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 99. 458 In dem Zeitraum zwischen 1981 und 1992 war die Versicherung der Abschlussprüferhaftung in den USA nur in einem einzigen Jahr profitabel, in der übrigen Welt nur in zweien. Nach Aussagen der Versicherungsstelle Wiesbaden betrug die Verlustrate (Verhältnis zwischen geleisteten Schadensersatzzahlungen und Versicherungsprämien) im Zeitraum zwischen 1997 und 2002 in Deutschland 189 %. Im Einzelnen s. hiezu London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 100 f. 459 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 102.
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den.460 Zudem kann ein Versicherer sein Risiko bei international tätigen Prüfungsgesellschaften auch nicht über eine Vielzahl von Anbietern diversifizieren. Lange Abwicklungszeiten der Schadensersatzklagen bilden einen zusätzlichen Unsicherheitsfaktor. Zu erinnern ist ferner daran, dass der europäische Markt für die Prüfung großer und börsennotierter Unternehmen im Wesentlichen durch die Big Four-Gesellschaften beherrscht wird. Das mit dieser Tätigkeit verbundene Haftungsrisiko könnte daher allenfalls auf vier Versicherungsnehmer verteilt werden. In diesen beiden Punkten unterscheidet sich das Prüfungsrisiko von anderen Berufsrisiken, die zwar international auch steigen, für die aber der Versicherungsmarkt nach wie vor ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stellt.461 3. Toleranzgrenze (tipping point) Sind die Rücklagen der captives einmal erschöpft, bleibt als letzte Quelle zum Schadensausgleich nur das Einkommen der Prüfungspartner. Die Prüfungsgesellschaften selbst haben nur sehr begrenztes Kapital zur Verfügung. Die britische Prüfungsgesellschaft des PwC-Netzwerks hatte beispielsweise im Jahre 2005 ein Gesellschaftsvermögen von 556 Millionen, die englische KPMG 333 Millionen Britische Pfund.462 Da dieses Kapital jedoch das Betriebskapital der Gesellschaft und unter anderem auch das Jahreseinkommen der Partner repräsentiert, kann es nicht ohne weiteres zur Begleichung von Schadensersatzforderungen herangezogen werden, jedenfalls nicht, ohne die Prüfungsgesellschaft in ihrer Funktions- und wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit zu beeinträchtigen.463 Es müssen daher die Partner ihr Vermögen zur Begleichung von Schadensersatzforderungen aktivieren. Das bedeutet, dass die Partner letztlich bereit sein müssen, im Haftungsfall Einkommenseinschnitte in bestimmter Höhe für einen bestimmten Zeitraum hinzunehmen.464 Freilich werden sie nur in eingeschränktem Maße zu diesem Verzicht bereit sein. Auch die bereits tätigen Prüfungspartner nehmen Einkommenseinbußen nur bis zu einer gewissen Toleranzschwelle hin, bei deren Überschreiten sie es vorziehen, aus der Gesellschaft auszusteigen; im schlimmsten Fall kann das ihre Insolvenz nach sich ziehen (so im Fall der US-amerikanischen 460
J. Scheel, Versicherbarkeit, S. 151. Bei der Ärztehaftung z.B. ist das Risiko nie im gleichen Maße unübersehbar groß, da Ärzte in der Regel nur für eigene Kunstfehler und nicht für die Fehler anderer Personen einstehen müssen. Sie sind außerdem weder international tätig noch kommt eine unüberschaubare Zahl Dritter mit ihrer Arbeit in Berührung. Zudem ist das Risiko auf eine Vielzahl von Versicherungsnehmern verteilbar und damit für die Versicherung tragbar. Hierzu s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 102 f. 462 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 104. 463 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 104. 464 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 104. 461
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Prüfungsgesellschaft Laventhol).465 London Economics hat eine Schätzung zur Identifizierung dieser Toleranzgrenze, des sogenannten tipping point, durchgeführt, jenseits dessen ein Zusammenbruch der Prüfungsgesellschaft droht. Die Annahmen, auf denen sich die Analyse gründet, ergeben sich in erster Linie aus Ergebnissen einer Umfrage unter den großen Prüfungsgesellschaften. Die Verfasser gehen davon aus, dass Einkommenseinschnitte in Höhe von 15% bis 20% für eine Dauer von drei bis vier Jahren für die Partner akzeptabel sind und dass die Reputationskosten (Gewinnrückgang auf Grund von Reputationsschäden) im Schadensfall bis zu 10 % betragen. Auf Grundlage dieser Daten kommen sie zu dem Ergebnis, dass die Kapazitätsgrenzen der britischen PwC, nach Erschöpfung der captives, bei Schadensersatzzahlungen in Höhe von zwischen 365 und 540 Millionen Britischen Pfund überschritten würde.466 Da sich die Haftungskapazität der Prüfungsgesellschaften nach Aussage der Netzwerkvertreter ungefähr proportional zur Anzahl der Partner verhält, könnte die deutsche PwC lediglich Schadensersatzzahlungen in halb so großem Umfange verkraften; die französische PwC besitzt nur ungefähr ein Zehntel der Kapazität.467 Auch wenn die vorstehenden Daten nur annähernd stimmen, ist in Anbetracht der oben bezifferten Haftungsrisiken klar, dass es sich bei der Überlegung um die Möglichkeit des Zusammenbruchs einer weiteren großen Prüfungsgesellschaft nicht nur um eine theoretische handelt. Das weite Auseinanderklaffen von Versicherungsschutz und Höhe der potentiellen Schadensersatzleistungen führt dazu, dass sich das Haftungsrisiko auf dem Prüfungsmarkt für große und börsennotierte Unternehmen zu einem existenziellen Unternehmensrisiko der Prüfungsgesellschaften und echten persönlichen Risiko für ihre Partner ausgewachsen hat. Zwar ist ein persönliches, d.h. für den Haftungsadressat spürbares Risiko, notwendig, um eine Abschreckungswirkung zu erzielen; eine vollständige Abdeckung aller Haftungsrisiken ist daher auch gar nicht wünschenswert.468 Ein Schrumpfen der Big Four auf Big Three oder gar Big Two kann jedoch, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, erhebliche Nachteile für den Kapitalmarkt mit sich bringen. III. Risikoanalyse und Folgenprognose Die Europäische Kommission betrachtet die Kombination aus hohem Haftungsrisiko und unzureichendem Versicherungsschutz als Ursache für die gegenwärtig bereits hohe und eine zukünftig potentiell höhere Konzentration 465
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 104 f. Bei den britischen KPMG- und Deloitte-Gesellschaften lägen die Schwellen noch niedriger. Deloitte: 325 bis 480 Millionen GBP; KPMG: 240 bis 540 Millionen GBP. Vgl. London Economics/ Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 106, Tabelle 54. 467 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 106 f. 468 Vgl. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 184, 405. 466
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auf dem Prüfungsmarkt für große börsennotierte Unternehmen. Eine Begrenzung der Haftung soll – so die Hoffnung der Kommission – zum einen verhindern, dass nach Arthur Andersen noch eine weitere große Prüfungsgesellschaft aus dem Markt ausscheidet, und zum anderen mittelständischen Prüfungsgesellschaften den Zugang zum internationalen Prüfungsmarkt erleichtern.469 Die folgende Betrachtung soll diese These kritisch hinterfragen. 1. Zur Marktkonzentration Dass die Marktkonzentration auf dem Prüfungsmarkt sehr hoch ist, die Big Four in einigen Marktsegmenten gar ein Oligopol bilden, ist in vielen Ländern eine seit langem bekannte Tatsache. Die von London Economics ausgewerteten Daten bestätigen diese Tendenz für das gesamte Gebiet der Europäischen Union.470 Die Prüfungsgesellschaften der Big Four-Netzwerke dominieren den internationalen Prüfungsmarkt für die Prüfung börsennotierter Unternehmen in Europa.471 Bei der Prüfung derjenigen Unternehmen, die den nationalen Leitindex bilden, beträgt der Marktanteil der Big Four-Gesellschaften nach Mandaten472 zwischen 73% (Frankreich, Slowenien) und 100% (Schweden, Italien, Niederlande u.a.).473 Bezieht man alle börsennotierten Unternehmen in die Betrachtung mit ein, so steigt zwar der Anteil der mittelständischen Prüfungsgesellschaften, die Big Four halten aber weiterhin zwischen 42% (Frankreich)474 und 100% (Malta, Slowakei), des Marktes.475 Eine besonders hohe Konzentration ist auf dem Marktsektor für Finanzdienstleis-
469
Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 12. Die Studie bezieht sich nur auf die EU-25-Staaten. 471 Die Konzentration steigt mit der Größe der Prüfungsmandanten sowie in speziellen Marktsektoren, s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 25, Tabelle 7. Die Konzentrationsmessung erfolgt hier nach dem Herfindahl-Hirschman-Index. 472 Die Aufschlüsselung nach Anteilen an den zur Verfügung stehenden Prüfungsmandaten vermittelt freilich nur ein eingeschränktes Bild von der Marktmacht der großen Prüfungsgesellschaften, da letztlich nicht in erster Linie die Anzahl der Prüfungsaufträge, sondern die Einnahmen aus Prüfungsgebühren entscheidend sind. Die erforderlichen Informationen liegen jedoch nicht für alle Länder vor. Soweit vorhanden bestätigen diese Daten jedoch die These, dass die Big Four-Gesellschaften den Prüfungsmarkt für große börsennotierte Unternehmen weitgehend unter sich aufteilen. In Dänemark, Frankreich, Deutschland, Portugal und im Vereinigten Königreich liegt der Markanteil nach erwirtschafteten Prüfungsgebühren zwischen 96% und 100%. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 24, Tabelle 6. 473 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 20, Tabelle 4. 474 Die verhältnismäßig niedrige Marktkonzentration in Frankreich mag u.a. darauf zurückzuführen sein, dass die Jahresabschlüsse börsennotierter Unternehmen nach französischem Recht von zwei unabhängigen Abschlussprüfern geprüft werden müssen. Hierzu s. Francis/Richard/Vanstraelen, Assessing France’s Joint Audit Requirement. 475 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 22, Tabelle 5. 470
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tungen zu verzeichnen:476 Während die Big Four im europaweiten Durchschnitt rund zwei Drittel aller Prüfungsmandate börsennotierter Unternehmen anderer Sektoren halten, bedienen sie 90% der Finanzinstitute; in einigen Mitgliedstaaten prüfen die Big Four sogar sämtliche Finanzinstitute.477 Die Verfasser des London Economics-Gutachtens halten eine Auflockerung der hohen Marktkonzentration in naher Zukunft für unwahrscheinlich.478 a) Ursachen Der Prüfungsmarkt war von jeher durch eine große Konzentration gekennzeichnet. Im Zuge einer Reihe von Fusionen in den 1980er und 1990er Jahren sowie der Liquidation von Arthur Andersen 2002 hat sich die Anzahl der großen Akteure reduziert; aus den ehemals Big Eight479 wurden zunächst die Big Six480, dann die Big Five481 und letztlich die Big Four. Für diese Entwicklung gibt es zwei denkbare Erklärungen: Möglicherweise stellt der Markt Anforderungen, die nur Anbieter ab einer bestimmten Größe erfüllen können, wobei wenige Anbieter dieser Größe ausreichend sind, um die gesamte Nachfrage zu befriedigen. Es ist ebenfalls denkbar, dass die großen Prüfungsgesellschaften „ihren“ Markt gezielt abschotten.482 Erwartungsgemäß führen die von London Economics befragten Prüfer und prüfungspflichtigen Gesellschaften die hohe Konzentration jedoch auf den erstgenannten Aspekt, insbesondere auf die besonderen Bedürfnisse der internatonal tätigen Mandanten sowie letztlich das Haftungsrisiko, zurück.483 476
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 19 ff., 31 ff. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), Tabelle 12. 478 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 74; ebenso Cunningham, 106 Colum. L. Rev. 1698, 1718 (2006). 479 Hierzu zählten Arthur Andersen, Coopers & Lybrand, Ernst & Whinney, Price Waterhouse, Arthur Young, Deloitte Haskins & Sell, Touche Ross und Peat Marwick Mitchel (bzw. seit 1987 KPMG Peat Marwick). 480 Nach den Fusionen von Ernst & Whinney und Arthur Young, sowie Deloitte Haskins & Sell und Touche Ross im Jahre 1989. 481 Nach der Fusion von Coopers & Lybrand und Price Waterhouse im Jahre 1998. 482 Ähnliches wird auch den Ratingagenturen vorgeworfen, die den Weltmarkt zu ca. 95% unter drei Akteuren (Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch) aufteilen. Hierzu s. Leyens, in: Baum/Fleckner/Hellgardt/Roth (Hrsg.), Perspektiven, S. 423, 446. 483 Als Grund für die Entwicklung von den Big Eight hin zu den Big Four gilt vor allem die Globalisierung, die in den 80er und 90er Jahren von einer zunehmend internationalen und diversifizierten Ausrichtung großer Unternehmen begleitet wurde. Es trat erstmals eine Nachfrage nach solchen Prüfern und Beratern auf, die das Geschäft großer Konzerne grenzüberschreitend betreuen und Spezialisierungen in unterschiedlichen Fachrichtungen aufweisen konnten. So war z.B. Price Waterhouse vor der Fusion mit Coopers & Lybrand vor allem in Südamerika, Coopers & Lybrand hingegen in Europa aktiv. Zudem machten technische Innovationen im Prüfungsbereich die kostenaufwendige Umstellung auf neue Prüfungsmethoden notwendig und förderten so den Zusammenschluss der grundsätzlich eigenkapitalarmen Prü477
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Die entscheidende Frage ist jedoch, weshalb die bekannten großen Prüfungsgesellschaften über einen so langen Zeitraum konkurrenzlos geblieben sind. Seit dem Zusammenschluss von KMG mit der Big Eight-Gesellschaft Peat Marwick Mitchel im Jahre 1987 ist kein neuer Akteur in ihren Kreis getreten. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass nach dem Zusammenbruch von Arthur Andersen ein wenigstens kurzzeitiges Angebotsvakuum entstanden sein muss, erstaunlich. Diesem Umstand und der Erschütterung des öffentlichen Vertrauens in die Integrität und Professionalität, für die der Name einer Big Five-Gesellschaft bis dato stand, zum Trotze, ist es keiner der größeren mittelständischen Prüfungsgesellschaften gelungen, sich als ernsthafter Mitbewerber zu etablieren. Vielmehr wechselten nicht nur die Mehrheit ehemaliger Arthur Andersen-Mandanten, sondern auch ihre Partner zu den verbleibenden Big Four.484 Gründe für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit sind nach Auffassung von London Economics und der von ihr befragten Personengruppen eine Reihe von Marktzutrittsschranken für mittelständische Prüfungsunternehmen.485 Zu diesen Schranken zählen zunächst ihre unzureichende Größe und Kapazität sowie ihre regionale Gebundenheit. Die mittleren Prüfungsunternehmen sind überwiegend in relativ losen Netzwerken organisiert und vermitteln daher nicht den Eindruck internationaler Präsenz. Zudem fehlt ihnen das notwendige Kapital, um ihre Unternehmensstrukturen auf ein konkurrenzfähiges Niveau auszubauen.486 Es mangelt den mittleren Prüfungsgesellschaften vor allem auch an der Reputation, die erforderlich wäre, um sich im Wettbewerb gegen die Big Four durchsetzen zu können, während den Mandanten zugleich die Bereitschaft zum regelmäßigen Prüferwechsel fehlt.487 Schließlich bilden auch die Kombination aus unzureichendem Versifungsgesellschaften zur gemeinsamen Nutzung teurer Infrastrukturen. Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 33 f. 484 In Europa wechselten die ehemaligen Arthur Andersen-Partner fast vollständig zu Deloitte und Ernst & Young. KPMG nahm den Großteil der irischen Arthur Andersen-Partner auf. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 126. In den USA war die Situation ähnlich, s. im Einelnen Zingales/Glauber/Litan/Ferrell/Kuritzkes u.a., Interim Report, S. 87. 485 Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 40 ff. 486 Die Europäische Kommission hat den mangelnden Zugriff auf (externes) Kapital als eines der Hindernisse identifiziert, die einer Teilhabe der mittelständischen Unternehmen am internationalen Prüfungsmarkt und somit einem diversifizierten Prüfungsangebot für börsennotierte Unternehmen entgegensteht. Sie hat daher bei Oxera eine unabhängige Studie über die Auswirkungen von Eigentumsvorschriften für Prüfungsgesellschaften auf den Markt für Abschlussprüfungsdienstleistungen in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse seit 2007 vorliegen. S. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.10.2007 (IP/071570). 487 Von den durch London Economics befragten Unternehmen hatte knapp ein Drittel ihre derzeitigen Prüfer bereits seit 15 Jahren in Folge beauftragt. Nur 13% gaben an, ihren Prüfer in den vergangenen drei Jahren gewechselt zu haben. Die Bereitwilligkeit zum Prüferwechsel scheint mit steigender Unternehmensgröße zu sinken. Von den Unternehmen mit über 10
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cherungsschutz und die in vielen Ländern unbegrenzte Haftung ein Hindernis.488 b) Bewertung Bei der Gegenüberstellung der Umfrageergebnisse fällt auf, dass die Prüfer die Bedeutung der jeweiligen Markteintrittsschranken unterschiedlich bewerten. Mittelständische Prüfungsgesellschaften betrachten ihre mangelnde Reputation als das mit Abstand größte Hindernis.489 Ihre Wahrnehmung korrespondiert mit dem Erwartungshorizont der Mandanten: Unternehmen mit einem Umsatz von über 100 Millionen Euro490 und der Finanzsektor identifizieren die Reputation als einen der beiden wichtigsten Wettbewerbsfaktoren zwischen Prüfungsgesellschaften.491 Die Big Four dagegen messen anderen Kriterien mehr Gewicht bei.492 Bezeichnend ist, dass die Big Four das hohe Haftungsrisiko und den unzureichenden Versicherungsschutz im Unterschied zu mittelständische Prüfungsgesellschaften als wichtigen Grund für eine hohe Marktkonzentration ansehen.493 Möglicherweise ist ihre unterschiedliche Wahrnehmung auf die größere Bedeutung zurückzuführen, die sehr hohen und daher unversicherbaren Haftungsfällen im Prüfungsalltag der Big Four zukommt. Es ist aber auch nicht völlig auszuschließen, dass die Umfrageergebnisse Ausdruck eines gesteigerten Interesses der Big Four an einer Haftungsbegrenzung sind, von der sie mehr als kleinere Prüfungsgesellschaften Milliarden EUR Jahresumsatz hatte keines in den vergangenen drei Jahren einen neuen Prüfer beauftragt. In 45% der Unternehmen war seit über 10 Jahren der gleiche Prüfer tätig. Vgl. im Einzelnen London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 43 f., Tabellen 22 und 23. 488 Hierzu s. im Einzelnen oben bei § 4, B. II. 489 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 41, Tabelle 19. 490 Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 10 Milliarden EUR ist die Reputation des Prüfers jedoch wiederum von geringerer Bedeutung, vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 35 f., Tabelle 14. 491 Wichtiger als die Reputation ist nur die Qualität der Prüfung, vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 35 f., Tabelle 14. 492 Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 41, Tabelle 19. Die Tatsache, dass die großen Prüfungsgesellschaften anderen Kriterien mehr Gewicht beimessen als ihrer Reputation, lässt sich dadurch erklären, dass die Big Four-Gesellschaften den Wettbewerb untereinander hauptsächlich über den Preis austragen. Dazu s.o. § 3, A. II. 2. Ihre Reputation ist für sie insofern von geringerer Relevanz, als sie auf Grund vergleichbarer Größe, Leistungsfähigkeit und unternehmerischer Ausrichtung kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal darstellt. In diese Richtung auch London Economics/Ewert, Study (MARKT/ 2005/24/F), S. 35. 493 Die Big Four-Gesellschaften bewerteten die Faktoren des hohen Haftungsrisikos und des unzureichenden Versicherungsschutzes mit 3.6 bzw. 3.5 von 5 Punkten, die Vertreter der mittelständischen Prüfungsgesellschaft dagegen nur mit 2.6 bzw. 2.5 Punkten. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 41, Tabelle 19.
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profitieren würden. Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzungen privilegieren diejenigen Prüfer, deren Schadensersatzschuld im Haftungsfall den gesetzlichen Grenzwert typischerweise überschreitet. Hierzu zählen in erster Linie die Prüfer großer und sehr großer Unternehmen. Aber auch andere Formen der Haftungsbegrenzung sind primär für diejenigen Prüfer von Vorteil, die Unternehmen international tätiger Konzerne prüfen und somit Haftungsrisiken eingehen, die von ihren Versicherungen nicht – oder wenigstens nicht vollständig – abgedeckt werden. Bereits im Vorfeld der London EconomicsStudie zeichnete sich schließlich ab, dass die Sorge der Europäischen Kommission einem Zusammenbruch des Prüfungsmarktes infolge steigender Angebotskonzentration galt. Festzuhalten bleibt, dass die Kombination von unzureichendem Versicherungsschutz und hohem, teilweise unbeschränktem Haftungsrisiko in der Gesamtschau keinen so bedeutenden Beitrag zur gegenwärtigen Konzentration auf dem internationalen Prüfungsmarkt für große börsennotierte Unternehmen geleistet hat, wie die Aussagen, mit denen die Europäische Kommission eine Haftungsbegrenzung propagiert, Glauben machen könnten. Der Niedergang von Arthur Andersen leistete nur einen Beitrag zu der Entstehung des heutigen Oligopols von vier großen Gesellschaften. Der Umstand, dass mittelständischen Prüfungsgesellschaften der Zugang zum internationalen Prüfungsmarkt nicht gelungen ist, kann wohl auch auf ihre Unfähigkeit zurückzuführen sein, extern unversicherbare Haftungsrisiken intern durch captives abzudecken. Die Situation ist aber in jedem Falle multikausal. Eine Haftungsbegrenzung allein kann das Problem der hohen Marktkonzentration – wenn es denn eines ist – nicht lösen. 2. Ausscheiden weiterer Prüfungsgesellschaften aus dem Markt Existenzbedrohende Haftungsrisiken auf dem internationalen Prüfungsmarkt bilden nicht nur eines von mehreren Hindernissen, die einer Auflockerung der Marktkonzentration entgegenstehen. Sie bergen zudem die Gefahr, dass eine weitere der großen Prüfungsgesellschaften aus dem Markt ausscheidet und die Marktkonzentration sich damit noch erhöht. Bei Zugrundelegen der von London Economics erhobenen Daten ist diese Gefahr äußerst reell. Nach Ausschöpfung der captives könnte demnach bereits eine Klage zwischen 500 und 730 Millionen US-Dollar das Überleben der britischen PwC gefährden.494 Im
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Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 106, Tabelle 54. Die oben aufgeführten Zahlen basieren auf dem Umrechnungskurs vom Oktober 2010. Die französische PwC-Gesellschaft besitzt sogar nur ca. 1/10 der Haftungskapazität der britischen PwC. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 106. Ihr könnte demnach schon bei einer Klage von zwischen 50 Millionen USD bis 73 Millionen USD das wirtschaftliche Aus drohen. In Frankreich waren jedoch im gleichen Zeitraum drei Schadenser-
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Jahre 2005 standen im Vereinigten Königreich jedoch immerhin drei Klagen gegen große Prüfungsgesellschaften in Höhe von zwischen 200 Millionen und 1 Milliarde US-Dollar aus.495 Welche Auswirkungen die Stattgabe von Schadensersatzansprüchen in dieser Größenordnung tatsächlich auf das Fortbestehen der Big Four hätte, hängt von vielerlei ab, namentlich von den Ressourcen der captives, von der Höhe der letztlich zugesprochenen Schadensersatzansprüche, von der Frequenz größerer, aber jeweils allein nicht existenzvernichtender Klagen, und gegebenenfalls auch davon, ob der Untergang einer nationalen Prüfungsgesellschaft das internationale Netzwerk mit sich reißen würde. Das tatsächliche Risiko für ein Big Four-Netzwerk ergibt sich mithin aus einer Reihe unbekannter Variablen. Ein zweites Enron-Szenario, die Reduktion der Big Four auf Big Three oder gar Big Two in näherer Zukunft ist jedenfalls nicht unwahrscheinlich. Die Frage ist, welche Folgen sich hieraus für die europäischen Kapitalmärkte ergeben würden. a) Auswirkungen auf die Marktkonzentration Das Ausscheiden einer weiteren großen Prüfungsgesellschaft könnte die bestehende Marktstruktur in unterschiedliche Richtungen verändern: Es ist möglich, dass die Mandanten der besagten Prüfungsgesellschaft zu den verbliebenen Big-3 wechseln und sich auf diese Weise eine noch höhere konzentrierte Marktstruktur verfestigt. Es ist jedoch theoretisch auch denkbar, dass sich mittelständische Prüfungsgesellschaften im Wettbewerb um die frei gewordenen Mandate durchsetzen. Das kurzzeitige Angebotsvakuum und die Verunsicherung des Kapitalmarktes (Erschütterung der Reputation als Marktwert) könnte kleineren Prüfern eine Gelegenheit bieten, sich zu konkurrenzfähigen größeren Gesellschaften und Netzwerken zusammenzuschließen, um wenigstens langfristig einen Anteil des internationalen Prüfungsmarktes zu erobern. Der Untergang einer Big Four-Gesellschaft könnte mithin das bestehende Problem eines oligopolen Marktes verstärken oder aber eine Chance bieten, die bestehenden Strukturen aufzubrechen. Die Aussagen der potentiell betroffenen prüfungspflichtigen Unternehmen und Prüfer sowie die Nachwirkungen des Enron-Skandals lassen allerdings vermuten, dass das erstere Szenario das wahrscheinlichere ist: Die Big Four-Gesellschaften und Unternehmen sind einhellig der Auffassung, dass die Mandanten einer insolventen Prüfungsge-sellschaft sowohl kurz- als auch langfristig überwiegend zu den verbliebenen Big Three wechseln würden.496 Das Migrationsmuster der ehemalisatzverfahren von 100 Millionen USD bis über 1 Milliarde USD anhängig. Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 89, Tabelle 47. 495 Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 89, Tabelle 47. 496 Lediglich 3% der befragten Unternehmen trauten den mittelständischen Prüfungsgesellschaften zu, langfristig einen Großteil der freigewordenen Mandate zu übernehmen. Die mittelständischen Prüfungsgesellschaften selbst zeigten sich etwas optimistischer ob ihrer
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gen Arthur Andersen-Mandanten bestätigt diese Tendenz.497 In den USA wechselten 87% aller Mandanten und nahezu alle sehr großen Unternehmen mit einem Geschäftsvermögen von über 5 Milliarden US-Dollar zu den Big Four.498 Die Daten aus 15 europäischen Ländern499 ergeben nur auf den ersten Blick ein etwas heterogeneres Bild als in den USA: Von den kleineren Arthur Andersen-Mandanten mit einem Jahresumsatz von weniger als 10 Millionen Euro wechselten nur ein Drittel zu den Big Four; die größeren Mandanten mit über 500 Millionen Euro Jahresumsatz allerdings blieben den großen Prüfungsgesellschaften treu (93 von 106).500 Aus diesem Grunde scheint die Befürchtung berechtigt, dass der Untergang einer Big Four-Gesellschaft zumindest auf dem Markt für große und sehr große börsennotierte Unternehmen nicht zu größerer Diversifikation führen, sondern sich stattdessen die bereits bestehende Oligopolsituation weiter zuspitzen würde.501 b) Prüfungskapazität, Kapitalkosten, Anlegervertrauen In der Folge des Untergangs einer Big Four-Gesellschaft verlöre ein beachtlicher Anteil der großen und sehr großen börsennotierten Unternehmen ihren Jahresabschlussprüfer. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass aus diesem Grunde die Kapazität der Prüfungsmärkte nachhaltig vermindert wäre,502 da die verbleibenden Big Three, ähnlich wie im Arthur Andersen-Fall, wohl einen Großteil der Partner und des Führungspersonals der gescheiterten Gesell-
eigenen Chancen. Letztlich nahm jedoch ebenfalls nur eine Minderheit (12% bzw. 15%) an, dass sie gegenwärtig in der Lage wären, den Hauptanteil der freigewordenen Mandate abwerben zu können. Allerdings gingen sie, im Unterschied zu den Big Four und den geprüften Unternehmen, mit großer Sicherheit davon aus, langfristig fähig und willens zu sein, Big Four-Mandate zu betreuen. S. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 120, Tabelle 58. 497 Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 124 ff. 498 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 124. 499 Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Lettland, Niederlande, Polen, Portugal, Spanien, Tschechien, Vereinigtes Königreich, Zypern. 500 Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 126 f., Tabelle 62. Die Anteile an ehemaligen Arthur Andersen-Mandanten, die die Big Four-Gesellschaften anzuwerben vermochten, steigen proportional mit der Größe der prüfungspflichtigen Unternehmen. So übernahm beispielsweise Deloitte 6,7% der Unternehmen mit einem Jahresumsatz von unter 10 Millionen EUR, 17% der Unternehmen mit einem Jahresumsatz 100–500 Millionen EUR, 22,9% der Unternehmen mit einem Jahresumsatz von 1–5 Milliarden EUR, und 58% der Mandanten mit einem Jahresumsatz von über 5 Milliarden EUR. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 128, Tabelle 63. 501 Cunningham, 106 Colum. L. Rev. 1698, 1716 ff. (2006). 502 Diese Auffassungen teilen Prüfer und Unternehmen letztlich auch im Hinblick auf den Markt für die Prüfung sog. high risk-Mandanten (z.B. Finanzinstitute). S. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 122, Tabelle 60.
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schaft übernehmen würden.503 Gleichwohl könnten in der Marktanpassungsphase vorübergehend Prüfungsengpässe und -verzögerungen auftreten,504 insbesondere da sich die Big Four-Firmen zum Teil in unterschiedlichen Marktsektoren spezialisieren.505 Bestimmte Mandate können daher faktisch bereits gegenwärtig nur durch zwei oder drei Abschlussprüfer betreut werden. Bei Ausscheiden einer weiteren Big Four-Gesellschaft würde diese begrenzte Auswahl noch weiter reduziert oder gar vollständig aufgehoben. Betroffen wären vor allem die Finanzinstitute, die europaweit nahezu ausschließlich (zu ca. 90%) von den Big Four-Gesellschaften geprüft werden; in einigen Ländern halten nur eine oder zwei dieser Gesellschaften alle Mandate aus dem Finanzsektor.506 Eine wenigstens vorübergehende Divergenz zwischen Angebot und Nachfrage könnte zu einem Anstieg der Prüfungsgebühren führen. Da diese jedoch nur einen verschwindend geringen Anteil der allgemeinen Betriebskosten eines prüfungspflichtigen Unternehmens ausmachen, würde selbst eine drastische Steigerung der aktuellen Prüfungssätze vermutlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Preis für Kapital haben.507 Mit Blick auf den Kapitalmarkt besorgniserregender sind die mittelbaren Folgen des Ausscheidens einer Big Four-Gesellschaft. Es steht zu befürchten, dass (potentielle) Prüfungspartner die Jahresabschlussprüfung insgesamt als zu risikoreich einstufen und ihr den Rücken kehren;508 zu einem solchen Beschluss trüge möglicherweise auch das geschädigte Ansehen des Berufsstandes in der Öffentlichkeit bei. Die Tätigkeit als Jahresabschlussprüfer gilt nach Aussage von Branchenvertretern aus den genannten Gründen bereits jetzt als wenig attraktiv. Es werde zunehmend schwieriger, qualifizierten Nachwuchs
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Sofern der betreffende Prüfungsskandal in erster Linie mit dem Namen der Prüfungsgesellschaft, nicht jedoch mit den einzelnen natürlichen Personen in Verbindung gebracht wird, ist die Übernahme der nationalen Partner unschädlich und kann sogar die Einbringung lukrativer Mandate in das eigene Geschäft bedeuten. Zur Aufnahme ehemaliger Arthur Andersen-Partner in Big Four-Gesellschaften s. bereits oben bei § 4, B. III. 1. a) und § 4, B. III. 2. a). 504 Insbesondere wenn ehemalige Partner und ehemalige Mandanten der insolventen Prüfungsgesellschaft zunächst nicht zu derselben Big Three-Gesellschaft wechseln würden oder wenn die Insolvenz kurz vor Ende des Geschäftsjahres erfolgte, wären Anpassungsschwierigkeiten des Marktes wahrscheinlich. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 123. Zu diesem Problem s. auch Cunningham, 106 Colum. L. Rev. 1698, 1702 (2006). 505 Cunningham, 106 Colum. L. Rev. 1698, 1718 (2006). 506 So hat Deloitte, Touche & Tomahatsu in Tschechien 100% des Prüfungsmarktes für Finanzdienstleister inne. Aber z.B. auch in Deutschland teilten sich KPMG und PwC im Jahre 2005 knapp 70% des Finanzsektors. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 31 f., Tabelle 12. 507 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 35 508 Zu diesem Problem s. bereits oben bei § 4, A. I. 2. c) (2).
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zu gewinnen.509 Ein weiterer Prüfungsskandal in der Größenordnung von Enron würde diese Tendenz verstärken.510 Versicherer könnten aus dem Vorfall die gleichen Konsequenzen ziehen und aus dem riskanten Prüfungsgeschäft aussteigen. Für mittelständische Unternehmen könnte es im Zuge dessen (noch) schwerer werden, den zusätzlichen Versicherungsschutz zu erwerben, den sie benötigen um Mandate der ausgeschiedenen Big Four-Gesellschaft zu übernehmen.511 Zudem ist nicht ausgeschlossen, dass der Vertrauensverlust der Investoren bei Untergang einer weiteren renommierten Prüfungsgesellschaft zu einer mittelbaren Kapitalkostensteigerung führt. Wie groß dieser Verlust jedoch wäre, ist kaum zu beziffern und vor allem unvorhersehbar. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles. Es kommt darauf an, wie schwer die Schuld der Prüfungsgesellschaft wiegt, welches Bild die Medien vermitteln und welche Auswirkungen dies auf die allgemeine Stimmung in der Wirtschaft und auf die Stabilität der Kapitalmärkte hätte. Selbst wenn dieses worst case-Szenario nicht eintritt und es den Big Three gelänge, den Verlust ihres Konkurrenten auf ähnliche Weise zu kompensieren wie in der Phase nach Enron, würde das Prüfungsgeschäft in einem Markt, den drei Hauptakteure dominieren, vor völlig neue Herausforderungen gestellt: Die Prüferauswahl großer und sehr großer börsennotierter Unternehmen ist ohnehin begrenzt und wird durch die Unabhängigkeitsregeln noch weiter beschnitten.512 Die großen Prüfungsgesellschaften bieten im Wesentlichen vier Leistungen an: die Beratung, die Vorbereitung des Jahresabschlusses, die Prüfung und die externe Qualitätskontrolle (peer review). Die zunehmende Verschärfung der Unabhängigkeitsregeln in den vergangenen Jahren hat dazu geführt, dass häufig alle vier großen Prüfungsgesellschaften in unterschiedlichen Funktionen für ein Unternehmen tätig waren. Unter einem Big ThreeOligopol wären weit reichende betriebswirtschaftliche Anpassungen erforderlich. Verschiedene Konsequenzen sind denkbar: Die Situation könnte Ge509
Die von London Economics durchgeführten Umfragen haben ergeben, dass drei Viertel (76%) der Big Four-Gesellschaften und zwei Drittel (61%) der mittelständischen Prüfungsgesellschaften der Ansicht sind, ein unbegrenztes Haftungssystem erschwere es, qualifizierten Prüfungsnachwuchs zu gewinnen. Noch schwieriger sei es, qualifiziertes Personal auf Dauer zu halten. Hierin sah die Mehrheit der Befragten ein ernsthaftes Problem für die Zukunft der Jahresabschlussprüfung. Im Einzelnen s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 176, Tabellen 82 und 83. 510 Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 134. Die prüfungspflichtbedingte Konstanz in der Nachfrage auf dem Markt für Jahresabschlussprüfungen würde freilich verhindern, dass die Prüfungstätigkeit vollständig eingestellt würde. Es bestünde jedoch die Gefahr, dass weniger qualifizierte und weniger gewissenhafte Anbieter auf den Markt drängen (sog. fly-by-nigh-risk). Hierzu s.o. bei § 4, A. I. 2. c) (2) m.w.Nachw. 511 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 123. 512 So andeutungsweise auch London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 121, 134.
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schäftschancen für mittelständische Prüfungs- und Beratungsunternehmen eröffnen. Da die Abschlussprüfung jedoch am wenigstens lukrativ ist, und vorwiegend allem als „Türöffner“ für die Beratung dient,513 ist anzunehmen, dass die bereits gut auf dem Beratermarkt etablierten verbliebenen Big Three eher auf die Prüfung verzichten würden. Wenn Prüfungsmandanten jedoch nicht bereit sind, zu einer mittelständischen Prüfungsgesellschaft zu wechseln, zöge dies einen Anstieg der Gebühren nach sich. Die Prüfungsgesellschaften müssten nämlich auf Einnahmen aus dem Beratergeschäft, die eine Prüfung zu Niedrigpreisen überhaupt erst möglich machen, verzichten. Eine solche Umstellung des Geschäftsmodells (Trennung von Prüfung und Beratung) könnte die Unabhängigkeit der Jahresabschlussprüfung steigern. Naheliegender scheint jedoch, dass sich zumindest eine der Big Three-Gesellschaften unter diesen Umständen aufteilen würde. IV. Haftungsbeschränkungen Die Europäische Kommission hält es für wünschenswert, die Anzahl der Anbieter auf dem internationalen Prüfungsmarkt zu erhöhen.514 Sie nimmt an, dass eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung diesem Ziel förderlich wäre. 1. Auswirkungen auf die Marktkonzentration Nach Auffassung der Europäischen Kommission soll die Haftungsbegrenzung dem Konzentrationsprozess auf dem Prüfungsmarkt Abhilfe verschaffen – und zwar in beide Richtungen: Auf kürzere Sicht soll eine Haftungsbeschränkung das Risiko existenzgefährdender Klagen mindern und auf diese Weise den Untergang eines weiteren großen Prüfungsnetzwerkes verhindern. Mittelfristig könnten sie – das zumindest ist die Hoffung der Kommission – mittelständischen Prüfungsgesellschaften, gegebenenfalls in Kombination mit anderen Maßnahmen, den Zugang zum internationalen Prüfungsmarkt erleichtern.515 a) Stabilisierung des Oligopols Die großen Prüfungsgesellschaften würden ohne Zweifel von einer Haftungsbegrenzung profitieren. Die von der Berufshaftung ausgehende Existenzbedrohung können Maßnahmen auf europäischer Ebene jedoch nicht beseitigen, denn das internationale Haftungsrisiko, insbesondere das Risiko in den
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S.o. bei § 3, A. II. 2. b) (2). Vgl. Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 14. 515 Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 12 ff. 514
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USA516 schadensersatzrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, bestünde fort.517 Zudem könnte ein Bilanzskandal, in den wenigstens eine bedeutende Prüfungsgesellschaft involviert ist – es müsste nicht einmal ein europäisches Mitglied sein – alleine auf Grund der negativen Reputationswirkung den Niedergang des gesamten Netzwerkes bewirken. Gleichwohl ist die Stoßrichtung aus ökonomischer Sicht richtig: eine Haftungsbegrenzung auf europäischer Ebene kann zwar transatlantische Haftungsrisiken nicht ausschließen, aber immerhin den europäischen entgegensteuern.518 Sie verringert die Wahrscheinlichkeit, dass eine europäische Gesellschaft mit individuell oder kumulativ existenzbedrohlich wirkenden Schadensersatzklagen konfrontiert wird. Die Chancen, ein zumindest aus vier Akteuren bestehendes Prüfungsoligopol über einen längeren Zeitraum halten zu können, steigen damit. b) Öffnung des Prüfungsmarktes Die Europäische Kommission deklariert ihren Einsatz für eine Beschränkung der Abschlussprüferhaftung gerade nicht als „Artenschutzprogramm für die Big Four-Prüfungsgesellschaften“, sondern propagiert vor allem auch die damit einhergehenden Expansionsmöglichkeiten für die mittelständischen Prüfungsgesellschaften. Letztere haben nicht die Möglichkeit, in gleichem Umfange Risikomanagementsysteme einzurichten wie die Angehörigen der großen Prüfungsnetzwerke.519 Durch die Reduzierung des Haftungsrisikos bzw. die Steigerung des versicherbaren Anteils des Haftungsrisikos könne ihnen der Zugang zum Markt für die Prüfung börsennotierter Unternehmen erleichtert werden. Fraglich ist jedoch, ob ihnen durch eine Haftungsbegrenzung der Zugang auch ermöglicht wird. Betrachtet man die nationalen Märkte für die Prüfung der jeweils 20 größten Unternehmen im europäischen Vergleich, so zeigt sich, dass die Haftungskonzentration in den Ländern mit einer Haftungshöchstsummenbegrenzung nicht auffällig geringer ist als in den Ländern 516
Von den fünf Klagen in Höhe von über 1 Millarde USD, die im Herbst 2005 gegen europäische Prüfungsgesellschaften erhoben aber noch nicht entschieden worden waren, standen drei in Zusammenhang mit US-amerikanischen Streitverfahren; von den 69 Klagen, die auf eine Schadensersatzsumme von über 10 Millionen USD gerichtet waren, traf dies immerhin auf zehn zu. In Abhängigkeit von der Größe der captives könnten nach den Schätzungen von London Economics jedoch bereits ein oder zwei solcher Klagen ausreichen, um eine europäische Prüfungsgesellschaft in die Insolvenz zu treiben. Hierzu s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 89, Tabelle 47. 517 So auch die Kritik von Teilnehmern an der von der Europäischen Kommission durchgeführten öffentlichen Konsultation. Im Einzelnen s. Europäische Kommission, Consultation Summary Report, S. 2. 518 Von den 28 Klagen in Höhe von über 69 Millionen EUR wurden immerhin 22 innerhalb der EU erhoben. Von den fünf Klagen in Höhe von über 785 Millionen EUR hingegen nur zwei. S. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 8, Tabelle 47. 519 Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Dienststellen, S. 14.
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mit einer unbegrenzten Haftung.520 In Deutschland, mit seinem restriktiven Haftungssystem und dem im europäischen Vergleich niedrigen Haftungshöchstgrenzen, werden beispielsweise die DAX-Unternehmen ausschließlich von den Big Four geprüft;521 im Finanzsektor (Banken und Versicherungen) teilen sich sogar nur zwei Prüfungsunternehmen den Großteil des Marktes.522 Die Kombination aus unbegrenzter Haftung und unzureichender Versicherung in weiten Teilen der EU mag eine Marktzutrittsschranke für mittelständische Prüfungsgesellschaften darstellen, jedoch ist sie wohl kaum die ausschlaggebende. Um auf dem internationalen Prüfungsmarkt objektiv konkurrenzfähig zu sein, müssten die mittleren Prüfer erhebliche Investitionen in die Expansion ihres Geschäfts tätigen, mit anderen Gesellschaften fusionieren und ihre Netzwerkstrukturen verfestigen.523 Ein ganz anderes Problem ist freilich, ob die mittelständischen Prüfungsgesellschaften von einer Möglichkeit, ihr Tätigkeitsfeld auf den internationalen Prüfungsmarkt auszudehnen, überhaupt Gebrauch machen würden oder ob ihre lokale Ausrichtung nicht auch selbst gewählt ist.524 Geht man von der Annahme aus, dass sich ein oder zwei potentielle Big Four-Konkurrenten aus dem Kreis der größeren mittelständischen Prüfungsunternehmen aufbauen ließen, hieße dies keinesfalls, dass sie sich gegen die etablierten Big Four im Wettbewerb durchsetzen könnten. Angesichts der Bedeutung, die börsennotierte Unternehmen der Reputation ihres Prüfers beimessen, und ihrer generellen Trägheit im Prüferwechsel scheint es eher 520
London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 164 f., Tabelle 72. Die Konzentration auf dem Markt für die Prüfung der größten 50 Unternehmen ist jedoch geringer. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 164, 166, Tabelle 73. 521 Die Big Four-Gesellschaften halten – gemessen in Prüfungsgebühren – 97% des Marktanteils. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 20, Tabelle 4. 522 KPMG und PWC betreuten 2005 gemeinsam ca. 70% der Mandate. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 31, Tabelle 12. 523 Mit diesem Problemkomplex setzt sich die von der Europäischen Kommission bei Oxera in Auftrag gegebene unabhängige Studie auseinander. Die Untersuchung befasst sich mit der Frage, welche Auswirkungen die Eigentümervorschriften für Prüfungsgesellschaften auf die Konzentration des Prüfungsmarkts haben. Sie kommt zu dem Schluss, dass eine Erleichterung des Zugangs zu externem Kapital durch Änderung der Eigentümervorschriften ein Tätigwerden mittelständischer Unternehmen auf dem internationalen Prüfungsmarkt fördern könnte, da Prüfungsgesellschaften mit externen Investoren eher in der Lage seien, sich zu einer Expansion auf den internationalen Prüfungsmarkt zu entschließen. Hierzu s. im Einzelnen Oxera, Ownership Rules; Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 23.10.2007 (IP/2007/1570). 524 Die Umfragen von London Economics haben ergeben, dass die mittelgroßen Prüfer Gesellschaftsfusionen trotz tatsächlicher und rechtlicher Möglichkeiten mit Vorbehalten gegenüberstehen. S. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 61–70. Oxera weist ebenfalls darauf hin, dass die mittelständischen Prüfungsgesellschaften gute Gründe haben könnten, ihre bisherigen Strukturen beizubehalten. S. Oxera, Ownership Rules, S. 201.
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unwahrscheinlich, dass sich die Neuzugänge auf dem Markt als echte Herausforderer profilieren könnten.525 Vor diesem Hintergrund kann man sich durchaus die Frage stellen, ob es nicht sinnvoller wäre, es auf einen „reinigenden“ Zusammenbruch des Prüfungsmarktes für große börsennotierte Unternehmen ankommen zu lassen, indem man von einer Begrenzung der Haftung absieht. Eine Begrenzung der Haftung würde kurzfristig vor allem die Position der Big Four sichern, wodurch sich der internationale Prüfungsmarkt jedoch gleichermaßen auch gegenüber potentiellen neuen Konkurrenten weiter verschlösse. Eine Destabilisierung des Oligopols und eine Entmystifizierung der vier großen Namen könnten den Weg für eine neue, vielfältigere Prüfungslandschaft frei machen. Ob jedoch tatsächlich ein „Phoenix aus der Asche“ auferstünde, ist unsicher. Denn wenn die Situation auf diesem Prüfungsmarkt so ist, dass sich keine Prüfungsgesellschaft dauerhaft halten kann, würde auch kein längerfristig planendes mittelständisches Unternehmen diesen Schritt wagen. Zudem ist vollkommen unklar, ob überhaupt und in welchem Zeitrahmen mittlere Prüfungsgesellschaften – oder ein Zusammenschluss aus ihnen – die notwendigen Kapazitäten und die internationale Reichweite aufbauen könnten. Selbst eine Fusion aus den drei nächstgrößten Prüfungsgesellschaften in Europa wäre noch erheblich kleiner als die Big Four.526 Vor allem aber stünde zu befürchten, dass sich der Kapitalmarkt vom Schock und der Konfusion, die der Zusammenbruch der großen Prüfungsnetzwerke hervorriefe, nicht ohne weiteres erholen würde. Die Abschlussprüfung als Institution würde nachhaltigen Schaden erleiden, die Funktion des Abschlussprüfers als Torwächter und Vertrauensintermediär wäre schwer beeinträchtigt. Ob sich die Inkaufnahme dieses Risikos lohnt, (nur) um den Wettbewerb auf dem Prüfungsmarkt zu beleben, ist äußerst zweifelhaft.527 c) Fazit Der Plan der Europäischen Kommission, durch eine Haftungsbegrenzung nicht nur den status quo zu sichern, sondern mittelfristig auch mittelständischen Prüfern den Zugang zu dem internationalen Prüfungsmarkt für große börsennotierte Unternehmen zu ermöglichen und so den Grundstein für mehr Angebotsvielfalt zu legen, ist bei näherer Betrachtung zu ambitioniert. Eine Haftungsbegrenzung ist deswegen aber keinesfalls überflüssig, denn die gro525
S.o. bei § 4, B. III. 1. a) m.w.Nachw. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 61. 527 Zweifel sind insbesondere deshalb begründet, weil der Wettbewerb unter Freiberuflern im Allgemeinen und unter Abschlussprüfern im Besonderen ohnehin nur begrenzte Auswirkung auf den Preis und die Qualität ihrer Leistung hat. Im Einzelnen s.o. bei § 3, A. II. 2. a) m.w.Nachw. Ob eine hohe Marktkonzentration auf dem Markt für Prüfungsdienstleistungen sich positiv oder negativ auf die Prüfungsqualität auswirkt, ist in der Literatur äußerst streitig. Hierzu s. im Einzelnen Cunningham, 106 Colum. L. Rev. 1698, 1719 (2006) m.w.Nachw. 526
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
ßen börsennotierten Unternehmen und Finanzinstitute, die für die europäischen Kapitalmärkte von ausgesprochener Wichtigkeit sind, müssen weiterhin prüfbar sein. Das Vierer-Oligopol als Ausgangslage mag alles andere als optimal sein, aber es fehlt derzeit schlichtweg an einer Alternative. Die Möglichkeit, dass sich diese Situation noch weiter zuspitzt – mit gravierenden Folgen – ist bei unbegrenzter Haftung wahrscheinlicher als die Chance einer Auflockerung der Marktkonzentration auf mittlere Sicht. Aus diesem Gründen ist eine Haftungsbegrenzung, welche die Gefahr existenzgefährdender Klagen reduziert, aus Sekundärkostenperspektive unentbehrlich. Und zwar auch unter der Prämisse, dass faktisch nur die großen Prüfungsgesellschaften von einer solchen Regelung profitieren. Mit dieser Perspektive ist die Empfehlung einer Haftungsreform freilich politisch nur schwer vermittelbar. Das mag ein Grund sein, weshalb die Europäische Kommission den erhofften Doppeleffekt einer Haftungsbegrenzung in den Vordergrund stellt, obgleich die beiden von ihr veröffentlichten Studien (London Economics, Oxera) belegen, wie unrealistisch es ist, dass sich diese Hoffnung auf nähere Sicht realisiert. 2. Form der Haftungsbeschränkung Eine Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer ist aus Gründen des Funktionsschutzes unbedingt erforderlich. Sie muss vorrangig gewährleisten, dass auch der internationale Markt für die Prüfung großer und sehr großer börsennotierter Unternehmen prüfbar bleibt. Wenngleich es gegenwärtig nicht so aussieht, als ob eine Haftungsbegrenzung zu einer Öffnung dieses Marktsegments führen wird, ist dennoch nach Möglichkeit sicherzustellen, dass die Haftung wenigstens keine zusätzlichen Marktschranken aufbaut. Im Folgenden ist zu klären, welche Form der Beschränkung nach diesen Maßgaben am sinnvollsten wäre und ob es auf die Form überhaupt wesentlich ankommt. Zudem sind auch die mittelbaren Folgen einer Haftungsbegrenzung zu berücksichtigen: Eine haftungsrechtliche Privilegierung sollte sich aus Sekundärkostenperspektive nicht zu Lasten solcher Personen auswirken, die selbst nicht risikoneutral sind. a) Gewährleistung der „Prüfbarkeit“ großer Unternehmen Nicht die durchschnittliche Haftungsrisikobelastung, sondern vielmehr die Möglichkeit, dass ein einziger Haftungsfall die wirtschaftliche Existenz einer Prüfungsgesellschaft vernichtet oder sie so schwer schädigt, dass sie den nächsten Haftungsfall ähnlicher Größenordnung nicht verkraftet, stellt eine Gefahr für die Institution der Jahresabschlussprüfung dar. Für den Funktionsschutz sind daher zum einen die Diversifizierbarkeit des Risikos und zum anderen die maximale Haftungsbelastung entscheidend. Ob der Prüfer sein Haftungsrisiko über gewerblichen Versicherungsschutz intern über das Netz-
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werk oder in begrenztem Umfang sogar über die Prüfungsgebühren streuen kann, hängt wesentlich davon ab, wie vorhersehbar der zu Grunde liegende Schaden ist und wie überdurchschnittlich groß er ist. Für unvorhersehbare und besonders hohe Schadensrisiken ist eine Haftungsbegrenzung ökonomisch daher dringender geboten als für vorhersehbare (= diversifizierbare) und geringere (= tragbare) Schäden. Höchstsummenbegrenzungen sind am besten geeignet, um existenzgefährdende Schadensersatzansprüche auszuschließen.528 Sofern die festgesetzte Haftungsbegrenzung auf die Summe aller Haftungsansprüche – insbesondere auch auf Dritthaftungsansprüche – anwendbar ist, steht das maximale Haftungsrisiko bereits vor Durchführung der Prüfung fest. Die Prüfer können sicherstellen, dass sie über adäquaten Versicherungsschutz und die notwendigen eigenen Ressourcen zur Übernahme des konkreten Haftungsrisikos verfügen. Die gesetzliche und absolute Haftungsbegrenzung ist der vertraglichen und relativen insoweit vorzuziehen. Sie ist weder von nachträglichen Datenerhebungen und Bewertungen abhängig (Größe des geprüften Unternehmens, Umsatz des Prüfers) noch der gerichtlichen Disputation (Anfechtung der Begrenzungsvereinbarung) zugänglich.529 Zudem kann sich auch die Infrastruktur gewerblicher Berufshaftpflichtversicherer auf ein solches Prüferrisiko leichter einstellen.530 Eine Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere oder Verschuldensbeitrag ist nicht geeignet. Sie mildert zwar das konkrete Schadensrisiko ab, indem sie es auf einen bestimmten Anteil des Gesamtrisikos reduziert, doch kann auch die Klage auf Ersatz eines halben existenzgefährdenden Schadens immer noch existenzgefährdend sein.531 Aus Gründen des Funktionsschutzes wäre es daher sinnvoll, eine Proportionalhaftung stets mit einer Haftungshöchstsummenbegrenzung zu kombinieren.532 Aus den gleichen Gründen ist auch eine Haftung nach anteiliger Schadenshöhe nicht empfehlenswert. Die Dritthaftung verkörpert für den Prüfer naturgemäß einen erheblichen Unsicherheitsfaktor. Da er umfassenden Einblick in die Geschäfte seines Mandanten hat, ist das Schadensrisiko beim Vertragspartner für ihn vorhersehbarer als das eines Dritten. Der Schaden eines möglicherweise bereits bekannten Unternehmenserwerbers wiederum ist kalkulierbarer als der einer unüberschaubar großen Anlegerschaft (Gefahr der Massenschäden). Aus
528
So auch Ojo, Limiting Audit Firm’s Liability, S. 4. Zu den Problemen der relativen Haftsummenbegrenzung nach Größe des Mandanten oder Höhe der Prüfungsgebühren s. Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 2 f. 530 So ist in Deutschland z.B. die Deckungshöhe der Pflichtversicherung an die gesetzliche Haftungshöchstsumme gekoppelt, vgl. § 54 Abs. 1 S. 1 WiPrO, § 2 Abs. 1 WPBHV. Hierzu s. auch unten bei § 6, A. II. 3. b). 531 In diese Richtung auch Ojo, Limiting Audit Firm’s Liability, S. 4; Senninger, Harmonisierung, S. 242. 532 So im Ergebnis auch Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 3. 529
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diesem Grunde erscheint es notwendig, eine Dritthaftung entweder weitgehend auszuschließen oder der Höhe nach zu begrenzen. Da eine Dritthaftung mit einem umfassenden persönlichen Schutzbereich dem Abschlussprüfer eine theoretisch unbegrenzte Vielzahl potentieller Schadensersatzgläubiger gegenüber stellt, muss sich die Haftungsdeckelung auf die Summe aller Ansprüche beziehen, um die Vorhersehbarkeit des Risikos sicherzustellen.533 b) Beseitigung von Marktzutrittsschranken Absolute Haftungshöchstsummenbegrenzungen erleichtern neuen Konkurrenten den Zugang zum internationalen Prüfungsmarkt – oder jedenfalls gewährleisten sie, dass er nicht am Haftungsrisiko scheitert –, sofern sie niedrig genug angesetzt sind; gleiches gilt für relative Haftsummenbegrenzungen, die sich an der Größe des geprüften Unternehmens orientieren. Es wird jedoch bei realistischer Betrachtung kaum möglich sein, in dieser Weise eine Haftungshöchstsummenbegrenzung festzusetzen, die gegenüber den großen Prüfungsgesellschaften eine Abschreckungswirkung entfaltet und dennoch für die mittelständischen Prüfer tragbar ist. Wenn sich die Haftungshöchstsumme hingegen an dem Jahresumsatz des Prüfers orientiert (wie z.B. in Griechenland),534 können es sich die größeren Unternehmen „nicht leisten“, eine kleinere Prüfungsgesellschaft zu beauftragen. Schließlich käme diese Prüferwahl einem Verzicht auf potentielle Schadensersatzansprüche gleich, der gegenüber den Aktionären kaum zu vertreten wäre. Die vertragliche Vereinbarung einer Haftsummenbegrenzung könnte ein ähnliches Problem bergen. Mittelständische Prüfungsgesellschaften können nicht mit den Haftungshöchstsummen konkurrieren, die eine Big Four-Gesellschaft anbieten könnte. c) Effiziente Verteilung des Schadensrisikos Eine Begrenzung der Prüferhaftung hat mittelbar zur Folge, dass ein Teil des andernfalls von ihm getragenen Schadenrisikos auf andere Personen verlagert wird und muss sich daher ebenfalls an Gesichtspunkten der Risikoneutralität orientieren. Aus Sekundärkostenperspektive ist es sinnvoll wenn eine risikoneutrale Person den Schaden trägt. Wegen der Vielzahl unterschiedlicher Personen, die auf Grund eines fehlerhaften Testats einen Schaden erleiden können, lassen sich gleichermaßen verlässliche und verallgemeinerungsfähige Aussagen kaum treffen. Man wird jedoch davon ausgehen können, dass der Prüfungsmandant – zumindest unter Zurechnung des Wissens seiner Organe – die Risiken seines eigenen Geschäftsumfelds besser einschätzen kann als der Abschlussprüfer.535 Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, einen Teil des Scha533
Hierzu s. auch die Empfehlung von Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1. S.o. bei § 2, B. III. 1. a) (2). 535 Bigus/Schäfer, Comment on the European Commission Staff Working Paper, S. 4. 534
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densrisikos auf die Geschäftsführer und ihre Berufsversicherungen zu verlagern.536 Anleger halten typischerweise ein diversifiziertes Portfolio, dass ihr Anlagerisiko streut.537 Auch sie sind daher regelmäßig risikoneutraler als der Abschlussprüfer. Eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung würde daher wohl die Sekundärkosten durch Belastung anderer Personen nicht erhöhen. 3. Ergebnis Aus Gründen des Funktionsschutzes muss die Abschlussprüferhaftung vorhersehbar sein und darf nach Möglichkeit keine zusätzlichen Marktzutrittsschranken für mittelständische Prüfungsgesellschaften schaffen. Mangels Vorhersehbarkeit des Haftungsrisikos sind proportionale Formen der Haftungsbegrenzung wenig geeignet, Haftungshöchstsummen insoweit überlegen. Da relative Höchstsummenbegrenzungen die Konkurrenzfähigkeit der mittelständischen Unternehmen auf dem internationalen Prüfungsmarkt zusätzlich verschlechtern, ist die absolute Höchstsummenbegrenzung vorzugswürdig. Sie zeichnet sich darüber hinaus durch ein ex ante vorhersehbares Haftungsrisiko aus. Eine umfassende und unbegrenzte Dritthaftung ist aus Sekundärkostenperspektive besonders schädlich. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich, die Voraussetzungen und den Umfang der Dritthaftung klarer zu definieren, als dies gegenwärtig in vielen Rechtssystemen der Fall ist, und sie gegebenenfalls – sofern eine Dritthaftung für reine Fahrlässigkeit besteht – zu begrenzen. C. Vertrauensschutz und Systemkosten Jedes Abschlussprüferhaftungssystem verursacht Kosten, die zur Schaffung und Nutzung des Systems erforderlich sind und die bei strikter Anwendung des casum sentit dominus-Grundsatzes nicht entstünden. Im Gegenzug schafft die Haftung aber auch Vertrauen unter Kapitalmarktteilnehmern und dieses Vertrauen kann bewirken, dass andernfalls notwendige Transaktionskosten eingespart und ineffiziente Kapitalallokationen, die lediglich auf der Risikoaversion der Inhaber beruhen, verhindert werden.538 Im Vergleich zu den bereits erörterten Primär- und Sekundärkosten fallen die Tertiärkosten der Abschlussprüferhaftung relativ nicht sonderlich ins Gewicht. Der Vollständigkeit halber soll jedoch im Folgenden auf einige Aspekte kurz eingegangen werden.
536 So im Ergebnis auch Bigus/Schäfer, Comment on the European Commission Staff Working Paper, S. 4. 537 Hierzu s. z.B. H.-B. Schäfer, in: Hopt/Voigt (Hrsg.), Kapitalmarktsinformationshaftung, S. 161, 168. 538 Im Einzelnen s.o. bei § 3, B. III. 3.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
I. Kosten der Schadensverlagerung Die in Abschlussprüferhaftungsprozessen anfallenden Rechtskosten können erhebliche Ausmaße annehmen.539 Die verschiedenen von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Modelle zur Begrenzung der Abschlussprüferhaftung sind in dieser Hinsicht unterschiedlich kostenintensiv. Eine Schadensaufteilung nach Verschulden ist in der Beurteilung der Sach- und Rechtslage verhältnismäßig aufwendig. Gleiches gilt für Dritthaftungsansprüche. Die Kausalität von Drittschäden sowie gegebenenfalls die Voraussetzungen der besonderen Schutzwürdigkeit einzelner Dritter (duty of care, Schutzwirkung des Prüfungsvertrags) sind regelmäßig schwer zu belegen. Zudem produziert ein umfassendes Dritthaftungssystem eine Vielzahl von potentiell Anspruchsberechtigter. Im gleichen Maße steigt die Zahl der geführten Schadensersatzprozesse. Eine Haftungshöchstsummenbegrenzung dagegen schafft – insbesondere bei exorbitanten Klagen, die diese Summe regelmäßig überschreiten – einen hohen Grad an Rechtssicherheit und senkt daher die Kosten der Rechtsdurchsetzung. Vertragliche Haftungsbegrenzungen verursachen prinzipiell höhere Kosten als gesetzliche, da sie zusätzliche Transaktionskosten der Entscheidung und Vereinbarung erforderlich machen. II. Kosten mangelnden Vertrauens Eine unbegrenzte Abschlussprüferhaftung ist nach den Erkenntnissen dieser Untersuchung nicht notwendig, um optimale Qualitätsanreize zu setzen.540 Das sehen jedoch immerhin knapp die Hälfte (45%) der von London Economics befragten institutionellen Investoren anders.541 Wie die Autoren treffend anmerken: „Such views are naturally highly judgemental. But to the extent that capital market participants tend to hold such views as true, they will have a real impact on the actual cost of capital as they will condition the behaviour of market participants.“542 Lohnt es sich also, die Haftung für Abschlussprüfer zu verschärfen, um die Kapitalmarktteilnehmer in ihrem (Irr)Glauben an eine höhere Prüfungsqualität zu bestärken? Die Antwort muss negativ ausfallen: Zunächst einmal ist die Befürchtung institutioneller Investoren, die Begrenzung der Haftung wirke sich negativ auf die Prüfungsqualität aus, irrelevant, 539 In mehr als drei Viertel der Fälle, in denen der beklagte Abschlussprüfer über 30 Millionen USD Schadensersatz zahlte, betrugen die Rechtskosten mindestens 10% der Schadensersatzsumme. In zwei der sieben geltend gemachten Schadensersatzforderungen von über 1 Milliarde USD beliefen sich die Rechtskosten gar auf mehr als 50%. Die Daten beziehen sich auf die Jahre 1975–2005, in denen insgesamt 18 Schadensersatzforderungen dieser Größenordnung gegen die Big Four- bzw. Big Five-Gesellschaften durchgesetzt wurden. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 88, Tabelle 46. 540 S.o. bei § 4, A. III. 541 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 172, Tabelle 79. 542 London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 171.
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solange sich diese Annahme nicht auf ihr Investitionsverhalten auswirkt. Bislang gibt es keine empirischen Belege dafür, dass die Begrenzung der Abschlussprüferhaftung die Kapitalkosten in die Höhe treibt.543 Es ist daher weder anzunehmen, dass die Bedenken der Investoren gewichtig genug sind, um sie zu kostenintensiver Informationsbeschaffung auf eigene Rechnung zu veranlassen, noch dass sie sich aus diesem Grunde gänzlich anderen Anlageoptionen zuwenden. Die Abschlussprüferhaftung ist letztlich kein Faktor, der im Vorfeld einer Anlageentscheidung wesentlich ins Gewicht fällt. Die Skepsis der institutionellen Anleger gegenüber einer begrenzten Abschlussprüferhaftung sollte daher nicht überbewertet werden. III. Dritthaftung als Versicherung Haftung schafft jedoch nicht nur Vertrauen, weil der Vertrauende auf ihre präventive Wirkung hofft. Haftung kann das Vertrauen eines potentiell Anspruchsberechtigten auch „versichern“.544 Diese Funktion des Schadensersatzes wird insbesondere im Rahmen der Abschlussprüferdritthaftung relevant: Der Investor ist in einem System umfassender Dritthaftung eher geneigt, sich auf die im Jahresabschluss veröffentlichten Daten zu verlassen, weil wenigstens das Risiko, dass sich der Abschlussprüfer pflichtwidrig verhalten hat, durch seinen Schadensersatzanspruch abgedeckt wird. Eine umfassende Versicherung der Gläubiger, Anleger und Unternehmenserwerber setzt sich jedoch in einem entsprechend höheren Haftungsrisiko des Abschlussprüfers um. Der Abschlussprüfer muss seine zusätzlichen Kosten (Versicherung und eigene Haftungsrücklagen) – zumindest teilweise – über die Prüfungsgebühren an die geprüfte Gesellschaft und damit letztlich an ihre Aktionäre und Anleger zurückgeben.545 Die potentiellen Schadensersatzgläubiger und die Abschlussprüfer finanzieren die „Versicherung“ mithin gemeinsam. 543
S. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 173–175 m.w.Nachw. S.o. bei § 3, A. I. 2. und § 3, B. II. 1. 545 Nach dem Ergebnis von London Economics werden die zusätzlichen Kosten der Prüfung jedoch nicht in vollem Umfang gestreut: Die Mehrheit der von London Economics befragten Prüfungsgesellschaften gab an, dass die Haftungsrisiken aus Gründen des Wettbewerbs nicht in vollem Umfang über die Prüfungsgebühren an die Mandanten weitergegeben, sondern zu einem großen Anteil selbst getragen würden. Vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 97. Zudem beziffern Berufsversicherungen die Risiken unterschiedlicher Tätigkeiten (Prüfung, Beratung etc.) üblicherweise nicht getrennt, sondern versichern die Gesellschaft insgesamt. Die zusätzlichen Versicherungskosten auf Grund steigender Haftungsrisiken auf dem Prüfungsmarkt werden daher gleichmäßig auf die Gebühren für Prüfungen und andere Leistungen (Beratung etc.) aufgeteilt. Die Prüfer wiederum verteilen die Mehrkosten infolge höherer Versicherungsgebüren – wenigstens soweit eine Weitergabe der Kosten stattfindet (s.o.) – auf Prüfungs- und Nichtprüfungsmandanten. Hierzu s. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/24/F), S. 97, Tabelle 51. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Begrenzung der Abschlussprüferhaftung letztlich keinen großen Einfluss auf das 544
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
Ob sich das ökonomisch, und auch für die jeweiligen Dritten, rentiert, lässt sich nicht einheitlich für alle von ihnen beantworten. Es kommt darauf an, wie diversifiziert ihr Risiko ist, d.h. wie risikoneutral sie der Möglichkeit eines fehlerhaften Jahresabschlusses gegenüberstehen. Der Großaktionär, ein potentieller Erwerber oder Kreditgeber mögen bereit sein, für eine „Garantie“ der ihnen vorgelegten Informationen zu zahlen. Ihre Einbeziehung in den haftungsrechtlichen Schutzbereich kann im Einzelfall kostengünstiger sein, als wenn sie anderweitige Vorsorgemaßnahmen träfen. Die Interessenlage eines Anlegers mit einem diversifizierten Aktienportfolio stellt sich dagegen anders dar: Das Gesamtrisiko einer Investition erhöht sich nur unerheblich dadurch, dass der Anleger mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Schäden, die ihn infolge eines fahrlässigen Prüfungsfehlers treffen, selbst tragen muss. Es würde sich für ihn nicht lohnen, für die im Jahresabschluss enthaltenen Informationen im Austausch für einen Haftungsanspruch gegen den Abschlussprüfer zu zahlen. Es bleibt festzuhalten, dass eine restriktive Dritthaftung des Abschlussprüfers, die sich auf besondere Garantieübernahmen (z.B. in Form von privity letters etc.)546 beschränkt, sowohl betriebswirtschaftlich als auch ökonomisch sinnvoll sein kann. Eine generelle Dritthaftung gegenüber jedem und für jede Form des Verschuldens ist hingegen ökonomisch auch aus Tertiärkostenperspektive nicht geboten. D. Gestaltung ökonomisch sinnvoller Haftungsbegrenzungen Ziel des vorherigen Abschnitts war es, einen umfassenden Überblick über die Gesamtheit der mit der Prüfung und Prüfungsfehlern verbundenen Kosten zu verschaffen sowie die Möglichkeiten zur Kostenminimierung durch Haftung zu erforschen. Die Wirkungszusammenhänge und Zielkonflikte sind nunmehr identifiziert. I. Zielkonkretisierung: Zielkonflikte, -kongruenzen, -prioritäten Um die Effizienz der Kapitalmärkte zu fördern, muss die Abschlussprüferhaftung ihre Transparenz erhöhen und das Vertrauen der Marktteilnehmer steigern, indem sie zu effizienten Kosten eine hohe Qualität der zugänglichen Unternehmensdaten gewährleistet. Eine ökonomisch sinnvolle Abschlussprüferhaftung soll: 1) Anreize für optimale Prüfungsqualität setzen, indem sie a) zu hinreichend hoher Sorgfalt und innerer Unabhängigkeit anhält Niveau der Prüfungsgebühren hat, vgl. London Economics/Ewert, Study (MARKT/2005/ 24/F), S. 98, Tabelle 52. 546 Dazu s. Ebke, Verantwortlichkeit, S. 51 f.
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b) eine Überabschreckung auf dem Aktivitätsniveau verhindert c) ineffiziente daher überflüssige Präventionsmaßnahmen vermeidet 2) die Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung als Instrument der Kapitalmarktkontrolle sichern, indem sie a) die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Prüfertätigkeit auf dem internationalen Prüfungsmarkt ermöglicht b) vermeidet, dass das Haftungsrisiko diesen Markt als zusätzliche Schranke gegenüber neuen Konkurrenten abschottet 3) die Systemkosten minimieren, indem sie a) Schadensverlagerungskosten (Rechts-, Vertragskosten etc.) reduziert b) Vertrauen in die Testate stärkt, dadurch Informationskosten senkt und die Investitionsfreudigkeit steigert. Idealerweise sollte ein ökonomisch sinnvolles Haftungssystem alle genannten Ziele verwirklichen. Die Zwischenergebnisse belegen jedoch, dass Zielkonflikte systemimmanent sind. So ist beispielsweise die Dritthaftung aus Gründen der Verhaltenssteuerung zur Qualitätssicherung notwendig. Eine umfassende und unbegrenzte Dritthaftung stellt indessen, da das Dritthaftungsrisiko typischerweise unvorhersehbar ist, eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Prüfertätigkeit dar. Die Versicherbarkeit der Abschlussprüferhaftung gewährt Schutz vor existenzgefährdenden Klagen, schwächt aber wiederum ihre Präventivwirkung. Eine ökonomisch sinnvolle Lösung kann daher nur aus einem Kompromiss erwachsen. Zielführend ist insoweit die im Rahmen dieses Abschnitts entwickelte These, dass es für die Gewährleistung einer hohen Prüfungsqualität primär auf die Feinregulierung ankommt, während für den Institutionenschutz das Haftungsniveau – und zwar nicht nur seine Höhe, sondern insbesondere auch seine Gleichmäßigkeit, d.h. die Vorhersehbar- und Versicherbarkeit der Haftung – entscheidend ist.547 II. Haftungsmodelle Um einen Schutz vor existenzbedrohenden Klagen zu gewährleisten, ist eine proportionale Haftung alleine nicht ausreichend.548 Da zur Gewährleistung
547 Da die Haftungsbegrenzung nur geringe Auswirkungen auf die anderen oben aufgeführten Ziele einer effizienten Abschlussprüferhaftung (Steigerung der Marktkonzentration auf dem internationalen Prüfungsmarkt, Anlegervertrauen, Systemkosten) hat, soll im Folgenden primär auf die Aspekte Funktionsschutz und Qualitätssicherung eingegangen werden. Für eine umfassende Darstellung s. die jeweiligen Zwischenergebnisse unter § 4, B. IV. und § 4, C. I.–III. 548 Das gilt gleichermaßen für die unterschiedlichen Modelle der Verschuldensproportionalhaftung als auch für die Hafung nach proportionalem Schadensanteil. S.o. bei § 4, B. IV. 2. a).
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
einer hohen Prüfungsqualität eine summenmäßig unbegrenzte Haftung nicht erforderlich ist, sich sogar negativ auswirken kann, ist eine Haftungshöchstsummenbegrenzung ökonomisch geboten. 1. Haftungshöchstsummenbegrenzung Von den verschiedenen Formen der Haftungshöchstsummenbegrenzung ist die absolute Haftungshöchstsummenbegrenzung die am besten versicherbare. Aus Perspektive der Verhaltenssteuerung sind hingegen die relativen Haftungshöchstsummenbegrenzungen den absoluten vorzuziehen, vermögen sie es doch, den unterschiedlichen Schadensrisiken und insbesondere der Risikoaversion der Prüfer wenigstens ansatzweise Rechnung zu tragen. Zwingende Konsequenzen ergeben sich jedoch weder aus dem Pro- noch aus dem ContraArgument: Auch relative Haftungshöchstsummen stellen den Prüfungs- und Versicherungsmarkt nicht vor unüberwindbare Hürden – zumindest dann nicht, wenn die Kriterien für die Einordnung in unterschiedliche Haftungskategorien klar und ex ante bestimmbar sind.549 Vom Standpunkt der Verhaltenssteuerung aus gesehen, kommt es letztlich weniger auf das theoretisch effiziente Haftungsniveau – dem sich letztlich auch eine relative Höchstgrenze allenfalls anzunähern vermag550 – an. Entscheidend sind die Gewährleistung einer „Mindestabschreckung“ sowie die Ausgestaltung der Haftung. Festzuhalten bleibt, dass eine Haftungshöchstsummenbegrenzung ökonomisch ratsam ist. 2. Proportionalhaftung Es wäre denkbar, eine Haftungshöchstsummenregelung durch eine proportionale Verschuldenshaftung zu ergänzen. Eine proportionale Schadensteilung zwischen der prüfungspflichtigen Gesellschaft und dem Prüfer hieße in der Konsequenz, dass der Prüfer durch ein besonders verwerfliches Verhalten des Vorstands – zu dessen Kontrolle er schließlich eingesetzt ist – entlastet würde. Für eine sinnvolle Schadensvorsorge ist eine solche Regelung kontraproduktiv, denn sie bewirkt, dass sich die aus der Mandantenbeziehung erwachsenden moral hazard-Gefahren, zu denen das Haftungsrisiko einen Ausgleich bilden soll, auch im Schadensersatzrecht niederschlagen. Wenn die Unter549
S. aber Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 2 (question 2) zu den Problemen der Vorhersehbarkeit und damit Versicherbarkeit des Haftungsrisikos bei relativen Haftungsbegrenzungen in Abhängigkeit von der Größe des Prüfungsmandanten. 550 Keine praktikable Kategorisierung nach unterschiedlichen „Haftungsstufen“ wird dem Risikopotential eines konkreten Mandanten gerecht. Insbesondere ist die Größe eines geprüften Unternehmens nur ein Faktor, der Aufschluss über das Schadensrisiko der Prüfung gibt. Vorschläge zur Berücksichtigung anderer Aspekte finden sich bei Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 2.
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nehmensleitung motiviert ist, ihre Stellung zu missbrauchen, steigt der Anreiz für den Abschlussprüfer, ihr zu helfen, in doppelter Hinsicht: Die Gefahr einer drohenden Sanktionierung durch seinen Mandanten (Entzug von QuasiRenten etc.) bei pflichtgemäßen Verhalten steigt während sein Haftungsrisiko, mit dem sein Fehlverhalten belegt ist, sinkt. Aus diesen Gründen ist eine proportionale Haftung, die den Verschuldensbeitrag des Vorstands haftungsmindernd berücksichtigt, sowohl im haftungsrechtlichen Verhältnis zwischen Prüfer und Mandant (Mitverschuldenseinwand), als auch ggf. im Verhältnis zwischen Prüfer und Dritten, abzulehnen. Die Haftung, auch eine Privilegierung oder Verschärfung, sollte sich daher nur nach dem Verschulden des Prüfers richten. Je vermeidbarer der Schaden für ihn faktisch ist, desto notwendiger ist die Haftung aus Gründen der Verhaltenssteuerung und Qualitätssicherung. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich insbesondere, die Haftungsprivilegierung (Anwendung der Haftungshöchstsummenbegrenzung) bei Vorsatz auszuschließen.551 3. Dritthaftung Die Dritthaftung ist ein (Ziel)Konfliktpunkt: Im Hinblick auf eine effiziente Verhaltenssteuerung erscheint es notwendig, dass der Prüfer nicht nur seinem Mandanten, sondern auch Dritten für Schäden verantwortlich ist, die infolge einer fehlerhaften Prüfung entstehen können. Wegen der hohen Unsicherheiten die mit der Entstehung und dem Umfang von Drittschäden verbunden sind, ist die Gewährung von Dritthaftungsansprüchen jedoch aus Gründen des Funktionsschutzes bedenklich. Zwei Lösungsansätze sind denkbar: Zum einen wäre es möglich, eine Dritthaftung auf vermeidbares Verhalten, d.h. eigene Vorsätzlichkeit, eventuell auch grobe Fahrlässigkeit, des Haftenden zu beschränken. Zum anderen könnte das Dritthaftungsrisiko der Summe nach begrenzt sein. Aspekte der Verhaltenssteuerung sprechen für beide Modelle. Die Gefahr, die mit dem Ausschluss einer Dritthaftung verbunden ist, erwächst letztlich nicht aus mangelnden Sorgfaltsanreizen, sondern folgt aus der größeren Wahrscheinlichkeit einer parteiischen Prüfung. Eine umfassende Dritthaftung für leichte und mittlere Fahrlässigkeit ist vor diesem Hintergrund nicht erforderlich. Für eine Ausdehnung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit sprechen aber Argumente der Effektivität des Haftungsrechts, die durch Beweisschwierigkeiten bei einer reinen Vorsatzhaftung geschwächt würde. Auch eine höchstsummenbegrenzte Dritthaftung würde dem Abschlussprüfer An551
Das entspricht auch der aktuellen Rechtslage in den europäischen Rechtsordnungen. S.o. bei § 2, B. III. 1 b) (1). Ein vorsätzliches Verhalten von Mitarbeitern und gesetzlichen Vertretern sollte die Anwendung der Haftungshöchstsummenbegrenzung dagegen nicht ausschließen, da der Prüfer eine vorsätzliche Pflichtverletzung durch andere Personen, deren Verhalten ihm haftungsrechtlich zugerechnet wird, nicht mit Sicherheit ausschließen kann. Vgl. auch die entsprechende Regelung in § 323 Abs. 2 S. 3 HGB.
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
reize vermitteln, sich gleichermaßen den Interessen seines Mandanten und denen externe Testatsnutzer bei der Prüfung Rechnung zu tragen. Ein Schutz vor existenzgefährdenden Klagen bietet eine solche Haftsummenbegrenzung aber nur, wenn sie sich auf die Summe aller Dritthaftungsansprüche bezieht.552 Insoweit schiene ein Zwei-Fonds-Modell553 unter Rücklage der für Drittansprüche zur Verfügung stehenden Haftungssumme für einen bestimmten Zeitraum554 empfehlenswert. Eine unbegrenzte Haftung für grobe Fahrlässigkeit stellt ebenfalls ein Risiko dar; die Grenzen zwischen mittlerer und grober Fahrlässigkeit können in der Praxis – und in der gerichtlichen Urteilsfindung – fließend sein. Es erscheint daher auch bei einer Dritthaftung für grobe Fahrlässigkeit eine Haftungsbegrenzung für geboten.555 4. Vertragliche oder gesetzliche Haftungsbegrenzung Ein vertragliches Haftungsbegrenzungsmodell verursacht gegenüber einem gesetzlichen zusätzliche Transaktionskosten. Ansonsten sprechen unmittelbar keine Gründe gegen eine solche Lösung, denn die abschreckende Wirkung der Haftung und ihr Gefahrenpotential für die Institution der Jahresabschlussprüfung richtet sich in erster Linie danach was die Vertragsparteien regeln. Der Vorteil einer vertraglichen Lösung ist jedoch, dass der Prüfer und der Mandant das konkrete Schadensrisiko des Prüfungsauftrags besser berücksichtigen können, als eine abstrakt-generelle Regel.556 Zudem wäre auch die prüfungspflichtige Gesellschaft gezwungen, den Nutzen und die Kosten eines höheren Prüfungsniveaus in ihre eigene Planung miteinzubeziehen (mittelbare Steuerungswirkung).557 Die Ermöglichung einer vertraglichen Haftungsbegrenzung birgt freilich die Gefahr, dass sich die großen Unternehmen und die großen Prüfungsgesellschaften auf Haftungshöchstsummen verständigen, mit denen mittelständische Prüfer nicht konkurrieren können. Dieses Problem besteht freilich immer, wenn der für angemessen befundene haftungsrechtliche Schutz – gleichgültig, ob der Gesetzgeber oder der Markt die Grenzen festlegen – das Budget der mittelständischen Prüfungsgesellschaften übersteigt.558 552
Vgl. Ebke, Consultation on Auditor’s Liability, S. 1. Hierunter ist eine Haftungshöchstsummenregelung zu verstehen, die sich aus einem Haftungsfonds für die Ansprüche der geprüften Gesellschaft und einem separaten Haftungsfonds für alle Dritthaftungsansprüche zusammensetzt. Hierzu s. bereits oben bei § 2, B. III. 1. a) (3). 554 S.o. bei § 2, B. III. 1. a) (3) m.w.Nachw. 555 So auch J. Richter, Dritthaftung, S. 298 f. 556 W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 5; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 66 (2008). 557 W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 5; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 66 (2008). 558 Zu diesem Problem s. bereits oben § 4, B. IV. 2. b). 553
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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Es ist aber kaum wahrscheinlich, dass exorbitante Haftungshöchstsummenbegrenzungen in einem vertragliche Haftungsregime zur Regel werden: Die Prüfer sind sich der Gefahren, die mit hohen Schadensersatzforderungen einhergehen, bewusst. Sie haben zudem keinen Anlass „ihren Markt“ durch ein hohes Haftungsniveau gegen potentielle Mitwettbewerber abzuschotten, die gegenwärtig ohnehin – unabhängig vom Haftungsrisiko auf dem internationalen Prüfungsmarkt – keine wirkliche Konkurrenz darstellen.559 Reeller scheint die Gefahr, dass sich ein (zu) niedriges Haftungsniveau durchsetzt.560 Denn die oligopole Struktur des internationalen Prüfungsmarktes und ein geringes Interesse des Mandanten – oder genauer: seiner Geschäftsleitung – an einem hohen Schutzniveau fördern eher die Vereinbarung niedriger Haftungshöchstgrenzen. Dem könnte vor allem durch eine Beteiligung der Gesellschafter des Prüfungsmandanten an der Legitimierung einer Haftungsbegrenzungsvereinbarung, sowie eine Veröffentlichungspflicht, Abhilfe verschaffen.561 Das englische Recht hat zusätzliche eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle zur Absicherung der Verhältnismäßigkeit der Begrenzungsvereinbarung eingesetzt. Im Hinblick auf die damit verbundenen Unsicherheiten – nach welchen Maßstäben entscheidet sich, ob eine Haftungsbegrenzung „fair und reasonable“ (sec. 537 (1) Companies Act) ist? – scheint eine solche nachträgliche gerichtlichen Überprüfbarkeit wenig ratsam.562 Auch relative Haftsummenbegrenzungen nach Höhe des Prüfungshonorars – die letztlich nur eine verdeckte Form der vertraglichen Haftungsbegrenzung darstellen – sind abzulehnen, da sie die Transparenz der Haftungsbegrenzungsvereinbarung mindern.563 Bedenken hinsichtlich der Effektivität eines vertraglichen Haftungsbegrenzungssystems für Abschlussprüfer begründet die Tatsache, dass bis zum September 2009 noch kein einziges börsennotiertes Unternehmen in England von der 2006 eingeführten Möglichkeit einer solchen vertraglichen Haftungsbegrenzung Gebrauch gemacht hatte.564 Ein Grund soll sein, dass Abschlussprü559
Hierzu s. oben bei § 4, B. III. 1. Coffee, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 455, 495. 561 Vgl. die entsprechende Neuregeleung im englischen Abschlussprüferhaftungsrecht. Im Einzelnen s. hierzu oben bei § 2, B. III. 2. b) (1) m.w.Nachw. 562 Insoweit a.A. W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 6; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 67 (2008). Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle so ausgestaltet sein muss, dass sie die Kalkulierbarkeit des Risikos ex ante nicht gefährdet. 563 Anderes gilt, wenn sich die Haftungshöchstsummenbegrenzung auf ein Vielfaches aller Einnahmen aus einem Mandat bezieht. Die mit einer solchen Regelung verbundenen Unsicherheiten, die sich vor dem Schadensfall nicht vollständig ausräumen lassen, sind jedoch ein entscheidendes Argument gegen eine solche Lösung. 564 Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 649. 560
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Zweiter Teil: Ökonomische Analyse
fer sich unwillig zeigten, ihren Prüfungsmandanten einen Gegenwert für eine Begrenzung ihrer Haftung anzubieten, beispielsweise ihre Prüfungsgebühren zu senken.565 Diese Erklärung alleine stellt aber noch nicht die Funktionsfähigkeit des vertraglichen Haftungssystems als solches in Frage. Die aufgezeigte Entwicklung – oder vielmehr: der Ausfall der erwarteten Entwicklung – könnte vielmehr indizieren, dass die betroffenen Akteure auf dem internationalen Prüfungsmarkt eine Begrenzung des Haftungsrisikos wenigstens in England für nicht erforderlich halten. Es wäre ebenfalls denkbar, dass ein Markt für Prüfungsdienstleistungen, auf dem Haftungsbegrenzungen keine Tradition haben, lediglich eine gewisse Zeit der Anpassung benötigt. Gegen diese Erklärungsansätze spricht jedoch der Umstand, dass der Berufsstand der Abschlussprüfer in England 2009 erneut – wie in den Zeiten vor der Reform 2006 –begonnen haben soll, bei der Regierung Lobbyarbeit für die Einführung einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung zu betreiben.566 Es gibt einen zweiten möglichen Grund für die zögerliche Annahme des neuen englischen Haftungsregimes: Die US-amerikanische SEC geht davon aus, dass eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung zwischen dem Prüfer und der prüfungspflichtigen Gesellschaft die Unabhängigkeit des Prüfers beeinträchtigt.567 Britische Unternehmen mit einer zweiten Börsennotierung an der New York Stock Exchange sehen sich daher an der Vereinbarung von Haftungsbegrenzungen gehindert.568 Da eine gesetzliche Haftungsbegrenzung die Unabhängigkeit des Prüfers wohl auch in den Augen der SEC nicht tangieren würde,569 mag hier tatsächlich ein Grund für die Zurückhaltung der Unternehmen bei der Vereinbarung vertraglicher Haftungsbegrenzungen und für das Engagement der Prüfer hinsichtlich der Einführung einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung liegen. Fraglich ist, welche Konsequenzen sich aus dieser Situation mit Blick auf etwaige Abschlussprüferhaftungsrechtsreformen in Europa ziehen lassen.570 Aus Sicht der Legislative darf die wirtschaftliche Realität, zu der auch die Rechtslage in den USA gehört, sicherlich nicht ausgeblendet werden. Andererseits unterliegt auch das Kapitalmarkt- und Prüfungsrecht in den USA einem ständigen Wandel und kann nicht Maßgabe für die Umsetzung entsprechender Reformbestrebungen in der EU sein – insbesondere da bei weitem nicht alle europäischen Unternehmen Inhaber einer doppelten Börsennotierung sind.
565
Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 649. Hierzu s. Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 651 m.w.Nachw. 567 Hierzu s. Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 650 m.w.Nachw. 568 Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 649. 569 Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 651. 570 Zu diesem Problem s. auch Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 650. 566
§ 4 Leitlinien einer ökonomisch sinnvollen Abschlussprüferhaftung
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III. Fazit Ökonomisch sinnvoll ist eine Regelung, welche die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber der prüfungspflichtigen Gesellschaft gesetzlich auf eine Haftungshöchstsumme begrenzt oder eine entsprechende vertragliche Vereinbarung erlaubt. Eine relative Haftungshöchstsummenregelung muss so gestaltet sein, dass die Haftungshöchstsumme vor Durchführung der Prüfung klar bestimmbar ist. Eine proportionale Haftung nach Verschuldensanteil ist abzulehnen.571 Der Verschuldengrad des Abschlussprüfers ist aber insoweit zu berücksichtigen, als er bei vorsätzlicher Pflichtverletzung sowohl der geprüften Gesellschaft als auch Dritten gegenüber auf volle Schadenshöhe haftet. Eine über die Vorsatzhaftung hinausgehende Dritthaftung, ist durch eine gesetzliche Haftungshöchstgrenze, die sich jeweils auf die Summe aller Dritthaftungsansprüche bezieht, zu begrenzen.
571
Unbedenklich wäre es allenfalls, ein etwaiges Mitverschulden eines Dritten auf dessen Dritthaftungsanspruch anzurechnen.
Dritter Teil
Juristische Bewertung „Alle Berufe sind Verschwörungen gegen die Laien.“ Bernard Shaw
Der erste Teil der vorliegenden Untersuchung hat die allgemeinen Probleme und den gegenwärtigen Sachstand des Abschlussprüferhaftungsrechts in Europa dargestellt. Der zweite Teil hat die Abschlussprüferhaftung und Möglichkeiten ihrer Begrenzung anhand wirtschaftlicher Gesichtspunkte analysiert und Parameter für ein ökonomisch sinnvolles – effizientes – Haftungsmodell formuliert. Im dritten und letzten Teil dieser Arbeit wird es nun darauf ankommen, aus juristischem Blickwinkel zu bestimmen, ob und inwieweit sich die rechtsökonomischen Zielvorgaben juristisch umsetzen lassen. Denn die Rechtswissenschaft baut, wie im Folgenden zu sehen sein wird, auf einem eigenständigen, viel differenzierteren Wertesystem auf, in dem wirtschaftlichen Erwägungen der Effizienzsteigerung allenfalls untergeordnete Bedeutung zukommt. Die Aufgabe des dritten Teiles besteht mithin nicht lediglich darin, aus Sicht des Juristen das zu bestätigen, was aus rechtsökonomischer Perspektive mit Blick auf die Haftung der europäischen Abschussprüfer sinnvoll scheint. Vielmehr müssen die im zweiten Teil formulierten Vorgaben an ein ökonomisch sinnvolles Abschlussprüferhaftungssystem einer eigenständigen juristischen Prüfung unterzogen werden. Im Anschluss an die zielorientierte ökonomische Analyse muss der Fokus nun wieder weiter werden. Es gilt, die Ergebnisse der Ökonomie vor dem Hintergrund der zivilrechtlichen Systematik und Werteordnung zu beleuchten. Die juristische Betrachtung muss die ökonomische vervollständigen, muss sie grundlegend hinterfragen, ergänzen und erweitern. „Es überschreitet die Kompetenz eines Juristen, die in der neueren Wohlfahrtsökonomik diskutierte Möglichkeit einer gesamtwirtschaftlichen Nutzenfunktion (...) theoretisch zu widerlegen. Aber seine Zuständigkeit ist berührt, wenn alle Wertungen des Rechts in ökonomische übersetzt werden.“1 Es wird darauf ankommen – primär aus der Perspektive des deutschen Rechts, doch insbesondere auch mit Blick auf die anderen europäischen Rechtsordnungen – diejenigen Argumente, die aus rechtsdogmatischen Grün1
Horn, AcP 176 (1976), 307, 332.
§ 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem
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den gegen eine Haftungsbegrenzung nach Maßgabe ökonomischer Effizienz sprechen könnten, aufzuarbeiten und die notwendigen Schlussfolgerungen für die Gestaltungen einer wirtschaftlich sinnvollen und zugleich juristisch vertretbaren Gestaltung des Abschlussprüferhaftungsrechts zu ziehen. Der erste Abschnitt dieses Teils, Kapitel (§ 5), wird sich zu diesem Zweck zunächst mit den „absoluten“ Einwänden auseinandersetzen, die gegen eine ökonomisch motivierte Gestaltung des Zivilrechts sowie gegen die Beschränkung von schadensersatzrechtlichen Ausgleichsansprüchen ins Feld geführt werden. Das nachfolgende Kapitel (§ 6) soll sich hieran anschließend mit der Frage beschäftigen, aus welchen Gründen und unter welchen konkreten Voraussetzungen eine haftungsrechtliche Sonderbehandlung des Abschlussprüfers gerechtfertigt ist.
§ 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem Die rechtsökonomische Analyse im zweiten Teil der Arbeit ist zu dem Schluss gekommen, dass eine unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers ökonomisch nicht sachgerecht ist: Sie ist nicht erforderlich, um eine möglichst hohe Qualität des Prüfungsurteils zu gewährleisten, sondern droht vielmehr, die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung als Kontrollinstitution der nationalen und europäischen Kapitalmärkte zu beeinträchtigen. Eine Begrenzung der maximalen Schadensersatzsumme gegenüber der geprüften Gesellschaft ist daher aus Gründen gesamtwirtschaftlicher Effizienz geboten; gegenüber vertragsfremden Dritten empfiehlt sich gar ein weitgehender Ausschluss haftungsrechtlicher Verantwortlichkeit. Aus juristischer Perspektive bedarf diese These einer Rechtfertigung, denn sie erhebt die gesellschaftliche Wohlfahrtssteigerung zur Maxime der privatrechtlichen Gestaltung. Jurisprudenz und Ökonomie bauen auf verschiedenen Wertesystemen auf und weisen dem Recht entsprechend unterschiedliche Funktionen zu. Die Empfehlung der Europäischen Kommission steht insoweit in einem Spannungsfeld miteinander in Konflikt stehender Ansichten. Die von ihr angestrebte und in einigen EU-Staaten bereits verwirklichte Begrenzung der Abschlussprüferhaftung sieht sich nicht nur ökonomischen Einwänden (Prüfungsqualität, Anlegervertrauen), sondern ebenfalls einer Reihe rechtlicher Bedenken ausgesetzt. Aus juristischer Sicht wird zum Teil ganz grundsätzlich in Frage gestellt, dass ein kollektives Interesse wie die Wohlfahrtssteigerung überhaupt legitimes Ziel privatrechtlicher Normen sei.2 Die Instrumentalisierung des Privatrechts als Mittel staatlicher Verhaltenssteuerung begreifen viele als typisches 2
Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung, S. 7.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
Merkmal sozialistischer Staaten, die mit dem Gedanken der demokratischen Freiheit und einer liberal verfassten Marktwirtschaft nicht in Einklang stehe.3 Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch die Aufwertung ökonomischer Kategorien zu Maximen des Rechts.4 Der zweite Einwand richtet sich konkret gegen die Form der Haftungsbegrenzung und ist systematischer Natur: Eine Reduktion des Haftungsumfanges auf Rechtsfolgenseite trotz Vorliegens der Haftungsvoraussetzungen soll, wenigstens im Rahmen der Verschuldenshaftung, nicht bloß unüblich, sondern sogar systemwidrig sein.5 Von diesem systematischen Vorwurf ist die inhaltliche Kritik zu unterscheiden, die sich gegen eine Abwertung der Kompensationsfunktion im Schadensersatzrecht wendet. Eine Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer beschneidet Ausgleichsansprüche der Geschädigten in Situationen, in denen der Berufsträger den Schaden schuldhaft verursacht hat. Sie ordnet das Prinzip der Totalreparation – volle Abnahme eines zurechenbar verursachten Schadens – anderen Zielen, namentlich der Effizienz, unter. Zwar gilt der Kompensationsanspruch auch im Schadensersatzrecht nicht schrankenlos, fraglich ist aber, ob und inwieweit seine Begrenzung verhältnismäßig ist. Dem Problem liegt wiederum ein Zielkonflikt zugrunde, nur treten nunmehr neben die ökonomischen auch Ziele ohne wirtschaftlich messbaren Wert, deren Verhältnis zueinander es zu klären gilt. Über diesen drei Hauptfragen schwebt stets die Frage nach dem Stellenwert wirtschaftlicher Effizienz als eigenständiges Ziel im Recht. Der vorliegende Abschnitt soll die juristischen Argumente, die gegen eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung sprechen könnten, im Einzelnen aufarbeiten. Ziel ist es festzustellen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine solche Haftungsbegrenzung nicht nur ökonomisch sinnvoll, sondern auch rechtlich vertretbar ist. A. Verhaltenssteuerung im Privatrecht Die ökonomische Betrachtung hat ergeben, dass eine unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers aus Gründen der Schadensprävention nicht geboten ist, sondern vielmehr eine Begrenzung der Haftung wegen der anderenfalls bewirkten sozialschädlichen Konzentration von Haftungsrisiken auf den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer geboten ist. Aus juristischer Perspektive ist diese Aussage rechtfertigungsbedürftig, da sie die Verwirklichung wirtschaftlicher Effizienz zum Rechtsziel erhebt und dessen funktionale Bedeutung auf die Verhaltenssteuerung beschränkt. Die von der Haftung ausgehenden Impulse 3
Hierzu s. Wagner, AcP 206 (2006), 351 ff. Grundlegend hierzu Eidenmüller, Effizienz; ders., AcP 197 (1997), 80. 5 W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 99 ff. („systemfremdes Privileg“); W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, 67 Cambridge L.J. 62, 64 (2008); dies., Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 3; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 177 ff.; Müller-Graff, GPR 2007, 209. 4
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sollen den Abschlussprüfer zu optimaler Sorgfalt anhalten und verhindern, dass der Einfluss der Mandanten die Unabhängigkeit seines Urteils beeinträchtigt. Sie sollen jedoch weder die negativen Verhaltensreaktionen einer Überabschreckung hervorrufen noch die Rentabilität der Prüfertätigkeit gefährden, sondern nach Möglichkeit das Vertrauen der Testatadressaten steigern, um die Effizienz der Kapitalmärkte insgesamt zu fördern. Privatrechtliches Handeln und Ergebnisse des Marktprozesses, die diesem Ziel zuwiderlaufen, sind im Zweifel durch gesetzliche Regelung zu unterbinden. So steht die Begrenzung der Abschlussprüferhaftung durch Individualvertrag zwar als eine Option im Raum, jedoch nur unter der Prämisse, dass die Deregulierung des Prüfungsrechts ökonomisch optimale Ergebnisse verspricht. Privatrechtlich begründete Verhältnisse zwischen Abschlussprüfern und prüfungspflichtigen Unternehmen sowie gegebenenfalls Dritten sollen dem kollektiven Interesse der Wohlfahrtssteigerung dienlich sein; dafür haben das nicht dispositive Haftungsrecht und das Maß an privatautonomer Freiheit Sorge zu tragen. Mit dem vorherrschenden liberalen Bild vom Zivilrecht als Freiheitsgarantie ist dieses rechtspolitische Vorhaben nicht ohne weiteres vereinbar. Es drängt sich die Frage auf, ob die Verhaltenssteuerung zur Effizienzsteigerung tatsächlich als legitime Aufgabe des Privatrechts angesehen werden kann. I. Effizienz als Ziel rechtlicher Gestaltung Im Grundsatz ist anerkannt, dass die Förderung wirtschaftlicher Effizienz eine legitime Aufgabe des Rechts sein kann;6 Uneinigkeit besteht lediglich darin, ob Effizienz das übergeordnete oder nur eines unter mehreren Zielen ist. Dem Staat obliegt die Verantwortung für die Wohlfahrt seiner Gesellschaft. Im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz kann und muss er in diesem Sinne auch für die Effizienz seiner Volkswirtschaft Sorge tragen. Bereits v. Jhering nannte die Sicherung der Lebensbedingungen der Gesellschaft einen wesentlichen Zweck des Rechts.7 Fraglich ist jedoch, auf welche Weise der Staat seine Aufgabe erfüllen darf und inwieweit ihm bei der Wahl seiner rechtlichen Mittel Grenzen gesetzt sind. Steindorff weist dem Recht im Verhältnis zur Wirtschaft vornehmlich zwei Aufgaben zu: Es sei Gestaltungsinstrument der Privaten und zugleich Steuerungsmittel des Staates. In seiner Gestaltungsfunktion ermögliche es Individuen, ihre Rechtsverhältnisse frei und selbstbestimmt zu begründen. In seiner Steuerungsfunktion ermöglicht das Privatrecht dem Staat, auf der einen Seite individuelle Freiheitsrechte zu schützen sowie eine ausgleichende Gerechtigkeit herzustellen und andererseits politische und utilitaristische Überzeugungen, namentlich die Förderung des Effizienzziels,
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Grundlegend hierzu Eidenmüller, Effizienz; ders., AcP 197 (1997), 80. Jhering, Der Zweck im Recht, S. 434 ff.
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durchzusetzen.8 Uneinheitlich wird jedoch nach wie vor die Frage beantwortet, ob der Staat jedes Recht, also auch das private Haftungsrecht, als Mittel der Verhaltenssteuerung instrumentalisieren darf oder ob er insoweit auf das öffentliche Recht, auf das Straf- und Verwaltungsrecht, zurückgreifen muss, während das private Recht alleine dem Bürger zum Zwecke der privatautonomen Selbstverwirklichung zusteht. Im europäischen Rechtsdenken ist das entscheidend durch den Liberalismus des 19. Jahrhunderts geprägte Bild vom Privatrecht als Gestaltungsraum freier und gleicher Rechtssubjekte auch heute noch präsent. Es spiegelt sich in der Verfassung des BGB wieder und wird insbesondere von englischer Seite gegen regulative Ambitionen eines fortschreitenden gesamteuropäischen Privatrechts kontinentaler Prägung verteidigt. Oberstes Anliegen des Zivilrechts soll die Gewährleistung der Privatautonomie sein. Ein Eindringen des Staates in die private Sphäre, zu der auch der Wirtschaftsverkehr zählt, ist nicht erwünscht. Die Konzeption des Zivilrechts als Gestaltungsinstrument der Privaten ist dementsprechend ein typisches Merkmal der freien Marktwirtschaften. In sozialistischen Staats- und Wirtschaftsordnungen hingegen ist der Gedanke der Wirtschaftssteuerung besonders ausgeprägt.9 Es wäre gleichwohl voreilig, aus diesem Umstand zu schließen, dass es die Steuerungsfunktion sei, die – jedenfalls in frei verfassten Marktwirtschaften – das private vom öffentlichen Recht unterscheidet. II. Verhaltenssteuerung zwischen privatem und öffentlichem Recht Die Annahme, dass Verwaltungs- und Strafrecht zum Lenken bestimmt seien, während das Zivilrecht die Freiheit schütze, greift zu kurz. Es existieren eine Vielzahl zivilrechtlicher Normen und Regelungskomplexe, die sich mit dem Primat der Privatautonomie nicht begründen lassen, sondern ganz unabhängig vom Willen einzelner Rechtssubjekte dem Verkehrsschutz, Interessen unbeteiligter Dritter oder sonstigen Zielen gewidmet sind.10 Zudem sehen weder das Verwaltungs- noch das Strafrecht11 die Verhaltenssteuerung als Kernbe8
Steindorff, Wirtschaftsrecht, S. 3 f. Steindorff, Wirtschaftsrecht, S. 3 f. 10 Man denke nur an die Publizitätspflichten im Sachenrecht, an den gutgläubigen Erwerb, an die objektive Auslegung von Willenserklärung, an die Anscheinshaftung und vor allem: an das private Wirtschaftsrecht. 11 Die Ablehnung der dem Zivilrecht „aufgedrängten“ Funktion der Verhaltenssteuerung verbinden Kritiker nicht selten mit dem Verweis auf eine mangelnde Straffunktion des Zivilrechts. Hier gilt es freilich zu differenzieren: die Verhaltenssteuerung im Sinne einer Generalprävention durch Abschreckung ist nur ein Aspekt der Strafe und gerade nicht mit dem moralischen Unwerturteil verbunden, das nach Ansicht der wohl h.M. dem Zivilrecht nicht zusteht. Die Anerkennung der verhaltenssteuernden Funktion des Zivilrechts ist daher nicht gleichbedeutend mit der Anerkennung einer pönalen Funktion. Zu diesem Problem s. grundlegend m.w.Nachw. Großfeld, Die Privatstrafe; aus neuerer Zeit Ebert, Pönale Elemente. 9
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reiche ihrer Disziplin an. Verhaltenssteuerung aus Präventions- oder anderen Gründen ist vielmehr eine schwierige Aufgabe,12 welche Vertreter aller Fachrichtungen durch enge Absteckung ihrer Kompetenzbereiche zu vermeiden suchen. Die Annahme, dass alle Teilrechtsordnungen einem „autonomen Bauprinzip“ gehorchten und mit klar voneinander abgrenzbaren Kompetenzbereichen nebeneinander ständen, widerspricht der Rechtswirklichkeit13 und ist auch historisch nicht haltbar.14 Die Verhaltenssteuerung im Sinne eines gerechten Ausgleichs aller Interessen ist vielmehr eine Aufgabe, die der Rechtsordnung in ihrer Gesamtheit obliegt. Lediglich in der Wahl der Steuerungsinstrumente unterscheiden sich die Teilrechtsordnungen.15 Die tatsächliche Herausforderung besteht mithin darin, das Zusammenspiel der unterschiedlichen Mittel so zu koordinieren, dass ein möglichst hoher Grad an Steuerungseffektivität erzielt wird.16 In der EU besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass das zivile Haftungsrecht, zusammen mit dem Berufs- und dem Aufsichtsrecht, am besten geeignet ist, eine hohe Prüfungsqualität zu gewährleisten.17 Das Strafrecht ist ein zu scharfes Instrument, um den „normalen“ Pflichtverstößen der Abschlussprüfer, den lediglich fahrlässigen Prüfungsfehlern, entgegenzuwirken. Dem Strafapparat fehlen zudem die Kapazitäten, die notwendig wären, um die Verfolgung solcher Vergehen und mithin eine effektive Verhaltenssteuerung gewährleisten zu können. Um die geringe Aufdeckungswahrscheinlichkeit, die durch die geringe Fehlerquote bei der Jahresabschlussprüfung noch verringert würde, auszugleichen, müsste die Strafe in einem Maß erhöht werden, das
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Vgl. Wagner, AcP 26 (2006), 351, 360: „heiße Kartoffel“. Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 7, 14, 23. 14 Die strikte inhaltliche Trennung von privatem und öffentlichem Recht ist keinesfalls zwingend oder selbstverständlich. In Deutschland hat sich der Gedanke der Eigenständigkeit des Privatrechts im Geiste des Liberalismus erst Mitte des 18. Jahrhundert durchgesetzt und ihren Höhepunkt im 19. Jahrhundert erreicht. Der Prozess war weitestgehend von einer idealisierenden Vorstellung des Privatrechts als staatsfreiem Raum der Bürger geprägt. Hierzu s. Stolleis, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 41, 55. Von dieser „Reinform“ des Zivilrechts sind jedoch das BGB und insbesondere das private Wirtschaftrecht heute weiter entfernt als damals. In anderen Rechtsordnungen ist eine Trennung von privatem und öffentlichem Recht oft unbekannt oder es wird ihr eine untergeordnete Bedeutung beigemessen. Hierzu s. Wagner, AcP 206 (2006), 351, 423. 15 Schmidt-Aßmann in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 7, 13; Wagner, AcP 26 (2006), 351, 432; Trute, DVBl 1996, 950, 958 f. 16 Wagner, AcP 26 (2006), 351, 432. 17 S. nur MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 224; ders., in: FS Yamauchi, S. 105, 115; ders., BFuP 2000, 549 f.; ders., WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 12, 21; Liggio, WPK-Mitt. Sonderheft Juni 1997, 139; Buijink/Maijoor/Meuwissen/van Witteloostuijn, Role, Position and Liability, S. 149, 152. 13
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außer Verhältnis zur Schuld stünde.18 Zudem trifft der Abschreckungseffekt der Strafe nur die mit der Prüfung betrauten natürlichen Personen. Die zivilrechtliche Haftung dagegen setzt ebenfalls für die Prüfungsgesellschaften als juristische Personen Anreize. Ein entscheidender Vorteil der dezentralen Verhaltenssteuerung durch privates Haftungsrecht liegt in dem Informationsvorteil begründet, den potentielle Kläger gegenüber dem Staat besitzen.19 Die prüfungspflichtige Gesellschaft sowie Dritte werden eher in der Lage sein, die Existenz eines Prüfungsfehlers zu erkennen und seine Ausmaße zu beurteilen als eine zentrale Rechtsverfolgungsbehörde. Zudem leistet das Schadensersatzrecht durch die Förderung des private enforcement einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Vollzugseffektivität, die weder Berufs- noch Aufsichtsrecht in gleicher Form gewährleisten können.20 Die persönliche Betroffenheit der Geschädigten und die Aussicht auf Kompensation erhöhen die Gefahr der Fehleraufdeckung sowie der Rechtsverfolgung und damit auch die von der Schadensersatzpflicht ausgehende Abschreckungswirkung.21 Ihren möglichen Unzulänglichkeiten zum Trotz ist die Haftung des Abschlussprüfers daher als Steuerungsmittel unverzichtbar. III. Privatautonomie als Grenze staatlicher Verhaltenssteuerung Prinzipiell mag nichts dagegen einzuwenden sein, dass sich der Staat die verhaltenssteuernde Wirkung des Privatrechts zu Nutze macht, um öffentliche Interessen, namentlich auch die Effizienz seiner Volkswirtschaft, zu fördern. Das Zivilrecht dient gleichwohl bestimmungsgemäß in erster Linie privaten Interessen. Seine Funktionsbestimmung, insbesondere der hohe Rang der Privatautonomie, setzen der Steuerungsfunktion Grenzen. Der regulative Einsatz von Recht steht naturgemäß in Konflikt zur freiheitlich-selbstbestimmten Rechtsgestaltung. Die Anerkennung der Verhaltenssteuerung als eigenständigen Zweck – und nicht lediglich als faktische Nebenfolge – privatrechtlicher Regelungen impliziert eine Begrenzung oder zumindest Begrenzbarkeit der individuellen Freiheit; öffentliche Ziele treten neben die Freiheiten privater Akteure und entkräftigen die Bedeutung und Eigenständigkeit der Privatautonomie. So auch im Rahmen der Abschlussprüferhaftung: eine gesetzlich vorgegebene, nicht dispositive Haftsummenbegrenzung wie im deutschen Recht beschneidet die Vertragsfreiheit des Prüfers und des prüfungspflichtigen Un18
Hierzu allgemein Wagner, AcP 206 (2006), 351, 442 ff. Wagner, AcP 206 (2006), 351, 446. 20 Speziell zur Bedeutung des private enforcement bei Prüfungsfehlern s. Ferrarini/Guidici, in: Armour/McCahery (Hrsg.), After Enron, S. 159. 21 Aus diesem Grunde sind insbesondere auch Prozesskostenregelungen und prozessrechtliche Besonderheiten wie die Zulässigkeit von Sammelklagen von Bedeutung für die Effektivität eines schadensersatzrechtlichen Präventionssystems. S.o. bei § 4, A. I. 2. b) (1) m.w.Nachw. 19
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ternehmens, sich wie in anderen Lebensbereichen privatautonom über den Umfang der haftungsrechtlichen Verantwortung zu einigen. Wenn man sie auch gerne als Errungenschaft und notwendige Voraussetzung einer freien Marktwirtschaft bezeichnet, so ist die grenzenlose Privatautonomie freilich nicht mehr als ein „Mythos“.22 Die Berücksichtigung von Gemeinschaftsinteressen bei der Gestaltung des Privatrechts ist keinesfalls sozialistisch verfassten Rechtsordnungen vorbehalten. Die individuelle Freiheit ist auch im Zivilrecht stets durch Aspekte des Gemeinwohls beschränkt. Lediglich das Verhältnis von individueller Freiheit und kollektivem Interesse ist wertungsabhängig. Aus rechtstheoretischer Sicht stellt sich insoweit die Frage, ob individuelle Freiheit und Gemeinwohl als gleichberechtigte Ziele nebeneinander stehen (immanente Freiheitsbeschränkung) oder ob vielmehr die Freiheit als Regel gilt, die den Schranken des kollektiven Interesses unterworfen bzw. Grundsatz ihrer eigenen Einschränkung ist.23 Von größerer praktischer Relevanz ist es, die im Einzelfall widerstreitenden individuellen und kollektiven Interessen und ihre relative Gewichtigkeit im Verhältnis zueinander zu bestimmen; Effizienz und Vertragsfreiheit sind nur zwei von vielen möglichen Anliegen, die bei der Gestaltung einer Haftungsregel zu berücksichtigen sind. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang einen weiten Gestaltungsfreiraum. Im Zivilrecht nehmen private Interessen zwar grundsätzlich eine Vorrangstellung ein, doch nicht in allen Teilgebieten in gleichem Maße. Entscheidend sind die jeweilige Regelungsmaterie, ihre Zweckbestimmung und die typischerweise tangierten Interessen. IV. Fazit Da die Jahresabschlussprüfung speziell dem Schutz und der Förderung der Wirtschaftsordnung dient, verfolgen die gesetzlichen Regelungen über die Abschlussprüfung nicht nur einen Ausgleich der individuellen Interessen des Prüfers und der prüfungspflichtigen Gesellschaft, sondern sind ihrer Bestimmung nach auch auf das öffentliche Interesse ausgerichtet. Prüfungsrecht ist als Berufsrecht immer auch „marktbezogenes Recht“.24 Wie das gesamte Wirtschaftsrecht dient es als Steuerungsinstrument für die Gestaltung der marktwirtschaftlichen Ordnung.25 Die Steigerung der Kapitalmarkteffizienz ist originärer Zweck der Prüfung und des Prüfungsrechts. Das private Haf22
Die Bedeutung der Privatautonomie im Zivilrecht wird nach wie vor intensiv diskutiert. Eine umfassende Darstellung des Meinungsstandes würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Ausführlich zu diesem Problemkreis z.B. Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S. 1 ff. Aus jüngerer Zeit s. auch Riesenhuber (Hrsg.), Prinzip der Selbstverantwortung; Rittner, JZ 2011, 269. 23 Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S. 279 ff. 24 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 652. 25 Steindorff, Wirtschaftsrecht, S. 5.
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tungsrecht stellt insoweit keine Ausnahme dar. Schon seine faktische verhaltenssteuernde Wirkung ist nicht zu leugnen. Alleine aus diesem Grund – weil die Haftungsregeln das Verhalten des Abschlussprüfers und der anderen Marktteilnehmer tatsächlich beeinflussen – muss der Gesetzgeber Steuerungsaspekte bei der Ausformung von Haftungsregeln berücksichtigen. Zudem ist das öffentliche Recht, insbesondere das Strafrecht, nicht geeignet, ein hohes Qualitätsniveau der in den Jahresabschlüssen veröffentlichten Informationen zu gewährleisten.26 Der Rückgriff auf das Privatrecht als Steuerungsinstrument ist mithin notwendig. Aus diesen Gründen ist es generell zulässig, die Gestaltung der Abschlussprüferhaftung an wirtschaftlichen Effizienzgesichtspunkten auszurichten, insbesondere deren verhaltenssteuernde Wirkung zur Bestimmung der Reichweite der Haftung heranzuziehen. Dabei ist jedoch stets zu bedenken, dass das Berufshaftungsrecht nicht nur Berufs- sondern eben auch privates Haftungsrecht ist. Es ist als solches den allgemeinen Prinzipien des Schadensersatzrechts unterworfen und muss insbesondere auch die privaten Interessen des Prüfers, der prüfungspflichtigen Gesellschaft sowie die Dritter in die Abwägung einbeziehen und in einen angemessenen Ausgleich bringen. B. Schadensteilung in der zivilrechtlichen Systematik Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Modelle der Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer sehen eine schadensrechtliche Begrenzung des Haftungsumfanges vor. Haftsummenbegrenzungen limitieren (Haftungshöchstsumme) bzw. reduzieren (Proportionalhaftung) die Ersatzpflicht des Abschlussprüfers auf Rechtsfolgenseite im Verhältnis zu dem tatsächlich eingetretenen Schaden. Sie widersprechen dem schadensrechtlichen Allesoder-Nichts-Prinzip, denn sie schreiben eine lediglich anteilige Schadensumwälzung auf den Prüfer vor, obgleich er schuldhaft einen Schaden verursacht hat. Im Ergebnis kommt es mithin zu einer Schadensteilung27 zwischen dem Geschädigten und dem Abschlussprüfer. Kritiker wenden ein, diese Form der 26 Statt vieler s. Teichmann in: Bachmann/Casper/C. Schäfer/Veil (Hrsg.), Steuerungsfunktionen, S. 149, 151. 27 Im Verhältnis zwischen der geprüften Gesellschaft und ihrem Prüfer bewirkt die Anwendung einer Haftungshöchstsumme, ebenso wie die anspruchskürzende Berücksichtigung des Mitverschuldens der Gesellschaftsorgane oder eine Staffelung des Haftungsumfanges nach Verschuldensgrad des Abschlussprüfers, im Ergebnis eine Schadensaufteilung zwischen Geschädigtem und Schädiger. Die Anwendung der pro rata-Regel – anstelle der Gesamtschuld – auf die Haftungsansprüche eines Dritten gegen den Abschlussprüfer und die von ihm geprüfte Gesellschaft hingegen, verlagert lediglich das Insolvenzrisiko des Prüfungsmandanten vom Abschlussprüfer auf den Dritten; in der Praxis kommt dies jedoch häufig einer Schadensteilung zwischen dem Prüfer und dem geschädigten Dritten gleich.
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Haftungsbeschränkung sei – wenigstens im Rahmen der Verschuldenshaftung28 – nicht nur untypisch, sondern sogar systemwidrig.29 Es ist kein Zufall, dass dieser systematische Vorwurf vornehmlich im deutschen Rechtskreis, namentlich in Österreich und Deutschland, geäußert wird.30 Beide Zivilrechtsordnungen halten nach wie vor streng an dem Trennungsgrundsatz des Alles-oder-Nichts-Prinzips im Schadensersatzrecht fest, demzufolge ein Schaden immer vollständig zu ersetzen ist, wenn ein Haftungsgrund vorliegt.31 Eine anteilige Umwälzung des Schadens vom Primärgeschädigten auf einen (teilweise) zurechenbaren Schädiger ist im System der Verschuldenshaftung nicht vorgesehen. Zwar könnte man meinen, dass rechtssystematische Einwände in den wirtschaftsrechtspolitischen Überlegungen zu einer europäischen Reform des Abschlussprüferhaftungsrechts nur eine untergeordnete Rolle spielen sollten, so hält sich doch die Kritik, die aus dieser Richtung geäußert wird, beharrlich. Aus diesem Grunde wird der folgende Abschnitt einen kurzen Überblick über den Inhalt, die Entwicklung, die gesetzgeberische Intention und die Bedeutung des Alles-oder-Nichts-Prinzips geben. Erst im Anschluss wird eine fundierte Beurteilung der Konsequenzen, die hieraus für die Reformdiskussion zur Abschlussprüferhaftung zu ziehen sind, möglich sein. I. Das Alles-oder-Nichts-Prinzip des Schadensersatzrechts Das schadensrechtliche Alles-oder-Nichts-Prinzip besagt, dass der Schädiger bei Vorliegen eines Haftungsgrundes den gesamten Schaden (Alles) ausgleichen muss – und zwar unabhängig von der Haftungsgrundlage (Vertrag oder Delikt) sowie der Schwere seines Verschuldens. Fehlt es dagegen an einem Haftungsgrund, besteht ein Ersatzanspruch selbst dann nicht, wenn schwerstes Verschulden vorliegt und das Ausbleiben eines Schadens lediglich auf einen
28 Im Rahmen der strikten Haftung (Gefährdungshaftung) hingegen sind Haftungshöchstsummenbegrenzungen auch im deutschen Recht üblich. Man denke nur an §§ 12 f. StVG, 10 ProdHaftG, 15 UmweltHG, 37, 45 Abs. 2 LuftVG. Hierzu s. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (Hrsg.), Entwurf Referenzrahmen, S. 161, 187. 29 W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 99 ff.; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 177 ff.; W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, 67 Cambridge L.J. 62, 64 (2008); dies., Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 3; Müller-Graff, GPR 2007, 209. 30 Aber auch nach dem englischen Recht widersprechen Haftungshöchstsummenbegrenzungen Prinzipen des tort law, denen zufolge der Schädiger grundsätzlich für den Gesamtschaden aufkommen muss. Hierzu s. J. Richter, Dritthaftung, S. 185 m.w.Nachw. 31 Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 387; ders., JZ 1968, 721, 725; C. Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 414; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 55.
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glücklichen Zufall zurückzuführen ist;32 oder wie Honoré es formuliert: „(...) being responsible and being legally liable are partly a matter of luck.“33 Es besteht eine strenge Trennung zwischen haftungsrechtlicher Zurechnung und schadensrechtlichem Ausgleich. Eine Interessenabwägung, die über die Umwälzung des Schadens vom Geschädigten auf den Schädiger entscheidet, erfolgt im Haftungsgrund; das Verhältnismäßigkeitsprinzip findet seinen haftungsrechtlichen Ausdruck vor allem im Verschuldensmerkmal. Liegen die Haftungsvoraussetzungen – Schaden, Kausalität, Verschulden – vor, so bestimmt einzig die Höhe des eingetretenen Schadens über die Höhe des Ersatzanspruchs. „Mildernde Umstände“ auf Seiten des Verletzers finden grundsätzlich nur bei der Begründung der Haftung Berücksichtigung, nicht bei Bemessung ihres Umfangs.34 Das bedeutet, dass bestimmte Funktionen des Schadensersatzrechts – namentlich die Prävention – nur auf der Tatbestandsseite ihren Ausdruck finden. Auf der Rechtsfolgenseite dagegen erlangt die Kompensationsfunktion exklusive Geltung. Der Schadensausgleich auf der Rechtsfolgenseite erfolgt nach dem Gebot der Totalreparation und dem Verbot der Bereicherung. Der zurechenbare Schädiger muss Ersatz in Höhe der tatsächlich eingetretenen Nachteile leisten (Totalreparation).35 Der Geschädigten darf aber im Gegenzug durch die Schadensersatzleistung nicht besser gestellt werden, als er ohne den Schadenseintritt stände.36 Das Alles-oder-Nichts-Prinzip schließt mithin zweierlei aus: Zum einen verbietet es die schadensrechtliche Minderung der Ersatzpflicht im Täterinteresse aus Gerechtigkeits- oder Billigkeitserwägungen oder zum Schutze eines höheren Gutes, wie z.B. bei der wirtschaftlichen Lebensfähigkeit bestimmter beruflicher Tätigkeiten; zum anderen steht das Trennungsprinzip aber auch der Erhöhung der Schadensersatzpflicht aus erzieherischpräventiven Gründen (sog. punitive damages) entgegen. Ist mit anderen Worten die Schadenspflicht dem Grunde nach entstanden, blickt das Recht nur noch auf den Geschädigten, nicht auf den Täter.37
32 Deutsch, JZ 1968, 721, 725; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 ff.; Möller, Präventionsprinzip, S. 55. 33 Honoré, Responsibility and Fault, S. 1. 34 Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 387; ders., JZ 1968, 721, 725; C. Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 414; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 f.; Möller, Präventionsprinzip, S. 55. 35 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, S. 46 f. 36 Zum Bereicherungsverbot s. z.B. Westermann/Bydlinski/R. Weber, Schuldrecht AT, Rn. 14/7; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 10. 37 Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 79; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 9 f.
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1. Entwicklung in der deutschen Zivilrechtsdogmatik Die im Alles-oder-Nichts-Prinzip zu Tage tretende Differenzierung zwischen Haftungsgrund und Haftungsfolge ist letztlich Ausdruck der Pandektistik des 19. Jahrhunderts.38 Die Väter des BGB entschieden sich bei Festsetzung des Haftungsumfangs in den §§ 249 ff. bewusst gegen die Einbeziehung wertender „moralisierender (...) Gesichtspunkte“.39 Sie wandten sich damit von der Konzeption des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten ab, das eine Abstufung des Haftungsumfangs nach Art und Grad des Verschuldens (Proportionalitätsprinzip) vorsah.40 Die Verschuldensschwere, aber auch der Rechtsgrund der Haftung (Vertrag, Delikt),41 sollten auf die Höhe der Schadensersatzpflicht keinen Einfluss haben. Durch die Abwehr der Verkoppelung von Schuld und Ersatzpflicht, durch die „Entideologisierung“42 des Schadensersatzrechts, wollten die Verfasser des BGB den Pönalgedanken aus dem Zivilrecht verbannen.43 Das Trennungsprinzip sollte dabei insbesondere dem hohen Stellenwert Rechnung tragen, den sie der Rechtssicherheit beimaßen.44 Es spiegelt ihr tiefes Misstrauen gegenüber einer „von dem deutschen Rechte abgelehnte[n] besondere[n] autoritative[n] Stellung des Richters“45 wider. Wenngleich insbesondere letzterer Begründungsansatz heute gewiss noch haltbar ist,46 hält die klassische Lehre weiterhin an dem schadensrechtlichen Alles-oder-Nichts-Prinzip fest.
38 Möller, Präventionsprinzip, S. 55; hierzu s. auch Gebauer, Hypothetische Kausalität, S. 61 ff. 39 Motive zum BGB-Entwurf, Bd. II, S. 17 f. Dazu s. Lange, Schadensersatz, S. 12; Möller, Präventionsprinzip, S. 55, 57, 84 f. 40 S. nur Titel 6, §§ 10 ff. ALR. Hierzu umfassend Armasow, Schaden und abgestufte Haftung. S. auch Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 388; Lange, Schadensersatz, S. 12 41 Dieser Vorsatz wurde jedoch nur mit Einschränkungen umgesetzt: wenngleich der Inhalt der Schadensersatzpflicht in den §§ 249 ff. BGB einheitlich für alle Haftungsgründe bestimmt ist, so hat doch der Umstand, ob der Schädiger aus Vertrag oder Delikt haftet z.B. Auswirkung darauf, ob er dem Geschädigten das positive oder das negative Interesse zu ersetzen hat. Hierzu s. Lange, Schadensersatz, S. 8. 42 Esser/Schmidt, Schuldrecht AT, Bd. I/2, S. 172. 43 Motive zum BGB-Entwurf, Bd. II, S. 17 f.: „Die Hereinziehung moralisierender oder strafrechtlicher Gesichtspunkte, worauf jene Abstufung beruht, muß bei der Bestimmung der zivilrechtlichen Folgen unerlaubten Handelns durchaus ferngehalten werden.“ (Hervorhebung d. Verf.). Hierzu s. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 12 f. 44 Baur, Entwicklung und Reform, S. 43; Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 388; Lange, Schadensersatz, S. 12; Gebauer, Hypothetische Kausalität, S. 119. 45 Motive zum BGB-Entwurf, Bd. II, S. 17 f. 46 Insbesondere das Argument, dass das „Richterrecht“ dem deutschen Recht fremd sei, steht speziell im stark richterrechtlich geprägten Schadensersatzrecht im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit. Vgl. Möller, Präventionsprinzip, S. 55, 59.
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Kritik wurde freilich schon während des Gesetzgebungsverfahrens laut47 und sie verstummte auch danach nicht: Der 43. Juristentag im Jahre 1960 setzte sich mit dieser Frage intensiv auseinander und sprach im Ergebnis eine nahezu einhellig angenommene Empfehlung zur Auflockerung der „Totalhaftung“ unter Berücksichtigung der Schwere des Verschuldens aus.48 Die Gegner des Alles-oder-Nichts-Prinzips bemängeln die einseitige Ausrichtung auf die Situation des Opfers. Die fehlende Kongruenz von der Schwere des Verschuldens und dem Umfang der Schadensersatzpflicht, so der Vorwurf, vernachlässige die Anliegen auf (potentieller) Täterseite. Das Totalreparationsgebot stelle in vielen Fällen eine unbillige und ungerechte Benachteilung des Schuldners unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.49 In anderen Fällen stehe das Bereicherungsverbot seiner effektiven Abschreckung entgegen. Das oft genannte Argument für das Alles-oder-NichtsPrinzip – die Rechtssicherheit – sei nicht gewichtig genug, um einen gerechten Interessenausgleich auszuhebeln. Degenkolbs hat die Positionen aller früheren und späteren Kritiker dahingehend zusammengefasst, dass „diese Gerechtigkeit (…) uns, wenn nicht blind so doch einäugig (scheint), sie hat nur ein Auge für den Verletzten.“ 50 2. Die Regel und ihre Ausnahmen Ausnahmslos gilt das Alles-oder-Nichts-Prinzip freilich weder im deutschen Recht noch in den anderen europäischen Rechtsordnungen, die zwar das Be47
Hierzu s. Deutsch, Fahrlässigkeit und erforderliche Sorgfalt, S. 389; Möller, Präventionsprinzip, S. 45 ff., S. 83. ff. 48 Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung schadensrechtlicher Vorschriften von 1970 sprach sich für die Einführung einer Reduktionsklausel zur gerichtlich-nachträglichen Reduktion der Ersatzpflicht aus Billigkeitserwägungen in solchen Fällen aus, in denen der Schaden „ungewöhnlich hoch“ sei, der Schädiger jedoch weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe. Ein anlässlich der Pläne zur Überarbeitung des Schuldrechts angefertigtes Gutachten nahm den Inhalt des Referentenentwurfs auf, fand aber bei der weiteren Überarbeitung durch die Kommission (aus politischen Gründen) keine Berücksichtigung mehr. Hierzu s. Möller, Präventionsprinzip, S. 83 ff.; Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 481–483. 49 In der Rechtspraxis stellte sich die Frage nach einer Reduktion des Haftungsumfangs in Fällen, in denen fahrlässig handelnde Minderjährige ruinös hohe Schäden verursacht hatten. Hierzu s. LG Bremen NJW-RR 1991, 1432, 1434, das sich in einem solchen Fall für eine Haftungsbegrenzung auf Grundlage des § 242 BGB aussprach. Insoweit a.A. das LG Dessau VersR 1997, 242, 245, das sich darauf berief, dass ein Rechtsprinzip der Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere des Verschuldens und den Folgen einer Pflichtverletzung gerade nicht bestünde. Zu diesem Problem s. ebenfalls BVerfG NJW 1998, 3557; Canaris, JZ 1987, 993; Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (Hrsg.), Entwurf Referenzrahmen, S. 161, 207. 50 Degenkolb, AcP 76 (1890), 1, 79. Degenkolb stellt der unvollkommenen Gerechtigkeit des Totalreparationsprinzips die „vollsehende, weil beiden Parteien in das Auge fassende Gerechtigkeit“ Jherings (Das Schuldmoment im römischen Privarecht) gegenüber.
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reicherungsverbot und das Totalreparationsgebot größtenteils als Regel anerkennen, sie jedoch mit weniger ausgeprägter Stringenz verfolgen. In vielen Situationen ermöglichen Gesetz und Richterrecht Durchbrechungen des Grundsatzes, dass sich Schaden und schadensrechtliche Ersatzpflicht decken sollen. a) Durchbrechungen des Bereicherungsverbots Entfaltet die bloße Restitution oder Kompensation des verursachten Schadens keine hinreichend präventive Wirkung – etwa weil eine Verletzung mit einem geringem Haftungsrisiko verbunden oder gar profitabel ist51 – kann im Sinne der effektiven Abschreckung eine über dem Schaden liegende Ersatzpflicht des Schädigers geboten sein. Ob eine solche überkompensatorische Haftung zur Prävention mit den Grundsätzen des Zivilrechts vereinbar ist, wird seit langem diskutiert. Uneinigkeit besteht nach wie vor darüber, welcher Stellenwert der Prävention neben der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzrechts zukommt, namentlich, ob sie lediglich willkommener Nebeneffekt oder eigenständiges Regelungsziel ist.52 Die wohl herrschende Lehre im deutschen Recht geht nach wie vor davon aus, dass der Ausgleich unter den verschiedenen Zwecken des Haftungsrechts grundsätzlich Priorität genießt und im Schadensrecht (Haftungsfolge) absolute Geltung hat.53 Aus dem ausländischen Privatrecht hingegen sind uns Beispiele überkompensatorischer Schadensersatzpflichten mit präventiver oder gar pönaler Intention bekannt, die punitive damages im US-amerikanischen Recht, die französische astreinte und die englischen exemplary damages. Doch auch die deutsche Rechtsprechung berücksichtigt verhaltenssteuernde Gesichtspunkte bei der Bestimmung des Schadensersatzumfangs und trägt so dazu bei, dass die strenge Trennung zwischen Haftungsgrund und -folge wenigstens faktisch zunehmend durchbrochen wird. Zwar erkennt der BGH eine Prävention- oder Straffunktion der zivilrechtlichen Haftung bis heute nicht offen an, einige Fallgruppen lassen aber keinen Zweifel daran, dass wenigstens Präventionsintentionen der Gerichte bei der Urteilsfindung eine Rolle gespielt haben.54 Man denke nur an die Bemessung des Schmerzensgelds bei der Verletzung allgemeiner Persön51
Im Einzelnen s. Möller, Präventionsprinzip, S. 243 ff. Zu diesen Fragen s. ausführlich Dreier, Kompensation; Möller, Präventionsprinzip; Sailer, Prävention; C. Schäfer, AcP 202 (2002), 397; Schlobach, Präventionsprinzip; Wagner, AcP 206 (2006), 351. 53 Statt aller s. MünchKommBGB/Wagner, vor § 823 Rn. 38 m.w.Nachw. Abweichend Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9. Zu den Ausnahmen des Grundsatzes „Ausgleich vor Prävention“ s. bereits Deutsch, Haftungsrecht AT, S. 73 f.; aus neuerer Zeit Möller, Präventionsprinzip, S. 242 ff. 54 Im Einzelnen s. Wagner, AcP 206 (2006), 351, 364; C. Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 416 ff.; Möller, Präventionsprinzip, 117 ff. 52
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lichkeitsrechte prominenter Personen (sog. Caroline von Monaco-Rechtsprechung55), an die dreifache Schadensberechnung bei Immaterialgüterrechtsverletzungen56 oder an die GEMA-Rechtsprechung.57 Auf diese Weise lassen sich insbesondere solche Rechtsverletzungen vermeiden, die sich für Verletzer andernfalls wirtschaftlich lohnen, weil sein Gewinn den rechtlich relevanten Schaden des Opfers übersteigt. In diesem Sinne ordnet beispielsweise Art. 1371 des französischen Reformprojekts Avant-Projet eine überkompensatorische Haftung der faute lucrative ausdrücklich an.58 Ohne Rückgriff auf die Präventionsfunktion im Schadensrecht – also deren Berücksichtigung auf der Rechtsfolgenseite – ist auch die zitierte deutsche Rechtsprechung letztlich nicht begründbar, denn die überkompensatorische Ersatzpflicht des Schädigers bedarf in zweierlei Hinsicht einer besonderen Rechtfertigung: Zum einen bedarf es eines Grundes, aus dem gerade der Geschädigte vom Ausgleichsüberschuss profitieren sollte (Bereicherungsverbot),59 zum anderen beeinträchtigt die schadensrechtliche Mehrbelastung die Rechte des Haftenden. Eine (andere) verallgemeinerungsfähige und daher dogmatisch tragbare Erklärung hat der BGH bislang nicht gefunden.60 Die 55
BGHZ 128, 1. Hierzu s. Wagner, AcP 206 (2006), 351, 384. Der erzieherische Charakter – die Ausrichtung der Haftungsfolgen auf den Täter – geht deutlich aus dem Umstand hervor, dass prominenten Personen ein höheres Schmerzensgeld zugesprochen wird als betroffenen unbekannten Privatpersonen, weil ein größerer Anreiz zur (lukrativeren) Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte besteht. 56 Nach den in ständiger Rechtsprechung speziell für die Verletzung von Immaterialgüterrechten entwickelten Grundsätzen kann der Geschädigte entweder den tatsächlich entstandenen Vermögensschaden einschließlich entgangener Gewinne oder (z.B. wenn der Nachweis scheitert) den Betrag für eine hypothetische Lizenzgebühr (sog. Lizenzanalogie) oder den vom Schädiger erzielten Gewinn verlangen. Im Einzelnen s. Dreier, Kompensation, S. 256 ff.; Wagner, AcP 206 (2006), 351, 373; Möller, Präventionsprinzip, S. 120 ff. 57 Der BGH hat für die Verletzung sog. kleiner Musikaufführungsrechte pauschal das Doppelte der Lizenzgebühr zugesprochen. Vgl. z.B. BGHZ 17, 376; BGHZ 59, 286; 97, 37. Hierzu s. Wagner, AcP 206 (2006), 351, 376 ff; Möller, Präventionsprinzip, S. 154 ff. 58 Neben dem Avant-Projet existieren weitere Projekte zur Reform des Code civil. Ihre möglichen Auswirkungen auf das französische Haftungsrecht im Allgemeinen und das Abschlussprüferhaftungsrecht im Besonderen bleiben abzuwarten. 59 Hierzu s. Schlobach, Präventionsprinzip, S. 437 ff. 60 In seiner GEMA-Rechtsprechung umgeht der BGH dieses Problem argumentatorisch mit der Erklärung, das pauschal zugesprochene Duplum diene der Kompensation von Aufwendungen, die die GEMA notwendigerweise zum Schutze der ihr anvertrauten Urheberrechte treffen müsse; diese seien billigerweise vom Verletzer zu tragen. Vgl. BGHZ 17, 367, 383; BGHZ 97, 37, 50 f. Hierzu s. im Einzelnen Wagner, AcP 206 (2006), 351, 376 f. Dieser Ansatz erinnert an die punitive damages im US-amerikanischen Recht, die – im Unterschied zu den englischen exemplary damages – nicht nur der Genugtuung des Opfers, sondern insbesondere auch der Deckung von Anwalts- und Prozesskosten dienen. Diese muss in den USA prinzipiell jede Partei (unabhänigig vom Ausgang des Verfahrens) selbst tragen. Hierzu s. z.B. Quick, RIW 1995, 474, 476.
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Mehrbelastung des Täters ist letztlich nur vertretbar, wenn man anerkennt, dass die Prävention nicht nur eine Funktion des Haftungsrechts im engeren Sinne (Haftungsgrund) ist, sondern auch ein Ziel des Schadensrechts (Haftungsfolge), und daher wertende Kriterien, insbesondere das Verschulden, in bestimmten Fallkonstellationen61 die Höhe der Ersatzpflicht beeinflussen können.62 b) Durchbrechungen des Totalreparationsgebots Die Begrenzung der Haftung auf Rechtsfolgenseite betrifft spiegelbildlich das eben geschilderte Problem. Bei der unterkompensatorischen Haftung wird eine Person, die einen Schaden zurechenbar verursacht hat, durch privatautonome Vereinbarung, Gesetz oder Richterrecht von einem Teil ihrer Schadensersatzpflicht befreit. Entgegen dem Totalreparationsgebot teilen sich Schädiger und Geschädigter die Last des Schadens. Während die überkompensatorische Haftung der Prävention dient, erfolgt die schadensrechtliche Haftungsbegrenzung zumeist aus Billigkeitserwägungen, insbesondere zum Schutz des Schuldners vor ruinösen Klagen, oder aus anderen Gründen im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs. In allen EU-Staaten gilt heute grundsätzlich das Prinzip der Totalreparation. Eine Proportionalhaftung nach Verschuldensschwere findet sich nirgends mehr.63 Jedoch mildern in vielen Rechtsordnungen Sonderregeln jene Härte ab, die das Gebot der Totalreparation gegenüber dem Schadensersatzpflichtigen in Einzelfällen bedeuten kann. So ist die vertragliche Freizeichnung durch Individualvereinbarung oder AGB gemeinhin zulässig;64 einzig in Frankreich ist die deliktische Haftung als Teil des ordre public vertraglich nicht abdingbar.65 Gesetzliche Haftungshöchstgrenzen dagegen sind nur in wenigen Ausnahmen
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Entsprechende Vorschläge finden sich bei Möller, Präventionsprinzip, S. 242 ff. Das Problem des Bereicherungsverbots ist damit freilich noch nicht gelöst. Einen eleganten Ausweg hat insoweit die polnische Regelung des Schmerzensgeldes gefunden: Nach Art. 448 S. 1 Kc kann der Geschädigte statt Auszahlung des Schmerzensgeldes vom Geschädigten Zahlung eines (höheren) Geldbetrages für einen bestimmten gesellschaftlichen Zweck verlangen. Hierzu s. Bobrzyński/Liebscher/Zoll, in: Liebscher/Zoll (Hrsg.), Einführung in das polnische Recht, S. 253. 63 Ein rechtsvergleichender Überblick findet sich bei Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 486– 494. 64 Die Möglichkeiten der Haftungsfreizeichnung sind für bestimmte Berufsgruppen (z.B. Anwälte, Steuerberater, Ärzte, Wirtschaftsprüfer) sondergesetzlich beschränkt worden. Hierzu s. ausführlich unten bei § 6, A. II. 3. b). Im Übrigen ist eine Haftungsfreizeichnung in Deutschland grundsätzlich nur für Vorsatz (§ 276 Abs. 3 BGB), in einigen anderen europäischen Ländern auch für grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen. S. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 604 ff; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 578 ff. 65 S. z.B. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 575. 62
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vorgesehen, typischerweise im Rahmen der Gefährdungshaftung.66 Aus diesem Grunde erscheinen die Haftungshöchstsummenbegrenzungen für Abschlussprüfer im belgischen, deutschen, griechischen, österreichischen und slowenischen Recht außergewöhnlich. Berufsrechtliche Haftungsprivilegien existieren jedoch ebenfalls für andere Professionen. Man denke nur an das Spruchrichterprivileg und die sekundäre Haftung der Notare nach deutschem Recht.67 Eine Reihe europäischer Rechtsordnungen kennen zudem haftungsrechtliche Reduktionsklauseln, die es dem Richter ermöglichen, den Umfang einer Ersatzpflicht zu begrenzen, wenn die Verpflichtung zur Totalreparation eine unbillige Härte darstellen würde.68 Solche Reduktionsklauseln finden sich typischerweise – wenngleich nicht ausschließlich69 – in den skandinavischen Rechtsordnungen,70 z.B. in Schweden.71 Das polnische Recht sah in seiner Fassung von 1933 ursprünglich ebenfalls eine Klausel zur Schadensreduktion nach Ermessen des Richters vor,72 gab diese jedoch im neuen Zivilgesetzbuch auf.73 In Deutschland hat sich die richterliche Reduktionsklausel, wie auch in den meisten anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, nicht durchgesetzt. Entsprechende Bestrebungen des 43. Juristentages von 1960 verliefen im Sande.74 Im Unterschied zu der konsekutiven Haftungsausdehnung unter dem Einfluss des Präventionsgedankens sind die deutschen Gerichte bei der Entwicklung von Rechtsgrundsätzen zur Begrenzung der Haftung aus Gründen der Billigkeit und Risikogerechtigkeit eher zurückhaltend geblieben. Wirkliche
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v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 395 f. Hierzu s. ausführlich unten bei § 6, A. II. 3. 68 S. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 592 ff. 69 Reduktionsklauseln finden sich z.B. auch im niederländischen, portugisischen und spanischen Schadensersatzrecht. S. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 263; Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 486–494. 70 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 157, 263. Zum schwedischen Recht s. Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Swedish Law, S. 297, 307–311. 71 Dem schwedischen Richter wird ein weit reichender Ermessensspielraum für die Festsetzung der Schadensersatzhöhe eingeräumt. Entscheidungserheblich sind neben der Verschuldensschwere andere Interessens- und Billigkeitserwägungen, wie Einsichtsfähigkeit der Parteien, ihr Vermögen, der jeweils vorhandene Versicherungsschutz, in wessen Interesse die zum Schaden führende Handlung erfolgte und inwieweit dem Schädiger Zugriff auf die verletzten Rechtsgüter gewährt wurde. Im Einzelnen s. Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Swedish Law, S. 297, 307–311; v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 157, 263. 72 Art. 158 § 1 des polnischen Obligationenrechts von 1933. Hierzu s. Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 490. 73 Der Umfang der Schadensersatzpflicht kann gemäß Art. 440 Kc lediglich begrenzt werden, wenn die Grundsätze des gesellschaftlichen Zusammenlebens eine solche Begrenzung erfordern. 74 S.o. bei § 5, B. I. 1. 67
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Bedeutung haben diese Überlegungen nur im Rahmen des Mitverschuldens75 und bei der Arbeitnehmerhaftung76 erlangt. Der Einwand, den Geschädigten treffe ein Mitverschulden am Schadenseintritt, eröffnet der Rechtsprechung über § 254 BGB die Möglichkeit, ein geringes Verschulden des Schädigers bei der Bestimmung des Schadensersatzumfangs haftungsmildernd zu berücksichtigen. Ihrer Intention nach liegt der Grund für Schadensteilung nach § 254 Abs. 1 BGB zwar nicht in einem geringeren Verschulden des Täters, sondern in der Sorgfaltswidrigkeit des Opfers,77 die Rechtsprechung orientiert sich aber gleichwohl an der Verschuldensschwere beider. Es obliegt letztlich dem Gericht, das anteilige Verschulden im Verhältnis zu anderen relevanten Kriterien (z.B. dem Verursachungsbeitrag) zu bewerten.78 Schon ein geringes Mitverschulden des Geschädigten hebt auf diese Weise das Totalreparationsprinzip aus den Angeln und führt zu einer verschuldensabhängigen Proportionalhaftung.79 Die Arbeitnehmerhaftung ist ein Sonderfall der Haftungsbegrenzung wegen Mitverschuldens;80 wobei es im Bereich der Arbeitnehmerhaftung weniger (nur) um den Verstoß gegen Sorgfaltspflichten auf Seiten des Arbeitnehmers denn um die Zuordnung von Risikosphären gehen dürfte. In keinem anderen Bereich praktiziert das deutsche Recht so offen die von den Verfassern des BGB abgelehnte, unilaterale Haftungsabstufung nach Verschulden auf Seiten des Schädigers. Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten für leichteste Fahrläs-
75 Der Mitverschuldenseinwand ist auch in anderen europäischen Rechtsordnungen als Grund einer schadensrechtlichen Haftungsbegrenzung anerkannt. Dazu s. im Einzelnen v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 549–575; Wurmnest, Europäisches Haftungsrecht, S. 304–319. 76 Zur Haftungspriveligierung von Arbeitnehmern s. ausführlich Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 4–251. 77 Hierzu s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 155 f., der die Berücksichtigung des Mitverschuldens bei Berechnung des Ersatzumfangs deswegen für „kein gutes Beispiel für eine Ausnahme von dem Prinzip der Totalreparation“ hält. 78 An erster Stelle sollen der Verursachungsbeitrag und das Verschulden der Beteiligten berücksichtigt werden. Da bei mehreren kausalen Verhaltensbeiträgen ein Beitrag nicht ursächlicher sein kann als ein anderer, ist unter dem Verursachungsbeitrag in diesem Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit, mit der das jeweilige Verhalten zum Schadenseintritt geführt hat, zu verstehen. Ob darüber hinaus andere Umstände, insbesondere Vermögenslage und Versicherungsschutz, in die Abwägung mit einbezogen werden dürfen, ist umstritten. S. MünchKommBGB/Oetker, § 254 Rn. 109 f., 116 m.w.Nachw. 79 So auch Schlobach, Präventionsprinzip, S. 8, 232; ähnlich Magnus, Drittmitverschulden, S. 15 f. m.w.Nachw.; kritisch v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 155 f. 80 Die haftungsrechtliche Privilegierung des Arbeitnehmers wurzelt nach h.M. dogmatisch in der dem Arbeitgeber nach § 254 Abs. 1 BGB analog zurechenbaren Sach- und Betriebsgefahr. Statt vieler s. Sandmann, Haftung von Arbeitnehmern, S. 61 m.w.Nachw. Eine Haftungsbegrenzung wird teilweise auch unter Verweis auf Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG für geboten gehalten. Differenzierend BAG JuS 1995, 210, 212.
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sigkeit nicht, für mittlere Fahrlässigkeit anteilig81 und nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz prinzipiell voll.82 Die abgestufte Haftung dient dabei er interessengerechten Aufteilung des Schadensrisikos zwischen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber – der den wirtschaftlichen Nutzen aus der Tätigkeit des Arbeitnehmers zieht – sowie der Versicherbarkeit dieses Risikos.83 II. Implikationen für ein europäisiertes Abschlussprüferhaftungsrecht Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst für das Alles-oder-Nichts-Prinzip als systematische Grundlage seines Schadensersatzrechts entschieden. Auch europaweit sind das Bereicherungsverbot und das Totalreparationsgebot heute die Regel.84 Von einer absoluten Geltung des Trennungsgrundsatzes kann jedoch selbst im deutschen Recht heute nicht mehr die Rede sein; andere europäische Rechtsordnungen sind ohnehin eher geneigt, unter besonderen Umständen vom Ausgleichsprinzip des Schadensrechts abzuweichen.85 Die schadensrechtliche Haftungsbegrenzung, wie sie die Kommissionsempfehlung für die Abschlussprüferhaftung vorsieht,86 sei es in Form einer Haftungshöchstsummenbegrenzung oder verschuldensproportional, ist zwar nicht die Regel, aber auch nicht einzigartig. Im Folgenden gilt es zu klären, inwieweit systematische Argumente zu Gunsten der Totalreparation einer schadensrechtlichen Begrenzung der Abschlussprüferhaftung auf europäischer Ebene entgegenstehen. 1. Das Totalreparationsgebots im europäischen Privatrecht Wie wichtig ist die Systematik in der Europäisierung des Haftungsrechts? Es ist kaum verwunderlich, dass in erster Linie Vertreter des deutschen Rechtskreises gegen die Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer den Vorwurf der Systemwidrigkeit erheben.87 Als Prinzip gilt das schadensrechtliche Totalre-
81 Nach neuerer Rechtsprechung gilt die Quotelung für mittlere Fahrlässigkeit selbst bei nicht gefahrengeneigter Arbeit. Vgl. BAG JuS 1995, 210, 210. 82 Ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG JuS 1995, 210, 211. Hierzu s. auch Schlobach, Präventionsprinzip, S. 229 f. Im Einzelfall kann jedoch eine Teilung des Schadens auch bei grober Fahrläsigkeit vorgenommen werden, wenn die Höhe des Schadens im auffälligen Missverhältnis zum Schadensrisiko der ausgeübten Tätigkeit steht, vgl. BAG DB 1990, 48 = NZA 1990, 97; BAG NZA 1998, 140. 83 Hierzu s. Jansen, Struktur des Haftungsrechts, S. 118, 128 sowie S. 263 zu dem Parallelproblem der Scheinsklavenhaftung im römischen Recht. 84 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 155. 85 Im Einzelnen hierzu s.o. bei § 5, B. I. 2. m.w.Nachw. 86 S.o. bei § 1, B. II. 3. 87 Vgl. nur W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 99 ff. („systemfremdes Privileg“); W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, 67
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parationsgebot zwar überall in Europa, man muss aber möglicherweise zwischen einem systematisch strengen und einem modifizierten Totalreparationsgebot differenzieren. Es gibt, so könnte man sagen, eine Regel, der zufolge jedermann einen Schaden, den er vorsätzlich oder fahrlässig verursacht hat, in voller Höhe erstatten muss. Doch ist allgemein anerkannt, dass es von diesem Grundsatz Ausnahmen geben muss. Man ist sich rechtsordnungsübergreifend weitgehend einig, in welchen typischen Ausnahmesituationen die (vollständige) Schadensabwälzung auf den nach allgemeinen Maßstäben zurechenbaren Verursacher nicht sachgerecht wäre. Das gilt beispielsweise in Bezug auf die Arbeitnehmerhaftung, bei Mitverschulden, in engen persönlichen und familiären Beziehungen sowie in Bereichen des Berufshaftungsrechts.88 Die Rechtsordnungen behandeln diese Ausnahmefälle jedoch aus systematischer Sicht unterschiedlich. Unter großem Aufwand und mit rechtsdogmatisch bisweilen unbefriedigenden Konstruktionen strebt das deutsche Recht danach, besondere Situationen, die ein Abweichen von den allgemeinen Regeln des Schadensersatzrechts erfordern, bereits im Tatbestand zu berücksichtigen. Auf diese Weise bleibt es selbst dann dem Grundsatz der Totalreparation treu, wenn die Haftung ausnahmsweise bei – nach allgemeinen Maßstäben – schuldhafter Schadensverursachung ausgeschlossen ist (strenges Totalreparationsgebot). Andere Rechtsordnungen, allen voran die skandinavischen Rechtssysteme, lösen solche Ausnahmefälle vorwiegend auf Rechtsfolgenseite, insbesondere über schadensrechtliche Reduktionsklauseln (modifiziertes Totalreparationsgebot). Anschauliche Beispiele sind die Haftung Minderjähriger sowie die Schadensverursachung in familiären Beziehungen oder bei Gefälligkeitsverhältnissen (z.B. Leihe). Im Sinne interessengerechter Lösungen hat das deutsche Recht jeweils spezielle Haftungstatbestände geschaffen. Es definiert persönliche und situationsbezogene Merkmale89, in denen die allgemeinen Haftungsregeln, insbesondere der generelle Verschuldensmaß-
Cambridge L.J. 62, 64 (2008); dies., Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 3; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 177 ff.; Müller-Graff, GPR 2007, 209. 88 Hierzu s. z.B. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 263, 157. Weiter Beispiele finden sich oben bei § 5, B. I. 2. b). 89 Besonders detaillierte Regelungen finden sich im Minderjährigenrecht: So sind Minderjährige, die das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für den Schaden, den sie einem anderen zufügen, nicht verantwortlich (§ 828 Abs. 1 BGB). Ein Minderjähriger, der das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er einem anderen bei einem Unfall mit einem Kraftzeug, einer Schienen oder Schwebebahn zufügt, nicht verantwortlich – sofern er nicht vorsätzlich handelt (§ 828 Abs. 2 BGB). Ein Minderjähriger, der das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem andern zufügt, nicht verantwortlich, wenn ihm die zur Erkenntnis der Verantwortung erforderliche Einsicht fehlt (§ 828 Abs. 3 BGB).
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stab90 des § 276 BGB, nicht zur Anwendung kommen. Das schwedische Recht hingegen löst diese Fallkonstellationen richterrechtlich über die Reduktionsklausel.91 Das polnische Recht beschreitet im Bereich der innerfamiliären Beziehungen den gleichen Weg (Art. 440 Kc). Der DCFR führt in Art. VI 6:202 eine ausgesprochen weit gefasste Reduktionsklausel ein92 und liegt damit, wie Wagner es formuliert, im „rechtspolitischen Trend“.93 So sehr sich die Herangehensweise des deutschen Rechts über die gesetzliche Tatbestandslösung und die des skandinavischen Rechts über die schadensrechtliche Reduktionsklausel auch unterscheiden mögen, die Ergebnisse ähneln sich häufig.94 Die tatbestandliche Lösung sorgt allenfalls für mehr Rechtssicherheit, während die Reduktionsklausel flexibler anmutet. Für den Entleiher, der durch die Fahrlässigkeit seines Verleihers einen Schaden erlitten hat, ist es dagegen gleichgültig, ob sein Anspruch mangels Verschulden gar nicht erst zur Entstehung gelangt oder aus Billigkeitsgründen ausgeschlossen wird. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die Bedeutung des systematischen Arguments gegen eine schadensrechtliche Begrenzung der Abschlussprüferhaftung. Es wird auch verständlicher, weshalb den systematischen Einwänden, die Gegner einer Haftungsbegrenzung mit Verweis auf das Totalreparationsgebot erheben, in Diskussionen um das Prüfungsrecht überhaupt ein solches Gewicht zukommt. Mit der systematischen Kritik verbindet sich meist implizit zugleich eine Kritik an der Haftungsprivilegierung als solcher. Sie richtet sich dagegen, dass der Abschlussprüfer – vereinfacht formuliert – haftungsrechtlich einem neunjährigen Schwebebahnfahrer (vgl. § 828 Abs. 2 BGB) gleichgestellt werden soll. Dabei gilt es klar zu differenzieren: Die Frage, ob der Abschlussprüfer durch eine Sonderregel ausnahmsweise von der (vollen) Haftung für eine fahrlässige Schadensverursachung befreit werden sollte, betrifft ein anderweitiges Problem, das der nachfolgende Abschnitt aufgreifen wird. In der systematischen Kritik steht hingegen nicht das Ergebnis der Interessenabwägung (Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers). Problematisch ist vielmehr ihre systematische Einordnung. Bei der Haftsum90
In diesem Sinne ist z.B. bei der Leihe, bei der Schenkung und bei der Geschäftsführung in Notfällen die Haftung für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz (§§ 521, 599, 680 BGB) beschränkt. Ehegatten schulden einander und Eltern ihren Kindern nur die Sorgfalt, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, diligentia quam in suis (§§ 1359, 1664 BGB). 91 Zur Reduktionsklausel im schwedischen Recht und anderen skandinavischen Rechtsordnungen s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 157, 263; ders., Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 269, 254; Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Swedish Law, S. 297, 307–311. 92 Hierzu s. im Einzelnen Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (Hrsg.), Entwurf Referenzrahmen, S. 161, 205 ff. 93 Vgl. Wagner, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (Hrsg.), Entwurf Referenzrahmen, S. 161, 206. 94 Hierzu s. die Beispiele unten bei § 5, B. I. 2. b).
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menbegrenzung oder Proportionalhaftung schlägt sich das Ergebnis der Interessenabwägung zwischen Abschlussprüfer, prüfungspflichtiger Gesellschaft, gegebenenfalls Dritter sowie der Allgemeinheit – auch auf Rechtsfolgenseite – nieder (Verstoß gegen das Trennungsprinzip) und führt letztlich zu einer Schadensteilung zwischen Prüfer und Geschädigten, in der es nicht um „alles oder nichts“, sondern um „weniger oder mehr“ geht. 2. Totalreparationsgebot im Abschlussprüferhaftungsrecht Der Vergleich der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zeigt, dass sowohl das rechtssystematische Verständnis als auch die richterliche Funktion jeweils wichtige Rollen für mögliche Modifikationen der Haftung spielen. Hiernach entscheidet sich insbesondere, ob ein Haftungsrecht Korrekturen im Haftungsgrund (durch Ausgestaltung des Verschuldensmaßstabs) vornimmt oder auf Rechtsfolgenseite (durch eine offene Reduktionsklausel). Die sachlichen Argumente halten sich oft die Waage. Im Hinblick auf die Begrenzung der Abschlussprüferhaftung kommt es daher in erster Linie darauf an, ob überhaupt eine sinnvolle und bessere Alternative zur schadensrechtlichen Haftungsbegrenzung existiert. Unter der Annahme, dass eine unbegrenzte Haftung des Abschlussprüfers für jede fahrlässige Schadensverursachung unverhältnismäßig ist, stellt sich die Frage, ob seine Haftung bereits im Tatbestand beschränkt werden sollte oder ob eine schadensrechtliche Begrenzung auf Rechtsfolgenseite vorzugswürdig oder beide Optionen gleichwertig sind. Die Verfasser des BGB entschieden sich dafür, dass ausschließlich der Umfang des tatsächlich eingetretenen Schadens die Höhe der Ersatzpflicht bestimmen sollte, weil das Ermessen des Richters begrenzt, Rechtssicherheit gewährleistet und eine „Ideologisierung“ des Schadensersatzrechts vermieden werden sollte. Der Frage, ob diese Befürchtungen einer Begrenzung der Prüferhaftung nach Empfehlung der Europäischen Kommission entgegenstehen, wird noch nachzugehen sein. Vordringlicher erscheint jedoch die Frage, ob die Teilung der Schadenstragungspflicht sinnvoll ist und ob alternativ eine Beschränkung des Haftungsrisikos im Haftungstatbestand überhaupt in Betracht kommt. a) Richterliches Ermessen, Rechtssicherheit, Ideologisierung Der Einwand, ein zu weites richterliches Ermessen im Schadensrecht könne die Rechtssicherheit beeinträchtigen, ist als Argument gegen eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung auf EU-Ebene wenig überzeugend. Zum einen dürfte die Skepsis der BGB-Verfasser hinsichtlich der schwer kontrollierbaren Stellung des Richters bei der Rechtsfortbildung heute überholt sein. Auch das deutsche Haftungsrecht, insbesondere das Deliktsrecht, ist maßgeblich richterrechtlich geprägt. Die Rechtsordnungen des englischen Rechtskreises und mit Einschränkungen auch die des skandinavischen basieren ohnehin vorwiegend
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auf dem Fallrecht.95 Die starke Stellung der französischen Cour de cassation ist evident und die Bedeutung des EuGH für die Fortentwicklung des Gemeinschaftsrechts steht ohnehin außer Zweifel. Zum anderen ist Rechtsunsicherheit keine notwendige Folge einer schadensrechtlichen Haftungsbegrenzung. Insbesondere Haftungshöchstsummenbegrenzungen gestalten die Haftung äußerst vorhersehbar und räumen dem Richter im Regelfall96 überhaupt kein Ermessen ein. An die Stelle der tatsächlichen Schadenshöhe als Determinant der Schadensersatzpflicht treten die absolute Haftungsgrenze bzw. die Größen zur Bestimmung der relativen Haftungsgrenze. Anderes mag im Fall der verschuldensabhängigen Proportionalhaftung gelten, im Rahmen derer der Richter nicht nur feststellt, dass ein Verschulden des Abschlussprüfers vorliegt, sondern ebenfalls den Verschuldensgrad (leichte, mittlere, grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz) näher bestimmen und im Verhältnis zu dem Verschulden der anderen Parteien werten muss. Aus juristisch-dogmatischer Perspektive kommt diesem Einwand jedoch kein allzu großes Gewicht zu: Das Gericht hat die Schwere des Verschuldens schließlich auch beim Mitverschuldenseinwandes oder bei der Festsetzung der Haftungsquoten im Innenverhältnis zwischen Gesamtschuldnern zu berücksichtigen. Zudem sind dem Ermessensspielraum der Gerichte bei einer schadensanteiligen Proportionalhaftung im Zweifel durch die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens Grenzen gesetzt; das ist bei punitive damages und anderen überkompensatorischen Schadensersatzansprüchen anders. Rechtssicherheit ist sicherlich ein Aspekt, der bei der Gestaltung des Haftungsrechts – sowohl aus juristischen als auch aus ökonomischen Gründen – einzubeziehen ist. Sie spricht jedoch nicht grundsätzlich gegen die hier diskutierten Varianten der Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer. b) Teilbarkeit der Schadenstragungspflicht Der entscheidende Unterschied zwischen der schadensrechtlichen Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite und haftungsrechtlichen Einschränkungen auf der Tatbestandsseite durch entsprechende Gestaltung der Anspruchsvoraussetzungen (Verschuldensmaßstab, Schutzpflichten etc.) ist die Teilbarkeit der Schadenstragungspflicht. Bei einer strikten Anwendung des Totalreparationsprinzips, weist das Recht den Schaden stets nur einer Partei zu. So haften beispielsweise Ehepartner, Minderjährige, Schenker, Verleiher nach deutschem Recht (in Situationen, in denen andere Personen schadensersatzpflichtig würden) auf Grund haftungsprivilegierender Merkmale ausnahmsweise 95
S.o. bei § 2, A. m.w.Nachw. Allenfalls im Rahmen einer relativen Haftungshöchstsummenbegrenzungen könnte – je nach rechtlicher Ausgestaltung – dem Richter ein Bewertungsspielraum zukommen, z.B. im Hinblick auf die Größe des geprüften Unternehmens. 96
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nicht – sie haften jedoch stets entweder auf volle Schadenshöhe oder überhaupt nicht. In vielen Fallkonstellationen ist ein solches Ergebnis nicht interessengerecht.97 Das Alles-oder-Nichts-Prinzip impliziert, dass ein Individuum nur ganz oder gar nicht für den bei einem anderen eingetretenen Schaden verantwortlich sein kann, bzw. haftungsrechtlich zur Verantwortung gezogen werden sollte. Hintergrund ist die Annahme, dass die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen, insbesondere das Verschulden, die Verantwortungsbereiche verschiedener Personen exakt voneinander abgrenzen könnten.98 Das erscheint freilich utopisch. Bereits der Umstand, dass die Haftung ausnahmsweise auch bei fahrlässiger Verursachung nach übereinstimmender Auffassung nicht geboten ist, indiziert, dass Graubereiche existieren. Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine unbegrenzte Abschlussprüferhaftung unverhältnismäßig ist, gibt es letztlich überhaupt keine andere Lösung als die Schadensteilung. Den Abschlussprüfer gesetzlich von jeder Haftung für fahrlässige Berufspflichtverletzungen zu befreien, ist undenkbar. Im Verhältnis zu Dritten wäre eine Begrenzung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz – die tatbestandliche Alles-oder-Nichts-Lösung – zwar durchaus zu begrüßen, gegenüber dem Prüfungsmandanten jedoch erschiene eine so weitgehende Privilegierung unangemessen. Es gibt mithin im Rahmen der Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer keine Alternative zur schadensrechtlichen Lösung. Zudem sprechen im Hinblick auf eine „Europäisierung“ auch ganz pragmatische Erwägungen für eine Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite: Eine „Korrektur“ im Haftungstatbestand griffe tief in das allgemeine mitgliedstaatliche Haftungsrecht und das funktionale Gleichgewicht der einzelnen Haftungsmerkmale ein. Die unterschiedliche Bedeutung und Auslegung der Haftungsvoraussetzungen in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen würden zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen, die aus versicherungstechnischen Gründen äußerst problematisch wäre. Aus diesem Grunde ist eine schadensrechtliche Begrenzung nicht nur auf Grund der dadurch ermöglichten Teilbarkeit der Schadenstragungspflicht empfehlenswert. Sie ist auch praktisch die einzige Möglichkeit, das Haftungsrisiko der Abschlussprüfer im Rahmen einer europäischen Initiative sinnvoll zu reduzieren. III. Fazit Im europäischen Vergleich zeigt sich, dass das Gebot der Totalreparation in der Verschuldenshaftung zwar in der Regel gilt, eine Abweichung in Fällen 97 Diese Auffassung hat sich z.B. ebenfalls in der 2008 in Kraft getretenen neuen Fassung des VVG durchgesetzt, in dem das ursprünglich auch dort verankerte Alles-oder-NichtsPrinzip durch eine proportionale Schadensabnahme bei schwerem Verschulden ersetzt wurde (§ 28 Abs. 1 S. 2 VVG). 98 Zweifelnd auch Lange, Schadensersatzrecht, S. 20.
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der Haftungsprivilegierung aber durchaus üblich ist. Eine schadensrechtliche Begrenzung der Haftung ist mithin die Ausnahme, in einem europäischprivatrechtlichem Kontext jedoch kaum systemwidrig. Bei der Abschlussprüferhaftung sprechen die sachlichen Argumente für eine Begrenzung des Haftungsrisikos auf Rechtsfolgenseite. Einschränkungen auf Tatbestandsseite allein führen nicht zu interessengerechten Ergebnissen. Aus diesen Gründen sollte eine schadensrechtliche Haftungsbegrenzung (Höchstsummenbegrenzung, Proportionalhaftung) durchaus in Betracht gezogen werden – sofern eine haftungsrechtliche Privilegierung des Prüfers im Grundsatz verhältnismäßig ist. C. Haftungsprivilegien im Lichte der Kompensationsfunktion Gegenstand des folgenden Abschnitts ist die Frage, inwieweit eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers – jedweder Art – grundsätzlich juristisch vertretbar sein könnte. Die verschiedenen bereits bearbeiteten Problemstränge laufen an dieser Stelle zusammen. Die Untersuchung im ersten Teil dieses Kapitels (§ 5, A.) hat ergeben, dass die Verhaltenssteuerung im Sinne ökonomischer Effizienzsteigerung eine legitime Aufgabe des Rechts ist. Nun aber stellt sich die Frage, um welchen Preis es dieses ökonomische Interesse verfolgen darf. Der zweite Abschnitt dieses Kapitels (§ 5, B.) hat ergeben, dass die schadensrechtliche Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite ein rechtssystematisch legitimes Mittel ist, um eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers juristisch umzusetzen. Jetzt gilt es, die logisch vorangehende, jedoch auf Grund ihrer Komplexität nachgezogene Frage zu erörtern: Kann eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers überhaupt verhältnismäßig sein? Das Hauptproblem liegt in der Beeinträchtigung der Kompensationsinteressen der Geschädigten. Effizienz und Kompensation stehen im Rahmen der Abschlussprüferhaftung miteinander in Konflikt. Es gilt daher zu klären, welcher Stellenwert den ökonomischen Zielen auf der rechtlichen Werteskala zukommt und welchen Grenzen das Kompensationsgebot des Schadensersatzrechts unterliegt; auf diese Weise wird es möglich sein, die Voraussetzungen einer juristisch vertretbaren Haftungsbegrenzung näher bestimmen zu können. I. Zielkonflikt: Effizienz und Kompensation Eine Haftungsbegrenzung zu Gunsten der Abschlussprüfer erschöpft sich nicht in einer einseitigen Privilegierung der Berufsangehörigen mit ökonomisch erfreulichen Nebeneffekten. Ihre Kehrseite ist vielmehr, dass die prüfungspflichtigen Gesellschaften und betroffene Dritte auf einem Teil der Schäden sitzen bleiben, die der Abschlussprüfer zumindest fahrlässig (mit)verursacht hat. Eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung nach den im zweiten Teil der Arbeit aufgestellten Leitlinien würde die Kompensations-
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funktion des Schadensersatzrechts zu Gunsten der wirtschaftlichen Effizienz einschränken. Gegen einen solchen Kompromiss zu Lasten des Ausgleichsinteresses richten sich zahlreiche juristische Gegner einer begrenzten Abschlussprüferhaftung. Gesetzlichen Haftungshöchstgrenzen, wie sie im belgischen, deutschen, griechischen, österreichischen und slowenischen Prüfungsrecht geregelt sind, stehen im Fokus der Kritik: Sie haben zur Folge, dass bei Überschreiten der Haftungshöchstsumme die relative Kompensation der Geschädigten mit steigender Folgenschwere des Eingriffs abnimmt.99 So musste sich das österreichische Bundesverfassungsgericht kürzlich mit der Frage auseinandersetzen, ob die von den Antragstellern als zu niedrig empfundenen Haftungshöchstsummen nicht die verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechte der Schadensersatzgläubiger verletzten.100 Eine Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil ist jedoch ebenfalls nicht unproblematisch, denn sie bürdet dem Geschädigten das Insolvenzrisiko der anderen potentiellen Schadensersatzschuldner, der prüfungspflichtigen Gesellschaft und deren Geschäftsführer auf; seine Aussichten auf Kompensation werden geschmälert, wenn nicht nur eine Person die ihm geschuldete Pflicht verletzt hat. Hinter dem in den Diskussionen um die Abschlussprüfer zu Tage tretenden Konflikt zwischen den Kompensationsinteressen der Geschädigten einerseits und den ökonomischen Gründen gegen eine unbegrenzte Haftung – Funktionsschutz, mangelndes Präventionsbedürfnis – andererseits, stehen nicht nur die unterschiedlichen Wertesysteme von Jurisprudenz und Ökonomie. Hinter dem konkreten Streitpunkt verbirgt sich ebenfalls ein genereller Konflikt „rechtsinterner“ Natur: Es geht um die Frage, welche Wertigkeit anderen Zielen des Haftungsrechts neben der Kompensation zukommt. Bekannt ist dieses Problem aus der langjährigen Debatte um die Präventionsfunktion des Schadensersatzrechts. Ist eine überkompensatorische Haftung aus Gründen der Abschreckung zulässig oder stellt sie vielmehr eine unverhältnismäßige Benachteiligung des Schadensersatzschuldners dar? Vorliegend beschäftigt uns das spiegelbildliche Problem, die unterkompensatorische Haftung zu Lasten des Geschädigten. Es wäre verfehlt anzunehmen, dass die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften im Hinblick auf die Gestaltung von Haftungsregeln durchweg andersartige Ziele verfolgen; tatsächlich existieren eine Reihe von Überschneidungen. Unterschiede bestehen in der relativen Wertigkeit der einzelnen Ziele. So rangiert der Schadensausgleich in der klassischen juristischen Lehre vor der Prävention und anderen Zielen,101 während er in der ökonomi99
W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 179. S.o. bei § 2, B. III. 1. a). 101 Das Schadensersatzrecht dient nach der klassischen Rechtslehre nach wie vor in erster Linie dem Schadensausgleich. Eine präventive Wirkung der Ersatzpflicht ist allenfalls ein „erwünschtes Nebenprodukt“ . Vgl. Larenz, Schuldrecht AT, S. 423. Es gilt weiterhin der Grundsatz „Schadensabnahme vor Prävention.“ Statt vieler s. Deutsch, Haftungsrecht, S. 73; 100
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schen Analyse als bloße „Versicherungsfunktion“ von nur untergeordneter Bedeutung ist.102 Zurückzuführen sind diese Divergenzen letztlich darauf, dass die Disziplinen kollektiven und individuellen Interessen unterschiedliches Gewicht beimessen. Die ökonomische Analyse definiert ihren Richtigkeitsmaßstab im Wesentlichen über das Gemeinwohl und die Allokationseffizienz. Bei Verwirklichung des gesamtgesellschaftlichen Optimums unterstellt sie auch Gerechtigkeit für das Individuum.103 Aus juristischer Perspektive hingegen folgt Gerechtigkeit aus dem Ausgleich aller kollidierenden Interessen auf der Grundlage der Verhältnismäßigkeit.104 In dieser Abwägung können die Anliegen der Gesellschaft durchaus hinter denen Einzelner zurückstehen – insbesondere im Zivilrecht, dem zuoberst die Koordination privater Interessen obliegt. Die unterschiedlichen Konzeptionen müssen jedoch kein Hindernis darstellen, sofern sie sich nicht im Ergebnis ausschließen. Der mangelnde Grenznutzen einer unbegrenzten Abschlussprüferhaftung – der Umstand, dass sie die Qualität der Prüfung nicht wesentlich verbessert und stattdessen zusätzliche Kosten verursacht – ist aus juristischer Sicht kein für sich genommen akzeptabler Grund, die Kompensationsansprüche der Geschädigten zu beschneiden. Aber schließlich erschöpfen sich die ökonomischen Argumente für eine Begrenzung der Haftung nicht in ihrer Präventionswirkung. Sie soll vielmehr dem Schutz einer wirtschaftlich notwendigen und gesellschaftlich bedeutsamen beruflichen Funktion dienen. Auch dem Privatrecht, insbesondere dem Berufs- und Wirtschaftsrecht, ist „die Funktionsfähigkeit (...) eines jener höheren Güter, denen die freien Berufe dienen“105 als Regelungsziel nicht fremd. Juristisch vertretbar ist die Haftungsbegrenzung jedoch nur dann, wenn sie unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen verhältnismäßig ist; es müssen folglich auch solche Interessen Berücksichtigung finden, denen wirtschaftlich kein eigenständiger, d.h. ökonomisch messbarer Wert (Privatautonomie, Kompensation) zukommt. Insofern könnte es, wie im Folgenden diskutiert werden wird, neben dem Schadensausgleich und anderen Zielen des Schadensersatzrechts ebenfalls entscheidend auf die Gewährleistung der wirtschaftlichen Rentabilität der Prüfertätigkeit ankommen. Es gilt das zu tun, was üblicherweise der Vorgehensweise der Rechtsökonomik entspricht, nur umgekehrt: Es sind wirtschaftliche
ders., Allgemeines Haftungsrecht, S. 14.; Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I/2, S. 172; kritisch Möller, Präventionsprinzip, S. 59. Jedoch wird der Prävention in der juristischen Lehre zunehmend mehr Bedeutung beigemessen, s. z.B. Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9, der den Schadensausgleich und die Schadensprävention gleichrangig als Hauptfunktionen des Haftungsrechts bezeichnet. 102 Gelter, WPg 2005, 495. 103 Hierzu s. im Einzelnen oben bei § 3, B. I. 1. a). 104 Medicus, AcP 192 (1992), 35. 105 Basedow, Freiheit, S. 411.
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Ziele in juristische Kategorien zu übersetzen und in die interessenausgleichende Wertung mit einzubeziehen. II. Die Kompensationsfunktion und ihre Grenzen Das Schadensersatzrecht regelt, ob (Haftungsrecht) und in welchem Umfang (Schadensrecht) der bei einer Person eingetretene Schaden auf eine andere verlagert wird.106 Die Schadensumwälzung erfolgt vom Geschädigten auf einen zurechenbaren Verursacher – sofern nicht unmittelbar eine von der Allgemeinheit oder einer Untergruppe getragene Versicherung eingreift.107 1. Regelungsziel: zwischen Rechtsgüterschutz und Freiheit Über die Funktionen des Schadensersatzrechts besteht heute weitgehende Einigkeit:108 Die Schadensumwälzung dient an erster Stelle der Entlastung des Geschädigten (Schadensabnahme). In allen europäischen Rechtsordnungen ist der Ausgleich im Wege der Restitution und Kompensation vorherrschendes Motiv des Schadensersatzrechts.109 Neben den Ausgleich tritt die Schadensprävention.110 Als weitere (Neben)Zwecke des Schadensersatzrechts sind die Genugtuungsfunktion111 und das Prinzip der Rechtsverfolgung anerkannt.112 Der Strafschadensersatz als Vergeltung und Buße für getanes Un106
Statt vieler s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 1 f. Man kann insoweit im Haftungsrecht von den „vier Gleisen des Systems – Vertrag, Delikt, Gefährdung und Versicherung“ sprechen. Vgl. Laufs, Unglück und Unrecht, S. 5. In den skandinavischen Ländern z.B. hat ein umfassendes Versicherungsrecht den Schadensausgleich in Zweipersonenverhältnissen weitgehend verdrängt, so dass dem allgemeinen Schadensersatzrecht lediglich partielle Deckungsfunktion zukommt. Zum schwedischen Recht s. Bengtsson, in: Strömholm (Hrsg.), Swedish Law, S. 297, 298 ff. 108 Divergenzen bestehen jedoch nach wie vor im Hinblick auf die Staffelung der einzelnen Ziele, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Prävention neben der Kompensation den gleichen Rang einnimmt. Hierzu s. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 14. 109 Allgemein hierzu Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9. Zum schwedischen Recht s. Witte, Landesbericht Schweden, in: v. Bar (Hrsg.), Deliktsrecht in Europa, S. 20; Bengtsson in: Strömholm (Hrsg.), An Introduction to Swedish Law, S. 297, 313 ff. Zum deutschen Recht s. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 14.; Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. I/2, S. 172. 110 So bereits Mataja, Das Recht des Schadenersatzes, S. 19 f., 41 f. Aus neuerer Zeit s. Dreier, Kompensation; Möller, Präventionsprinzip; Schlobach, Präventionsprinzip; Sailer, Prävention. 111 Die Genugtuung ist funktional mit der Sanktion des Schädigers verknüpft. Sie ist jedoch von der Intention her nicht auf den Schädiger, sondern auf den Geschädigten gerichtet, dem für erlittene Rechtsverletzungen eine Befriedigung verschafft werden soll. Abgesehen von ihrer Abgrenzung zur Pönal- und Präventionsfunktion einerseits und der Ausgleichsfunktion andererseits, sind die Konturen der Genugtuungsfunktion noch weitgehend unscharf. Hierzu s. Möller, Präventionsprinzip, S. 34 f. m.w.Nachw. 112 Grundlegend Neuner, AcP 133 (1931), 277, 291 f. Nach dem Prinzip der Rechtsverfolgung dient das Schadensersatzrecht der Wiederherstellung. Der Schadensersatzanspruch tritt 107
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recht hingegen ist dem europäischen Rechtsverständnis, anders als dem USameri-kanischen, fremd; er verstößt gegen den ordre public.113 Den schutzwürdigen Kompensationsinteressen der Geschädigten sind jedoch Grenzen gesetzt. Es sind insbesondere die Interessen und Rechte der potentiellen Schadensersatzschuldner, die das Ausgleichsgebot des Schadensersatzrechts beschränken. Die Herausforderung eines jeden Schadensersatzrechts besteht darin, eine Balance zwischen individuellem Rechtsgüterschutz einerseits und persönlicher Freiheit andererseits herzustellen: „People are never legally liable merely because they have caused someone harm.“114 Der Verschuldensgrundsatz115 und andere Haftungsschranken – z.B. der differenzierte Rechtsgüterschutz im deutschen Deliktsrecht – tragen diesem Umstand Rechnung. Ein pauschales Anrecht auf lückenlose Kompensation, eine Garantie der Person und des Vermögens schlechthin, existiert nicht.116 Ginge man davon aus, dass der Zweck des Schadensersatzrechts exklusiv und absolut in der Beseitigung der durch einzelne Rechtsträger erlittenen Einbuße läge, wäre konsequenterweise ein Prinzip der totalen Schadensabnahme einzuführen;117
an die Stelle des verletzten Interesses. S. auch Großfeld, Privatstrafe, S. 78, der insoweit von der „Wiederherstellungsfunktion“ spricht. In Frankreich kennt man die vergleichbare „Garantie der Güter durch die Haftung“. Hierzu s. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 15 m.w.Nachw. 113 Statt vieler s. Stoll, in: FS Rheinstein, S. 569; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 10. Mit den amerikanischen punitve damages vergleichbar sind allenfalls die astreinte im französischen Recht und die sog. exemplary damages (auch: punitive damages) im englischen Recht, die ebenfalls erzieherische sowie pönale (streitig) Zwecke verfolgen und einen Ersatz über den bloßen Ausgleich gewähren. Allerdings sind sie in ihrer Zielsetzung beschränkter als die US-amerikanischen punitive damages. Sie dienen insbesondere nicht zugleich der Prozesskostendeckung. Englische Gerichte sprechen exemplary damages nur selten zu. Im Einzelnen s. Cartwright, Contract Law, S. 265. Im Rahmen der Abschlussprüferhaftung spielen weder die astreinte noch die exemplary damages eine Rolle. Die astreinte ist traditionell ein prozessuales Mittel zur Erzwingung der Leistung in natura (Restitution), wenn von der Höhe der Wertkompensation keine hinreichenden Anreize zur Erfüllung dieses Anspruchs ausgehen. Die Haftung des Abschlussprüfers für fehlerhafte Prüfungen ist jedoch regelmäßig ohnehin auf Schadensersatz neben der Leistung und nicht auf (Nach)Erfüllung gerichtet. Bei den exemplary damages steht der Straf- und Genugtuungsgedanke sogar über der Prävention. Sie setzen entsprechend eine Gesinnung des Täters voraus, welche die Entrüstung der Rechtsgemeinschaft hervorruft und in den gewöhnlichen Abschlussprüferhaftungsfällen gerade nicht vorliegt. Zur astreinte s. im Einzelnen Großfeld, Die Privatstrafe, S. 22–35; zu den exemplary damages s. a.a.O., S. 36–48. 114 Honoré, Responsibility and Fault, S. 7. 115 Schon der Verschuldensbegriff ist das Ergebnis einer Interessenbewertung, die einerseits der Handlungsfreiheit des Schadensverursachers und andererseits dem Integritätsinteresse des Geschädigten Rechnung trägt. Vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 4. 116 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 1 f. 117 Hierzu s. umfassend Möller, Präventionsprinzip, S. 247.
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ein solches Schadenssystem würde sich letztlich selbst ruinieren.118 Um dem Kompensationsgebot absolute Geltung zu verschaffen, müsste der Gesetzgeber eine allgemeine und umfassende Schadensersatzversicherungspflicht oder eine durch den Staat zu regulierende Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit einführen119, die in dieser Form nirgends in Europa besteht. Getreu dem Grundsatz casum sentit dominus ist ein Schaden prinzipiell Angelegenheit des jeweiligen Rechtsgutsinhabers. Er ist der erste Schadensträger.120 Die Schadensabnahme durch einen Verursacher ist – wenigstens rechtsdogmatisch gesehen – eine Ausnahme, über deren Voraussetzungen der Gesetzeber befinden muss.121 Er zieht die Grenze zwischen Unglück und Unrecht; die Rechtsordnung weist dem Anspruchsschuldner die Verantwortlichkeit für den Schaden nach dem Prinzip der adäquat zurechenbaren Verursachung zu.122 Mittels Konkretisierung der Haftungsvoraussetzungen entscheidet der Regelgeber über die Verhältnismäßigkeit der Schadensumwälzung im Sinne eines gerechten Interessenausgleichs im Schadensersatzrecht.123 Der Haftungsgrund dient damit gleichermaßen dem Schutz des Geschädigten wie auch dem des „Schädigers“. 2. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zivilrecht Das private Haftungsrecht ist, wie das Zivilrecht in seiner Gesamtheit, dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit unterworfen.124 Die Haftung und ihre Rechtsfolgen müssen einem legitimen Ziel dienen, sie müssen zu seiner Verwirklichung geeignet sein und die berührten Interessen in einen angemessenen Ausgleich bringen, insbesondere unnötige Härten vermeiden.125 Dieser Grundsatz galt schon in der Antike, verfestigte sich in der Tradition des römischen Rechts und durchzieht die Entwicklung des europäischen Zivilrechts bis heu118
v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 3. Kötz, in: FS Steindorff, S. 643, 644; Möller, Präventionsprinzip, S. 248. 120 Wieacker, JZ 1957, 535, 536. 121 Statt vieler s. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 1; ders., JZ 1968, 721, 721; Wagner, AcP 206 (2006), 351, 454. 122 Laufs, Unglück und Unrecht, S. 8; Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 2 f. 123 Vgl. z.B. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 3; Guski, Sittenwidrigkeit, S. 225; Möller, Präventionsprinzip, S. 104. 124 Zur Wirkung von Grundrechten und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Privatrecht allgemein s. Canaris, JuS 1989, 161; ders., AcP 184 (184), 201. Speziell zum Schuldvertragsrecht Stürner, Grundsatz. Aus Perspektive des common law s. Honoré, Responsibility and Fault, S. 92: „But the pursuit of corrective justice must be tempered by the need to keep a proportion between the burden of compensation that falls on the defendant personally and the gravity of his conduct. There are cases in which it is unjust to hold the defendant liable in the absence of fault and in which, even if he is at fault, the extend of his personal liability should be limited by loss spreading.“ 125 Medicus, AcP 192 (1992), 35, 36 f. 119
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te.126 In den kodifizierten Rechtsordnungen findet das Verhältnismäßigkeitsprinzip entweder in ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen oder als offener Rechtsbegriff seinen Niederschlag.127 Im Schadensersatzrecht soll vorrangig das Verschuldensprinzip einen gerechten Interessenausgleich gewährleisten.128 Von dieser Regel existieren jedoch, wie oben bereits dargelegt wurde, Ausnahmen. Die Höchstsummenbegrenzung für Abschlussprüfer nach deutschem Recht ist lediglich eine Variante. Nicht die Regel alleine, sondern nur ein sorgfältig austariertes System aus Regel, Ausnahme, Gegenausnahme und Unterausnahme kann für ein in diesem Sinne verhältnismäßiges Haftungsrecht Sorge tragen.129 Welche Rolle dem Verfassungsrecht, insbesondere den Grundrechten und dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Haftungsregeln spielt, ist noch nicht abschließend geklärt.130 Das zivilrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip, wie es in den europäischen Rechtsordnungen zum Ausdruck kommt, ist jedoch ein weitgehend eigenständiges Konzept.131 Speziell im Schadensersatzrecht haben die Zivilgesetzgeber und die Rechtsprechung komplexe Systeme zur Bewältigung unterschiedlicher Interessenkonflikte entworfen. Wenngleich verfassungsrechtliche Wertungen in jene grundlegenden Arbeiten naturgemäß mit eingeflossen sind, kann das Privatrecht inzwischen auf eine eigene Tradition und zivilrechtsspezifische Dogmatik zurückgreifen. Aus diesem Grunde ist es sowohl im Hinblick auf das konkrete Problem als auch im Allgemeinen nicht ratsam, aus der verfassungsrechtlichen Warte heraus willkürliche Korrektur- und Reformvorschläge für das geltende Privatrecht zu entwickeln – etwa die Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer an einer grundrechtlichen Abwägung der Art. 12 und 14 GG auszurichten. Ein solches Vorgehen stünde vielmehr in der Gefahr, tragende Strukturen zu unterlaufen132 und die Rechtssicherheit zu beeinträchtigen. Zudem kann das Privatrecht auf eine viel längere europäische Tradition und einen intensiveren Austausch der Rechtsordnungen zurückblicken als das Verfassungsrecht. Auf dem Gebiet der Abschlussprüferhaftung, deren Ausbildung der Gesetzgeber zu großen Teilen den Gerichten überlassen hat, ist die gegenseitige Beeinflussung über Landesgrenzen und Rechtstraditionen hinweg besonders ausgeprägt.133 Auch aus diesem Grunde empfiehlt es 126
Im Einzelnen Wieacker, in: FS Fischer, S. 867 ff. Zum deutschen Recht s. Medicus, AcP 192 (1992), 35, 37 ff. 128 Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 4; Medicus, AcP 192 (1992), 37. 129 In diese Richtung Medicus, AcP 192 (1992), 35, 37. 130 Im Einzelnen s. Medicus, AcP 192 (1992), 35, 40 ff. 131 Hierzu s. Medicus, AcP 192 (1992), 35, 40, der das privatrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit von der „dem Verfassungsrecht eigenen Verhältnismäßigkeit“ unterscheidet. Kritisch hingen Hanau, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 4. 132 Ossenbühl, in: Erbguth (Hrsg.), Abwägung im Recht, S. 25, 33 f. 133 Hierzu s. ausführlich Ebke, in: FS Yamauchi, S. 105, 116. 127
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sich, aus der Perspektive eines zusammenwachsenden Privatrechts in Europa zunächst auf die systemimmanenten Kriterien des verhältnismäßigen Interessenausgleichs zurückzugreifen, anstatt unmittelbar auf die Grundrechte und andere verfassungsrechtliche Institutionen. Zwar bindet die deutsche Verfassung über Art. 3 Abs. 1 GG auch den einfachen Gesetzgeber, sie eröffnet ihm jedoch zugleich einen erheblichen Gestaltungsspielraum.134 Den damit verbundenen Gestaltungsauftrag muss er auch wahrnehmen können, und der Grundrechtsschutz ist insoweit nur eine von mehreren Direktiven.135 In der Mehrzahl der Fälle steht dem Gesetzgeber, insbesondere wenn sich wie typischerweise im Zivilrecht auf beiden Seiten subjektive (Grund)Rechte gegenüber stehen, nicht nur eine einzige verfassungskonforme Entscheidungsmöglichkeit offen.136 Welche er im Ergebnis wählt, kann er unter Berücksichtigung anderer Motive, beispielsweise mit Blick auf die Effizienz der Regelung, befinden. Es ist in diesem Sinne Medicus zuzustimmen, der dem einfachen Gesetzgeber kein „gesetzgeberisches Optimum“, sondern lediglich eine vertretbare gesetzgeberische Entscheidung abverlangt.137 3. Die Verhältnismäßigkeit der Haftung Allgemein gültige Maßstäbe eines verhältnismäßigen und damit gerechten Haftungssystems existieren folglich nicht. Das veranschaulicht alleine schon die Tatsache, dass die Verhältnismäßigkeit als Regelungsmaxime in allen Schadensersatzrechtsordnungen beheimatet ist, unterschiedliche Rechtssysteme jedoch ganz unterschiedliche Grundregeln aufstellen, um ihr gerecht zu werden. Ihnen allen ist indessen gemeinsam, dass sie aus Gründen der Verhältnismäßigkeit in besonderen Situationen Abweichungen von den Prinzipien erlauben, die eigentlich eine verhältnismäßige Schadenallokation zwischen Geschädigtem und zurechenbaren Schadensverursacher gewährleisen sollen: Alle Haftungsrechtsordnungen kennen Haftungsprivilegien. a) Die Regel: ausgleichende Funktion des Haftungsgrundes Die Abwägung zwischen den kollidierenden Interessen des Geschädigten, des Schädigers und der Allgemeinheit erfolgt nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip primär im Haftungsgrund. Die Ausgestaltung der Voraussetzungen und Schranken des Haftungstatbestandes, allen voran das Verschuldenskriteri-
134 Hierzu s. Medicus, AcP 192 (1992), 35, 55, 60, der jedoch das Schwinden dieses Gestaltungsraums bemängelt; Canaris, AcP 184 (1984), 201, 227; ders., JuS 1989, 161, 163. 135 Medicus, AcP 192 (1992), 35, 55. 136 Canaris, JuS 1989, 161, 163. 137 Medicus, AcP 192 (1992), 35, 60.
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um,138 soll die gegenläufigen Rechtspositionen in Einklang bringen. Der Haftungstatbestand legt die Grundsätze für den Ausgleich von Freiheit und Rechtsgüterschutz in einer Gesellschaft fest. Die Prioritäten der Rechtssysteme unterscheiden sich dabei durchaus. So messen beispielsweise Deutschland, Schweden und England dem Schutz von Körper und Leben zwar schadensersatzrechtlich große Bedeutung bei, sie schränken jedoch andererseits den Vermögensschutz zugunsten der Handlungsfreiheit ein.139 Frankreich und Polen dagegen verzichten auf einen differenzierten Rechtsgüterschutz und gewähren auf diese Weise vermögensrechtlichen Positionen eine weiterreichende Bestandsgarantie.140 Wird nach umfassender Evaluation aller Umstände ein Haftungsgrund positiv festgestellt, entscheidet auf Rechtsfolgenseite prinzipiell ausschließlich die Höhe des tatsächlich eingetretenen Schadens über den Umfang des Ersatzanspruchs. Während das Haftungsrecht durch eine Zielvielfalt geprägt ist, gilt im Schadensrecht das Postulat des Schadensausgleichs (nahezu) absolut. b) Das Haftungsprivileg als Ausnahme Das Alles-oder-Nichts-Prinzip muss also dahingehend interpretiert werden, dass die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen dem Interessenausgleich Genüge tun und sich insbesondere „Korrekturen“ auf Rechtsfolgenseite – wie sie für die Abschlussprüferhaftung diskutiert werden – prinzipiell verbieten. Von diesem Grundsatz existieren jedoch, wie bereits erörtert, Ausnahmen,141 in denen auch derjenige, der einen Schaden durch vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzung verursacht hat, nicht oder wenigstens nicht in voller Höhe haften soll. In diesen Fällen kann die Rechtsordnung schadensrechtliche Haftungsbegrenzungen vorsehen (Haftungshöchstgrenzen, Proportionalhaftung, richterrechtliche Reduktionsklauseln) oder besondere Haftungstatbestände schaffen, beispielsweise einen anderen Verschuldensmaßstab festlegen. Ob dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch eine Anpassung der Haftungsvoraussetzungen oder durch Begrenzung der Haftungsfolge entsprochen wird, ist vor allem eine systematische Frage, deren Bedeutung die vorliegende Problemstellung bereits hinreichend deutlich geworden ist. Unter welchen Voraussetzungen eine Haftungsprivilegierung bestimmter Personen überhaupt angemessen ist, bemisst sich nicht danach, auf welche Weise die Haftung des Abschlussprüfers zu begrenzen ist, sondern danach, ob und aus welchen für Gründen seine Haftungsprivilegierung geboten oder wenigstens vertretbar sein könnte. Aus den spezialgesetzlichen Regelungen und den Einzelfallent138
Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, S. 4. S.o. bei § 2, B. II. 2. a) und c). 140 S.o. bei § 2, B. II. 2. d). 141 Hierzu s. im Einzelnen oben bei § 5, B. I. 2. 139
§ 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem
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scheidungen haben sich bislang keine verallgemeinerungsfähigen Kriterien einer Haftungsbegrenzung herausgebildet. Wissenschaft und Rechtsprechung beschäftigen sich ganz vornehmlich mit dem Problem der Haftungsausdehnung, beispielsweise durch Herausbildung besonderer Pflichten (Vertrauens-, Berufshaftung etc.) oder im Hinblick auf den überkompensatorischen Schadensersatz zu Präventionszwecken. Das liegt, wie Canaris kritisch anmerkt, im „Trend der Zeit“.142 Leitlinien für die Haftungsbegrenzung dagegen fehlen.143 Im Folgenden soll daher der Versuch unternommen werden, die einschlägigen Ausnahmeregeln nach Fallgruppen zu ordnen, die ihnen gemeinsamen Grundgedanken herauszuarbeiten und sodann zur Abschlussprüferhaftung in Bezug zu setzen. (1) Verhältnismäßiges Haftungsprivileg: Voraussetzungen Lässt man alleine im deutschen Recht die verschiedenen Haftungsprivilegien einmal Revue passieren, muss man feststellen, dass sie auf den ersten Blick wenig gemeinsam haben; Minderjährige, Geisteskranke, Richter, Eheleute, Eltern, Verleiher, Schenker, Notare, Privatinsolvente und Abschlussprüfer – sie alle haften nicht unter den gleichen Voraussetzungen und im gleichen Umfang wie andere Personen. Ihnen kommt unter bestimmten Umständen eine Haftungsprivilegierung zugute, weil sie als Schädiger besonders schutzwürdig oder die Opfer weniger schutzwürdig sind oder weil ein gewichtiges öffentliches Interesse eine Begrenzung der Haftung erfordert. Eine Einschränkung durchzieht jedoch alle diese Ausnahmefälle: Das Haftungsprivileg findet auf eine bestimmte Fallgestaltung immer nur dann Anwendung, wenn der Verschuldensvorwurf ein relativ geringer ist (d.h. jedenfalls kein Vorsatz vorliegt), weil entweder nur geringes objektives Verschulden vorliegt oder weil schon die Verschuldensfähigkeit eingeschränkt ist. So gilt die Haftsummenbegrenzung nach § 323 Abs. 2 HGB nicht, wenn der Abschlussprüfer vorsätzlich gehandelt hat. Eltern und Ehepartner müssen wenigstens die Sorgfalt angewandt haben, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, um in den Genuss des gesetzlichen Haftungsausschlusses zu kommen (§§ 1359, 1664 BGB). Die Schadensersatzpflichtigkeit Minderjähriger richtet sich nach der alterstypischen und der konkreten Einsichtsfähigkeit.144 Geringes Verschulden allein kann jedoch kein hinreichender Grund für die Haftungsprivilegierung sein. Andernfalls würde der Grundsatz, dass die Erfüllung der allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen zur Schadensumwälzung führt, nicht 142
Canaris, JZ 1987, 993, 995 f. Kritisch daher bereits Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 482, 486, 501 f., der die unbestimmte Fassung der Reduktionsklausel des 43. DJT (1960) bemängelt und Vorschläge zu ihrer Konkretisierung darlegt. 144 Vgl. z.B. die Regelung in § 828 BGB. Im Einzelnen s. hierzu oben bei § 5, B. II. 1. in Fn. 1299. 143
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
nur ausnahmsweise eingeschränkt, ihm würde vielmehr sein Regelcharakter genommen.145 Es muss vielmehr Folgendes gelten: Prinzipiell begründet das Vorliegen der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen146 einen Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den zurechenbaren Schädiger (Regel). Unter bestimmten objektiven Umständen kann die totale Schadensüberwälzung jedoch unverhältnismäßig und der Ausschluss oder die Beschränkung der Haftung daher geboten sein, wenn dies unter Berücksichtigung aller betroffenen Interessen angemessen ist (Ausnahme). Eine solche außerordentliche Haftungsprivilegierung ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Verhalten des Schädigers in besonderem Maße vorwerfbar ist (Gegenausnahme).147 Der geringe Verschuldensvorwurf ist, mit anderen Worten, kein Grund für die Haftungsprivilegierung, doch ist bei geringem Verschulden eine Haftungsprivilegierung aus anderen Gründen nicht von vornherein ausgeschlossen. Trifft den Schädiger hingegen ein schwerer Verschuldensvorwurf, verwirkt er sein haftungsrechtliches Privileg. Eine Begrenzung der Haftung verbietet sich bei Vorsatz und besonders schwerwiegender Außerachtlassung der im Verkehr gebotenen Sorgfalt auch aus Präventionsgründen. Diesem Gedanken entspricht auch die Fassung der Reduktionsklausel nach dem Entwurf des 43. Deutschen Juristentages aus dem Jahre 1960. Die Reduktionsklausel definiert in Absatz 1 die objektiven Umstände, die zur Begrenzbarkeit der Ersatzpflicht führen: „Ist der Schaden im Hinblick auf die Ersatzpflicht begründenden Umstände außergewöhnlich hoch, so kann das Gericht die Ersatzpflicht insoweit einschränken (...).“ In Absatz 2 formuliert sie die Gegenausnahme: „Eine Einschränkung der Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, soweit der Ersatzpflichtige (.....) den Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.“ Offen bleibt leider die entscheidende Frage, welches die „die Ersatzpflicht begründenden Umstände“ sind, die eine Ausnahme rechtfertigen.148 Da es, soweit ersichtlich, bislang an einer entsprechenden systematischen Aufarbeitung fehlt, emp145
Hierzu s. Deutsch, JZ 1969, 721, 725; Sandmann, Haftung der Arbeitnehmer, S. 81. Hierzu können neben Schaden, Verschulden und Kausalität ggf. auch ein bestehendes Schuldverhältnis, die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts oder einer besonderen Pflicht zählen. 147 Deutsch, JZ 1969, 721, 725. Der Grundsatz, dass das Verschulden als Tatbestandsmerkmal keinen Einfluss auf den Haftungsumfang hat, soll im Falle der Haftungsprivilegierung keine Anwendung finden, weil hier die Nichthaftung die Regel ist und der Haftung als Ausnahme Warnfunktion zukommt. Hierzu s. auch Sandmann, Haftung der Arbeitnehmer, S. 81. 148 Kritisch insoweit auch Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 484 ff, der anmerkt, die Formulierung der DJT-Reduktionsklausel schaffe zusätzliche Probleme, da sie die „außergewöhnliche Schadenshöhe“ in Bezug zu den die „Ersatzpflicht begründenden Umständen“ setze. Andere Rechtsordnungen hätten auf diese Einschränkung verzichtet und die Kriterien der Haftungsbegrenzungen im Fallrecht entwickelt. 146
§ 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem
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fiehlt sich ein Blick auf die Fallgruppen, in denen Haftungsprivilegien existieren. (2) Fallgruppen Um die Problematik der Abschlussprüferhaftung besser in den rechtsdogmatischen Gesamtzusammenhang einordnen zu können, sind die möglichen Fallgruppen der Haftungsprivilegierung, inklusive der die Ausnahme begründenden Kriterien, im Folgenden kurz darzustellen. Eine Haftungsprivilegierung kommt insbesondere in Betracht, wenn (1) der Schädiger generell oder im Verhältnis zum Geschädigten besonders schutzbedürftig ist, (2) der Geschädigte generell oder im Verhältnis zum Schädiger wenig schutzwürdig ist oder wenn (3) der Haftungsausschluss bzw. die Haftungsprivilegierung einem Interesse der Allgemeinheit dient, das gegenüber dem Kompensationsinteresse der Geschädigten überwiegt.149 In allen diesen Fällen beruht die Ausnahmeregel auf der Überlegung, dass die Anwendung der allgemeinen Haftungsregeln auf Grund der besonderen Umstände keinen gerechten Interessenausgleich herzustellen vermag. Besondere Schutzwürdigkeit des Schädigers: Wenn der Schädiger auf Grund persönlicher Merkmale generell oder wenigstens relativ im Verhältnis zum Geschädigten als besonders schwach und schutzwürdig einzustufen ist, kann seine Haftung aus sozialen Gründen und Billigkeitserwägungen ausgeschlossen oder beschränkt werden, weil seine volle Inanspruchnahme sozial unerwünschte Folgen hätte bzw. gegen das Übermaßverbot verstieße.150 Dies gilt insbesondere, wenn die (volle) Haftung den Schuldner in eine Notlage versetzen oder sein Fortkommen schwer beeinträchtigen würde.151 Dieser Gruppe sind vor allem die – im deutschen Recht bereits im Haftungstatbestand – eingeschränkte haftungsrechtliche Verantwortlichkeit von Minderjährigen (§ 828 BGB), aber beispielsweise auch die Restschuldbefreiung in der Privatinsolvenz (§§ 286-303 BGB), zuzuordnen.152 Der schuldfreie Eintritt in das Er149
Die hier vorgeschlagene modellhafte Einteilung nach Fallgruppen ist weder abschließend noch die einzig sinnvolle Möglichkeit, die bestehenden Ausnahmeregeln und Einzelfallentscheidungen zu ordnen. Zum Vergleich s. auch den teilweise abweichenden Vorschlag von Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 501 f. 150 Hierzu s. eingehend Canaris, JZ 1987, 993. 151 Stoll, RabelsZ 34 (1970), 481, 502 Nr. 4. 152 Die Tatsache, dass die Haftungsprivilegierung zu Gunsten Minderjähriger nach deutschem Recht nicht alleine auf deren reduzierte Verschuldensfähigkeit zurückzuführen ist, belegt die in § 829 BGB geregelte Gegenausnahme: Hiernach besteht die Ersatzpflicht ausnahmsweise auch dann, wenn der Schadensverursacher auf Grund von Minderjährigkeit, Bewusstlosigkeit oder eines die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustands nach den §§ 827, 828 BGB nicht für den Schaden verantwortlich ist, sofern Billigkeitsgründe, insbesondere die „Verhältnisse der Beteiligten“, eine Schadloshaltung des Geschädigten erfordern.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
wachsenenalter bzw. die Möglichkeit eines Neuanfangs kann schwerer wiegen als die Kompensationsinteressen des Geschädigten.153 Vor diesem Hintergrund gibt es in der deutschen Rechtssprechung und Literatur Bestrebungen, den Schutz Minderjähriger vor ruinös hohen Schadensersatzansprüchen über die Wortlautgrenzen des § 828 BGB hinaus auszudehnen und ihre haftungsrechtliche Inanspruchnahme auf Grundlage des § 242 BGB (Einwand der unzulässigen Rechtsausübung) wenigstens dann auszuschließen, wenn der Geschädigte versichert oder wirtschaftlich deutlich besser gestellt ist.154 Derselbe Gedanke findet sich auch im DCFR wieder, der eine Beschränkung der Haftung für unvorsätzliche Schadensverursachung vorsieht („where it is fair and reasonable to do so“), wenn die Totalreparation im Hinblick auf die Verantwortlichkeit des Schuldners, das Ausmaß des Schadens oder die Möglichkeiten zur Schadensvermeidung unverhältnismäßig ist (Art. VI 6: 202 DCFR).155 Geringe Schutzwürdigkeit des Geschädigten: Eine Haftungsprivilegierung kann ebenfalls geboten sein, wenn die allgemeinen Haftungsregeln auf Grund besonderer Umstände eine gerechte Abgrenzung der Risikosphären von Schädiger und Geschädigtem nicht herzustellen vermögen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Geschädigte an der Verursachung des Schadens mitgewirkt, ihn selbst hätte verhindern können oder wenn er auf den schadensersatzrechtlichen Schutz willentlich verzichtet hat, jedoch ebenfalls, wenn die Übernahme des Risikos, das sich letztlich in dem Schaden verwirklicht hat, in seinem Interesse erfolgt ist. In all diesen Fällen ist der Geschädigte weniger schutzwürdig. Die wohl am weitesten verbreitete Ausprägung dieses Grundsatzes ist der Einwand des Mitverschuldens (§ 254 BGB), der sich in dieser oder ähnlicher Form in allen europäischen Rechtsordnungen findet.156 Außer im französischen Recht ist es in allen europäischen Rechtsordnungen möglich, durch Vereinbarung einer Freizeichnungsklausel sowohl auf den vertraglichen als auch auf den außervertraglichen schadensersatzrechtlichen Schutz zu verzichten.157 Dogmatisch weniger vertieft worden ist bislang die Frage, inwieweit das Interesse des Geschädigten an der Übernahme eines Risikos durch den „Schädiger“ Einfluss auf das Ausmaß dessen Haftung hat und haben sollte. Grund-
153 154
So die Argumentation des LG Bremen NJW-RR 1991, 1432, 1434. Vgl. LG Bremen NJW-RR 1991, 1432, 1434; a.A. das LG Dessau VersR 1997, 242,
245. 155
Die Vorschrift erfasst den gegengesetzten Fall zu § 829 BGB, da hier nicht ein (vermögender) Schadensverursacher auch mangels Zurechenbarkeit des Schadens haften, sondern vielmehr ein Schadensverursacher mit geringem Vermögen trotz Zurechenbarkeit des Schadens nicht haften soll. 156 S. z.B. Honoré, Responsibility and Fault, S. 89. 157 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 575.
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sätzlich obliegt jedem das Schadensrisiko der eigenen Rechtsgüter (casum sentit dominus). Jenseits der gesetzlich bestimmten Ausnahmefälle kann eine Person einer anderen auch freiwillig, im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung oder durch faktisches Handeln, ein Risiko abnehmen oder es in deren Sinne überhaupt erst eingehen. Der Arzt, der eine gesundheitlich indizierte Operation durchführt, geht im Interesse und mit Einwilligung des Patienten ein Schadensrisiko ein, das ungleich höher ist als die Risiken des gewöhnlichen sozialen Umgangs. Die Gefahr, dass der Arzt den Patienten körperlich schwer schädigt und sich deswegen haftbar macht, ist in der Operationssituation wesentlich konkreter, als wenn er sich lediglich als Fahrradfahrer im Straßenverkehr bewegen würde. Obwohl der Arzt dieses Risiko überhaupt erst im Interesse des Patienten auf sich nimmt, macht er sich typischerweise in vollem Umfang schadensersatzpflichtig, wenn er den Tod zurechenbar verursacht; die alternative Kausalität ist irrelevant. Für die Übernahme seines gesteigerten Haftungsrisikos im Zuge seiner Berufsausübung kompensiert ihn sein Honorar. In den meisten Vertragsverhältnissen ist dies üblich und deswegen wird die volle Haftung gemeinhin auch als gerecht angesehen. In vielen Berufsfeldern werden Haftungsrisiken heute regelrecht „verkauft“; so betrauen Unternehmen häufig allein aus Haftungsgründen einen externen Rechtsanwalt und nicht ihren eigenen Syndikus mit riskanten Projekten. Es gibt hingegen auch Situationen, in denen der spätere Schädiger freiwillig und (teilweise) unentgeltlich für jemanden Verantwortung übernimmt und damit ein erhöhtes Haftungsrisiko eingeht. Auch unter solchen Umständen kann eine Haftungsprivilegierung geboten sein. Es wäre widersprüchlich, wenn der Geschädigte alle Vorteile aus einer schadensträchtigen Handlung genießen, aber weder eine Entlohnung leisten, noch das Schadensrisiko selbst tragen müsste. Vor diesem Hintergrund existieren beispielsweise im deutschen Recht Haftungsprivilegien für den unentgeltlich und einseitig Leistenden. Der Leiher und der Schenker haften nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.158 Das in der Rechtsprechung entwickelte Arbeitnehmerhaftungsprivileg bedient sich ebenfalls jenes Argumentationsmusters.159 Nach ständiger Rechtsprechung haftet der Arbeitnehmer bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten für leichteste Fahrlässigkeit nicht, für mittlere Fahrlässigkeit anteilig und nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz prinzipiell voll.160 Zwar erhält der Arbeitnehmer eine Vergütung, in den einschlägigen Fällen musste man aber davon ausgehen, dass diese nicht hoch genug war, um ihn für die Übernahme des vollen Risikos seiner Tätigkeit zu entlohnen. Die Quote der anteiligen Haftung be-
158
§§ 521, 599, 680 BGB. Andere Rechtsordnungen wenden in diesen Fällen die richterliche Reduktionsklausel an. Hierzu s.o. bei § 5, B. I. 2. b). 159 S.o. bei § 5, B. I. 2. b). 160 S.o. bei § 5, B. I. 2. b) mit entsprechenden Nachweisen.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
stimmt sich demnach auch nach der Gefahrengeneigtheit der Arbeit und dem dafür bezogenen Entgelt.161 Überwiegende Interessen der Allgemeinheit: Eine Haftungsprivilegierung kann ebenfalls geboten sein, wenn andernfalls Interessen der Allgemeinheit beeinträchtigt sind, die gegenüber den individuellen Kompensationsinteressen der Geschädigten überwiegen. Eine besondere Gestaltung des Schadensersatzrechts ist beispielsweise notwendig, um dem besonderen Charakter der gesellschaftlichen Institutionen Familie und Ehe zu entsprechen. Das deutsche Recht beschränkt den Verschuldensmaßstab auf die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (§§ 1359, 1664 BGB). Andere europäische Rechtsordnungen (z.B. Polen, Schweden) wenden in solchen Fallgestaltungen die richterrechtliche Reduktionsklausel an.162 Auf Interessen der Allgemeinheit ist jedoch beispielsweise auch das im europäischen Kontext äußerst umstrittene deutsche Spruchrichterprivileg gerichtet (§ 839 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Richter ist für Fehlurteile nur haftbar, wenn in der Pflichtverletzung gleichzeitig eine Straftat liegt. Die Haftungsprivilegierung dient dem Schutz der Rechtskraft gesprochener Urteile, der Wahrung von Rechtsfrieden und der Effizienz der Justiz163 sowie nach teilweise vertretener Meinung ebenfalls der verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit.164 Man mag darüber streiten, ob das deutsche Recht auf Grundlage dieser konkreten Interessenabwägung zu einem sachgerechten Ergebnis gekommen ist und ob die öffentlichen Ziele (Rechtssicherheit, richterliche Unabhängigkeit) tatsächlich überwiegen. Unstreitig ist jedoch, dass bei der Gestaltung des Schadensersatzrechts nicht nur die individuelle Schutzwürdigkeit des Schädigers und des Geschädigten, sondern auch das Interesse an funktionsfähigen gesellschaftlichen Institutionen zu berücksichtigen ist.165 Dieser Umstand ist vor allem auch für das Berufshaftungsrecht relevant, da erhebliche Haftungsrisiken die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von Professionen bedrohen, die eine gesellschaftlich bedeutsame Funktion erfüllen.166 In den USA beispielsweise nahm das Arzthaftungsrisiko in den 1980er Jahren solche Ausmaße an, dass sich die Mediziner zunehmend von Fachgebieten abwandten, die als besonders risikoreich galten, und sich stattdessen auf andere Bereiche spezialisierten.167 Entsprechende Entwicklungen können die Bedingungen eines gesellschaftlichen Zusammen-
161
Vgl. z.B. BAG JuS 1995, 210. S.o. bei § 5, B. I. 2. b) und § 5, B. II. 1. 163 MünchKommBGB/Papier, § 839 Rn. 323; Bender, Staatshaftungsrecht, Rn. 754. 164 So noch BGHZ 50, 14, 19 f.; Leipold, JZ 1967, 737, 739. Hingegen a.A. die wohl heute h.M. Statt vieler s. MünchKommBGB/Papier, § 389 Rn. 323. 165 Grundlegend zum Institutionenschutz im Privatrecht s. Raiser, in: Summum Ius, Summa Iniuria, S. 145; Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 245. 166 Statt vieler s. Hübner, NJW 1989, S. 5–11. 167 Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 f. und Fn. 278. 162
§ 5 Die effiziente Abschlussprüferhaftung im Rechtssystem
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lebens akut gefährden. Aus kollektiver Sicht soll die Haftung zwar ein adäquates Qualitätsniveau sicherstellen, nicht aber von der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten insgesamt abschrecken.168 Eine Haftungsprivilegierung ausgewählter Berufe ist daher erwägenswert. Häufig werden mehrere der im vorangehenden Abschnitt aufgeführten Kriterien in einer privilegierenden Sonderregel zusammentreffen. Ein Abweichen von den allgemeinen Haftungsregeln ist letztlich nur insoweit vertretbar, als die umfassende Abwägung aller berührten Interessen eine Begrenzung oder den Ausschluss der Haftung gebietet. Neben den genannten Hauptgründen spielen unter Umständen weitere Aspekte im Hinblick auf die Vertretbarkeit der Haftungsprivilegierung eine Rolle (z.B. Versicherung, Verhältnis zwischen Verschulden und Schadenshöhe). An zunehmender Bedeutung könnte jedoch ein anderer Gedanke gewinnen: Eine Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite ist unter Umständen als Ausgleich für eine Ausweitung des Haftungsgrundes erforderlich. Es handelt sich hierbei nicht um eine eigene Fallgruppe der Haftungsprivilegierung. Vielmehr kann die allgemeine Vermutung, dass der Haftungsgrund Risikogerechtigkeit schafft, widerlegt werden. Die Regel besagt schließlich, dass eine Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite deswegen nicht erforderlich ist, weil im Allgemeinen bereits die Voraussetzungen des Tatbestandes einen gerechten Interessenausgleich herstellen; den Haftungsvoraussetzungen kommt insoweit auch eine haftungsbegrenzende Funktion zu.169 Nun gibt es jedoch Bestrebungen, einige dieser traditionellen Haftungsschranken zu lockern und dadurch den Kompensationsinteressen der Geschädigten mehr Gewicht im Haftungsgrund beizumessen. Zum Teil haben sich diese Bestrebungen durchgesetzt; so beispielsweise in der Ausdehnung des außervertraglichen Vermögensschutzes im deutschen und englischen Recht.170 Diese Rechtsentwicklungen passen das Schadensersatzrecht zwar aktuellen Bedürfnissen der Gesellschaft an, was jedoch nicht bedeutet, dass sie automatisch zu gerechten Ergebnissen führen, d.h. einen verhältnismäßigen Interessensausgleich erzielen. In diesem Sinne ist beispielsweise anerkannt, dass der Verzicht auf das Verschuldenserfordernis in der Produkthaftung im Gegenzug die Einführung einer Haftungshöchstsummenbegrenzung rechtfertigt (vgl. § 10 ProdHaftG). Aus vergleichbaren Gründen ist auch im Rahmen der Berufshaftung zu fragen, ob die Expansion des Pflichtenkreises bestimmter Professionen, etwa die
168 Rechtsökonomisch muss man insoweit zwischen einer Abschreckung auf dem Sorgfaltsniveau und einer Abschreckung auf dem Aktivitätsniveau unterscheiden. Hierzu s.o. bei § 4, A. II. 1. a) (1) (a) und § 4, A. II. 1. a) (1) (b). 169 S.o. bei § 5, C. II. 1. und 2. m.w.Nachw. 170 Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. II. 2. a) und § 2, B. II. 2. c) (1).
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
Ausdehnung der Schutzpflichten auf Dritte, nicht ebenfalls ein Gegenkorrektiv verlangt. (3) Einordnung der Abschlussprüferhaftungsproblematik Den Fallgruppen sind zwar keine zwingenden Regeln für die Gestaltung des Haftungsrechts für Abschlussprüfer zu entnehmen, doch ergeben sich aus ihnen Argumentationsmuster, die für die vorliegende Fragestellung relevant sein könnten. Ein Haftungsausschluss aus Billigkeitsgründen kommt für den Abschlussprüfer als Berufsträger nicht in Betracht. Relevant sind jedoch sowohl die zweite (verminderte Schutzwürdigkeit des Geschädigten) als auch die dritte Gruppe (überwiegende Interessen der Allgemeinheit). Dass die Haftungsbegrenzung aus wohlfahrtsökonomischer Perspektive wünschenswert ist, wurde im zweiten Teil ausführlich dargelegt. Das kollektive Interesse am Schutz bestimmter beruflicher Funktionen im Allgemeinen und der Jahresabschlussprüfung im Besonderen kann gegenüber dem individuellen Ausgleichsinteresse eines Geschädigten überwiegen. Entscheidend ist freilich, wie schutzwürdig – im Verhältnis – die Kompensationsinteressen der Geschädigten, der prüfungspflichtigen Gesellschaft und Dritter, sind. Im Hinblick auf den Mandanten ist insoweit zu bedenken, dass es bei der Verteilung eines durch vertragliche Fehlleistung entstandenen Schadens praktisch ohnehin immer nur darauf ankommt, wer sich gegen diesen drohenden Schaden versichert. Da der Leistung des Abschlussprüfers und der damit verbundenen freiwilligen Schadensrisikoübernahme eine Gegenleistung gegenüber steht, erfolgt der Ausgleich für ein höheres oder geringeres Schadensrisiko der beteiligten Parteien auf diesem Wege. Entweder hat der Abschlussprüfer höhere Kosten, weil er das Schadensrisiko versichert, und veranschlagt im Gegenzug höhere Gebühren oder umgekehrt. Hinzu kommt, dass das Prüfungsunternehmen bzw. seine Organe stets eine Mitverantwortung an einem fehlerhaften Jahresabschluss tragen.171 Das Unternehmen ist zudem nicht darauf angewiesen, sich auf die Sachkunde des Abschlussprüfers zu verlassen, sondern könnte den Jahresabschluss anderweitig kontrollieren lassen, wenn das Schadensrisiko so hoch wäre, dass sich dies lohnte. Die vertragliche Beziehung zwischen dem Abschlussprüfer und seinem Mandanten sowie die – in Grenzen – freie Gestaltbarkeit ihres Verhältnisses mindern die Schutzwürdigkeit des prüfungspflichtigen Unternehmens auch, wenn letzteres nicht privatautonom auf den schadensrechtlichen Schutz verzichtet, sondern eine gesetzliche Haftungshöchstgrenze insoweit die Entscheidung der Vertragsparteien ersetzt; die vertragliche Haftungsbegrenzungsvereinbarung ist im Hinblick auf die Kompensationsinteressen ohnehin kaum problematisch.172 171 172
Statt vieler s. Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 338. Hierzu s. unten bei § 6, B. I. 3.
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Für die Dritthaftung, insbesondere im Hinblick auf die Vertretbarkeit ihres weitgehenden Ausschlusses, sind die Argumentationsmuster der zweiten Fallgruppe einschlägig. Nicht die Dritten, sondern die prüfungspflichtige Gesellschaft entlohnt den Abschlussprüfer für seine Tätigkeit. Aktionäre und Unternehmenskäufer beispielsweise, die ihre Kaufentscheidung auf die im Jahresabschlussbericht enthaltenen Daten stützen, beziehen insoweit einen unentgeltlichen Dienst. Es ist daher zunächst zu klären, weshalb und unter welchen Voraussetzungen eine Abwälzung ihres Schadensrisikos auf den Abschlussprüfer geboten ist.173 III. Schlussfolgerungen Zwar gewährleisten die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen in der Regel einen gerechten Interessenausgleich, doch ist, selbst wenn sie vorliegen, nicht stets eine volle Reparation des eingetretenen Schadens angemessen. Diesem Umstand tragen das einschlägige Fallrecht und zahlreiche Spezialgesetze Rechnung. Ob die in Ausnahmefällen erforderliche Anpassung der allgemeinen Haftungsgrundsätze bereits im Rechtsgrund erfolgt oder durch eine Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite umgesetzt wird, ist – darüber können auch rechtsvergleichend gewonnene Erkenntnisse nicht hinwegtäuschen – in erster Linie eine Wertungsfrage. Die entscheidende Frage, ob eine Haftungsprivilegierung überhaupt verhältnismäßig ist, weil die regelungsbedürftigen Fakten ein Abweichen von der Regel erfordern, kann nur eine umfassende Abwägung aller betroffenen individuellen und kollektiven Interessen beantworten. Eine entsprechende Einordnung der Haftungsprivilegierung in die allgemeine Systematik fehlt indes bislang. Aus den existierenden Ausnahmetatbeständen lassen sich lediglich relevante Kriterien destillieren und Argumentationsmuster ableiten. Eine zwingende Vorgabe, wie der Gesetzgeber das Haftungsrecht für bestimmte Interessenkonstellationen zu gestalten hat, lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Kenntnissen für eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers ziehen? Nach dem jetzigen Stand der Untersuchung ist festzuhalten, dass eine Begrenzung der Berufshaftung, sei es durch Einführung einer Haftungshöchstsumme, sei es durch Festsetzung von Maßstäben für eine proportionale Schadensteilung, zumindest nicht von vornherein und prinzipiell juristisch unvertretbar ist. Die zu Beginn dieses Kapitels dargelegten Einwände haben ihre Berechtigung, sind jedoch keine absoluten Ausschlussgründe. Die Durchsetzung kollektiver Interessen mittels Verhaltenssteuerung ist eine legitime Funktion des Zivilrechts, und die Haftungsbegrenzung auf Rechtsfolgenseite ist weder systemwidrig noch in ihrer kompensationsbeschneidenden Wirkung per se unverhältnismäßig. Ein 173
Hierzu s. ausführlich unten bei § 6, A. I. und § 6, B. II.
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abschließendes Urteil darüber, in welchem Maße und in welcher Form eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers juristisch (am besten) vertretbar ist, erfordert jedoch eine umfassende Begutachtung und Gewichtung der betroffenen Interessen, wobei der Blick stets auf die im Raum stehenden Haftungsmodelle zu richten ist. Von Bedeutung sind insoweit die Kompensationsinteressen der Geschädigten einerseits, die Vermögens- und beruflichen Interessen des Abschlussprüfers andererseits, sowie schließlich das Interesse an der Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und funktionsfähigen Jahresabschlussprüfung.
§ 6 Leitlinien einer juristisch vertretbaren Haftungsbegrenzung Ziel dieses letzten Kapitels ist es nunmehr, nach den rechtstheoretischen Vorarbeiten der vorangehenden Abschnitte, Leitlinien für eine sowohl ökonomisch sinnvolle als auch juristisch vertretbare Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer zu entwickeln. Das vorige Kapitel hat einige gängige Vorurteile gegen die Haftungsbegrenzung zur Steigerung wirtschaftlicher Effizienz als solche entkräftet, die eigentlichen Kritikpunkte zugleich herausgearbeitet und relativiert. Eine Begrenzung der Haftung ist nicht schon deswegen ausgeschlossen, weil sie primär durch das öffentliche Interesse motiviert ist und trotz Vorliegens der Haftungsvoraussetzungen eine Reduktion des Ersatzanspruchs vorsieht; eine Haftungsprivilegierung des Abschlussprüfers ist aus verschiedenen Gründen und auf unterschiedliche Weise denkbar. Die Haftungsprivilegierung muss jedoch insbesondere im Hinblick auf die dadurch beeinträchtigten Kompensationsinteressen der Schadensersatzgläubiger verhältnismäßig sein. Dem Gesetzgeber steht bei der Abwägung kollidierender Interessen im Schadensersatzrecht ein relativ weiter Ermessensspielraum zu.174 Es gilt daher nicht, ein „einzig richtiges“ Abschlussprüferhaftungssystem zu entwerfen, sondern die aus juristischer und ökonomischer Sicht maßgeblichen Kriterien aufeinander zu beziehen, um Vorgaben für eine sachgerechte Lösung zu entwickeln. In allen Rechtsordnungen haben sich bestimmte Grundregeln der Haftung herausgebildet, von denen die diskutierten Haftungsbegrenzungen für Abschlussprüfer Ausnahmen bilden. So gilt im deutschen Haftungsrecht prinzipiell, dass der in einem Vertragsverhältnis vorsätzlich oder fahrlässig verursachte Schaden in vollem Umfang zu ersetzen ist. Da die Legislative der Kohärenz des Gesetzes und dem Gleichbehandlungsgebot verpflichtet ist, bedürfen solche Ausnahmen eines speziellen Grundes. In diesem Sinne soll der erste Abschnitt des vorliegenden Unterkapitels zwar keine erneute umfassen174
S.o. bei § 5, C. II. 2.
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de Interessenabwägung vornehmen, er soll aber verschiedene Argumente erörtern, die grundsätzlich für eine haftungsrechtliche Sonderbehandlung des Abschlussprüfers sprechen; insbesondere im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot sind in diesem Zusammenhang Parallelen zu vergleichbaren Interessenkonstellationen anderer Berufsgruppen zu ziehen. Der zweite Abschnitt wird die unterschiedlichen Gestaltungsvariablen eines begrenzten Abschlussprüferhaftungsregimes anhand ihrer Bedeutung für die Gewichtung widerstreitender Interessen diskutieren und hieraus einen Vorschlag für ein ökonomisch sinnvolles und juristisch vertretbares Haftungsmodell entwickeln. Wie im Schadensersatzrecht üblich, stehen sich im Abschlussprüferhaftungsrecht einerseits die Interessen der potentiell Geschädigten, der prüfungspflichtigen Gesellschaft und Dritter, sowie andererseits die Freiheits- und Vermögensinteressen des Abschlussprüfers gegenüber. Im Folgenden sind die Gründe darzulegen, aus denen der Abschlussprüfer ausnahmsweise nicht für jeden Schaden, den er infolge eines Prüfungsfehlers fahrlässig verursacht, in vollem Umfang haften sollte. Zwei Hauptargumentationsstränge sind entscheidend: Erstens ist das Abschlussprüferhaftungsrecht Berufshaftungsrecht, dessen Gestaltung faktisch und bestimmungsgemäß nicht nur Individual- sondern auch solche kollektiven Interessen berührt, die zum Teil für eine Haftungsbegrenzung sprechen. Da entgegen der vorherrschenden Meinung in der Rechtsökonomik das kollektive Interesse der Gemeinschaft nicht exklusiver Maßstab der Gestaltung des Privatrechts ist, sind zweitens die individuellen Ausgleichsinteressen der prüfungspflichtigen Gesellschaft und Dritter zu begutachten. Insbesondere ist zu erörtern, ob deren mangelnde Schutzwürdigkeit eine Einschränkung ihrer Ersatzansprüche ausnahmsweise rechtfertigen könnte. A. Das kollektive Interesse an der Berufshaftung Abschlussprüferhaftungsrecht ist in erster Linie Berufshaftungsrecht, ein Teilgebiet des Schadensersatzrechts und seit langem von stetig wachsender Bedeutung. I. Bedeutung der (freien) Berufe in der modernen Gesellschaft Das objektive Kriterium der Berufsangehörigkeit einer selbstständig am Markt und im Rechtsverkehr auftretenden Person ist zunehmend zum Anknüpfungspunkt erweiterter Pflichten, Anforderungen und Verantwortungsbereiche geworden – unabhängig von den individuellen Fähigkeiten und dem subjektiven Willen des potentiell Haftenden. Hintergrund dieser rechtlichen Entwicklung ist eine soziologische. Die wachsende Diversifizierung und Spezialisierung menschlichen Wissens verlagert einen großen Anteil der Verantwortung für die Wohlfahrt einer Gesellschaft auf so genannte „Experten“.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
1. Organische Gesellschaft: Arbeitsteilung und Vertrauen Der Eintritt einer Gesellschaft in die Moderne zeichnet sich Durkheim zufolge durch den Übergang von der mechanischen zur organischen Gemeinschaft aus.175 Im Unterschied zur mechanischen Gesellschaft, in der Menschen weitgehend autonom zusammenleben und jeweils selbst die eigene Lebensgrundlage sicherzustellen vermögen, ist die organische Gesellschaft durch die Arbeitsteilung geprägt. Unterschiedliche Personen üben unterschiedliche Funktionen aus und verpflichten sich dadurch dem gemeinschaftlichen Vorhaben. Das Überleben der Gesellschaft sowie auch das eines jeden Einzelnen ist von der Kooperation der Mitglieder abhängig. Die durch die Arbeitsteilung ermöglichte Spezialisierung bringt viele Vorteile mit sich, sie ermöglicht das, was man gemeinhin als „gesellschaftlichen Fortschritt“ bezeichnet. Die Spezialisierung in allen Lebensbereichen ist ein wesentliches Merkmal unserer Gesellschaft. Das humboldtsche Ideal des Universalgelehrten ist eben allenfalls noch Ideal, in der Realität jedoch weit vom Menschenmöglichen entfernt. Die moderne Volkswirtschaft lebt von einer effektiven Arbeitsteilung und der damit einhergehenden hohen Professionalisierung seiner Fachkräfte. In der Folge steigt die Komplexität des Wirtschafts-, aber auch des alltäglichen sozialen Lebens in einem Maße, das für das einzelne Individuum nicht mehr zu meistern ist. Die Arbeitsteilung bedingt eine Interdependenz der Gesellschaftsmitglieder, die mit zunehmender Spezialisierung steigt. Nicht nur die „ökonomische Macht“ im traditionellen marxschen Sinne, nicht nur die Verfügungshoheit über Kapital, formen die Kräfteverhältnisse in der modernen Gesellschaft. Mit dem zunehmenden Wissensgefälle geht eine wachsende Abhängigkeit der Laien von der Sachkunde der Experten einher: Der Nichtfachmann ist gezwungen, sich darauf zu verlassen, dass der Fachmann seine Leistung auf dem erwartet hohen fachlichem Niveau erbringt;176 Sachkunde wird zur „gesellschaftlichen Institution“.177 Ein gewisses Vertrauen des Individuums in die Fähigkeit und die Bereitschaft seiner Mitmenschen, die angenommenen oder ihnen zugewiesenen sozialen Aufgaben zu erfüllen, bildet daher die Basis einer jeden funktionsfähigen organischen Gesellschaft. In größeren und daher anonymeren Gemeinschaften ersetzt die durch ein soziales Rollenverständnis geschaffene objektivierte Erwartungshaltung das persönliche Vertrauen. Besondere Bedeutung kommt in modernen Gesellschaften dem Berufsbild als Anknüpfungspunkt dieses generalisierten Vertrauens zu. Die Stellung des Experten nehmen nicht nur die so genannten alten Professionen oder Freiberufler – Ärzte, Anwälte, 175
Durkheim, The Division of Labour in Society, S. 68 ff. Hopt, AcP 183 (1983), 608, 656; Baus, ZVglRWiss 103 (2004), 219, 251; Land, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 163. 177 Teubner, in: Campbell/Collins (Hrsg.), Imlicit Dimensions of Contract, S. 333. 176
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Notare und Wirtschaftsprüfer –, sondern auch Vertreter neuerer Spezialgebiete ein, etwa der IT-Fachmann ebenso wie der Gebrauchtwagenhändler in Akerlofs Beispiel.178 Die Gesellschaft schreibt ihnen allen eine objektivierte, vom individuellen Berufsträger losgelöste Rolle zu, die den geschäftlichen Kontakt wesentlich prägt und die persönliche Beziehung überlagert. In erster Linie ist die professionelle Rolle, in der ein Berufsträger am Markt auftritt, Grund für die besondere Erwartungshaltung des Gegenübers: Die dahinter stehende Person, ihre konkrete Erfahrung und Sachkunde, ist allenfalls nachrangig; der Patient vertraut seinem Doktor nicht nur, weil er ihn möglicherweise kennt, sondern vor allem deswegen, weil er Arzt ist. Dieses Vertrauen ist sowohl dem Vertrauensinhaber zurechenbar als auch gesellschaftlich notwendig.179 Es ist daher gleichermaßen förderungs- und schutzwürdig. Über die besondere Bedeutung, die den gesellschaftlich modellierten Berufsbildern im schnelllebigen und großteils anonymisierten Wirtschaftsverkehr zukommt, kann die Rechtsordnung nicht hinwegsehen180 – und sie tut es auch nicht. 2. Aufbau und Schutz des berufsbezogenen Vertrauens In der modernen, arbeitsteiligen Gesellschaft sind wichtige soziale Funktionen, sofern der Staat sie nicht selbst wahrnimmt, unterschiedlichen Berufsgruppen zugewiesen. Es ist ein gesellschaftliches Grundbedürfnis, die Qualität und die Verfügbarkeit beruflicher Leistungen sicherzustellen und ein standardisiertes Vertrauen in bestimmte berufliche Rollen zu fördern. Dieses Bestreben kommt in vielen Teilen des Berufsrechts zum Ausdruck: in besonderen Zulassungsvoraussetzungen, speziellen ethischen Verhaltensanforderungen, der Berufsaufsicht sowie der Regulierung der Berufsausübung, insbesondere in Form von Wettbewerbsbeschränkungen (Werbeverbote, festgesetzte Tarife, Berufszugangsbeschränkungen) und nicht zuletzt im Berufshaftungsrecht. Berufsrecht als „Teil des privaten Marktrechts“181 unterstützt und ergänzt den Marktmechanismus, der berufliche Leistung vielfach weder zu bemessen noch zu kontrollieren vermag.182 Das gilt sowohl für die Abschlussprüfung als auch für andere berufliche Tätigkeiten. Eine soziale und rechtliche Sonderstellung nehmen traditionell die sogenannten freien Berufe ein, zu denen auch die Wirtschaftsprüfer zählen. Sie sind rechtsordnungsübergreifend
178
Akerlof, 84 Quart. J. Econ. 488 (1970). Hierzu s.o. bei § 3, A. II. 2. a). Zum Vertrauen als Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität s. grundlegend Luhmann, Vertrauen. 180 Grundlegend Hopt, AcP 183 (1983), 608 ff. 181 Hopt, AcP 183 (1983), 608, 655. 182 Hierzu s.o. bei § 3, A. II. 2. a). 179
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
als soziale Gruppe mit eigenständigem Rollenverständnis183 anerkannt, der ein besonders hohes Maß an gesellschaftlicher Verantwortung zugewiesen wird;184 das Europäische Parlament bezeichnet sie gar als „Pfeiler des Pluralismus und der Unabhängigkeit in einer Gesellschaft“.185 Die Angehörigen freier Berufe üben vielfach Tätigkeiten aus, die für das Über- und das soziale Zusammenleben in einem Gesellschaftsverbund essentiell sind (z.B. Ärzte, Rechtsanwälte und Notare). Andere sind Träger des kulturellen und geistigen Erbes einer Gesellschaft (z.B. Künstler, Journalisten und Wissenschaftler). In ihrem Wesensgehalt und ihren Anforderungen unterscheiden sich die Professionen teilweise erheblich. Ihnen allen ist jedoch gemeinsam, dass ein übergeordnetes Gemeininteresse an der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit und der Qualität ihrer Arbeit besteht. Die unterschiedlichen europäischen Rechtsordnungen186 und das Europarecht definieren die freien Berufe zwar nicht einheitlich, es existieren aber eine Reihe gemeinsamer Merkmale.187 Ihre Leistung ist bestimmungsgemäß von besonders hohem fachlichem Niveau, wenig standardisierbar und von der persönlichen Verantwortung des Leistungserbringers geprägt. Im Vordergrund steht sowohl für den einzelnen Leistungsempfänger als auch für die Freiberufler im Wettbewerb untereinander die Qualität der Leistung, nicht ihre Quantität. Wenngleich der Freiberufler regelmäßig auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages tätig wird, so gehört es dennoch zu den besonderen Merkmalen seiner Tätigkeit, dass er nicht nur privaten, sondern auch öffentlichen Interessen verpflichtet ist.188 So ist der Rechtsanwalt nicht nur Parteienvertreter, sondern zugleich Organ der Rechtspflege, der Arzt muss neben dem Patientenwohl auch dem Gesundheitssystem insgesamt dienen und der Wirtschaftsprüfer führt die Jahresabschlussprüfung nicht nur als Dienstleistung für die prüfungspflichtige Gesellschaft, sondern im Interesse der Allgemeinheit durch.189 Oftmals ist die Unabhängigkeit wesentlicher Bestandteil ihres Berufsbildes. Das Vertrauen in 183
Aufschlussreich war insoweit auch die Bezeichnung der freien Berufe als eigenständige Gruppe des Wirtschafts- und Soziallebens in Art. 257 EGV. Hierzu s. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 198. 184 Statt vieler s. Poll, Haftung der freien Berufe, S. 23 f. 185 Vgl. Europäisches Parlament, Entschließung zu Marktregelungen und Wettbewerbsregeln für die freien Berufe vom 16.10.2003, B5-0432/2004, Erwägungsgrund A. 186 Zum deutschen Recht vgl. die Definition in § 1 Abs. 2 PartGG. 187 Ausführlich hierzu s. Heckendorn, Haftung freier Berufe: zu den nationalen Regelungen a.a.O., Rn. 151 ff.; zum Europarecht a.a.O., Rn. 135 ff.; zu den übergreifenden Merkmalen a.a.O., Rn. 166 ff. 188 S. Europäisches Parlament, Bericht über das Follow-Up zum Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen vom 12.10.2006, A6-0272/2006 endg., Erwägungsgrund J: „in der Erwägung, dass (...) bestimmte freiberufliche Dienstleistungen als öffentliches Gut gelten können“. 189 S.o. § 1, A.
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diese Unabhängigkeit und die hohe fachliche Kompetenz prägt das Verhältnis zwischen dem Freiberufler und seinem Dienstherrn. Im Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Rolle und in Anbetracht der Tatsache, dass sich fachliche Kompetenz am besten durch fachliche Kompetenz kontrollieren lässt,190 haben sich viele freiberufliche Gruppen zu berufsständischen Körperschaften (z.B. Wirtschaftsprüfer-, Rechtsanwalts- und Ärztekammern) zusammengeschlossen, die Qualifikation und Zugang ihrer Berufsangehörigen regulieren und eine Berufsaufsicht ausüben, sofern dies mit der Natur der Profession vereinbar ist. Von der Qualitätskontrolle191 profitieren freilich nicht zuletzt auch die individuellen Berufsträger, denen die gesellschaftliche Achtung, die ihr Berufsstand genießt, auch wirtschaftlich zu Gute kommt. Die Europäische Kommission und der Rat sind zwar seit Jahren bemüht, das Berufsrecht im Sinne des freien Marktes und der Verwirklichung des freien Wettbewerbs zu liberalisieren, insbesondere durch Aufhebung solcher beruflichen Regelungen, die primär den wirtschaftlichen Interessen der Freiberufler und nicht dem Schutz berufsethischer Werte dienen. Sie haben dieses Vorhaben bislang jedoch nur partiell umsetzen können.192 Die freien Berufe nehmen nach wie vor sowohl in den nationalen Rechtsordnungen als auch im europäischen Privatrecht eine Sonderstellung ein. II. Berufliche Expertise – ein haftungsrechtlich relevanter Umstand? Der Wirtschaftsprüfer in seiner Eigenschaft als Jahresabschlussprüfer nimmt als Inhaber besonderer Expertise eine zentrale Funktion in der Gesellschaft wahr. In welcher Weise aber wirkt sich die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe haftungsrechtlich aus? Wie eingangs bereits angedeutet, kann der Umstand, dass einer Person nicht irgendein, sondern ein spezifisch berufliches Fehlverhalten vorzuwerfen ist, in zweierlei Hinsicht zu einer Interessenverschiebung im Schadensersatzrecht führen: Da es ein wichtiges Anliegen einer jeden Gesellschaft ist, dass bestimmte berufliche Aktivitäten nicht nur mit großer Sorgfalt und Sachkunde, sondern zunächst einmal überhaupt ausgeübt werden, ist es notwendig, das Haftungsniveau auf einem Maß anzusetzen, das für einen Privaten (wirtschaftlich) tragbar ist. Die Haftungsbegrenzung kann ein Weg sein, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit besonders haftungsrisikoreicher Tätigkeiten oder auch nur wichtige Merkmale einer Profession (z.B. die Unabhängigkeit des Berufsträgers) sicherzustellen. Das Interesse der Gemeinschaft tritt in diesen Fällen in Konkurrenz zu den Ausgleichsinteressen der Geschädigten. Berufliche Sachkunde ist jedoch 190
Zum Problem der effektiven Qualitätskontrolle von freiberuflichen Dienstleistungen durch den Markt s. Sunder, WPg 2003, 141, 142 sowie m.w.Nachw. oben bei § 3, A. II. 2. a). 191 Speziell für Abschlussprüfer s. § 57 a WPO. 192 Im Einzelnen s. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 50 ff.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
ebenfalls ein Anknüpfungspunkt besonderer rechtlicher Erwartungen. Gerade weil der Berufsträger eine besondere Sachkunde besitzt, eine besondere Vertrauensstellung innehat und eine sozial relevante Funktion erfüllt, erlegt ihm das Gesetz weitergehende Pflichten auf als dem durchschnittlichen Normenadressaten.193 Das Berufshaftungsrecht ist auch ansonsten vielfach strenger als das allgemeine Schadensersatzrecht. Es steigert somit das ohnehin hohe Haftungsrisiko einzelner Berufsgruppen, deren Tätigkeit bereits faktisch ein sehr hohes originäres Schadensrisiko innewohnt, das sich schon infolge geringer Nachlässigkeit verwirklichen kann. Es ist daher denkbar, dass die gesellschaftlich bedingte Belastung individueller Berufsstände mit außerordentlichen Haftungsrisiken im Gegenzug eines Ausgleichs – einer Haftungsbegrenzung – bedarf, um nicht die Funktionsfähigkeit der beruflichen Tätigkeit zu gefährden oder die individuellen Interessen der Berufsträger in unverhältnismäßigem Maße zu beschneiden. 1. Beruflicher Funktionsschutz Bestimmte Berufsgruppen tragen als Private ganz wesentlich zu einem funktionsfähigen Gesundheits- (Ärzte), Rechts- (Anwälte) und Wirtschaftssystem (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) bei. Für die soziale Wohlfahrt der Gemeinschaft sind diese Voraussetzungen nicht minder wichtig als beispielsweise die Gewährleistung eines adäquaten Ausbildungs- oder Verwaltungssystems, derer sich der Staat vorwiegend selbst annimmt. Die Leistung des Freiberuflers erfolgt daher, auch wenn sie im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrages erbracht wird, im allgemeinen Interesse. Aus diesem Grunde ist die Berufshaftung ein zweischneidiges Schwert: Zwar kann sie die schädlichen Folgen einer fachlich mangelhaften beruflichen Leistung bereits im Vorfeld verhindern oder wenigstens (teilweise) ausgleichen, sie kann aber ebenfalls einem prinzipiell erwünschten und notwendigen Verhalten – der Berufsausübung als solcher – im Wege stehen. Ausnahmsweise treten im privaten Haftungsrecht kollektive Interessen der Gemeinschaft neben die individuellen Interessen der Berufsträger und ihrer geschädigten Geschäftsherren. Dem Patienten, der Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers geworden ist, ist selbstverständlich daran gelegen, einen Ausgleich für den ihm entstandenen Schaden zu erhalten. Auf der anderen Seite hat jedoch die Allgemeinheit, die Gruppe aller zukünftig potentiell Kranken, ein Interesse daran, dass es auch weiterhin fähige Ärzte gibt, die bereit sind, ihren Beruf auszuüben.194 Diese außerordentliche Interes-
193
Hierzu s. Teubner, in: Campbell/Collins (Hrsg.), Implicit Dimensions of Contract, S. 333, 344. 194 Zu den Gefahren einer existenzgefährdenden Haftung für das Gesundheitssystem s. Katzenmeier, Arzthaftung, S. 44 f. und Fn. 278.
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senlage kann nach den im vorigen Kapitel (§ 5) dargelegten Grundsätzen195 eine Haftungsprivilegierung des Berufsträgers erfordern. Die besondere gesellschaftliche Relevanz der Abschlussprüfung wurde im ersten und zweiten Teil der Arbeit bereits hinlänglich hervorgehoben. Eine funktionsfähige und qualitativ hochwertige Jahresabschlussprüfung ist für die Transparenz und mithin Effizienz der europäischen Kapital- und Finanzmärkte sowie nicht zuletzt für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Europa von institutioneller Bedeutung. Es besteht daher auch ein legislatorisches Bedürfnis, für ein entsprechendes Angebot zu sorgen, wenn der Markt alleine dazu nicht in der Lage ist.196 Wie sich aus den Ergebnissen des zweiten Teiles ergibt, ist eine unbegrenzte Haftung der Prüfer der Verlässlichkeit von Jahresabschlüssen nicht dienlich. Sie kann vielmehr für die Qualität der Prüfung negative Nebenwirkungen entfalten (defensive auditing, fly-by-night-risk etc.) und stellt insbesondere eine Gefahr für die wirtschaftliche Lebensfähigkeit des Prüferberufs – und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung – dar.197 Eine Begrenzung der Prüferhaftung nach den im fünften Kapitel (§ 5) aufgestellten Leitlinien dient der (volks)wirtschaftlichen Effizienz und ist damit im Interesse der Allgemeinheit. Die schadensersatzrechtliche Privilegierung des Abschlussprüfers – der (partielle) Ausschluss seiner Ersatzpflicht trotz Vorliegens der allgemeinen Haftungsvoraussetzungen – könnte daher ausnahmsweise geboten sein, sofern die Kompensationsinteressen der Geschädigten nicht dagegen sprechen. 2. Ausgleich für außerordentliche Haftungsrisiken Das zweite Argument, das für eine haftungsrechtliche Sonderbehandlung des Abschlussprüfers spricht, ist rechtsdogmatischer Natur. Die Regel, dass die allgemeinen Voraussetzungen des Haftungsgrundes einen gerechten Interessenausgleich herbeiführen, gilt im Rahmen der Abschussprüferhaftung nicht von vorneherein. Der Grund liegt darin, dass die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen, die nicht zuletzt auch haftungsbeschränkende Funktion haben, im Berufshaftungsrecht – speziell auch im Abschlussprüferhaftungsrecht – teilweise außer Kraft gesetzt sind und sich in ständigem Wandel befinden. Mit den rechtspolitischen und soziologischen Ursprüngen dieser Tendenz hat sich der vorangehende Abschnitt befasst; Hintergrund ist die herausgehobene gesellschaftliche Bedeutung bestimmter Berufsstände. Im Folgenden steht die rechtsdogmatische Ebene der Berufshaftungsproblematik im Vordergrund. Es soll der These nachgegangen werden, dass die allgemeinen Haftungsgrundsät195
Im Einzelnen s. die unter § 5, C. II. 3. b) (2) aufgestellten Fallgruppen. Zum Problem der Qualitätskontrolle auf den Märkten für die Leistungen von Freiberuflern im Allgemeinen und auf dem Prüfungsmarkt im Besonderen s.o. bei § 3, A. II. 2. a). 197 Im Einzelnen s.o. bei § 4, D. 196
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
ze als Instrument des Interessenausgleichs eng mit der dichotomischen Struktur des Schadensersatzrechts verknüpft sind, die strikte Unterteilung in vertragliche und deliktische Haftung dem modernen Phänomen der Berufshaftung jedoch nicht gerecht wird. Die übliche Schlussfolgerung – bei Vorliegen des Haftungsgrundes sei eine volle Haftung verhältnismäßig – kann daher bereits dem Grunde nach nicht zutreffen. a) Berufshaftung in der schadensersatzrechtlichen Dichotomie Das Berufshaftungsrecht ist kein eigenständiger Haftungsgrund. Es ist (bislang) lediglich ein Oberbegriff für ähnliche Merkmale des Haftungsrechts unterschiedlicher Professionen.198 Die Privatrechtsordnungen Europas unterteilen das Schadensersatzrecht grundsätzlich in zwei Kategorien, in die vertragliche und die außervertragliche Haftung.199 Die vertragliche wurzelt dabei im Gegensatz zu der außervertraglichen Haftung in der privatautonomen Bindung des Verpflichteten, in dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis.200 Sie ist somit relativer und nicht absoluter Natur. In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich in ihrer historischen Entwicklung und Rechtstradition erheblich unterscheiden, mag dieser Befund verwundern. Man muss zu Recht die Frage aufwerfen, ob die Dichotomie von Vertrag und Delikt nun auf 198
Katzenmeier, Arzthaftung, S. 93. Man kann sicherlich aus rechtstheoretischer und rechtshistorischer Perspektive – insbesondere bei vergleichender Betrachtung unterschiedlicher Rechtsordnungen – zu Recht die Frage aufwerfen, ob ein Haftungstatbestand als solcher überhaupt „vertraglich“ sein kann oder ob Haftung nicht vielmehr grundsätzlich als Teil des Deliktsrechts zu begreifen ist. Insbesondere in Fällen, in denen nicht das vertragliche Erfüllungsinteresse betroffen ist, mag die Zuordnung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zum Vertragsrecht nicht zwingend erscheinen. Im Rahmen der vorliegenden Themenstellung führt diese Frage jedoch zu weit. Vgl. hierzu vertiefend z.B. Kegel, Vertrag und Delikt. Wie die Untersuchung im Zuge dieses Kapitels weiter ausführen wird, sind die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung oft nicht klar definiert; unterschiedliche Rechtsordnungen ziehen die Grenzen zwischen den Haftungsinstituten teilweise anhand unterschiedlicher Kriterien. So werden z.B. von der vertraglichen Haftung nach englischem Recht nicht die gleichen Sachverhaltskonstellationen erfasst wie nach deutschem Recht. S. nur oben bei § 2, B. II. 2. c) (2). Als „Denkkategorien“ bietet sich die Unterscheidung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung dennoch an: Denn die Tatsache, dass zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Zeitpunkt der Schädigungshandlung bzw. des Schadenseintritts ein vertragliches Verhältnis bestand, beeinflusst Inhalt und Begründung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit für den Schaden teilweise erheblich; ein Umstand, der gerade auch für die zutreffende Einordnung der Berufshaftung entscheidend ist. Im übrigen ist jedenfalls die terminologische Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung in den hier betrachteten europäischen Rechtsordnungen üblich und daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zweckmäßig. 200 Der Rechtsgrund der außervertraglichen Haftung, im Rahmen derer dem Konzept der „Rechtswidrigkeit“ entscheidende Bedeutung zukommt, ist weniger leicht greifbar. S. hierzu z.B. den umfassenden Überblick bei Jansen, Struktur des Haftungsrechts. 199
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Zufall oder Evolution zurückzuführen oder gar Ausdruck des „gemeinsamen kulturellen Erbes Europas“ ist.201 Tatsache ist jedenfalls, dass alle europäischen Rechtsordnungen heute das Schadensersatzrecht nach vertraglichen und deliktischen Haftungsgründen aufteilen, obgleich – wie das Beispiel der Berufshaftung anschaulich belegt – die Grenzen fließend sein können. (1) Die schadensersatzrechtliche Dichotomie und ihre Grenzen Die Differenzierung zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung ergibt sich aus der Natur der verletzten Pflicht, der Beziehung zwischen den Beteiligten und dem verletzten Schutzgut. Der Grund für die vertragliche Haftung liegt im Kern in der Verletzung einer privatautonomen Vereinbarung. Das Gesetz zieht den Schadensersatzschuldner zur Verantwortung, weil er das einem anderen freiwillig gegebene Versprechen gebrochen hat. Die vertragliche Schadensersatzpflicht ist mithin eine relative, die nur zwischen den Vertragparteien besteht. Als Kernaufgabe des Deliktsrechts betrachten dagegen viele Rechtsordnungen traditionell den absoluten Schutz (gegenüber jedem) von Körper und Eigentum sowie anderen hochrangigen Rechtsgütern.202 In diesem Sinne beschränken das schwedische und deutsche Recht die außervertragliche Ersatzfähigkeit von reinen Vermögensschäden prinzipiell auf besonders verwerfliche Begehungsformen (Vorsatz, Straftat). Im common law ist die außervertragliche Haftung für fahrlässig verursachte reine Vermögensschäden erst seit Hedley Byrne (1964) nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen.203 Die Materien der Berufshaftung allgemein und der Haftung des Abschlussprüfers im Besonderen zeichnen sich dadurch aus, dass sie vielfach weder eindeutig dem Vertrag noch dem Delikt zugeordnet werden können. Indiz hierfür ist schon die unterschiedliche Klassifizierung identischer Grenzfälle in unterschiedlichen Rechtsordnungen: So lösen das deutsche und österreichische Recht eine Haftung für fehlerhafte Informationen gegenüber vertragsfremden Dritten über (quasi-)vertragliche Haftungsinstitute, während in anderen EU-Mitgliedstaaten das Deliktsrecht Anwendung findet.204 Die vertragliche und deliktische Haftung sind keine autonom nebeneinander stehenden abgeschlossenen Systeme. Schon die prinzipielle Anerkennung der Konkurrenz vertraglicher und deliktischer Ersatzansprüche – mit Ausnahme des französischen Rechts, das vom Grundsatz des non-cumul ausgeht – indiziert, dass Schnittbereiche existieren. Zudem können vertragliche Abspra201 Zur historischen Entwicklung der Dichotomie s. umfassend m.w.Nachw. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 811 ff. 202 Zur Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden in den europäischen Privatrechtsordnungen s.o. bei § 2, B. II. 2. 203 Hedley Byrne & Co Ltd. v. Heller & Partners Ltd. [1964] AC 465. Hierzu s.o. bei § 2, B. II. 2. c) (1). 204 S.o. bei § 2, B. II. 2.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
chen die außervertragliche Haftung modifizieren205 sowie umgekehrt gesetzliche Regelungen und Wertungen auf die vertragliche Haftung durchschlagen. Besonders deutlich zeigt sich die partielle Kongruenz der vertraglichen und der deliktischen Haftungsinstitute jedoch im Prozess der judikativen Erschließung neuer Gebiete des Haftungsrechts, zu denen insbesondere auch das Berufshaftungsrecht gehört. Die Restriktivitäten und Einschränkungen des einen führen, wie die rechtsvergleichende Betrachtung veranschaulicht, regelmäßig zu einer Ausdehnung des Schutzbereichs des anderen Haftungsinstituts. Die verhältnismäßig restriktiven schadensersatzrechtlichen Systeme (Deutschland, England, Schweden) sind durch gesellschaftliche Entwicklungen immer wieder vor die Herausforderung gestellt worden, ihre Schutzbereiche an die neuen Umstände anzupassen;206 die auf hochabstrakten haftungsrechtlichen Generalklauseln nach französischem Vorbild beruhenden Systeme hingegen können auf solche Veränderungen flexibel reagieren. Im common law herrscht ein sehr striktes Verständnis von der Relativität der vertraglichen Beziehung vor, das auf der Doktrin des privity of contract basiert und durch das consideration-Erfordernis gestärkt wird;207 im skandinavischen Recht ist die Lage ähnlich.208 Entsprechend haben Ausdehnungen des Haftungsrechts – im Bereich fahrlässig verursachter Vermögensschäden, ideeller Schäden etc. – stets den Weg über das Deliktsrecht gesucht. Im englischen Recht hat diese Entwicklung unter anderem das tort of negligence hervorgebracht und später dessen Erstreckung auf reine Vermögensschäden begünstigt.209 Im deutschen Recht dagegen hat die Enge der gesetzlich statuierten deliktsrechtlichen Tatbestände den spiegelbildlichen Trend ausgelöst: Die (quasi-)vertragliche Haftung ist zum Einfallstor für „neue“ Ersatzansprüche geworden. Man denke nur an die nunmehr kodifizierten Haftungsinstitute der culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2) und der Sachwalterhaftung (§ 311 Abs. 2 BGB), an den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter und an die bereitwillige Anerkennung konkludent geschlossener Auskunftsverträge durch die Rechtsprechung.210 Die Dritthaftung des Abschlussprüfers nach englischem und deutschem Recht verdeutlicht, wie willkürlich die Unterteilung des Schadensersatzrechts nach vertraglichen und deliktischen Anspruchsgrundlagen bisweilen erscheint. Beide Rechtsordnungen entscheiden Dritthaftungsfälle sachlich ähn205
Ausnahme ist insoweit wiederum das französische Recht, da der Grundsatz des noncumul eine vertragliche Abdingbarkeit der außervertraglichen Haftung grundsätzlich ausschließt. Hierzu s.o. bei § 5, B. I. 2. b). 206 S.o. bei § 2, B. II. 2. a) und c). 207 S.o. bei § 2, B. II. 2. c). 208 Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 1333. 209 S.o. bei § 2, B. II. 2. c) (1). 210 S.o. bei § 2, B. II. 2. a).
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lich, setzen ihr vergleichbar restriktive Grenzen.211 Das englische Recht ordnet die Problematik in den deliktsrechtlichen Kontext ein, während das deutsche Recht den vertraglichen Weg beschreitet. In Konstellationen, die weder dem Kernbereich des vertraglichen noch des deliktischen Haftungsrechts unterliegen, entscheidet über die anwendbare Haftungsgrundlage letztlich weder die Natur der verletzten Pflicht noch die Beziehung der Parteien zueinander oder das verletzte Rechtsgut. Vorrangige Bedeutung kommt vielmehr der Opferfreundlichkeit und der Flexibilität einer Haftungsgrundlage zu.212 (2) Vertrag – Beruf – Delikt Der Beruf als solcher hat sich zwar entsprechenden Vorstößen auf wissenschaftlicher Seite213 zum Trotz nicht als eigenständiger Haftungsgrund neben Vertrag und Delikt durchgesetzt, er strahlt aber auf die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Berufsangehörigen aus. Die gesteigerten Erwartungen, die mit dem beruflichen Rollenverständnis verbunden sind, finden teilweise in haftungsverschärfenden Sonderregeln ihren Ausdruck, teilweise beeinflussen sie die Auslegung allgemeiner Haftungsinstitute. Unabhängig davon, ob der Schadensersatzanspruch formal aus Vertrag oder aus Delikt abgeleitet wird: Der Experte haftet nicht nur, weil er ein Versprechen gebrochen oder eine (absolut) unerlaubte Handlung begangen hat. Er haftet immer auch – und manchmal nur deswegen weil – er die auf ihn gesetzten berufsbezogenen Erwartungen enttäuscht hat. Rechtsordnungsübergreifend ist man sich in Europa der haftungsrechtlichen Relevanz dieser Problematik grundsätzlich bewusst. Die jeweiligen Rechtssysteme messen ihr jedoch unterschiedliche Bedeutung bei und setzen verschiedene Schwerpunkte; ein Umstand, der sich auch in dem abweichenden terminologischen Gebrauch des Begriffs der Berufshaftung widerspiegelt. Ein besonders weites Verständnis hat sich in Frankreich etabliert, wo die responsabilité professionelle die zivilrechtliche Verantwortlichkeit eines selbstständig erwerbstätigen Angehörigen jedweder Profession bezeichnet.214 Nach einer engeren Definition, die in England (professional liability), Skandinavien sowie in Deutschland beheimatet ist, umfasst die Berufshaftung speziell die schadensersatzrechtliche Verantwortlichkeit besonders hoch qualifizierter Fachkräfte, sogenannter „Experten.“215 Im deutschen Rechtskreis hat sich der Begriff darüber hinaus als Synonym für die zwischen Vertrag und 211
S.o. bei § 2, B. II. 2. c) (2). Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 1301 ff. 213 Grundlegend hierzu Hopt, AcP 183 (1983), 608 ff. 214 Im Einzelnen s. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 162. Von einem ähnlich weiten Begriffsverständnis geht auch Hirte aus, wobei er den Anwendungsbereich jedoch auf die dienstleistenden Berufe beschränkt. Vgl. Hirte, Berufshaftung, S. 2 f. 215 Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 163. 212
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
Delikt angesiedelte Informationshaftung Sachverständiger für reine Vermögensschäden gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten durchgesetzt.216 Einigkeit besteht rechtsvergleichend insoweit, als sich der Beruf als potentieller Grund der Haftung – insbesondere ihrer Erweiterung – weitgehender Akzeptanz erfreut, während die berufsbedingte Haftungsprivilegierung eine Ausnahme bleibt. Ihr wird insbesondere der Vorwurf einer unangemessenen Bevorzugung entgegengehalten. Berufliches Fehlverhalten ist schließlich, in den Worten Hirtes „bei Dienstleistungen ebenso an der Tagesordnung wie im Bereich des Kaufrechts, wo noch niemand eine Abschaffung der Bestimmung über die Mängelgewährhaftung wegen der darin für den Verkäufer liegenden Belastung vorgeschlagen hat.“217 Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, worin der mögliche Unterschied liegt, der eine Haftungsprivilegierung einzelner Berufsgruppen rechtfertigen könnte. b) Die Abschlussprüferhaftung zwischen Vertrag und Delikt Die Expertenhaftung im Allgemeinen und die des Abschlussprüfers im Speziellen hat sich in vielen ihrer Ausprägungen so weit vom Kern der Vertragshaftung und vom Kern der Deliktshaftung entfernt, dass systemimmanente Mechanismen der Haftungsbegrenzung – Privatautonomie im Vertragsverhältnis, Relativität des Vertragsverhältnisses, relative Restriktivität der außervertraglichen Haftung – nicht mehr greifen. Das gilt sowohl in der Beziehung zum jeweiligen Auftraggeber als auch im Verhältnis zu vertragsfremden Dritten. Der Grund für die vertragliche Haftung liegt, wie oben dargelegt, in der Verletzung einer willentlich eingegangenen Pflicht. Gemeinhin obliegt es einem jeden, die Grenzen seines freiverantwortlich übernommenen Haftungsrisikos selbst zu gestalten; insbesondere ist daher der Kreis der potentiellen Inhaber vertraglicher Haftungsansprüche in aller Regel überschaubar. Die Haftung gegenüber Vertragsfremden dagegen besitzt typischerweise einen engeren sachlichen Schutzbereich und setzt die Verletzung einer Pflicht voraus, die gegenüber jedermann gilt. Das Besondere an der Berufshaftung liegt nun darin, dass Gesetz und Rechtsprechung zum einen die Privatautonomie der Berufsträger im Verhältnis zum Vertragspartner im Zuge einer zunehmenden Materialisierung des Schuldvertragsrechts218 wesentlich beschränken und ihm somit die Möglichkeit nehmen, sein Haftungsrisiko innerhalb der vertraglichen Beziehung selbst zu regulieren. Zum anderen erweitern sie seine Pflichten gegenüber Vertragsfremden teilweise erheblich, indem sie entweder 216
I.d.S. Büttner, Dritthaftung von Experten; Sprenger, Internationale Expertenhaftung. Hierzu s. auch Hirte, Berufshaftung, S. 2, 412. 217 Hirte, Berufshaftung, S. 1. 218 Hierzu grundlegend Canaris, AcP 200 (2000), 273. Speziell zur Berufshaftung („Objektivierung“ der Vertragshaftung von Berufsträgern) s. Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 1269, 1326.
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die Relativität des vertraglichen Haftungsrechts lockern, um die Restriktivität des deliktischen Haftungsrechts zu untergraben (deutsches Recht),219 oder aber das relativ restriktive des deliktischen Haftungsrechts erweitern und so die Relativität des Vertragsverhältnisses umgehen (englisches Recht).220 In dieser Situation befindet sich auch der Abschlussprüfer. Er wird, obwohl ein rechtlich anerkanntes Interesse der Allgemeinheit an seiner Tätigkeit besteht, gemeinhin wie ein Unternehmer auf privatrechtlicher Basis tätig. Das Verhältnis zu seinem Prüfungsmandanten ist in allen EU-Mitgliedstaaten, mit der Ausnahme Frankreichs, vertragsrechtlicher Natur; prüfungsvertragsfremden Dritten (Aktionären, Anlegern, Gläubigern, Unternehmenserwerbern) ist er prinzipiell allenfalls auf außervertraglicher Grundlage verantwortlich.221 Dieser formale Befund ist freilich wenig aussagekräftig. Tatsächlich ist der Umfang seiner Haftung dem privatautonomen Willen des Abschlussprüfers weitgehend entzogen. In den Details der rechtlichen Gestaltung bestehen insoweit zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten zwar Unterschiede, die Tendenz einer „Beschränkung der Beschränkbarkeit“ der Abschlussprüferhaftung zeichnet sich in der rechtsvergleichenden Betrachtung aber deutlich ab. Viele der üblichen Methoden, das unternehmerische Risiko zu reduzieren, sind ihm verwehrt. So haftet der Abschlussprüfer zunächst einmal in allen EU-Staaten persönlich.222 Die Urform der Haftungsbegrenzung im modernen Unternehmertum, der haftungsrechtliche Rückzug aus der persönlichen Haftung in die kapitalgesellschaftsrechtliche Organisationsform, bleibt dem Abschlussprüfer ebenso wie anderen Freiberuflern223 verschlossen. Zwar sind Prüfer heute vielfach als Kapitalgesellschaften aufgestellt,224 in der überwältigenden Mehrheit der Mitgliedstaaten haftet der verantwortliche Partner jedoch gesamtschuldnerisch mit der Prüfungsgesellschaft; lediglich nach englischem und österreichischem Recht nimmt die kapitalgesellschaftsrechtliche Organisationsform den Prüfern das persönliche Haftungsrisiko ab.225 Eine weitere entscheidende Besonderheit der Abschlussprüferhaftung ist ihre Unabdingbarkeit.226 In etwa der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten kann der Abschlussprüfer seine Haftung weder ausschließen noch auf eine Höchstsumme 219
S.o. bei § 2, B. II. 2. a). S.o. bei § 2, B. II. 2. c) (1). 221 Einzig nach deutschem und österreichischem Recht bestehen unter Umtänden zusätzliche quasi-vertragliche Ansprüche. Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. I. 2. und § 2, B. II. 2. a). 222 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 2. 223 Heckendorn, Haftung freier Berufe, Rn. 157, 184. 224 Zum deutschen Recht s. §§ 27 ff. WPO. Lediglich in Irland dürfen ausschließlich natürliche Personen oder Partnerschaftsgesellschaften als Abschlussprüfer bestellt werden. Vgl. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 2. 225 Daten für Bulgarien, Rumänien und Zypern liegen nicht vor. S. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 2. 226 Hirte, Berufshaftung, S. 142. 220
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begrenzen.227 In den übrigen Staaten228 sind entsprechende vertragliche Vereinbarungen zwar prinzipiell möglich, teilweise jedoch nur unter äußerst strengen Voraussetzungen: Ein Haftungsausschluss für grob fahrlässige Schädigung ist regelmäßig unwirksam.229 In Tschechien kann eine Haftungsbefreiung überhaupt erst nach dem schädigenden Ereignis wirksam vereinbart werden.230 In England231 und in Schweden232 ist die (qualifizierte) Zustimmung der Hauptversammlung des Prüfungsmandanten erforderlich. Die Prüfungspflichten des Prüfers als Inhalt des Prüfungsvertrags sind ohnehin gesetzlich festgelegt und nur in einigen wenigen europäischen Rechtsordnungen vertraglich modifizierbar.233 In der Folge hat der Abschlussprüfer kaum Möglichkeiten, das Haftungsrisiko seiner beruflichen Tätigkeit eigenständig zu gestalten. Er schließt zwar formal einen Vertrag, dieser ist aber der Privatautonomie weitgehend entkleidet. Der Berufsträger kann lediglich gänzlich die Durchführung der Jahresabschlussprüfung verweigern. Zu der mangelnden Disponibilität seiner vertraglichen Pflichten gegenüber dem Prüfungsmandanten tritt die spezialgesetzliche und judikative Erweiterung seines Pflichtenkreises gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten. Rechtsprechung und Spezialgesetze erlegen dem Abschlussprüfer auch Pflichten gegenüber solchen Personen auf, zu denen er nicht willentlich ein Schuldverhältnis begründet hat. Ein repräsentatives Beispiel ist das schwedische Abschlussprüferhaftungsrecht, das in Kap. 29 § 2 Aktiebolagslagen die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten statuiert,234 obgleich ein außervertraglicher 227
Zu diesen Mitgliedstaaten zählen Belgien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Irland, Malta, Österreich, Portugal, Slowenien, Ungarn, Zypern. Vgl. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9–11. 228 Keine verlässlichen Daten liegen zu der Situation in Bulgarien, Finnland und Rumänien vor. In Lettland und Litauen ist die vertragliche Begrenzbarkeit der Haftung nicht gesetzlich geregelt, entsprechende Vereinbarungen existieren aber möglicherweise in der Praxis. Hierzu s. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 10. 229 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9–11. 230 Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9. 231 Scalan/Harvey/Prime/Ogowewo, Companies Act 2006, S. 132; Alcock/Birds/Gale, Companies Act 2006, S. 266; Wurmnest/W. Doralt, GPR 2007, 118, 126. 232 Eine haftungsbegrenzende Vereinbarung ist in Schweden unwirksam, wenn Aktionäre, die 10% der Anteile halten, gegen die Vereinbarung stimmen. Vgl. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 10. 233 In Schweden ist für eine Begrenzung der Prüfungspflichten wiederum die Zustimmung der Hauptversammlung erforderlich. Sie ist wirksam, sofern nicht Anteilseigner, die gemeinsam mehr als 10% der Aktien halten, gegen die Vereinbarung stimmen. Nach tschechischem Recht ist eine Pflichtenbeschränkung nur wirksam, sofern nicht Drittinteressen beeinträchtigt werden. In Dänemark sind vertragliche Abweichungen von den Prüfungspflichten nur im Einklang mit den GAAP zulässig. Im Einzelnen s. Europäische Kommission, Annex II to the Commission Staff Working Paper, S. 9–11. 234 Hierzu s. Skog/Fäger, The Swedish Companies Act, S. 142.
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Anspruch auf Ersatz reiner Vermögensschäden nach den allgemeinen Haftungsgrundsätzen eine Straftat voraussetzt.235 In Deutschland ist das Gesetz zurückhaltender. Indessen blickt die Rechtsprechung auf eine Tradition expansiver Bestrebungen im Sachverständigenhaftungsrecht zurück.236 Das polnische Oberste Gericht hingegen hat befunden, dass die Pflicht zur sorgfältigen Durchführung der Jahresabschlussprüfung eine absolute sei, d.h. prinzipiell gegenüber jedermann gelte.237 Nach französischem Recht sind die Pflichten des Prüfers ohnehin gesetzlicher Natur und bestehen mithin nicht nur gegenüber dem prüfungspflichtigen Unternehmen, sondern entfalten auch anderen Personen gegenüber subjektive Schutzwirkung.238 Die Berufshaftung der Abschlussprüfer veranschaulicht, insbesondere aus rechtsvergleichender Perspektive, wie schnell die Grenzen zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung verwischen. c) Auswirkungen der dichotomischen Unvollkommenheit Die Kategorien „Vertrags-“ und „Deliktshaftung“ sind weniger aussagekräftig als es zunächst den Anschein haben mag. Sie sind nicht zwei definitorisch klar umrissene, statische oder gar komplementäre Rechtsinstitute, die in gegenseitiger Unabhängigkeit existieren und anhand ausgewählter Kriterien klar von einander abgegrenzt werden könnten. Zutreffender ist es wohl, die beiden Haftungsinstitute als Pole mit Kernbereichen und diametralen, sich teilweise überschneidenden Wirkungskreisen zu begreifen.239 Die Haftung des Abschlussprüfers liegt in diesem Bild zwischen den Polen; seine Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft näher am Vertrag und seine Haftung gegenüber Dritten möglicherweise näher am Delikt, abhängig davon, welchen Wert man einzelnen Charakteristika der jeweiligen Institute – Ursprung und Inhalt der verletzten Pflicht, Relativität des Schuldverhältnisses – beimisst. Die Haftung vieler Professionen, insbesondere im Rahmen der außervertraglichen Informationshaftung, ist dogmatisch in dieser Grauzone anzusiedeln. Auf die Berufshaftung trifft zu, was Esser bereits 1941 über die Unfallhaftung schrieb: „Wir sahen, wie (...) ein Rechtsgebiet heranwächst, das wir von der Praxis her nach Möglichkeit mit den bisherigen Mitteln erschließen, theore235 v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht I, S. 258 f.; Thieffry, Study on Systems of Civil Liability, S. 18. 236 Zur Entwicklung in der Dritthaftung in der deutschen Rechtsprechung s.o. bei § 2, B. II. 2. a). 237 Hierzu s.o. bei § 2, B. I. 1. und § 2, B. II. 2. d) (2) mit entsprechenden Nachweisen. 238 S.o. bei § 2, B. I. 1. und § 2, B. II. 2. d) (1). 239 I.d.S. auch Koziol, in: Koziol (Hrsg.), Unification of Tort Law: Wrongfulness, S. 24, 27: „Liability based on tort and liability based on breach of contract usually are taken as clearly seperated contrasts. But I think they are two ends of liability based on fault and that between them there is a connecting chain of intermediate stages.
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tisch aber noch nicht bewältigen.“240 Die Unvollkommenheit der haftungsrechtlichen Dichotomie ist kein neues Problem. Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, das Schadensersatzrecht auf andere Weise zu untergliedern als in Vertrag und Delikt und es auf diese Weise der heutigen Gesellschaft und deren gewandeltem Verständnis von Verantwortlichkeit anzupassen. Die Suche nach der richtigen Kategorie für einen begründeten Schadensersatzanspruch ist von vornehmlich theoretischer Bedeutung. Die Aufteilung einer im Wesenskern berufsbegründeten Verantwortlichkeit in vertragliche und deliktische Haftungsgrundlagen ist jedoch ebenfalls von praktischer Relevanz, denn auch dem Ursprung der verletzten Pflicht, aus der die Haftung folgt, kommt interessenausgleichende Funktion zu. Die Vertragspartner haften einander nicht nur, weil sie dem anderen vorsätzlich oder fahrlässig einen Schaden zugefügt haben. Sie machen sich schadensersatzpflichtig, weil sie freiwillig eine Pflicht übernommen haben, die sie später nicht erfüllen. Die Freiwilligkeit und regelmäßig auch die Entgeltlichkeit ihrer Selbstbindung rechtfertigt eine Begrenzung ihrer Freiheit zu Gunsten des Rechtsgüterschutzes. Da die Vertragsparteien miteinander in Kontakt stehen, ist es ihnen faktisch und ohne größere Transaktionskosten möglich, sich darüber zu einigen, wie sie die interne vertragliche und deliktische Risikoverteilung gestalten wollen. Die Einschränkung der Handlungsfreiheit durch die Schadensersatzpflicht ist durch die Privatautonomie gedeckt. Die deliktsrechtliche Haftung hingegen regelt Situationen, in denen Schädiger und Geschädigter sich grundsätzlich nicht kennen und daher keinen bewussten Entschluss tätigen, Sorge für die Rechtsgüter eines anderen zu übernehmen. Entsprechend erlegen ihnen die außervertraglichen Haftungsregeln vieler Rechtsordnungen ein niedrigeres Pflichtenprogramm auf. Voraussetzung der deliktischen Haftung ist die Verletzung einer Pflicht, die der Gesetzgeber für so wichtig erachtet, dass er sie für absolut, d.h. für zwischen jedermann gültig, erklärt.241 Der Eingriff in die Freiheit des Schadensersatzschuldners ist verhältnismäßig, weil der Gesetzgeber dem verletzten Rechtsgut überragende Bedeutung beimisst. Bei der Abschlussprüferhaftung werden die Grenzen und die traditionelle Risikoverteilung beider Haftungsinstitute umgangen: Die Schäden, die eine fehlerhafte Prüfung herbeiführt, sind reine Vermögensschäden und beruhen mithin auf Rechtsgutsverletzungen, die in vielen europäischen Staaten im Allgemeinen nicht ausgleichspflichtig sind, sofern nicht Schädiger und Geschädigter abweichende Vereinbarungen getroffen haben.242 Auf der anderen Seite hat der Abschlussprüfer jedoch ebenfalls nicht die Möglichkeit, privatautonom zu entscheiden, für welche Handlungen und in welchem Umfang er haftet; selbst 240
Esser, Gefährdungshaftung, S. 45. Hierzu s.o. die Diskussion um die Abgrenzung der vertraglichen von der deliktischen Haftung im polnischen Recht bei § 2, B. I. 2. und § 2, B. II. 2. d) (2). 242 S.o. bei § 2, B. II. 2. m.w.Nachw. 241
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die Abgrenzung des Personenkreises, dem gegenüber er haftungsrechtlich verantwortlich ist, entzieht sich vielfach seinem Einflussbereich. Der Vertrag mit dem Mandanten ist ihm inhaltlich weitgehend vorgegeben, vertragliche Haftungsbegrenzungsvereinbarungen sind in einer Reihe von Ländern unzulässig, und vertragsfremden Dritten haftet er vielfach auch dann, wenn er sie weder persönlich kennt noch abschätzen kann, wie viele von ihnen sich sein Urteil für die Tätigung einer Investitionsentscheidung zu Nutze machen.243 Sowohl für die Beschränkung der vertraglichen Relativität und Privatautonomie als auch für die Erweiterung der absoluten außervertraglichen Pflichten mag es im Falle der Abschlussprüfung gute Beweggründe geben: Gesellschaftsinterne Interessenkonflikte auf Seiten des Prüfungsmandanten sowie die Bedeutung der Jahresabschlussprüfung für gesellschaftsexterne Personen und die Allgemeinheit fordern die Einhaltung bestimmter uniformer Vorgaben an Prüfungsinhalt und -haftung, die über den Willen der Vertragsparteien hinausgehen. Das ändert im Ergebnis jedoch nichts daran, dass die Abschlussprüferhaftung, der dogmatischen Einordnung ihrer Haftungsgrundlagen ungeachtet, aus den herkömmlichen Grenzen der vertraglichen und deliktischen Haftung ausbricht. Deswegen ist der Haftungsumfang nicht per se unverhältnismäßig. Jedoch – und das ist ein entscheidender Punkt der Berufshaftung – greift auch keine Vermutung, dass eine unbegrenzte Verschuldenshaftung prinzipiell verhältnismäßig wäre: Die Haftung des Abschlussprüfers ist bereits dem Grunde nach wesentlich weiter als die allgemeine Vertragsund Deliktshaftung, da sie die allgemeine Risikoverteilung zu Lasten des Berufsträgers verlagert. Welche Konsequenzen lassen sich daraus ziehen? Wenngleich der Beruf kein anerkannter eigenständiger Haftungsgrund ist, erfordert er dennoch eine umfassende Neubeurteilung der Interessenlage im Haftungsrecht. Typischerweise erfolgt diese Neubeurteilung zunächst eher einseitig. Rechtsprechung, Gesetz und Berufsverbände erlegen dem Berufsträger in Hervorhebung seiner besonderen Sachkunde und gesellschaftlichen Stellung erweiterte Pflichten auf, die ein erhöhtes Haftungsrisiko nach sich ziehen. Überlegungen, ob im Gegenzug und zum Augleich nicht auch besondere Haftungsbeschränkungen geboten sein könnten, werden seltener angestellt. 3. Berufshaftung berufsvergleichend Nicht nur die Wirtschaftsprüfer in ihrer Funktion als Jahresabschlussprüfer, sondern auch andere Berufsstände tragen Haftungsrisiken, die sowohl aus tatsächlichen als auch aus rechtlichen Gründen außergewöhnlich hoch sind. Es ist prägendes Merkmal der freien Berufe, dass sie sich im Unterschied zu Unternehmern nicht vollständig von der persönlichen Haftung befreien kön243
Zum materiellen Haftungsrecht für Abschlussprüfer in Europa s.o. bei § 2, B.
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nen. Das professionsbezogene Vertrauen und die korrespondierende persönliche Einstandspflicht prägen das Berufsbild von Wirtschaftsprüfern, Anwälten, Steuerberatern und Ärzten gleichermaßen.244 Haftungsbegrenzungen für Abschlussprüfer, insbesondere die Haftungshöchstsummen, wie sie im deutschen Recht existieren, sehen sich vor diesem Hintergrund nicht selten dem Vorwurf einer ungerechtfertigten Privilegierung dieses einen Berufsstandes ausgesetzt;245 tatsächlich sind gesetzliche Haftungshöchstgrenzen in der Berufshaftung ansonsten nicht vorgesehen. Dass dieser Einwand als Argument gegen die Reformvorschläge der Kommission gleichwohl nicht tragfähig ist, zeigt sich bereits, wenn man die Haftung des Abschlussprüfers nach deutschem Recht der Haftung der anderen vermögenssorgenden Berufe – Anwälte, Steuerberater und Notare – gegenüberstellt. a) Faktisches Schadens- und potentielles Haftungsrisiko Die Abschlussprüfung bringt es mit sich, dass eine Pflichtverletzung des Prüfers, selbst wenn sie lediglich auf geringem Verschulden beruht, erhebliche Schäden verursachen kann, die das Vermögen eines Prüfers bei weitem übersteigen; vor allem bei der Prüfung börsennotierter Unternehmen ist die Gefahr von Massenschäden hoch. Aus diesen Erwägungen heraus hat sich der deutsche Gesetzgeber, als er nach Einführung der Pflichtprüfung im Jahre 1931 auch die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Abschlussprüfer sonderprivatrechtlich regelte, für eine Begrenzung der Haftung durch Festsetzung einer Höchstsummenbegrenzung entschieden.246 Auch Steuerberater, Notare und Anwälte nehmen nicht selten Mandate an, denen ein hohes Schadensrisiko innewohnt.247 Ein entscheidender Unterschied ist jedoch die geringere Drittbezogenheit ihrer Tätigkeit. Zwar können Anwälte und Steuerberater248 ebenfalls für fehlerhafte Informationen von vertragsfremden Dritten in Anspruch genommen werden,249 wenn diese im Vertrauen auf ihre Richtigkeit einen
244
Hierzu s. sogleich unten bei § 6, A. II. 3. b) m.w.Nachw. Die Sorge der Diskriminierung anderer Berufe im Zuge einer Begrenzung der Abschlussprüferhaftung äußerte auch die Europäische Kommission, Grünbuch, ABl. EG 1996 Nr. C 321/1, Tz. 5.7. 246 Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 3 f. m.w.Nachw. 247 Boergen, NJW 1969, 913; Hirte, Berufshaftung, S. 142. 248 Beim Notar ist die Situation insoweit eine andere: Da er nicht auf Grundlage eines Vertrages sondern auf Grund von Gesetz tätig wird, ist eine Differenzierung zwischen Vertragspartnern und vertragsfremden Dritten ausgeschlossen; seine Haftung ist prinzipiell deliktsrechtlicher Natur. Der Kreis der Anspruchsberechtigten bestimmt sich danach, gegenüber welchen Personen die Amtspflicht besteht (§ 19 Abs. 1 BNotO). Im Einzelnen s. hierzu Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 121, 123; Hirte, Berufshaftung, S. 72 f., 83. 249 Eine Dritthaftung kommt z.B. in Betracht, wenn die Berufsträger als Vertrauenspersonen an Vertragsverhandlungen teilnehmen, angefertigte Gutachten Dritten zugänglich machen 245
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Schaden erlitten haben,250 doch ist das Risiko des Abschlussprüfers auf Grund der Publizität der geprüften Jahresabschlüsse deutlich höher: Die Zahl der Dritten, die das Ergebnis der Jahresabschlussprüfung zur Kenntnis nehmen und zur Grundlage individueller Vermögensentscheidungen machen, ist ungleich größer und für den Abschlussprüfer weniger überschau- und abgrenzbar als für Sachverständige in vergleichbaren Situationen. Der Kreis potentieller Anspruchsteller ist nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkt. Nun führt freilich, wie im ersten Teil dargelegt, nicht jeder Drittschaden zu einem Ersatzanspruch.251 Das höhere faktische Schadensrisiko der Abschlussprüfung verwirklicht sich daher nicht zwangsläufig in einem höheren Haftungsrisiko der Prüfer. Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer profitieren gleichermaßen von der verhältnismäßig restriktiven Haltung des deutschen Zivilrechts zur außervertraglichen Haftung für reine Vermögensschäden. Der Kreis derer, die nach den vornehmlich in der Rechtsprechung konstruierten Grundsätzen zur Expertenhaftung einen außervertraglichen Anspruch auf Ersatz eines reinen Vermögensschadens geltend machen können, bemisst sich nach engen und für die unterschiedlichen Berufe ähnlichen252 Voraussetzungen.253 Die Gruppe der „namenlosen Anleger“, die das besondere Risikopotential der Abschlussprüfer verkörpern, gehören diesem Kreis nach der aktuellen Rechtsprechung noch nicht an.254 Entsprechend unterscheidet sich das Dritthaftungsrisiko des Abschlussprüfers – wenigstens theoretisch – bislang nicht wesentlich von dem anderer Sachverständiger. Es ist jedoch zu bedenken, dass die sich nach wie vor in der Entwicklung befindliche Expertenhaftung für fehlerhafte Informationen auf Grund ihrer Unvorhersehbarkeit ein beachtliches potentielles Haftungsrisiko darstellt. Das potentielle Haftungsrisiko der Abschlussprüfer ist wegen der Breitenwirkung des Testats erheblich größer als das der Anwälte und Steuerberater. Es ist anzunehmen, dass die rechtlichen Unwägbarkeiten in Dritthaftungsprozessen ein wirksames Druckmittel in der Hand geschädigter Vertragsfremder ist, das diese beim Abschluss außergerichtlicher Vergleiche zum Einsatz bringen
oder wenn sie eine Erklärung zur Kreditwürdigkeit einer Person abgeben. Hierzu s. Lang, WM 1988, 1001, 1002–1007. 250 Hierzu s. Hirte, Berufshaftung, S. 18 ff., 45 ff.; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 96 ff. 251 S.o. bei § 2, B. II. 2. a). 252 In diese Richtung auch Hirte, Berufshaftung, S. 140 f. 253 Im Einzelnen s. z.B. Lang, WM 1988, 1001, 1001 f.; Hirte, Berufshaftung, S. 19 ff., 45 ff.; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 96 ff. Speziell zur Dritthaftung der Abschlussprüfer s. ausführlich oben bei § 2, B. II. 2. 254 S.o. bei § 2, B. II. 2. a).
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können.255 Zudem erhöhen die steigende Internationalisierung der Kapitalmärkte und die länderübergreifenden Zusammenschlüsse großer Prüfungsgesellschaften in Kombination mit dem divergierenden nationalstaatlichen Kollisionsrecht256 die Wahrscheinlichkeit, dass vertragsfremde Dritte Abschlussprüfer nach ausländischem – dritthaftungsfreundlicherem – Recht in Anspruch nehmen können.257 Vergleichbaren internationalen Risiken sind die anderen vermögenssorgenden Berufsstände nicht ausgesetzt. b) Abdingbarkeit der Haftung Entscheidende rechtliche Unterschiede bestehen bei der Abdingbarkeit der Haftung. Ebenso wie beim Wirtschaftsprüfer hielt man auch bei anderen vermögenssorgenden Berufen eine unbegrenzte Haftung angesichts der hohen Schadensrisiken für untragbar. Anstatt jedoch wie bei den Abschlussprüfern eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung einzuführen, hat der Gesetzgeber Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bei der Gestaltung ihres persönlichen Haftungsrisikos einen größeren privatautonomen Spielraum zugestanden. Vertragliche Haftungsbeschränkungen galten bereits vor den gesetzlichen Neuregelungen im Jahre 1995 in bestimmten Grenzen als zulässig.258 Nunmehr sind die Voraussetzungen der vertraglichen Haftungsfreizeichnung gesetzlich geregelt. Rechtsanwälte dürfen ihre Haftung für fahrlässiges Fehlverhalten durch Individualvereinbarung auf die Höhe der Mindesthaftpflichtsumme, derzeit 250.000 Euro pro Schadensfall,259 begrenzen (§ 51 a Abs. 1 Nr. 1 BRAO). Durch AGB ist ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit bis auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme, also auf eine Million Euro, zulässig, soweit in diesem Umfange Versicherungsschutz besteht (§ 51a Abs. 1 Nr. 2 BRAO). Die gleiche Regel gilt nach § 67a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StBerG auch für Steuerberater260 sowie nach § 255 In diese Richtung auch Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 350, der insoweit von „erpresserischen Schadensersatzklagen“ und von „zu Recht und Unrecht“ abgeschlossenen Vergleichen spricht. 256 Zu den Problemen des europäischen Kollisionsrecht in Dritthaftungsfällen s. Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 181 f. 257 Hierzu s. Ebke, in: FS Mestmäcker, S. 863 ff.; ders., Verantwortlichkeit, S. 62 ff; MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 197 f.; Immenga, Internationale Kooperation, S. 201 ff. 258 Vertragliche Freizeichnungserklärungen durften lediglich nicht den Kern der beruflichen Pflichten berühren oder die Haftung für grobe Fahrlässigkeit durch AGB ausschließen. Im Einzelnen s. Hirte, Berufshaftung, S. 142 f. 259 Die Maximalversicherung für alle Schadensfälle innerhalb eines Jahres kann auf das Vierfache der Mindestversicherungssumme (1.000.000 EUR) begrenzt werden, vgl. § 51 Abs. 4 BRAO. Die Versicherung kann die Haftung für wissentliche Pflichtverletzungen ausschließen (§ 51 Abs. 3 Nr. 1 BRAO). 260 Zu den Voraussetzungen der Freizeichnung s. im Einzelnen Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 760–798.
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54a I Nr. 1 und 2 WiPrO für Wirtschaftsprüfer.261 Die Mindestversicherungssumme für Steuerberater beträgt ebenso wie für Anwälte 250.000 Euro pro Schadensfall (§ 52 Abs. 1 DVStB). Die Mindestversicherungspflicht der Wirtschaftsprüfer beträgt nach § 54 Abs. 1 S. 2 WiPrO, § 2 Abs. 1 WPBHV i.V.m. § 323 Abs. 2 S. 1 HGB eine Millionen Euro.262 Der Abschlussprüfer hingegen darf seine Haftung durch Vertrag weder ausschließen noch beschränken (§ 323 Abs. 4 HGB).263 Nur die gesetzliche Haftungsbegrenzung bewahrt ihn davor, dass ihn das Schadensrisiko seiner beruflichen Tätigkeit und insbesondere die Härten des schadensrechtlichen Alles-oder-NichtsPrinzips voll treffen.264 Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer können indessen auch die grundsätzlich bestehende gesamtschuldnerische und persönliche Haftung der Partner einer Sozietät auf einzelne namentlich bezeichnete Mitglieder beschränken, welche die vertragliche Leistung erbringen sollen (§ 51a Abs. 2 S. 2 BRAO, § 67a Abs. 2 StBerG, § 54a Abs. 2 WiPrO).265 Entsprechende Vereinbarungen sind nach § 8 Abs. 2 PartGG auch für die Partner einer Partnerschaftsgesellschaft möglich. Für Schäden dagegen, die infolge einer fehlerhaften Jahresabschlussprüfung auftreten, haftet eine zum Abschlussprüfer bestellte Prüfungsgesellschaft stets gesamtschuldnerisch mit ihren bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertretern (§ 323 Abs. 1 HGB). Bei der Notarhaftung liegen die Dinge freilich anders als bei den übrigen vermögenssorgenden Professionen. Wenngleich der Notar in allen Bundesländern, außer in Baden-Württemberg, einen freien Beruf ausübt, bekleidet er dennoch ein öffentliches Amt; eine Haftungsfreizeichnung ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen.266 Die Haftung des Notars ist jedoch nicht unbegrenzt. Zum einen haftet er nach § 19 Abs. 1 S. 2 BNotO nur subsidiär, d.h. nur dann, wenn der Geschädigte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.267 Zum anderen kommt ihm das Haftungsprivileg des Beamten nach § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB zu Gute: Eine Ersatzpflicht
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Zur Haftungsbegrenzung durch AGB s. im Einzelnen v. Westphalen, DB 2000, 861. Zur Berufshaftpflichtversicherung der Abschlussprüfer s. im Einzelnen MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 10 ff. 263 Eine Erweiterung der Haftungshöchstsumme ist gesetzliche nicht ausgeschlossen, verstößt jedoch nach allgemeiner Meinung gegen Berufsgrundsätze. S. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 73. 264 Hierzu s. auch Hirte, Berufshaftung, S. 139, 142. 265 Hierzu s. Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 87 f; Hirte, Berufshaftung, S. 49 f., 24 ff., 142 f.; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, Rn. 799 ff. 266 Der Notar kann lediglich bei einer Betreuungstätigkeit das Mandat insgesamt ablehnen oder seine Amtspflichten durch Ausgestaltung des Rechtsgeschäftes oder Aufklärungen inhaltlich beschränken. Hierzu s. Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 153. 267 Im Einzelnen s. Hirte, Berufshaftung, S. 86. 262
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tritt nicht ein, wenn der Geschädigte es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.268 c) Fazit: Haftungshöchstsumme als Kompromiss Die vergleichende Betrachtung zeigt, dass die Haftungshöchstsummenbegrenzung für Abschlussprüfer in § 323 Abs. 2 HGB auf eine bzw. auf vier Millionen Euro kein so großes „Privileg“ ist, wie man zunächst meinen könnte. Zwar haften Anwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nach Gesetz grundsätzlich unbeschränkt, doch im Unterschied zum Abschlussprüfer dürfen sie ihre Schadensersatzpflicht für einzelne Mandate vertraglich begrenzen. Ihre Mindesthaftungssumme, zumindest die der Anwälte und Steuerberater, ist im Ergebnis erheblich niedriger als die der Abschlussprüfer: 250.000 anstatt einer bzw. vier Millionen Euro. Der Notar kann seine Haftung vertraglich zwar ebenfalls nicht ausschließen, ist aber auf anderer Weise, durch spezielle, an sein öffentliches Amt anknüpfende Haftungsprivilegien sowie durch zusätzliche Absicherung seiner Haftungsrisiken über die Bundesnotarkammer269 hinreichend vor existenzbedrohendenden Klagen geschützt. Nun ist es selbstverständlich nicht so, dass besonders hohe Haftungsrisiken des Abschlussprüfers im Vergleich mit gleichartigen Berufsständen eine Haftungsbegrenzung rechtfertigten; es kommt vielmehr auf die konkrete Interessenlage im Verhältnis zwischen dem Berufsangehörigen und den Geschädigten an. Die Ähnlichkeit der Beweggründe, die bei der Gestaltung der Haftung der verschiedenen Berufe eine Rolle spielen, ist jedoch aufschlussreich: Keiner der betrachteten Berufsstände kann sich der persönlichen Haftung vollständig entziehen. Die Koppelung von Pflichtversicherung und Mindesthaftungssummen vollzieht einen Spagat zwischen Funktionsschutz und Gläubigerschutz und trägt in diesem Sinne der herausgehobenen gesellschaftlichen Stellung jener freien Berufe Rechnung.
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Im Einzelnen s. Hirte, Berufshaftung, S. 87. Die Pflichtversicherung beträgt 500.000 EUR pro Versicherungsfall, den doppelten Betrag insgesamt pro Jahr (§ 19a Abs. 3 S. 1, 2). Neben der individuellen Versicherung sind die Notarkammern nach § 67 Abs. 3 BNotO verpflichtet, eine Gruppenanschlussversicherung für fahrlässige Pflichtverletzungen von mindestens 500.000 EUR je versichertem Notar und Haftungsfall abzuschließen. Für vorsätzliche Pflichtverletzungen ist nach § 67 Abs. 3 BNotO ebenfalls eine zusätzliche Vertrauensschadensversicherung in Höhe von 250.000 EUR je Notar und Haftungsfall vorgesehen. Die Leistungen des Versicherers dürfen insgesamt jeweils auf das Vierfache dieser Summe im Jahr begrenzt werden. Zudem unterhalten die Notarkammern zum Schutze des Ansehens des Berufsstandes auf freiwilliger Grundlage zusätzliche Vertrauensschadenshaftungsfonds zur Deckung (weitergehender) Schadensersatzansprüche, auf die der Geschädigte jedoch keinen Rechtsanspruch hat. Im Einzelnen s. Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 160; Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 344 f. 269
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Der Abschlussprüfer steht sowohl funktional als auch haftungsrechtlich zwischen Anwalt, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer einerseits und dem Notar andererseits. Zwar bekleidet er im Unterschied zum Notar kein öffentliches Amt, doch ist das Interesse der (vertragsfremden) Allgemeinheit an seiner Tätigkeit tatsächlich und rechtlich ausgeprägter als das Interesse an der Tätigkeit der übrigen freien Berufe. Haftungsrechtlich ist diese Situation für den Abschlussprüfer zunächst einmal von Nachteil: Weder steht ihm der vertragsautonome Gestaltungsspielraum zu, den das Gesetz den Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern einräumt, noch kommen ihm die beamtenähnlichen Haftungsprivilegien des Notars zu Gute, obgleich sein Haftungsrisiko tendenziell höher ist. Der Abschlussprüfer befindet sich sowohl im Hinblick auf sein hohes faktisches Schadensrisiko als auch im Hinblick auf den mangelnden berufshaftungsrechtlichen Schutz vor diesem Risiko (keine Abdingbarkeit der Haftung) in einer ungünstigeren Ausgangslage als andere vermögenssorgende Berufe.270 Die gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung ist vor diesem Hintergrund weniger als außerordentliches Privileg, sondern vielmehr ein Kompromiss anzusehen. III. Schlussfolgerungen Der Beruf ist zwar keine eigenständige Haftungsgrundlage, doch die speziellen Wertungen, die sich aus der Beziehung zwischen Berufsträger, Mandant, Dritten sowie der Öffentlichkeit ergeben, strahlen auf das allgemeine vertragliche und deliktische Haftungsrecht aus. Die mit der beruflichen Stellung regelmäßig korrelierende Pflichtenerweiterung kann jedoch nicht mit einer unendlichen Ausweitung des Haftungsrisikos einhergehen, denn „zuviel Haftung behindert die Aktivität und die Kreativität des Menschen.“271 Eine solche Entwicklung wäre auch zum Nachteil einer Gesellschaft, die von den Leistungen ihrer Berufsträger profitiert; der Mehrwert der Abschlussprüfung besteht in der gesteigerten Transparenz und der darauf beruhenden Effizienz der Kapitalmärkte.272 Die Haftungsmilderung dient nicht nur den subjektiven Interessen der Berufsangehörigen, sondern ebenfalls denen der Allgemeinheit. Das öffentliche Interesse ist jedoch mitnichten das einzige Argument für eine gesetzliche Haftungsbegrenzung. Sofern das Berufsrecht einzelnen Professionen bestimmte Formen der Begrenzung und Begrenzbarkeit des Haftungsrisikos – insbesondere den vertraglichen Haftungsausschluss – versagt, weil sie im Widerspruch zu der Funktion des Berufsträgers stehen, müssen andere Modelle an ihre Stelle treten. Gesetzliche Haftungsgrenzen sind eine Mög-
270
Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 344, 347 f. Hübner, NJW 1981, 5, 11. 272 Hierzu s.o. bei § 1, A. I. 3. 271
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lichkeit, einen solchen Ausgleich zu den besonderen faktisch und rechtlich begründeten Haftungsrisiken der Abschlussprüfer herzustellen.273 Eine gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung, wie sie das belgische, deutsche, griechische, österreichische, slowenische und neuerdings auch das polnische Recht vorschreiben, stellt vor diesem Hintergrund keine individuelle Bevorzugung des Berufsstandes der Abschlussprüfer im öffentlichen Interesse dar. Sie wiegen vielmehr die speziellen Nachteile auf, die das Recht den Prüfern auf Grund der besonderen Bedeutung ihrer Tätigkeit insofern auferlegt, als sie im Unterschied zu Unternehmen und anderen freien Berufen ihre Haftung vertraglich nicht begrenzen dürfen. Rechtsordnungen wie das englische Recht, die zwar keine gesetzliche Haftungshöchstsumme vorsehen, aber die Vereinbarung einer solchen Summe erlauben, liberalisieren lediglich das Berufshaftungsrecht der Abschlussprüfer und gleichen es auf diese Weise an das allgemeine vertragliche Haftungsrecht an. B. Schutzwürdigkeit der geprüften Gesellschaft und Dritter Die Interessen der Allgemeinheit und die Interessen des Haftenden sind freilich nur eine Seite der Medaille. Eine Haftungsbegrenzung berührt immer und vor allem auch die Ausgleichsinteressen der Geschädigten. Aus diesem Grund ist bedeutsam, welche Umstände in der Sphäre der prüfungspflichtigen Gesellschaft für oder wenigstens nicht prinzipiell gegen eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung sprechen. Diese Frage stellt sich ebenfalls in Bezug auf die Dritthaftung. Nach den im vorigen Kapitel dargestellten Fallgruppen zur Haftungsbegrenzung gibt es eine Reihe von Kriterien, die eine geringere Schutzwürdigkeit eines Geschädigten indizieren können. Entscheidend kann insbesondere sein, ob ihn ein Mitverschulden am Schadenseintritt trifft, ob er sich gegen den Schaden (besser) hätte schützen oder versichern können, in wessen Interesse und zu wessen Vorteil der Schädiger das Risiko eingegangen ist, ob und in welchem Umfang ihn der Schädiger für die Risikoübernahme entlohnt hat und welche privatautonome Einigung über die Risikoverteilung getroffen worden ist. I. Prüfungsmandant Im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft ist – anders als im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und betroffenem Dritten – eine vertragliche Haftungsbegrenzungsvereinbarung zumindest faktisch ohne weiteres möglich. Aus diesem Grunde stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer Haftungsbegrenzung auf zwei Ebenen: Zunächst 273 In diese Richtung auch Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 351, demzufolge es den Grundsätzen des deutschen Haftungsrechts entspricht, im Rahmen der Berufshaftung eine Haftungsmilderung zuzulassen, wenn der Schaden außer Verhältnis zum Verschulden steht.
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einmal ist zu ergründen, ob eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung angesichts der Schutzwürdigkeit des Mandanten und seines Prüfers im Hinblick auf die spezielle Natur des Prüfungsschadens objektiv als gerecht angesehen werden kann. Des Weiteren gilt es zu klären, ob die Haftungsbegrenzung der Einigung der betroffenen Parteien überlassen bleiben sollte oder ob vielmehr eine gesetzgeberische Entscheidung zu treffen ist. Schließlich obliegt es grundsätzlich jedem Einzelnen, sich vertraglich zur Übernahme eines Risikos in jedweder Höhe zu verpflichten und sich gegebenenfalls dafür kompensieren zu lassen oder auch auf gesetzliche Haftungsansprüche zu verzichten. Die Einschränkung der Privatautonomie des Prüfers und seines Mandanten bedarf daher eines besonderen Grundes. 1. Mitverschulden und Mitverschuldenseinwand Gegen eine unbegrenzte Haftung im Verhältnis zu der prüfungspflichtigen Gesellschaft spricht zunächst einmal, dass die Gesellschaft in aller Regel ein Mitverschulden an dem Prüfungsfehler trägt, der die Ursache für den Schaden gesetzt hat. Einem unzutreffenden Prüfungstestat geht nahezu immer ein fehlerhafter Jahresabschluss, mithin ein Fehler des Vorstands, voraus.274 Es wäre – jedenfalls im Grundsatz – widersprüchlich, wenn der Rechtsträger, der sich durch eigene Nachlässigkeit selbst einen Schaden zugefügt hat, von einer anderen Person Ausgleich in voller Höhe verlangen könnte, nur weil diese ebenfalls zu dem Schaden beigetragen hat bzw., im Falle des Abschlussprüfers, den Schaden nicht verhindert hat. Aus diesem Grunde erkennen auch alle europäischen Rechtsordnungen prinzipiell den Einwand des Mitverschuldens an.275 Könnte sich jedoch auch der Abschlussprüfer gegenüber seinem Mandanten auf Mitverschulden berufen, weil dieser sich die Fehler seiner Organe bei Aufstellung des Jahresabschlusses zurechnen lassen müsste, würde er kaum jemals in voller Schadenshöhe haften.276 Es gibt nicht nur aus ökonomischer,277 sondern auch aus juristischer Perspektive gute Gründe,278 dem Abschlussprüfer diesen – in Europa durchaus umstrittenen279 – Mitverschuldenseinwand zu verwehren: Denn zwar mag es aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive zutreffend sein, dass sich die geprüfte Gesellschaft prinzipiell ein 274
Statt vieler s. Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 338. Im Einzelnen s. v. Bar, Gemeineuropäisches Deliktsrecht II, S. 549 ff; Magnus, Drittmitverschulden, S. 15, 41, 65; Magnus/Wurmnest, Casebook Europäisches Haftungs- und Schadensrecht, S. 313–323. 276 Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 345 ff; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 160. 277 S.o. bei § 4, D. II. 2. 278 Zu den ökonomischen Argumenten gegen eine Berücksichtigung des konkreten Mitverschuldens des Vorstands s.o. bei § 4, A. II. 1. b). 279 Zur gegenwärtigen Rechtslage in der EU s.o. bei § 2, B. III. 1. b) (2). 275
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Verschulden ihrer Organe zurechnen lassen muss, auf die spezielle Situation der Abschlussprüfung – auf das Verhältnis zwischen dem Prüfer, der Unternehmensleitung und den Unternehmenseigentümern – ist dieser Gedanke aber nicht ohne weiteres übertragbar:280 Der Abschlussprüfer ist dem Vorstand zum Schutz der Gesellschaft und ihrer Aktionäre als Kontrollinstanz zur Seite gestellt. Seine Funktion besteht unter anderem auch darin, die internen Interessens- und Informationskonflikte zwischen Unternehmenseigentümern und Unternehmensleitung auszugleichen (principal/agent-Problematik).281 Je schwerwiegender die Pflichtwidrigkeit der Geschäftsführung, desto dringlicher bedürfen die Eigentümer der prüfungspflichtigen Gesellschaft eines sorgfältigen und unabhängigen Abschlussprüfers.282 Sein Eingreifen wird überhaupt erst erforderlich, wenn die Unternehmensleitung versagt. Es widerspräche daher den gesetzlich vorgegebenen und vertraglich übernommenen Pflichten283 des Jahresabschlussprüfers, könnte er sich auf Grundlage eines Mitverschuldens des Vorstandes exkulpieren. Das wäre in etwa so, als wollte sich ein Babysitter, dessen Schützling durch einen Sturz vom Klettergerüst zu Schaden kommt, mit dem Argument seiner Haftung entziehen, das Kind habe selbst fahrlässig gehandelt, indem es zu hoch auf die Leiter gestiegen sei. Denn ebenso wie der Betreuer eines nur begrenzt schuldfähigen Kindes ist auch der Abschlussprüfer letztlich dafür eingesetzt, seinen Mandanten vor dessen eigenen Entscheidungen – bzw. vor den ihm zurechenbaren Entscheidungen seiner Geschäftsführung – zu schützen, wenn diese Entscheidungen nicht in seinem besten Interesse sind. Koziol und W. Doralt vergleichen den Mitverschuldenseinwand des Abschlussprüfers mit dem Mitverschuldenseinwand eines Arztes, der einem Haftungsanspruch auf Grund eines ärztlichen Kunstfehlers entgegenhält, der Patient sei überhaupt erst zu Schaden gekommen, weil er durch Sorglosigkeit beim Radfahren die Verletzungen selbst herbeigeführt habe.284 Und auch dieses Bild ist treffend, denn das Tätigwerden von Arzt und Abschlussprüfer ist immer erst dann von Bedeutung, wenn eine Ursache für einen späteren Schaden – eine Gesundheitsschädigung oder ein fehlerhafter Jahresabschluss – bereits gelegt sind. Aus diesen Gründen scheint es geboten, dem Abschlussprüfer den Mitverschuldenseinwand zu
280 Kritisch deswegen auch Heck, AcP 140 (1935), 154, 159 f.; Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337 ff; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 160; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 107 f. m.w.Nachw.; Bärenz, BB 2003, 1781, 1783 f.; Baumbach/Hopt/Hopt/Merkt, § 323 Rn. 7; Schulze-Osterloh, in: FS Canaris, Bd. II, S. 379; Sommerschuh, Berufshaftung und Berufsaufsicht, S. 183; Honsell, in: FS Medicus, S. 211, 230. 281 Im Einzelnen s. hierzu oben bei § 1, A. I. 2. 282 In diese Richtung auch Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 347. 283 W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 160. 284 Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337, 345.
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verwehren.285 Die spezielle Interessenlage im Verhältnis zwischen Abschlussprüfer, Prüfungsmandanten und Vorstand bringt es mit sich, dass das geschädigte Unternehmen seinen Anspruch auf ein pflichtgemäßes Verhalten des Abschlussprüfers nicht alleine deshalb verliert, weil das Unternehmen selbst ebenfalls ein Verschuldensvorwurf trifft.286 An dieser Stelle dürfen die Überlegungen freilich nicht aufhören: Es mag zwar funktionswidrig sein, dem Abschlussprüfer im Verhältnis zum geprüften Unternehmen den Mitverschuldenseinwand zu eröffnen; ihm im Gegenzug aber das gesamte principal/agent-Risiko aufzuerlegen wäre ebenfalls unangemessen. Die Gesellschaft muss auch intern im Rahmen ihrer Möglichkeiten (über den Aufsichtsrat, durch sorgfältige Auswahl und Überwachung des Vorstands etc.) dafür Sorge tragen, das Risiko, dass sich das inhärente Interessenkonfliktpotential realisiert, zu minimieren. Diese Verantwortung und auch das unvermeidbare Restrisiko dürfen nicht vollumfänglich auf die Abschlussprüfer abgewälzt werden. Es scheint daher juristisch durchaus erwägenswert, einen pauschalen Mitverschuldensabschlag auf den Haftungsanspruch des Prüfungsmandanten anzurechnen. Eine Haftungshöchstsummenbegrenzung kann in diesem Sinne als Ausgleich für den Ausschluss des konkreten Mitverschuldenseinwandes betrachtet werden. 2. Wirtschaftlicher Nutzen der Prüfung In diesem Zusammenhang muss auch die Parallele zum Arbeitnehmerhaftungsprivileg gezogen werden:287 Das Unternehmen profitiert wirtschaftlich von der durch das Prüfungstestat erhöhten Vertrauenswürdigkeit ihrer Jahresabschlüsse (geringere Kapitalkosten etc.). Es ist letztlich nicht einsichtig, weshalb der prüfungspflichtigen Gesellschaft der Nutzen der Prüfung zugute kommen, das volle Risiko jedoch auf den Abschlussprüfer abgewälzt werden sollte. Dies gilt vor allem, da der Schaden infolge einer fehlerhaften Prüfung außer Verhältnis zum Verschulden stehen kann: Schon leichteste Fahrlässigkeit auf Prüferseite kann Schäden horrenden Ausmaßes (mit)verursachen.288 Man könnte einwenden, dass der Prüfer sich gegenüber dem Arbeitnehmer durch seine besondere Sachkunde auszeichnet und auf Grund besserer Versi285 Dieser Ansicht ebenfalls Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 160. 286 Ausführlich hierzu Koziol/W. Doralt, in: FS P. Doralt, S. 337 m.w.Nachw. 287 Nann, Wirtschaftsprüferhaftung, S. 381 ff. Allgemein zur Sachverständigenhaftung Honsell, JuS 1976, 621 626; ders., JZ 1985, 952, 953. 288 Die Einsicht, dass bei der Jahresabschlussprüfung „geringfügige Versehen zu ungewöhnlich großen Schäden führen können“, war laut amtlicher Begründung auch ein Erwägungsgrund für die Beschränkung der Abschlussprüferhaftung in Deutschland bei Einführung der Pflichtprüfung im Jahre 1931. Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 4 m.w.Nachw.
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cherung eines geringeren haftungsrechtlichen Schutzes bedarf. Die Verhaltensforderungen steigen jedoch mit dem Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit. Sachkunde verhindert nicht, dass Menschen Fehler machen. Wie oben dargelegt, kann der erhältliche Versicherungsschutz das Haftungsrisiko der Abschlussprüfung nicht vollständig abdecken.289 Die dem Arbeitnehmerprivileg zugrunde liegenden Wertungen können daher, soweit nicht die bei Abhängigkeitsverhältnissen typischerweise gestörte Vertragsparität eine Rolle spielt, sinngemäß auf den Abschlussprüfer und andere freie Berufe übertragen werden. 3. Privatautonomie Eine Haftungsregel, die auf das Verhältnis zwischen Vertragsparteien anwendbar ist, soll lediglich eine solche Schadensrisikoverteilung anordnen, auf die sich die Parteien vernünftigerweise hätten einigen müssen, wenn sie eine entsprechende Absprache getroffen hätten und hätten treffen dürfen;290 andernfalls fehlt es an dem erforderlichen Grund für eine Einschränkung der Privatautonomie. Gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzungen für Abschlussprüfer sind in keiner Rechtsordnung vollständig dispositiv ausgestaltet.291 Aus diesem Grund ist eine unabdingbare gesetzliche Haftungsbegrenzung, wie sie beispielsweise in Deutschland besteht, auch als Ausgleich dafür zu verstehen, dass es dem Prüfer, im Unterschied zu anderen Berufsträgern, rechtlich verwehrt ist, sich mit seinem Mandanten privatautonom über eine Begrenzung seiner Ersatzpflicht zu einigen oder seine persönliche Haftung in anderer Weise zu reduzieren.292 Auch in diesem Umstand liegt letztlich eine Rechtfertigung einer solchen gesetzlichen Haftungsprivilegierung. Die Gestattung der vertraglichen Begrenzung der Haftung, zumindest für Fahrlässigkeit, ist aus juristischer Perspektive ohnehin unbedenklich. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass beide Vertragsparteien in der Lage sind ihre Interessen privatautonom wahrzunehmen und keine schutzwürdigen Drittinteressen beeinträchtigt werden.293
289
S.o. bei § 4, B. II. 2. Zu der parallelen Argumentation in der Rechtsökonomik s.o. bei § 3, B. I. 1. c). 291 Die einzige Ausnahme stellt insoweit das polnische Abschlussprüferhaftungsrecht dar, das ein vertragliches Abweichen von der gesetzlich vorgegebenen Haftungshöchstsummenbegrenzung mittelbar über die Honorarvereinbarung ermöglicht. S. im Einzelnen oben bei § 2, B. III. 2 a). 292 Das Verbot, die Ersatzpflicht durch Vertrag auszuschließen oder zu beschränken (§ 323 Abs. 4 HGB) ist mithin als „Gegengewicht zur gesetzlichen Haftungsobergrenze festgelegt.“ Vgl. BeckBilKomm/Winkeljohann/Feldmüller,§ 323 Rn. 135. 293 Zu dieser Problematik s. im Einzelnen unten bei § 6, C. I. 4. 290
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II. Vertragsfremde Dritte Besonders in der deutschen Rechtswissenschaft und -praxis wird intensiv überlegt, wie und auf welcher Grundlage eine Dritthaftung des Abschlussprüfers, eine außervertragliche Haftung für fehlerhafte Informationen im Allgemeinen, dogmatisch begründbar ist. „Sinn oder Unsinn der ständigen, angeblich so modernen Haftungsausweitung“ schenken sie hingegen, wie Ebke kritisch anmerkt, wenig Aufmerksamkeit.294 Aus der Perspektive des Gesetzgebers führen solche rechtsdogmatischen Diskussionen freilich nur begrenzt weiter. Gewiss ist die Kohärenz des privaten Haftungsrechts ein wichtiges Gut, es wäre jedoch ohne weiteres möglich, eine Sonderhaftungsnorm für die Dritthaftung der Abschlussprüfer einzuführen,295 ohne dafür ein allgemeines Prinzip der Expertenhaftung für fehlerhafte Informationen entwickeln zu müssen. Das schwedische Recht hat, ungeachtet seiner generell restriktiven Haltung zur Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden, die Dritthaftung des Abschlussprüfers spezialgesetzlich geregelt. Und auch der § 323 Abs. 1 S. 3 HGB statuiert immerhin die Haftung des Prüfers gegenüber den mit dem Prüfungsmandanten verbundenen Unternehmen. Die eigentliche Frage ist, ob eine Dritthaftung des Abschlussprüfers sinnvoll ist. Die Ergebnisse des zweiten Teils dieser Arbeit haben ergeben, dass eine umfassende (gegenüber allen Dritten) und der Höhe nach unbegrenzte Dritthaftung ökonomische Risiken birgt. Die Dritthaftung ist weder notwendig, um Anreize für eine unabhängige und sorgfältige Prüfung zu setzen, noch um das Verhalten der Anleger auf dem Kapitalmarkt in effizenzförderlicher Weise zu beeinflussen. Es steht vielmehr zu befürchten, dass eine umfassende und unbegrenzte Abschlussprüferdritthaftung die Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung beeinträchtigt, weil sie erstens unvorhersehbar ist und zweitens exorbitante Ausmaße annehmen kann.296 Eine solche finanzielle Absicherung der Anleger gegen Kapitalmarktfehlinformationen ist mangels adäquater Versicherung für die Abschlussprüfer untragbar.297 Cardozo wies schon im Jahre 1931 auf die Konsequenzen einer Dritthaftung des Abschlussprüfers für reine Fahrlässigkeit hin: „If liability for negligence exists, a thoughtless slip or blunder, the failure to detect a theft or forgery beneath the cover of deceptive entries,
294
Ebke, JZ 1990, 688, 689; ders., Verantwortlichkeit, S. 30. Zu diesem Problem s. ausführlich auch Ebke, Wirtschaftsprüfer, S. 252 ff. 295 Die Erweiterung der Haftung auf prüfungsvertragsfremde Dritte wurde bereits im Rahmen des Zehn-Punkte-Programms der Bundesregierung vom 25.02.2003 diskutiert, jedoch im Zuge der nachfolgenden Gesetzesreformen (TransPuG, BilReG) nicht umgesetzt. Hierzu s. MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 90 m.w.Nachw. 296 S.o. bei § 4, D. 3. 297 Im Einzelnen s.o. bei § 4, B. II. 2.
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may expose accountants to a liability in an indeterminate amount for an indeterminate time to an indeterminate class.“298 Entscheidend ist aus juristischer Perspektive daher letztlich, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Dritthaftung des Abschlussprüfers aus rechtlichen Gründen zwingend geboten ist. Ihre Befürworter berufen sich darauf, dass die Entschädigung der Opfer „elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen des Schadensersatz- und Haftungsrechts“,299 letztlich Grundsätzen der praktischen Gerechtigkeit, entspreche.300 Der lückenhafte Schutz des Vermögens im Deliktsrecht sei lediglich „Resignation des Rechts vor unzweifelhaft missbilligenswertem Verhalten.“301 Nun ist es freilich so, dass in einem Wirtschaftssystem, dass sich dem offenen Markt und dem freien Wettbewerb (Art. 4 Abs. 2 EG) verpflichtet sieht, Rechtssubjekte tagtäglich Vermögensschäden erleiden. Der Erfolg des einen im Wettbewerb setzt häufig den Verlust, und sei es nur in Form entgangener Gewinnchancen, eines anderen voraus; das ist auch bei der Aktienspekulation nicht anders.302 Reine Vermögensschäden infolge fehlerhafter Informationen zeichnen sich dadurch aus, dass der Rechtsgutsträger sich typischerweise auch selbst schädigt. Der Eingriff in das Vermögen des Dritten erfolgt nicht von außen, sondern er trifft im Vertrauen auf ein falsches Testat eine für ihn nachteilige Vermögensverfügung. Letztlich kommt es darauf an, wie schutzwürdig dieses Vertrauen ist. Es obliegt dem Gesetzgeber darüber zu entscheiden, ob die Jahresabschlussprüfung eine umfassende subjektiv drittschützende Wirkung entfalten soll, wie in Frankreich, oder nicht, wie in Deutschland und England. In erster Linie ist diese Frage rechtspolitischer Natur. Aus zwingenden juristischen Gründen ist weder die eine noch die andere Antwort geboten.303 Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Abschlussprüfer und Dritten ist jedenfalls Folgendes zu bedenken: Der Dritte bezieht die durch das Prüfungstestat vermittelten Informationen unentgeltlich. Macht er auf ihrer Grundlage ein gutes Geschäft, so teilt er den Gewinn selbstverständlich nicht mit dem Prüfer. Es scheint daher nicht unmittelbar einsichtig, dass er den Verlust ab-
298
Ultramares Corporation v. Touche, 255 N.Y. 170, 179 (Court of Appeals of N.Y.). Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 493. 300 Heukamp, ZHR 169 (2005), 471, 493. Hierzu s. auch MünchKommHGB/Ebke, § 323 Rn. 146 mit entprechenden Nachweisen. und ders., Verantwortlichkeit, S. 16 ff., der diese Position jedoch selbst nicht teilt. 301 Picker, JZ 1987, 1041, 151. 302 Hierzu s. Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 682 (1984); v. Bar, RabelsZ 44 (1980), 456, 482. 303 In diesem Sinne in Bezug auf die Dritthaftung von Experten im Allgemeinen Schneider, ZHR 163 (1999), 246, 254. 299
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wälzen können sollte.304 Mit einer freiheitlich verfassten Marktwirtschaft wäre das nur schwerlich vereinbar.305 Nun hat sich freilich im vergangenen Jahrhundert ein Gesinnungswandel in den europäischen (Berufs)Haftungsrechtsordnungen vollzogen, der von einer zunehmenden Dominanz des Sozialstaatsgedankens begleitet war.306 Die Gesellschaft hat sich an die Schadensabnahme gewöhnt.307 Ob jedoch dem sozialen Aspekt gerade im Bereich der Kapitalmarktinformationshaftung allzu große Bedeutung eingeräumt werden sollte, mag man zu Recht bezweifeln. Auf der Geschädigtenseite stehen nicht in erster Linie Private, sondern eben vor allem auch institutionelle Anleger und Finanzinstitute (Kreditgeber), die bewusst ein kalkuliertes und diversifizierbares Risiko eingehen. Zudem unterscheidet sich die Abschlussprüferdritthaftung beispielsweise von der Produzentenhaftung schon alleine dadurch, dass der Prüfer das sich im Drittschaden materialisierende Risiko nicht im gleichen Maße kontrollieren kann wie der Hersteller die Gefahrträchtigkeit eines Produkts; auch ist sein Wissensvorsprung nicht vergleichbar groß.308 Dies soll nicht heißen, dass das Vertrauen in den testierten Jahresabschluss keinen Schutz verdiente. Der Anleger oder Kreditgeber darf in jedem Fall davon ausgehen, nicht Opfer eines Prüfungsbetrugs zu werden. Dass der Abschlussprüfer dem Dritten für eine vorsätzliche Schädigung haften muss, steht daher außer Frage und ist auch EU-weit der Fall.309 Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Abschlussprüfer der Allgemeinheit sein Fachwissen nicht aus altruistischen Motiven zur Verfügung stellt, sondern sowohl im eigenen als auch im öffentlichen Interesse eine Funktion ausübt, die ihn mit besonderen Rechten und Pflichten ausstattet.310 Das könnte durchaus rechtfertigen, den haftungsrechtlichen Vertrauensschutz im Prüfungsrecht über das übliche Maß – d.h. über die allgemeinen Grenzen des in vielen Rechtsordnungen restriktiven Vermögensschutzes – hinaus auszudehnen. Festzuhalten bleibt aber: Die gesetzlichen Konzeptionen der Jahresabschlussprüfung in den Mitgliedstaaten unterscheiden sich so erheblich, dass sich keine allgemeingültige, d.h. europaweit uneingeschränkt zutreffende Aussage über den adäquaten Umfang einer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers gegenüber prüfungsvertragsfremden Dritten treffen lässt. Ein Ausschluss der Abschluss304 Vgl. Ebke, 79 Nw. U. L. Rev. 663, 682 (1984): „The imposition upon auditors of liability to third parties for negligence thus turns out to be no more than a global loss-spreading technique, a vehicle for socializing individual economic risks.“ In diese Richtung auch v. Bar, RabelsZ 44 (1980), 456, 482. 305 S. Ebke, Verantwortlichkeit, S. 50. 306 Baus, ZVglRWiss 103 (2004), 219, 251 f.; Ebke, Wirtschafsprüfer, S. 251. 307 Baus, ZVglRWiss 103 (2004), 219, 251 f. 308 In diese Richtung auch Horton, Pure Economic Loss, S. 93 ff. 309 S.o. bei § 2, B. II. 2. 310 Trakman/Trainor, 31 Queen’s L.J. 148 (2005/2006).
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
prüferdritthaftung für fahrlässiges Fehlverhalten, unter Verweis darauf, dass seine Tätigkeit in erster Linie der geprüften Gesellschaft und ihren Aktionären diene,311 erscheint ebenso vertretbar wie eine extensive Dritthaftung des Abschlussprüfers, die in seiner „öffentlichen Funktion“ wurzelt.312 Aus der Perspektive des deutschen Rechts steht die privatrechtlich vertragliche Ausgestaltung des Prüfungsverhältnisses im Vordergrund. Ähnlich wie im englischen Recht gilt, dass die Prüfung in erster Linie den Interessen der geprüften Gesellschaft und ihrer Aktionäre dient.313 Aus dieser Perspektive scheint es vorzugswürdig, an einer engen tatbestandlichen Ausgestaltung der Dritthaftung festzuhalten, die primär entweder bei hohen subjektiven Voraussetzungen oder bei einer willentlich begründeten Sonderbeziehung zwischen Abschlussprüfer und Drittem ansetzt.314 Eine solche Konzeption garantiert die freiheitssichernde Funktion des Vertrages als Ausdruck der Privatautonomie.315 Man könnte jedoch, auch aus Perspektive eines deutschen Gesetzgebers, darüber nachdenken, die generelle – nicht auf bestimmte Personen beschränkte – Dritthaftung des Abschlussprüfers auf grobe Fahrlässigkeit zu erweitern.316 Eine solche Regelung, welche die allgemeinen Grenzen der außervertraglichen Haftung für reine Vermögensschäden ausdehnen würde, trüge der gesellschaftsübergreifenden Funktion und der erhöhten sozialen Verantwortlichkeit des Abschlussprüfer, die ihn von anderen Experten (Anwälten, Steuerberatern etc.) abhebt, Rechnung. C. Juristische Vertretbarkeit ökonomisch sinnvoller Haftungsgrenzen Eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung kann, wie oben im Einzelnen dargelegt, aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt sein. Die aus juristischer Sicht relevanten Kriterien einer verhältnismäßigen Haftung – Kompensation der Geschädigten, Gleichbehandlung der Berufsgruppen, Institutionenschutz, Privatautonomie – müssen auch bei der Gestaltung der Haftungsbegrenzung Berücksichtigung finden. Der Gesetzgeber hat insoweit einen weit reichenden Gestaltungsspielraum.
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In diesem Sinne das deutsche und insbesondere das englische Recht. Hierzu s.o. bei § 2, B. II. 2. c) (2). 312 Zum französischen und polnischen Recht s.o. bei § 2, B. II. 2. d). 313 S.o. § 2, B. II. 2. a) und c). 314 Ebke, Verantwortlichkeit, S. 38. 315 Hierzu s. Ebke, Verantwortlichkeit, S. 50 ff. 316 S. auch Baums/Fischer, in: FS Drukarczyk, S. 37, 52; J. Richter, Dritthaftung, S. 297 ff.
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I. Haftungsmodelle Der zweite Teil ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Haftungshöchstsummenbegrenzung den anderen Formen der Haftungsbegrenzung aus ökonomischer Sicht überlegen ist. Im Folgenden soll dieser Frage auch aus juristischer Perspektive nachgegangen werden. 1. Haftungshöchstsummenbegrenzungen Entscheidend ist aus ökonomischer Sicht weniger die Form der Begrenzung als vielmehr, dass das konkrete Haftungsniveau bereits vor Durchführung der Prüfung bestimmbar ist.317 Unter Kompensationsgesichtspunkten scheint eine relative Haftungshöchstsumme, die sich an der Größe und anderen Risikofaktoren des Prüfungsmandanten (Branche, Börsennotierung etc.) orientiert, am interessengerechtesten. Weder die absolute noch die relative Höchstsummenbegrenzung in Abhängigkeit vom Umsatz des Prüfers stehen in Relation zu dem eingetretenen Schaden. Je weiter der Schaden die Haftungshöchstsumme überschreitet – je schwerwiegender der Eingriff –, desto geringer ist der Anteil der schadensersatzrechtlichen Befriedigung des Geschädigten.318 Das trifft letztlich auf alle Formen der Haftungshöchstsummenbegrenzung zu. Eine solche Haftungsbegrenzung, die sich ex ante an Kriterien ausrichtet, die mit dem Schadensrisiko korrelieren, verspricht jedoch eine vergleichbarere Quote der Schadensdeckung bei unterschiedlichen Geschädigten. Die Schwäche auch dieser Lösung liegt freilich in dem Umstand begründet, dass sich das Schadensrisiko schlecht prognostizieren und kategorisieren lässt. 2. Proportionalhaftung Eine Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil ist ökonomisch, aus Gründen der Verhaltensteuerung, nicht ratsam.319 Aus juristischer Perspektive sprechen ebenfalls die besseren Argumente320 dafür, dem Abschlussprüfer den Mitverschuldenseinwand gegenüber der geprüften Gesellschaft wegen eines Mitverschuldens des Vorstands zu versagen.321 Die Verschuldensschwere des Abschlussprüfers hingegen ist im Rahmen der Haftungsprivilegierung einzubeziehen. Es entspricht den allgemeinen Grundsätzen der europäischen Haftungsrechtsordnungen, dass ein Haftungsausschluss trotz zurechenbarer Ver317
S.o. bei § 4, D. II. Hierzu s. auch W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 100; W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 179. 319 S.o. bei § 4, D. II. 2. 320 Hierzu eingehend unten bei § 6, B. I. 1. 321 Dessen ungeachtet wird der Verschuldenseinwand des Abschlussprüfers wegen eines Fehlverhaltens des Vorstands in einer Reihe europäischer Rechtsordnungen haftungsmindernd berücksichtigt. S.o. bei § 2, B. III. 1. b) (2) (a). 318
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ursachung eines Schadens allenfalls bei Fahrlässigkeit in Betracht kommt.322 Die Anwendung einer Haftungshöchstsummenbegrenzung ist mithin bei vorsätzlichem Verhalten des Prüfers ausgeschlossen.323 3. Dritthaftung Auf Grund der erheblichen Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten, sowohl im Bereich des allgemeinen Haftungsrechts (Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden) als auch im Hinblick auf die rechtliche Ausgestaltung der Prüferrolle (private Tätigkeit, öffentliche Bedeutung), lassen sich in Bezug auf die Abschlussprüferdritthaftung keine allgemeingültigen Aussagen für die EU treffen. Aus Perspektive des deutschen Rechts scheint jedoch eine tatbestandlich-restriktive Dritthaftung sachgerecht.324 Für eine vorsätzlich falsche Testierung des Jahresabschlusses haftet der Prüfer auch einem vertragsfremden Dritten nach allgemeinem Deliktsrecht (§ 826 BGB) auf Ersatz des vollen Schadens. Es ist ihm unbenommen, gegenüber dem Dritten eine weiterreichende haftungsrechtliche Verantwortung zu übernehmen, beispielsweise indem er ihn (willentlich) in den Schutzbereich des Prüfungsvertrags einbezieht oder einen separaten Auskunftsvertrag abschließt.325 Eine vor allem aus Gesichtspunkten der effizienten Verhaltenssteuerung gebotene Erweiterung der Haftung auf fahrlässiges Fehlverhalten scheint mit Blick auf die gesellschaftsübergreifende Funktion der Jahresabschlussprüfung zivilrechtlich durchaus begründbar. Die Haftung sollte sich jedoch lediglich auf grobe Fahrlässigkeit erstrecken und – ebenfalls aus ökonomischen Gründen – durch eine Haftungshöchstsumme begrenzt sein, die sich auf die Summe aller Dritthaftungsansprüche bezieht.326 Das bedeutet, dass sich die Höhe des durchsetzbaren Schadensersatzanspruchs eines Dritten durch zusätzliche (Dritt)Gläubiger reduzieren kann. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Schadensersatzanspruch für reine Vermögensschäden infolge (lediglich) grob fahrlässiger Fehlinformation die Rechte des Dritten gegenüber dem allgemeinen Haftungsrecht erweitert, ist diese Konsequenz jedoch hinnehmbar.327 322
Hierzu s.o. bei § 5, C. II. 3. b) (1) . Das entspricht auch der aktuellen Rechtslage in allen höchstsummenbegrenzten Abschlussprüferhaftungssystemen in der EU. S.o. bei § 2, B. III. 1. b) (1). 324 S.o. bei § 6, B. II. 325 Im Einzelnen s.o. bei § 4, C. III. In der Praxis dürften solche Konstellationen zwar selten vorkommen, es könnte jedoch in Einzelfällen nicht nur für den Dritten, sondern auch für den Prüfungsmandanten und damit auch für den Prüfer lohnend sein, dass der Prüfer dem Dritten eine solche zusätzliche Gewähr gibt, wenn dies dem Dritten anderweitige Informationskosten erspart. 326 Zu den Problemen einer summenmäßig begrenzten Dritthaftung s. jedoch Ebke, Wirschaftsprüfer, S. 290 f. 327 Sofern der Prüfer auch gegenüber seinem Mandanten nur bis zu einer gesetzlichen Höchstsumme haftbar ist, ist es notwendig, die Haftungsfonds zu Gunsten der prüfungspflich323
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4. Regulierung oder Deregulierung: vertragliche Begrenzung Der Prüfer und die prüfungspflichtige Gesellschaft können sich theoretisch privatautonom über den Umfang der Haftung verständigen. Es stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage, weshalb eine Regulierung des Berufshaftungsrechts für Abschlussprüfer dann überhaupt noch notwendig ist. Eine Regulierung des Haftungsrechts könnte insbesondere zum Schutze des Prüfungsmandanten, vorwiegend seiner Aktionäre,328 oder zum Schutze des Prüfers329 erforderlich sein. Ob diese Aspekte als Argumente gegen eine vertragliche Begrenzung der Prüferhaftung tatsächlich tragfähig sind, ist indessen zweifelhaft. Ein Ausschluss der Abdingbarkeit von Haftungsansprüchen im Verhältnis zwischen einem Berufsträger und seinem Auftraggeber sind regelmäßig dann geboten, wenn zu befürchten steht, dass der Laie, auf Grund unterlegenen Wissens, seine Interessen nicht umfassend beurteilen und gegen den Experten durchsetzen kann. Im Verhältnis zwischen prüfungspflichtiger Gesellschaft und Abschlussprüfer existiert ein solches Ungleichgewicht freilich nicht. Hier besteht allenfalls die Gefahr, dass der Abschlussprüfer und der Vorstand, die beide kein objektives Interesse an einem hohen Haftungsniveau haben,330 eine niedrige Haftungsbegrenzung vereinbaren, die sich letztlich zu Lasten der Aktionäre auswirkt.331 Das Erfordernis einer Legitimierung durch die Hauptversammlung sowie die Publizitätspflicht können diesem Problem jedoch, wie das neue englische Haftungsmodell veranschaulicht, entgegensteuern.332 Denkbar wäre zum Schutze der Minderheitsaktionäre vor allem
tigen Gesellschaft und Dritter zu separieren. Da die Jahresabschlussprüfung vor allem den Interessen der geprüften Gesellschaft und ihrer Aktionäre dient, wäre es unverhältnismäßig, wenn die bereits gesetzlich begrenzten Schadensersatzansprüche aus dem Prüfungsvertrag zusätzlich durch Ansprüche externer Dritter beschnitten würden. Hierzu s. auch oben bei § 2, B. III. 1 a) (3). 328 Dieser Gedanke hat sich offenkundig im österreichischen Haftungsmodell niedergeschlagen, da hier zwar eine vertragliche Erweiterung der gedeckelten Ersatzpflicht, jedoch keine die Haftungshöchstsumme unterschreitende Beschränkung zulässig ist. Zur Rechtslage in Österreich s. W. Doralt, Abschlussprüfer, Rn. 172; W. Doralt/Koziol, in: Koziol/W. Doralt (Hrsg.), Abschlussprüfer, S. 91, 99 f. 329 Hierauf deutet die polnische Regelung hin, die mittelbar über das Prüfungshonorar die Vereinbarung einer Haftungshöchstsumme erlaubt, die die absolute Höchstsummenbegrenzung unterschreitet. Eine Erweiterung der Ersatzpflicht dagegen ist nicht möglich. S.o. bei § 2, B. III. 2. a). 330 Hierzu s.o. § 3, A. II. 2. a). 331 Coffee, in: Ferrarini/Hopt/Winter/Wymeersch (Hrsg.), Reforming Company Law, S. 455, 495; Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 302. 332 W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 5; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 66 (2008). Hierzu s. auch Wurmnest/W. Doralt, GPR 2007, 118, 126.
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Dritter Teil: Juristische Bewertung
auch, eine Sperrklausel nach schwedischem Vorbild einzuführen.333 Von einer Reduktionsklausel zur nachträglichen richterlichen Korrektur ist auf Grund der damit verbundenen Unsicherheiten in der Schadensrisikobestimmung ex ante abzusehen.334 Die Abschlussprüfer ihrerseits sind grundsätzlich ebenfalls in der Lage, für ihre Interessen an einem versicherbaren Haftungsniveau gegenüber ihrem Mandanten einzutreten. Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass es für die Abschlussprüfer in Ländern, in denen ihre Haftung zuvor weder gesetzlich begrenzt noch vertraglich begrenzbar war, zunächst schwierig sein könnte, eine entsprechende Haftungsklausel durchzusetzen. Das scheint die bisherige englische Erfahrung mit der im Jahre 2006 neu eingeführten Möglichkeit der vertraglichen Begrenzung der Abschlussprüferhaftung zu belegen.335 Der Berufsstand ist jedoch europaweit gemeinhin gut organisiert und einflussreich. Es steht daher nicht zu befürchten, dass sich etwaige Anlaufschwierigkeiten zu einem langfristigen Problem entwickeln. Aus juristischer Perspektive hat die vertragliche gegenüber der gesetzlichen Haftungsbegrenzung viele Vorteile: Sie ist insbesondere keine Privilegierung eines ausgewählten Berufsstandes, sondern trägt lediglich der Privatautonomie der Vertragsparteien Rechnung.336 Sie ermöglicht eine europaweit einheitliche Lösung, ohne dass die wirtschaftlichen Divergenzen ein Hindernis darstellten. Sie liberalisiert das Berufshaftungsrecht, anstatt eine immer weiterreichende Spezialisierung voranzutreiben. Friktionen zwischen einem europäisierten Abschlussprüferhaftungsrecht und den allgemeinen nationalen Haftungssystemen würden minimiert.337 Auch ökonomisch ist eine solche Lösung sinnvoll: der Prüfer und die prüfungspflichtige Gesellschaft können das durch einen konkreten Jahresabschluss verkörperte Risiko einschätzen und in einer vertraglichen Vereinbarung besser berücksichtigen, als dies eine generelle gesetzliche Regel zu leisten vermag. In einem Abschlussprüferhaftungssystem, das Haftungsbegrenzungen auf Grundlage einer vertraglichen Einigung ermöglicht, stellt sich die Frage, in welchem Umfang der Abschlussprüfer haftet, wenn die Vertragsparteien es 333
In Schweden ist eine Haftungsbegrenzungsvereinbarung nur wirksam, wenn Aktionäre, die mindestens 10% der Aktien halten, nicht gegen diese Vereinbarung stimmen. S.o. bei § 2, B. III. 2. b). 334 Differenzierend im Ergebnis jedoch a.A. W. Doralt/Hellgardt/Hopt/Leyens/Roth/R. Zimmermann, Comments on the European Commission Staff Working Paper, S. 6; dies., 67 Cambridge L.J. 62, 67 (2008). Ebenfalls a.A. mit dem Vorschlag, auf europäischer Ebene die Angemessenheit von vertraglichen Haftungshöchstgrenzen durch Formulierung bestimmter Standards zu konkretisieren Senninger, Harmonisierung, S. 247 f. 335 Hierzu s. Ferran, in: FS Hopt, S. 645, 649 sowie bereits oben bei § 4, D. II. 4. 336 In diesem Sinne auch Wölber, Abschlussprüferhaftung, S. 302. 337 Problematisch wäre eine vertragliche Lösung lediglich im französischen Recht, da die Haftung des Prüfers gegenüber seinem Mandanten hiernach nicht vertraglicher Natur ist. S.o. bei § 2, B. I. 2.
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unterlassen, eine vertragliche Einigung zu treffen oder wenn diese unwirksam ist. Üblicherweise greifen in solchen Fällen die allgemeinen Regeln ein, d.h. der Ersatzfähige haftet in voller Schadenshöhe. Es wäre jedoch erwägenswert, eine gesetzliche Haftsummenbegrenzung festzusetzen, die vertraglich abdingbar ist. Ein solches Modell existiert bislang noch nirgends in Europa.338 Der Unterschied zu einem rein vertraglichen Haftungsbegrenzungsmodell, wie es nunmehr im englischen Recht geregelt ist, besteht darin, dass die begrenzte und nicht die unbegrenzte Haftung eingreift, wenn die Vertragsparteien von einer entsprechenden Einigung absehen. Diese Variante der gesetzlichen Haftungsbegrenzung hätte den Vorteil, dass sie der Wertung der Kommissionsempfehlung339 – Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung für Abschlussprüfer – Rechnung tragen würde, ohne die Privatautonomie der Prüfer und der prüfungspflichtigen Gesellschaften zu beschneiden. Im Rahmen einer solchen disponiblen Höchstsummenregelung wäre es auch nicht weiter bedenklich, wenn diese das Schadensrisiko – bzw. das unterschiedliche Schadensrisiko unterschiedlicher prüfungspflichtiger Gesellschaften – nicht adäquat widerspiegeln würde. Es stände den Vertragspartnern frei, sich auf eine angemessene Risikoverteilung zu einigen, und der Verzicht auf diese Möglichkeit wäre ebenfalls von ihrer Privatautonomie gedeckt. Es böte sich daher eine verhältnismäßig einfache, mithin unproblematisch zu bestimmende und gut versicherbare Haftungshöchstsummenbegrenzung an. Aus Kompensationsgesichtspunkten sollte sie sich vorzugsweise an dem Risikopotential des Prüfungsmandanten (Börsennotierung, Größe etc.) orientieren.340 Wegen der lediglich untergeordneten Bedeutung einer disponiblen gesetzlichen Haftungshöchstgrenze bestände jedoch kein dringender Anlass, von den auf nationaler Basis bereits existierenden Höchstsummenbegrenzungen abzuweichen. Aus den vorgenannten Gründen erscheint ein vertragliches Modell der Abschlussprüferhaftungsbegrenzung, vorzugsweise auf Basis eines legislativen „Vorschlags,“ allen anderen Lösungen überlegen.
338 Einige Rechtsordnungen schreiben eine gesetzliche Haftunghöchstgrenze vor, stellen es den Vertragsparteien jedoch frei eine höhere Haftung zu vereinbaren (z.B. Österreich). Eine weitergehende, d.h. eine die Haftungshöchstsumme unterschreitende Beschränkung der Haftung hingegen ist gemeinhin nicht zulässig. Einzig in Polen ist nach der Gesetzesreform aus dem Jahre 2009 nunmehr eine Herabsetzung der absoluten Haftungshöchstsumme auf vertraglichem Wege mittelbar über das Prüfungshonorar möglich. Nach polnischem Recht ist jedoch eine Erweiterung der Haftung über die gesetzliche Haftungshöchstsummenbegrenzung hinaus nicht vorgesehen. Im Einzelnen s.o. bei § 2, B. III. 2. a). 339 Hierzu s.o. bei § 1, B. II. 3. m.w.Nachw. 340 S.o. bei § 6, C. I. 1.
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II. Vorschlag eines Abschlussprüferhaftungsmodells Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, existieren eine Reihe unterschiedlicher Varianten zur Gestaltung eines gleichermaßen ökonomisch sinnvollen und juristisch vertretbaren europäischen Abschlussprüferhaftungssystems. Folgende Lösung, die in Abwandlung der aktuellen Regelung im deutschen Recht illustriert werden soll, entspricht den im Rahmen dieser Untersuchung erarbeiteten Leitlinien: (1) Der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind der geprüften Gesellschaft bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Pflichtverletzung zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet. Mehrere Personen haften als Gesamtschuldner. (2) Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich auf eine Millionen Euro für eine Prüfung. Bei der Prüfung einer Aktiengesellschaft, deren Aktien zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, beschränkt sich die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, abweichend auf vier Millionen Euro für eine Prüfung. Dies gilt auch, wenn an der Prüfung mehrere Personen beteiligt gewesen oder mehrere zum Ersatz verpflichtende Handlungen begangen worden sind sowie ohne Rücksicht darauf, ob andere Beteiligte vorsätzlich gehandelt haben. (3) Gegenüber der geprüften Gesellschaft kann der Abschlussprüfer den Einwand des Mitverschuldens wegen einer Pflichtverletzung ihrer an der Aufstellung des Jahresabschlusses beteiligten Leitungsorgane nicht geltend machen. (4) Die Ersatzpflicht nach diesen Vorschriften kann durch Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft beschränkt werden. Eine solche Vereinbarung bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung der geprüften Gesellschaft, sofern sie die Haftung des Prüfers auf einen geringeren als den Abs. 2 vorgesehen Betrag beschränkt. Die Vereinbarung ist nicht wirksam, wenn Anteilseigner die gemeinsam mindestens 10% der Aktien halten, gegen sie stimmen. (5) Der Abschlussprüfer, seine Gehilfen und die bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft sind prüfungsvertragsfremden Dritten bei grob fahrlässiger Pflichtverletzung zum Ersatz des hieraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Ersatzpflicht von Personen, die fahrlässig gehandelt haben, beschränkt sich für die Summe aller Dritthaftungsansprüche auf den in Abs. 2 genannten Betrag für jede Prüfung. Eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft nach Abs. 4 entfaltet keine Wirkung für oder gegen den Schadensersatzanspruch eines prüfungsvertragsfremden Dritten.
Ergebnis und abschließende Betrachtung „The pure and simple truth is rarely true and never simple.“ Oscar Wilde
Ziel dieser Arbeit war es zu ermitteln, inwieweit eine Haftungsbegrenzung in Europa (erster Teil) ökonomisch sinnvoll (zweiter Teil) und juristisch vertretbar (dritter Teil) ist. Das Grundproblem der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung – das hat sich aus den verschiedenen Perspektiven in den jeweiligen Teilen immer wieder von Neuem gezeigt – liegt in der Doppelrolle des Prüfers begründet. Er ist in der Ausübung seiner beruflichen Pflichten im Spannungsfeld widerstreitender individueller und kollektiver Interessen angesiedelt: Zum einen steht er als Element der Corporate Governance zwischen Unternehmensleitung und -eigentümern des prüfungspflichtigen Unternehmens, zum anderen als Instrument der Kapitalmarktkontrolle zwischen dem Prüfungsmandanten und externen Kapitalmarktteilnehmern sowie der Allgemeinheit. Er muss daher als unabhängiger Sachverständiger auch im öffentlichen Interesse auftreten, obgleich er in nahezu allen EU-Mitgliedstaaten privatrechtlich durch die prüfungspflichtige Gesellschaft beauftragt wird und wie ein Unternehmer wirtschaftlich von seinem Mandanten abhängig ist. Aus dieser Situation erwachsen potentielle Konflikte zwischen den persönlichen Interessen des Abschlussprüfers und seinen gesetzlichen Pflichten (sog. moral hazard-Gefahr). Die Gestaltung seiner Haftung sieht sich vor diesem Hintergrund besonderen Herausforderungen ausgesetzt: Aus rechtsökonomischer Sicht dient die Haftung vor allem als Gegengewicht zu solchen Anreizen, die zu einer parteiischen oder nachlässigen Prüfung verleiten könnten. Sie soll Anreize für eine hohe Prüfungsqualität setzen und zudem das Vertrauen der Investoren in die Verlässlichkeit des Jahresabschlusses stärken (sekundäre/mittelbare Steuerungsfunktion). Hingegen kann ein zu hohes Haftungsrisiko die Rentabilität der Prüfertätigkeit und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung gefährden und in Zuge dessen den Wert vernichten oder mindern, den die Prüfung als Institution des Kapitalmarkts verkörpert. Juristisch drängt sich die Frage auf, wie sich die gesellschaftsübergreifende Bedeutung der Prüfung und das dem Prüfer entgegengebrachte berufsbedingte Ver-
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
trauen in seiner schadensersatzrechtlichen Verantwortlichkeit niederschlagen sollten. Relevant wird dieser Aspekt vor allem im Bereich der Dritthaftung, jedoch ebenfalls im Hinblick auf die vertragliche Abdingbarkeit und die gesetzliche Begrenzung seiner Haftung. Die Rechtslage in den Mitgliedstaaten unterscheidet sich insoweit teilweise erheblich. In einigen von ihnen ist die Haftung des Abschlussprüfers für Fahrlässigkeit durch gesetzlich festgesetzte Höchstsumme gedeckelt, in anderen ist sie vertraglich begrenzbar und in wieder anderen Staaten kann der Prüfer seine Haftung auch privatautonom nicht abbedingen, sondern haftet auf volle Schadenshöhe. Ähnlich heterogen ist das Bild im Bereich der Dritthaftung: In einer Reihe von Rechtsordnungen haftet der Abschlussprüfer grundsätzlich nur gegenüber seinem Mandanten, während eine Dritthaftung nur unter hohen Tatbestandvoraussetzungen (Vorsatz, besondere Pflichtenübernahme) eintritt. In anderen Schadensersatzrechtssystemen besteht eine umfassende Dritthaftung. Die ökonomische Betrachtung hat ergeben, dass in Anbetracht der hohen Haftungsrisiken und des insoweit unzureichenden Versicherungsschutzes eine Begrenzung der Abschlussprüferhaftung geboten ist, um die Prüfer insbesondere auf dem internationalen Prüfungsmarkt vor existenzbedrohenden Haftungsrisiken zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Jahresabschlussprüfung sicherzustellen. Eine solche Maßnahme scheint vordergründig in Konflikt mit der Präventionsfunktion der Haftung und ihrer qualtitätssteigernden Wirkung in Widerspruch zu stehen. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass dieser Konflikt zumindest teilweise auflösbar ist: Nicht lediglich hohe, sondern unvorhersehbar hohe und exorbitante Haftungsklagen stellen ein Risiko für den Prüfer dar. Der verhaltenssteuernde Effekt der Abschlussprüferhaftung hingegen baut vor allem darauf auf, dass die Schadensersatzpflicht (1) ein reales und persönliches Risiko darstellt (Effektivität des Haftungsrechts) und dass die Haftung (2) an ein für den haftungsrechtlich Verantwortlichen (tatsächlich) vermeidbares Verhalten anknüpft; insbesondere muss das Haftungsrisiko mit größerer Neigung zum Fehlverhalten steigen. Wenn (1) nicht gegeben ist, entfaltet Haftung allenfalls eine abgeschwächte Wirkung, und wenn (2) nicht gegeben ist, besteht das Risiko einer Überabschreckung, die sich negativ auf die Prüfungsqualität auswirken kann. Die Rentabilität der Prüfertätigkeit muss mithin ein vorhersehbares, d.h. gleichbleibendes und damit versicherbares Haftungsniveau gewährleisten, während die Feinregulierung des Schadensersatzrechts die verhaltenssteuernde Wirkung der Haftung zu konservieren vermag. Ergebnis des zweiten Teiles ist, dass aus ökonomischer Sicht ein Haftungssystem empfehlenswert erscheint, das die Haftung des Prüfers für fahrlässige Pflichtverletzungen auf einen gesetzlichen Höchstsummenbetrag begrenzt oder die vertragliche Vereinbarung einer solchen Summe zulässt. Hingegen folgt aus Gesichtspunkten der Ver-
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haltenssteuerung, dass ein (konkretes) Mitverschulden des Vorstands der prüfungspflichtigen Gesellschaft bei der Aufstellung des Jahresabschlusses keine haftungsmindernde oder gar haftungsausschließende Berücksichtigung finden darf. Eine begrenzte Dritthaftung scheint ebenfalls sinnvoll, um einem Interessengleichlauf zwischen Prüfer und Mandanten entgegenzusteuern. Bei vorsätzlichem Fehlverhalten muss eine Anwendung des Haftungsprivilegs ausgeschlossen sein. Die Effektivität der Haftung sollte durch die persönliche Haftung der an der Prüfung beteiligten Personen sowie die Verantwortung des bestellten Prüfers für seine Mitarbeiter1 gestärkt werden. Aus juristischer Warte sieht sich eine schadensrechtliche Haftungsbegrenzung aus Gründen der effektiven Verhaltenssteuerung einer Reihe von Kritikpunkten ausgesetzt. Im Ergebnis ist jedoch eine schadensrechtliche Haftungsprivilegierung aus Gründen des öffentlichen Interesses – nämlich des Schutzes der Jahresabschluss als Institution von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung – vertretbar, wenn die Haftungsregelung unter Berücksichtigung aller individuellen und kollektiven Interessen verhältnismäßig ist. Da die prüfungspflichtige Gesellschaft praktisch immer ein Mitverschulden trifft und die Prüfung zu ihrem wirtschaftlichen Vorteil erfolgt, ist eine Begrenzung der Haftung im Verhältnis zu ihr interessengerecht. Eine gesetzlich vorgeschriebene Haftungshöchstsummenbegrenzung, wie sie in einigen Staaten der EU bereits besteht, ist zudem als Ausgleich für die persönliche und vertragliche Haftung des Prüfers zu verstehen und insoweit keine reine Privilegierung, sondern auch partieller Ausgleich für ein besonders scharfes Berufshaftungsrecht. Die Dritthaftung kann aus europäischer Perspektive nicht einheitlich beurteilt werden, da insbesondere das allgemeine Schadensersatzrecht (Ersatzfähigkeit reiner Vermögensschäden) und die rechtliche Ausgestaltung der Prüferrolle zum Teil erheblich divergieren. Aus der Perspektive des deutschen Rechts ist eine durch hohe subjektive Voraussetzungen und einen engen persönlichen Schutzbereich begrenzte Abschlussprüferhaftung vorzugswürdig. Vertretbar und primär aus Gründen der Verhaltenssteuerung scheint es jedoch sinnvoll, die Dritthaftung des Abschlussprüfers auf grobe Fahrlässigkeit auszudehnen; eine solche Haftung müsste durch eine Höchstsummenbegrenzung gedeckelt sein, die sich auf die Summe aller Dritthaftungsansprüche (aus grober Fahrlässigkeit) bezieht. Die Gestaltung der Haftungsbegrenzung muss sich an Kriterien der Verhältnismäßigkeit orientieren. Der nationale Gesetzgeber hat insoweit einen weiten Gestaltungsspielraum. Die gesetzlichen Haftungshöchstsummen sind aus Kompensationsgesichtspunkten unterschiedlich gut geeignet. Allen Lösungen überlegen ist jedoch nach den Erkenntnissen dieser Studie eine Haftungsbegrenzung auf privatautonomer Basis.
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Sofern der Jahresabschlussprüfer eine Gesellschaft ist, muss diese gleichsam für ein Fehlverhalten ihrer gesetzlichen Vertreter haften.
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Eine vertragliche Haftungsbegrenzung hat aus ökonomischer Sicht den Vorteil, dass sich der Prüfer und die prüfungspflichtige Gesellschaft auf eine im konkreten Fall adäquate Haftungshöchstsumme einigen können. Ihre persönliche Einschätzung des Schadensrisikos dürfte meist zutreffender sein als eine verhältnismäßig grobe gesetzliche Risikokategorisierung. Aus juristischer Perspektive ist eine vertraglich begründete Haftungsbegrenzung insofern attraktiv, als sie keine Privilegierung des Berufsstandes bedeuten würde und vor allem die Einschränkung des Kompensationsinteresses der geschädigten Gesellschaft durch deren privatautonomen Verzicht auf Haftungsansprüche gedeckt wäre. Im Hinblick auf eine „Europäisierung“ des Abschlussprüferhaftungsrechts zeichnet sich die Liberalisierung des Berufsrechts dadurch aus, dass eine gemeinsame Rechtsentwicklung über die Staatengrenzen hinweg möglich würde. Die rechtlichen und wirtschaftlichen Bedingungen in den Mitgliedstaaten mögen sich zwar unterscheiden, die Akteure zumindest auf dem internationalen Markt für große börsennotierte Gesellschaften sind aber vielfach die gleichen. Ein solches vertragliches Haftungsmodell setzt freilich voraus, dass sich insbesondere die internen Interessenkonflikte zwischen Eigentümern und Leitern des geprüften Unternehmens nicht zu Lasten der Aktionäre in der vertraglichen Haftungsbegrenzungsvereinbarung niederschlägt. Entsprechende Zustimmungsvoraussetzungen und Publizitätspflichten sind daher erforderlich. In einem Haftungssystem, das die vertragliche Haftungsbegrenzung ermöglicht, stellt sich die Frage, welche Haftung eingreifen sollte, wenn die Parteien es unterlassen, eine entsprechende Vereinbarung zu treffen oder wenn diese unwirksam ist. Bislang in der EU noch nicht existent – jedoch erwägenswert – ist die Festsetzung gesetzlicher Haftungshöchstsummen, die vertraglich disponibel sind. Eine solche Regelung würde der gesetzgeberischen Wertung, der Vorzugswürdigkeit einer Haftungsbegrenzung, entsprechen. Zudem wäre eine alternativ eingreifende gesetzliche Höchstgrenze wegen der Vorhersehbarkeit des Haftungsrisikos, insbesondere einer nachträglichen richterrechtlichen Reduktionsklausel, vorzugswürdig, die andernfalls zumindest in Fällen einer unwirksamen Haftungsbegrenzungsvereinbarung zur Anwendung kommen müsste. Unterschiedliche Varianten eines Abschlussprüferhaftungsmodells können gleichermaßen ökonomisch sinnvoll und juristisch vertretbar sein. Besonders interessengerecht erscheint aus den vorgenannten Gründen ein Haftungssystem, das die Haftung des gesetzlichen Abschlussprüfers für Fahrlässigkeit auf eine Höchstsumme begrenzt, die sich am Risikopotential des Mandanten orientiert (Größe, Börsennotierung etc.). Vertragsfremden Dritten gegenüber besteht eine Haftung für grobe Fahrlässigkeit, die in der Summe aller Drittansprüche durch den gleichen Betrag begrenzt ist. Die Haftungsbegrenzung im Verhältnis zwischen Prüfer und prüfungspflichtiger Gesellschaft ist vertraglich abdingbar. Eine entsprechende Vereinbarung bedarf jedoch der Zustim-
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mung der Aktionäre und ist mit dem Jahresabschluss zu veröffentlichen. Die Haftungsprivilegierung findet bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Verantwortlichen keine Anwendung, ist jedoch nicht bereits durch das vorsätzliche Handeln anderer Personen ausgeschlossen. Ein Mitverschulden der geprüften Gesellschaft bzw. ihrer Organe mindert die Ersatzpflicht des Prüfers nicht. Die hier vorgeschlagene Haftungsregelung ist, wie gezeigt, nur einer von mehreren Ansätzen, um eine gleichermaßen ökonomisch sinnvolle und juristisch vertretbare Abschlussprüferhaftung zu gestalten. Ihr besonderer Vorzug liegt jedoch in dem Umstand begründet, dass die für das deutsche Recht konkretisierte Lösung in entsprechender nationalrechtlicher Abwandlung auch den Besonderheiten anderer europäischer Rechtsordnungen entsprechen und gleichwohl einen einheitlichen Rahmen für eine europäische Entwicklung bieten könnte. Es ist insbesondere denkbar, dass Frankreich und andere Rechtsordnungen mit einem umfassenden deliktischen Schutz reiner Vermögensschäden eine Dritthaftung des Abschlussprüfers auch bei einfacher Fahrlässigkeit aus Gründen der Kohärenz des Zivilrechts vorziehen. Über die adäquate, d.h. versicherbare, hinreichend abschreckende und angemessene Höhe der gesetzlichen Haftungshöchstsummenbegrenzung lässt sich ohnehin streiten. Sofern jedoch die Dritthaftungsansprüche überhaupt europaweit durch eine gesetzliche Höchstsumme begrenzt sind und die Haftung im Verhältnis zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft vertraglich gestaltbar ist, stünden jene Unterschiede einer gleichtaktigen Entwicklung des Haftungsrechts in der EU nicht entgegen. In der Zielharmonisierung der nationalen Gesetzgeber bei gleichzeitiger Liberalisierung des Berufshaftungsrechts liegt ein vielversprechender Weg für eine Europäisierung des Abschlussprüferhaftungsrechts.
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Register
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Register
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Ergebnis und abschließende Betrachtung
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Register
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Register Abdingbarkeit (der Haftung) siehe auch Haftungsbegrenzung (dispositive und vertragliche) − für Abschlussprüfer, 105, 106, 107, 109, 303 − für Angehörige vermögenssorgender Berufe, 302 − für Rechtsanwälte, 302 − für Steuerberater, 303 − für Wirtschaftsprüfer, 303 Abschlussprüfer − als agent (Corporate Governance), 15 − als Gesellschaftsorgan, 21 − als Informationsintermediär, 18, 115, 120 − als Krisenwarner, 11, 18 − als Person des öffentlichen Vertrauens (im polnischen Recht), 24, 59, 87 − als repeat player, 117, 133, 177 − als Torwächter, 115, 122 − als Vertrauensintermediär, 115, 118, 119, 225 − als watchdog, 28 − als whistleblower, 18, 62 − Begriffsverständnis, 4 − Doppelfunktion, 20, 25, 27, 28, 29 − gesellschaftsübergreifende Bedeutung/ Funktion, 21, 23, 25, 28, 84, 120, 316, 323 − öffentliche Funktion, 21, 22, 59 − öffentlich-rechtliche Stellung, 21 Abschlussprüferhaftungsrecht − außervertragliches, 55 − europäisches, 10 − Haftungsinstitute, 52 − Harmonisierung, 29 − in der modelltheoretischen Betrachtung, 114 − Kompetenz der EU, 10, 31, 35 − vertragliches, 55
− zwischen Vertrag und Delikt, 294 Abschlussprüferrichtlinie, 30, 35, 131 Abschlussprüfung − als Gütesiegel, 12 − als Instrument der Kapitalmarktkontrolle, 16 − drittschützende Wirkung, 22, 312 − Einführung (der Prüfungspflicht), 11 − Erstprüfung (Kosten), 130 − Folgeprüfung (Kosten), 130 − Informationsfunktion, 17 − öffentliche Funktion, 50 Abschreckungswirkung siehe Verhaltenssteuerung ad hoc-Mitteilung, 115 Adäquanz, 65 adverse selection, 123 Aktivitätsniveau, 189, 192, 202, 203, 204, 233 Alles-oder-Nichts-Prinzip, 249, 251, 252, 263, 271, 272 Allokationseffizienz siehe Effizienz Allokationsoptimum, 141 Allokationsschaden siehe Schaden Anns-Test, 79 Anreizwirkung siehe Verhaltenssteuerung Anspruchskonkurrenz (Abschlussprüferhaftung) − im deutschen Recht, 56 − im englischen Recht, 56 − im polnischen Recht, 57 − im schwedischen Recht, 56 Arbeitnehmerhaftung, 257, 259, 278, 310 Arbeitspapier der Europäischen Kommission, 37 Arzthaftung, 170, 277, 279, 309 astreinte, 253 Auskunftsvertrag, 67, 293 Avant-Projet, 254
354 Befangenheit, 121, 132 Bereicherungsverbot, 250, 252, 253 Beruf/berufliche Sachkunde − als Anknüpfungspunkt der Haftung, 287, 293, 305 − Haftungsrisiko, 288 − kollektives Interesse, 284, 286, 306 berufliche Leistung (Qualität/ Messbarkeit), 124 Berufsaufsicht, 286, 287 Berufshaftung, 286, 290, 293 Bestätigungsvermerks siehe Testat Big Eight, 214 Big Five, 33, 133, 177, 214 Big Four, 33, 36, 128, 207, 211, 213, 216, 221, 225, 229 Big Six, 214 Binnenmarkt (Prüfungsdienstleistungen), 30 Bonus-Malus-System, 181 business audit, 12, 131 cap siehe Haftungshöchstsummenbegrenzung Caparo-Urteil, 80, 108 captives, 209, 212, 218 Caroline v. Monaco-Rechtsprechung, 254 casum sentit dominus, 156, 160, 175, 269, 277 cheapest cost avoider, 159 Coase-Theorem, 148 common law, 50 Companies Act 1985, 107 Companies Act 2006, 43, 107, 108, 237 consideration doctrine, 77, 292 Contracts (Rights of Third Parties) Act 1999, 77 Corporate Governance − externe, 15 − interne, 14 − Rolle des Abschlussprüfers, 15 deep pocket-Syndrom, 32, 102, 160, 196, 204 defensive auditing, 38, 184, 289 deliktsrechtliche Generalklausel siehe Haftungsgeneralklausel Dichotomie (Haftungsrecht), 290, 291, 297, 298
Register Dienstleistungsfreiheit (Abschlussprüfer), 30 disclaimer, 13 distributive Gerechtigkeit siehe Verteilungsgerechtigkeit Draft Common Frame of Reference, 260 Dritthaftung, 66 − als Versicherung, 231 − aus § 311 Abs. 3 S. 2 BGB, 74 − aus Auskunftsvertrag, 67, 70 − aus juristischer Perspektive, 311, 316 − aus ökonomischer Perspektive, 166 − aus rechtsökonomischer Perspektive, 168, 200, 235 − Expertenhaftung, 69 − gesamtschuldnerische, 197 − Haftungsrisiko, 301 − nach §§ 823, 826 BGB, 67 − nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung, 72 − nach deutschem Recht, 66 − nach englischem Recht, 77 − nach französischem Recht, 84 − nach polnischem Recht, 85 − nach schwedischem Recht, 76 − proportionale, 197 − Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte, 70 − Vertrauenshaftung, 72 duty of care, 79, 80, 83 Efficient Capital Market Hypothesis (ECMH) siehe Hypothese der Kapitalmarkteffizienz Effizienz − Allokationseffizienz, 141, 148, 152, 203 − als Bewertungsmaßstab, 145 − als Kompromiss, 161 − als Rechtsprinzip, 152, 243 − funktionale, 203 − in der Abschlussprüferhaftung, 137 − Kapitalallokationseffizienz, 17 − nach dem Kaldor/Hicks-Kriterium, 147 − nach dem Pareto-Kriterium, 147 − Verteilungseffizienz, 141 Effizienzthese (Coase), 149 Empfehlung der Europäischen Kommission, 39 Enron-Affäre, 33, 113, 133, 177, 219
Register Erwartungslücke, 11, 25 exemplary damages, 253 expectation gap siehe Erwartungslücke Expertenhaftung siehe auch Berufshaftung − nach deutschem Recht, 69 − nach französischem Recht, 85 Expertise siehe Beruf/berufliche Sachkunde externe Effekte/Kosten, 148 familiäre Beziehungen (Haftung), 259, 262 Feinregulierung, 202 financial audit, 12 fly-by-night-risk, 186, 205, 289 forseeability, 80 fraternité, 84 Freiberufler siehe freie Berufe freie Berufe, 284, 285, 286, 295 Full Service-System, 130 Funktionsschutz, 170, 202, 229, 288 Gefälligkeitsverhältnisse (Haftung), 259, 262 Geldtauschgemeinschaften (Weizsäcker), 145 GEMA-Rechtsprechung, 254 gerichtliche Kontrolle (Haftungsvereinbarung), 237 Gesamtschuld − Abschlussprüfer und geprüfte Gesellschaft, 102 − Abschlussprüfer und geprüfte Gesellschaft, 103, 196 − als Gegensatz zur Proportionalhaftung, 97 − Prüfungsgesellschaft und -partner, 296, 303 Geschäftsbindungswille, 70 Grenzkosten der Sorgfalt, 159, 174 Großrisiko mit geringer Frequenz, 124 Grünbuch − zum weiteren Vorgehen im Bereich der Abschlussprüfung (2010), 131, 136 − zur Rolle, Stellung und Haftung des Abschlussprüfers (1996), 32, 34, 41
355 Haftung − gesamtschuldnerische siehe Gesamtschuld − in solidum siehe Gesamtschuld − proportionale siehe Proportionalhaftung − überkompensatorische, 253, 255, 262, 273 − Übermaßhaftung, 165, 166, 176, 180, 184 − unterkompensatorische, 255 Haftungsausdehnung, 273 Haftungsausschluss (vertraglich) siehe Haftungsfreizeichnung Haftungsbegrenzung − Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 Rom I-VO, 103 − disponible siehe dispositive − dispositive, 110, 155, 166, 246, 310, 326 − für Abschlussprüfer in der EU, 87 − gesetzliche, 87, 236 − höchstsummenbegrenzte siehe Haftungshöchstsummenbegrenzung − proportionale siehe Proportionalhaftung − vertragliche, 104, 236, 317 Haftungsdeckelung siehe Haftungshöchstsummenbegrenzung Haftungserweiterung (vertragliche) − nach deutschem Recht, 105 − nach österreichischem Recht, 105 Haftungsfolge, 60, 251, 253, 255, 272 Haftungsfonds, 91, 236 Haftungsfreizeichnung, 106, 109, 255, 277, 296, 302, 304 Haftungsgeneralklausel, 50, 79, 82, 83, 292 − im französischen Recht, 51, 53, 84 − im polnischen Recht, 54, 58, 86 − im schwedischen Recht, 76 Haftungsgrund, 5, 47, 60, 87, 249, 251, 253, 255, 261, 269, 271, 272, 279, 289, 290, 293, 299 Haftungshöchstsummenbegrenzung − absolute, 87, 88 − Anwendbarkeit auf Ersatzansprüche Dritter, 90 − aus juristischer Perspektive, 315 − aus rechtsökonomischer Perspektive, 198, 234
356 − für Abschlussprüfer in der EU, 88 − nach belgischem Recht, 88 − nach deutschem Recht, 88 − nach griechischem Recht, 88, 90 − nach österreichischem Recht, 90 − nach polnischem Recht, 88, 90 − nach slowenischem Recht, 88 − relative, 87, 90 Haftungsniveau, 37, 173, 186, 187, 202, 234 Haftungsprivilegierung, 262, 271, 272, 289, 300 − als Ausgleich für besondere Haftungsrisiken, 288, 289, 306 − Systemwidrigkeit, 242, 249, 258, 264, 282 − und Kompensationsfunktion, 264 − Verhältnismäßigkeit, 273, 281 Haftungsrisiko, 300, 301 − als Ausgleich/Gegengewicht (moral hazards), 136 − als quality driver, 44 − auf den europäischen Prüfungsmärkten, 206 − bei effizienter Sorgfalt, 179 − bei Haftungshöchstsummenbegrenzung, 227 − bei hoher Unabhängigkeit, 179 − der Abschlussprüfer, 208, 211 − der Prüfungspartner, 212 − der Vorstandsmitglieder, 197, 198 − Differenz zum Schadensrisiko, 181 − Dritthaftung, 42, 48, 74, 85 − Gefahren, 170 − internationales/transatlantisches, 223 − subjektives, 182 − und Reputationsrisiko, 178, 179 − und Sozialschadensrisiko, 168, 176, 178, 198 − als Ursache hoher Marktkonzentration, 216, 217 − Versicherbarkeit, 37, 209, 211, 213, 227 homo oeconomicus, 143, 151, 174 Hypothese der Kapitalmarkteffizienz, 15 IDW-Prüfungshinweise, 62 IDW-Prüfungsstandards, 62 in solidum siehe Gesamtschuld
Register independence in appearance siehe (äußere) Unabhängigkeit independence in fact/of mind siehe (innere) Unabhängigkeit Individualschaden siehe Schaden Informationsasymmetrie − auf dem Kapitalmarkt, 17 − auf dem Prüfungsmarkt, 124 − zwischen Freiberufler und Auftraggeber, 124 Informationsfunktion (Abschlussprüfung), 17 Informationsintermediär, 18, 19, 28, 115, 120 Insolvenzmodell, 91 intentional torts, 78 Interessenasymmetrie (Prüfungsmarkt), 125 Internalisierung externer Effekte/Kosten, 148, 174, 176 International Standards of Accounting, 62 Invarianzthese (Coase), 149 Jahresabschlussprüfer siehe Abschlussprüfer Jahresabschlussprüfung siehe Abschlussprüfung Kaldor-Hicks-Kriterium, 146 Kapitalmarktkontrolle, 15, 126 kardinale Nutzenmessung, 146 Kompensationsfunktion, 264, 265, 267 konkludenter Auskunftsvertrag siehe stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag Kosten − der Abschlussprüfung, 161 − der Schadensabwicklung, 171 − der Schadensumwälzung, 157 − der Schadensverlagerung, 230 − der Schadensvorsorge, 168 − des Reputationsverlusts, 169, 178, 179 − des Schadenseintritts, 157 − ex ante-Schadenskosten, 178 − externe, 148 − mangelnden Vertrauens, 231 − Primärkosten, 159 − Primärkosten der Abschlussprüfung, 162, 172
Register − private, 148, 168, 176 − Schadenskosten (Kategorien), 159 − Sekundärkosten, 159 − Sekundärkosten der Abschlussprüfung, 170, 172 − soziale, 148 − Systemkosten, 230 − Tertiärkosten, 160 − Tertiärkosten der Abschlussprüfung, 171, 172, 230 Kosteninternalisierung siehe Internalisierung externer Effekte/ Kosten Kostenweitergabe, 181 Learned Hand-Regel, 174 London Economics-Studie, 4, 36, 37, 41, 43, 170, 171, 186, 187, 191, 197, 209, 210, 212, 213, 214, 215, 217, 226 low balling, 128, 130 market for lemons (Akerlof), 122 Marktkonzentration (Prüfungsmärkte), 213, 218, 222 Marktzutrittsschranken (Prüfungsmärkte), 215, 228 Massenschäden, 201, 205, 228, 300 mechanische Gesellschaft (Durkheim), 284 meddlesome preferences, 145, 154 mimic the market, 151 Minderjährigenhaftung, 259, 262, 275 Mitverschulden, 259, 276, 307 − Arbeitnehmerhaftung, 257 − der geprüften Gesellschaft/ihres Vorstands, 97, 102, 308 − des geschädigten Dritten, 101 − verminderte Abschreckungswirkung, 195, 196 monitoring, 134 moral hazards, 119, 129, 183, 197, 198, 202, 235 neminem laedere, 23, 84 Netzwerk siehe Prüfungsnetzwerk Nichtprüfungsdienstleistungen, 130 Niederlassungsfreiheit (Abschlussprüfer), 30
357 non-audit services siehe Nichtprüfungsdienstleistungen non-cumul, 58, 59, 292 Nutzen − interpersonale Vergleichbarkeit, 146 − kardinale Messbarkeit, 146 − Nutzenmaximierung, 140, 143 − ordinaler Nutzenbegriff, 146 Öffentliche Konsultation der Europäischen Kommission, 37, 38, 62 ökonomische Analyse des Rechts − Begriff/Entwicklung, 112, 138 − der Abschlussprüferhaftung, 112, 154 − Grundkonzept, 138 − Kritik, 152 − normative, 140, 154 − positive, 139, 153 Oligopol (Prüfungsmarkt), 128, 219, 222, 223, 225, 226, 237 one-size-fits-all-approach, 37, 41, 45 organische Gesellschaft (Durkheim), 284 overdeterrence, 176, 184, 196, 201 Oxera-Studie, 215, 224, 226 Pareto-Kriterium/pareto-effizient, 146, 147 peer review, 134, 222 persönliche Haftung, 183, 295, 300, 303, 305, 310, 325 Pflichten des Abschlussprüfers − absoluter Charakter (im polnischen Recht), 59 − Aufdeckung von Verstößen gegen Anzeigepflichten, 62 − Aufdeckung von Straftaten, 12, 62 − Meldung drohender Insolvenz, 62 − Risiko- und Chancenbewertung, 12, 19 Pönalfunktion, 244, 251, 253 Präferenzordnung, 144 Prävention siehe Schadensprävention Präventionsfunktion, 33, 34, 114, 157, 158, 250, 253, 254, 256, 265, 273, 324 Präventionswirkung, 180, 181, 182, 186, 266 Primärkosten siehe Kosten Primärmarkt, 166 principal/agent-Konflikt, 14, 114, 308 Prioritätsprinzip, 91
358 Privatautonomie, 246, 266, 294, 297, 298, 299, 302, 310 private enforcement-Argument, 193, 201, 246 privity letters, 232 privity of contract, 77, 292 property rights, 148, 149, 151, 155 Proportionalhaftung − aus juristischer Perspektive, 315 − aus rechtsökonomischer Perspektive, 188, 235 − Begriff, 94 − des Abschlussprüfers in der EU, 94 − nach Verschuldensanteil, 95, 97, 195, 265 − nach Verschuldensschwere, 95, 96, 188, 251, 255 − nach Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung, 94 − vertragliche, 95 Prüferrotation siehe Rotation Prüfungsbericht, 13 Prüfungsnetzwerke − Begriff, 207 − Haftungsrisiko, 194, 206, 207 − mittelständischer Abschlussprüfer, 215, 218 − Rückversicherung, 210 Prüfungsqualität, 173 − Begriff/Voraussetzungen, 120, 134 − Optimierung, 162 − und unbegrenzte Haftung, 266, 289, 324 − Wert, 126 punitive damages, 250, 253, 262 Qualität siehe Prüfungsqualität quality driver (Haftung), 37, 44 Quasirenten, 130, 133, 177, 178, 198 Quasirentenmodell (DeAngelo), 129 Rationalität, 143 Reduktionsklausel, 256, 259, 260, 272, 274, 278 reine Vermögensschäden − aus rechtsökonomischer Perspektive, 162, 166 − Ersatzfähigkeit nach deutschem Recht, 291, 301
Register − Ersatzfähigkeit nach englischem Recht, 77, 291 − Ersatzfähigkeit nach französischem Recht, 84 − Ersatzfähigkeit nach schwedischem Recht, 291 − lückenhafter Schutz, 312, 313 Relativität des Vertragsverhältnisses, 299 REM-Hypothese, 143, 145, 152, 182, 191 repeat player siehe Abschlussprüfer Reputation − als Gegengewicht, 133 − Reputationsempfindlichkeit, 183 − Reputationskapital, 117 − Reputationsverlust. siehe Kosten − Reputationsverlustsrisiko, 179 − Wert, 117, 120, 126, 133, 177, 179 Ressourcenschaden siehe Schaden risikoavers/Risikoaversion, 203, 230, 234 risikoneutral/Risikoneutralität, 203, 205, 227, 229, 232 Rotation − externe, 135, 136 − interne, 135 Rückversicherung, 210 Sammelklagen, 5, 181, 195 Schaden − Allokationsschaden, 164, 167 − als Haftungsvoraussetzung, 64 − Individualschaden, 163, 164, 165, 176 − Prüfungsfehlerschäden (Kategorien), 164 − Ressourcenschaden, 163, 164, 175 − Sozialschaden, 163, 164, 165, 176, 178, 179 − Umverteilungsschaden, 163, 164, 175 − Vertrauensschaden, 165, 167 Schadensabnahme, 267 Schadensdistribution siehe Schadensverteilung Schadensersatzrecht − als Mittel der Effizienzsteigerung, 155 − als Mittel der Verhaltenssteuerung, 158 − als Mittel zur Internalisierung externer Effekte/Kosten, 158, 165 − Funktion, 137, 155, 156, 158, 265, 267, 269 Schadensidentität, 165, 176
Register Schadensinternalisierung siehe Internalisierung externer Effekte/Kosten Schadenskosten siehe Kosten Schadensprävention, 134, 156, 161, 173, 195, 202, 242, 253, 255, 267, 274 Schadensrisiko − berieblich veranlasster Tätigkeiten, 258 − des Abschlussprüfers, 310 − Differenz zum Haftungsrisiko, 181 − effiziente Verteilung, 229 − faktisches, 300 − fehlerhafter Kapitalmarktinformationen, 203 − Konzentration, 170 − privates, 179 − Restschadensrisiko, 192 − soziales, 178 − Versicherbarkeit, 211 − Vorhersehbarkeit, 228 Schadensstreuung, 160, 161, 203 Schadensteilung, 248, 257, 262, 282 Schadenstragungskapazität, 203 Schadensverteilung, 202 − durch Haftung, 203 − durch Versicherung, 51 Schutzgesetze i.S.d. § 826 BGB, 68 Schutzpflichten siehe auch duty of care, 83 Schutzwürdigkeit − der geprüften Gesellschaft, 307 − des Geschädigten, 276, 280 − des Schädigers, 275 Sekundärkosten siehe Kosten Sekundärmarkt, 166 shareholder-orientierte Marktwirtschaft, 15 sine-qua-non-Formel, 65 Sittenwidrigkeit (Abschlussprüferhaftung, § 826 BGB), 68 Societas Europaea, 31 Sorgfaltsniveau/-maßstab, 62, 159, 167, 183, 190, 192 Sozialschaden siehe Schaden stakeholder-orientierte Marktwirtschaft, 16 stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag, 70 Straffunktion siehe Pönalfunktion
359 strikte Haftung, 189 Strukturrichtlinie, 29, 31 sufficient relationship of proximity, 79, 80 Synergieeffekte (Prüfung und Beratung), 131 Synergieeffekte (von Prüfung und Beratung), 28, 178 Systemkosten siehe Kosten Systemwidrigkeit (Haftungsbegrenzung), 242, 249, 258, 264, 282 Tertiärkosten siehe Kosten Testat, 12, 74 Testo unico della intermediazione finanziaria (italienisches Finanzvermittlungsgesetz), 53 Thieffry-Studie, 33 third-party enforcement strategies, 116 tipping point siehe Toleranzgrenze Toleranzgrenze, 211, 212 tort of negligence, 78, 79, 292 Torwächter siehe Abschlussprüfer Totalreparationsgebot, 250, 252, 255, 257, 258, 261, 263 transaction-Test, 81 Transaktionskosten − der Güterallokation, 150 − der Haftungsbegrenzungsvereinbarung, 298 − des Mandantenwechsels, 130 − des Schadensausgleichs siehe auch Tertiärkosten, 160 Transparenz (Kapitalmärkte), 18 Trennung von Eigentum und Herrschaft, 14 Trennungsgrundsatz (Schadensersatzrecht), 249, 250, 251, 253, 258, 261 Trennungsprinzip siehe Trennungsgrundsatz two-tier-model, 15 Überabschreckung siehe overdeterrence Übermaßhaftung, 165, 166, 176, 180, 184 Umverteilungsschaden siehe Schaden Unabhängigkeit − äußere, 121 − Begriff/Voraussetzungen, 121 − innere, 121
360 − mangelnde Unabhängigkeit (Ursachen), 129 underdeterrence, 177, 196 Unternehmens(leiter)kontrolle siehe Corporate Governance Urteilsfähigkeit, 134 Urteilsfreiheit, 134 ustawa o biegłych rewidentach (polnisches Abschlussprüfungsgesetz), 43, 54, 86 Utilitarismus (Bentham), 151 Verhaltenssteuerung − als Aufgabe des öffentlichen Rechts, 244 − als Aufgabe des Privatrechts, 242, 244 − auf dem Aktivitätsniveau, 192, 194, 202, 203, 233 − durch Abschlussprüferhaftung, 173 − Effektivität, 180 − mittelbare Steuerungswirkung, 193, 196 − Wirkung des Rechts, 151 Verhältnismäßigkeit − eines Haftungsprivilegs, 273, 281 − als Grundsatz des Haftungsrechts, 271 − als Grundsatz des Zivilrechts, 269 − unbegrenzter Abschlussprüferhaftung, 299 vermögenssorgende Berufe, 302 Verschulden (als Haftungsvoraussetzung), 63 Verschuldensgrad, 188 verschuldensproportionale Haftung siehe Proportionalhaftung nach Verschuldensanteil Versicherung − als Mittel der Risikostreuung, 181 − Berufspflichtversicherung, 181, 204 − D&O-Versicherung, 198 − durch Haftung, 171 − gegen Bilanzbetrug, 27 − Selbstbehalt, 198
Register − Versicherungsprämien, 210 − Versicherungsschutz für Abschlussprüfer, 209 Versicherungsfunktion, 266 Verteilungseffizienz siehe Effizienz Verteilungsgerechtigkeit, 141, 170 vertragliche Haftungsbegrenzung, 104 − nach deutschem Recht, 106 − nach englischem Recht, 107 − nach französischem Recht, 109 − nach polnischem Recht, 105 Vertrauen − als Mittel der Kostenreduktion, 119 − berufsbezogenes, 285, 288 − besonderes Vertrauen i.S.d. § 311 Abs. 3 S. 2 BGB, 74 − generalisiertes, 285 − in der arbeitsteiligen Gesellschaft, 285 − persönliches, 285 − Schutz durch Haftung, 230 Vertrauensintermediär, 118, 119, 225 Vertrauensschaden siehe Schaden Vertriebseffizienz (Kapitalmarkt), 17 Wettbewerbsbeschränkungen (freie Berufe), 286 whistleblower, 18, 62, 116 Windhundrennen, 91 Wohlfahrt, 140, 146 − Wohlfahrtsoptimum, 140 − Wohlfahrtsverluste (Kategorien), 159 Zehn-Punkte-Aktionsplan der Europäischen Kommission, 33 Zeittauschgemeinschaften (Weizsäcker), 145 Zielharmonisierung, 30 Zwei-Fonds-Modell siehe Haftungsfonds Zwei-Stufen-Test siehe auch Anns-Test, 79